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Full text of "Soziale Praxis 8.1898-99"

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ANNEX 

LIBRARY 

c 

026675 


THE LIBRARY 

OF THE 

NEW YORK STATE SCHOOL 
OF 

INDUSTRIAL AND LABOR 
RELATIONS 



AT 

CORNELL UNIVERSITY 









Soziale praris. 

($entra£MafI für giogiafpoittifi 

mit ber 3Ronat8beilage: 

m 

5)ct» Q$ewevbeQßvidjt , 

Organ öes Ocrßanöes öeutfdjer ©etoer&egeridjte. 


|leue folgt btr „glätter fftr fojiolt groris“ uitb bts „gojifllpolitifdjfn ®tntralM«tts“. 


Herausgeber: 

Dr. <$rttß Jntttrfu 

in Serlin. 


& 

VIII. gnljrgtwg. 

©fttoßer 1898 Bis geptem&ev 1899 . 


Qttjf ß&$( und dHuforenregtfftr. 


PROPERTY CF L PPARY 

r r "' vc::; r;-- f::?ol x 
INCU f .,:j. / : \.HK\m 

—ccr;.:;ll UwiVersitY 


fettig 1899 . 

SSerlag uon Wunder & £ u m b I o t. 





|nljflUs-Drrjriit)ni| 


I. $ndj'$cgtßer. 

©ie mit * bereitenden Beiträge finb leitenbe Auffäfce. 


Spalte 


Arbeiterbewegung, Hu« ber Berliner — 

71. 704. 1292. 1319. 1348 
AbenbfortbilbungSfd&ulen in fionbon 1898 605 
Abenbfurfe, Äfabemifcbe — in greiburg i.B. 166 
Atbtftunbenbeweguug, 3mr — in ©nglanb 851 
Acbtftunbentog imSifenbabnwefen BagernS 886 

— in franjöj\fcben Staatsbetrieben . . .1841 

— für bie fiäbtifc^en ÄanalifationSarbeiter 

. in Bari«.870 

— für ©emeinbearbeiter in Aotbbale . . 563 

— ber gemeinblid)en Arbeiter in ©eftbarn 

4 (Sonbon) ..673 

— für bie Äobletibergleute in Amerifa . 589 
—, ©et — in ben SWarinebetrieben in 

Amerifa.411 

—■ »gl 3?bnflunbentag, Biajimalarbeitstag, 
AormalarbeitStag. 

Acbtftünbiger Arbeitstag, Urteeil eines 
rufftfcf)en gabrifanten über ben — . 1075 
Hcbtubrlabenfcblufc, ©er — unb bie $Hein- 
Taufleute.341 

— ogl. Sabenfcblufc, Aeunubr-flabenfcblufj. 


Herste - Streif bei ber DrtSfranfenfaffe 

ffolmar i. ©.483 

Herstetag, Befcblüffe beS beutfdjen — s u 

ben BerficberungSgefefeen.822 

AersteoereinSbunb, ©er beutfd^e — unb bas 

feranfenserrt^erungsgefeb.508 

Herstewabl, greie — in ben ffranfenfaffen 598 

Hftiengefellfcbaften, ©penben ber beutfcben 

— für Arbeiter.546 

HtfoboliSmuS unb ©terblicbfeit . ... 548 

— unb Berbredjen in granfreicb . . .1268 

—, ©rfolg ber Bewegung su* Befämpfung 

beS — in Belgien.661 

HÜiansoerbänbe, ©emerbficfje — ... 192 

HIterSpenfion ftatt Hrmenoerforgung in 
Bonbon.1881 


HUerSpenjionen für Arbeiter in ©nglanb . 90 

— für bie ©emeinbearbeiter in Baris. . 1077 
HlterSpenjionS-Borfcbläge in ©nglanb . . 1247 
HlterSoerficberung, ©er ©tanb ber Unfall-, 

3noalibitätS- unb — in ©eutfrfjlanb 

1897 . 391—893 

—, ©a« Bwblent ber — in ©nglanb . . 282 

—, ©nquete über bie — in ©nglanb . . 812 

—, ©nquete für eine — in Belgien . . 288 

— in Aeu-Seelanb.75 

— ogl. ÄlterSoerforgung, gnualibitäts- 
oetft<berung. 

HlterSoerficberungSgefeb, AooeHe sum 3n* 

oalibitätS- unb —.73 

HlterSoerficberungSfaffe, Staatliche — in 

granfreicb. 120 

HIterS* unb SnoalibitätSoerftcberung, Wo¬ 
llene sur —.120 

, ©ie — in ben Aieberlanben. Bon 
Dr. 3. $. oan Santen . . . 135—137 

—, Antrag auf ©infüfjrung einer aUge- 

meinen — in Defterreidj.282 

HlterSoerforgung, ©ie freiwillige — ber 
Arbeiter burcb bie Arbeitgeber . . . 258 

— von ©emeinbebeamten in ©laSgow unb 

©artmoutb.950 


Spalte 

ÄlterSoerforgung, ©in B*oiefl über — beS 
nieberen Boft* unb ©elegrapbenper- 
fonals in granfreicb.283 

■ in Defterreicb, ©ie grage ber — . . 1086 

ber Brioatbeamten in Defterreicb . . 1225 

■ ber ©ifenbabnarbetier in Ungarn . . 854 
für weibliche ©ienfiboten in Defterreicb 120 
unb Armenfürforge in önglanb . . . 1178 

, ©ie grage ber — in ©nglanb 282.312. 

670. 708 766. 843. 929. 1178 


— ogl. AlterSoerficberung, 3noalibitätS» 
oerftd&erung. 

ÄlterSoerforgungSgefefc in Aeufeelanb . . 544 
Alters* unb 3noalibenoerforgung, Statut 
für bie — ber ftäbtifcben Soljnarbeiter 
in Stuttgart.221 

— für ftäbtifdje Arbeiter in Ulm . . . 1002 

Amt für Arbeiterftatiftil, Äoften beS — in 

Defterreicb.334 

Angeftellte brr BerfebrSanftalten, ©rbebung 
beS BereinS für ©osialpolitit über bie 
Berbältniffe ber —.10 

— ©djufc ber — in Sabengefcbäften . . 476 

—, ©efe&entwurf, betreffenb ben Schüfe ber 

— im $anbelsgeroerbe.112 

— in Bäben, Scfeufemaferegeln für bie — 

unb bie ©efefilfenoerbänbe .... 769 

*—, Schüfe ber — in offenen Sabengefdjäf» 


—, Schüfe ber — in Sabengefcbäften . . 174 
—, fcanbelsfcfeule für weiblicfee — in $am- 

bürg.1260 

—, Kölner Berein weiblicher — ... 1107 

— ogl. $anbelsangeftellte, SabenangefteÜte. 
Anlagen sur görberung ber Snbuftrie, kom¬ 
munale —. 1266 

Hnfiebelung non Arbeitern unb Tleinen 

Seuten auf bem fianbe.1120 

AnfteflungSoerfeältniffe, Sohn- unb — ber 
Arbeiter ber f<bweiserifcfeen BunbeSoer- 

roaltung ..1047 

Anftreicfeer unb oermanbte BerufSgenoffeu 
©eutfcfelanbS, ©ie Bereinigung ber 

SRaler, Sacfirer, —.172 

Anträge, Sosialpolitifcfee — im AeicfeStage 191 
AmoaltStag, AetcfeS-Bergefefe unb ©eut- 

fcfeer -.1814 

♦Anseidjen, ©ünftige — .... 433-486 

Apotfeefen, Boqfottirung oon — burcfe 

ArbeiterTranfenfaffen .455 

—, Bogfottirung oon ©iener — ... 483 

Arbeit, Unterftü&ung burcb — in ßüttidj . 787 
—, ©ntwurf etnes ©efefeeS über bie — 
erwacfefener ©änner in ben Aieberlan- 
ben. Bon Dr. 3-uan Santen 808—804 
—, Drganifation ber —. Bon Dr. ©. 


—, Drganifation ber — . . . . . 669 

Arbeiter, grembfpratbliebe — in Abein- 
lanb-©eftfalen .... 252. 541. 1291 
—, ©ommerferieit für ftäbtifebe — in 

Berlin.1146 

—, Besorgung fiäbtiftber — in Stuttgart 1194 

— unb Stommunalpoliti! in ©nglanb . .1146 

— unb Aegierenbe in granfreicb ... 443 

— in ftäbtifeben Betrieben, Organifationen 

ber —.413 


Spalte 

Arbeiter, Beteuerung auSlänbifd&er — in 
granfreieb. 886. 446. 756 

— in ber „Xbemfe-öifemoerf* unb ScbiffS- 

bau-@efellfcbaft* su Bonbon, Unter¬ 
nehmer unb —.685 

—, ©in britiföeS Urteil über beutfdje — 1049 
—, ©«blimrne Bage ber — am Simplon 

tunnel.663 

ArbeiterauSfdiüffe unb ArbeitSorbnung in 
ben ftäbtifeben ftanalifationSwerfen su 

Berlin.477 

—, Äeine — für ftäbtifebe Arbeiter in 

Seipsig . . .408 

—, bet ben bagerifebeit ©taatsbaljnen . . 276 
ArbeiterauSfperruug, ©ie gro&e — in ©äne- 
marT. 1001—1006 

— ogl. BlajfenauSfperrung, AuSfperrung. 
Arbeiterbäber in fiaatlicben BetriebSftätten 1129 
Arbeiterbeifiber, Aationaler Hongrefi ber 

— in ben fransöftfeben ©emerbege- 

riebten.1205 

♦Arbeiter-BerufSgenoffenfebaflen, ©ie — in 
granTreieb- Bon Dctaoe geftg 1887—1389 
ArbeiterberufSoereine unb Barteipoliti! . 727 

— ogl. ÄoalitionS-, BereinS-, Berfamm- 
lungSreebt, BerufSoereine. 

Arbeiterbewegung, 3ur — . . . 1171—1173 

—, ©ie Aeebtfpreebung unb bie — . . . 1048 

—, AuS ber englifcben —; bie ©tuefatur» 
Arbeiter unb bie ©ptnner .... 587 
—, Aus ber fatbolif<ben — in ©eutftblanb 146 

— in Boris.679 

— in Aufftftb B°lfu.1270 

— ogl. AuSftanb, ©treif, ArbeitSlämpfe. 
Arbeiterbelegationen auf ber ©eltauS- 

fteflung 1900, gransörtfebe — . . . 1378 

Arbeiterfürforge bei ben preufeifibenStaatS- 
babnen.260 

— in JTöln.407 

— ogl. gürforge. 

Arbeiter- $auSbaltungSbubgetS, ©ürttem- 

bergif^e — . ..844 

Arbeiterbäufer, ©taatli<be görberung beS 
Baues oon — in Ungarn .... 62 

—, ©obnungSnotb unb — in ©ien. Bon 
§einr. Ablcr.514-616 

— ogl. Arbeiterwobuungen. 

»Ärbeiterbetm", Berein — in Bielefelb . 124 
Arbeiterinnen, Drganifation ber — in 

Bubapeft.692 

Arbeiterinnenfougref}, Belgifcber — . . 1174 

Ärbeiterinnen-Scbub, 8 um — .... 370 

— im englifcben §anbelsgewerbe . . . 1055 

Arbeiterinfiitut s u Stocfbolut.22 

Arbeiterinoaliben, ©täbtifebe ©erTftätten 

für — in Bari«.10. 887 

Arbeiterfammer, ©tabtratb unb — in 3üricb 477 

— ogl. ArbeitSfammer. 

Arbeiterfammern. 36. 64—66 

Arbeiterfolonie, Berein für bie Berliner 

- 1898 796 

—, Aeue — bei Berlin . ..1179 

Arbeiterfoionien, ©entraloorftanb bfutfdjer 825 
Arbciterfongrefe in Sübauftralien . . . 227 
Ärbeiterfongreffe, ©ewerTfcbaftlicbe —. Bon 

©uftao ©aube. 760—763 

—, ©eutfebe gewerffcbaftlicbe — .... 9* 

( - <-,* : ' 


























































IV 


ar&eiterfongreffe, Ber&ot uon — in Ungarn 
arbetter*kooperatiogenoffenjcpaften,Staat» 
Iittje Befcpäftigung ber — in Italien . 
arbfiter*kranfenocrfi(perun 0 , $ie — in 

Defierreitp. 

arbeitermangel, $er Iänblicpe in Breupen 
arbeiterpartei, ©ine finntfc^e — . . . . ] 
♦aibeiterprobuftiogenoffenfcpaft, (Sine — 
in ber ©laßinbuftrie Norb-Böpmenß. 
I—II Bon Dr. SNaj oon %atjentpai 
241—246. 269- 

arbeiterprobuftiogenoffenfcpaften in granf¬ 
reiep . 

— Sroei im $arj. Bon Dr. grip Specpi 

883 — 

arbeiterftpup unb konlrolmatfe. Bon 

Heinr. abler. 1295—: 

—, internationaler —; «ntrag im öfter* 
reicpifcpen abgeorbnetenpaufe . . . 
—, $)ie internationale Bereinigung für — 

unb bie Sogialbemofratie. 

~/ £er — unb feine ©niroicfelung im 
19 iabrbunbert. 

— bei off entluden ßieferungen in Defter« 

reidj. 

— bei öffentlichen Unternehmungen in Bari« 
—, kommunaler in — Bari« .... 
—, ©egen bie außbepnung be« — . . . 

— im Baugewerbe in Bagern .... 

— im heutigen ©irthßgeroerbe .... 
—, internationale Bereinigung für — . 
*— unb Heimarbeit. 1 —II. Bon Dr. 

©ugen Scproieblanb. 105-111.129- 
—v außbepnung be« — im kanton 3 uri<h 
, $er — in ber konfeftion unb oer- 
toanbten ©eroerben. Bon »ffeffor Dr. 
aifreb ©eber. 689- 

— in ber Sünbholgfabrifation . . 737- 

— in ber englifepen Sünbholgfabrifation 

— in ber feramifepen gnbufirie ©nglaub« 

—, Bet&eiligung $eutfdjlanb« an ber inter« 
nationalen Bereinigung gur gorberung 
be« — .. 

— kein — in funftgeroerblidjen Betrieben 

— in Nero-gorf. 

Beretn. 

arbeiierfdjupamt, internationale« — . ! 
Ärbeiterfcfjup-Bebingungen bei Staat«- 

bauten in Breupen. 

arbeitcrftpupbeftimmungen, Sijfiematifcpe 
Bearbeitung oon — im Neicpßamt be« 

innern. 

arbeiterfcpupbill«, ©nglifcpe — . ! ! . 

* arbeiterfepupgefepgebung, internationale 

Bereinigung gur gorberung ber —. 
Bon Dr ©ruft granefe . . . 609- 
arbeiterfcpupflaufelu bei öffentlichen ar¬ 
beiten in granfreiep. 

* -.Bon g. Stpottpöfer 1089— 

arbeiterfefretariat, kein - in Berlin . . 

— in Bremen. 

— in Breßlau. 622. 

— in 2 >aimflabt. 

—, She ©tnrieptung eine« — für Hamburg 

ablebnung eine« — burep bie ©eroerf- 
fepaften in Hamburg. 

— unb Stabtratp in SWannpeim . . . 

— SJZündjen.116. 

— Nürnberg 1898 . 

—, Stuttgarter. 

—, $a« fläbtifche — in Ulm . 283. 863- 

—, Hoüänbifcpe« —.. 

arbeiterfefretariate, Neue — ... 670. 
—, ©rrieptung oon —. 

— in $üffelborf unb Ulm. 

arbeiterfianb, H f &ung beö — .... 

arbeiterftatiftif, $>ie kommiffton für — . 

— ^apret elung roegen auöfagen oor ber 

konimiffion für —. . 

—, $>ie konimiffion für —. 

—, ©utadjten ber kommiffion für —, betr. 
bie Regelung ber Nrbeitßgeit in ®e* 

treibemüplen. 

arbeiterftiftung ber kruppfdjen ©erfe . . 

— ogl. Stiftungen, Spenben, ©efipenfe, 
Bermäcptntffe. 


Spalte 

arbeiter - Unfallentftpäbigungßgefep, ©nt- 

fepeibungen über ben Umfang be« — 


in ©ngtanb.843 

—, $>ie ©irfung be« — in ©nglanb . . 828 


arbeiter-Unfafloerfitperung ogl Berftdje* 
rung, UnfaQoerjicpfrung, arbeiteroer* 
fieperung. 

arbeiter-UnfaHoerfi^erungfianftalt, Unfall« 
oerbütung«oorfcbläge ber — für Nteber- 


öfterreich.287 

arbeiter-UnfaHoerficperungßgefep in $äne- 

mar!.898 

arbeheroerbänbe, Unternehmer- unb — in 
©nglanb. Bon ©rneft aoe« . 218—219 

— unb gabrifantenfpnbifate.275 

arbeiteroereine, Berbanb ber falpoliftpen 

— in Sübbeutfcplanb.956 

—, X>elegirtentag ber fatpolifepen — Süb- 

beutftplanb«.1292 

—, ^elegirtenoerfammlung be« ©efammt- 
oerbanbe« ber eoangeliftpen — ieutfcp- 

Ianb«.621 

—, ©efammtoerbanb ber ©oangelifcpen — 

fceutfcplanb«.42 

—, kongrep ber eoangelifcpen — in aitona 955 
—, Broteft fatljolifcber — in Berlin gegen 
Berfepärfung ber Beftrafung oon Streif¬ 
oergeben .389 

—, ©entralfaffe ber eoangeliftben — in 

Bagern.74 

arbriteroerbältniffe in ben ©ifenioeifen oon 

2 e ©reufot in granfreidj. 10 nO 

arbeiteroerfttberung, 2 )ie Sdjiebögericbte 
ber —. Bon H- Horn . . 1274—1276 

—, 5)ie beutfdje — unb ihre ©rgebniffe . 627 

—, ©influp ber — auf bie öffentliche armen* 

pflege in Dönabrütf.407 

—, Unfere — unb bie Borifer ©eitau«« 
fteßung.1127 

— in Bufelanb.682 

— ogl. Berjidjerung, UnfaDoerfitberung, 
arbeiter*UufalIoerfitberung. 

arbeiteroerfi(berung 8 -©efete, Unterroeifung 
in ben — in ben gortbilbungefcbulen 
511 Nürnberg.797 


arbeiter-Berfuberung«- unb Stbupgefep- 
gebung. 3)ie Belüftung ber beutf<bm 

§nbuftrie burtb bie —.1813 

arbeitcroerficberungöiroeige, ©inpeitlicbe 

Drganifation ber brei —.1085 

arbeiteroertreter, Beaufftcbtigung ber ©ru¬ 
hen bureb — in ©ropbritannien, granf- 

reitb unb Belgien. 593—597 

— unb ftäbtifepe fltegiearbeit in Batterfea 

(fionbon).1266 

arbeiteroertretung in ber preupiftpen Berg- 
toerf«infpeftion.739 


arbeiter*©oblfabrt 8 einritbiungen ; ©entral- 

fiefle für —.796 

—, ad)te konferenj ber ©entralfteKe für 

— in Stuttgart ..931 

arbeitertoobnbäufer für lanbioirtpfcboflUdie 

arbeitet in Dftpreupen.1229 

arbeiterioopnungen, Bau oon —; Ber» 

fitberungöanftalten.603 

—, kommunale — in ©nglanb .... 562 
—, Bau oon — in S)reSben . . . 422. 933 
—, Beförberung be« Baue« oon — bureb 
Sparfaffen.516 

— in Hoflanb.685 

— in Biülpaufen i. ö.486 

— in ©enf.828 

— in ber Brooinj H ann00fr .123 

—, Stäbtifdje — in karl«rupe .... 77 

—, Beleipungsgrenaen ber Berfidjeruhg«- 

anftalten für — unb ßungenpeilftätten 17 
—, Bau oon — mit Hülfe ber gnoalibi- 

tät«ücrfid)erungö»anfialten.871 

gorberung oon — burd) bie Berficbe« 
rung«anftalt Sd)le«ioig»Holftein. . . 848 
Bau ftäbtifcpcr — in Nürnberg . . 586 

— ogl. ©obnungen, kleinroopnungen, 
arbetterbäufer, kleinpauSgefep in ©ng» 
lanb. 

arbeitermobnungSfrage, 2 )ie — in Nürn¬ 
berg .124 

— in §üricb.319 


Spalte 


arbeiteriooljnungitoefen.1179 

— auf ber Banf« auöftellung .... 1018 

— in Nbfinlanb.654 

—, Bbeiniidjer Berein jur gorberung be« 

— in $>üffelborf. 77. 206. 617 

Hrbeitersüge in ßonbon.549 

— in Bari«.1206 

arbeitgrber unb arbeiter, ©in ©ropinbu- 

ftrieller für bie gemeinfame Drganifation 

ber —.755 

-, Bereinbarung, gtoifeben — ber 

Spinnerei oon ßancafpire.705 

— -, Nationalliberaler anirag auf 

gemeinfame Drganifation oon — ber 
©ropinbuftrie.582 

-, Sur ©lei<bbered)tigung oon — 842 

— unb Unternehmer. Bon ©emerberiebter 

H- Scpmieber. 272—273 

arbeilgeber-Beipper, gapreöberitbt be« Ber* 
ein« ber — be« ©eroerbegeriept« Berlin 
1898 . 460 


# arbeitgeber- unb arbeitnepmer * Beifiper, 
Broteft ber — be« ©etoerbegeridjt« 
Berlin gegen ba« ©efep gum Scpup 
be« gewerblichen arbeit«oerpältniffe« 

1021—1023 


arbeitgeberbunb, 25er beutfepe — für ba« 
Baugeroerbe . 621, 676, 1199, 1240, 1878 

—, Berliner —.621 

—, 2 anbe«uerbanb ffiürttemberg be« — 

im Baugewerbe.644 

arbeitgeberDerbanb Hamburg-aitona . . 388 
• - im Baugeroerbe gu SRüitcpen .... 225 

—, Blan eine« engliftpen —.37 

arbeit«amt, Stäbtiftpe« — für ©pemnip 204, 223 
—, kommunalr« — in ©priftiania. . .1129 

—, Stäbtifcpe« — äRüncpcn . . . 419, 688 

—, Stäbtiftpe« — in Stproeinfurt . . . 204 
—, gürforge be«roürtlembergiftpen®Unifte- 
rium« für ben arbeit«nacproei«. — 
Stäbtifcpe« — in Stuttgart 1898 . 1297 

—, Stäbtifcpe« — in güritp.740 

—, S)a« öfterreitpifcpe —.276 

—, 2 )ie arbeit«geitung be« öfterreiepi* 

fdjen — . 895 

— unb Ärbeitsbeiratp in Defterreicp 7, 189—191 
arbeit«bebingungen, Regelung ber — bei 
öffentlichen arbeiten in granfreiep . . 848 

arbeitobeiratp in Defterreidj . 1001, 1049, 1371 
-, arbeit«amt unb — in Defterreicp 7,189—191 
*—, arbeitöftaliftiftpe« amt unb — in 
Defterreicp. Bon Dr. ömil ßoero 189—191 
arbeit«börle, Xpätigfeit ber Barifer — im 

Sapre 1898 . 737 

—, Sireifflaufel ber Sünd)** — ... 515 

—, 2>ie ibätigfeit ber — in ©ent 1898 . 1106 
arbfit«einfteDungen in granfreiep 1897 . 226 

arbeitfi-©ejepgebung, au« ber — Neufee* 

lanb« oom Sapr* 1898. 728 

—, Saprbutp ber - für 1897 .... 168 

—, Brogtamm ber 2rabe Union« für 
bi.e —.340 


arbeitSinfpeftoren, $ie 3 apre«bericpte ber 
nieberlätibifcpen — für 1897 unb 1898. 

Bon Dr. S- H- ®an 3 aHtcn 1271—1272 
— ogl. gabrif- unb ©eroerbeinfpeftion. 
arbeitÄfämpfe, amtlitpe ©rpebungeu über 


— in Breupen.1048 

— in ©tiglanb 1898 . 450 

—, ©ngltfcpe auffaffung oon —. . . . 138 


— ogl. Streif«, ärbeit«einfteüungen, au«» 
ftänbe, arbeiterbeioegung. 
arbeitefammer ber Stabt Süricp 447, 562, 1168 


— ogl arbeiterfammer. 
arbeit«fammern, ^er nationalliberale an- 

trag auf ©rrieptung oon — .... 617 
—, Beruf«oereine, Neitp«arbeit«amt 840-842 

— .. 86, 64—66 

— in ben Nieberlanben.168 

— in amfterbam.139 

—, $>ie ©aplen ber — in amfterbam. • 948 
arbeit«fontraft, Scpup be« — gegen auf- 

löfung burep militärifdje Ucbungen in 
granrreiep.258 

— ogl. arbeit«uertrag. 

arbeit«lopn, $ie Biänbbarfeit beß — in 
granfrettp.871 









































































y 


«palte 

Arbeitslöhne, ©ie — in Württemberg. Bon 
Dr. Bubolf ©räfeer . . . 1122-1124 
—, Sanbroirtt)fdjaftlufce — in Englanb . 1170 

— in bcr belgifchen Eifeninbufirie . . . 228 

— in 3n&ien.145, 1171 

— in ber inbifdjen Baumwollinbufilrie . 690 

— im englifchen unb amerifanifchen Schiff¬ 
bau .1171 

— in MaffachufettS ........ 1291 

— ogl. ßöhne. 

Arbeitslofe, gürforge für — in Breu&en 812, 921 


—, Stäblifdjes Begulatio für Vergebung 
oon Arbeiten an — in Offenbar a./M. 949 
•ArbeitS- unb Dbbachlofe, Stiflfianb unb 
Bücffchritt in ber gürforge für —. Bon 
Baftor karl Moerchen . . . .626—529 
ÄtbeitSlofenfrage, Sie — in ©ent ... 812 

Arbettelofenfürforge in Sern.408 

Arbeitslofenftatiftif, Amfterbamer — . . 446 
Arbeitslofenunferftühung burdj Arbeit in 

fiiQe . . . '.676 

Arbeitslofen-Berflcherung unb Sübbeutfche 

Solfspartei.17 

ArbeitSlofißfeit, Berftcberung gegen —. . 682 
—, ©ie ftabtifche BerficherungSfaffe gegen 

— in köln unb baS ©ewerffchafts- 

f arteH.887 

—, Stabtfölnifdfje BerficherungSfaffe gegen 

— im hinter.1160 

—, ©emeiubliche Ma&naljmen gegen — in 

Sern.600 

—, Eine BrobuftionSgenoffenfchaft als 

Mittel gegen —.1158 

—, ©ie — in ©roftbritannien im Sah** 

1898 . 780 

—, fßlan einer Berficherung gegen — in 

Safe! . ..906 

—, Ma&nabmen gegen bie — in Beu* 

SübwaleS.1265 

—, Berficherung gegen — in Amerifa. . 968 
ArbeitSmaift, ©er — im September . . 40 

—, ©er — im Dftober.145 

—, ©er — im Booember.3i6 

—, ©er — im ©egember 1898 . . . . 419 

—, ©er — im Januar.663 

—, ©er — im gebruar.682 

—, ©er — im Märg.795 

—, ©er — im April.907 

—, ©er — im Mat.1026 

—, ©er — im Suni.1124 

—, ©er — im guli. 1220 

—, ©er — im Auguft.1353 

—, ©er — in Unterfranfen.683 

—, Drganifation beS — in Selgien . . 260 
ÄrbeitSmafc unb Sonntagsruhe ber Be- 
amten unb Unterbeamten ber BeidjSpoft 846 
•Arbeitsnachweis. Son Dr. jur. 91 ich- 

greunb. 802—808 

—, ©er gemeinbliche — unb bie organi- 
firten Arbeiter.828 

— unb Arbeitsoermittelung.795 

—, Eentraloerein für — in Serlin unb 

EentralauSfchufj faufmännifcher, ge¬ 
werblicher unb inbuftriefler Sereine . 287 

— unb ©ienftbotenoermittelung .... 76 

—, ©er — unb berSunb ber gnbuftriellen 75 
—, Eentraloerbanb beutfcher Snbuftcieüer 

unb ber —.989 

—, SwangSimtung unb.1239 

—, ©ie ©ewerffchaften unb ber paritätifche 

— . 662. 670 

—, ®in 3 eu 0ni& für ben unparteiifchen — 1104 

—, 3 um paritätifdjen —. 888 

—, gur Drganifation beS — .... 709 

—, Berliner Eentraloerein für — . 598. 906 
—, Eentraloereine für — in Serlin; Dr¬ 
ganifation oon paritätifchen gacharbeits- 
itachroeifen.418 

—, Setheiligung oon Arbeitgebern unb Ar- 
beitnebmern an ber Berwaltung beS 
EentraloereinS für — in Serlin . . 121 
—, ©er — ber Brauereien in Serlin unb 
feine ©efdjichte.455 

— ber gum „Bereit! ber Srauereien Ber¬ 

lins unb Umgegenb* gehörigen Sraue¬ 
reien .856 

—, Stäbtifcher — in ÄfcherSleben . . 179 


«patte 


Arbeitsnachweis, AuSbehnung beS — in 

Sielefelb.179 

—, Stäbtifcher — in Sonn.283 

—, Stäbtifcher — in Eharlottenburg 20 . 652 
—, kommunaler — in ©ooer .... 857 

— ber beutfcben ©ewerfoereine unb eoan- 
gelifchen Arbeiteroereine gu ©resben . 990 

-, Dbligatorifcher — ber Bäcferinnung 

in ©resben.1178 

—, Berbanb gur görberung beS — im 
Beg.-Seg. ©üffelbotf .... 75. 844 

—, görberung ber gadjauSbtlbung burch 

ben — in ©iiffelborf.1178 

—, ©emeinblither — in ©öttingen . . . 344 

— berSatriotifchen©efelIfchaft in Hamburg 259 
—, Bheber- — unb $afenarbeiter-Serbanb 

in Hamburg.76 

— für Scfjauerleute in Hamburg 816. 508. 670 

—, Arbeiterroablen für — ber Schauer¬ 
leute in Hamburg.598 

— ber ©ifeninbuftrteüen in Hamburg . . 888 

— für lanbroirthfchaftlicheArbeiter in Ham¬ 
burg . ..... 488 

—, SereinS- — in ßeipgig.419 

—, Baritätifcher — \ n ßeipgig .... 989 
—, ©ie Eentralanftalt für — in ßiegnijj. 

Bon Dr. Wiebenfelb . 1106—1106 

—, kommunaler — in ßonbon . . 545. 1195 
—, Errichtung eines gemeinblidjen — in 

Magbeburg.204 

—, Münchener — .178 

—, Stäbtifcfter — für Schöneberg . 609, 1178 
—, Stäbtifcher — in Spanbau .... 121 
—, Errichtung eines ftäbtifchen — für 

Stettin.671 

—, gürforge beS mürttembergifchen Mini* 
fteriumS für ben —. Stäbtifd>eS Arbeits¬ 
amt in Stuttgart 1898 1297 

—, Babifche Eentralanftalten für — . . 894 

— unb fianbbeoölferung in Bauern . . 894 

— in Selgien. 698 

—, Stäbtifcher — in Englanb .... 824 


—, ©er unentgeltliche — in granfreich . 883 

— in Serbinbung mit ben Baturaloer- 
pflegungSftationen in ber Schweig . . 123 

—, ©er öfterreichifche ©efefcentwurf über 
ben —. Bon Heinrich Abler . 818—815 

— für bie ßanbwirthfchaft in Sommern . 204 

— ber ßanbwirtbfchaftsfammer für Schie¬ 


nen .76 

—, Staatlicher — in Süinois .... 1854 

— in Sübauftralien.77 

— ogl. Arbeitsoermittelung, Stellenoer¬ 
mittelung. 

ArbeitSnachmeiS-Änftalt §eibelberg 1897 . 178 
—, Allgemeine — köln ...... 484 

—, Erhöhung beS ftäbtifchen 3u[thuffe8 
für bie Allgemeine — in köln ... 740 
ArbeitSnächweis-Antrag im BeichStag . . 418 
Arbeitsnachweisbureaus unb Starteräume 
für Schauerleute m Hamburg ... 121 

ArbeitSna cf) weife, görberung gemeinblicher 
— burcf) bie Begierung in fünfter . 315 
*—, ©emeinnüfcigfeit unb ©emeinfamfeit 
ber —. Bon Saflor Mörlen 1118^-1117 

— auf preufeifchen Bahnhöfen .... 571 
—, ©ie Beamten bei fommunalen —. Bon 

Stabtrath Dr. k. glefch. . . 986-989 

—, Einheitliche oergleichenbe ©efchäftS- 
ftaiiftif ber —. 1012 

— unb BerpflegungSfiationen in Sreufeen 1012 

—, Berbanb babifcher —.981 

—, Berbanb beutfcher —; S^ütion, betr. 

Ertaft oon ©elephongebühren ... 773 

—, Bermehrung ber gemeinblichen — in 

Bagern.419 

—, Ausfchuhfifeung beS BerbanbeS beut¬ 
fcher . 544 

—, Spegialifirung ber Arbeitsoermittelung 

* in ftäbtifchen —.906 

—, ©ie erfte Berfammlung beS BerbanbeS 
beutfcher — in München. Bon Saul 

Büfching.18—19 

—, Serbinbung fiäbtifcfjer — in Englanb 179 

— für Iätibltche Arbeiter in Sreufeen . . 856 

—, Sroteft gegen bie Errichtung oott pari¬ 
tätifchen — .855 


«patte 


ArbeitSnachweife, Ardjio unb Bibliothet beS 
BerbanbeS heutiger - in Serlin . . 488 
ArbeitSnachwetSfieHe, Errichtung einer — 

in ßiegnife ..233 

—, Stäbtifche — Starms 1898 .... 709 
ArbeitS- unb SBohnungSnacbwetS, Een- 
tralanftalt für — in ©armftabt 1897/98 122 
ArbeitS- unb StabnungSnachmeiSanftaft, 

Allgemeine — in köln ..1129 

ArbeitSorbnungen in Selgien.1176 

—, ©ie redjtsfräftige Berlautbarung oon 

— (in Defterreich).1175 

ArbeitSrath, Achte Seffion beS oberften — 

in granfreich.502 

—, Beorganifation beS oberften — in 

granfreich.1839 

ArbeitSftatiftif, koften beS Amtes für — 

in Defterreich.384 

—, ©ie — unb bie gnbuftrtellen in Defter- 

reich .. 898 

— in Ungarn . ..1050 

—, Bew-yorfer —.589 

Arbeitsftatiftifche Erhebungen in Defterreich 697 
*ArbeitsftatiftifcheS Amt unb ArbeitSbeirath 
in Defterreich. Bon Dr. Emil ßoew 189—191 


Arbeitsftreitigfeiten, Beilegung oon — auf 
©runbber„Serföf)nungSafte <, in Englanb 829 


— in Beu-SübmaleS, Beilegung oon — 1121 
Arbeitstag, Schweigerifcher — in ßugern. 764 
—, Urtheil eines ruffifchen gabrifanten über 

ben achtftünbigen —.1075 

*ArbeitSoerbältniffe ber kellner unb keüne- 
rinnen, ©ie gefehliche Begelung ber —. 
BonDr. Arthur Eohett. 1065—1068. 

1094-1096 


—, ßohn- unb — im beutfchen Maurer¬ 


gewerbe 1898 . 1817 

— länblicher Arbeiter, ©efefc, betreffenb bie 

— in Anhalt.784 

— bei ben preu&ifchen Staatsbahnen . . 501 

— auf Berliner Biefelfelbern.1348 

—, ©aS Urtheil eines englifchen ©ewerf- 

fchaftSfüljrerS über beutfcf>e — . . . 1312 
—, Englifche Arbeiter über amerifanifche. 1870 

— auf ben italienifchen Sahnen.... 1180 
—, ©efefcliche Begelung berlanbwirthfchaft- 

lichen — in Ungarn.1194 

—, gabrifinfpeftion unb — in Ungarn . 818 

— in Bu&lanb.876 

—, Begelung ber — in ben hollänbifchen 

Militärbäcfereien.507 

— in Bewf)orf . ..1169 

Arbeitsoermittelung,Arbeitsnachweis unb — 795 

— im 3 i e 0 t er 9 c roerbe.682 

— in ber Schuh* unb ßeberinbuftrie, ©ie 

ßöfung ber g^reidfrage über bie — . 484 

—/ gabrpreiSermä&igung für 3 lDf tf* *> cr 

— in Württemberg.789 

—, ©ie —, bie Unternehmer unb bie Arbeiter 980 
—, ©ie — iit Defterreich.419 

— in Steiermarf .. 122 

—, Drganifation ber — in Ungarn . .1353 
—, ßänbliche in Baben.990 

— ogl. Arbeitsnachweis, Stellenoermitte- 

ArbeitSoermitttungSamt, StäbtifcheS — in 

Wien.652 

ArbeitSoermittelungS-Statiftif in Defterreich 856 
ArbeitSoermittlungSfteÜe, ©ie — ber Stabt 

DSnabritcf.844 

ArbeitSoerficherung, Dbligatorifcfje — für 

©ienftboten in Wien.707 

ArbeitSoertrag, ©er ©efefccntwurf über ben 


— in Belgien. Bon Dr. ©ufiao 

Ma^er. .. 273-275 

—, ©efeftentwurf über ben — in ben Sieber- 
lanben. Bon Dr. g. $. oan 3antett 

1024—1025 

— ogl. Arbeitsfontraft. 

Arbeitswillige, Ein flaffifcheS ©ebiet ber 

— (konfeftionSinbuftrie).754 

—, Schuh ber — in Schweben . . . .1145 
—z ©er Schuh — im preufjifchen Abgc- 

orbnetenhaufe.ö6o 

—, ©efeh gutn Schuhe .ber — in Schweben 619 

*—, ©er Schuh ber — in Schweben. Bon 
Dr. Ajel Baphael. 665 -668 


























































































VI 


6palte 


ÄrbeitSroiDige, ©efep mm 6cf>up ber — in 

Schweben oerworfen.766 

ArbeitSwilligenfchup, Umfrage bei Bunde« 
ber 3nbuftrieIIen wegen bei —-. . . 1841 
Arbeitszeit, Bie — in (Snglanb .... 501 

—> 3 e $ n fiö n b*9 e — für öüe päbtifdjen Ar» 
beiter in Stuttgart ....... 586 

—, Borfdjciften über bie — in ©etreibe- 
mühlen . 606. 647. 792. 852. 1084. 1J74 

—, Berührung ber —. 97 

—, Bie tägliche — in Deperreidj ... 279 

— unb Arbeitsleistung im ©teinfohlen- 

bergbau gu Stofpp.674 

— ber Sugenblichen tn gabrifen ... 647 

—, Siegelung ber — ber gugführer unb 

feiger in granfreich.1180 

— in $oHanb.1878 

Arbeitszeiten, Beränberungen in Söhnen 

unb — rofijrenb bei September« in 

©nglanb . •. 92 

—, Beränberungen ber Söhne unb — 1898 

in (Snglanb.1844 

Arbeitszeitung, Bie — bei öflrrreic^ifdgen 

Arbeitsamte«.896 

Archio ber parlamentarifchen Bof umente ber 

britten Slepublif in Bari«.812 

0rd^ix> unb Bibliothef bei Berbanbe« heut¬ 
iger ArbeitSnachweife in Berlin . . 488 
Ärmenfreunbe, ©elferfommifpon ber Kieler 
©efeflfchaft freiwilliger — 1878 — 1898 546 
Ärmenfürforge, AlterSoerforgung unb Ar- 

menförforge in (Snglanb.1178 

Armenpflege unb WohÜhätigfeit, (Sine beut« 

fdje (SentralpeÜe für —.629 

-, 18. SahreSoerfammlung bei Ber« 

eini für — . 21 

— -, 19. gahreSoerfamtnlung bei 83er- 

eini für —.1381 


— unb ©emeinbewablrecht in Bremen . 194 
—/ (Sinflufe ber Ärbeiteroerpcherung auf 
bie öffentliche — in DSnabrücf . . . 407 
Deffentliche — in Hamburg 1898 . . 1202 
ÄrmenpflegfchaftSfongrep, Ber internatio¬ 


nale — 1900 in Bari« ...... 502 

Armenunterftüpung, ©täbtifche — für ftrei- 
fenbe Arbeiter in (Snglanb .... 780 

Ärmenoerforgung, Alteripenfion patt — in 

Sonbon.1881 

Afptoerein, Berliner — für Dbba<hlofe 1898 628 


AufpchtSbeamte, Bie Organifation unterer 
— in ben preufeifdjen Bergmerten . . 540 
Ausdehnung bei ©ropbetrieb« in Mann¬ 
heim . ..40 

— ber UnfalloerPcherungipPi^t, gur — 1150 
Auöfunftei, ©täbtifche — in Berlin . . 305 
AuSfunftSbureau, ©täbtifche« — in Koburg 141 
AuSfunftSfteüe, ©täbtifche — für bie ar« 

beitenben Klaffen für B»f*n . . .68. 872 
Auilänbifdje Arbeiter, Bie nationale ©ehr» 
fraft unb bie Heranziehung — ... 1265 
-, Bepeuerung — in granfreich 886. 

446. 484. 756 

-ogl. grembfpradfjlicbe Arbeiter. 

Äuifperrung unb Streif ber gormer in 

Öeipjig ..1054 

—, Statutenmäßige — wegenUngehorfami 447 

— ogl. ArbeiterauSfperrung, Maffenaui* 
f perrung. 

Auifperrungen wegen ber Maifeier. . . 881 
—, ©treifi unb — in (Snglanb 1897 . . 199 
—, ©treifi unb — in Bänemarf . 116. 1245 
Auipanb ber Kohlenbergleute im $Icm?n« 

fdjen ©runde. 1849. 1880 

in ber Möbeltifchlerei oon ©chottlanb 45 
im Batifer Baugewerbe ..... 95 

ber ©ammetmeber in Krefeld 481. 691. 

645. 765 

— in ben (Sifenwerfen oon Se (Sreufot . 984 

— ber Brünner Beytüarbeiter .... 988 
—, Ber 83erfuch bei allgemeinen — in 

granfreich im Dftober 1898. Bon 

Octaoe ge ftp. 732—786 

*— ber Maurer oor bem ©ewerbegericpt 
ali ©inigungSamt, Ber —. Bon ga- 
brifant 0. SB ei g er t . . . . 1069—1072 

— ojjl. ArbeitSeinpeHung, Streif, Arbeit«» 
fampfe, Arbeiterbewegung. 


©palte 

Auiftänbe bei Sfahrei 1898 in granfreich 
unb bai ®efep über Bermittelung unb 
Schiedsgerichte, Bie —. Bon Dctaoe 
gepp. 1003—1004 


BäcferauSßanb, Bropenber — in Berlin 

147. 172. 565 

Bäcferbewegung in Berlin . . . 868. 645 

—/ 3 nr ~ in Beutfchlanb.590 

Bäcfereiarbeiter, Bie — Berlini ... 264 
Bäcfereien, Bolizeioerorbnung für — in 

©traßburg i. <S.96 

—, BoÜzeioerorbnung fö* Unterelfaß über 

— .1084 

—(Srhebung über bie Sonntagsruhe in 

— Defterreichi. ..92 

♦Bäcfereioerorbnung, Bie — in ber 

Bon Brof. Dr. K. Dlbenberg . 987—945 
Bäcfergemerbe, Bie Siegelung ber Arbeits¬ 
zeit im — ..568 

—, ©ütlidje Bereinbarung zroifcßen Meifter 
unb ©ebülfen im — Berlini ... 482 
—, Mißftänbe im Brager — 337 

—, ©anitäre Berhältniffe im — ©ien« . 981 
, Bie 2ehrlingijüchtung im —. Bon 
Brof. Dr. St. Dlbenberg . . . 25—30 
Bätferinnung, Bai ©prechwefen ber Stutt¬ 
garter —.796 

Bäcfer-3nnungen # (Sentraloerbanb beutfcher 

— .225 

Bäcfer-gnnungSoerbanb, 12. ©entraloer» 

banbitag bei — „©ermania" . . . 1240 
Bäcferftreif in ©icht für Berlin .... 565 
—, 3ur Bermeibung bei Berliner — . . 283 

— in München.850 

—, (Snbe bei — in München .... 956 
—, Beilegung bei — tn Kopenhagen . . 148 
Bädferoerbanbitag in München .... 788 
Bahnmartifrauen, Bie Sage ber — auf 

ben franjöPfchen Bahnen.759 

Banbmirferei, Bie — in unb um ©chwelm. 

Bon #elene ©imon 878—875. 896—898 
Barbier- unb grifeurgemerbe, ©egen bie 

Sefjrlingigücbterei im —.223 

Bauarbeiter, Bie beutfdjen — .... 288 

—, (Srpebungen jum ©chupe ber — . . 73 

—, Bie Sage ber — in Amperbam. Bon 

Dr. ©uftao Map er.38—40 

—, Ber Bauarbeiterfdjup unb bie — . . 927 
—, ©chup für — in Augiburg .... 462 
—, Sanbeipoligeiliche Berorbnung $nm 

©chup ber — in Anhalt.842 

—, Bolijeioerorbnung gum ©thupe ber — 
im Unterelfap.1126 

— Beutfcpe Unfalloerhütuugi • (Einrich¬ 
tungen auf ber Barifer SBeltauipeOung 

unb bie —.1296 

Bauarbeiterfongrefe in Berlin. . . 147. 889 
Bauarbeiterfchup, Ber — unb bie Bau¬ 
arbeiter .927 

*—, Bie Regierungen unb ber — in 
Beutfchlanb. 751—754 

— in Bapern.1246 

Bauarbeiterfchup-KommifPon für Bapern. 792 

Bauarbeiterfchup-Äongrejj.644 

—, (Srfier beutfcper —. Bon @up. Baube 

700-702 

Bau«, <Srb« unb gewerbliche $ülf6arbeiter, 

V. Berbanbatag ber — Beutfchlanb« . 590 
Baubarlepne, gnoalibität«- unb Alter«oer« 
Pcherung«anftalt Sth^tnprooin$, Sßh^e«- 
bericht für 1898, ©runbfäpe für ©e« 

Währung oon —.1202 

Saugenoffenfchaften, Bierter Berbanb«tag 
ber — Beutfchlanb«. . . . . . .1107 
Baugefeflfcpaft, ©emeinnüpige — in ©trafj- 

burg i. ©.1013 

Baugefep, Ber ©ntwurf eine« allgemeinen 

— für bas Königreich ©achfen. Bon 

Dr. B&ul Boigt ..... 710—712 
Baugewerbe, Arbeiterbewegung im — 171. 

307. 1125 

—, Arbeitgeber unb Arbeiter im Berliner — 736 


€?alte 

Baugewerbe, Arbeiterbewegung, griebenS« 
fcplufe im —. Berhanblungen oor bem 
©emeröegericht Berlin al« (Sini- 


gungSamt. 1060—1062 

—, 3um griebenSfchlup im Berliner — . 1082 

—, 3m Berliner — .1101 

—, Ber beutfdje Arbeitgeberbunb für ba« 

—. 621. 676. 1199. 1240. 1378 

—, SanbeSoerbanb Württemberg be« Ar* 

beitgeberbunbe« im —.644 

—, Arbeiterfcfjup im — in Bapern... 257 


—, (Einführung oon ©ntlaffung«fcheinen 
für bie Arbeiter be« gefammten Bau¬ 
gewerbe« . .281 

—, Bie Stellung be« Kolonnenführer« unb 
feiner ©ruppe im —. Born ©ewerbe« 
richter Dr. ©djalborn . .. 1322—1824 

—, Au« bem engüfchen —.692 

—, Ber Kampf im engüfchen — . 622. 646 

—, griebliche Beenbigung be« Arbeit«- 
fampfe« im — (Englanbö . . . . . 985 

—, Auöpanb im B<mfer —.95 

—, Allgemeiner ÄuSpanb im Barifer —. 

Bon g. ©chotthöfer.41—42 

BaufrawaU oon Söbtau, Ba« Urtpeil in 

bem —.531 

Baumwoüinbuftrie, Arbeitslöhne in ber 

inbifchen —.590 

—, Bie Arbeiterfrage in ber amerifani« 

fchen —.1318 

Baumwoflfpiunereien, Uebereinfommen ber 
öfterreicpifchen —, betreffenb eine Be* 

triebseinfcpränfung.806 

BaumrooOioeberei, Bereinbamng in ber 

englifchen —.881 

Bauorbnung, Mufter— für ba« Königreich 

©achfen. 204-206 

Bauorbnungen, 3 U * Sleform ber — . . 128 

Bauten, Boüfteioerorbnungen jum ©chupe 

ber Arbeiter auf —.1174 

Bauunternehmer, ©oaialpolitifcpe Beftre- 

bungen ber B^rifer —.889 

Bnuoerein, Karlsruher Miether- unb — . 285 
—, ©rünbung eine« gemeinnüpigen — in 

©och.422 

-, Sübecfer -.422 

Bau- unb ©paroerein in (SuSfirchen . . 422 

— „B^buftion" in Hamburg, Konfum«, — 547 
Bauoereine, Minberung ber Wohnungsnot 

burch —.828 

Bau- unb ©paroereine in Hamburg unb 

Umgegenb.261 

Beaufpchtigung ber ©ruben bur^ Arbeiter¬ 
oertreter in ©ropbritannieu, granfreich 

unb Belgien. 698—697 

Beauftragte ber Unternehmer unb ber 
Arbeiter, Konferenzen ber ©ewerbeauf- 

pchtöbeamten mit —.201 

Bebarf an RabrungSmitteln unb lanbwirth- 
fchaftlichen B^obuften, Beutfchlanb« —. 

Bon Dr. Baul Boigt. . . . 788—784 
Bebienftete, gürforge für ftäbtifche — unb 

Arbeiter in Mainj.729 

Bebingte Begnadigung in Beutfchlanb . 496 
Beenbigung be« KonPifte« |wifchen Arbeit¬ 
gebern unb Arbeitern in Bänemarf . . 1298 
Beerbigung, Unentgeltliche — in Bhurgau 873 
Begnadigung, Bebingte — in Beutfchlanb 496 

— ogl. Berurtpeüung. 

Beilegung eine« ©treif« in ber Schweiz . 687 
Bclämpfung be« AlfoboliSmu«, (Erfolg ber 
Bewegung zur — in Belgien ... 661 
Belüftung ber beutfäjen Snbufirte burch 
bie Arbeiter-BerPcherungS« unb ©chup» 

gefepgebung.1318 

Beleihungägrenze ber Berpcherung«anfialten 
für Arbetterwopnungen unb Sungen- 

heilftätten.17 

Bergarbeiter, Sohnbewegung unter ben — 

im Stuprfoplenreoier.43—70 

—, AuSfianb ber — im Blouen’fchen 

©runbe. 1849. 1380 

—, ©ewerfoerein chriftlidjer — Beutfch¬ 
lanb« .414 

—, Sohnbewegung ber — in ©achfen. . 503 








































































VII 


Spalte 

Bergarbeiter, örfjefmngen über bic Sage 


ber — in Deßerreicfj.685 

—, Äongrefe ber englifdjen — . . . . 416 

—, Saljreßfongrefe ber franjößfdjen — 809. 415 
—, bie Sohnbewegung unter ben — beß 
franjöftfchen horbreüicrß . . . 790. 851 

— in Belgien.1199 


— ogl Bergleute, ©rubenarbeiter, Seinen» 
arbeiter, Bergbau, Kohlenbergbau, 
Äoblenarbeiter. 

Bergarbeiteraußßanb in Äleinroffeln 900. 925 
Bergarbeiterbewegung, 3ur — in beutfch* 

lanb. 10. 145. 258. 282. 867 

—, §ur — im Königreich Sachfen . . . 448 
—, $ur — in granfreich . . 957. 1029. 1088 
Bergarbeiterfongrefe, 3*(N** internatio¬ 
naler —.»81. 954 

Bergarbeiter-Krawatte, bie ferner —1082. 

1100. 1125 

Bergarbeiterlöhne in Vreufeen.258 

—, Siegelung ber fd&ottifdjen — .... 769 
Bergaröeiterfdjufe-gorberungen .... 46 

Bergarbeiter-Streif in Sachfen . . . .1820 

— in Belgien. 790. 846. 879. 901 

—, hach bem — in ©übwaleß . . .46. 256 
Bergarbeiteroerbanb in Sübwaleß ... 226 
—, ©rünbung eine« eoangeliftfeen — . . 788 
Bergarbeiteroerhältniffe in Spanien . . 981 
Bergaufßchtßperfonal, Bewehrung beß — 

in ^ßreufeen.891 

Bergbau, Vereinbarung jwifdjen Unter- • 
nehme™ unb Arbeitern im englifdjem — 11 

bergbauliche gntereffen, herein für bie — 
in SRfeetnlanb unb ©eftfalen .... 806 
Bcrgbeljörben, Auß ben berieten ber 
preu&ifcfeen — für 1898 ..... 1850 

Bergleute, ©urmfranffeeit unter ben — 

beß Stuhrreoierß.428 

—, herein für bie bergbaulichen Sntereffen 
in ©ffen unb ber ©emerfoerein «hä߬ 
licher —.644 

— ogL Bergarbeiter. 

BergpoIi$ei, Uebergang ber — im Bejirf 
eineß fcfeleftfcfeen Väoatbergraerfregslß 

an ben Staat.188 

Berg werfe, herbot ber benufeung non 
offenem Sidjt in ben preufeifdjen — .119 
Bergwerfßbetrieb, herunglüctungen mit 
töbjtlichemAußgangc beim — in Vreu&en 

1897 . 786 

Bergwertßinfpeftion, Außgeftaltung ber 

preufeifcfeen —.96 

—, Ärbeiteroertretung in ber preu&ifchen — 789 
beriete ber preufeißhen Bergbehörben für 
1898, Auß ben — ....... 1850 

— ogl. ^a^redbertc^te. 

Berichtigung.964 

berufliche unb fojtale ©Iieberung beß 

beutfcfeen Bolfeß, bie —.980 

Berufßgenoffenfchaften, berbanbßtag ber 

heutigen —.828 

*—, bie Arbeiter-— in granfreich. hon 

Dctaoe geftp. 1887—1889 

berufßgenoffenfcfeaftlicbe Drganifation ber 
Arbeiter unb bie ©entrumßparlet . .1264 
Senifßgenoffenfcfeaftßtag in Äonftanj 1085. 1127 
berufßgenoffenfchaftß-herbanb, ber — unb 

bie örtlichen hentenfieÜen.794 

Berufßftatiftif, Scferoebifcfee — 1870—97 . 642 
Berufßoereine, ©efefeentwurf, betreffenb bie 

eingetragenen —.406 

, baß belgifcfee ©efefc über bie —. hon 
Vrof. Dr. örneft SRahaim . . . 60—64 

— ogl. Ärbeiterberufßoereine, Äoalitionß- 
hereinß-, herfammlungßrecht. 

berufßmechfel, ber öinßufe beß — auf ben 

©efunbheitßjuftanb.1180 

Befafeßeintnbuftrie, bie Sage in ber — beß 
3fergebirgeß. hon Stöbert ißreufeler 

698—700 

Befcfeaftigung non Kinbern unb weib¬ 
lichen berfonen, bie franjößfche gabrif- 
unb ©eroerbetnfpeftion über bie — . 1054 

— frembfprachlicher Arbeiter im bort- 

munber Bergamtßbejtrfe, herorbnung 
über bie -.641 

— ngl. örwerbßarbeit, Kinberarbett. 


Spalte 

befcfemerbebureauß für Arbeiterinnen, 3*h>* 870 

an -n j _r.-w__ m _• vr; jr_ . 


hefefeneränberungßabgabe, ©cmeinblicfee — 
in hapern.140 

— in SBürjburg. 9 

befteuerung außldnbifcher Arbeiter in granf¬ 
reich . 886. 446. 484. 766 

— ber STOafcfeinenfraft jum heften ber Ar¬ 
beiter in granfreich.619 

— ber einfommenßeuerpßichtigen ©efett» 
fchaften unb ©enoffenfcfeaften in breufeen, 

©rtrag unb —. hon Dr. <5. f irfch- 
berg ..484 

Betriebßfranfenfaffeit, Streif in hemfdfeeib; 

Drtßfranfenfafle unb —.197 

betriebß- (gabrif-) Kranfenfaffen beß beut* 

fchen heidjeß. % 842 

betriebß- unb Siuhejeit ber ©ifenbafin- 
betrlebßbeamten, Beßimmungen üoer 

bie — in beutfcfelanb.1861 

Betriebßunfätte im ößerreichifchen Äleitt- 
geroerbe.873 

— auf ben grofebritannifcfeen ©ifenbafenen 1180 
Betriebßwerfftätten für brecfeßler in SBien 648 
Bettelei, höttige Unterbrücfung ber — in j 

granf reich.781 

beumer, Dr., unb Dr. non hottenburg . 

251. 559—560 

bibliotfeef, Archin unb — beß herbanbeß 

beutfcher Arbeitßnadfjweife.483 

bifouterieinbuftrie, $außinbuftrie alß golge 
beß Arbeitermangelß in ber Vfo*S* 

heim er —.1169 

Bilbergatterie, ©ine — für ©feitechapel 660 
binnenfchiffer, Streif ber — in Siotterbam 765 
*bißmarcf, ©ebanfen unb ©rinnerungen 
non Otto gürß non —. hon V*of- 
Dr. ©uft. SchmoIIer .... 209-218 
bleioergiftungen in ber feramifchen 3n» 

buftrie.768 

*— in ber töpferet hon feien e Simon 

1218—1218 

Board of Trade, baß — alß ©inigungß- 

amt.1229 

bobenpolitif in Äiautfchou. hon Dr. V aul 

hoigt. 825—826 

bobenpreife in Äarlßrufee.165 

— in brüffel. hon Dr. Ä. non 3Äan- 

golbt. 420-421 

böttchermeifter, berbanb ber gabrifanten 

unb —.877 

bopfott burcfe ein Äarteü.1268 

— einer ©aßanftalt, Stabtifcher — . . 600 

— beß „Sofalanjeigerß* in Berlin, Sefcer- 

ftreif unb —.482 

bopfottirung non Apothefen burdj Arbeiter* 
franfenf affen.455 

— non SSiener Apothefen.488 

Brauereien, ber Arbeitßnachweiß ber — 

in Berlin unb feine ©efcfeichte . . . 455 
—, Ärbeitßnacfeineiß ber flum ^herein ber 
Brauereien berlinß unb Untgegenb" ge¬ 
hörigen —.856 

brauerftreif in granffurt a. SR.786 

—, ©nbe beß — in granffurt a. 3Ä. . . 1054 
Braugewerbe, ©egen leichtfertige Streifß 

im — ju f amburg.48 

briefträgerftreif, 24 Stunben — in Variß 926 
buchbrucfer, berbanb beutfcher — . 603. 880 
—, ©eneralnerfammlung beß herbanbeß 

ber beutfcheu —.1058 

—, ©in Sieg ber — in Berlin .... 646 
—, Sefemafchinen unb — in ©nglanb . . 450 
Bucbbruäereien, Staüftif ber Vctfonal- unb 
Arbeüßnerhältniffe in ben — beutfch* 
lanbß.758 


—, ©emeinfame ©ingabe ber tariftreuen 
Vringipale unb ©efeülfen ber — in feffen 586 
buihbrucfergewerbe, ©emeinfamer Äampf 
oon Vrinjipalen unb ©ehülfen im beut- 
fchen — für bie Außbehnung ber Zarif- 

gemeinfchaft.66 

—/ bie barifbemegung im — beutfch- 

Ianbß.219. 406 

budjbrudfer-barifbewegung . . . 116. 172 

bucfebrucferoerbanb, hom —.1126 

Buchgewerbe, Äatholifche Bereinigung ber 
Arbeiter beß — in granfreicfe ... 787 


Spalte 

bürßen* unb Vinfelinbuftrie, ©egen bie 
feimarbeit in ber —.860 

— ugl. hofehaarfpinnereten. 

bunb ber SnbuftrieHen, Umfrage beß — 
wegen beß Arbeitßwilligenfchuheß . .1341 

— ößerreichifcfeer gnbuftrieller .... 281 


CT. 


©entralaußfchufe faufmänntfcher, gewerb¬ 
licher unb ittbußrieDer hereine, ©entral- 
oerein für Arbeitßnachweiß in Berlin 

unb —.. 288 

©entralfaffe ber eoangelißhen Arbeitern^ 

eine in hapern.. . 74 

©entralftelle für Arbeiter - SBohlfahrtßein- 

richtungen.. 796 

—, Ad&te Äonferenj ber — in Stuttgart . 981 

— für bie Äontrole ber SBohlthätigfeitß- 

pßege in Berlin.284 

— für Ärmenpßege unb SBoblthätigfeit, 

©ine beutfcfee —.629 

©entraloerbanb ber beutfchen Stucfateure, 
öipfer 2 C..226 

— ber fanbeiß-, Xranßport- unb herfehrß- 

arbeiter beutfchlanb ....... 867 

— beutfcher gnbußrieüer unb ber Ärbeitß- 

nadjweiß.. 989 

— chrißlicher SRaurer.1819 

— ber ßäbtifchen f auß- unb ©runbbeßfeer- 
hereine, 21. berbanbßtag beß — . . 1227 

©entraloerbanbßtag beutfcher Bäder-In¬ 
nungen .225 

©entraloerein für baß SBohl ber arbeiten* 

ben Jtlaffen 1898 . 894 

©hambrun, ©raf —, ber Stifter beß Musöo 

Social in Variß t.529 

©hrißli<h s fojiale Bewegung in grcmfreich 499 

— Korporationen, Sntrrnationaler Äon* 

grefe ber —.789 

©häßlich* ©aßhofßgehülfen, Berufßoer- 
ein —.72 

— ©ewerfoereine, 3 ut ©rünbung — . . 899 
©häßlicher ©ewerffcfeaftßfongrefe, ©rßer — 787 

— SRaureroerbanb beutfchlanbß . . .1178 

©i g arren auß in b u ft r ie v gut Regelung 

ber -.678 

*—, bie gefefeliche Regelung ber —. hon 
Vaßor a. b. Äöfefcbfe . . . 681—682 
—, bie gefefelidje Siegelung ber —. hon 

©bgar 3affd . 978—980 

©igarreninbußrie, petitton um Siegelung 

ber f außarbeit in ber —.444 

©omeniuß-©efelIf<haft unb ßäbtifche Sefe» 
hatten . ..774 

benffcferift, ©ine —, wie ße nicht fein 

fott!. 999—1000 

biamantarbeiter, feimarbeit ber — in 

Ämfterbam.461 

biamantarbeiterbunb in Amßerbam . . 984 
bienft- unb Sohnoerhaltniffe ber ftäbtifchen 
Arbeiter in SRannheim, bie Siegelung 

ber —.. . 671. 1002 

bienßboten, Alterßoerforgung für weibliche 

— in Deßerretch.120 

—, ogl. ©eßnbe, f außgeßnbe. 
bienftbotenoermittelung, Arbeitßnadjweiß 

unb —.76 

bienßboten-berfammlungen in Berlin . . 1248 
bienftoertrag, 3nmng jur ©rfüttung 

eineß — . 784 

bodarbeiter, bie — in Belgien .... 789 
brechßlev Betrtebßwerfßätten für — in 

SBien !.648 

brof<bfenfutf<her,berIiner — im bajameter* 
Betrieb . . . :.307 


©igenbetrieb, Stäbtifcher — ber Vferbe- 
bahn in Amßerbam. 6 8 

©igenbetrie%e, Stäbtifche — in ©nglanb 112 














































































VIII 


Spalte 

©inigungöamt beS ©eroerbegericßtS Berlin, 

(Sin ©tocfarbeiter-AuSftanb oor bem —. 

Bon gabrifant 0. Steigert . . 298—294 
*—, Bie obligatorifcße Anrufung beS @e- 
roerbegeridjts als — in ArbeitSfämpfen. 

Bon gabrifant 0. Steigert . . 917—920 
—, griebenSfdjluß im Baugewerbe. Ber- 
ßanblungen oor bem ©eroerbegericßt 
«erlin als —. 1060-1062 

— beS ©eroerbegericßtS, Ber ©treif ber 

Berliner ©teinarBeiter unb bas —. Bon 
HÄ. t>. ©djulg, Borfiß. b. ©eroerbe- 
gericßts Berlin. 1299—1802 

—, BaS Board of Trade als — . . . . 1229 

— im englifcßen Kohlenbergbau .... 325 

—, Sonboner —.1018 

— in ber englifcßen Rßeberei.294 

—, ogl. ©cßiebigertdjt, BerfößnungSämt, 

Bermittelung. 

•©inigungsämter, Bie ©eroerbegericßte als 

— unb bie geroerffcßaftlidjen Bereini¬ 
gungen ber beutfeßen Arbeiter. Bon 

Br. «oerfcß. 494—496 

—, $roteft oon Unternehmern gegen — . 984 
—, ©in FonferoaüoeS Urt^etl über — .618 

— in Belgien. 251.1229 

—, ©efeßentrourf, betreffenb — in Senf . 574 
—, ©treifs unb — in granfreidj 1898 . 1174 
—, 0bligatorifcße — in granfreidj. 461. 910 

— bei englitten Hanbelsfammern . . . 849 

— unb ©ifeninbuftrie in önglanb . . . 1014 

— unb ©djiebSgeritßte tn önglanb . . 674 

— unb ©cßiebSgericßte in Reufeelanb 

1897/98 . 829 

©inigungSamtlidje ober fcßiebSgeritßtlicße 
Söfung oon ArbeitSfireiügfeiten, Reuer- 
lidje gaffe oon — in ©nglanb . . . 934 
©inigungSoerfaßren, 0bligatorifdjeS — in 

granfreicß.1856 

©inigungSoerßanblungen groifdjc?!i ben Ar¬ 
beitern unb Arbeitgebern im gimmerer- 

geroerbe in Berlin.. 1206 

©infommenfteuer, ©infüßrung ber pro- 

greffioen — in granfreicß.89 

©infommenSoertßeilung, Bie — in Ham¬ 
burg. Bon Dr. ©. Bfingftßorn 141—144 

©in- unb BerfaufSoereinigung, ©ine 
HÄüIIer—. Bon Dr. K. HBiebenfelb 

699—600 

©ifenbaBn ogl. ©taatöbaßn. 

©ifenbaBnarbeiter, Ber mißglücfte ©treiF 

ber frangößfcßen —.95 

—, Außerorbentließer Kongreß fransöftfcßer 

— .451 

—, SÄinimallößne für belgifcBe — . . . 253 
—, Unfälle ber — in önglanb .... 1851 

—, Stalienifcße —.174 

—, AlterSoerforgung ber — in Ungarn . 854 
—, Soßne ber fcßroeijerifdjen —. . . .1170 

— in ben Bereinigten ©taaten .... 1206 

— ogl. ©ifenbaBner. 

©ifenbaßnarbeiterfcßuß in Hollanb ... 707 

— in Defterreicß. 842. 641 

©ifenbaßnarbeiter-Statiftif, Amerifanifdje — 887 
©ijenbaßnarbeiteroerhältniffe in öuropa 

unb Amerifa . ..».786 

©ifenbaßnbeamte, Bie ©efunbBeit ber 

unteren —.40 

©ifenbaßnbebienftete, Befcßäftigung in* 

oaliber — in Sßreußen.796 

©ifenbaßubetriebsbeamte, Beftimmungen 
über bie Betriebs- unb Rußegeit ber — 

in Beutfcßlanb.619. 1861 

©ifenbaßneu, ©onntagSruBe auf ben 

frangöfifcßen —.606 

—, Betriebsunfälle auf ben großbritannt- 

Men —.1180 

—, ÄrbeitSoerBältnijfe auf ben italie- 

nifcßen —.1180 

—, ogl. ©taatSbaBnen. 

©ifenbaBner, ©ogialbemofratifcße — beim 
öfterreicßifcßen ©ifenbaBnntinifier . . 172 
—, HSoBnungSoerßältniffe ber — in Bagern 421 
—, BereinSoerbanb ber englifcßen — . . 44 

©ifenbaßner-Beroegung.98—94 

— in granfreicß ..... 666. 816. 901 
©ifenbaBner-Berbanb, «apertfcßer — 42. 677 


Spalte 

öifenbaBnperfonal, Ueberna<BtungS- unb 
ÄufentßaltSräume für baS — . . . 628 

©ifenbaßn-Rangirarbeiter, ©treif oon — 

in ©rfurt.565 

©ifenbaBnfparfaffen in ©nglanb .... 508 
©ifenbaßntarifreform in ©cßroeben ... 168 
*©ifenbaßnoerroaltung, Bie HÄetßobe ber 
Soßnarbeiter-Statiftif berpreußifcßen —. 

Bon Dr. ö. Hirfdjberg . . . 998—999 


öifenbaBnroefen, Adjtftunbentag im — 

BagernS.886 

©ifeninbuftrie, ©inigungSämter unb — in 

©nglanb.1014 

—, Arbeitslöhne in ber belgifdjen — . . 223 
©ifeninbuftrielle, Arbeitsnachweis ber — 

in Hamburg ..883 

öleftrifdje Beleuchtung, Ißrtoate unb Font- 

munale — in Sonbon.686 

©Ieftrigität, ®aS unb — in ben ©täbten 662 
©leftrigitätSroerf, ©täbtifcßeS — in$eiltgen- 

ftabt.1146 

©leftrigjtätSroerfe, ©täbtifdje . . . 194. 499 

— in mittleren unb Heineren ©täbten 

BeutfcBlanbS. 1076 

—, Ber Bertrag ber ©tabt Berlin mit 

ben —.169—171 

©lementarMulen, Unregelmäßiger Befucß 
ber — in Sonbon.157 

— ogl. ©cßulen, BolfSfcBuIen. 

Engineering Employer’s Federation in 

©nglanb.225 

©nquete für eine AlterSoerjtcßerung in 
Belgien.288 

— über fommunale Unternehmungen in 

Italien.642 

— ogl. ©rhebung, Unterfudjung. 

©ntgegnung (betr. ©tocfarbeiter-AuSftanb) 430 
©ntlaffungsfcßeinc, ©inführung oon — für 

bie Arbeiter beS gefammten Baugewerbes 281 
©ntmünbigung megen Brunffudjt . . . 618 
©rbarbciter, ©treif ber — oon Baris . . 12 

©rb* unb gewerbliche HülfSarbeiter, V. Ber- 
banbstag ber Bau-, — BeutfcßlanbS . 590 
©rfrifeßungsräume in ben «oftbienftlofalen 895 
©rBebung über bie Befcßäftigung oer- 
BeiratBeter grauen in gabrifen . . . 148 

— beS BereinS für ©ogialpolitif über bie 

BerBältniffe ber AngeficHten ber BerfeßrS* 
anftalten.10 

©rhebungen, Amtliche — über ArbeitS- 
fämpfe in Preußen.1048 


— ogl. ©treifftatiftif. 

— über ben ©efunbßeitSguftanb beS Boft- 
unb^elegrapijenperfonalSinBeutfcßlanb 258 

— über bie Sage ber Heimarbeiter in 

0efterreicfj.664 

—, Arbeiterftatiftifche — in Oefierreicß . 697 

— 2 ,um ©thuße ber Bauarbeiter .... 73 

— über bie Sage ber Arbeiterinnen im 

graphißhen ©eioerbe.10 

©rntearbeiter, ogl. Sanbarbeiter, gelb¬ 
ar beiter. 

©rrießtung eines ©etoer6egeri<htS in SBein- 

Beim, Ablehnung ber —.717 

örtoerbSarbeit ber Sfinber, Befchränfung 
ber — in ©nglanb.. . 1025 

— ber Karlsruher BolfSfdhulfinber. . . 1267 

— junger SÄäbthen, Berfdjiebung in ber — 1170 

— ber Äinber ogl. ©eioerbliche Beifü¬ 
gung oon Kinbern, Kinberarbeit, Soßn- 
arbeit oonKinbern, Kinber, ©chulfinber. 

©rroerbs- unb HBirtfchaftSgenoffenfcBaften, 

©tatiftif ber —.1158 

©rjiehungSanftalt für fojiale Arbeit in 

Ämfterbam.1060 

©rjiehungsbeiratB fürfchulentlaffeneSBaifen 
in Berlin, greiroiDiger — . . . 572. 1109 
*ötatsbebatte, Bie ©ojialreform in ber 
— beS beutfeßen Reichstags. Bon 

Dr. ©rnft granefe. 298—801 

©oangelifche Arbeiteroereine, ©efammt- 
oerbanb ber — BeutfcBlanbS ... 42 

-, Belegirtenoerfammlung beS ©efammt- 

oerbanbeS ber — BeutfcBlanbS . . . 621 

-, Kongreß ber — in Altona ... 955 

©oangelifcher Bergarbeiteroerbanb, ©rün- 
bung eines —.788 


6paltt 

©oangelifch-fogialer Kongreß, Ber — in 

Kiel. 362. 894. 945 

•öjport unbKuItur. BonBrof.Dr.SBerner 

©ombart. 834—840 

*öjportinbuftrie, Snbuftrieftaat unb —. 

Bon jprof. Dr. K. Clbenberg . 745—748 
* ff ©jportinbuftrieftaat", ©ntroicfeln mir uns 
jum — ? Bon Brof. Dr. SB. ©ombart 

633-687 

*—, ©ntroicfeln rolr uns jum — ? Bon 
Dr. ©alther BorgiuS . . . 748—751 


8 . 

gabrifanten, Bereinigung oon — in Kre» 

felb gegen ©treifS.281 

„gabrifantenglüc!", greefeS ©chrift — 963 
gabrifantenfqnbifate, Arbeiteroerbänbe 

unb —.275 

gabrifen- unb ©eroerbe-^nfpeftoren, Bie 
SaBreSberichte ber — BapernS für 1898 538 

-, Konferenz ber baperifchen — . 1176 

♦gabrifgefeßgebung, Reform ber — in 
©nglanb. Bon g. ©. ©alton . 918—917 
gabrifinfpeftion, Ber SaßreSbericht ber 
babifdjen — für 1898 . . . . 622—625 
—, AuS bem gahreSberichte ber — für 

HÄeiningen 1898 . *853 

—; gortfeßritte ber weiblichen — in Beutfd^- 
lanb.1371 

— in Belgien im gaßre 1897 .... 606 

—, Reuerung in ber euglifeßen — . . . 46 

— in Ungarn.16 

— unb ArbeitSoerßältniffe in Ungarn. . 818 

— ogl. ©eroerbeinfpeftion, ©eroerbeauffteßt, 
ArbeitSinfpeftion. 

gabrif- unb ©eroerbeinfpeftion, Bie fran- 
göjifdje — über bie Befcßäftigung oon 


Kinbern unb roeiblicßen B ? tf° nen • • 1054 
gabrifinfpeftor, SahreSbericßt beS — im 
gürftrntßum ©cßroargburg - Rubolftabt 

für 1898 . 817 

gabrifinfpeftoren, Ber 3aB* e $bericßt ber 


—, HBaßl oon — in granfreidj .... 891 

—, SSeiblicße — in Br™&™ . . . . ■ . 770 

—, SSetblidje — in Rußlanb.228 

—, Bie grage ber roeiblicßen — in ber 

©djroeij.648 

gabrifinfpeftorin, Bie erfte — in ben Rie- 

berlanben.16 

gabrifinfpeftorinnen, KurfuS für bie AuS- 
bilbung oon — in ©tuttgart . . . 175 

— in SBeimar.1084 

— in ©nglanb.668 

gabrif-Kranfenfaffen beS Beutfeßen Reiches 842 
gabrifiparfaffen in granfreidj .... 772 
gahrpreisermäßigung für 3ro e< * e 6er Ar- 

beitSoermittlung tn ffiürtiemberg . . 739 
Fair Wages in Hollanb bei Regierungs¬ 
bauten .685 

-in ©nglanb.686 

-in Aberbeen.500 

-in öffentlichen Berträgen in ©cßott- 

Ianb.813 

— ogl HÄinbefilößne, HÄinimallößne. 
gaßfabrifanten, Berbanb ber — unb 

Böttdjermeifter.877 

gelbarbeiter, Bie — in Ungarn . . .11. 926 

— ogl. Sanbarbeiter. 
gerienaufentßalt für ©tabtfinber auf bem 

Sanbe.1277 

geftumoefen, Btoteft gegen baS — . . . 67 

— ogl. Suftbarfeiten. 

geueroerfteßerung, Kommunale — in öng¬ 
lanb .663 

gormrr, AuSfperrung unb ©treif ber — 

n _ 1 rkc i man 


—, ÖrganifaüonSbeftrebungen ber — . . 199 

—, 3ur Sage ber — in granfreidj. . . 1200 
gortbilbungS - Abenbfcßulen, Bewegung 
gegen bte — in önglanb ..... 1260 
gortbilbungStcßule, Obligatorifdje — in 
HÄagbeburg.861 









































































IX 


©paltf i 

gortbilbungßfcbulcu.1157 i 

—, Außbilbung oon Bolfßfcbullebreru für | 

ben Unterricht an IäubKdjen —. . . 1205, 
—, Unterweifung in ben Arbeiteroertcbf» ' 

rungß«@efefeen in bcn — 311 Nürnberg 797 | 
gortbilbungßfcbulunterridjt, Sine ©tatiftif 
über bcn obligatorifdjcn — in bcn preu» 
fetfcben ©robfiabten. Bon Dr. Bubolplj 

©räfcer. 320-321 | 

gortbilbungßfcbulmefeu, ^övbcrung bcö ge- 1 

werblidjen — in Bauten. 797 1 

gortbilbungßfdjularoang in Breu&en . . 1355 
gortbilbungß* unb §au$baltungßfcbulen 
im Bwu&ifcben Abgeorbnctenbaufe; 

©tatiftif. 659' 

grauen, Erhebung über bie Befdjäftiguug I 

oerheiratfjeter — in gabrifen . . . 148 

—, äeine — alß ©emeinbewaifenräthe in 

Brennen. 1076 1 

—, gulaffung ber — ju ben mebijinifeben 1 
Prüfungen in Deutfchlanb.812 | 

— in ben ©djulfommiftonen oon Bern . 1290 1 
—, Die 3»Iaffung ber — aur Bechtßanroalt* | 

Waft in granfreidj.1075 

grauenarbeit in gabrifen.1145 j 

grauenerweib, Bene §außinbufirie alß — 410 1 
grauen», gugcnblichen» unb Äinberarbeit, i 

©tatiftif ber — in gabrifen .... 278 
grauen» unb Äfinberarbeit, ©djufe ber — 

in granfreich. 445. 1274 

-, Regelung ber — in Stalien . 928 

grauenfiubium, Daß — im Beidjßtage . 459 

— an ben beutfdjen Unioerftiaten . . . 713 

grauenoercin, Die „£>außpflrge" beß Ber¬ 
liner —.628 

grauenoereine, Die 3. ©cneraloerfammlung 

beß Bunbeß beutfdjer —.53 

greibäber für ©chulfiuber.1033 

greilefehaflen in Englanb.157 

— ogl. Bolfßlefehaflen, Sefeljaßen. 
grembfpra^Iii^e Arbeiter in Bheinlanb» 

SBeftfaleu. 252. 541. 1291 

-, Berorbnung über bie Bewältigung 

— im Dortmunber Bergamt 8 bejirf . 541 

-ogl. Außlänbifche Arbeiter. 

Friendly Societies in Englanb 1897 . . 817 

-, Unterftüfcung ber — burd) ben ©raf» 

fdjaftßratb in 1248 

— — unb Shop Clubs in Englanb . . 772 

-in Auftralicn.50 

grifeurgemerbe, ©egen bie 2 e§rling 8 $ücf)terei 

im Barbier» unb —.223 

gürforge für Arbeitßlofe in ißreufjen 812. 921 

— für fraufe Arbeiter, Bereinigung aur 

— in Seipjig.932 

— für fiäbtif<|e Bebienfiete unb Arbeiter 

in SBaina.729 

—, ©ojiale — ber ©tabt ©trafjburg . . 730 

— ogl. Ärbeiterfürforge 

♦giirfl oon Bißmarcf, ©ebanfen unb Er¬ 
innerungen oon —. Bon $rof. Dr. 

©uft. ©demolier. 209-218 


©aßanfialt, ©täbtifdjer Bopfott einer — . 5G0 
©aß unb Eleftriaität in ben ©täbten . . 562 
@aft§of$geplfen,Beruf 8 oerein djriftlicher— 72 
©afiroirtbßgeroerbe, ©tellenoermittelung 

im — au ©tuttgart.509 

—, ©efejjlidje Siegelung ber Arbeitßoer» 
oerbältniffe im — unb bie organifirten 

©aftwirthßgehülfen.1127 

* ©ebanfen unb Erinnerungen oon Otto 
gürft oon Bißmarcf. Bon Brof. Dr. 

©uft. ©djmoller. 209-218 

©efängni&arbeii, Beform ber — in granf« 

reich.661 

©emeinbe ogl Äommune. 

©emeinbearbeiter. Die Bewegung ber —. 

®on Bruno Boerfch .... 877—879 

—, Adjtftunbentag für —.563 

—, Alterßpenfionen für bie — in Buri* . 1077 
—, ogl ©täbtifdje Arbeiter. 

©emetnbeaufioanb, Reifung beß —. . . 305 


Spalte 

©emeinbebcamte, Alterßoerforgung oon — 
in ©laßgoro unb Dartmoutf).... 950 

— ogl.'Äfommuualbeamte. 

©emeinbeprogramm, ©ojialbemofratifif)c 8 

— in ©achfen.672 

©emeinberätbe, ÄBeibliche ©tobt» unb — 

in Englanb. 1003 i 

— in Englaub, baß Obcxhauß gegen meib» I 

liebe -. 1077 ; 

©emeinbeoertreter, Äonferena foaialbemo» | 
fratifeber — ber Brooina Branbenburg 365 
—, gntereffenfonflifte oon — in Slijborf 785 j 
—, Erfte flonferena ber foaialbemofratifdjen 

— SBürttembergß.758 

©emeinbewahlen,©oaialbemofratifcheßBro' 

gramm für bie —.277 

©emeinberooljlrechi, Befcbränfungen beß — 

in ©adjfen.277 

—, Armenpflege unb — in Bremen . . 194 

©emeinberoaifenrätbe, Äfeine grauen als 

— in Breu&fti.107G 

©enicinnüfeige Anlagen ber gnoalibenoer* 

fuberungsanftalten im gabre 1898. 

Bon $. §orn. 648 - 649 

General-Federation of Trades . . . 389 1320 

©eneralftreif, Erneute Borbercitungen aum 

— in granfreidj.638 

—, SBifeglücfen beß — in granfreich. Bon 

g. ©djottböfer.69-70 

©eneraloerfammlung beß ©eweifoereinß 
ber beutfdjen ©tuhlarbeitcr ( 2 ejtil- - 
arbeiter), 10. orbenllicbe — .... 788 

— ber Äatfjolifeu Deutfdjlanbß, bie ©oaial» 

politif auf ber —.1288 

©enefungßbeim, Daß erfte — in Baben . 460 
©enefungßheime in Baben. 236 j 

— ogl. £>eilftätten, Bolfßheilflätten, Sun« 
genbeilftätten. 

©enoffenWafteu, Die eingetragenen — in 

Breufeen. 1*0 

—, Ertrag unb Beteuerung ber einfont» 
menfteuerpfliebtigeu ©efellfcbaften unb 

— inBreufeen. Bon Dr.E. |>irf cb berg 484 

—, $)ie ftarfeSunabmcberlanbioirtbfcbuft* 

Iidjen — in S)eutfcblanb.547 

—, ©oaialpolitiWe Seiftungen ber beutfeben 
lanbn)irtbfcbufil<h«i — Bon Dr. St. 

2bie&.510-514 

, Sanbroirtblcbaftlidbe — unb lanbioirtb- 
fibaftlicb benupte Bobeufläcbe in ben 

beutfeben BunbeSftaaten.1226 

—, Beteiligung ber — au ber B ar if e * 

SBeltaiiSfleßung.1227 

—, ftongrefi ber foaialiftifcben — Belgiens 180 

—, 2)ie — in Englanb 1897 . 816 

©enoffenfcbaftlicbe BerfaufSbäufer in §am» 

bürg.742 

©enoffenfcbaftsbilbuug, Anregung beS 
Äleinbanbels a wr — bureb $anbel$= 

fammern.179 

©enoffenfebaftsbunb, ©djioeiaeriWer — 514, 601 
©enoffenfcbaftS-Beftaurant in 5)ijon . . 547 
©enoffenfcbaftStag, S)eutfdber Iaubioirtl)» 

fcbaftlidber — oon 1899 1153 

—, 40. Allgemeiner — au Berlin . . . 1203 
©enoffenfdjaftSmefcn, ^internationaler Äon* 
grefj für länblicbeS — 1900 . . 

—, günfaig Sabre beutfcbeS — . . . 

—, 3DaS lanbtoirtbfdjaftlicbe — im ©rofj 
beraogtbum Reffen 1873—1898 . . 

^a« — in Stalieit 1898 .... 
©efammtoerbanb beutWer äftetallinbu> 

ftrießer. 

©efebäftsberiebt, 2 )er — beS BeidjS-Bir* 
fWerungSamtS für ba« gabr 1898. 

Bon ©tabtratb^. 0 . granfenberg 680—682 
©efd)enfe unb ©tiftungeu an Arbeiter unb 
an bie unbemittelten BolfSflaffcu . . 

— ogl. — ©penben, Stiftungen, Ber« 
mäebtuiffe. 

©efebübte Arbeiterfategorien, Bertbciluug 
ber — auf bie oerWiebenen gnbuftrieu 

in Br^ufeen. 

©cfellWaft für Berbrcitung oon BolfS- 
bilbung.933 

— freiwilliger Armenfreunbe, #elferfom» 
mifflon ber Vieler — 1873 bi« 1898 . 546 


1059 

857 

1204 

1153 

732 


82 4 


1290 


Spalte 

©cfeDWaften unb ©euoffenfdjaften, Ertrag 
unb Beteuerung ber einfommenfteuer» 
ppitbiigcit — in Bauten. Bon Dr. E. 

§irfdjberg.484 

*@efefc sunt SdjufebeS gewerblicbcnArbeitS« 
oerbältniffeS, ^5roteft ber Arbeitgeber» 
unbArbeitnebmer»Beifiber beS ©ewerbe» 
geriibtS Berlin gegen baS — 1021—1023 

—, S)er bagerifebe ®anbwerlertag unb 
baß —.1369 

— betreffeub bie ©idjerljeit unb ©efunb» 

beit ber in inbuftrieHen unb faufmän» 
nifdjen Unternehmungen befdjäftigten 
Arbeiter, Belgifcbeß —.1001 

— über bie Arbeit erwadjfener Scanner in 
ben SRicberlanben, Entwurf eineß —. 

Bon Dr. g. oan 3uulcn . 803—304 

©efefcentwurf über Anftcßung unb Ber- 
forguug ber jfommunalbeamten, 
Breu&ifdjer —.757 

— über bcu Arbeitßoertrag in ben Bieber» 
Ianbcn. Bon Dr. 3 . $. oan 3unteit 

1024—1025 

©efmbe, $)er Bertragßbruib beß —. Bon 
Becbtßanmalt Dr. S. gulb . . 360 — 361 

— ogl. §außgefinbe, $)icnftboten. 
©etubeoermiclberunbSteßeuoermittlcrnacb 

ber Booeße aur ©ewerbeorbnung 650—652 
©efmbeocrlrag, ^Scrfönltc^cr 3u>ang aur 

Erfüflung beß —. 1340 

©cfunbljeitßtiifpeftorinneu, ©täbtif<be — 

in Englanb. 797, 966 

—, ©täbtifebe — in Birmingham . 686. 1195 

— ogl. Htalth Visitors. 

©efunbhcUßauftunb, $er Eintut beß Be¬ 
rufs wedjfelß auf ben —.1130 

©ctreibcmühlcn, Begelung ber Arbeitßaeit 
in — . . 505. 647. 792. 862. 1084. 1174 
—, ©utadjten ber Äommilfion für Arbeiter« 
ftatiftif, betr. bie Begelung ber Arbeit߬ 
aeit in —.567 

©emaltpolitifcr, ©oaialreformcr unb — in 
S)eutfd)lanb.694 

*®eioerbeauffubt, ^)ie - in B««&cu 1898 - 
Bon ®. Staube. 1809—1312 

— in ©ürttemberg.959 

—, SBeiblidje Äftt^na bei ber — in SBürt* 

teniberg.541 

—, $ie — in SRedlenburg 1898 . . . 903 

— unb Drtßpoliaei.1031 

— unb weibliche BJittelßperfouen in Berlin 451 
—, Die — in Elfab-Sothringen im 3«bre 

1898. Bon Dr. El. ®ei&. * 1146-1149 

—, Die — in granfreidj 1897. Bon 
g. ©tboüboefer. 902-903 

— ogl. ©ewerbeinfpeftion, gabeifinfpeftion, 
Arbeitßinfpeftion. 

©ewerbeauftdjtßbejmte, Bermebrung ber 

1 — in Breufeen.451 

' —, Äouferenaen preufeiWer — .... 341 
( —, Jfonfcrena ber — in Breßlau ... 369 
—, Antrag auf Änfteßung weiblicher — 

in Breufjen.625 

| Äonferenaen ber — mit Beauftragten 
, ber Unternehmer unb ber Arbeiter . 201 
| —, Äonferena ber baperifchen — . . . 175 
i —, Die gahreßberiebte ber — in SBürttem» 

i berg für 1898 766—769 

©ewerbebeauffidjtigung, bic Ungleichartig» 

1 feit ber — in Deutfcblanb .... 809 
! ©ewerbegeriebt, Ablehnung ber Errichtung 

eineß — in äBcitiheim.717 

*—, Die obligatorifdje Anrufung beß — 
alß Eiuigungßamt in Arbeitßfäntpfen. 

; Bon gabrifant 0. SSeigert . . 917—920 
; —, Safjre 8 bcrid)t beß Bereinß ber Arbeit« 

geber*Beit&er beß — Berlin 1898 . . 460 

— alß Eiuigungßamt, Daß Berliner — . 46<» 
*— alß Einignngßamt/ Anßftanb ber 

SBnurcr oor bem —. Bon gabiifant 

i D. SSeigert. 1069-1072 

-, Ein — ein Unbing!.573 

— Berlin, HJZittljeilungen beß — . 1033—1038 

1130-1134. 1251—1251. 1322-1826 
—, Ueber bie Bedjtfpredjuug beß — au 
1 Berlin. Born Borftfeenben beß ©ewerbe« 

! geridjtß Berlin SB. 0 . ©chula . 322-325 





























































X 


©eroerbegericßte, (Sin Beitrag jur Kont* 
petenjerweiterung ber —. Bon 9R. o. 
©tfjula, Borfißenbem be« ©etoerbe* 

geric^td Berlin. 428- 

—, Nocßmal« ein Beitrag jur Kompetenj* 
erroeiterung bcr —. Bon 3R. o. ©cßulj, 


®ewerffcßaft«fommiffion, Organ ber öfter* 

reicßifcßen —. 

®eioerffcßaft«Fougrfß, Allgemeiner bent= 

fcßer -.' • - . 

—, ©rfter c^riflücfjer — 

—, ©alMtfdjer —. 


Sorjlß. b. ©eroerbegeridjt« Berlin 714—717 i *©ewerffd)aft«organifationeH, Baritätifcbe 


Die — al« ©inigung«ämter unb bie I —. Bon Bruno Ißofrfc^ . . 1117 — 

getoerffcßaftlicßen Bereiniaungen ber | ©eroerficßaft«politif. 

beutfdjen Arbeiter. Bon Br.Boerfcß494—496 ©eioerficßaftSüerein, 3aßre«bericßt be« — 

, Au«geftaltung ber —; Anträge im HRündjcn. 

Neicß«tage. 578 ©ewerfoerein d^riftli^er Bergleute, herein 

, Dienftaufficßt über bie ©efcßäft«* für bie bergbauließen 3«^^effen in 

füßrung ber — in Breußen . . . .1013 ©ffen unb ber —. 


für bie bergbaulichen 3ntereffen in 
©ffen unb ber —. 


—, Reform ber — in granfcricß • 326. 1254 ©eroerfoereine, Serbaitb«ßau« ber beutfcßen 

—, Nationaler Kongreß ber Arbeiterbei» — in Berlin. 

fißer in ben franjöfifcßen — . . . . 1205 —, Petition ber — um Berbefferung be« 

©eroerbegeri<ßt«gefeß, Abänberungen be« ©eroerbrgcridjtögefefee«. 

— in ber Neicß«tag«fommiffion 661. 909 —, gur ©runbuug cßrifllicßer —- . . . 

—, Petition ber ©eroerfoereine um Ser* i —, Die englifcßen — im 3aßre 1897 • • 

befferung be« —. 429 —, Bon ben englifcßen —. 

©eroerbebggiene, Die — unb bie SRebijinal* — unb SRinifter in önglanb. 

bebörben in $reu&en.174 , Begebungen ber — in ©nglanb. Sott 

©eioerbeinfpeftion in Neuß j. ß. . . . 810 g SB. ©alton.86- 

—, 3aßre«bericßt ber ßeffifcßen — . 957—959 — ogl. Drabe Union«. 

— in Defterreicß. 284 ®eroerFoerein«beroegung, Au« ber eng* 

—, Die — in Defterreicß. Bon Dr. ©mil j lifcßeu —. 72. 95. 

Soero. 1007—1009 i ©eroeifoereingbunb, Der neue — in ©ng- 

—, Die Senate ber — im Königreich | lanb. Bon ©meft Aoe« . . 478— 
©acßfen für ba« Saßr 1898 .... 1030 I ©eroerfoercinsfongreß, ©cßottifcßer — . . 

—, Au«geftaltung ber öfterreichifchen - . 506 — in BUjmoutf) 1083. 1270. 1294. 1346 1 


— in Neufiibroale«. 16 

— ogl. gabrifinfpeftion, ©eroerbeaufftcßt, 
ArbeitSinfpeftoren. 

©eroerbeinfpeftoren, Attroeifung für bie — 

in Bagern.452 

©eroerbeorbnung, Nooelle jur Deutfchen — 616 
@eroerbeorbnung«*NooelIe, Neicß«tag«oer* 
hanblungen über bie — . . . 808—811 

—, Abänberungen ber — in ber Neicß«* 
tag«Fommiffion.882 

— ogl. Umfaßfteuer. 

©eroerbcumfaßfteuer in DrcSbcn .... 37 

— ogl. Umfaßfteuer. 

©eroerblicß befcßäftigteKinber,gum©cßuß— 284 
©etoerblicße Aflianjoerbänbe.192 

— Sefdiäftigung oon ©cßulfinbern, Ne- 


16 I ©eroerfoerrinSlebcn, Au« bem englifchen — 

! *©eroerfoerein«politif, Negatioe unb pofi* 

! tioe —. Bon Brof. Dr. Brentano 
1185—1189. 1209-1213. 1233-1237. 
452 1257—1262. 1281—1288. 1329—1337. 

616 1361 — 1 

©eroerfoereinftfefretär, ©ßrung eine« — 
811 burch Arbeitgeber uubSli beiter in ©nglanb 

©eroerfuereinfioerbänbe, Die — in ©nglanb 
882 ©eroinnbetbeiligung ber Arbeiter in ©roß* 
britannien im Sabre 1898/99 . . . J 

37 ©laSarbeiter, Sobnberoeguitg ber bclgifcfjen 


284 ©la«ßütte oon Albi.411. 

192 ©laSinbuftrie, Brei«* unb Bobnoereinbaruug 
in ber — Norbbößmen«. 


gelung ber — im Neg *Bej. Bot«batp 1120 j ♦—, ©ine Arbeiterprobuftiogenoffenfcßaft 


— Befcßärtigung oon ©cßulfinbern ogl. 
©rroerböarbeit berKinber, Kinbcrarbeit, 
Sobnarbeit oon Kinbern, Kinber, 
©cßulfinber. 

— Hilfsarbeiter, Y.Berbanbfttag ber Bau*, 
©rb- unb — Deutfchlanb« .... 

— S^atiqfeit oon Kinbern in Dre«ben . 
©eioerblidjer griebe, gum — in ©nglanb 
©emerffchaften. Der britte Kongreß ber — 


Deutfchlanb« 


in ber — Norbböbmen«. Bon Dr SRay 
oon Dagentbal 241—246. 269— 
©la^furjmaaren^nbuftrie, gur Beioegung 
I in ber — Norbböbmen«. Bon Stob. 

j Breußler.1221 — 1 

590 1 ©leichberechtigung, gur — oon Arbeit* 

L026 j gebern unb Arbeitern. 

438 ' ©oIbbud)ioerfftätten, HRafenabmen gegen 
I ben ©taub in —. 


—, ©rfter Kongreß djrifilicber — ... 955 

—, ©ojialpolitifche Unterricht«furfe in 

djrifilichen.1060 

—, Die — unb ber paritätifdje Arbeit«- 

naeßroei«. 652. 670. 

—Die beutfehen — im Sabre 1898 . .1241 
—, Die — Cefierreich« int Saßre 1398 . 501 
—, Kongreß ber ungarifchen — . . . . 983 
—, ©onberfongreß ber britifchen — . . 840 

—, Die norroegifchen —.790 

—, Die amerilanifcßen — gegen bie An* 
nejion«politif ber Bereinigten©taaten 334 
—, Die *— im ©taate Nendorf ... 926 
©eroerffchaftlidje Arbeiterfongreffe. Bon 

©uftao Daube. 760—763 

— Serjammlungen, Bolitifche unb — in 

©achfen.193 

©emerffchaftsbemegung, Au« ber ameri* 

fanifdien —.416 

—, ©inBJenbcpunft inber fchroeijerifchen— 842 
©eroerffcbaftSgrünbung, ©ine — in Ham¬ 
burg; Konfum*, Bau* unb ©paroerein 


503. 702. 849. ©rapßifcße« ©eioerbe, ©rbebungen über 


. . 955 bie 2age ber Arbeiterinnen im — . . 
in ©riffeiiubuftrie, Die, ftaatliche Regelung 

. . 1060 ber — in SReiningen. 

it«- ©roßbetrieb, AuSbeßnung be« — in SRann- 

652. 670. heim. 

. .1241 ©roßinbuftrieHe, Befcßlüffe ber rßeinifch* 
B . 501 njeftfdlifchen — $ur S»oaIibenoerjiche= 


983 rung«*NooelIe. 

840 *@rubenarbeit, SWaterial jur grage ber 
790 ^eranjiehuug oon Arbeitern jur ßcher* 
heit«polijeili^en Beaufüchtigung ber —. 
334 Bon ©taatöminifier Dr. grßrn. oon 

926 Berlepfch .... 436-442. 465— 

©rubenarbeiter, ©treif ber belgifchen — 790. 
763 846. 879. 

—, Da« ©nbe be« ©treif« ber belgifcßen 
193 —. Bon Dr. ©uftao HRatjer . 922— 

©rubenaufficht«bienft, Die©inrichtung eine« 

416 unteren — in Breußen. 

842 ©rubeninfpeftion burd^ Arbeiteroertreter in 
©roßbritannien, granfreieß unb Belgien 

593— 


Brobuftion". 365 ©rubenfontroleure, Aufteilung oon — au« 


©eroerffd)aft«hau«, Bau eine« — in Berlin 646 
@eroerffd)aft«f)äu[er, Bau oon — . . . 339 
®eroerfjcbaft«fommiffion, Au« ber Ber¬ 
liner —.1268 

—, Necßenfcbafttbericht ber Berliner — 
für 1898 . 677 


646 bem Arbeiterftanbe. 

339 ©ritnbbefißer, Scrbanb ber $au«» unb — 

in ber Nßcinpfalj.5 

1268 ©rütlioerein, ©chroeijerifcßer — . . . . 

©umml-Arbeiter, ©cßroefelfoßlenftoff-Ber* 
677 giftung ber —.li 


„©utaeßteu unb Anträge", lieber — ber 
©eroerbegerießte. Bon SW. oon ©cßul$, 
Borßßenb. be« ©emerbegerießt« Berlin 

1130—1133 


' gaar* unb Borfteniuricßtereien, ogl. Boß* 

! ßaarfpinuereien. 

; Hafenarbeiter,Bewegung ber—Antwerpen« 
—, gur Bewegung unter ben —in Hamburg 
i Hafenarbeiter-Berbanb, Nßeberarbeit«nacß- 

wei« unb — in Hamburg. 

i Halbtag«fcßulen in Braßen. 

| HanbeUangefteDte, ©cßuß ber —; obliga- 

| torifeßer £abeufcßluß. 

; —, Neunuhr-Vabenfcßluß unb bie SÄtnimal* 

| rußejeit für —. 

! —, ©cßuß ber —. 

| —, ogl. Angestellte, ^abenangefteDte. 

| Hanbfl«gehülfen)cßuß in Auftralien . . . 

| HanbeUgehülfinucn, Die V. J age ber — in 
j ^eipjtg. Bon S?aura Kraufe. 1373— 
HanbeUgewerbe, ©onntag«ruße im — 
i —, ©efeßcntivurf, betreßenb ben ©cßuß ber 

Angeftellten im —. 

Hanbel«gewerbeinfpeftion in fionbon . . 
i HanbeUhülf«arbeiter, ©treitigfeiten unter 

ben —. 

| —, Allgemeiner Kongreß ber — in Kaffei 
—, ©tmgung ber — lofaler unb centraler 

Nidjtung. 

Hanbelefammcrn, ©inigung«ämter bei eng- 

Iijdieu —. 

Hanbelominifterium, Neorganifatiou be« 

franiöfiicßen —.1 

! Hanbelefcßule für wciblicße AngefteDte in 

Hamburg.: 

j Hanbcl«* unb ©ojialwiffenfcßaften, Hocß- 
| fcßule für — in grauffurt a. 3R. . . : 

! Hanbcl«-, Dran«port* unb Berfeßr«arbeiter 
; Deutfcßlanb«, ©entialoerbanb . . . 

Hanblung«gef)ülfeu, gujammenfcßluß ber 
organtfirten fojialbemüfratifcßen — . 

—, Befferung ber Sage ber — . . . . 1 
—, Die Bewegung unter ben Barifer — 705. 
—, Au«ftanb ber — ber Koloniulroaaren* 

| braneße in Bari« .... 340. 868. 

©cßußgefeße für — im Kanton gürieß 
*Hanblung«gehüIfen*0rgauifationen, Die 
| — im Deutfcßen Steicße. Bon Dr. 

S- ©ilbermann .... 1189—1 

Hanblung«geßülfentag, Bierter bculfcßer — 
Hatiblungggeßülfen - Berbanb, Deutfcß- 

tiationaler —.1 

Hanblung«*Kommi«, Berein für — oon 

1858 . 

Hanbmerf unb Hau«inbuftrir, görberung 

oon — in Ungarn. 

Hanbmerfertag, Der baperifeße — unb ba« 
©efeß jum ©cßuß be« gewerblichen 

Arbett«oerhältniffe«.1 

Hausarbeit in ber ©igarreninbuftrie, B** 
tition um Negeliutg ber — ... . 
Hau«geftnbe, Soßnoerßältniffe be« — in 

I ettgltfcßen ©täbten. 1 

—, ogl. ©eftnbe, Dienftboten. 
Hau«ßaltung«fcßulen in Baben .... 
—, gortbilbung«- unb — im Breußifdjen 
Abgeorbnetenßaufe; ©tatifttf .... 

— ogl. BolfSbauSßaltSfcßulen. 
HauhaltungSunterricßt in ben Bonner 

Bolfsfcßulen.1 

Hau«* unb ©runbbefißer, Berbanb ber — 

in ber Nheinpfalj. 

Hau«* unb ©runbbeftfjer-Bereine, 21. Ber« 
banb«lag be« ©entraloerbanbe« bcr 

ftäbtifd)eu —.1 

HauSinbuftrie, gormen unb Begriff ber — 

| — al« golge be« Ärbeitermangel« in ber 
I Bforsbeimer Bijouterieinbuftrie . . . 1 
| - , Neue — al« grauenerwerb .... 

[ —, Die Neicß«regierung unb bie — . . 1 

—, Steuerbefreiung für bie — in Nußlanb 
—, görberung oon Hanbwerf unb — in 
Ungarn.. 

— ogl. H e ^ ma rbeit. 






























































XI 


Spalte 

HauSiubufiriellf, AuSbehnung ber Kranfen* 

__— _C V:. • <«_r* ni Ann 


oerficherung auf bie — in Berlin 74. 929 
—, Kranfeuoerfirf)erung ber — unb Kinber» 

fcbufe für Berlin.1872 

„HauSpflege", Die — be4 Berliner grauen* 

oereinS.628 

HauSoerwalter unb Hauswarte, Sinb — 

oerficherungspflicfetig?.707 

HauSwirthfchaftliche Unterweifuug in ber 
BolfSfchuIe. Bon Seljrerin grangisfa 

Ofjneforge. 859—861 

Health Visitors, Die — in Birmingham . 1356 
- ogl. ©ejunbhettsinfpfftorinnen. 

Hebung beS ArbeiterftanbeS.618 

H*ilbehanblung, Statiftif ber oon ben Ber- 
ficherungSanftalten übernommenen — . 597 

— ogl. Kranfeufürforae. 

Heilfiättenbemegung, SBiScellen gur — .1107 

— ugl. Bulfsheililätten, Sungenheilftätten, 
©enefungSheinte. 


* ^dmarbeit, Befchränfung ber — in ber 
KonfeftionSinbuftiie. Bon Slffeffor Dr. 

Alfreb SBeber. 721—727 

*—, Sogiale Kampfmittel miber bie —. 

Bon Dr. ©ug. Schwteblanb 1187—1143 

— in ber Biirften* unb Binfelinbuftrie, 

©egen bie — . . •.850 

— ber Diamautarbeiter in Amfterbam . 451 
—, Antrag auf Regelung ber — in Cefter* 

reidj. 112 

, Arbeiterfchufe unb —. Bon Dr. 
©ugen Schwieblaub 105—111. 129—134 

— ogl. HuuSlnbunrie. 

Heimarbeiter, Grhebungcn über bic Sage 

ber — in Defterreid).564 

—, Ber öfierrcidjifche ^anbeldminifter über 

bie —.1074 

-, ©nquete über bie Sage ber — in ber 
überreichlichen KonfeftionSiubufirie . . 1050 
HeimarbeitSgefcfegebung, Siele unb SBege 

einer —.1368 

Hetratbßfäfjigfeit, Befrfjränfung ber — in 

Amerifa.549 

fielferfommiffion ber Kieler ©efellfcfiaft 
freiwilliger Armenfreunbe 1873 bis 

1898 . 546 

HtlfSoerein für weibliche AngefteDte, Kauf* 
männifcher unb gewerblicher — gu 

Berlin .1029 

Hochfdjule für Hanbel«* unb Sogialwiffen* 

fchaftett in granfiurt a. 2».1167 

Hodjfcfeulfurfe, AuSbefenung ber oolfstljüm« 

liehen — in Beutfcfeianb.718 

—, BolfStbümliche. Bon Dr. grtfe Specht 

99 _iqo 

—, BoIfSthümliche — in Berlin . 155. 292 

—, Berein für oolfcthümliche — gu Berlin 1060 

—, Bie guhörerfchaft ber oolfsthümlichen 

— in Berlin.849 

BoIfSthümliche — in Hamburg . . 773 

— für 3 *bmnann in Seipgig .... 909 

— für 2 ßannt)eim .1158 

— ogl. Kitrfe, Bortragsfurfe, BoIfSoor* 
lefungen, Borlefungswefen. 

HoblglaSperlen-ffirjeuger / StaatSunter* 
ftüfeung für bie Brobuftiogenoffenfchaft 

ber — in Borbböfjmen.362 

Holzarbeiter, Bie Sage ber beutfehen — 

1341—1343 

HolgbearbeitungSinbuftrie, BaS gwifchen- 
meifter-Sqftem in ber Berliner —. Bon 
Dr. ©eorg BeuhauS . . . 1195—1198 

Holginbuftrie, Berfudj einer Unternehmer* 

Drganifation in ber —.876 

HülfSfaffen, ©rünbung einer nationalen 
Bereinigung ber freien — in grantreich 312 
HülfSfdjule für fchroachbegabte Kinber in 

Bofen.157 

HülfSoerein für weibliche AngefteDte, Kauf* 
männifcher unb gewerblicher — in Berlin 503 
HülfSoereine, Oberfter Bath ber freien — 

in granfreid).905 

Humbolbt-Afabemie gu Berlin .... 292 
Hhgienifche 2BoblfahrtSeinrid)tungen . . 236 
HhgienifcheS Snftitut, StäbtifcheS — für 

Berlin .1076 

HhPotbetenbanfen unb Baufpefulation . 982 


3- 

' Spalte 

gahrbudh ber ArbeitSgefefegebung für 1897 168 
gahreSbericht beS gabrifinfpeftorS für 
SBeimar, Aus bem —.1009 

— ber gabrifinfpeftion für SWeiningen 

1898, Au$ bem —.858 

— be$ gabrifinfpeftorS im gürftentbum 
Sdjwargburg*Bubolftabt für 1898 . . 817 

— beS ©ewerffrfiaftSoereinS HWünchen . . 1054 

— ber Kffferrnadjer-Brabe-Union . . . 1007 

— ber englifchengabrifinfpeftoren für 1897. 

Bon Halene Simon.12-16 

gahreSbericfete ber gabrifen- unb ©etoerbe- 
infpefioren BaqernS für 1898 . . . 538 

— ber nieberlänbifchen ArbeitSinfpeftoren 

für 1897 unb 1898. Bon Dr. 3- H- 
oatt ganten. 1271—1272 

— ogl. Berichte. 

3abreSoerfammlung ogl. Kongreß. 
gahreSoerfammlungen ber fogialiftifdjen unb ber 
liberalen Arbeiter in Ho^ub ... 791 
gatnmer unb Both, ©in ©aug burch — 817—819 

-, ©in ©ang burch — in München 372 

gnbuftrie, ©ine ©efahr für bie Konfurreng* 
fdhigfeit unferer — auf bem SBeltmaTft 1074 
—, Berpflangung ber — aufSSanb in Baben 846 
—, Kommunale Anlagen gur görberung 


ber —.1266 

Snbuftriefammem.250 

SnbuftrieDe unb faufmännifche Unternetj- 
mungen, Belgifcheö ©efeb, betreffenb 
bie Sicherheit unb ©efunbljeit ber in 

— befchäftigten Arbeiter. 1001 

—, Berein ber — beö Begierungöbegirf« 

Köln.731 

—, $>ie Arbeitäftatiftif unb bie — in Defter* 

reich.898 

—, Bunb öfterreidjifcher —.281 

gnbuftrien, Bertheilmtg ber gefchüfeten 
Arbeiterfategorien auf bie oerfchiebenen 

— in Braten.1290 

*3nbuftrieftaat unb öjporiinbuftrie. Bon 

Brof. Dr. K. 0Ibenberg . . 745—748 

gntereffenfonflifte oon ©emeinbeoertretern 

in SRijborf.785 

gnoaliben« unb Altersrenten. 1201 

gnoaliben* unb Alterßrentner in 2)eutfd^= 

lanb am 1. Dftober 1898 . 177 

*3noalibenbäufer für Arbeiter. BonStabt- 
rath H- »• granfenberg . . . 265—269 
gnoalibenrenten, 5)ie Höh e ^cr —. Bon 


H- Hont. 793-794 

Snoalibenoerfitherung, ®ie ©rgebniffe ber 

— für 1897. Bon H- Horn. . 176—177 
-, Ablehnung beS ©ntmurfS ber — burch 

bie ©rofeinbuftrie beS ffieftenö ... 597 
—, BentenfteUen für bie — unb ber Ber* 
banb eoangelifcher Ärbeitcroereine 

SBürttemberg«.. . 1247 

—, gur — in Bauern.311 

—, ogl. Alteröoerjicherung, AlterSoerfor- 
gung. 

3noalibenoerfnherungs»®ntwurf, Kranfew 
fürforge unb —. Bon SanbeSaffeffor 

©. o. SBifcleben.149-161 

*3noalibenocrftcherungSgefeh, 5)aS —. 

Bon Dr. jur. Bich- greunb . . 470—474 
, ®as neue —. Bon SanbeSaffeffor ©. 

oon ©ifeleben.1017—1021 

—, $er ©ntwurf eine« — im BeichStag 

568-570 

gnoalibenoerftcherungS-Booelle, Annahme 

ber — im BunbeSrath.406 

—, Annahme ber — in ber BeichStagS* 

fomntifjton.882 

—, $te — unb bie ©rofeinbuftriellen . . 507 

gnualibenoerforgung, Statut für bie Alterö- 
unb — ber fläbtifchen Sohnarbeiter in 

Stuttgart. 221 

gnoalibitätsgefeb, ^ie Bentenfeftfefcung 
unb bie Aufbringung ber SHittel gur 
Beftreitung ber Beutenlaft nach ber Bo- 
oelle gum —. Bon Dr. 3ul Both s 

holg. 285—287 

gnoalibitätsoerfidjerung, Antrag auf ©in- 
führung einer allgemeinen Alters* unb 

— in Oefierreich.232 


Spalte 

3noalibitatSoerficherung, ogl. AUerSoer- 
ficherung. 

Snoalibitäts- unb AlterSoerfi^erung, ®er 
Stanb ber Unfall-, — in ©eutfdfjlanb 

1897 . 391—898 

-in Dftpreufeen, Durchführung 

ber —.177 

-, Die Kranfenfürforge ber Ber- 

rtcherungSanftalten ber — für 1898. 

Bon Dr. Bothholj . . . 1056—1058 

3noalibitätS- unb Alterss BerfldjerungS- 

anftalt Berlin, Die —.47—49 

-Berlin 1898 .... 1351—1353 

-Bhetnprooin^, SahreSbericht für 

1898, ©runbfäfce für ©ewährung oon 

Baubarlehen.1202 

-, Die württembergifche — unb bie 

Kranfenfürforge.1104 

3noalibitäts- unb AlterSoerfidjerungSan- 
ftalten, Kranfenfürforge ber — . . . 1150 
3noalibitatS- unb AlterSoerficherungSgefefe, 

©rgebniffe beS —.482 

-, Booelle gum — .... 73, 97 

SnoalibitatSnooeQe, Der ©ntwurf ber — 
nach ben Befchlüffen erfter Sefung in 

ber Beid)StagSfommif|ion.770 

—, Die Befdjlüffe ber Bertreter ber beut¬ 
fehen BerficherungSanftalten gu ber — 542 
*3m>alibität8* unb Kranfenoerftcherung. 

Bon Dr. jur. Bich- greunb . 858—856 
gnoalibitätSoeifidjerungS - Anftalten, Bau 
oonArbeiterwohnungen mitHülfe ber— 871 
—, Konfereng oon Borftanben ber — . 482 

*3«o a IibitätS»BerjicherungSgefeb, Die Bo- 
oelle gum —. Bon Dr. jur. Bich- 

greunb .81—86 

3noalibitätSoerjicherungS*BooelIe, Die erfte 
amtliche Kuubgebung gur — . . . . 203 

—, Die —. 287, 627 

—, Die Beratung ber — im BeichStage 642 
—, Befdjlüffe ber rheinifch s weftfälifdjen 

©rofeinbuftriellen gur —.543 

gtalienifche Slrbciter, BiaffenauSwanberung 


3ugenbliche, ArbeitSgeit ber — in gabrifen 647 
—, Sdju& ber — oor Berrohitng im preufei- 


fchen H c rrenhaufe.909 

— Arbeiter, Abanberung ber Schufeoor- 
fchriften für — in granfretdj . . . 854 

3unge Stäbchen, Berfcfeiebung in ber ©r- 
werbsthatigfeit —.1170 

Kammgarnfpiuner, Bereinbarungen ber 

beutfehen —.888 

Kampf, Bach bem -- in SübwaleS . 45, 255 
KanalifationSarbeiter, Achtftunbentag für 
bie ftäbtifchen — in Baris .... 370 

KanalifationSwerfe, ArbeiterauSfdjüffe unb 
ArbeitSorbnung in ben ftäbtifchen — 

gu Berlin.477 

KarteD, Boqfott burch ein — .... 1268 

Kaffenargtfrage, gur —.794 

Kaffenoorftänbe, DrtSfranfenfaffen, — unb 


Schiebsgerichte. Bon B§- H*rg-9RillS 

453—454 

Katholifche Ärbeiteruereine, Berbanb ber 

— in Süb-Deutfchlanb .956 

-, Delegirtentag ber — Sübbeutfch* 

lanbS.1292 

Kaufmännifche Sehrlinge, Die AuSbilbung 

ber -.279 

— Bcreine, Deutfcher Berbanb — . . . 900 

-, H au Pt öc rfammlung beS beutfehen 

BerbanbeS — gu ©ifenach .... 1006 
Kaufmännifcher unb gewerblicher fiülfS* 
oerein für weibliche Angeftettte gu Berlin 

503, 1029 

KaufmännifcheS SchiebSgerid)t in DSna* 

brücf.461 

♦Kellner unb Kellnerinnen, bie BeidjSer* 
hebung über bie Sage ber--in Deutfeh 5 
lanb. Bon Dr. Arthur ©oben 778—782 

, Die gefefelidje Begelung ber Arbeits- 
oerhältniffe ber —. Bon Dr. Arthur 
©oheu .... 1065—68, 1094—10' 






















































XII 


©palte 

Kellner unb Kellnerinnen, ©eroegung unter 

ben — in ©ariS. 173 

—, ©efonberer gefefelidjer Schüfe ber — in 

granFreidj .453 

—, gefter Sohn für — in ©ambuig . .1168 
Kellnerinnenfrage, 3 ur Skgflwng ber — 

in ©effen.1273 

Keramifdje gnbuftrie, ^Bleivergiftungen in 

ber —.758 

-, Arbeiterfchufe in ber — ©ttglanbS 882.1176 

Keffelmacher * ©rabc * Union, Jahresbericht 

ber —.1007 

Keffelfdjmiebe, ©er ©eroetFoerein ber — 

in ©nglanb.592 

Kinbcr, fiülfsfchule für fchroachbegabtc — 

in ©ofen.157 

—, herein junt Schüfe ber — oor Aus» 
nufeung unb 3RijjfjanbIung in Berlin . 074 
—, 3um Schüfe geroerblich befcfeäftigter — 284 
—, ©eroerblidjeShätigFeit von — itt©reSben 1026 
—Sohnarbeit fdjitlpflichtigcr — in ©rofc- 
ftabten unb Jnbuftrieortcn ©eutfchtanbs 445 

—, Regelung ber geroerblidjen Arbeit fd;ul* 
pflichtiger - int Steg.-©ez. ©otgbarn . 1120 
—, ©reufeifche ©räftbialocrfügungett junt 

Schufee ber —.1272 

—, ©efrfjränFung ber ©rroerbSarbeit ber 

— in ©nglanb.1025 

— als §aufirer in Sioerpool.787 

—, ©ie franjöfifche gabriF* unb ©eroerbc» 

infpettion über bie ©efdjäftiguug von 

— unb toeiblichen ©etfonett . . . .1054 

Kinberarbeit, ©eFämpfuttg ber getoerbS* 

mäßigen — burch bie Sehrer . . . 043 

— in gabriFen unb in ber £>au8inbufirie 335 

—, ©Fafenahmen gegen bie geroerbliche m 

in ©erlin unb Vororten.928 

—, 2Rafjnafjmen gegen bie geroerbliche — 
in Uelzen. . 1223 

— in granffurt a. 9JF. unb ©Ijentnib . . 40 

— in Sangenbielau.534 

—, StatiftiF ber grauen», Jugeitblichen* 

unb — in gabrifen.278 

—, ©eroerbliche — im ^erjoglfjutn ©raun» 
fthroeig.08 

— in ©nglanb.410 

—, Nochmals bie — in ©nglanb . . . 588 

— in Sonbon.564 

— in Sonbon. ©on ©rnefr Aoeg 1078— 10SO 

-, Siegelung ber grauen» unb — in Italien 928 

Sdjufe ber grauen» unb — in granf» 
reich. 445. 1274 

— ogl. ©rroerbSarbeit ber Kinber, ©eroerb» 
liehe ©efd)äftigung von Kinbern, Sohn* 
arbeit von Kinbern, Kinber, SdjulFinber. 

Kinberbefdjäftigung, UngültigFeit von 
©olizeioerorbnungen über—, . . . 1223 
Kinberfdjitfe in ©reufeen.770 

— für ©erlin, Kranfenuerjidjerung ber 

HanSinbuftrieUcn unb —.1372 

—, Urtljeil beS KamntergerichtS in Sadjen 
beS —.175 

— in ©nglanb.620 

—, Jnternationaler Kongreß für — itt ©eft 1265 
KioSFe, Stäbtifche — für antialFoljoItfcbc 

©eträufe.730 

Kleingewerbe, «Sanitäre Reformen für bas 

— in Cefterreich.310 

—, ©etriebSunfciUe int öfterreichif^en — . 373 

Kleinljaug-®efefe in ©nglanb.685 

KleinFaufleute, ©er Slcbtufjrlabenfchlun unb 

bie —.341 

Kleinwohnungen, ©rbauung von — für 
SubroigShafen a. SU).547 

— ogl. SSohnmtgen. 

Knabcnarbettgauftalt, Stäbtifdje — ju 

©armfiabt.730 

Knappfd)aftg-©erutSgenofi’enfd)aft, ©ieAuf* 
roenbungen ber — für 1898 . . 854. 1276 
Koalitionsfreiheit, ©ie — unb baS ©entrinn 197 
KoaIitionSrcd)t, ©as — ber beut[d;en Ar* 
beiter in ©f)corie unb ©rajiS . . . 480 

-, ©aS - ber Arbeiter unb bie parla» 
ntentariidjcn Debatten tn ©eutfcfjlanb 583 
unb StrciFpoften, 3 l ^ c i ndjtcrliche ©nt» 
idjetbungen über Arbeiterfragen in ©ng= 
lanb; ©efdjränfung brg - .... 363 


e»aitc 

KoalitionSrecht, 55a« — ber nieberlättbifthen 
Arbeiter, ©on Dr. g. H- ®nn Snnteit 

1072-1073 

— vgl. ©ereinS-, ©erfammlungSrecht, Ar» 
betterberufgoereine, ©erufSoereine. 

Äoalitiongjroang von Unternehntrroer» 

bänbett.306 

Äohleuarbeiter vgl. ©ergarbeiter. 
Kohlniarbeiterlöhne in gninotS . . . .1221 
Kohlenbergbau, ©iuigungSamt int eng* 

Iifchen — . . 325 

—, Sohttberoegung im böhntifcheit — . . 1320 

— ogl. ©ergarbeiter, ©ergbau, Gruben¬ 
arbeiter. 

Kohleitbergleutf, Achtftunbentag für bie — 

in Amerifa. 589 

—, ©er AuSftanb ber — im ©iauenfcheit 

©runbe. 1349. 1380 

KohlenbergroerFarbeiter, ^er StreiF ber bei* 
gifchen—. ©ouDr.©uftau SWatjer 846—849 
KohlenbcrgroerFö-gnbuftrie, ^)ie Unfafloer- 
fidjeruttg in ber belgtfchen —. ©on 
Dr. ©uftao 5>?at)er . . . . 904-905 
Kofjlengruben»Au$ftanb, 9?adj bent — in 

6übroale0. 45. 255 

Kohleninbufirie, fiohuberoeguttg in ber bei* 
gifchen —. 254. 814 

— ogl ShtfjrFofjlenreoter. 

Kolonnenführer, 2)ie Stellung be8 — unb 

feiner ©ritppe im Saugeroerbe. ©on 
©eroerberidjter Dr. ©chalhorn 1322—1324 
Kontmifrton für ArbeiterftatiftiF, ©ie — 119. 200 

M -, 9Wabregelung roegett Augfagen 

oor ber —.282 

-, ©ittadjten ber —, betr- bie Stege* 

lung ber Arbeitszeit in ©etreibcmühlen 567 

— für Arbeiierinneitfchufe, ^ie ©erlitter — 500 
Komntunafabgaben-®e[eh, Abänberung beg 

— im preubifd^eit Abgeorbneteuhaufe 

661. 785 

Kommunalbeamte, ©efehputrourf über bie 
Stechtgoerhältniffc ber — in ©reufjeu 221 

—, ©reufjifdjer ©efejjeutrourf über Auftei¬ 
lung unb ©erforgung ber — ... 757 

— ogl. ©emeinbebeantte. 

Kommunale Anlagen jur gorberuug ber 
3ubuftrie.1266 

— Schulbäber in ©rtglanb.1315 

! — SozialpolitiF, Steiihgtaggabgeorbueter 

^rimborn über —.90 

— Unternehmungen, ©nquete über — in 

gtalien.642 

Kommunaler Arbeiterfdjulj in ©aris . . 252 

— Selephotibienft in ©nglanb .... 673 
, Kommunales Telephon irt ©orroegett . . 1315 
, Kommunales SöerFftättcnftatut in ©ubapeft 1315 

KommunalpolitiF, Arbeiter uttb — in ©ng¬ 
lanb .1146 

Kommunalprogramm für $üffelborf . . 1002 
i — ber leipziger SozialbemoFratcn . . . 222 
Kompetcnzerroeiterung ber ©eroerbegerichte, 

©in ©eitrag zur—. ©oit $?. o. Schulz, 
©orrtbenbem beS ©eroerbcgerichtS ©er¬ 
litt. 423-29 

*KonfeFtion, 2)er Arbeiterfdjuh * 11 & er — 
unb oerroattblen ©eroerbett. ©onAffeffor 
Dr. Sllfreb SBeber . . . . . 689—694 
KonfeFtionSarbeiter, Seroegung unter ben — 147 
KonfcFtionSinbuftrie, ©efebeittrourf gegen 

! bie Uebelftänbe itt ber —.283 

*—, ©cfdjränFung ber Heimarbeit in ber 
—. ©on Affeffor Dr. AlfrebSBeber 721-727 
—, 2>ie—, ein FlafftfcheS ©ebiei ber ArbeitS» 

roiüigen.751 

1 —, ©nquete über bie Sage ber Heimarbeiter 

, in ber öfterreichifcheu —.1050 

Konferenz ber ©ertreter ber ©erftiherungg* 

anftalten. 482. 507 

; — ber batjerifther» gabriFen* unb ©eroerbe- 

infpeFtoren.1176 

;KonfliFt zrotfeheu Arbeitgebern unb Arbeitern 

in $>äneutarF, ©eettbiguitg beS — . . 1293 
Kongrefe ber eoangclifefjett Arbeiteroereine 
in Altona.955 

— ber d)riftlich - fozialen Korporationen, 

^internationaler —.789 

— djriftlidjcr ©noerfidjnfteu, ©rfler — . 955 


1355 

1059 

948 

960 

173 


740 

601 

1059 


«palte 

Kongreß ber ©eroerFfchaften 2>eutfchIanbS, 
©rittcr — . . . 603. 702. 849. 889—893 

—, Allgemeiner — ber H^nbelShülfSarbeiter 

in Kafffl.95 

—, $er eoangelifch-fojiale — in Kiel 362. 

894. 945 

— für öffentliche ©efunbljeitSpflege, $)ie 
Schularztfrage auf bem 24. — . . . 

— für lättblidjfS ©enoffenfehaftsroefen, 

internationaler —. 

— für fozialroiffettfchaftlichcS UnierrichlS- 
roefen 1900, internationaler — . . 

-- ber KranFenFaffen $eutfchlaitb$ . . 

— ber 2>gtilarbetter ©elgienS . . . 

—, Sedjfter— beS bänifchen©?etallarbeiter- 

©erbanbeS.815 

— ber ©iotlarbeiler beS ©Filitärequippe» 

menlS in granFreich.390 

— ber frauzöfifihen labaFarbeiter unb 

»aibeiteriitnen.200 

—, Sozialpolitiidjer — in ©ettua . . 1121 

— ber ungarifdjen ©eroerFfchaften . . . 983 

— ogl. iahresoerfatnmlung. 

KonFurrenzfahigFeit unferer inbuftrie auf 

bem SeitmarFt, ©itte©efahr für bie — 1074 
KonFurrettzFlaufcI, ^ie Anioenbung ber— 531 
Konfunt»,©au»unbSparoerfin„©robuFtion" 

in H^ntburg. 365. 485. 547 

*-. ©on H- ©tühmer 612-616 

Konfumoerein »©orroärtS - in ©reSben . 867 
! Konfumoereine, Ablehnung einer Umfafe- 

fteuer für — in Hamburg. 68 

—, AuS beut ©echenfdjaflSbericht beg ©cr- 
banbeg fchroeizerifcher — pro 1898. 

©on ©rof. Dr. gul. ©latter 1151 — 1153 

KoutroImarFe, Arbeiterfchub unb —. ©on 

Hetnr. Abler. 1295-1296 

Kooperatiogenoffenfchaften, Staatliche ©e* 
fdjäftigung ber Arbeiter*— .... 
KooperatipgefeÜfchafien in ©elgiett . . . 

— in ©nglanb.49. 

KoftFinber, Stabtärztliche Unterfudjung 

ber — in (^fjarlottenburg- ©erpfltdj» 

tung ber 'Pflegemütter.1315 

KranFenfürforge ber ©erftchentugganftalteii 
ber gnoalibitätS» unb Altergoerriche- 
rung für 1898. ©on Dr. ©othh°Ij 

1055-1058 

— ber 3noalibitätS- unb AlterSoerftchc* 

rungSanftalten.1150 

— unb ittoalibenoerftcherungS - ©ntrouif. 

Sott Sanbegaffeffor ©. o.©$i feie ben 149 

— ogl. H^l&fhanblung. 

KrattFettFaffe für bie Seamten ber Stabt 

Seipzig. 

KranFenFaffen, ©er ©uberFulofenfongref} 

unb bie —. 

—, Kongreß ber — ©eutfchlanbS . . . 

—, greie Aerzteroahl in ben — • . . . 

—, Stellung ber Aerzte zu ben — . 232. 
KranFenFaffen-AuSftaub, Stentfcheiber . . 
KranFenFaffenfrage, Aerztliche ©enffchrift 

Jur —. 

KranFenoerfidjerung ber ftäbtifchen Arbeiter 

in ©erlin. 287. 

—, ©te obligatorifchc — ber Ho^inbuftri- 
ellen.74. 

— ber HaHäinbuftriellen unb Kinberfchuj} 

für ©erlitt . ,.1372 

—, Ablehnung ber Slangs»— für Kauf¬ 
leute in SRagbeburg.151 

—, Staub ber — in ©eutfchlaub 1897 . 854 
, gnoalibitätg» unb —. ©on Dr. jur. 

Stich- greunb. 353—356 

—, ©FiSceüen zur —.151 

*—, ©ie Steform ber —. ©on Stabtralh 
H- ü. granFenberg . . . 1305—1309 
—, Unfall' unb — in ber Schroeiz • 121. 

152. 772. 963 

— ogl. Arbeiter-KranFenoerftcherung. 

KranFen- unb UnfaHoerfi<herung ber fiäbti 5 

fchen Arbeiter in ©erlin . . . 287. 544 

KranFenuerftdjerungggefeb, ©er beut[<he 
Aerzteoerein§bintb unb bag — . . . 508 
—, ©in Siicfe im —. ©on Dr. ©I. H e *6 311 
KranFenoerficberungSpflicht ber ©erlitter 
HauSinbuftriellen .... 74. 929. .1372 


-151 


1218 

882 

960 

598 

1246 

253 

1380 

544 

822 
































































XIII 


Spalte 

KranfenoerjidjerungSftatiftif.1224 

Sfriegöarfenale, $ut Sage ber Arbeiter in 

ben — granfreich«.224 

Strippen.423 

Kunftgeroerbe, Defterreidjifdje« — im $auS* 

balt be« UrbetterS.1168 

Kunftgeroerbltcße betriebe, Stein Urbetter* 

fdjuß im —.227 

Stunftfjiftorifdje Mufeen für bie Stleinfiäbte 

in Deflerreid).'603 

Sturfe, BolfSthümlicße — oon berliner 
hocßfcßullebrern ........ 395 

— für bie UuSbilbuttg oon gabrif« 
infpeftorinnen in Stuttgart .... 175 

— ogl. OodjfdjulfuTfe, Bortrag«rurfe, 
BoIfSoorlefungeu. 


*. 

Sadirer, ©ie Bereinigung ber SWaler, —, 
Unfiretdjer unb oerroanbter Beruf«* 

genoffen ©eutfcßlanb«.172 

Sabenangeftellte, ©er gefeßlidje Schuß ber 

— in Uufiraliett.792 

— ogl. Ungeteilte. 

*2abengefchäfte, Schuß ber Ungeteilten in 

offenen —. 637—640 

—, Schuß ber Ungeteilten in — 174. 476 

Saberifcßluß, Ugitation für ben — . . . 506 

—, Schuß ber $anbel«angeftellteu; obliga» 

torifcßer —.705 

—, ©rüttbe für ben gefeßlicßen einheitlichen 

— .852 

—, ©in gleichmäßiger unb früherer — . 369 

— ogl. Udjtufjr • Sabenfcßluß, SGeuttußr* 
Sabenfcßluß. 

2änbliche Urbeiter, UTbeitSuadjroeife für — 

in Preußen.856 

—, ©efeß, betreffenb bie UrbeitSuerhält* 

niffe — in Unhalt.784 

Sänblicßer Urbeitermangel in Preußen . 533 
Sage, Schlimme — ber Urbeiter am Sitnp« 

lontunnel.563 

Sanbarbeiter, ogl. gelbarbeiter. 
Sanbarbeiterberoegung in Ungarn . . 11 . 926 
2 anbarbeiter*@nquete, ©err o. Miquel unb 
bie — be« herein« für Sojialpoliüf. 

2$ott B*of. Dr. Maj SBeber . 640—642 
2 aubtag$iüablen, ©ie preußifchen — . . 111 
Sanöroirtbfcßaftlicbe Urbeiter, UrbeitSnadj« 

roei« für — in Hamburg.483 

-, Berftcßerung — in Ungarn ... 772 

— UrbeitSIößne in ©nglanb.1170 

— UrbeitSnadjroeife, Uufbebung ber Be* 
feroiften-UrbeitSnacßroeife 511 ©unften 

— in £>annooer.1226 

— UrbeitSoerhältniffe, ©efeßUdje Regelung 

ber — in Ungarn.1194 

— ©ettoffenfcßaften, Sojialpolitifdje Seiftun* 
gen ber beutfcfjen —. Bon Dr. K. ©hie ß 

510-514 

-, ©ie ftarfegunaßmeber -in©eutfd)* 

lanb ..547 

-unblanbroirtfjfcßaftlicb benußteBoben 

fläche in ben beutfdjen BunbeSfiaaten . 1226 

— Söhne, ©ie — in ©nglanb .... 620 

— Sgnbifate, ©ie ©ßäügteit ber — in 
granfreich auf fokalem ©ebiete. Bott 

Dr. 0. SBiebfelbt. 329—333 

Sanbroirthfchaftlicßer ©enoffenfdjaftstag, 

©eutfdjer — oon 1899 1153 

Seßrfräfte, ©robenber Mangel an — für 
bie höheren Seßranftalten in Preußen. 

Born Oberlehrer Dr. (5. pudert 685 — 686 
Sehrlinge, ©ie UuSbilbung ber faufmänni» 

fcheu —.279 

Seßrlingöftiftungen in SBürttemberg . . 234 
SehrlingSsücßterei, ©egen bie — im Bar* 

hier* unb grifeurgeroerbe.223 

* 2 ebrIing« 3 Üd)tung, ©ie — im Bäder* 
geroerbe. Bon fßrof. Dr. St. Dlben* 

berg.25—30 

Sehrmittel, Uitentgeltlidjfeit ber — in 3ürich 1250 
SefehaHen, gret* — in ©nglanb ... 157 
©omeniu««®efelIf<haft unb ftäbtifdje — 774 
— ugl. greilefeßallen, BolfSlefeßaflen. 


Spalte j 

„Seutenotß*, ©ie Berhanbtungen über bie 

— im preußifchen Ubgeorbnetenßaufe . 920 
Siga in Belgien gegen ben Ulfoßol, Sozial« 

bemofratifche —.280 

Söhne, ©ie lanbroirtßfcßaftlichen — in ©ng* 
lanb.620 

— bei fomtnunalen ©ramroag« in ©nglanb 1170 

— ber fcßroeijerifcßen ©ifenbahnarbeiter . 1170 

— unb Urbeitögciteu, Beränberungen in — 
roährenb be« September« in ©nglanb 92 

-, Beränberungen ber — 1898 in 

©nglanb.. 1344 

—, Regelung ber — ftabtifd^cr Urbeiter , 
für Berlin unb Spanbau.586 

— ogl. Urbeit«löfjne. ! 

Sohn, gefter — für SteHner in Hamburg 1168 j 
Sohnarbeit fdjulpflicßttger Stinber in ©roß« 

ftäbten unb gnbuftrieorten ©eutfcßlanb« 445 ; 
* Sohnarbeiter* Siatiftif, ©ie Metßobe ber 

— ber preußifchen ©ifenbahnoerroaltung. 

Bon Dr. ©. ^irfchberg . . . 993—999 

Soßnberoegung in ©eutfcßlanb .... 676 

— im Buhrfoßlenreoter .... 43. 70 [ 

— in ber belgifcßeu Stohleninbuftrie . . 254 | 

— im böhmifcßen Kohlenbergbau . . . 1820 
Sohneinhaltung unb Sparjroang. Bon 

BedjtSamoalt Dr. Subroig gulb . . 5—6 
Soßnregelung für bie ftäbtifcßen Urbeiter 

in Mannheim.662 

Sohnregulirung, Behörblicße — in @ng* 

lanb.193 

Sobnfcßuß, ©ericßtlidjer — in Uuftralien 760 
Soßnfteigerungen in ben Bereinigten Staaten 67 5 
Sohn- unb Streifberoegungen ber Metall* 

arbeiter 1898 . 447 

Sohnoerhältniffe be« §au«geftnbe« in eng* 
lifcßen Stäbten. 1220 

— ber ftäbtifcßen Urbeiter in München . 500 
—, Begeliing ber ©ienfl* unb — ber ftäbti* 

f«hen Urbeiter in Mannheim . .671. 1002 

— unb gnoalibenoerftcßerung. Bon $. 

$orn . 408—410 

Sohn* unb UnfteHungSoerhältniffe ber Ur¬ 
beiter ber fdjroeijerifdjen BunbeSoer* 

roaltung.1047 

Sohn* unb UrbeitSoerhältniffe im beutfdjen 

Maurergeroerbe 1898 -1317 

Sohnuorfcßuß, gft - als ©arlefjn aufju* 
faffen. Bon ©eioerberichter Dr. Sdjal* 

horn . 797 — 798 

Sohnjahlung, ©et« ©efeß über bie — in 

granfreich.310. 921 

Sungenßeilftätten, BeleifjungSgrenjen ber 
BerfidjerungSanftalten für Urbetter« 
roohnungen unb —. 17 

— ogl. ^eilftätten, BolfSßeilftätten, ©e* 
nefungsheime. 

Sungenfranfe, Offene BerpflegungSftationen 

für -.422 

Suftbarfeiten, Befchränfung ber öffentlichen 

— im Bfjeinlattbe.700 

— ogl. geftunroefen. 


1 Mäbdjen, Berfchiebung in ber ©rroerbs* 

thätigfeit junger —.1170 

I — unb grauengruppen für fojiale §iilfs- 

arbeit.49 

Bfaifeier, UuSfperrung roegen ber — . . 881 
Blaler, bie Bereinigung ber —, Sadirer, 
Unftreicßer unb oerroanbter BerufSge* 

noften ©eutfchlanb«.172 

Sftarinebetriebe, Uchtftunbentag in ben — 

in Umerifa.411 

BJafchinenbau, ©inigung im englifchen — 1245 
— unb Metallarbeiter, ©eroerfoereiite ber 

i beutfdjen —.814 

|-, ©Ifter ©elcgirtentag be« ©eroerf* 

oerein« ber beutfehen — ju UugSburg 983 

Blafdjinenfraft, Beftenerung ber — jum 
| Beften ber Urbeiter in granfreich . .619 

;*B?aß, Ungleiche« —! Bon Dr. ©rnft 

' grande. 501—505 

1 B?affenau«fperrung unb ©euernfftreif ber 
Berliner Bfaurer. 1028 


Spalte 

2Äaffenau«fperrung in Sfanbinaoien . . 927 

— in ©änemarf 116. 957. 984.1004—1006. 

1199. 1245 

—, ©a« ©nbe ber — in ©änemarf 1293. 1349 

— ogl. UuSfperrung, UrbeitcrauSfperrung. 
2 £affenau«roanberung italienischer Urbeiter 815 
SWaßregeln gegen ©uberfulofe in Bfandjefter, 

Stommunale —.1077 

SWaßregelung, 3 ur n^nahme einer — in 
Stöln.308 

— roegen UuSfagen oor ber Stommiffion 

für Urbeiterftatiflif.282 

Blaurer, 9)?affenau«fperrung unb ©eneral» 

ftreif ber Berliner —.1028 

—, ©eneraloerfammlungen ber Berbänbe 
ber Sintmerer unb — ©eutfchlanb« . 703 
—, ©entraloerbanb cßriftlidjer — 1173. 1319 

, ©er Uitöftanb ber — oor bem ®e» 
roerbegericht al« ©inigungSamt. Bon 
gaörifant 0. 2Beigert . . 1069—1072 

SKaurerftreif ogl. Baugeroerbe. 
9ftajimal*UrbcitStag, ©efeßliche ©inführung 
be« clfftünbigen — in granfreidj . . 452 

— ogl. Udjtftunbeutaff, 92ormal«Urbeit«tag. 
aRajimalarbeit«jeit, HÄinimallohn unb — 

in Umfierbatn.1168 

Bfebijinalbehörben, ©ie ©eroerbefjggieue 

unb bie — in Preußen.174 

Bfebijinalreform.235 

— unb Breußifcheö Ubgeorbnetenhau«; 

Stabtärite.829 

Bfebijinifdje Brüfungen, Snlaffung ber 
grauen ju ben — in ©eutfchlanb . . 812 

Bfeifterfurfe in Straßburg.1205 

BfetaUarbeiter, ©eroerfoerein ber ©eutfeßen 

Bfafchittenbau- unb —.814 

—, ©Ifter ©elegirtentag be« ©eroerfoerein« 
ber beutfeßen Bfafchinenbau» unb — 

$u UugSbtirg.983 

BfetaDarbeiteroerbanb, ©eutfeher — 367. 677 

—, 6. Sfongreß be« bänifdjen — ... 815 

BfetaOinbuftrielle, ber Berbanb ber — unb 

bie UrbeitSroiQigcn. .1125 

—, ©efammtoerbanb beutfeßer — . . . 732 
Siethen unb Urbeiterroohnung«noth . . 347 
BMether*unbBouoerein,©erKarlsruher 235. 819 
Üftiethööfrtrag, ©er einheitliche —. Bon 
9tedjt«anroalt Dr. Subro. gulb 1262—1264 
2Wieth«roohnungen unb SdjlaffteDenroefen, 
Bolijeioerorbnung über — in einigen 

Stäbten 9Jorb*$annooerS.370 

Sftildjhanbel, SJotttmunaier — .... 1373 

Bfilitärbädereien, Siegelung ber Urbeit«* 
oerßältniffe in ben ßollänbifchen — . 507 

Bfilitärequippement, Kongreß ber ©ioil* 
arbeiter be« — in granfreich . . . 390 
BJilitärifdje Uebungen, Scßuß be« Urheit«* 
fontrafte« gegen Uuflöfung bureß — 

in granfreich.258 

BHljbrattb, Schuß ber Urbeiter gegen — 1296 

— ogl. ©hi er hnnrinbuftrie. 

Bfilibranbgefahr, Urbeiterfcßuß in ber 

©ßi^hnarinbuftrie gegen — .... 706 
Blilgbranboergiftung, Berhütung ber — 

in ber ©ßierßaarinbuftrie.119 

Btinbeftlößne, Stäbtifcße — in Belgien . 388 
—, Obligatorifdte — in Bictoria ... 194 
HJMnenarbcitcr, Beroegung ber belgifcßeu — 283 
—, Kongreß ber belgifcßen — . . . . 43 

— ogl. Bergarbeiter. 

Minenftatiftif, Belgifcße — für 1898 . . 1377 

Bfinimallohn, Ubleßnung be« — für ftäb¬ 
tifdje Urbeiten in Bern ...... 9 

— unb BiajimalarbeitSjeit in Umfterbam 1168 
HRinimallöbne für belgifcße ©ifenbaßn* 

arbeiter.253 

— ber ftäbtifdjen Urbeiter in 3üricß . . 1267 

— ogl. Fair Wages. 

Minimalprogramm, Sojialpolitifcße« — 

im ©emeinberatß.673 

o. Miguel, ginanjminifter Dr. — unb ber 

Berein für Sojialpolitir.668 

MiScellen, Stäbtifcße — 38. 91. 141. 195. 

278. 387. 478. 643. 873 
Mitteilungen be« ©eroerbegeridjt« Berlin 

1033—1038. 1130-1134. 1251 — 1254. 1322 

bi« 1326 

























































XIV 


Spalte 

SRobelfabrifanten, ©erbanb bcr füb- 

beutfcben —.1081 

Monopole in Sonbon, Kien unb ©erlitt 189 
SKüfler- *<5in* unb ©erfaufßoereinigung. 

Soit'Dr. k. SBiebenfelb . . . 599—600 

„Musee social“, (Sin — in ben ©ieber* 

Ianben.386 

-, ©reißocrtbeilung beß — in ©ariß 

an länblidje Arbeiter.169 

-, ©raf Efjantbrun, bcr Stifter beß — 

in ©ariß +.529 

SRufeett, Äunfl^iftorifcfje — für bic klein» 

fiäbte in Defterreicb. 608- 604 

* STOufcunt für Sogiale ©rajiß, Ein 
beutfdje« —. ©on Dr. Ern ft grau cf c 

578-581 

— für Sogiale ©rajiß, ^eutfd^ed — . . 755 

5©ufter-©auorbnung für baß kontgreid) 
Saufen. 204—206 


9t. 


©ad)tarbeit, ©egen bie — in granfreid) . 1351 
©abruttgßmittcl unb Ianbmirt^fc^aftltc^e 
©robufte, $>eutfd)lanbß ©ebarf an —. 

©on Dr. ©aul ©oigt. . . . 783—784 
©aturalDerpflegungßftationeu, Arbeitßnadj- 
meiß in ©erbinbung mit beit — in ber 

Sdjmeig.128 

©aturaloerpflegungßroefeit in bcr Sdjtoeig 546 
©eunubr-2abenfd)lufj unb bic SWinimal» 
rubegeit für 0anbel8angefle(Ite ... 927 

— in ber ©etcbßtagßfoimniffion ange¬ 
nommen .904 

— »gl. Acbtuf)r«2abenfcblu&, Sabenfdjluf}. 
©ormal-Arbeitßtag, Antrag auf Einführung 

beß — in granfreicb.642 

— »gl. SHagimal-Arbeitßtag, Acbftunbcn» 
tag, 8 c b»ftunbentag. 

©otbftanbßarheilen, ffiinterlidje — in 
beutfdjen @täbten 1894/97 .... 561 

©otbftanbßarbeiten in granfreidj . . .1343 

c. 

Dbbacblofe, ©erliner Afgloereinc für — 

1898 . 628 

—, Stäbtifche SJlictf)ßräume für — in 

SKagbeburg.812 

, ©tiOftanb unb ©üeffebritt in ber gür- 
forge für Arbeitß- unb —. ©on ©aftor 

karl 3J?oerdjen. 526—529 

Deffentiidje Arbeiten, Arbeiterfcbujjflaujrln 


Dmitibußbicnft, kommunaler — in Sioer- 

pool.686 

DmnibußgefeDfcbaft, ©emegung unter bem 

©erfoual ber ©arifer —.309 

Organisation ber Arbeit, ©on Dr. E. 

grande.166-168 

- ber Arbeit, 3 ur —. 669 

— oon Arbeitgebern unb Arbeitern bcr 
©rofjinbuftrie, ©atiouallibcralcr Antrag 

auf gemeinfame —.582 

— ber Arbeitgeber unb Arbeiter, ©in ©rofc* 

inbuftriefler für gemeinfame — ... 755 

— ber brei Arbetterüerficbcruiigßgmeigf, 

Einheitliche —.1085 

— ber Arbeiter, $ie berufßgenoffcnfdjaft* 

Iidje — unb bie ©entrumßpartei . . 1264 

— ber Arbeiterinnen in Subapeft . . . 592 
Drtßfranfenfaffe unb ©ctriebßfranfenfaffeu, 

0treif in ©emfebeib; —.197 

—, Allgemeine — gu granffurt a. ©1. . 771 

m _ _v _ ca i. i m n 


—, $)ie — in ©armen unb ihre Aergte . 1276 
Drtßfranfenfaffen, kaffenoorftänbe unb 
0cbiebßgeriibte. ©on ©f). ^erj-SWillß 

453—454 

—, ©roportionalmabl für bie Allgemeinen 
— in granffurt a 217. ©on ©b. H*rg- 
©2il Iß.959 


sp. 


©almforbarbciter=©euoffenfd)aff, $>ic — im 
0teinnd}grunb. ©onSRajrSWap 1058-1059 


Spalte 

©arifer DmnibußgefeDfdjaft, ©emegung 
unter bem ©eifonal ber — ... . 309 

©arlamentarifdbe S'ofnmente, Ardjiu ber — 
ber britlen ©epubtif in ©ariß . . . 812 

*©artcitag bcr beutfcben Sogialbemofratic 

in Stuttgart.30—34 

Parti ouvrier fran^ais, ber 17. gabteß* 

fongrefc beß —.1294 

©aigeOiiung eineß ©itterguteß bureb bie 

©emeinbe gelbfirdj.1146 

©atentgefefc, 8ogialpolitifcbe ©efiimmungen 
im neuen öftcrreic^ifcljen —. ©on 

3». Scjjmarj.1120—1121 

©enfion für ftäbtifebe Arbeiter in karlß- 

rube.365 

©enrtonßfaffe für Arbeiter in babifeben 

Staatsbetrieben.398 

©erImutterfuopfbre(bßIfr,(£entralmerf|tätten . 

für — in 2Bien.981 j 

*©erfoncntarif-©eform, 3 U * — auf ben 
beutfcbeit (Sifeubabnen. ©on Eifcn» 
babubireftor 0. be Serra .... 1—4 j 
©fdnbbarfeit, $>ie — beß Arbeitßlobneß in 

granfreicb.871 

©ferbebabn, @täbtif(ber Eigenbitrieb ber 

— in Auifterbam.6s 

— »gl. Srammat). 

„©olitifcb* SWa&nabmen“ in gtalien, $efret 

über —. 1049 i 

©oligei, ©erbot eineß Streifß bur<b bie — 

in 3roidau.1319 

©oligeioerorbnung jum Sdjufee bcr ©au* 
arbeitcr im ltnterelfafe.1126 

— für Unierelfafe über ©aefereien . . . 1084 

©oligeiucrorbnungeu junt ©ebufee bcr Ar¬ 
beiter auf ©auten.1174 

I ©oftetat, $er — im Äeicbßtag ... .497 

! ©oft- unb Jelegrapbenperfonal, Grbfbun* 

• gen über ben ©efunbbeitßsuftanb beß 

; — in Ueutfdilanb.253 

I-—, öin ©rojeft über Alterßoerior= 

gung beß nieberen — in granfreid) . 233 
©oft* unb Jelegrapbenbebicnftete, ©erftebe- 

rung ber — in Defierreid) . . . . 287 ; 
©rämien auf ben ©tnmm’fcbeu Jütten- 

werfen.572 

©reißfrage über bie Arbeitßoermittelung in 
ber ©ebub- unb Seberinbuftrie, $ie 

Söfung ber — . . ..484 

©reißocrtlieilung beß Musee Social in ©ariß 

an Iänblicbe Arbeiter.169 , 

©rioatbeamte, Altcrßoerforgung ber — in j 

Dcfterreicb. 12251 

©rioatpflegeftellen, ©elbft gu ermittclnbe ; 

— in köln.234 

©robuftionßgenoffenfebaft, eine — alß I 

SBittel gegen Arbeitßlofigfeit . . . .1153! 

— ber £>ol)lglaßperlenerjeuger, ©taatß- ! 
unterfiiifeung für bie — in ©orbböbmen 362 

©robuftiogenoffenfebaften in granfreicb . 742 

— »gl. Arbeiter-©robuftiogenoffenfcbaften. 
©roportionaD23abl für bie Allgemeinen 

Crtßfranfenfaffen in granffurt a. ©?. 

©on ©’b ©erg*3RiIlß.959 


9t 

©abattfparoereine.252 

©audjoerbrennungßoorricbtungen.... 236 
9iccbtßanmalticbaft, $ie 3ulaff»ng ber 
grauen jur — in granfreicb . . . .1075 
9led)tßeinbeit, S)ie — in ber ©djmeig . . 193 

Stecbtfprecbung.1133 

—, $)ie — unb bie Arbeiterberoegung . . 1048 
— beß <8eroerbegerid)tß, Ueber bie — gu 

©erlin.322 

©ed)tßfd)u&bureau für Unbemittelte in 

©erlitt .545 

Reformen, ©anitäre — für baß klein* 

gemerbe in Dcfterreicb. 310 

©egie, ogl. (Sigenbctrieb. 

©egicarbcit, Arbeiteroertreter unb ftäbtifebe 

— in ©atterfea (Öonbon).1266 

©egierenbe, Arbeiter unb — in granfreid) 443 
©eidjß*©erggpfffo unb ^eutfdjer Anroaltß 
tag. 1314 


Spalte 

©eicbß'@efebentmurf „gum ©Äufee beß ge- 
merblidjen Arbeitßoerbältnfffeß“,©reuBi* 
febeß ^errenbauß unb — . . 1096—1098 

©cicbßpoft, Arbeitßmaf; unb Sonntagßrube 
bcr ©eamteit unb Unterbeamten ber — 845 
♦©eiebßtag, $)ie ©ogialreform in ber (Statß- 
bebalte beß $eutfd)eu —. ©on Dr. 

örnft granefe. 298-801 

—, ©ogialpolitifdfje Anträge im beutfcbeit 

- . 275. 301 

©eicbßtagßfefrton, ©ogialpolitifcbe ©laue 

für bie uäcbfte —.34 

baß fogialpolitifcbc gajtt bcr —. 

©ou Dr. (S. granefe . . . 1041—1045 

©eicbß - ©erbeberungßantt, ber ®efd)aftß* 
bericht beß — für baß galjr 1898. 

©on ©tabtratb u. granfenberg 680—682 
—, baß — auf bcr ©arifer 3BeItaußftefIung 1225 
* ff ©etd}ß-3Sobnuitgßgefeö 4 ', ©ereiu — unb 
feine ©orfd)Iäge. ©on Dr. k. o. ©tan* 

golbt .57—60 

—, ©orarbetten für ein —.421 

—, ©etition um ein —.181 

©cntenfcftfe&ung, $ie — unb bie Aufbrin¬ 
gung ber Mittel jur ©eftreitung ber 
©entcnlaft nad) ber ©ooellc gum gu» 
oalibitätßgefe^e. ©on Dr. gul. ©otb- 

bolg . 285—287 

©entrnftenen, bie örtlicben — „jogial* 
gefäbrlicb?".669 

— für bie gnualibenoerfidjerung unb ber 

©erbaub eoaugelifdjcr Aibcitcroercine 
SSürttembergß.1247 

—, gorberung ber — für bic Unfaflocr* 

ficberuug in Dcfierrcicb.1058 

©eferoiflen • Arbeitßnacbmeife, Aufhebung 
ber — gu Öunften lanbmirtbfdjaftlicber 

©acbmeife in ^annooer.1226 

©ettungßgefellfdmft, bie ©erliner — . . 262 
©ettungßmefen, (Sentralifatton beß ©erliner 

— 874 

©beber uub Seeleute, Ableljiuutg eineß 

©djicbßgericbtß groifdjen — am (Slpbe 325 
©bff>fr s Arbcitßnad)ii)eiß unb Hafenarbeiter- 

©erbanb in Hamburg.76 

©beberei, (Siniguügßamt in ber englifcben - 294 
©iefclfelbcr, Ärbeitßoerbältniffc auf ©er- 

Imer —.1343 

©ollfutfcber unb ©pebitioußarbeiter, bie 

©erliner —.1244 

©o&bwu’fpinncreieu, Ueber bie Einrichtung 
unb ben ©etrieb ber —, Haar* 
©orftenguriebtereien, foroie bcr ©ürften- 
unb ©infelmacbereien.1201 

— »gl. ©ürfieu« unb ©infclinbuftrie. 

o. ©Ottenburg, Dr., unb Dr. ©eumer 251. 

559—560 

©ubrfobünbergOau, grentbfpracblt(b e 

beiter im —. 252. 541. 1201 

©ubrfobleninbuftrie ogl. kobleninbuftrie. 
©ubrfoblenreoier, 2obnbemegung im — 43. 70 


Sammeimeber, Außftanb ber krefelbcr 

— . 481. 537. 59t. 645. 765 

0anitäre ©eformen für baß kleittgemerbc 

in Dcfterreicb.310 

Sanitätßinfpeftorinnen in Gnglattb . 797. 966 

— ogl. ©efunbbeitßinfpcftorinnen, Health 
Visitors. 

0cbanfmeien, gorberung ber ©ergemeittb* 
lidjung beß — in ©rofebritaunien . . 812 

0cbauerleute, Arbeitßuacbmeiß für — in 

Hamburg. 508. 570 

—, Arbeitßnari)tt)cißbureauE unb Sparte» 

räume für —.121 

—, Arbcitcrmablen für ben Arbeitßnacbioeiß 

bcr — in H ani & ll i’9.598 

0cbiebßgerid)t, Errichtung eineß prioaten 

— in ©imglau.1254 

—, kaufmäunifd)eß — in Dßitabriicf . . 461 

—, Ablehnung eineß — gmifeben ©hebern 

unb 0eelcutcn am Elpbc.325 

—, Einigungßämter unb — in ©cufeelanb 
1897/98 . 829 

— ogl. Einigungßamt, ©erföbnungßamt. 

































































XV 


©djiebsgeridjte, Äaufmäunijdje - - . . . 1 

— bcr Hrbeitcruerfid;crung, Bie —. Bon 

©. ©orn. 1274—1 

—, DrtSFranFenFaffen, Äaffcuuorfiäube unb 
—. Bon Bb- ©er 3 *®HUS . . 453- 
—, ©inignngSämter unb — in ©nglanb 
—, Bie AuSftänbe be$ gabreS 1898 in 
granFreid) unb baS ©efefc über Ber* 
mittelung unb —. Bon Dctaoe 

gefti). 1008-1 

— bei ArbeitSftreiligFeiten in ©daneben . 
©rfjiebSgericbtlicbe Söfung von Arbeitsfrei* 

tigFeilen, Reuerliche gäHeooneinigungS* 
amtlichen ober — in ©nglanb . . . 
Schiffbau, Arbeitslöhne im engtifchen unb 

anterifanif^en —. 1 

©djlacbtfteuer in Breslau, Aufhebung brr — 
©<hläd)tergefenen, Bie djrifilidjen — Berlins 
—, Berbanb ber — Berlin« unb Umgebung 1 

©chlaffteflenwefen, BaS —. 

—, ^olijeiuerorbnung über BtietbSwob* 
nungen unb — in einigen ©täbten 

Rorb»©annooerS. 

©cbneibergewerbe, Betrachtungen über bie 
bieSjäbrigeu Scbnbeioegungen im —. 
Bon gof)S Simm .... 950- 
—, BetriebSwerFftätten im — .... 

—, Berbanb ber Arbeitgeber für ba$ — 

in SKündjen. 

©djneiberberoegung in Beutfchlanb . 590. 

©dmbfabriFen, Arbeitgeber unb Arbeiter 

ber — in Tuttlingen. 

6 d)ub- unb geberinbuftrie, Bie göfung ber 
Breisfrage über bie ArbeitSoermittelung 

in ber —. 

Schub* unb ©cbäftefabriFaiileii, Berbanb 

heutiger —. 1 

6 <bulär&tf, ©täbtifrfje — ... 100 . 262. 

— in Berlin unb ©barlottenburg . . . 
—, Tbötigfeit ber — in Tarmftabt 1893 99 : 

— in ber ©tagbeburger Stabtoerorbneten* 

oerfammlung. 

—, ©täbtifdie — in @d)öueberg . . . 
©djularjtfrage, Bie — auf betn 24. Äon* 
grefe für öffentliche ©efunbbeitSpflege : 
©djulbäber, Äommunale — in ©nglanb : 
Schulen ogl. elementar», BoIFsfdjuleit. 
©djulentlaffcne SBaifen, greiwilliger ör* 
giebungsbeiratb für — in Berlin . . 
©djüleruoritellimgen in ©tagbeburg. . . . 
©chulfinber, greibäbcr für — . . . . 

—, ©rwerbStbätigFeit ber ÄarlSruber —. 
—, Unterfuchung über bie erwerbstätigen 
— in ©nglanb. 

— in ben ©traben non Öonbon. . . . 

— ugl. Äinber, Äinberarbeit. 
©djulFommiffionen, grauen in ben — oou 

Berit. 

Schulpflicht in ©ollanb. 

Schulpflichtige Ätnber, Regelung ber ge» 
werblichen Arbeit — im Reg.-Bej. 

BotSbam. 

©djulfparFaffenfrage, gur — in ©nglanb 
*3chub ber Ängeftefiten in offenen gaben* 
gefdjäften. 687- 

— ber Arbeiter auf Bauten, Bolijeioer» 

orbnungen jum —. 

— ber Arbeiterinnen, gum — . . . . 
*— ber „Arbeitswilligen", Ber — in 

©cfjtüeben. BonDr. Ä£el Raphael 665- 

— ber „Arbeitswilligen", ©efefe 3 um — 

in Schweben.619. 

— ber Arbeitswilligen, ©efefr jum — in 

Schweben oerroorfen. 

— ber Äinber, Berein jum — oor AuS» 
nufeung uttb ©fifefjanblung in Berlin . 

— ber Äinber, Breii&ifdje Bräftbialoer» 

fügungen juin —. 

* — beS geroerblidjen ArbeitSoerbältniffeS, 
Broteft ber Arbeitgeber* unb Arbeit» 
nefjnter-Beiiijjer beö ©eroerbegeridjtS 
Berlin gegen baS ©efefc 311 m— 1021 — 
be$ gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS. 
Bon Dr. ©ruft grantfe . . . 969- 

— beS geioerblichen ArbeitSoerhältniffeS, 

BreufjtfcfjeS ©errenljauS unb Reichs- 
©efefcentwurf jum — . . . 1096— 


©djufo beS gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS, 

Bcr bat)crifd)e ©anbwerFertag unb baS ; 

©efefe 3 um — *.1369 

©chufemafjregeln für bie AngefteDteu in 
gäben unb bie ©eljülfenuerbänbe . . 769 
©djufcoorfdjriften für bie Arbeiter in Th°* 

maSfd)lacfen*S?übIen.852 

—, Abänberung ber — für jugenblidje Ar* 

beiter in granfreid).854 

Schwachbegabte Äinber, ©ülfsfdjule für — 

» in Bofen.157 

„Sdjwarje giften". 280. 620 

— - ber ©pänglergenoffenfdjaft in ©tünchen 877 
©chwefelFohlenftoff»Bcrgiftung ber ©untnti» 

arbeiter . . . .. 1102 

©(bioinbfud)t$befäntpfung, gur — . . . 101 

> ©ee*BerufSgenoffenfctjaft, Beutfcbe — 1898 1103 
©eeleute, gur Umgeftaltung ber Berficbe» 

> rungSgefeße für bie —.823 

—, Bewegung unter ben englifdjen — 255. 1294 
—, Ablehnung eine« Sd)ieb 3 gericbt$ 3 wifdjcn 

Sftbebern unb — am ©Itjbe .... 325 j 

> —, Staatliche Berfi^erung ber — in Oefter* ; 

reich. 843! 

©eemannSfongreh, gweiter beutfeher — in j 

Hamburg.148. 411—413! 

» ©eibenweber, AuSfperrung unb ©treif ber | 

— in Ärefelb. 839 | 

1 ©efcerftreif unbBotjfottbeS^gofalaujelgerö" i 

• in Berlin.482 

©ejjntafchinen, ©tatiftif ber — in Beutfch 5 

» laub.787 

© hmafdjinen unb Budjbrucfer tn ©nglanb 450 
Shop Clubs, Friendly Societies unb — in 

©nglanb.772 

Shop Hours Act, Bie — in gonbott . . 1297 
©ipgelegcnbeit fürBerfäuferianen in gaben» 

\ gefd)äftett.548 

> — für gabnerintten in ©nglanb . . .1149 

5 Slums, Befeitigung ber — in gioerpool . 654 

©ommerferien für ftäbtifche Arbeiter in 
) Berlin.1145 

> Sonntagsruhe im $anbel3gemerbe ... 16 

—, ArbeilSmafe unb — ber Beamten unb 

> Unterbeamten ber AeichSpoft .... 845 

) —, ©rbebung über bie — in Bäcfereiett 

DefterreichS.92 

— auf ben fran 3 Öüfchen ©ifenbabtten . . 606 

) —, Bie — auf ben englifeben ©ifenbabnen 237 
l ©osialbemofraten, Äommunalprogramm 

l ber geip 3 iger —. 222 

! *©o 3 talbemofratie, Bie beutfehe — im gabre 

1898, I—II .... 356-360. 877—384 | 

l *—, Barteitag ber beutfdjen — in ©tutt» j 

j gart.80—34 

©o 3 ialbemotratiicbe@ifenbabner beim öfter» 
reichifchen ©ifenbabttminifier .... 172 
) — ©emeinbeoertreter, Äonferen 3 — ber 

1 Broüinj Branbenburg.365 

-, ©rfte Äonferen 3 ber — ©ürttem» 

bergS . . . . .758 

) — £ochf!utb, ©inbämmungSmafjregeln ge» 

> gen bie «-.137 

— giga in Belgien gegen ben Älfobol . 280 
) ©osialbemofratifdjeS ©emeinbeprogramm 

in ©achfen.672 

1 — Brogramm für bie ©emeinbewablen . 277 
) Soziale Arbeit, ©r 3 iebungSanftaIt für — 

in Amfterbam.1060 

3 — Begleiterfcheinuttgen wirtbfchaftlicher 
©anblungen in Berlin. Bon Dr. 

5 Ä. Tbiefe. 686-688 

— Bienfte, Amerifanijche giga für — . . 871 
5 — gürforge ber ©tabt ©trafjburg . . . 780 j 

— ©lieberung, Bie berufliche unb — beS 

1 beutfeben BolfeS.980 

— ^ülfSarbeit, Stäbchen* unb grauen* 

2 gruppen für — in Berlin.49 

— Äommiffioit in ber ©tabtoerwaltung 

SKündjenS.252 

*— BrajiS, ©in beutfdjeS SKufeunt für -. 

3 Bott Dr. ©ruft grantfe . . . 578—581 
— BrajiS, BeutfcheS STOufeum für — . . 755 

2 © 03 ialenquete in einem Arbeiteroiertel oon 

Bari«.620 

©ogialer ÄurfuS, Braftifch— beS BolfS- 
8 ocreitts für baS fatbolifche Beutfdjlanb 78 


Spalte 

© 03 iaIiSntuS, Bie 5trifis im franiöfifchcn 

—.1143—1145 

© 03 ialiftifche ©enoffenfehaften, Äongrefe 
ber — Belgiens ..180 

— unb liberale Arbeiter in §oBfanb, 

gabrcSoerfammlungen bcr — ... 791 

— Uniüerfität, ©ittgebeit ber — in Brüffel 774 

© 03 ialiftifd)er Bienft, gnlernatiottaler — . 88 

© 03 ialiftifcbeS Btinintalprogramm im Ba* 

rifer ©emeinberatb.673 

— ^BlrbiScil" in ©nglanb.250 

©oiialofonomifchc Abteilung bcr Barifer 

©eltauSfteQung 1900 846 

© 03 ialpolitif, Befcheib beS preu&ifd)en 
©ifenbabnminifterS an ben Berein für — 89 

—, Bie — in ber beutfdjen Tbronrebe . 248 
—, AeidjStagSabgeotbneter Brimborn über 

fontittunalc —.90 

—, Bie — auf ber ©eneraloerjantmlung 
ber Äatbolifen BeutfcblanbS .... 1288 
—, ©emeinbltdjc — in grauffurt a./3». . 365 

—, Berein für —.405 

—, ©eneraloerfammluttg beS BcreittS für— 1001 

— auf @ee.1083 

—, Bie — in ber Bubgetbebattc ber fratt- 

^Öftfcheti AbgeorbnctenFammer . . . 532 
—, BaS neue SKinifterium unb bie — in 
granFreich.1075 

— auf ber Barifer ©cltauSfteDung 1900 . 277 
—, Ungarifche Bon Heinrich Abi er 

529-531 

©ojialpolitifcbe Anträge im Beutfcben 
Reichstage. 191. 275 301 

— Bebatten im Reichstage.474 

— Befcblüffe ber Rationalliberalen in 

©achfen.498 

— Bläne für bie nächfte ReidjStagSfeffton 34 

— UnterricbtSFurfe in chrifilichen ©emerf* 

fchaften. 1060 

— Arbeiten beS fran$öflfcheii BarlamentS. 

Bon gr. ©chottboefer.249 

— Bebatten in ber franjopfchen Bepntirteu» 

Fainmer.895 

— Begebungen ber ^arifer Bauuuter* 

nehmet.389 

@o 3 iaIpoliiifdjer Äongrefe in ©enua . . 1121 
*— Bormarfch in Beutfchlanb. Bon Dr. 

©ruft grantfe. 865—868 

©o 3 ialpoütifcbe$ auS Belgien . . . .87. 533 
*— gajit ber ReicbStagSfeffton. Bon Dr. 

©. grantfe. 1041-1045 

— Brogramm ber franjofifdj«n Regierung 785 
*©ojialreform, Bie — in ber ©tatsbebatte 

beS beutfehen Reichstags. Bon Dr. 

©ruft grantfe. 298-301 

—, Bie — tu Beutfcblinb im gabre 
1898 . 384-385 

— Bie — unb bie Rationalliberale Bartei 

im Reichstage.385 

—, Broteft gegen gortfübrung jeher — . 617 
, ©eltmachtpolitiF unb —. Bon Bro* 
feffor Dr. ©rnft oon ©alle. I. II 

522—526 658-659 

—, Abolf ©tötfer über ©treiFoorlage 

unb —.1289 

—, ©ebrFraft unb —.1073 

©ojtalreformer unb ©emaltpolitiFer in 

Beutfchlanb.694 

©ojialftatiftifcher Bienft, gnternationaler — 

276. 362 

©ojialmiffenfcbaftlicbc Bereinigung in 

Seipjig.32 L 

©oiialwtfTenfchaftlicheS UnterrichtSwefen 
1900, gnternationaler Äongre§ für — 948 

©parFaffen, Breufeifche — 1897 . . . • 508 

—, Beförberung beS Baues oon Arbeiter* 

wobnuugen burch —.516 

©parFaffencinleger, BerufSftatiftiF ber — 

in Batjern. 230—232 

Sparfiun, ©pieltricb unb —.1027 

©paroerein, Bau* unb iti ©uSFirdjen . 422 
©paroereine, Bau- unb — in ©antburg 

| unb Umgegenb.261 

| ©parjwang, gobneinbaltung unb —. Bon 

Rechtsanwalt Dr. gubwig gulb . . 5—6 
I —, Bie rechtliche 3alöfftgFeit beS —. Bon 
Belgeorbnetem gehn)alb. 










































































CSV (S) 


XVI 


Spalte 

SpebitionSarbeiter, Tie Verliner Voll* 

futfdjer uttb —.1244 

Spenben ber bcutfdjeu ticngefcDfcfjaftcu 

für Arbeiter.546 

— ugl. ©efebeufe, Stiftungen, Vermacht» 

niffe. | 

(Spieltrieb unb Sparfinu.1027 

Spinner, Aus ber englifchen Aibeitcrbewc* 
gung; bie Stucfatur-Arbeiter unb bic — 537 

Spinnerei, Vereinbarung jroildjen Arbeit¬ 
gebern unb Arbeitern ber — uon fiattfa» 

ffjire.705 

pirituSriug, Agitation für bcu — . . . 676 

taatSbafjnen, ArbeiterauSfcbiiffe bei ben 

bat)eiifd)en —.276 

—, SSohnungSuerbciltniffe ber Vebienfteten 
unb Arbeiter ber bagerifefjen — . . . 858 

—, Arbeiterfiirforge bei ben preufjifd)ett — 260 

—, ArbeitSuerfiäUniffe bei ben preufeifdjen 

— .501 

Staatsbauten, Arbciterfdjufc-Vebinguugett 

bei — in ^reufeen. .1102 

Staatsbetriebe, VenftonSfaffc für Arbeiter 

im babifchen —.393 

Stabtärjte,3)?ebijinalrefonn unb VreufeifchcS 

AbgeorbnctenfjauS; —.829 

Stabt- unb ©emeinberätfje in Gnglaub, 

SBeiblicfjc —.1003 

Stvibtratl) unb ArbeiterTamnier in 3ürid) 477 j 
Stäbtebeleudjtuug, kommunale — in Gng» 

lanb.. . 1003 

Stäbtetag, Steiler preuBifdjer — ... 476 
—, Vranbenburgifd^er — . . . 1218, 1371 i 

—, IX. §effi[d)cr —. 8 I 

— ber ^roüinj Sadjfeu.1099 I 

—, 2f)üringi[d)er.1122 | 

— ber mittleren Stabte Habens . . • 1372 

Stäbtifdje Arbeiter, Tie — in Berlin unb 

ber Sftagiftrat.391 

-, Äranfeunerfidjerung ber — in Berlin 544 

- - , Regelung ber Sötjne — für Berlin 
unb Spanbau.586 

— —, Sommerferien für — in Verlin • 1145 
—, Ablehnung beS SJtinimallofjuS für 

— in Vern. 9 I 

— —, Tie ftäbtifdjen — in Gannftabt . 671 i 

-, Statut für — in Karlsruhe . . 222 . 

-, fßenfion für — in karlSrube . . 365 

— —, Tie Regelung ber Tieuft* unb 2of)n* 

uerbältniffe ber — in SKannljeiut 562, 1002 

-, fiobnoerhältniffc ber — in SJtündjen 500 

— 3 e ^ n ftü»bige Arbeitszeit für alle — 


in Stuttgart.586 

-, Verforgung — in Stuttgart . .1194 

-, Alters- unb gnualibitätSuerforgung 

für — in Ulm.1002 

->, SWinimallöfjne ber — in 3üridj • 1267 

-ugl. ©emeinbearbeiter. 

— Vebienftete, gürforge für — unb Ar* 

beiter in Sftainj.729 

— betriebe, Drganifationeu ber Arbeiter 

in -.413 

— kioSfe für antialfofjolifdje ©etränfe 730 

— Sofjnarbeiter, Statut für bie Alters* 

unb gnualibeuuerforgung ber — in 
Stuttgart.221 

— SHiSceDen 38, 91, 141, 195, 278, 387, 478, 

643, 873 

— SBerfftätten für Arbeiterinoaliben in 

VariS . 10 

StäbtUdjeS Sieben unb VolfSgefunbheit . 459 
Statiftif ber entfdjäbigungSpflidjtigen — 
für bas gabr 1897 . 1224 

— ber GrmerbS* unb VürtbfdjaftSgenoffen* 

fdiaften.1153 

— ber grauen-, gugenblicben- unb kiuber* 

arbeit in gabrifen.278 

*—, Tie 3J?etf)obe ber 2of)uarbeiter*— ber 


SpAlte | 


Steiumejjgciuerbe, Streit im — . . . . 1380 
Steinfeber, Streit ber — in Berlin . . 1053 
—, Ter Streif ber Verliner — nur bem 
©ewerbegeridjt als GinigungSamt. Von 
2N. u. Sdjulj, Vorfifc. b. ©ewerbe» 

geridjts Berlin . 1033 — 1036 

Stellenoermittelung im ©aftwirtbSgewerbe 

Zu Stuttgart.509 

— ogl ArbcitSuadjtueiS. 

Stcrblidjfcit, AlfotjoliSmuS unb — . . 548 

—, SBohnuugSiuefen unb — in Siuerpool 1033 
Steuerbefreiung für bie ©auSinbuftrie in 

Vufelaub.67 

Sticfereiuerbanb in ber Sdjtueiz .... 95 

Stiftung für 2Sof)IfabrtSjwecfe ber Surfer* 
fabrif granfcntbalS.629 


Stiftungen, ©efdjenfe unb -- an Arbeiter 
unb an bie unbemittelten VolfSflaffeu 

824, 1178 

— ogl- Vermäcbtuiffe, ©efdjenfe, Spenben 
Storfarbeiter-AuSftaub, Gin — uor bem 

GinigungSamt beS ©emerbcgeridjts 
Berlin 93on gabrifant D. Söeigert 

293—294 

—, VodjmalS ber — oor bem GinigutigS* 
amt beS ©croerbegeridjts Berlin . . 397 

—, Gine Gntgeguung betr. — . . . . 430 

Strafeenbabn-Angefteflte, formen für bic 
Tieuftzeit ber — im Äönigreid) Sad)fen 818 
Straßenbahnen, kommunale in Gnglaub 1266 
—, Tarife für — in V?agbcburg unb Viün* 

djeu.1218 

—, Stäbtifdjer ober priuater betrieb uon-- 1146 
Straßenbahuuerwaltung, kommunale — 

in fionbon.813 

Streif ber Verfilberer ju Berlin, Ter —. 

Von 2Jf. u. Sdjulj, Vorfifeenbent beS 
©emerbegeridjts Berlin . . . 114—115 

— ber Verliner Steiuarbeiter, Ter — unb 
baS GinigungSamt beS ©ewcrbcgerid)ts. 

Von 9J?. u. Sdjulz . . . . 1299—1302 | 

—, Gin furjer —. Von 2)?. u. Schulz, 
Vorfijjenbem beS ©ewcrbegericbtS Berlin 

1824 — 1325 

— ber Arbeiter für bie Totinenabfubr 


in Bremen. 1380 i 

—, Beilegung eines — burd) Vermittelung 1254 

— uon Gifenbaf)n*2langirarbeitern in Gr» 

furt.565 

— ber gornter in Seipjig, AuSfperrung 

unb —.1054 

— in 2iemfd)eib; DrtSfranfenfaffe unb Ve- 

triebsfranfenfaffeu.197 

—, Verbot eines — bureb bie Polizei in 
3micfau.1319 

— ber belgifcben ©rubenarbeitcr . . . 879 

— im englifdjen Stucfarbeitgeioerbe . . 791 

— ber frauzöftfeben Gifeubabnarbeiter, ^er 

mifeglücfte —.95 

— ber Grbarbeiter uon VanS .... 12 

— ber Vinnetiftbiffer in 2totterbaui . . 765 

—, Veileguug eines — in ber Schweiz . 537 

— ugl. AuSftanb, ArbeitSfämpfe, Arbeiter¬ 
bewegung. 

Streifbewegung in 25cutfd)Ianb .... 565 

— in Vöbmeu.789 

Streifenbe Arbeiter, Stäbtifcbe Armenuuter- 

ftübung für — in Guglanb .... 730 

Streifgefefe, 5^as beutfdje —.112 

Streifflaufel, Vergebung fisfalifeber Ar¬ 
beiten in fßreufjcn unb bie — . . . 947 

— ber 3»ricber ArbeitSborfe.545 

Streifpoflen, 3>9^ richterliche Gntfdjeibun- 

gen über Arbeiterfragen in Guglanb; 
Vefcbränfung beS ÄoalitionSredjteS 
unb —.363 

— uor ©eridjt in $eutf<blanb unb Gnglaub 1379 

Streifs in $eutfd)Ianb im September 42 


Spalte 

Streifs in Velgieu in 1898 . 617 

— unb AuSfp?rrungen in $>äucmarf 116 1245 

-— in Gnglaub 1897 . 199 

— in granfreid; 1897 . 226 

— unb GinigungSämter in granfreid) 1898 1174 

— in gtalien uon 1879—1896 .... 226 

— in Oefterreid) 1898 . 925 

—, ©egen leichtfertige — in ber Schweiz 72 
♦Streifftatiftif, 2>ie Organifation ber amt¬ 
lichen —. Von Dr. Gruft granefe 246—248 

—, Nochmals bie beutfefje — .... 304 

*—, $>ie amtlidje beutfdje — . . . 974—978 

-, $ie amtliche bcutfdjc — für baS 
I. £>albiaf)t 1899 . 1291 

— für Varjeru in 1897 . 198 

—, Ceflerreichifche — für 1897 .... 565 

— ugl. Grbebungeu über Arbeitsfämpfc. 
Streifoergeben, 'proteft fatbolifcher Ar* 

beitcroereine in Verlin gegen Ver- 
frflärfung ber Veftrafung uon — . . 389 

Streifuorlage, ®ic angefiinbigte — . . 6 

—, Abolf Stöcfer über — unb Sozial* 

reform.12*9 

Stucfarbeitgewerbe, Streif im englifchen — 737. 

791 

Stucfateure, ©ipier :c., Gcntraluerbanb ber 
bentfdjeu —.226 


Stucfatur-Arbeiter, AuS ber englifchen Ar- 
beiteibewegung; bie — unb bie Spinner 537 
Stuhlarbeiter (Jejtilarbeiter), 10. orbent* 
liebe ©eneraloerfammlung beS ©rmerf» 


uereinS ber beutfehen 788 

Submifrtonen, Verücfpchtigung ^leinge- 
werbtreibeuber bei ftäbtifcheu — in 

grauffurt ci. SJl .387 

— ugl. Vergebungen. 

SubmifftonSorbnuug in9D?annheim,2?eue — 1077 


t. 

Sabafarbeiter unb »Arbeiterinnen, Äongreß 

b r frauzöftfeben —.200 

2abaffabrifeu, $>ie Arbeiter in ben öfter* 

reidjifdjen —.223 

£abafinbuftrie, $:ie Arbeiter ber fran» 
Zönfcbeu —. Von gr. Scbotthöfer 

1315-1317 

Sapetcnfabrifauten, Verein beutfd)er — 338 


—, 9tiug ber —. 1080. 1378 

Jarifbewegung, 2)ie — im Vudjbrucfer* 

gewerbe ^eutfdjlaubs.219 

Sarifgemeiufdjaft, ©emeinfanter ^ampf uon 
Vrinztpalen unb ©ehülfen im 2)eutfd)en 
Vucbbrucfgewerbe für bie AuSbebnung 

ber —.66 

Sarifoereinigungcn.946 

£ajameter«Vetrieb, Verliner S)rofd)en- 

futfeber im —.307 

Selegrapbenbebieuftete, Verfidjerung ber 
Voft* unb — in Öefterreicb .... 287 

^elegrapbenperfonal, Grbebungen über ben 
©efuubheitszuftanb beS fßoft» unb — 

in ®eutfd)lanb.253 

—, Gin Vrojeft über AlterSoerforguug beS 
niebereu ^oft* unb — in granfreicb . 233 

Telephon, kommunales — in Norwegen. 1315 
^elephonbieuft, kommunaler — in Gng* 

lanb.673 

ierroriSmuS, kein — ?.1319 

Textilarbeiter (Stuhlarbeiter), 10. orbent* 
lidje ©eneraluerfammlung beS ©ewetf* 

uereinS ber beutfdien —.788 

—, kongrefj ber — VelgienS .... 173 

i Textilarbeiter-Vewegung in krefelb . . . 307 

; Textilarbeiterftreif, Ter — in Vrünn 881. 

9S3. 1007. 1052 
—, Urtheile über ben Vrüuner — . . .1101 


preufjifcbeu Gifeubahnuerwaltung. Von —-im Cftober. 146 Textilarbeiterucrbanb, Ghriftlidjer — in 

Dr. G. ^>irfd)berg . 993—999 —- im 9?ouember . 307 3D?.*©labbach . 226 

Steiuarbeiter, Streif ber beutfeben — 1319, 1380 -— im Tezeinber.414 —, Ter elfah-lothringifcbe — .... 1269 

—, Ter Streif ber Verliner — unb baS —-im Vtärz. 787 Textilinbuftrie, Agitation für ben 3 e ^ u * 

GinigungSamt beS ©emerbegericbtS. -im April. 900 ftunber.tag in ber —.851 

Von V?. u. Schulz, Vorftfe. b. ©c* —, Tic — in Teutfcblaub 1898 1844—1346 —, Ter 3 e b n f* im bentag in ber öfter* 

werbegericbtS Verlin . . . 1299—1302 — int Vraugewerbe, ©egen leichtfertige — rcidjifdjeit —. 900. 1173. 1240 

Steinfohlenbergbau, Arbeitszeit unb Ar- Z u Hamburg.43 — f Urteil eines gabrifanten über ben 

beitSleiftung im — ju Voffife ... 674 —, Tie bablfcbe Vcgiernng unb bie — . 86 3 f bnfiunbentag in ber —.876 


































































XVII 


Spalte 


$f)ter§aarinbuftrie ; Slrbciterfd^ufe in bcr 

— gegen VMIjbranbgefahr . . 119. 706 

—, BunbeSrathSoerorbnung jum Schufc 

ber Arbeiter in ber —.505 

— ogl. Vfiljbranb. 

£honiaSfd)latfen*V?üblen,Schufcüorf<hriften 
für bic Arbeiter in — . . . . 257 852 

£fjn>nrebe, $>ie preufjifchc —.406 

—, $>ie Sojialpolitif in ber heutigen — 248 

$ifd)lertag, $5eutlcher —.1241 

2onnenabfuf)r, (Streif ber Arbeiter für bic 

— in Bremen.1380 

Trade Unionisme, Smashing —? . . . . 415 

$rabc Union$, VJinbeftforberungen ber — 

nn bie ©efefcgebung.173 

, £>err L)r. Beumer unb bie englifdjen 
—. Von Dr. oon Vottenburg 

161-166. 185-189 


—, Programm ber — für bie Arbeiter- 

gcfefcgebung.340 

* —, Nochmals §err Dr. Beumer unb bie 
englifdjen —. Von Dr. non ^Otten¬ 
burg . 490 - 494 

—, Plan einer göberation ber — . 389. 1320 
—, $>ie — auf ber Parifer SBeltauSftellung 1200 
—, gahrcSfongrefc ber — in piqmouth 


1083. 1270. 1294. 1346 


Spalte 


UnfaDoerficherung berSceleute ingranfreid) 178 

— in beit Vieberlanben.682 

—, $>ie — in Defterreid).929 

—, gorberung ber SRenlenfieflen für bie — 

in JDefterreid).1058 

— in Vufelanb. 930 

—, Äranfen- unb — in ber Sdjwcij . . 152 


— ugl. Verficherung, 2lrbeiter«UnfaHoer* 
fidjeruitg. 

ünfafloerfiiherungSgefefc, grattäöfifdjeS — 
oom 9. Slpril 1898. Von @ef). 9teg * 

SRatt) Dr. 3 ac b cr .1010—1012 

—, $>aS ginnifdje — Von Dr. 9t. af 

Urfin. 228-230 

—, ßranfen* unb — in ber Scfjweij . . 963 
UnfafloerfitherungSpflicht, 3»r 2luSbet)nung 

ber —.1150 

UnfanoerfidjerungSoorfage, $>ie — in ben 
97iebcrlnnben. Von Dr. g. £. oan 

3anten .1177—1178 

Unfall-, ^noalibitdt«* unb SllterSoerfidK’ 
rung, $)er Stanb ber — in $eutfd}- 

Ianb 1897 . 391—393 

Unfall- unb Äranfenoerficherung i n ber 

Sdjweij.772 

♦Unglei^eS TOaafe! Von Dr.©rnft graticf e 

401—405 ! 


— ogl. ©ewerfoereinc. 

SramwagS, Söhne bei fomntunalen — in | 
©nglanb . . .'.1170 | 

— ogl Pferbebahn. 

Transport» unb VerfchrSarbeiter, ©entral- 
oerbanb ber §anbelS», — 5)cutfd)IanbS 367 
2runfiud)t, ©ntmünbigung wegen — . . 618 

— ®ie Abnahme bcr — in S)eutfd)lanb 

Von Dr. 23. Bobe .... 1031-1033 

£uberfulofe, kommunale Vfafjregeln gegen 

— in SJiandjefter.1077 

2ubeifulofen=5bongref}, 2)er — in Berlin 

236. 322. 396. 486. 797. 965 
—, £er — unb bie tfranfenfaffen . . . 882 : 
2uberfulofcn*2ag, Vom — bcr Verfamm- 
Iung beutfeher Vaturforfdjer unb Slerjte 
in SDüffelborf. Von Dr. ©eorg Siebe 52 j 

u. 

Uebernadjtungß* unb 2lufenlhaltsräunte für 

baS ©ifenbahnperfonal. 628 ; 

Umfa&fteuer, Slblehnung einer — für tfou- 

fumoerciiie in Hamburg.68 , 

— ogl. ©croerbeumfafcfteuer. 

Unentgeltliche Becrbigung in £f)nrgau • 873 

Unentgeltlichfeit ber Sehnnittel in 3iiri<h 1250 

UnfäDe, Statiftif bcr entfchäbigungSpflidj* 

tigen — für baS gabr 1897 .... 1224 

— ber ©ifeubahnarbeiter in ©nglanb . . 1351 

llnfalDSntfchäbigungSgffefc, $ie SBirfnngen 

beS neuen — in ©nglanb. Von g. VS. 

©alton. 201-203 

UnfaDgefabr, (Sr^öfjntig ber — burd) un* 

ftänbige Arbeiter.1224 

UnfaDflatiftif, $ie £>auptergebniffe ber 
öfterreidjifdjfn — für bie gahre 1890 

bis 1896 . 961 

Unfanoerhütung in Belgien.1273 

— in Defterreidj.454 

llnfanoeibütungS-©inrid)luugcn auf ber 

parifer SSeltauöfteflmig unb bie Bau* 

arbeitet.1296 

UnfafloerbütungSoorfchläge ber Arbeiter- 
UnfaflüerfidKrungSanfialt für Vieber» 

ö fl erreich.287 

llnfanoerfidjerung, Äranfen» unb — ber 

ftäbtifchen Arbeiter in Berlin ... 287 

—, S)ic — in ber bclgifdjcn Äohlenberg« 

toerfs-gnbuftrie.904 

—, Durchführung ber — für bie gewerb* 

Iidjen Arbeiter in granfreid) .... 649 

—, SDrgauifation ber gewerblichen — in 

granfreid).962 

—, Die Drganifation ber gcioerblichen — 
in granfreich- Von g. Schotthoefer 

819—822 

—, 3 ur 3™0 C ber gewerblichen — in 
granfreidj. Von gr. Schott ho f er . 

1176-1177 


Unioerfität, ©ingehen ber fojialijtifchen — 

in Trüffel.774 

University Extension in Sonbon .... 293 

— — in Dejterreid).1060 

Unterbrücfung ber Bcltelei, Völlige — in 

granfreich.731 

Unternehmer, Slrbeitgeber unb —. SBon 
©eioerberichtcr Schmie ber . . 272 — 273 
—, ^roteft oon — gegen ©inigungSämter 934 j 

— unb Arbeiter in ber *£bemfe»®ifenroerf- 

unb Sd)iffSbau=©efeDfchaft < ' ju Sonbon 535 

— unb Slrbeiterfoalition.447 

Unternehmer- unb Slrbeiteroerbänbe in 

©nglanb. 91on ©riteft ?loeS . 218—219 
Unternehmcr=Drganifation, 93erfuch einer 

— in ber .^ol^inbuftrie.876 

Unternehmeroerbänbe, ^oalitionöjmang 

oon —.306 

UnterrichtSfurfe, Sojialpolitifche — in 

chriftlidjen ©emerfichaften.1060 

UnterridjtSiüefen, gnternationaler Äongrefe 
für fosialmiffenfchaftlicheS — 1900 . . 948 
Unterftüfeung burch Arbeit in Süttich . . 787 

Unterjochung über bie ermerbsthätigen 
Schulfinber in ©nglanb.92 

— ber ftoftfinber, StabtärUIiche — in 

©harlottenburg. Verpflichtung ber 
Pflegemütter.1315 ; 

— ogl. ©rhebung, ©nquete. 

Urtheil in bem VaufrawaQ oon Söbtau, 

2)aS —.581 I 

— über beutfehe Arbeiter, ©in britifcheS — 1049 


Verbanb faufmännifcher Vereine, $>eut- 
fcher -.900 

-, ^nnptoerfammlung beS beut- 

fchen — ju ©ifeitach.1006 

— fehroeijerifdjer Äonfumoereine, 2luS bem 
VechenfchaftSbericht beS — pro 1898. 

Von Prof. Dr. gui. Platter 1151—1153 

— ber Slibeitgeber im Baugewerbe ju 

München.877 

— -für baS Schneibergewerbe in 

München.732 

— ber £>au£= unb ©mubbeHher in ber 

Vheinpfalj.235 

— ber fatfjolifdjeu Ärbeiteroereine in Süb= 

beutfchlanb.956 

beutfdjer 2lrbeitSnad)weife, 2)ie erfte 
Verfammlung bcS — in Vtündjen. Von 
paul Viifdjing.18—19 

-, Slusfdiufefifenng beS — . . . 544 

— beutfdjer Vudjbrucfer. 880 i 

— ber VtetallinbuftrieHen unb bie SlrbeitS- 

willigen.1125 

— beutfdjer Schuh- unb Schäftefabrifan* 

ten .1081 


Spalte 

Verbanb ber fübbeutfdjen Vtöbelfabrifanten 1081 
VerbanbShauS ber beutfehen ©ewerfoereine 


in Berlin.956 

VerbanbStag, V. — ber Bau=, ©rb- unb 
gewerblichen ©ülfßarbeiter ^eutfdjlanbS 590 

— ber beutfehen BerufSgenoffenfchaften 823 
Verbot eines Streifs burch bie polijei in 

3wicfau.1319 

VerbrauchSfteuern, gorterljebung ber — in 

§cibelberg. 113 

Verbrechen, SllfoholiSmuS unb — in gratif- 

reich.1268 

Verein w 2lrbeiterheim" in Bielcfelb . . 124 

— „ülrbeiterfdjufe" ........ 481 

— für Slrmcnpflege unb SBohlthätigfeit, 

18. gahreSoerfammlung beS — . . . 21 

-, 19. gahreSoerfammlung 

beS —.1381 

— für bie bergbaulichen gntereffen in 

Vheinlanb unb 2Beftfalen.306 

— -in ©jfen unb ber ©ewerf* 

oerein chrifilidjer Bergleute .... 644 

— für £>anbluitgS*SfommiS oon 1858 in 

Hamburg. 808. 59t. 850 

I — ber gnbuftriellen beS VegierungSbejirfS 

Äoln.731 


*— „VeidiS - SBohnungSgefeh" unb feine, 
Vorfchläge. Von Dr. ß. o. VJangolbt 

57-60 

— jumSdjufe ber Äinber oor SluSnufeung 

unb Vfiphanblung in Berlin . . . 674 

— für Sojialpolitif.405 

-, ginanjminifter Dr. o. Sfliquel 

unb ber — 668 

— -, §err o. Viiquel unb bie Sanb- 

arbeitcr-©nquete beS —. Von Prof. 

Dr. SKaj SBeber. 640—642 

-, ©rhebung beS — über bic Ver- 

hältuiffe ber 2lngeftcIItcn ber VerfehrS- 
anftalten .10 

— — —, Bcfdjeib beS preubifchett ©ifen= 

bahnminifterS an ben —.89 

— — - , ©encraloerfammlung beS — . 1001 

— jur görberung beS Slrbeiterwohnungs* 

wefenS, 9U)einifd)er —.206 

— für VcrfidjerungSwiffenfchaft .... 1276 

— für VolfShpgiene, ^eutfdier — . . . 1205 

— beutfdjer 2Serfjeugmafchinenfabrifen . 1081 

— weiblicher Slngeftellter, Kölner — . . 1107 
Vereinigung ber Arbeiter beS Buchgewerbes 

in granfreidj, Statbolifdje — ... 737 

— für gemeinnühige3«necfe, 5)ie 3J?.=©lab* 


badjer —.629 

— oon gabrifanten in Ärefelb gegen Streifs 281 

— jur görberung beS 2lrbeiterfd)ubeS, Be- 

theiligung ©eutfdjlanbS au ber inter¬ 
nationalen — . . . 792. 869—870. 893 

-, $)ic internationale — unb bie 

Sojialbemofratie.811 

— 3 ur giirforge für franfe Arbeiter in 

Seipjig.932 

VereinS-SlrbeitSnachweiS in Seipjig . . 419 
VereinSgefep, §. 8 beS prcufjifchen — . . 192 

—, $aS fädjfifchc — unb bie VJiuber- 

jährigen.1025 

Vereinsredjt, 3 ur Auslegung beS fächfl* 
fdjen —.948 

— ogl. $oaIitionSrcd)t. 

Vergebung fisfalifdjer Arbeiten in Pveufjen 

unb bic Streifflaufel.947 

Vergebungen ogl Submiffionen. 
Vergemeinblichung, ^ie grage ber — in 
©nglanb .643 

— beS SdjaufwefenS, goiberung ber — 

in ©rofjbritannieu.812 

Verfäuferinnen, Si^gelegenheit für — in 

Sabcngefdjäften.548 

Verfaufshäufer, ©enoffenfchaftliche — in 

^ambuig.742 

Vcrfehrsanftalten, ©rhebung ber Vereins 
für Sojtalpoütif über bie Verhältuiffc 
bcr Slngefteflten ber — ..... 10 

Vcrmdd)lnifje ogl. Stiftungen, Spenbeu, 

©efebenfe. 

Vermittelung, Beilegung eines Streifs 
burd) - *.1254 

— ogl. ©inigungSamt, VerföhnungSamt. 


3 







































































XVIII 


Berpflegunggftationen, Offene — für Sun* 

genfranfe.422 

—, Strbeitgnadjnjeife unb — in $reufeen 1012 
Berfammlungen, ©olitifcbe unb getoerf* 
fdjaftlube — in ©acbfen ..... 193 

Bereicherung gegen HrbeitglofigFcit ... 682 

— --i n timerifa.963 

-, ißlan einer — in Bafel . . . 905 

— lanbioirthfcbaftlicberHrbeiter in Ungarn 772 

— ber Seeleute in Defierreicb, Staat¬ 
liche —.343 

— ogl Unfafloerficberung, Arbeiter-Unfall« 
Betficberung. 

Berficberiingganftalten, 2)ie Befcblüffe ber 
Vertreter ber beutfcben — ju ber 3n* 

üalibitätgnooelle. .542 

—, ©tatiftiF ber non ben — übernommc* 

nen ©eilbebanblung.597 

—, ftonferenj ber Vertreter ber — 507 

—, Sau non Arbeiterioobnungen; - . . 603 

—, Beleibungggrenjen ber — für Arbeiter* 
roobnungert unb Sungenbeilftätten . . 17 

BerFtcberungggefefce, Befcblüffe beg beutfcben 
Aerstetageg ju ben —.822 

— für bie ©eeleuie, §üt Umgeftaltung 

ber —.823 

Berjt<berungS*@efefegebnng, 3ur Reform 

ber — beg Ncicbeg.921 

BerficberunggFaffe gegen ArbeitgldfigFeit, 

2>te fiäbtifc^e — inftöln unb bag ©e* 

toerffcbaftgFartell.387 

-, ©iabtfölnifdfje — im ©inter . 1150 

BeritcberunggtoerF, 2>ag — in ber Sdjmeij 343 
Berficberunggioiffcnfcbaft, Berein für — . 1276 
Berfilberer, $)er ©treif ber — ju Berlin. 

Born Borfifcenben beg ©etoerbegeridjtg 

2R. n. ©tbulj.114—115 

„BerfobnungSafte", Beilegung non Arbeitg* 
fireitigfeiten auf ©runb ber — . . . 829 
BerföfjnungSamt, ®er $Ian eineg natio* 
nalen — in ©nglanb an bem ©iber» 
ftanbe ber Unternehmer gefd^eitert 695—697 

— ogl. ©inigunggamt, ©djiebggeridit. 
Besorgung ftäbtifdjer Arbeiter in ©tutt* 

gart.1194 

Berfudj mit untauglichen SRittefn, ©in — 605 
Bertljeibigung, ©in ©ort jur —. Bon 

fSrof. Dr. ©. n. 2Rapr.894 

Bertraggbrucb, $er — beg©efinbeg. So» 
Necbtganroalt Dr. 2. gulb . . . 360-361 
Berurtbeilung ogl. Begnabigung. 

BolFgbab, Neueg — in Bremen .... 1356 

—, ®aS erfte — in ©arte ■.797 

BolFöbibliotbeFen unb BolFglefeballen . . 156 

, $ie beutfcben —. Bon Dr. ©ruft 
©djulfce ....... 1161 — 1168 

—, Staatliche Betbülfen für —. Bon Dr. 

©rnft ©cbutfce . . . . . 655—659 

BolFgbilbuttg, ©efeflfcbaft für Berbreituttg 

non —.933 

BoIFgbureau, JbötigFeit beg — in HRündjen 448 
BoIFggefunbfjeit, ©täbtifcbeS Sebcn unb — 459 
BolFgfjaugbaltgfcbulen, Ueber —. Bon 
grau ©eljeimratf) Sötte SBinbfc^cib 

456—459 

— ngl. #augbaltunggfcbulen. 

BolFgbeilfiätten, Berein für — in ©ürttem* 

berg.322 

— ngl. £eilftätten, Sungenbeilftätten, ©c= 
nefunggbeime. 

BolFgijpgicne, $)cutfcber Berein für — . 1205 

BolFglejeballeiT, BolFgbibliotbeFen unb — 156 

— ngl. SefebaHen, grcilefeballen. 

Bolfgfcfjulen ogl.©lcmentarfd)uIcn,©djulen. 
BolFgfcbüler, Hamburger — imStabtiljeater 605 
BolFgfdjuItocfen, $aS preufeifdje —. Bon 

©eneralfefrefär 3- £eroS . . . 288-292 

Bolfgtbümlidbe ^ocDldbulTnrfe, Augbebnung 
ber — in ©eutfdjlanb.713 

— —. Sou Dr. grifc Specht . . .99 — 100 

-in Berlin . . 155. 292. 395. 573. 1060 

— — in Hamburg.773 

SolFgunioerfität, 2>ie erfle — in granfreirf) 797 
SolFgoeretti für bag Fat^olifd^e $eutfdj* 

Iatib, SraFtifcb*fosialer ÄurfuS beg — 78 

BolFgooTlefungen, grnnffurter Ausflug 
für —.713 


Cpalie 

BoIFgoorlefungen.1109 

— ngl #o<bfd)ulfurfe. 

BolFgoorftellungen beg HRannbeitner £of* 

tbcaterg.1158 

Bolfgtoobnungen, ©au non — burcb bie 
©emeiitbe in ©trafjburg i./ö. ... 654 

Bolfgfläfjlung, ©ogtalpolitifdbe ©ünfdje jur 
na^ften —. Son Dr. ©. $irfcb6erg 

1237—1239 

©orlefunggmefen ber Dberftbulbehörbe in 
©amburg.1355 

— ngl §od|frf)uIfurfe. 

©ortrnggfurfe über ©ürgerlunbe bei 

SWäbdjen- unb grauen»©ruppen für 
fojiale ^ülfgarbeit in Berlin .... 774 
Sortraggreiben,Solfgtbümli<l)e — in Berlin 573 

— ngl §ocbfd)ulfuife. 


SB. 

SSaljbrahtf^nbifat, Borfcbrijten beg — . 446 

Starteraume, §lrbeitgna(b>neigbureau£ unb 
— für ©(bauerleute in Hamburg . . 121 

©eher, 2obnberoegnng unter ben — in 

Ärefelb.866 

©eberaudfperrung in fteidjenbacb in ©c^lef. 765 
2Beberei, ©egen bag Sroeiftnhtf^ftem in 

ber —.283 

©eberftrei!, Ärefelber — . . . 889. 413. 502 

—, Sermittelung int ftrefelber — ... 704 
! ©eberfireifg in ffrefelo unb in Steifen- 

1 badh i./©chl.814 

i ©eljrfraft, $)ie nationale — unb bte ^eran- 
I Siebung augiänbiftber Arbeiter . . . 1265 

I — unb ©ojialreform.1078 

©eiblidbe SngefteUte, Äaufmännifcber unb 
geroerblicber ^ilfgnereirt für — 5 u 

; Berlin. 503. 1029 

-, $anbelgf(bule für — in Hamburg 1250 

-, Kölner Berein —.1107 

— ©etoerbeaufjicbtgbeamte, Hntrag auf I 

2lnfteHung — in ©reu&en. 625 1 

— Hffiftens bei ber ©emerbeaufftdbt in 

©ürttemberg.541 

— gabrifinfpeFtoren tn Bublanb . . . 228 

|-, 2)ie grage ber — in ber ©djroeis 648 

i — gabriFinfpeFtion, gortföritte ber — in 

i ieutfcblanb.1371 

! — ©emeinberatbe in ©nglanb, $ag Dber- 

i baug gegen —.1077 

' ©eltaugfteßung, ©ojialöFonomtftbe Slbtbei« 

j Iung ber $arifer —.846 

| —, ©ojialpoliti! auf ber ©arifer — . . 277 
j — # Unfere Ärbeiteroerfttberung unb bie 

! ©arifer —.1128 

I —, Beteiligung ber ©enoffenfdbaften an 

ber Batifer —.1227 

®ag 9leidbg e Berfi(berunggamt auf ber 

I Barifnr —.1225 

, —, Beuiftbe UnfaHoerbütungg * ©inrid)= 

I tungen auf ber Banf« — unb bie 
; Bauarbeiter.1296 

— gransöftftbe Hrbeftcrbelegationen auf 

ber ^3arifer —.1378 

*©ellmacbtpolitiF unb ©o$ialreform. Bon 
Brofeffor Dr ©rnft oon ©alle, 

1. II. 622—526. 553-559 

t ©erft, ©oblfabrtgeinricbtungen auf ber 

| Faiferlidjen — in SFiel.233 

©erFbaugprtnjip, S)ag — in ©nglanb . 501 
| ©erfftätten für 2lrbeitertnüaliben,©täbti[cbe 

1 — in Burig.387 

i ©erFftätteufiatut, 5FomntunaIeg — für 

Bubnpeft.1315 

j ©erFjeugmafcbinenfabriFen, Berein beut* 

j fdjer —.1081 

©irtüfcbaftlidje ©anblungen, ©ojiale 23e=» 
glciterfdKtnungen — in Beiltn. Bon 

; Dr. St. 2bifb . 586-588 

©irtb^geroerbe,2lrbeiter)cbiibtmbeutfdben— 284 
©oblfabrtgeinridbtungen, $pgientfcbe — . 236 

— ber Ätßniglid) spreufeifrfjen ©afferbnu* 

i oermaltung.627 

j — auf ber Fatferlid^cit ©erft in Äiel . . 233 
: ©oblfabrtgpflege auf bem Snnbe . 509. 572 

! —, ©täbtifdbe unb priuate — . . . 234 


6pa!tt 

©oblfa^rtgjmecfe, ©ttftung für — ber 

ßueferfabri! granfentbalg.629 

©oljnbäufer, ©rritbtung oon — für Hrme 

in ©nglanb.654 

ffiobuungen, Öeerpebenbe — in Berlin . 1229 
—, UeberoölFerte — in Breglau.... 827 
—, SRangel att Fleinett — in Btagbeburg 684 
—, $>te Äotnmiffton gegen ungefunbe — 

in ©trafeburg t. öl)..182 

—, ©aferegeln gegen ungefunbe — in 
©tTQ&burg i. ©lf. 98 

— ogl Ärbeitertoobnungen, Äleinroob» 
nungen, ftleiubauigefe^ in ©nglanb. 

©obnunggamt, ©rritbtung eines — in 

Stuttgart.235 

©obnungfibau, ©taatlidjer — in B«u^en 154 
©obnunggeienb, ©egen baS — in ©trafj- 

bürg i. ölf.872 

jBobnunggenquete in ©ottingen .... 422 

—, Brioate — in SWüudjen.154 

©obnunggfrage, ©emeinblidje gürforge in 

ber — ju SWüntben.949 

*—, Sur — in $)eutfcblaitb . . 1045—1046 

— in granFfurt a. 9R., — Bon ©tabt* 

ratb Dr. gief«.1156-1157 

—, $5ie — unb SRinifter oon SRiquel . . 476 
—, ÖingaBe ber ©oangelifeben Arbeiter* 

oereine sur —.1108 

, —, 5)ie — in §oßanb. Bon Dr. 3 . ©. 

! oan 3 fl nten.50—51 

: —, $5ie — in Öonbon . . . 155. 859. 1298 

I —, $ie — in öonbon. Bon g. ©. @al* 

ton. 845-347 

©obnunggfürforge in beutf^en ©töbten . 907 

— in 2eipsig*2inbenau.1260 

— in SRagbeburg unb 2R.*©labbadj . . 77 

—, ©emeinblidje — für ftäbtifebe Ärbeiter 

unb Bebienftete in Nürnberg .... 1248 

— tn ©tolp i. B.1108 

— ber Seidjgpoft-Berroaltung .... 1229 
©obnungggefefc ogl Beidb« * ©obnungg- 

Ö'fefc- 

©obnunggFommifrion/ Slug ber fiäbtifdjen 

— in ©trafeburg i. ©lf.486 

©oljnunggnacbroeig, ©entralanftalt für 2lr* 
beitg* unb - in ®armftabt 1897/98 . 122 

©obnunggnacbioeig-Ämt, ©täbtifcbeg — 

in SERüHjaufen i. ©lf.113 

©obnungSnotb in bcutftben ©ro&ftäbten 51. 602 

— in beutfdben SRittelftabten.319 

—, SRilbcrung ber — burtb Bereine . . 1165 

—, 9Rietben unb —.347 

—, 2Rinberung ber — bureb Bauoereine. 828 
—, 2>ie — in ©barlottenburg .... 261 

j —, 3 U ^ Befeitigung ber — in BreSben . 349 
; —, ®ie — in granFfurt a. 3R. unb bag 
Borgeben beS granffurter SRietberoer- 
eing. Bon Dr. St. 0 . SRangolbt 152—154 

— in ^orbe 547 

— in fttel Bon ©tabtratb Dr. g. ©oet» 

beer. 1820—1322 

—, ©egen bie — in ftöln.181 

— in Sonbon. 155. 859. 1293 

— in Stuttgart 1898 517 

— unb «rbeiterbäufer in ©ieu. Bon 

§einr. 2lbler.514—516 

©obnunggpflege, Blätter für Hamburger — 1822 
©obnunggpflegegefe^ in Sübecf . . . .1179 
©obnunggpolitiF in ben ©emeinben, im 

©taate unb im Beicb.870 

—, ©täbtifdje — in greiburg i. B. . . 181 

—, Nürnberger —.827 

©obnunggpolisei in ^)üffelborf .... 603 
©obnunggreform, Staatliche — in Bauern 1248 

— tnSRüttiben.BonBoulBüfcbtng 1158—1155 
©obtuuiggftaüftiF in $arlgiube unb HRann* 

beim.908 

©obnunggftiftung, Äberg’fcbe — in Süffel* 

borf.828 

©obnunggimterfudbung, ©ine — in ©eibcl* 
berg. Bon 2Raj SRaq . . . 601—602 

©obnunggoerbältniffe, Berbefferung ber — 
oon Arbeitern in preufeifdben ©taatg* 
betrieben.826 

— ber ©ifenbabner in Batjern . . 421. 858 

—, Berbefferung ber — in Hamburg . . 652 

— in Äarlgrube.1250 




































































XIX 


Spalte 


9Bobnung$oerhältniffe in amerifanifchen 

©täbten . 1179 

98ohnungsiüefen unb ©terblichfeit in 

Sioerpool.1038 

9BurmfranHjeit, $>ie — unter ben Berg- 
. Ieuten be« 9tuhrge6iet3.423 


3 . 


Sehnfiunbentag in ber öfierreicfjifchen 
2e£tilinbuftrie . . . 850. 900. 1173. 1240 

— in ber $e£tilinbuftrie, Urteil eine« 

gabrifanten über ben —.875 

— ftampf um ben — in Brünn . . . 956 

— ogl. Adjtfiunbentag. 

3iegeleiarbeiter # 5)ie Sage ber jugenblidjfn 

unb weiblichen — unb ber Bunbes- 
ratlj. Bon SBilhelm ©wientg 116—119 
Siegeleien, 9tochmal8 bie Befdjäftigung non 
Arbeiterinnen unbjugenblichenArbeitern 
in—. Bon ©ewerberath Säger 255—257 


Spalte 

3iegeleien, BunbeSrathSoerorbnung über 
bie Befdjäftigung oon Arbeiterinnen 
unb jugenblid^eit Arbeitern in — 73. 96 

3iegeleioerorbnung, (Sine autfjenti|cf)e 
Interpretation ber jüngfiert — ... 868 
Siegler, Bierte ©eneraloerfammlung be$ 

©eioerfoereinS ber — in Sippe . . 447 
—, ©eroerfoerein ber — in Sippe . . . 308 
Sieglergeroerbe, ArbeitSoermittelung im — 682 
Zimmerer unb Murer, ©eneraloerfamm¬ 
lung ber Berbänbe ber — 5>eut[d)lanb$ 703 
3immerergemerbe, ©tnigungSoerhanblun- 
gen gioifchen ben Arbeitern unb Arbeit® 


gebern im — in Berlin.1206 

—, Äorporatioe So^nregelung im — oon 

Baris.981 

3immerleute, $>ie Drganifation ber — in 

Anterifa.227 

3in!büttenarbeiter, Unterfudjung über bie 

Sage ber —.928 

3ugfü|rer unb feiger, Regelung ber Ar- 
oettsgeit ber — in granfreicfj . . .1180 


6paiie 

Mnbhötgchen-öefefj, $a$ — in ber Sdjipeig 148 
Sünbbölger, Austreiben be$ ©chroeiger 
BunbeSrathS für ©erfteHung ungefähr¬ 
licher -.1297 

Sünbholgfabrilation, Arbeiterfchufr in ber 

— . 787-789 

—, Ärbeiterfdjufc in ber englifdjen — . . 1084 
—, $)te Arbeiter in ber frangöpf^en —. 

Bon gr. ©djottfjöfer . . 1219-1220 

3ünbholgfabrifen, ©thufe ber in — be* 
fdhäftigten Arbeiter ....... 1245 

3ünbljolginbuftrie, ©cijufc ber Arbeiter in 

ber ttoeigerifdjen —.46 

SroangSinnung unb Arbeitsnachweis . . 1289 
SroangSfranfenoerficberung, Ablehnung ber 

— für Äauflente in Mgbeburg . . 151 
3mangSoerfteigerungen, Bie — unb ihre 

Opfer. Bon gabrifantD. Steigert 196—197 
3n?eiftul)Ifr)ftem in ber SBeberei, ©egen baS 283 
Swifchentneifter-Spftem, BaS — in ber 
Berliner^olgbearbeitungSinbuftoie. Bon 
Dr. ©eorg 9teuf)auS . . 1195—1198 


II. Jtittomt-gegißrr. 


Spalte 

Abi er, Heinrich, Bebafteur in 'Bien 

313. 514. 529. 1295 
AueS, ©rneft, in Sonbon . 218. 478. 1078 
o. Berlepjdj, ©taatSminifter, Dr. grljr. ©., 

in ©eebach i- 2:pr.436. 465 

Beutner, Dr. Mal. b. Abg., in Büffelborf 251 
Bobe, Dr. raed. 93., in ©ilbeShrint . . 1031 
BorgtuS, Dr. 98althcr, ©efretär ber 
(Sentralfteüe für Borbereitiing oon 

©anbelSoerträgen, Berlin.748 

Brentano, Dr. Sujo, ©eh- ©ofratf), 
Bvofeffor an ber Unioerfttät Machen 
1185. 1209. 1233. 1257. 1281. 1329. 1361 
Biifdjing, Baut, in Mn<ben . . 18. 1158 
(iohen, Dr. Arthur, in Machen 778. 

1065. 1094 

Be Berra, 0., ©ifenbahnbireftor in ©üben 1 
e ft i), 0 c t a o e, Beamter bes Arbeitsamts 
in .... 732. 1003. 1037. 1337 

glefd), Dp. 5t., ©tabtrath in granffurt 

a. m . 986. 1156 

brande, Dr. @rnfi, in Berlin 34. 166. 

246. 298. 401. 433. 578. 609. 622. 637. 

650. 694. 766. 865. 969. 999. 1041 
o. grattfeuberg, ©., ©tabtrath in 

Braunfcbtoeig. 265. 680. 1305 

greunb, Dr. jur. 9t., Borfifccnber ber 
Alters- unb gnoalibitätSoerficherungS- 
Anftalt Berlin ... 81. 353. 470. 802 
gitlb, Dr. Submig, 9te<htSanwaIt in 

Miug . 5. 360. 1262 

©alton, g. 93, in Sonbon 86. 201. 345 913 
©räfcer, Dr. 9tubolf, Banfoto —Berlin 

320. 1122 

ooti ©alle, Dr. ©ruft, B^feffor an ber 


Unioerfität Berlin. 522. 553 

©eif$, Dr, 61., in Berlin . . . 311. 1146 
©er g-3JtillS, Bh-/ gabrifant in granf« 
furt a. 2Jt.. 463. 959 


©irfchberg, Dr. ©., Bireftorial-Affiftent 
am ©tatiftifdjen Amt ber ©tabt Berlin 

484. 993. 1237 

©orn, ©., 9tebafteur in Berlin 176. 408. 

648. 793. 1274 

©itcfert, Dr. ©., Dberlchrer in Aciffe . 685 
gäaer, ©ewerberath in Berlin .... 255 
Saffe, ©bgar, in Berlin.978 


Spalte 


5t och fehle, Baftor a. B., in Mtben . . 581 

5traufe, Saura, in Setpgig.1373 

Sehrnalb, Beigcorbneter in BuiSburg 35 
Siebe, Dr. med. ©eorg, Argt in SoSlau, 

0.-© chlef. 52 

Soetü, Dr. (5mil, in 9Bien . . . 189. 1007 

SKahaim, ©meft, B^ofeffov an ber 

Unioerfität Süttidj.60 

o. Mngolbt, Dr. 5f, in granffurt a. Bt. . 

57. 152. 420. 1072. 1271 
Bfai), Mg*, in ©eibelberg . . . 601. 1058 
Mg er, Dr. ©uftao, in Brüffel 38. 273. 

846. 904. 922 

o. Btaijr, Dr. ©eorg, B^feffor an ber 

Unioerfität Btünchen.894 

o. Btiguel, Dr., ginangminifter, Bigc- 
Bräftb. b. ©taatSminifteriumS, Berlin . 668 
Btoerchen, Ätarl, Baftor in Bethel b. 

Bielefelb. 526. 1113 

9t e u h a u S, Dr. © e o r g, in ©h fl riottenburg- 

Berlin.1195 

0hneforge, grangisfa, BolfSfchul- 
lehrerin in ©triefen-BreSben .... 859 
Olbenberg, Dr. 5t., B^ofeffor an ber 
Unioerfität Marburg . . 25. 745. 937 

Bfingfthorn, Dr. ©., in ©amburg . . 141 
Blatter, Dr. Julius, ^rofeffor am Bali) 1 
technifum in Särid).1151 


Boerfch, B runo, ©efretär bes ©entral- 
oerbanbeS ber in ©emeinbebetrieben 
befchäftigten Arbeiter in Berlin 494.877. 1117 
Breupler A 9tobert, Sttebafteur in B5ien 698.1221 
9tapfjael, Dr. Aj:el, in ©tocfholnt. . 665 
Stothholg, Dr. SuliuS, Seitcr beS 
©tatiftifchen Bureaus ber Alters» unb 
SnoalibitätSoerficherungS - Anftalt in 

Berlin. 285. 1055 

o. 9t Ottenburg, SSirfl. ©eh- 9tath, 
Kurator ber Unioerfität in Bonn 161. 

185. 251. 490. 559 

©chalhorn, Dr., ©eioerberühter in Berlin 

797. 1322 

©djmiebcr, ©., ©eioerberichter in Berlin 272 
©ch nt oll er, Dr. ©., B^feffor an ber 

Unioerfttät Berlin .209 

©chotthöfer, g., in Baris 41. 69. 249. 
443.819.902. 1089. 1176. 1219. 1315. 1339 


Spalte 


©chulfce, Dr. ©rnft, in Berlin . 655. 1161 
o. ©chulg, 9W., Borfifeenber beS ©eioerbe- 
gerichtS Berlin 114. 322. 423. 714. 

1033. 1130. 1299. 1324 

©djtoarg, 3K., in SSien.1120 

©chroiebianb, Dr. ©ugen, Brioatbogent 
an ber Unioerfttät in SBien 105. 129. 1137 
©ilbermann, Dr. 3., in Berlin . . . 1189 
©intott, ©elene, in Berlin 12. 873. 896. 1213 
©oetbeer, Dr. g., ©tabtratl; in Stiel . . 1320 
©ornbart, Dr. ^Srofeffor an ber Uni¬ 
oerfttät Breslau. 633. 834 

©pecht, Dr.grijj, in ©barlottenbura 99. 883 
©tühmer, ©., Borftanb ber ©enoffntfehaft 
„BroI>uftion' y in ©amburg . . . . 612 
©loieutt), SBilljelm, in Berlin ... 116 

Baube, ©uftao, in Berlin . 700. 760. 1309 
o. Baijenthal, Dr. Btaj, I. Affiftent ber 
©attbels- unb ©etoerbefammer in 


BetoS, ©eneralfefretär b. ©efeüfchaft 

f. BoIfSbilbung.288 

Bljiep, Dr. Ä., ©eneralfefretär in Offen¬ 
bar a. 9Ä.510. 586 

Bimm, Johannes, Arbetterfefretär in 

Machen.950 

Urfin, Dr. 9t. 9t. af, in Burht (Abo) . 228 


Ban ganten, Dr. 3- $•/ tn Amfterbam 

60. 135. 303. 1024. 1177. 1271 
Boigt, Dr. Baul, in Berlin 710. 783. 825 

93eher, Dr. Btar, ^Srofeffor an ber Uni¬ 
oerfität ©eibelberg.640 

93 eher, Ajfeffor Dr. Alfreb, in ©har* 

lottenburg. 689. 721 

93eigert, 0., gabrifant in Berlin 195. 

293. 917. 1069 

93iebcitfclb, Dr. 5t., in ©runeioalb- 

Berliit .599 

9Biebeitfelb, Dr. Bv 9tegierungSaffeffor 

in Siegnifc.1104 

9Siebfelbt, Dr. 0., in 2)reSbctt . . . 329 

93inbfchcib, grau Oleheitnrath Sotto, in 

Seipgig.456 

o. 93iblcben, ©., SanbeSaffeffor in 

Berlin.149. 1017 

Sacfjcr, Dr., ('ich. 9tcgienmgSrath in 
Berlin.1010 


©ebtueft bei 3ullu0 Sittenfclb in Scrltn w 










































vm. fujjrgang. 


Berlin, bett 6. Dftober 1898. 


•Unmnur 1 . 


Soziale ptrayis. 

^enfrafMatf für ^ogiafpofifiß 

mit bet DfonatSbetlage: 

Das ( 5 cu>evbc^cvtd}ü 

©rgait bes Derbanbes beutfdjer ©etperbegericfyte. 

«Reue golge bet „Blätter für fojtole BraytS" unb be§ „Soaialpolittfchen (SentralblattS*. 

(triftetet t» iekew ^emtcrfteg. ^ecauSgcberl ftretS *ierlelja$rllft 2 SR, 50 $f. 

SRebaftion: Berlin W., Bapreutherftrafee 29. Dl*. Ctttfl /tdtuktt Berlag öott Duntfer & $>umblot, Cctp3ig. 


3 uf)ült 


ßur^erfonentarifreform auf ben 
beutfdien Gtffcnbabnen. S 3 on 
Otto be Sexta, ©ifenbabnbireftoT, 
©üben.1 

Vlflfwetat Ciiitl* nb BHrtbfftaftS« 
psUtii .5 

^obneinbaltung unb ©par* 
3ioang. Sion Dr. Subtoig gulb, 
‘JtefttSamoalt in Dlaina. 

©ie angefünbigte ©treifoorlaße. 
Arbeitsamt unb Arbeitöbeiratf) in 
£>efterrei$. 

ftoammnale «•§tel# 0 ltttt.8 

IX. #effiffter ©tübtetag. 
SlefiboerönberungSflebütjr in SBürj« 
bürg. 

Ablehnung beS SRintmaltobneS für 
ftäbtifdje arbeite! in Bern. 

iap«Ie 3nftinbe . 10 

©rpebungen über bie Sage ber Ar* 
beiterinnen im grapbifcben ©etoerbe. 
©rpebungen beß Bereinß für ©o^ial* 
politif über bie Berbältniffe ber 
Angeftellten in Berfebrßanfialten. 
©läbttfdje SÖerfftütten für Arbeit«, 
inbaüben in Baris. 

Ks*tfte«&e»c«init. 10 

Sion ber Bergarbeiter-Betoegung. 
Bereinbatung jn>if<ben Unternehmern 
unb Arbeitern im englifcbcn Bergbau. 
Sanbarbeiter-Bewegung in Ungarn, 
©er Streit ber ©rb arbeitet üon Bari«. 


«rbeiterfftn*.12 

©er 3ahte8beri(bt ber engli« 
fften gabrifinfpeftoren für 
1897. SSon ^elene Simon, Karls¬ 
ruhe. 

Sonntagsruhe im JpanbelSgewerbe. 

©ie erfte gabriffnfpeftorin in beu 
Mebexlanben. 

gabritinfpeltion in Ungarn. 

©eteerbeinfpeltion in Sleufübtoaleß. 

Krkeit(rbetfl4(imtifl. C^artoffen . 17 

SeleihuitgSgrenje ber BerfidjerungS« 
anftalten für Arbeiterwobnungen unb 
Sungenhcilftatten. 

ArbeitßlofemBerfifterung unb ©üb« 
beutffte Bolfßpartei. 

tUtettSnafttoei* .18 

©ie erfte Berfammlung beS 
BetbanbeS beutfiher Arbeitß« 
nachweife. Bon $aul Büffting, 
München. 

©täbtifdjer Arbeitsnachweis in ©bar« 
Iottenburg. 

©cnoffenfftaftStocfesi .20 

Arbeiterprobuftiogenoffenfcbaftcn in 
^ranfreich. 

9lrmmp$m$ . 21 

©ie 18. SahteSberfantmlung beö Ber« 
eins für Armenpflege unb Söohl* 
thätigfcit 

Bt)tet«ng «nb SSUbnng .22 

©aS Arbeiterinftitut ju ©tocfbolm. 

Inhalt beS ©ewerbegeriftts Sir. 1. 


Beilage! „9m» ©etoerbegertftt“ Wr. 1. 


Abbrud fömmtlicher Artüel ift Bettungen unb ßeitfftriften geftattet, iebodj nur 
mit boHer Quellenangabe. 


Jtor perfeuentarifreforui auf ötn öeutfdjen 
(Eifenbabnen. 

Dtit liiert geringer Spannung werben fortgefefct bie drörte* 
rungen oerfolgt, bie fic^ an bie fdjmebcnbeu Berhanblungen über 
bie nun f<hon fo lange erfehnte Reform unferer 'ißerfonentarife 
fnüpfen.* Ueber ihre Unhaltbarfeit befteljt längft, and) an ben 
tnafegebenben Stellen, nid)t mehr ber geringfie S^eifel. 3n golge 
ihrer oott autoritatiner Seite anerfannten Buntfdjecfigfeit, 35er* 
roorrenheit unb ihres ttjeilroeifen BMberfinnS ftnb fie nid)t allein 
ben (Eifenbahnoerwaltungen eine beftänbige Quelle wachfenber 
Schwierigfeiten, namentlich bei .Jtanbhabung ber ftetig weiter aus* 
gebehnten Bahnfteigfperre, beren wefentlich humane Beweggrünbe 


: übrigens allmählich in immer weiteren Mreifen gewürbigt werben. 

! 3 « noch oiel höherem s Jtöa&e hat ba^ ^ublifmn barunter $u leiben, 
ba§ bei weiteren Reifen feiten ol;ne ein ^eitraubenbe^ Stubium 
j über bie billigfte unb bequemftc 2 lrt ber ^luöführung flar 3 U 
werben oermag unb häufig genöthigt ift, fid) babei ber £)iilfe ber 
I amtlichen ?lu3funft£ftcücn ober gar prioater Vereine 311 bebienen. 

S^adjbcm ba^ s ^ublifum unb bie öffentliche Meinung ü;r be* 
' red)tigte§ Verlangen nad) enblicher 33efeitigung bie|e^ fdjicr uit* 
[ erträglichen 3 uftanbeö unb namentlich auch & er uielen liitgcred)tig s 
I feiten unb 2 £iberfprüd)e in unfereit ^erfonentarifen bnrd) ben ^iu= 
j wei* auf bie „Unguitft ber ^eituerbältniffe", b. i. bie allgemeine 
1 giuanslagc, bie feinerlei möglidjcrwcife foftfpieligc (irpeviiitenle ge* 

| ftatte, lauge 3 ah^c hindurch haben befehwichtigen laffen, wirb mit 
1 mn fo größerer ßutfdjiebenheit geforbert, baß jefct, nadjbeut ber 
, SSerfeijr unb mit il)m bie (Einnahmen feit mehreren 3 ahicn eine 
gerabe 3 ii erftauuliche ?lufwärtsbewegung 3 etgen, eublich uolleubet 
werbe, wa^ fdjoit 1891, leiber ohne bett gemünfd)ten Erfolg, be* 
gönnen würbe. 

S)er einmüthige s 2 £iberftanb, ber fid; batttalö gegen bie mit 
bent befanntett 9teformplan oerbunbenen, wenn and) nur gering* 
fügigen (Erhöhungen ber bisherigen ^BeförberuttgSpreife erhob, 
3 eigt beutlid), was matt im Solle als Siinbeftmafe uott ber lange 
erfchnteit ^Reform erwartet. Unb es ift äu&erft 3 weifclhaft, ob bie 
in eiit 3 elnen 5:ageSblättern fortgefefct auftaudjeitbeu 9}fahnungeu, 
man möge fid) 3 unädjft einmal mit etioaS weniger begnügen, bei 
einer anbauernb giinftigen (Sntwidclung ber Serfehrsnerhältniffc 
fei es bann noch immer 3 eit 31 t weiteren Reformen unb namentlich 
Serbifligungeit, ihren augenfcheinlichen 3 uJecf einer Sefdjmidjtigung 
unb ^erabftiinmung ber bringenben SSüttfdje breiter Solfsfchichteu 
erreichen werben. 

9 Rait weife recht wofel, bafe bie Siberftänbe, bie jebe Sfefonn 31 t 
überwinbett hat,uid)t gleidjntäfeig mit beren Umfang 3 U wachfen pflegen 
unb bafe es ausfidjlsooller ift, oon oomherein gleich oollftänbige 
! Durchführung einer anSreichenben Reform — innerhalb ber ©rett 3 en 
! beS jeweils Möglichen unb (Errcidjbaren — 311 oerlangen, als fid) 

! mit einzelnen ?lbfchIagS 3 ahIungen 311 begnügen, bereit jebe eitt 3 eltte 
! möglicherweife toieber auf neue §>ittberniffe ftöfet. Di an fagt fich 
I beShalb nid)t mit Unrecht, bafe ber jefeige, auch utttfaffenberen 9fe* 

! formen in ihren wefentlidten SorauSfefeuttgen 3 toeifelloS giinftige 
j 3 e üpunft ttidjt ungenüfet bleiben biirfe, wenn biefe Reformen nicht 
j als ad calendas graecas oertagt gelten follen. Df an ift oerflänbig 
unb ciitfichtig genug, nicht mehr utopiftifd)eu 3 ^^», wie betn 
(Etigerfdjeit 3auentarif ttach 3 ujagen unb felbft bie Sorge für weit* 
gefeenbe Dartfermäfeigungen ttad) uttgarifd)em, öfterrcidtifcheitt, bei* 
gifchem ober rufftfehettt Diufter fpäteren (^efdtledttern 311 überlaffett. 
Dfan oerlangt itn ®ruitbe nicht oiel mehr, als bafe bie jefet in ?orm 
aller mögli^ett Sottberertnäfeiguttgen gewährten iUnSnahtnen, bie 
mit Sug uttb Decht als ein 3 ugeftäitbnife an bas ÜBebiirfuift einer 

















«Soziale $ratri$. Gentralölatt für Sojialpolitif. 9ir. 1. 


4 


Verbilligung bcr Tarife, als citt Slnerfenittniß btefeS VebürfniffeS 
betrachtet werben, oerallgemeiiiert, jur Siegel gemacht werben. SJian 
fiebt hierin eine unabweislidjc Forberung wirtßfcßaftlicßcr unb 
fokaler ©ereeßtigfeit, beren Vcrwirfücßuttg um fo tneßr geboten 
unb um fo eßer 31 t ermöglichen ift, als bie SluSnaßttteu gegen* 
rnärtig feßon berart bie Siegel übertoiegen, baß non ihrer (Geltung 
als SlttSnaßmc in Birflid)feit längft nicht meßr bie Siebe ift. (Ein 
ioidjtiger fo 3 iaIpoIitiftßer ©efidjtSpunft babei ift, baß bie meiften 
auSnaßmSweifett (Ermäßigungen jeßt auf ben Fentocrfeßr entfallen, 
alfo ßauptfäcßlid) beut befiergeftcllten Steile aller Sieifenbcn 3 U 
gute fommen. 

(Erft fiir^lid) ift in ber „So 3 iaIen ißrafiS" (Sir. 38) oon einer 
§crabfeßung ber ^erfonentarife für ben Siaßuerfeßr in Stußlanb 
berichtet worben. Vei ber aut 1./13. Tc 3 embcr 1894 auf ben 
ruffifeßen (Eifenbaßtten eingefübrteu ^erfonentarifrefonn, bie — 
hauptfächlich aus praftifeßett, in ber getoaltigen Slusbeßtiung beS 
ruffifeßen S?eid)c3 begriinbeten (Erwägungen — auf einer Vcrbütbung 
ber Staffel* mit ber 3 oncn i ar iff oriu fußt, mar ber Staßoerfeßr, 
auf ben aud) in Sfußlattb ber weitaus größte Xßeil aller Sicifcit 
entfällt unb ber namentlich für bie große Sftaffe ber SNittber* 

bemittelten unb Vefißlofeti gan 3 befottberS in ^Betracht fomrnt, oon 
ben mit bem neuen Tarif oerbnnbenen, tßeilmeifc feßr bebeutenben 
(Ermäßigungen gerabe in ben unteren klaffen naßesn oöllig aus* 
gcfd)Ioffcn worben. Sieben einer SBegünftigung beS FernocrfcßrS, 
bie bei ben 311 m Xßeil feßon augebcuteten befonberen Verhält* 

niffen Siußlaubs eine gewiffe Verccßtiguitg haben mag, war für 
ben neuen Tarif bie Slbficßt beftitnmcnb, bei bem wefeutlidjften 
Iheile bes Verfeßrs (EiunahineauSfäHc uaeß S)iöglid)feit 311 ocr* 
hüten, Xaß ber neue Tarif, wie in Sir. 38 mitgetßeilt, fd)on im 

erften Faßre feines VefteßenS anftatt ber erwarteten SfuSfäHc eine 

feßr beträeßtlidje SJießrcinnahmc (4 250 000 Siubel) ergeben ßat unb 
baß man fidt barauf ßin oeranlaßt fteßt, ben fcßmereit oerfcßrS* 
tecßuifdjen 1111 b namentlich aueß fojialpolitifeßen Feßler gitt 3 umacßen, 

311 beut jeßt als irrig erwiefene tßeoretifcße (Erwägungen oerlcitet 
haben, ift unuerfennöar weit über bie ©rennen Siußlaubs ßinattS 
oon gruttbjäßlicßer Vebeutung. 

Tiefe (Erfahrung beftätigt 001 t neuem, baß Xarifcrmäßi* 
gttngen, bie einem mirflidten VerfeßrSbebürfniß ent* 
fpreeßett utib weit genug geßen, um feine Vefriebigitttg 
311 ermöglidjen, nießt 311 einer SJiinberung ber (Einnaßmen, 
fonbern im ©egentßeil bureß rafcßcS Slnwacßfcn beS ^BerfehrS 3 U 
ihrer S)?eßrnng führen. Beim bei uns bie fteigenbe (Entwicfehing 
bes ^erfouetioerfeßrS in ben oerfloffcnen Faßrctt als ein beweis 
bafür angeführt wirb, baß ttnfcre Tarife, bereit Unooüfommenßeit | 
bei aller Belt außer Zweifel fteßt, in ihrer jeßigen £>öße fein > 
Minberitiß für bie Vefricbignitg bes tßatfädjlicßen VerlcßrSbebiirf* 
nijfeS feien, fo feßeint ßicrin eine bcbauerlicße Verlenmtng ber 
tßat|äd)lid)eu Vcrßältniffc 31 t liegen. SJÜt feßr oiel größerem S?ed)te 
föunte baraits gefolgert werben, baß baS oorßanbene VerfeßrS* 
bebiirfttiß all^n rege ift, als baß fclbft unfere einer Vcreinfad)itng 
unb Verbilligung brittgenb bebiirftigen Tarife feiner oollctt Ve* 
friebiguug itt größerem SJiaßc ßittberlid) wäret!. 

Siacß ber im SicicßS=(Eifettbahnautt anfgeftelltcn Statiftif bcr 
(Eifenbaßttcn TcntfdjlanbS für 1895/96 würben in biefetn Fahre 
beförbert: in bcr 1. Klaffe 2 322 321, in ber 11. Mlaffe 58 307 184, 
in ber III. Mlaffe 364 771 432 unb in ber befanntlid) nur in Slorb* 
beutfdjlanb beftchettber IV. Mlaffe 155 736 676 ^ er fönen. Tie 
(Einnahmen betrugen: I. Mlaffe 17 583 2 to , II. Mlaffe 
99 901119 c /#,'lll. Mlaffe 196 957 017 J(.., IV. Mlaffe 

79 256 360 J(, Febc ^erfott ift bunßfd)iiittlid) beförbert: itt ber 
i. Mlaffe. 93,|. km, 11. Mlaffe 35 ,47 km, 111. Mlaffe 19 ,01 km, 
IV. Mlaffe 24,. 4 - km. 

Ter bei weitem größte Xßeil bes gefammten ^erfoneitoerfeßrS 
entfällt alfo auf bie unteren Bageuflaffen (III unb IV) unb auf 
ben Siaßuerfeßr. Mi er ift bas Verfeßrsbcbürfuiß am ftärffteu: bie | 
unbemittelte große SJicßrßeit ber Vcuölfcriing ift eben, (wie in | 
meiner „Sozialen VcrfcßrSpolitif", Berlin 1895 3. 7 bemerft), j 
feßr oiel mehr als bie S.kiitbei^aßl ber Vefißenbeit 3 m* ©ewiniuutg | 
ihres 2ebensnuterhalteS auf bie Vcimßiuig ber (Eifcubahneu, 31 W 1 
Slnffncßtuig oon Arbeitsgelegenheit 11 . bergl. tu. augemiefett. Sic | 


ßat beSßalß aueß baS allergrößte Qntereffe an bcr beoorfteßenbeu 
Steform. Taß ttaeß bem VetriebSbericßt ber prcnßifcßen Staats* 
baßnen für 1896/97 an ber Steigerung beS VerlcßrS wie bcr 
(Einnaßrnett barauS (gegen bas Vorjaßr) bie IV. Bagenflaffc „am 
erßeblicßftctt betßeiligt gewefen ift", 3 eigt, wie naeß Verbefferung 
ber IV. Bagenflaffe namentlich bureß SluSftattung mit Vänfctt ein 
immer größerer Xßeil ber Sleifenben, bie fieß friißer ber III. Mlaffe 
bebientett, in bie IV. Mlaffe übergeßt. 

Tie aus ©rünben wirtßfdjaftlicßer unb fittlicher Slrt fid)erlicß 
ebettfo bebauerlid)e wie bebenflidte 3 una ^ mc ^ er llnfeßßaftigfeit 
großer unb wießtiger SeoölferungSfdßicßten, itamentlid) bcr länb* 
ließen Slrbeiterfreife, burd) §oeßßaltuitg ber SBeförberungSpreife eilt* 
bämmen 311 wollen, ift, wie an biefer Stelle faunt ausgefüßrt 311 
werben braueßt, ein llnbing. Scßott beSßalb, weil fie als ein* 
malige, wenn aud) noch fo fcßw.er 3 U tragenbe Saft ttur feiten ein 
wirffanteS £)inöerniß bilben werben, wo bauerttbc, wenn aueß nur 
oenneintließc Vortßeile ba 3 tt locfcn, bie bisherigen — unbefriebigen* 
ben — SSerßältniffc mit anberett 31 t oertanfeßen. 

Slitf bie einzigen tßatfäeßließ wirffauten SJHttel, bem oben er* 
wähnten bcflagenSwcrtßen Uebelftaitbe ab 3 ußclfctt: Hebung ber Sage 
bes länbließen SlrbeiterftanbeS in materieller S^ießttng ( s BoßnungS* 
oerßältniffc), wie namentlich aueß in geiftiger unb fittlicher £üufid)t 
bureß größere pcrfönlicße Slrtißeilnaßme unb (Einwirfuttg u. a. m., 
fantt bei biefer (Gelegenheit nießt uäßer eittgegangen werben. Stur 
eins ber ba 3 u geeigneten „flcincn SJtittel", bie nmfaffenbe unb einßeit* 
ließe Slusgeftaltung beS SlrbeitSitadiwcifeS, bie bureß Scgrüitbuttg 
eines 3SerbanbcS bentfeßer SlrbcitSnaeßweife erft füqlid) einen erfreu* 
ließen Seßritt oorwärts getßan ßat, fei ßier noeß crwäßnt, weil bei 
biefem Sltittcl 3 U einer größeren Birffamfeit bie ausgiebige S)iit* 
toirfutig bcr (Eifettbaßuen, bureß ©cwäßrung befonberer (Ermäßi* 
gungen für bie oott ben SlrbeitSnaeßweifeftellen naeß anberett Crten 
birigirten Slrbeitfudjenben, unentbehrlich ift. Tie öfterreießifeßen 
Saßnen gewähren für folcße 3 roerfe eine Fahrpreisermäßigung oon 
50%. 3m Sittereffe ber mirtßfeßaftließen unb fo 3 ialpolitifeßen ©e* 
reeßtigfeit, beren oberftc unb treuefte ,*püter 3 U fein inSbefonbere 
alle ftaatließcu Drgatte berufen finb, ift bie balbige 33efeitigung ber 
jeßigen unhaltbaren Sottberbegiinftigitttgcn 311 ben oerfeßiebenften, 
nid)t burd) ein öffentliches öutereffe bebiitgtcn Smecfcn fidßerließ 
aufs inttigfte 3 U loünfdjctt. S?atß wie oor aber werben bie (Eifett* 
Bahnen, befonberS bie ftaatlidicn, itt ben Tienft aller gemeittnüßigen 
BoßlfaßrtSeinricßtiingen 31 t ftcllen fein, unter benen ber — am 
Scften oott Staatswegen ober boeß oonftaatlicßen Mörperfcßaften 
3 U orgattifirenbe — SlrbeitSnaeßweiS eine ßeroorragenbe Stelle 
einnimmt. 

Bcnn es tßatfädjlid), wie namentlicß aud) itn Sntereffe ber 
(Eifenbaßoerwaltuttg felbft unb ißreS SlnfeßettS 3 U hoffen unb 3 U 
wünfeßen ift, 3 itr SluSfüßrung bes SHeformplancS oon 1891 mit 
feilten brei Bagettflaffen uttb ben (Eiitßeitsfäßcn oon 2, 4 unb 6 4 
unter .Jerabfeßitng bcS bamals oorgefeßetiett Sd)nell 3 ug 3 iifd)lages 
oon 1 auf 0,5 4 für bett Milometcr*) fommen foHte — unb mit ber 
(Erreichung bicfeS 3ideS wirb man fieß 3 uttäcßft begnügen miiffett unb 
aueß föntten , fo wäre barnit übrigens gerabe für bie unteren Scßieß* 
teit fittaii^icll nidits gewonnen, inbetn ber Fahrpreis oierter Mlaffe 
aueß heute 2 ,i\ für ben Milometcr beträgt. Tie Sebenfen gewiffer 
Mrcife gegen bie Förberttng ber „(Eifcttbaßnoagabonbage" bureß bie 
bcoorfteßenbe Sie form finb fomit ooüftänbig hinfällig. Boßl 
aber würbe bie Vcfcitigung ber fieß oott ber brüten fd)ott ßcutc 
fautn noeß grunbfäßließ unterfcßeibeitbeu oiertett Bagenflaffe unter 
llebertragung ihrer Faßrpreife auf bie brittc Mlaffe bie bebauerlicße, 
namentlid) in Siorbbeutfeßlaitb übließe ftrenge Slbfd)ließung bes 
fogenattntett oierten StanbeS oon ben übrigen Mrcifen bcr S 8 c* 
! oölferung minbern. Unb baS wäre immerhin eilt nießt 311 unter* 
fdjäßettber fogialpolitifd^er ©ewittn. 

(Subett. Otto bc Terra. 


*) Beim bie „Hoff. 3U1-" lS?r. 3m>) bauott fprtcßt, idj hatte biete, 
(Erhöhungen gegenüber bem jeßigeu Tarif ausidtlicßctibc SKaßregel „als 
eine burdjgreifcubc Sieiorut be^eidmet", fo beruht bie*? auf einer irrigen 
2lnffaffuug meiner Ausführungen. 



6ogiale $rayis. (Jentralblatt für ©ogialpolttif. Rr. 1. 


ü 


Mgetneine öojfd- unb IWrtl)fd)aftej>olitik. 

Soßneinßaftiutg mtb Spargfömtg. 

2 )ic grage ber 3uläfftgfeit ber ©iitbeßaltung oon ßoßttbeträgen 
ber Arbeiter bureß beit Arbeitgeber gum 3meae beS 6paretts‘ ift 
in ber lebten 3 e i* in ber treffe roteberßolt erörtert morben uitb 
bte bariiber geäußertem ^rnfidjten gingen jum £ßeil reefjt roeit aus* 
etitanber. Auf ber einen Seite ftanben bte Vertreter ber Meinung, 
meleße biefeS Verfahren für tntoeretnbar mit betn geltenben ©c* 
roerbereeßt erfanntcu, auf ber anberen bie, meleße itt^befoitbere im 
|)inblicf auf Aeußerungett, bic bei ber Beratßung ber Rooelle gu 
ber ©eroerbeorbmutg oon 1891 im ReießStag feitcnS eines Ber* 
treterS ber oerbünbeten Regierungen getßan mürben, baS ©egen* 
t^eit behaupteten. $ie VrayiS ber Bcrroaltungsbcßörben fteßt 
gang überroiegenb auf bent Boben ber leßtereit Aufeßauuttg. Vrüft 
man bie Rechtsfrage — unb nur um biefe ^anbelt eS fief) gunäcßft 
— unbefangen unb unbeeinflußt bureß bie politifdje ^arteiftcllung, 
fo läßt fieß nießt -oerfenttett, baß 3roeifel in Anfeßmtg ihrer Be* 
antroortung aüerbingS für Senjenigen möglich fittb, rcclcher eiiter^ 
feits beut Sßortlaut eine ^ auSfchlaggebenbc Bebeutung beilegt, 
anbererfeits in ber AuSlafiung oon Vertretern ber oerbünbeten 
Regierungen eitt autßentifcßeS AnSlegungSmaterial erblicft. &aß 
bei ber Beratßung ber Rooelle ein Vertreter ber Regierungen 
i'oßneinbeßaltungen für gitläffig erflärt ßat, ift uitbeftreitbar, aber 
barauS fetnn hoch noch nicht gefchloffen merben, baß bie gefeß* 
gebenben gaftoren bie Auffaffmtg SiefcS Vertreters getßeilt hüben. 
$)ie Aeußerung Famt Feinen ßößerett Söcrth bei ber ©ntfdjeibung 
ber AuSlegungSfrage beanfprueßen, als bie in ber $iSfuffion ge* 
äußerte Bieittmtg trgenb eines Abgeorbneteit, unb cS mürbe boeß 
gn ben bebenfheßften ftonfequengen führen, moHte man folcße im 
Saufe ber Debatten oott einem Vertreter ber Regierungen ab* 
gegebenen ©rflärutigen als entfcheibeitbe SDireftioeit für bic geft* 
ttellung ber Abfidjten ber ©efeßgebnng unb bie £ragroeite ber ge* 
feßlidßen Vorfchriften attfehen. Soroeit bie £aaeSpreffe unb Die 
Vehörben bie rechtliche 3uläf|igfeit ber Soßneinbeßaltung lebiglid) 
auf ©ruttb ber betreffenben Aeußeruttg beS RegierungsFotnmiffarS 
angenommen ßaben, niuß baher biefe Vegrünbung jebettfallS als 
eine ungenügettbe angefehen merben. 

$ie ©emerbeorbnung geht nun baoon grunbfäßlicß aus, baß 
bie Sößnc ber Arbeiter in Vaar auSgugaßlen fittb; bie Vaar* 
auSßänbiguttg ift bie Regel, nur in einigen gallen ßat baS ©efeß 
gemiffc Ausnahmen oon biefer Regel gugelaffeit, roeldje, roeil fie 
AuSnaßmen oon bem Rormalett enthalten, "einer ©rroeiteruitg burch 
Auslegung unfähig finb. Von Sohneinbehaltungen fprießt baS 
©efeß in §. 119a; bie VoranSfeßungen, unter toeld)en bie ©in* 
ßaltnng ftattßaft ift, ftnb ßier gang genau normirt, fo baß auch 
nießt ber Berfucß gemacht merben fann, biefe Veftimntung gur 
Rechtfertigung anberer ßoßrteinbeßalhingen ßeraugugießen, alfo auch 
nießt berjenigen, bei roelcßen ber Spargmecf ber tnaßgcbettbe ift.' 
©benforoenig mie auf §. 119 a fann man fieß aber auf §. 117 
Abf. 2 gur Redttfertiguug begießen, bemt ßier ift überhaupt nießt 
oon einer ßoßneinbeßaltung bie Rebe, fottbern oon einer Vcrmett* 
bung beS SoßtieS gu ©unften unb gum Veften oon Söoßlfaßrts* 
eiitricßtungen ber Arbeiter unb ißrer gatnilien. 3 ro if<ßcn ber 
Soßnoenoenbung unb ber ßoßneiitbeßaltuug ift aber fomoßl gram* 
matifalifcß als aueß juriftifcß ein roefentlicßer Uittcrfcßieb, uttb fo 
lange nießt in gmeifelfreier Bkife bargctßatt merben fann, baß ber 
©efeßgeber bei ben „Berroenbungen" aud) an bie „©ittbeßaltungen" 
beS SoßneS aebaeßt hat, mirb matt bie Berufung auf biefen V^ra* 
grapßen hierbei nießt amteßmen fönnen. ©in berartiger Racßmeis 
ift aber unmöglich unb fomit muß bie ©nlfcßeibuttg nießt gu 
©unften ber SluSnaßnte, fonbern oielmeßr ber Regel ausfaüett, 
b. ß. gegen bie 3«^ffigfeit ber fiohneinbeßaltung. 

bem ©rlaß beS RegicruttgSpräftbeittett in SDüffelborf an 
bie §anbelsfammer ©refelb, meld)er oott biefer in ihrem für baS 
3faßr 1897 erftatteten SößreSbcridjt mitgetßetlt morbett ift, mirb 
bemerft, baß ein gmingenber ©rnnb, bie Spenung beS Soßngut* 
ßabettS mit bem Austritt eines Arbeiters aus bent gabrifbetriebe 
aufgußeben, nießt oorliege, ba ja bie ©parfaffenbtid)er ©igeitthunt 
ber Arbeiter mürben unb aueß nach Austritt aus bem Betrieb 
ißr Gigentßum blieben. SDiefer ©runb bemeift für bic gange 
Srage garnicßtS; benn nießt fomoßl bartttn ßanbelt es fieß, ob baS 
Sein Arbeiter an bem Sparfaffenbud), begto. an ber bureß baffelbe 
oerbrieften ^orberung gufteßenbe ©igentßumSrecßt bttrd) bas in ! 
Rebe fteßenbe Verfahren oerleßt mirb, meldjes ißnt bie Biöglicßfeit 
nimmt, innerhalb einer beftiutmten 3cü über biefe ^orberuttg frei 
oerfügen gu fönnen, fottbern oieltneßr bariim, ob bie Vorentbaltung 


| beS baar auSgugahlenbeit Soßnes nießt mit bem geltenben ©c* 
j roerbereeßt itt sSiberfprucß fteßt? ©iebt matt aud) gu, baß für bic 
Vkrtßinterpretation bie ©ntfcßcibuttg eine nießt gtoeifellofe ift, fo 
muß bagegen mit ©tttfcßiebenßeit betont roerbett, baß bie Vertief* 
fidjtigung beS legiSlatorifcßen RfotioS ber §§. 115—119 a einem 
3mcifel fautu Raum läßt; ber ©efeßgeber roill, baß ber Arbeiter 
Sen ißnt gc[djulbeten ßoßtt audß mirflicß in Vaar erßält, foroeit er 
nießt auSbrücfüiß eine RuSnaßtne gugelaffen ßat, er miß, baß er 
naeß feinem Belieben bantit fcßalten unb malten fann unS baritnt 
ift bie Soßucinbeßaltung gum 3 roec f e ^ er ©ingaßlung bei einer 
Sparfaffe ebenfo unftattßaft mie bie Suriicfbeßaltung gum 3roecfe 
ber Vegaßluna ber c » ier SebettSoerfidßerung, roelcße ber 

Arbeiter gu ©unften feiner ©ßefrau abgefcßlotfcit ßat. 3n beit 
©rörterungen ber SageSpreffe ift aueß auf bie Recßtfprccßung beS 
ReicßSgericßtS auftuerffam gemaeßt morben. 2)ireFt ßat ber oberfte 
©ericßfsßof groar gu biefer $rage noeß nießt Stellung genommen, 
rooßl aber ßat er bie grunbfäßlidßeit ©elleßtSpunfte,. bie bei ber 
Auslegung ber §§. 115 — 119a in Vetracßt fomnten, nteßrfaeß 
ßeroorgeßoben unS hierbei bie Ruffaffttng oertreten, baß prinzipiell 
jebe Soßneinbeßaltung uuterfagt ift, für meleße nießt eine ungtoei* 
heutige Vorfcßrift beS ©efeßeS bie ©rlaubniß entßält. 3D2an barf 
baßer aHerbitigs oermutßen, baß baS ReießSgericßt bie Legalität 
foleßer ©inbeßaltungeti nid^t anerfettitett mürbe. 

®ie oorfteßettben ©rörterungen haben nur begmeeft, bie Srage 
unter bem juriftifeßen ©eficßtSpunfte gu beßanbeln, es tnüffcit 
baßer bie fogialett Vebenfen unerroäßnt bleiben, meleße gegen 
biefe Veoormunbung ertoadjfener Rtenfcßen fpreeßen, bie roeber ent* 
iniinbigt noeß als Verfeßmenber erflärt morben fittb. $>aß biefe 
einer ?ltterfennung ber 3»iöffigfeit biefeS Verfahrens im SBege ber 
©efeßgebttng, etroa bureß eine aittßentifd)e Auslegung, unbebittgt 
entgegenfteßen, bebarf ttadß Slnfteßt beS VerfafferS Feiner Slusfüß* 
rung. i)ie fiohneiitbeßaltuitg fteßt mit ben elementaren ©ruttS* 
fäßen beS moSernen 2)ienft* unb 2lrbeitSred)tS berart im grunb* 
fäßlid^en VMberfprucß, baß ißre ©eftattung mit ber Vefeitigiutg 
eines ber mefentlicßften ©runbpfeiler biefeS RecßtS gleießbebeutenb 
märe. *) 

9Jiaing. Submig Sulb. 


attgefünbigte Streifoorlage ift ©egenftanb maneßer ©erüeßte. 
S)er „Slllg. 3^9-" BFüneßen mtrb berießtet, baß fie nießt in einer 
Slenberung Ser ©emerbeorbnung, fonbern in fpegialifirtett Be* 
ftintmunqen gum Scßuße ber perföttließen greißeit auf bem ©ebiete 
beS allgemeinen StrafgefeßeS befteßen roerbe. 5)ie ,,0d)lef. 3tg." 
in Breslau ^ßört, „bie Rooelle gutn Scßuße ber perfönlicßett grei* 
ßeit" merbe nießt bloß fd)ärfere Strafbeftimmungen gegen Streif* 
terroriSntuS, fottbern aud) „gegen unrechtmäßige ©intoirfuttg auf 
eittgelne Unternehmer beßufs ©rgmingung ißreS Beitrittes gu fo* 
genannten Spitbifaten, Kartellen, Ringen unb bergleidjett enthalten/' 
J)er „§amb. ©orrefp. meint, es ßanble fieß um Rbänberuttg beS 
§. 240 beS ReidßS*Strafgefeßbud)S. ®ie „Rorbb. ?lllg. " 
erflärt nur baS ©ine gu rciffen, „baß nießt rneßr unb nid)t roettiger 
geplant ift, als belfere gefeßlkße 9lbmeßrmaßregeln gegen ben 
auf Reoolution abgielenben fogialbcmofratifcßcn XerroriStttuS, unter 
melcßem bie Rrbeiterfcßaft furdjtbar gu leibett ßat unb oott melcßent 
fie befreit merben muß, menn anbcrS baS &eutfcße Rcidjs nid)t 
aufßören foll, ein RecßtSftaat gu fein." 23ie bic „Ratiottal*3tg." 
erfäßrt, ift noeß Feinerlei Befd)luß gefaßt, ob bic RuSftanbogefeß* 
gebung im Raßmen ber ©emerbeorbnung ober beS Strafgefeß* 
bucßeS erfolgen foH; eS ßaben barüber noeß feine Verßattblungen 
ftattgefunSen, uttb eS mirb att ber erforberließett Unterlage für biefe 


*) ^Xtt Der .'panbclsfammer gu Barmen ift jnugft ein neuer ©rlaß 
bei? Rcgicriiugspräfibcntcu oon Xiiffclborf in Sadjeu bcs Spargmangi 
erörtert morben. Racß ber „Barmer 3tg." mar aber bie .vtaubelvfammer 
entfdtieben bagegeu. £er Borfißeubc ber Kammer, Mommergieuratl) 
Bartbels, erflärte, er föniic fid) fdjon bcöljalb uidjt gur ©infüljruug be| 
^parfaffeugmaitges für feine jugcnblidjeu Arbeiter eutfdiließen, meil ein 
fteter Mangel au jugcublidjen Arbeitern troß ber feßr guten v /öbue fid) 
fühlbar rnädje unb biefer Bcaitgel fid) burd) ben 2parfajiengmang ttodi 
als? brinfenbcr ermeifen merbe. -V>err .'oin^berg proteftirtc unter Beifall 
ber Berfantmltutg gegen bie irrtlmmlidje ?lufd)aumtg bes? Regierung^ 
präfibcntcu, als? ob ben Aabrifanten ein faftifdjev Recht auf ©inlialtuug 
uou ©rfpantiffen gegeben fei. .V>err 3teiuboff beantragte, beut Regie= 
ruugvpräfibcnteu mitgutbeileu, baß es? allmälig bes? ^nutuges? genug fei 
unb bie Kammer beffeu meitere AÖrberuug ablebue. Tie Berfamiulitug 
erflärtc fdilteßlid) bie Biittbeiluug bev Regieruugspräubeuten bmili 
Meuntuißnabme für erlebigt. -- Tie vanbels?faiumer in ©iberfeib fpradi 
fid) mit Rüdfidtt auf bie außerorbentlidie Bernlnebeniieit ber Betriebe 
gegen eine allgemeine obligatorifebe ©infulirnug ber /maugvfparfa’nn 
an*. Tie Rcb. 



7 


€>o$ia!e $ra$t$. Eentralblatt für ©ojtalpoliti!. 9fr. 1. 


8 


fo lange fehlen, als noch Antworten ber BuubeSregievungeu auf 
bie Umfrage beS (Grafen ^ofabomSfp oom D^ember o. Q. auSftehen. 
Bis jefft finb biefe Antmortcn noch feineSroegS nolljä^lig. ®te 
„Srff. 3*9-" enblic^ läfft fid) aus Berlin mittheilen, eS toiffe 3 itr 
3 eit mahrfdjeinlirf) noch Sftiemanb, in roeldjer Öorat biefcr ©effff* 
entrourf an ben 9frid)Stag gelangen mirb. — 'Dass glauben auch mir! 

Am 29. (September hat ber ©emerffchaftSauSfchuff beffhloffen, bie 
©eneralfommiffton ber ©cmerff(haften D>eutfd)lanbS 3 U beauftragen: 

1. äße auf bie ©trcifs bezüglichen Materialien, insbcfoitbcrc über 
bie ooit ben Unternehmern prooo3irteit ©trcifs unb bie Anmen* 
bung ber ©trafbeftimmungen gegen ftretfenbe Arbeiter 3U fammeln 
unb biefe Materialien 311" ücrö ff entluden; 

2. fobalb bie Befd)ränfuug bes ÄloaUtiünSrechtcS greifbare ©eftnlt 
in gomt einer ©cfctmorlage annchnten füllte, bie ftd) entmidelnbe 
Broteftbemegung ber Arbeiter nad) Möglidjfeü einheitlich 511 geftalten. 

Arbeitsamt unb 2lrbeitö6etrath in Defterreidj, Am 26. ©ep* 
tember ift in BMen ber ArbeitSbeirath, ber bem neu gegrünbeteu 
©tatiftifdjen Arbeitsamt beigegeben ift (ogl. © 03 iale $ra;ris 
Sa^rg. VII ©p. 1143), eröffnet morben. Bei bem großen 
Öntereffe, baS bie Errichtung eines Arbeitsamtes grabe für ^eutfef)* 
lanb, roo mir Ieiber einer foldjeit Snftitution noch entbehren müffen, 
befifft, geben mir im 9frnhftehenbeu einen ausführlicheren Bericht 
über ben Verlauf ber EröffnuugSfiffung: 

HanbelSminifter Dr. Bärnreither hielt nad) Äouftatinmg ber 
Befchlufffähigfett beS ArbeitSbeiratljeS folgenbe Anfpradje: Die (Sin* 
ridhtung beS arbeitsftatiftifdien Amtes ift bem ©ebanfen entfprungen, 
bafe bie Arbeit in ihren oerfdiicbenen Beziehungen 3ur mirthfdjaftlidjcn 
unb gefellfdjaftlichen Entroidlung fpejialtftreuber ©tubien bebürfe, baff 
biefe ©tubien ft(h ergänzen unb ocrbichtcn follcit, um ©efcpgelmng unb 
Bcrroaltung praftifd) 3U bcinfluffen, ftets cingebenf, baff ber mtrthfdjaft* 
liehe gortfdjritt nur bann ein fieserer, ber menfdjlidheit ©cfellfdjaft burd) s 
aus h^ilfamer ift, rcenn er fich gleichmäßig vollzieht, mit anberen Porten, 
menn bie BolfSioirtbfdjnft nicht nur öfonomtfdi, fonbent auch fnlturell 
fortfehreitet. Auf biefem SSege merben mir allerbings oor bie fchmierigfteu 
Probleme gefteöt. Einfcitigfeit märe bas größte Hinberniff ihrer 2öfung. 
Urtfcre Unterfudjiutgcn merben ftd) baher" nicht nur auf bie Arbeit als 
jenen groben fokalen gaftor, auf bem bas Sebcu unb ber gortfdjritt ber 
aufftrebenben klaffen beruht, befdjräitfen, fonbern auch auf bie Be* 
3iehungen ber Arbeit 3U ben ^robuftionsintcreffen, bie bie ©runblagc 
einer blühenbeii ^nbuftrie unb eines gefunbeu ©ctoerbcS bilben, er* 
ftreefen. 3<h mödffe eS oermeiben, in biefcr Hinfidjt heute fchon ein 
oollftänbigeS Programm für baS arbeitsftatiftifdje Amt aur^uroUeu, meil 
id) ben ficherften B>eg, bem neuen Amte Aufehen unb Einfluß 311 er* 
ringen, barin erblide, baß es oon einer pofitiuen, fcjtiimfdjviebeiieii 
Aufgabe 3ur anbereu fortfehreite, baß es ftef; bie 31t behanbelnbcu B l *ü s 
bleme im Bereut mit bem Arbeitsrath felbft feße, baß bie, uerfchiebenen 
babei betheiligten Berfönlichfeiten ftd) nad) unb nach in eine gemciitfamc 
geiftige Aichtung einarbeitcu_, unb baff in Jyolge beffen baS Amt an 
feinen eigenen Erfolgen machfc unb gebet he. 

3unäd)ft f)«t bas arbeitsftatiftifdje Amt eine Erbfdjaft ait3utrcten. 
Das ftatiftifd)e Departement bes HanbclSminifteriuntS hat bereits Ar* 
beiten beforgt, bie in bas (Gebiet ber ArbeitSftatiftif fallen. Dicfe merben 
oon bem neuen Amte aufftuuehmen fein. Dies gilt oor allem ber ©treif* 
ftatifti!. Diefe hat fid) einen gemißen Beifall ermorbeu. ©letchmobl läßt 
ftc mefentlidje Berbeffcrungen 3U. Äamcntlidj muß bie ©tatiftif ber Berg* 
bauftreifs einbe3ogett merben. Der Acbner berührte bann nodj bie Ar* 
beiten über Arbeitsvermittlung unb bie gemerblicheit @enoffcn* 
f(haften unb fuhr fort: (Sine meitere Aufgabe bes arbeitsftatiftifchen 
Amtes mürbe bie fortlaufenbe Bublifatiou eines Organs fein, 
bas, ähnliche 3roede oerfolgenb toie bie befannte englifchc „2abour @a* 
jette"', unferen h e i nT Uth en Berhältniffen an3upaffen fein mirb. Meiner 
Meinung nad) muß eine brennenbe grage unferer fokalen ©efepgebung, 
bie ^ragc ber Aeform ber Unfall* unb Äranfeuocrficherung 
bas Amt unb ben Arbeitsrath ebenfalls halb befdjäftigen. 

Die 3 u fa»tuieufeßung beS Arbeitsrathes ift bereits mehrfach fritifirt 
morben, id) befenne aber offen, baf) id) mit uollem Bemnßtfein ©egen* 
fäpe in biefcr örpcrfd)aft oercinigt habe. Bei bem Berfuche, fd)mierige, 
gefeHfd)aftlidje Probleme 311 lofen, ift ein Bcfultat nur 311 ermarteu, menn 
offen unb löijal, fachlich unb ernft bie entgegenfiehenben gutereffeit ihre 
Bertretung finben, unb menn burd) bas gegenfeilige ©id)alts = 
fpred)en nad) unb nad) jener SBall oott Mißtrauen, oon 
Mihoerftänbniffen unb c in fei t i ß eu $artci*Aitfirfjten abgc= 
tragen mirb, ber fich heute nod) ätoifdjcn ben klaffen ber j 
mirthf*haftlidjen Bcoölfernng aufthürrnt. BerithruugSpunfte 
für einen foldjen McinimgSaustaufch giebt cS bei uns rtod/mcnigc. 
Uttfere politifdjen ^örpcrfdjaftcn unb Bcreinc finb burd) anbere fragen 
abgc3ogen. od) hoffe, baß in ben neuen ©eioerbegcridjten eine 
^nftitution heroorgerufen ift, 100 fid) auf bem Bobeti ber Aedjtsfiubuug 
ein foldjer höherer Ausgleidj entgegenfteheuber ^ntcreffeu ool^ieljen mirb. 
^ebenfalls füll aber ber Arbeitsrath eine ©tätte merben, 100 bas 
bisher ^einblidje unb ^reutbe .pmädjfi Blaß niadjcn füllte bem Berfteheit 
unb BH'trbigeu bes gegeutheiligeu ©tanbpunftes, um auf biefem B?ege 
ua^ unb nach 31t bemufjteu nttb baher gefunbeu .stomprümiffeu 31t ge* 
taugen. Der Arbeitsrath mirb ein mit bem Amte innig oerbnnbener 
2fjeil beffelbeu fein. Dmd) ihn füllen bie Bcrbinbuiigsbrähtc hergcftellt 


merbett, bie bie Mitroirfung ber Unternehmer itnb Arbeiter 
bei ben Erhebungen fidjeru, burd) ihn füll eine ftänbige Ber bin* 
buitg mit ber miffenfehaftliehen BJclt hergcftellt merben, bie in 
biefem Greife glüdlidjermeife fo heroorrageub ocrtretcu ift. Durch ihn 
foH baS Amt Anregungen empfangen unb umgefchrt Beobleme, bie bas 
Amt in Angriff nimmt, Begutachtung unb Ergänzung erfahren, ©elingt 
es uns, biefe SBechfelroirfung herjuftcden, treten fid) alle an biefem 93erfc 
Betheüigteu in ernfter unb ehrlicher Arbeit näher, berurffuhtigeu mir 
ftets in gleicher SBeife bie Bcforberung unb Ausbehuung- unferes ©e* 
merbcfleißeS mie bie Regelung ber fü3ialen Bcrhältniffc, finb mir in allen 
unferen Arbeiten ftets objeftio, üben mir feine Bürffid)t, aber, menn es 
nothmenbig ift, 9?achfid)t — bann haben mir heute ben ©ruub 31t einem 
guten SSerfe gelegt. 

Bor llebergaitq 3 ur DageSorbituttg ftellte ber §anbelSminiftcr 
ber Berfammluttg ben BUnifterialrath Ör. BJataja als 3 ufünftigen 
Borftanb beS arbeitsftatiftifchen Amtes oor. lebhafter Beifall be* 
grüßte biefe Btittheilung. .pieranf ergriff baS BSort §)err Ablcr 
(§anbelS* nnb ©emerbefammer ÜSien), um im Manien ber 
buftriellen unb ©emerbetreibenben bem §anbelsminifter ben D)anf 
ab 3 uftatten unb ben SBitnfd) auS 3 ufprechen, bafj ftch in Defterreich 
enblidf) bie politifdjen Beirren löfen mögen, bamit Snbnftrie, .^anbel 
unb ©emerbe gebeihett fönnen. — ^err .'pueber, ©efretär ber 
©eroerffdhaftsfommiulon DefterreichS, begrüßte eS als Vertreter ber 
flaffenberaufeten Arbeiter, bafe burch bte Errichtung beS arbeits* 
ftatiftifchen Amtes enblidh ein fo 3 ialpolitifcher ©dhrht in Defterreich 
gefcfjehen fei. D)ie Arbeiter feien fid) 3 toar bemüht, baß fie allzu 
viel nicht hoffen bürfeti, hoch biirfe man tool)l ermarten, bafj eS 
bei gutem Sillen aller möglich fein rnerbe, in baS D^uttfel 
ber mirthfchaftlid)en Berhaltttiffe ber Arbeiter einigen Einblicf 31 t 
erlangen unb bie berechtigten ©üitfche unb Bcfd)merbett ber Ar* 
beiter einer fad)Üchen Beurtheilung 3 U 3 ufüI)ren. D)ie Arbeiter feien 
hierhergefomtnen, um ihre Dteinuug oom ©tanbpunfte beSiilaffen* 
bemußtfeinS aus 3 U oertreten, nichts 3 U oerflaufuliren, nicht 3 U 
heucheln, fonbern baS 3 U fageit, maS fie bebriieft, aber mit bem 
guten Sillen, felbft mit ihren ©egnern 3 U arbeiten auf bem ©e* 
biete, too 311 arbeiten möglich ift. D)ie llnterftiibung ber organi* 
firteu Arbeiterfchaft roerbe baS neue Amt jebergeit haben. D>ie 
Arbeiter tooflen alles baranfebeit, mn 3 U beioeifett, baf) fte gcroiUt 
finb, auf biefem ©cbietc 3 U arbeiten. — iluioerfitätsprofeffor 
Dr. o. ^hi^bpooid) gab im tarnen berjenigen, bie h^ 1 ’ ffin 
befonbereS Qntcreffe 311 vertreten haben, bem ^Danfe AuSbrucf, baß 
mit ber Errichtung beS arbeitsftatiftifchen Amtes in ber Dhat ein 
Öortfchritt nid)t nur in ber BermaltungSorganifation, fonbern 
hoffentlich aud) in unferer garten © 03 ialpolitif inaugurirt morben 
fei. D>urd) unfere Berufung foll 311 m AuSbrucf gebracht merben, 
baff, menn Arbeiter itnb Arbeitgeber berufen mürben als SMcr* 
effenten, bieS nid)t ettoa beSffalb gefcffal), meil nur eine intereffen* 
artige Oöfung möglich Uh fonbent baff bie gan 3 e Bcoölfernng, 
©cfellfchaft unb Staat ein Sntereffe baran haben, bie einheitliche 
Söfung biefer Sragen burd) 3 uführen. D)aff ein gortfehritt aus ber 
©egenüberfteüung Der Bfeinungen refnltiren fann, h a ^n mir 31 t 
unferer greube aus ben Porten bcS BorrebnerS entnommen, ber 
anerfannt hot, baff biefeS arbeitsftatiftifdje Amt eine Beiffe oon 
fo 3 ialen Aufgaben oorbereiten unb bitrchführen fautt, an benen aud) 
bie flaffenbemufften Arbeiter feffr inteieffirt finb.* 

danach mürbe bie ©iffung, bie nur ber £onftituirnng beS 
BeiratljS galt, oertagt. . Auf Antrag beS ArbciteroertreterS §ucber 
mürbe auf bie DageSorbnung ber nächfteu ©iffung bie 5ragc ber 
Erhebungen über bie Berhaltniffe ber Heimarbeiter unb ber ArbeitS* 
unb Sohnoerhältniffe im Bergbau geftcllt. — Am 1 . Dftober h«i 
baS Amt für ArbeitSftatiftif in Defterreich feine Dljätigfeit begonnen. 


flommmtale Sozialpolitik. 


_ IX. ^efftf4er ©töbtetag. D)ie Berhanblungcn ber IX. 3ah r ^ s 
oerfammlung beS Heffifdjen ©täbtetageS 311 SSiffenhaufeu am 
10 . nnb 11 . 3uni 1898 finb jefft oom Eaffeler ©tabtfaffenrath 
Boebicfer 3 nfammeugeftellt unb im Drucf erfd)ienen (Eaffel 1898. 
D)rncf oon SSeber & Söeibemeijer). danach gehören oon ben 
64 heffiföcn Nähten nunmehr 52, barunter alle bebeuteitberen, 
bem ©täbletage an. Borfißenber ift Dberbürgermcifter B?efterburg* 
Eaffel. D)er Dag genehmigte u. A. einen Bertrag mit bem 
Allgemeinen Dentfchen Berfid)erungsoerciu, rocldjcr bie heffifdjen 
©täbte gegen Haftpflicht ocrfichert. Weitere fragen betrafen bie 
SHuhegcfjaltS* unb AltcrS 3 iiIagefaffcH ber Scfjrer unb Lehrerinnen 
an öffentlidjen BolfSfdjulen, bie AnSftattnng 1111 b Einridjtung ber 
©chulen unb ©djulränme nad) ben Anforbcruugen ber Aeii 3 eit, 
eine Aormal*nunbe)teiicr*Drbnuug, bie BJaffcrleitungeii oon ©ein* 



9 


Sojlale $rast*. CcntralBIatt für ©oztalpolttif. S&r. 1. 


10 


Raufen unb §>ofgeiSmar in teegnifeger unb roirtgfcgafilieber Se* 
Ziegung lt. f. ro. SBinfe über bie Fiuanzoerroaltung foroie bie Gin* 
nagmeqncllen ber f)cffifcf)en Stäbte int £>inblicf auf bie neue 
Stäbteorbnung für .jpeffeit*$Raffan gaben Stabtfaffenratg Soebicfer* 
Gaffel unb Sürgernicifter Straug*|)ersfelb. 3 ur Erläuterung finb 
eine SReigc oon Formularen über Einlage unb Führung beS 
ftäbtifd)en £agerbucgeä mit abgebrueft. Sürgermeifter Strau& gat 
eine Sergleicguug ber £>aupteinnagmequeflcn oon 20 größeren 
gcffi[djen Stabten geliefert. Sie fliegen aus Fügungen beS 
ftäbtifegen ©runbbefigcs, aus Unternehmungen im Selbftbetrieb 
ber Stabt (felbftbetriebcnc Sanb* unb Forftroirtgfcgaft, Sriiege, 
©ruben, 3iwkien, ©aSanftalten, SBaffer*, Gleftrizitätsrocrfe, 
Scglacgtgäufer, Subenoerleigung zu aRärften, Sagergäufern, £>afen* 
anlagen, Kellereien unb Waagen), aus bireften Steuern unb aus 
inbireften Abgaben. $>ie Einnahme aus biefen oier GinfomtnenS* 
arten betrugen für {eben Kopf ber Seoölferuitg in Gaffel 33 dt, 
in .frounooer über 29 dt., in Fulba, Gfcgrocge, ©elngaufen, Star* 
bürg, Sdjmalfalben unb ©olfgagen zonfegen 20 unb 25 dl ; in 
$erSfelb, Frigid SHgengaufeit, Allenborf unb ^ofgeiSmar zroifegen 
15 unb 20 c 41, in ben übrigen Stählen 10 bis 15 /ft. unb nur 
in Oberfirdgen unter 10 dt ^)urd)fd)nitt entfallen uon biefem 
Auffommen 36 % auf folegeS aus Fügungen unb Unternehmungen, 
64 o/o hingegen auf birefte unb inbirefte Steuern, liefen $£)nrcg* 
fegnitt roeift §ofgeiSutar auf. ©ünftiger liegen bie Sergältniffe in 
9tinteln, baS 39 o / 0 aus SRufeungeit unb Unternehmungen bezieht, 
£>erSfelb erhält 40 o/ 0 , Fulba 47 o/ 0/ ©elngaufen 48 o/ 0/ £>omberg 
49 oj 0f Slllcnborf 63 o/ 0 , Frisör 70 o/ 0 ,. (gcgliiegtern 73o / 0 unb 
aBolfhagen fogar 75 o/ 0 . Ginen höhnen Srozentfag als 64 bringen 
bureg Steuern Starburg (71 o/ 0 ), ^Reifungen (74 o/ 0 ), $anau unb 
Schmalfalben (je 75 o/ 0 ), Artenburg (81 o/ 0 ) r Franfenberg (84 o/ 0 ), 
Dbernfircgen (86 o/ 0 ), Gaffel unb 2 Sigengaufen (je 88 o/ 0 ), unb 
Gfcgroege (90 o/o) auf. S3ei ber Seurtgeilung biefer Sergältniffe 
fpielt natürlich bie ©röge ber Stäbte eine auSfdjlaggebeitbe SRolle. 
StaS für eine fleine Stabt fegon ungiinftig ift, fann für eine groge 
noch reegt giinftig fein. 2ie bireften Steuern fegroanfen oon 
2/94 dt auf ben Kopf ber Seoölferuitg (Seglüdjtern) bis 19 ,45 dt. 
(Gaffel). Sott ben inbireften Steuern ift bie roiegtigfte bie Abgabe 
auf Seglacgtoieg, Fkifd) unb Fteifcgmaaren. Sie bringt burd)* 
fcgnittlicg 1,30 dt auf ben Kopf ber Seoölferung (in Gaffel 3,91 dt, 
in Efchmcge 3,15 dt, in .?>anau 2,30 dt, in $ersfelb 2, 27 dt, in 
Schmalfalben 2,13 dt,). Dann folgen bie Sranntroehifteuer, Srot* 
abgabc, Sicr*, unb dRalzfteuer, Shlbpret* unb ©eflüget*, Dbftroein* 
abgabe, bie |>nnbefteuer unb bie ßuftbarfcitSfteuer. $)ie Sefig* 
roecgfelabgabe, bie eine fegr begerzigenSroertge Steuer genannt 
mirb, gaben «ur oier Stäbte; fie erhielt auf ben Kopf ber Se* 
oölferung in $anau 92 4, in Gaffel 87 4, in Gfegroegc 54 4, in 
SBigeithäufen 49 4- $er Sebner fcglog mit bem aueg in anberen 
Xheileti 2>eutfcglanbS zu begerzigeitben Grfucgen an feine Kollegen: 
Kauft ©runbftücfe unb erriegtet, menn 3gr fte noeg niegt befigt, 

Sparfaffen unb ©aS« ober EleftrijitätSmerfe! —-^ic Ueber^ 

nagmc ber 3utotungcit oon ©aS unb ^Baffer auf bie Stabt jiegt 
in ber SRegel groge SSortgeile für bie Stabt naeg fug, ba bie be* 
treffenben Gintiagmen fieg bebeutenb fteigern unb aSerjinfung unb 
Tilgung bcS GinlagefapitalS fegr reicglicg einbringen. 

9eft^PerüubermtgSgebüht in aöür^biirg. $)en zahlreichen ©e« 
rtteinben in Saqern, Die eine ftäbtijcge feefihoeränberungSgebügr 
ergeben (oergl. „Sogiale $rapS" Sagrg. VII Sp. 1194) ift jegt aueg 
Sürjburg beigetreten, ber fommunale 3 u f(gfag P r ftaatlicgen ©e^ 
bügr mürbe auf 1 / 2 % beS UmfagmertgeS feftgeftetlt. 

atblebitung beS aRivimaUohtteS für fföbtifdje Arbeiten in fBem. 

Slm 25. September oo^og fieg bie SBolfSabfiimmung in Sern 
über bie Sefd)lüjje beS ©enteinberatgeS, einen s JRinimalIogn für 
ftäbtifege airbeiten einzufügren (oerat. „Soziale ^ßra^is" Fabrg. VII 
Sp. 1252); bas Grgebnig mar bie Slblegmtng. Ueber bie©rünbe 
hierfür fegreibt ber „Sunb": 

Sogar in Der Ärbeiterfdjaft felbft mar feine redjtc Segeiftermtg 
für bie Sacge bemerfbar. GS mag gier unb ba bie Scfürcgtung, bag 
ber äRinimallofm ju einer ?lrt 9?ormaIlofm fidj ausmaegfeu unb bie 
Bohne für beffere ?lrbcitslciftung eher herabbriiefen merbe, gemirft 
gaben. Sei ben ?lrbcitgeberu, bei ben .^anbmerfern 1111 b ©emerbe» 
treibenben faub ganz befonbers bie Sefiimmung ?lnftog, bafj ber ®tiui* 
tnallohn and) für alle oon ber ©emeinbe au S l 'ioatnnternef)iner ocr* 
gebene Arbeiten gültig fein fofle. ^sm ©eiteren mirftc bie Sefiirdjtung, 
bag bie Jvcftfeßung bes äRinimallogneS für bie 6)cmeinbcarbciter eine 
allgemeine Bohnfteigerung zur ^olgc gaben merbe. Unb enblid) fdjrccfte 
oiele Sürger bie in ?(iiofid)t ftcheube Siehrbelaftung beS 6)cmciubc* 
bubgets um ooooo bis 8 uocm) ^reS. 

aiod) ungünftiger mirfte angeblich für bic ?lbftintmung bie burdj 
bie maglos godjmutgige unb beleibigenbe Haltung beS Sozialsten* 


orgaitS in ber Serner Sürgerfcgaft erzeugte Grbitterung; man gäbe 
einmal, fo erflärt baS genannte Slatt, biefem anmagenben ©e* 
baren Gingalt tgun mollen. — Sebauerlicg ift babei {ebenfalls, 
felbft menn biefe Serftimmung begrünbet fein foUte, bag eine an 
fieg gute Sacge barunter leiben mug. 


Soziale J»fCätt2tr. 


Cffgeliijei über bte fia^e ber Krbeiterttttteit im grapgiftgett 
©etoerbe. ^Dte ©eneralfommtffion ber ©emerffegaften ^eutfcglanbS 
madjt ben Serfucg, bie ßage ber Arbeiterinnen in ben oerfegiebenften 
Fnbuftricgruppen in objeftioer 2öeife barzuftellen. ©egenroärtig 
erfolgen bie Ergebungen für bie ©ruppe ber grapgifegen Serufe. 
Um ein ficgereS Silb z« ergalten, füllen Arbeitgeber unb Arbeite* 
rinnen über bie ArbeitSoergältniffe befragt roerben. Sei bett Arbeit* 
gebertt mürbe bie AuSfitttft fieg auf bie Art beS Setriebs, Ser* 
menbung oon SRafcginen, mecgfelnben ©efcgäftSaang, 3^gl ber be* 
fcgäftiqten Arbeiter unb Arbeiterinnen mägreno ber flotten unb 
ungünstigen ©efcgäftSperiobe unb bie J)öge ber Sögne eirftrecfen. 
£>ie Arbeiterinnen roerben über igr Ginfontmen, igren Fantilienftanb 
unb igre ßebcnSgaltung befragt. 3n Stuttgart gaben fieg nun 
oerfegiebene angefegette tarnen, mie bie Frau Oberbürgermeister 
Sümelin, Frau Oberft Fenidfe, Frau Stabtpfarrer ©erof, Frau 
Obermebizinalratg Surcfgarbt, bereit erflärt, im Serein mit ben 
©eroerffegaftsfügrern Ausfiinfte entgegenzunegmen, um oon oorn* 
herein eine ©eroägr zu geben, „bag bie ^arftelluncj ber aemottnenen 
Staterialien oöHig tenbcnzloS erfolgen mirb". SDiefeS 3ufammen* 
gegen oon „Silbuitg unb Arbeit" auf einem ©ebiet praftifeger 
Sgätigfeit ift ein gutes 3^icgen für ben in Stuttgart gerrfegenben 
fozialpolitifdgen ©eift unb es ift nur ju münfegen, bag an ber 
geplanten Enquete bie Arbeitgeber fieg eifrig betgeiligen. 

©rgebung beS SereinS für SoziaYpolitif über bie Sergültntffe 
ber Angeftcttteit ber SerfegrSanftalten* 2Bie bie „Wiener 3^itung" 
im halbamtlichen Sgeile mclbet, gat bas öfterreiegifege Gifen* 
bagnminifterium fieg auf eine Sitte beS SereinS für Sozialpolitif 
Zu Scrlitt bereit erflärt, bie oon biefem Serein geplanten Gr* 
gebungcu über bie ArbeitS* unb Öognoergältniffe ber bei SerfegrS* 
anftalten befegäftigten Seamten unb Arbeiter bureg Sammlung unb 
Uebermcifung geeigneten 9RaterialS zu unterftügen. — ©leiege ©e* 
futge gatte ber Serein aueg an bie Gifenbagnoerroaltunqen ber 
bcutfdjen Ginzelftaaten geriegtet. SiS jegt ift gier ein Sefcgeib 
notg niegt erfolgt; es mürbe uns aber bei ber gerrfegenben Strömung 
niegt SBunber negmen, menn er ablegnenb lauten füllte. 

Stilstifege Söerfftätten für ArbeiterinPaliben in $ariS. Sn 
ben amtHcgen Kreifen ber Sßarifer Stabtoermaltung befegäftigt man 
fieg gegenroärtig mit bem ©ebanfen, munizipale SBerfftätten an* 
Zulegen, in benen Arbeiter mit befd)ränfter Arbcitsfägigfeit ©e* 
legengeit zu einem igrer fieiftuitgSfägigfeit entfpred)enben ArbeitS* 
oerbienfte finben foüen. 3Ran benft babei au SBerfftätten oon je 
70—80 Arbeitern in ben oerfegiebenen ©tabttgeilen. Um biefen 
Skrfftätten bie nötgigen Aufträge zu fitgern, füllen bie ©emeinbe* 
oermaltung, bie Departements unb Armenbegörben ignen igre 
SefteUungen referoiren, fomeit als bieS möglich ift. £ie erften 
Ausgaben roerben auf 18 000 F^cS. oeranfcglagt. S£)er (sjemeinbe* 
ratg oon Saris mirb fid) bemnäegft mit bem betaiUirten S r ®i e ^ 
befegäftigen. _ 


Arbeiterbewegung. 

Son ber Seraarbeiterbetoegung* ®ie Semegung unter ben 
ofterreiegifegen Sergarbeitern ift in ein neues Stabium ge* 
treten. 2)er Sorftanb beS GentraloerbanbeS ber Sergarbeiter 

OefterreicgS gat einen Aufruf erlaffen, in melegem bie Sergleute 
aufgeforbert roerben, Ades zu oerfuegen, um igre Forberungen 
ogne 3n>angSmittel burdjzufegen. 9?acg Ablehnung ber Force* 
rungen burh bie ©rubenoerroaltungen füllten fie zunäegft baS 
GimgungSamt ber Sergbaugenoffenfdgaft zur frieblicgen Seilegung 
beS Streites anrufen unb überhaupt ben gefegliegen Snftanzcnzug 
oöllig erfegöpfen. Seitens ber ©rubenoerroaltungen finb an* 
fegeinettb alle Sorbereitungen für einen ctroaigen AuSftanb ge* 
troffen. Es roerben Koglcnuorrätgc angegäuft unb Solizetfräfte in 
ben Koglenreoieren zufammengezogen, aud) militärifdjc Einquar* 
tierungen oorbereitet. ^ie „©iener Arbeiterzeitung" fdjrcibt: „D cr 
erfegntc Streif, ben bie Kohlenbarone in einer für bie Sergarbeiter 
ungünftigen 3 e ^ gerbeiroiinfd)en, zu bem fie alle Sorbereitungen 
etroffeu unb bie Arbeiter oolle oier S3od)cu gernuc*geforbert 
aben, mirb niegt eintreten. ^)ic Sergarbeiter oerfprecgeu fid) nicht 




11 


Soziale $rajts. fcentral&latt für Sojtalpolitif. Br. 1. 


12 


3 tioiel oou bem Ginigung*amt, aber fie gewinnen 3^'it, bie jie bf- 
ltupen werben, um ba* Btougclhafte in ber Crganifation noch 
au* 3 nbauen. 3 n einem günftigeu 3 eitpunfte roerben fie bann bic 
SorDernngen unter allen Ümftänben burchzufepen wiffen." ~ Auch 
unter ben Bergarbeitern be* 9iuf)rret)ier3 gäprt e* mieber. giir 
bcn 4 . £>ftober fiub eine Beihe oon Bergarbciterucrfammluugen 
au*gefd)rieben, bie fiep mit ber Sohnfrage befaffen füllen. — 3n 
Belgien ift unter beit Bergleuten eine Bewegung im_@ange, bie 
auf eine Sohnerhöhung abzielt. -- 3» Sübroale* ift bie Arbeit 
in beu Stoblengrnbcn feit Becnbigung be* ^luSftanbe^ in aller 
Bulje aufgenommen worben, fo rafd) wie bic Bkrfe für ben Be¬ 
trieb wieber in Staub gefegt werben fonnten. Ginigc Schwierig* 
feiten oerurfaebte bie ^ortbaner ber Befcbäftigung ooit Arbeitern, 
bie wälirenb be* Streif* eingcftellt worbeit waren^ aber fie haben 
feinerlci Bebeutung gehabt. 3ept unternehmen bie Bergleute 
Schritte, um ihre fefjr unoolljtänbige Drganifatiou 3 u oerbeffern. 
(lieber bie Bereinbarung im englif^en Kohlenbergbau fiepe bie 
folgettbe BÜttpeilung.) 

Bereinbarung $toifcf}tn Unternehmern nnb Arbeitern im engli- 
fehen Bergbau. Surcp bte Klugheit ber Arbeiter nnb ba* Gntgegen- 
fommett ber Unternehmer ift Guglanb oor einem neuen Streif 
bewahrt worben, ber an Umfang unb Bebeutung bie Au*ftättbi 
ber Btafcpinenbauer unb ber SSalifer ^oplengräber weit überragt 
haben würbe, Ser Berlauf ber Singe ift in hohem Bfaße bezeid)- 
nenb für ben fo^ialpolitifcf^en Staubarb in Guglanb. Seit beut 
großen Slöplenftreif im 3apre 1893, ber burdj Sorb Bofcbert)* 
Bermittelung beigelegt worben ift, war eine fehr ftarfe 3mtahme 
ber Mohlenforbernng unb zugleich aud) eine Brciderhöpung ein¬ 
getreten. Sie* gab ber ^Miners federation of Great Britain", bie 
faft % aller Bergarbeiter umfaßt, Anlaß, eine fofortige Sohnerpöhung 
oon 10 (, /o über ben Sopttfap oou 1888 311 forberit unb im Salle 
ber Steigerung bcn Streif aii 3 ufiinbigen. Am 6 . 3uli antworteten 
bie Unternehmer mit einem (^egenoorfcplage; fie erflärten fiep bereit, 
bie gegenwärtigen Sohnfähe für ba* lepte Quartal biefe* 3 apre* ! 
um 2 V 2 °/o 3 » erhöhen, ferner füllte währenb ber nädifteu 3 wei • 
3apre bie Beguliruitg ber Sopnfäpe oon einem Ginigung*- 
au*fd)uffe oorgenommen werben, wobei ber Btinimalfap 30 °/„ unb 
ber Bfajnmalfap 45 o / 0 über bem Soprtfap oou 1888 31 t fiepen 
fommen fülle, Samit waren Anfang* bie Arbeiter niept eittoer- 
ftanben, aber bie Siiprcr biefe* mächtigen unb wohlorgauifirten 
Wcwcrfuercin* beurthcilten hie Sachlage anber* unb traten für bie 
Einnahme be* Untcruchmeroorfd)Iage* ein. Beit aller Gucrgie unb 
bewunberungSwürbigem Giefdjicf wußten fie bie Arbeiter oou ber 
Bicptigfeit ihrer Anfd)auung 31 t überteueren. Bur bie Sancafpire 
Seberatiou oerhielt fid) ablehnenb, fügte firf) bann aber ber Bt'epr- 
heit, fo baß 47 Selegirtc, hinter benen 317 500 Arbeiter ftanben, 
ben Befcpluß faffeit fonnten, mit ben Unternehmern auf ber Baß* 
jener Borfd)läge Abmadjungen 311 treffen. Sie* ift benn auch am 
29. September gcfrfjcpen. Sie Berpanblnngen nahmen nur flirre 3 c 't 
in Aufpruch nnb oerliefen in perzlicpfter Steife, wie „Sailt) Gpronicle" 
fid) au*briicft. Ser Borfipeubc ber Berfammlung, ber ©ruhen* 
befiper A. Hewlett, fprad) fein Bebauern au*, baß ber Ieitenbe 
Arbeiterführer, ber befamtte Abgeorbtiete ^ßtefarb, wegen $ranfpeit 
ber Sipuitg nidjt beiwohnen fönne. AI* Sprecher ber Arbeitcr- 
bclcgirten erflärtc ber Abgcorbnete S. Stoobs, baß fie mit ben 
Bor)d)lägen einoerftanben feien. Bur zwei fünfte waren nodj 3 U 
erörtern. Al* Sermin für bie Sohnerhöhung würbe ber 1 . Cftober 
feftgefept nnb beftimmt, baß unter gewiffeit Bebingungeu bie Ar¬ 
beiter über Sage ebenfalls an bem Äbfommeit tpeilnchmen füllten. 
Ser Borfipenbe unb bie Sdjriftfüprcr holten bann perfönlid) oon 
bem fraufeu .perrit Bi darb feine Uuterfchrift ein unb in beftem 
Ginoeruchmen trennte fid) bte Berfammlung. So ift eine große 
(Gefahr oon bem BHrtl)fd)aft*Iebcii Gtiglanbs abgewenbet worben 
- - Sauf ber fogalpolitifd^eu Ginfidjt ber Unternehmer, ber 3eftig= 
feit uitb SiS 3 ipliti ber Arbeiterorganifation unb ber Autorität ber 
t^ewerfocreinsführer, bie il)r AeußerfteS aufbotcu, um einen Streif 
31 t oerhüten. Sold)e Shatfadjeu muß man in Grinnernng behalten, 
wenn toicber einmal im BeidjStag bie englifchcn XrabeS-UuiouS oon 
•Perm oou Stumm unb feinen Bad)bctern fur 3 weg mit bem Stört 
„Bid)t»-alS-Streifoereiue" abgethan werben. 

Sie Sanbarbeiterbemeguug in Ungarn geht im Wcheimcn 
weiter trop aller Berfolgnngen. Sen geheimen Jifd)geuoffcn- 
filiaften gegenüber ift bic Regierung ol)nmäd)tig. 3iir beu 28. nnb 
29. Se3ember b. ift nad) Ipegleb wieber ein Kongreß ber 
Aclbarbeiter nnb Mleiubauerit einberufeu, ber fid) mit ber Ab* 
änberung be# Aclbarbeitergefepess unb beu Tvorberungcii ber orga- 
uifirteti A-dbarbciter befaßen füll. And) bie f0,3ialbe 1110fratifd)e 
Bartet Ungarn* will 311 Stcif)nad)teu in G.jegleb einen Saube*- I 


foitarefj abhalten. G3 foll über folgenbe Bunftc oerhanbelt werben: 
Staplrecht, Arbeiterfchupgefepe, Ungarn^ wirthfd)aftltd)c Sclbft- 
ftänbigfeit nnb poiitifebe Unabhängigfeit, Äoalition^rcd)t ber uitga- 
rifchcu Arbeiterfd)aft. Surcp Grlaß be£ in ift er* be* 3nncrn fiitb 
nenerbing* bie Dbergcfpane jitr Beridjtcrftattung über bie (M)eim- 
organifation ber ungarifchen ^elbarbciter unb bie fo^ialbemofratifcfje 
Agitation unter ihnen aufgeforbert worben. 

Ser Streif ber GtrbarBeiter Don (fo wirb un* oon bort 
gefdjricben) fcfjieit einige Sage lang [ehr langwierig 31 t werben, 
al* bie Unternehmer ftd) allen Bcrgleid)*oerI)anblungen gegenüber 
ablehnenb oerl)ieltcn unb fogar bie Bilbmtg eine* Gittigung*amte* 
oerweigerten. Sie Arbeiter felbft ließen fid) in biefett ^agen einige 
Shätlid)feiten 311 Schulben fommen, ittbem fie in ein 3 elne Banpläpe 
eiitbrattgen unb noch arbeitenbe (^enoffen 311 m Bcriaffen ber Arbeit 
nötl)igten ober aud) bic Sterf 3 euge :c. zertrümmerten. Gi^elne 
Baupläpe waren in orolge helfen uulitärif^ gefchiipt worben. So<h 
beginnt bic §altung ber Streifer fd)on weniger feft 3 u werben. 
Bereit* lepten Sonnabenb hol^ n etwa 700 Arbeiter wieber bie 
Bewältigung aufgenommen. Obwohl ber Stabtrath 20 000 3rc*. 
unb ber Gleneralräth be* Seinebepartement* 10 000 ^rc*. — beibe 
Boftcn ohne Bcanftanbung oon ber Regierung genehmigt — Unter* 
ftüpung an bie Samilien ber Streifeitben bewilligten unb auch 
burd) Kolleften beträchtliche Summen 3 ufammenfließen, fo fiitb bod) 
faunt bie nothwenbigften SBittel oorhanben, um ben Arbeitern ben 
Äampf längere ‘$eit 311 ermöglid)en. Sie Gifcitbahngcfellfchafteu 
habetr 3 ubem begonnen, bie itt StiUftaitb getretenen Bauten burch 
Bahnhof- unb ^treefenarbeiter meiterführeu 3 U raffen. Sie Unter¬ 
nehmer oeränbertett ihre SteHuug wenig, haben fid) 3 ulept auf eine 
zweite Aufforberuitg aber auch bereit erflärt, ihre Selegirten zum 
Ginigung*amte 311 wählen. Sic neuen Ginigung*oerfuche gehen 
auf bie 3 >nitiatioe beS SDfinifter* be* Snnern 3 urüd, beffen 3 nter- 
oention oom Barifcr Stabtratl) nachgefucht würbe. Sie Unter¬ 
nehmer haben unter biefett Ginwirfungen 3 wei Söfungen oorge* 

! fd)lagen: entweber bie Söhne werben in beu oerfd)icbeiteu Breisliften 
1 unb Sieitft 3 weigen ber Stabt B ar ^ auf 69 Gentimc* uni^irt ober 
aber bie Arbeiter füllen alle im Sagelohu au*gcführte Arbeit bireft 
oon ben Behörben übernehmen unter Umgehung ber Unternehmer. 
Siefe Söfung*oorfchlägc beziehen fich felb|toerftänblid) nur auf bic 
itt öffentlichen Arbeiten eugagirten Unternehmer. Sic Bnoatiinter- 
uehmer fiub ja nicht wie jene an fefte Berträge gebuttbeit unb 
fönuett bie Söhne oiel Ieidjter erhöhen, wenn bie Sage e* erforbert. 


Ärheiterfdju^. 

Ser 3af)re*btri<ht ber englifchcn ^abrtftttfpeftoren für 1897. 

Bach bem „GJefep zur Grgän 3 ung unb Au*behnung ber Be- 
ftimmungen über Sabrifen unb S^erfftätten oon 1895," 2 ) ntüffen 
bic enghfepen Unternehmer ben Be 3 irf*iitfpeftoreu über An 3 ahl, 
Alter unb G3efchled)t ihrer Arbeiter, oorfommenbe Unfälle, Blei* 
weiß-, BÖ°äphor-, Arfenif* unb tfarbuufelcrfranfiiugen Biittheilung 
ntad)en. Au* biefer SO?elbepflid)t crwädjft bem Bcamtenftab eine 
A lt He neuer, oorwiegeub ftatiftifd)er Aufgaben, über beren 3«an- 
griffnahme bereit* 1896 berichtet mnrbe 3 ) unb bie in biefetit 3ah^ 
eine bebcutenb erweiterte Aiteführuug gefunben haben. 

Scpon bie erftett Untcritehmerberiditc (Annual Returns) oon 
1895 unb mehr noch bie oou 1896 4 ) haben eine wcfentlid)e Ber- 
oollftänbigung ber amtlidjcn Begifter im SBiniftcriunt be* 3nneru 
unb ber Siftrift*infpcftoreu ergeben. Sie ermöglichen ferner eine 
Statiftif, bie ber ungeheueren Siirerei^intitg gewerblicher Bcrrid)- 
htngctt Bed)mutg trägt; il;r SKerth al* Borbebiugung elfter Mennt- 
niffe über bie ©efahren ber ein 3 elnen (bewerbe nnb 0 )ewcrb* 3 weige 
unb über bie Bothwenbigfeit unb bie Biirfung einer entfpred)enb 
bifferctt 3 irten Okfepgcbnitg ift nirf)t leidjt iiberfdjäpbnr. Allein ftc 
3 eigt aud) „flarer al* je 311001 * ba* s l)iißoerl)ältniß 3 toifd)en ber 
3abl ber Beamten unb ber gewaltigen nnb 3 uuel)meubcu Bt'affe 


9 Annual Report of the Chief Inspeetor of Faetories and Workshops 
for the year 1897. Kyre & Spottiswoode, London 1898. Price 3 sh. 10 d. 

2 ) ilebertvagcu im BJortlaut in Braun* Ardiio für Soziale Oicfep- 
gebiing mtb Statiftif Bb. VII 1 .s5eft 4 l s*»5 ; lu'iprodjeit cbenbafclbfi 
Bb. IX. peft 2; 1 siic* oon Bnughau Bafb. 

3 ) Sielje Animal Report etc. for the year 1890. Bergteidjc and) 
•V>. Simon/ Tie engliidje ^abrtfgcicpgebuug, ba* Wefep oon 1S95 nnb 
ber Aaf)rc*bcrid)t ber ^abrifiufpeftoren für 1 s’.m;, in 2d)nieder* 3af)rbudi 
für C'lefepgclmug, Berwaltung :e. Bene A-olgc XXII. Jahrgang 2. peft 
S. 3«Hl. 

'*1 Xte ..Annual Returns“ oou I st*7 fiub mir t heil weife frfjou 
I bearbeitet. 




13 


©ogtale $ragtd. Eentral&latt für ©ogialpolittt. Jftx. 1. 


oon Eingelaufgaben oerfd)iebenfter Sliatur, für bic fic oerantwort* 
lieh finb." 

Es unterftehen bcm ©taatsfchufc 200 000 gabrifen unb Berf* 
ftatten mit 4 500 000 Verfonen, ohne bic fehr beträchtliche ©innme 
ber ©od*, Berften*, Slnlageftetten*, Baarenljäufer* unb SAuSarbeiter; 
bie ßefcteren nur in gewiffen Snbufirien unb unter beftimmten 
VorauSfefcungen. 3 U ih rer Ueberwaehung ftitb nur 114 eigentliche 
©taatsinfpeftoren eingeftefft, bie atterbingS non 2003 ®iftriftö® 
?lmtSwuubärgten („Certifyiug Surgeons“) unterftübt werben. gür 
bie Berlftättenhpgiene fommt bie nur ftettenmeife tiefgreifenbe fom* 
muitale ©anitätsinfpeftion in Betracht. Befenilid) gefiärft roirb 
bie SliiffidjtSthätigfeit burch bie Biiarbeit ber Beoölferung, poli** 
tifcher, philaittropifdjer, religiöfer unb inbuftrietter Vereine, fpegiett 
ber organifirten 2lrbeiterf<haft. 

Von beit 200 000 im Stoffe 1896 oerfanbten 2lufforberungen 
gur Veridjterftattung, blieben nach groeimal roieberbolten Bahnungen 
unb mehreren ©trafoerfolgungeu 7555 unberücffichtiat. ©ie oor* 
liegenben Tabellen beruhen auf 160948 Unternehmerberidf)ten 5 ) 
gegen 144 008 im Vorjahre; gum ©heil greift ihre ©ruppirüng 
noch auf bie (enteren guriid; fie uuterfchetbet nach ©raff(haften, 
©enterben unb ©emerbSgweigett, gabrifen unb Berfftätten, nach 
ßXlter unb ©efchlecht ber refpeftioen Arbeiter. 

©ie 1897 gemelbeten 40 000 Unfälle finb nach ©enterben, 
9lrt unb Urfache ber Verlebuitq unb nach ben betroffenen Arbeiter* 
fategorien tabeUirt; bie 1200 Bleiroeifj*, Slrfeitif*, V^Phor* unb 
Starounfclerfranfungen nach ©enterben unb $Arbeiterf<hid)ten; bie 
3500 ©trafocrfolaungen (prosecutions) nach ©iftriften, ©enterben 
unb 5lrt ber Verftöfee. 

.^inftchtlich ihrer $rt unb Slngahl gefonbert behanbelt, ftnb 
bie gefährlichen Jnbuftricn, bie SAuSnahmebeftimmungen („Special 
Rules“), fomie bie ©enterbe, bie ber „Particulars Clause“ unter* 
ftehen, b. ff für bie nähere Angaben über gu entrichtenbe ©tüd* 
löhne gemacht werben muffen. ©eit 1895 für alle ©cjtilgewerbe 
in ©eltung, würbe fte, in golge ihrer ungemeinen Beliebtheit in 
ber 9lrbeiterflaffe, 1897 auf oier weitere, 966 gewerbliche Anlagen 
umfaffenbe Snbuftrien auSgebehnt: ©afdjentiicher *, ©chürgen*, 
ßäbdjeu* unb Bloufenfonfeftion, gabrifation oon ©dilöffern, 
©rüdern uub ©djliiffeln, oon letten unb §acfen unb oon gilg* 
hüten. ©ie eiitfchlägigen Erlaffe, fowie bie neuen, ebenfalls 1897 
angeorbneten SAuSnahmebeftimmungen für BoHfortiren, auf glafd)en 
giepen oon foblenfaurent Baffer unb Vulfanifircn in ©utnmi» 
anftalten finb im 3nhreSbericf)te im Borttaut mitgetheilt. ©ie 
finb ergangen auf ber ©runblage oon Erhebungen gweier 
Sfontmifnonen, bie 1895 mit ber Prüfung biefer unb anberer ge* 
fäfjrlicher Jitbuftrien betraut würben; („Dangerous Trades Com- 
mittecs“) biefe haben bisher brei oortänfige Berichte (Interim Re¬ 
ports) mtb einen ©djlufebericht oeröffentlicht. 6 ) 

3hrc Ergebniffe finb im Jahresbericht nur geftreift; bagegen 
ift eine fpegiette Untersuchung ber ^orgeüan* unb ©bonroaaren* 
inbuftrie unb baS Einpödeln oon gifdjen ausführlich behanbelt. 

©ie ©efammtgahl ber oon ben Unternehmern angegebenen 
Arbeiter beläuft ficf> auf 4 398 983 (baoon 655 565 in Berfftätten) 
gegen 4103 485 in 1895; baoon 2 903 324 männliche unb 
1 495 659 weibliche, gegen 2 699 917 männliche unb 1 403 568 
weibliche Arbeiter im Vorjahre. 

Von ben 295 498 Behreinftettungen fallen nur 1 930 auf bie 
Xeytitinbuftrie. 

Einer 3 una haie oon 6 138 Ermadjfenen, ftebt hier bie er* 
freulidje Abnahme jugenblidjer Arbeiter um 4202 (baoon 2369 
Stinber 7 ) gegenüber, 2luf bie fehr fpegifigirte ©ruppirung ber 
Arbeiter nach Sitter unb ©efdjledjt in ben einzelnen ©egrtilgeroerben 
unb Verrichtungen, (©pinnen unb Beben) fann hier nur hinge* 
wiefen werben. 3h« ©efammtgahl beträgt 1 077 687; baoon finb 
nur 412 841 männliche Arbeiter; bie 3unahtne oertheilt fich faft 
gleich auf bie ©efchledjter (bie ber ^Arbeiterinnen überwog um 16), 
fo baff fich ein relatio ftärferes S(nwad)fen ber ^Arbeiter ergiebt. 

Ein Ueberwiegen ber ^Arbeiterinnen (3298 gegen 2338 Arbeiter) 
fommt fonft nur noch in ber 3ünbholgfabrifation oor; hoch fiitben 
fie fich in .faft allen ©ewerben. 3n ber Betattoerarbeitung unb 
Eifeniubnftrie belaufen fie fid) auf 26 226; baoon 4000 in gafjr* 
rabfabrifen, beren 3 a hf fowohl als bie ihrer Arbeiter fich 1896 
faft oerboppelte; baffelbe galt für bie Berfftätten. 

*) 9 luSfdjliefelicb gewerblicher ^Anlagen, bie nur Arbeiter beschäftigen, 
mit Ausnahme oon Väcfercieit. 

6 ) Jm Vudfhanbel erhältlirfj. ©iehe aud) meine s 8efprcrf)ung beS 
erften „Interim Report of the Departmental Committee appointed to in- 
quire into and report upon certain miscellaneous trades“ (London, Eyre & ! 
Spottiswoode. Price 3 l /ad.) in ber ,C 3 ?euen 3 eit ,v 9 ir. 9 SBb. XVI 1897 / 98 . ! 


14 


3n l>rr ^orgellan* unb ^hanwaareninbuftrie waren 27 135 
^Arbeiterinnen gegen 43 738 Slrbeiter. 7 ) 

3n 24 3nnbhoIgfabrifen mit 1 700 Arbeitern wirb weiter 
ober gelber $ho^Ph°r oerwenbet. ©eit Erlau ber „Special Rulcs u 
oon 1893/94 finb 24 JäHe oon ^ha g Ph°rnefrofe befannt geworben. 
SDie oielerörterte Verheimlichung fchwerer Öälle in ber ßonboner 
Jirma Vrpant & Bat), haben eine eingehenbe Unterfuchung ber 
betreffenbeu Sabrifation oeranlafet, beren Ergebniffe noch aus* 
ftehen. 

©ie ©efammtfumme qemelbeter Vergiftungen beläuft fich 1897 
auf 1239 gegen 1050 int Vorjahre; baoon fontmen auf Vh° 3 pl)or*, 
Slrfenif* unb $arburifelerfranfungen 25; auf Vleiweife*, ©las* 
unb Jarbeuinbufttie, ©chmelgen oon BetaHen, Verginncn unb 
Emailliren, Bagnereien, geilenhauen unb oerfchicbene ©ewerbe 
768, unb auf bie alleinige Vargellan* unb ©haa^aareninbuftrie 
(potteries) 446 (!). 

„Ban hat guten ©runb angunehmen, bah bic 3ah^a weit 
größer wären, wenn alle gälle au bie Deffentlid)feit gelangten, 
©urch 3 e il un Ö^ er ^^ c un ^ fonftige Vropaganba wirb amtlicherfeits 
oerfneht, bett 9Xergten im gangen Öanbc bie Verpflichtung gur Bit* 
theilung folcher £ranfheiten flar gu machen, natürlich unabhängig 
oon ber Belbepflicht ber Unternehmer." Eine ftarfe, in breiten 
©djidjten aller ©tänbe Slnflang finbeitbe Agitation für ben ©chufe 
ber Vleiarbeiter hat auch hi cr ©infehung fpegieder Unter* 
fnchungSfontmiffionen geführt, ©ie Ungulänglidjfeit bereits erfolgter 
Verfd)ärfungeit ber betreffenben „Special Rules“ ift in einer hach* 
intereffanten UnterhauSbebatte 8 ) übergeugenb nachgewiefen worben, 
wobei ol)ne ben ©ebrauch oon Vleiweife glaftrte V° r S e üanplatten 
runbgegeigt würben. 9 ) ©ehr unterrichten!) finb bie oben erwähnten 
Bittpeilungen beS VlaubuchS, aus einer ©onberprüfmtg ber 3a s 
ftänbe in ber Vo^öan* unb ©honwaareninbuftrie, feitenS gweier 
gabrifinfpeftorinnen (Report of Miss Paterson and Miss Deane). 10 ) 
3h« Slnalpfe umfaßt 404, im ßaufe eines 3ah«$ in 182 gewerb* 
lic|en Vlitlagen mit 3040 V^rfonen, oorgefallene Vleiweihoergiftuugen; 
baoon fommen 233 auf Arbeiterinnen; unter neun Erblinbeten 
wären gwei 18jäl)rige Bäbdjen nach breijähriger ©hätigfeit. ©rofe 
ber oerfdurften ©efehgebung unb oermehrter ?lufmerf|amfeit ber 
Jnfpeftoren haben bie VIeiweihoergiftungen in ben lebten brei 
Jahren an 3 a ht ©chwere gugenomtnen. ©ieS ungünstige 
Aefultat feheint auf gwei ©rünbe gurüdführbar: 1. Dberflä^lichfeit 
ber VorbeugungSma|regeln; 2. bie ©djwierigfeit, gegenwärtig feft* 
gnftellen, wer Jür ihre Beobachtung oerantwortlid) ift. 

©a gewiffe Jnbioibuen befonberS empfänglich finb, fo wirb 
erft ihre SluSfchliefeung einen Erfolg ber „Special Rules“ erutög* 
liehen. ErfahrungSmäBig präbiSpontrenbe Elemenle ftnb: Jugenb, 
perfönlichc Jbiafpnfrafie unb ©efchlecht. 

©ie Arbeit ift eine faft ungelernte unb Iäftt für jeben anberen 
VerufSgweig uuuorbereitet; ein VefchäftigungSoerbot Jugenblid)er 
würbe forntt an fich eine Vermiuberung nngeeigneler Erwachfener 
bewirfen; jejt hält fie ihre Untauglichfeit für anbere Arbeiten im 
Berufe feft; man erfennt fie an ben blutlofen, blauen ©efichtern 
unb bem ftarren Vlicf, ber fchoit ben erften ©tabien ber Vleiweife* 
oergiftimg eigen ift. „Vlinbbeit ift oielieicht bie traurigftc gortn, 
unter ber bas Hebel feine Dpfer paeft" — „©er Einfluf beS 
VleieS auf baS ÜReroenfpftem ift inbefe weniger auffällig unb all* 
gemein als feine Birfuna auf bie blntbilbenben unb repro* 
ouftioen gunftionen. ©arum ftnb grauen burch ih« fonftitutio* 
nette Jbiofpnfrafte mehr als Bänner gefährbet (§luSfage beS 
Dr. Dlioer). ©ewiffe Umftänbe fönnen V cr fatteu empfänglich 
machen, bie es fonft nicht waren. ©ieS beweift ber befonberS ein* 
gehenb unterfudjte Einfluß beS Bleies auf ©attinnen unb ihre ftinber. 


7 ) ©ie 3 af)lenangabcn beS 3 abrcSbcrid)tcS prätenbiren fetneswegs 
überall eine abfolute Eenauigfeit; fic bcanfprudjen nur als annäherube 
©chäpung ber thatfächlichen Verhältniffe Ecltung. 

8 ) ©iehe bie fehr ausführliche Biebergabe in ber ,,©ime*", 
BO. 3 uli 1898 . 

ü ) ©iehe auch ,.3ah«^berid)ie ber töniglidj preuf)ifd)en Glcwerberäthe 
für 1897 " ©. 65 : „Unter beit Elafurarbeitern ber gasreichen itachelofen* 
fabrifeu beS VegirfS Votsbam waren wieberI)olt gahlreidje Vlcierfranfungeu 
oorgefommen. ©as Urtheil eines erfahrenen AtranfenfaffenargteS ging 
fogar bahin, baf) fänuntlidjc ('Haturarbeitcr an, wenn aurf) leirfiter, 
chronifdier Vleifranfhcit litten" :c. 

10 ) ©ie thcilweifen Ergebniffe einer mehr tedmifefjen Untcrfmhmig 
über Vleiweifpabrifation unb »ocrarbeituug, mit fpegiefler VerücfficijtigHug 
ber gu ergreifenben Vorbeugungsmafjregcln, unter Bitarbcit bcs be= 
fannten AtoimniffioiKMirgtes Dr. £lioer unb bes (5hefs bes ^egtenrngv- 
laboratoriums, finb gwar bem ©taatsfefretär bereits cingcretdd, ber 
Ceffentliriifeit aber nodj Vorbehalten worben. 3iche bariiber „limr^" 
wie oben. 




15 


Sogtalc ?xajt$. Eentralblatt für Sogialpolittf. 9lr. 1, 


16 


Von 77 Ehefrauen waren 15 HnberloS unb offne HbortuS, 8 Ratten 
21 Dobtgeburten, 35 Ratten 90 geljlgefmrten, oon bicfen brad)ten 
15 überhaupt feilt lebettbeS $ittb gur Söelt; 36 Ratten 113 Iebenbe 
Stinber, oon benen 61 erhalten fitib; bie Vleffrgaffl ber 52 Dobtett 
ftarben an Strümpfen im SäuglingSalter. Eine 25 jährige, feit 
ihrem 17. Fahre SBIeiiucife oerarbeiteube F^att, batte in 7 Fahren 
3 Dobtgeburten nnb eine 5-e.bIgeburt. Ffft* einzig IcbenbeS Minb 
ift in etnent Fahre geboren, in bem fie gum erften Vtal ihrer Hr* 
beit fernblieb, feine grau ooit 35 fahren, 10 Fahre oerffeiratffet, 
20 im Vcruf, ^atte 8 Fehlgeburten unb 4 ttittber, oon benen 3 als 
Säuglinge ftarben. Ein brüte, 28 Fahre alte Frau hatte 3 norf) 
Iebenbe ftinber, ehe fie in Vlei arbeitete; toährenb ber 4 Sabre, feit 
benen fie biefe Xhätigfcit aufnahm, fiatte fie nur ein früh oer* 
ftorbeneS Stinb. Vr. 4, 28 Fahre alt, 7 Fahre oerffeiratffet, 
10 Fahre im Veruf, hatte 5 Dobt*, 3 Fehlgeburten unb ein leben* 
beS Stinb, baS wenige Wochen nad) ber Geburt an Krämpfen ftarb. 

hingegen haben bie Fälle oon 0cff roinbfu d)t, Hftffnta unb 
ähnlichen liebeln in Folge ber beffereu 'Durchführung ber Vctttila* 
tionSoorfdjriften abgenommen. 

Die Vermehrung ber Unfälle (40474 gegen 33557 im Vorjahre) 
troff ber burcf) baS neue llnfgllgefeff 1J ) bcwirfteit bebeutenben Vcrbeffe* 
ruttg ber Sd)uffoorrid)tungeit, wirb tffeilmeife ber genaueren Vericfft* 
erftattung, theilmcife auch ber mit bem Hufftfjwung ber Fitbuftrie 
oerbunbenen, ftärferen Hrbeitereinftellung, 3 ugefcf)ricben. Die meiften 
Unfälle ereigneten fich nicht mie gewöhnlich Vooentber ober Dftober, 
foitbern im Degembcr; bie menigfteu, mie immer, im Huguft. Huf 
Fabrifen fomuten 655 iöbtliche (gegen 596 in 1S96 unb 455 in 
1895) unb 39 739 nidjt töbtliche." „Dbwoffl biefe Fahlen mit 
Vorfidjt (some reserve) aufguitehmen finb, bemeifen fie fchlageitb 
baS ungeheure lleberroiegen ber Unfallgefahr in Fabrifen." Die 
Funahme ber Unfälle ift nicht auf eine Hrt, llrfacffe ober Fnbuftrie* 
gruppe 3 urücf 3 ufiihreu, aber fie fällt oornehmlid) auf bie erwaefffe* 
neu Arbeiter; eine Verminberung ergab fid) nur für bie £iuber. 
Die groffe Vtehrgaffl, 272 DobeSfälle unb 13 921 Verlegungen finb 
burd) bie Vfafffftm' oerurfad)t, fpegicfl bnrd) Peinigen berfelbett 
mährenb fie in Veroegung ift; 95 töbtliche unb 1698 nid)t töbtliche 
Unfälle burd) Hufgüge unb Erahnen; 7 töbtliche unb 1000 nicht 
töbtliche burd) toisfägen. Vei weitem am häufigften finb Vranb* 
wunbeit, (Schürfungen unb Diietfcffungen; eS folgt ber Verluft ooit 
©liebem, a) ber rechten, b) ber iinfen §aub; Verleffnttgen an tfopf 
unb (>3cfid)t, ©lieber*, Sfnocffen*, ©elenf*, Hrrn* unb Vcutbrüdje; in 
45 Fällen fanb oollftäubiger ober tffeilweifer Verluft bes Sehoer* 
tnögeus ftatt. Vach Fobuftrien oertffeilt, ift am ftärfftcu belaftet 
bie Viafdjinen*,V 5 erf 3 eug 2 c.Fabrifation mit 9835 Unfällen (82 töbtlicff); 
5717 Unfälle fommen auf Vletallgieffereien unb *Schmelgereien, 
5193 auf ben Schiffbau, 4393 auf bie Dertilinbuftrie, baoon über 
bie Hälfte auf bie VamnmoHoerarbeitung, faft 3000, baoon bie 
hödffte Hugaffl töbtlicffer ( 88 ) auf bie .Jiafenarbeü, über 1000 ferner 
auf £>olg, feffemtfalien, ^ßapiermaaren, Drucfereiett unb oerfcbiebcitcS. 

Fm Htlgcmeineu wirb eine Abnahme ber llebergeitctrbeit, fowie 
eine beffere Veobacfftung beS Verbote ber Vlitgabc oon Arbeit in 
bie .‘peime, nad) Hblauf ber gefcfflidjen Stunbcngaffl oermelbet. 

Die 4 Fobnftricn, in benen bie Unternehmer oerpflichtet finb, 
Rcgifter über bie oon ihnen bcfcffäftigteit HuSarbeiter $11 führen 
unb fie gtoeintal jäbrlid) bem Diftriftsinfpeftor eiiigufenben, (Hn* 
baffnung 511 einer Regelung ber .sjeimarbeit) finb Anfang 1898 um 
eine 5., bie ^elggcrberei, oerntehrt worben. HuS Vlaitcffeftcr wirb 
oon 1307 Hilfsarbeitern in ber Monfeftion, Vlöbeltifd)lerei, Feilen* 
nnb galoanifirten Vletallwaareninbuftrie berichtet. Obwohl ihre 
Fahl hier unb anberorts burd) ben wachfenbeu V 3 aareniimfaff, 
fpe,$iell in ber .stonfeftion, noch gunimmt, neigen ältere Firmen 
bagtt, ihre V>erfftätteu 511 erweitern unb ihre Hitsdrbeiter gu oer* 
minbern. J2 ) 

Die Faffl ber feit 1895 in allerbingS uit^ureichenber 3Seife 
bem Staatefchub nnterftellten iß3afd)anftalten beläuft fid) auf 6801 
!706 mehr al* im Vorjahre): bie Unfälle fliegen oott 84 auf 94, 
baoon 2 töbtlid)e. ©trafoerfolgungcn würben 85 (!) gegen 21 im 
Vorjahre angeftreugt. lieber beit bisherigen Grfolg bes ftaatlid)en 

11 1 ..Workinen's rmn|)cjisation Act.“ 

ia » HuS ?)ianrfiefter wirb ferner oon „4<)0 Arbeitern in ber uidjt 
regiftrirptlidjttgen Sihinmntmftric berichtet". 6s banbeit fid) babei um 
Verfertigung fehr orbinnrer, plumper Schirme für ben Orport und) 
Fubieu. F-di hatte Olelegeubeit, mehrere enge itub fdituunftarrcubc, 311= 
gleich als V 3 obn=, Wodi* unb Sdjlafrnum bieitenbc ?lrbeitsftätteu ,su 
fciicu, in benen eine zerlumpte Fioinheuineiftcriu ,smci bis brei eben 
folcber Arbeiterinnen gegen 6 s sb. uuühentlid) (Saifouarbeit) mit ber 
fehr unbaubliriien Arbeit befebäftigte: ein gcrabe.su uertbierter Veftaubtljeil 
bes Viefeuräbcrioerfs internntioualeu OÜitcrnustaujchcs. 


(Eingriffs lauten bie Verichte oerfchiebeit. (Sin Fofpeftor fprid)t 
oon großer Vefriebigung unter ben SSäfcherintten, über bie Ver* 
tür^ung ber HrheitSseit (60ftünbige HrbeitSwoche aufeer ben Ueber* 
ftunben) unb bie oerbefferte ©anitation. 

„Die Hufbefferung ber 3 u ffänbe in 5Safd^fabri!eti unb 2Öerf* 
ftätteu hiafichtlich ber ^Ventilation, Hborte, (rinfriebung ooit Via* 
jehinen nimmt einen fehr langfanten Fortgang," h^i&t e£ im Ve* 
rieht ber Fnfpeftorinnen. 

Fhrc Dl)ätigfeit galt neben ben gefährlichen Fn^offrien, ber 
Unterfudjung eingelaufener Vefchmerben, oor allem ben oerfeffiebe* 
iten Drucfgefetjeit, gatts fpesieÖ bem 1879 in $raft getretenen 
„Truck Act“ oon 1896 über 0trafbuffen unb Hbgüge. „Die Vericfft* 
erftattertnnen ftintmett überein, baft bie Hufgabe bisher wefcntlid) 
oorbereitenber 8 ?atur (of an educational character) für Huffid)tS* 
beamte, Unternehmer unb Hrbeüer war. Fm Olan^en ift ein bc* 
friebigenber (Schritt oorwärts gur (Srfefcung anfechtbarer 0 traf* 
bufteitregletneittS burch genau befinirte Vcftitnmungen gethan, bie 
ben Hrbeitern eine etwas oermehrte (Sicherheit besüglich tl)rer i?ohn* 
anfprücfje geben. 

Die hier beabfidffigte fur^e Httregitng fann ber reichfliefeenben 
Oueffe ttü^litfjer (Siitblicfe, bie baS Vlaubmh gewährt, nid)t gerecht 
werben. Für bie groffe Httsahl neuer gefe(jgeberif<her, ocrwaltuitgS* 
rechtlicher unb ted)itifchcr ©efichtspunfte muff auf beit FahreSbericht 
felbft uttb faft noch mehr auf ben oorjährigen Vcricht hiogewiefen 
werben. Veibe finb eine werthoolle, eiitaitber bebingenbe unb er* 
gättsenbe Erläuterung beS Fabrif* unb s Ber!ftättengefcheS oon 1895. 

Karlsruhe. §elene 0 im 011 . 

Sonntagsruhe im .öanbefSgctoerfce. Der Viagiftrat oon Frauf* 
furt a. VI. ift mit ben Stäbten Dffenbach, •'Oanau, Darmftabt, Vlaitt^ 
unb V^ieSbaben in Verhanblungcn bariiber getreten, ob bie Vc* 
ffhäftigung oon §anbclsangeftellten in Fabrifen, Vanf* uttb EttgroS* 
gefdhäften am 0onntag gänzlich ju oerbietett fei. Von ber Vürger* 
meifterei gu Dffenbad) bcotoegeit befragt, hat bie bortige ^anbelS* 
fammer fid) balffn auSgefprodjen, baff oon berVefugniff, §anbels* 
geftetltc in ber F e ^ ü °n 11—1 Uhr VlittagS an 0onn* unb 
Fefttagen (mit HuSnahme bes erften Dfter*, Vfingft* unb V3eih s 
nad)Sfeicrtages, an welchen jebe Vefd)äftigung oon ^anbcls* 
angcftellten oerboten ift) 311 befd)äftigcn, in Dffenbach m nid)t 
erljeblichetn Vlaffe ©cbrauch gcmad)t werbe, baff aber für bie F « 5 
haber ber genannten ©efd)äfte bie Vlöglid)feit, bringenbe 0achcn 
auch an 0ottn* unb Fefttagen erlebigeit gu lajfen, nid^t gättglid) 
befeitigt werben biirfe. ©egen eine weitere Einfdjränfuitg ber 
HrbeitSgeit für ^anbeisangeftellte an 0ottn* unb Fefttagen auf bie 
Dauer oon 11—12 Uhr würbe bie §aitbclsfammcr nichts eiitgu* 
wenbett haben. — F« t>er 5Uage gegen ein ^oitfefttotiSgefd)äft bat 
baS DberlattbeSgeridff Franffurt a. VI. bie Entfchcibung ber Vor* 
inftaitgeu bestätigt, wonach eine 0töruitg ber 0oitntagSrul)e bariit 
gu erb liefen fei,' baff an Sonntagen gu ber für bett ,§>anbcl frei* 
gegebenen Feit Hrbeüer für Heinere Reparaturen an oerfaufteit 
kleibertt befd^äftigt werben, unb gwar att fertig oerfauften, wie au 
nad) Vtaff angefertigten. Soweit bie Firma fertige illeibungsftiicfe 
oerfaufe, betreibe fie aHerbittgS ein g)anblungSgetoerbe unb fei 
baffer gu berartigett Hrbeiteit auch am Sonntag bered)tigt, foweit 
fte aber Äleibungsftücfe nach Vlaff anfertigen laffe, betreibe fie fein 
.jpattbelSgemerbe, foitbern eine Sd)neiberei, bie nicht ein Dffeü iffreS 
f)anbelSgewerbeS fei. Fn biefen Vkrfftättcn ber Schneiber biirfe 
nad) ber ©ewerbeorbttuitg nicht gearbeitet werben. 

Die erfte toeiMi<hc ^abrifinfpeftorin ttt ben Rteberfanbcn« 
Fm Staatshaushaltsetat für 1899 wirb ootn Vliuifter für £>anbel 
unb Fnbuftrie eine Ärebitforberung eiitgefefft, um itebft gwei neuen 
Su'ilfStttfpeftoren and) eine Fabrif in fpcftoriit angufteHen. Dann 
wirb eS in #ollanb fed)S Fafpeftoren, ad)t $iilfSinfpeftoren unb 
eine §iilfSinfpeftorin geben. 

§abriftitfpcHüm ttt Ungarn. Fm Huguft würben 1580 fabrifen in 
Ungarn lüfitirt. Vorn Januar bis Aitguft haben bie Jufpeftorcit 34.‘W 
Fabrifen befudjt unb werben bis Eitbc bes Jahres liubcbingt fäntmt* 
liehe FabriFcn bes SattbeS unterfudit fein. Vor ber Heorganifatiott ber 
Jnftitiition ber ©ewerbeinfpeftoren würben jährlich nur 900 bis 1000 
Fabrifen bcfid)tigt. 

©emerbeinfpeftion in RcitfübwaleS. Der erfte FaffreSberid)t 
über bie Ergebitiffe ber Faetories and Shops Act 1896 giebt an, 
baff itt Spbttet) 1673 Fabrifen im lefften Jahre regiftrirt würben, 
bie gnfaminett 29 503 Vcrfoncn, barunter 7009 Frauen, befeffäf* 
tigten. Hm meiften crfcfjeiut Frauenarbeit oertreteu itt ber 8 e* 
fteibintgS* ttnb Sdnthinbuftrie, ber Vapier* uttb Aabafinbuftrie, 
bem lapegierergewerbe unb V3äfd)creieu. 



17 


©ogiale fßrajtS. Genttalblatt für SogialpoItttF. Rr. 1. 


18 


Ärheitcmrrpdjerung. SpathttOen. 


®elethmfgSg?eitgfti ber ^erfi^erungdanftaltett für Arbeitertoofj* 
unitgen nnb fimtgenijcilftättcn. $>er Ausrufe bcr gnoalibitätS* unb 
AItersuorf ich er u n g S a n fia It Rf)einprooin 3 oerhaubelte am 17. Auguft 
511 ©üffelborf über einen Antrag an beit ^rooinjiatüerbanb auf 
Genehmigung jur ^ppothefarifd^en SÖeleihung oon Grunbftücfen 
3 um 3mecfc ber Grbauung non Arbeitermohnungen unb £ungen« 
heilftätteu über bie Riünbelfidjerhcit ^iitau^ bis gur Gefammthöhe 
non 10 °/ 0 bes 33ermögenS. Rach bem $rotoFoÖ mürbe bie be« 
beutenbfle SRebe babei non £>errn Saubeshauptmann Dr. SHein ge* 
halten. Gr führte u. A. aus: 

„Gr habe im AuSfdiuffe unb ’&orftatib flctö bie uertreteu, 

bafe bie angefannneltcn Veftänbc in erftcr 2tnic ihrem gefepiieheu 3metfe 
ber StentenbemiUigung gu bienen hätten unb nicht jur görbcritng aller 
möglidjeu ^ol)lfabrtSeinrid)tungen, möchten biefe an unb für [ich aud) 
noch fo numfdjfuSmertb unb gut fein. $$enn bie augcfatnmel« 
ten Beträge gu grob evfdjicncit, bann muffe man bie Stenten 
erhöhen ober bie Altcrsgrenge herunter fepen. Gefnnbc Arbeiter* 
roohnungeu bauen, liege aber nidjt nur im gittereffe ber Arbeiter, fonbern 
aud) ber Rcrjitfjerungeanftalt, inbent baburd) bie gätlc ber ^mjalibität 
nnb bcr Rcntcngablung oerminbert mürben, $affelbc gelte auch oon 
ber Surdjführuug bes «tpeiluerfnbrenS. Alle fokalen fragen lieben fid) 
nur burd) 3 ll fanunenarbeiteu uon unten herauf löfen. Xie Verfid)erungs* 
anftalt uuterftüfce beohalb beit Sergif d)eu herein für Gnnctmuol)l, beit 
herein gur Verpflegung ©enefeuber inStöIu unb attbere lofalc i'erbänbc 
tu ber Grfcmitmft, bab bie Refonualcsgentenpflege im .fteilurrfahren bie 
michtigfte «teile einuehnte. $aS Vermögen fei mehr als hoppelt 
fo grob/ mic ber ttapitalrocrth ber Stenten.*) s Bei beit früheren 
ftatiftifcbeu S?cred)ttungen habe matt nämlich bie äkrmaltungofoftcu 511 
hodj gegriffen, guoiel Altersrenten oorauSgcfcpt, nicht genitgenb iit $8c= 
trad)t gejogen, bab in ber Rbeinprooing mehr Sftäbdjen gur .£>ctratf) 
fommen unb mehr Skrftchcrte felbftftäubig merbert als in anberett ^ro= 
otogen." 

3» ber Segrünbung beS Eintrages ift neben beit juriftifchen 
Ausführungen über bie 3 u läffigFcit her höhnen Beleihung baS 
Verhalten anberer 2 $erfid)erungsanftalten in biefer grage mitgctheilt. 
^anad) ift Sommern ermächtigt, jährlich 250 000 <s1L bis gu 75 0 % 
ber £aye auSguleihen, .S>effen*Raffau jährlich 400 000 J(, bis 311 
75%, Sachfen*Atihalt jährlich 500 000 JL bis 3 U 60%%, ,£>au* 
nooer barf bcS Vermögens in ber im §. 129, Abf. 2 bes 3» s 
nalibengcfebeS be^cid;neten SBeife gur görberung beS 23aueS non 
Arbeitermohnungen nermeitben unb hatte am 1 . April 5911708 ,51 c 4t 
bemifligt unb baoott über bie müubelfidjere Grenge 3294248,51 Jt 
0chleSmig*.§olfteiit barf V 10 beS Vermögens in §>ypotheFeu auf 
Grunbftücfe außerhalb ber pupiUarifdjcn Sicherheit aniegen, Mittel* 
franfeu fantt auf Arbeiterljäufer §ypothcFenbarlehen bis 3 U 75% 
beS 2Bertt)eS gemähren, Grofchergogthum Reffen \U beS Gefammt« 
nerntögenS für ben SBmi non Arbeitermohnungen. S)ie Rhein* 
prooins hatte bis 18. 3uli für Arbeiterroohnuitgen überhaupt 
5 370116 ^ bemiHigt, baoon über bie Riünbelficherheit hinaus 
bis 31 t % bes Berthes 2 928 516 M bei einer burchfchnittlichen 
AmortifationSquote non 1 V 2 %- — &er GingangS ermähnte An« 
trag mürbe angenommen. 

ArbeitSlofen - öcrftdjertntg unb ©übbcutfdje SMflpartel Auf 

bem Parteitag ber Siibbeutfchen 3$olfSpartei am 24. September 31 t 
Stuttgart machte ber SBorfitjeube nach ber „granff. 3^9-" gleidj 
GingangS ber SSerhanblungeit bie RUttheilung, „baß ber gmeite 
Gegenftanb, bie ArbeitSlofen*35erficherung, non ber SageSorbmtng 
abgefeimt merben miifete, ba ber Stefereut, 2. Sonnemann, nicht 
erfchienen fei". Auf eine Anfrage mürbe erflärt, „bafe bie nou 
£>erm Sonnemann in ^Betreff ber Arbeitslofigfeit norgefchlagetie 
^efolution nicht ben 93eifaH beS engeren AuSfhuffeS gefunben habe, 
unb bajj §crr Somtentann es beStjalb für räthlich erachtete, non 
feinem Vorträge abgufehen". Abgeorbnetcr Vatjcr bemerft, „es 
fei non Anfang an ni^t bie Abficht gemefen, bie Sache Fticr 
materiell 311 bisfutiren. SJian hatte gehofft, git einer einheitlichen 
gformulirutig gu gelangen, maS auf Sd)mierigfeiten geflogen fei. 
$err Sonnemann habe bie Anficht gehabt, bafe er in biefem Salle 
auf eine Serichterftattung ner 3 icf)teu folle." — GS märe intereffant 
gu erfahren, roelche fünfte im AuSfehufe gu SflcinungSoerfrfjicben* 
leiten geführt haben, nachbem man fid) boef) früher auf bie Grunb« 
guge eines V ro 9 r antmS geeinigt hatte, ^ie Srage foü nun übers 
3ahr auf bem nädjften Parteitag gur Spraye Fommen. 

*) GS betrug 1. Januar 1898 ü9ii(iöi)S2,i5 X (gegen ;.o:m3 7S9_ ; .ii M 
bes Vorjahres) unb fteigt ourausfidjtlid) jabrlidj um ctma lu SJiillioncit 
SPtarF. Xer ifapitalmerth ber ber Aujtnlt giir Vaft gelegten 'Mioalibeii* 
unb Altersrenten betrug am 1. oamtar ls97 22 190;?92 Ji. 


3Crhtlt5üiod)«ici5i. 

^ie erfte Serfammlnng bcS SerbanbeS beutfeher ArbettSuachtoetfe 
in München» 

Am 27. unb 28. September hat ber Skrbaub bcut|d)er Ar^ 
bcitSnachmeife feine erftc Honfereng in SMndjeit unter ^hcilnahme 
gal)lreid)er s D2itglieber uub oieler Oiäfte, bie il)t* Sntereffe an ben 
Arbeiten beS VerbanbcS auch in ber ^isfuffion bcFitnbeten, ab« 
gehalten. Gs mar oorauSgufehen, ba& bie baperifche Siegieruug 
bem Skrbanbe ihre Sympathien nt erFennett geben mürbe, ^er 
Staatsminifter beS 3nnern, Sreiperr oon öcili(jfch» bcr bie Ste« 
gicruitg oertrat, tl)at baS in Porten aufrichtiger AnerFennnng bes 
Geleifteten. Sotoohl ber S)hnifter, mie ber thatFräftige ^orfipenbe 
bes VcrbanbeS, Dr. 0reunb«^3erlin, betonten in ihren Anfpracheii 
bie SiothmeubigFeit einer burd)auS uttparteiifchen unb unetgeinitiibigen 
Leitung ber ötfentlichen SlrbeitSnachmeiSftellen mit oollem Stedjt als 
eine Grunbbebiugung für eine erfolgreiche Gntmitflung ber 3nftitu* 
tion. S)tit einem auSbrücflichen ^5rotcft gegen ben Sefchlitö beS 
ArbeitgeberocrbanbeS in l^eipgig, bag ber ArbeitSnad)meiS allein 
ben Arbeitgebern 31 t unterteilen fei (ogl. Sogiale V^ayiS, 3afn> 
gattg VII Sp. 1322), fchlofe Dr. greunb feine Ausführungen. Gs fei 
hier gleich eingefügt, baß fpäter aus ber 9Jfitte ber SSerfammlung 
Stabtratl) S3erghauji«Ä(iln noch einmal Aitlafe nahm, gegen bie 
&eipgiger 93efd)liiffe gu proteftiren; bie bort oerfammelten Vertreter 
ber Gro^inbuftriellen hätten auch im tarnen beS ftleingemerbeS ge« 
fprochen. ^)ie Glemerbeoereine, bereu SSorfifccnbcr er, Acbner, fei, 
ftünbcit nicht auf biefem StanbpuuFtc. Gr bebauere, ba& bie Grofe* 
inbuftricHen ben gefunben Aufmuchs ber gemeinnüfcigen ArbeitS« 
nad)meife gehemmt unb gefährbet hatten, ^ic .^in^ugiehung ber 
Arbeitnehmer habe fid) überall trefflich beroährt. 

$on ben fechs fünften ber STageSorbitung fonnten mit SHücf« 
ficht auf bie oorgefd)ritteue 3ctt nur oier 3 ur Grlebiguttg Fommen, 
mähreub bie 5öehanbfung ber fragen: $ie ArbeitSoernuttlung für 
roeiblid)e ^erfonen unb ^ienftboten unb bie Grrichtung oon Ar* 
beitSnad)toeifen in Heineren Orten leiber oertagt merben mußten.— 
9)tait mirb tropbem aus ben einbringenben unb fachlichen 33e« 
ratl)uugen bcu Ginbrucf gemonuen haben, baß fie eine 3«Hc oon 
bedchteitSmerthen Anregungen für bie Fünftige Arbeit ber Arbeits« 
itad)meisftelleu ergeben haben, meitn fie auch Feine formellen S3e« 
fchliiffe 311 3:age geförbert haben. 3)ian hat ber Anregung bes 
StaatsminifterS greif)errn oon 33erlepfd), fich bei ben 33erathungeu 
auf eiugchenbe Sefprcchung ohne ^efdjlufjfaffuitg über bie oor« 
licgetiben 9tefolutionen 31 t befchräuFeit, aus guten Grünbeit gu« 
^eftimntt, ba fich aus ber Sisfuffion oft bie 3?crfchiebenheit ber 
Drgauifation ber eingelneu lofalcn ArbeitSnachmeife ergab unb ba 
jebc Giitengnng biefeS burch bie fpcgiellen DrtSocrhältni|fe gebotenen 
inbioibueden GharaFterS ber Fommunalen unb prioaten ArbeitS« 
nachmeife burchaus 3 U oermeiben ift. 

S>er erfte Gegenftanb ber 33erathungen betraf bie grage: 
2öaS fönnen bie ArbeitSnachmeife bagu beitragen, ber 
l?anbmirthfchaft ArbeitsFräfte gu erhalten unb 311311 « 
führen? Als Referenten maren Rath Dr. Raumann«f)amburg, 
33ürgermeifter Dr. £h°ma«greiburg i. 33r .uub Affeffor Dr. Xreuter« 
§>alle a. S. befteüt. AuS ben Referaten unb ber TisFuffion ging 
heroor, bafe bie Anficht im Allgemeinen oorherrfchenb ift, baft aud) 
bie ArbeitSnachmeife 3 ur Giufd)rättFung beS 3 li gs in bie Stabt 
uub ber GutoölFerung auf bem platten Sanbe für ihren £1)°^ bei« 
tragen Fönnen. Als Mittel 3 itr Erreichung biefeS 3icls mürben an* 
geführt: AufFläruug unb '-Belehrung ber Iäublid)en BeoölFerung, 
Verbinbung mit ben lanbmirthfd)aftlid)en 33ehörben unb Corpora* 
tiouen 311 m 3mecFe ber mcchfelfeitigen Snformation über beit je* 
toeiligen Staub bes ArbeitSinarfteS in Stabt unb fiaub, 33eoor= 
311911119 ber eiul)cimifd)cn oor ben gugeroanberten |läitblid)cit| Ar* 
beitern bei ber 3umeifung oon Arbeit in ben ftäbtifd)cn Arbeits« 
uachmeifen, 3 ul 'ücfn>eifung oon Arbeitfuchniben, bie itid)t geuiigeube 
Rapiere oorlegen fönnen,' Serbinbung mit ber Vreffe 3111 ' regel* 
mäßigen Rcittheilung oon llcberfüllung beS Arbeitsmarftes. Gs ift 
erFlärlid), baß bie amoefenben Vertreter ber Arbciteroerciue mtb 
Gcmerffd)afteu fid) gegen ben SSorfdjlag ber 33eoorgugung ber ein* 
heimifdjeu Arbeiter unb ber Kontrolle ber Rapiere ausfprad)en: — 
an biefer Stelle möge gleidjgeitig bas erfreu(idie gntereffe, bas 
man in meiten ArbciterFreifen bcr Ihätigfeit ber nuparteiifdieii 
ArbeitSnachmeife entgegenbriiigt, mit befouberer Genugthnuug oer* 
gcid)itet merben. — ^ie Ausführungen bes Referenten Dr. Aan= 
mann fd)Ioffeu mit ber ^efürmortuug einer Refolntion, über bie 
jebod), ber ermähnten Anregung gnfolge, nicht abgeftimmt mürbe. 
3u biefer Refolution mirb neben ben oben fd)on ermähnten 



19 


6ogiaIe $ra$tö. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Str. 1. 


20 


Voftulaten bic regelmäßige £>erftcllung unb Vefanntgabe einer 
Ueberficßt ber angebotenen unb nacßgefragteit Stellen nach wirtß* 
fcßaftlicß gufammengeßörigen Vcgirfen geforbert. 

Die Verßanbluugen über ben gweiten $unft ber Veratmungen: 
ArbeitS.n ad>tü ei^ftatifttf, oeranlaßten etugehenbe ftatiftifcfte unb 
fogialpolitifcße Erörterungen ber Srage bureß bie Referenten SDireftor 
Dr. Vleicßcr*3frauffurt a. VL unb Dr. 3aftrow*Verlin. giirs erfte 
wirb itacß bem Ergebnis biefer DiSfuffiou ait ber Fortführung 
unb möglidjft forgfältigen AuSgeftaltung ber ^efd^äft^ftatiftif weiter* 
gearbeitet werben, wäßrenb bie Durchführung einer Snbioibual* 
jtatiftif mittelft 3äbtfarten wegen ber bamit oerbnnbeneit Soften 
oorläufig noeß auSgefcßloffen fein wirb, Dirdtor Vleicßer [teilte 
eine Steiße non Einträgen, bie, wie bie Stefolution Des StatßS 
Dr. Naumann im Ausfcßuß oerarbeitet werben ; in biefen Anträgen 
wirb eine genaue unb gweefmäßige Führung ber (^cfc^äftöftatvftif 
bureb bie einzelnen Arbeitenacßweife geforbert. 

Eine wenn aueß fnrge, fo bodb febr fruchtbare Debatte ergab 
bie DiSfuffion über baS Dßema: Empfiehlt fieß bie E)e* 
biißrenfreißeit bei ber ArbeitSoermittlung? (Referent: E)eß. 
Dberfinangratß FudiS*$arlSruhe), ba gerabe hier fieß bas Vor* 
banbenfeiu großer Vcrfeßiebeiißeiten in ber Drganifation ber einzelnen 
(Stellen ßerausftcttte. Die Debatte ergab benn aueß, baß bie An* 
fießtett über bie 3 10ec f m äßigfeit ber Erhebung oon ßiebüßren feitenö 
ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer je nach ber Drganifation beS 
fpegieflen ArbeitSnadjweifeS oerfeßieben fein müffen. Der Wunfcß 
ita<ß oofliger Unabßängigfeit ber Stelle uon Arbeitgebern unb 
Arbeitnehmern, bie nur Durch (Muihreitfreißeit erhielt werben famt, 
pt in gewiffen fällen bic gleiche Verewigung, wie in anberen 
bie Erwägung, baß bie Erhebung einer (Gebühr oon Arbeitgebern 
begw. Arbeitnehmern in Solge befonberer Vcrßältniffe, aus materiellen 
ober ctßifcßen Gkünben, burcßauS am ^lafee ift. 

Vtit ber Vefprcdjung über bie ©ebüßrenfreißeit feßloß bie 
ftonfereng am Dienstag; am Mittwoch faitb noeß eine engere $on* 
fereng ftatt, bie ftdfj inSbefonbere mit ber Örage ber Verarbeitung 
ber Anträge unb Vefolutionen befcßäftigte. Der Vorftanb würbe 
bur<h Afflamation wiebergewählt. 

3weifelIoS hat bie erfte ftonfereng beS VerbanbeS beutfeher 
Arbeitsuadhweife außerorbentlicß niele Anregungen gegeben, bie für 
bie 3nfunft uon Vebeutung fein werben, anbererfeits hdbeu bie 
Verathungen, bcfonberS über bie Srage ber Abhülfe in ber länb* 
liehen Arbeiternotß manche unrichtige, bisher uielgehörte llrtßeile 
wiberlegt. Senn ber Verbanb beutfeher Arbeite nach weife, bem 
jept 66 ArbeitenacßweisfteHen als Vtitg lieber an gehören, fich fo 
ausbeßnt, wie es im Fittercffe einer Ecntralifation beS Arbeite* 
itacßmcifeS wünfcheitewerth ift; wenn er ferner in ber iiage fein 
wirb, bie entgegengefepten Veftrebungen ber. ein [eiligen Fnteretfcnten* 
Arbeitenacßweife nttb ber gefährlichen gewerbsmäßigen Arbeite* 
uermittler erfolgreich gn befänipfcit, fo ftef)t gu erwarten, baß bie 
reichen Anregungen ber Vfündjener ftonfereng auf einen fruchtbaren 
Voben fallen unb baß ber Verbanb beutfeher Arbeitenacßweife ein 
fräftigeS Werfgeug bei ber Durchführung ber fogialen Reform 
fein wirb. 

VJüucßcn. V fl nl Vüfcßing. 

* * 

* 

AuS Anlaß ber VJüncßetier ArbeitSnacßmeiS*£onfereug uer* 
öffentlicßt ber „Vorwärts" eine ^nfeßrift, j n njelcßer mit Siücfficßt 
auf baS Veftreben gewiffer Untcrueßmerfreife, ben Arbeitsnachweis 
als ein Machtmittel im fogialen Kampfe in ben £>änbcn ber Unter* 
neßmer gu organifirett, uor einer Verfcßmelgung ber gemerffeßaft* 
ließen Arbeitenacßweife mit ben unparteiifeßen fommunaleu ArbcitS* 
naeßweifen gewarnt unb befürwortet wirb, ben Arbeitsnachweisen 
ber Unternehmer inöglicßft überall gewerfftßaftlicße Arbeitenacßweife 
entgegengufepen. Sn ber ^nfeßrift wirb gwar ber Aupert ber un* 
partetifeßeu Arbciteuermittelung für ben Arbeiter anerfannt unb 
betont, baß gruubfäplicß nichts bagegen eiitgewenbet werben fönnc, 
wenn ber Arbeitsnachweis als foießer ben fogialen DageSfäntpfen 
banernb cntgogeit werbe: aber folange e* ben fommunalen Aacß* 
weifen nicht gelinge, innerhalb ißres (Geltungsbereichs bic Unternehmer* 
naeßweife gnnt Anfcßluß an baS fontmunale Snftitut gu gewinnen, 
werbe es mit einer erfolgreichen VMrffantfcit beS gemeinfamen 
ArbeitSnacßweifeS überhaupt feßr rafd) gu Enbe fein. Ai'ait ßättc 
in Vciindien ben Vertreibungen ber Unternehmer, ben ArbeitSnad)* 
weic' gu monopolifiren, fcßärfeu gu treibe geßen itnb ftatt eines ein* 
faeßen VrotcftcS über Mittel unb VJege beratßen füllen, wie ben 
Unternehmern ihre einfeitigen .^errfcßaftegeliifte oereitelt werben 
tönnteu. DaS fei iticßt gefdjeßen unb ben Arbeitern bleibe nießts 


übrig, als ben uämlicßeu V3eg gu befdjreiten, ben bas Unternehmet* 
tßum auf ber üeipgigcr itonfereng eingefeßlagen ßabe.. 

Stäbtifcßer Ar&eit$tta<ßtoet$ in Eßarlottenbnrg. Am 1. DFtober 
ift in Eßarlottcnburg ein ftäbtifd)er Arbeitsnachweis eröffnet. Die 
©efcßäftsftunben finb oon 8—12 llßr oormittagS ,(im 0omnter 
7—11) unb ‘3—6 Ußr nachmittags an ben Wochentagen unb 8—9 
Ußr uormittagS an ben 8onutagen feftgefept. Der Arbeitsnachweis 
»ermittelt Arbeitsgelegenheit, unb gwar foftenlos, nur für un* 
gelernte Arbeiter unb Arbeiterinnen, welcßc in Eßarlottenburg 
woßnen, mit Ausnahme beS EefinbeS. Die Wahrnehmung ber 
VermitlelmtgSgefcßäfte ift in ber männlicßen Abtßeilung einer 
männlidjen Vcrfon, in ber weiblüßen Abtßeilung einer weiblicßett 
Verfon übertragen. Verwaltung unb Veaufßcßtigung beS 

ArbeitSnacßweifeS ift eine Deputation, befteßenb aus bem Vor* 
fipenbett beS EJewcrbegericßts, einem «EtellDertreter unb je brei 
Arbeitgebern unb Arbeitnehmern eingefept. — Die enge Vegrengung 
ber Dhätigfeit beS ArbeitSnacßweifeS ift gwar bebauerlicß; wo aber 
erft ein Anfang gemaeßt ift, werben bie Verßältniffe feßon gur 
AuSbeßnung brängen. 


©enoffcnfdjaflsnicrni. 

Arbeiterprobtthingettoffenfchaften in ^ranfreteß. Das fran* 
göfifeße Arbeitebureau ßat leptßin eine befoitbere Erhebung über 
bic Arbcitcrprobuftiugenoffenfchaftcu in Sranfreicß angcfteUt unb 
baS Ergebniß fobaun in eingeßenber Ausarbeitung gur Veröffcut* 
lidjung gebracht (Les Associations Ouvriöres de Production. Paris, 
Imprimerie Nationale, 1897). Die erfte Vegriiitbung einer 
Arbeiter*Vi*öbuftiogenoffenf(ßaft fanb banaeß in SJraufreicß bereits 
im 3aßre 1834 ftatt, aber einen größeren Auffcßmung naßm bie 
8 ad)e erft im %afyvc 1818, als ber 8taat brei VFillionen JvranfS 
gu bem 3 lüef f e nusfepte, um ©enoffenfdjaftcn, welcße tßeils oon 
beit Arbeitern allein, tßeils non Arbeitern in Verbiitbuitg mit 
Arbeitgebern gegriinbet würben, gu unterftüpen. Auf biefen, wefent* 
ließ biird) bas Eingreifen bes Staats beförberten Auffdiwmtg folgte 
aber fcßoit im Saßrc 1S52 ein Vücffcßlag, nadj wcltßcm erft 1863 
wieber ein lebhafteres Sntereffe für Arbcitergenoffeufd)aftsgrünbungen 
fich geigte. Der beutfd)*fraugöfifd)c Mrieg oon 1870/71 mußte oen 
Arbeiterprübnftiugeuoffen|d)afteu naturgemäß große 8d;äbigunaen 
bereiten unb ift es Deshalb uüßt gu oerwuttbern, wenn biefelben 
feit 1871 wieber meßr guriieftraten. Eine Weitbung trat wieberum 
im vSflpc 1881 in Jyolge oerfeßiebener Umftäube ettt; einmal traf 
ber V^üfeft beS 6einebepartements befonberc Anorbnuitgen, um gu 
erleichtern, baß größere öffentliche Arbeiten butd) Arbeitergenoffen* 
fcßafteit fontraftmäßig übernommen werben föunteu; fobanit würben 
Durch ein VcrmäcßtmH beS 9)f. SHampal ber Stabtoerwaltung oon 
Vatis aufcßulicße Summen gur Verfügung geftellt, um biefelben 
bureß ©ewäßrung oon Darlehen gur Unterftüpung aller Arten 
oon Arbeiterqcitoffenfcßaften, feien eS Vtobuftiogenoffenfdjaften, 
feien es Diftributiogcnoffeufcßaften, feien eS Ä'rebitgenoffenfcßaften, 
xu oerweitben; enblid) bilbetc aber noeß eine wefentlicße Sörbcrung 
Die Vegriiubung ber allgemeinen genoffcnfcßaftlicßeu Vereinigung 
Der Vrobuftiogenoffenfdjaftcii. Aacßbem itad) 1885 wieber ein ge* 
wiffer StiUftanb eingetreten, wirfte 1888 ber Erlaß einer bc* 
fonbereu Verorbnnng neu bclebeitb, in welcßer bic Vebiitgungen, 
unter welcßen bie Arbeitergenoffenfcßaften bei ber fontraftmäßigen 
Verbinguitg ber offentlidjeit Arbeiten gngclaffeit werben foUteu, 
aUgemein eine für Die (^eitoffeufchaften günftige Regelung fanben. 
3tn Qaßre 1893 fanb enblicß bie Elrünoung ber Vanf für V l *o* 
buftiogeuoffenfehaften ftatt unb ebeufo bie erfte einer Steiße oon 
Vewifiigungcn öffentlicher ©elber, welcßc bureß ben Vefcßluß ber 
gefepgebenben 7?aftoreit gur Unterftüpung ber Arbciterprobuftio* 
geuoffenfdjaften gur Verfügung geftellt würben, Vewilligungen, 
toelcße fid) bureß bie folgenden Satire in gleidjer Weife fortfepten 
unb wefcntlicß guitt weiteren Auffcßwung unb ©ebeißcit ber Ar* 
beiterprobuftiogenoffeiifd)aften beitrugen. Die Ausarbeitung giebt 
fobanu eine genaue Darftelluug ber einzelnen tppifcßcit Arten ber 
Dorfomtneuben Oleitoffenfdjaften unb umfaßt citblidj eine eingeßenbe 
ftatiftifeße Aadiweifnng für bie fämmilicßeu in ?raufrcich befteßen- 
beu Arbeiterprobnftiogeiioffeufchafteu, in welchen bereu Verßältitiffe 
nach bem 0taube ooin 3aßre 1895 im Eingelucu, foweit bie bagu 
uötßigeu Daten gu erlangen waren, flargclcgt werben. Wir wollen 
Daraus nur folgeube allgemeine Angaben unter Umrccßniiug ber 
Wertßbateu auf nufere Währung ßeraushebeu. Die (^cfamtiitgaßl 
ber Arbeiterprobuftiogeuoffeufchafteu belief fid) nach ben ^eft* 
ftcllnugen im oaßre i s 95 auf 172; oon fiebeit berfelbeu waren 



21 


©ogtale $rafi$. Eentralblatt für ©ojialpolitif. Sir. 1. 


22 


aber oerroertbbare SDlitt^eiluiigeit be^üc^Hcfj ihrer Berl)ältniffe im 
Eingelneu liiert 511 erlangen, fo baß fid) alfo ber weitere 
Etngelheüen nur auf 165 ©enoffenfehaften belieben. Die ©efammt« 
mitgüebergabl betrug Enbe 1895 9029, baS eingegahlte Anteil* 
fapital 9 372 400 Jt, bie ©utljaben ber einzelnen Biitglieber 
gegen bie ©enoffenfehaften 1 115 920 Jt, ber ©efammtwerth ber 
im 3abre 1895 entern!eiten ©efd)äftSthätigfcit 23 916 280 Jt„ ber 
gefammte ©ewintt beS QahreS 1895 1 928 180 Jt Bon ben einge« 
gablten ©enoffenfchaftSantheilen gur ©efammthölje non 9372400^ 
ift weitaus ber größte Dheil, über brei Viertel, in ben Hanbett 
oott Arbeitern, welche aud) gur 3 C ^ noch ^Befd)äftigitng burd) bie 
Oien offen fd^aft haben wollen, ber Betrag ftellt fid) auf 7 153 820 Jt \ 
675 540 Jt ber Anteile befipen frühere Arbeiter ber ©enoffett« 
fefjaft unb 1 288 880 Jt aitbere Arbeiter, welche aber git bem oon 
ber ©euoffenfepaft betriebenen BerufSgweige gehören; nur 254160 Jt. 
entfallen auf britte 'ißerfonen, welche gu ber ©enoffenfehaft in feiner 
weiteren Eichung ftehen. Als (Gewinn würben 1895 inSgefammt 
1622 920 Jt gur Bertheilung gebracht; baoon floffen 162 400 Jt 
in ben BeferoefonbS, 960 040 Jt würben als 3infen ober Diui« 
benbe auf bie Kapitaleingahlungen begto. bie Anteile oertheilt, 
61 860 Jt entfielen auf bie ©efc|äftsleitung, auf bie Arbeit würbe 
ein 3 ll fd)i a 9 gegeben, unb gwar an bie oon ber ©enoffenfehaft be« 
fdjäftigtcu Btitglieber 229 860 Jt, an befchäftigte Bid)tmitglicber 
156 250 Jt, enblid) würben noch als SottbS für unoorhergefehene 
llnglücfSfälle 52 480 Jt einbehalten. Die ©efammtgaf)l ber Be« 
fdhäftigten belief fich währenb bes 3apreS 1895 in Biiuimo auf 
8287, in Biarimo auf 11 599, an Biitgliebern würben in Biinimo 
4013, in Btayimo 4864 befchäftigt, an s 32id)tmitgliebern in Bhnimo 
4274 unb in 'Diajimo 6735. Der gezahlte Sohn betrug inSgefammt 
9 725 360 Jt Dagu ift aber noch hernorguheben, baß bie franko* 
ftfd)c Darfteüung bie DranSportgenoffenfdjaftert mit unter bie $ro* 
buftiogenoffenfehaften gäplt, was fonft meift, fo auch in ben eng* 
lifchen Berichten beS Labour Department, beS Board of Trade, 
nicht gefchieht; unter ben 165 oorbehanbelten ^robuftiogenoffen^ 
fchaften befinbeit fid) 1? DranSportgenoffenfchaften, h au Pifäd)li<h 
Bereinigungen oon Drofchfenfutfchern, für welche ein Bkrth bes 
©efdjäTtSbetriebeS mit 3397980 Jt unb ein (Gewinn mit 166940 Jt 
in Anlaß gebracht ift. Anbererfcits ift aber bie große Mehrheit 
ber Bäcfereigenpffenfd)aften (509 oon 514 ber im 3 af)re 1895 be* 
ftehenben) im frangöfifdjen Bericht nicht mitberücffid)tigt worben, 
ba man biefe irt graitfreich burepmeg 31 t ben Diftributiogenoffen* 
fdjaften (societes cooperatives de consommation) rcd}net, ein Ber« 
fahren, welches auch nicf)t allgemein üblich ift, aber ftch barauf 
grüubct, baß bie größte 3 a hl ber Bäcfereigeuoffenfdjaften in ber 
Haupt) aepe ober auSfd)lieblich tpr ©efepäft nur für beit Verbrauch 
ber ©cnoffenfcpaftsmitglieber betreibt. Bom Staat ober aitbercn 
öffentlichen Korporationen erhielten im Sapre 1895 148 Arbeiter® 
Brobuftiogenoffenfcpaften Bekräftigung, ber ©efepäftsbetrieb ber* 
felben war im Clausen mit 13 237 180 Jt, bewerbet unb entfielen 
baoon 3 658 660 Jt- auf bie burd) ben Staat ober bie fouftigen 
öffentlichen Korporationen gebotene Befcpäftigung. Staatliche Bei« 
hülfen würben in ber $t\t t>om 1- Sanuar 1893 bis gunt 1. 3a* 
nuar 1897 inSgefammt an 135 Slrbeiter^robuftiogenoffcnfchaften 
gewährt unb baneben auch an bie Allgemeine Bereinigung ber 
^robuftiogenoffenfehaften, an ben Sübweft«Bunb ,unb an gwei 
•probuftingenoffenfehaftsbanfen; bie Höhe biefer Beihülfen ftellt fich 
auf 289 600 , //. geftgeftellt ift, baß im 3apre 1896 bie Arbeiter« 
^robuftiogenoffeufefiaften fich in gang wefentlichem Blähe weiter 
eittwicfelt haben; ipre 3 ah* ft>H bis auf 202 geftiegen fein. 


3Umenpflegr. 


Die 18, 3ahreSoerfamm(ttttg beS BereinS für Armenpflege ttnb 
SBofjlthätigfeit tagte am 29. unb 30. September in Nürnberg. 
(Den erften Bericht erftattete Stabtrath Dr. Biuenfterberg«BerIin 
über auSlänbifcheS Armenwefen; er gab eine lichtooHc Heberftd)t 


über bie neueren Begebungen auf bem (Gebiete beS ArmenwefenS 
im AuSlaitbe. Darnach fpraef) 9tegierungSrath 5alch*Stuttgart 
unb Sanitätsrath Dr. Bär*§jirfd)berg über $ülfe in aufeerorbent« 
liehen Bothftänben. Bach Kenntnifjnahme biefer Beridjte würbe 
oorläufig Bertagung ber Berathung über biefen ©egettfianb bc* 
fdhloffen. @S beachteten fobann Dr. §irfchberg«(5hatlottenburg, 
Dr. 3afftein«$otSbam unb Dr. Btuenfterberg«BerIm über 3n?angS« 
maßregeln gegen ernährungspflichtige Angehörige. Die Befo* 
lutionen hfergu betonen im Anfd)tuh an bie oorgeleaten drgebitiffe 
ber herüber ftattgehabten Erhebung bie Schwere oiefeS fogialeit 
unb wirthfehaftlichen Hebels. 3 n ber fchr lebhaften Erörterung 
befürwortete bie Btehrgahl ber Bebner Einführung beS Ber« 
pflegutigSgwangs. Ein bahingchenber Antrag Büh^amburg 
würbe mit bem 3 u fab angenommen, bah bie befiehenbeit Straf« 
oorfchriften ocrfchärft werben. 

B?citcr berichteten BathSaffeffor 3leifchmann«Bürnberg unb 
Armenratl; Dr. Bulanb«Eolmar über bas Dhema: „Die medjfel« 
feitige Unterftübung oon Beidjsangehörigen in ben eingelneu 
BunbeSftaatcn." Beibe Berichterftatter gehen oon ben eigenthüm« 
liehen Berhältniffen ihrer .^eimathlänber Bapcrn unb Elfah- 
Sothringcn aus. Beibe Bebner halten entfprcchenb ber burch bie 
BeidjSoerfaffung unb bie BMrthfchaftSgefebgebung gefchaffenen recht« 
lid)en wirthfehaftlichen Einheit DeutfdjlanbS auch auf bem (Gebiete 
ber Armenpflege bie Herbeiführung eines einheitlichen 3 u ftanbes 
für erforberiid). Ollei^mähiae, gefeplidj fichergeftellte Unterftüpung 
für jeben Dcutfchen, 5artfall willfürlicher AuSweifung feien un* 
erlähliche Sorberungen. 3n ber Berfammlnrig herrfchte hierüber 
DÖÜige Uebcreinftimmung, unb eine bahingehenbe Befolution fanb 
bemgemäh Annahme. ES folgte ber Bortrag beS Beigeorbneten 
Dr. Schmibt«3Jlaing über baS ihema: „Epiftengminimnm in ber 
Armenpflege, fowie Anrechnung ber Seiftuugeit ber Brioatwohl* 
thätigfeit unb ber Qnoalibenrenten auf baffelbe." Korreferent war 
Stabtrath Eitno«KönigSberg. Es würbe eine Befolution an« 
genommen bes QnhaltS, bah bie Höhe ber aus öffentlichen Btittelu 
gu gewährenben Hnterftüpung auf ben gur notdürftigen Unter« 
haltung nach örtlichen unb inbioibuellen Berhältniffen erforberlichen 
Betrag für bie bem Haushalte augehörigen Sainilienglieber gu be« 
rechnen fei. 3uoaliben«, Alters« unb Hufallreuten feien grunb« 
fäplich in Berechnung gu giehen, Seiftungen ber Brioatwol)lthätig« 
feit nach billigem Enucffen. — Den Schluß ber Berhanblungen 
bilbete baS Dhema: „3ufluchtftätten für weibliche ^Serfonen", 
worüber Beigeorbneter AberS«ElbcrfeIb berichtete, inbent er bie 
©rünbung berartiger Anftaltcn ben Berfammelten briitgenb ans 
Herg legte. — Bach Erlebigung geschäftlicher Angelegenheüen würbe 
bie Berfammlung 00 m Borfipenben Sepffarbt«Krefelb gefchloffen. 


St|iet)uitg nnb fiilbung. 


Daß ArHitennflitMt gn ©torfljolm, bcffcit SBirffamfcit burd) Er* 
wähnung fowopl in biefen Spalten (Jahrgang 1896/97) als in beut 
„Arbeitcrfrcunb" (Jahrgang 1896) bcutfchcii Befcru fepon befannt ift, 
bat einen Bcridjt für fein 18. Arbeitsjabr (13. September 1897 bis 
30. April 1898) erftattet. Die Borlefungsfurfc, bie alle 3Berftage uni 
8‘A Uhr Abenbs, Sonntags um 9 llljr Borgens unb 5 lU)r Abcttbs 
gehalten werben, haben Kalligraphie, SRatöciuatif, Aftronomic, SKctcoro« 
logie, Ehemic, Anatomie, ^hpfiologie, OU'funbhcitSIchrc, allgemeine unb 
fchwcbifdie Kulturgcfd)id)te, uorbifdjc 5Eittcraturgeffhidhtc unb Bolfs« 
wirthfdiaftslehre behanbclt. Auherbem ftnb einzelne Borlefungcn in 
oerfdiiebeueit Fächern gehalten, ^nsgefammt ftnb, gegen ein Eintritts« 
gelb oon 10 (begw. 25) Cere 242 Borlefungcn gehalten, bie oon etwa 
22 300 Zuhörern befudjt worben finb. Das ift eine nidjt unbeträchtliche 
Abnahme im Berglcicp mit bem oorigeit 3ahrc; ber (Mrittib liegt wohl 
in ber großen ffanbinaoifd)en AuSftcHung bes Borjahres. Außerbcm 
ftnb au Sonutagsabeubeu 28 Bolfsfongerte (Eintrittsgelb 25 £cre) 
gegeben worben, bie oon 11 500 3uhörern bcfucht waren. Die Biblio« 
thef enthält jeßt 2245 Bäitbe, wooott 1229 oon 271 Ausleihern britußt 
würben. Die 2cfehalle würbe oon 3371 ^erfoiteit befucht. Das Ber« 
mögen bes ^ufütutes beträgt 126 592 Kronen (baoon bas ftebäube gu 
98 592 Kronen gcfdjäpt); bie Ausgaben beliefen ftch auf 19 909 ,17 Kronen. 


Die gleicpgeitig h^nnit ausgegebene Br. 1 ber BtonatSfcprift 

„DaS ©etotrbegen^ enthält: 

3ur rechtlichen Stellung ber Hßituarbciter. ©utachten 
bcS BegutacfttungSauSfchuffeS bes ©ewerbegerichts Dffenbach- — 
Berfafjung unb Berfahreu: Borfipenbe unb Beifiper im ©e« 
toerbcgcridit. — Statut beS ©ewerbegerichts Boftocf. — Bccpt« 
fprechuttg: Btittpeilungen aus beit Entfdjeibungen ber ©ewerbe« 
gerichtc 3micfau, Breslau, Berlin, Solingen, beS ©ewerbegerichts unb 


| SanbgerichtS Köln, bcS ©ewerbegerichts, Sanbgeridjts unb 0ber« 
i IanbeSgcrichtS Jranffurt a. s Hc., bes Königlichen DberlaubeSgerithi^ 
I Hantm unb bes SanbgerichtS Stuttgart. — Einigungsämter: 
j 3um Branbenburger 3öumererftrctf. — Berfdjiebeues: Beifiper« 
oereinigitng. — BerbattbS*Angelegenheiteit: Beitritt gum 
Berbanbe beutfeher ©eroerbcgerid)te. — Eintritt in ben Ausfluß. — 
Brieffajten: S. Br., Boftocf. — H- Bi. — oiihalisaiigabe 
ber „Sogialcn Braris". 


ScrantioortlicQ für blc Äcbaftion: Dr. Grnft granefe tu SBculin \V„ Satjrciilljcrftmßc jj. 


23 Soziale ^rajiö. Gcntralblatt für Sojialpolitif. 9ir. 1. 24 

®f* »»$o{iale pvuvtö** crfOjeint an jebem 5T onner^tafl unb ift burci) alle Vucbbanblungen uiiö V°Üüinter (Voitacitungßnuinmer 67 % 29 ) ju bejteljen. £>er ^Jreiv 
für baß Vierteljahr ift 2Ji. 2,50. 3ebe Stummer foftet 30 Vf- ®«t AnjeigenpreiO ift GO Vf- für bie breiqefpaltene V^üjeile. 


Um beit lteufjtnjiigetrctcueii Abonnenten nuferer Söodjcu* 
frf;rift bcu Vejug brr älteren Jahrgänge Su erleichtern, Inffcn 
mir bie folgrnbc zeitweilige ^reietherabfehttttg eintreten: 

£o lauge ber mir noefj geringe Vorrat an oollftäubigeu 
ISyemplaren reicht, mcrbcu öic CtrftClt fcd}S 

3abrcjän<$e ber Sozialen praris, t>. n. 

Xa«< 3o,hnlpolitifd)c <£entralblatt Jahrgang 

I—III (Januar 1892 biö September 1894), unb barau 
anfdjließenb 

$ie Soziale $ragt£, Jahrgang IV—VI (Cftober 
1894 biö September 1897) 

junt ermäßigten ©efamtbarpreife non mir 36 9Jtarf für 
bad hollftänbige (^cmplar abgegeben (ftatt bisher 
60 Sftarf), lieferbar ^eip^ig. 

3u biefen Vcbiuguugcu fauu jebc befferc Sortintentobud)* 
baublung liefern. 

vripjtg, imih. Smufeet & fjntiiblot. 


Solange ber nur noch geringe Vorrat an ooll= 
ftänbigcu lfj:emplaren reicht unb biefe zeitweilige 'J$rei3= 
herabfetinng ntdjt aufgehoben ift, merben bie 

Slütto für ioniilE ptaris, 

Jahrgang I, II unb in. Jahrgang, erfte* 
ü.uartal (jnfantmen 117 Hummern) (4. Januar 1893 
bis! 28. V?ärj 1895) 

jum ermäßigten ©efamtbarpreife uou 13 8Wf. 50 
für ba* oollftänbige Grentplar (ftatt bisher 22 Vtf. 50 Vf ) 
abgegeben, lieferbar Seipjig. 

3u biefen Vcbiugitngen faun jebe befferc Sortimente* 
budjbaublung liefern. 



Ihirdi jebe Sortimentsbudjhcmblung ju be¬ 
lieben: 

lieber einige 

(Q rnnbfrnnen her gnpnlplitik 

unb ber 

T)olf$wtrtfd>aftelehre. 

Don 

tßuftav» ScbmoUer. 

^ 18M8. -rf 

-Otei? 0 JHIt. 40 Pf.- 


Revue cTEconomie 
Politique. 

Hgg. von Cauißf&s, Gide 9 Schwiediand und VMey. Redactionssecretüre: Jay 
und Kouchon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard, v. Böhm- 
Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, Issiyev, v. Körösi, Laveleye t, 
Levasseur, Doria, Macleod, Mataja, du Maronssew, Menger, v. Miaskowski, Munro, 
v. Philippovlch, Piernas, Pigeonneau f, Rabbeno f, Sauzet, Schmoller, Walras, Webb, 
Westergaard. - Ständige Chtouik der Wirtschafts Gesetzgebung Frankreich* 



Preis jährlich 21 Francs. 

Verlagshandlung L. Larose in Paris. 


Tli^ (ßiitfü^rung in Me ^rahtirdfc pflegetkätigketi 

¥FlT P | |T| P Jl f 11 I J P Von Stabtrat Br. jur. h\ Wünftcrbcrg. ls97. 0 )cb. Vff. 3.—. 

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„Xie Sdimeij ift ju gut, um, mie (tfenoffe ^icbfncrfd erflärt bat, ein Vcrfudiofelb für focialpolitifdjc 
Vrobleme ju fein. Xaju ftub mir 31 t gut für bie Herren Socialiften in Xeutfdjlanb unb in ber Sdjmeh." 

Vunbesrat tendier in ber Debatte über ba$ „Acdit auf Arbeit" im Aationalrate. 

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Der Anarchismus ^ es uocialismus revolutionären Bewegungen 


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I «Berlin, ben 13. Dftober 1898. 


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mit ber HKonatSbetlage: 


Das CBewerbe^ericßt» 

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91chc golge bet „Slätter für fojfale fPtofW" unb be« „Sojlalpolttifdjen Sentralblnttg*. 


Srfftetet an Icbew Sonnerfiag. 

SRebaftion: Setlin W., Sapmitljetftra&e 29. 


Herausgeber. 

Dr. drnjl Jtaftdte. 


fteet« nimölüfll# X WU 60 ff. 

»erlaß bon ©unefer & ©umblot, Setpglg. 


3ttljatL 

&onflte& bet belflifcfcen HKinenarbetter. 
Scbioeiaer ©tfitUverein. 

©et BcxeinSvetbanb ber ettfllif<^en 


©ießebrlinßÄ jfl^tuuö im335iier« 
Ae»erbe. Bon Brofeffor Dr. R. 

Olbenberg, HKnrbutß.25 

©er farteitag ber beutfefjen 
6 <> 3 ialbemofratie in Stutt¬ 
gart.30 

MU §emetnt ©*«tal* »«bÄteHHaft*» 

ptftttf.34 

Soaialpolitifcbe f Idne für bte 
nödjfte 8 teidj 8 tafl«feffion. 

©ie redjtlitbe ßulüffiflteit be« 
©parawangß. Bon ßebmaib, 
»eigeotbnetem in ©uidburg. 
AtbeitSfammern. 

©ie babifdjeStegierung unb bieStreilß. 
©oaialpolitifcbed au« »elgien. 
flan eine« engliftben Arbeitgeber* 
Berbanbe«. 

mmmmmU Coaialpalittf. 37 

©eweibeumfafcfteuer in ©reÄben. 
Stäbtifibe BiiSceflen. 

Soziale Bnftänbe . ;.30 

©ie Sage bet Bauarbeiter in 
Amfterbam. Bon Dr. ©uftav 
HK aper, Btüffel. 

©er ArbeitSmarft im September. 

©ie ©efunbbeit ber unteren Eifen* 
babnbeamten. 

Ämberarbeit in fttanffurt a. HK. unb 
(Sbemniß. 

9tu«bel)nung be« ©rofebetrieb« in 


HKannbeim. 

Hnbeiterbetncfanfl.40 

Allgemeiner Au«ftanb im B<*' 
rifer »augetoerbe. Bon ft. 
©c&ottb&fer, Bari«. 


©efammtverbanb ber EvangeHfdjen 
Arbeitervereine ©eutfcblanb«. 

©er bapetifebe' EtfenbabnerVetbtmb. 
Streif« in ©eutfipianb wößtenb be« 
September«. 

©egen leichtfertige Streif« im Brau- 
geroerbe ju ©amburg. 

Sobnbewegung im Htubrfoblenrevier 


Eifenbapner. 

9lad) bem tfoplengruben » AuÄftnnb in 
Süb*9Date«. 

AuSjtanb in ber HKöbeUtfcblerei von 
©cpottlanb. 

üvbctlcrtfM#.45 

»ergarbeiterfebuß-ftorberungen. 

Sd)ufc ber Arbeiter in ber febttjeijeri. 
f<ben Sünbboljinbuitrie. 

AuSbebnung be« Arbeiterfcbu|j)e« im 
Danton Büricb 

Neuerung in ber englHdjen f^abrif« 
infpeftion. 

ttrbciter*erft<be*»«i4- ©parfaffen. 46 

©ie Snöalibität«. unb Alter«. 
oerfi(berung«*Anfta!t Berlin. 


ft) »plf aprt« eiterig uitgen.48 

HKäbcben* unb ftrauengruppen für 
fojiale £Uf«arbeit in Berlin. 

©enoftenf<baf*3toefett .49 

©ie ÄooperatiogefeUfcbaften in Eng* 
Ianb. 

Friendly Societies in Auftralien. 

ffBppnungftmefen.49 


©ie SöobnungÄfrage in ^ol* 
lanb. BonDr.S. B. vanßanten, 
Amfterbam. 

3Bobnung«notb in beutfepen ©roß* 
ftßbten. 

Staatliche ftörberung be« Baue« von 
Arbeiterbüufern in Ungarn. 

©oaioie $»ngtcnf.51 

Born Suberfulofen • Sage ber 
Berfammiungbeutfcber Htatur- 
fotfeper unb Aergte in ©fiffel* 
borf. Bon Dr. ©eorg Siebe,. 


So«lau, ©berfcplefien. 

Avauettbetvcfung.53 

©ie 3. ©eneralvetfammlung be« 
Bunbe« beutfeber fttauenVeteine. 

Vtlterartfäe *lngtt§e?i.54 


Abbrucf f&mmtticper Artifel ift Leitungen unb 3 e üf duften geftattet, jeboep nur 
mit voller Quellenangabe. 


Bit Üf^tllac^jiidjtnng im Batfaergemerbe. 

©>ie Enqueten ber lebten Sa^re haben gegeigt, baß gerabe in 
ben wenigen Branchen, in benen ba^ Jpanbmerf nod) einigermaßen 
lebensfähig ift, bie Hfteifter fid^ bureß bas gemiffenlofe HKittel einer 
übermäßigen ßehrlingSgüchtung bereichern. (Sin HKeifter, ber 
mehrere Lehrlinge unb baneben feinen ©efellen befchäftigt, fpart 
an ärbeitsloha, fann aber ber SttuSbilbung unb ^rjiehung beS 


einzelnen SehrlinaS nicht bie nötige Sorgfalt guroenben unb tragt 
gleichseitig bagu bei, fein ©eroerbe mit Senifsanroärtem 311 über* 
füllen. Vielfach wirb auch ber ßehrling überanftrengt, nur einfeitig 
auSgebilbet unb nebenbei 311 häuslichen ©ienften- mißbraucht. 

3 u biefen §>anbroerfen gehört bie »äeferei unb Sfonbitoret. 
9tad) ber BäcfereUiSnquete non 1892, bie gerabe bie fdjiimmften 
ßehrliugSbrutftätten nur geftreift hat, fann man fräßen, baß 
minbeftenS 40 % ber ©efchäfte, bie mit Lehrlingen arbeiten, toe* 
niger (Mellen als Lehrlinge befcßäftigen. Ueber bie empörenbe, 
3 um Shell non ben HJteiftern felbft eingeftanbene Ausbeutung btefer 
Lehrlinge finbet man in ben Seftftellungen ber leßten Sah^e 1 ) ge* 
nügenbe Snformation. 3ur 'Biebergabe ber <Sin 3 elhetten ift \)m 
Ieiber fein SRaunt. „Eigentlich", meinte ber bie amtlichen Verneh¬ 
mungen 1894 leitenbe llnterftaatsfefretär n. IKottenburg, „ift bie 
Sehrgeit boeß fo gebacht, baß ber Lehrling im ©etoerbe auSgebilbet 
roirb, aber nießt fo, baß er als f>anblanger bient," worauf ber 
berliner Dbermeifter £unße, feine fialtbKitigfeit nerlierenb, heraus* 
plaßte: „©ewiß, fatt madfien unb auSfcßlafen laffen, unb wenn 
bie Arbeit norbei ift, fönnen wir ißn ja weefen. 3a, ba 3 u haben 
wir feine Lehrlinge!" ' 

|>auptfiß ber LehrlingSsüchtung fd^eint baS platte Lanb unb 
bie fleinftabt 3 U fein. Aber auch in ber größeren 6 tabt ift ber 
»äcferlehrling ein gefugter Artifel, unb par gans überwiegenb 
bie Sungen oom Lanbe, 2 ) am liebsten fräftige Sangen, „tleine, 
fcßwadie Sangen nehmen wir lieber nicht; benn bei unferer ArbeitS* 
weife haben wir bie Erfahrung gemacht, baß man oiel ©elb an 
ben Schwachen sufeßt." (AnberS im ^onbitorengewerbe). „§ier in 
Verlin fpejtett", fagte ein »äcfergcfelle 1894 aus, „hat ftef) bie 
Sitte eingeführt mit ber LehrlmgSsücßterei. Es ift traurig ju 
fehen: fobalb bie Einfegnungen ftattgefunben haben, ift fosufagen 
eine Bewegung in ben oerfchiebenen ©ewerben.^ Aber feiten wtrb 
ein Samilienoater fein $inb Väcfer lernen laffen, unb in Solge 
beffen gehen bie »äefermeifter feßon etwas weiter, nach Ober* 
fcßlefien; ba werben bie SangenS sufammengetrieben unb fommen 
nun mit ber »aßn nach ©*rlm." Agenten oermitteln ben Vegug 
biefer lebenbigen Baare, 3 . V. in Verlin unb Leipzig. 8 ) „Ein 
großer Lehrling foftet 10 , ein größerer 15 //, unb bie größten 

werben mit 20 JL begahlt." „S)em jungen Vtanne, ber eben bie 
©cßule oerlaffen hat, wirb gar füß -unb lieblich oorgerebet, wie: 
,S>a braueßft S)u nießt junger 3 U leiben, wie in anbern §anb* 
werfen 4 , ober: ,$>a befommft S)u £ucßen gu effen. 1 " Sie Lehrlings* 
gücßtung wirb fo gu einem Drgan beS großen Sangapparats, ber 


!) Bgl. bie gafammeuftellung in meiner Schrift: ©er HKajitnal* 
arbeitstag im Bäcfer* unb Äonbitorengeroerbe, Seipgtg 1894, S. 55 ff. 
unb 65 ff., unb bie ,§anbroerrsenquetc be« Berein« für SogialpoIiHf. 

*) HKajimalarbeitstag S. 59. Schriften be« Vereins für Sogial* 
politif »b. 63, S. 394; Bb. 68, S. 126; »b. 70, S. 225. Aucß in Eng= 
lanb würbe im Anfang ber 60er Sabre amtlich berichtet, bas Bäcfer* 
gewerbe fei troß ber traurigen ßaae bes Arbeitnehmers ftets mit ifait* 
bibaten überfüllt. Aefrutirungsgebiete für Öonbon feien Scfjottlanb, bie 
meftlicßen Agrarbegirfe Englanbs unb ©eutfcßlanb. Bgl. HKarr, ©as 
Kapital, I 4 213. ... _ . 

3 ) HKaEimalarbeitStag S. 59. Schriften bes Vereins für Sügtal* 
politif Bb. 63, S. 895. 


















ber Sanbroirthfdjaft bic tüdjtiaften ^Trbeitefräftc entgleit unb einer 
cicfä^rlid)en 3nBnftrialifirnng bei* Bolfgroirthfd)aft Borfchub leiftct. 4 ) 

Um ben Umfang ber Sehrliugggüdjtung feftguftcllen, mirb man 
auf ©runb ber üblichen Slnfäpe non ber Sinnahme auggchcn 
bürfen, bah in einem mäfeig roadjfenben ©eroerbe bei breijähriger 
ßebrgeit * eg minbefteng ad)t big neun 9)tal mehr ©efellen nnb 
SMfter geben muh alg ßehrlinge, roenn bie Lehrlinge Slugficht 
Baben foÜen, bereinft in ihrem Berufe unternommen. lieber 
bie 3afU Ber Bäderlehrlinge gab eg eine utnfaffenbe Statiftif big 
1895 nicht. Bach ben non ben 3twungen roieberholt gemachten 
Erhebungen fonnte man fchäfcen, baß bie Öehrlinge ein drittel ber 
©efetten« unb Sßeiftergahl augmadjten, roag auf eine jä^rlic^e 
Ueberprobuftion oon mehr alg 9000 auggeleraten BädergefeUen 
führt. 2)ie amtliche „Erhebung über Berhältniffe im §anbroerf" 
oom Sommer 1895 erftredt fid^ über noch nidjt 10 000 Singehörige 
beg Bäder» unb Honbitorengeroerbeg unb füfjrt auf ben $rogeitt« 
fab 26/100. dagegen umfaßt bie Betriebgftatiftif oom 14. 3uni 
1895, beren Befultate erft fürglich oeröffentlid)t mürben, bag gange 
Bäder» unb Honbitorperfonal (209 000) 5 ). Bad) biefer 3ählung 
gab eg in ben beiben ©eroerbgraeigen 42 120 Seljrlinge (mit (Sin» 
fchluh oon 1385 im ©efdjäft mitarbeitenben Familien ungehörigen 
unter 16 fahren) unb 166 857 anbere Berufgangefjörige; bie Sehr» 
Iinge finb alfo auch nach biefer ooUftänbigen 3ählnng 25 % ber 
letzteren 3 a hl* 

3 n SSirflichfeit bürfte ber Sßrogentfafc nicht unroefentlidj größer 
fein, roeil nämlich unter ben 166 857 auch Bie ungelernten Arbeiter 
oon Bäder» unb Honbitorbetrieben mit enthalten finb, §augfnechte, 
Hutfdjer, Slugträger u. bgl., beren Bläfce für ben gelernten Bäder 
ober Äonbitor nicht mitgählen. $)ie am felbcnSTage aufgenommene 
Berufggählung rechnet 7800 in biefe Bubrif, roeitere Saufenbe 
roerben oon ber Berufggählung bei anbent Berufgfategorien unter» 
gebracht fein. 9Rit Büdfid)t barauf, bah biefe Slrbeiterfatcgoric 
mit bem ©rohbetrieb gunimmt, bie Boften für gelernte Bäder fich 
alfo oerminbem, mirb man bie Summe ber für gelernte Bäder 
(Honbitoren) fünftig oerfügbaren Sofien auf höd)lteng 150 000 
herabminbern müffen. 3n biefer Qafyl finb bann noch SEaufenbe 
fogenannter SlUeinmeifter (18 882) mit enthalten, bic menig Slrbeit 
haben unb eigentlich gum groben £hril übergählig finb; man oer» 
gleiche bie Erhebungen ber Hommiffion für Slrbeiterftatiftif über 
bie Slrbeitgbauer in fleinen Bädereien. 

Sluf ber anberen Stite ift bie 3at)l Ber Lehrlinge, ober fagen 
mir allgemein Berufganroärter, gu niebrig angefefct. 3u Englanb 
finb, aUerbingg unter bem mitroirfenben Einfluß ber Bäderfchufc« 
aefefce, bie Bäderlehrlinge faft gang üerfdjrounben unb jugenblid)e 
Arbeiter an bie Stelle getreten. Eg hanbelt fich babei um eine 
oiel allgemeinere moberne Erscheinung. 3u Bonbon oerfchminbet 
g. B. auch Baugeroerbe bie ßeljrUngfchaft; junge Öeute, who 
picked up tbe trade, treten in ben Beruf ein. 6 ) Slud) in ®eutf<h s 
lanb bürfte eg fein feltener 3faü fein, bah junge £eute alg un» 
gelernte, aber gut begabte Bädereiarbeiter anfangen unb fpäter 
„alg Bäder gehn". Eg roirft alfo auch oon Ben jungen Leuten, 
bie nicht Lehrlinge finb, ein erheblicher Xtyil gur Befrutirung beg 
Berufg mit. 3u ber Berufggählung haben 2184 junge ßeute 
groifchen 12 unb 18 3uh«n fich alg ungelernte Bädereiarbeiter 
angegeben, ober roenn roir bie 16» big 18 jährigen nur gur £>älfte 
anrechnen, 1627. Bur ein fehr fleiner Xfytil oon ihnen roirb 
lebenglänglich £>augfnecht bleiben rooHen; bafür finb anbere in ber 
Berufgftatiftif unter anbere Bubrifen gerathen, bie ing Bäder» 
geroerbe gehören, fo bah roir bie Summe ber Slnroärter beg 
Bäder« unb Honbitorengeroerbeg auf 44 000 roerben erhöhen 
bürfen; bag ift 29 % ber auggelernten Bäder. 

Eine anbere Bechnung füfjrt auf eine noch höhere Summe. 
Bad) ber Enquete oom September 1892 ftnb 52,9% ber Bäder« 
unb Honbitorlehrlinge unter 16 3ah*e alt. 1895 tourbett 24 787 
Arbeiter biefeg Sllterg in ben beiben Berufen gegäblt; bag ergiebt, 
auf 100 o/o ergängt, 46 856. ©o<h bleiben roir oorfichtigerroeife 
bei 44 000 uno 29o/ 0 . 

Eg ift oorhin baoon auggeaanaen roorben, bah bie £ehr« 
linge bei breijähriger ßehrgeit % oig % (genauer 11%%) 
ber Summe oon ©efetten unb ttkeiftem augmachen bürfen, ohne 
bag ©eroerbe gu überfüllen. 3n SSirflichfeit bauert nach ber 
Statiftif oon 1892 bie ßehrgeit im Smrchfdnütt (roenn man bie 

4 ) Slnberer Meinung ift Bücher/ Schriften beg Bcreing für Sogial« 
politif Bb. 76, S. 129, gegen Boigt, ebenbort S. 102. 

Ä ) Blännliheg ^erfonal, oon bem audj tm ^olgenben augfchließlidj 
bie Bebe fein roirb. 

6 ) de Rousiers, le trade-unionisme en Angleterre, Paris 1897, S. 51, 

62 . Bgl. auch 244. 


Lehrlinge an fleinen Drten gemigeub berüdfidjtigt) nur ettoa 
2 1 /-, 3ahre. 3>cr guläffige ^rogentfab fiuft bann auf 9, 7 °/ 0 . Statt 
bcffen finben roir 29o/ 0/ b. h- ^ roerben 19, 3 % = 28 950 junge 
Öcnte gu oiel angelernt unb jährlid) 11 big 12 000 gu oiel aug» 
gelernt; fie finb in ihrem Berufe überzählig, ^ag ift ungefähr 
baffclbe Bef ultat, bag bei einer oor oier S^h^n mit geringerem 
unb älterem SÜlaterial für bag Bädereigeroerbe (ohne bie Hon» 
bitoren) aufgeiiellten Berechnung herangfam. 

Sag roirb aug ben übergähligen Bädern? SBir föitneu biefe 
3 ufunftgfrage nur aug ber Bergaugenheit bcantroorten. Blau 
fönnte gunächft glauben, bie Bäderei' fei in Jo fchneUem B$acf)g« 
thum begriffen, bafe fie ein ftarfeg Uebermafe oon Sehrliugen ab» 
forbire. ^ie (feinegroegg nadjgeroiefene 7 )) 3unahme beg Brot« 
fonfumg, ber Büdgang beg Selbftbadeug roiirben für, bie Erfpa» 
rung oon gelerntem Berfonal im ©roßbetrieb gegen biefe Sinnahme 
fpredjen. 23ahrfd)eiitlich ift fie nidjt. Bach SS^moller 8 ) hat in 
$rcußen 1795 big 1861 bie 3ah^ Ber Bäder mit ber Beoölferungg» 
gunahme giemlich gleichen Schritt gehalten, obroohl Bie mit ben 
Sahren genauer roerbenbe Statiftif eine fdjeinbar fchneöere 3«" 
nähme erroarten liege; unb bag oor ber Entroidelung beg ©rofe« 
betriebeg. Söcnit bie Honbitoren etroag mehr gunahmen, fo haben fie 
feitbem burch bie Beftaurantg unb Eafgg fchroeren Slbbmch erlitten. 
5)ie Statiftif oon 1895 geigt nun gegenüber ber oon 1882 eine 
3unahme beg männlichen Bäder« unb Honbitorenperfonalg um 21 
big 22 000 (= % Beg Slnfanggbeftanbeg) über ben Beoölferungg» 
guroadjg hinaug, roährenb bie Ueberprobuftion an Lehrlingen in 
13 Saften nach obiger Bechnung an 150 000 beträgt. 3ener 
ftatiftifdje 3nroachg erflärt fich aber gum großen S^h.eiXc fchou aug 
ber genauer aeroorbenen 3ählnng. Ueberbieg ift bei unferem Sin« 
fab ber guläffigeit Öehrlinggquote febon eine über bie Beoölferungg« 
gunahme roefentlid) hinauegeheube Bermehrung beg ©crocrbeg an« 
genommen unb auch nicht beriidfidjtigt roorben, bah feit ber Blittc 
oeg 3ah^hnnbertg, roo bie gu ©ruube liegenbe Bechnung aufgefteUt 
rourbe, 9 ) mit bem allgemeinen Büdgang ber Sterblichfeit auch Bie 
Bäder (bereu Slrbeitgbebingungen fich üferbieg roefentlich gebeffert 

Ö 10 ) langlebiger geroorben fein roerben unb nicht mehr fo 
roic früher bem Badpouchg Sßlafe machen. Eg roirb alfo 
nidjtg überbleiben, alg ben Berbleib ber übergähligen Bäder 
anbergroo gu fuchen alg in ben Bädereien. 

3>ie Bädergcfellen finb junge Seute. Bidht nur müffen fie 
roegeit ber üblichen Söohnung beim Bfeifter in ber Begel unoer« 
heirathet fein, fonbern fie finben im gereiften Sllter überhaupt nicht 
leicht mehr Brbeit. Selbft in fleinen Stabten befommen Bäder« 
gefeiten, bie bag 25. ober 30. Cebengjahr Übertritten haben, mit« 
unter grunbföfelich feine Befdjäftigung mehr. 11 ) $)ie Berufgftatiftif 
oon 1895 beftätigt bag. Sluf 3ah^giff^i rebugirt, aab eg unter 
ben Bäder« unb tonbitorgehülfen, mit Einf<hlu& ber höheren fßoftcn: 


14—16 jährige 

11 876 

30—40 jährige 

1098 

16—18 « 

12 804 

40—50 » 

408 

18—20 » 

10 712 

50—60 « 

207 

20—30 « 

4 911 

60—70 * 

87 


Sinb nun bie altentben ©efeKen, alg fie feine Stellung mehr 
fanben ober hrirathen rooEten, Bteifter geroorben? 2)ie Sllterg« 
ftatiftif beg gangen Bäder« unb $onbitorenftanbeg, mit Einfchlufj 
ber Bteifter, gießt barauf Slntroort. 3n ber folgenbeu Tabelle, 
Spalte a, ift bie grequeng ber 16 big 18 jährigen Bäder unb Hon« 
bitoren = 100 angefefct unb bie grequeng ber höb^a Slltergflaffen 
auf biefe ©runbgahl begogen. 3 11 ©palte b ift biefclbe Bedhnung 
für bie gefammte männliche Beoölferung beg Beidjg aufgefteUt. 
S)ie britte Spalte giebt an, um roieoiel bie Sllterggruppirung beg 
Bäderftanbeg oon Der ber gangen Beoölferung abroeidjt. 


Sebengjahr 

a 

b 

a: b 

16.—18. 

100 

100 

1,00 

18.—20. 

84 

99 

0,85 

20.—80. 

50 

81 

0,62 

30.—40. 

31 

64 

0,48 

40.—50. 

18 

49 

0,37 

50.-60. 

11 

37 

0,30 

60.—70. 

4 

23 

0,17 


7 ) $5ic 3anahme beg Brotfonfumg beeft fich nicht annähernb mit 
ber beg Eetretbefonfumg, ton roeil je nach bem Umfang ber Bieljbal* 
tung, bem Staube ber betreibe«, Butter« unb f^Ieifchpoctfc eine roechfelnbe 
Quote oon (betreibe unb felbft Sftehl ang Biel) oerfüttert roirb. 

8 ) Sdjmoüer, 3 ur Ecfchidjte ber beutfdjeu Hleingeroerbe im 
19. 3ahrhunbert, S. 54 unb 416. 

9 ) Bgl. 3eitfd;rift beg fäcfjfifdjeu ftatiftifdjen Bureaug 1860, S. 111; 
and) Sdimoller a. a. 0. S. 341. 

“) Blajimalarbcitgtag S. 119. 

n ) Sänften beg Bereiug für Sogialpolitif Bb. 70, S. 228, 874. 



29 


©ojiale Prajis. ©entralblatt für ©ogialp oltttf. Str. 2. 


80 


2öo finb bic Fehlbeträge ber höheren SlltcrSflaffen geblieben? 

1. @s ift neulich in biefer Scitfcßrift 12 ) berechnet worben, baß 
bie 21 rbeitslofigf eit im Bäcfer* unb Stonbitorengewerbe min* 
beftenS 20000 erreicht. 3n ben höhnen ältere flauen ift bie 
2lrbeitSlo|igfeit etwas oerbreiteter: 14. bis 20. Qahr 3 %, 20. bis 
30.3ahr 7%, 30. bis 50. 3aßr 8 %, 50. bis 70. 3aßr 10 <>/ 0 . 
Allein in Berlin giebt es nach Angabe beS DbermeifterS Stunde 
neben 4000 arbeitenben 2000 ftettenlofe Bärfergefetten 13 ), roähreitb 
bie ©tatiftif nur etwa 1000 mit ©infcßluß ber Stonbitoren gäßlt. 
1868 fcßäßten bie Berliner Bärfermeifter, baß über bie Hälfte ber 
Berliner Börfergefetten in ihrem Berufe unbefchäftigt fet. $)iefe 
arbeitslofe Steferoearmee ift ein oraanifcfter Befianbtßeil in ber 
fogialen Berfaffttng beS BärfergewerbeS; fie briirft bur<ß baS be* 
ftänbige ßungerige Angebot ihrer Slrbeitsfraft bie Slrbeitsbebingungen 
ber bcfcßäftigten Bärfergefetten herunter, unb macht eS inSbefonbere 
bett burch bte illoyale Stonfurreng ber LeßrlingSgücßter bebrängten 
SReiftern erft möglich, ftch an ber Slrbeitsfraft ihrer ©cfeUeu 
fcßabloS ju halten. $>ie Slrbeitslofigfeit ift bas natürliche Probuft 
ber LeßrltngSgüchtung. 3«r ©rflärung ber obigen Tabelle trägt 
aber biefe Slrbeüsloftgfeit nicht bei; Denn bie arbeitslofen Bäcfer 
fmb bort mitgegäßlt. 

2. (Sin anberer £ßeil ber alternben ©efetten etablirt ohne 
eigenes Kapital unb ohne Slusficßt auf genügenben 2lbfaß jämmer* 
Iuße 3roergbetriebe. ^>aS Kapital liefert Der SRütter, ber SReßl* 
hänbler („SReßlfriße"), ber ©tettenoermittler; er ernennt mit mehr 
ober weniger menfdßenfunbigem Blirf Bäcfenneifter (moßl oft 
§eiratbsfanbibaten), bie fortan in feiner ©cßulbfnechtfcßaft leben 
unb alljährlich in großer 3 a ßl banferott gehen, um Nachfolgern 
$lafe gu machen, Unter ben 19 bis 20 000 „Meinbetrieben" ber 
BetriebSftatifnf futb biefe ©jiftengen gu fuchen. Sticht ooll be* 
fchäftigt, repräfentiren fie bie Mbeitslofigfeit im SReifterftanbe. 
©ie haben im 0rganiSmuS bes BäcfergeraerbeS bie gunftion, mit 
ihren zahlreichen Banferotten als ftatiftifcßeS BeroeiSmaterial gu 
bienen, wenn bie Bäcfenneifter gur Mroeßr einer fogialpolitifcßen 
Bäcfereiocrorbnung ihre wirtßfcßaf fließe Stotßfage naeßweifen müffen. 
3ur ©rflärung ber obigen Tabelle tragen aber auch fie nichts bei. 
dagegen gmeigt ftch aus ben beiben klaffen ber Slrbeitslofen eine 
oierfache ©ruppe ab, bei ber baS atterbingS ber gatt ift. 

3. (Sin Xßeil ber Slrbeitslofen finft ins Lumpenproletariat 
herab. Unter ben Bagabunben unb Louis föflen frühere Bäcfer 
ftarf oertreten fein. 

4. (Sin anberer £ßeil geht pßtjfifdß 5“ ©runbe . H ) 

5. (Sin britter ^h c ^ ber Nrbeitglofen (ober auch ber noch 
Befchäftigten) roechfeft ben Beruf, g Un ä<hft prooiforifch, wie bie 
©tatiftif geigt, 15 ) bann enbgilüg. ®ie fehr ftarfe Berbreitung 
gemefener Bäcfer in anberen Berufen fann als notorifcß bezeichnet 
werben. 16 ) 3n 3ena, wo bie LeßriingSgücßterei blüht, foö oon ben 
oermögenslofen Lehrlingen ber allergrößte £h e Ü nach einigen 
3ahreit beit Beruf wecßfeln, wäßrenb 10% feßon wäßrenb ber 
Leßrgett wieber auSfißeiben. l7 ) 3n ben BunbeSratßSenqueten ber 
70 er 3ah« wirb wieberholt ßworgeßoben, im Bäcfergewerbe 
pflegten befonberS oiele Leßrlinge gu entlaufen. ®ie Xabette be* 
ftahgt ben frühzeitigen Beginn bes BerufSwechfelS. 

6. ©ehr ftarf feßeint unter ben beutfeßen Bärfergefetten bie 
SlnSwanberung gu fein. 3« Baris unb im ©einebepartement 
Itnb oon ben 800 „©iener" Bärfergefetten 60 6 / 0 beutfdj ober öfter* 
renhtfeh, oon ben 5200 ©efetten ber ©robbärferci 5% Mslänber. 
(Stne 1887 itt ben Bereinigten ©taaten aufgenommene ©tatiftif 
über 2183 Bärfergefetten ergab, baß nicht weniger als 1123, alfo 
l '& er & lc f^älfte, bas ©ewerbe in $>eutfcßlanb gelernt hatten. 
Lonbon mtmmelt oon beutfehen Bärfern: SReiftern unb ©efetten, 
angebltch faft 50% aller Lonboner Bäcfer: unb es mag cßauoi* 
ntfttfchi übcrtrieBen fein, wenn ihre englifcßen Slonfurrenten, benett 
fie bte Arbeit wegnehmen, behaupten, biefe beutfehen BerufSgenoffen 
feien metft erft in Lonbon oon ihren Lanbsleutcn aufs Sfotßbürf* 
ttgfte angelernt worben. &ie arbeitslofe Beferocarmee in £onbon 
aber wirft ihre ©chatten bis nach Srlanb hinüber; in (Sorf fiel 
1890 ent Bärferftreif ins Bkffer, weil es ben SJteiftern gelang, aus 
£onbon ©rfaßleute gu holen. 

2öaS auf bic überfälligen ßehrlinge an SluSbilbuttg oerwanbt 
würbe, ift oolfswirthfchaftlich reiner Berlnft. ^>ie gur gewerblichen 
Jusbilbung am meiften geeigneten Lebensjahre ftnb oergeubet. Sin 

") S?r. 42, 8p. 1099. 

,3 ) Bärfcrgeitung, 24. guitt 1S94. 

u ) BfarimalarbettStag 8. 89 ff. 

,5 > Bgl. 9?r. 42, 8p. 1100. 

16 ) SRafimalarbcitStag 8. l(X), 115. 

17 ) ©chriften beS BercinS für ©ogtalpolitif, Bb. 7o, 8. 220. 


ben SluSmanberern oerliert bie BolfSwirthfchaft noch nteh*\ Slber 
biefer unmittelbare Berluft oerfchminbet neben bem ©chaben, ben 
bie burch LehrlinaSgüchtung gefdjaffenen Slrbeitslofen, Söittfelbärfer, 
fittlich ober phpfifä) 3 U ©eunbe (berichteten erleibeit unb ftiften, 
unb neben ber oolfSmirthfchaftlichen ©efahr, bie aus einer fpfte* 
matifchen SluStefe ber beften lanbwirthf<haftli<hen Slrbeitsfräfte 
entfpnngt. 

®as oorjährige ^attbwerfSgefeß hat ben 3®angSinnungen, 
ben ^anbwerfsfammem, ben LanbeScentralbehörben unb in erfter 
fiittie bem BunbeSrath baS Stecht gegeben, bte guläffige Lehrlings* 
gahl ju befchrättfen. @3 fönnte g. B. mehr als ein Lehrling nur 
für Betriebe mit minbeftenS oier ©efetten jugelaffen unb zugleich 
oorgefd^rieben werben, baß ein SReifter, ber fetne ©efetten befd)äftigt, 
höchftenS brei 3ahte lang Lehrmeifter fein barf. Bietteidjt geht 
es auch an, bie ©utnme ber im 3 anwn 9 ^bejirf eittÄufchreibenben 
Lehrlinge im Berhältniß gur Qafy ber SReifter unb ©efetten gu 
begrengen. 3« beiben gätten müßte ein 2öeg gefunben werben, 
bie Umgehung beS BerbotS burch ©inftettung jugenblicher Arbeiter 
(wie in ©nglanb) gu oerhüten, nötigenfalls burch ©efeß. 3e 
weniger erwartet werben fann, baß bie Bärfcrmeifter ben ftnn* 
reichen Apparat ber LehrlingSgüchtung mit eigener f>anb gerftören, 
um fo bringenber ift gu wünfehen, baß burch Snitiatioe ber ©e* 
fettenoertretungen ober ber Stegierung ©anbei gerafft werbe. 

SRarburg. Ä. Dlbenberg. 


Brr Partritas irr irtttfdjrn öojialbcuiohratir 
in Stuttgart. 


SluS ©übbeutfchlanb wirb uns getrieben: 

3ntn erften 3Rale nach bem (Sriöfchen beS ©ogialiftengefeßes 
trat am 3. Dftober ber Parteitag ber beutfehen ©ogialbemofratie 
auf fübbeutfehent Boben gufammen. ©ar baS 3«faH, ober hat 
man ©übbeutfchlanb abftci)tli<h gemieben, weil hi^ im Slttgemeinen 
eine minber boftrinäre Dichtung unb eine milbere £aftif heimifch 
war als ittt Storben? 3m Ießteren gatte wäre eS gu begrüßen, 
baß man bie ©<heu oor bent milben ©üben überwunbeu |at. 
©ie bem auch fei, {ebenfalls war ber ©tuttgarter Parteitag nicht' 
ba^u angethan, bie reoolutionären Steigungen ber ©enoffen an* 
guftacheln, unb es wäre noch weniger ber galt gewefen, wenn nicht 
nodf) furg oorher ben ©charftnadbern in ber 'partei wittfommener 
©toff geboten worben wäre, büftere SuftmfSilber entwerfen, 

ben allein ben BourgeoiSintereffen bienenben SUaffeuftaat in greller 
Beleuchtung gu geigen unb gum Stampfe gegen biefen (Srbfeiitb ber 
Proletarier oon Steuern aufguforbem. Unb troßbem erhißte man 
ftch eher gegen als für bie Nufer im ©treite, bie ihre ©timme 
gegen bie „Berfumpfung" ber Partei, gegen baS Slufgeben ber 
alten bewährten Pringipten, gegen bie Berfchleierung ber ©nbgiele 
unb für bie energifeßere Saftif bei ber Agitation erheben gu müffen 
glaubten. 

©ine gewiffe frieblicße ©timmung würbe feßon burch ben oon 
ben ©tuttgartern ihren ©äften bereiteten ©mpfang in ben $)elegirten 
beS Parteitags ergeugt. $>en ©langpunft beS BegrüßungSabenbS 
bilbete bie feenifeße 2)arftettung „©eßwaben arüßt ©ueß", wobei 
jeber ber Ttebgeßn ©aßlbegirfe ©ürttembergS Durcß ein agrariftß 
anmutßenbeS Pärcßen in feßwäbifeßer Stationaltracßt repräfentirt 
würbe. ^5ie Bertreter einer reoolutionären Partei, bic mit Agrarier* 
tßum unb ©ße, unb partifulariSmuS unb Stationalität unb allem 
fonftigen 2Utoäter*§anSrath beS bourgeoifen Stlaffenftaats aufräumen 
wollen, hätte es nach unferer Bteinung eßer gegiemt, burdf) feßwer* 
gerüftete Strieger begrüßen gu laffen, bureß Strieger, oielleicßt auch 
Slmagonen, gewappnet mit bem gangen ©iffen beS gahrßunberts 
unb beweßrt mit allen ©affen, bie man für gur Eroberung ber 
politifcßen SRacßt notßwenbig eraeßtet ßätte. $)a jeboeß aus ben 
Steißen ber Parteioertreter fein Proteft gegen baS fneblicße ©dßäfer* 
fpiel erßobcn worben ift, haben wir gewiß feinen Slnlaß eS nadß* 
träglicß gu tßun. 

3weierlei Stümpfe finb es, bie bem Slußenfteßenben an ber 
©ogialbemofratie unb ißren Parteioerfammlungen befonberS gu 
intereffiren pflegen, ber Stampf gegen bie befteßenbe ©irtßfcßafts* 
orbnung unb bte auf bereu Boben fteßenben Parteien, fowie ber 
Stampf ber ©ogialbemofraten untereinatibcr. Bon erfterem hofft 
man, baß er oon 3aßr Saßr fieß abfeßwaeße, oon Icßterem, baß 
er fteß oerfcßärfe, bamit womöglich bie Steoolutionäre fieß gegen= 
feitig unfcßäblich maeßen ober bureß eine ©paltung ber Partei ißre 
£raft gebrochen werbe, ©ir halten bie erftc Hoffnung für be* 
grünbeter als bie gweite. ©oßl traten feßarfe ©egenfäße inner* 



31 


Sojiale $ragi*. Eentralblatt für Sojialpolittf. Sfcr. 2. 


32 


halb bcr Vertreter bcr 5ßartci heroor, man bekämpfte ftd) gelegent- 
lief) mit aufrichtiger Erbitterung unb mit perfönüchent §affc, aber 
trauern finb bic Eegenfäfee nicht ber Art, ba& fie in abfehbarer 
3cit 311 einer Spaltung ber Partei führen fönnten. $)er Eine be* 
zeichnete fie als biofee £emperamentSunterfchiebe, ber Anbere als 
RteinungSoerfchicbenhcit über bie £aftif bei grunbfäfelid)er Heber* 
einftimmung in Programmfragen, unb nur bei ber fleinen rabifalcn 
(Gruppe, bie u. 91. burch bie weiblichen Eenoffen 3etfin unb 
^uyentburg oertreten mürbe, trat ftheinbar manchmal ein tieferer 
Eegenfafe ber^Erunbauffaffung heroor. Qn Wahrheit tjanbelte eS 
fich jebod) nicht um fcheibenbe Eegenfäfee, obwohl oon ben rabi* 
falen .'peifefpornen ihren Eegnern, ben „Opportunsten", „ßeife* 
tretern" ober roie fie fonft genannt mürben, manchmal gerabeju 
baS Specht, fich Sojialbemofraten ju nennen, abgefprodjen mürbe. 

Vefanntlidj breite fich heuer mie auf früheren Parteitagen 
ber $>auptftreit um bie Frage ber £aftif ber Partei. 5DaS 22>ort 
parteitaftif erweeft nun leicht ben Anfdjetn, als ob es fich um 
etwas ganj anbereS Ijanbele als thatfädjlid) ber Satt ift, unb in 
ber Xfyat hat man an bie falfdje Vorftcllung 00m 3n^alt biefeS 
SBorteS bei Freunb unb Sciitb fchon ganj falfdje Folgerungen ge* 
fnüpft. £aftif bebeutet hier feineSwegS bie Kunft, bie Schlaft* 
orbnung gegen bie Vurg beS Kapitalismus 3U fteHen, ober bie 
KriegSfunft beS flaffenbewufeten Proletariats gegen beit heutigen 
Klaffenftaat. An biefen Krieg benft man noch gar nicht; Der 
fommt erft, wenn einmal bie politifche 3Rad)t erobert ift. Vorerft 
märe es Xtyxfytxi, fich mit bem Staat in einen ungleichen Kampf 
einsulaffen, bariiber befteht nur eine Meinung. Unter £aftif wirb 
in ber |03ialbemofratifd)en Partei heute lebiglid) bie Viethobe ber 
Agitation, alfo, wenn man es fo nennen will, 2Bahltaftif oer- 
ftanben. Es Ijanbelt fich gan3 allein um bic Frage: 2Sie oer- 
gröfeent mir am beften unb fchneflften bie 3abl nuferer Anhänger 
ober Wähler? $)aß felbft bie fd)ärfften Eegcnfäfee in biefer Frage 
niemals 3U einer Partcifpaltung führen fönnen, dürfte ohne Weiteres 
flar fein. An etwas Anbcres aber hat nie ein Eenoffe gebaut. 

VSenn er alfo reoolutionäre £aftif empfiehlt, fo heifet bas 
nicht, er will ben gemaltfamen Kampf gegen bie befteljenbe Eefell* 
fchaftSorbnung, fonberit nur, bafe er münfd)t, ben 28ählern möge 
als 3iel ber So3ialbemofratie bie oölligc Söefeitigung beS prioat* 
eigenthumS an ben ProbuftionSmitteln unb ber Damit 3ufammen* 
hängenben Sot)nfflaoerei hiugeftettt werben unb nicht nur etroa bie 
Abfcfeaffung ber Kitiberarbeit, bie Einführung beS adjtftiinbigen 
9iormalarbeitStageS unb eines 3um menfehenmürbigen $)afein fein* 
reichenben ViitiimallohneS. $ie Vertreter ber reoolutionären Xaftif 
wollen ferner, bafj ben V$ählcrn ber Fntereffengegenfafe 3mifchen 
Kapitaliften unb Arbeitern möglichft fcharf oor Augen geführt, bafe 
baS Klaffenbewufetfein ber Arbeiter nach Vioglicfefeit gefdjärft werbe, 
bafe oon ben Eebieteu, auf benen bie Sntereffen ber Unternehmer 
unb Arbeiter fich beden, nicht gefprochen unb eine Harmonie smifdjen 
beiben als unmöglich hingefteöt werbe. Sie wollen, man folle ben 
Wählern fagen, bafe eine bauernbe unb grünbliche Teilung aller 
oon ihnen empfundenen Schöben erft ber fosialifirten Eefetlfchaft 
alias 3«lunftSftaat 3U erwarten fei. Sie wollen auch eine heftigere, 
energifchere Sprad)e gegen Staat unb Regierung; man fotte felbft nicht 
baoor 3uriicffd)euen, oergangene SReoolutioncn 311 oerherrlichen 
bis hinauf 311m Aufftanb ber Eommune oon 1871. 3ufünftige 
SReoolutionen aber halten aud) fie für oöllig uunüfc unb weifen 
ben Vorwurf, bafe fie bem VlanquiSmuS hulbigen, mit Entrüftung 
3urüd. 

2>ie anbere Dichtung will etwas fänftiglidjer mit ben SSählern 
oerfahren, weil fie mit ber anberen SRetfjobe fchon fcfelechtc Erfafe- 
rungen gemacht hat. Vian fennt feine £eute unb weife, bafe fie 
nicht nur nicht auf ben §)immel, fonbern auch nicht auf eine ferne 
3ufunft oertröftet fein wollen; fie finb ungebulbig unb wollen 
fofort Erfolge ber politifdjen Xl)ätig!eit ber Partei* feben. 3ene 
hätten fich in ihrer SBahltaftif gulicbe am liebften auf bie inbuftriellen 
Arbeiter befd)ränft, benen fie angepafet war. Vtan fleht jebod), 
bafe man, foE bie politifdjc SRadjt erobert werben, fich an weitere 
Kreifc wenben mufe. „2Sir finb eine Vertretung ber gefammten 
nothleibenben s J)tenfd)heit, bie unter ben fcfelimmen Folgen beS 
Kapitalismus leibet", bemerfte ein Vertreter ber fanfteren, oor* 
fichügercu Xafti!, bic auch ßanbarbeiter, ben Kleinbauern, ben 
.s^anbwerler unb ben fleinen EefdjäftSmann für bie Partei ge¬ 
winnen will. $)en erfteren beiben gegenüber barf man nicht 3U 
fehr bie 9lbfd)affung beS prioateigenthumS am Voben betonen, 
baS cinftweilen noch ihr Fbeal ift, unb ben leideren beiben barf 
man ihre proletarifirung, bie hoch bie notfemenbige Vorftnfe ihres 
fpäteren 9iufgehenS in bic fosiale Ecfetlfchaft ift, nicht mit aÜ3u 
lebhaften Farben fchilbern, bamit fie nicht burch Purgatoriuni 


abgefchrecft, wieber ben Kober ber VMttelftanbSpolitif erfchnappeu, 
ben ihnen bie fapitaliftifche Eefellfchaft oon ber anberen Seite 
gumirft. 

^)aS finb praftif<he0chwierigfeiten, mit benen ber heutige Agitator 
fich tnit mehr ober weniger Eefdjicf absufinben hat. Verleugnung bcr 
Enbsiele, Verfdjleierung ber Enbsicle, Einfchliefeung berEnb3icle m ben 
Silberfdjranf — baS waren bie ted)nifd)en 9luSbrücfe, bie ber Partei* 
tag für biefe nid)treootutionäre ^aftif gebrauchte. Soweit barin 311 
gehen, mie ein medlcnburgifcheS SBahlflugblatt, wo es h^: 

Erunb unb Voben foE gefcEfchaftlidl) bearbeitet werben, wenn es 
aber 3emanb oor3«ht, fo foll ihm fooiel 2 a nb gegeben werben, 
wie er für fich feine Familie braucht," würbe 3war oon feiner 
Seite gebilligt; Im Allgemeinen aber waren bie Kolonifatoren ber 
Partei, bie Eroberer neuen EebieteS, bie fianbagitatoren u. f. w. 
ber Meinung, bafe bie Enb3iele, wenn man fie auch nid)t gan3 bei 
Seite fehieben foüe, bo^ in ben .sjintcrgrunb 3U treten hätten wegen 
ihrer geringen Vkrbefraft im Vergleich 3U ben praftifefeen 3i c l e n 
ber Eegenwart. „Probirt es hoch einmal mit Eurer Xaftif! er¬ 
obert mit ihr einmal einen neuen Vtaljlfreis!" riefen fie ben 
„Stubenhocfem", ben „SöeibSleuten", ben ^heoretifern, ben föe* 
bafteuren 3 U, „ba werbet 3h* feh^n, wie weit 3h* fommt mit ben 
reoolutionären Erunbfäfeen". 3m ein3elnen Falle war es aller* 
bingS fdjmer 3U entfeheiben, ob 3. V. 2$. §eine wegen ober trofe 
feiner oerföhnlichen ©al)lpolitif in Vcrlin gefiegt habe. 

2)aS geringe Fottfchreiten ber Partei bei ber lefeten Reichs* 
tagSwahl würbe 00m Referenten als ein trauriges Ergebnife be* 
3eichnet, unb feiner ber folgenben fRebner wibcrfprach biefer peffi* 
miftifdjen Auffaffung ernftlich, ujenn auch VoÖutar einmal ge¬ 
legentlich bemerfte, bafe trofe aller Klagen über Verfnmpfung, bte 
Partei fid) hoch 311 einer anfehnlichen $öhe „hiuaufgefumpft" habe. 
SRadj ber offiaieEen Parteiftatiftif hat nämlich feit bcr »ihl oon 
1893 bie Partei nur reichlich IV2 ü /o her 2Bäblerfd)aft beS bcutfdjeit 
SReidjeS für fid) hinsuerobert, fo bafe fie bei ber bieSjährigen 2ßal)l 
18,4% berfelben beträgt. $>iefe Erfahrungen bilbeten bie Erunb* 
läge ber Debatte über bie Vtohltaftif. — Unb in ber $hat, geht 
bie Partei nid)t fchneller ober gar in abnehmenber Progreffion in 
3ufuuft oonoärtS, bann liegt baS Qitl ber Eroberung ber poli* 
tifefeen 9Diad)t noch in weiter F**n?- ®i e ht es fein Vtittel, baS 
2öachsthum ber Partei 3U befchleunigen? 3)as war bie F*age, bie 
bie immer wieber fich erhebenbe Debatte über bie ^aftif beherrfchfe. 
Niemals fam ber reoolutionäre Eebanfc auch niir anbeutungsweife 
3um AuSbrucf, bafe mau auf bie Stimmenmehrheit netten fönne, 
wenn man baS deficit ber 3aljl burch «ine gröfeere politifche Energie 
erfefee, bie etwaige ©iberftänbe burch ih*e 2Su^t 3erfchmettere. 
Auch ber So3ialbemofrat fann fich unter politifdjer 3:hätigfeit 
ber Partei gar feine anbere als bic parlamentarifche oorfteUen, unb 
er hat sugleid) eine 3U grofee Ehrfurcht oor bem bemofratifchen 
Prinsip bcr Majorität, als bafe man fich hie Eroberung ber 
politifdjen 3Ra<ht anberS als burch Eroberung oon minbeftenS 
199 $Reid)StagSmanbatett benfen fönnte. SDafeer ber peffimiftifd)c 
3ug, ber na^ bem AuSfprud) eines ^ebnerS burch bie Vemegnng 
gehe unb fie farblos unb traurig mache. VHe weit man fich n °d) 
00m 3iele fühlt, bafiir ift auch bcr AuSfpruch VoIImarS beseidjncnb, 
bafe ber beutfefeen So3ialbeutofratie gar nichts Ungliicflidjeres ge* 
fd)ehen fönne, als wenn ihr bie 9Rad)t plöfelid) in ben Scfeofe fiele, 
weil fte noch gar nicht ben SReifegrab erreicht habe, um ftc 3U 
gebrauchen. 

So fteht eS mit bem Enb3iel nach feiner praftifchen Seite hin. 
2>ie theoretifchen Erörterungen über baS Enb3iel beS So3ialiSmuS 
fnüpften sumeift an bie befanuten Auffäfee VernfteinS in ber 
„SReueit 3 e ^" an, bie baS Enb3iel überhaupt aus bem Spftern be* 
feitigt wiffen wollten. ^)ie Vewegung ift AHeS, baS Enb3iel ift 
nichts, war baS SRefultat ber Vernftein’fchen Artifel, ein SRefnltat, 
baS auf bem Parteitag oon PeuS noch fchärfer bahitt pointirt 
würbe, bafe es überhaupt feine Eilbriefe aebe. Es wäre falfc^, 
wenn man behaupten wollte, bamit fei für Die Anficfet beS Partei¬ 
tages bic Formel auSgefprodjen. Sic fanb oon oerfd)iebenen 
Seiten energifche Ablehnung. FnSbefonbere wanbte fid) Vebel mit 
einem „Quos ego u gegen oie Umftür3ler ber Enbsiele: „Xa hört 
hoch AHeS auf! ES giebt gar fein Enbgiel!" Eine fätnpfenbc 
Partei müffe beftimmte 3iele oerfolgen unb habe natürlich auch 
ein Enb3iel. — 2>aS war ein etwas abgefii^ter Sdilufe, bei ber 
wir nicht gan3 ftcfjcr finb, ob ber nid)t quaternio terminorum unterlief 
unb ob es mit allen 3roifd)englieberu feine SRichtigfcit hat. Auch 
mit Veruftein war man fd)iiell fertig, ^ie Erörterung feiner wiffen* 
fd)aftlid)eii Anfid)teu gehöre nicht oor ben Parteitag, fonbern in 
| bie preffc — bie übrigens bisher and) faft gar nid)t fich au il)u 
I herangewagt habe —, unb es würben 3o>eifel laut, ob biefe „fo* 



83 


©ogtale $ragi£. Eentralblatt für Sogtal politif. SRr. 2. 


34 


genannten" wiffenfchaftlichen Slrbeiten, bie ben ERutfj ber Partei* 
genoffen gu lärmen brohteit, v nicht hoch etwa ber nötljigcn liefe 
entbehren. 

Eine befinitioe Pefeitigung biefer neuen Mefeereien formte aifo 
noch nicht ftaitfinben, unb fo werben fie wohl weiter fi<h oer* 
breiten unb weiter wirfen, felbft auf bie ©efaf)r hin, bafe bann 
bie Sogialbemofraten aufhören würben, Sogialbemofraten gu fein. 
Denn je mehr rnan fie^t, bafj bie Enbgiele oerfd)wimmen, befio 
mehr wenbet man fich praftifcher, pofitioer Slrbeit für bie ©egen* 
wart gu, unb eg ift ohne jeben 3«)eifel, bafj eine ftarfe Strömung 
in ber Partei nad) biefer Stiftung brängt. 28er fidj ben $örern 
empfehlen woEte, gab fic^ für einen Praftifer aug, ber im Saufe 
ber Sabre gelernt höbe, unb fpottete über bie ungeftümen Sungen, 
bie aud) einmal „alte ©fei" werben würben. Slug bem PeifaE, 
ben bie SRebner ber oerfcbiebenen SRidbtungen fanbcn, war gwar 
ferner gn entfcbeiben, auf weffen Seite oie Mehrheit ber Delegirten 
ftanb, auf ber ber Praftifer ober ber ber reoolutionären Ib^oretifcr; 
benn Slpplaug würbe febr freigebig nach beiben Seiten gefpenbet. 
28obI aber war aug ber ©efammtftimmung, aug bem Eharafter ber 
Pleljrgahl ber SReben unb bem Perfehrgton in ber Perfammlung 
gu erfennen, nach welcher Seite bie ^Majorität neigt. 

0ür ung fommt eg jebod) weniger barauf an, ob eine größere 
ober geringere 3<*hl ber Sogialbemofraten fnf) für bie praftifche 
lljätigfeit unb gegen ein Perfolgen ber Enbgiele augfpredjen 
würbe, alg oielmehr barauf, welche SRoEe bie Enbgiele überhaupt 
in ben politifchen Erwägungen unb Entziehungen ber Sogial* 
bemofratie fptelen, unb gu biefem 3roecfe werben wir ung bie 
eingelnen ©egenftänbe ber lagegorbnung näher anfehen müffen. 
2Birflid)e politifdje Pebeutung haben bie Enbgiele für bie Sogial* 
bemofratie bod> nur bann, wenn bie eingelnen politifchen Ent* 
Ziehungen aug ihnen abgeleitet, wenn fie gugleid) bie Pringipien 
ber politif finb. Daburdf) aber woEen bod) bie Sogialbemofraten 
ftch non bürgerlichen Sogialreformern unb Demofraten unter* 
febeiben, bah fie ihre Entfchliehungen im £>inblid auf bag fc^liefelidje 
3iel einer oöliigen Umwälgung ber beftehenben ©efeEfchaftgorbnung 
faffen, währenb biefe aug ©rürtben, bie fich aug ber augenblicf* 
liehen politischen unb fogialen Sage ergeben, ihre Entfcheibungen 
treffen, prüfen wir aber aug biefem ©efZgpunfte bie auf bem 
biegjähriqen Parteitage gefaxten 5Öefd)lüffe, fo werben wir bei 
feinem etngigen bie nothmenbige Pegiehutig gu ben Enbgielen 
finben; aEe hah. en kenntlichen eine Pegrünbung erfahren, bie 
mit ben reoolutionären Pringipien ber Partei nicht bag geringfte 
gu thun hah fonbern bie fid), wie eg bei allen anberen Parteien 
auch üblich ift, an augenblicfliche Situationen anlehnt. 

Meiner hat bie pro(etarifch*reoolutionäre laftif, bie feine Per* 
[öhnung unb feine Permittlnng fennt, fo ftarf betont, wie Schönlanf 
in feiner Mampfrebe am britten Perhanblunggtage. Eg war, wenn 
man fo will, eine reoolutionäre SRebe, aber war fie reoolutionär im 
Sinne beg fogiaüftifchen Programmeg? Sie oerlangt ben Mampf 
big aufg SDleffer gegen bag Spftern beg perfönlicfjen SRegimentg, 
gegen bie Politif ber überfeeifdjen Slbenteuer unb ber SRomanüf 
unb gegen bag Spftem ber 3 er f < h tne ^ erun 9 & cr politifchen unb 
öfonomijchen Polfgrechte. Um in biefem Sone biefe djartiftifchen 
Kampfrufe ertönen gu Iaffen, bebarf eg aber weber eineg £affaEe 
noch eineg ERarj mit ihren Iheorien, auf beren Mcnntnifc Schön* 
lanf einem opportuniftifchen ©enoffen gegenüber trumpfte. Dag 
fonnte man fd)on lange bevor bie 3)ienfchheit von materialiftifcher 
©efchichtgauffaffuug unb ben öfonomifd)en ©efepen etwag wufjtc, 
bie mit SRaturnothwenbigfeit gur Expropriation ber Expropriateure 
führen füllen. Ebenfomenig finb bie Mataftropljen, oon benen 
Mautgfp unb £iebfned)t fpradjen, folche im Sinne beg reoolutionären 
Sogialigmug. SoEten fte in biefem ober jenem £anb fommen, fie 
würben ben Sogialigmug nicht um bie Preite eineg ERefferriicfeng 
weiter bringen, weil fie mit ihm auch nicht &ag geringfte 
gemein haben. 

Die SRefolution über bag $oalitiongre<ht fteht gang auf bem 
Poben ber heutigen SBirthfchaftgorbnung. Sie hat gur Peran* 
laffung bie befannte Difchrebe beg ^aiferg gu Depnljaufen. Dh ne 
biefe aftueEe Peranlaffung wäre bag ^oalitiongrccht auf bem 
Parteitage überhaupt nicht gur Perhanblung gefomuten, unb ohne 
fte hatte auch ®iöfuffton einen gang anberen Perlauf genommen. 
Ohne biefe befonbere Peranlaffung, bie etnen furgen einheitlichen 
proteft herangforberte, hätte fich nämlich bei bem ©egenftanbe 
^oalitiongrecht ohne 3n»eifel eine Debatte ber „reoolutionären" 
Politifcr gegen bie ©ewerffd)aftler entfponnen, in ber jene biefen 
beutüch bemonftrirt hätten, wte wenig ©emerffchaft unb ^oalitiong* 
recht mit ber reoolutionären Sogialbemofratie gu thun haben. S^fct 
würbe umgefehrt oon ben Politifern ber Slnlafe freubig ergriffen, 


um mit bem gang unreoolutionären ©egcnftaitb reoolutionäre, b. I). 
erregte, fampfluftige Stimmung gu mad)en. Dag gelang oor* 
güglich- Mein ©egenfiaub würbe währenb ber adjttägiqen .Per* 
hanblnngen oom Pegrüßunggabenb an fo oft erwähnt, fo oft in 
ben oerfchicbenften 3nfammenbängen unb Peleud)tungen gegeigt, wie 
bie angeüinbigte „3uchtl)augoorlage", wie fie nun einmal hei&en 
wirb, welche ©eftalt fie audj fhliefelid) annehmen mag. 9)tit biefer 
Slnfünbiguug fei ber legte SReft ber SEufion oom fogialen Mönig* 
thum enbgiltig gefchwuuben, mit ihr feien bie Öebruarerlaffe bur<h* 
ftrichen unb auggelöfdjt worben. 

Ebenfo wenig foginl*reoolutionär wie bie Sorberung bc« 
^oalitiongred)teg ift ber folgenbe Perhanblungggegenftanb beg 
Pergarbeiterfchuheg. Er gab gu einer Stefolution gu ©unften ber 
Slnftellung oon Snfpeftiongbeamten aug bem Slrbciterftanbe Slnlafj, 
bie in ihren §auptpunften auh in biefen-Plättern fchon vertreten 
worben ift. (Pergl. herüber bie SRotig unter „Slrbciterbewegung".) 
Slehnliche Pcmerfungeu hätten wir gu machen gur Ptoifeier unb 
gur gangen Sdjaar oon Ijunbert ober mehr Slnträgcn ginn Pereing* 
recht, gur Haltung bei ben Sanbtaggwahlen, gnm ©efinbered)t, gur 
SReichgoerfaffung, gur ©efchäftgorbnung beg SReid)gtagg unb gu aE 
ben anberen ©egenftänben, bie ben Parteigenoffen biefeg ober jeueg 
SBahltreifeg am §crgeu lagen. Unter Mein war etwag Sogial* 
reoolutionäreg md)t gu entbeefen. Sie ftanben auf bem Poben ber 
jegiaen SBirttjfchaftgorbuung unb Staatgoerfaffung, wiinfd)tcn fleiue 
Slenberungen in biefem ober jenem Sinne, bie man anuehmen oba* 
oerwerfen, befämpfen ober förberti, ernfthaft nehmen ober belächeln 
unb oerfpotten fann, bie aber ©emaltmajgregeln weber gu ©unften 
berfelben empfahlen, nod) gegen biefelben h €rfl n^forberten ober 
nothwenbig machten. 

Pefonberer Erwähnung oerbient noch ber legte groge ©egen* 
ftanb ber Perhanblung, bie SteEung ber Partei gur beutfhen 3oE* 
unb «ipanbelgpolitif. Einmal begljalb, weil, wie hier and) ber 
f>auptrefereut betonte, biefe Srage oöEig inbifferent bem fogialifti* 
fchen Programm gegenüberfteht. 28eber eine S^ihanbelg*, noch 
eine SchuggoEpolitif läfjt fich ben pringipien beg programmg 
ableiten, unb fo ift benn auch oon ben Autoritäten ber Partei eine 
fefte SteEung in biefer Srage nicht genommen worben. Der 
©othaer Parteitag hat fie lebiglidj baburcf) gu einer Parteitage 
gu ftempeln gefucht, baf* er fie für eine rein interne Angelegenheit 
ber Pourgeoifie erflärte, um bie fich ber Proletarier gar nicht gu 
fümmern brauche. §eute ift man barüber anberer Dieinung, unb 
barin liegt ber gweite Umftanb, ber bie Pebanbluug ber §anbelg* 
politif burch bie Sogialbemofratie gu einem bebeutfauien Ercignift 
macht. Auf feinem ©ebiete tritt nämlich fo offenfnnbig gu läge, 
ba& Unternehmer unb Arbeiter unter Umftänben hoch fehr erheb* 
liehe gemeinfatne Satereffeu haben. So fam benn in ber Debatte, 
aEen parteipringipien gum Irog, gelegentlich eine, wenn and) fehr 
befcheibene Snbuftriefreunblichfeit gum Slugbrucf, bie bie s J)föglid)feit 
eineg 3.aEfchugeg einzelner Snbujtriegweige priugipieE anerfanntc. 

28ir fönucn nur wiinfehen, ba^ bie Erfenntnijg biefer Sittereffen* 
gemeinfehaft bei beit Sogialbemofraten fortfehreite, müufdjeu aber 
auch anbererfeitg, bafe bie Unternehmer unb bie Regierung fe()eu, 
wie wenig gute Srüd)te eine politif ber unbebingteit Slblehnung 
unb beg Mampfeg gegen bie Slrbeiterbeftrebuugen trägt. 


^Ulsetneine Stajial- unb BJirtljfdjoftsspoliHk. 


SogialpoUtifche piine für bie nidffte SReichgtaggfeffion* 

Dbwohl ung nod) etwa fed)g 28od)cn oon bem Peginn ber erfreu 
Seffion beg neugewählten SReidjgtageg trennen, glaubt ein ber 
fächnfehen ^Regierung nabeftcfjenbcg Dregbener Platt eine Art fogial* 
politifchen programmg für fie aufftcEen gn fönnen. Sin elfter Stelle 
wirb bie SRoDcEe gur Snaalibeu* unb SUtcrgoerfid)eruitg genannt, 
fobann ÜJtafenahmen „gum Sdiup ber Slrbcitgwiüigen gegen ben 
Streifterrorigmug", benPcfchluB madjeit fogialpolitifd)e Slnträge ber 
Parteien. 28ag in biefem Programm an SRegierunggoorlagcn auf* 
geführt wirb, ift befanntlicf) nidjt neu, unb man mug fchon fehr 
anfprud)glog fein, wenn man, wie bie offigiöfe „Siorbb. Slllg. ^tg." 
bieg tl)ut, barin ben Pewcig erblicft, bah bag Dentfche Weid) muh 
in 3 u fitaft fid) ben Siuhm, in ber gürforge für bie Arbeiter balin= 
bre^enb ooraugefdjritteu gu fein, nidjt fihuiälern, fonbern beliarr* 
lieh nnb planmäßig an bem weiteren Slugbau ber Sogialreform 
arbeiten werbe. Sclbft wer mit biefem Platte bie £öfung neuer 
fogialpolitifcher Probleme ablebut unb nur ein bebutfameg plan* 
mägigeg Sortfchrcitcn auf ber bisherigen Palm forbert, wirb bodi 
gugefteheit, bag bie mit fohher SBucht augefüubigte Streifoorlage 



©ogiale PrajtS. ©entralblatt für Sogialpolitif. Rr. 2. 


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eher einem Rücfferlitt als einem Fortfeßritt ähnlich feßen roirb, ob* 
roohl ja batte ttod) Riemanb roeiß, mie ber ©utrourf fdjließlicß be* 
fcfjaffeii fein mirb. ©as aber bic Rooellc gur Fuoalibcn* unb 
VllterSoeificßeruna betrifft, fo mirb fie Fjoffeutlid) eine nn^Iicfjc 
Vorarbeit gur herein fadjung ber Verwaltung liefern, fdjmerlidj 
aber liegt es in ißrer fmupttenbeng, ben feit Fuß ren laut geworbenen 
Forberungen 311 ©unfteti ber Verficßcrlen 3 U entfpreeßen. ©amt 
oollenbs bie fo bringenb notßroenbige Reform ber Unfalloerfidjerung 
fommen mirb, bie oor Faßt* unb Sag fdjeiterte, meil bie Regierung 
oor ben ©roßinbuftriellen gurücfroicß, baS liegt nodj im llngeroiffen. 
Von einer Fortführung beS RrbeiterfdjußeS ift überhaupt feine SHebe 
in ben offigiöfett blättern; bie „Rorbb." erinnert groar an bie 
Kaiferbotfcßaft oon 1881, baß eS aber auch Kaifererlaßc oon 1890 
giebt, bat fie oermutljlicb oergeffen. Rtan macht ©nqueten, es 
roerben (Erhebungen gepflogen, ein gewaltiges VeroeiSntaterial häuft 
fid) auf, aber bie Regierung lägt es ruhig in ben Rrcßioen 
fcßlummern, ohne bie gefehgeberifdjeu Folgerungen 311 gießen. 

Sroh aller mortreichen Vetßenerung 00 m ©egcntßeil ift bie 
amtliche Sogialreform oööig ins Stocfen geraden, mofern man 
nicht lieber oon einer Umfeßr unb RücfroärtSreoibirung reben roiü. 
Unter biefen Umftänben fällt bem Reichstag, ben Parteien, ber 
Nation felbft bie Rufqabe gu, oorroärts gu treiben. 3lu<h menn 
ber VunbeSratß taube Obren hat für fogialpolitifcße Vefcßlüffe beS 
SReidjStageS, barf bie VoIfSoertretung nicht barauf oergichten, immer 
mieber laut unb nacßbrücflich ihre Stimme gu erheben. Steter 
Sropfeit ßößlt ben Stein! 3111er VorauSficßt nad) roerben ja auch 
btejenigen Fraftionen im Reichstage, bie ben fogialpolitifcßcn Rücf* 
ntarfdj nicht mitmachen — unb bic 3 ahl ihrer Angehörigen ift bnrd) 
bie Rcumahlen nicht oerringert morben —, ihre Einträge auf Au* 
crfennuitg ber VerufSoereine unb Sicherung ber ^Bewegungsfreiheit 
in ihrem legitimen Bereich roieberbolen. Fu ©entntmsfreffeu mirb 
ber ©ebattfe ber ©rrießtung oon ArbeitSfantmern ermogen. gröcßft 
beacßteitSroerih ift bie 00 m Abgcorbueten profeffor £iße auSgeßenbe 
Anregung ber ©infeßung oon lofalcn Arbeitsämtern, in ber Beamte, 
©emeinbeoertreter unb einfießtige Bürger gufammen rcirfen gur 
befferen, groeefmäßigeren Ausführung bereits befteßenber Aufgaben 
auf ben ©ebieten ber Strbeiteroerficfjcruitg unb beS ArbeiterfcßußeS. 
5)aß bie ©rrießtung eines Reichsamtes für Arbeiterftatiftif, mie bie 
„Sogiale Praxis" es neuerbitigS mieber oorgefchlagen bat (oergl. 
Faßrg. VI 1 Rr 38), auch iut ReidjStag Unter jtüßuug finbet, hoffen 
mir beftimmt. Angefünbigt finb ferner bereits Petitionen unb Anträge 
auf (Einführung eines obligatorifcßen ©inigungSoerfahrenS. ©benjo 
mirb bie ©oßnungSreform fid) nicht mehr oon ber SageSorbnung 
oerbrängen Iaffen. Unb fcfjlicglich muß bie Fortführung unb ©r* 
meiteruug beS ArbeiterfdjußeS fich trofe allen ©iberftanbeS burdj* 
feßen, ba bie fteigenben Anforderungen an bie VolfSfraft bie 
Sicherung ber ©efunbßeit unb £eiftungSfähigfeit ber Rtaffeu gur 
unentbehrlichen VoranSfeßung ihrer Erfüllung haben: Ausbau 
ber ©eroerbeaufficht, fimtgetnäße AuSbeßnung ber FufpefHon auf 
Kleinbetrieb unb gjaitSinbuftrie, htjgienifcßer RlayimalarbeitStag, 
Scßußoerorbnungen für gefährliche unb ungefunbe betriebe — baS 
finb alles Riaßnaßmen, bie feit 1891 gefcglict) gu Redjt bcfteljen, aber 
meift nur auf bem Papier. ©S ift bodj roafjrlicb fein umftürglerifcßeS 
^Beginnen gu forbern, baß fie enblidj einmal gur £ßat roerben. 
©nolicß mirb fich &er Reichstag angelegen fein Iaffen, für bie 
Veamten unb Arbeiter in ben Staatsbetrieben gu forgen; aud) hier 
finb mir recht meit nodj oon bem 1890 aufgeftellten Qkk. 

©in foIcbeS fogialpolitifches Programm für ben Reichstag ift 
aüerbingS bebeutfamer unb umfangreicher als baS offigiöfe. Für 
uns ift eben baS ©ort „Sogialreform" fein leerer Schall, fonbern 
ein ©ebot ernfter Rothmenbigfeit, bie gcbietcrifch oorroärtS brängt, 
auch menn unter bem ©iberftanbe einflußreicher Unternehmer bie 
Regierungen fich gegenmärtig gaghaft oon ihr abroenben. 

©. g. 


£ie rechtliche 3uläf{tgfeit beS SpargtomttgtS. 

3ur ©rqängung ber Ausführungen beS f>errn RedjtSanroaltS 
Dr. £ubroig ?\ulb*3)taing in ber vorigen Rununer erhalten mir 
oon .f>erru Veigeorbtieten Ikßroalb in Suisburqjolgenbe 3ufdjrift: 

S. 105 ber ©emerbeorbnung begeidjuet bie Feftfehung ber Skr* 
hältniffe gmifdjen ben felbftftänbigeu ©eroerbetreibenbeu unb ben 
gemerblichen Arbeitern oorbehaltlich ber burdj ReichSgefep be* 
grünbeten iBefchränfungen, als „©egenftanb freier Uebereinfunft". 
i?. 115 oerlangt baare 3luSgahlung ber Slrbeitslöljne, fomeit nicht 
bie Koften ber bort eingeln aufgeführten SebenSbebürfniffe in 3lb* 
gug gu bringen finb, unb §.117 erflärt Verträge, toeldje bem 
§. 115 gumiberlaufen, für nichtig, besgleidjen Perabrcbungen 


gmifdjen ben ©emerbetreibenben unb ben oon ihnen befdjäftigteu 
Arbeitern über bie Skrioeubunc} beS Perbicnftes berfelbcit gu einem 
anbern 3 1ö ecf als nir S3etl)eihgung au ©inrichtungen gur Skr* 
befferunq ber Sage oer Arbeiter ober ihrer Fuuiilien. 

®aß gu foichen ©inrichtungen auch eine Sparfaffe gehören 
fann, in melier bie l]ol)nbeträge ber Arbeiter eine momöglich be* 
oorgugte S3erginfung genießen, bebarf feiner roeiteren SluSführung, 
nur muß oerlangt roerben, baß bie Skrginfung unb fpätere Rücf* 
gaßlung ber ^oljnbeträge in einer ooflfommcn auSreichenben fBeife 
fidjer geftellt ift. ©s fann alfo nidjt für ftatthaft erachtet roerben, 
baß bie fiohnbeträge in prioatfparfaffen ober unmittelbar in bem 
betriebe beS Slibei'tgeberS angelegt roerben, auch tocnn &ie ^cn* 
tabilität beS ^Betriebes begro. bic ©arantie für bie richtige Skr* 
ginfuna unb Rücfgahlung biefer Skträge im eingelnen Foöe über 
jebeit erhaben roäre. ©ine Sktriebsfparfaffe bürfte nur 

bann als eine bem 3‘oecfe beS ©efeßeS entfprechenbc s BohlfahrtS* 
einrichtung angufehen fein, roenn bie S^erroaltung ber Kaffe gemein* 
f<haftli<h burch ben Slrbeitgeber unb eine oon ben Sparern ge* 
roählte Vertretung erfolgte unb entroeber eine münbelfichere Einlage 
aller ©elber irgenbroic garantirt ober aber feitenS beS SlrbcitgeberS 
bis gur .frohe ber Spareinlagen Kaution geftellt roäre. Grifft eine 
biefer Vertagungen nicht gu, fo müßten bie ßohnbeträge bei einer 
öffentlidjeu Sparfaffe gur ©ingahlung fommen, bamit ber ©harafter 
ber ©inrichtung als einer gur Skrbefferung ber ßage ber Arbeiter 
bienenben uubebingt geroahrt bleibt. 

$>eS ©eiteren forbert §. 117 eine „Verabrebung" groifeßen ben 
©emerbetreibenben unb ben oon ihnen befdjäftiqten Slrbeitent über 
bie Verroenbung beS VerbienfteS ber leßteren. Sie Arbeiter müffen 
fuß alfo mit ber 00 m Arbeitgeber getroffenen ©inrießtung, roonaeß 
beftimmte Rfinitnalbeträge iljrer S?ößne regelmäßig an eine Spar* 
faffe abgeführt roerben, einoerftanben erflären. Fft für ben be* 
treffenben Vetrieb nach ben Vorschriften ber ©eroerbeorbnuitg eine 
Slrbeitsorbnuug obligatorifdj, fo roirb aueß in biefer ber Spar* 
groang gu regeln fein. F^er neu eintretenbe Arbeiter erfennt 
burdj ben Antritt beS SlrbeitSoerhälhiiffeS bie eingelnen Vorfdjriften 
ber Slrbcitsorbnung, bamit alfo aücß ben Spargroaug für fid) als 
redjtSoerbinblicß an. hierin Hegt eine ftidfeßroeigenbe Slnnaßme 
ber oom Arbeitgeber getroffenen Rfaßnaßmen, toclcße einer aus* 
brütflicßcn an RecßtSgültigfeit ooUfommeu, gleicßflcßt. Aeßnlicfy 
liegt ber Full, menn bte Vcftintmungen über Spargroang erft nach* 
träglich in bie Slrbeitsorbnung aufgenommen roerben foQen. ©e* 
langen biefe Veftimmungen oorfdjriftsmäßig burch ben ©rlaß eines 
Rad)trageS ober einer neuen SlrbeitSorbnung gur Einführung, fo 
muß bei benjenigen Arbeitern, bie nadj Fnfrafttreten berfelben im 
StrbeitSoerßältniß oerbleiben, ein ftiüf^roeigenbeS ©inoerftänbniß 
mit bereu Fnhult angenommen roerben. 

©enn bagegen ber Spargroang in einem Vetriebe befteßt ober 
neu eingeführt roerben foH, für ben eine Slrbeitsorbnung nießt er* 
Iaffen ift, fo muß felbitoerftäublicß mit jebem neu eintretenben ober 
in bem Vetrieb bereits bcfcßäftigten Arbeiter eine auSbrüdflicße 
Verabrebung ftattßnben, roonaeß fid) berfelbe bem Spargroang 
unterwirft. Schließlich wtuß noeß geforbert roerben, baß eine Ver* 
roenbung beS VerbienfteS ftattfinbet, baß alfo bie Slnlaae bei ber 
Sparfaffe fpäteftenS unmittelbar naeß ber Fälligfeit beS VerbienfteS 
erfolgt. 

©in Spargroang, ber unter ben oorfteßenb erörterten Ve* 
bingungen ausgeübt roirb, fann alfo. unbebenflicß als eine nadh 
§. 117 Abfatl 2 ber ©emerbeorbnung gültige Verabrebung groifeßen 
ben ©emerbetreibenben unb ben oon ißnen bcfcßäftigten Arbeitern 
über bie Verroenbung beS VerbienfteS berfelben gur Vetßeiligung 
an einer ©inridjtung gur Verbefferung ber öage ber Arbeiter an* 
gefeßen roerben. 

Duisburg. ikßroalb. 


Slrbeitsfamutent. ^iefe roießtige Angelegenheit foQ auf ber 
am 13. Dftober in Straßburg i. ©. ftattßnbenben ©jeneraloerfamm* 
lung beS VerbanbeS „^Irbeitcrrooßl" eingeßenb erörtert roerben. 
An erfter Stelle ber XageSorbnung fteßt ein Vortrag beS Vor* 
fißenben F^ung VranbtS*3K.*©labbad) über „Fnbuftrie unb Arbeiter* 
fammern"; über Drganifation ber 3lrbeitSfammern roerben ReicßS* 
tagSabgeorbneter Prof. Dr. §iße*5Rünfter unb Fubrifbefißer s Di.©iefe* 
©erben fpredjen. — ^ie „Sogiale prag'is" roirb f. 3t- über bie 
Verhanblungen berichten. 

^te babifeße Regierung unb bte Streifs» lim Staatsßülfe bei 
Streifs hatte ber ©entraloorftanb beS babifeßen öunbroerferbunbcS 
bie babifeße Regierung erfudjt. 2)er ©entraloorftanb glaubte als 




37 


Sogiale frajiS. Eentralblati für Sogialpolitif. Nr. 2. 


88 


Vorbeugungsmaßregeln empfehlen gu foEen, baß bei VerMttgungS* 
©ertragen mit ßieferungSfriften Vorbehalte gemalt roerben möcßten 
baßittgehenb, baß bei AuSbrurfj oon AuSftänben ober ©cfcßäfts* 
fperrefo lange Stunbnng (griftoerlängerung) gemährt roerbe, als 
ber AuSftanb ober Me ©efdjäftsfperre anbauere, unb baß eoentuett 
feftgefe^te Ronoentionalftrafen nießt in ©irffamfeit treten follen. 
Auf biefe Eingabe ßat naeß ber ©eroerbe*3eitung" baS 

ERinifteriutn folgenbe Antroort ertßeilt: 

„$cm Vorfiatib beS Vabifdjen £>anbroerferbunbeS erroibertt mir 
im Einoerftänbntß mit ben übrigen Vtimfterien, baß mir im All* 
gemeinen bereit fmb, bei Ausführung ftaatlicfjer Sauten, roenn feine 
©efaljr im Verguge liegt, aus ©rünben ber Vtttigfett ben burtß Streifs 
ßerbeigeführten befonberen Verhältniffen im Sinne ber bortfeits ge* 
äußerten SSünfdbe Segnung gu tragen, baß mir uns aber bie Ent* 
frfjließung uon gatt zu gatt uorbehalten müffen. (Sine allgemeine 
Verorbnung in ber angegebenen Nidjtung gu erlaffen, ober gar, 
mie bortfeits angeregt mirb, Veftimmungcn begüglirfj Verlängerung ber 
Cieferungsfrift unb AuSfejjung ocreinbarter Äonoentionalftrafen in bie 
IHeferungSoerträge aufgunefjmen, fmb mir bagegen nießt in ber Sage, 
meil bie ttRöglicßfeit eines AuSftanbeS in golge unbilliger Veljanblung 
ber ©ehülfen unb Giefetten feiten* ber Arbeitgeber nirfjt ausgefrfjloffen 
ift, in biefent gatte aber eine Veroiüigung ber griftoerlängcrung an 
leßtere nur ungerechtfertigte Vegünftigung ober Unterftüßung berfelben 
ßerbeifüßren mürbe, $ie Entfcßeibung ber Sache im einzelnen gatte 
mirb fomit oon ber Vrirfung ber Urfadje unb ber Vegrünbung beSAuS* 
ftanbeS abhängig fein. Außerbem aber mirb norfj in Vetracßt fomnten, baß 
burrfj bie ©eroäßrung ber Stunbung einer Lieferung eines ooit bem 
ArbeiierauSftanb betroffenen ©eroerbetreibcnbeit unter Umftänben bie 
ÖieferungSfriften aurfj ber anberen bei ber ^erftettung beS betreffenben 
ftaatlirfjen ©ebäubeS ßetßeiligten §anbmerfer ungünftig beeinflußt merben 
fönnte, mas nießt erroünfeßt märe." 

SogtalpolitifcßeS aus Vclgiett. ®ie belgifcße Regierung ßM 
aus politifcßeit ©rünben ein größeres Sntereffe baran, ERittelftanbS* 
politif als Arbettcrfogialpolitif gu treiben. So ift fie beim auch 
mit oerfeßiebenen Vorunterfudjungen für gefeßlicßc ERaßnaljmen im 
Qntereffe ber §anbroerfer unb flehten Raufleute befdjäftigt. ES 
ßanbelt fief) um eoentuell Jtaatlicße görberung oon Noßftoff* unb 
©aareneinfaufSgenoffenfcßaften, um bie ERöglicßfeit, ben Vagarcn eine 
befonbere Steuer aufjuerlegen 2 C. $>ocß fott ber ArbeitSntinifter 
gang unter ber ^panb muß bie Veranftaltung einer Enqufcte über 
bie Sage ber Srfjneibcrinnen in ben 23rüffeler Ateliers augeorbnet 
haben, mo in Vegug auf ßößne unb Arbeitszeit 3uftänbe ßerrfeßen, 
bie, roenn fie ber Deffentlicßfeit befannt roerben roürben, bie aE* 
gemeinfte Mißbilligung erregen müßten. 

$fasi eines euglifcßeu Arbcitgeber-VerbattbeS. Unter bem Vor« 
ftße oon Sir ©iEiam ßeroiS rourbe am 3. Dftober in ßonbon über 
ein Vrojeft beratßen, bie großen Arbeitgeber im ßanbe zu einem 

f ieroaltigen Verbanbe zu oereinigen. Nadh bem „NerocaftleEhronicIe" 
ollen bie gabrifanten*Verbänbe ber einzelnen Subuftrien zu einem 
„Nationalen Verbanbe" oerbitnben roerben. 100—200 Spezial* 
Verbanbe follen fiel) feßon bereit erflärt haben, ißm beizutreten. 
$)er Vlan geht oon bem SDireftor ber „South ERetropolitan ©aS* 
©efeEfcßaft", Sioefep aus, unb ber oerftorbene ^räfibent beS Ver* 
banbeS ber ERafcßinenfabrifantett, Dberft 2)per, foll fich feßr für 
bas ^rojeft erroärmt haMn.— Vefanntlich planen aurfj bie (ferner!* 
oereine Sie ©rünbung eines großen nationalen VerbanbeS. §\n 
Januar foll auf einer Verfammlung in Ntonrfjefter barüber Vefdjlitß 
gefaßt roerben. 


ftonttmtitale $o|ialpoiitih. 


©etoerbemufiihfitener in Bresben. Nach faft zmeijährigen 
©rroägungen befchloßbaS Stabtoerorbneten*RoIlegium am 8 . Dftober 
bie Einführung einer ©eroerbeumfaßfteuer für aEe ©cfdjiifte inner« 
halb beS StabtbezirfeS, ehtfrfjließlirf) beren 3u)eiggefchäfte unb 
VerfaufSfteEen, in benen ßebenSmittel, ©enußmittel, VefleibuttgS« 
gegenftänbe ober attbere für ben roirthfchaftlirf)en Vebarf beftimmte 
©egenftänbe im Einzelnen oerfauft roerben, unb zmar ohne Unter« 
fchieb, ob ftch bie ©efrfjäfte in ber §anb oon einzelnen ^erfonen, 
offenen ^anbelSgefeüfchaften, Rommanbitgefettfrfjaften, Aftien« 
gefettfd)aften c Rommanbitgefellfrf)aften auf Aftieu, ©efellfrfjaftett mit 
befchränfier Haftung, eingetragenen ober nirfjteingetrageuen ErroerbS* 
unb SSirthfchaftSgenoffenfchaften ober ^erfonenoereinen befinben. 
2)er Steuer follen aurfj unterliegen: Nieberlaffungeu, VerfaufSfteHen 
unb 3weiggefchäfte oon außerhalb beS StabtbezirfeS gelegenen 
Erzeugungsftellen ober £>anbelSgefchäfien, fofern fie fich mit bem 
Einzcloerfauf ber begeichneten 2Baaren befaffen, ferner Vereine gum 
gemeinfchaftlichen Einfauf oon Gebens* ober s MrthfchaftSbebürfmffen 


im ©roßen unb Verlauf im Einzelnen (Rottfumoereine). ®ie Steuer 
foE erhoben roerben bei einem 3ahreSumfaß oon über 200 000 bis 
500 000 <1L mit bei einem 3uh r cSumfaß oon über 500 000 M 

bis 1 Ntittion mit 1 , bei einem Umfaß oon über 1 ERiEion 
mit 2 oom §unbert. Ein Umfaß bis gu 200 000 J(, bleibt 
fteuerfrei. 

«Stlbttfche VHSeellett. 2)te Stäbte roerben allgemach gu einer ftär- 
ferett Verürfffchtigung ber Arbeiterintereffen gebrängt. 2)er ^artfer 
Stabtrath unb Ser Seine»©eneralratfj gehen — mit ©enefjmigung ber 
Negierung — fo roett, ben ausftänbigen Erbarbeitem bei ben feelt* 
auSftellungSarbeiten 20 000 unb 10 000 grc. Unterftüßung gu beroittigen. 
2)ie hottänbifche Stabt 3moIIe (etroa 80 000 Einroohner) ^at in ißrer 
©aSfabrif baS ^)reifdhirfjten*Stjftem unter Veibcljaltuna ber bisherigen 
fiöljne befchloffen, roie es fchon in einer Neiße oon großen Stäbten be* 
fteßt. $er V erlin er SRagiftrat lj fl t fich Somit einoerftanben erflärt, 
Saß bie Vermattungen ber ftäbtifdjcn Vetriebc ArbetterauSfchüffe 
bilSen fönnen, fofern fie folchcS für groerfmäßig erachten, geborfj follen 
ihre ©efdjäftSanroeifungen im gntereffe einheitlicher ©runbfäße genelptigt 
roerben. Ein folrfjer ArbeiterauSfrfjuß befteljt bereits bei ben ftäbtifchen 
©aSroerfcn, eine golge beS ©aSarbeiterftreifS. gn Eljarlottenburg 
unb ®chöneberg ift bie Errichtung unentgeltlicher ftäbtifrfjer ArbeitS* 
nachroeife befchloffen SBäljrenb aber ber Eharloltenburger baS ©eftnbe 
auSfchließt unb fich nur an ungelernte Arbeiter unb Arbeiterinnen roenbet, 
rourbe in Schöneberg bie AnSbehnung auf männliche unb roeibliche 
$ienftboten unb bie Verbinbung beS ArbeitSnarfjroeifeS mit einer un¬ 
entgeltlichen AuSfunftsftefle in VerfidjerungS* unb NerfjtSfragen angeregt. 
®chließlirfj ift hierher gu einem %l)cik ber Vefrfjluß beS Münchener 
SIRagiftratSfottegium gu rechnen, ber nach bem Vorgänge anbercr großen 
Stäbte beim Minifterium bie Aufhebung ber ©rengfperre für ®djla<ht* 
oieh forbert, bie bie ©efamnttbeoölferung fchäbige. — 3« 8Raing hat 
bie ftäbtifeße ginangfommiffton einfümmig befchloffen, für bie SBaifen* 
ßauSfinber bie gamtlienpflege einguführen. — gn ^>alle a. S. beroü» 
ligten am 27. ®ept. bie ®tabtoerorbneten einen Rrebit bis gu 10000 
gu Vorarbeiten für bie Errichtung einer eleftrifcßen Eentralc. 2)ie 
grage, roer baS SBerf bauen unb betreiben Jolle, rourbe oorläufig un* 
entfdhieben gelaffen. — $>n Srottorf fnüpfen fich bie Vläne auf Er¬ 
richtung eines EleftricitätSroerfeS an bie Erroerbung eines SRüfjlcn- 
grunbftitrfs mit bebeutenber SBafferfraft bureß bie EleftricitätSgefettfchaft 
w §elioS". — £ie Verfucßc mit ©asautomaten haben in Verl in (fie 
roaren in $)ienftroohnnngen angeftettt) immer nodh nießt gu einem fießeren 
Ergebniffe geführt, gm SSinter roitt man es nun mit Vrioatleuteu 
©tanbinßabem ber 9Rarfthatte 2 c.) oerfueßen. Sonberbar ift es, baß 
man aus anberen (Stäbten längft oon guten Erfolgen biefer Einrichtung 
gu berichten roeiß. 


Jnftänbr. 


®ie Sage ber Vanarbeiter in Amperbam» 

s Bie in ber „Sogtalen SJka^iS" fetnergeit*) mitgetheilt rourbe 
ßat bie Stabt Amfterbatn unter bem Einfluß ber umfangreichen 
ArbeitSlofigfeit, roeldje fieß im SSinter 1896/97 feßroer fiißlbar 
tnaeßte, bureß Vefrfjluß oom 30. 3um 1897 eine Rontmiffion eitt* 
gefeßt, roelrfje in Verbinbung mit bem ftäbtifeßen ftatiftifrfjen Vureau 
bie äage ber Arbeiterbeoölferung ber Stabt unterfueßen unb be* 
fonberS bie 9Röglicßteiten, bie ArbeitSlofigfeit eingufeßränfen, prüfen 
foEte. ®ie Rommiffion roanbte bereeßtigterroeife ißre Aufnterf* 
famfeit guerft bemfenigen ArbeitSgroeige gu, roeltßer unter ber 
ArbeitSlofigfeit am rcgclmäßigfteit uno am meiften gu leiben ßat, 
ben Arbeitern in ben Vaugeroerben. 2>ie Ergebniffe biefer nunnteßr 
im &rucf erfeßienenen Enquete**) feien im gfolgenben furg gu* 
fammengefteEt. 

$)a bie VeoölferungSberoegung unb bie roecßfelnbe Sntenfität 
ber Vautßätißfeit oon beftimmenbem Einfluß auf bie Sage ber 
Vauarbeiter ftnb, fo müffen einige ©orte barüber oorauSgefcßicft 
roerben. ©egen Enbe beS oorigen 3aßrßunbertS betrug bte Ein* 
rooßnergaßl oon Amfterbant etroa 217 000 V er fonen, biefe 3 a M 
ging unter ber folgettben frangöftfeßett ^errfeßaft auf etroa 200000 
gurücf. Erft um bie ERitte unfereS Saßrßunberts ßatte Amfterbatn 
ungefähr roieber biefelbe Einrooßnergaßl roie 100 Saßre guoor. 
Ein Vebarf nadj Stabtausbreitung roar in biefer 3^it alfo nießt 
Dorßanben. Aucß in ben groangig Saßren oon 1850 bis 1870 
blieb bie VeoölferungSgunaßme ttoeß in ben befeßeibenen ©rettgett 
oon 8 , 7 %; bann aber ftieg fie für Sic ^efabe 1870 bis 1879 auf 
18% unb 1880 bis 1889 fogar auf 25, 6 %. Snnerßalb biefer 
SDefaben fanten übrigens, roie bemerft roerSen muß, bie ftärfften 


*) Sogiale $rn£i* 1897 Nr. 38 unb 1898 Nr. 18. 
i: 1: ) De Toostaml der Werklieden in de Bouwbcdrijven te Amster¬ 
dam. Rapport uit^ebraeht door de Ceinmissie van Onderzoek. 1898 
(Verkrijgbaar bij het Ilureau voor Statistiek, Amsterdam). 



39 


©ogtale BrajtS. ©entralblatt für ©ogialpolittf. 9h:. 2. 


40 


©chroanfungeit oor. Aus biefctt 3 a ^ en wirb erflärlicß, baß bie 
©rf)Öpfung ber neuen ©tabttßeite beS heutigen Amfterbam erft furg 
oor 1870 begann. Streit .jpöbepunft erretcßte biefe lebhafte Bau* 
periobe 1882. 3n biefem 3aßre mürben 931 neue Käufer fertig 
gefteHt. $aS AuSftellungSiaßr 1883 bradjte bann eine $rifiS; 
roäßrenb non 1880 bis 1882 2266 Käufer gebaut mürben, maren 
eS 1883 bis 1885 nur 1289. Bacß bem 3aßre 1890 begann troß 
beS BacßlaffenS ber fdjnellcn BeoötferungSgunaßme mieberum eine 
[ehr ftarfe Bautßätigfeit, roelcße aber ißre Urfacßen nicht forooßl 
im reellen Bebiirfntß ^atte als in ber Drganifation beS Bau* 
frebits unb beffen fpefulatioer AuSnußung. $>iefe Beroegung farn 
erft im hinter 1896 gum ©tillftanb. 

$cr mastige Auffcßroung ber Bautßätigfeit nach 1870 hatte 
crflärlitßcrroeife einen ftarfen 3uflufe non ArbeitSfräften nad) ber 
pauptftabt gur Sol0 e - &ie 3 a ßl her iw Baufach befcßäftiaten 
Berfonen ftieg non 6868 in 1859 auf 13 870 in 1889. 3n einer 
3eit, mo bie Beoölferung um 68% geftiegen mar, Ratten fuß bie 
Bauarbeiter um 102% nermeljrt. £)ie $olge mar bann natürlich 
meit oerbreitete ArbeitSlofigfcit, als bie Stonjunftur utnfcßlug. Sieben 
biefem Umfcßroung ber Monjunftur I>at bie fapitaliftifdje Um* 
geftaltung beS Baugefd)äftS bie Sage ber Bauarbeiter ungünftig 
beeinflußt. ÖS ift bamit in Amfterbam nidjt anberS gegangen 
als in ben großen beutfdßen ©täbten. And) hier hat bie Bau* 
fpefulation non ©enfcßen oßne Kapital allein im Bertrauen auf 
ben äfrrebit ber ^ppotßefcnbanfen m ben traurigften $ataftropßen 
geführt. SDtan hat in Amfterbam Das ©ort „Revolutiebouw“ für 
biefe Art non ©efdßäftsbetrieb erfunben. X)och ftnb bie SBerfaffer 
ber Önquete ber Anficht, baß bei Snfolneng ber ©pefulanten bie 
Berlufte ber Arbeiter in Amfterbam nic^t fo groß futb mie in 
SDeutfcßlanb, ba bie roöcßentlicheAuSgahlung eines geroiffen„©tanbarb* 
loßnes" bie Siegel fei. SDieS gelte and) für bie Arbeiter auf ©tücf- 
Ioßit unb bie fleinen 3wifcßeuineifter. dagegen fteßt es mit ben 
generellen folgen ber fapitaliftifcßen Umgestaltung beS Baugefcßäfts 
auf ben Arbeiter ebenfo mie bei uns: bie Arbeiter roerben nur 
noch für bie Botlenbung eines beftimmten Baues angenommen 
unb fielen nicßt meßr im bauernben Berßältniß gu einem Arbeit* 
geber. Unter ben ungeheuer cjeftiegenen Anforberungen an bie 
0d)neHigfeit ber Arbeitsteilung ift bie qualitatioe ÖeiftungSfäßigfeit 
beS Bauarbeiters Beträitjtlicf) gefüllten; ber ©iücfloßn hat ben 
©tunbcntoßn im meitefteu Umfang nerbrängt, aber bie große Shm* 
furreng unter ben Arbeitern hat bie Soßnfäße immer roeiter ge* 
örücft, fo baß bie Arbeiter ließ oielfacß ben 3eitloßn gurücfroüitfdjen. 
©äßrenb ber ©tunbenloßn fid) feit 1875 non 13 bis 14 ©ent auf 
20 bis 25 ©ent erßößt hat, nerbient ein Arbeiter, ber in ben 
günftigen 3aßren 1875 bis 1880 eine roöcßentlicße Öinnaßme non 
25 bis 30 ©utbcn hatte, feilte feiten meßr als 12 bis 20 ©ulben. 
Sreilicß ift feit biefer 3^it ber Arbeitstag non 12 ©tunben unb meßr 
auf 11 ©tunben ßerabgefeßt morben. 5Dic Arbeitslöhne finb übrigens 
in Amfterbam banf ber Bemühungen ber öacßoereinigungen aucß 
heute nodj ßößer öls in allen anberen hottänbifcheit ©täbten, 
moburd) freilid) ber Anreig gur 3umanberung beftehen bleibt. 

Xüe Önquete befchäftigt fich eiugehenb mit ben Beränberungen 
in ber i ? age ber oerfd)iebencu klaffen ber Bauarbeiter: ber3immer* 
leute, ©teinhauer, Biaurer, ©hnfarbciter unb BZaler. $)ie Sage 
ber leßteren ift am uuerfreulichfteit, bie ArbeitSlofigfeit bei ihnen 
am größten, nirgeubs ift in ßolge ber Bcrrailberung beS Bau* 
gcfdjäfts bie Cualität non Material unb Arbeit fo gefunfen mie 
bei ihnen. 

©egen Mranfheit fjnb bie Arbeiter faft ausnahmslos nerfidjert, 
gegen Unfall meift nur bie, melcfje unter Baumeiftern arbeiten. 
3m Öigcnbau fehlt es faft burcfjmeg an einer Unfallnerßcherung. 
^orf) mirb .^ollanb nermuthlid) nodi in ber folgenben fBinter- 
feffion eine obligatorifchc Unfallnerficherung erhalten. 

3nm ©d)Iuß prüft bie önqnete bie Biittet, melihe bie Sage 
ber Bauarbeiter beffern fönneit. Öiner Berfidjermig gegen ArbeitS* 
lofigfeit ftehen bie Beranftalter ber Erhebung au^ tcii)iiifcf)en ©riinben 
ffcptifdi gegenüber. Audi non einer Arbeiterbörfc erhopen fie feine 
mefcntlidie Abhülfe ber häufigen unb meitgeheuben ArbeiSlofigfeit. 
dagegen ermarteu fie güuftigc Stefultate non iubirefteren SJcaß* 
nahmen mie non einer SHeform bzz ©ubmiffionSmefenS. Arbeiter* 
unb Arbeitgebernereiuigungeu follten fid) über Bcinimalftürflöhue 
einigen, meldie bei allen ©ubmiffionen in Auredjnung gebradit unb 
innegehaltcn merben müßten. ^aS .gauptaugeumerf* füllte aber 
auf bie Betampfiing beS r Revolutiebouw ti geridjtet merbeu. ÖS 
müßten fid) große ©efellfdmften grünben, tueIdie niefjt nur felbft 
Käufer bauen, fouberu fie and) felbft erploitiren. ©aS ©elb, 
meines man l;ente ben .pppothefeubaufen gumenbet, mürbe ihnen 


gufließen, unb bie ©tabt, meld)e bie ©runbftücfe in örbpadjt*) 
auSaiebt, müßte fich mit (Garantien nerforgen, baß bie örbauer beS 
$au|eS auch Befißer bleiben mollen. 

Brüffel. ©uftan SKaper. 


$er KrüeüSmatft tm ©eptember geigte in $)eutfd)lanb mieberum 
baS günftige ©epräge, meldjeS nur bureb ben jeßt beenbigten 
fpanifch=amerifanifd)en Strieg geitmeife unterbrochen mar. $)ie all¬ 
gemeine roirthfd)aftlid)e ßage ber 3nbuftrie, mie fie im Banf* unb 
Börfenuerfehr gum AuSbrucf fommt, mirb noch immer überroiegenb 
giinftig angefehen, ift aber nicht frei non Borgängen, bie einanber 
miberfpredjen. $ad) ben Örgebniffen ber ArbeitSnachroeiS-Berroal* 
tungen, mie fie in ber Berliner SDtonatSfdjrift „$)er ArbeitSmarft" 
neröffentlid)t finb, bemarben [ich um 100 offene ©teClen im ©ep* 
ternber 101,0 gegen 104,2 im ©eptember beS BorjahreS. 5Der 
Anbrang hat an 33 (+ 2 auStänbifchen) Drten abgenommen unb 
nur an 19 (+ 2 auSlänbifchen) JDrten gugenommen. 

^te ©efmtbljcU ber untere» ©tfenbah»Benmte» mar fürglich 
©egenftanb eingeßenber Berathungen ber Berfammlung beutfeher 
Öifenbahnärgte in Stöln. ®ie Berfammlung begcichnet bie An- 
ftedung oon Aergten als SRitglieber ber oberften Bahnoerroaltungeu 
nach & e m Btufter BapernS als ein bringenbeS Bebürfniß gur Ueber- 
roac|ung beS ©efunbheitSguftanbeS ber Beamten, ber ja in Solge 
ber naturgemäß feßr unregelmäßigen öebenSmeife ber Angefteflten 
unb burch ihren 2)ienft an ber Außen feite ber ^erfonenmagen bei 
2Sinb unb ©etter fd)meren ©chäbigungen auSgefcßt ift. AuS- 
brücflich mürben baßer bie ©ießtigfeit georbneter ®ienftgeit, groeef* 
mäßiger örnäßrung, Befleibung unb UnterfunftSräume betont, 
ferner mürbe oerlangt, baß jeber Beamte jährlich einen regel* 
mäßigen mehrmöchentlichen Urlaub genießen fülle, ber um fo länger 
fein ntiiffe, je anftrengenber ber $)ienft unb je älter ber Beamte 
fei. Önblicß mürbe oen öifenbahnbeljörben bie öinrichtung be* 
fonberer ©enefungS- unb ÖrhoIungSheime roarm empfohlen. 

fttnberarbeit in ^ranffnrt a. 9W. unb (£|et«mß. 2)ie Beit* 
theilungen beS 3ranffurter Armenamtes forbern Öinfd)ränfung ber 
£inberarbeit. Aus bem 23. Begirf mirb berichtet: 

Btelfacß machen mir bie Beobadjtung, baß fchulpflicßtige SHitber in 
ißrer freien 3 c ü bei frentben Leuten gegen Bcgahlung arbeiten, ©o 
roerben namcntlid) bei bem 3äten ber ^ueferrüben fepr oiele ^inber 
benußt. öu roäre feitens ber ^oligei am ^laße, einmal fcftguftcQen, ob 
bie Äirtber bei biefeu Arbeiten nießt in moralifd)er unb gefunbheitlicher 
Begießung gcfdjäbigt roerben. Aamentlid) foüte eS poligeilidjerfcits oer¬ 
boten fein, baß Rinber ÄbenbS in ©irthsßäufern gleicßüiel mit melier 
Arbeit bcfcßäftigt roerben ober in benfelben mit ©aareit ßauftren gehen. 

Um ben BUßbraucß finbtießer ArbeitSfräfte im S*feftaurationS* 
betriebe eingufthränfen, ift in ößemniß jeßt bie Beftimmnng ge* 
troffen, baß i^naben gum ^egelauffeßen nur an gmei £agen in her 
©oeße ßerangegoaen roerben bürfett. 2>ie örlaubniß ift oon ber 
guftänbigen ©chulbehörbe eingußoten unb barf nur ertßeilt roerben, 
roentt ber £itabe 12 3«ß« alt, fräftig ift unb tabellofe ©djul* 
leifturtgcn anfmeift. Btacßt er am &age naeß bem ^egelauffeßen 
ben Öinbrudf ber örfcßlaffung, fo ift bie ©eneßmigung fofort gurürf* 
gugießen. 

Auflehnung beS ©ro$betriebS in Vtautthttut. Aus Mannheim mirb 
uns gefdjrieben: ^er oor Burgern erfeßienene, bie ©eroerbeftatiftif ber 
beutfdjen ©roßftäbte nach ber 3äßlung oom ©ommer 1*95 bcßanbelnbe 
neuefte Banb ber ©tatiftif bcs Teutfeßen Aeicßes geftattet eine Ber* 
gleicßung mit ben oom ßiefigen ftäbtifeßen ©tatifiifcßen Amte im Xe* 
gember hörigen 3oßreS für Sftannßeim oeröffentlicßtcn örgebniffen. öS 
läßt fid) baranS erfeitnen, in mie roeitg eben bem Bfaßc bie großbetrieb* 
Iidjc Rongentration in unferer ©tabt fortgefcfjrittcn ift. 3ur 3üßtungs* 
geit beftanben nämlicß in Mannheim 14 Betriebe mit je über 200 bai*tn 
Befdiäftigten, gnfammen mit 5797 Berfonen. Xamit iibertrtfft Btaitnßeim 
13 oon Den 28 fämmtlid) größeren beutfeßen ©roßftäbten, barnnter auch 
uriferc Aacßbarftäbte gremffurt, ©tuttgart unb ©traßburg. Jpinficfjtlicp 
ber ©efammtgaßl ber in ÜDiotorenbetrieben oerroeubeteri BT cl 'bcftärfen 
fteßt aber Atanußcim mit 15 262 fogar feßon an ficbenter ©teile unb 
laßt felbft brei* unb oicrntal jo große ©täbte, roie Biiindicu, XreSben 
unb Breslau tßeilmcife erßeblid) ßinter fid) guriief. 3m Bcrgleid) gur 
Beoölferung, b. ß. bei Bcred)iiuug ber auf einen (Simuolincr entfallcnbcn 
Bferbeftärfcn ber SWotoreubetriebc, roirb unferc ©tabt überhaupt nur 
noeß oon Xortmunb iibertronen unb roiirbc bei öiureeßnung ber feitßer 
cinoerleibteu Borortc Ääfcrtßal, ©albßof unb S?ecfarau maßrfd;einltd) 
fogar an bie erfte ©teile rüden. 


: ) Xurcß Befcßluß oom 16. 3uli 1*96 oerfauft bie ©enteinbe 
Amfterbam ben ihr gehörigen Olrunbbefiß nid;t mehr, fonbern gtebt ihn 
mir nod) in örbpadit aus.’ 



41 


©ojtalc frasis. «entralblatl für ©ojtalpolittl. ftr. 2. 


42 


^rbtiterbesuegirag. 


Allgemeiner AnSfUtttB im ^atifet BangetoerBe. 

Aus Boris wirb uns getrieben: Der Streif bcr ©rbarbeiter in 
Baris, bcr 2Ritte September begann unb binnen wenig Dagen faft alle 
Baupläfte ergriff, fo baß ©nbe September etwa 15000 Arbeiter feierten, 
bat fidf) nun jum AuSftanb faft beS gefammten Baugewerbes ent* 
nricfclt. Die Bewegung ^aite urfprüuglich nur eine 20proxentige 
ßobnerböbung für Die ©rb* unb Bohrarbeiter jum 3mecfe. geboch 
lag in biefem einfachen Verlangen \)öfyxcx Soßne fchon ber Keim 
Zu einem prinzipiellen Streite. Die oon ben Arbeitern oertangten 
Sohnfäfte fteüten nämlich bie bei ben Koftenbered)nungen ber öffent* 
liehen Arbeiten ber Stabt Baris $u ©runbe gelegten Da;ren bar, 
unb biefe Dajen, bie fich feineSwegS nach Nachfrage unb Angebot 
non Arbeitern richten, fonbern auf ben effeftioen ßebenSfoften ber 
arbeitenben klaffen beruhen, erfcheinen in gemiffem Sinne als 
Bfinimallöhne. gür ihre eigenen SHegieunternehmungen zahlt bie 
Stabt ganz felbftoerftänblich bie ßöhue biefer BreiSliften, bie fo* 
genannten prix de serie, unb feftt oorauS, wenn fie es auch nicht 
auSbrücflich ftipulirt, baß bei ihren an Brioatunternehmer oer* 
gebenen Arbeiten biefe ßöhne ebenfalls befahlt toerben. ©anz 
natürlicherweife ermaßt bann bie Denbenz, biefe ßoljnfäfte für baS 
prioate Baugewerbe, namentlich für bie Bauunternehmungen ber 
(Sifenbahngefellfchaften zu oerattgemeinern. Die Unternehmer freilich 
wiberfeften fid). Die ßöhne, welche fie burchfeßnitttich Z a ^ cn ^ halten 
fich etwa 20 °/ 0 unter ben Dajen ber offiziellen Breisliften. Selbft bie 
in ftäbtifchem Aufträge ftehenben Unternehmer zahlen geringere Säfte 
unb motioiren biefeS Berftalten bamit, baß fie bei ben Submiffionen 
beträchtliche Rabatte auf bie amtlichen Koftenoorfchläge gewähren 
müffeit, ferner eine Sfteihe oon ©eneralunfoften zu tragen hüben, 
welche bei ben amtlichen Berechnungen nicht berücffichtigt werben. 
Anläßlich beS feßwebenben Streites haben übrigens auch Z^ei 
ftäbtifeße Ingenieure erflärt, baß bie Unternehmer an ber un* 
qualifizirten Arbeit nichts oerbienen, bafür freilich an ber qualifizirtcn 
um fo größere Profite machen. 

Das ift ber reale Untergrunb, auf bem ber Streif ber ©rb* 
arbeiter ansbrach, ber bis zum 8. Dftober zum AuSftanb oon 
35—45000 Bauarbeitern aller Kategorien geführt ßot unb in einen 
©eneralftreif ber ganzen Arbeiterfcßaft beS SeinebepartementS aus* 
Zuarten broßt. Baris befinbet fich benn auch fcßon feit einer Wocße 
wenn nicht im formellen, fo hoch im tßatfäcßlichen BelagerungS* 
Zuftanbe. Erwähnt muß übrigens werben, baß bie ganze Be* 
wegung nicht frei oon potitifchen Sföotioen ift. ©S war anfänglich 
bie um bie „Betite SRepublique" gebitbete ©ruppe ber fozialiftifchen 
Führer, welche ben Don angab, unb bie Streifer ließen fich felbft 
herbei, bie oon ber nationaliftifcßen Partei (ehemalige Boulangiften) 
gefammelten Unterftüftungen zurüefzuweifen. Unb wenn fich heute 
bie Befchäftigten ber Dransportunternehmungen ben Bauarbeitern 
anfcßließen wollen, fo bringt bamit ein Element in bie DiSfuffion, 
welche ben wahrfcheinlithen ©rfolg ber Bauarbeiterbewegung fehr 
gefährben fann. Denn bie Bewegung ber Ieftteren begegnet faft 
überall fympathifeßer Beurtheilung. $at fich bo<h ber ©emeinbe* 
rath oon Baris zum auSgefprochenen unb riicfhaltlofen Bertreter 
ber Arbeiterforberungen gemacht, unb fanben bo<h auch bie aus 
öffentlichen Mitteln bewilligten 30000 grcS. Unterftüftung für bie 
Familien ber AuSftänbigen — bie freilich erft nach Beenbigung 
beS Streifs oertheilt werben — anftanbslos bie ©enehmigung ber 
Staatsregierung. Alle biefe Sympathien bürften fic| aber oer* 
lieren, fobalb bie oon ber reoolutiouär * fozialiftifchen Arbeiter* 
beoölferung granfreichs mit Borliebe gepflegte Sbee beS ©eneral* 
ftreifs baS bisherige fehr eyafte Streifprogramm ber Bauarbeiter 
oerbrängt. Diefe Denbenz, bie Bewegung zum allgemeinen Aus* 
ftanb, mit reoolutionären 3ielen, sunt Butfche fortzubilben, wirb 
fchon allzu beutlidj. 

Der gegenwärtige Stanb ber Berhanblungen ift ein berartiger, 
ber nicht auf raffen Abfcßluß beS Streites hoffen lägt. Die Ber* 
fueße zur Bilbung eines gefeftlicßen ©iniqungSamteS mißlangen, 
dagegen haben bie Bemühungen beS Bartfer ©emeinberatheS 
wemgftenS einen ©rfolg gehabt, ber wenigftens für bie im Dieitfte 
ber Stabt Baris fteßenbe Unternehmer unb ©rbarbeiter ben Kon* 
flift beenbigen fönnte. Diefe für bie Stabt Boris befchäftigten 
Unternehmer hoben nämlich auf ihre abgefchloffenen Berträge oer* 
Zicfttet unb bewilligt, baß bie Stabt Boris alle Dagelößnerarbeit, 
bie in ihren Aufträgen enthalten war, in eigener SRegie ausführe, 
woburd; bie ©rbarbeiter zu ihren geforberten ßöftneu fämeu. @S 
bleiben jeboch noch bie grofte 3ohI ber prioaten Bauunternehmer 
unb bie ©ifenbahngefellf(haften, welche oon biefnt Berhanblungen 


nicht bireft berührt werben unb bie heute noch feineSwegS zum 
$achgeben geneigt fefteinen. 

Berfchltmmert wirb bie Situation burch bie nunmehr fehr 
beträchtliche Xheilnahme ber übrigen Bauarbeiter am SluSftanbe. 
©S hoben fich etwa 50 Slrbeiterfategorien für ben Streif erflärt. 
SJfferbingS würben bie offiziellen ©ewerffchaftsbefchlüffe nicht allzu 
ejaft ausgeführt. 9)tit bem (Eintritte ber übrigen Bauarbeiter, 
namentlich ber Btaurer, Schloffer, Scftreiner, hot fich auch baS 
Streifprogramm erweitert. 9Jtan forbert nicht nur ben ßoftn ber 
amtlichen B r et^Iiften, fonbern oerlangt [choit ftaatsgefeftliche geft* 
legung ber BreiSliftenfäfte als Btinimallöhne. ferner werben bie 
ftänbigen Sorberungen, wie 2lbfd)affung ber Btarchanbage, Berbot 
ber ßohnabjüge für UnfaUoerfidjerung 2 c. als unerläßliche Be* 
bingungen etneS frieblichen BerglcichS genannt *) 

Boris. 5. Schotthöf er. 


©tfammfrerBattb ber ©öangclifchett IrBelferocreiae $etttf<h* 
laitbS. Sn einer SluSfchuftüftung z u Söittenberg am 19. unb 
20. September würbe eine SRefolution gefaftt, bie eine weitere gort* 
führung ber fozialen Beform als eine $othwenbigfeit forbert; ins* 
befonbere habe fie fich S u erftreefen auf bie Schaffung gefeftlidjer 
Beftimmungen, weiche eine wirffame Bertretung ber StanbeS* 
intereffen ber Arbeiter burch SlrbeiterauSfcftüffe unb Slrbeiterfammern 
ermöglichen, auf bie Begrünbung gemeinfamer Drganifationen ber 
Arbeitgeber unb Arbeiter, auf bie obligatorifcfte ©inführung oon 
©inigiingSämtern unb ScftiebSgerichten mit Urtheilfprcd^itng unb 
eoentucU mit ejefutorifcher ©ewalt, auf ein arbeitsftatiftifches Amt, 
auf ftrengere Beauffichtigung ber £>auSinbuftrie, auf angenteffeue 
Kürzung ber Arbeitszeit, foweit fie im 3ntereffe ber ©efunbheit unb 
beS gamilienlebens nothwenbig erfcheint, auf weitere Befdjränfung 
ber grauen* unb Kinberarbeit unb auf geregelte Durchführung ber 
Sonntags* unb SRacfttruhe für bie Arbeiter. — galls ein nationaler 
ArbeiterfdEjuftfongreft z« Stanbe fommt, foll er oont Berbanbe be* 
fehieft werben. Sftachbriicflich würbe für „ein enblicheS praftifdjeS 
Angreifen ber Wohnungsfrage im groften Stile im Sinne eines 
BeichSwohnungSgefefteS" plaibirt. Sn Sachen beS Koalitionsrechts 
unb ber obligatorifchen ©inigungSämter oerharrt ber Berbanb auf 
feinen früheren Befcftlüffen. Die ©rrichtung eines arbeitsftatiftifchen 
Amtes würbe für unerläßlich erflärt. ©benfo würbe bie ©infeftung 
fozialer Kommiffionen in ben Stäbten für nötftig befunben. Schließ* 
lieh faßte ber AuSfcßuß ben Befcßluß, es fet eine Reform ber 
Alters* unb SnoalibitätSoerficherung im Sntereffe ber Arbeiter* 
beoölferung namentlich in ber Bicßtung einer §>erabfeftung ber 
Altersgrenze, ber Betheiligung ber Berficherten an ber Berwaltung 
unb SRechtfprecßung, ber Berfünung ber Karenzzeit unb ber Be* 
feitigung mancher bei ber Becßtiprechung in ben unteren Snftanzen 
entftanbenen gärten bringenb erwünfeht. 

Der Bafterifche ©ifenBaftnertierBanb, beffen ©rünbunaSaefchichte 
unb bisherige Dhätigfeit bie „Soziale BrofiS" im Sayrg. VIl 
9fr. 35 befproeßen hot, hot fich jeftt ein eigenes Drgan mit bem 
Ditet „Der ©ifenbahner" gefchaffen, baS auch Zugleich als Drgan 
ber babifchen ©ifenbahnbebienfteten bient. Sn beut programmatifchcn 
©inleitungSartifel wirb ber 3mccf beS Blattes wie folgt bezeichnet: 

Der „©ifenbahner" wirb ein gewerff<haftlid)es Organ fein, baö 
für bie §ebung unb für bie wirthtchaftlicfie BcffcrfleÜung ber Bahn* 
bebienfteten uito ber Bahnarbeiter eintritt, bercdjtigten Klagen 9tu$brucf 
aiebt unb geeignete Wünfcßc unb Beffenmgöuorfthläge an bie Oeffentlid)* 
feit bringt. 2SaS z»r Belehrung beS ©ifenbahnbebienfteten unb Arbeiter)? 
gehört, was ins ©ebict ber gefunben 0elb[thülfe einfchlägt, was in 
anberen Säubern unb Betrieben GJuteS in nuferem gaeß gefdjaß'cn wirb, 
foK in unferem Blatt mitgetheilt unb erörtert werben. 

©in anberer Seitauffaft ift aus ber gebet beS ©ifeubahu* 
bireftors 0. be Derra in ©üben, unfern ßefertt als Mitarbeiter 
ber „Sozialen B r oji§" mohl befatmt. 

Streifs in DeutfcBlanB tnährettb BeS SeptemBerS. 9fa<h einet 
ftatiftifchen 3 u fommenftellung in ber 3citfchnft „Der ArbeitSmarft" 
betrug bie 3 a h^ im September neu begonnenen Streifs 2H 

*) Die leftten, oor Acbaftionsfdjiuß cingctroßencu tclegraphiidjni 
Aacßridjten über ben Stanb beS Streifs fmb oom 11. Oftober Abeubi? 
unb lauten: Dem „Stfatiu" gitfolqc erflärtert bie Bertreter bcr ©rb* 
arbeiter, bie Arbeit erft bann aufzuuehmen, wenn aud) bie gorbermigen 
ber übrigen ©ewerffdjafteit, mit beneit fie fidj folibarifdi erflärt hatten, 
erfüllt feien. Die Bertreter beharrten hierbei, obglctd) ber Bi’öfibcut 
beS ©emeinberathS ihnen bie (Gefahren eittev ^pifammeuftoßcs mit ben 
Üruppcn, ja fogar bie für ben galt rum Unruhen bie Bepubtif be- 
brohenben (Gefahren oor Augen hielt. Bon ocrfdjicbeneu Seiten wirb 
oerßehert, baß ber AuSftanb im Abnehmett begriffen ift. '{um £dn\i}c 
bcr Baufteücn waren gefteru 23 0üü Solbateu aufgcbotcu. 



43 


©ojialc Ißrajis. ©entralblatt für ©ojialpolitif. 9fr. 2. 


44 


gegen 56 im Vormonat; bas Baugeroerbe jeigt abermals bie 
metften AuSftänbe (8). £)er September roeift in ben erften neun 
Monaten beS 3uh rc 3 hiermit bie niebrigfte 3öf er auf- ©egen ben 
Auguft §at fid) bie 3 a hl ber Streik um mehr als bie Hälfte oer* 
minbert. ^ie meiften Stu^ftänbe finb baju ihrem Umfang nad) 
unbebeutenb. Namentliche ©rroähnung oerbienen nur ber AuSftanb 
ber Sdjieferbecfer in ^reSbeit mit 147 unb ber ©kberftreif in 
©lauchau mit 150 Betl)eiligten. 

©egen leichtfertige Streife int ©rmtgetoerfce p ^atnbttrg fpracß fid> 
jiingft eine Stötiglteberocrfantmlung ber bortigen ©eftion beS (Eeittral* 
ocrbanbeS ber ©rauer unb oerroanbten ©crufSgenoffen ans. ©S mürbe 
lebhafte Klage barüber geführt, bah in lejjtcr ^eit in ^amburg baS 
9?ieberlegen ber Arbeit in einzelnen Brauereien faft epibcmifdj zu merben 
fcheine, unb befdjloffen, „bah in gufunft ArbeitScinfteßungen in ben 
Brauereien, bie ohne oorberige Anmclbung bei ber ©cftionsocrroaltung 
befdjloffen unb auSgefüf)rt merben, moralifdj unb finanziell uuberiicffuhtigt 
bleiben füllen." 

fiopttbettefpita int fRtthrfohlettrtlritt. Sfruerbings macht fid) 
unter ben Bergarbeitern bes SßuhrreoierS eine Sohnbemegung be* 
merfbar. X)aS Organ beS fozialbemofratifdjen ©erg* unb Hutten* 
arbeiter*BerbanbeS fcfjrieb jüngft unter ber ©pipmarfe: „©Soßen bie 
SHuhrbcrgleute ftreifen?" golgenbeS: 

„©tubirt man bie monatlich herausgegebenen ©efdiäftsberidjte ber 
3 echengefeDf(haften, bann mirb einem mit (bemalt bie ©rfemttniß auf* 
gebrängt: ©o alänzenbe (Hefdiäfte mie heute madjten bie BergroerfS* 
bcftper nod) nie! Auf bem ftelinftäbter unb Xortmunber ©erguiännStag 
bejeidineten mir einen Xurdßrfjmttslohn oon 4 M . für bie bcutfdjen 
Bergleute als SKinbcftforberung. Heute ift ber Xurdßdniittslobu bes 
SRuhrbcrgmannS aller K laßen erft 3,60 J£. 2Bir haben alfo eine £ol)n* 
erhöhung für alle Auhrbergleutc oon 10% anjuftreben. SSenn mir bie 
jepigc außerorbentlid) günftige $eit oerftreidjen laßen, ohne minbeftens 
ben ©crfuch gemad)t ju haben, beffere Arbeitsbedingungen- zu fdjaffen, 
bann begehen mir ein grobes Unrecht an uns unb unferen Angehörigen. 
Kameraben im Shiprgebiet, mir forbern ©ud) auf, (Sud) alle uns an* 
Zufcpließen. ©Senn mir jept einig unb befonnen oorgehen, bann fönnen 
mir fchon ©rfolge erzielen. Am 9. Oftober rooßcu mir in ben oon 
unferen ©ertrauensmännern in Xortmunb, Bochum, ©ffcit, Dbcrhaufen 
einberufencn ©erfammlnngen uns barüber beratfjen, fein beitfeitber 
©ergmamt, ganz gleich roeldjer polilifdjen Aidjtung, barf fehlen. ©Sir 
erwarten, baß unfere Kameraben fich in SRaffc einfinben zur ©efdßuß- 
faffung über unfer ©orgehen. Alfo GHi'trf auf!" 

£>ie Jyorberung einer zehnpn> 3 entigen Lohnerhöhung ift bereits 
im oorigeit 3ah rc oom ©hriftlid)en ©ergarbeiteroerbanb erhoben 
morben. Anfdjeinenb holten fid) bie Bergarbeiter für ftarf genug, 
bie Lohnforberuitg frieblid) unb ohne ©treif burchzufepen. 3n ben 
bisherigen Bergarbeiter-Berfammlungcn finb ftetS Die nachtheiligen 
^folgen eines etroaigen AuSftanbeS h er o° r 9 e hobeit worben. — 23te 
aus 3 e ünngSberichten zu erfehen ift, hohen in Bochum, ©ffcn unb 
Dberhaufen bie oom Borftanbe beS alten (fozialbemofratifehen) 
BergarbeiteroerbanbeS angefünbigten Berfammlungen ftattgefunben, 
mährenb bie für £>ortmunb auf ben Bonnittag angefepte roeaen 
ber Dberpräfibialoerorbnung über bie äußere $eilighaltung oeS 
©onntageS ausfiel. Sn ben anberen, fepr ftarf befud)ten Ber* 
fammluttgen mürben Befolutionen gefaxt, bie für Koalitionsfreiheit, 
Zehnprozentige Lohnerhöhung, ArbeiterauSfd)üße, Heranziehung oon 
praftifchen Bergleuten zur ©rubenaufficht eintreten. 

Kotigreg ber belgifcheu Bimenarbciter. Am 2. unb 3. Dftober 
ßnb in gramerieS bie X)elegirten oon 50 ©ruppen ber belgifd^en 
Bfinenarbeiter oerfammelt getoefen, oor Aßent, um über bie ©Uttel 
ZU berathfd)Iageit, mie man am Bcften Angefidjts ber glänzenben 
Lage ber Snbuftrie unb ber gegen baS oorhergehenbe 3al)r noch 
bebeutenb gediegenen ©ioibenben, eine Lohnerhöhung burchfepeit 
fann. Aße Bebner ftimmten barin überein, bap ein ©treif nur 
als ultima ratio angefeheit merben bürfe unb bafe aße gütlichen 
©Uttel oorerft zu oerfuchen feien, ©ine Sftefolution fanb Annahme, 
melche fich für bie fofortige (Errichtung eines conseil des char- 
bonnages auSfprid)t, ber z u gleichen ^heilen aus Arbeitern unb 
Arbeitgebern beftehen unb eine ©iitigung über bie Lohnerhöhung 
oermitteln foß. ^em Conseil foßen rcenigftenS fiebeu Arbeiter 
angehören, mcld)e oon ben Iofalen Drganifationen in ©leitar* 
oerfantmlungen zu mäl)Ien feien. Aße Befd)lüffc beS Conseil foßen, 
um ©iiltigfeit zu erlangen, ben regionalen Drganifatiotten ber Ar* 
beiter zur Annahme oorgelegt merben. Anwerbern mürbe burch 
Befolution für jebeS Koljlenoaffin bie ©chaffnng einer ftänbigen, 
gleichmäßig aus Arbeitern unb Arbeitgebern beftef)enben Komiffiou 
für Siegelung aüer Lohnfragen gefolgert, ©in ^h e ^ ^ er ^efo* 
iutioucu beS Kongreßes touroe geheim gehalten; oermuthlid) alfo 
biejenigeu, meldje fid) auf bie ©oentualität eines ©treifs beziehen. 
Sn ber erften 9iooetnbermod)e foß in La Lonoiere ein mciterer 
Kongreß abgehaltcn merben. 


(Einer amtlichen ©tatiftif ber Annale$ des Mines de Belgique ent* 
nehmen mir folgenbe Angaben: Xie belgifcße Kohlenerzeugung belief 
ftef) im S^hfe au f 21 492 446 Sonnen ober 240 076 mehr als im 
©orjahre, eine 3 a hh bie noch nie erreicht morben mar. £er !?urch* 
feßnittspreis ftellte fich a»f 10,74 grcS. Xie Arbeiterzahl betrug 120 382 
ober 1136 mehr als im Sahrc 1896, worunter im ©anzett 636 roeib* 
ließe. An Löhnen mürben bezahlt 123 258 500 Srcs., ber Sahreölohn 
belief fid) netto auf 1006 Jvrcs. unb ber Jagelohn auf 3, 4 o 3rcs., bas 
ift eine (Erhöhung oon 48 (EentS ober lö% gegen baS ©orjahr, baS 
in ben Kohlengruben angelegte Kapital erzielt einen Oleminn oon 
35 861 000 gres. ©on ben 209 596 100 SrcS. ber Kohlenerzeugung ßelen 
o5 9 /io°/o auf bie Arbeitslöhne, 35‘ i /io°/o auf ©etriebsfofteu unb 8 ü /i 0 °/o 
auf baS Kapital. 3m Sabre 1897 mareu 48 Aimftänbe zu oerzeichnen, 
oon benen nur oier zu fünften ber Arbeiter enbigten. Xic oon ben 
AuSftänbigen eingebüßten Arbeitstage bezifferten ftd) auf 464 500, bie 
einem Sohnbetrag oon miubeftens 1 579 300 $rcS. entfprechen. 

8<h»ei|crifchcr ©rfttliberein. X)em oor Kurzem erfeßienenen 
Bericht biefeS größten fd)ioeizerifchen ArbeiteroerbanbeS ift zu ent* 
nehmen, baß ©ube 1S97 bic 3al)l ber ©eftionen fich auf 324 mit 
annähernb 11000 s Mtgliebern belief, ©eit fieben 3ah rai 9 e .^ ^ cr 
Beftaub ber BUtglicber fortroährcnb zurücf mib zwar, mie ber 
©entraloorftanb freimütl)ig erflärt, hauptfäd)lich beSmegett, meil ber 
Berein fich & er ‘Sozialbemofratie zugemanbt h a */ ^ fl nn aber 
auch in öolge ber Konfnrrenz ber lofafen unb BetriebSfranfen* 
faffen unb ber gefinnungS* unb zmecfoerroanbten Drganifationen 
mit zum großen X()eil mebrigen Beiträgen, freilich in ber Begel 
auch bementfpredjcub geringeren Leiftnitgen (aßgemeine Arbeiter* 
oereine, fozialbemofrattfd)e s DiitgIiebfd)aften, lofale ©arteiorgani* 
fattonen unb Arbcitcrnnioncn, ©emerffchaften unb ©enoffenfehaften). 
X)ie Kranfcnfaffe beS BereinS nnterftiißte im oergangenen Sahre 
1428 s JD?itglieber für 38 730 KranfheitStage mit 65 221 ftres. 0eit 
ber ©riinbung beS SnftitntS bezogen 12 352 ©Jitglieber für 973 955 
Kranfcntage 1 623 467 Srcs. Unterftiipung. Xde ©terbefaffe zahlte 
im Berichtsjahre für 79 ©tcrbefäüe 23 180 feit ihrem Be* 

ftanb 263 330 JfacS. X)ie ©terberentenfaffe zählte 39 ©eftionen 
unb zahlte feit 1889 25 319 JrcS. aus. daneben befteht noch 
eine centrale llnterftüpungSfaffc, mclrf>e im Berichtsjahre 46 Btit* 
glteber mit 3200 3rcS. unterftiipte. Sti ben ©eftionen beS BereinS 
mirb baS ©chieß*, Xurn* unb ©efangmefen eifrig gepflegt, ebenfo 
and) baS Unterrichts* unb BortragSmefen. Unterrichtsfächer ftnb: 
©chreiben, ^fedjnen, Budibaltnng, 3eid)nen, frembe ©pradjen, 
©eograpßie unb ©cfd)id)te, BcrfaffungS* unb ©cfepeSfunbe. X!ie 
Haupttpätigfeit beS BereinS liegt aber auf politifcpem uub fogial» 
politifd)em (>)ebiet, too er als „linfer fjlügel" in ©emeinbe, Kanton 
unb Bunb manchen Borftoß ausübt. ©s mirb im Bericht Klage 
geführt, baß bie ©emerffchaften unb ©enoffenßhaften, namentlich 
bie Konfumoereine, bie politifcpe Aftion beS ©rütlioereinS oiel z« 
meitig mürbigen. ©ine fraftooße poiitifdpe Arbcitcrberoegung ber 
©croerffdjaftS* unb ©enoffenfehaftsberoegung, bie oom Unternehmer* 
tpum einerfeitS unb oon einem mobern aufgepupten 3ünftlerthum 
in Hanbel unb ©emerbc anbererfeits fortmährenb leibenfcpaftlicpen 
Angriffen auSgefcpt feien, biete roerthooßen ©cpup für ihre freie 
©ntfaltung. Außcrbem liefen ©emerffchafter mie ©enoffeufchafter, 
bie oon ber hohen Bebcutung beS politifchen Kampfes ber Arbeiter* 
fepaft iüd)t burepbrungen feien, leicpt ©cfapr, zu oerfnöd)ern; als 
©emcrfjchaftcr risfirten fie, in bic 3nnftleret zurütfzufaßcn, unb 
als ©enoffenfd)after (fpezieß als Konfumoereinler) auf bas geiftige 
$ioeau beS naep ^roßt pafepenben Kleinbürgers zu oerftnfen. 

®et BereinSPerBattb ber engltfdjett ©ifettBaptter pat oergangene 
SSocpe in Loubon feinen SapreStag abgepalten uub ift trop ber 
üblen ©rfaprungen im oorigen Hcrbft im ©taube gemefen, einen fepr 
befriebigenben Beridit fomopl über feine gortfepritte im lepten Sapr, 
mie über bie gegeumärtige Lage zu erftatten. 3 ro ar finb bie 
Klagen über niebrige Löpnc unb lange Arbeitszeiten nod) immer 
häufig, aber bic eingetretenen Beränberungen finb boep aße zu 
©unften ber Arbeiter gemefen, uub ber fürßlid) ocrößentlid)te AuS* 
meiS beS Arbeitsamtes zeigt, mie beträchtlich bie Lobnftetgcrungen 
roaren (oergl. „©oziale ^raiciS" VII ©p. 1314). ©Sie uns gefdjrieben 
mirb, miß ber Bcrbanb fich c i ne Bertretuug im Unterlaufe fichern: 
er miß fid) bemühen, jmei Abgeorbuete zu entfenben, bie mit feiner 
politifd)cn Boißü, meber mit beit Konfei*oatioen, nod) ben Liberalen 
ober bcu ©ozialiften gehen, fonbern ganz auSfd)Ucßlid) bic ©ifeit* 
bal)ner= v 3ntercßen oertreten foßen. ©o bebauerlid) biefe engherzige 
©ittfd)äpuug ber parlameutari)d)cn Bßidjteit ift, fo mürbe eine 
foId)e Stcpräfcntation einer großen Arbeitergruppe hoch angemeffen 
uub oenuinftig in einer Kammer fein, bic unter ihren s Dcitgliebern 
nid)t meniger als 66 ©ifenbahnbireftoreu zählt. — S)er Borfchlag 
einer Sufion bes Aßgemeinen ©ifcnbahnarbciteroereiuS mit beut 
Berbanb ber ©ifeubahner ift auf bem Kongreß angenommen 




45 


Sogialc $ra$t«. ©cnlralblatt für © ogialp olitif. Ar. 2. 


46 


roorben; gelangt er gur Ausführung, fo roirb bamit ben Bereichen, 
roie in 1890, bie fd)led)tgelöf)ntcn Arbeiter auf einer befonberen 
Bafid gu organifiren, ein Siegel oorgefchoben. Anfangs ftröinten 
in ber Begeiferung für ©crocrfoerewe nach betn grafen $)ocfer* 
ftreif ron 1889 bie ©ifenbahnarbeiter 31 t £aufenben in ben neuen 
unb billigeren Bereut. Stber bied pilgartige Auffchic&en war nicht 
oon langer £>auer unb feit einiger $t\t fdjon ift bie Bebeutung 
biefed Bereind gietnlich unerheblich- 3« tmmfdjen ift b’aber bie 
JDrganifation auf einheitlicher ©runblage. BieUeicht hat bie ©r* 
fahrung ber leften Sabre bie Mitglieber bed alten Berbanbed ge* 
lebrt, feine ejfluftoe ^olitif 3 U oerfolgcn unb bamit Iebiglid) bie 
Sntereffen ber „Ariftofratie" unter ben ©ifenbahnern 3 U wahren. 

URad) betn $0hlcngrulcii*Aiidfitanb in ©äbroaled. BHe und mit« 
getbeilt roirb, fmb in oer oergangenen 38oche bie ®inge im Noblen* 
biftrift non ©iibroaled rtidjt glatt gegangen. ©ine große Angahl 
uan Bergleuten hat in ©iberfpruch S u bem l e ttt e n Abfommen 
(ogl. „©ogiale B ra £id" gahrgang VII ©p. 1287) ben abgefebafften 
Monatdfeiertag, ben „Mabondtag", abgebalten. T)ie ©rubenbefifcer 
ftnb barüber feljr aufgebracht unb haben befchloffen, bie geiernben 
3 U oerflagen. Die gälte ftnb noch nicht nor ©ericht gebracht, aber 
road auch bad ©rgebnife fein mag, ed roirb feine folrfje Tragweite 
haben roie bad Berbalten ber Arbeiter felbft. $>enn ber Bruch 
einefc in aller gorm abgefchloffenen Abfommend, mag ber Anlafc 
aud) aerbältnifmäfig noch fo unwichtig fein, muf nothroenbiger* 
weife ernft genommen roerben. $>ie Abneigung ber Unternehmer, 
bie Arbeiterorganifation an 3 uerfennen, erhält aud folgen Borfällen 
ftetd neue Nahrung, unb bie Mage, baf fogenannte Bereitibarungen 
nicht mehr roertb feien ald bad Bapier, auf bem fie getrieben, 
roirb baburdj beftärft. „Um ihrer felbft mitten," febreibt itnfer 
Lonboner Mitarbeiter, um bed guten Ramend ihrer Drganifation 
unb ald Beweis ihrer Bertrauendroürbigfeit ift ed bie ernfte Pflicht 
ber uerantroortlichen Leiter oon Arbeiteroerbänben, peinlich ehren* 
haft in ihrem Beftehen auf ©Inhalten ber einmal getroffenen Ab* 
madjnngen 3 U fein, unbefümmert roie unroillfommen biefe auch fein 
mögen, 2Benn bie 3«t für ihre Beränberung fommt, fo barf 
roieber nur bie allgemein anerfaitnte Methobe inbuftrietter Diplomatie 
angeroanbt roerben; fonft oerfättt biefe rettungslos in Mißachtung." 
3 u beachten ift inbeffen gerabe in biefern gatte, baf bie Drgantfa* 
tion ber BSalifer Bergleute äuferft lofe, ihre ^id^iplin feljr fchroach 
ift. 3Med trat in bem gan 3 en Berlaufe bed Audjtanbed heroor. 

Audftaub ln ber Möbeltifdjlerci bon ©«haUlanb. Man fchreibt 
und: ©eit oielen 2Bod)cn h err f<^t in ber fchottifdjen Möbeltischlerei 
ein ©treif. ©r enftanb wegen ber ©tiieflöhne, wogegen bie Ar* 
beiter nachbrücflich proteftirten. ®od> ift ed wenig roahrfcheinlich, 
baf fie siegen roerben, ba bie Arbeitgeber einig unb gut organifirt 
finb. Qi e Arbeiter ftnb bamit einoerftanben, baf ihre gorberungen 
einem ©chiebdfprud) unterworfen roerben, bie Arbeitgeber aber 
lehnen bied ab, ba fie bed ©ieged ficher ftnb. ®ie Arbeiter würben 
baher gut thun, in ber ^auptfache nach 3 ugeben unb ihre $raft 
auf bie Regelung ber ©tücflöhne 3 U oerroenben, anftatt auf ihre 
Befeitigung. früher war ©tücflohn bie Siegel in biefer ©eroerbe* 
gruppe, aber bie Mufter waren barnald oiel weniger gahlreid). 
gefci hat fid) bied geänbert, ber fchnette SÖedjfel ber Mobe unb bie 
Audbehnung ber Arbeitsteilung haben bie Arbeitdbebingungen 
oerfchoben. Aber bie ©efellen roerben biefe ©ntroicflung nicht auf* 
hatten; ihr Augenmerf mufe barauf gerichtet fein, bad T)tücfen ber 
greife unb bie Audnüfcung ber Arbeiter 3 U hinbern. ®ad ©tüdf* 
lohnfpftem fönnen fte nicht abfehaffen. 


^rbeUrrfdjuig. 


Berg«rBfiterf<htth'g 0 rberungem $er in ber ©ergangenen Söodje 
in ©tuttgart abgehaltene Barteitag ber beutfehen ©ogialbemofratie 
hat fich auch niit betn Bergarbeiterfchufc befdjäftigt. Aachbem ber 
fo 3 ialbemofratifche Beichdtagdabgeorbncte für Sßalbertburg in ©chle* 
ften, ber fächfifche Bergarbeiter '©a<h&e*3wicfau, in einem fdjlid^tcn 
Referat fich über bie Lage ber beutfehen Bergarbeiter oerbreitet unb 
befonberd einer befferen ©rubeninfpeftion burch § era n 3 iehung er* 
fa$rener Arbeiter bad BJort gerebet hatte unb nachbem noch ocr * 
fchiebene ^elegirte aud ben $ohlenbe 3 irfen bie ^othroenbigfeit eined 
befferen Bergarbeiterfcbufced bargethan hatten, rourbe einftimmig 
eine SHefolution angenommen, in welcher eine grünbliche Befornt 
ber Berggefehgebung in ®eutfcf)lanb nach folgenoer Dichtung oer* 
langt roirb: 

*1. Seftfcfcung einer Arbeitzeit oon hochf^nd 8 ©tunbett, ©in* 
unb Audfabrt eingcfd)loffen, Ueberfdjubten, welche nicht jur Fortführung 
bed Betriebes nöthig/ finb 3 U »erbieten. B$o bie Temperatur in beii 


©rubenräumen 4 - 28 ©rab ©elfiud überfteigt, muh bie ©dpd)tbauer aut 
fedjd ©tutiben ermäßigt werben. 2 . Abfdjaffung bed Afforbfpftemd für 
unterirbifche Arbeiten. 3. Männlidben Arbeitern unter 18 Sah rcn iÜ 
bie unterirbifdje unb Fraucii überhaupt jebe ©rubeiiarbeit 3 U »erbieten. 
4. Bermehnmg ber ©rubenfontrolcure aud ben Aeipen ber Bergarbeiter; 
auf hödjftend 1000 Mann ber Belegfchaft foü ein Arbeiterinfpeftor 
fommen. 2)iefe .fmlfdinfpeftoren finb »on ben Arbeitern 31 t wählen unb 
»om ©taate 3 U be 3 ahlen. 5. gür mit Schlagwettergafen behaftete 
©rubenräume finb bafür »orgebilbete Sßetterbcamte an 3 uftetlen. 6 . ©r= 
rieptung 3 wedcntfprcdhenber ä&afdjanftatten (©in 3 el*Braufebäber) unb 
Mannfchaftdftuben ( t ^auen). w 

Der Barteitag beauftragte bie SReidjdtagdfraftion, ben ©rlafe 
eined 9teichd*Berggefehed im ©inne biefer gorberungen gu bean* 
tragen. ©0 lange eine rcichdgefebliche Regelung bed Bergarbeiter* 
fchufeed nicht eingetreten ift, fotten bie fogialbemofratifd^en Abge* 
orbneten ber bergbautreibenben Bunbedftaaten in ben betreffenben 
Sanbtagen eine Reform ber Sanbed*Berggefehgebung in obigem 
©inne herbe^uführen fuchen. ©d ift 3 U erwarten, ba& bie fogial* 
bemofratifche ttteichdtagdfraftion bem i|r erthcilten Aufträge fofort 
nach bem 3 u fammentritt bed SReichdtagd entfprechen roirb. 

Sihtth ber Arbeiter in ber f<htoet$erifd)eti 3üubholjinbiftrie. 

Nachbem bad 3 nnbhöl 3 chenmonopol oorn ©chroe^eroolfe leiber ab*- 
gelehnt roorben, will man ed, ba bie BhoSphornefrofe immer roieber 
neue Dpfer forbert, 3 um groeiten Maie mit bem Berbot ber Ber* 
roenbung bed B^P&ord probiren. Bereits hat ber SRationalrath 
ber hierauf begüglic^en bunbedräthlid)en Borlage beigeftimmt, unb 
nun erflärt fiep auch bk ftänberäthliche ^ommiffton in allen Bnnften 
mit ben Befdjlüffen bed 9?ationaIrathd einoerftanben. ©in £>aupt* 
aeroicht legt bie fommiffioit auf bie ftaatlidhe .fontrole. Die 
gabrifation fott nur geftattet roerben unter Bebingungen, bie mit 
SRücfficht auf bie ©efutibheit unb ©icherheit ber Arbeiter unb bed 
Bublifumd erforberlich finb. SSährenb ber SRationalrath bie ©in* 
fuhr oon gelbem Bha^ph° r nur für roiffenfchaftliche unb pharota* 
geutifche 3 roecfe geftatten will, geht bie Stommiffion etroad weiter 
unb will eoentuett auch anbere 3n>ecfe, fo 3 um Beifpiel folche ber 
gnbuftrie gelten laffen, ed fott babei jeboch eine ftrenge $ontrole 
walten. Mit bem Bunbedrath unb bem Slationalrath hält bie 
$omtniffion eine ©ntfehäbigung ber gabrifanten nicht für nöthig- 

Audbehtumg bed Arbetterf<htt|ed im Danton Bnri#, 2)er 
3üricher Äantondrath roirb fid) nädjftend mit ber Borlage, be* 
treffenb ein neued ©eroerbe* unb Arbeiterfdjufc*©efeö, gu befaffen 
haben. S^ach ber Borlage fott bad ©efefc Anroenbung finben auf 
alle hanbroerfdinäfeigen unb inbuftrietten Betriebe foroie auf bad 
öanbeldaeroerbe, foroeit fie nicht bereits unter bem eibgenöffifdjen 
gabrifgefefe ober bem fantonalen Arbeiterinnenfchuhgefeh ftehen. 
Die 83 Barographen bed ©ntrourfed betreffen, roie bem „Bor* 
roärtd" gefdjrieben roirb, bie Bebingungen, unter benen ein Betrieb 
errichtet refpeftioe fortgeführt roerben fann, bie ©idjerheitd* unb 
©djufcoorrichtungen, bie Bcfchaffenheit ber Arbeitdräume (auch ber 
©ohnräume, in benen gewerbliche Arbeiten oerrichtet roerben unb 
bie roeber 3 um ©chlafen noch 3 um Wochen benufet roerben bürfen), 
bie täglidje Arbeitszeit, bie auf elf, an ©onnabenben auf gehn 
©tunben feftgefefct ift, bie Arbeitende an ©onn* unb gefttagen, 
bie ßohngahlung, roelcbe auf ©runb oon Sah^nngegetteln ftatt* 
3 ufinben hat unb roobei für Miethc, Reinigung, Beleuchtung :c. 
feinerlei Abgüge gemacht roerben bürfen. gür bie faufmännijehen 
Bureaud beträgt bie wöchentliche Arbcitdgeit 60 ©tunben, bie 
Arbeit an ©onn* unb gefttagen ift für bie Angestellten unb Sehr* 
linge unterfagt. ftaufmännifche Sehrlinge müffen beim Antritt ber 
£el)re bad 15., gewerbliche bad 14. Alterdjahr gurücfgelegt haben. 
S)er Befuch öffentlicher gortbilbungdfchulen ift für fie obligatorifch 
unb unentgeltlich; ben Lehrlingen fönnen ©tipenbien für bie Be* 
rufdlehre roie für ben ©djulbefuch, ben Arbeitern unb Unter» 
nehmern gum Befuge auswärtiger Audftellungen unb geroerblicher 
Bilbungdanftalten 00 m ©taate gewährt roerben. 3)ie Borlage ent* 
hält auch Bestimmungen über bad ftaatlidje ©ubtniffiondroefen unb 
ben unlauteren BSetiberoerb. ©ie fielst ferner gur Mitroirfung bei 
ber Ausführung bed ©efefced groei fantonale Äommiffionen oor, 
eine für bad £>anbeld* unb eine für bad ©eroerberoefen oon fechd 
refp. gehn Mitgliebern, welche auf Borfd)lag ber Arbeiter* unb 
Unternehmerorganifationen oom Steffortminister gewählt roerben, 
ber auch in beiben Mommiffionen ben Borfip führt. Beibe gnter» 
effengruppen enthalten bie gleiche Bertretergahl. 

Weitentiig tu ber englifchen gabriftufpehton« ©ine bebeutfamc 
Neuerung oottgieht pfh gegenroärtig in ber englifchen ©eroerbe* 
infpeftion. ®em ©hief*gnfpeftor ist eine mebigiuifche Autorität 
unterftettt roorben, über beren Aufgaben ber Minifter bed gnneru 
bem Unterhaufe folgenbe Mittheilungen machte: 



47 


Sogiale präzis. Gentralblatt für Sogtalpolittf. Rr. 2. 


48 


„£cr neue ärgtlid)c ^>tifpcftor fott tu Lonbon wohnen mtb feine 
Xteufte werben beut ganzen l'aube gur Verfügung ließen. (Sv wirb 
uaef) ben Rnorbnmtgeu beS (SC|tcf*^iifpcftQr fpegiellc uub allgemeine 
Unterfudiungen in fragen, welche bic Wefuiibheit uub Sidjerbeit ber 
Rrbeitcrfdjafi betreffen, nnftclleu unb eine allgemeine Rufficht über bie 
befeßeinigenben Herste (Certifvins* surgeons) ausüben, befoitberS ba, wo 
biefelbcif mit gefährlichen Verlegungen 511 tlnm haben. (Sr wirb bie 
ftäfle non Vlei* unb anberen Vergiftungen beßanbeln, welche unter bem 
<Meß von 1895 gur ?Ingeige fommen, unb im allgemeinen ben Veantten* 
ftab in allen inebiginißhen fragen, bie mit feiner £ßätigfeit uerfnüpft 
finb, berafben. 

(Sr' wirb ferner auf Rnweifung beS GßieK^tfpeftorS oor (Bericht 
RuSfunftertbeilungen, feibft ein Verfahren jebod) auch nur auf höhere 
Crbre ßi n einleiten. Vei Vefucbcn non gabrifen unb SBcrfftä'tten fofl 
er feine befoubere Rujmerfjamfeit allen Gingen guweuben, weldje bie 
Wefnnbßeit unb Sicherheit ber befdjdftigten perfoneit betreffen, bie 
Vegirfsinfpeftorcn non allen Unregclinäfjigfeiten unb Wefeßwibrigfeiten, 
bie er beobadjtet hat, unterridjten unb ihnen mittheilen, weldje* Vath s 
fchläge er ben Unternehmern ertßeiU hat. Rudi fott er ißre Rupnerffamfeit 
auf 3alle richten, in benen er baulidje Veränberuitgett ober bie (Ein¬ 
leitung einer ttlage für nöthig ßält. 

£er gnfpeftor wirb ferner bie §ofpitälcr an foldjcu Orten, wo 
gerocrblidje Äranfßeiten herrfdjen, befucheit unb im Uebrigen gemeinfam 
mit ben anberen Veamten, ben Rergten unb Crtsbeßörben ßanbeln." 


3(rhdtcrt)cr(td)ening. Sparhaflen. 

$ie gnbalibttatt* unb RlterS=Vcrfi<berungSttnffalt ©erlitt. 

Wine Rnfdßauung oon bem gewaltigen Rnwacßfen ber Sn* 
oalibitäts* unb RlterSoerficherungSaufialten, oon benen ftd) weitere 
.Streife faurn ein Vilb machen, geben bie ftetig an Umfang unb 
3nl)a(t guitehmenben VerwaltuugSberichte. Vor uns liegt ber 
„VerwaltungSbericht ber gnoalibüäts* unb RlterSoerficherungS* 
anftalt Verlin für baS Rechnungsjahr 1897", ber fuß als ein ftatt* 
licßer Vanb in Wroßquart barbietet. $)ie umfangreichen Tabellen, 
bie ben Anhang bilben, geben eine genaue Statiftif ber RlterS* 
unb ber Snoalibenrentner, ber VSohnfiße ber Rentenempfänger, ber 
Renten, ber VeitragSerftattungen, Strafen u. f. w. £>er Vorfißenbe 
beS VorftanbeS ift L)r. grcuub*Verlin. 3>aS Vureau befchäftigte 
1897 58 Vearnte unb 7 Unterbeamte. Von ben runb 150 Ver* 
irauenSmättnern wehren 3351 (Gutachten abgegeben, oon ben Rergten 
würben 881 ausführlichere Wutachten eingeholt, beren fmuptmaffe 
(629) innere itranfreiten betraf. gür ben Vcgirf ber VerficherungS* 
anftalt Verlin beftel)t ein SchiebSgericßt, beffen Vorfifecnber (Re* 
gierungSrath oon WoftfowSfi) unb Vurean zugleich für bie ber 
VerficßeruugSanftalt Vranbenburg zugehörigen &cf)iebögeri<fjte ber 
Stabtfrcife Wßarlottenbnrg unb Spanbau unb ber Lanbfreife 
Xcltow, Rieberbarnim uno Dfthaocllanb, fotoie für baS Unfall* 
fchiebSgencßt ber in Verlin bomigilirenbeu Seftionen ber gewerblichen 
VerufSgenoffenfcßaften amtirt. $)ie Soften werben im Verhältnis 
ber erlebigten Verufungen oertheilt. Rn ber 3 una h me ber We* 
fdjäfte — es gab 1897 158 810 (Sin* unb RuSgänge — waren 
hauptfäcßlich bie Rnträgc auf VeitragScrftattuug in £)eiratf)S* unb 
£obeSfätten, fowie bie Suuulibeuanträge betheiligt. Rm 3ah regs 
fchluffe war ein Veftanb oon 2641 RlterS* uub 3285 Snoaliben* 
renten. Rn bie Rrmenoerbänbe würbe 1897 als Wrfaß wegen ge* 
leifteter Rnnenunterftüßung 19 932 ,75 ,.1( Rente iiberwiefen, baoon 
19 555,42 t.4i. an bie Rrmenbireftion Verlin. 3n ber fmuptfaeße 
ßanbelte es fich babei um Qnoalibenrenten, oon ben 754 Rn* 
fprüchen finb es 676; ber iiberwiefene Vetrag feßwanfte hierbei 
gwifdjcn 570,91 < H> unb 0 , 4 0 *.41, je nach ber $öße ber Rente unb 
bem 3 c itraum, für welchen bie Rente bei Wrßebung beS RnfprucßS 
rücfftänbig war. Sßie oiel baoon auf bas Slonto beS immer noch 
recht fchwerfäÜigen geftftettungSoerfahrenS für Renten gu fdjrciben 
ift, ift nicht mitgetheilt. 

^ie Rnthcilc ber RlterSrentner an ber Wefammtheit ber Renten, 
bie für beibe Wefchlechter auf baS jüngfte Jahrfünft entfallen, 
werben oon 3al;r gu 3^h r Heiner, währenb bie Rntljeile ber 
älteren Sahrgänge nunmehr überwiegen. Vei ben 3m>aliben* 
rentnern überwiegt in allen S^hnm bei beiben Wcfchlechtern baS 
Rltcr 65 bis 70 5toh re / worauf bie Rntheile ftarf finfen. ^libcffen 
waren 1892 nur 4 , 2 % ber männlichen 3uoalibcnrcntncr über 
70 öahre alt, 1897 bagegen bereits 10 , 2 %, währenb weiblidje 
onoalibenrentner bicfeS RlterS erft feit 1893 oorfommen, bamalS 
mit < 8,7 %, 1897 bagegen mit 13, 9 %. 2)ie prozentuale 3 una ^we 
bei ben Rltersreutncrn wirb oon 3«h r 3«h r Heiner, bei ben 
männlichen J>noalibeiirentuern ift bagegen ein Steigen beS Prozent* 
fapeS oon 35,n % im 3al;re 1896 auf 42, > % im Verid)tsjahr gu 
oergeid;nen. ^)ie ber Snoalibenrentner für beibe Wefchlechter 


hat bie ber RlterSrentner fdjoit überholt. ®ie ftärffte 3u”öhme 
unb größte 3 a ^ ber Snoalibenrentner weifen bie Lebensalter 
60 bis 65 unb 65 bis 70 auf. Sollte barin nicht eine Mahnung 
liegen, bie RlterSgrenge für bie RlterSrenten h^abgufehen? ®as 
wäre auch wirthf^aftlicher für bie Rnftalten. öür Rechnung ber 
Rnftalt Verlin finb oon 1892 bis 1897 1 584 946, 8S RlterS* 

unb 840 924,72 JL Snoalibenrenten, gufammen alfo 2 425 872,eo JL 
qegahlt tOorben. 3)ie Steigerung ber Velaftung ber Verliner Ru* 
ftalt burd^ frembe Renten nimmt prozentual ftärfer gu als bie ber 
Velaftung ber fremben Rnftalten bnrth bie Verliner Rnftalt. 

RlS Urfadje ber Snoalibität ftehen bie Lungenfchwinbfucht unb 
bie £ranfheiten ber Lunge an erfter Stelle, bei Viännem 23 ,59 o / 0 
4 - 12,21 %, bei grauen 13, 8 7 °/o 4- 0,40 %. Vei ben grauen 
fpielt nod) ©utfräftung unb Vlutarmut (17,28 %) wnb Wicht 
( 10,99 %) eine größere Rotte. ®aS Sanatorium gu Wütergofc 
bient bem ^eiloerfahren (§. 12 bes gnoalibengefeheS). 3ur Unter* 
haltnng unb Rnrcgung führen bie Patienten bort Herbfchnitt* 
arbeiten aus. 3)aS Rohmaterial liefert bie Rnftalt, bie gefertigten 
Wegeuftänbe werben ben Pfleglingen als (Sigenthum überlaßen; 
auch eine Vücherei ift oorhanben. Währenb ber Rtonate Rpril bis 
^egember überftieg bie 3^hl ber Rufnahmegefuchc faft bauernb bie 
3ahl ber Vafangen. gm VerichtSjahre würben im Sanatorium 
oerpflegt 334 Perfonen. Von biefen würben 149 als geheilt, 
29 ungehcilt entlaßen unb 101 bis gur Wrwerbsfähigfeit gebelfert. 
Sn Ve'hanblunp blieben 55. 

&er (Eintritt ber WrwerbSunfähigfeit batirte in brei gätten bis 
über 500 Sage, einmal bis 1164 Sage feit Rufnahme in baS 
Sanatorium gurücf. Von fämmtlichen 279 männlichen perfonen 
hatten, beoor fie gur Rufnahme gelangten, 159, alfo über bie 
£>älfte, eine WrwerbSunfähigleit bis 100 Sage, hierunter 84 bis 
50 iage hinter fich- Von biefen 159 blieben nur 7 ungeheilt, 
währenb oon ben übrigen 120 Pfleglingen mit einer WrwerbS* 
unfähigfeit über 100 £age oor ihrer Rufnahme 24 ungehcilt ent* 
laffeu werben muhten, feenn aud) attergröhtentheilS währenb ber 
^ranfheitSgeit oor ber Rufnahme in Wütergop bie Äranfenfaffen* 
pflege cinfprang, fo beweifen bie 3®hf en n0( h S u 

beffern ift. @S muß eine Vefcpleunigung ber Rufnahme, befonberS 
bei Lungenfranfen ermöglicht werben. $)ieS ift erwünfeht, weil 
ber geilerfolg bei oerheiratheten Mranfen häufig oon ber Sidjerung 
ber gautilie währenb beS ^ciloerfahrenS abhängt, biefe Sidjerung 
aber in Verlin nad) ben getroffenen Vereinbarungen oft baburch 
bewirft wirb, baß baS Hranfeitaelb ber gamilie gufließt, bic Soften 
beS §eiloerfahrenS aber bie VerficherungSanJtalt trägt, ßine Reihe 
oon Slranfenfaffen gewähren nun aber nur 13 bis 26 Sßodjen 
^ranfengelb, fo baß nad) biefer 3^it bie gamilie leer auSgeht, 
Von ben obigen 279 männlidien ^ranfen waren 217 oerheiratljet 
(215 grauen unb 357 umnünbige Äinber unb 3 fonftige Rngehörige 
waren oon ihnen gu unterhalten), 165 begogen ßraufengelb, 106 
(barunter 79 Verheirathete unb 2 VHttwer) waren fdjon auSgefteuert. 
82 gamilien würben, ba baS Vebürfniß nachgewiefen würbe, oon 
ber VerfidjerungSanftalt mit 3 bis 7 , K, wochentlidj unterftüßt. 
Seit Eröffnung bes Sanatoriums (14. Ruguft 1894) bis 1897 finb 
oon ben 734 fentlaffenen 643 erwerbsfähig gewefen, 106 erhielten 
Snoalibenrenten. i)ie Weheilten madjten 50, bie Webefferten 38o/o 
auS. Rußerbem fanb bie feranfenbehanblung in ber Volfsßeilftätte 
beS Rothen ÄreugeS am Wrabowfee (männliche Lungcnfranfe), in 
WörberSborf (weibliche Lungenfranfe) unb einer Reiße §)eilftättcn 
unb ilranfenhäufern ftatt. 2)ie $ur bauerte bei ben lungenfranfen 
Rtänneru begw. grauen 94, 3 begw. 78,7 £age unb oerurfadjte 
294,89 Jt begw. 368,33 c if, Soften. Wine Teilung unb 93 Veffe* 
rungen würben ergielt. 2)ie Rnftalt hat gur Rnlage eigener §>eil* 
ftätteu ein Wrunbftücf oon etwa 140 ha gum ^aufpreife oon 
400 000 gu beiben Seiten beS VaßnhofS Veeliß erworben. 

DuittungSfarten gingen 1897 440 284 ein, barunter 337 667 
eigene, 103 157 frembe. RuS bem Verlauf oon VeitragSmarfen 
würben 5 640 928 J( gelöft. ®ie VeitragS*WrftattungSanträge in 
,£>eirathS* unb 2:obeSfätten (§§. 30, 31 beS SuoalibitätSgefeßcS) 
haben fich gang bebeutenb gefieigert; bie erfteren beliefen fid) 1897 
auf 175 897,14 jft, bie leßteren auf 39 230 J( V3ir möchten 
hierbei an eine Veftimmung erinnern, bie als £)ärte oon ben Ve* 
troffenen empfunben wirb, nämlich, baß eine oerheirathete grau 
nur bann Rnfprucß auf ferftattung ber Veiträge h a h ^enu 
minbeftenS fünf VeitragSjahre oor ber dße aufguweifeit h Q t- 
§äußg genug wirb ber "galt eintreten, baß bie grau oor Rblauf 
ber fünf 3ah re ^eiratßet, gleicßwohl aber bie oerfid^crungSpflicßtige 
Vefdjäftigung noch ein ober einige gah re fortfetit. Sie muß bann 
ißre Veiträge weiter entrichten, wiewohl fie jeßt fcßoit weiß, baß 
biefe für fie oerloren finb. 



49 


Sogiale fßrajtS. ©entralblatt für Sojtalpolitif. JRx. 2. 


50 


$ocf) immer urtterlaffeit Arbeitgeber bie Berroenbung oon Warfen 
für ihre Arbeitnehmer. $>afür mürben oon ber Anftalt 1895: 
1209, 1896: 2072, 1897: 1909 Strafen oerhängt; baS $anbelS* 
genjerbe (419), |>oIg* unb Sdjmbftoffe (208) unb Befleibuttg (198) 
fteEten baS ©auptfontingent folc|er Arbeitgeber. 

$>aS ©efammtoermögen ber Anftalt hat fich feit 1891 um runb 
5 SMionen jährlich oermehrt unb fteUt fid) auf 34897408,04«^ 
(BetriebSfottbS 33 415 595,54 jff t SteferoefonbS 981 8 12 ,50 *41). 
S)er ^apitalmerth aEer ber Anftalt burdj enbgiilrtge Bertheilung 
bis jurn Schluffe beS ^Rechnungsjahres 1897 gur ßaft faEenben 
Renten beträgt 5 363 378,42 M, er ift alfo geringer als bie (Sin* 
nähme aus ben BeitragSleifiungeit. 


SR&bdjen* tmb grcutettgnippe* für feciale $ülf£arfceit ht Berit». 5)ic 
Aufgabe ber feit 5 fahren beftehenben Bereinigung ift, „junge HRäbdjcn 
unb grauen gu ernfter $flid)terfüllung tm £ienfte ber ©efammtfjeit 
beransujieben." $ies gefd)iel)t in tljeoretifdjer AuSbilbung burdj Bor* 
träge unb in praftifefjer jfjätigfeit; biefe letztere beftcht in ber Sfjätigfeit 
in WoI)lfal)rtS*(Stnrid)tuiigen für bas jugeiibli^e Alter (Grippen, 
Btäbd)enl)ortcn, BolfsHnbergärten, Watfenhäufern), in Anftalten ber 
Armenpflege, in BolfSfiicbcn, in ftranfen*Anftalten, mie in anbermciter 
fogialer ftiilfsthätigfeit (perfönlicher giirforge bei hulfsbebürftigen 
Familien u. A. m.) £er jept oorliegenbe Bericht über baS ArbeitSjahr 
1897/98 h^bt als befonberS erfreulich l)eroor, bafe einige ber SRit- 
arbeiterimten fich SU felbftftänbtgem Schaffen gebrängt fühlten; fo mürbe 
eine £eihbibliothef für Blinbe eingerichtet, ferner bilbeten ftch Heinere 
Greife, bie Befprechungen über WohlfahrtSemrichtungen, Armenpflege 
unb ^äbagogif abljtellen. 2)ur<h einen engeren Anfdjluf} an bie Greife 
ber Sehrerinnen oerfudjt baS Komitee, bas gntereffe ber Sehrenben für 
bieS neue Element ber grauenhilbung gu roecfen. gür bie praftifefje 
Jhätigfeit ift folgcnber Arbeitsplan mafjgebenb: 1. Armen* unb Wohl* 
fahrtspflege (AusfuuftSfteEe für Wofjlfa&rtSeinridjtungen, 2)arlef}nSfaffe 
bcs berliner grauenuereinS gur Abhülfe ber Aoth unter Heinen gabri* 
fanten unb ,£>aubroerfent, ^auspflege bcs berliner grauenoereinS, BolfS* 
fitchen, (Srtbeilitng non Unterricht an ttinber im ÄranfenhauS am Urban 
unb im Biftoria*.£)auS, Befuche tu einzelnen Abtheilungen ber (Sharite, 
^eimathhauS für Stellung fuchenbe SDtäbdjcn, Bureau beS ArbeitSuadj* 
ujeifes für grauen unb Btäbchen, giirforge für cntlaffene Strafgefangene). 
2. Blinbenpflege (Befuch bei einzelnen Blinben, Blinbenocrein, Blinben* 
anpalt für töfinber 2 c.). 3. giirforge für ftinber (.trippelt, tinbergärten, 
3J?ribd)cufjortc, BeauffidjHgung unb Aachhülfe bei bett Schularbeiten, 
Haushalts* unb $anbarbeitsfrf)ule, gugeubheim, ©rgteljungsbetratf) für 
fdjulcntlaffene Wäifcn). Aebeit ber Betheiligung an einer Solchen gülle 
ptafttfdjer SSohlfahrtsbeftrebungen roirb auch bie theuretifche Ausbildung 
gepflegt unb groar ftitb für bas fommenbe Winterhalbjahr 
folgende Borlefungen in Ansficht genommen: 1. Armenpflege unb 
Wobltbätigfeit. Fosent: Stabtratl) Dr. BUinfterberg. 2. Ausgemählte 
tapitel aus bem 9Birthfd)aftSleben. £ogenten: Sßrofeffor Dr. Albrecht, 
Dr. 3. geig, 9Ragiftrats*Affcffor Dr. .ftergfelb, (Geheimer Aath non Btafforo, 
Stabtrath Dr. Btiinjterbcrg, grau Anette Sdjroerin, gräuleitt $elene 
Simon, Dr. ,£>. Weber. 3. Bürgcrfunbc. Sogcrit: SanbgerichtSrath 
$one. 4.' $äbagogifd)er turfuS im Bcftaloggi*gröbelhauS. S>ojcnten: 
^rofeher unb grl. Sdjmabe. 5. Seminariftifdje Uebungen in (Knippe A. 
Aeferate unb Befprechuugen über einzelne grageti aus bem ©ebiet ber 
Armenpflege. 6. Sentinariftifche Uebungen in (Gruppe 0. Äeferate unb 
Befprechungen über einzelne gragen ber Bäbagogü. 

PRO PERTY CF UBRAFTf 


Friendlv Societics tit Anftralieu. @in amtlicher Bericht, ber 
fitfi auf ftatiftif(f)e ®atcn pro 1895 unb 1896 ftüfct, fonftatirt baS 
ftete 2üad)btfium ber Friendlv Societies in ben auftralifdjcn 

L . i f i i 'er r:.A AniMnmiHon • 


utl“" ' I •: :.t 


®te tooperatibgcfeflfchafteu in ^nglanb. item 3« 

Cooperative Union aufolge gählte mäTf‘Ötibt'TOTT" 
gcfeEfchaften in dnglanb mit einem tapital oon £ 2 
über 420 ©efeEfd)aften mit £ 2 150 582 in 1896), 
täten inoeftirt mar. 9£arf)ftehenbe ^abeEe enthält 
SDaten betreffenb baS britifche ©enoffenfchaftSmefen 


Art ber 
©enoffenfehaft. 

3o 1)1. 

AngefteUte. 

©efammt* 

lohnfumme. 

Ätletnc .Hon [um* 



£ 

genoffeiifchaften. 
2)ic fchotlifche Whole¬ 

. 211 

10 359 

383 921 

sale Society . . 
$robuftiu=©enoffen= 

1 

4 607 

169 310 

fchaftcii . . . 

38 

3 261 

162 918 

Brob&äcfercieit . 
Srifdje Btild)* 

2 

980 

42 816 

genoffenjdjai'len 

1 

ö 

203 


248 

19 212 

759 168 


,Tr ; mm. 

: nULATIOI 

irtre^herii^e^j: 

622 711 (gegen* 

. baS in äleali* 
bie michtigften 

2)en Bebienftcten 
gugemiefener 
©eminnanthetl. 

£ 



3 abl ber 

3 ahl ber 

3 ahl ber 

Friendlv Societies. 

Branchen. 

aRitglicbcr. 

Bictoria . . . 

. 32 

1074 

80 691 

SReufübroalcS . 

. 39 

803 

68 333 

OueenSlanb. . 

. 19 

279 

21 901 

Sübauftralien . 

. 15 

487 

42 703 

Weftauftralten . 

. 15 

41 

8 138 

^aSmania . . 

. 17 

123 

10 426 

Aeufeclanb . . 

. 33 

374 

30 905 


170 

3181 

258 097 


gonbs 

Kapital per Btitglieb 


£ 

£ 

sh. d. 

Bictoria. . . 

. . 1 155 408 

14 

6 5 

9tcufübmaleS . 

. . 542 364 

7 

18 9 

OueenSlanb . 

. . 173 546 

7 

18 6 

Sübauftralien. 

. . 475 654 

11 

2 9 

Weftauftralten. 

38 007 

12 

2 3 

SaSmanta . . 

. . 89145 

8 • 

11 0 

9teufeelanb . . 

. . 581 119 

18 

16 1 


3 055 243 

11 

16 9 


®ie SSobnunflSfrage in #oOanb 

ift gegemoärtig im Sl«6- ?lu8 8tmfterbam roirb ber „©osialcn 
ißrajiä" harüber gef^rteben: 3im 24. September tagte un 
£>aag ber herein für 9Jationalö!onomie unb Statiftif, ber mepr 
ate 600 fflittglicber jäfilt. $iefeS 3at|r roar bie Sürbetter. 
roofinungSfrage ®egenftanb ber ©efpredjung. ®utadjtcn lagen 
bienu oor oon Dr. oon Routen (früher 9Kinifter be8 ynnern), 
^rofeffor Srabbe (©roningen) unb Dr. g. S. oon Slierop 
($ireltor ber Slmfterbamer Sanf). ®er Stanb ber 5B5obnung8fragc 
in $oHanb ift jefct fo, bafe in einigen roenigen ©täbten ( 4 . 93. 
Sirnbeim unb ßeiben, in Slmfterbam bot bie ©emeinbe felbft Kapital 
jur Verfügung prioater Vereine gefteHt) prioate SSereine für ben 
Bau non Arbeitermohnungen eriftiren. Oft garantirt oie ©emembe 
bann bie 3infen. Bon ber Regierung roirb es jeboch ben ©c* 
meinben nicht geftattet, bafj fte felbft eigenes Kapital jum Bau 
oon Arbeitermohnungen oermenben, ba angeblich baS Stifuo gu groß 
ift. Aufjerbem mint fytx bas ©fpropriationSgefefc fehr h in per* 
lieh; es geftattet bie 3roangSentäufcerung nur auf ©runb aEgemeuier 
Sntereffen unb jebeSmal hebarf es eines SpegialgcfeheS. ®a ben 
(Sigentf)ümern ber ooEe SKarftroerth unb nicht ber reeEe Boerth 
gegahlt merben mufe, fo mirb bie ©jpropriafion ben ©ememben 
oiel gu foftfpielig. ®ie brei ©utadhten beS BereiuS ergangen fich 
oortrefflid). ®err oan Routen oertritt bie orthobo^e Schule; er 
münfcf)t fein ©ohnungSgefeh, fonbern neben Befämpfung ber Ar* 
rnuth nur gmeierlei: erftenS auf bem ßanbe ben Arbeitern .pänfer 
mit einem für ihre ©mährung auSreichenben ©runbbefih gu geben, 
bamit ber 3 U 9 nach ben Stabten aufhöre unb ber ftäbtifchen 
BSohnungSnoth geftenert roerbe; gmeitenS bie ©fpropriation gu er* 
leidhtern. ^rofeffor Krabbe, ber ^ath^berfogialift ift, befampft bie 
Regierung, mclche bie ©emeinben in ber SBohnungSfrage behinbert; 

M)r finbet biefeS oerfaffungSmibrig. Auch er roünfcht fein aEgentemes 
WohmtngSge|e(j, ba bie ©emeinbe nach il)rein ©nneffen hanbeht miiffe. 
Aber er oerlanat, bafc bie Äotnmuite Kapital gur Berfiiguitg fteEe unb 
bafe $rioatoeremen unter gemiffen Bebittgungen baS Stecht, ©igenthum 
gu entäufeern, gegen 3nhinng beS aftneEeit JßkrtheS gegeben merbe. 
©r miE bie ©elber ber 9teichS*^|Softfparfajie. theilmetfe bagu oer* 
roenben, um ben Bereinen Kapital gegen mäßige 3infen gu geben, 
mie cS in Belgien gedieht, jeboef) ohne bie Arbeiter gu ©tgen* 
thümern beS |>aufeS gu machen. — £>err oan 9tierop roiE ebcnfaES 
bie ©elber ber 9teichS*$oftfparfaffe gum Wohnungsbau oerroenben, 
aber er legt ben größten 9tachbrucf auf bie mannigfachen praftifdjen 
Schmierigfeiten, roelche bie Befeitigung ber alten Wohnungen 
fdjaffen roirb, roenn beren Beroohner in ihren iubioibueEen 3nter* 
effen gefchäbigt merben. 

®ie Debatte h^i fi<h leiber meiftentheils auf bem ©ebiete 
ber Theorie, unb gmar meniger ber öfonomifcheit unb fogialpoliti* 
fchett S;h c nrie, mie man hntte ermarteti fötiuett, fonbern ber )taats* 
redjtlidjen. Btan fprad) meitläufig bariiber, ob bie ©emeinben baS 
^tedht hätten, felbft bie Aufgabe gu übernehmen unb ob ein Hol)= 
nuttgSgefcfc nöthig ober münfdjenSmerth^-lpä^ evfte Stebncr, 








51 


©ogiale VxajiS. ©cntralbiatt für SogtalpoUtif. Ar. 2. 


ber frühere Abgeorbuete £cop, braute bie Debatte fdjott auf biefen 
2Beg; er crFlärte fich für ein ©efefc unb gegen bie Vertocnbung 
ber 9ieid)$ s VoftfparFaffe. Vergebens nerfudjten anbere Vebner, roic 
VechtSanroalt toifematt, AbgeorbneterFünfer unb SauitätSinfpeFtor 
9)2enno £>uiginga, ber Debatte eine praFtifdje SfHcf)tung gu geben. 
VefottberS Herr ©unFer fprach energifd) für bie Vefeitiguitg non 
fdjlecbten ^Bohnungen in gröfttmöglichcm Umfang unb für Staats* 
hülfe. ©ie praFtifaje grage ber ©ntfehäbigung auSgefefeter ißerfonen, 
bie SchmierigFeit, neue, ebenfo billige SBohuungen gu bcFommen, 
blieb faft gang unbefprod)en. ©a in bem Vereine Feine Abftim* 
mungen ftattfinben, fo fehlte es, obgleich ber Vorftanb SragepunFte 
aufgefteKt hatte, ber Debatte an beftimmten 3ielen unb bie Ver* 
fammlung hat bie fiöfung ber fdjroierigen 8*age nicht oiel ge* 
förbert. 

3n berfelben 3Bod)e mar bie ArbeiterroohnuugSfragc ©egen* 
ftanb ber öffentlichen Vefprechuttg auf bem $ongreft für öffentliche 
©efunbheitSpflege, ber am 29. unb 30. September in Utrecht tagte. 
@s lag ein ausführliches ©utachten einer ^ommiffion oor, baS in 
folgenoett Sorberungen gipfelte: kommunale Verorbttuitgen über 
Vemohttung, Unbemohnbar*©rFlarung unb SBohmmgSaufficht, Ver* 
befferung beS @£propriationSred)tS, Vau neuer Wohnungen unb 
Staatsauffidjt. ©er ^ongreft unterfchieb fidh baburch non bem 
oben ermähnten Verein, baft hier rein praFtifche gragen behanbelt 
mürben unb baft man oiel rabiFaler raat. Auch einige Sogial* 
bemoFraten betheiligten fich nicht ohne ©rfolg an ben Verathungen. 
©S mürben beftimmte ©iutenfionen für S^nrnter, inSbefonbere für 
Schlafgimmer feftgcfteHt. Auf Eintrag ber SogialbemoFraten mürbe 
bie Verpflichtung ber ©emeinben, unreine Käufer, melche ber ©igeu* 
thiimer gu reinigen fich roeigertc, felbft reinigen gu laffeir, aus* 
gefprothen. ©benfo bie Verpflichtung ber ©emeinben, ihren Sin* 
geftcllten, bie felbft Feine gute SBohnung finben Fönnen, biefe gu 
bcrfchaffen, unb, jebod) erft nad) langen ©isFiiffionen, auf Antrag 
Vrof. ©rutferS, bie Verpflichtung ber ©emeinben, benjenigen, 
meldjc behufs Abbruch ihrer Sßohnung auSgefefct roerben, eine neue 
Wohnung gegen gleiche ober hoch fehr menig höhere Viiethe gu 
oerfchaffen. Sind; mürbe ber Wunfch auSgefprodjen, baft bie Veid)S* 
poftfparFaffe guin Vau neuer Wohnungen herangegogen unb baft 
bie ©emeinben 3tttfen unb Amortifiruna beS Kapitals für biefen 
Vau garantiren unb fogar baS Kapital felbft leihen füllten. 3 unt 
Schluß erhob fich eine Debatte groifchen |>errn ©rüder unb ben 
SogialbemoFraten über bie grage, ob an erfter Stelle prioate 
Vereine ober bie ©emeinbe ben Vau neuer Wohnungen unter* 
nehmen foEte, melche VßeiitungSoerfchicbenheit oon Dr. Vutjfch, Vor* 
ftanb ber Abteilung „©efunbheitSpflege" im ©epartement beS 
Snncrn, bahin gelölt mürbe, baft bie ©emeinbe bie Vflid)t gum 
Vau habe, fomeit bie Aufgabe nicht oon ^rioatoereinen gelöft 
mürbe, ©er Vtinifter beS Säuern, melcher halb ein WohnungS* 
gefeft einbringen mirb, mohnte ber Verfammlung bei. 

Ainfterbatn. Dr. 8. §. oan Santen. 


Wohnungsnot!) tu beutfdjeu ©roftftäbteu. ©roftbem ber '|>auS* 
befifter^longreft eine WohuungSuoth einfach leugnete, mehren fich 
bie Klagen barüber. ©in Mangel an Fleinen Wohnungen ift beim 
£>Ftober*Umgug in ©harlottenburg feftgeftettt. ©iner Angabi 
oon Samilien, bie auf Fleine Wohnungen angeroiefen fmb, mar es 
nicht gelungen, ein geeignetes llnterFommen gu finben, fo baft fie 
mit ihren §»abfeligFeiten ohne Dbbadj maren. Sie mürben beShalb 
oon ber ^ßoligeibireFtion bem V?agiftrat iibermiefen. Auf ben Antrag 
ber ArmenbireFtioit hat bemgemäft ber ©harlottenburger VJagiftrat 
befcftloffen, bie obbadjlofen gamilien im ftäbtifchen Varadenlagareth 
am neuen -Jürftenbrunncr Weg in Weftenb untergubringen. — 
Aus bem 23. Armenpflege*VegirF in SranFfnrt a. V?. berichten 
bie „Vlittbeilungen beS AnneitauiteS" (Ar. 2, 1898/99) Aehnlicbeä. 
8m April hat Die Sßoligei auf Slntrag ber Slrmenfommiffion fünf 
s Bohnungen roegen ihres ungefunbeu 3»ftanbeS gu frfjlieften oer* 
fügt; biefe finb aber heute noch oor mie tiad) bemoljnt, ba eS ben 
Vemohncrn fd)roer hält, eine anbere 3Bohnilng gu befommen. ©S 
ift gegeumärtig ein grofter Mangel an groeigimmerigen ^Bohnungen, 
ber fid) gerabegu gu einer Kalamität fteigern bürfte. ©roftbem fei 
eine ftrenge SBohnungSprüfung enblich an ber 3?it. ©aS Sinnen* 
amt möge bei ber StabtFäinmerei um lleberlaffung einiger ftäbtifcher 
Käufer oorftellig merben, bamit ber ©iftriFt in ber i'age märe, 
ben älteren ober finberreidjen Sllnmnen billige SBohnnugcu gu 
iibcrlaffen. ©S mürbe babei entfcfjiebcu ©elb gefpart, meil bie 
Stabtfämmcrei biefe Käufer gu fehl* niebrigeu greifen oermiethet, 
mährenb bie ©eueralpädjter ihre Slftenuicther an^beuten unb einen 
hübfdjeu ©eminn aus ben §änfem ergielen. Slls ©runb bec> 


SteigenS ber llnterftüftungen mirb oon faft allen ©iftnftcu ^u 
erfter £inie bie Vertheueruna ber Viiethmerthe angefeheu. — x\n 
©angig Ijitft bie prioate feohlfahrtSpflege tüchtig nad). ©le 
Slbegg*Stiftung hat fo für Slrbcitenoohnungeu 22 ©oppclbanfer m 
Secgftrieft erbaut, ©ie auf bem ©elänbe beS ©angiger ^pcir* 
unb VauoereiuS neu erbauten Slrbeiterhäufer mit 30 SBohnungcu 
Fönnen bemnächft begogen merben. 

Staatliche Sörbcrung bfß Vawcö Pon «rbeiterhäufem in Ungarn. 

©er Öinangmimfter oerftänbigte, laut einer Vtelbuna aus V^ft, bie 
Slrbeiteroereinigung „Slrbeiterheim", baft ihr gur Sbrberung beS 
Vaues oon Slrbeiterhäufcrn l / 2 VUHion ©ulben gur Verrugung 
gefteflt roerbe. 300000 ©ulben merben bem öFonomifd)en SonbS 
entnommen, 200 000 ©ulben ftreden bie VernSborfer Vtetaümaaren* 
fabriFen oor, bie bafür gemiffe Vegünftigungcn gugefidjert erhalten. 


Sujidle fymitnt. 

öont SwbetFnt0fc*2:age ber »erfammlnnfi bentfeher ^atnrforfrher unb 
«ergte in ©fiffelborf* 

-SUS gu ^fingften in Verliu bie oon ber gleichen Verfanunlung 
1897 in Vraunfhmeig gemähte Äommiffion auf ©runb einer oon Sitebe 
uerfaftten ©enffchrift*) eben berathen mofltc, meldje ftampiesmittcl gegen 
biefe VolFSfeudje fie ber bie^jährigen Verfammlung oor)d)lageu joac, 
erFlärte ber Vertreter beS beutfeften ©entralcumiteS für Volföl)cilftatten, 
Dr. SJaimroife, baf; btcfr^, bn numneftr bir »olfbficilftättcnliciBCflimg i» 
giuft gcbracfit worben fei, feinem urfprünglic^en weiteren 3iel t»aj i«; 

• menben unb bie gelammte VeFämpfuug ber 2uber!uIofe auf 
bem Voben ber fogialen $i)gieue in Angriff nehmen moße. ©ic 
.Hommiffion glaubte baher, baft fich ber SuberFulofe*©ag ber Statur* 
forfdjer * ©efcüfchaft auf miffeufd)aftlichc unb thenretiicfte prägen be= 
{ÄräuFen )oüc. ©ic ©renge freilich gmifheu biefen betben Funftlid) 
gefchaffenen „Stegierung^begirfcn“ ift moftl fehr feftmer gu gicl)cn. ©icei 
geigte fid) beim aucft fofort in ©iiffelborf. ©ie Veriantmlung munfdjte 
unb erreid)te, baft bie oom Vorftaub oorangefteHten minenfchaftltchen 
Vorträge auf ben Siachmittag oerfhoben, b. h- gum groften ©heil gum 
Ungebnltenmerbeu oerurtheilt mürben, ©ie Verhanbluugen beS Jor* 
mittags begannen mit einer ©ebatte über bie SBaftl ber, iugmifdjen oon 
ber ©cfdjäftsfipuug ber ©cfeUfdjaft für permanent erflärten «ommif)iou. 
©ie ©ebatte mar ebenfo unFlar, mie bie gange Snefte |elb|t; oenn nad) 
ber obengenannten Verliner ©rflärung meift man, gmtfeften gmci etuhlen 
fiheub, e'igcntlid) md)t reeftt, maS bie .Hommiffton jo 11 unb mas bas 
©entralcomite mill, unb man muft feine gange Hoffnung auf bie gu 
erfprieftlidiem Raubein nöthige Klarheit auf ben im grüftjaftr 1899 in 
«Berlin ftaitfinbcuöen beutfehen ^uberfulofe-gtongreft feften. 

Stad) groei miffenfchaftUd)en Vorträgen (^iiiFler: lieber ©imcift* 
ernähruna, meld)e gegenüber manchen moberner Strömungen mieber gu 
ihrem Veite fommen fon, unb Voller, lieber bem ©uberfelbaeilluS oer* 
manbte SRifroorganiSmen) entmicfelte ^aubrath Dr. jur. .^epbmeiler* 
Hltena bie ^ragc: &*er foü .^eilftätten bauen? # Wenngleich man bie 
anberen gaFtoren, ^noalibitäts * VcrficherungSanftaltcn, Äranleiifaftcn, 
Vereine n. f. ro., nicht entbehren fann, )mb bod) bie berufenen ©rbaucr 
oon .^eilftättcn bie .Kommunen; beim nur fie bieten ben unbebingt nötigen 
finangieüen VücFhalt.**) #i . r .,, . A 

©inen meiteren bas fogialc ©ebiet gcmaltig beruhrenben Vortrag 
hielt, einer Slufforberung beS Veferenteu in banFensmcrthcr Weife 
folgenb, Dr. Weicfcr*©örbcrSborf. Seine Haren Ausführungen, m bem 
oon allen VoIFSf)eilftätten*Aergten unterfd)riebenen Safte gipfclnb, baft 
erft burd) ftürforge für bie Familien unb nur in Vcrbtubuug mit <vur* 
forge für bie ©ntlaffenen bie £>eilftättenbehanbluug mirfltdjen Werth 
erhalt,***) unb feine (als ätfauuffript gebrudtc) ^ufammenfteaung ber 
auf biefem ©ebiete oorhaiibeneu (§ inrtcfituugen bei fämmtlidjm Vei* 
fnheruugsanftalten merben boffentlidj mefeiitlich mit bagu beitragen, biefe 
/$raqe enblich in gluft gu bringen. r . 

Vefercut fprad) fobann über ben Alfoftol m VolFShciljtattcn, 
barlegenb, baft ber Alfoftol als VaftrungS* unb Heilmittel gu entbehren, 
als ©cnuftmütcl aber besmegen unbebingt oermerfen fei, meil bie 
.'peilftätten hogienifthe ©rgichungsiiiftitute fein jolltcu, in Deneni man 
nicht ein ©ift als ©emiftmittel geben biirfe, baS auf tautenb Wegen 
geeignet fei, bie 'Juberfulofe gu ergeugen unb gu oerbreiten, unb baS 
jeber ehrliche Kämpfer gegen biefe Seuche auf bic ^roffriptionSlt|te 
feften müffc. ©aft felbft bei bcneit, meldje fid) nod) nicht euttcftlteneu 
Fönnen, ans biefer fid) immer meftr bahiibrcd)eubcn Aufd)auung bie 
Äonfetiucngcn gu gtefteu, bie Ucbcrgeugnng oorhanben ift, es Föime m 
ber bisherigen Weife mit Irinfgmang unb SKaffenfuff uid)t meiter geften, 
geigte ber felbft biefem heiflcn Iftcma, noch bagu um bie V?ittags|tunbe 

*) ©ic VeFämpfung ber ©ubcrFutofe. ©cittfcfte VicrteljahrSfdjrift 
für öffentliche ©efunbheitSpflege XXX. 4. 189s. 

■'*) Vur fie fönnen g. V. auch bem Argte unb bem Veamteu 
^enfioiisbercd)tigung gemähreii. 

S. lieber, SoubcrFraiifeiianftalteii unb AÜrforge pir Zungen* 
franfe. ©Mi: Micbe, ©acobfohu, VFcijer, Haubburi) Der ilrnuFciiocrforguug 
iiub^straufenpflege. Vcrlin 1898, Seite 200 unb ^14o. 


53 


©ojiale $tagi8. Eentralblatt für ©ojialpolitif. Nr. 2. 


54 


gehalten, folgcnbe Beifaß, ben Ncfcrcnt gcrabe bcr guten ©ad)c 
wegen um fo eher ju ermähnen fid) für berechtigt hält, alg er fclbft ihn 
auf biefc linb nicht auf feine Perfon bezogen bat. 

Den ©djlnß beg Bormittagg bitbete ber Vortrag von ©ontmcrfelb: 
3ur Beurteilung ber Teilerfolge in Sungcnheilftättcn. ©ontmcrfelb 
tßeilt bie Begeiferung SNanrfjer für biefc Auftalteu uidjf, mahnt junt 
Dßeil mit Necßt, 511 m Dbeil überffeptifd) jur Borfid)t, ju genauer 
©tatiftif u. f. m. unb empfiehlt bajn einen von ißm entmorfenen grage* 
bogen. 3cß fage: jurn 2bcit mit Necbt, benn cg giebt immer nod) Seute, 
weldje glauben, mau fönne mit ben Bolf*beilftättcn bie Duberfulofe 
angrotten, unb eg feien weitere fojial=t)pgienifdjc Maßnahmen bureßaug 
nidjt nötßig, — aber auch überffeptifd), bemt baß bie Teilftätten bereite 
jeßt eine Unmenge ©egen verbreitet haben, ift bod) gewiß nidjt mcf)r 
ju leugnen. 

Der Anfang beg Nadjmittagg feßte getviffermaßen ben Vormittag 
jort. Dr. Sajarug*Berlin fpraeß über bie Duberfulofe im Äranfenhanfe, 
weldjeg er gegen bie Anftdjt vertßeibigte, baß Duberfulofc im &raufen« 

S e nicht geteilt werben föune. Man muß bei biefer grage jebod) 
t unterfdjeiben jroifeßen tfranfenhäufern wie bie Eßarite, bie 
Dr. Sajarug nebft bem iübifeßen $ranfcn häufe in Berlin immer alg 
Beifpiel anführte, unb ben tfranfcnßäufcnt ber Provittj. SBer eine 
größere Anjaßl ber Ießteren gefeßen unb — beroeben ßat ; ntufj meineg 
Eracßteug beu ©ab unterfeßreiben: Teilbare Sungenfranfc geboren in 
eigene Teilftätten, aber nicht in allgemeine Siranfenbäufer. ©0 
feßränfte benn auch Dr. Sajarug, ber im Anfänge feineg Bortragg 
immer non Suttgenfranfen überhaupt fpracb, gegen Enbe bie' in alt« 
gemeinen ftranfcnßäufern Unterjubringenbeit auf bic febweren gälte ein. 
Darin wirb ißm Niemaub wiberfpredjen. 

Einen weiteren Vortrag I)iett Dr. 3acobfoßn*BerIin über bag Pflege* 
perfonal in ©pejialfranfenanftalten, iugbefonbere in Sungenßeilftätten, 
ber recht viele gute unb neue ©eficfjtgpunftc enthielt, aber bureb Ieiber 
ju leifeg ©predjen voßftänbig feine SBtrfung verlor. 

Die gorberungen welche Dr. grtcbberg=BerIin in feinem Bortrage: 
„Die fojialpoliiifchen gnftitutionen unb bie ©cbwinbfudjtgbefämpfung" 
fteßte, nämlich bie „ber Eentralfontmiffion ber Äranfenfaffen Beding 
unb Umgegenb", fuib ben Sefem b. Bl. befannt, auch itt einer Denf* 
fdjrift: „3ur ©ehwinbfueßtgbefämpfung. Berlin 1898. ©elbftverlag ber 
^ommiffion" niebergetegt. gür bag Teiloerfaßren, für bie Bolfg* 
^efunbljeitgpftege alg propßijla^e, für ©putunt»Unterfucbungen u. f. w. 
tollen bie Beriicßerungganftalteif meßr ßeraitgejogen unb namentlich fofl 
aug bem Siechte beg §. 12 eine Pflicht gemacht werben. 

Die iehr furje Digfuffion breßte fid^ namentlich um ben lebten 
Punft. Danach würben wegen allgemeiner Abfpamtung fämmtliche 
weiteren Borträge, bie jum Dßeil recht intereffant ju werben verfprachen, 
jurüefgejogen. 

3n bie permanente Sfommiffion (ftänbiger Augfcßuß!) würben ge* 
wählt: bie Tpgienifer Tueppe * präg (Borftßenber), ginfler*Bottn, 
Blaftug-Braunfcßwetg; bie jfHutter v. Setjben* unb ©erßarbt=Berlin, 
v. Settbe* 2 £ürjburg, Martiug*Noftocf; alg Vertreter ber organifatorifdjen 
©eite (5ngelmann* s Serlin (Sieichggefunbheitgamt), 9 ?annmib=(Sharlotten« 
bürg (Deutfdjeg (Seutralfontitee), 0ebharb*yübecf; alg gachärjte 9Reiffen* i 
Tohenhonef, SHumenfelb * SSiegbaben, ^iebc*Öoglau (Schriftführer); alg I 
praftifd^e Sterjte Äriege*$armen unb gricbeberg*Serliu. ; 

üoglau D./©. ©eorg Siebe. 


^ranenhtmegmig. 

Die 3. @ester«l»erfatss»tl)mg beg Smtbeg Dewtfcber grtmenoereiie 

tagte vom 3. big 5. Dftober in Tamburg unter bem Dorftb von 
3rl. Slugufte ©cbmtbt. Die ^erbanblungcit waren in erfter Siitic ber 
S^eoifion ber ©tatuten unb ber 5Reu*0rbnung beg ©cfdjäftggangeg 
gewibmet unb führten wegen ber Skrfdjiebenartigfeit ber 3 l c l e / bie fich 
bie einjelnen Vereine beg 93erbanbeg — jc^t 107 — gefefct haben, ju 
langwierigen unb febarfen Debatten, bei benen auch persönliche Eingriffe 
nicht immer verntieben würben. §ieran fd;loffen fich bie Söcridjte über 
bie Dhätigfeit ber ftontmiffionen, in benen bag ©chwergewiiht ber Sunbeg* 
arbeit ruht, junächft bcr Stechtofommiffiou, erftattet von grl. Stafcbfe, 
welche bie Bemühungen barlegte, bie bebufg Erweiterung ber Stechte oer 
grauen im Bürgerlichen (fJefehbudjc unb ber T an M lin ß g ß e bülfinnen 
unternommen finb. 3b* folgten %x. Bieber*Böhm unb grl. Toffmann 
mit Berid;ten über bie ©ittliihfeitg* unb SKäbigfeitgfommiffionen, welche 
burch Jliigblätter, öffentliche Berfammlungen unb ^Petitionen an Sieid)g* 
tag unb Bunbegratb ju wirfen fuchen, ohne fidj feboch Diöher großen 
©rfolgeg rühmen ju bürfen. §rl. ©alonton wieg barauf htn, baß bie 
Jfommiffton für weiblidje ©ewerbeinfpeftionert ben Anfang mit praftifcher 
iugbilbung von grauen für biefe ©teßung gemacht habe, unb gab ber 
Toffnuug äugbruef, baß auch in Preußen ©chülfinncn ber ©ewerberäthe 
angefteßt würben, nachbem Bapertt unb T^fKu vorangegangen feien. 

Stad; einigen weiteren Berichterftattungen folgte bie Bcrathung von 
Slnträgeu, u. 91. vom Nürnberger grauenverein gefteßt, bie Begebungen 
$ur Berbeffcruug ber Sßflege unb Erjiebung von verwahrloften unb aßen 
außerehelichen Ätoftfinbem jur Bunbcgfadic ju machen, eine ©cneral* 
vormunbfehaft fowie Ueberwachüng burch Äerjte unb ftaatlich angefteßte 

SerantiooTtli<^ für bie ftebaftton: Dr. dm ft 


| Pflegerinnen ju forbertt. Die Genehmigung würbe im prinjip erflart, 
j bie genaue gormuliritug einer Äommiffion überlaffeu, um ben Antrag 
I mit ben Beftimmuugcn beg Biirgerlidjeu ©cfeßlutcheg in Einflang jn 
1 bringen, gür bie gorberuitg ber Einridjtung obtigatorifdjer gortbilbitugg= 
I fchnlen für Ntäbdjeu feiteng beg ©taateg, von verfd)iebeucn Bereinen 
1 gefteßt, trat bic Berfaimnlitug ein, nachbem grau Eaiter hatte erfläreu 
laffen, baß fie auf Bcrathung ihreg ähnlichen Shitrage* feinen Sertl) 
mehr lege, ^uftimmung fanb ferner bie Einfeßung einer ftebenten 
Jtommiffion beg Bunbcg jur görberuna ber gcwerblidjen Dhätigfcit unb 
wirthfdjaftlichen ©elbftftänbigfeit gebiloeter grauen. 3 wei Anträge beg 
Dattjiger Bereing „grauemvohl" betr. görberung ber ©efeßcgfuitbc 
unter ben grauen unb volle Bereing* unb Berfammlunggfreiheit ber 
grauen würben burch Berweifung an bie Sled)tgfommiffion erlebigt; 
ein britter Antrag beffelben Bereing betr. Erlangung ber SKitmirfuna 
von grauen in fommunalen ©chul* unb Ärmenangelcgenheiten burgj 
eine Stefolution erfeßt, welche biefe Begebungen oen Einjelvereiuen 
juweift. 

Stuf bag politifcße ©ebiet würbe bic Debatte burch einen Slntrag 
beg Berliner Taugfrauenvereing, vertreten burdj gr. 9J?orgenftern, hinüber* 
gefpielt, inbem ber Bunb bie griebengbeftrebungen feinen Slrbeitg* 
gebieten htujujufügeu aufgeforbert würbe. Nach lebhafter Slugeinanber* 
feßuug, in ber grl. Sifchnewgfa, eine Bolfgfd^ullehrerin, bag Priiuip 
beg gerechten Kriege* vertrat, wäßrenb anbere Nebnerinnen bic felbft* 
verftanblidje guftimmung aßer grauen für Erhaltung beg griebeng 
betonten, befonbere Unterftüßung ber barauf hinjielenben Beftrebungen 
feiteng beg Bunbeg für überflüffig erflärten, fchloß Ttcß bie Bcrfammlung 
unter Erfcßung beg SKortcg „Slrbcitggebietc" bnrdj „Programm" bem 
Slntrage an. 

Slußer ben ©ißungen ber Delegirtinnen unb ben Äommiffions* 
berathungeit fanben noch öffentlidie Berfammlungen ftatt, tn benen bie 
verfdjiebenften Dhcmata aug bem ©ebiete bcr grauenfrage Erörterungen 
unterjogen würben, ferner Bcfudje ber ja’hlreicßen $amburgifd)en 
Erjichungg* unb SBohlthätigfeitganftalten für Ntäbdjen, über bie 
grl. Bonfort eingehenb bercd)tct hotte, fo baß bie ©eneraloerjammlung 
beg Bunbeg ihren cinjelncn Bereute einanber ju nähern unb 

bie Beftrebungen ber grauen burch 3ufammenfaffung aßer verftrcutcu 
Äräfte in ganj Dcutfcßlanb ju förbem, erreicht hot. 


£iterarifd)e ^njeigeo. 


I. Bü$tt tmb Brofchüreit. 

Nbler, Dr. Emanuel, lieber bie Soge beg Tonbmerfg i n Defterreid) 
(SBiener ftoatgwiffenfd;aftUche ©tubien, herouggegeben von Ebmunb 
Bemaßif unb Eugen von Philippovidj in B5ien. Erfter Bonb. 
Erfteg Teft). greiburg i. B. 1898, 3 . E. B. Ntoßr (poul ©iebeef); 
SSien, BZanj’fche f. u. f. T°f Ä ^ er logg s u. Unioerfttätg*Bu(hhonb= 
lung. preig im Abonnement JL 2,50 * fl. ö» SB. 1,50. preig 
im Einjelverfauf M. 3,m = fl. ö. SB. I,». 

tompffmeper, Paul. SNefjr SNacht! Äritifche ©treiflichter auf bog 
Erfurter Programm ber beutfehen ©ojialbemofratie. Berlin 1898, 
Berlag ber ©ojioliftifdjeit Btonotghefte. 38 ©. preig 30 

Borbericht unb Berhanblungen ber ftonferenj beg B erb an beg 
beutfeher SBohlfohrtgvereine, Berlin, 14. 9Woi 1898, im 
Neidjgtagggebäubc (©cßriften ber Eentralfteße für Arbeiter-SBoßl* 
fahrtgeinri^tungen). Berlin 1898, Earl Tepmann’g Berlag. 
57 ©. preig M. l /90 . 

SKüller, 0 tßmar. ©teuerlaft unb ©teuerfraft ber ©emeinben beo 
Äantong ©t. ©aßen (©tatiftif beg ftantong ©t. ©aßen. XII. Teft). 
Bem 1898, Buchbrucferei ©tämpfli <fe Eo. 

II. Dnuffi^ett von Berttalttmgett, Berehtett k. 

Berwaltunggbericht ber Snvalibitätg- unb Altergoerftchemngganftalt 
Berlin pro 1897. 

Pofen. Bericht über bie Berwaltung unb ben ©tanb ber ©emeinbe- 
angelegenheiten in ber ©tabt Pofen pro 1. April 1897 98. 

N?.*®labbach. Bericht über ben ©tanb unb bie Berwaltung bcr ©e* 
membeangelegenßeitcn ber ©tabt SN.*©labbadj pro 1 . April 1885 
big 31. 2Mrj 1897. 

Teibelberg. Nechenfchoftgbericht ju ben Nennungen ber ftäbtifdjen 
Waffen pro 1897. 

pforjbetnt. Nechenfdhaftgbericht ju ben Necßnungen ber ftäbtifdjen 
Waffen pro 1897. 

3ufammenfteßung ber Betriebg*Ergebniffe ber in Äöln unb ben ein* 
emeinbeten Bororten vorßaubenen, unter Auffidjt beo 0ber* 
üraenneifterg fteheubeu 0rig * Atranfenfaffen, Betriebv' 
(gabrif*)Äfranfen!affeu unb 3onnuugg*ttranfenfaffen pro 1897. 

ranCfe in Berlin W., Sagreui^erftra^e 2y. 



Soziale ^retftS. Gentralblatt für Sojialpolitif. $r. 2. 56 


©ie äoitalo Dravi«" cr^cint an jebem Sonnentag uub iit burefc eitle 33 ucf)banblungcn unb ^oftämter OPofaeitunganuniiiicE 6723 T) 3U besiegen, ©er %xe\t 
für baß SBierteljafyr ift 9 Ji. 2 , 50 . Sebe Kummer foftet 30 ^f. ©er »meigenpreiö ift 60 %Sf. für bie brcigefpaliene ^cti^eilc._ 



£>eft 35. QxVXtnWtftn. Ucberfirfjt über bie neueren 93eftrebuugen auf beut ©cbictc bei* ?lrmen= 

pflege iu ben für ®eutfd)Iaub nudjtigften Staaten beö 9lu£laube3. SSon <£♦ 9Jtnnfterbe*fl. ?>m3 1 3)?. 60 

«peft 36. irrmngsmflljrejeln gegen nnijrpfUrtjtige ^ngeljürige. ©m^te, erftattet uou e. $irtd)i>crg, 
Jafftciu, (§. 9Jttuiftcrberg. ©reis 2 3)7. 

§eft 37. fjtlfe in nulferxiriientlirtien JtlltJtnnöen. ©oridjt Über beit 37otftanb int 97iefengebirge iiad) bem ©od)= 
mager uüiu 30. Juli 1897 unb bie babei cntroiifclte .'pilfstljätigfoit. ©ou CbUmlb ®aer. — S3rad)t uou 
e. Said). «Preis 1 3)7. 80 ©f. 

§cft 38. fie merijfelfeitige |lnter)iüi?ung an Uetdjöangeljärige in iien eiweinen ^uniiee(idflten. 

©on 28. gicifc^nianu unb .f>. 9iitlaitb. ^SreiS 2 3)7. 

$eft 39. 5ngurijtö(iätten für uieiblittje ^erfnnen. © 0 n e. sibers. ©rtptfnpmnttnum in iier Armen¬ 
pflege. Anredpiung Der |eiflnngen iier priuntuialjUIjnttgheit unb Immlibenrenten. ssou 

Sd)ittibt uub (Siuto* $rei$ 3 9)?. 20 $f. 


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Rebaftton: ©erltn W., ©ahreutherftraße 29. ÖP* Ctttfl ©erlag Ooit Duntfer & fmmblot, Cctpjlg. 


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gefefe" unD feine ©orfd>läge. 
®on Dr. Ä. üon SRangolbt, 

granffurt a. 9R.57 

®aS belgtfche ©efefc übet bie 
©erufSüereine. ©on g5rofeffot 
©rneft SWo^aim, Sütticb ... 60 

WiCMiotaf fDtab MMb 

.64 

Ätbeitetfammern. 

Semeittfamer Äampf oonSßriit» 
jipalen unb ©ebülfen im 
©eutf$en »ucbbtudgemetbe 
füt bie ©otifgemeinftbaft. 

Aufteilung bon ©rubenfonttoleuren 
an« bem 9Irbeitcrftnnbe. 

©roieft gegen baS geftunmefen. 

Steuerbefreiung für bie JpauSinbuftrie 
in Rufelanb. 

ftMUMMMMle CpMfüHl ... .68 

Ablehnung einet Umfafcfteuer füt 
Äonfumoereine in Hamburg. 

StÜbtifcber ©igenbetrieb bet fßfetbe* 
bahn in Amfterbam. 

Stäbtifche AuSfiinftSftelle füt ©ofen. 


Soziale Baftänbc . ;.68 

Sewerbltdje Ätnberarbeit im 
^etaogtbum ©rounfchwelg. 

tUB*itar&«*»e|mi§.69 


SRiftglüäen beS ©eneralftrcil« 
in grranfreidj. ©on g. Schott* 
böfet, ©ariS. 

Bewegung bet Bergarbeiter im Ruhr* 
gebiete. 

©on bet ©erlinet Arbeiterbewegung. 

JBensfSnerein djriftlidjer ©afthofö» 
geholfen. 

Bufammenfdjlufe bet organifierten 
fojialbemoftotifcben 4?ano!ung£ge* 
hülfen. 

©egen leichtfertige Streif« in bet 
©d&meia. 

An« bet engliföen ©ewerfbetein«* 
bewegung. 


73 

©unbe«ratb«berorbnung übet bie ©e» 
fcbüftigung bon Arbeiterinnen unb 
jugenblidjen Arbeitern in 

Erhebungen jum Schufce bet ©au» 
arbeitet. 

2U9eitt*t»evfl4etnng* ®patf offen. 73 

©ie hobelte jum Snbalibitüt«* 
unb Alter«berficberung«gefefe. 

Auöbebnung bet Ätanfenöerfic&erung 
auf bie £au8tnbnftrieUen in ©etlin. 

(Sentralfaffe bet ebangelifdjen Arbeiter» 
beteine in ©abetn. 

AlterSberßdjerung in Reu»Seelanb. 

BU5ttt5ita4toeii.75 

©et Arbeitsnachweis unb bet ©unb 
bet Snbufiriellen. 

Erfte ©etfammlung be« Setbanbe« 
3 Ut götberung be« Arbeit«nachweife« 
im RegterungSbeairf ©üffelborf. 

Arbeitsnachweis unb ©ienftbotenber« 
mittelung. 

©et Arbeitsnachweis bet Sanbwirth» 
fchaftSFammer füt Schießen. 

SRh^erarbeitSnachweiS unb $afen» 
arbeitetbetbanb in Hamburg. 

Arbeitsnachweis in Sübauftraiien. 

CdohnnngStvefen.77 

Rheinifdjer ©erein jut gbrberung beS 
ArbeiterwohnungSwefenS in ©fiffel» 
borf. 

SBohnungSffirforge in SRagbeburg unb 
3R »©labbach. 

Stübtifdje Arbeitet Wohnungen in 

Karlsruhe. 

©titchnng unb ©Übung.78 

©taftifcb’foaiatet 5turfu« be« ©olFS» 
oerein« füt ba« fatholifche ©eutfch» 
lanb. 

AttnavifAe Äsptgtit.78 


tiefer 9«mnet (feieit ?n|tU$«erjel<|iii| ntl pie(i(«tt ffte 9«|t|«tt| TU Per 
?r«xis ,< lei. 


Abbrucf f&mmtltchet Artifel iß Bettungen unb ßeitföriften geftattet, jeboch nur 
mit Dotier Quellenangabe. 


3 ttljnli 

■«»(UctfUBD 


Ber „Bereit! Reidj 3 -öloljnttng 59 efelj“ unb feine 
Borfdiläge. 

Die SSohnungSfrage ift reif für einen großen ge[eö* 
gebenden Aft — biefe tleBerjeugung ift in biefer 3eitf<hrift fcfjon 
mehrfach oertreten worben; es märe überflüffig, ba£ fycv nod) ein* 


1 mol su thun. ÄuSgehenb non biefer Ueberjeugung f)at ficb am 
i 25. 9Rai b. Qä. in granffurt a/30®. ein „©erein $eiib3*©$obnung£* 
! gefefe" gebilbet. Heber ben 3 roec ^ gtebt §. 1 ber 6 afcungen 
äuöfuuft: 

„©er am 25. 9Kai 1898 in granffurt a. 3Ä. gegriinbetc „©erein 
Steicbsroobmingsgefefc" bat ben S^ecf, jitm ©el)ufe ber ©erbefferung bcr 
SSobnungSücrbältniffe eine burcbgreifenbe ©efchgebung, in erfter 2 inie 
non Seiten be« 9tetdje«, aitjnregen unb oorjuberciteu. (Sr betrachtet es 
bemgemäß als feine Aufgabe, entfprecbenbe gefe^liche ©faßregeln gegen 
bie ©Jifjftäube auf bem (Gebiete beS ©Sobnungsroefens in ©orfchlag §u 
bringen, ber Ueberjcugung non bereu 9Jotl)n)enbigfett burch ausgiebige 
öffentliche (Srörteruug au allen bafiir geeigneten Stellen 311 m ©urcpnuh 
ju oerhelfen, auf bie Regierungen unb bie politifcheu ^arteten in feinem 
Sinne einjumirfcn unb inSbefonbere ben ©eutfcheit Reichstag 3111 * 
Stellungnahme in biefer Angelegenheit 311 bewegen." 

©)er ©erein hat e 8 fith S un äthft angelegen fein laffeit, einen 
Arbeit 8 au@fd)ii& 3 U bilben unb burch biefen ©orfdjläge für ben 
materiellen 3 «h a H be^ angeftrebten (^efefeeS an§ 3 uarbeiten. ©iefe 
©orfchlage, bie in einer füglich erfchienenen ©rofchüre beS Unter* 
jeichneten: „S)er ©erein 9teiths*S!BohnungSgefeb unb feine ©or* 
fchläge*)" näher entmicfelt finb, forbern bie reic^Sgefe^lic^e ©)ur(f)' 
führung folgenber fechS großen ©ruppen uon SReformmaferegelu: 

1. S)ie Einführung einer SßohnungSinfpeftion unb ber 3oneu* 
enteignung für bebautes ©elänbe. 

2. $>ie allgemeine Renipon ber ©auorbnungen unb ©e* 
bauunggpläne im Sinne ber mobernen Reformbeftrebungen auf 
biefem ©ebiete. 

3. 2)ie ergänjenbe ^robuftion Heiner Wohnungen burch plan* 
majjige ©ilbung uon ©augeuoffenfchaften unb *gefeHf<haften unb 
burch beren Unterftühung mit billigem öffentlichen $rebit. 

4. 2)ie ©efdiaffung bittigen ©aulanbeS burch Reform beS 
EuteignungSrechteS unb ähnliche SRafcregeln. 

, 5. ^)ie Reform beS RtiethrechteS, Rhethproaeffeg unb ber 

SroangSooUftrecfung. 

6 . Allgemeine Anregung unb gförberung roeiterer, oorftehenb 
nicht genannter Reforatmaftregetn — wie 3 . ©. beS ©ororts* 
oerfehrs — burch bie Organe 3 ur Durchführung ber ©JoIjnungS* 
reform. 

©ehuf 0 biefer Durchführung wirb nämlich theiltoeife ein neuer 
Apparat oorgefeljen, beffen hauptfächlichfte ©lieber finb ein Reichs* 
©Johnungöamt, SöohnungSinfpcftoren, ©aubanfen unb — etwa je 
für ben ©ereicb eines RegierungSbe 3 irfeS — follegiale, grofeenthcils 
aus ehrenamtlich roirfenben Öaien beftehenbe ©ehörben, genannt 
©au* unb 2 SohnungSräthe. 

Diefe ©orfdhläge tragen inbeS noch nicht in allen Eingelheitcit 
ben EharaHer ber Enbgültigfeit. Der ©erein erbittet fich jefct über 
ben gansen ©lan wie über beffen Ein 3 elbeiten ©utacfjten 001 t einer 

*) ©erlag uon Johannes Alt, Avanffitrt a. Rf. ©reis 5 bei 
Abnabme oon 25 Stiicf 40 















ö!) Sojtale 1ßra£i$. ©entralblatt für Sojialpolitif. Br. 3. 60 

Betbe Ijeroonragcnber 3acf)üerftäiibiger; nad) ©ittlauf bcr ©utad)ten I unb barf baS Beicb nic^t oerfagen unb lief» beit Bang oon beit 


foH im Sötnter eine Sacboerftänbigeufonfere^ abgebalteu unb ba? 
nad» fodett bie non biefer formulirten Borfd)läge einer ©eneral? 
oerfatttmlnng bes BeretttS oorgelegt werben. ©rft auf ©ruttblage 
ber fo enbgültig geftalteten Borfdfjläge fott es bann 31 t einer 
Agitation in großem Stile fommen, §u bereu Leitung unb Be? 
treibung oorauSfid)tlid) ein Bureau in Berlin errietet werben wirb. 
SnbeS hofft ber Berein fid) aud» bis babin fdjon wefentlid» au«* 
gebeljnt ju haben. ©itt erheblicher Sb c M ber Eiaffen, bie oor allem 
an ber B*obmtngSreform ein Sntereffe haben, finb in gewiffen 
Eörperfcbaften jufammengefafet: in Blietbcrucrcitien, Baugenoffen? 
fdjafteu, ©ewedfebaften unb ©cmedoereitien, eoangelifdiett nnb 
Jatbolifcben ^Irbeiteroereinen u. f. w. Ser „Berein Beid^BSob* 
nnitgSgefeß" wirb fid) an alle biefe Drganifationen wenben unb 
fic bitten, ibn bttrd) Batbertbciluug, Blitglicbfdjaft, ©elb unb 
pagattba ju unterftüßen. (Sr fiofft fo in abfebbaret* $rit eine 
acbtunggcbictenbc Bladjt ^ufamtnensubringen, welche alle politifd»en 
Parteien nötbigt, ber Bk>bitnttgSfragc unb ihrer reid)Sgcfcßlid)ett 
Regelung ihre Slufuterffamfeit ju wibmen. daneben werben 
natürlid) aud» ©injelmitglicber nnb beren Unter)tüßuiig febr will? 
foutmen geheißen.*) Sd)licßlid) wirb and» ber BeicßStag uidjt 
umbin föuncn, Stellung 311 nehmen, nnb wenn er oietteid)t and) 
baS erftc unb gweite Blal nod» feine Blebrbeit für biefe glätte auf? 
weift, fo muß man bodj ber guten Sache Zutrauen, bafe fic 
fdjliefjlicb bie Blebrbeit gewinnt. 

(£8 ftebt freilid) baljin, weither eubgiltigc ©rfolg ber Be¬ 
wegung befebieben fein wirb. Sb re Anfänge finb jebenfatts nitbt 
nnglüdlid) gewefen. Sit feiner ©eburtsffabt, granffurt a. Bl., haben 
ficb ?lngebörige faft fcimmtlicber Parteien, üott bett Eonfcroatioen 
bis 3 U beit So^ialbemofratcit, an beut Bcreitt beteiligt: fiibrenbc 
©lemeitte oon ihnen allen fißeti ittt Borftanb nnb Slrbcitsausfdjiiß, 
einntütbig überzeugt oott ber Botbwenbigleit eines fold)en B>edeS. 
Sie große reffe, allen ooratt bie „Sranffurtcr 3 c ib i ng" unb bie 
„Eölnifd)c S^ang", bat ben Berein oielfad) freuttblitb begrüßt; 
aud) bei feinen erften ?(ttfmipfungen nach Slußett ift ber Berein 
bisher oott ©liicf begiinftigt gewefen. ©S ift freilid) wahr: bie 3eit 
ift augcttblicflid) foldjett großen fo^ialpolitifchen Brojeften nid)t 
güitftig. 2 lber bie 3 *it bes ettergifcbeti fo^ialpolitifdiett fvortfebreiten«? 
wirb bod), wie man hoffen unb erwarten muß, einmal wicbcr fomnteu 
unb batttt wirb bie SßobttungSfrage eilten ber .sjauptfclber ihrer 
Betätigung bilbett unb cS wirb bie oorber gcleiftete BorbcreitungS* 
unb 2(ufflärungSarbeit uidjt mufouft gewefen fein. Sie Beffcrnttg 
ber ©obtutttgcwcrbäüniffe begegnet feinen internationalen Sdjmierig? 
feiten: bie Opfer, bie 311 tragen fittb, fallen großeutfjeilä beut arbeite? 
Iofett (Siufoinmcit ber fteigenben ftäbtifdjen ©runbreutc 3 ur Laft; bie 
Snbujtrictten, beren BMberjtanb bei attberett fosialpolitifdjcn Reformen 
311 fürditett ift, boten fogar erbeblitbett Bortbeil oon ber B*obtiungS? 
refornt: alle Bestrebungen 3 ttr tnoraIifd)en uttb gefttubbeitlidjen 
Mebuttg ber breiten Bolfsmaffen müffett bie Beffcruug ber 3BobnttngS? 
oerhältitiffc freubig begrüßen; enblid) ift au ber BJobnungSreform 
nicht nur ber Slrbeiierftaub, fonbern cS finb baran atttb weite 
Sd)id»ten beet BolfcS fott ft lebhaft intereffirt. @0 fomntt Bielen 31 t? ! 
fatnmett, um beute eine Bewegung auf bicfeS 3iel auSficbtSreid)er 311 I 
geftaltcn als bie auf attbere fo 3 ialpolitifd)c 3iele, unb fo ift eS gewiß 
fein 3ufall, bafj aud) gegenwärtig bie Befferung ber BJobnungS? 
oerbältniffe in Belgien, Moüattb uttb fyrattfreid) fotoie bei uns itt 
einigen CSiuselftaateit eine Bolle in ber praftifdjen Bolitif fpielt. 

Bkttn man aber einmal eine berartige Befortn anftrebt, fo muh 
cs eine ootn Belebe au^gebettbe fein. Sie 3uftänbigfeit bev Beid)e^ ift 
gegeben, theild bireft, theil^ inbireft burch ^Irtifel TS ber Beid)ö- 
oerfaffnng. (S^ hat feinen Sinn, eine in allen ^anbcvthcileit ber j 
Bcgcluitg bebürftige Tvrage au 26 oerfebiebenen Stellen atijufaffen; I 
nur im Beid)e nnb im ^Infcblttß an bett Beicb^tag läßt ficb bie I 
große Bolf^bewegung für B3obnnttg*reform orgattifiren, bie wir I 
brauchen. Uttb enblid): in folchett Lebensfragen ber Bation foll j 

! 

'.'Jiitglicbsauuiclbiiiigeit unb Beiträge finb |n abrcffiucn au I 
..-'oerru (»Jcucralbireftor Siehc, «nfurcr be^ Bereinv Beirf)y?SBoluumgv? | 
gefrß, Avaufiurt a. Bt., Bluiifanteuweg 46 ", nidg au ben Berein als j 
ioldieu. ' 


(Sin 3 elftaateu ablaufen Iaffen. Sßtr haben es bringenb nötbig, bafe 
baS Beicb ben großen Blaffen beS BolfeS nicht nur als 3 c fcrc 
unb Bebmer für Blilitär unb Blarine erfd»eint, fonbern auch als 
©eher unb Schüler feiner beften ©üter. Saö ift ein moralifeber 
Buf, ein §lnfeben, baS in fritifeben 3 e ^ en miebtiger unb ent? 
febeibenber fein fann als gait^e Slrmeen. £>offen wir barum, bafe 
bas Beicb ficb aufrütteln Iäfet 3 U einem tbatfräftigen Borgeben im 
Sinne beS BereinS. 

2BaS aber auch gefdjeben möge, ein ©rfolg ift beut Berein 
auf jebcit gfall fidler: burch bie Agitation, bie er 3 U entfalten im 
Begriffe ftebt, wirb jener gan 3 e oielocrfcblungene Enoten oon BH&? 
ftänben auf beut ©ebiete beS 2öobnuttgSwefeuS, werben beren Ur? 
facbett unb SlbbilfSmittel fo befannt unb fo oiel erörtert werben, 
wie nicht leicht burch irgenb etwas anbereS. Hub febott bas wirb 
ein drfolg fein, ber bie Blühe lohnt! 

Srauffurt a. Bl. E. oott Blattgolbt. 


I Ba£ hdglfd)c über bie ßerufeuereltte« 

I ^(ls im belgtfd)cn Parlament bie Sebatten über ben ©efeß? 
entwurf betreffenb bieBeritfSoereine eröffnet würben, habe ich an biefer 
Stelle bett Staub ber Jvrage uttb ihre Sluffaffuttg itt Belgien bar? 

e (Br. 9 ber So 3 ialcti üont 2 . Sc 3 ember 1897). Sie 

, tnblnngen über bie Borlage bauerten ungewöhnlich lang. Sie 
Begierttttg batte bie Eatnmern 311 einer außerorbetitIid)ett Seffiott 
einen Bloitat früher als fonft in ber Hoffnung cirtberufen, bafe 
j biefer 3 e i( 9 cnj iait sttr SertigftcHuug beS ©cfefeeS auSreicbett würbe. 
I Liber eS ift nid)t itur biefe auftcrorbentlicbe Seifiott oon ben Be? 
| ratbuttgen ansgefüllt worben, fonbern es beburfte aud) noch mehr 
als brei Bloitate itt ber orbentlichen Sagung, um 3 unt 3icle gu 
I gelangen, ^sm Senat mußte bas oon ber Slbgeorbncteufammer 
angenommene ©efeß bas fd^arfe fetter ber Sanften in ber Dppo- 
j fttiott auShaltcn, unb auch hier war ein Blonat bis 3 ur Beettbigung 
| ber Sebatten nötfjig. s JlllerbingS ift bie Borlage, im Unterfcbieb 
| oott beut frait 3 Öfifd)ett ©efeß, liuocrfebrt aus bcr Bebefd)Iacbt beS 
1 Oberbaufcs gefotumett, ba nufer Senat, attbers als ber fran 3 Öfifcbe, 

; gegen bie Begieruug febr willfährig ift, biefer aber nichts baran 
iag, ben (Entwurf nochmals oor bie Eantmcr 3 U bringen. 

SU nun baS in beißen Sebatten fo oieler Blonate 3 ur Betfe 
gebrachte ©efeß 00 m 31. Blär 3 1898 wenigftettS ein Bleifterwerf 
I att Eiarbeit? Saoott ift eS weit entfernt! Sie oerfrfiiebenen ©nt? 

I würfe, bic in ad)t^ Sab^n oor ber parlanteutarifdjeit Beratl;ung 
ber Srage fid) anfamincltcit, wiefen auf ftarfc BleituitigSücrfdjiebeii? 

I feiten gwifebett ihren Urhebern bin, obwohl biefe alle flerifal unb 
regiert!tigSfreunblid) finb. Siefe Sifferet^ett traten auch itt ber 
.Hammer 31 t Sage unb würben noch erweitert burch sabllofe 
BmenbeinentS ttid)t nur bcr fojialtftifcben Dppofitioti, fonbern auch 
eines Sbetles ber Besten. Sie Begierung batte fid) gegen brei 
ober oier oerfd)iebene Shiffaffungen über bie BerufSoereitte gu 
wehren unb bat ihren ©ntwurf nur mit $ülfe oon Eompromtffen 
burdjgebracbt, bie bie Eiarbeit ber eigenen Sluffaffung jerftört ober 
bod) getrübt haben. 

^aS ©rgebniß ift, baß baS ©efeß eine Blettge Scbwierigfeiten 
enthält unb 3 war in einem ('Habe, baß im Senat ber rabifale 
Senator oott Liittid), £>err Sanfott, ber fofort bei ©röffttung ber 
Berathung eine neue Lltiffaffitiig über bic BerufSoereitte feinerfetts 
; oorbrad)te, beinahe einen BcrtagungSantrag burdigcfcßt hätte; eS 
| fehlten ihm ttur brei Stimmen att Der Blebrbeit. Blan wirb unter 
biefcit lltnftänbeii begreifen, baß es mir in biefeut Llitffafee nicht 
I möglich ift, all bie Bbafeit bcr BarlamentSoerhanblungen ober bie 
oerfebiebenen Softriuen oorgufübren, bie entwicfelt worben finb. 
S<b bcgttüge mich mit bem .f)ittweis, baß bie taufenb Seiten ^arla? 
meitisberidjte über bie Borarbeiten ein ernftlicbeS Stubium oer? 
bienen; nid)t nur ber BolfStoirtl) unb ber Soziologe, fonbern auch 
ber Bfpdjologe werben bort ©etoitttt finbett. .v)ier muß ich mich 
auf bie Sarlegitng ber fmuptbcftimmuugeit bcs ©efeßeS, ihrer 
Tragweite, ihrer Bebeututtg nnb ihrer wal)rfd)einliihen Bedungen 
befcb’ränfett. 

Urtifel 1 fteflt Brit^ip unb 3^ c ff beS ©efeßeS feft. Blau 
weiß, baß cs fid) nid)t um bie ?lnerfenttung ber 3 nläffig!eit ber 
BerufSoereitte hattbelte, ba bie l ) lf| 03 iationSfreiheit itt Belgien un? 
befdjränft ift. Ser Llrtifel fagt: „Sic BerufSoereitte haben baS 
Becbt ber juriftifd)en B er fan itt ben ©ren 3 e. 1 t unb unter ben Be? 
bingmtgeit biefe« ©efeßeS/' Sas Brin 3 ip felbit ift nicht befinden 




61 


©öjialc ?rajts. Eentralblatt für Sostalpoütif. Br. 6. 


62 


roorbett; im Senat haben bic Herren 3aufoit uttb Dupoitt (Öiittid)) 
einen llnterfdjieb machen rnollen stuifdjen ber „juriftifchen s Perfon" 
unb ber „juriftifchen Erifteits" auf ©runb einer siemlid) felifamen 
Jljeorie, bie sroifchen ber politifcheti, in ihrer Bkfenheit bauernben 
Berfönlidjfeit unb ber geitiüeiltgen juriftifefjen Berfon unterfcheibet. 
darauf einjugetjen aber hat ber Senat abgelcljnt. 

Brtifel 2 befinirt ben BerufSoerein. tiefer ift „eine Ber* 
einigmtg, auSfchliehlid) 311 m betriebe, 511 m Schuft unb sur Ent* 
roicfeluitg ihrer Beruf Sintereffen sroifeften $erfonen gebilbet, bie in 
ber Snbuftrie, int fmnbel, in ber fianbroirt^fd^aft ober in ben 
freien berufen mit einem ErroerbSsroecf entroeber benfelben ober 
ähnliche Berufe, entroeber baffelbc Wem erbe ober folche ausüben, 
bie auf bie >>rftellung berfelben Brobufte ab^elen". 

Batürlid) gab faft jebeS SBort biefer BegriffSbeftimmung ^Inlafe 
Su beträchtlichen Debatten, unb bie Erörterung einiger fünfte roirb 
uns über bie Dragroeite beS ©efeftes ^luffdjlufe geben. So hat 
bas Söort „auSfcftiieftlid)" ben 3wecf, mm ber Södftlthat beS ©e* 
fefteS biejenigett Vereine, auch bie BerufSoereine, auSsufdjliehen, 
bie einen politifdjen Eftarafter haben. Sobalb ein Sheil bes Ber* 
einSoertnögenS in bie klaffe einer politifd)en Partei roanberc, fo* 
halb ein herein ^aubibaten für eine ©emeinbe*, ^rooinsial«*, 
Sfammerroabl empfehle, treibe er aftioe ^olittf unb fei nicht mehr 
„auSfcftlieftlich" Berufsoerein. Es heifee inbeffett nicht, ^olitif 
treiben, trenn geforbert roerbe, bah bie Btitglieber eines Vereins 
unter allen llmftänben baS ^rioateigenthum, bie Familie, bie 
Religion oertfteibigen. Dies feien Icbtglicft Bürgfcftaften, bie be* 
greiflicfterroeife für ben Eintritt in ben herein oerlangt mürben. 
So ift laut in her Kammer oerfünbigt morben. 

3 <h fann nicht umhin, in biefer einf<hrän!enben Auslegung 
einen ber unglücflidjften 3^9^ beS ©efeftes 30 fehen. 3ft es boef) 
^hatfache, baß in Belgien bie ungeheure Bfeftrsahl ber Berufs* 
oereine eine „politifche Särbung" hat, b. h-, affen ober nicht, einer 
politifcfteit Partei angehört. Die fich sur Arbeiterpartei haltenben 
Vereine führen einen Df) e il ber Beiträge ihrer BHtglieber an bie 
Maffe beS EentralratfteS ab. Die ftatftolifen jeber Dichtung unb 
auch bie liberalen grünben täglich BerufSoereine. ©eroifj ift baS 
fein Borsug oom Stanbpunft ber ©eroerfoereinStaftif aus unb bie 
DrabeS ÜnionS haben ficher niemals baS 23eifpiel hierfür gegeben, 
baS aus Sranfreicft flammt. Aber es ift ju fpät, bie Betoegung 
3 U hinbern. 9Ban mirb bei uns nie mieber 311 bem reinen Berufs* 
oerein suriieffehrett. Es mar baljer eine oerfehrte Dcnbens, gefeft* 
liehe Beftimtnungeu 3 U treffen nicht für baS, maS ift, fonbern roaS 
fein follte. Das praftifefte Ergebnis biefer in ber Kammer, roie 

E fd)ehett, interpietirten SSorfdjrift mirb fein, bah alle bie fosialifti* 
ett Vereine oott ben S53o^Itf;aten beS ©efeftes auSgefd^loffen 
bleiben, roährenb bie Vereine ber fatholifdjen Partei ihrer theil* 
haftig toerben. Das 2£ort „auSfchliefelid)" fteht auch im fransöfi* 
fehen ©efeft, aber es hat bort bie Berbinbuttg oon Spnbifaten mit 
einer Partei nicht gehinbert, roeil man erfannt hat, bah ihr 
Politiker Eharafter nur Beiroerf fein fann. 

Der ftreng berufliche Eharafter ift baburch betont morben, bah 
bie Kammer abqelehnt hat, bah bie Vereine neben ben Berufs* 
intereffen ihrer i&itglieber auch beren mirthfchaftliche Qntereffen 
roahrnehmen, mie bieS ber urfprüngliche $lan sulieh unb baS 
fransofifefte ©efeft geftattet. Die llnterfcheibung ift feftr fubtil. 
Das belgifdje ©efeft erlaubt ben Sßerfonen, bie freie Berufe mit 
ber Abfid)t bes ©erointtS betreiben, einen BerufSoerein au be* 
grünben. Dies fön neu alfo Sonrnaliften, Scftriftfteller, Erjrinber. 
2öaS baS £ehrfad) betrifft, fo muh man unterfdjeiben: ßeftrer unb 
Btofefforen an öffentlichen Anftalten bürfen es nicht, ebenfomenig 
Berfonett, bie gratis, aus reiner öingabe an bie Sadje, Unterricht 
erteilen; mohl aber bürfen es oieJßrofefforen ber freien ^In*' 
ftalten, fobalb fie Eehalt begießen. 

So ift alfo beS aefefclichen Vorrechts mürbig nur biejeuige 
Bereinigung, bie sunt 3med baS Stubium, ben Schuh unb bte 
görberung ber Serufsintereffen im engften Sinne beS Portes hat. 
3)ieS ^rinsip beherrfdjt baS gan 3 e Öefeh unb hat bie SJtehrsahl 
ber folgenbett Beftimmungen bebingt. 

S)er 5lrbeitSminifter 9ipffenS hat fich bemüht, einige ber er* 
laubten &bätigfeitSgebiete eines bem E)efeh entfprccheubeu BereinS 
auf 3 U 3 ählen; fo 3 . B. gehört ba 3 u: „ 3 eft 3 ufteIIcn in jebem Ee* 
merbe unb in jebem Berufe bie beften unb probuftioften §JrbeitS* 
bebingungen, burch baS aemeinfame Erforfd)eit biefer Siegeln unb 
Bebingungen, burd} bie Einridjtuitg unb Entmicfelung beS berufe 
liehen Unterrid)teS, burch bic §luSbilbung tüchtiger Lehrlinge, burd) 
bie Einridjtung oon Bibliothefeu, Sammlungen, Bcrfucfjsfelbern, 
burch baS Stubium ber HrbeitSbebingungen unb ber Btarftlage 
im ÄuSlanbe, burch Reifen unb ^Iborbnungen 3 U biefem 3n>ed. 


5)ann Erörterung ber 2lrbeitsbcbinguugen mit Unternehmern unb 
2lrbeitgcberu mie ber X'auer ber 2 (rbeitS 3 cit, Bubetage, Sonntagsruhe: 
Seftftcllnug ber 3)ich s unb Äloutrolmethoben; ^3cfd)äftigung mit 
ben Öragen beS ßohneS, ber £a£Cit, ber ^ohnauSsahluug, ber (^e« 
minnbetbeiligung; ferner Sicherung gegen 2lrbeitSlofigfeit, Unter* 
ftüfeung arbeitslofer BereinSmitglieoer, nrbeitSnachmeiS 2 c.; enblich 
— unb baS ift nicht baS llnmid)tigfte — bie Drganifation oon 
Beiferouteit für Arbeiter, bie im 2 luslaiibe arbeiten rnollen." SDauach 
ift, um eS 3 ufammeit 3 ufaffen, ber bem ©efefe entfpredjenbe Berufs* 
oerein eine Ä'affe für ©iberftanb unb Slrbeitslofigfeit, nichts meiter, 
unb bie Beaierung hat oorgeforgt, bah i^m ieber anbere 3 °^ 
oerfagt bleibt. 

So fönnen bie Bereute auch nicht, obmohl baS im Seft beS 
©efefees nicht auSbrücflich fteht, fid) als ©efeflfchaften 31 t gegen* 
feitiger §iilfe (ftranfenfaffen) fonftituiren, noch Waffen surBeiftcherung 
gegen Unfälle unb für 2UterSoerforgung bilben. SDer ©ruttb, marutn 
bieS auSgefd)Ioffen ift, liegt in ber Sorge ber Begiernug für bie 
BerufSoereine, in ber 2lngft, bah beren Waffen burd) foftfpielige 
Streifs ruinirt roerben fönnten. B^an muh wahrhaft ftaunen, bah 
eine fonferoatioe Begieruna gegen bie Grabes UnionS bie ,,Ber* 
mirrung ber Staffen" für ^rärfarge unb Streif ins gelb führen 
fonnte, bie immer als ein Unterpfanb ihrer Klugheit unb Btähigung 
oon ben Sreunbett beS Rialen griebenS gepriefen morben ift. 
SDer So 3 iaüft |>eftor ®ettis mar es, ber auf biefe Argumente 
gegenüber ber fonferoatioett Begierung binmieS. 

Ein anberes Berbot aber fteht im 2lrt. 2 : „5)ie Bereine bürfen 
felbft toeber einen Beruf noch ein ©etoerbe auStiben." $>ieS mirb 
im SluSlanbe nid)t befremben, roo es ben Bcreiiten (abgesehen oott 
einer 2ln3ahl lanbrairthfehaftlicher Bereine in granfreid)) nidht in 
ben Sinn fommt, £>aubel ober ©etoerbe 3 U treiben. ®iefe Be* 
ftintmung oerbanft ihre Entftehung ber f<|arfen Oppofition, bie 
bie Bfehrheit ber Besten ben Anträgen ber BUitberheit, ben 
Ehriftlid)*2)emofratett unter ber Rührung ber 2lbgcorbncteu .§eUe* 
putte, Earton be 2Biart unb Benfin, machte. S)iefe Bfäntter be* 
trad)ten ben BerufSoerein als ein 2 Berf 3 eug ber Eman 3 ipation für 
bie Arbeiter, bie §anbroerfer unb bie Bauern. Sie rnollen ihn 
gleichennahen 3 U einer UnterftüfcungSgefellfdjaft unb sur B^obuftio* 
genoffenfd)aft machen — eine 2luffaffnng, bie, oon ben So 3 ialiften 
unterftü(jt, gart 3 offen reoolutionär auftrat. So oerbietet matt 
gruitbfäfclid) ben gefefelid) auerfannten Bereinen ^aitbelSgefchäfte 
3 u treiben, unb in ber Beforgnih, bah fie ft<h in ^anbelSopcrationett 
einlaffett, bie für ihr Bcrntögen gefährlid) toerben fönnen, unter* 
fagt man ihnen, Slnthcilfcheine ober Hftieit iit $anbclSunterneh* 
mungen, anonymen ©efeüfd)aften, ^ommanbiten unb felbft ©e* 
noffenfdjaften 3 U ermerbett. 2llIeS, maS fte thun bürfen, ift, bah 
fie Sittichen 31 t feftem 3i n ^f u 6 machen fönnen, 3 . B. Obligationen 
ober Staatspapiere aufnehmen. 

Batürlich bürfen biefelben B^fonen, bie einen BerufSoerein 
bilben, baneben eine ©enoffenfehaft grünbett, aber bann ift bieS 
eben eine neue Bereinigung, bie bett gorberungen bes ©efefces oon 
1873 genügen muh- Qttbeffen hat hoch baS $räceben 3 ber lanb* 
mirthfd)aftlicheit Bereine in $ranfreich unb ber Bauerttbünbe in 
fylattbcrtt bie Begierung bemogett, eine SluSnahtne gu machen. 2)ie 
BerufSoereine bürfen 3 um ©ieberoerfauf an ihre Btitglieber Bol ) 5 
ftoffc, Sämereien, Düngemittel, £>anSthiere, Biafchittett unb anbere 
2 öerf 3 euge attfaufeit; ebenfo bürfen fte Er 3 eugniffe bes eigenen Be* 
Berufes faufen unb an baS ^ßublifum oerfaufett, fie fönnett Sehr* 
merfftätten unterhalten — 2WeS aber unter ber auSbrücflichett Be* 
bittaung, barauS feinen ©erointt 311 sieben. 5ür biefe Operationen 
muh ber Berein eine befonbere Bechnung führen. Die 9urd)t, 
ba| bie Bereine ein ©etoerbe auSiiben fönnten, ift fo groh ge* 
roefen, bah matt ihnen bie BJöglichfcit genommen hat, Hrbeits* 
ftätten für 2lrbeitslofe 3 U errichten, meil barauS ftättbige $ro* 
buftionsftätten toerben fönnten. 

Bkr fann ttntt Biitglieb eines BerufSoereittS toerben? Darüber 
giebt 2lrt. 3 Slnffchluh- 3»nge ßeute oon 16 fahren an uttb Ehe* 
frauen ftnb nur batttt sugelaffen, mettn ber Bater ober ber ©atte 
nicht Eittfpruch erhebt. Der Biinberjährige hat feine befchliehenbe 
Stimme. Der Berein fann Ehrenmitglieder ernennen, felbft toentt 
fte nid)t bem Berufe angef)örcit, hoch barf ihre 3 fl hl «id)t ein 
Biertel ber 3 a h^ ber mirflidjctt Biitglteber überfd)reiten. Schattf* 
roirthe fönnen nicht Ehrenntitglieber roerbett, meint fie md)t min* 
beftenS roährenb oier Öah^f ben betreffeitben Beruf auSgetibt haben. 

2BaS bie^fonn ber „ 2 lnerfennuitg" betrifft, fo muh ber Berufs* 
oerein als getttäh bem ©efefc gebilbet burd) beti Bergroerfsratl) 
(Conseil des Mines) erflärt toerben, ber in Belgien bie Aufgaben 
beS BegiftrarS in Englattb unb beS BureauS ber Sijnbifate im 
fransöfifchett BHnifterium ausübt. Der Bergmerfsratl) bcftel)t ans 



68 


Sogtale ©ra$t«. Gentralblatt für Sogtalpolttif. Wr. 8. 


64 


fünf Beamten unb gehört gum Arbeit«minifterium. Gr ift eine 
alte Snftitution, beren Ar6eit«laft nic£;t allgu feiner ift unb ber 
mau neue)? ßeben hat einflöfeen wollen, iubent man fic gu einer 
Art ©erwaltung«gericht0hof für bie ©erufgoereine machte. Seine 
Aufgabe befteht einfach barin, fich gu oergeroiffern, ob bie gefefc* 
licken ©eftimmungen erfüllt morben finb. 3“ biefem 3n>erf muffen 
bie ©erufgoereine bei il)m ihre ©afcungen, eine ßifte aller ihrer 
©Utglieber unb eine Grflärung einreichen, bah alle ©Utglieber 
eine« ©ereilt« auch wirklich betnfelben ©erufe angeboren. Hin 

S gu fein, müffert bie Statuten eine SRci^e oon SBorfd^riften 
m, bie hauptfädjlich in Art. 4 aufgegählt finb, nämiid^: 
Warne, domigil, 3 Tl)e( ^ herein«, ©ebingungen be« Gin* unb 
Austritt« ber ©Utglieber, Drganifation ber ©orftanbfd)aft, ©tobu« 
ihrer Ernennung, dauer ihre« Amte«, Art ber ©ermögen«aulage, 
Wechnunggleguttg, Gefd)äft«orbnuiig für Statutenäuberungen, Die 
oom herein gebilligten ©eftimmungen für bie ©eobad)tung feiner 
Gefd)äft«orbnung, enblid) „bie ©erpflidjtung, gemeinfam "mit ber 
Gegenpartei bie ©Uttel unb Söege gu fudjen, um jebe Streitigfeit, 
bie ben ©erein angebt unb bie Arbeit«bebingungen betrifft, fei e« 
burdt) Einigung, fei c« burch Sd)ieb«gericht beigulegen." 

die ©eröffentlid)utig ber ©erein«ftatnten erfolgt im „Staat«* 
angeiger". Alljährlich muh ber ©erein beni ©ergroerfgrath eine 
Abrechnung über bie Ginnahmeu unb Auggaben, fowic bie ßifte 
feiner ©orftanb«mitglieber einreicben. ®iefe lefcteren muffen ©eigier 
ober, wenn fie Au«länber finb, gum SSobnüb in ©elgien befugt fein. 
Scbatifmirtbe, getoiffe Kategorien oon ©erurtbeilten, ©aufrotteure 
bürfen nicht im ©orftanb eine« ©erufgoerein« fifcen. Wach bein 
Kommiffiotigentwurf foHte auch eine ooflftänbige Warnen «Ufte 
fämmtlid)er ©Utglieber oorgelegt werben. diefe ©eftimmung ftiefc 
auf beu lebhaftesten ©Uberftanb bei ben Sogialiften. Schfiehlich 
entfdjloh man fid) nur gu bem ©erlangen, baf* im ©ercin«lofal 
eine auf bem ßaufenben gehaltene ©titglieberlifte aufgelegt werben 
muffe, bie ben ©Utgliebern gur Ginficht offen flehen foH. 

die Artikel 10, 11 unb 12 beftimmen bie Wechte ber ©eruf«* 
oereine al« juriftifcher ©erfon. „der ©erein barf al« Kläger ober 
©ertbeibiger gum Schub ber inbioibuellen Wechte, bie feine ©Ut* 
glieber in ihrer Gigenfchaft al« ©Utglieber beftben, oor Gericht gu* 
gelaffen werben. da« trifft im ©cfonbereit gu für bie gerichtlichen 
Schritte gur Ausführung ber ooni ©erein für feine ©Utglieber ab* 
gefchloffeuen ©ertrüge unb für bie Schabenerfafcflageu,' bie burch 
Wichterfüllung biefer ©orlage oerurfaebt werben." die grage nach 
ben Wechten unb ber ©erantwortlichfeit ber ©erufgoereine ift febr 
fchwierig. Sie h<U in granfreief) einer WechtSauffaffung ben ©oben 
bereitet, bie ben Spnbifaten feinbfelig gegenüberftebt. Sn ©elgien 
finb bie miberfprecbenbften Anfichten oon ben Quriften be« ©arla- 
rnent« geäußert worben, ©i« gu welchem Grabe fann ber Schuh 
ber ©erufgintereffen bie Sntereffen (nicht bie Wechte) dritter oer* 
leben? die Gntfcheibung h<U man ber SBürbigung ber Gerichte 
überlaffen. 

der ©erein barf, „als Gigenthum ober fonftwie" (g.©.in ©Uethe) 
feine anberen Qmmobilien befifcen al« fold)e, bie erforberlich finb 
„gur Grrid)tung feiner ©erfammlungglofale, ©ureaiiy, gewerblichen 
Schulen, ©ibliotbefen, Sammlungen, Saboratorien, "©erfuch«felber, 
Unterkunft für $au«tbiere, ©tofd&inen unb ©krfgeuge, Stellen* 
naebweife, Arbeit«börfen, ßehrwerfftatten, Verbergen unb Kranfen* 
bäufer". ®iefe ©eftimmung gebt weiter al« bie entfpreebenbe 
im englifeben ober frangöfifchen Gefefc. Sie ift natürlich heftig 
oon ben liberalen Senatoren angegriffen worben, bie barin bie 
SBiebereinfübrung ber „tobten £anb" erblicfen. — der ©erein 
barf Gefdjenfe unb Legate annehmen, aber er muh bagu in jebem 
eingeltien Salle burd) königliche ©erorbnung ermächtigt werben, 
der Gefcbenfgeber ober Grblaffer fattn gu feinem ober feiner Grben 
Wufcen fidh Wecf)4 oorbebalten, im Salle einer Auflöfung be« 
©erein« eine bem SBertl) be« oermaebten Gute« entfpreebenbe 
Summe gu ocrlangen. Al« Gntfdjäbigung ber ©cfifeoeränberung«* 
gebühr erbebt ber Staat eine 3abre«taje oon 4 °/ 0 be« fatafter* 
mäfeigen Ginfommen« oon ben bem ©erein gehörigen Gritnbftücfen. 

$)ie Slrtifel 14 # 15, 16 bebanbeln bie Wuflöfung be« ©erein«, 
bie oon ben Gerichten oerfügt werben faitn, wenn oer ©erein fich 
nicht ben ©orfdriften be« Gefefte« fügt, wenn fein ©ermögen gu 
einem anbern 3^ecfe, al« für bie ber ©erein gegrünbet worben 
ift, oerwenbet wirb, wenn bie Leitung fidb nicht im Wähnten be« 
Gefefee« hält. ©$a« bie ßiguibation betrifft, fo ift gu bemerfen, 
bafe ber ^ftioreft, nach ber Schulben, einem ähnlichen ober 

oerwanbten Snftitute gugefiibrt wirb, ba« entweber bie Statuten 
ober bie Generaloerfammlung beftimmt. äßangel« einer folcben ©e* 
ftimmung nimmt ber Staat ba« ©erein«oermögen an ftd), um e« 
3wecfen De« gewerblichen Unterricht« guguwenben. 


Wrtifel 17 enthält Strafbeftimmungen gegen ben ©erein«* 
oorftanb unb bie ©Htglieber. Slrtifel 18 gewährt ben ©erbänben 
oon ©erufgoereineu ba« Wecbt ber jurifttfeben ^erfon mit ber 
3Kahgabe, bafe folche ©erbäube eingig unb allein au« ©ereineit 
beffelben Gewerbe« beftehen. Slrtifel 19 ettblicb legt ber Wegieruug 
bie ©erpfliebtung auf, alle brei Sabre ben Kammern einen ©eriebt 
über bie Slu«fiibrung be« Gefefce« oorgulegen. 

^)ie urfprünglichen Gntwürfe enthielten auherbeui einen 
Schlufeartifel, ber ben ^Irtifcl 310 be« Straf gef erbliche« abänberte, 
wonach mit Strafen belegt wirb, „wer in ber 2lbfid)t, bie ßöljne 
gu erhöhen ober gu erniedrigen ober bie freie §lu«iibung be« Ge* 
werbe« ober ber Wrbeit gu beeinträchtigen, Gewalttaten begeht, 
©eleibigungen ober Drohungen augftößt, Gelbbufeen, ©erruf, 
Sperren ober irgenbwelcbe ©erfolgungen oerhängt, fei e« gegen 
diejenigen, bie arbeiten, fei e« gegen bie, bie arbeiten laffen." 
da« frangöftfehe Gefefc hai^ ^«f e ©orfd)riften in ©egug auf Gelb* 
bufeen, ©erruf unb Sperren, bie in ben Statuten ber ©erufgoereine 
egen ihre Wiitglieber beftimmt waren, fallen laffen. die Urheber 
er erften Gntwürfe, felbft Konferoatioe, in ©elgien wollten eben* 
faß« biefc Wtittcl gugeftchen in ber Grwägung, bah, menn bie ©ereilte 
feine 3mang«mittel gur durd)führuitg ihrer ©efcfjlüffe in ber .£Sanb 
haben, jebe Lohnpolitik, jeber Streif unmöglich fei. diefe Grwägung 
hat inbeffen bei ber belgifchett Wegierung nicht burchgefd)lagen, 
fonbern au« ©eforgnih dor ©tigbräuchen h^t fte ben ?lrtifet 310 
be« Strafgefeijje« unoeränbert beibehalten, die ©ereine fönnen 
bernnad) Strafbeftimmungen gegen ihre ©iitglieber erlaffen, aber 
„fte bürfen fid) nicht auf Abmachungen ober dhatfachen berufen, 
bie geeignet fein würben, bie Wechte oon ©erfoneu auherhalb ber 
©ereine gu febäbiaen." G« wirb mtereffant fein gu oerfolgen, 
weld)en Gebrauch bie Gerichte oon biefetn 3^iefpalt gwifcheu bem 
Strafgefeh unb bem neuen Gefefc machen, ©on ihrer Auffaffung 
wirb e« abhängen, ob bie ohnehin auf bie Wolle oon Streitfällen 
befebränften ©ereine nicht einmal im Stanbe finb, wirffam ©Hber* 
ftanb gu leiften. 

die Sogialiften h^cn bä ber Abftimmung über ba« Gefeh 
erklärt, bah fie fich f c i ncr bebienen würben. Sn ber dhat 
bietet ihnen ba« gemeine Wed}t weniger .^emmniffe unb bie 2$obl s 
that ber juriftifeben ©erfon ift für bie fogialiftifeben Si)nbifate, bie 
feinen Grunbbefih h^^en, recht wenig wertl). Sahrfdieinlid) werben 
nur bie oon ber fatbolifcb-fouferoatioen ©artei gegrünbeten ©ereine 
unb bie ©auernbunbe (Boerenbonden) ber chri|tlid)en dentofraten 
oon bem neuen Gefefc Wu^en giehen. 

ßüttid). ©rofeffor Grueft Wfahaitn. 


Allgemeine «oiiaJ- unb l&irtfyrdjitftepolitik. 

Arbdterfßmmrru, 

die Generaloerfammlung be« ©erbanbe« „Arbeiterwohl", bie 
am 13. Dftober in Strahburg i. Gif. abgehalten würbe, befdjäftigte 
fich mit bem dhema „Arbeiterfammern". S» feinem einleüenben 
©ortrage führte ber ©orfifcenbe Jabrifbefifeer gr. ©raubt«* 
Wt.*Glabbach (wie wir 3^kng«berichten entnehmen) etwa folgen* 
be« au«: dheoretifch würbe ba« ©eftreben ber Arbeiter, fid) 
nach ©erufgfiänben gu oereinigen, noch oon feinem Snbuftriellen 
beftritten. ©raftifch werben jeboch oiele ©cbenfen laut. Unfer 
©eftreben muh barauf gerichtet fein, bie bie Gefettfchaft fchwer 
fd)äbigenben Kämpfe unb beren folgen abgufd)wäd)cn. Al« ©Uttel 
erfcheinen un« bagu bie Arbeiterfammern, in benen beibe dheile 
oereinigt finb, um ihre gemeinfamen Sntereffen in ruhige Grwägung 

B giehen. die Wegierungen werben fich nicht ber Grfenntnih oer* 
liehen fönnen, bah ein Sortfchreiten ber Arbeiterbewegung un* 
au«bleiblich fei. Gin Stiitftaub ober Wücfgang faitn auf bem Ge* 
biete ber fogialcn ©ewegungen ber Gcfeßfchaft eben fo wenig eintreten, 
wie in ber dedjnif unb ber SSiffenfchaft. ©on biefer Grfenntnih 
au«gehcnb, glauben oiele Snbuftrielle, bah angebracht fei, ber 
fogialeu Arbeiterbewegung fich nicht gu wiberfehen, fonbern fie fo* 
aar gu förbern, um fie m frieblid^ere ©ahnen gu lenfen. Sie er* 
blicken barin ba« eingige ©Uttel, beut Kampfe feinen Stachel gu 
nehmen. Gin gemeinsame« 3 u i am menarbeiten oon Unternehmern 
unb Arbeitern in gabrif, Gemeinbe utib Staat macht bod) noch 
nicht nothwenbiger 2öeife bie Snbuftrie weniger leiftunggfähig, 
lockert bod^ nod) nicht bie di«giplin. gür bie gegenteilige ©e* 
hauphtng fehlt jeber ©ewei«. die Grfahrungen au ben Gewerbe* 
gerieten, in ben Arbcitcr*Au«fchüffen finb fel)r günftig. Gin rech^ 
geitige« Gingehen auf bie berechtigten gorberungen ber Arbeiter 
wirb ein gute« Ginoemehmen h^deiführen unb anbererfeit« ben 
rabüalen ©eftrebungen ben ©oben entgiehen. iBenn bie Unter* 




65 


Soziale $ta$i0. Eentralblatt für Sogtalpoltttf. Rr. 8. 


66 


nehmet fortfaßren, bem Streben ber Arbeiter VHberftanb gu leiften, 
fo wirb ber offene ober fcf)letc^cnbe Hampf ein bauember bleiben. 
$>er anbere SSeg fcßließt auch nießt ben ^rieben in fuß, führt ober 

einigermaßen leiblichen Verßältniffen. Die Arbeiterfammern 
werben eine 3aßl oernünftig benfenber Arbeiter* Vertreter fefjaffen, 
ioeId)e gur görberung beS Friebctte unb ber Aufflärung beitragen 
werben. Damit wirb für beibe Dßeile ein rnodus vivendi be* 
reitet. Rton braucht nicht gu befürchten, baß bie Fnbuftrie 
barnnter leiben fonnte, wenn ber Arbeiter bei ber waeßfettben 
Vilbung ßößere Anfpriicße fteßen würbe. ÜRan muß fich oergegen* 
wärtigen, baß ein intelligenter, gebilbeter Arbeiterftanb aud) gur 
Förberung ber Snbuftrie bient. SKit einem gebilbeten Arbeiter» 
ftanb wirb aud) ein weit beffereS AuSfommett fein. Vknn ba$ 
gefammte Unternehmertum fi(ß freunblicß gur Sogialreform faßen 
würbe, fo würbe aud) eine Utnbilbung beS heutigen VefftmiSmuS 
ber Arbeiter eintreten. ©ir hoffen, bagu beigutragen, baß baS 
fatferlicße Söort ber gebruar^Iaffe oon 1890 bafb gur Durch¬ 
führung gelangen wirb. 

Als Referent für bie Sfrage war Reicßstagsabgeorbneter $rof. 
Dr. §iße*3Riiufar befaßt: Racßbem bie ©efeUen beS £anbwerfs 
in ben ©efeßen*Aitefcßüffcn ber Sunungen unb in ben |>anbmerfer* 
fammerit oertreten finb, befdjränfen fid), fo führte er etwa aus, 
bie Arbeiterfammern groeefmäßig auf bie Arbeiter unb Arbeitgeber 
ber ©roßinbuftrie, b. i. fjabrifett mit minbeftettS 20 (10) Arbeitern. 
Rur fo weit in einem Vcgirfe eine ftarfe, gefcßlofane £>auSinbuftrie 
oertreten ift, fonnte biefe aud) betheiligt werben. Es finb lofale 
(für größere ©emeinben refp. Greife) unb VegirfSfatnmern für 
größere Vegirfe (na<ß Vorbilb ber ^aubelsfatnmern) gu bilben. Als 
Aufgaben ber lofalett Hämmern ergeben fi<h: 

1 . ©«tagten unb Horfd)Iäge — auf Aufforberung hin ober aus 

eigener Snitiatioe — nusguarbeiten. ») Für bie ©emcinbe-Verwaltuug. 
Die wichtigen fogialen Aufgaben ber ©emeinbe-Herwaltuug maeßeu es 
wünfcßenSwertß, baß eine ftänbige fogiale Hommiffioit gebilbet wirb, in 
ber bann bie Arbeitcrfaimuer bureß ftänbige Vertreter betheiligt werben 
fonnte. b) Für bie örtliche $oligei*Herwaltung unb bie „untere Her* 
waltungsbefiörbe", foweit biefen Veßörbeit fogiale Aufgaben guaewiefen 
finb. c) pfiir 58oßIfaßrtSbeftrebimgen unb Vereine (Vereine für Arbeite 
ttaeßweis, HSoßnungSfitrforge, VolfSbilbutig, .frausßaitungsfdjulen, Holte* 
wol)I, Hefämpfung beS HtißbraucßcS geiftiger ©etränfe u. f. w. Aueß 
für biefe empfiehlt cS fieß, bewährte SRitglicber ber Arbeiterfaminer bei* 
gugießen. . t v 

2 . Hlarfteflung ber wirtßfcßaftlicßen Verßältniffe: Entwidelung 
ber Fnbuftrie, Sage ber Arbeiter, Höften ber Sebeiteßaltung, Stanb, 
Fortschritte ber Sößne u. f. w.; ber ©oßuuitgsuerßältniffe: ber fanitären, 
fogialen unb fittlicßen 9J?ißftänbc (begiiglidj AvbcitSgcit, Hcrßältniß ber 
Hinter gu ihren Cuttern, Hcfdjäftigung ocrßcirntßeter grauen, Wißbraucß 
geiftiger ©etränfe u. f. w.); ber SBirfuttgen ber Sogialgefefcgebung für 
Lebenshaltung, ©efunbßcit, Familienleben, 3 u friebenßeit, ber äRdngel 
ber Durchführung u. f. w.; ber widjtigften fogialen Ereigniffe: wirtß* 
fdjaftlicße Hrifcit, Fortfehritte, Ausftänbe unb AuSfpcrrungen u. f. w.; 
bureß ftatiftifd)c Erhebungen unb eoentuell Hemeßmungen. 

3. Regelmäßige Hcricßterftattung über bie oorfteßenb begeidjneten 
Verßältniffe unb Einrichtungen. 

4. HorftcIIungen unb Anregungen an Arbeitgeber unb Arbeiter im 
Fntereffe bc3 wirthfchaftlidien, fogialen unb ßttlichen gortfd)ritte3 unb 
be3 guten Eiuuernehnteite oon Arbeitgebern unb Arbeitern. 

D)ie Aufgaben ber föegirtefamtnern bewegen fich wefentlid) in 
ber gleichen Richtung: 1. ©utadjten unb Horfchläge, 2. ftatiftifdje 
Erhebungen, 3. regelmäßige iöeridjterftattung, nur mit bem Unter* 
{(hiebe, baß fie in erfter ßinie an bie 5öegirte*Regierungen, an bie 
Staate* unb Reid)8*^ebörben unb bie gefeßgebenben gaftoren fich 
wenben, unb auf bie Vorarbeit ber lofalen Arbeiterfammern ßch 
ftüßen. 8für ben weitern gweefmäßigen Altebau ber fogialen ©e* 
feßgebung unb Verwaltung ift bie gutachtliche unb anregenbe 9JHt* 
wirfung ber Arbeiterfammern oon entfeßeibenber Vebeutung. 5)ie 
Sogialreform wirb aud) oiel mehr ^ntereffe unb Verftättbniß finben, 
fuh fcßneller einleben, wenn fie unter ber s JWitberatf)ung ber Arbeit* 
geber unb Arbeiter gu Staube gefommen ift. Der Vorfißenbe muß 
neutral fein; in elfter ßinie wirb ber ©ewerberath (ober$abrifen* 
Sttfpeftor) für biefe Stellung ftch eignen. Die Ernennung liegt 
ber Staateregierung ob. Die Verathungen finb in ber Regel 
öffentlich. Die Höften trägt bie Staateoerwaltung. Die Vegirfö* 
9Übeiterfammern foÜten ihren 3 u f atnmcn f c h^6 finben in einem 
Reich^ 3 Arbeitsamt. 

Die Arbeiterfammern lenfen bie Arbeiter auf nädfte, praftifche 
3iele; fie brängen Arbeiter unb Arbeitgeber gu gegenseitiger Alte* 
fpraeße ber Vefdjmcrben, Hlagen unb V?ünfd)e; fie bereiten fo bereu 
SBürbigung unb bie gegeufeitige Verftänbigung oor; fie lehren 
anbererfeite mit ben Schwierigfeiteu unb ©rengen ber Erfüllung 
ihrer iBünfcße rechnen; fie bredben fo neuen, oernünftigen unb 
maßooUeren Anfdjauungen unb Veftrebungen im Stanbe ber Ar* 


beiter wie ber Arbeitgeber Bahn, als fie bisher Dielfach bort 
herrfchen, unb wirfen baburch insbefonbere auch ber Sogialbemo* 
fratie mit Erfolg entgegen. 3n Velgien unb in §oilctnb beftehen 
bereits Arbeiterfammern, in Defterreidj ift ein entfpreeßenber An* 
trag cingcbradjt worben. ES feßeint an ber 3eit, alle SRittel an* 
guwenben, um auch in Deutfdjlanb bas erftrebenSwerthe 3iet ber 
Errichtung oon Arbeiterfammern gu erreichen. 

oer DiSfuffion gab ftch bei attfeitiger 3«ft^inniung gu 
biefen Ausführungen bie Uebergeugung funb, wenn bie ©efeß* 
gebung burch Errichtung oon Arbeitenammern ben berechtigten 
feünfcßen beS Arbeiters entgegenfomme, fo fei bamit ein neues, 
wirffameS VerföhnungSmoment geraffen. — Rach bem Verlauf 
biefer Verfammlung barf man annehmen, baß bie EentrumSpartei 
im ReidjStag einen ©efeßentwurf, betreffenb Errichtung oon Ar* 
beiterfammem einbringt unb bamit ber Sogialreform im Sinne 
ber Haifererlaffe oom 4. Ffebruar 1890 einen neuen, fräftigen 
Smpuls giebt. _ 

©oneinfenuer Hatnpf oon $ringfya(en mtb ©ehülfen tut Dentfern 
Vuhbrucf gern erbe für bie AnSbeßnung ber Darifgemeinfchaft 

AIS oor Sahr unb Dag in Sacßfen einige gabrifanten öffent* 
lieh ben ^roteft oon Arbeitern gegen Öohnbrucferei in ber eigenen 
Vranche unterftüßten, weil fie felbft höhere Söhne gahlten 
unb oon ber Honfurreitg ber billiger probugirenben Unternehmer 
fich aefchäbigt fühlten, fanb biefer gall eines ^anbinhanbgeßenS 
ber Arbeitgeber unb Arbeiter in weiten Hreifen Veacßtung. Viel 
bebeutfmner ift aber jeßt ein Vorgang im Vucßbrucfgewerbe, oon 
bem wir bureß bie Rümmer 40 ber „3ritf<ßrift für DeutfcßlanbS 
Vucßbrucfer", bem offigieüen Drgan ber s $rittgipaie, Henntniß er* 
halten. Erinnert fei baran, baß im 3>ahre 1896 bureß eingeßenbe 
Veralßung oon Vertretern ber Unternehmer unb ber ©ehülfen ein 
beutfeßer Vucßbrucfertarif feftgefteHt worben ift, ber einen Ausgleich 
ber beiberfeitigert Fforbernngen barftetlt. Diefer am 1. Quli 1896 
in Hraft getretene Darif ift auf fünf Jtaßre abgefcßloffen, boeß be* 
fteßt eine Hlaufel folgenben QnßaltS: Falls naeß Ablauf oon brei 
Saßren, alfo am 1. Fuli 1899, feftgefteüt werben follte, baß bie 
3aßl ber ben Darif anerfennenbeu ^kingipale unb ber naeß ißm 
arbeiteuben ©eßülfen nießt „fortgefeßt" größer geworben ift, fann 
er bereite am 1. Fuli 1899 für ben 1. Dftober 1899 gefünbigt 
werben. Run läßt gwar bas beftänbige ©acßstßum beiber Faftoren 
(September 1898 würben in runb 2100 Drucfereien in 665 Drten 
mit faft 30 000 ©eßülfen bie Veftimmungen beS DarifS ein* 
gehalten) nießt befürchten, baß biefe Hlaufel in Hraft trete, aber 
um für alle Füße einen Riegel oorgufd)ieben, wenben fuß nunmehr 
bie SßringipalSmitgtieber oom DarifauSfcßuß mit einem öffent* 
ließen Aufruf an bie Vucßbrucfereibefißer, in bem fte betonen, baß 
alle Einwenbungen gegen Einführung beS DarifS als ungutreffenb 
gu begeießnen feien, ba ber Darif bei einigermaßen gutem Söitten 
in feber Drucferei gur Einführung gu bringen fei, gumal er fa 
aueß ben Verßältniffen ber Vringipale in fleinen Stäbten oollauf 
Rechnung trage. Es bebürfe freilich ber fortgefeßten Vearbeitung 
beS atterbingS feßr fpröben RtaterialS ber noeß rücfftänbigen 
Drucfereien, „um gur ooßftänbigen Erfüßung ber Vertrags* 
bebingungen, an ber $ringipalen wie ©eßülfen im gleichen 
Riaße gelegen fein muß, gu gelangen," wie bas genannte 
Drgan ber Vringipale fid) auSbrücft. Es ergeht fomit an bie ber 
Darifgemeinfcßaft noeß fernfteßenben Unternehmer baS bringenbe 
Erfucßen, ben Darif anguerfennen unb eingufüßren. Dann aber 
ßeißt es in bem Aufruf weiter: 

Der DarifauSfcßuß brr beutfeßen Vucßbrucfer ßat aueß für btefeu 
§erbft eine Agitation gur weiteren Darifeinfiißrung befcßloffen. Dort, wo 
unfere foflcgialen Vcmiißungen auf Anerfennung beS DarifS feinen 
Hoben fanben, werben bie ©eßülfen in ben näcßften SBocßeu 
beftrebt fein, eoent. mit orbuungsgentäßer Söfung beS Ar* 
beitsoerßältniffeS bie Darifeinfiißrung gu erreichen. Unfere 
ArbcitSnadjweife werben in foldjen Fällen ben betreffenben Drucfereien 
Arbeitsfräfte nid)t überweifen, woßl aber biejenigen ©eßülfen, welche 
eine Drucferei wegen Darifeinfiißrung oerlaffen, gemäß §. 48 bes Darifs 
in erfttr Reiße anberweit unter bringen. SSir rechnen hierbei auf bie 
Unterftüßuug aller tariftreuen Finnen, in bereu Fnterffe es liegen muß, 
baß aud) bie Honfurreitg auf bem Arbeitsmarft fid) nad) ben für bas 
gange Deutfdje Reicß gültigen SJoßn* unb Arbeitsbebingungen ridjtet.. . 

Unb in einem Öeitartifel berfelben Rümmer beS Unternehmer* 
blatteS wirb gefagt: 

„2Bir mödjten bie tariftreueu Hollegen bitten, bie Verallgemeinerung 
beS DarifS baburd) gu lmterftüßeu, baß fie bei Einftclliing oon ©eßülfen 
möglicßft in erfter 9inic bie für ben Darif arbeitslos ©cwor* 
betten berücffid)tigen unb fo bagu beitragen, baß biefe ©eßiilien unter* 
gebradit unb für ißr Eintreten gu ©iiufteu bcs DarifS fdjabloS ge* 
ßalten werben. Es erfcßeiitt bies ntdjt meßr als? redjt unb billig; beim 



67 


«Soziale Prajis. Eentratblatt für ©ojialpolitif. Ar. 3. 


68 


ol)lic bic opferwillige VfUwirfuug bcr ftfeljülfeti würbe eS 
um bie im 3»tcrcffc jcbeS Einzclnen gelegene Vcrallgemci* 
nenutg bes Xarif* übet bcftc111 fein." 

(Sine gleidje Aufforberung, wie hier bie Prinzipale erlaffen in 
ber leßten Aummer bcS„Eorrefpoubent" audj bie 0)eh iilf enntitglieber 
beS Tarif * Amtes uub *AusfchuffeS an bie (M)ülfcu in beu Vu<h s 
bnufereieu, bic außerhalb ber Tarifocrcinigmtg fielen. Tauad) 
itiirb bas Tarifatnt aitgemiefen, „ftrengfte Anrocifung an bic ^Irbeid» 
iiarfjiueife ergeben 311 laffen, nur foldje ©ehülfen in iljre Siften auf* 1 
Ziinehmcn, ir»efcf)e nachweislich aus Trmfercien fotnmcu, bic urnn 
Tarifamt als tariftren ocröffeutlirfjt finb." Tann l)cif>t cs weiter: | 

„V?ir forbeni besfjalb nodj einmal bie riirfftünbigcn Kollegen an j 
allen Orten Xcntfdilnnbs auf, am Soititabciib, ben 22 . Cftobcr bei iljven j 
'Prinzipalen auf Einführung bes Tarife^ oorflellig 311 luerben, uub he* 
firebt zu fein, bies ^icl mit allen gcfeptiiäßigcit Viittcln zu crveidicit. 
Alle bic 6 >cf)ülfcu, weldje biefe Anfrage am genannten Xage au ihren 
Prinzipal [teilen, mallen non beut ihnen geworbenen Vefchetbe beu 311 = 
ftänbigcu (üehülfcn = Krcisocrtreter umgeljcub bcnadiridjtigen, bamit cs 
beu iarifbeljörben ntbglid) ift, oor jeber Küttbigitug nod) einmal zu 
oermitteln. Xicjriiigen (Mjülfcu aber, bie ihre Arbcitsftäücn zweds 
Tmfciuführitng 0 er laffen muffen, wollen ihre genaue xHbrcffe unter 
Eingabe ihrer Vefdjäftigung beu «SÜreiSurrtretcru zugehen laffen, bamit 
biefe bie Unterbringung ber (üemaßregelten burdi btc ArbeitSnadimcifc 
bemirfen tönneu. Xie für ben Tarif arbeitslos Weworbeucn werben an 
elfter 3 teile untergebradit." 

V$ir feßen hier alfo, wie zwei mäd)tige Organifationeu non 
Unternehmern mtb Arbeitern in einem großen, über ganz Teutfcß* 
lanb oerbreitetcu (bewerbe, bie fich uad) früheren Kämpfen — ber 
«Streif non 1891/92 ift nod) in aller 6 )ebäd)tniß — 31 t einer güt* 
liehen Vereinbarung entfd)Ioffen höben, jeßt in oofler EJemeinfamfeit 
oorgeßen, um bic Mefem Abfouunen nod) fernftehenben prinzipalc> 
mtb (M)ülfen 311111 Veitritt 311 bewegen, bamit überall gleichmäßige 
Ooßn* unb Arbeitsbebiugmtgen ßerrfdjcu. 11 nb zwar füll ba, wo bie 
Vitte fristlos bleibt, ber Streif ein treten, bcr oon Seiten ber tarif* 
treuen Prinzipale tßatfräftige Unterftiißung fittben wirb, wie anberer* 
feite bie opferwillige SJiitwirfnng ber (behülfen für bie Ausbreitung 
beS Tarifs mit ooller Anerfennnng betont wirb. UnfereS Eradjtette 
ift es Aufgabe berVeßörbert in Staat unbOlemeiube fowie berprioaten, 
bie Vucßbrucfer itt biefeni gered)ten Kampfe babnrd) 3 U förbern, 
baß Tru cf auf träge nur tariftreucn Vudjbrücfereien 3 ugewenbet werben. 

Shtftettnng non EJrubcufontroleuven ans bem Arbeiterftaiibe. 

AuS bem £)berbergauttsbe 3 irf Tortmnub wirb ber „Sranff. 3^9*" 
gemelbet, es würben in nid)t ferner Qcit Olrubenfontro* 
teure auS bem Staube ber Arbeiter angcjtellt werben. 
ES liege in ber Aatur ber Sache, baß bic Veßörben beS längeren ! 
erwägen, in weld)cr SSeifc biefe für ben beittfdjen Vcrgban oöllig i 
neue Maßregel fid) am heften ein* uub burd)führen läßt. Aud) ! 
fönnc bie Aufteilung ber Montroleure erft erfolgen, wenn ber 
Oanbtag bie Mittel hierzu bewilligt. Es werbe aber bem Oaubtag 
in ber nächsten Seffion ein hierauf bc 3 Üglid)er Entwurf zugehen. 
— TaS wäre h 0 d) erfreu lief)! 

Proicft gegen bnS g-eftnmoefen. Sine am 15. Oftober in Köln 
abgehaltene Verfammluttg oon Vertretern ber tuirthfet)aftltcl)en i 
Körperfdjaftcn 0011 Abeinlaub unb Söcftfnleu, fowie beS Vereins 
ber ^nbuftriellen nahm angefid)tS be§ licberhanbnehmcnS ber ßuft* ! 
barfeiten einen Vefcßliißantrag au, wouad) bie 3ufammenlegung l 
möglid)ft Dieter Kircßtocibfeiern auf einen 3 e ^P 1,l ^h minbe)teitS I 
aber in möglid)ft grofzen Vezirfen, als unumgänglich notl)wenbig | 
erachtet wirb, um ben 3nbuftriebetrieb oor empfinblid)en Storungen 1 
1111 b bie Arbeitswilligen oor unfreiwilligem feiern 311 fchüßen. ferner I 
würbe befd)loffen, bie zuftänbigen Vefjörben unb nötigenfalls bie 
gefeßgebcubeu Äörperfd)aften 311 erfitd)eu, bem 'Jveftunwefen nad)- 
brücfiid) cutgcger^utreten. Von beu in bcr Versammlung oer= 
tretenen 50 ,§anbelsfammeru ftimmten 28 für ben Vefd)lußantrag. : 
währeub fid) 3 wei ber Stimmabgabe enthielten. 

Steuerbefreiung für bie ^»nuSinbuftric in föußlnnb. ^citungS* 
berichten zufolge füllte in Vnßlanb eine gefeßlidie Vegeiuug ber 
ÖmiSinbuftrie geplant fein. (fingel)olte Informationen ijabeii nun 
ergeben, baß ailcrbingS eine Regelung beS Kleingewerbes, nicht je- 
hoch eine befonbere 0 )cfeßgebung in Vetrcff ber .pauSiubnftrie in 
Vußlanb tl)atfäd)Iid) geplant ift. Miugegcn würbe oor Kurzem be¬ 
reits eine rnffifdje Olemerbefteuer eiugeführt uub bei bereu Schaffung 
bie ^ausinbiiftrie berücffid)tigt. Tauad) finb nämlid) Familien« 
betriebe fowie flcingewerblichc lluternchmnugeu, weld)e bloß einen 
(behülfen ober zwei ßehriungeu unter 15 fahren befchäftigen, 
ferner Artcle, bereu Stammfapital loooo Anbei iiiclit liberfteigt ! 
uub welche uid)t mehr als oier (Kehiilfen befd)äfligen, oon ber ('»Je- 
werbefteuer befreit. 


ftotttatttttale Sojialpolitib. 

Ablehnung einer Umfahftener für ftonfnuttoereine in Hamburg. 

Tie Vürgerfd)aft §at in ihrer Sißung 00 m 12 . Oftober mit großer 
9M)rl)eit einen aus ihrer Viittc ciugcbrad)ien Antrag, ber im Aus® 
fdjuß angenommen war, auf Ginführuug einer llmfaßfteuer für 
konfumoercine abgelehnt, bagegeu aber bie AuSbehnung bes 
@3enoffenfchaftSgefetjes auf bie Vcamten4loufiimoereine befürwortet. 

Stäbtifdjcr Sigcnbetrieb bcr Pferbebahn in Amfterbant. Pfau 
fchreibt uns: Am 12 . Oftober befdjloß ber Auifterbantcr Okmciitbc* 
rath, ber pferbcbal)ngefellfd)aft für 1. Januar 1900 bie Kouzcffion 
311 fiinbigen unb oon ba au bic Straßenbahn in Gigenbctricb 31 t 
nehmen. Ter üKagiftrat hatte oorgefd)lagen, ber Pf erbebahn eine 
neue Konzeffion, unter ber Verpflichtung, bas Aeß auszubcbucn, 31 t 
ertt)eilen, unb biefer Antrag würbe 00 m ftänbigcu AuSfd)uß für 
Sinanzaugclcgenheiten unterftiißt, währeub eine üJfagiftratsminber* 
heit mit betn Senator für öffentliche Arbeiten unb bem betreffenben 
AuSfchuß Sigcnbetrieb empfahl. Dhne lange Erörterungen würbe 
mit 31 gegen 13 Stimmen ein Antrag 311 (fünften beS (figcn«= 
betriebes angenommen. Es bleibt oon beu großen tfonzeffioneu 
ber Stabt nunmehr allein bie ber Eleftrizitätsgefcllfrfjaft (ocrgl. 
S 03 . prayis V Ar. 40); biefe Wefeflfd)aft hat bei Weitem nid)t 
foldie Vfaclitftellung wie bie Telephon*, 0)aS*, VJaffcrleitungs* unb 
Pferbebahngefellfdiaften, unb eS läßt fich erwarten, baß bie Stabt 
bei Einführung eleftrifdjer Kraft für ihre Straßenbahnen zugleid) 
bie cleftrifcfjc Stromliefernng fommmtalifiereit wirb. Tic Amfter* 
bamer Straßenbahnen finb bie erften in fiollanb, bic in eigene 
Aegie genommen werben, .^öffentlich folgen Diele halb nach, fo 
namentlich in .sjaag, wo bic Straßenbahnfrage ebenfalls auf ber 
TageSorbrtung ftel)t unb ber bisherige fonzeffionSmäßige Vetricb 
einen Eingriff oon feiten ber Stabf oiel nothwenbiger erfd)einen 
läßt als in Autftcrbam. 

Stäbtifche AuSfutiftSftette für Pofeu. Aad) bem Verwaltnngsberidjt 
18y7/08 ber Stabt pofeu hat ber Verhaub ber öffentlichen unb prioatcn 
Armenpflege unb V^ohlthätigfeit (Seftion zur AÜrforgc für fraufc Ar* 
heiter) bafelhft beu 3Kagiftrat erfudjt, heim ftäbtifdjeit (')ewcrheamt unter 
Aufteilung einev hefoitbereu Veamteu eine Aiudunft^ftclle eiiizuridjtcn, 
wcldje itt allen Aragen ber Arheiteroerfidjerimg Aatlj zu eriljeileu, bie 
Schreiharheit für bie Aathfudjcubcu 31 t heforgeu uub bic tfiulcituug bcr 
^•ürfergethütigfeit burdi bie zuftänbigen Organe (ber Arheiteroerfidicruug, 
^ohlthatigfcit, Armenpflege) herbeizuführen hätte. Xcr Viagiftrat er* 
flcirt fiefj titit biefer Jvorberuug gntnbfäßlidi cinoerftauben, bod) fonntc 
gefd)äftlidicr .«piuberniffe wegen bic Einrichtung bi« zum Sdiluß bc« 
Veridjti?iahrev nicht herheigefithrt werben. — Xicfe Auofuiiftv>fteIle wäre 
immerhin eitt fdjöner Anfang, bcr 31 t einem ftäbtißheu Volfvhitreau 
uad) Art ber nüplidjen Arheiierfefretariate führen föitnte. 


Sojittk 3uft5nör. 

©ewcrhliche Kinderarbeit ttn $erzogthum Vrauttfchtoetg» 

Tie Ergebitiffe ber 00 m Aeichsfanzler angeorbneten Erhebung 
über bie gewerbliche Vefchäftigung oott Sdjulfinbern (ogl. Soziale 
praris ?;ahrg. VII Sp. 306) unterliegen nuferes Kiffens gegen* 
wärtig ttod) ber ^ofammenftellung itub Verarbeitung im faifcrlid)en 
ftatiftifdjen Amte. VMe ber Staatsfcfretär bes Tunern im Aeid)S* 
tag angefiinbigt hat, füll biefe Enquete and) oor bie. Kommiffion 
für Arbcitcrftatiftif gebrad)t werben. Vis babin wirb jeboch 
immerhin nod) einige oergehen. ES ift baher oon Vierth, 
jeßt feßon Theilrefuitate 31 t erfahren. Tie „Soziale Praxis" war 
bereits oor einigen Viouaten in ber Vage (3al)rg. VII Sp. 1068), 
einige fold)e Eiuzclcrgebuiffe aus Preußen nub Sadp'en 31 t beleud)ten. 
Seßt ocröffeutlidjen bie „Vciträge zur Statiftif beS .perzogtbumS 
Vraunfchtoeig" (Tieft XIV) „Statiftifd)e Erhebungen über bie er* 
werbstf)ätige Vefdiäftiguug ber Sd)ultinber außerhalb bcr /sabrifeu 
mit Ausfd)luß ber Ianbioirthfd)aftlid)en Thätigfeit unb bes Elcfiitbe* 
bienfteS für bas Kierzogtbum Vraunfcßweig, 1898." V:ir entnehmen 
ber forgfältigeu unb übcrfichtlicße Arbeit, bereu Verfaffer Finanz* 
ratl) Dr. ^immermann, ber Vorftanb beS ftatiftifdjen VureauS in 
Vraunfd)weig, ift, folgcube Angaben: 

Xie x 3ahl ber ttt obigem Sinne crwerbstbntigen Sdmlfiuber im 
Vanbe beträgt b aö finb 4,h°o bcr fämmtlidien uub 10 , 4 % her* 
jeutgen Srfiulfinber, in bereit .Hlaffen überhaupt crwerhvthättgc Schüler 
feftgeftellt worben finb. Auf Stabt uub 2 aub oertheilt fid) biefe 6 Jc* 
fammlfuntme etwa 311 oier unb bret Siebentel. Xie ;(al)l her Si nahen 
(2442) ift mehr als hoppelt fo groß als bic ber Viäbdjen (1143); Stabt 
uub 2 aitb weifen nahezu bas gleidie Verhältuiß auf. Schon 0011 t 
leehfteu Lebensjahre au (!) gieht es erwerhsthätige Kiuber (15), bas 
fieheme (snhr haben U 2 zuriiefgelegt, bas adjte mehr als bie hoppelte 
x ßahl, uemi oahre finb 201 uub zehn o all re 39ü Atinbcr; bie Maupl* 
muffe ber erwcrhstt)ätigcu Sdjiiler fällt in bas 11. (512), 12 . (772), 



69 


©ojiale $raji3. ©entralblatt für <S ogialp olittf. Hr. 3. 


70 


13. (802) £ebendjafjr, bad 14. 3afjr, in bem gunteift bte Bolfdfdjule ocr* 
Iaffen roirb, rueift nocf) 623 Hngehörige auf. SBad bie Befcf)äftigiingdart 
betrifft, fo ift am ftärfften ber Hudgel)e= unb Botenbienft, ooruebntlid) 
bad Brob* unb geUungatidiragen, vertreten; er umfaßt genau bie .duilftc 
fämmtlidjer ttinber (1795 unb gmar 1149 Knaben unb 646 ^äbdjfit). 
Sad Vertäuten im i*aben bat nur eine untergeorbnete Bcbeutung 
(15 Knaben, 57 SDfcibdjen). Sehr otel gal)lreid)er merben Kinber im (Ge« 
merbebetricbe oermevtbet (706 Knaben, 304 Viäbdjen), roobei aber (Gafi« 
mirthfdjaft (Kegclauffebcit!) mit 29 Knaben mtb 18 50täbdjcn unb 
£>auftrctt mit 88 Knaben unb 64 iPtäbdjen befonbed gcrcd)uct finb. 
Vorlefen, Befdjäftigung am 2f)cater, Kirdiendjorgcfang (gufamnten 
99 Knaben unb 33 VJäbdiett) btlben eine mciterc Vcfd/äftigungdfatcgorie; 
alte fonftigen Bcfdjäftigungcn umfaffen 81 Knaben unb 16 GMbcheit. 
3nt betriebe bed Katers roerbcit indgefammi 38,4 u / 0 ber Knaben unb 
50,9«>/o ber Slcäbdjcu oermenbet. Sie Malier ber ©rmerbdibätigfeit in 
ber VSodjc ift febr uerfd)icben. lieber ein Viertel fämmtlidier Kinber 
bat nur eine StrOeit^^ett bid gu 5 Stunben wöchentlich, gmifdjeit 5 unb 
10 Stunben ebenfalls runb ein Viertel, 10—15 Stunben ein fünftel, 
15—20 Stunben möcbentlid), alfo 2—3 Stunben täglidj neben ber 
Schule, haben aber 339 Kiitbcr, 20—30 Stunben (3—4 Stunben täglidj) 
fogar 409 unb eine Hrbcitdgcit non mehr nid 30 Stunben 
wöchentlich, alfo non ntinbeftend 4—5 Stunben täglid) außer ber Sd)ul s 
jeit, haben immer noch 129 Kinber. Sied biiftere Btlb mirb ctioad 
gentilbert babureb, bah gang normiegenb Hachmittagdarbeit in Vetrad)t 
fommt, bet 1887 Kinberh audfdiltefünh; früh Morgend nor ber Schule 
finb 506 Kinber bcfd)äftigt, Vormittag* unb 9iad)inittagd 280 Kinber, 
lebiglid) Hbenbd 370 Kinber unb Hadpnittagd unb Hbenbd, b. b- mobl 
bid in bie SRacbt ^tnein, 474 Ktnber. Sei 86 Kinbern mar bic Be« 
febäftigung nur an Sonntagen. (Sin fefted Vertragduerbältmfj beftanb 
nur bei einem Srittel ber Kinber unb groar ^imieift in Stabten. (Sin 
baarer £of)nbegug ift bei mehr ald ber Hälfte feftgeftellt morben, auch 
hier miegen bie Stabte nor. Sd)äblid)e folgen für bie (Gefunbf)eit, bie 
mobl itirfjt immer ftatiftijd) genau gu erfaßen ftnb, merben für 4,7% 
ber Kinber fonftatirt, fdjäblid^e folgen für bett llnterridjt freilich in niel 
höherem Maße, nämlich bei einem Viertel ber Kinber. Sie Stabte finb 
hieran abfolut unb prozentual mehr betbeiligt ald bad Öanb. 

Ser Bericht nermeibet ed, irgenb rcelcbc Schlußfolgerungen 
aud ben 3 a ^^nangaben gu gie|en. 2Sir unfererfeitd fönneu barin 
nur aufd 9ieue bie ^othmenbigfeit erhärtet feljen, mit gefchlichen 
Maßnahmen bie ermerbdthätige Hrbeit non Sdptlfinbern, befonberd 
in gemiffen Betätigungen, eingufchränfen. Seiber finb bie (Sr« 
bebungen in ben oerfdpebetten Staaten nicht genau nad) beufelben 
(Gcfichtdpunften oollgogen morben, fo baß bie praftifebe Brauchbar« 
feit ber ©nquete oermuthlid) barunter leiben mirb. ©d hätte fid) 
unfered ©rastend empfohlen nor ©rlaß bed SRunbfchreibend bed 
9fei<hdfaitglerd nom Sßooember 1897 burch eine Befprecf)ung non 
eingelftaatlichen Vertretern ein gemeinfame^, für ba3 aan^e Gleich 
gleichmäßig geltenbeö (Srhebuug^fonnular feftguftetten. Söarum baS 
nicht gefrfjehen, ift un§ nicht befannt. 


SUbeüerfaewegmtg. 


be« ©eneralftreifö in ^ranfrctch, 

Qnt Saufe ber ncrfloffeucn SSoche hat bie ?(u§ftanböbercegung 
im $arifcr Vaugemerbe laitgfam abgeebbt. 3 un äfhft fanb ber kou« 
flift gmifchen ben (Srbarbeiteru itnb ben Unternehmern, meld)er ber 
gangen Vemegung ben 5lnfto§ gegeben, burch &i e Suternention ber 
Vchörben einen für bie Arbeiter günftigen ?lu^gaug. Schon am 
7. Dftober hatten bie Unternehmer öffentlicher Arbeiten bem intcr* 
oenirenben ©emeinberath non $ari3 al§ Söfung^mittel norge« 
fchlagen, auf ihre eigenen Verträge ocrgid)ten gu moUeu, batnit bie 

Stabt Sßaris bie ^agelohnarbctten in eigener Sftegie au^führeu 

fönne. Snbeffen ging ber Olemeinberath nicht formell auf biefett 

Vorfchlag ein, menn "fein Vorgehen auch fiä) fnbftantiell bautit 
beeft. @r {teilte fraft ber au§ ben Verträgen ihm guficheubcu 

Rechte an bie Unternehmer baS Ultimatum, bie untcrbrod)enen 
Arbeiten am 10. Dftober roicber aufgunchmen. ?(nbernfall3 mürben 
fie burch bie Stabtoermaltung auf Äoften ber Unternehmer meiier« 
efnhrt merben. Unter biefent SDruefe auf ihre ©egner gelangten 
ie drbarbeiter gum Siege. 3m Verlaufe meniger Sage mareu 
faft alle Vaupläfce ber Stabt in oollem Vetricbe; auch gahlreidje 
Vrioatunternehmer oerftanben fid) bagu, ben Slrbeitcnt ben uer« 
langten Sohn oon 60 (Sentö pro Stunbe gu gahlen unb auf bie 
bi^h^r übliche Unterfdjrift ber Arbeiter, feine höheren Söhne gu 
oerlattgen, gu oergidjteu. 3ür bie drbarbeiter hatte alfo ber $lu£« 
ftanb mit einem oötfigen Siege geenbet unb fie haben fich nachher 
nicht oom Solibaritätigefül)! oerleiten Iaffen, mit ihren Slamerabeit 
oom Vauaemerbe meiter gu ftreifeu. 

3u ihrem Siege fameu bie Arbeiter übrigen^ nur Sauf ber 
euergifd)eu outeioention be$ $arifer Otemeinberatbä unb ber [ehr 
freuublid;eu Haltung ber Staat^regierung. ift babei freilich 


nicht gu oerfennen, bafj bie Unterftü^ung, meld)e bag $abinet ben 
?lu^ftänbigen gu Sheil merben ließ, gum grofceu Sheile ber feljr 
prefäreit Sage entfloh, in melier es fich S^r 3 e ü i |1 3oIge anberer 
politifdier Vorgänge befinbet. Saimerljin mar ba^ Äabiitet hoch 
nicht gcroillt, bie Streifbemegung bi^ gum SXeufterften gu förbern. 
Sie oeränbede ihre Haltung gegenüber bem $uäftanbe ber übrigen 
Äatcgorieu ber Vauhanbmerfcr, melche fich au£ Solibarität ben 
©rbarbeiteru angefchloffeu unb ba3 Streifprogramm fofort^ er* 
meitert hatten, ©ine Selegatioit ber Streifer bei ben VUniftcnt 
be§ 3nncrn, ber öffentlichen Arbeiten fomie für öanbel unb 
3nbuflrte fanb nur höflid)e Slblehnnngen ihres Verlangend, bie 
Unternehmer burd) bie Staatdgemalt gur Siachgiebigfeit gu oer* 
anlaffen. Sie Viinifter fonnten fid) bagu umforoeniger oerftehen, 
ald bie Vemegung fid) immer bcutlidjer gmn reoolutionäreu©eneral« 
ftreif meitergubilbcit begann. 3aöeffcn maren bie offigieHeit @e« 
merffdjaftdbefdjlüffe nur halb befolgt morben. 3ah^amäßig lä^t 
fid) ber Umfang ber Sludftaubdbemegung fanm genau angeben. 
Sebenfalld merben bie Verfammlungen bec Streifer in ber Sßarifer 
Hrbeitdbörfe oon Sag gu Sag [djmächer befucht, menn and) bort 
ltod) immer regelmäfug befdjloffen mirb, ben £ampf fortgufehen. 
Huch geigen fid) bie Unternehmer üer[öljnlid)er. 

Von ben oerfchiebencn Korporationen, melche fid) anfd)icften, 
in ben Streif ber Vaufjaubmerfer eingutreten, finb am meiteften 
bie Metallarbeiter gegangen. Sie erflärten ben Hudftanb ihrer 
3achgenoffen in gahg^ranfreich. Hllgu oiel iBirffamfeit biirftc biefer 
Hppeu bed nationalen ©ieroerffchaftdaudfchuffed faum haben. Selbft 
menn er überall fehr günftigen Sidpofitionen gut Hrbeitdeinftellung 
begegnet märe, fo müßte nunmehr bod) ber oöllige Mifeerfolg 
bed proflamirten ©tfenbahnftreifd alle Suft bagu uerfdjeudjeu. 
Vefanittlich fteht bie Örage eined Hudftanbed ber ©ifenbahnarbeiter 
fchoit feit Hpril b. 3- fehr int Vorberarnnbe. Huf bem lebten 
Kongreß hatte bie Verbanbdleitung Vollmacht erhalten, mit. beit 
©ifenbahnfompagnien gu oerhanbeut unb, menn nötl)ig, ben Streif 
gti orqanifireu, um bie ©rfüllung ihrer Öorbernngen burdhgufeheit. 
Von ben 100 Selegirten jetted Kongreffed haben nur 52 für ben 
eoentnellen Streif geftintmt. ©d mar barum fd;on eine fel)r ge« 
magte^ßolitif für bie Verbanbdleitung, mit fo fd)mad)em9?üdhalteinbcu 
Hrbcitermaffcn ein Ultimatum an" bie Unteniehmergefellfdjaften gu 
[teilen. 3a ber Sljat hatten feither bie 3ül;rer ber ©)emerffd)aft 
it;re 9Ueberlage nur fütnmerlich oerhüdt unb ihren laitgfamen 9fitcfgug 
mit ihrer ^riebettdliebc tnotioirt. 2Bie ed fd)eint, hofften fie oon 
ber Hufregung bed Hudftanbed im Vaugemerbe eine Stimulation 
in ben eigenen Leihen, obmol)!, fomeit aud ben geheimen Sihnngett 
bed ©emerffdjaftdaudfdjuifed oerlautet, and) biedmal eine Umfrage 
bei beit lofalen ©temerffdjaften ber göberation nur eine äufgerft 
fchmadje Majorität (12 gegen 11) für ben Streif fonftatirte. Ser 
Streiferfläruttg bed Verbanbdaudfchuffed folgten fofort gtoei gur 
9tuhe erntahnenbe ©legenerflärmigen ber beiben fonfurrirenben Ver« 
bänbe oon ©ifeubahubebieitfteten, unb ber Verfud) enbete mit 
oölligcm Mißerfolg. Hld mtattgenehmed Vegleitergebnifg bleibt bie 
entnutthigenbe 9?ücfmirfung auf bie fünftigeit Vejtrcbungett ber 
©ifenbah'narbciter, bereu Vertrauen in eine Verbanbdleitung, bie 
geftcru einen Streif erflärte unb h eu ^ c fä)° n öie Vilbung eilten 
©ittiguttgdamted ocrlangte, nod) elje ein Hrbeücr bie Hrbeit oer« 
Iaffen, bamit nicht allgufehr gemiunt. 

Varid. 3- Schotthöf er. 

Sic Vemegttng ber Bergarbeiter im Diuhrgcbiet hält an. 3a 
jtarf befugten Hrheiteroerfammluttgeu, bte auf Verattlaffung bed 
alten (fogialbentofratifd)cn) Verbanbed etnberufen morben mareu, ift 
befanut(id) eine Sohnerhöhung oon 10% unb bie §eraugiehung 
ber Hrbciter gur ©lntbcu«Veanffid)tigung geforbert morben. 3a 
allen Verfammlungen tourbe folgenbc SHefolution antgenommeu: 

„Sie Verfaimiilimg beauftragt ben Vorftanb bed Vergarbeitcr« 
Verbanbed, an bie Vermallimgeu ber 9tul)rged)cn folgenbe Aorberuugcn 
gu [teilen: 1. ©ine £o litt erb ö buitg oon 10 0 0 ift aöeu Hrbciter« 
flaffen gu genml)ren. 2. gur Regelung ber fiel) bei ben 01ebittge«Hb= 
macfjuugeu licrandfterieuben llrtgleirf)beiten in ber Vcbaubluttg ber Hr« 
beiter [citeiid ber Beamten, fomtc gur [Quellen unb befriebigeuben Bei* 
leguug ber au? ben (Grubenbetrieben unb ber Vermattung ber Unter« 
[tußitugdfaffcn, bem Straffijftem, ber Üobnaitv’gabluug unb bem Sanitäter 
mefeu (2s?a[d)fammern unb Verbanbfiuben) gmiidjen Vclegfdiatt unb Vc« 
triebylcituug [idj ergebeubcu Siffereugcn finb Hrbeiteraudftbüffe auf 
allen (Gruben gu berufen. Sie Huduhußinitglieber geben and ben freien, 
oon ben Velegfdjrtfteu getbätigteu VJablcu beroor. 3e nadjbem fid) bic 
VH'rfbcfißer gu nuferen nidit uubefdieibeueu V'itufdtcii ftelleu, bat ber 
Vorftanb bed Vcrgarbeitcruerbaubc* meitere 2djlitte gum Vefieu ber 
Vergarbeiterfdjnft gu tbmt." 

Huf ©Inutb biefcd Huftraged hat ber Vorftanb bed_ Verg« 
arbeiter«Verliaubed einen Hufruf an bie Bergarbeiter erlaffetu &er 



71 


Soziale $ra|i«. «cntralBIatt für ©ojiatyolitif. Ar. 8. 


72 


zum Eintritt in bic Drganifation aufforbert, „jcbc ditmtifcßnug 
non irgenb einer nicßtbergmäunifcßen Seite" fcßarf guriidroeift unb 
mit ben ©orten fcßließt: „^ameraben! ^eft pfammengcfdjloffeu, 
bann fiitb mir unwiberfteßlicß. UnauSgefeßt neue Gruppen an* 
merben, bie (Gleichgültigen im ©djacßt aufflären, fie für unfere 
ftorDerungett interetfiren, baS ift nun dure Aufgabe. UnbcbtngteS 
Vertrauen p bei* fclbftgewäßtten Leitung, Auße nach außen, 'uub J 
ber Sieg ift unfer!" 

ds mirb aus beut Außrreoier berichtet, baß bie (Gruben* 
Vermattungen feft entfdjloffen feien, bie tvorberungen ber Arbeiter 
bnrdjauS abpleßnen unb auf einen etmaigen Streif mit ber Be* 
triebSeinfdjräuFung unb ber £)erabfebung ber Söhne p antworten. 
VMr mürben es für bebenflicß ßalten, menn bie Bttinfcße ber Ar* 
beiter, einerlei ob fie erfüllbar fnib ober nicht, ohne meitere Prüfung 
unb frieblicße Berhanblung runbroeg gurücfgemiefen mürben, roeil 
bit'S bem fokalen griebcn unb ber ruhigen Bkiterentwicfelung ber 
ArbeitSuerijältniffe ficßer nicht bienen mürbe. 2LaS inSbefonbere 
bic Heranziehung ber Arbeiter jur (Gruben*3nfpeFtiou betrifft, fo 
follteu boiß bie fcßroeren (Grubcn*UnfälIe ber lebten 3 e it eine ernfte 
Vtaßnung fein, biefe Sorberuttg, bie ja au<h fdjon im preußifcßen 
Abgeorbnetenßaufe ft)mpatfjifd) aufgeuommeit morben unb in dng* 
lano, granfreich unb Belgien bereite bitrchgeführt ift, nicht priicf* 
jurceifen. Kenner ber Verljälhtiffe behauptin, baß bei ben Berg* 
leuten bie Loßufragc hinter bic Srage ber (GrubenFontrole jurürf* 
treten unb baß bie SlnfteHung oon Arbeiter*3nfpeFtoren fchon oiel 
Zur Beruhigung ber (Gemütßer beitragen mürbe. (Bcrgl. bie be* 
treffenbe Aotig unter ber AitbriF „Aflgem. Sozialpolitik" in biefer 
Kummer.) 

Bmt ber berliner Arhetterbewegmig. Dnrdj bic neue polizeioerorb* 
mmg über bie ftaubfreic BiitFlabfußr, welche am 1. CFtober in .Graft 
getreten ift unb oont ßngieniicßeu Stanbpunfte aus autf) non ben 
Arbeitern begrüßt mirb, 'fühlen' fief) bie BtüIIFuifcßer unb SAülI* 
abfitßrarbeitcr in ihren Lobnuerßättniffen beeinträchtigt, ba nun 
mancher Acbenucrbterift megfalJe. Aur ein Heiner 3heil ber ftuhrßerren 
fall eine Lohnerhöhung bemilligt haben. Biit Aürffidjt auf ben Gin* 
nahmc*Ausfall unb unter Hinweis auf bie gefunöbcüSfdjäbHcßc unb im* 
angenehme unb noch bazu überaus auSgebchitte Arbeit (häufig 
iS 20 Shntbcn täglich) haben bie Arbeiter in einer gut bcfucßtnt 
Bcrfnmtulintg befdtloffen, eine Erhöhung bcS Wochen lohne? bis zu 30 „4 
ZU forbent ttub eine Gonmtiffiou gewählt, wcldje mit ben Huljrhcrrnt 
uuterbaubelu unb eocutuelf mcitere Biaßnahnteit treffen foll. ”$Vn ber 
Berfaunnluug mürbe mitgetfjeilt, baß Bcüfttutjdjer unb Schaffner iefet 
20 22 ,✓/. bezm. 18 .//. biircßfdinittltdj pro Biodje Lohn erhielten, 
bau bie Arbeitszeit oüllig ungeregelt fei, nidjt fetten uoit früh 4 ober 
5 Uhr bis 10 Uhr Aatfjts bauere, unb bah bie Arbeiter oon ihrem 
Lohn nod) ctmaigc polizeiftrafen bezahlen müßten. 

Die Töpfer mollcu bicsinal oon bem fonft regelmäßig am 
15. rttober begiuneitben Senftcrftreif, mcldjer ber Gnmingnug beS 
Arbeiten® bet ocrglaften Svenftern auf ben Bauten gilt, abfeßen, einmal, 
meil bic Crgauijation ber Arbeiter mangelhaft fei unb bann weil 
fid) bas Döpfergcwerbe in einem allgemeinen Atebcrgang beßnbe, fo 
baß heute faft bie Hälfte ber Töpfer fclbft in ber Saijou feine Be* 
ichäftigung finbe. 

Die organiftrteu GanalifatiouSnrbeiter fiitb wegen ber Gut* 
laffung einiger ihrer Kollegen mit ber BctricbSbircftion in Differenzen 
gerathnt unb haben btcfcrljalb aut 1. September b. 3- baS Gtniguugs* 
amt augerufen. Da bic Antmort bcS 2)?agiftrats auf bic Anrufung 
bisher ausgeblieben ift, fanb jiingft eine ftarf befuchte Berfantmlung 
ftäbtifcher Arbeiter ftatt, in meid)er oon einem Beauftragten bes B?agi= 
ftrats beftritten mürbe, baß ber letztere bie Koalitionsfreiheit ber Arbeiter 
bcfrfjrättfeit molle. Borgefommene Bei*ftöße feint auf untere Beamte 
zurürfzuführen. Die Grmägungen baritber, ob ber Bcagiftrat bem SHufc 
oor bas GiuigungSamt folgen merbe, feien nod) nicht abgefdjloffeu. 
Gs haubele fid) um bic ?vrage, ob bie Ganalifation ein Olcmerbcbetrieb 
ober eine fumutuualc y BoI)lfahrtSciurid)tung fei, in meid)’ le^terem Halle 
bie ^uftäubigfeit bes WemcrbegeritfjtS megfalle. Sobalb ber Bfagiftrat 
über bie Ara ge eutfdjicbeu habe, merbe er bem demerbegcricht ant* 
morten, ob er bem Aufe oor bas GintgungSontt folgen merbe. — Die 
Berfantmlung fprad) in einer 9iefolution "bic Hoffnung aus, baß ber 
Biagiftrat halb Sdjritte thun merbe, um eine Regelung ber zmifdjen ben 
Arbeitern ber Ganalifatioit unb ber Betriebsleitung fdimebeuben Din’e= 
reuzen herbeizuführen, unb baß ber Biagiftrat bie "Betriebsbeamten att= 
meifen möge, baß fein Arbeiter megen 3 u gcßörigfcit zur Crganifation 
eutlaffen merben barf. $sui llebrigcn trat bic Berfammlung für Gilt* 
führung ber Benfionsberedjtigung ber ftäbtffdjen Arbeiter ein,' toie fie in 
anbereit Stabten (Stuttgart, Biaiuz, Gffen, DreSben u. f. m.j bereits ' 
ciiigefithrt fei, fomie für ben Anfdjluß ber orgauifirten ftäbtifdjcu Ar* 
beiter an bie Berliner OlcmerffdiaftSfommiffioti. 

3n ben Bucfjbinbercieit unb oermanbteu Betrieben Berlins broßt 
megen ber Ginführung eines neuen Lohutarifs unb aitbcrer Aorbenmgen 
ein allgemeiner Ausftaub, bei bem eoeutueH einige Daufenbc oon ntännltdjen 
imb weiblichen Berfoneit, bie in ben fiuymjpapier*. Glfenbein=Karton* 
fabrifen, fomie in ber Lebcrgalauteriemaareu* unb Gontobudibrand)e 
befdjärtigt finb, in fvrage fommen mürben. 


UuterbenlBergolberujunb Berfilbcrem mar eine Lohnbewegung 
entftanben, bic 511 einem fdjarfen Gonßtft mit ben Arbeitgebern zu führen 
broljte, jept aber im gütlichen 3Lege bcigelegt z» werben fdjeitit. ^>it 
einem Betriebe nämlich waren bic Arbeiter oor Bollettbimg ißreS AfforbeS 
itt ben Ansftaitb getreten; ber Betriebsinhaber oerflagte fie oor bent 
Wcwerbegcricbi, bas fie, nach Sd)citent ber oon ben Arbeitern angc* 
botenen dinigungsoerfndje, zur Beeubiguug ber betreffenben Arbeit ocr* 
urtheilte. Außerbem aber hatte ber Untcrnehmeroerbaub ber Branche 
eine allgemeine AuSfperrung ber Arbeiter angebroßt nub biefe auch fchon 
tbeilweif'e ausgeführt. Daraufhin befd)loffctt bie Bcrgolber, gemäß bem 
Urthctl beSO)emerbegerid)tS bie Arbeit toieber aufzunehuten unb nadjfteriig* 
ftellung ber alten Afforbarbeiten mit ben Arbeitgebent über eine Lohn* 
aufbefferung bei Annahme oon neuen Arbeiten zu mtterhanbeln. Biehrerc 
Arbeitgeber ließen erflärcn, baß fie ihre Arbeiter für ben LohnauSfaH 
in ber betreffenben B3od)e entfdiäbigen würben, ^nr ben ?vall, baß 
eine Lohnaufbeffentng nicht erfolgt, beabfid)tigen bie Bcrgolber, ben 
AuSftanb zu erneuern. Die auSftänbigen Berfilberer haben aud) in ber 
^ßat bie Arbeit wieber aufgenommen, unb bie gabrifanten haben 
beSßalb bie Sperre zurücfgezogeit unb alle Arbeier wieber eiugefteHt. 

dtn BernfSberetn djrtftllcher GtaßhofSgehüIfen ift am 13. Dftober 
in $öln gegrüubet worben; e® ift bannt ein Befrißluß beS Ärefelber 
KatholiFeutage® z um ^Beginn feiner Ausführung gelangt, benn ber 
Berbanb wiu, fobalb er erft in Äöln feften ffuß gefaßt hat, feine 
jOrganifatiort über ganz Dentfdjlanb auSbreiten. D)er H au Ptiuhatt 
ber Saßuugen ift folgenber: 

„Der Berufsocreiit diriftlidjer (^aftwirthsgehülfen bezwerft ben Schuß 
unb bic ^örberung ber Aed)te unb ^utereffen feiner SKitglieber nad) 
chriftlidien tth’uubfäßen, auf gcfcßlidieut B>egc. Der Bereit! feßt fich zur 
Aufgabe: 1. Grztelnng geregelter Arbeit®* unb (Gchaltsbebingungen; 

2 . Herbeiführung einer angemeffeucn ArbeitSbaucr; 3. Aeditsfdiuß ber 
Btttgttcber; 4. llnterftüßung in fällen ber Aotf); 5. geiftige Hcöung 
feiner Biitglieber bunh fvortDilbuug ber Aad)Feuntniffe; 6 . Grmahnung 
iur s l?fttd)ttreuc int Berufe unb bürgerlidien Leben, z» ehrenhafter de* 
finmntgs* unb HaublungSmcifc im Allgemeinen. 

Dicfe 3 l oecfc fudjt ber Bereut z 11 erreidjen: 1 . bttreh Regelung ber 
Stellenoermittcluug mittels eines unentgeltlichen Arbeitsnad)weisbureaux' 
im Anfdjluß au fotnmtmale ober reid)S*(lanbes=)bel)örbttdje Ginridj* 
tungen; 2. burdj Leiftung oon Aedjtsfdjuß mittels ber BolfSbureauS; 

3. burdj drftattuug oon (Gutachten unb Gingabe au bie Bcljörben bezti». 
Parlamente; 4. burdj Berbrcitung unb Durdjfüljrung ber rsJewcrbc* 
geridjtSwahlen iit djri|tlidj=foziaIcm Sinuc; 5. bunh Gmdjtuug einer 
Hiilfsfaffe; 6. bureß Berfaminlttugeu uitb Borträge unter AuSfcßluß jeg* 
lidjer fonfeffioncücn unb parteipolitifdjen Grocterungen." 

3u bem PunFte ArbeitSnadjweiS würbe bemerFt, baß im An* 
fdjluß an ben Fommunalen ArbeitSnachroeiS ein befonbercr 9?adj* 
weis für £eHner unb (Gafthofangefteflte eingerichtet werben foll. 

diu Bufainmenfchluß ber organiftrieu fo^ialbemofratifchcu Hattb* 
InitgSgefjülfcn auf zentraliftifcper drunblage ift jüngft erfolgt. 
Die „freien Vereinigungen ber G'anfleute" in Berlin, Bh'indjett unb 
DreSben löfen fieß auf uub oerfdjmelzeu fieß mit bem oor zwei 
Saßren ins Leben gerufenen „3ntiraloerbanb ber HaabluttgS* 
geßiilfen unb *(GcbiiIfinnen Deutfdjlanbs", ber feinen Siß in H auiB 
bürg hat. Die 3 a hl ^ er SerbanbSmitglieber würbe baburdj auf 
ehoa 1000 fteigen, gegenwärtig foll fie rmtb 400 betragen. Aebett* 
bei eine Fleitte 3ahl gegenüber ber Btttglieberziffer ber nid)t auf 
fozialbemofratifcßem Vobett fteßenben HanblungSgel)ülfen*£)rgani* 
fationen. Der fozialbemoFratifcße Vcrbaub gewährt SJiedjtSfdjuß 
unb llnterftüßung bei StellungSlofigFeit unb erftrebt bie acßtftiinbige 
Arbeitszeit, Adjtuhrlabcufdjluß, otiligatorifdje SortbilbuugSfdjuIen 
unb Vefudj berfelbcu bei DageSzeü, ^öefeitigung ber G'onFnrrcnz* 
Flau fei im ^anbcI^gcfetjBiid)^ Faufmäunijdje SthicbSgericßte im An* 
fdjluß an bie (Gemerbegeridjte. 

tlegen leichtfertige Streifs in ber Sdjteelj. Das dettlral* 
fomite beS fdhwctzcrifdjeit (GemerFfcßaftSbnnbeS tjat befdjloffen, aus 
ber VunbeSFaffe Feine Streifs meljr p unlcrftüßen, für weieße nidjt 
oorßer bie dinmilligung beS domiteS cingeßolt werbe. Der Be* 
fdjluß wirb bamit ^egrunbet, baß oiele Streifs zu leichtfertig unb 
ooreilig erFlärt worben feien, wobnreß ber deutralfaffe nnoerljältniß* 
mäßig große Dpfer erwinßfen. Die Hmuptfcßulb liegt, wie man 
uns duS ber Schweiz feßreibt, oßne 3n)cifel au ber lofalen Arbeiter* 
preffe, welche bureß ißre oft maßlofe Sprad)e bie demütßer nur z« 
leicßt erßißt uub babureß bie unbebaeßten, Fopflofeit Streifs form* 
lidj prooozirt. 

AuS ber euglifcßtu dewerfberetnSbewegunfl. Das pariamen* 
tarifeße dotnite ber (Gewerfoereine 'hielt oorige Bßocße eine 
@ißung ab, in ber oerfdhiebene Trade Unions ißre BMinfdjc oor* 
brauten. BetnerfenSwertlj war ein Brief beS SefrciärS beS trifeßen 
dlewerhiereinSfongreffeS, ber erflärte, bie. Abhaltung biefeS Sonber* 
FongreffeS habe nidjt bie minbefte feiublidje ©piße gegen ben (Ge* 
wertoereinSfongreß beS oereittiaten KöitigreidjS. Der oout parla* 
mentarifeßen dotnite ertßeilte Befcßeib barauf lautete Füßl oaßiu, 



78 


©ojtale $ragi*. ©entralbtott für Sogialpolittf. 9fr. 3. 


74 


eg märe nidjt nöthtg, groei Äongreffc abguhalteit. — $)ie „Unab** 
hängige Arbeiterpartei" (fogialbemofratif<h> tub gu einer Äonfereng 
in Sci)uiangelegenheiten ein; bag ©omite lernte ab, „roeil ein Der** 
artigeg Serhalten außerhalb feiner Sunftionen liege", dagegen 
oerhieft bag ©omite einem Anträge Der Arbeitgfcbubliga, bie ifte* 
gierung gu oeranlaffen, ihren Arbeitern ein Sohnminimum oon 
24 ft), roöchentlid) gu gewähren, feine Unterftübung. 3)ie Ser«* 
tretnng ber oont testen Itongrefe in Briftol gefaxten Sefchlüffe oor 
bein Parlament rourbe unter bie arbeiterfreunblicheit Abgeordneten 
oertheilt. ferner mürbe befchloffen, bafj bie ©etoerfoereine bie 
Sriebengfunbgebung beg 3 aren allgemein befürworten füllten. ©nb** 
lid) ging ein ©rfucheit an beit Schafcfaugler, gu geftatten, baf$ bie 
©eroerfoereine ihre Kapitalien in ber ^ofifparfaffenbanf beponiren. 

Am 12. Dftober fanb in ©arbiff eine Koufereng ber $)elegirten 
ber bisher befanntlid) nur gang lofe organifirten Kohlengruben** 
arbeiter oon 6üb**2Saleg unb ßftonmouthfhire, foroohl ber 
gutn Serbanbe ber Befifcer gehörigen, roie ber nicht bagu gehörigen 
3e<hcn, ftatt. ©g mürbe befchloffen, einen ©eroerfoerein gu 
gründen unb barauf möglidjft halb in bie nationale 
Söberation ber Bergleute eiugutreten. $)en Antrag ftcllte 
ber ^arlamentgabgeorbnete Abraham. Big bieg 3^ erreicht märe, 
bemerfte er, mürben bie oier 3al)re, toährenb melier bie oerfd)iebbare 
Sohnffala in Ära ft beftänbe, abgclaufen fein. 2)ie £>elegirten auf ber 
Äonfereng oertraten 120 000 Arbeiter. 9£ad) bett Statuten beg neu 
gu griinbenben ©eroerfoereing foll jebe 3*d)e ihre eigene Soge bilben. 
S)ag Beitragggelb foll 1 fl), ben Bionat betragen. $)ie Konfereng 
billigte bie Anftreugungeit ber nationalen Säberation, auf gefefc* 
lid)em SSegc einen adjtftünbigen Arbeitgtag „from bank to bank“, 
b. f). oon Der ©infahrt in bie ©rube big gur Augfahrt, gu erlangen. 

Ärbeittrfdjul}. 

Bmtbegrftihgfcembnnng über bie Befestigung oon Arbeite«* 
rinnen nnb jjngenblicben Arbeitern in Biegeteien. $>ie Befannt** 
machung oom 27. April 181).% bie auf ©runb beg §. 139a ber 
©eroerbeorbnung bie Sefdjäftigung oon Arbeiterinnen unb jugenb* 
lidjen Arbeitern in 3i e 9 e kieit regelt, erftreefte bie 2Bir!famfeit biefer 
Beftimmungen auf ben 3?itraum oom 1. Sanuar 1894 big 31. ®e** 
gernber 1897. $)urdh Sefamthitachung oom 16. $>egember 1897 
mürbe inbeffert biefe Berorbnung big gum Schluffe beg 3af)w$ 
1898 oerlängert, ba bie ingmifefjen oeranftalteten Hebungen unb 
Sorberathungen noch nicht gu ©ttbe gelangt marett. Sefct toirb 
amtlid) mitgetheilt, bafj ber Bunbegratl) am 13. Dftober „bem ©nt** j 
rourf oon Beftimmungen, betreffenb bie Befestigung oon Arbeite** | 
rinnen unb jugenblidjen Arbeitern itt 3kgeleien," gemäjg ben Aug** 
fd)u&anträgen feine 3uftimmung ert&eilt hat. S)ie neue Berorbnung i 
felbft ift aber noch nidjt oeröffentlidjt morben, fo bafe mir nid)t 
fagen fönnen, ob fie lebiglid) eine SSieberholung ber bereite gelten** 
ben Beftimmungen ift ober Seränberungen oon Belang enthält. 

©rhetmugei §nm Sd)ufce ber Bauarbeiter ftttb im ©ange unb 
gtoar bürfte eg ftä) babei nach einer Bewertung beg Staatgfefretärg 
beg Qfanern in ber lebten SReichgtaggfeffion um eine bag gange 
SReidh betreffenbe ©nquete banbeln. Borläufig aber erfahren mir 
nur, bafc in Bauern Utiterfud^ungen angeoronet finb. $>ort l)at 
bag Staatgminifterium beg Snnern ,,itn Sntereffe eineg mirffamen 
Scfjufccg ber Bauarbeiter gegen Unfälle unb ©efunbl)eitggefahren" 
bie $h:eig*$Regierungen unb bag Sanbegoerficherunggamt beauftragt, 
in ©rtoägung gu gieljen, ob gu bem genannten 3roecfe bie ©rlaffung 
meitergebenber pofigeilid|er Borfd)riften neben ben bereitg beftebenben 
oeranlafet erfc^eint. — Bor ettoa Sabregfrift haben bie geroerffchaft= 
lief) organifirten Bauarbeiter eine Äommiffton (mit bem 0ifce in 
Hamburg) gu bem eingefe^t, Btaterial gu einer Serftärfung 

ber Sdhufeoorfchriften gu fammeln (ogl. 0oj. ^Srajig 3ahrg. VII 
0p. 818). ©g märe nüfclid), menn bei ben fefct eingeleiteten amt** 
li(§en ©r^ebungen bag oon Arbeitern aufgebrachte Btaterial berücf- 
fidfltigt mürbe. _ 

^rhctttraerfldjeraug. SparbafTen. 

# - 

®ie 9toOfüe gnm Sfnoalibitütg« ttttb AItergperfirhtrmtgggefr$ 

ift bereitg bem Bunbegratb gugegangen unb oon biefem in feiner 
lebten 0iba«9 ^ en gaftänbigen Augfi^üffen übermiefen morben. 
5Racih offigiöfen Anbeutungeu roirb gnitädift barin ein neuer 2Seg 
gum finangielleit Auggleid) ber oerfd)icbenartigeii Belüftung ber 
eingelnen Berfidjeruuggaiotalten gefuc^t. ©g ift befannt, bafe einiae | 
Berrnberungganftalten in ßanbegtheilen mit oonoiegenb Ianbmirtp* 8 I 
fdhaftlidher Beoölferung finangiell fe^r ungünftig fielen (fo oor i 


Allem bie Anftalten in Dftpren&en unb föieberbaperit), mäf)renb 
bie Anftalten mit inbuftrieller Beoölferung (Berlin, .<panfeftäbtc ic.) 
über reiche Mittel oerfngen. ©ine 9teihe oon Serfid)eruuggauftalteu 
mürbe bei ber iefcigeu ^ertheilung ber haften gu einer ©rl)öf)ung 
ber Beiträge übergeben müffeti, mäl)renb in beit inbuftriellen Be* 
girfen Deren §erabfebung erfolgen fönnte; bie Berfidberuuggbeiträge 
mürben bkraad) innerhalb Xcutfchlanbg oon ber am 1. Sanuar 
1901 beginnenben Beitraggperiobe ab gmifchen bem 2-^fachen Be«* 
trage ber jetzigen 0äfee nnb einem Betrage febmanfen, mcldjer fid) 
etma nur auf 10o/ 0 ber jetzigen 0ä(je jteuen mürbe. ^)ie Borlage 
ftrebt nun einen Auggleid) an unb gmar in anberer Steife alg bie 
9tooeIIe, bie oor gmei 3at)t*en bem 9teichgtage gugina, aber nad) 
ber erften ßefung faßen gelaffen mürbe. Auch jefct foß gmar bag 
Bermögen fämmtlicber Anftalten gur gemeinfamen Tragung ber 
Serfidjerungglaft in Anfpruch genommen merbeit, aber nicht bag 
gange Bermögen, fonberu nur ein entfpredjenber beg 

Bennögeng eineg jeben &rägerg ber Berfidherunggpflid)t h era n*= 
gegogen merben, roährcnb ber Beft jeber Anftalt gur freien Ber* 
fügung oerbleibt. 4)ie (iJefammtbelaftung aßer Anftalten mirb 
hiernadh in eine ©emeinlaft unb in eine Sonberlaft getheilt: 
für erftere haftet ein alg ©emeinoermögen auggufonbernber iljicil 
beg Bennögeng ber eingelneu Anftalten, für lefctcre Dagegen ber 
ßteft beg Bennögeng jeber Anftalt alg Sonberoermögen. 3)er 
©emeinlaft unb bem gu bereu ^erfung beftimmten (^emeinoermögeu 
merben bie ©ruubbeträge ber 3aaalibenrenten unb bie biefen ©runb* 
betrügen fortab gleichfommenben Altergrenten gugemiefeu. ^ie 
übrigen Saften (Steigerunggbeträge ber Qnoalibenreuten, Beitragg** 
erftattungen, Berroaliunggrofteu) entfaßen auf bag Sonberoennögen. 
$>ag Berhältni^, in toeichem bie ©efammtlaft gur Sonberlaft fteht, 
ift redjnunggmäfcig auf 6 gu 4, b. h- auf 3 /s gu % ermittelt, ^ie 
Trennung hat nur buchmäßig ftattgufinbeii. 

2)ieg ift ber eine michtige Borfdhlag Der SRooeße. ®er anbere 
begieht fich auf bie ©rrichtung örtlicher SRentenftellen für 
Heinere Begirfe. ®iefe foßen auf ©runb ber oon ihnen oor* 
mnehmenben thatfädjlidhen Jveftfteßungen unter 3 u 3i e ^ un 9 00,1 
Bertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer über bie Gtemährutig 
unb ©ittgiehung oon Renten felbftftänbig entfeheiben. S)urd) biefe 
meitgehenbe ^egentralifation mürbe nad) Anficht beg ©ntmurfg ben 
Arbeitern bie (Gelegenheit gemährt merben, ihre Anfprüdje oor ber 
SRentenfteße perfönlidE) gu oertreten unb Damit fich felbft gu über«* 
jeugen, bafe ihre Behauptungen gehört unb im ©ingelnen geprüft 
finb. $ierburd) roirb aber ferner auch bie Stöglidjfeit geboten, ben 
Arbeitern über aße auf bie Snoalibitätg* unb AUergoerficherung 
begüglithen Angelegenheiten eingehenbe fachoerftäubige Augfunft gu 
erthcilen unb bag Serfahren oer ^entenfeftfehuna roefentüch gu 
befchleunigen. ©egen Die ©utfchlieSung ber örtlichen SRentenfteße 
mürbe bemnächft umgefehrt mie bigher bie Berufung an Begirfg** 
Schiebgaerichte — unb gmar für bie Berficherungganftalt mie 
für ben Sfcentenfucher — offen ftehen, Deren Gntfdjeibungen eine in 
ber Sofalinftaug gefällte, auf Der örtlichen ©rmittelung ber Ber«* 
hältniffe begrünbete Boreutfcheibung gu ©runbe läge. ,,©g ift 
ftcher anguuel)men," fo fchliegt ber offigiöfe Bericht, „ba§ fich 
biefer Berlegung ber S^merfraft ber ©ntfeheibung in örtliche Qn** 
ftanjen bie 3altf ber Aeoifionen unb Berufungen mefentlich oer** 
minbern unb Damit eine Cucße perfönlicher Berftimmung unb 
roirtf)fchaftlid)er Benachtheiligutig bcfeitigeit Iaffeit mirb, toelche in 
ber häufig monatelang hinauggefd)obencn ©ntfcheibuHg Der Schiebg* 
gerid)te über begrünbete ober nnbegn'inbete SRentenanfprüche liegt." 

Someit biefe Anbeutungeu .sjanbhaben gu einem llrtl)eile bieten, 
glauben mir, baft mit beibett Sorfdjlägen Die Sftooeße ben rid)tigeu 
&eg einfehlägt. Sorool)l ber Biobuc? Der Sertheilung ber Gtentcnlaft 
mie bie ©rrichtung oon Iofalen Berficherunggämtern enthalten fehl* 
beadhtengroerthe Reformen, bie im ^ringip 3aftimmung oerbienen. 


Attgbehnnng ber ÄranfenPerfichentitg auf bie ^auginbuftrießen 
in Berlin. 2)ie ©inbegiehuttg ber Berliner §auginbuftrießeit in 
eine georbnete Äranfenoerftchcrung fdheiut ihrer ©rlebigung ent«* 
gegengugeben. 2)er ©ntrourf beg Drtgjtatutg, ber biefe -Srage 
regeln foll, ift oon Den gugegogenen Arbeitgebern unb Arbeitern 
burchberathen unb nach mancherlei Abäitberungen angenommen 
morben. 4)ie 3 a hl ber ^auginbuftrießen, bie in Betracht fommett, 
mirb auf 120 000 angegeben. £ie Beitraggpflidjt foß bal)in ac* 
regelt merben, ba| in aßen Säßen bie unmittelbaren Arbeitgeber 
für 3afjk*ng ber itranfenfaffenbeiträge gunäd)ft Sorge gu tragen 
haben; bie Beiträge foßen nad) Den gegal)lten 3Sod)enlöhnen pro* 
gentualiter berechnet merben. 

©entralfaffe ber eoangelifcheit Arbeiterbereilte in Bauern, ©ine 

in Nürnberg am 10. Dftober abgehaltene Bunbegfonfcreug bei 




75 


Soziale $rajt$. (Sentralblatt für Sozialpolitif. Ar. 3. 


76 


coangclifdjen Arkiteroerciuc BapentS, wobei 05 coangeltfdje Bei* ! 
eine oertreten waren, befdjloß, eilte (Scutralfaffe für Ihitcrftüpuiig 
itt Kranfljeit urib bei iiuoerfduilbeter ^Irbeitölofig feit 511 griiuben. , 
AlterSbcrfidjcruitg tu Acu-Seelanb. Aach 11 tägiger Ausfchufc* ! 
berat^ung ift am 8 . Oftober bic Vorlage betreffend Altersuerfidje* | 
rung (Old Age Pensions Bill) im Abgcorbiteteuljaufe mit einer ; 
s JM)rfjeit non zeh n Stimmen tn britfer Oefung angenommen toor* | 
ben. TaS ©efep fd)reibt oor, bafe jebc nnbefdjoltene s $erfon non . 
05 3a^ren mtb barübcr, bereit (Siufommeit 34 Vfuitb (080 t A) ; 
nu 1 )t überfdjreitet unb bie 25 3al)re in ber Kolonie ihren Tl'oljnfiü ! 
bat, 311 einer ^etifion ooit 18 fßfuttb (360<,//) jährlid) berechtigt ift. 


3Ubeitettiui)ti)*& 

Ter Arbeitsnachweis unb ber Buitb ber ^nbuftrietten. Auf 

ber am 10 . Oftober in Berlin abgebaltenen 3ah re 3oerfammluug 
beS BunbeS ber SubiiftrieHen mnrbe and) über bic Organifation 
bcS ArbeitSnadjmcifeS beratljeu. berief)terftattor toareit ber oon 
ber leipziger September*Koufereit 3 ber Arbeitgeberuerbäube befannte 
(sjeneralfefretftr l)r. s 2KartenS=Hamburg unb "ein leipziger jvabrif* 
beftper Di\ Kuuatf). Beibe führten aus, baß bie oon ben Arbeitern 
[elbft geleiteten ArbcitSnad)roeife liiert oorttjeilbaft gemirft hätten. 
And) bie oon gemcinmipigen Vereinen unb ähnlichen Körper* 
[(haften eingerichteten ArbcitSnad)weife, an bereu Verwaltung bie 
Arbeiter betheiligt feien, halten bie auf fie gefegten Hoffnungen 
nicht erfüllt; fie hätten eS aud) nicht oerftattben, ihre Beziehungen 
ins (Sinoernehmen mit beit Jntereffen ber Arbeitgeber 311 fepen. 
3bre Unparteilichfeit fei eine bloße Bhrafe, weil fie fid) aus Stühe- 
bebürfniß, aus ^opularitätSliafd)erei unb aus humanitärem 3 'utercffe 
immer auf bie Seite ber Arbeiter ftellteu, fo bah bie Cuclle ber 
Arbeiterbefchaffung für bie Arbeitgeber gerabe in bem Augcnblicfe, 
100 fie fie am notljwenbigften brauche, nätitlid) im JJafle beS 
Streifes, oerfage. Ter Arbeitsnachweis muffe oon ben Arbeit* 
geberu allein in bie $aitb genommen merben, er uiüffe aber aud) 
für fie obliaatorifch fein, bautit baS §eruinlaufen ber Arbeiter auf* 
höre mtb Damit man bie fo^ialbemofratifdjen Heper fern halten [ 
fonne. SBenn burch folche ArbeitSnadjtoeife bic Arbeitgeber an 
BJad)t unb (Sinflup gcioinnen toürben, fo fei bieS gegenüber ber 
ftraffen fosialbcinofratifdjen Organifation ber Arbeiter ein mit 
5reubeu 31 t begriißeubeS Kampfmittel. Tie ArbeitSnadnoeife 
müßten oon allen fid) SMbenbeit orbnungSmäfgge Rapiere unb 
auch 3 eu gniffe oerlangen. 

Sabrifant O.Bkigert*BerIin erflärte bemgegeitiiber, bie Meinung, 
bah man bie Arbeiter ooii ber Verwaltung ber ArbeitSnadjmeife 
ausfchließett fülle, fei eine Utiftadjtung ber 0 )leid)bered)tigung ber 
Arbeiter beim Abfdjtufc beS ArbeitSoertrageS. Tarnit unb mit 
foldjen f<hwarzen Oiften, mie fie ber Berbanb ber SlietalliubuftrieHen 
habe, fördere man meber bie Mittel* unb Kleininbuftric, noch fäme 
man bamit 3 unt fo^ialen Trieben, fonbern lebiglid) 3 urn Kampfe! 
(fr lege gegen fold)e ^länc energifth Verwahrung ein unb beantrage, 
baß ber »unb ber 3ubuftriellen nur foldje ArbeitSnad)ioeife unter* 
jtiipcu fotte, an bereu Verwaltung auch bic Arbeiter betheiligt finb, 
bei beiten aber aud) jebc Vcrnifserflärmig auSgefd)loffen fei. 

0 . Stubnip meinte aud), ein ein fettig oon ben Arbeitgebern oer* 
matteter ArbcitSnad)meiS fonne lebiglid) ab? eine KampfeSorganifation 
gelten, wäprcnb man bod) nad) bem fo^ialen ^rieben jtreben füllte. 

@iit Antrag, bie Arbeitsnachweisfrage gän 3 lid) fallen. 311 laffen, 
mürbe abgelehnt, bagegen befd)loffen, bie ©eneraloerfanimlung er* 
fenne bie Aothwenbigfeit ber (Errichtung oon ArbeitSnadirceifen 
an 1111 b beauftrage ben Vorftanb, einen Ausfluß 3 ur roeiteren 
^förberung ber Angelegenheit 3 U ernennen. 

®rftc Verfammluitg beS SerbunbeS $ur görberuug bed Arbeite 
nad)Weife3 tut SfegierwngSbc^irf Tüffclborf. Am 11. Oftober hielt 
ber Berbanb in Tiiffelborf feine erfte Veijammlung in Antoefeit* 
heit beS Aegierungspräfibenten ab. Aad) ber „Köln. 3*0-" 0 °b 
ber Vorfipenbe, (lioilingettieur £>. Aabemacpcr, einen llebcrblicf 
über bie ber 3 eitigen 93eftrcbungcn auf beut (Gebiete ber Ar* 
beitSoermittelung unb fprad) fid) mit großer (fntfdjiebenheit für 
biejenige ArbeitSoennittelnng aus, in ber Arbeitgeber unb Ar* 
bei tue hin er jufainmennjirfcu. Xurch fie fei bic Unparteilid)* 
feit oon oornl)erein geioährleiftet. (fine ArbeitSocnnittelung, bie 
auf ber Sliitioirfuiig beiber betheiligten Kreife beruhe, ntiiffe ge* 
beiheu, unb fei in ber Sage, bic guten ^Beziehungen 3 ioifd)eu Ar* 
beitgeber unb Arbeiter 31 t förberu, itibein bas oon beibeit Seiten 
erforberlidje Vertrauen ber galten (fiitrichtung entgegengebracht 
merbe. TurdjauS oermerflid) fei ber Stanbpunft ber 
Arbeitgeberoerbäitbe, bie bie Anfidjt oertreten, baß nur 


fie berufen unb im Staube feien, bie ArbeitSoerinitte* 
luug riditig 311 betreiben. Tiefelbe (finfeitigfeit toerbe mit 
Aed)t beiijcuigeu Arbeiteroerciuiguugeu 311 m ^ononrf gemadit, bie 
bie Arbcitsocrmittelnug nur bunh Arbeiter beioirfeu laffen loolleu 
unb fie auSfd)ließlid) für ihr Sntereffc nnb 311 politifd)eu 3w C{ fr n 
auSbenten. 3’n ber rid)tigett (frfeuntnifc ber zeittoeife ioicberfcl)reu* 
beit unb 311 enoartenben s Bttßftänbc hätte ÜHegierungSpräfibeut 
Freiherr 0 . Stheiubaben ben Verbaub ins Sehen gerufen unb baburch 
ein SJiirtel gcfct)affeii, zur 3^'it ber Aotl) bie ArbeitSlofigfeit loirffam 
311 befämpfeu. ( yür bie uinfirfjtige Turd)fül)ruitg 1111 b {vörberung 
ber Sad)e gebühre bem SfegicruugSpräfibenteu loäriufter Tauf. 

81 ad) bem onhrcsbcridit beträgt bic ;-Jal)l ber ^crbanbsmitgliebcr 
am Sdjtuffc bes erfteu (>lffd)äftsjahrcs 39 gegen 22, bic zur (Mriiubuug 
Zufamnieiitrateii. Tic innerhalb bes iVrbanbes gegriinbetc Arbciisnad)* 
ii)eis=KontroIc für bic Stabt Tnffdborf nnb bereu Umgebung zählt 
fd)oit 10 Arbcitsuad)Uicis=AnftaItcu 31t SKitglicbcru, oon bcucn 9 ber 
Stabt Tiiffclborf augehöreu. Aus ber llmgegcnb ift bic Stabt Aatiugen 
t mit einer neugebilbctcu Anftalt bcigetretcu. Turd) bic 00m Zentral* 

I burcau 311 Tüjfelborf zufammeugcfteUtcn SBafau^Ufteu finb feit ^siilt 1S97 
bis (iitbe ^uni lsns 16sf>3 offene Stellen mtb oon Aooember 1S97 
bis l5nbe ^sttui 189s 3. r >08 Olefudie oon Arbeitern zur Mcnntutf) ber iß er* 
banbsmitglieber gebrad)t loorben. B l, m 3ahresberid)tc bemerfte Ae* 
gicrungspräfibcut Freiherr 0 . Aheiubaben, baß bie Erfolge bes s l?er* 
imnbes burdjauS ermuthigeube feien unb fiel) nidjt ausfdiließlid) nad) 
ftatiftifdieu Bahlen bemeffeu ließen. I5r fei meit entfernt, bie beftehenbe 
I5iurid)tiing als ben Inbegriff ber ^ollenbuug hinzuftelleu. Au ber 
jebigeu Aornt merbe fid) im meitern Verlaufe Afandjes als abäuberungs* 
beburftig ermeifen; augenblicflidi jebod) halte er fehl* bafiir, auf bem 
bisherigen A>ege euergifd) meiterzufdireiten. Sobaib ber Aerbaub ein 
größeres 9?cp oon lofaleit ArDeitsnadjioeifcu umfaffe, mürben bie (5r* 
folge greifbarer 31 t Tage treten. 3 U berfelben Anfidjt befannte fid) Ae* 
gierungsratl) a. T. 0 . A>ätjeu. (5. 0. langen jr., ^abrifbefiper in 
9A.*Wlabbad), forberte uadjbrücflid) bic Olrüubnug red)t oicler totalen 
Arbcitsnadjmeife. 

ArhcitSnachloeiS unb Tieuftbotenocrtnittclung. Unter biefent 
Titel bringt ein amtlid)eS fächfifches ÜBlatt, baS „Tresbctter 
Journal", einen Seitartifel, rooriit es nad) einem furgen Aiicfblicf 
auf bie SBeftrebungett in Sad)ett beS ArbeitSnad)toeifcS folgenber* 
maßen heifd: 

Tie bei ber gewerbsmäßig ober and) als ^arteifadie betriebenen 
Arbeitsocrmitleluug 311 Tage getretenen Uebclftäube laffen aflerbings 
eine g e) e p l i ch e A e g e 1 11 n g a l s b ri n g en b geboteu erfd)cinen. Aedjt 
fehr 31t miinfd)cu ift, baß biefc Aegelung halb erfolge ttub baß babei 
ein 3 >oeig bes gemerbsutäßigeu ArbeitSuarijmeifeS nidjt oergeffen merbe, 
ber 311 einem faft uncrträglidjeu SJiißftaub für Arbeitgeber * unb Arbeit* 
nchmer gemorbcu ift: bic Tienftboten=AadjmeifungSfteIlen. Tic Art 
ber ('U'fd)äftsbehanbluug bei ber SMirzapl foldjer (»lefchäjte faun gerabe* 
31t als grober Unfug bczeid)net merben. 

TteS toirb bann unter Hintoeis auf bie befte()enben 3uflänbc, 
namentlich aud) auf bie in TreSben h^rrfdienbeit Serl)ältniffe, roo 
eS gegentoärtig 168 — faft auSfchließlid) rein qetoerbmäßige — 
TienftoennitteiuugSftellen giebt. in treffenöer s Bcife ausgefühvt. 

Ter ArbeitSuaitimeiS ber Saitbmtrtl)fcl)aftSfatnmer fiir Schlefteu ift 
am 3 . Oftober in Breslau eröffnet worben. Ter AadjmeiS oermittelt 
uncntgeltlid) Stellen für lanbwirthfdjaftlidje Arbeiter unb Tienftboteu. 
Turd) grofze üpiafate foü auf alten fd)le[i)d)en Bahnhöfen auf biefe 
Aacl)ioeisftelIc hiugcmiefctt werben. 

91f|eberar6eitditac^tt»ei^ unb ^afenarbeiterberbanb tu ^omburg. 
Taft ein ein [eitiger, oon bert Arbeitgebern geleiteter SBerbattb ben 
Qrieben 3 toifd)en Arbeitern unb Arbeitgebern nicht ftd)ent wirb, 
bafiir bietet bie Ausfprad)c beS HafeuarbeiteroerbaitbeS in Hamburg 
ootit 5. Oftober einen s Telcg. Ter 9icfcrcitt Kölle führte über ben 
„ 0011 t herein ber Aheber geplanten Arbeitsnachweis für bic Schauer* 
leute" nach bem „Hamb. Korrefp." folgeitbeS auS: 

Aad) bem ^ahresbcrtdjt bes AcreinS ber Aheber merbe bic T'er* 
maltuug bes Arheitsuadjmeifes aus brei ^erfouen beftehen, ttub 3toar 
aus je einem Aiitglieb ber Bereinigungen ber Aheber, ber Stauer, fo* 
wie ber Sdüffsmatler. Tie Arbeiter feien bei ber Verwaltung uidit 
berncffiditigt morbcu, 100hl aber bei bei Befdjmcrbcfommiffion, ber brei 
Arbeiter, unb zwar zmei fefte 2cute unb ein Hülfsarbeiter angehören 
follen. 3 nbes mürben biefe Arbeiter nidjt oon ben orgauifirteu Ar* 
heitern gemählt, fonbern nur oon ben Arbeitgebern ernannt. Bei ber 
Vergebung ber Stauerarbeit follen nur foldjc Arbeiter beriidfiditigt 
merben, bie ben Arbcitsuadjmeis in Anfprud) nehmen, mas oon ben 
Bereiueu ber Aheber unb Sdiiffsntaflcr befdjloffen worben fei. Ter 
i Arbeitsuadnoeis fei eine mirtbfdmftlidic Trage, bie mit ber Sozial* 

; bemofratie nichts 311 tljitn habe. Ter Arbeitsnachweis bes Bereiuv 
| beutfd)cr onbuftrieller fei nidjts als ein „Aiaßrcgcluugsburcan". So 
I lauge bie Arbeiter nidjt ftarf genug feien, bic l 5 infiU)rung eines AvbeitS* 
nadjmcifeS unter alleiniger Bermaitnug ber Arbeiter 31t erzwingen, fei 
! es bas Aiinbefic, bafz bcu Arbeitern bas AtitbeftimmuugSredjt eingeräumt 
1 merbe. Tie Arbeiter mürben fid) uorerft bequemen minien, 311 bem 
1 ArbeitSnadjmcis hinzugehen; cs gelte baf)er, fid) biirdj Stärfung bev 
. Organifation für beoorftehenbe Kampfe zu rüfteit. 





78 


77 


Sogiale VrajiS. Eentralblatt für ©ogtalpolttif. Rr. 3. 


Xic Verfammlung naßm eine SRefolution an, bie im Sinne 
beS Referenten Stellung nahm uttb bie Erllärung enthält, ben 
ArbeitönachroetS nicht iit Anfprud) nehmen gu motten, ba er nur gur 
Knebelung unb Maßregelung ber Arbeiter gefchaffen roerben fotte. 

Arbeii§stit#ltteIS in Sübaufiraliett. X>ie $olonialregierung in 
Sübauftralien ift im Vegriffe, bem Veifpiele ber anberen auftrali* 
fd^eti Kolonien folgenb, etnen ftaatlidfjen ArbeitSnachroeiS eingurid)ten. 


Motjmittrjswefeö. 


Rhrinifdjcr feiet! gnr görbernng bei Ärbeitertoobtmngötoefetiö 
ht $üffelborf. Xent Hnbe oorigen SoßreS gegrünbeten herein ift 
in meiteften Greifen lebhaftes 3:ntcrcffe cntgegengebradjt roorben. 
Eine große 3 a W nott Veßörben unb Vertretern oon Veßörben, 
barunter ber Dbcrpräfibent Raffe in Eoblcng, bie Regierungen gu 
Xüffelborf unb Sobleng, ber SanbeShauptmann Dr. ßiein in $)üffel* 
borf, bie difenbafjnbireftionen gu Elberfelb, Sffen, $öln unb ©t. 3o* 
|ann*3aarbrü(fcn, bie Snoalibitäts* unb AlterSoerficherunqSanftalt 
Rbeinprooing, oiele Greife, ©emeinben unb einige .fmitbelsrammern 
finb bem Verein beigetreten, gerner höben faft fätnmtlid>e gemein* 
nüßigett Vauoereine in Rßeinlanb einfc^l. Virfettfelb unb mehrere 
anberc gemeinnüfcige Vereine bie Mitgliebfcßaft ermorben, ebenfo 
eine anfeßnliche 3 a bl üon ^rioatperfoiten, inSbcfonbere Snbuftriette. 
Xer ManbelSminifter höt einen namhaften ftaatlicßen 3nf<h u & be* 
mittigt. VcfouberS anguerfemtett ift baS große Sntcrcffe, baS ber 
Dberpräfibent bem Vereine mibmet; in einem Ruitbfchreiben höt er 
bie Vchörbcn auf bie Vebeutung ber VereinSbeftrebuitgen hi» 5 
geroiefen. ©eit Mitte ©eptember höt ber Verein eine fiäubige fee* 
fäjäfteführung eingerichtet unb mirb nunmehr eine intenfioe Xbätig* 
feit gur Verfolgung feiner 3roe<fe entfalten. Es höt fid) bereite 
bi§h^ gegeigt, baß er einem bringenben Vebiirfniß cntfpricht, mie 
bieS bie bisher fchon in großer 3 a ßl eingelaufenen Anfragen in 
Vegug auf baS ArbeiterroohnungSroefen unb fonftige bamit in 3«* 
fammenhöng ftehenbe Angelegenheiten bemcifen. Auch oon Ve* 
hörben ift ber Verein gur Mitroirfitng bei Schaffung befferer ©oh* 
mtngSoerhältniffe für Arbeiter in Anfpruch genommen morben. 
Anfang Rooember finbet bie bicSjährige ©enerafoerfammlung ftatt, 
für melchc u. A. einige belehrcnbe Vorträge, melche bie Vereins- 
beftrebungen berühren, oorgefehen finb. 

g^ohttuttgSfürforge in Magbeburg unb M,-(Bkiiadj. V$ie 
wenig manche beutfehe ©täbte noch (Vernicht auf Vehanblung fogial* 
jiolitifcher gragen legen, begeugt g. V. bie Vehanblung ber tßeü- 
toeifert V?obnungSnoth im VerroaltungSbericßt ber Stabt Magbeburg 
für 1897/98. Unter „Allgemeines" lautet bort ber oierte Abfaß 
auf ©eite 5: 

„Xic Vefferung ber allgemeinen roirtbfdjaftlidjen ^agc hat augehalten. 
Jnbuftric unb Jpanbel umreit in bett meifteu ^roeigett tu mciteretn Auf¬ 
blühen begriffen, auf ber Elbe unb inSbcfonbere autf) int ftäbtifdjen 
|>afeu bcrrfchte ein reger Verfehr. Xic 3 a ßl ber leer ftebenben 
VSobnungctt höt fich noch meiter uerminbert; in einigen 
Stabil heilen — Vutfau unb and) ©ubeuburg — fonitte ber Ve* 
ftattb an mittleren unb Heineren Sohnungen ber Rachfragc 
nicht mehr genügen: eine regere Vauttjätigfeit ßot itisbefonbere im 
feelaitbe ber ttörblidjen Stabtermeiterung unb ber Silhelmftabt ftatt* 
gefunben." 

Xarnit ift bie offenbar oorhanbene theilroeife VSobnungSnotb 
ber fleinen unb mittleren £eute abgetan. Von irgenb roelchen 
Mitteln, bie bie Stabt etrna gur £inbcrung ber Roth ergriffen hätte, 
ift roeber hier, noch fonft im Vcricßt bie Rebe. Man glaubt mit 
ber Anlage oon ©ärten unb öffentlichen $Iäßen, VolfSbabe*, XeS- 
infeftionS* unb Slranfenanftalten genug für bie ©efunbljeit ber 
Veroofjiter gethan gu höben, ohne beS VHdjtigften, einer ausreichen* 
ben V?ohuungSfürforge, git gebenfett. — Ein erfreuliches Vilb ba* 
gegen bietet M.-felabbad). §ier ift unter görberung burd) bie 
Stabt bie Ollabbacßer Aftienbaugefettfdjaft unb ber ©ohnuttgSoerein 
um bie Vefchaffung guter 23ol)nungen für Unbemittelte eifrigft be* 
müht. 2>te @efett|chaft höt mährenb eines 27jährigen VeftehenS 
nunmehr 457 Käufer gebaut. Sic, mie oor allem ber Verein, ber 
1896 gegrünbet mürbe, oermitteln auch gefunbe Miethroohnitngen 
unb miethen fte gum Vkiteroermiethen an Arbeiterfamilien in 
größerem Umfange an, geroähren Darlehen , unb 3uf<hüffe W ben 
MiethauSlagen, forgen für bie Erlangung getrennter Schlafftätten 
für halbem)achfenc. Äinber, für Vetten, Vaumaterialicu u. f. m. 

Stäbtifche Arbeitermohüngen in Karlsruhe. 3n Karlsruhe 
finb, mie unS gef^rieben mirb, bie oon ber Stabt erbauten Raufer 
für r ftäbtifd;e Arbeiter bereits begogen unb ihre Hinrichtung mie ihr 

$crantioottli<$ fihr bie «ebaftion: Dr. (Srnft 


Aeufecres geroähren Vefriebigung. Hs ift Rücfficht genommen, bafc 
feine SSohnuna mehr als 200 f 4L MiethginS erforbert unb bie 
Stabt mirb bei Vcrginfung, Amortifation unb Unterhaltung ber 
§äufer eine 3abufee geroähren, bie man pro SBohitung auf 70 JL 
fchäfet. Higcnthümlich berührt es aber, baß ben ftäbtifcheu Arbeitern, 
bie in ben ftäbtifcheu Käufern — nicht nur ben eben bezogenen — 
mieteten, bie Verpflichtung auferlegt rourbe, in VcbarfSfätten Rächt* 
fchid)ten gu übernehmen. llnfereS Hrad)tenS fottte man folche Ver* 
Pachtungen nicht mit ber Vermiethung oon Wohnungen oerbinben. 
X)ie Rachtfchidbtenoerpflidjturfgen mären auch ofmebieS gu erreichen, 
unb roeun bie ftäbtifche 3 u bufte bei ber Miethe als Aequioalent 
anaefehen roerben fott, fo bürfte baS faum oerftanben roerben. 
UebrigenS fommen ja auch $)ienftroohnungen ftets erheblich ^euerer 
als ber Anfdljlag iit unb bie langjährigen Arbeiter roerben groifchen 
ihren Wohnungen, bie fie oon ber Stabt mietheten unb ben 
Veamtenbienftroohnungen Vergleiche anftetten, bie bie SBohlfahrtS* 
einrichtung als minberroerthig erfcheinen läfet. Veffer fein (&ef<henf 
als ein mit einer Verpflichtung belafteteS. Auch bie ^ßrioatunter* 
nehmer erbauen SBohnungen mit 3 u ^ u B^a^ fie fich einen 

guten Arbeiterftamm fichern motten, eine ©emeinbe fottte baS erft 
recht ohne Rebenabficht thun! 


(frjleljttng ttnH fiilbmtg. 

$rafttf(h*f0grale*ftttritt8 beSVolfSHerettiS für baS fat^olifrhe Xeutfdjlimb. 

Jn Straßburg i. H. hielt ber VolfSocrcin am 10.—13. Dftobcr bieSmal 
feinen praftijd)*fogialcn ÄturfitS, ben fiebenten feit bem 3abrc 1892. Xic 
Vetheiligung mar eine ungemein ftarfe; am Abeub oor ber Eröffnung 
lagen fdjou l200Anmclbungen oor, bereit 3at)l guleßt bis auf 1800 gefüegen 
ift, ein Reichen, roic rege ba« fogialpolitifdie Tsntercßc in ben Greifen beS 
VolfSoereinS ift. 9Bir fönnen bcs Raumes loegeit an biefer Stelle leiber 
auf bie Vorträge nidjt näher entgehen. Xod) feien toeuigftetts furge §itt* 
roeifc gegeben, ^rofeffor i>r. MüUer-Strafjburg fprad) über ÄleruSuitb 
fogialc «frage; bie Mitroirfuttg ber Äirche an ber Üöfung ber fogialen 
Probleme tourbe energifd) geforbert ^rofeffor Dr. .ftifce-Riünfter, Mit* 
glieb bes Reid)Stags, hielt einen Vortrag über bie Arbeiterfrage im 
dichte ber neueren Verufs- unb VetricbSftatiftif; fo fchr es gcrediifertigt 
fei, ber Sanbioirthfdiaft burd) Sdjubgollc eine Steigerung bei 1 ^röbuftion 
gn enttöglidjeu, fo titüffc man mit ber Jhaifadie rechnen, baß Xeutfdj 5 
lattb mehr unb mehr ^nbuftrieftaat toerbe unb um ben Arbeitern Vrob 
gu geben, beit Ifrport fteigern miiffe. Xic roirthfdjaftlidje Hutroicflung 
Xeutfd)laitbs toetfe eine Vefferung auf. roerben ttidjt nachlaffen, 

in bent Vcftrebeu, bie Arbeitevfdjaft in ihren bercdjtigten Anfpriidjen gu 
fräftigett." ©encralfefretär l»r. ^ieper*M.=(iHabbach gab ein Referat 
über neue Aufgaben ber Arbciteroereiite. Xie -frrimng beS Arbeiter* 
[taubes muffe auf fittlich-religiöfcm (Gebiete einfeßen. V. (^. ^efeh S. 1. 
fprad) über bie nenefte Hntroicfluug bes Sogialismus, in ber er Anfäpe 
einer Rcaftion gegen ben MarriSutuS uttb Materialismus fcftftcHte. 
lieber Vanernoereinc referirte Freiherr o. Xael*ftöth, über länbliche 
XarlchuSfaffeu unb (^cnoffcnfdjaften Vifar Müller unb Dr. Strauoen. 
Xett Vortrag bcs Redjtsanroalts 5?. Xrimborn-Ä'öln, Mttglieb bes Reichs* 
tags, über fotumurtalc Sogialpolitif ermähnen mir nodj an anberer 
Stelle. Weitere Vorträge hielten öanbgerichtSratt) (Gröber, Müglieb beS 
Reidjstags, über bas Viirgerlidjc (Wfepbudj, Dr. Pieper über bie 
©ohnungsfrage, Dr. öleiffenberger über bie Drganifation bes .fianbroerfs, 
^rofeffor Dr. Sang über bie Alfoholfragc. Xer Verlauf toirb uns als 
ein böchft befriebigenber begeichnet. 


Ittermrlfdie ^njeigtö. 


Twelfth Annual Report of the Commissioner of Labor. 1897. 
Economic aspects of the Liquor Problem Washington. Government 
Print ing Office, 1898. 

GS toirb hier auf Attorbitung bes Rougreffes eine Ueberfidit über 
bie ^robuftion, bett Vcrbraud) unb ben C>öttbel fpirituofer 0)ctratife hi 
bett Vereinigten Staaten gegeben. Xaran fdjließt fid) eine Erörterung 
über bie Einnahmen, bie ^robuftion unb .öattbel auf biefem (Gebiete 
abtoerfeit. ferner roerben Aeußcrungen oott Unternehmern über ihre 
Erfahrungen, betreffenb bett Oiebraud) oott Spirituofen in ihren Ve* 
trieben beigebradtt. Ein reid)haltiges labcllenrocrf giebt ftatiftifeße 
AuSfunft über bie im Sdjanfgetoerbe inoeftirten Kapitalien uttb befdjäf* 
tigten Verfoncn, bie entrichteten Steuern, (Gebühren, Strafen :c. Xett 
Vefdjluß maeßt eine forgfältige Ucberfidjt über bie eittfdjlägigc Steuer* 
gefeßgebung. 

Arenbt, Dr. Dtto. i?citfaben ber 30'ährungsfrage. 18. neubearbeitete 
Auflage. Verlin 1898, .^ermatttt VSaltbcr. 63 S. Vveis Jl 1. 
Olrttngel, Dr. ^h. & U. ^ofeph, Xie Rcidtcnberger luchinbuftrie 
in ihrer Gntroidelung oom günftigen .C»anbroerf gur moberneu 
©roßinbuftrie. i^tag 1898, Verlag bcs Vereins für ©efdiidjtc 
ber Xeutfdjen in Vöhmett, itt Koitimiff. bei .'o. Xotitinicius in 
$rag. 184 S. 

Reue Xeutfdte Rutibfdiau. §eftlO. .Cftober 189s. Verlin, 5. ,früher, 
granefe tn Berlin W„ BatjreuUjcrftrnfee - 2 \k 




79 


©ojiale $ra$i3. ©cntralblatt für ©ojialpolitif. 9h:. 3. 


80 


©ie t,$ofia!e lUrarf«' 4 erfc&eint an jebcm ©onnerStag unb ift burdj alte SBut&banblutiflen unb gjoftämter ($oftaeitung«mimmer 6729) ju beziehen. ©er $rei# 
für ba$ aSierteljabr ift 9)?. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 $f. ©er ÜlnaeigenpreiS ift 60 fßf. für bte breigefpaltene ^etitjetle. 

^Heller % rlmtGtmrfrmpi*; * bcä ftommrrjicnrat« Cftettag, Stuttgart, 

®*'* v **' ll3llUU|U>r t"» j„ ti f n ig(j)rifteii be$ ®. SJereinS für Srmonpftcgc 

(peft 1. (1886, SßrciS 1 SW. 80 $f.) 

lieber Me gefrijäftigmtg ber ^rbeitelufm unb beit 
Jjladjmeis nun Arbeit als pittel uarbeugenber 

Debatte tu ben 99erbanbliutgen be§ ©. Vereins für STrmcnpfTcge, 

SWagbeburg 1887, toiebergegebeu in ben Schriften be£ 3?creiuo 
§cft 5. ($reiS 2 <W. 80 $f.) 

lieber $efrfjtifttgung arbeitslafer Armer unb Jlrbetts- 
nattjnrrts als pittel uarbeugeuber Armenpflege. 

Keferat be§ ffüdljcmt üott SRet^ettfieitt in ben Schriften bcö ©. Vereins für Ernten» 
pflege £>eft 4. (1887, $reiö 3 SW. 20 $f.) 


Verlag von Siemenroth & Troscbel 

Berlin W. 

Zur 

Gesehiehte u. Statistik 

der 

freien iratvahl 

in Berlin. 

Von 

W. Astor. 

-— Preis 3 Mark. - 


Otto gifbmunit, |rtli$skad)l|»)lB»$ l gcrlttt W. 35. 


freit|eit nnb fatale Ufltrtjtett. »pÄ® 1 , 

Srüffel. HutorificrteHuog.u. ©tabtrat Dr. ffltünfttxbetQ. 9W.2.75. 

^ajial-Anflabrnltftlie |been. ÜSÄÄ5SI: 

teuffei. 3W. 1.—. 

^trafrettjtspflege nnb §a(ialpalitik. Sei" 

trag ^ur Kefornt ocr ©trafgefefcgebung, auf ®runb redjtSuer* 
glcicfienbcr unb ftatiftifchcr Erhebungen über bic $oIt$ctaufficfjt. 
9$on Kedjteauinalt I>r.fl*3ruf)r* Sieb ft mehreren Tabellen. * 3 ) 1 . 8 .—. 


Soeben erfchieneit: 

Pa« piftrcd)t 

natb brttt $«rgetliif)tn frfcfcfau} fit las $rit|. 

SYPctnatifd? bärge ft eilt 

001 t 

Ludwig Tuld, 

iHedjtfianroalt in STOalnj. 

18 1 4 ^ogen, gr. 8 °. ^ret§ gebunbeit 5 SW. 40 ^f. 


Settmädrft erfdjetixt: 


Oafyrbud? 


für 

ftfrijgtlmng, |crnialtung 


nnb 


önlbraittf^aft 

im 

Deutfdben Heidt- 

§ercm§gegeben 

non 

Cüuftat» ®d)molter. 


Jlrnr fofgr. XXII. Jnfirgmig. Difrtcs .firft, 

gr. 8 °. ^rci£ etwa 7 3W. 60 


u l) a 11 : ©taatenbunb unb 33 unbe§ftaat. 5*ott 
.farluon Stengel. (gtneiter, [Schhtft*]$(rtifel.)— 
©ic @rcnsnut}cn*©heorie als ©runblagc einer 
ultralibcralcu S$irtfchaft 8 politif. 3?oit 2abi3* 
Iauö o. ^ortfenutirf). — Beiträge jur 01 efrf)icf)te 
uub ©heoric be* Slrmenrocfeitö. 9luö bem 
Wachlaft be* Freiherr» o. Kelpenftein beraub* 
gegeben uub ergänzt uon Emil SWüuftcrberg. — 
©ie bireften Steuern unb bte 9?ermügcnSent= 
tuicfeluitg in Slugöburg uon bei* SWtttc bcs 16. 
bis , 311 m 18. v 'abrf)iinbcrt. Hoti ^s. Wartung. — 
©ic Mängel ber ^olijet. 99 on Otto ©erlaub. — 
©ic tfoften ber l^olfsirfnile in ^reitfeen. 9>ott 
iHlbert 2 ofc. — ^olfsioirticbaft uub 9ietbtS= 
orbnuug. ifröffuuugsrebe ber .^abresuerfamm* 
luitg 1S9H/97 ber American economic asso 
ciation“. ^on Jpenrn (5. 9lbamS. — ©tc 
bpnorfteljcnbe (irncitcnmg bes ©ciitfcf)cn 9?anf= 
grfebcs. ikut M. •’oelifcricb. -- Sitteratur. 


^Oebett erfebienen: 

Ilmriffe unb ttnterfudjitttp 

jur 

Ittfalfttags-, lertdnllttBgs wk |Iirtf^ftsgtfd|ii|t( 

hfnlm io Imgiffl« Stoatrs i« 17. aik 18. |i||t|iik(rt. 

99 Ott 

<5uftcu> ScbntöUer* 

gr. 8°. (XIII, 686 ©.) 1898. $!rci$ 13 SW., geb. 14 SW. 60 $f. 
tlttd bet ^inleititttg beb ©etfaffet«: 

„98aS i(b b' er einem tneiteren ftreife uorlcge, fmb Ijiftorifdje Unter* 
fudjungen, bie aber cbettfo bic allgemeine (Srfenntniß nott ©taat unb Kedbb 
SJolföroirtfcbaft unb (Uefeflfcfjaft förbern, al^ bic Gntftebung unferer natio* 
nalen ^nftitutionen erfläreit unb bas ikrftänbnig ber ©egenmart erleichtern 

tnoHen." 

3 nhaUdPer^dd?nt§: 

I. ©a§ 9Wer!antilfpftcm in feiner biftortfcficu 9?ebeutuitg: ftäbttfrfte, territoriale uttb 
fiaatlidje SSirtfchaft^poIitif. 

II. ©te §anbcl§fperrc stuiftfjen Sraubcitburg unb Komment im 3nl)re 1562. 

III. ©ie ©pochen ber preuf 3 ifcf)eu ginatt^pofitif bi§ , 3 ur ©riinbuitg be^ beutfchen9ieiche§. 

IV. ©ie ©rttftef)ung bcö preuhifeben feeres oon 1640—1740. 

V. ©er beutfdfe Scamtenftaat noitt 16. bi^ 18. ^nhrbunbert. 

VI. ©a§ branbenburgifch*prenBifd)e Snnung^tpcjcn oon 1640 bis? 1800, Ijauptfäd}* 
Uch bie Kefornt unter ^riebrich SUbelm I. 

VIT. ©ic ruffifrfjc ©otnpagnie in Berlin. 1724—1738. 

VIII. ©ic preuf 3 ifchc ©eibcniitbnftrie int 18. Saftrlntnbert unb i^re ^egrünbung burch 
Jvrtcbrid) ben Olrogeu. 

IX. ©ic prenfjifdtc ©itttpanbcniug unb läiiblicfje Ä¥olottifation bei? 17. unb 
18. Snlu'bunbertv. 

X. ©ie ©pochen ber Crtetrctbc[)aubelvuerfaffiutg unb *^olitif. 


Sjciautiueittiit) für Me fln-eigen: 4>c0mutl] OtfUiel, fccirsig. -- Snlcp i*oa 2t;ndir & .ptunblof, 2c«Piig. —■ ‘bei et:teufet\ i'crü:! 


-- • km-., ai. .:ib<— r., -t* .-.itndxh.-ttiMmm Reimer. ‘' Berlin , betr. bereu /leitidirif t für ©o.ualtptff enfdfa fi 






VIIL In^tgong. 


S9 erlitt, ben 27. DftoBer 1898. 


^antmer 4 . 


SofictU ptagis* 

^enfrctfMctff für 

mit ber SRonatSbetlaße: 

Das <J5eu>erbegericht. 

0rgan öes Oerbanöes fceutfcfyer <5et»erbegericf?te. 

Reue golge ber „SBtättcr für fogtale $raytS* unb beS „©ozialpölttlfchen ©entralblattS*. 

drf^ciitt m ithm ®»mie»fl«§. #erauSgeber: f«« blertelWrli* 2». 60 *f. 

' JReböftton: ©erltn W., ©ahreutherftrafee 29. Dr. (fttlß «#ttUtlfee* ©erlaß tooit Dunder & ftumblot, Setpztg. 


3 ttljitli 


5 Die ©otoelle aum Snöalibit&tS» 
berfi$erung8gefefe. ©onDr.jur. 
ftid&arb greunb, ©orftfcenbem bet 
3nbalibitöt8» unb Alter8berfic&erun08» 

anftalt ©erlitt. 81 

©eftrebungen ber@ett>erföereine 
in ©itglanb. ®mt g. HB. öallon, 

Bonbon . 86 

W|Oieteit<ii(l* «ab OftrtMMftf« 

polttil.88 

gnternaiionaler Soaialftatifti* 
f#et ©ienfi. 

©efäeib be* preufctfdjen Glfenbaljn» 
minifterfl an ben ©erein für ©ojial» 
politif. 

Die ©inffibrnitg bet ptogreffioen Gin* 
fommenfteuer in $ranfrei$. 
Alter8penfionen für Arbeiter in ©ng* 
lanb. 

lUHMUuiale 9 »si«Jp*lfttI. 90 

9tet<b8tag8abgeorbneter Srimborn 
über Jommunale ßoaialpolitif. 
©t&btifäe 2DiiSceHen. 

•«aUIr Bttftanbe.92 

©rbebung über bie ©oitntagSrulje in 
©ädereien £>eftertei<b8. 
©eränberuitgen kt Söhnen unb Arbeite» 
aeiten »öbtenb be8 Septembers in 
©nglanb. 

©Ine Unterfliegung über bie ertüerbS« 
ty&iigen SdjulTmber in ©nglanb. 

SfePetterbctMtaita. 93 

©ifenbabnet*Setoegung. 


allgemeiner Äongtefe ber £anbel8# 
bülf8arbeiter in Äaffel. 

Stideretoerbanb in ber Sdjmeia. 

au8 ber engltfcben ©etoerföereinS. 
betoegung. 

©et au8ftanb im ©arifet ©augetoerbe. 

©er mißglüdte Streif ber franjßfijcben 
©ifenbabnarbeiter. 

Krbetterfftn*.96 

axbeiterinnen unb jugenbli$e arbeitet 
in 3i«8^««n. 

AuSgeftaltamg ber preufetfdjen ©erg» 
merfSinfpeftion. 

©oliaeioerorbnung für Södeteien in 
Strasburg i. ©. 

©etfüraung bcr Arbeitsamt. 

Hlrbeiterberftcpeniitg. SparfafTeis. 97 

HBeitere ©iittbeilungen au8 ber RoOelle 
aum unb Alterdüer» 

fitberungSgefefe. 

©Bopmmattoefe».98 

SWa&Tegeln gegen ungefunbe HBoljnun» 
gen in Strasburg i ©. 

Srsieftasifl anb ©Übung.99 

©olfStbümltd&e £ocbf<bulfutfe. 
©on Dr. 0frip Specht, öljarlotten» 
bürg. 

••*tale SPfliene.100 

@<$ulürate. 

ßur ©cbminbfucbtdbefämpfung. 

AtttccariV#* ttaactgru.102 


Abbrud fömmtlidjer artifel ift ßeitnngen unb 3«ltf<btiften geftattet, iebodp nur 
mit boüer Quellenangabe. 


Bit Handle pm 3mmlibÜätsrSerrtii)ernngsge|lc|. 


Die Sonette jutn 3noaIibitätS-©erfi<herungSgefefc, rodele Be* 
fanntlid) in bcr Tagung beS Reichstags 1896/97 nicht sur 
©erabfcf)iebung gelangte, fott iefct als eine ber erften ©erlagen 
Bern ©nbe biefeö Sabres gufammentretenben Reichstage gugeben. 
Die RooeHe ift bereits bem ©unbeSrathe ^gegangen, unb über 
ihren 3nh fl M finb bölbamtliibe Rttttheilungen in bie DeffentÜchfeit 
gelangt, ©oweit fich «if ©runb biefer fpärlid^en Rtittheilungen 
überhaupt ein Urteil gewinnen läfet, mötbte icb inSbefonbere jmei 
Slbänberungen, roelibe bas £>auptintere|fe aller ©etbcüigten erregen 
werben, einer !ur$en ©efpreebung unterjieben. 

I. Snt ©egenfafe gu atten früheren 9?ooeHen ju ben Arbeiter» 
nerficberungSgefeben bringt ber neue (Entwurf $um erften 9Äale eine 


miibtige DrganifationSreform: bie @inri(btung non Iofalen 
HrbeiteroerfitberungSämtern. S)ie ©inriibtung biefer Remter 
habe ich auf ber befannten, im Sfconember 1895 ftattgebabten Dteid^S*» 
?onferen$ norgef(blagen.*) 3n gleicher ßinie bewegten fich bie 
©orf^läge beS Slbgeorbneten 9H(harb Stoeftcfe, ber inSbefonbere für 
bie ©entenfeftfebung in erfter Snftanj berartige Slemter gefdjaffen 
wiffen wollte.**) liefen ©orfeblägen folgt nunmehr bie Siooette. 
2)ie Slrbeiteroerficberungsämter fmb ©ebörben, beftebenb aus einem 
©eamten als ©orfibenben unb ©ertretern ber Arbeitgeber unb ber 
Arbeitnehmer als ©eifiber. S)en Aemtem liegt bie ©enten^eftfebung 
unb ©nt^iehung in erfter Sitftang ob, bie Kontrolle ber Renten¬ 
empfänger, bie Kontrolle ber ©eitragSeinjiehung, bie SRitwirfung 
bei Ausübung ber oorbeugenben ^ranfenfürforge. Aufeerbem 
fönnen ben Aemtern noch anberweiie ©efebäfte bei ber Durch¬ 
führung ber Snoalibitäts- unb AlterSoerftcberung bureb bie ©or- 
ftänbe ber ©erftiberungSanftalten übertragen werben. Reben ihrer 
fjunftion als Rentenbehörben ebarafteriftren ficb alfo bie Aemter 
als lofale ©erwaltungSftellen ber ©erficberungSanftalten. 
Die DrganifationSreform ift mit gfreuben gu begrüben; es 
ift nicht ju bezweifeln, bafe fie für bie Durchführung ber 3n- 
oalibitäts- unb AlterSoerficberung bie beften Früchte tragen wirb, 
ja bafe fk unfere ©ojialreform um ein gutes ©türf oorwärts 
bringen wirb. 

Die. Uebertragung ber Rentenfeftfepung auf lofale ©teilen 
unter obligatorifeher 3ugitbung ron Arbeitgebern unb Ar¬ 
beitnehmern wirb, abgefehen oon ihrer hoh^n fo^ialpolitifeben 
©ebeutung, geeignet fein, manche SRihftänbe in bem bisherigen 
©erfahren $u befeitigen. ©egenwärtig gefchieht bie Rentenfeftfehung 
in rein bureaufratifcher gorm: burd^ Defret ber beamteten ©or- 
ftanbSmitglkber. Das SRaterial, auf baS fich bie ©eamten hierbei 
ftüpten, war meiftenS fehr bürftig. Die neuen lofalen ©ehörben werben 
in ber ßage fein, in engfter gühlung mit ben betheiligten Greifen 
bie Anträge zu prüfen, nothmenbige (Erhebungen anzuftefieit unb eine 
©ntfeheibung z“ treffen, z u melcher ber antragftellenbe Arbeiter 
wegen ber 3ufammenfefcung ber entfeheibenben ©ehorbe ©ertrauen 
haben wirb, ©egen bie ©ntfdjeibung ber Aemter foH nun eine 
©erufung an ©ezirfSfchiebSgerichte ftattfinben. 3Jlan wirb er¬ 
wägen hohen, ob nicht bie Drganifation ber ©chiebSgerichte gänz¬ 
lich befeitigt werben fann unb ob es nicht möglich ift, bie ©nt- 
fcheibung in zweiter Snftanz ben ©orftänben ber ©erfichcrungS- 
anftalten, welchen gleichfatts Arbeitgeber unb Arbeitnehmer an¬ 
gehören, oielleicht noch unter 3 u 3 t c hung eines richterlichen 9Rit* 
gliebeS, gu übertragen. Das ©ezirfSfchiebSgericht unterfdjeibet ftch 
ja in feiner 3 u ! a muienfebung in Rid)tS oon bem ©orftanbe ber 


*) ©ergl. meinen Auffap über bie „©crciiifachung ber Arbeiteruer* 
fidicrung'' tu ben „^reuhif^cit ^sabrbütfjcni" 1896. 

**) ©ergl. „Soziale $raris" 1897 Ar. l'>. 





















i 


Bibliothek der Volkswirtschaftslehre u. Gesellschaftswissenschaft. 

Begründet von F. Stöpel. 

Nach längerer Pause erscheint nunmehr die Fortsetzung dieser Bibliothek 
und zwar: % 

Organisation der Arbeit 

von 

Louis Blanc. 

Nach der 9. Auflage des Originals übersetzt 
von 

Robert Prager. 

ca. 22 Bgg. Subscriptionspreis brosch. M 4; Hfzbd. M|5. 

Nach Erscheinen — Ende d. J. — tritt unwiderruflich der Ladenpreis von 
mindestens M 5.— bez. M 6.— für das gebundene Expl. ein. 

Weitere Bände sind in Vorbereitung. 

Erschienen sind von diesem' Bibliothek bereits: 

Adam Smith. Volkswohlstand. 4 Bde. 8. 1878. br. M 7.—; in 2 Hfzbden. M 9.- 
H. C. Carey. Die Einheit des Gesetzes. 8. 1878. br. M 5.— ; Hfz. M 6.— 

E. Peshine Smith. Handbuch d. polit. Oekon. 8. 1878. br. M 5.— ; Hfz. M 6.— 

T. R. Malthus. Bevölkerungsgesetz. 8. 1879. br. M 10.— ; Hfz. M 11,25. 

Sämmtlich übersetzt von F. Stöpel. 

Subseribenten auf Louis Blanc erhalten die bisher erschienenen sieben | 
Bünde der Bibliothek statt des Ldpr. M 27.— br. und M 32,25 geb. zu- 
! summen genommen für II &5.— für ein brosch. und M 30. — 

\ für ein geb. Expl. Bei postfreier Vorhereinsendung des Betrages 
erfolgt ebenfalls freie Zusendung p. Post. 

Zu beziehen durch jede Buchhandlung sowie durch 

die VERLAGSHANDLUNG: 

im Oct. 1898. R. L. PRAGER in BERLIN, NW. 7. 




















r 

























Der Unterzeichnete erbittet: 

Expl. 

Bibliothek der Volkswirtschaftslehre 
und Gesellschaftswissenschaft. 


Bd. VIII: Louis Blano, Organisation der Arbeit. Ueber- 
setzt von Robert Prager zum Subscriptionspreise von 
M 4.— für das broschirte, 

M 5.— „ „in Hfzbd. geb. Expl. 

Bd. I—VII: Adam Smith 4 Bde.; Carey 1 Bd.; E. Peshine 
Smith lBd.; Malthus 1 Bd. zum Vorzugspreise von 
M 25.— für ein broschirtes, 

M 80.— „ „in Hfzbd. geb. Expl. 




Betrag folgt anbei mit Postanweisung — ist 
nachzunehmen. 


Ort und Datum 


Name 



Bitte recht deutlich zu schreiben und das Nichtgei oiinschte auszustreichen. 

Bei postfreier Vorhereinsendung des Betrages erfolgt 
postfreie Zusendung. 


Buchdruekrrcl C. Hell (H*n* Adler). Grclf»w*ld. 



























z 




83 


Sogiale $rajis. GentralBlatt für ©ogtalpoltttf. Br. 4. 


L 84 


BerficherungSanftalt unb man füllte feine Gelegenheit oorBeigehen 
Iaffen, um ben BehörbenorganiSmuS möglichft gu oereinfachen. 

Sn ihrer weiteren Sunftion als lofale BerwaltungSfteHen ber 
BerficherungSanftalten werben bie Aernter ^auptfad^Iicf) nach gwei 
Züchtungen hin eine außerorbentlidf) erfprießliche Dhätigfeit ent** 
falten: Bei ber Gingiehung ber Beiträge unb ber UeBernahme ber 
norBeugenben Sfranfenfürforge. Die Kontrolle über bie Seiftung 
ber Beiträge war Bislang eine mehr ober minber unoollfommene 
unb bie Iofalen Aernter werben hi* r Qriinblich ©anbei fRaffen 
fönnen. 3<h Bin freier, baß ft(h biefe Dßätigfeit ber Aernter 
Balb ben laufenben Ginnahmen aus ben Berfauf ber Beitrags* 
marfen BemerfBar machen wirb. 3n BerBinbung mit biefer Dhätig* 
feit werben bie Aernter als AuSfunftSftelle für bie Betheiligten 
Greife bienen müffen unb bamit gleichfalls gur prompten Dur<h- 
führung ber Berfichentng oiel Beitragen fönnen. Bei ber Durch¬ 
führung ber oorBeugenben $ranfenfürforge aus §.12 beS GefeßeS 
ift es für bie BerficherungSanftalt oon größter ©ießtigfeit, bie 
SäHe rechtzeitig in Erfahrung gu Bringen, bie ftch gur UeBernahme 
eignen, bie eingeheitben Anträge auf ihre Begrünbung gu prüfen, 
gwecfentfprechenbe ^Maßnahmen für bie Durchführung ber Qförforge 
gu treffen unb bie Ausführung ber getroffenen Btaßnahmen gu 
überwachen. Bach allen biefen Bichtungen hin werben bie Aernter 
ben BerficherungSanftalten ben werthoofiften Dienft leiften unb ba* 
mit gur oollfommenen Durchführung ber oorBeugenben föranfen* 
fürforge wefentlich Beitragen. 

©irb man fonach in ber Sage fein, ben Borfdjlägen ber Bo* 
oelle hinftchtlich ihrer DrganifationSreform oott unb gang gugu* 
fiimmen, fo fann bie gweite Aenberung hinfichtlich ber Bertheilung 
ber Bentenlaft auf biefe unBebingte 3uftimmung nicht rechnen. 

II. Schon bie erfte Booelle gum SnoalibitätSoerficherungSgefeß 
enthielt Befiimmungen über bie anberweite Bertheilung ber Bentenlaft, 
welche allgemeinen ©iberfprudj h^roorriefen unb auch im BeicßS* 
tage feine AuSficht auf Annahme hatten. Die Beftimmungen beS 
neuen GntwurfS ftnb im ©efentlicßen folgenbe: ber Grunbbetrag 
ber Beute wirb als gemeinfcßaftlicße, non affen BcrficßerungS* 
anftalten gu tragenbe Saft Beßanbelt, währenb bie Steigerungsfähe 
ber Bente als Sonberlafi jeber Anftalt nerbleiben. Als BtaßftaB 
für bie Bertheilung ber gemeinfcßaftlichen Saft auf bie einzelnen 
Anftalten gilt ber BcrmögenSftanb berfelBen. Demgemäß hat jebe 
Anftalt 60o/ 0 ihres BermögenS unb 60% ihrer laufenben Gin* 
nahmen für bie 3n>ecfc ber gemeinfcßaftlichen Saft aus ihrem Ber* 
mögen auSgufonbern. 

Die Annahme beS GrunbBetrageS ber Bente als Ausgangs* 
punft für eine Beform in ber Bertheilung ber Bentenlaft hat un* 
leugbar eine gemiffe Berechtigung. Der fefte Grunbbetrag oon 
60 c Ai, welchem fein Aequioalent an Beiträgen gegenüberfteht, Be* 
Iaftet bie Anftalten mit hohen Bentengiffera in unoerhältnißmäßig 
höherem ffßaße als bie Anftalten mit niebrigen Bentengiffern. Boch 
ungünftiger wirb baS Berßältniß Bei Anftalten mit oorwiegenb 
niebrigen Soßnflaffen, alfo Bei ben Anftalten mit oorwiegenb Iänb* 
liehen Diftriften. Gerabe biefe Anftalten ftnb es eben, gu beren 
Gunften eine Aenberung in ber Bertheilung ber Bentenlaft für 
nothwenbig erachtet wirb, ©irb man inbeffen auch ber BafiS für 
bie Beform guftimmen fönnen, fo muß man boch biefe 3uftimmung 
ber weiteren Ausführung oerfagen. Bach ber Booeffe ift gunächft 
ber Grunbbetrag gang wefentlich erhöht; er Beträgt nicht mehr 
gleichzeitig für alle Benten 60 <At, fonbern in 

9ol)nMaffe I . . . 60 M. 

II . . . 90 * 

= III . . . 120 = 

= IV . . . 150 = 

= V . . . 180 - 

AnberfeitS ftnb bie Steigerungsfähe ber Benten fefjr wefent* 
lieh oeringert; fie Betragen in 

Öolmflaffe I . . . 2 Sf (früficr 2 Sf) 

• II ... 8 * ( * 6 - ) 

III ... 4 - ( * 9 * ) 

IV ... 5 - ( * 13 * ) 

V . . . 6 * 


Da nun noch außerbem bie Altersrente Iebiglich aus bem 
GrunbBetrage ber 3noaIibenrente Beftehen foE (abgefehen oon bem 
BeicßSgufdhuß), mithin gang gur gemeinfchaftlidhen Saft gehört, fo 
umfaßt bie gemeinfthaftlithe Saft nicht oiel weniger als 
bie gefammte Bentenlaft. Die an fid) Berechtigte Grunblage 
ber Beform ift bur<ß bie oeränberten Beftimmungen über bie 
£>öße beS GrunbBetrageS unb ber SteigerungSfäfce oollftänbig oer* 
fchoben. 

Auch bie Annahme beS BermögenSftanbeS als BtaßftaB 
für bie Bertheilung ift nicht annehmbar, weil nicht gerecht. 3n 
bent gegenwärtigen BcrmögeitSftanbe fommen nicht Iebiglich eingelne 
günftige Berhältniffe ber AnftaltSbiftrifte gutn AuSbrncf; hier haben 
auch rationelle BerwaltungSgrunbfäfce einen nicht unwefentlicßen 
Ginfluß auSgeüBt, wie eS umgefeßrt außer 3n>eifel ftefjt, baß g. B. 
ber ungünftige BcrmögenSftanb ber Anftalt Dftpreußen nicht un* 
oerfchulbet ift. Der überaus günftige BermögenSftanb einzelner 
Anftalten Beruht natürlich gu einem großen Dheil auf ber nie* 
brigen Bentengiffer. Die Bei biefen Anftalten oerficherten 
Sßerfonen erhalten alfo Bei ©eitern nicht oon ber Anftalt 
baS ihren Beiträgen entfprechenbe Aequioalent an Sei* 
ftungen, währenb bie Anftalten mit hohen Bentengiffern 
ihren Berficherten in oollem 9Baße biefeS Aequioalent 
gewähren fönnen. Das Baturgcmäße ift, baß unter biefen Um* 
ftänben bie erfteren Anftalten oerfueßen, ihren Berficherten auf 
anberem ©ege, als burdf) BentenBewilligungen, wenigftcnS einiger* 
maßen gerecht gu werben. Dicfer ©eg Bietet fich in fehr glücflicßer 
©eife burth bieBtöglicßfeit bcrGewährung ber oorBeugenbenSfranfen* 
fürforge, welcher ber inbuftrielle, inSbefonbere ber großftäbtifeße 
Arbeiter in erhöhtem Btaße Bebarf. Diefen ©eg haben beim auch 
faft alle biefe Anftalten cingefcßlagen. ©ollte man aber ben Be* 
ftimmungen ber Booeffe folgen unb ben größten Dheil beS Ber* 
mögcnS unb ber Ginnahme gur Decfung ber gemeinfcßaftlichen 
Bentenlaft oerwenben, fo würbe baS oon ben Beteiligten Arbeit* 
geBern unb Arbeitnehmern als eine fehr ungerechte 9BaßregeI 
empfunben werben unb es ben Anftalten unmöglich machen, 
in bem Umfange, wie eS burchauS nothmenbig unb 
wünfdfjenswerth ift, bie örganifation ber £ranfenfür* 
forge burchguführen. 

Gincn gerechten Ausgleich auf ber oben gugeftanbenen Grunb* 
läge wirb man nur auf folgenbe ©eife erreichen fönnen: Die Bis* 
herige Beftimmung, wonach ber Grunbbetrag für alle 3 m>alibenrenten 
gleichmäßig 60 <Ai Beträgt, Bleibt Beftehen;*) bie Bisherige Alters« 
rente wirb in eine Qnoalibenrentc ber Siebzigjährigen umgewanbelt. 
Diefer Grunbbetrag gilt als gemeinfchaftliche Saft, fo baß fich alfo 
bie Bente gufammenfeßt 

a) auS bem BeicßSgufcßuß oon 50 Jt, 

b) auS einem feften Betrage oon 60 J(, welcher oon allen 
BerficherungSanftalten gemeinfchaftlich getragen wirb, unb 

c) aus bem SteigerungSfaße, welchen jebe BtrficherungSanftalt 
für fich trägt. 

Als BlaßftaB für bie Bertheilung gilt bie 3&hl ber in beut 
Begirfe jeber BerficherungSanftalt oorhanbenen oerficßerungSpflicß* 
tigen Sßerfonen, fo baß bie gemeinfchaftliche Saft gewiffermaßen 
bireft auf ber Gefammtßeit ber Berficherten ruht. Diefe 3ohl wirb 
alle fünf Sahre oom BunbeSrath auf Grunb ber BolfSgählung 
feftgefeßt. Dicfer BertheilungSmaßftaB hat noch ben Bortheil, ba| 
jebe Anftalt Bemüht fein wirb, alle Berfid^erungSpflichtigen gur Ber* 
ficßerung h^angugiehen, ba jeber BerßcherungSpflichtige ißten An* 
theil an ber gemeinfcfjaftlic^en Saft oergrößert. Bach einer Be* 
rechnung, welche ich am ftatiftifeßen Bureau ber Berfid^erungSanftalt 
Berlin habe auffteHen Iaffen, würbe bie ©irfung biefer SBaßregel 
für bie Sah** 1891/95 folgenbe fein:**) 


*) £ie feBr wiinfchcnSwerthe Grhöhung ber Beuten wirb Bcfier 
burcf) eine Grhöhung ber ©teigerungsfäfee erreicht, wie bieS auch 
ber Gutwurf gur erften Booclle Beftiinmte. 

**) Bei ber Berechnung ift als STOaßftaB für bie Bertheilung, Mangels 
anberer Beftimmter Unterlagen, bie ^ahl ber oerfauffen Bcitragsmarfeit 
angenommen worben. 






85 


Sogialc BrogiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. Sir. 4. 


86 



Unter ^ugrunbelrgung etneS ®runt* 
betrcißcö oon 60 M. foiool)! ffic filterS* 
mitcn rote gnooltbenrenten mürben bic 
SRentenbelafiungen ber ncbenftc^enbcn 
«nftoltcn für bte Sa^te 1891 bi£ I89n 
fl<h ocrtfjeücn: 

d) fclfferenj 
trotföen ben 
Selafiungen 

in b unb c 

für 1891 bit 
1895 iufam* 
mengered)net 

(-) roe*]| 
ntger r 

(+)mef)t Jl 
(3 n Xaufenb 
Warf.) 

e) Bet* 
mbgentlage 
ber Betfidje* 
rung«* 

an Halten am 

l. ganuar 

1896 

(+ Ueber* 
fd)ufs 

—Sefilbetrag) 
nach ber 
£entfdjrtft 
iur erften 

ftooelte. 

(gnXaufenb 

Warf) 

a) Saften in 

Solgceteige’ 

rung burc^ 

Warten. 

(Hbgenmbet 

tu Zaufenb 

Wart.) 

b) Saften tn 

ftolge ber 

@nmb* 

betraget. 

(«bgerunbet 

in Zaufenb 

Wart.) 

c) «ert$el* 
lung ber 
Saften bet 
@rmtb< 
betraget im 
Otrfyältnifi tu 
ben oer» 
tauften Sei- 
tragtmarten 
lebet ftnftalt 
für bie gafjre 
1891 bl« 1895 
lufamnten be® 
redpiet. (9iad) 
bem 2)urtb- 
fdjnitt von 
1891 blt 1895 
abgerunbet 
in Xaufenb 
Wart) 

1. DfKpreugett . 

213 

5456 

3366 


3 090 

- 5302 

2. Söeftpreugeii. 

348 

2 329 

1 675 

— 

654 

4 1 345 

3. Berlin. . . 

537 

834 

2918 

4- 

2084 

4-20001 

4. Branbenburg 

1 112 

5 108 

8 908 

— 

1200 

4- 8 228 

5. B ommern . 

559 

2 332 

2 084 

— 

298 

4- 8 903 

6. Bofen . . . 

315 

2 991 

2 087 

— 

904 

4- 1622 

7. Scglcfieit . . 

689 

8 142 

6 647 

—. 

1 495 

4- 10 745 

8. 3ad)fen®8ln® 







halt . . . 

1 163 

3 976 

3 981 

4- 

5 

4-12 196 

9. Schleswig® 







ßolftein . . 

981 

2 563 

1 761 

— 

802 

4- 3 602 

10 . $annooer . 

1 066 

3 847 

3 104 

— 

748 

4 - 6 260 

11 . Scftfalen. . 

825 

2 585 

2 965 

4- 

380 

+ 11 560 

12 . $cffcu*9taffau 

467 

1487 

2 074 


587 

4- 8 695 

13. Stgeraprontitg 

2069 

4906 

6022 

4- 

1116 

4 25733 

14. £}berbai)cm . 

377 

1 421 

1449 

4- 

28 

4- 4 196 

15. Sticberbatjeru 

179 

1 228 

605 

— 

623 

— 554 

16. Bfalj • • • 

181 

718 

731 

4- 

13 

4- 2 442 

17. Dbcrpfnlg . 

118 

719 

479 

— 

240 

4- 277 

18. C'bcrfranfcn . 

66 

717 

519 

— 

198- 

4- 648 

19. Btittdfranfen 

130 

591 

911 

4- 

320 

4- 3 963 

20 . lluterfranfen. 

72 

560 

472 

— 

88 

4 864 

21. Schwaben . 

167 

672 

718 

4 

46 

4 2 143 

22. ^gr. Sachten 

830 

3225 

5963 

4- 

2738 

-f- 29231 

23. Württemberg 

399 

1637 

2 200 

4- 

563 

4- 8 392 

24. Baben . . . 

407 

1 491 

2 080 

4 

589 

4- 8 845 

25. Eronb. ©offen 

272 

1009 

1249 

4- 

240 

4- 4 595 

26. BeccHenburg . 

434 

1 465 

l 183 

— 

282 

4- 1 866 

27. 2g bringen . 

300 

1 296 

1 788 

4 

492 

4- 6 484 

28. Dlbeuburg . 

53 

252 

312 

4- 

60 

4 - 1410 

29. Braunfcgwetg 

181 

498 

711 

4 

218 

4- 2 757 

30. ©anfeftäbte . 

381 

561 

1814 

+ 

1253 

4-13002 

31. Elfag®2otg® 







ringen . . . 

786 

1 863 

1 748 

4- 

115 

4- 5 939 


15 672 

66 474 

66 474 




$us bcr Tabelle ift gu entnehmen, bag bie SBirfuug ber S)tag® 
nähme bie erwünfegte ift: $)ie gegenwärtig notgleibenbcn 
Slnfialteu, inSbefonbere Dftpreugen unb SHeberbagern, 
werben entlaftet, wägrenb bie finangiell am beften ge* 
ftellten Slnftalten, inSbefonbere Berlin, Sfgeinproüing, 
Königreich 6acgfen unb $anfeftäbte eine nicht unwefent® 
Vxfyt Betaftung erfahren. Dftpreugen mürbe in ben erften 
5 fahren eine Entlaftung uon 3 SMionen erfahren gaben, fo bag 
ber Fehlbetrag non 5 auf 2 SJUflionen ^erabgefefet wäre, roährenb 
bei Siieberbagem ber Fehlbetrag nollftänbig gebeeft ift unb fteg in 
einen Uebetfcgug nermanbelt. 

gjlit biefem Ausgleich foH man fi<h begnügen, er entfpriegt ber 
©erechtigfeit unb Billigfeit. Sollte man aus ben beseitigen Ber® 
hältniffen bei ben einzelnen BerfidjerungSanftalten enbgültige Schlüffe 
für bic fünftige Entwicfelung giegen, fo märe bas oerfrügt unb 
oerfehlt. F<h gäbe bie Uebergcugung, bag, trofe aller ftati® 
ftifcf)cn Berechnungen, fich bie Bergältuiffe fcf)on in furger 
3eit mefentlich änbern werben. Dftpreugen feufgt hauptfäcg® 
lief) unter bcr Vaft ber 12 218 Altersrenten, melrijc im erften S«hre 
beSBeftegenS beS ©efegeS beroiÜigt mürben, tiefer erfte unb ältefte 
Stentenbeftanb roirb aller BorauSficgt nach in wenigen Fahren abge¬ 


wogen fein. @o finb benn auch in ben beiben legten Fahren 1480 
unb 1540 Stenten in SBegfall gekommen unb bis Enbe 1897 finb non 
bern gefammten Stentenbeftanbe non 23 675 nicht weniger als 9409 
in SBegfall gefomnten, fo bag ber Beftanb nur noch 14 266 beträgt. 
2>ie 3 a hl ber Altersrentenbewilligungen ift oon ber enormen 3 a hl 
oon 12 218 im erften Fahre auf 2246 im gmeiten Fahre unb auf 
986 im Fahre 1897 gefunden. Fa, ber gefammte Stenten® 
beftaitb hat oon 1896 auf 1897 fegon einen Abgang oon 
558 Stenten erfahren, roährenb bei Berlin ber Stenten® 
beftanb immer noch im steigen begriffen ift. Stoch weit 
bebentfamer finb bie Bergältuiffe bei ben Faoalibenrenten. And) 
hier ift nämlich oon 1896 auf 1897 fchon ein St ü cf gang in ber 
3ahl ber Stentenberoilligungcn (oon 4108 auf 4000) eingetreten, 
roährenb g. B. in Berlin bie (Steigerung eine fegr erhebliche mar 
(oon 868 auf 1360). SDtan fann aus biefeu Angaben er® 
meffen, welche Berfcgiebungen in ben Stentenuerhältuiffen 
ber beiben Anftalten uorauSfichtlicg im nächftert 2)egen® 
niuin cintreten werben. Um fo mehr follte man eö oermeiben, 
berartig tief eingreifenbe Beränberungeu, wie fie ber Entwurf oor® 
fieht, fchon fegt bureggufitgren. 

$>ie gier oorgefcglagene Aenberung in ber Bcrtheilurtg ber 
Stentenlaft wirb groeifclloS mefentlich gur Entlaftung ber notg® 
leibenben Anftalten beitragen. ÜJtan begnüge fi<h hiermit unb 
warte bie weitere Gntmicflung ab, bic bureg bie in ber StooeHe 
oorgefehene Drganifationsreform groeifelloS in ber günftigften Söeife 
beeinflußt werben wirb. 

Berlin. Dr. jur. Sticharb Freunb, 

Boiftgcnber ber FnualtbitätS® unb Alters® 
uerjtcgerungS-Anftalt Berlin. 


Ue|trebuugen ber CBewerbaerelne in dnglnnb. 

^em Beobachter ber ©ewerfocreinSbewegung in Englanb tann 
eS nicht entgehen, bag in ihr gegenwärtig gmei ®iitge alle Auf® 
merffamfeit für fith in Anfprucg nehmen. Feber Bericht, jebes 
Aftenftiicf, baS ein ©ewerfoerein oeröffentlidjt, jebe 3afammenfunft 
geroerffdjaftlid) organifirter Arbeiter gehen in ber Erörterung ber 
Fragen ber Berbünbung bcr ©croerfoereine unb ber pariamen® 
tarifegeu Bcrtretung auf. $>aS fmb bie ©egenftänbe, bie ftch oon 
felbft ber Betrachtung ber ©eroerfoereinSwclt aufgwingen unb bie 
Behanblung ober Erlebigung in ber nagen 3ufanft ocrlangen. Fh rc 
SBicgtigfeit mag ben BeVfucg rechtfertigen, igre Entfiegung gu er® 
ftären unb igre mutgutaglicgen Ergebniffe abgufegägen. 

Stegmen wir gunäcgft bie wichtigere Frage, bie ber Berbün® 
buna ber ©emerfoereine, fo finben wir, bag gwar ber ©ebanfe 
minbeftenS bis gum Fagre 1834 gurücfreicgt, bag aber neuere Er® 
eigniffc erft ign wieber aftueß gemacht gaben. SJiitten in bem 
gornigen Scgmerg, ben in ben Steigen ber ©ewerfoereinler bie 
Stieberlagen ber Sßafcgincnbauer unb ber SBaHifer Bergleute in 
igren legten Kämpfen gegen bie feftgefcgloffeuen Arbcitgeber®Drgani® 
fationen geroorriefen, befürworteten einige Freifcgärler ber Be® 
wegung gefegäftig bie Bereinigung aller ©emerfoereine beS VanbeS 
in ein eingiges grogeS BkrEgeug beS Kampfes. Berfcgiebene Bläue 
gur Erreichung biefeS 3telcö würben entworfen unb oerbreitet, unb 
bie Fbee geigte fieg in foldietn Steige, gerabe in einer 3eit äugerfter 
Stiebergefdjlagengeit, bag fie bie groge SJtaffe ber ©ewerfoereinler 
förmlich beganberte. ®ie Folge war, bag ber legte ©ewcrfoereinS® 
Kongreg in Briftol fug auf baS giemlidb nebelhafte Briitgip oer® 
pflicgtetc unb einen Sonberfongreg für Anfang näcgften FagrcS 
mit ber Aufgabe betraute, einen Blart für folcgen ©ewerfoereins® 
bunb gu erwägen unb gu befdgiegen. 

Slber bie praftifcgeit Sd)wierigfciten auf bem Bkge gu biefem 
3iel fittb gu grog unb gu Har oon ben oerantmortltdjeu Seitcrn 
ber ©ewerfoercinSbeweguug erfaunt, als bag ber Moitgrcg irgenb 
einem Borfd)lag guaeftimmt hätte. *3)ie weit auscinanberliegenbeit 
Fntereffen unb SJtetgoben ber oerfdjicbcncn ©cwerfoereiuc, bie Hu® 
möcjlidjfeit, bie gnangiclle BafiS eines berartigen Buitbeö in einer 
Söeife gu orbnen, bie guglcid) ben godigelögnten Bauntwollfpiuncrn 
unb Äteffelmad)eru annehmbar unb für bie fd)lcd)tbegaglten uuge® 
lernten Arbeiter fein .^inbernig wäre, bie llnthuuliihfcit, in einem 
Eentralbureau 3 e ^ unb llmftänbe feftgufeOeu, wann unb wie jeber 
©ewerfoereiu eine Berbefferung feiner Vage anftrebeu fall all 






87 


Sogtale Prajis. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 4. 


88 


bic^ ift befannt unb wirb zweifellos näWfteS Sah* auf bem $oit* 
grefe mit ber ganzen Autontät oorgebraWt werben, bic bcn Sers 
trauenSmänuern ber ©cwerfoereine gur 0eite fteht. ®iefc hoW s 
fliegenbcn ©ebanfen allgemeiner Arbeitsarmeen fmb fWon feit langer 
3eit oon ben ©ewerfuereinSbeamten aufgegeben unb ebenfo non 
bcn ernfteren Rtitgliebern. 

©ährenb fo bie 3&ee eines gewaltigen StampfbunbeS trop 
i^rer Popularität bei ben Waffen fWwerlid) irgenbtoelWe erhebliche 
fyortfWrittc gur BerwirfliWung machen mirb, fann anbererfeits fein 
3ioeifcl bariiber beftetjen, bafe bic gorberung eines 3 u fawtnen* 
fWIuffeS in irgenb einer gorm auf einem bringenben Bebürfnife 
ber ©emerfocreittSbcmegung beruht. £>err unb grau 0ibnep ©ebb 
haben in ihrem Suche „Industrial Democracy“*) gegeigt, raeldjen 
Erfolg bie Bereinigung ber Drganifationen im Tejtilgemerbe unb 
im Bergbau gehabt hat- Seber grofee Arbeitsfampf bemeift bie 
Rothmenbigfeit einer ÄörperfWaft, bie über bie 3ntereffen berjenigen 
Tpcile ber ArbeiterfWaft macht, bie nicht bireft in ben $ampf oer* 
roicfelt, aber oon feinen RaWtheileti betroffen finb. 3 u & em ift es 
flar, bafe gmar bie Art unb ©eife eines ©ewerbebetriebeS jebeS 
eingelue, in ihm oertretenc ©ewerf nöt^igen fann, einen befonbercn 
Bcrufsoerein gu erhalten, um feine eigenen Qntereffen gu bcforgeit, 
bafe aber glcid)geitig hoch ein beträchtlicher Refi oon Qntereffen 
bleibt, bie allen in ber Snbuftrie befWäjtigten Arbeitern aemeinfam 
ftnb. 0o forbern unb erhalten g. 33. tu ber Tejtilinbuftrie bie 
hodjbegahlten, trefflich gcfchulteit 0pinner eine Drganifation, bie 
oöllig oon ben färglid) gelöhnten unb faftifW ungelernten $ar* 
bätfd)en*Arbeitern getrennt ift. Tropbem arbeiten fte alle, fo oer* 
fdjieben Lohn unb ©efchidlich^it fein mögen, hoch in einer 
gabrif; ihr Arbeitsheim, ©efunbheit unb Sicherheit ihrer ArbeitS* 
ftätten unb manche anberen ArbeitSbebingungen finb gleich für alle 
unb oon berfeiben Bereinbarung mit ben Unternehmern ober bem* 
felbett ©efep geregelt. Um biefe ArbeitSbebingungen gu erhalten 
unb gu oerbeffern, bie für alle 0eftionen eines ©emerbes gleich 
finb, mirb eine Bereinigung aller ©ewerfe ber Snbuftrie nöthtg. 

Tiefe ©runbforberung erflärt baS ©ad)3thum ber gegen* 
märtigen Bewegung nach bem 3**1 einer göberarton. Augeitblicf* 
lieh hat groar bic Strömung ft<h oon bem ©ebanfen eines unge¬ 
heuren BunbeS aller Arbeiter führen laffen, bie ohne ilnterfdjteb 
fich bie f>anb reichen, um ben Unternehmern gu tropen. Aber biefe 
ausfehmeifenben gbeen roerben halb oergehen, unb ich hin über* 
geugt, bah auf bem näWften ilongrefe bie Erörterung biefer grage 
nicht in ber Annahme irgenb eines 0chema oon einem Unioerfal* 
bunb enben mirb, fonbern in ber görberung ber Errichtung oon 
©cmerfoercinSoerbänben nach Snbuftrien. Tiefe Drganifationen 
mit ihren Erfolgen für bie Berbcfferung ber Arbeitsregelung unb 
für bie Erhaltung beS griebenS in ber Snbuftrie finb Aufgaben, 
bie roohl beS EhrgeigeS gewerfoereinliWer 0taatsmannfchaft 
roürbig finb. 

Tafe gute Ergebniffe fWliefeliW aus ber anberen, gur 3^it in 
bie ErfWeinuug treteuben Entwicfelung ber ©emerfoereinSthätigfeit 
entfpringen werben, bas ift nicht fo leicht mit 3noerfiWt «gu fagen. 
Ursprünglich ift bie Bewegung oon ber Aftion einer tljatfräftigen 
Abtheilung ber fogiatiftifd)en Partei in Englanb auSgcgangen, bie 
unaufhörlich, gu 3eit unb Ungeit, bie Rothwenbigfeit oon Arbeiter* 
abgeorbneten im Parlament geprebigt hat. Aber fie hat eine gang 
unerwartete ©enoung genommen. ©aS jene 0ogialiften beab* 
fidjtigten, mar ungmeifelhaft, bafe fie felbft bcn Sfanbibateit auf* 
jtellen unb ben 0ip erobern wollten, währenb bie ©emerfoereinler 
fich bamit begnügen füllten, bieS Borgehen mit ihren 0timmen 
unb Beiträgen gu unterftüpen. Tiefer recht naioc Borfdjlag finbet 
natürlich wenig Anflang. Auftattbeffen fehen wir, wie bie grofeen 
Serciuc allmählich gu bem Entfdjlufe fomrnen, fid) felbft eine Ber* 
tretnng im Parlament gu fiebern unb einen ihrer Beamten als 
itanbibateu aufguftelleu. 0eit langer 3eit finb bie Bergleute fo im 
Unterhaufe oertreten, unb oor ein paar Qahren hat fid) ber grofee 
Ratiotialocrein ber SWupmaWer gu einem ähitlidjen 0chritt ent* 
fchloffeu. Bor fturgem ift ber Q'ahresfongreh beS Bereinigten 
EifenbahueroerbaitbeS gu gleichem Eutfd)lufe gelangt (oergl. „Soziale 
praris" 3a£)*g- VIII 0p. 44) unb bie Angelegenheit wirb etfrig 
oon anberen Bereinen erörtert. 

©aS wirb bei biefer unerwarteten ©enbung ber Tinge heraus* 
fommeu? Sermuthlid) feljr wenig. ES ift Ieid)t getfean, bafe ein 
Aatl) ober eine Telegirtenoerfammlung beS ©emerfoereinS be* 
fd)lieht, biefer ober jener Beamte foH parlamentsmitglieb werben, 

I Tcutfd) unter bem Titcl .Theorie unb pran-ö ber eiupifdieu 
(sUMUcrfuereine", iiberfebt oon (5. \Migo, im Berlage uon o- V- ©. Ttet> 
Badif., Stuttgart, erfiljicnen. 


unb bie Btittel bagu bewilligt. 3lber es ift gang was AitbereS, 
einen ©ahlfrciS gu finben, ber ©iUenS ift, ben Stanbibaten angu* 
nehmen unb gu wählen. ÜDHt Ausnahme einiger Bergbau* unb 
Tejtilbiftrifte unb oielleicht noch eines ober gweier Begirfc, wo eine 
3nbuftrie ftar! lofalifirt ift, giebt es feine ©ahlfreife, in benen 
irgenb eine 3nbuftric bie Mehrheit aller ©ähler befifct. ©ährenb 
g. B. bie Eifenbahner einen gut organifirten naäonalen Berein mit 
mehr als 70 000 üDtitgliebern haben, ift eS feljr gmeifelhaft, ob 
auch nur fooiel wie 1000 oon ihnen in einer 0tabt anher Conbon 
wohnen; oermuthlich finb noch feine 500 in irgenb einem ©ahl* 
freis anfäffig. 0o ift nirgenbS ein „fixerer 0ip" für ben Ber* 
einSfefretär, noch fann er pch c ' n Bfanbat einfad) nur als Eifen* 
bahncr oerfchaffen. Er muß alfo einen ©ahlfreis fuchen, beffen 
©ähler allen möglichen Berufen angehören, unb er taufe biefe 
übergeugen, bafe er ihre Sntereffen ntinbeftcnS ebenfogut fennt als 
bie ber Eifenbahner unb aufeerbent noch beftimmte Anfichten über 
bie oerfchiebenften Stagen oon allgemeiner Bebeutung befipt. 0o* 
halb er bieS aber thut, ift er nicht länger ber 0pegialoertreter ber 
Eifenbahner, unb eS liegt fein erfichtlicher ©runb oor, warum biefe 
für feine ©a()l Beiträge gahlen füllen, unb noch weniger ift ©runb 
oorhanben, warum er über anbere Hanbibaten fiegen füllte, bereu 
Aufwallungen in allen anberen Tingen als Eifeitbahnfragen mehr 
in llebereinftimmung mit ber Steifheit ber ©ähler ftefeen. 0o 
grofe fmb biefe 0«chwierigfeiten, bafe ber ©eneralfefrctär beS 0<hah s 
tnad)eroereins, einer ber fäf)igften ©ewerfoereiusführer, jüngft bie 
Aufforberung feiner ©efellfch'aft, gu fanbibiren, ablehnen rnufete, 
weil er fah, bafe eS für ifen unmöglich war, in einem ©ahlfreife 
mit irgenb welchen AuSftchten auf Erfolg aufgutreteu. 

$nrg, biefer 0trömung im ©emerfuereinSwefen ift gegenwärtig 
fein ©elingen befdjieben. Tie erfte Bebingung für Parlaments* 
oertretung in Englanb ift baS Borhaubenfein einer ftarfeu totalen 
Drganifation im ©ahlfreife. Tiefe befipt bie ©ewerfoereinS* 
bewegung nirgenbS, unb eS ift barutit oergeblich, ^anbibaten aus* 
guwahlen unb ©elb für ihre Ausgaben gu bewilligen, währenb fie 
ihre ©ahl nur baburch erreichen föitnen, bafe fie baS Enbgiel auf* 
geben, für baS fie auSerfehen waren. 

0o ift oon ben beiben 0trömungen, bie gegenwärtig bie 
©ewerfoereinSwelt befeerrfchen, bie auf Söberation gerichtete guglcid) 
bie h ü ff lu ntgSooQfte unb nitplichfte Dichtung beS SortfchrcitenS. 
©enu bie fd)wärmerifchen Theorien unb Qbeen oon 1834 auf* 
gegeben finb, wie bas bei ber Prüfung burch bie fühlereit Möpfe 
in ber Bewegung halb ber jall fein wirb, fo biirfen wir erwarten, 
bafe bie jept auf jene Pläne oerfWwenbete Energie fid) ber Er* 
rieptung begrettgter Berbänbe in all ben grofeen Snbuftrien 
wibmet. ©eit baoon entfernt, eine ©efapr für bic Unternehmer 
ober baS ©emeiitwefen gu bitben, forgen biefe Berbänbe für bie 
BerooHftänbigung beS S'tiiftgeugeS, baS auf gütlichem ©ege ArbeitS* 
ftreitigfeiten behaitbelt unb beilegt. Anbererfeits ift bie gange Bor* 
ftellung parlamentarifcher Bertretung, wie fie gegenwärtig bie ©e* 
werfoereine befepäftigt, falfd) unb hoffnungslos. Natürlich fann 
hier unb ba ein eingelner ©cwerfoereinSmann einen ©aplfip er* 
langen, itibem er fid) gu ben Anfchauitugen einer ber beftehenben 
Parteien befennt. Aber es wirb noW für lange 3ah*e feine ©ewerf* 
oercinS* ober Arbeitspartei im Unterhaufe geben — Tanf jener 
BercinSfreiheit, bie ben Arbeitern geftattet, ihre Kräfte ber Serooli* 
ftäubigung ihrer Drganifation, ber Berbefferung ihrer ArbeitS* 
bebiugung unb ber §ebung ihrer Lebenslage gu toibmen. 

Lonbon. 5. ©. ©alton. 


Allgemeine Soital- nnb SBiet^djaftspolitih. 


Suternationaler 0ogialftatiftifWer Tienft* 

AuS ©ien wirb uns gefWrieben: „3m öftetreiWifWen Ab* 
georbnetenhaufe hol Dr. Lecper, Abgeorbneter ber Sobnftrieftabt 
Brünn, ben Antrag geftcHt, bic öfterreiWifW e Regierung fei aufgu* 
forbern, fiW mit ben Regierungen ber intereffirten 0taaten, gunäWft 
mit ber fWweigerifWen BunbeSregieritng in baS Einoer* 
nehmen gu fepen, um ein internationales fogialftatiftifd)cS Amt ins 
Leben gu rufen. Tie meiften Beftrebnngen gur AuSgeftaltung beS 
ArbeitSfWupeS fänbeu, fo wirb in ber Begrüitbung beS Antrages 
gefagt, ihre ©renge an ber Slonfurrengfähigfeit ber 3»buftrie 
gegenüber bem AuSlanbe. Tie fogiale ©efepgebung auf bem ©e* 
biete ber Subuftric utnife baber ftets bie internationalen Berhält* 
niffc im Auge behalten. Tie Erfeuutuife ber fogialeit Bcrhältniffe 
uub ©efepgebung beS AuSlanbcs bilbe bespalb eine ber widjtigften 
Duelleu nuferer eigenen fogialcn ©efepgebung. 3» anberen Staaten, 



89 


Sogtöle $ra£t*. Eentralblatt für Sogialpolitif. Ar. 4. 


90 


namentlich in bcr Schmeig, feien benn and) Begebungen giir 
Schaffung eilten internationalen fogialftatiftifdjen Amtes henmr* 
getreten, beffen Aufgabe in ber Sammlung unb Vermerihung 
fogiplpolitifd)er Gefepe unb Gefepentmürfe aller Sänber, ber Aus* 
funftSertheilung an Regierungen unb SßarlamentSauSfchüffe in Sin* 
gelegenhciten beS ArbeiterfdjnpeS, in ber Verfaffung oergleichen* 
ber fogialftatiftifchen 33ericf>te unb ber Vorbereitung oon Stongreffen 
für Arbeiterfchup unb Arbeiteroerficfjerung, foioie allen jenen Vtop* 
nahmen hefteten fotten, welche eoentuett ber Anbahnung einer auf 
Grunb oon StaatSoerträgen gu begrünbenben internationalen Sfr* 
beiterfcpupgefepgebung bienen fotten. $)ie Errichtung eines folgen 
Amtes fei eine hodpidjtige internationale Shilturaufgabe, beffen 
Vermirflichung überbies nur geringe Soften oerurfacpen mürbe." 

©ir erinnern baran, bag ähnlidje Anregungen, bie ibrerfeits 
mieber in bem internationalen Arbciterfdjupfongreh gu Berlin 1890 
murgein, auf bem $ongrefc in 3örid^, (inbe Auguft 1897, unb auf 
bem Sfongrep in Briiffel, Anfang Oftober 1897, beifällig auf* 
genommen roorben finb. 3m 9Rai 1898 (oergl. „Soziale ^rayiS" 
3a^rg. VII 6p. 888) gab ArbeitSminifter RpffenS in ber belgifcften 
Abgeorbnetenfammer bie Erflärung ab, Belgien habe in Solge beS 
Britffeler ÄongreffeS befc^Ioffen, allein unb auf eigene Soften eine 
oergleichenbe Sammlung ber Gefepe, Verorbnungen unb AuS* 
führungsbeftimmungen über ArbeitSgefepgebung in ben oerfcfjiebenen 
Säubern gu oeranftalten unb gu oeröffentlidjen. Es mürbe babei 
in Au$fid)t gefteHt, bap ber erfte Banb biefer 6ammlung noch oor 
Gnbe biefeS Saftes erfdfjeinen merbe. 6elbft menn bieS Unter* 
nehmen gur Ausführung gelangt, mürbe bamit ber oiel meiter* 
gepeiibe, umfaffenbe $lan, ber in bem Antrag Setter mieber auf 
bie SageSorbnuttg gefegt mirb, nicht hinfällig. 


m , ©efdfetb beS preupifdjen GifcnbatjmmtufterS att ben Verein 
für Sogialpolitif. ©ie früher mitget^eilt, hatte ber Verein für 
Sogialpolitif bie Vfitmirfung ber Eijenbahnbehörben bei ber oon 
ihm befd&loffenen Erhebung über bie ArbeitS*, Sohn* unb SebenS* 
oerhältniffe ber Eifenbahn*Unterbeamten unb Arbeiter erbeten. 3« 
De ft erreich ift ein guftimmenber Vefcheib gegeben morben, in 
^ßreupen bagegen hat ber Viinifter, mie mir in Ar. 1 ber „Sogialen 
$ra;ri$" oorauSfagten, baS Erfuchen abgelchnt, ba er „grunbfäplich 
auper Stanbe" fei, folgen Anträgen gu entfpredjen. Aa<h bcr 
„Leitung beS Vereins beutfdfjer Ei|enbahn*Verroaltungen" fott ein 
fachlitheS Bebürfnip gu foldjen Erhebungen für ben preupifdfjen 
Staatsbapnbereid) umfomeniaer anerfannt merben, als bie Ver* 
maltung in ben Etats foroohl mie auch namentlich in ben Berichten 
über bte Ergebniffe beS Betriebes alljährlich ein ausführliches 
Material über bie AnfteHungS* unb EinfommenSoerhältniffe ihrer 
Bebienfteten, über bie Sfrenft* unb Aupegeiten, bie beftehenben ©opI* 
faprtSeinrichtnngen jc. befannt gebe. AuS Eifenbapnfreifen mirb 
uns bagu gefdjrieben: „$>iefe Auffaffuttg ift iufofern irrig, als baS 
ermähnte. Material bie betreffenben Angaben befanntlidh gang fum* 
marifch enthält unb im Eingelnett nach feiner Dichtung hin bie 
für bie llnterfucpungen beS Vereins für Sogialpolitif erforberlicpen 
Unterlagen liefert. 3)ie Weigerung beS preupifepen ©inifterS, igre 
Befcpaffung auf anberem ©ege gu ermöglichen, ift um fo bebauer* 
lieber, als eS banach leicht ben Anfcpein geminnen fann, bie 
preupifepe Staatsbapnoermaltung habe, im Gegenfap gur öfter* 
reiepifepen, eine eingepenbe .^larfteüung ber Sage ihrer Bebienfteten 
xu ftpeuen, mäprenb bo<h nach nuferer Äenntnip ber $)inge eher 
baS Gegentpeil gutrifft." — Auper fi<h oor Qrcube über baS Aein 
beS EifenbapnminifterS finb bie „Bert. Aeueften Aacpr.": ES fei 
hoch an ber 3 e ih „bap enblich einmal ber fortgefegten), gum Vrin* 
heften oöllig überflüffigen, in ber Hauptfa<pe aber in popem Grabe 
nachtheiligen Eimnifcputig unberufener ißrioatfreife in bie Arbeiter* 
oerpältnifje ein entfdjiebeneS Halt gugerufen morben ift." 2)aS ift 
gang ber Stanbpunft bornirter BureaumeiSheit, mie fie oor 25 unb 
30 3ah*en ber preufeifche §anbclSminifter ©raf Shenplig bem auf 
6ogialreformen bringenben Surften Bismarcf entgegenhielt (ogl. 
6og. $ra|is 3ahrg ; VII 0p. 1299). — UebrigenS hat, mie mir hören, 
ber Eifenbahnminifter feine 3IUtmir!ung für bie gleichfalls oom 
Verein für Sogialpolitif befchloffene Untcrfuchung über bie Ver* 
hältniffe ber VLOfferftrafeen gu gejagt. 

$>te (giwfithruug ber progreffioen Einfommenfteuer in 
reich mirb bemnächft baS Parlament ernfthaft befdjäftigen. S>er 
oom Sinangminifter ^eptral ausgearbeitete SHegierungSentmurf hat 
fürglich bie Eienehmigung beS RtinifterrathS gefunben unb fott 
beim Beginn ber parlamentarifchen Seffion fofort in ber $cpu* 
tirtenfammer eingebracht merben. Er erfcheint als ein red)t oer* 
gmeifelteS tompromigprobuft. Befanutlidj hatten bie s Jiabifaleu 


bisher ftets baS ^5rojeft einer bireft auf baS Einfommen bafirten 
progreffioen Steuer propagirt, bie Öfrage beS 3)eflarationSgmangeS 
mehr ober meniaer offen laffenb. ^>ie ©emähigten bagegen oer* 
ftanben fief? im heften Satte gu einer auf bie äußeren Angehen 
ber inbioibuetten EinfommenSoerhältniffe gegriinbeten Steuerform, 
bie momöglich begreffio fein füllte. An biefer priitgipietten 3)fei* 
nungSoerfchiebenheit mar bisher auch jebes Reformprojeft ge* 
fdheitert. S)cr Entrourf s #et)tral fucht eine Sann gu finben, 
melchc beibe Parteien befriebigt. 9Fa<h ihm mirb bie eine Steuer 
eine OuantUätsfteuer fein, bemeffen nach ber SBohnungSmiethe als 
©runblage, aber erhöht nach griffen anbern signes exterieurs mie 
1. 3)ienftboten, 2. Söagen, 3. ^ferben, 4. Automotormagen, 
5. pachten, 6. SuyuShnnben. 3« öer Abfchäpung beS ©ohnuitgS* 
miethmertheS ift ber Eharafter ber SBohnung als SufuSroohnung 
zc. gu berücffichtigen. ^)er Steuerfufe, fürs erfte 3ah* auf 2, 5 0 / 0 
beS fo falfuiirten EinfommenS feftgefept, fott attjährlich burch baS 
Sinanggefep beftimmt merben. Sö r bie Berechnung beS Einforn* 
menS nach bem SBohnungSmtethmcrthc tfjeilt Sßcptrat bie ©emeinben 
in fechs klaffen mit nach ihrer Einmohnergahl mechfelnbem Eoef* 
figienten. 3n jeher ©emeinbe Rnb mieberum fünf klaffen oon ©oh* 
nungen mit entfprechenb oariirenbem Eoeffigienten angunehmeu. 
Sür ^aris g. B. finb biefe Eoöffigienten 4, 4, 5 , 5, 8 unb 10. SDer 
leptere bilbet baS ©ayimurn. ®ie auf biefe ©eife berechneten 
Einfommen merben nun um fonftante Beträge erhöht je nad) bcr 
3ahl ber 5)ienftboten, ©agen, ^ferbe 2 C. Einfommen bis gu 2000 
SrancS. bleiben fteuerfrei. Auch oon größeren Einfommen bleiben 
bie erften 2000 SrcS. oon ber Steuer ausgenommen; bie nächsten 
2000 SrcS. gahlen blofe bie Hälfte beS SteuerfapeS, ber alfo erft 
bei Einfommen oon über 4000 S r ^- aatt in Anmenbuttg fommt. 
Eine Erniebrigung beS Steuerbetrages mirb proportional ber 
^inbergahl gemährt für alle Einfommen unter 20 000 SrcS. 

Alterßpewfioweii für Arbeiter in Ettglanb* Auf bem fogial* 
politifdt)en Programm beS ©inifterS Ehamberlain fteht bie Ein* 
führuna einer AlterSoerforgung für Arbeiter unb anbere Angehörige 
ber unbemittelten klaffen an erfter Stelle, ©ir haben feiner 3^t 
mitgetheilt (Sog. VrayiS Sah^Q- Vil Sp. 1128), bafc ein oor gmei 
3ahren eingefepteS, unter Sorb Sttofeberps Vorfip taaeitbeS Homite, 
bem bie erften oorbereitenben Berathungen oon ber Regierung über* 
tragen maren, einen Bericht über oerfdjiebene Vorfdjläge erstattet hat, 
ber atterbingS nicht gerabe fehr hoffnungSoott flang. 9fo<h tiefer 
hat jefet bie Hoffnungen eine Sftebe herabgebriieft, bie EhamberlainS 
College im Mabinet, ber Schahfangier Sir Vf. Hicfs*Beadh, biefer 
2^age gehalten hat. Er erflärte runb h^auS, er habe gar feine 
Sympathie für ein Eefeh/ öaS 3eforntann in einem beftimmten 
Alter (65 3ah re ) ^ßenfionen gemähre; eS gäbe fein Vfittel, groangS* 
meife Beiträge gu erheben, für bie „Säulen unb Sieberlidjen" fei 
baS Armengefeh ba unb mer eine StaatSpenfion haben motte, müffe 
fie auch oerbienen. UebrigenS ftänben gmar bie Smangen oortreff* 
lieh, aber bie Bebürfniffe beS Staates roüthfen ebenfalls. Dh ne 
Erhöhung ber Steuern fei bas gange Sßrojeft unausführbar; eine 
Steigerung ber inbireften Steuem merbe man nicht motten unb 
eine Vermehrung ber bireften halte er nicht für gerecht. — &ie 
9tebe erfährt in liberalen arbeiterfreunblichen Blättern eine fehr 
fdjarfe ftritif als ein BemeiS bürftigfter, geiftlofer Auffaffung. 
3ugleich mirb bie .Hoffnung auSgefpro^en, bah Ehamberlain, ber 
Vertreter einer Fräftigen Sogialpolitif in ber Regierung, feinem 
Bottegen bei nächfter Gelegenheit öffentlich entgegentreten merbe. 


kommunale So|ialpolUik. 


Heber fommnnale Sogialpolitif fprach auf bem praftifch*fogialcu 
ÄurfuS beS „VolfSoereiuS für baS fatholifdje SJcutfchlanb" am 
12. Dftober in Strafcburg i. E. treffeub unb anregeub Abgeorbneter 
VechtSanmalt £. Srimborn (Jäöln). 2)ie Vfitarbeit ber Gemeinbe 
an ber Sogialreform, fo führte er nach & cr »Äöln. VolfSgtg." aus, 
heifee, fommunale Sogialpolitif treiben, ©ie ber Staat, fo tnüffen 
bie Gemeinben, bie eingelnen Vereine unb ^erforten Sogialpolitif 
treiben, ja bie Gemeinben feien in oiel hcroorrageuberem Vlafie be* 
fähigt, Sogialpolitif gu treiben als ber Staat, ^er Gegenfah 
gmifchen Ann unb Vetch trete in ben Grofcftäbten am fdjroffften 
hcroor. ^)ie fommunalen Behörben hätten eine meit engere Ver» 
binbung mit ber Beoölferung, als bie ftaatlid)en. 3n meitem Um* 
fange habe bie Gemeinbe eine unmittelbare Siirforge für bie ari 
beitenben klaffen gu treffen, ^ie Gemeinbe fei heute meift ber 
größte Arbeitgeber; fie habe beShalb in erfter Beihe, menn fie auf 
ber Höhe ber Sogialpolitif fteljeu mitt, für bas ©oljl ihrer eigenen 



92 


r 9i 


Sogiale Vrajis. ©entrolblati für Sogialpolitif. Ar. 4. 


Arbeiter gu forgcit. (Sin Dberbürgerntciftcr müfjc fic^ wie ein 
Ojrofjinbuftriellcr fühlen. Die Stabt litüffc al# Arbeitgeber für 
eine augemeffeiic Sühnung, für eine gwecfentfpred)enbe Lohngahlung, 
für eine angentcffene Arbeitzeit folgen, bie Frage ber SBc^aubluitg 
ber Arbeiter, oon Arbeitcr-An#fd)üifeH u. f. io. in Erwägung gtehen. 
Dann müffe bie Stabt Viapitahmen gunt Sdjupe ihrer alt nnb in- 
oalibe geworbenen Arbeiter treffen. (Gut eingerichtete Altert 
oerforgungen ha& c n g- 33. Stuttgart, ©reiben, ©ffeii, Viaiug. 
Solche ßiirforge erhalte ein tüdjtige#, arbeitsfrei!bigeö Verfonal. 
And) bei ber Äongeffionirung unb Vergebung ftäbhfdjer Arbeiten 
fönneu bie Vehörben gurn Sdjupe ber befchäftigten Arbeiter Vor- 
forge treffen. So h a & c man in ben Verträgen ber Verfehr#- 
anftalten in ben belgifdjcn unb frangöfifcheti Stabten allgemein, 
in ben cnglifcfjen gum 2C^eit Klaufein über einen Vlinbcfilohn auf«* 
genommen. (Sbenfo fönnen Klaufelu über bie Vehanblung, bie 
Arbeitzeit anfgenonunen merbeit. (Sine erfolgreiche Sogialpolitif 
fönnte oie Stabt au#übeu audj in ber Durchführung ber ftaatlichen 
Arbcitcrfcf)npgefepgebung. Die Stäbte feien lji cr als Drt#poligei- 
behörbe gur VJitwirfung berufen. Auf biefetn (Gebiete liegen bie 
Verhältniffe nod) fehr im Argen. Die Stabt fön ne auch burch 
SDrtSftatut bie An#gal)lung be# Lohne# an SJfinberjährige oerbieten. 

An ber orbentlid) geregelten ArbeitSocrmittelung höbe bie Stabt 
ein großes 3ntereffe. Der"Arbeit#narf)wci# müffe gemeinfam ge¬ 
tragen werben oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern. Die (Gemeinbe 
fönne ben neutralen Voben in geioiffem Umfange für ba# gemein- 
fame Söirfeit fcfjciffen. (S# fei noch nicht lange tyx, ba meinten 
noch Stabträthe, baf* eine ArbeitSlofigfeit bie Stabt nichts anginge. 
(Sine Verpflichtung gur Ffürforge gegen Slrbeitslofigfeit werbe aber 
heute nirgenb# mehr beftritten. Die Stabt fönne Äothftanb#arbeiten 
einrichten. @# empfehle fid), einen Dheil ber Arbeiten, wie es 
fchon oielfad) gesehen, in bie VöinterSgeit gu ocrlcgcn. (fine weitere 
Vtafcuahme fei bie Verficherung gegen ArbeitSlofigfeit auf fom- 
tnuitalem Voben. 3n Köln werbe ber erfte Verfud) in Deutfeh 3 
lanb gemacht. Die grage bezüglich ber Erfolge fei noch nicht 
fprudjreif, aber bie Stabt müffe fid) mit ihr befd)äftigen. Die 
Stabt müffe bem fleinen 9D2ann eine unentgeltliche Ved)tsbelehrung 
in öffentlichen fragen fchaffen. @# beftänben fchon gafjlrcidje, oom 
VolfSuerein für ba# fatholifche Deutfchlanb gegrünbete VedjtS- 
Bureau#, unb auch bie Sogialbemofraten hätten mehrfad) gu bem 
3wecfe Arbeiter-Sefretariate eingerichtet. 

Die Stabt müffe ferner fogialc Vücffid)ten nehmen in ber 
(Gefuubheit#pflegc unb in ber Schulpolitif. Auch bie Armenpflege 
müffe fid) oon fogialen Viicffidjten leiten taffen. Die Steuerpolitif 
müffe bie Verhältniffe ber ärrnern Klaffen mehr berücffidjtigen. 
3n arofeert Stöbt en [eien ftäbtifche ftatiftifche Aemter einguridjten, 
welche bie Verhältniffe unterfinfjen unb flarftellen; Bisher beftehen 
nur in einigen gwangig Stabten folche Aemter. Die fogialen Kom- 
miffiotteit hätten eine große Vebeutung gur Vorbereitung fomrnu- 
ualer, fogialpolitifdjer Vtaßnahmen; fie erfd)ienen bort geboten, wo 
bie untern klaffen nicht in ben ftäbtifchcn Vehörben Vertretung 
haben. Vei bem prcußifdjen Dreiflaffenwahlfpftem fei c# unmöglich, 
ba& ein Arbeiter Stabtrath werbe. Stt Köln befteije bie §älfte ber 
fogialen Kommiffioit aus? Arbeitern. Al» Echtes ,§ülf#mittel empfahl 
^ebner bie Velehrung ber Vürgcrfdjaft über bie Aufgaben einer 
ftäbtifdjen Kommunalpolitif. (S# müffe bie Anfid)t fchwinbeit, bah 
bie Stabtbehörbc nur ein Verwaltungsorgan fei. Au# bem er- 
ftrebten (Gemeinfinn ergebe fid) oon felbft eine gefunbe Sogial- 
politif. Alle Schichten ber Veoölferung miiffen gur Vlitwirfung 
herangegogcti werben. 

Stübttffhe VJtöccllett. Für bie (Stnridjiung oon Fretbänfen hat 
fid) grnnbfäplid) bas preiifnid)e£anbwirtl)fdiaftsmimfterium auSgcfprodicn 
in einem Vcfdjcib au bie braubenbitrgifdie 2anbmirtt)fdiaftsfammiT. Ter 
2aiibwirtlji5ijaftsmimfter erachtet bie möglidjftc Verbreitung biefer (Siit- 
rid)tuug fornol)! im ^ntereffe ber Viefjgiidjtcr, bie baburd) oor gröberen 
Verluften bei ber Vcrwcrthuug oon minberwertbigem Flrifrfj gefdmpt 
werben, als? aurfj int 'Jntereffe ber weniger bemittelten Volfs?flaffeu, 
benen baburd) (Gelegenheit gut* billigeren Vefdjajfuiig oon Flcifdmalmuig 
geboten wirb, für wünfcbciiswerll) unb wirb bie hierauf gerichteten Ve= 
ftrebungen möglichft imtcrftüpcn. — 3» Jpeilbronn tjt ben beiben 
Affiftengärgtcn bes Kranfenljaufes bie Fimftion oon Brfnilcirgten über¬ 
tragen. Sie haben jebcit eiugclucu Sd)iiler uadj ber Aufnahme genau 
gu ltutcrfudjeu unb namentlich ben Klaffenlehrer auf etwaige (Gebredjeu 
unb bie baraus fid) ergebeube befoubere Vehaublnng aufmerffam gu 
luadjeu. oebein Schüler wirb ein (GcfuuMjeitsfdjciu auc-geftcllt, ben er 
[pater beim Klaffenwedjfel oorwetfen fanit. ^ie Sdmlärgtc haben 
auperbem oon $eit gu ^eit bie Schulrciume gu befudjen, Anftäube ber 
Lehrer entgegeugunehmeu unb tiebft ihren eigenen Veobadjtnngcu mit 
bem Stabtargt unb £rts?fciuiliufpeftor gu befpredjen; fie haben ferner 
uodi (')utad)ten abgugebeu über Kinber, bie oon cingelueu ^iidjeru befreit 
fein wollen. —- lie Stabtoerorbueteu ber Stabt Kobleng befdiloffeu 


am 2S. September eiuftimmig ben Vau einer ftcibtifchen Aefthnlle bto 
gur .^öhe einer Vaufuntme üou 6UO(XH) Vi'arf. Ter bisherige Verein 
„StäbtifdK Tycftfjatlc" totrb fid) auflöfen unb bie gefammelten freiwilligen 
Vciträge iit £öhe oott ruub 2<X)OOo SDfnrf ber Stabt als Vaufoubs 
itberrweifen. — Vrauttfdiweig wirb mit bctu Vau eines ftcibtifchen 
ISleftrigitcitswerfeS gur Strahenbeleudituug unb Kraftabgabe für bas 
Kleingewerbe beginnen. Die (Gefammtfoften ber Anlage einfdjlichlidj 
bes ©runberwerbes ftnb auf l l /a ÜWfiflionen VJarf oeranfd)lagt worben, 
^ugleid) fofl Vrannfdjweig mit J&elmftebt burch eine eleftrifdie Strahen- 
bahn oerbunbett werben. - Verl iit will ben Verfud) mit einem 3ÄÜII- 
oerbrennuugsofeu oom Sdjluh bes 3ohr^ ab erneuern. Die „V?üll- 
oerbrennungS-Wefellfchaft", bie fid) gebilbet hot, oerhanbelt and) mit 
oerfdiiebeuen anberen Stabten. — ^>n .fpalle würben oon ben ftcibtifchen 
Vehörben 2000 M. gur Verfolgung armer Kinber ber ftäbtifdjen VolfS* 
fchulen mit warmem ^rühftücf, befteheitb in Aoggeumehlfuppe unb einem 
VJeifibrötdjeu, währeitb ber falten Vconate bes beoorftehenben Sinters 
gur Verfügung geftellt. 3 11 ben Vorjahren finb gu biefem 3wed 2055, 
1710 unb 2195 \u. aufgemenbet. Durd)fd)uitt würbe jcihrlid) 5298 
Kiitbern biefc VJohlthot gu Dl)eil; bie ^rühftürfsportion foftete burch 5 
fchnittlid) 3.56 3f ~ Die (Srridjtung bes ftäbtifchcn (SleftrigitätSwerfS 
in Sliaiitg würbe ber ^iruta Schucfcrt <fe (?otnp. in Nürnberg gu beut 
Vetragc oon runb 1 200 000 M . übertragen. — £stt St rag bürg i. (S. 
gebenft bie (Gcmeinbcuerwaltung ein grofjes VolfSbab gu errichten. — 
Der Vreslauer Vcagiftrat ftrebt eine Vefferung ber V?aifeuergiel)ung 
burch bie fogenaunte „Saifenfoloniett" au, wie fie Dresben beftht. 
Die ftäbtifdjen VJaifenfinber füllen gu guten Familien auf bem £anbe 
in pflege gegeben werben unter Kontrole bes £rtsgeiftlid)eit unb Orts- 
oorfteherS. Als Koftgclb ift nur ber geringe Vctrag oonSsVa Jf. jährlidj 
ausgefept. — Die Kobienger Stabtoerorbueteu befdiloffeu eiuftimmig 
ben Vau einer ftäbtifdjen Jvefthalle mit einem Koftenaufwanbc bis gu 
2000 J4. — Da ber £iibecfer Senat bie (Srbauung einer ftaatlidjeu 
Schwimntanflalt ablehnte, fudjeu jept einflugreidjc Viirger aus ^rioat- 
mittein bte Schwimmhallen gu errichten. — gu Vcrit fcfjwebten Ver- 
hanbluugen über bie Verftaatlidjnng ber Dramwat). Am 8. Oftober 
leljuten bie Aftionäre ben Kaufoertrcig mit geringer Mehrheit ab. — 
3n ^ranffurt a. 3Ä. befdiloffeu bie Stabtoerorbueteu bas bisher ocr- 
pachtete öleftricitätSwerf oom 1. April 1899 ab in eigene Verwaltung gu 
übernehmen. 


9o}ia!e Juftönbr. 

Erhebung über bie Sonntagsruhe in Vätfereien Oefterrci^. 

Das öfterreid)ifche ^anbelSminifterium hat unterm 14. 3uni 1898 
eine Erhebung über eine coeiitueHe Abänbernng ber SonntaaS- 
unb (vrfabruhetagSbeftiminungeii im Väcfergcmerbe oeraitlafet. Die 
Aufforberung, ein (Gutadjteit abgugeben, ift auch an bie organifirten 
Väcfereigehülfcti s J2iebcröfterreid)S ergangen unb biefe {teilen in einer 
eingehenb begrünbeten Aeußcrung folgenbe Sorberungen auf: 

(Sinen oollen Auhetag in ber V$od;e, alfo eine fedjstägige Arbeits- 
wodje, fei es im VJege ber Sonntags- ober Örfaprulje. 

Vefeitigung ber bie ooÖe Durdiführung bes Auljetages ocr- 
hittbernben gweimal fed)S Stunben ISrfafjruhe. 

Schaffung eines ÜRayimalarbeitstages oon gehn Stunben' incl. gwei 
Stunben $aufc für CGehülfcn unb Lehrlinge. 

Vcränberuugeu in £dh*tn unb Arbeitzeiten währenb bc§ 
September# in <$ng(anb. Von 364 900 Arbeitern finb im Sep¬ 
tember fiohnoerätiberungen an ba# Arbeitsamt berichtet worben; 
baoon erhielten 364 700 eine Aufbefferung unb nur 200 eine Ver¬ 
minderung ihrer ßöhne. Da# Äcincrgcbnifj war eine Lohn¬ 
erhöhung oon 7 V e nce für Kopf unb Vgodje ber betreffenben Ar¬ 
beiter. T^ang befonber# war bie Vergwerfeinbuftric beteiligt (mit 
346 917 Arbeitern), ferner 3J2afdhinenbau unb Üifeniubuftric. Aur 
bei 900 Arbeitern ging ber Lohnerhöhung eine Arbeitseinteilung 
oorljer, für 1200 Arbeiter würbe fie burch Vermittelung be# 
(rinignngsamte# ergielt. Vei ber ungeheuren Vichrgaljl erfolgte bie 
Lohnaufbefferuug burd) birefte Verhanblungeu ber Unternehmer 
unb Arbeiter; wir h a l ien bie hierher gehörige Vereinbarung ber 
englifdjcu Vergwcrfsbefiper mit ihren Arbeitern in Ar. 1 ber „So- 
gialen Vragi#" be# Aätjeren mitgetheilt. — (Sine Vermiuberung 
ber Arbeitsgeit, unb gwar um burdjfchuittlidj eine Stitnbe wödjent- 
lich, eireidjten ohne Streif 4370 Arbeiter, hauptfädjlid) im Vau* 
gewerbe in Vriftol, bereu ArbeitSgeit jept 51 Stunben in ber 
VSodje beträgt. 

®ine Unterfmhung über bie (noerbsthätigen Sihulfinbcr in 
($nglanb hat ba# Hnterrid)t#miuifterium auf Anregung be# Au#- 
fdjuffe# für Frauenarbeit (Woraeu's Industrial Council) angeorbnet, 
! Die Direftoreu aller Volfsfdjulen haben eine ber ^ahl ihrer 
| Sdjüler entfpredjeube Angnljl oon Fragebogen erhalten unb finb 
j beauftragt worben, genaue llutcrfudjuugeit über bie Art ber Ve- 
I fdjäftigung ber Kinber, bie Arbeitzeit unb ben Lohn pro V3od)e 



98 


Soziale SßrajtS. Eentralblatt für ©ogialpolitif. 9h. 4. 


94 


uorgunehmen. 2>aS bisher eingelicferte Material foß naef) ber 
„Eßcicbhrit" jeßt fdjou erfdtreefenbe Auffcbliiffe geben. 

(Sine am 2. Dftober in Birmingham abgehalteuc Konfcrerg 
beS Nationalen Berbanbes ber ©djulbefudjS*3nfpeftoren unb bes 
Natioual*BcrbanbeS ber Sehrer in ber Örage ber Kinberarbeit ^at 
einftimntig folgenbe Sorberungen aufgefteßt: 

1. Bevantiuürtlidjfeit beiber Eltern für Den ©tfjulbefudj ber Ktitber, 
unb baß in fällen wieberbolter Bentad)läffigung bie oollc Eclbbuße 
auferlegt werbe; 

2. baß baS Alter für tljeilweifc $iSpenfatiou uom ©dwlbcfud) 3U* 
näcbft auf baS 3roölfte Saßr erhöbt werbe, mit ber Neftimmung, baß 
in weiteren brei fahren bretgepn ^aßre bie unterfte (Breiige fein foflte; 

8. baß fein Brntgipal ein Ktttb ohne amtliches Atteft über feine 
$iSpenftrung 00m ©djulbefud) bcfdjäftigcn bürfe; 

4. bab bie (gewerbliche) Sefdjäftigung oon Kiitbern, welcher Art 
fic auch fei, ben gabrif* unb SSerfftättcmJnfpeftoren imtcrftcllt werbe. 


Arbeiterbewegung. 


Eifcnbabner-Betoegmig. $>aS oöllige ©Reitern beS Eifenbahn* 
ftreils in ^ßariö, oon bem mir in ber lebten Nummer berichtet 
haben, giebt uns Anlaß, einen Blicf auf bie Bewegung unb bie 
Drganifationen ber Eifenbahner gu werfen, guuäcbft auf bie inter* 
nationale Bewegung. 

©eit 1893 b a & e n brei internationale Eifenbahnerfongreffe 
ftattgefunben, nämlich 1893 in 3üri<h, 1894 in Baris, 1895 in 
Nfailaub; ber oierte, ber 1897 in Barcelona ftattfinben foKte, ift 
wegen ber fpanif<h s fubanifchen Girren ausgefallen. $>en Anftoß 
ginn t.; Kongreß in 3üridj gab ber Berbanb beS hollänbifdjen 
Etfenbafjitper|onalS „Smmer BorwärtS"; als 3 roc ^ mürbe be* 
geidjnet, ©ofibaritätsbegiehungen gwifdjen ben gefammten europäi* 
fc^en difenbabttarbeitern Europas b er i u fi c ^ en - fanben fid) 
benn aud) $>elegirte aus ber ©chweig, Italien, Defterreicf), Sfranf* 
reich, |)oflanb unb Englanb in 3üri<h ein, bie bie Einrichtung 
eines internationalen ©efretariats befchloffen, beffen Kofien oor* 
läufig burch freiwillige Beiträge ber eingelnen Eifenbahneroerbänbe 
beftritten werben füllten. Ein Eintrag ber gwltänber, beren ©elegirte 
fid) ber fogialreoolutionären NieuwenbuiS’fd)en Nietung guneigten, 
baß bei einem Kriegsausbruch bie Eifenbaßnbebienfteten fofort bie 
Arbeit einfteßen foßen, würbe auf Betreiben ber ©chweiger unb 
Englänber furgweg abgelehnt, bagegen würbe ein Eintrag ange* 
nomtnett, wonad) bie oon einem Berbanb mit minbeftenS gwei 
dritteln feiner Nütgliebfchaft befchloffenen ©treifS ntoralifth wie 
finanziell oon allen anberen Berbänben gu unterftüßen feien. Sm 
fiebrigen legte man ben weiteren Berhanblungen baS fd)weigerifche 
BunbeSgefeß oorn 27. 3uli 1890, betreffenb bie Befdjäftigung auf 
ben Eifenbahnen unb bei anberen XranSportunternehmungen, gu 
©runbe, wonadh bie ArbeitSgeit innerhalb 24 ©tunben 1)bd))ttnä 
12 ©tunben betragen barf unb ben Befchäftigten eine ununter* 
brochene Nuhepaufe oon 10, 9 ober 8 ©tunben im BÜnimum gu 
geftatten ift. gerner finb im Sah** 52 freie Sage gu gewähren, 
oon beneit wenigftenS 17 auf ben ©onntag gu fallen haben. $)er 
Kongreß erklärte fich für ben Achtftunbentag für alle Eifenbahner 
unb für eine wöchentliche ununterbrochene Nuhegeit oon 36 ©tunben. 
£)er gewöhnliche Eiiteroerfchr folle an ©onntageit eingeftellt werben. 
2>ie Ausführungen biefer ©efeßesbefümmungeu fotlten befonbere 
Eifenbahner*Qnfpcftoren überwachen. 

Auf bem folgenben Barifer Kongreß würben biefe Befdjliiffe 
im ©efeutlichen beftätigt, bo<h foßen ©onntagS graeßtgüge gur Be» 
förberuna oott Nahrungsmitteln unb leicht oerberbddjen Gingen 
guläffig fein. S)ie grage ber NÜnbeftlöhne würbe oertagt, weil 
ein „internationales ©tubienfontitS" erft lohnftatiftifche ®aten 
fammein fotte. ^)er Kongreß erflärte fi<h beS ©eiteren für 2lbs 
fdjaffung ber 5l!forbarbeit unb ber Bränden, bie nur gur Abhebung 
ber Arbeiter führten unb bie BetriebSfidjerheit gefährbeten. Nach 
gwangigjähriger SDienftgeit müffe jeber Eifenbahnbebienftete eine 
Benfion erhalten, bie minbeftenS % feines früheren ßohneS betrage, 
©djiießlich fprach fich ber Kongreß mit Dcehrfjcit für bie Bergefcß» 
fchaftung ber Eifenbahnen wie aßer BrobuftionSmittel aus. 
einer oertraulichen ©ißung foß auch über ben „Eeneralftrei!" oer* 
hanbelt worben fein, bo<$ h Q i man baniber nid)ts (Genaues er- 
fahren, gumal bie Breffe oon aßen Berathungen auSgefchloffen war 
unb nur ein fnappeS offigießeS B r °l 0 ^°Ö Düm Bureau beS Kon» 
greffeS erhielt. 2llS 3merf beS ©tubienauSfchuffeS würbe begcidjnct, 
ein befonbereS Arbeitsamt für bie Eifenbahnangefteütcn gu bilben. 
Englaub war in B^riS wegen beS gleichzeitigen Saljrcsfongrcffes 
beS euglifthen Eifenbahnoerbanbes nid)t oertreten, wotjl aber außer 
ben auf betu 3üridjer Kongreß oertreteuen ßänberit noch ©panien. 


^Dcr brittc Kongreß in Biailaub fprach fiel) unter Betätigung 
ber früheren Befdiliiffc für Biinbcftlöhnc, welche bie eingelnen Na= 
tioneu auf ©runblage ber Koften ber Efiftengmitlel feftftcßeu, aus, 
ebenfo für bie Einführung oon gefeplicheu ©d)iebSgericbten, bie 
aus einer gleichen 3 a hl Unternehmern unb Arbeitern gu be* 
fteljen hätten. ^Dcr internationale ©tubienauSfchuß möge aße brei 
Nionate eine BerbanbSgeitung erfcheinen laffeu, bie über ben je» 
weiligen ©taub ber Eifenbat)narbeiter*Bewegung in ben oerfchiebeuen 
Säubern berichtet unb bie Berl)ältniffe ber Eifenbahnarbeiter ber 
oerfchiebeuen Drganifationen möglichft giffernmäßig gur Kenntniß 
bringt. Englano war wieber nicht oertreten, wohl aber ©panien 
unb B°ri u <jd- Aus Englanb, Norb»Amerifa unb $)eutf<hlanb lagen 
©pmpathiefchreiben oor. Auf biefe haben fid) bie beutf<hen Eifeit* 
bahncr überhaupt bei aßen brei Kougreffen befchränft. ©ie oer» 
lautet, ift ber internationale Berbanb noch ein recht lofer unb ben 
frangöfifeßen „Eeneralftreif"»Btänen überhaupt wenig geneigt. 

©aS bie Drganifationen ber eingelnen ßänber betrifft, 
fo haben Englanb, Sranfreich unb bie ©thweig bie ftärfften Dr» 
anifationen aufguweifen. $>ie „Bereinigte ©efeßfehaft ber Eifen» 
ahn*Bebienfteten oon Englanb, ©chottlanb unb Urlaub" würbe 
fchon 1872 begrünbet, gäplt über 81000 Btitglieber, hat fdjon 
manchen AuSftaub fiegreich burchgefochtcn unb oerfügt über reiche 
Nüttel. ®er Nebafteur beS BerbanbSoraanS „Nailwan Neoiew", 
greb Ntabbifou, ift an ©teße beS oerftorbenen Ntunbeßa liberales 
BarlamentSmitglieb für ©hefßclb geworben.— 2)er frangöfifd)e 
Eifenbahnoerbanb gählte etwa 58 000 Ntitglieber unb fteht unter 
ber Seitung beS fanatifd)en Aßemauiften ©ueranb, ber 00 m 
„ ©cneralftreif" für bie Arbeiter aßeS £eit erwartet. (Bergl. 
auch unten.) • £)er Berbanb ber Sofomotioführer unb öeiger 
bürfte fich baran aber fchmerlid) betheiligen. Auf bem lefcten 
Sahresfongreß beS BerbanbeS gab es eine Antifemiten*^ebatte, 
ba bie algerifcßen ©elegirten oen Ausfluß aller Suben be» 
antragten, was abgelehnt würbe. — 2)er Eentraloerbanb 
beS B er f° n alS ber fchweijerifchen XranSportanftalten hat 
unter ßeitung feines Borftanoes Dr. ©ourberf oor einiger 3 ^ 
burch einen furgen ©trei! bei ber Norboftbaßn eine allgemeine 
ßohnerhöhung burchgefeßt. Er oerfügt über eine gute JDrganifation, 
eine eigene §achgeitung unb gehört bem großen fdjmeigerifdjen 
Arbeiteroerbanbe an. ^)ie Arbeiter-Union fdjweigerifchcr Transport» 
angefteßter, welche hauptfächlid) bie Eifenbahnarbeiter umfaßt, fteßt 
mit bem Berbanb fcßweigerifcher XranSportangefteßter im Kartell. 
— 3n Stalien haben fnh bie oerfchiebeuen Eifenbahneroereine gu 
einer ©emetffchaft (Lega dei ferrovieri italieni) oerfcßmolgen unb 
finb gleidjgeitig ber fogialbemofratifdjen Arbeiterpartei beigetreten. 
Bei ben lefcteu BarlamentSwahlen ift benn auch ber Seiter beS 
BerbanbeS, Nofri in £urin, als fogialbemofratifcher Abgeorbneter 
gewählt worben. — Sn Defterreid) ift ber 1894 gegriinbete 
Berbanb fämmtlid)er Eifenbahner»3achorganifatiouen mit bem ©iße 
in ©ien wegen fogialbemofratifcher Agitation im ooriaen 3ahre 
oott ber Behörbe aufgclöft worbett. ®er Berbanb gählte 24 000 
Ntitalieber, baS Sachblatt ,,^)er Eifenbahner" 18 000 Abonnenten, 
ein Bruberorgan in cgethifc|^ ©praeße 5000. — S)ie Eifenbahner» 
organifationen in ©panien, Bortugal, Belgien unb itt ben 
ffanbinaoifcheti Säubern machen weniger oott fich rebett. 3)ie 
hollättbifche Drganifation hat eine gieutlid)e ©tärfe errei^t. 

Sn 2)cutfd)Ianb befielen cbriftlid)e Eifenbahneroraanifationen 
in Bauern unb Syrier (für gang Braßen). Ein Berfucp auf einem 
Kongreß in Ntagbeburg 1890, eine Eewerffchaft ber Staatseifen* 
bahner gu griinben, würbe erftieft. ^)er Anfang 1897 itt Altona 
gegrünbete Berbanb ber Eifenbahner 2}eutfd)lanbS, ber feit Soli 0 . 3- 
aud) ein oiergehntägigeS Draan („©ecfruf ber Eifenbahner") heraus* 
giebt, ift oon ber Eifenbahuoermattung als Jogialbemofratifch er» 
Härt unb ber Beitritt oerboten worben. Xroßbetti foß ber Berbanb 
eine Neifje oon geheimen NÜtgliebfchaften gählett. £er „©ecfruf 
ber Eifenbahner" gab in feiner Nummer 00 m 1. Nfärg b. 3- S ra ar 
gu, baß bie große Nlehrgaljl ber unteren Eifenbahner burd) nnb 
burch „roth" fei, fonftatirte aber gugleich, baß ihm baS religiöfe 
ober politifcße ©laubcnSbefenntniß feiner Berbanbsmitgliebcr gleich* 
giltig fei. .t>auptfad)c fei, baß fie bie gcwerffd)aftlid)e Drganifatiort 
ber Eifenbahner hachßielten unb für baS wirthfd)aftlid)e nnb fogiale 
Eefamtintcreffe, baS aud) ihr Säte reffe fei, wirften. Nach Art. 0 
ber Elcwerbeorbnung finbett bie Beftimmungen ber Eewcrbeorbnuitg 
befanntlich feine Anwenbuttg auf Eifeubahnunternehnuingeti; banad) 
ift aud) bie Stellung ber Eifenbahnarbeiter gu Art. 152 (Koalition** 
freibeit unb ©treifS) gu betneffeu. -Daß eS aud) im Bereid) ber 
©taatseifenbal)noerwaltmtgen galjlreiche Eifenbal)tter*Bereine mit 
UiiterftüpungS*, BilbititgS* unb EJefeßigfcitsgwecfeu giebt, ift be* 
fauut. (Bergl. g. B. ©ogiale B rai .^ 3al)rg. VN, ©p. 905.) 



©ojiale fkajiS. ©entralblatt für Sojtalpolttif. 9fr. 4. 


9“, 


96 


9(Ifgetttcttter flmtfltff? ber .ftniibelSbürfßötbettft in ftaffd. gm An* I 

Ü4)liifi an tue zu ©cifmarfitcn in Maffrl ftattfinbcnbr ftcitrralocrfamnilimg j 
bc$ ©cntrnlocrbanbcs bei* im .ftaubcls*, Irnnsport* nnb Bcrfcbrsgcrocrbc 
beicpäftigtcu Arbeiter füll ein allgemeiner töongrcp ber ^anbclshülf** 
arbeiter ftaltfinben. ©S foll auf bcmfelbeu oerpanbelt merben über bie 
llnterftellmig ber £>anbeISlmlfsarbciter unter bas Unfallücrftcberuugsgcfep, 
über bie Aufteilung oon .franbelsinfpefturen, über trganifation nnb bie 
Olefäprbung beS koaltionsredds. Tic in 2ofalnereinen organiftrten 
£)aiibelsl)üiföarbeiter palten einen «onberfongrep ab. 

6ti<femtierbanb in ber ©(fputia. Bor Mürbem grünbeten bie 
Telegirten non etroa 40 Sticfereifachöereineu ber Dftfcproeiz, roelcpe 
über 2000 Biitglieber zählen, in 6t. ©allen einen einheitlichen oft* 
fdjroeizerifcpen gacpoerbatib, beni üe ben Kamen „Sticfereiuereinigung" 
gaben. 3roecf beS BerbanbeS ift oor Allem bie ©apruug unb 
görberung ber gntereffen ber Arbeiter in ber Stidferei*3nbuftrie. 
giir fpäter ift ber Anfcplup biefer Drganifation an ben Sticferei* 
nerbanb in $Xuöficf)t genommen, rooburep ber leptere an Bebeutmtg 
roieber geroinnen mürbe. 6o roenigftenS mirb gehofft. Tie i'age 
ber Sticferei ift aber fo bebenflief), bah eS niept an Stimmen fehlt, 
welche oon biefer feparaten Arbeiterorganifation im gegenmärtigen 
Moment eher eine Berfcplimmbefferung befürchten. 

AuS ber ettglifdjcu ©etoerfoereinSberocgmtg. Aus Bonbon 
mirb uns gefchrieben: Tie „freie ArbeitSoeremigung" pat in 
Btancpefter ihren 6. SahreSfongrefc abgchalten. @S finb bort bie 
üblichen Reben gegen bie Tyrannei ber ©eroerfoereine nnb bie ©e* 
fahren beS Sozialismus auch bieSmal loSgelaffen morbeit. ©troa 
100 Telegirte foHen angeblich ba gemefen feilt, aber bie roirflicpe 
Bebeutung ber Bereinigung bleibt fehr gering. (Ra<p „Daily 
Chronicle“ befiehl bie „National Free Labour Association“, mie 
ber offizielle Karne lautet, aus brei ober oier ßeuten, bie in fionboit 
ein Bureau errichtet haben, &ie Telegirten finb ihre AngefteHten 
unb ber gefchöftliche 3ro e( * „BereinS" ift, bei AuSftänben ben 
Unternehmern Arbeiter zu nerfchaffeit. ®ie Reb.) 

6ir Benjamin Bromtte, ein peruorragenber Btofdjinenfabrifant, 
ber uitlängft ben 15. gapreSfongrcp Rorboft*töüften*BereinS 
ber BRafcpinenfabrifanten unb S<piffsbauer leitete, hat eine beffere 
©ürbignna ber Stärfe unb Sdjroäcpe ber ©eroerfoereinSberoegung 
gegeben, als bie auf jenem Tage in Btancpefter laut gemorbene. 
Seine Anfpracpe bepanbelte bie Beziehungen zroifchen Unter? 
ttehmer unb Arbeiter. ©r mies bie Anficpt zurüd, bapArbeitS* 
ftrcitigleiten bem Borhanbcnfeiit ber ©eroerfoereine ^n^ufchreiben 
mären, ^ßerfönlict) ziehe er oor, fo fagte er, mit flugen unb er* 
fahrenen ©eroerfoereinSfüprern zu oerhanbelit, aber er lehne, mie 
biefe giihrer es aud) träten, bie ^efjre ber fogenannten neuen ©e* 
roerfocreinSberoeguug ab, bah Arbeitgeber unb Arbeiter „natürlüpe 
geinbe" feien. Rad) feiner Meinung habe inbeffen biefer gefährliche 
RonfeuS nirgenbS tiefe ©urzeln in ber Blaffe ber Arbeiterbeoölferung 
gefaxt. TaS mahre Uebel ber gropeü aeroerblüpen Drganifationen 
fei baS Scproiuben ber perfönlidjen Berührung gwifc^en Unter* 
nehmern unb Arbeitern. ©as baher Rotp thue, fei ein gröpereS 
Btap oon Bertrauen unb Stjmpatpie, baS bie Arbeitgeber zunfrfjen 
fich unb ihren Arbeitern fd)affen füllten: „llnfere flare ^piept ift, 
Sgmpatpie zu geroähren unb Bertrauen zu erringen." 

Ttefe zugleid) offenen unb üerföpulicpen Anfcpauungen merben 
oon ber befferen klaffe ber Arbeiterführer freubig begrübt, hoffentlich 
mirb auch ber neue ©eroerfoerein ber Bergleute in SübroaleS, ber 
jefet gebilbet mirb, bie Achtung ber ©rubeubefiper geroinnen, mit 
benen ein fo langer unb unfeliger 6trcit beftanben hat. $>ie erfte 
Sahrc^oerfammlung ber neuen Drganifation, oon ber bis jefct fehr 
menig befannt ift, foH im Januar 1899 ftaltfinben. 

$er tluSftanb im Barifcr BaugrtoerBe fann nunmehr als 
oöllig beenbet betrachtet merben. Beit bem 6iege ber (Srbarbeiter 
fchon hatte bie 6treifberoegung ihre lebenbige Mraft oerloreit. Söenn 
Zmar immer noch einzelne ©eroerffchaften bie gortfepung beS 
MampfeS proflamireu, fo finben fie bod) fclbft bei ben eigenen 
BUtgliebcrn ein fcproad)e)? ©epör, unb noch meniger natiirlid) bei 
ben nicht inforporirten Arbeitern ihrer Brand)e. ®aS Zentral* 
■Strciffomite hat am 18. Dftober fich aufgclöft. 

.^er miüglürfte Streit ber fran^ofifdhen ©ifenbahnarbeitcr mirb 
uorauSfid)tlid) ziemliche Beräuberungen in ihrer Drganifation her* 
oorbringen, menigftenS in bem Syndicat national des travailleurs 
des chemins de fer de France et des Colonies, melcpeS, oon 
fozialiftiühem ©eifte burchfept, bie Sache ber (Sifenbahnbebienfteten 
am cnergifd))ten oertritt. Ser BerroaltungSau^fdiufe, ber ohne 
ben nötbigen Biicfhalt in ben lofalen ©eroerffchaften ben AnSftanb 
befretirt hatte, reidite feine (Sntlaffung ein unb milt möglichst halb 
einen befonberen Äongrefi beS BcrbanbeS einberufen. 


3Ubetterrif)it|. 

Arbeiterinnen unb jngcnblichc Arbeiter in 3i'gtfcicn, Sie 

oom „Keid)eanz." am 21. Dftober oeröffcntlicptc neue Berorbnuug 
beS BunbeSratpeS (ogl. Soziale Braj*iS Sahrg. VIIl 6p. 73), bie 
mit 1. Sauuar 1899 in .Straft tritt unb bis 1. ßanuar 1904 ©el* 
tung bepalten foH, bringt zmar im (Sinzeinen präzifere Beftimmuugcn 
über bie erlaubten unb oerbotenen Arbeiten unb über bie geftattete 
Arbeitszeit, aber im ^efentlicpen bleibt es beim Alten. Bor allen 
Gingen roiib auch nicht ber 6d)atten eines BerfucficS gemacht, 
auf ©rnnb beS Art. 120e 8 (hhQ^uifcher Bta£imalarbeitStag) eine 
Befchränfung ber oielfach nod) oorhanbenen übermäßigen Arbeitszeit 
ber erroadjfetien männlichen Arbeiter in 3icgeleien anzujtrebeu. $)ie 
neue Berorbnung bezieht fich ebenfo mie bie alte oom 27. April 
1893 nur auf Arbeiterinnen unb jugenblichc Arbeiter. BJährenb 
früher nur 3 i e 9 ^^ca aufgeführt roaren, mirb jept hinzugefügt: 
„eiufchlieplich ber ©hautottefabrifen". Unter bie Rohmaterialien, 
bei bereu ©eminnung unb Transport bie Bekräftigung oon grauen 
unb gugenblid)en oerboten ift, mirb ausbriidflich auch „eingcfuinpfter 
Sehm" gerechnet. Bei ben Arbeiten an ben Dcfen mirb oom Ber* 
bot ausgenommen „bas güllen unb ©ntleerero oben offener Schmaud)* 
Öfen". Keu angefügt mirb baS Berbot ber Bermenbung „zum 
Transport geformter (auch getroefneter unb gebrannter) Steine, 
foroeit bie Steine in Schiebfarren ober ähnlichen Transportmitteln 
beförbert merben nnb hierbei ein feftoerlegteS ©leis ober eine harte 
ebene gabrbafjn nicht benupt merben fann". TaS finb Beftim* 
mutigen, bie fich in ber BrajriS ganj nüplich ermeifeti fönnen, einen 
nennenSmerthen Qortfchritt beS Arbeitcrfd)upeS bebeuten fie inbeffen 
nicht. Auch roaS bie Arbeitszeit betrifft, ift bie Beränberung nicht 
groß: auf ber einen Seite eine geringe Berbefferung, auf ber anberen 
fogar eine Berfcplechterung. g^üper mar ein BJnyintum oon z*nülf 
Stnnben täglich unb oon 66 Stunben mochentlich, mit Raufen nach 
je oier Stunben Arbeit, unb zmar BJittagS minbeftenS eine Stunbe, 
Bor* unb Rachmittags je l h Stunbe, gnlafüg- 3fht fönnen in 
3iegeleien, in benen ber Betrieb oon Bcilte Bfärz bis Biitte Ro* 
oember bauert, junge fieutc an allen Söerftagcn mit Ausnahme beS 
Sonnabenbs unb ber Borabenbe oon gefttagen elf Stunben be* 
fchäftigt merben (alfo eine Stunbe länger als Art. 135 für gabrifen 
oorfdireibt). Bon ben Arbeiterinnen mirb nichts auSbrücflid) gefagt, 
ba aber feine Ausnahme oon ber betreffeubeti Borfdjrift ber ©e* 
roerbeorbtiung für fie fonftatirt mirb, nehmen mir als fclbftoer* 
ftänblich an, ba& aud) für 3iegeleien fünftig Art. 137 (elfftünbigcr 
BfajimalarbcitStag für Arbeiterinnen) ©eltnng hat. Tagegen mirb 
in 3«9^c«tt ohne ftänbige Anlagen igelbbränbe) ober mit nur 
einem Dfen an allen ©erftagen mit Ausnahme beS Sonnabenbs 
unb beS BorabenbS oon gefttagen eine ziuölfftiinbigc Tagesarbeit 
(mit Raufen mie früher) für Arbeiterinnen unb Sugenblicpe geftattet, 
ohne bafe ein Btayimum für bie ©oepe oorgefeprieben ift. 3n biefen 
3iegeleien alfo mirb jept fogar eine Berlängerung ber moepent* 
lidjen Arbeitzeit (früher 66 Stunben, jept bis zu 70) zugeftanben! 
3n ber Begrenzung ber Arbeitszeit mirb in ber Sache nichts ge* 
änbert: 4 */2 Dh^ BtoraeiiS (5 V 2 Hh r aaep ber ©emerbeorbnung für 
gabrifen) unb 9 llpr VlbenbS (8 Vj Upr) begrenzen bie 3^h inner* 
halb roelcper bie Arbeitsftunben liegen bürfen. Tie roeitercti Be* 
ftimmungen ber Berorbnung betreffen ben öffentlichen AuSpang ber 
Borfdjrifteu in 3^9^ e ^n. ©eggefatlen ift bie ©rlaubnip, Aenbe* 
rungen in bem regelmäpigen Beginn unb C£iibe ber Arbeitszeit unb 
Raufen opne Anzeige an bie DrlSpolijeibehörbe oorzunepmen, 
„metin fie bur«h ©itterungSoerpältniffc erforberlicp merben". 

KuSgeftaltuna ber preitfttfdjen BergtoerfSinfpefHon. Bon mepre* 
ren, ben Streifen ber Bergroerfsbefiper nabeflepenbcn Blättern mirb 
beftätigt, bap bem neuen Üanbtage eine Borlage zugehen mirb, monaep 
„Zunäcpft" ein Ausbau ber gegenmärtigen Drganifation ber Be* 
auffieptigung in ber ©eife beabfieptigt ift, bap ben Bergreoier* 
beamten (gegenwärtig 65) zur Ausübung beS ftaatlicpen AufficptS* 
bienftes „naep Bcbarf feftanzuftellenbc Reoierunterbeamte beigegeben 
merben, bie als praftifepe Bergleute tpätig gemefen unb m bem 
oerantroortlidjeu Tienfte als Steiger erprobt finb". Tic „Stöln. 
3tg." hält es allerbingS niept für auSgefcploffen, bap auep Arbeiter* 
belegirtc angeftellt roerben, oerlaugt aber, bap, roenn bies gefepepen 
füllte, zunäcpft ber Staat auf feinen eigenen Bergroerfeii mit ber 
3uziehung folcper Arbeitcrbelcgirter bei Ausübung ber ftaatlicpen 
Berganfficpt beginnen möge! Beigefügt ift in bem rpeinifdjen Blatte 
ber üblicpe Broteft gegen bies ©rperiment, baS angeblid) ben erften 
gefährlichen Sd;riit auf einer fepr fepiefen ©bene bebeuten foü. 

^oltzetoerorbitmtg für IBäcfereteit itt Strafjfmrg i. ©. Tas 

Bürgermeifteramt ift ooti ber Regierung um ein ©utadjtcn bariiber 




97 


©ogiale SßrajtS. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Rr. 4. 


98 


aufgeforbert worben, ob bcr Erlaß einer Boligeioerorbnung, betreffs 
ber 3uftänbe in ben ArbeitSräumen oon Bäcfcreien unb Slonbitoreien, 
nach Btofter ber Hamburger (oergl. „@ 03 . BragriS" Sahrg. VII 
©p. 308) angegeigt erfcheitte. ©ie gur ©anirung ber ©ohnungS* 
guftäitbe in ©traßburg eingefefcte, aus Btäunern ber oerfdjiebenften 
Berufe unb Parteien befteßenbe Stommiffion fprad) fid^ einftimmig 
baßin aus, baß ein folcßer Erlaß für ©traßburg burch aus 
wünfcßenSwerth fei. 

$erffir$isng ber Arbeitszeit. 3m öfterreießifeßen Abgeorbneten* 
häufe würbe oon cßriftlicfcfogiaier ©eite (töleingewerbepartei) ber 
Antrag eingebraebt, baS §auS roolle bie Regierung aufforbern, 
1 . fieß mit ben anberen ©taaten gurn 3wede ber Beranlaffung einer 
internationalen ßonfereng ins Ginoenteßmen gu fefcen, bamit 
bie fo notbmenbige ^erabfefeuna ber ArbeitSgeü für bie in* 
bnftrieHen Arbeiter ermöglicht werbe; — 2 . in ben oon ©taats* 
roegen betriebenen Sßonopolunternebmungen bie acht* 
ftünbige ArbeitSgeit eittgufüßren; unb — 3. bei allen gufthtftigen 
3oIlgefefcen barauf S^ücffidbt gu nehmen, baß berartige 3°ll tf 
pofitionen gu ©tanbe fommen, toelcße bie ©ureßführung aus* 
giebiger ©cßufcgefetje für bie in gnbuftrie unb ©ewerbe auer Art 
befcßäftigten Arbeiter in £>efterreicß ermöglichen. 


3Ubettetoetftdjerang. Sporkoffen. 

©eitere ilifihciliiitgett aus ber Roöellc gum 3ttt>afibitft£* 
mtb Al4erS*crftthcrunaSgefeb GS ift febr gu bebauem, baß ber 
jefet im BunbeSratß iiegenbe ©efeßentwurf nicht auf einmal unb 
in feinem ooHeit Wortlaut ber Deffentlicßfeit übergeben worben ift, 
foitbern ftütfweife unb in offigiöfer Bearbeitung. ©0 wirb je^t nach* 
träglicb mitgetheilt, baß neben ben gwei £>auptpunften, ber anber* 
weiten Bcrtßeilung ber Rentenlaft unb ber Errichtung oon lofalen 
BerfußerungSämtem, über bie wir in ber lebten Kummer ber 
„©ogialen BrayiS" berichten fonnten, noch eine gange Reiße weiterer 
Beränberuttgen in Borftblag gebracht werben. GS finb bieS folgenbe: 

©ie Berjtdjerungspflidjt wirb auf bie Betriebsbeamten, ähnliche 
fonftige Beamte, fowic auch (männliche ober weibliche) 2 ehr er unb 
Grgieber, benen eine ^enfionsanwartfdjaft nicht gufteht, auSgcbebnt. 
©tc Befreiung norübergehenber ©ienftleiftungcn oon ber Bcr* 
ficßerungSpfltcht wirb im weiteren Umfange wie bisher gugelaffen, 
©te SBartegeit (5 begw. 30 Beitragsjahre gu je 47 SBocben) wirb auf 
eine runbe unb niebrigerc ©umtne oon BeitragSwodjen, uäntlich für bie 
gnoalibcitrente auf 200, für bie Altersrente auf 1200 Beitragswocßen, 
ßerabgefept unb bie SBartegeit für bie im gaß norübergehenber (Erwerbs* 
unfähigfeit gu gewährenbe Rente oon 52 auf 26 SBodjcn oerfürgt. 

©ie ben Berfidicrungsanftaltcn und) Art. 12 geftattete oorbeugenbe 
Äranfenpflege wirb weiter ausgcftaltet. 2o foliett bie Serfidjernngs* 
anftalten gunädjft misöriirfltd) ermächtigt werben, bas fteiloerfahren — 
was bisher nidjt ber gaß war — auch bamt fclbft unb gwar in bem 
ihnen geeignet erfdjeineuben Umfange burchgufiihren, wenn ber Erfranfte 
ber reid)SgefeßIirf)en ftranfenuerfidjerimg unterliegt. ©ie Berficherungs* 
anftalten haben banarf) fünftig bei fäntmtlichen Berfidjcrten bie Be* 
fugniß, ein .£>eiloerfahren, foweit biefes uadi Bfaß unb 3eitbauer geboten 
erfdheiut, herbeiguführeit. ©ie werben alfo insbefoubere beredjtigt fein, 
in gäßeu oon ©uberfulofe, wo bauernbe Erfolge nur in ben Anfangs* 
ftabiett ber Trautheit gu ergielen finb, fdiou friihgeitig unb intenfio ein* 
gugreifen, beoor noch eine bie ErwerbSfäßigfeit tfjatfäd)lid) beeinträd)* 
tigenbe afute Erfranfung eingetreten ift. ©abei barf gegen ttofteiterfap 
bie Btitwirfung bcr ffranfenfaffe, welcher ber Berficherte angehört ober 
guleßt angchört hat, in Anfprud) genommen werben; auch famt betn 
Berfidjcrten oon ber Berficherungsanftalt freie ttur unb Berpflegung in 
einem ttraufenhaufe ober, was bem glehbgefteßt ift, in einer Anftalt für 
OJenefenbe gewährt werben, Eine äijttlidje AÜrforge, wie fie gur Bcr* 
hütitng bes Eintritts bcr Erwerbsmtfäbigfcit gugelaffen ift, follen bie 
Berftdieruugsanftalten aud) gegenüber Empfängern oon ^uoalibenrentc 
eingulciteu befugt fein, wenn Wrunb gu ber Annahme oorliegt, bafg bcr 
Rentenempfänger bei 2>urd)fübrung eines .^cilocrfahrens bie Erwerbs* 
fähigfeit wieber erlangen werbe. 

Sie STOarfcnoerwenbung, bereu Uebcrwachung ben örtlidjeti 
RentenftcUen obliegen fott, wirb wefentlid) burch bie Einführung 
oon SKarfen für größere 3riträume erleichtert, ^urch bie Ausfcheibung 
einer fünften Bohnflaffe für biejenigeu bisher in bie uiertc yohn* 
flaffe faüenben Berficherten, bei beiten ber aured)uuugsmähtge Jahres* 
oerbienft ben Betrag 001 t 1150 Ut . überfteigt, wirb hodigelohntcn Ar* 
beitem unb Betriebsbeamten bie Erwerbung einer ihren Bcrhältniffen 
entfpredjenben höheren Rente gegen Entridjtmig höherer Beiträge ermög* 
licht. — Xie freiwillige Berficheruug in einer höheren, als ber 
maBgebenben ütohnflaffe, wirb wefentlid) crlcidjtert. 

B?ährenb gegenwärtig erft itad> längerer Xaucr Berfid)erung eine 
mirffame ©teigeruug ber Reute ciutritt, wirb fünftig burch Ab* 
ftufung bes Wnmbbetrages ber Rente eine für bie Bcrfid)crteu giiuftigere 
Berechnung ber Reuten ftattfinbeu. 'Sie jejjt itad; befonberen Beftim* 
ntungen gu beredjueube Altersrente wirb einheitlich auf bett ©ruub* 


betrag ber SnoaUbenrcnte bemeffett. S)as Berfahren bei R ü cf e r ft a 11 u n g 
oon Beiträgen an weiblidje Serftdjerte, welche ftch oerheirathen unb 
an hinterlaffene Sittwen unb SBaifen oon Berficherten wirb erheblich 
ocreinfacht. 

3ur Bereinfachung bes RentenfeftflellungSoerfahrenS 
wirb 'bei orbnungSntäBiger Berwcnbung ber BeitragSntarfen gu ©unften 
ber Berficherten bie gefejjliche Bemtuthung aufgeftellt, baf? bie Beitrags* 
entrichtung auf ©runb eines beftebenben BerficheruugSocrhältniffeS erfolgt 
ift. 3m .frinblid auf bie ©efepesunfunbe oielcr Berfidicrter wirb baoott 
Abftaub genommen, bafe bie Berufung ober bie Reoifion, um als 
redjtgeitig gu gelten, binnen ber oorgefchricbencn grift gerabe bei ber 
rid)tigen ©teile eingegangen fein rnufj. S\c grift wirb gur Ucbcrein* 
ftimmuug mit anberen ©efefcen oon oier Wochen auf einen SJfonat aus* 
gebehnt. 

Bei ©elbftentrichtung ber Beiträge wirb allen BerftchemngSpflich* 
tigen burd) bas ©efefc ein Erftattungsanfpruch gegen ben Arbeit* 
geber auf beffen Beitragshälfte eingeräumt. $ie bei ber freiwilligen 
Berficherung gegenwärtig erforberlid)e Beibringung teurerer Doppel* 
marfen, bei benen ber ©ertb bes gufapbeitrages bem Reiche gufliefet, 
fällt fort. Sk freiwillige Berfidjerung wirb nicht auf bie Viohuflaffc 2, 
wohl aber geitlich auf bas bei bem Einfleben ber SRarfeu abgelaufenc 
lebte ^alenbcrjahr befd)ränft. 5)ic Befugnifj gur freiwilligen Bersche* 
ruug, oerbunbett mit einem Erftattungsanfpru^ gegen Arbeitgeber be* 
güglid) eines JheilS ber freiwillig getrifteten Beiträge, wirb auch ben* 
jeitigen B^rfouen eingeräumt, wel^e gwar gegen Entgelt befdjäftigt, 
aber aus befonberen ©rünben ber BerftchemngSpflicht auSnahutSweifc 
nirfjt unterworfen ftitb. ^ie Rad)bringuttg oon Beiträgen für bie 
®auer oerficherungSpflidjtiger Befd)äftigung wirb auf bie $eit oon oier 
fahren feit ber gälUgfeit befdjränlt. Es wirb ausbriidlid) auSgefprochett, 
bah bei ©treitigfcitcu über bie Beitragsentrichtung beit Beteiligten, 
abgefchen oon Ausitahinefäflett, Äoften bes Bcrfahrens tiid)t gur iiaft gu 
legen finb. denjenigen B^riouen, weldje wegen irrtl)ümlicher Annahme 
einer BerfidjeruitgSpflicht ober einer Berechtigung gur freiwilligen Bcr* 
ficherung Beiträge entrichtet haben, wirb ein Anfpruch auf beren Er* 
ftattung gugeftättben. 

©asBerntögen ber BerficherungSanftalten foll in größerem 
Umfange wie bisher für bie Berbefferung ber SBohnungSoerbält* 
niffe ber Arbeiter unb für anbere Einrichtungen gitttt Bortheil ber 
üerficherungspflidjtigen Beoölferung oerwenbet werben fönnen. 

©ie in ber BrariS oielfad; bellagten gärten ber ©trafDorfd)rift 
begügli^ ber unguläffigen Eintragungen unb Bermerfe in ben Cuittungs* 
farten werben befeitigt. 

©urch gortfaß bes AufftchtSratheS, ber Bertrauenßmänncr unb bes 
©taatsfommiffars ift bie Drganifation oereiitfadjt. 

©ie 11 ebergang Sb eft im ntungen bcS ©efebes ftnb einfacher ge* 
ftaltet. gnSbefonbere wirb ber, für bie Altersrenten noch erforbcrlidjc 
RadjtociS einer oerfidicruttgspflichtigcn Be[d)äftigung als Berufsarbeiter, 
furg oor bem gutrafttreten beS ©efebeS gu ©unften bes Berficberteit 
erheblid) erleichtert. Unter beftimmten BorauSfebungeit foß biefer Rach* 
weis erlaffen werben tonnen. 

Uitgwetfelhaft ünb unter biefen Aenberungett feljr oiele, bie 
recht mißlich wtrfcn werben unb im Sntereffe ber Berficherten 
liegen. S£ 5 er günftige Ginbrucf, ben bie erften Röhrichten über bie 
geplante Reoifion beS ©efefjeS auf uitS gemacht h a ^ en / ift burch 
biefe weiteren SRittheilungen noch oerftärft worben. ©S wirb fich 
nodh beS Defteren Anlafe bieten, auf bie Gingelheiten näher eingu* 
gehen; was bie .ßauptforberuugcn bcS ©ntwurfeS aber betrifft, fo 
oerweifen wir auf ben Öeitartifel an ber ©pifce biefer Rümmer. 

Btafymntgsttiefen. 

llaüregel« gegen nitgefunbe ^ohunngen in ©trahbnrg t. 

©ieSohnungSfommifrton (oergl.„©og. B^ayiS" 3 ßh r 9 * 

767, 797, 979) hat in ihrer ©ifcung ooui 13. Drtober wichtige 
Befd)liiffe gefaxt. Bon oerfchiebetten ©eiten würbe barauf ge* 
brungeit, bafe bie Sfommiffion in Bennaueng erflärt werbe, ba nur bei 
fortgefefeten Reoifionen eine bauernbe Befferuitg ber 3uftänbe möglid) 
fei. Bürgermeifter Bacf hält bie ©djaffung oon 3BohnungS* 
ittfpeftoren als Drgatte ber ^omtniffton für angegeigt, ©ie 
5 i'ommiffion befürwortete einftimmig, baf gunächft einer, je nach 
Bebürfnijj mehrere fieute als ©ohnungSinfpeftoren angefteUt werben, 
bie Drgane bcr £ommiffioit ftitb unb als fold)e legitimiri werben, 
©eiter würbe mitgetbeilt, bafe bcr ©enteinberath oon ber iSraeliti* 
fchen ÄultuSoerwaltung einen größeren Slotnplej* an ber ^elenctt* 
unb Barbaragaffe angefauft habe, ©er Äotnntiffion würbe bie 
grage oorgelegt, ob bie Berwcnbung bes angefauften ©errains gu 
BolfSWohnungen angegeigt fei. Eine prioate ©ol)ltl)ätigfcits= 
gefellfd)aft habe fdjon ein Brojeft bafiir aufgeftellt. ©ie grage würbe 
einftimmig bejaht. Berhanblungcn wegen Erwerbes eines in beti 
bichteft beoölferten ©tabttl)eilen belcgcueu yiänferoiertels mußten 
abgebrochen werben, weil für ben Cuabratmeter 330 bis 500 , // 
geforbert toorbett feien. Jjpicrait fchlof; liih eine lebhafte ©isfuffiou 
über bie ©ahl oon Bauplänen g 11 weite r e 11 B 01 f s w 0 h n u u g e n. 




99 


Soziale $xajt$. ©entralblatt für Soztalpolitif. 9tr. 4. 


100 


2 >ie Äotnmiffton fprach einftimnttg ihre Meinung bahitt auä: An 
fxcf> wäre bie Schaffung oon BolfSmohmingen in centraler Sage 
fel)r roünfchenSroerth, iebodj fei mit SftücFfidbt auf bie erl;eblid)en 
Schroierigfeiten uitb namentlich auf bie greife ber ©runbftücfe nur 
Z» empfehlen, foldje ^Bohnungen unuergiiglidf) an ber Peripherie 
ber Stabt unb eoentuett auch außerhalb ber Btälle ju erbauen. 
$>er Bürgermeifter theilte mit, baß bie Abftdjt befteße, au3 
Stiftungämitteln V2 50 ri(Iion 31t SBohitungen für Arbeiter 511 wer* 
metiben. 


dtjicljuttcj mtb ßilöttttg. 


Ssslfitfjüötlidjc ^od^fd^nlfurfe. 

Xer neue Bcftor ber Uniwerfität Berlin, ^rof. B>albcijcr, hat tu 
feiner Stiitritt^rcbc am 15. CFtober cS als eine Aufgabe ber llnioerfitäts* 
Ichrcr bezeichnet, woIFStbümlitfie HodifdntlFurfe abzuhalten. Xie Wurfe 
foflen uidjt non ben Umocrfitätcu als? foldjc eingerichtet merbeu; es gc= 
uiige, mentt bie Umoerfitntslchrcr gemeinfarn mit Lehrern auberrr &od)= 
fchuleu fich ber Sache annehmen, Xer .'panbarbeiter tniffc beut (belehrten 
reichUcfien XanF, mcrni biefer ihm bie Wcmitniß ber Grgcbtiiffe ber 
B*iffeitfd;afi übermittele, Ju Berlin hatte ber Senat ber Uniwerfität im 
nornorigen Jahre bie Abhaltung non BolFs=Hod)fcbiiIFitrfcn als Beratt* 
ftaltung ber Unioerfität abgleeßnt. Amt hat mic (Jaljrg. VII Sp. 1138) 
bereits berichtet, ein Womite, bem bie Herren ©ei). Acgierurigsrath ^>rof. 
Or. Maj; Xelbriicf (als Vertreter ber Ianbmirtbfchaftlichcn^och'fchulc), 
©chcimcr Acgierungsratlj Brofeffor L)r. Xiels, s profeffor Dr. £ertmann, 
Brof. Dr. Sdjmoller, ©ebeimer Mebizinalratlj $rof. Dr. SBalbcycr (als 
Vertreter ber Uninerfität), Bruf. Dr. B?itt (als Vertreter ber tcdjnifcbcn 
&ochfd)iüe)unb ©eh.Dber=AegicrungSratf)Brof. Dr. Boß (als ©efchäftsführcr 
ber Gentralftelle für Arbciter=B?wbIfabrtS=Giurichtungeu) angeboren, bc* 
fchloffen, in biefem Sinter junädjft zwei Serien non je fcdj’s Würfen in 
ben Monaten Aouentber unb Dezember, bejtn. Januar unb Februar zu 
ncranftalten. Xie jurtädjft angefiinbigten 6 Borträge behanbelu bas 
Wnodjcugcrüß unb bie ©elenfc beS ntenfdjlichen Worpeis (Salbctjcr), bie 
Haubelspolitif ber roidjtigercit Wulturßaateu im 18. unb 19. Jahrhmibcrt 
(Schmollcr), bie WunßbcnFntäler Berlins (A. ©. Pieper), bie natürliche 
unb bic fünftlidje Grnäbrung bes Säuglings ($eubner), bie beutfdje Reichs* 
Bcrfaffuiig (Stahl), bie GifcnbüttenFunbe (SBcbbittg). beginn 1. Aouentber. 

Jn einem 5heil ber B reffe mirb gegen biefes Unternehmen aufs Aeuc 
geeifert, Atreuzztg. uitb .Wollt. Jtg. woran; es finb bie alten, hunbcrtmal oor* 
gebrachten unb huubertmal rnibcrlegten Argumente, beren JabenfcbctnigFeit 
hier uidjt itod) einmal betniefen inerben foH. BSohl aber ift eS non 
Außen, eilten 'sölief auf bie Gutmicfclung ber Bcmcgung für ooIFstbümlicbe 
.spochfdiulfnrfc unb ihre (Srgebniffc zu tnerfen. 

Bon ben Golfern englifdicr junge ßamuit ber Aante: University 
Extension. Jn Amerifa unb Gnglanb finb eS nicht einzelne ^erfotten, 
bie fidj bie Ausbreitung ber Gilbung bureß ooIFstbümlidje Hocbfdiuluor* 
träge, unter benett angelegen fein laffett, betten Beruf unb Bcrhältniffc 
ben afabcmifdjen Bilbitngsgaug nerfd)ließen, fonbern bie University Ex¬ 
tension ift überall molfl orgahifirt. Jn ben norbifdiett Stäubern hat fic 
eine etiuaS aitbere gorui angenommen, bafiir erfaffen aber z- B bie 
Bauern ßochfdjuleu nmfo breitere Sdfidjten. Jtt Atopenhagen ertheilt bic 
eine ber brei großen Stubeutenoereinigungen, „Studentersamfundet“, 
fdjon feit bem Xczentbcr 1882 zahlreitfic UuterridjtSfurfe für Arbeiter. 
An biefeu dürfen, bie burd) H Monate im Jahre ftattfinben, nehmen 
einige Xaufenb Arbeiter Xljril uttb bie fämmtlidjen Beßrer, Atanbibaten 
unb Stubenten unterrichten in biefen Äurfcn, bie in zwanzig ocrfdiicbcnen 
Bo Fa len b£r_Stabt (mcift in Ü?olfSfd)ulen) abgchalten merbeu, unentgeltlich 

Ju Ceftcrreidj haben bie SBieuer Xozenteu aller gafultäten es für 
ihre Ghrenpßidjt gehalten, bas ^cifpiel bes AuslairbcS ltadizuahmen. 
Xer „Ausfdmß für bie oolfsttjitmlidjen UnioerfitätSoorträge" in SBtcn 
hat im Selbftoerlage ber Uninerfität fiirzlich einen Seridjt über feine 
Xljätigfcit üt ben Jahren 1895 bis 1898 erfdjeinen laffeu. Xie Jahl ber 
Apörer flieg non (5198 auf 7300. Jyaft bic §älfte aller .‘obrer ftcKt bic 
Arbcitcrfcßaft, brei Viertel baoon finb getncrblidje Hilfsarbeiter. Xie 
^eridjtcrftatter gelangen z u ^ em Sdjluffe: „Xiejeitigen ©nippen ber 
arbeitenben 5?enölferuug betheiligten fich am regften, melrfje am heften 
bezahlt finb, bie fiirjrfte Arbeitszeit unb bie nteiflc Jntelligenz haben. 
Metallarbeiter unb ^udjbrucfer, rneldjc jugleid) bic hefte Crganifatiou 
befijjen, ftcllen beinahe bie Hälfte ber Hörer aus bem Arbeiterftanbc 
ober beinahe ein Sedjstel ber ©efauimthörerzahl. Je fchlcdjtcr bie £r= 
ganifatiou, befto fdjinieriger ift es, bic .Wurfe beFnuntzumncßcn, bie Marten 
Zit uertreiben. Je fdiledjtcr bie Bcbettsftellung, befto größer merbeu bie 
roirtf)fd)af 111 cßeii Sditnierigfeiten, bie fid] bent S?cfudje ber .Wurfe cut= 
gegeuftellen." 

Jn Xeutfdilanb finb 31111 ädift ^rinatnereine norangegangeu. Xie 
berliner Humbolbtafabcmie, 1878 uom miffcuidiaftlidieii Gentraloereiu 
errichtet, hat in ben brei Behrquartalen 1897 !»s au ihren 5 Behrftätten 
Zitfatumcu 206 i'ortragscijFIeu unb Uuterrid)ts!urfe abgchalten, bic non 
5798 eiugefdiriebeucn Hörern befudit mürben. Aber cs fehlen unter 
beu Hörern, fomeit mir feftftelleit fonnten, bie gemerblidjeu Arbeiter in 
gröf;erer J,ahl, mohl abgefdirerft bunh beu für Arbeiter immer noch 
iiohm i'i-eis non 3 ..it. für ben belegten Guflus, ber ueuerbiugs freilid> 
||r .•.Vitglieber non (^emerffd)aften, ©emerfnereiuen, ArbeiterfranFcuIaffeu 
auf 2 Ji. herabgefcht ift. Xer Jubrang zur „Urania*, ber nolfsthümlidjeu 


naturmiffenfdiaftlidjcu AFabentie mit Xheater, beutet auf baS ^orhanben- 
fciit eines äljnlidjcn S ^ilbnngsbrauges. 

Xie prioate Straßburger MolFshodjfdiulc hat fidj bic bänifdicu 
2 ?auernhod)fdiulen jum Mufter genommen; fic miH für jeben 5?eruf beit 
cutfprcdicnbcn miffcufdiaftlidicn s J?orbcreitungsnuterridit bis hinauf §ur 
Hodifd)ttIe für Jeberntaun aus bem 5?olFe gemährett. Jranffurt a. 9K. 
bcftßt feine Unioerfität. Xort fonnten beshalb ■— oor adjt Jahren — 
nur iiolFSüorlefungett (neben ben ^olfsuorftefluitgen, »Goncerte« 
unb »Ghöreu) ins Beben gerufen morben. Xie Gefolge mären 
gut. Xiefc Grfolge 511 oerbreiten, hat ber JranFfurtcr Ausfduiß im 
Juni unternommen, junächfl mit ben AuSfd)üffen ber Aadjbarftäbte, bic 
gleidic Jicle oerfolgen — fic eriftiren bereits in SBicsbabcn, Gaffel, 
Marburg, .Wönigfleiu, §öcf>ft, Vilbel — za einer Bereinigung ftd) 
Zitfammett za fdjließeu, bic in einer Art Gentralftelle mit Bureau bic 
Grfahrungen fammelt, fie in einer Gorrcfponbenz mitthcilt, teure Bein- 
mittel z» geuteinfamer Bcnupung gemeinfarn anfehafft. Hamburg mit 
feinen rcidieit ©clbntittcln giebt feinen Bürgern glcidjfalls ©elcgenhcit, 
ihr Riffen auszubeljneu. Xie £ ber f d) u l b e h ö r b c bes Staates oeran= 
ftaltet im Banbc mit ber Mommiffion für bie Bermaltuug ber Atunfthalle 
unb aitberen Bereinigungen eine große Ja 1)1 001 t öffentUdien Borlefuitgen 
ans allen ASiffeusgcbieten unter Juziehuug namhafter einheimifdicr mtb 
frember ©elehrtcr, bie gegen Borzeigung unentgeltlich ausgegebeuer Giu= 
laßfarteu zu befudjen finb. Xie BorIc)ungeu umfpanucn baS gefammtc 
Biiffensgebtet. Xie größten z«r Berfügnng ftehenbett Hörfäle finb für ben 
Jmccf frei gemadjt. Jena hat zu feiner ausgezeidmeten BolFsbibliotheF 
nebft Befehalle, bie uou ber GomcniuSzmciggcfeUfdiaft bafelbft augeregt 
ift, auch Hodifdjuloorträge erhalten. Ju beu miffenfdjaftlidien 'Borlefuitgen 
für BolFsfdiullehrer, bic Uniocrfitätsprofefforen im Fommeuben hinter 
oeranftalten, haben fid) iusgefantmt 320 Xheilitehuter gemelbet. Gilten 
Grfolg haben biefe Bcftrebungcn aud) in München unb Beipzig gehabt. 
Ju München faitb ber Bolfs=Hod)ichul=Bercin (Borfißenber jeßt $rof. 
Dr. A. o. Baeper) jmar nidit bei ber Unioerfität unb bem Staate, rnoßl 
aber ber Stabt unb namhaften Xozenten eifrige Unterftiißung. Xhcil= 
nehmer bei* Wurfe marett 1870 ^erfotten mit 4462 Anmelbungen. 837 
Anmelbuugeu gingen 001 t 513 meiblichen Xheiluehutern aus. Ju Jufunft 
merbeu neben Jamilienfarten za 5 M. nur brei Arten uou .Warten 
ausgegebeu, nämlich z u (>o 9f für Arbeiter unb Hanbmerfer, za 1 
für Stubirettbc ber Hodjfdjulen mtb oerfchiebene aubere .Wategorieit 
unb za 3 Jt. für bie übrigen ‘sgerfonen. Ju Beipzifl ift bas im Jrüh= 
jahr begonnene Untcntehmcn ber „Hodifdutloorträge für Jeberntaun" 
fortgefeßt unb bahnt crmcitert morben, baß außer beit Ginzeloorträgen 
nodj' fünf je 4—6 ftiinbige Wurfe eingerichtet mürben. Xie Bortragenbeu 
marett mic itt Miindjrn Xozenten ber Hod)fd)ttle, als Bovßßenber bes Aus* 
idfnffes unterzeidjuet beu Beridit 1897/98 Brofeffor Dr. BcSfiait. Jiir bic 
Borträge mürben miebrrum Warten ii 10 ober SerieuFarten ä 1 JL. atts= 
gegeben. 91ed)iiet mau bic Befudjsziffer bei 12 Bortragsabeube ber Ginjrl* 
oo'rträgc unb ber iusgefantmt 24 Abeubc ber Bortragsfurfe im leßtcn 
hinter zafammcti, fo beträgt bic Befudisziffer 10104. Als geiftigen 
Mittclpunlt uitb !zar Hebung bes Xeutfd)ti)ums im Cfteit foll zur 
©rünbung ber Waifer 3Bilhclm*BiblothcF nunmehr bie Schaffung 
einer Art freier AFabentie für Stabt unb Brooiuz ^ofeit hinzu* 
treten. £b fic and) ben unteren BolFsflaffett zugänglich gemacht merbeu 
foll, ift uns nidit Mannt. 3Büitfd)ensmerth märe cS für ben äuge* 
ftrebten Jtoecf ftchcr. 

9Bas bemeift biefe Aufzäljluug? Xaß fich auch in Xeutfdjlaub 
baS Bebürfttiß nacfi BoIfS-Hoihfchulett oielfad) regt unb baß gern unb 
frenbig bie gebotene Gelegenheit, bie Weuutniffe zu bereidjern, 001 t ber 
arbeitenben Bcoölfcrung 1111 b beu unbemittelten .Wlaffett ergrißen mirb. 
XaS läßt ermarten, baß auch bas fdiötte llnteruehmen Berliner Hochfdutl* 
lehrcr einen guten Boben ftuben mirb — troß aller SBiberfadjcr, bic fidi 
ihm entgcgcnftellen! 

Gharlotteuburg. J r i ß S p c d) t. 


$D|iale §t)stene. 

Schulärzte. 

Xer Attffdimuiig ber Sozialhygiene hat bie AufmerFfamFeit ber 
Sdmloermaltungcit ueuerbiugs auf bie Aothmenbigfcit einer ärztlichen 
Uebermad)uug ber Sdiulen Ijingemiefen. Als Worrclat ber allgemeinen 
Sdiulpflidit fängt bic Beoölferuug au zu forberu, baß aud) bic Winber, 
bie biefer Sd)iilpflid)t folgen, oor Sdiäbigiuigeu bemahrt merbeu. 
Hiigtentfcr, mie ^rof. Hermann Gohit in Breslau u. A., haben fd)ou 
feit 1866 für bic Ginführung oou Sdjulärzteu gefämpft, ber hhgienifdjc 
Mougreß tu Aiintherg 1877, bie Aaturforfdierocrfammliing iu Xanzig 
1881 ), bas heffifdie Mebizinalfollegiitut 1111 b bie mebiztuifdie .Wommiffioit 
in Straßburg 1882 oerlangten bic Ginführmtg oott Sdmlärztcn, für bie 
man and) auf bctu hngieuifdicn Wongreß in Glenf .1882 unb in ber 
miffcnfdiaftlidjnt (Miuifterinl*) Xeputation in Berlin 1882 ettergifdj ein* 
trat. Xas Aitslaub (Sduoebcu, Jraufrcidi, £ cftcrrcicf), Ungarn, Aegypteit) 
ging mit ber Anficllung oon Sdmlärztcn Xeutfdjlanb worauf. Jnt Mai 
ist'2 [teilte bann Beipzig Sdmhir.zti' an; cs folgen Warlsrufjc, Xresben, 
Biioslmben, Xarmftabt 11 . a. J 11 Cifeulmd) a. M. hat bie ztweijährige 
Berioeubiuig bes Wreisaififtenzarzt^ als Sdmlat'zt zur bauernbeit Gin* 
ridjtung biefer Art gefiilnl. Xer gute Grfolg ber BSiesbabener Siegelung 
biefer Jvagc oeraulaßte beu prenßifdjen Miiltiismiuifter in einem 91 unb* 



101 


©ogiale B*ajiS. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Wr. 4. 


102 


erlag an fämmtli<he Wegierunggpräfibenten unter TinroeiS auf baS 
SSieSbabctter SWuftcr bie Slnfteßung non ©djulärgten ben ©labten äfjn- 
licken Ggarafterg gu cmpfelilcn. Sie SSicSbabener Drbnung für bie 
©djulärgte, bie fidj an bie SWufier non $racj, $ari§ 2C. anfcf>licfgt, über* 
trägt bem $rgt nidjt blog bie hpgienifdje Uebermachung ber ©cgulräum* 
licgfeiten — bei ©emeinbe* unb SWittclfcgulcn —, fonbern auch bie 
bauernbe gefunb^eitlid)c Beobachtung ber ©<hulfittber, über beren jebeS 
ein ^erfonatbogen geführt unb bejfen ©röge unb ©eroidjt bauernb 
fontrotirt wirb. 28ie fegenSrcid) gerabe biefe ©eite ber fchulärgtlidjen 
Sgätigfeit ift, möge ber TinroeiS geigen, bag bei 25% ber ftinber 
förperlicge ©cbrecheu auf biefe Steife feftgefteßt mürben; bei 7,6% ber 
Äinber g. B. beginttenbe Wücfgratoerfrüntmung; bei 9 % bis baf)in nicht 
bemerfte Untcrleibsbriiche; bei 13,6 °/o ?lugenleiben unb 2lebnlid)cS. 3 n 
bem amtlichen Sud» „SaS ©anitätsroefen bes preugifegen ©taateS 1881 
bis 1891" 8. 395 tnirb beriditet, bag ber ftretSpbtjftfuS non Sauenburg 
in Sommern in ber ftäbtifdjen Glementarfdjule unter 1156 0d)ülem 
13 geijtig nicht gang normale, 17 ©totterer, 12 ©cgüler mit anberen 
©pradgftörungen, 47 äurgfiegtige unb 34 ©egroerbörige feftfteßte. Bon 
einem Widßfacgmann fönnen bie leichteren biefer ©törungen nicht feft¬ 
gefteßt merben. Sie golge ift, bag bie unglücflicgcu tfinber in ben 
Huf ber gaulbeit unb unaufmerffamfeit fommen unb gurücfbleibcn. 
3egt merben fte ben TilfSflaffen für 3Rinberbegabte norübergebenb ober 
bauernb Übermiefen. 

$n Berlin ift biefe grage roieberholt angeregt, ©ie fdjeint fegt 
ihrer Bertoirflichung nahe gu fein. Sie berliner ftdbtifche ©cgulbeputa* 
tion h^ befd)loffen, ben ©enteinbebehörbeu folgenbe ©ruttbgüge für bie 
STnfteÖung non ©cgulärgten norgnfchlagen: 

gür jebe ©emeinbefchule roirb ein ©chulargt nom 3Wagiftrat fontraft* 
lieh angenommen. Gittern Birgte bi'trfen höcgftenS 6 ©chulen übertragen 
merben. Sem ©chulargt liegt ob: 1. bie Prüfung ber für ben erften 
Gintritt in bie ©djule attgcmelbeten .ttinber auf ihre förperliche ©djul* 
fähigfeit; 2. bie Prüfung ber für ben Webenuntcrrid>t norgefchlagenen 
Sfinber auf förperliche unb phijfiiche Mängel, inSbefonbere auch auf bie 
etmaigen gehler an ben ©inneSorganen; 3. auf Grfudjen ber ©cgul* 
fomtniffion begtn. beg Sfteftors bie Prüfung eines angeblid) burch $ranf- 
heit am ©chulbefudj nerhinberten Sfinbcs; 4. bie Abgabe eines tnünb* 
liehen ober fdjriftlidjcn, non ben guftänbigen Organen ber ©cguloertoal* 
tuttg erforbertett ©utadjtens a) über uerntuthete ober beobachtete gälle 
anfteefenber tomfljeiten ober förperliche Beginberungen non ©chulfittbem; 
b) über oenmithete ober beobachtete, bie ©efunbgeit ber fiebrer ober 
©djüler benacgtbeiligenbe Ginrichtungen bes ©djulbaufes unb feiner 
©erätbe; 5. in 3nüfcgcnräumen non 14 Sagen eine ©prechftuttbe im 
©chulhaufe gu haften, itt ber bie Segrer ben ?lrgt um Watb fragen, 
auch Äinber bem ?(rgt norfteHett föttnen. — Ser ©djulargt ift nerpflichtet, 
baS ©djulhaus unb bie eingelnen klaffen mährettb ober außerhalb beS 
Unterricht!?, nad> oorgeriger ?lnmclbung beim Sieftor, in beftimtnten 
3eiträumen gu Defuigen unb bie non ihm etma beobadjteten bwenifegen 
SWängcl bem Sieftor mitguthcilen. Sie in anttlidjer Gigenfdmft gemachten 
Beobachtungen barf er nur nach Genehmigung ber ©chulbeputation 
neröffcntlidjen. Sie ©djulärgte merben periobifcb gu Berathungen be* 
rufen, tnelche non einem bagu nom Borftgenben ber ©chulbeputation 
bestimmten SRitgliebe ber ©djulbeputation geleitet merben. Ser ©cgul« 
argt erhält für jebe ©chule ein Honorar non jährlid) 50() M. 

Siefe Borfdjläge fcgliegen fleh iu ber .ftauptfache an bie ©runbfäge 
an, nach benen in ©täbten mie 833ie6baben, Sarmftabt unb Offen* 
bach a. SW. bie ©teüung beec ©chulargteö geregelt ift. ©ie merben bie 
Slergte nicht noH beliebigen unb ebenfo menig bie 2ebrcr, bie leiber 
immer noch in ber Befürdjtung, ihr Slnfehen fömte burd) biefe Gin* 
ridhtung leiben, ftch eingureben fuchen, fie fönnten faft äße Slufgaben beS 
©chulargteö felbft löfen. Bebenflich ift bie Bcftimmung, baß einem Slrgte 
big 6 Boltefcfjulen übertragen merben fönnen. Gine ©emcinbefchule 
Berlins hat burchfchnittlid) 900 Zöglinge; auf einen noßbefchäftigten 
©chulargt mürben bamit 5400 ©d)üler fommen, alfo bebcutenb mehr 
alg in S reg ben (4000—5000), Seipgig (30CKJ—4000) unb Nürnberg 
(über 3000), ben ©täbten, benen in ber Breffe megen beg großen Um* 
fangeg ber bem eingelnen Slrgt gugetbeilten Slufgabe fchon ber Bormurf 
gemacht morben ift, bafe ihr ©chulargtmefen mehr ben Gharafter eineg 
fehönen beforatinen Beiroerfg habe. 3« ©iegbaben, Sarmftabt unb 
Offenbach a. SW. entfaßen auf ben eingelnen ©d)ulargt nur 1000 big 
1900 goglinge. Silo eine Befjinberung ber miffenfchaftlidjen grei^eit 
mirb oon ben Sergten bag Berbot empfunben merben, feine Beobad)* 
tungen ohne ©enehntigung ber ©chulbeputation gu oeröffentlidhen. Unfereg 
SBifieng ift eine ähnliche Befdjränfung bisher nur SWilitärärgten auf* 
erlegt. Bei ber großen 3®hf ^r ©chulärgte, bie für Berlin in Betracht 
fommt, müfete, mag man in ben Borfdjlägen oermifct, biefe hhgienifche 
Ginrichtung ihre ©pi^e in einem tüchtigen Oberfchulargt finben. 


Sm ©(htuutbfuthtdbeftmftfmtg. S)ie ©chroinbfuchtgbefämpfung 
hat neuerbingg aon groei ©eiten einen Slnftofc befommen: 2luf ber 
70. Berfammlung beutfeher Slaturforfcher unb Slergte befchäftigte 
fidh bie Slbtheilung für £>t)giene unb Bafteriologie ant 22. ©eptem* 
ber eingehenb mit biefer grage unb fefcte einen bauernben äug* 
fdhufe bafür ein; mir haben barüber in Wr. 2 ber „©ogialen 
^rajig* (©p. 52) berichtet. Unb bie Gentralfommiffton ber ^ranfen* 


faffen Berlins unb Umaegenb unterbreitete bem 2tei(hS*Berft<herungS* 
amt eine S)enffchrift „JJur ©dhminbfudhtsbefämpfung" (Berlin 1898). 
S)ie Gentralfommiffion (Ber trauen Sargt Dr. SR. 5riebeberg*Berlin) 
legt an ber §anb non 3 a hl cn bar, mie bie ©terblid)feit an ©chminb* 
fudht in ber inbuftrießen Benölferung nom 15. bis 60. SebenSjahr 
etma bie §>ä(fte, in einer SReibe non ©emerben noch mehr beträgt, mie 
bie Äranfenfaffen für ben eingelnen ©chminbfuchtSfaH im ßaufe 
ber Sabre über 1500 <AL begabten müffen — bie fleine $affe ber 
©olbfehmiebe, mit nur 1762 SDtitgliebern, hat in ein paar Sahren 
für 26 ©<bminbfü<btige über 27 000 ausgegeben — unb fo 
ourd) bie ©d)toinbfu<bt gröfetentheits an ber noßen Grfüßuna ihrer 
fonftigen fogialen gunfhon nerbinbert merben, unb mie enblich bie 
SnnalibitätSanftalten einen non Saht gu Sahr fteigenben 
Brogentfah non SRentengablungen auf ©runb ber Suberfulofe gu 
nergeiebnen haben, ^ranfenfaffen unb SnnalibitätSanftalten 
müßten barum gemeinfam norgehen. S)te ©runblage biefeS 
BorgehenS müffe bie ßeilftättenbehanblung bilben. Grforbert mirb 
bas SRedjt auf §eilftättenbehanblung ber bagu geeigneten 
Säße, bie obligatorifche Ginfübrung in ben bafür geeigneten Säßen. 
Um ben Teilerfolg nicht burd) bie „©orge um bie Samilie" gu ge« 
fährben, foßen bie Suualibenanftalten bie gangen Soften beS Teil* 
nerfabrenS übentebmen, roäbrenb bie ^ranrenfaffen bas gange 
Äranfengelb ber Samilie jufommen laffen, ein Berfahren, baS in 
Berlin jefet burchgefübrt ift. S)er Slufnahmebegutachtung müffe bie 
tbatfäd)iirf)e Aufnahme halb folgen. GS bürfe nid)t norfommen, 
bafg „fein Bla^ mehr ba ift". Weben ber Blöglichfeii, aus ber 
Benölferung bte aßererften, bie SlnfangSfäße berauSgugiehen, hange 
bie Oöfung ber ©chminbfuchtsfrage banon ab, ob bie Tratten 
ihren Pfleglingen ©eroöbnung an WtuSfelthätigfeit ober auch 
BerufSroechfel ermöglichen fönnen. deshalb fei enge Suf)lung mit 
§lrbeitSnachroeifen nöthig’, bamit rechtgeitig ben Gntlaffenen in ber 
©tabt ober noch beffer im Keinen 0rt ober auf bem fianbe paffenbe 
Befchäftigung nachgemiefen merben fönne. Borbeugenbe Blaferegeln, 
Belehrungen, auch über bie fogialpolitifche ©efefegebung, müßten 
bagu fommen. ©ei es hoch oorgefommen, bafe bei ber Snnalibitäts* 
anftalt ©adhfen im Sahre 1894 non 476 SRentenanfprechern auf ©runb 
non ©d)minbfu<ht 106 bereits in ben nächften 2öoc|en, benor ße 
überhaupt Befcheib erhalten fonnten, gefterben maren. Suberfulofe* 
BerhütungSnorfchriften in Blafatform gunt Slufhängen in ben Be* 
trieben feien gmecftnäjjig, mie fte bereits nom Bcretn für Arbeiter* 
fürforge in Öeipgig h er 9 ^fteßt finb. 3u aßerjüngfter 3 c it habe 
baS preußifche ÄultuSminifterium ferner bie ©emährung unentgelt* 
lieber ©putumunterfuchungen im Snftitut für SnfeftionSfranfheiten 
ben Berliner Slergten in fichere SluSficht gefteßt — eine banfenS» 
merthe Sbrberung. S)er Bericht fchliefet mit bem ©ahe: 

„Unb bas Bolf mirb noch lange ün frteblidjen mirthfehaftlichen 
SSettftreit, mie tm frieblichcn Wtngeit ber Wattonen bie Bräponbcrang 
behaupten, melcheg am entfdjloffenften ben Äampf gegen bie Suberfulofe 
aufnimmt unb am rüdftchtglofeften bie ©chä^e an ©über unb ©olb in 
gefunbeS Blut unb gefunbe Sungen feiner Bürger gu nermanbeln magt." 


filtctarifrfit Slttjeigeit. 

Beftimmungen ber Bt^ugifchen Gentral»©enoffenfdjafts* 
Äaffe über ben ©efchäftSnerfehr. Berlin 1898, Srucf non 
Bentharb Baut. 

Siefe als SWanuffript gebruefte Sufaumtenfaffung ber für bie 
„B^ugenbanf" in ihrem ©efegäftgoerfehr maggebenben Beftimmungen 
enthält bie brei einschlägigen ©efege non 1895, 1896 unb 1898 über 
bie Grrtchtung unb SluSgeftaltung ber Äaffe. GS folgen bann bie Be¬ 
ftimmungen über ben Bcrfcgr mit Berbattbgfaffen, bie Bebingungen 
über ben aßgemcinen ©efchäftSnerfehr foroie für ben Berfehr mit öffent* 
liehen ©par* unb ©emeinbefaffen unb ben Ghecfocrfcfjr. Sem 3ncfcr* 
unb bem ©pirituSlombarb ftnb befonbere 2lbfdjnitte gemibmet, ebenfo 
ber Beleihung non Hnmeifungen auf Branntroeinfteuer-Bcrechtigungg* 
fcheine. Ätt legter ©teßc ftnb bie Beftimmungen für Äornhauggenoffen- 
jehaften auf geführt. 

Beiträge gur ©tatiftif beg T^rgogthumg Braunfcgmeig. TerauS* 
gegeben nom ftatiftifdjen Bureau beg Tergoglicgen ©taats* 
minigeriums. T^ft XIV. 1898. 

Sag §cft enthält Arbeiten über bie Umgeftaltung ber ©teuer* 
nergältniffe im Tcrgogthum burch Ginführung ber ©taatseinfommenfteucr, 
bie ©utSgertrümmerungen 1896, bie Bolfsbibliothefcn 1897, bie erroerbs* 
thätige Befchäftigung non ©cgulfiubcrn, bie braunfehmeigifdie Beamten*, 
SÖittroen* unb Söaifenoerforgungsanftalt. ©ämmtlidje ?luffägc ftnb nom 
Borftanb beg Burcaug, ginangratl) Dr. 3'mmermann bearbeitet. 

Slöln. Bericht über bie Bermaltuitg ber Äranfenanftalten ber ©tabt 
ftöln pro 1897. 


SerattoortUcQ für bie »ebaltion: Dr. Srnft grantfe tn Berlin W., Bapreut^erftrage 29. 


103 


©ojiale $raji8. ©entralblatt für Sojialpolttif. 9fr. 4. 


104 


©te „$ 4 ffaU glraet*“ erfdjeint an iebem ©onnetdtag unb tft burt| alle 33u<bbanblungen unb Sßoftämter (^oftjeitungOnummer 6729) 311 belieben. ©er $ret* 
für ba 6 Sictieljabr ift SR. 2,50. 3>ebe 9hmtmer foftei 30 $f. ©er Änjeigenpreifl tft 60 $f. für bie breigefpaliette ißetitjeile. 


öerlag ber Arbeiter -IDerfbrgnng. 
Ä. Utofrijel in fiexlin W. 

* <©6? * 

X>ienftr>ertrag 

ätmfdjen 

brit $rimkrnküffm ratb ifjrrn 
grämten. 


3m 2litfd}Iujj an heit HUntjierialerlafj 
hont 9. 3uli 1898 entworfen. 

—s— 

$retß 16 $f., 10 Stüd 75 $f., 25 Stüd 1,50 2». 


Soeben erhielten: 

3«|rt#dj fit ®tfe||th#i, SttMtai »ii SolfeiirtHift 

im U*wtr<^ew fjtaldj*. 

DerauSgegeben non 

<$*£«» JdjttwIUr. 

JUut folgt. XXII. fatjrgang. fftrtto §tfl. gr. 8 °. *ret» 8 p. 40 Vf- 

Sn^alt: Siaatenbunb unb 93unbe3ftaat. 2$on Äarl non Stengel. (3weiter, [^d^Iu6^]9Lrtife4.) — 
©ie ©renjnubcn*2^eorie als ©runblage einer ultraliberalen SBirtfd&aftSpolitif. 2$on SabtS* 
IauS n. Sortferoitfcp. — Beiträge jur ©efcbtdjte unb S^eorie bes SlrmemoefenS. ?luS bent 
„ 9todjlab bes grei^erm o. Stetyenfiein ^erauögegeben unb ergänzt non ©mil 2>tün[terberg. — 
©te bireften Steuern unb bie SSermögcnSetttroidelung in Augsburg non ber SRitte bes 16. 
1 bi8 aum 18. ^a^rbunbert. 23on 3- ©artung. — ©ie Mangel ber ^olijei. Son Otto ©erlaub. — 
©ie Äoften ber SBolfSfdjuIe in Sßreufjen. fBon Ulbert £ofc. — fBolfSroirtfcbaft unb 9tedi|ts- 
orbnung. ©röffnungSrebe ber Sa^resnerfammlung 1896/97 ber „American economic asso- 
ciation“. 3$on ©enrp ©. 2lbamS. — ©ie benorfte^enbe ©meuermtg be$ ©eutf<ben S3anf- 
gefefceS. 3$on ft. ©elfferidj. — Sitteratur. 


Soeben erfdienen: 

Hut# uni) Hnterfttdpp 

5ur 

Jlttfafujjs-, MtrronltnHgs nab iirtfd)ttft5gefdji(l)tt 

ktfiukns In itnfiißn Staates in 17. ul 18. ft^ultrt. 

SBon 

< 5 uftat> 5 ct}moUer. 

gr. 8°. (XIII, 686 S.) 1898 . $ret$ 13 2 »., geb. 14 SK. 60 $f. 

ÄitS btt Qiitleitititalbe# SerfaffeirS: 

„ 98 a$ tdj 5 ier einem weiteren Greife norlege, finb btftorifcbe Unter- 
fu<bungen, bie aber ebenfo bie allgemeine ©rfenntnis non Staat unb 9 iecf)t, 
fBolfSnrirtfcbaft unb ©efettfdjaft förbern, als bie ©ntftebung unferer natio¬ 
nalen 3nftitutionen erflären unb ba$ 2$erftänbniS ber ©egemnart erleichtern 
wollen." 

I. ©aS 2 KerfantiIft)ftem in feiner fjiftoriidjen 2 ?ebeutung: ftäbtifebe, territoriale unb 
ftaatlidje 2 Sirtf<baftSpolitif. 

II. ©ie ©anbclsfpcrre jrotfeben Sranbenburg unb Sommern im Sabre 1562 . 

III. ©ie ©potbeit ber prcu&ifcben ginanjpolitif bis jur ©rünbung beS beutfcben 2 leicbe 8 . 

IV. ©tc ©ntftebung be8 preufeifebpn ^>eere8 non 1640 — 1740 . 

Y. ©er beutfebe Seamtenftaat nom 16 . bi8 18 . 3öb r b un bert. 

VI. ©aö branbenburgifeb-preubif^e Srniungämefen üon 1040 i^OO, bauptfäcb» 
lieb bie 2 lefom unter Sriebridj SSilbelm I. 

VII. ©ie rufftfebe ©ompagnie in Berlin. 1724 — 1738 . 

VIII. ©ie preufjifcbe Seibeninbuftrie im 18 . Sabtfpmtert unb ihre Segriinbung bureb 
3riebri(b ben ©rofeen. * 

IX. ©ie preufjifcbe ©inroanberung unb länblicbc Äolonifation be» 17 . unb 
18 . Sab^bunteriS. 

X. ©ie ©poeben ber ©etreibebanbcBoerfaffung unb -^olitif. 


V V V W 

s«/la 


Soeben erschienen: 

Statistische Studien 

zur 

Enfwickelungsgeschichte 

der 

Berliner Industrie 

von 1720 bis 1890. 

Von 

Otto Wiedfeldt. 

(Staats- u. soo.-wiss. Forsch. XVI. 2.) 


gr. 8°. (XI, 411 S.) 
Preis 9 Mark 60 Pfennig. 


3t » » 3f 3T 


Soeben erfebienen: 

gtt« pictcerfji 

imib brat ptgrtlidfru fit bas Irutfdfr Und). 

SYfiematifd? öargeftellt 

oon 

Cudwfg fNid, 

ftegtftanmalt tn URalnj. 

18 *,4 23ogen, gr. 8°. §ßrei^ gebunben 5 3Ji. 40 ^f. 

ScrantiDorUid) für bie fliueigen: ^toQuiutl) @ctbcl. £cii3ig. — beileg oou 2unrfct & $>uni&Iot, ifeipiig. — Oebturft bei 3uliu8 ettlcnfclb, Scrlhi. 

Seigclegt ift bicicr Kummer ein ^rofpeft oon £>crrn R. I,. Prager, iß er lin, betr. Slanc, SDrgauifatton ber Arbeit. 


Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35. 

Soeben erschien: 

Chirurgische Operation and ärzt¬ 
liche Behandlung . Eine strafrechtliche Studie 
von Professor Dr. Carl Stooss, Wien. m. 2,60. 

In dieser medico-juristischen Studie gelangt der Verfasser unter 
Verwertung zahlreicher Fälle aus der ärztlichen und juristischen 
Praxis zu dem für Aerzte wie Juristen gleich wichtigen Resultat, 
dass ärztliche Behandlung keine Körperverletzung sei. 












vm. faprgsitg. 


©erlitt, ben 3. ÜJiooembec 1898. 


itnmmtr 5. 


Soziale pvati*. 

(IfentrafMatt fö* £>o$\atipolitx& 

f 

mit ber 2flonatS5etlage: 

Das (Rewetbe^mct^t* 

©rgcm öes Oerbanbes beutfdjer (5ert>erbegertcfyte. 

«Reue golge bcr „©lätter für fojtalc ©rayt«* unb beS „Soaialpolittfcben EentralblattS". 
an jekew f)om»etf»«|. Herausgeber! Drei» »ledelfifrlt* 2 SR. 60 *f. 

fRebaftton: ©erlitt W., ©ahreutbevftraße 29. Dp« Ctttft ©erlag bou 3)under & §umb(ot, Sel^jtg. 


3tti)aU< 


Arbeiterfchufr unb Heimarbeit. I. 
©on Dr. Eugen Schroieblanb, 
©riöatboaent, SBien.105 

«floemetuc nnb fiMrlOfftaftt* 

ttssIMI. 111 

©ie preufcifäen ööttbtagSntöblen. 

©aß beutfdje Stveifgefefe. 
Eefefcentmurf betreffenb ben Schüfe 
bet AngefteUten im HanbelSgewetbe. 
Antrag auf Aege.mtg ber Heimarbeit 
in Defterreicfe. 

Kommunale Se&talMHtti .... 112 
©ie ftabtifd^en Etgenbetriebe. 
gorterfeebung ber ©etbrauchSfteuem 
in Hcibelberg. 

SlübtifdjeS SöofenungSnac&njeiSamt in 
©tülfeaufen i. E. 

Vvfcdterlicmcguttfl.114 

©er Streif ber ©erfilberer au 
©erlin. ©on 3Jt. b. Scfeula, 
©orfifeenfeem beS EemerbegericfetS 
©etlin. 

©ucfebrucfertarif-©etoegung. 

©aS ^üncbenet Arbeiterfefretariat. 
Streifs unb AuSfpeTrung in ©ünemarf. 

Hvbettevf*«*.116 

©te Sage ber jugcnbli$en unb 
toetblidjen 3 te 0 clelarb«tter 
unb ber ©unbeßratfe. ©on 
ÜBilfeelnt Smientp, ©etlin. 

©ie fReidjSfommiffton ffir Arbeiter* 
ftatifHf. 

©erfeütung bon SRilabranböergiftung 
in ber Shierhaarmbuftrie. 

©erbot ber ©enufeung bon offenem 
Sicht in ben preufeifchen ©ergmerfen. 


91 *beUert»erfld>evuug. 120 

©on ber SRobefle auc Alters* unb 
gnoaliDitötSoerficherung. 

AUerSberforgung für toeibliche ©ienft» 
boten in Defterreitb. 

©ie ftaatücbe AUerSoetfidjerungSfaffe 
in ÖftanfTeitb. 

gortfübtung ber ©eratbungen über 
Rranfen* uub Unfaüberficberung in 
ber Sdjtoeta. 

Rtvbetitn«dM»ei# .1*21 

©etbeiligung bon Arbeitgebern uub 
Arbeitnehmern nn ber ©ermaltung 
beS EentralOereinS für ArbeitSnad)* 
toeiS in ©erlin. 

Siäbtifcher Arbeitsnachweis in 
Spanbau. 

ArbettSnachweiSbuteauj unb 28arte* 
räume für S(bauerleute in Hamburg. 

Eentralanftalt für ArbeitS* unb 
SBohnungSnacbweiS in ©armftabt 
1897/98. 

ArbeitSbermittelung in Steiermarf. 

Arbeitsnachweis in ©erbinbung mit 
ben AaturalberpflegungSftationen in 
ber Sdjweia. 

fStofttusugSmefeii .123 

ßur ©eform bet ©auorbnungen. 

Arbeiterwofenungen in ber ©robina 
Hannober. 

©ie ArbeitermobnungSfrage in Aürn* 
berg. 

©erein „Arbeitetbeim" in ©ielefelb. 

mttetaxm* tiHatti«!.125 


3nbalt beS (Sewerbegericfets Ar. 2. 


©dinge: „®«S Oetoerbcgeriibt" 9be. *. 


Abbrucf fämmtlicber Artilel ift 3cüungen unb 3«itfchrtften geftattet, jebocb nur 
mit boHet Quellenangabe. 


Ärbeitrrfdjulj unb Heimarbeit. 

i. 

3 )ie „AuSbebnung beS ArbeiterfcbufeeS auf bie HauSinbuftrie" 
bilbet ein ftänbigeS $oftulat ber Arbeiter unb 3o3ialpolittfer. 

3n bcr £l)at ergiebt ftd^ bicfe Jorberung aus beut ^rinjipe 
HeS ArbeiterfcbubcS felbft. SRic^t blofe aus ber 9 fiicf|icf)t auf bie 

t eimarbeiter, nein, aucf) aus SRucfficbt auf bie betn gefeplid)eu 
rbeiterfcf)u(je bereite unterfteflteu ^erfoiteit. (£enn infolange bie 
•5)audinbuftrie in ben Slrbeiterfdjufe nicf)t einbe^ogen ift, fönnen 
Serf^ärfungett ber Sabrifgefetjgebung unb be<? 2cfjntK0 ber ^lr* 


beiter im ftleingeroerbc gerabegu bie ©eiterentroicfelung ber un« 
gefertigten Heimarbeit — biefer non allen organiftrten Arbeitern 
befämpften ©etrieb8form — beförbern. 3>rt Äenntnife biefe8 aucT 
im 2)entfd)en SReicT^tage bereits erörterten 3 u f ammen Ö an 9 c ^ 1 ) 
forberte ein $r«^nermer am 3 üric^cr 2 lrbeiterf«Tuj}longref$ 1897 
baö Verbot ber gafaifarbeit für nerreiratrete grauen „vev* 
bunben mit bem Verbote ber Heimarbeit, benn o^ne biefes 
mürbe fic einfad) in bie 5 tetterlöcTer ober 2)acTböben oerlegt". Unb 
be^^olb fenn&eidjnete berfelbe ^ongrefe bie HauSinbuftrie alö ein 

S ro|e-5 ^>inbei:nib für bie ©urcTfürnmg eines mirffanten Slrbeiter^ 
rufeeS. 2 ) ®iefe ienbenj bcr ScTutjgefebgebung für ©erfftätten* 
arbeiter, bie mcitere Entfaltung ber ungef^übteu ^>auSinbuftric ju 
beförbern, mirb aber um fo fräftiger 31t Xage treten, je me^r bie 
Entroirfluttg ber elcftriftTen SfraftübertragungSmetboben ben moto* 
rifeben betrieb in ber HauSinbuftrie oeraUgemeinent roirb. 

0obalb mir inbefe ber Öorbcrung 3uftimmen, bafe ber H au ^ s 
inbuftrie angepafcte Slrbeiterfdbubbefhmmungen 3U erlaffen ftnb, 
tnuft uns auch Har fein, bafe es abfolut rtiebt genügenb roare, für 
bie Seacbtung ber auf3ufteÜenben 0d)uboorf(briften lebiglitb bie 
HcmSinbuftriellen felbft haftbar gu tnad^en. Glicht etroa aus 
boftriitäreu Erroäguitgen über ihre Unfelbftänbigfeit, fottbent rein 
aus Erwägungen ber $rayis. können boeb febon bie S 5 or* 
febriften, roeldbe baS Kleingewerbe betreffen, nur ferner unb faum 
burc^gefübrt werben, weil es nidbt möglich ift, baS gefammte 
Kleingewerbe bureb bie gegebenen Drgane ber ©ewerbeinfpeftion 
unb ber Eemerbebebörben einem wirffamen Spange 311 unterwerfen. 
Unter bem Einbritcf biefer unleugbaren &batfad)e habe ich mich oor 
fahren gegen ben SSorfcblag auSgefprocben, ba§ bie Öabrif* unb 


J ) @0 fagte 3 . ©. Abgeorbneter Dr. Hi fee bei ©egriinbung feines 
Antrages rom 5. ©eaember 1895 ( 9 ?r. 22 ber Anlagen): bie oerbünbeten 
©egierungen feien 31 t erfudjen, bie AuSbebmtng ber ©eftimmungen ber 
(^nuerbeorbnung, betreffenb ben Schub ber iugenblidjen unb wetbUcbcn 
Arbeiter auf bie HauSinbuftric — unter befonberer ©eriiefftebtigung oer 
©irfungen ber Jvabrifgcfebgebung auf bie ©ennebrung ber H fl uS» 
inbuftrie — bureb Erhebungen oor 3 ubereiteu: „©ab bie ©crbältniffe in 
ber HauSinbuftrie oiclfarf) fd)litnmer finb als in ben ^abrifen, baS ift 
f)ier häufig genug auögcfübrt worben. . . . 23ir finb aber umfontebr 
ba 3 ii ueranlagt, biefe ^ragc 31 t erörtern, weil auch bei uns uielfad) oou 
ben ^nbrifinfpeftoren berichtet wirb, bafe bie oerfdiärften ©eftimmungen 
für jugcnbltcbe unb weibliche Arbeiter 31 t einer ©ermebrung ber HnuS= 
inbuftrie geführt haben." (^rotofoH ber Sibnng bes 9t ei cf) s tag es am 
15. Januar 1896, 3. 337; »gl. and) 3. 339 unb 443.) ©ic gleirfje Er* 
fahrung bcrirfjteu and) bie cnglifchcn ^abrifiufpeftoren mit ©e^ug auf 
bie jiutgfte englifdje Arbcttcrfdntbnooelle am? 1895 (Armual Report of 
the Chief Inspector of Faetories and Workshops for . . . 1896, Bonbon 
J 897, 3. 38). Unb aud) ber ©erorbnung 00 m 31. :1Vai 1897, wcldic in 
©cntfrijlanb bie Arbeiter ber Mlcibrr* unb ©äfdiefonfeftion ben 135 
bis 139 ber ©emcrbeovbmtng nnterficflte, wirb bie glctd)c ©iirfnng 
nadjgefagt. ©er Allgemeine bontfehe Sdmcibcr* unb 2rfniciberinnen* 
fongreü uom 22. unb 23. Auguft 1898 311 SKaunbcini betont in feiner 
9te[olntiou: „Häufig finb bic bind) bie ©erorbnung betroffenen Arbeiter 
ans bcu ©crfftättcn entfernt unb ;gtr Heimarbeit getrieben worben." 
(„/'vadßeitung für 2dnteiber" |Hautbttrg| turnt 27. Auguft 

2 ) 'suteruationalcr Kougrrü für Arbriternfnih in ^piridi, 1 s ' ( 7: 
A'mtlieber ©ertdjt; ^liirid), ('Iriitltoerein, 1^‘ns, 2. 22.'* ff. 














107 


©ojiale $xagis. ©entralblatt für ©ojialpolüif. Nr. 5. 


108 


SBerfftättengefefcgebung einfacf) „auf bie §auSiubuftrie auSgebehnt" 
werbe. 6iitb bie bcfte^eitben Arbeiterfd)iifcgefefce, fcfjon foweit fie 
fleingenjerBIidje SSkrfftätten betreffen, auf betn Slonttnente wie in 
©nglanb fehlest burchgeführt, fo rönne man nicf)t hoffen, bafe 
ihre weitere 2Iu8behnuitg auf bie fmu^inbuftrie fie burdfjführbar 
machen werbe. 

2Wein bie englififje ©efefcgebuiig hoi wohl ben richtigen 
Hafen gefunben, ber hi er einzufepeit tft. Sie hot (Eactory and 
Workshops Act, 1895) ben ©ewerbSinfjaber — freilich bisher 

nur in theoria — hoftbar erflärt, wenn feine NufjerhauSarbeiter 
an einer Stelle befchäftigt werben, „welche für ihre ©cfunbbeit 
nachtheilig ober gefährlich ift" 3 ) unb ihn thatfäd)Iid) bafür 

nerantwortlich gemad)t, bafc SBefleibungSftiicfe in einem §aufe her* 
gcfteßt, auSgebeffert ober gereinigt werben, worin ein Scharlach* 
ober Slatternfranfcr fid) befinbet. 4 ) Unb -grau 2öebb*^otter 
hat gegenüber meinen bamaligen SBebenfen 5 ) bodj wohl mit 
SRecht ermibert, 6 ) bah, wenn Die Verleger fowie bie HanS* 

eigenthümer bafür oerantwortUd) gemacht würben, bafj bie uott 
ihnen oerlegten (be^w. bie in ihren fmufern gewerblich thätigen) 
3keifter, 3toifchenmeifter ober Heimarbeiter ihre Arbeit unter folgen 
SBebingungen oerrichten, wie fie bas ©efefc oorfchreibt, bamit 

fdjon eine Hanbhabe jur Dnrchfebnitg oieler SBorf Triften ge« 
wonnen wäre. 

So ber ^hat würben bamit Verleger wie Hausherren — unb 
baljet auch bie H rt «änteiftcr — z« freiwilligen Organen ber ©e* 
werbepolijei. Sn hem Momente, wo biefe ^erfüllen (Gefahr laufen, 
in Solgc einer Shueige ober eines zufälligen Söcfuches ber ©ewerbe* 
Snfpefhon einer Strafe zu oerfallen, weil gewiffe gefefclid)e $or* 
fd)riften in ben oon ihnen befchäftigten (bezro. in ihren Hüufern 
bcfinbüchen) betrieben aufeer Hd)t gelaffen werben, miiffen fie be* 
ftrebt fein, bie Beachtung bc* ©efefceS iljrerfeits z« förbern. 7 ) 
3£a8 bie Verleger betrifft, hoben manche feine $i'unbenfd)iteiber 
Bonbons bereits oor Sohren ihre fyaftorc beauftragt, fid) bei 
ihren @efd)äftSgängen auch barum z« fümmern, ob in ben 3a* 
milien ber Stücfmeifter, welche für bie Unternehmung arbeiten, 
etwa eine anfteefenbe kranfheit berrfcht, um gegebenenfalls bie 
Äunben oor bereu Uebertragung frühen zu föitnen. §. 6 ber eng* 
Iifchen gabrifgefebnooeHe aus 1895 |ot biefeit Schuh ber reidjen 
Äunben aud) ben ärmeren zugewanbt. Uns bonbeit es fid) aber 
um ben gefc^lidjen Schuh ber Heimarbeiter felbft. 


8 ) „§. 5. SBeitn ein Snfpcftor ben föefifccr einer A-abrif ober 3Serf* 
ftätte ober eilten ^mifdjemnann, ben biefer bcfdjäftiqt, fdjriftlidj oer= 
[tänbigt, bah eine Stelle, worin für bie ^weefe ober in 3*rrbinbuiig 
mit bem Gefdjäfisbctrirbe ber Jabrif ober SKerfftättc Arbeiten oerriditet 
werben, für bie Gefunbfjctt ber bort bcfdmftigtrn ^erfonen nadjtheilig 
ober gefährlich ift, ocrfäüt ber 5?eiiper ober ^mifdjemnamt — fall? er 
nach SWouatSfrift oom Empfange biefer 3Wittheilnng an nod) Arbeit zur 
ÄuSfühnuig in jenem Staunte auSgiebt unb ber Gerichtshof, welcher ooit 
betn Tyallc Menntnih erlangt, befinbet, baf 3 biefer v piap uadjtljcilig ober 
gefährlich ift — im furzen Verfahren einer Strafe bis zu 10 £. 

„Seglidie Stelle, oon welcher aus Arbeit ausgegeben wirb, ift in 
Hinfidjt auf ihren 23efiper einer Scrfftätte glcidjzuadjteit. 

„tiefer Paragraph finbet blof> auf ^erfoueu ?lnwenbung, weldje in 
gewiffen Gewerben bejd)äftigt finb, bann auf foldie, weldje Arbeit aus* 
geben, ober weldje in gewiffen Öezirfen bcfdjäftigt finb, wie bas ber Staate* 
fcfretär oon 3eü ju 3’eit auf Grunb beS t>r» Des AabrifSgcfcpeS oon 1878 
oerfiigen mag. (iiite foldjc Verfügung faun aber nur in ^ejug auf einen 
Diftrift erlaffen werben, in bem bie 3ohl unb ^ertheilung ber Ü8coöl= 
fermtg ober bie s ?lrbeitSbebingungen eine befonbere Gefährbung ber Ge* 
fuubheit ber Arbeiter unb v 3eoölferung begriinbeu." — 

bisher würbe jeborf) oon biefer ©rmäditigung fein Gebrauch ge* 
madjt unb ber ganze >j. 5 blieb ohne praftifdien 4s?crtlj. 

4 ) 6. Säenn ber 93efiper einer Aabrif, ^erfftätte, ^äfdjerci ober 

irgenb einer Stelle, oon ber au* Arbeit ausgegebeu wirb, ober ein 
3wifdjenmann, ber oon einem foldjeit Unternehmer befdiäftigt wirb, 
oeraulaht ober geftattet, bau Älcibiuigsfincfe in einem üh>oljnhaufe ober 
Gebäube, worin ein Suwoljuer oon Sdjarlactj ober flattern befallen 
ift, erzeugt, gereinigt ober ausgebeffert werben, oerfällt er — falls er 
nicht nadiweift, bah er oon bem 3?eftaube ber M rauf heit im i'iohnljaufe 
feine Atcnutnifj hatte unb uadj ocrnüuftigent (iruieffeit biefe* Riffen audj 
nicht erwartet werben fonnte — einer Strafe bi* zu 10£." 

s ) Sdjwieblaub, Kleingewerbe unb .s5au*iubuftrie in £efterreidj, 
lsU4;‘!öb. il S. 421 ff. 

ü ) Ü8<'atricc SS?ebb, llne iiovelle loi nn^laise sur les fabrigues; 
Itovue d’Kconomie Politigue 18br», S. 7:55 ff. 

7 ) „Ce n'est point au Gouvernement, mais a rontrtg>reneur (ju’in- 
eomberait. la ciiarGe de Pinspection. Et Pintervention de 1'ent.refireneur 
s'i'xerce d’une fa(‘on bien plus efficace que celle de l'Etat, puisgu'au lieu 
dVtre oldigr de recourir a une citatiou devaut les tribanaux, il suffit 
gu'il menaee Pouvrier de ne plus lui donner d’ornraee.” (53. 5i3ebb, 
a. a. £., S. 7:55.) 


SBtll man biefeit oerwirflichen, fo ntuh jeber SHaum, in bem 
im Verlag gearbeitet wirb, regiftrirt uub auf bie fiifte beS 
©ewerbe s SrtfpeftorS gefept werben. 9lngefid)tS ihtet groben 
3ahl fönnten fie aber nicht fämmtlith in jebem, ober auch nur in 
jebetn z iüe ü en Sol)re befidjtigt werben, felbft wenn man bie 
Snfpeftoren (eoentuell aud) bttrd) Heranziehung ooit ?lrbeitern unb 
oon weiblichen Snfpeftoren) uertnehren unb fpczialifiren wollte. 
2)aher ift bie Schaffung einer 2lrmee unfreiwiUig*freiwittiger Sn* 
fpeftionsperfonen in ben mithaftenben Verlegern ober HonSeigen* 
thümern uon wefentlicher ^Bcbeutung. Shnen wäre einmal bie 
Hontrolc über bie $8ead)tung allfälliger gcfehlid)er Seftimmungen 
im H c inibetriebe unb fobann bie Äontrole über bie Durchführung 
ber 5lnorbmtngen beS ©ewerbc*SnfpeftorS zngebad)t. ©S fann 
füglich bezweifelt werben, ob cS ein anbercS praftifcheS s MtteI giebt, 
um bie „?luSbehnung beS Arbeiter fehlt fee* auf bie HonSinbuttrie" 
Zu fid)ern. 2£ifl man jenes 3tel, fo muh nian auch biefe SKit* 
haftung feftfeheu. 

Sic fönnte nun: 1. ben Hnnäcigentljümer (bezto. Hau*oer- 
walter) ober — 2. ben Verleger ober enblich — 5. biefe bei ben 
Jaftoren treffen. 

1.) Der englifche ©rohfaufmann 6h ar l f ^ Sooth h a * 6ei feiner 
©inoernehmung nor ber cnglifchen Royal Commission on Labour 
im Sah** 1S92 bcfonberS bie TOthaftung beS HnnSberrn cm* 
pfohlen. 3h« f°l^ e Hnnpthaftinig für bie orbnungSgemähe 
^egiftrirung beS H^nibetriebeS treffen, 8 ), fowie für bauliche 
Defeftc beS l^ofaleS. ©in gefepwibrigeS Verhalten im öofale 
hingegen, wie UeberfüKung ober Öeberfd)reitung |ber SlrbeitSzeit 
ober fonftige ©efmibheitSwibrigfeiten, welche ihre Hrfache im 95er* 
halten beS SttietberS haben, füllten an bem fieberen geahnbet 
werbeii. Um aber in beiben Dheilen bas ©efiilil ber SSerant* 
wortuug z« weifen, wäre eoentuell ber SBerfftätteninbaber auch 
für bie baulid)eu Defefte haftbar z« machen, jcboch sugleicf) zu er* 
mächtigen, bie ihm h 4e fnt auferlegte ©elbftrafe oom Hausherrn 
eiuzubringeu, unb umgefeljrt ber H a n^eigcntl)ümer gleichfalls h«ft* 
bar z« inadjen für bie gefepmibrige SBenupung ber Öofalitäten. 
Der 3)Hethcr wäre z« bered)tigen, bis z«r Höh^ ber für bauliche 
Defeftc geleifteten ©elbftrafen bie 3 a hl«ng beS ÜDfiethsinfeS ein* 
ZufteKen, um fich folchcr 2lrt am Hausherrn z u regrefftreu, ber 
Hausherr aber, falls er für bie Nichteinhaltung ber aitberen ge* 
[eptid)eu 53cftiinmungcti geftraft würbe, z« ermächtigen, ben ihm 
auferlegteit Strafbch-ag gleidh einem SJtiethzinfe ciitzuheben, eoeutuett 
in einem abgekürzten Verfahren ben N?ietl)er z«r üeiftung z« 
Zwingen. 9 ) 

Unb je geringfügiger bas NrbeitSlofal ift, befto notbroenbiger 
crfcheint H cr P« Sootlj bie Ntithaftung beS H au ^ e4 9 cnthümerS. ©r 
beantragt baher, jeben Naum, wortn „eine $erfon eine anbere 
s $erfoti z« gewerblicher Arbeit oerwetibet", restlich als 52erfftätte 
Zu betrauten, fomit ben Nrbeiterfchuhoorfd^rifteit z« unterwerfen, 
unb zroci $erfouen, welche znfnmmcn ober für gemeinfamc Nech* 
ltitug arbeiten, als einanber gegettfeitig befchäftigenb, b. i. als eine 
„^erfftätte" bilbenb aufzufaffen. Nur Ntaun unb Söeib wären 
für ©ine Sßerfoit z« rcd)nen unb gleid) uereingelteii Heimarbeitern 
oon ber Negelung anSzunehmen. Die Hebel beS SchwihtpftemS 
treffen zwar oielfath oereinzelte Arbeiter; bezüglich biefer blieben 
aber aefehlid)e 2Sorfd)riftcn wirfungSloS. 10 ) 

3toeifelIoS würbe bie H a f tn ng beS H a «^h c ren für gewiffe 
Ntängel beS NrbeitSraumcs ben Nad)tl)eil beheben, ber fich für bie 
©ewerbc=3nfpeftion aus bcin 3I«ftuireit ber H a n^inbuitriellen 


8 ) SSgl. über biefe* 2l)enta ben ?luffa^: „Die Ncgiftrinmg ber 
Hetinavbeiter" in ber „Sozialen ^ragis" oom 80. ^imi 1898. 

•') Minutes of Evidenee taken before the Royal Commission of La¬ 
bour (sitting as a whole), 1S93; questions 5419/28; 5451/9: 5575/81; 
5GI50/S; 5717/24; 5792/801. Desgl. 53ootlj in feinem Sammelwerfe 
Life and Labour of People in London, 53anb IV, S. 345 fg., ferner in 
53anb IX, S. 402: „Questions of crowding and of liours worked are 
directly the conceni of the tenant, but it would be desirable, that the 
landlord should be also responsible, and ultimately liable for the 
payment of any fines incurred in this respect wliicli caimot be recovered 
from the tenant.“ Unb in einem ^rioatbriefe au* 1898: „1 would only 
point out, that 1 conteinplate no punishment otlier than by fine . . . 
It would dopend on the nature of the ofience whether the party fined 
was the landlord or the oeeupier; but that there miglit be no doubt as 
tu the infleetion of the fine no possibility of escape — I propose 
to make both j»arties responsible as regards the government, though as 
between themselves it would be one or other . . . What is important is 
that olTencos should be eheeked by liability to fine and that evasion 
of responsibility should be. difficult.“ 

Iu > Commission of Labour, ebenbort, qu. 5419, 5440/41; 5107 14; 
5d97/70s; 5789,91. 



©ojiale $ra£tS. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Br. 5. 


110 


100 


ergieBt. Der gleichen 0d)wicrigfeit Begegnet auch bie Snfpeftion ber 
Heinen JanbroerfSbctriebe. Es ift nid)tS 0elteneS, fo Hagen öfter* 
reidjifdie ©eroerbe-Snfpeftoren, baß B*er!ftätten, „welche in bau* 
lieber ober fanitärer Begleitung ungeeignet finb unb auf drängen 
beS ©ewerbe*3ufpeHors aufgegeben rourben, über furg ober lang 
oon anberen Unternehmern wieber als Sßerfftätten in Benufcung 
genommen werben" unb auf biefe B*etfe ber Erfolg ber Sofpi^irung 
aufgehoben roirb . u ) Ein anbereS toirb bet ber §t)gienifd^en 
Beanftanburtg einer großen 2lngahl unterirbifd} gelegener ifeerf* 
ftätten 12 ) bemerft: „Die betroffenen Unternehmer haben ficf) nicht 
feiten mit Be<ht barüber beflagt, bah ih ne n ßofale, welche (oennöge 
gefefclicher Verfügung) gu SSerfftätten ungeeignet finb, auSbrücflich 
gu biefem 3 ro ^ oermiethet rourben." Jat ber SnfpeHor bie 
Räumung ber baufälligen ober fanitär nachtheiligen Slrbeitsftelle 
oom ftlernmeifter erreicht, fo fann er in wenigen Boochen bereits 
einen anberen ©ewerbebetrieb am felben Drte angefejjt finben. Dies 
bie eine 0d)wierigfeit. Die anbere liegt aber barin, bafj ein bean* 
ftanbeter 3roifchenmeifter* ober Jeimarbeüerbetrieb ftd) bem Snfpeftor 
burth einen 28ohnungSwe<hfel leicht entzieht; bie Heinen ßeute gablert 
unb fünbigen ja ihre 9Riethe oft wöchentlich. 3n Ehicago oer* 
laffen 0i(jgefellen, wenn fie Behinberung burch bie Snfpeftoren be* 
fürchten, einfach mit ihren BSaren bie BSohnung. 13 ) Die Haftung beS 
Hausherrn würbe aber bie Beachtung ber gefefelidhen Borfchriften 
aarantiren: er würbe es ftch überlegen, ein einmal beanftanbeteS 
Öofal an einen weiteren ©ewerbsmann wieber gu oermiethen, unb 
würbe auch betriebe, worin UeberfüttungSoerbote unb Slrbeits* 
baueroorfchriften übertreten werben, in feinem Jaufe nicht bulben. 

BUt einer berartigen Haftung belaftet §. 24 ber englifchen 
SaBrifgefehnooelle aus 1895 bie Befifcer oon Söaulidtjfeiten in 
eingelnett äbtheilungeu, 0tocfwerfen ober 3immcrn, melcher eine 
med)anifd)e $raft für gewerbliche 3rc>ecfc oerwertbet wirb: fie finb 
für bie Beachtung einer s 2lngahl fabrilgefejjlicher Beftimmungen 
inbegug auf fanitäre Borfebningcu unb bergleidjen ocrantwort* 
lieh, fofertt eS ftd) um 2lbtheilungen hanbelt, für bie nicht mehr 
als 200 £ Diethe begahtt roirb. 

Ebenfo rnadjt bas ^libeitSgefefc oon Bew*?)or! (Labor Law) 
oom 13. 9Jtai 1897 in §. 104 ben Hausherrn bafür oerantroortlich, 
baß beftimmte BeHeibungSgegenftänbe unb einige anbere Bkaren 
in Söohnungen nur oon ben nädjften Biitgiiebern ber barin 
lebenben Jyamilie h^flcftellt werben, es fei bemt, bah bagu ein 
fchriftlicher Erlaubtüßfchcin (Permit) bes JjrabrifSinfpeftorS ertheilt 
würbe. Die in Betracht fommenbert Beftimmungen biefeS Bara* 
graphen lauten: 

§. 104. Der Eigenthümcr, ^ädjter ober Verwalter eines 3i n ^ s 
gebäubeS ober s BohnhaufcS barf beffen Berwenbuug 3 ur Jerfteüung 
ber erwähnten haaren entgegen beit Beftimmungen biefeS ©ofejjeS nicht 
erlauben. 3Sirb ein Zimmer ober Btohnraum eines 3m?gcbäubes ober 
SBolpihaufeS in gcfeßwibriger Steife bcuüpt, fo hat ber gabrifüifpeftor 
bem Eigentümer, $ärf)ter ober Verwalter Ijieoon ftenntniß gu geben. 
SSenn biefe lefctcre ^erfon bie gefepwibrige Ergeugung nid)t binnen 
30 Dagen oon biefer Berftäubigung au gerechnet abftellt, ober nidjt 
währettb weiterer 15 Dagc Borfchrungcn trifft, um bie Biietljer gu 
belogiren unb uid)t biefe Borfehrimgcu mit entfpredjenbcm Eifer fort* 
fefct, fo ift fie ber Uebertrctung biefes ©efeftes ebenfo fdiulbig, wie wenn 
fie felbft bie oerbotene ©rgeugung betrieben hätte. 

2. 2luf bie Örage eines SDfitgliebeS ber Cabourfomtniffion, ob 
ni^t auch eine Haftung beS Verlegers für bie Einhaltung ber 
befonberen ?lrbetterfd)uhbeftimnuingen eintreten foHte, antwortete 
§err Sooth, er meine burd)auS nicht, baß ber Verleger oon 35er* 
antwortung frei fein foII; er habe aber Sebenfeit inbegug auf 
bie praftifche 2)urd)fübrbarfeit biefer Haftung; wenn man Mittel 
bagu fänbe, würbe er il)r guftimnten. 14 ) j 

Es ift nun wahr, bah ber Verleger bie $ontrole über 1 
3mifchenmeifter unb 0ihgcfetten behält, auch ficf) biefe burch ! 
einen ©ohuungSroechfel etwa ber Qnfpeftion entziehen. Allein es ; 
fragt fich, ob er für ein gefejjwibrigeS Verhalten beS .Jans* i 
inbuftrieüen in praftifch burchführbarer Sßeife haftbar gemacht ] 
werben fönnte. Ein beutfd)er 5lutor hat gemeint, 15 ) bah beut theo* ! 
retifd) fehr beftechenben ©ebanfen, ben Verleger für Filter, ©efunb* j 

ll ) Bericht ber !. f. ©ewerbeinfpeftoren über ihre 9lmtsthätigfeit im | 
^aljrc 1893, feien 1894, 0. 41 ff. Scmcrfungcu bes ©ewetficinfpeftorS | 
für feien. i 

w ) Bericht für 1894 0. 89 ff. j 

13 ) Second annual Report of the Faetory Inspectors of Illinois for | 

1894 0. 40. Bgl. 0. 55. i 

14 ) Ebenbort, qu. 5566/7; 5480/1; 5567/74; 5676.8. 

,5 ) 2llfreb feeber, Jaiisinbuftriclle ©efe<jgebimg unb Sweating* 
fpftem in ber ffonfeftiousinbuftrie, in 0d)nioller , S „Jahrbuch" 1897, 
0 . 286 ff. 


heit, ?lrbeitSgeit, Unterricht ber oon ihm befchäftigten JauS* 
inbuftricUen oerantroortlich gu madhen, „nicht unwefentliche all* 
gemeine unb für bie grohftäbtifchen 0roeating*3nbuftrien audh nodh 
einige befottbere Bebenfen" entgegenftehen. 3 u nächft fcheibe bie 
3bee, ben Unternehmer für bie 2lroeitSgeit feiner JauSinbuftriellen 
oerantroortlich gu machen, oon oornhercin aus; fobann würbe bie 
Untemehmeroerantwortlichfeit itt ber grohftäbtifchen $onfeftion$- 
inbuftrie nur gu einer BkiterauSbilbung beS 3roif<henmeifterf^ftemS 
führen. SDie S^iffhl^ntnciftcr würben wegen ber ihnen auf* 
erlegten Berantwortlid)feit oielleicht gu einem Heinen Sheile auf 
bas 23ieberauSgeben oon Arbeit oergichten; „im ©angen aber 
würben bie groben öfonomifchen Bortheile ber Jeimarbeit hoch 
überwiegen. 0ie würben bie Arbeit an eine Hngahl beffer ge* 
fteÜter Jeimarbeiterinnen oertheilen unb oon biefen aus fönnte ft<h 
bann in ben grohftäbtifchen $Rietb§häufern ein luftiger 0d)muggel 
mit halbfertigen ftleibuugSftüdeu entwicfeln." Berantwortlich wäre 
bafür oor bem ©efeh nur ber Snhaber ber Jeimarbeitsftätte, oon 
ber er auSgeht; biefe 5lermften ber Firmen fönnte man aber an* 
gefichts ihrer traurigen fogialen fiage thatfächlich wegen folcher 
©efeheSübertretungen nicht ftrafen. 

0id;er ift, bah Haftung beS JauSinbuftriellen bei feiner 
2frmutb rocrthloS ift. 0icher ift auberfeitS, bah ber Berleger 
für bie fanitären Berhältniffe in ber JauSinbuftrie wohl haftbar 
gemacht werben fann. 3 utl äd)ft — gleich bem jauShcrrn — für 
bie fanitäre Besoffenheit ber Stäume in baulicher Jittficht; fobann 
bafür, bah er in fahrläffiger 3Beife Arbeiten in Bäume auSgab, 
wo anfteefenben $ranfheiten herrfchen. 2)ie euglifthe gfabrifgefeh* 
nooeHe fieht, wie fchon erwähnt, im festeren ßalle bie Jaftung 
bes BerlegerS oor. 3är bie baulichen &efefte foroohl, als für bie 
Benufcung beS SlrbeitSraumeS gum 0d)lafen ober gum Wochen 
beabfichtigt ein ©efe(jentwurf beS BegierungSratheS beS $antonS 
3üri<h, betreffenb „baS ©ewerbewefen" (Antrag oom 27. gebruar 
1897), bie Jaftung beS BerlegerS eingufiihren. Er beftimmt: 

§. 5. 9Bemi Sohnräume als 9lrbeitSftätten in gewerblichem Sinne 
beniifct werben, fo haben biefelben gleicher SBeife allen ^gtetitfdheit 
Slnforberungen gu cntfprechen; fie miiffen im Berhältnih ber 3 a hl ber 
barin ?lrbcitenben hmreid^enb groh, hell, troefen, heigbar unb leicht gu 
lüften fein unb bürfeti weber gum Sdjlafen noch gum Wochen Benii^t 
werben. 

Äellcrräume bürfen nicht als Hrbeitslofale bienen. 

©efchäftsinhaber, bie Arbeit auher JauS geben,* fmb bafür oerant* 
wörtlich, bah bie oon ihren Arbeitern als SlrbeitSftätten benü^ten SBohu* 
räume ben ?lnforberungeu biefeS ©efefceö entfpredjen. 

2:ie örtlidjeu ©cfunbbcitsbchörben wad)en barüber, bah-biefe Bor* 
fchriften befolgt werben, unb erftatten über ihre bieSfäHige Xhätigfeit ber 
£irefüon beS 0anitätSwefeuS alljährlich Bericht. 

§.10.wer ben felbftänbigen Betrieb eines ©ewerbeS im 

0imte biefeS ©efe^es übernimmt, hat fjicoon bem ©emeinberathr Sin* 
geiae gu madjen unb bemfelben bie gum ©ewerbebetrieb beftimmten 
Soralitäten gu begegnen. 

3ür bie Einhaltung ber gleichfalls gu ftatuirenben Btajimal* 
Hrbeitsgcit für ?InherbauSarbeitcr (§. 16) ift jeboch in biefem Ent* 
würfe oon einer Jaftung beS BerlegerS abgefehen. 

^)aS ©efefe oon B enn fpl ü anien oom 5. Btai 1897, 3-^7' 
enblich, welches gleichfalls bie Jerftelliing beftimmter Sparen in 
Biohnungen, foferrt babei auch Anbere, als Slngehörig^ ber bort 
lebenben Familien befdjäftigt finb, an bie Erlaubuih bes gabrif* 
infpeftorS fnüpft, macht ben Berleger oerantroortlich, wenn eine 
fold)e Ergengung ohne biefe Erlaubuih ftattfinbet. ^aS ©efefc 
oerfügt in §. 1 ?lbfafc 2: 

3ebc s l?crfon, $trma, Kompanie ober .Qörpcrfdjaft, weld)e Bercin* 
baruitgctt über bie Ergcugitng eines ber oorerwähnten 5lrtifel eingcl)t 
ober bas iniüoQfommene Material ausgibt, aus welchem ein ober mehrere 
biefer 'NrÜfel ergeugt, begiehungsweife gur ©äuge ober gum 2heil aus* 
gearbeitet werben füllen, hat, beuor hierüber abgefdjloffen ober baS 
aterial ausgegeben wirb, oom 3 | oifd)emnann ober ben Scutcu bie 
Borweifitug beS erwähnten Permits gu uerlangcn u. f. w. 

3.) Die hoppelte s lliitbaftung bes JauSherrn wie beS Ber* 
legerS neben bem iftiether für bie Einhaltung aller etwaigen 
0d)ubbe)timmimgen für oerlegte Betriebe forbert baS englifd)e 
0d)riftitelIerpaar Beatrice unb 0ibnet) B3ebb. u; ) 3hnen folgte gum 

16 ) ©efebentwurf ber englifchen ?lbgeorbnetcn 0ibnci) Burton itub 
©rnoffen: Faetory and Workshop Aet (1878) Arnendnieut Nr. 2; H. o. C. 
Bill 61 of 1890. — Bcatricc Rotier Oi?cbb): The Lords and the 
Sweatinff System, Junihcft ber 3eitfd)rijt: „The Nineteenth Century“, 
fowie in ben ?luffäben: v Comment en finir avec le sweatiner-system, 
Revue d’Eeonomie Pulitique, 3. 96.3 fg. uub ,,l T ue nouvelle loi 

anjrlnise sur les fabriques“. Revue cl’Fe. Pol., 1895. — 3 1 b 11 ei) B^ebb 
oor ber y.abour*ftoniniiifiou (sittin^ as a whole), Minutes of lividenee, (ju. 
3740/44; :>sn.V; 4412/50 unb 4 474. 



111 


Sogtale $rajt$. ßentralblatt für Sogtalpolitif. Sfcr. 5. 


112 


Dßeil ber englifcße Hbgeorbnete unb fpätere Staatsfefretär Sibnet) | 
Vuyton. 3» einem ©efeßenttoitrfe oom Dooember 1890 gu bem 
barnals in Veratßuttg fteßenben englifd^en gabrifgefeße roollte 
er beit Hrbeiterfcßuß in auSgebeßnter Vkife auf bie HauSinbuftrie 
erftrecfen, roofern bie Verlagsarbeit nidjt bloß ben Gßarafter einer 
Debenbefdjäftigung ^ätte unb im ^Betriebe guminbeft brei ^ßerfonen 
tßätig mären. Den Verleger, ben Hausherrn unb ben VUetßer 
für bie Ginßaltung ber gefeßlicßen Veftimmungen haftbar gu 
machen, bitten jebocß bie antragfteßenben Hbgeorbneten bloß gur 
Sicherung eine# fanitar eutfprecßenben 3uftanbeS ber HrbeitSfteEc 
itt HuSficßt genommen (§§. 38, 40, 41 beS GntrourfeS). 

Ohne eine ©afturtg beS Hausherrn ober beS Verlegers ober 
beiber für bie Veacßtmtg aEfäEtger Hrbeiterfcßußbeftimmungen in 
ben ßauSiubuftrieEen betrieben ift man jebocß auf eine notßroenbiger 
Steife febr foflfpieltgc unb überbieS an fid) geroiß ungeniigeitbe 
ftaatlidje 3ufpe!tion aitgemiefeit; biefe märe aud) beSßalb utter* 
beblicb, meil bann meber bie Durchführung oon Hnorbnungett beS 
©eroerbe*3nfpeftorS burdß ben Vttetßer nocß bie (Sinbringlic^feit 
etroaiger Strafen geroäßrleiftet märe. 

VMett. (5. Scßroieblanb. 


3Ulgttncittc Sozial- uni Kirtljfdjaftepolitik. 


Die preußifcßett fiuubtagSttwßlcn. Hm 27. Dftober haben bie 
Urmableit gutn preußifd)en HbgeorbnetenßauS ftattgefunben. SSentt 
auch baS Gitbergebniß mit ooEer Sicherheit im Gingeltten erft nach 
bem 3. Dooember, bem Dage ber Hbgcorbnctenioahlen, gu über* 
blicfen fein roirb, fo fterrfdjt bod) Ginociftäubniß bariiber, baß es 
ben oereinigten Konferoatioeit unb Sreifonferoatioen nicht gelungen 
ift, bie VJehrßeit, an ber ihnen bisher nur 4—5 Vianbate gefehlt 
haben, gu erringen. 3m ©egentßeil hoben fte roahrfdjeinliiß 6 bis 
8 Siße ntinbeftenS eingebüßt. Gbenfo oerlieren bie Dationalliberalen 
einige Vtonbate. Den ©eroittn tragen allein bie Sreifinttigen beiber 
Dichtungen baooit. Das Gentrum fomntt in alter Stärfe mieber. 
So rairb bie ^hpftognotnie ber neuen Kammer äußerlich nicht oiel 
anberS auSfeßen roie früher. Hber oieEeicßt ift bie innere SBanb* 
lang hoch eine erheblichere. So lahm burcbroeg auch bie SBaßl* 
bcmegung mar, fo machte fiiß hoch entfchiebcn ein 3ng uad) £infS 
benterfbar. Gr geigt fid) raeniger noch in ber Vcrtßcilung ber 
Vtanbate, als in ber oielfach |eßr bcbeutenben 3unal)ine ber libe* 
raleit Vöaßlmänner. Damit ift fchon jeßt für bie Konferoatioen 
ein ÜBarnuugSftgital für bie näcßften Wahlen gegeben. Die Ur* 
fad)e biefcr Sdjroenfung nach fiinfs liegt nur gum ©eringfteit in 
ber Vetßeiligung ber Sogialbemofratie an ben Wahlen; es finb nur 
menigc Greife, mo ihre Anhänger einen Ginfluß auSgeübt ober 
nenneuemcrthe Grfolge errungen hoben, fo in HUotia, £inben, 
VrcSlau. DirgenbS hoben fie bie Mehrheit ber 2Baßlmänner er¬ 
halten uttb für bie Hbgeorbnetemoaßl fteßl bei ihnen nur in VrcSlau 
bie ©ntfdjcibung groifdjeu Konferoatioen unb Öreifintiigctt. 3» oiel 
höherem ©rabe hot bie SSaßleit beeinflußt bie [ehr roeite Greife beS 
VürgertßutnS erfaffeitbe Uebergcugmtg, baß bie Konferoatioen in 
ihrer heutigen Verfaffung eine Partei ber Klaffenintcreffen finb, bie 
im 3nteref|e beS Staaten befämpft merbeit müffeit. Das ift am 
flarften unb fchärfften in einem öffentlichen Hufrufe auSgefprotßeit, 
beit in Verltn ßeroorragenbe ©eiehrte, ßoße Staatsbeamte unb 
Suffigiere, Sabrifanten unb Kauflcute — lauter SJtäuner oon burchauS 
foitferoatioer ©efiniuing — erlaffen haben, meil bie fonferoatioen $ar*= 
teien „jüngft in michtigen fragen eine §altung eingenommen hoben, 
bie ben beiten Drabitionen bcS preußif^en Staates bireft entgegen* 
gefeßt ift." Unter ben 23emci$grünben hierfür mar auch ongeführt, 
baß gemiffc Führer biefer grattionen „bie fogialpolitifchen 3iele, bie 
biefe Parteien felbft früher oerfolgten, umgebeutet unb theilmeifc 
faft tu ihr ©egentheü oerfehrt" hoben. 2Seit über bie unmittel* 
bare SSirfung hinaus mirb biefe £uubgebnng, ein bebeutfameS 
3eidjeit ber 3eit, uod) ihren Ginfluß ausüben. 2öie auch int Gin* 
gelneu bie Parteien im preußifchen HbgeorbnetenhauS fid) nach ben 
Wahlen barfteflen merben, baS barf man mol)l heute fd)on fagen, 
abermalige 3$erfuchc eines „fleincn" UmfturggcfeßeS merben jeßt 
nod) meniger iBobeit finbeii als früher. Dies aber ift oon großer 
23ebeututtg, beim ungmeifeßaft mirb baS S5erfpred)en, baS Sürft 
^ohenloßc bei 33erathung beS bürgerlichen ©cfeßbudjeS im DeicßS* 
tag gegeben l)ot, baß baS berbot ber berbinbung politifcher bereinc 
untereinanber aufgehoben merben foll, eingeloft merben unb es 
mirb bent ^anbtage oor bem 3oßi‘e 1900, alfo in feiner nädjftcu 
Seffion, noch einmal eiiteborlage ffir Hbänberuug beS prenßifdien 
bereinsgefeßes gugeßen. 


Da« bcutfihe Streifgefeß, oon bem ber £aifer in feiner Depn* 
haufer Debe am 6. September fcßoit faate, eS nahe fieß ber boll* 
enbung, ift feßt noch nießt einmal in feinem erften Gutmurfe feft* 
gefteüt. Denn auf bie bringenbe Hufforberung gaßlreicßer blätter, 
man möge boeß bie borlage oeröffentlicßcn unb bamit einer miß* 
bräucßlicßen Hgitation ißrer ©eguer oorbeugen, erfolgte bie offigiöfe 
Hntmort: „Dtefe gorberung ift feßou bcSßolb unerfüllbar, meil ber 
Gntrourf noeß nid)t alle 3uftangen bis gu feiner 3eftftcEuug für 
bie beratßungen ber gefeßgebenben Äörperfdjaften burcßlaufcn ßot. 
Daß ber Gntmurf meber bem ©runbfaß ber Koalitionsfreiheit, 
noeß bem Spftem beS Strafgefcßbucßs miberfpreeßen mirb, ift felbft* 
oerftänblicß." 93lit biefett leßteren vlnbcutungen ift „felbftoerftänb* 
Iid)" gar nicßtS gefugt; beim bie Meinungen barüber, maS bem 
©runbfaß ber Koalitionsfreiheit unb bem Spftent beS Strafgefeß* 
bud)eS entfprießt, finb fehr oerfcßiebeit. — 3eßt roirb gemelbet, ber 
Gntrourf roerbc int Saufe biefer SBocße fertiggefteÜt unb aisbann 
att bie ^unbeSregiernngen oerfanbt; es biirtte aber geraume 3 e ^l 
oergeßen, eße bie ©utaeßten ber Gingclregierungeu gurüeffommen. 

©efeßentmurf betreffenb beit Scßuß ber Hngcftettten tut ^aitbetS* 
geloerbe. 3Bie in ben DageSblätterit gemelbet totrb, ift „ein ©efeß* 
entmurf gunt Scßuß ber HngefteEten im §attbelSgeroerbe als Gr* 
gängung ber ©eroerbeorbitung in Vorbereitung". Dadh einer 
anberen Verfion foE eine hierauf bezügliche Vorlage bereits bem 
DeicßStage in biefer Seffion gugeßen. — Huf Hnorbnung beS 
Deid)sfanglerS finb int September unb Dftober 1892 ftatiftifeße 
Grßebungen „über HrbcitSgeit, KünbignngSfriften unb ßeßrlingS* 
oerßältniffe im ^anbelSgemerbe" oorgenomnien morbett. 3hre Gr* 
gebitiffe gingen ber DeiißSfommiffion für Hrbeiterftatiftif Gnbe 
3uni 1893 gu. GS mürben bann roeiter fcßriftlicße (Gutachten oon 
Vereinen unb Verbänben eingeßolt unb oorn 9. bis 20. Dooember 
1*“94 gaßlreicße HuSfunftSperfoiten müitblicß oernontmen, nad)bent 
am 13. Dftober 1894 ein ©utaeßten beS DeicßS*©efunbheitSamtes 
einaelaufcn mar. Hm 10. Degentber 1895 oerßanbelte bie Korn* 
miffion bann über bie Grgebniffe ber Gnguete unb fteEte ben Gnt* 
murf oon Vorfd)lägen für bie Regelung ber Verßältniffe ber 
Hngeftellten in offenen ßabeitgefdjäften feft. (Dbligato* 
rifeßer 8 Ußr*ßabenfcßluß!) Seitbcm rußt bie Hngelegenßeit. 
2Benn fie jeßt, mie oerlautet, gur gefeßgeberifeßen Hftion gebracht 
merben foll, fo hängt es oon bem SnßuE beS GntrourfeS ab, ob 
bamit toirflid) ein Sortfcßritt ber Sogialrefortn erreicht merben faitit 

Hutrag auf Regelung ber Heimarbeit iu Defterrcicß. S^u 

öfterreid)ifd)en Hbgeorbneteithaufc brachte ber Süßrer ber beutfd)* 
fortfcßrittlicßen Partei, Dr. ©roß, ben Hittrag ein, bie Degierung 
anfguforberit, tßunlicßft halb einen ©efeßentrourf gur oerfaffungS* 
mäßigen Veßanblung oorgulegett, bureß ben 

1. eine genaue Goibenghaltung aller Heimarbeiter ermöglicht, 

2. bie Heimarbeit mit geroiffeit, fieß aus ber Datur ber Dinge 
ergebenben Ginfcßränfungcn ber Hrbeiterfcßußgefeßgebüng 
uutermorfen mirb. 

3ur Vcgriitibmig biefes Antrages mirb auSgefüftrt, bie Heimarbeit 
fpiele in ber mobertieit inbuftrieUen ^robuftion eine feßr tnid)tige HoEc, 
nießt gunt Vortßeilc ber Jubuftrie, nod) meniger gu jenem ber Unter* 
nehmerfdjaft unb ber Arbeiter. SBälircitb bie auSfdjlicßließe Vefcßäfti* 
gütig ganger Familien ' mit gemcrbltdjer Hrbcit in manchen Ojegenben 
als ein llcberbleibfel ocraltetcr "probuftionSformen crfißeiut, ßat fteß in 
Dielen OJemcrbcn, oor HUem in ber Veflcibitugsinbuftric, eine neue Hrt 
ber Haustnbuftrie, bie Heimarbeit (Sißgcfclicii* unb Sißmeifiermefcit) 
eutmicfelt. Die iiputer mebr guueßntenbe Vermeiibuug oon SipgefcQcn 
fdjäbigt bie ©emerbetreibenben ber betreffenben Vrancßc in gleid)cm 
Straße mic bic SBerfftättcuarbciter, oßnc beit Hänbleni ober Jvabnfantcn 
attberc als ooriibergeßenbe Vortßeile gu bringen. Die Konfurreng beS 
Unternehmers, ber in ber 3Bcr!ftättc oon gelernten Hrbeitcrn arbeiten 
läßt, mirb naßegu unntöglid) gemadjt, ber Beim ber ÜBerfftäücnarbciter 
bebeutenb ßerabgebrücft, uttb bie gemerblidie Husbilbung ber jüngeren 
HrbeitSfrafte ßört faft gänglid) auf. Dagu fomntt eine über alle Olebüßr 
ausgebeßute HrbcitSgeit in bngieuifd) gang unentfpredjcnben, unfontrolir* 
baren Hrbeitsräunten, mo bureß nidjt nur bic Hrbcitcrbeoölferung auf 
bas Sdjmcrfte gefdjäbigt, fonbern aueß bie ©efaßr ber Verbreitung oott 
aitftecfettbeii Kraufßciteu nidjt uumefentlid) crßößt mirb. 


kommunale Sozialpolitik. 

Die ftäbtifeßeu GigenbctrieBc mehren fieß in Gitglanb ftarf. 
Der Bonbon e r ©raffcßaftSratß hcfd)loß am 11. Df tob er cnbgiiltig 
bic llcbernaßme ber £onboner Straßenbal)ii*©efellfcßaft an^ bic 
I Stabt, nnb gmar foll ber ftäbtifeße Vctrieb am 1. oaiutar beginnen. 



118 


Sojiöle graste. Gentralblatt für ©ojtalpoltttt. Sfr. 5. 


114 


3ur Begrünbung würbe bie Erwartung angeführt, baß bie Stabt 
ein größeres Entgegenfommen gegen bie 93ebürfniffe ber Allgemein* 
beit bcweifeit uitb eine BerFiiqung ber _ArbeitS 3 eit ber Angefteflten, 
bie biö^cr elf Stunben beträgt, ßerbeifüßren werbe. 3n ®eutfd^=» 
Ianb fträuben fid) befonberS manche preußifcßen Stäbte nodj gegen 
Erweiterungen beS EigeubetriebcS. Sie Stabtoerorbneten non 
Staßfurt lehnten am 18. Dftober ben Eintrag ab, 350000 M 
311 r Einführung eleftrifcber Beleuchtung unb Anlage einer eleftrifcßen 
Straßenbahn in ftäbtifcher Begie 3 u bewilligen. Ser BJagiftrat 
wirb nun mit Brioatfirnien weiter oerßanbelti. Staßfurt läßt ftch 
alfo burch bie üblen Erfahrungen nid)t belehren, bie unter Anberen 
Berlin mit ber Ueberlaffung feiner BerFeßrSwege gur AuSnußung 
burch prioate ©efeflfcßaften gemacht hat unb noch macht. Am 26. Df* 
tober haben bie Berliner Stabtoerorbneten bie llebernahme ber 
Berliner Eleftr^itätSwerfe mit 59 gegen 46 Stimmen bebauer* 
licherweife abgelehnt. Ser Btagifirat erflärte, baß er einer Ueber* 
nähme berEleftrijität^werfe nicht grunbfäßlicß feinblich gegenüberftehe, 
fonbern nur Bebenfen gegen eine beseitige llebernahme habe. BJan 
muß biefe Aeußerung für Berlin leiber fcf)on als einen gfortfcßritt eben* 
fo anfehen, wie bie Beftimmnng, baß ber Elefellfdjaft fein auSfd)ließ* 
liebes Stecht 31 W Beuußung ber Straßen für elcftrifdje Leitungen 
3 ugeflanben würbe. Erwarten hätte man aber oon ber .fjauptftabt 
beS Sentfcßen BeicßcS füllen, baß fie beim Beuabfdjluß feiefer Ber* 
träge fid) ihrer fojialpolitifc^eri Bflicßt bewußt geworben tpäre, ben 
Angestellten biefer ©efellfcßaften befriebigenbe Arbeitsbcbingutigen 
unb Schußbeftimmungen 3 U fiebern. Sic fehlen in biefeit wie in 
beTi früheren Berträgen mit ben an bereu C^efellfcßaften fo gut wie 
gan 3 . So benußt benn bie So 3 ialbemofratie bie Einführung beS 
eleftrifchen Betriebes auf ben Straßenbahnen 3 U einem Aufruf an 
bie Süßrcr unb Schaffner ber Berliner Straßenbahnen, worin mit 
bem Hinweis auf bie burch ben eleftrifchen Betrieb oerfcßlccßterten 
ArbeitSoerßältniffe unb nicht genügenbe Entlohnung ber Anfcßluß 
an bie BerufSorganifationen im Eentraloerbanb ber §anbels*, 
Transport* unb BerfeßrSarbeiter Seutfd)lanbs empfohlen unb oer* 
fproeßen wirb, bie SMbungen geheim 311 halten, um Btaßregelungen 
3 u oerhüten. Ser „mandjefterlidje" Öonboner EJraffdjaftSratß ba* 
gegen hat am 18. Dftober auf Bericht feines MomiteS befdjloffen, 
bie ®ireftion ber Borb*£onboncr Straßenbahu*(Sefellfd)aft wegen 
ber Btaßregelung oon ©ewerffcßaftSmitgliebern 3 ur 3^it eines Füq* 
ließen Streifs fchiebsgerichtlich jur Beantwortung 3 U sieben. 
Stach ihrem Bertrag mit bem EJraffcßaftSrath ift bie ©efeflfcßaft 
für jeben 2faII fold^er Btaßregelung 311 SdjabenSerfaß bis 311 1000<V£ 
haftbar. 90 Btitglicber beS BatßS ftimmten für unb nur 12 gegen 
.ftaftbarmacßmig ber ©efeüfcßaft. — Siefc Sürforge beweift ber 
£?onboner ©raffcßaftSratß nicht bloß ben Angestellten oon ihm Fon* 
SefRonirter Unternehmungen. Er befcßloß in berfelben Sißung 311 m 
©efeß über ben Schuß ber l'abenangefteflten Einträge 3 U unterftüßen, 
bie bie AuSbeßnung beS (SefcßeS auf fämmtlicße weibliche £aben* 
angefteÜte fowie bie Befcßränfung ber HrbcitSseit aller $erfoitett 
unter 18 fahren auf 60 Stunben bie BSocße einfcßließlicß 3 wei 
Stunben für Blaßheiten oerlangen. 

Sforterßebtsng ber Berbraucßöftenem in $eibelberg. Bfößrenb 
oon ber Bfeß^aßl ber beulfcßen Elemeinben bie Uugerecßtigfcit 
fommunaler ©ebraudjSfteuern bureß ißre Aufhebung anerfannt 
wirb, gelingt bie Beteiligung bei ber plutofratifcßen 3afammen* 
feßung ber BürgerauSfcßüffe in anberen Stäbten nießt. So wirb 
im „Stecßenfcßafisbericht 3 U ben Becßnungen ber ftäbtifeßen Waffen 
für baS 3»aßr 1897" in ber Stabt .£>eibelberg bie Biicffidstnaßme 
auf bie woßlßabenben Seute oßne Breiteres 3 ugeftanben, in bem es 
bort (Seite VII) heißt: 

Bei ben namhaften, an Me Stabt fuß geltenb maeßenben Art* 
forbernngen war es aueß 00 m praftifdjen Staubpunfte aus burdjnus 
mttßunlicß, auf bie ftorterbebung ber Berbraudisfteuem 311 oersießten, 
wenn man nießt eine feßr beträd)tlid)e Steigerung ber birefteu Umlagen 
ßerbeifüßren wollte, bie für eine auf beit 3 u 3 ll Q w oh Ihn ben ber 
2eute angemiefene Stabt, wie .freibelbcrg, nur uou Bndjtßcil hätte 
fein foiineu. Es würbe bemgemäß, als au ben Biirgcrnusfdjuß gegen 
Enbe beS oorigeu ^aßres i» ^olgc Ablaufs ber l\dt, für welche bie 
ftaatlicßc Ermächtigung 3 ur Erhebung bcs Dftrois gegeben war, bie 
Botßwcubigfctt herantrat, ficf; über beffen BJciterbeftehen fdtlüffig 311 
madjen, oon biefem Kollegium mit 84 gegen 18 Stimmen befcßloffcn, 
biefe Einrichtung nad) Maßgabe ber feitßerigen Tarife auf unbeftimmte 
3 cit beijubehalten. 

StäbtifißcS BSoßtmngStiacßweiSaint itt Bfülßaufett i. E. Sie Stabt= 
ocrwaltuug hat oor etwa jwei fahren ein 9lusfunftsbureau eröffnet, 
baS unentgeltlich in allen fragen ber Mraufen*, 'Mioalibcn*, ?UtcrS* 
unb Hnfalloerfidjerung fowie ber Btietbsgebräucßc 2 c. snoerläffigeu Be= 
feßeib crlßeilt. 'iWit biefem Bureau wirb 00 m 1. ^tooember ab juuadjft 
oeriueßsweife ein ftäbtifdjcS Bioßnungsuad)weisamt oerbunbeu. B>ic 


bie ^granff. 3 *g " mittheilt, füllen bie Bermiether ißre leeren BSoßuungen 
tm SWietßwerth bis 31 t H5 Jt. monatlich auf bem Bureau anmelben. l)ie 
Benußuug beS Bureaus ift unentgeltlich für beibe Jßeile. 


^rbdtcrbcmcgung. 

®er Streif ber Berfilberer 3« Berlin. 

ben leßten £ageit beS Septembers b. legten bie Ber* 
filberer ber Berliner Öolbleiftenfabrifen bie Slrbeit nieber. ^er 
^liiSftanb würbe batnit begrünbet, baß bie Arbeiter tneßrere BSocßen 
ßinbureß bei ißren Arbeitgebern oergebenS um eine Aufbefferung 
ein 3 elner ^ofitionen beS AfforbtarifeS oorftellig geworben feien. 
Unter ben AuSftänbigen befanben fieß aueß 18 Arbeiter, bie laut 
ArbeitSorbnung ißrer Sabrif oerpflicßtet waren, bie oon ißnen be* 
gonnene Afforbarbeit fertig 3 U fteflen. Sie würben baßer oon bem 
Arbeitgeber oor bem ©ewerbegerießt oerflagt. tiefer ftiißte ftdj 
oorneßmlicß auf bie ArbeitSorbttung, welcße beftimmt: „Afforbarbeiter 
ßaben bie angefangene Arbeit orbntmgSmäßig fertig 3 U ftellen unb 
ab^ulieferti unb werben aueß bann erft entlaßen." ^er £lage* 
antrag ging baßiti, bie Beflagten 3 U oerurtßeilen, bie Arbeit wieber 
auf 3 iutehmen. Auf Bedangen ber Parteien würbe in bem Ber* 
gleicßstermin am 5. Dftober b. ootn ©emerbegerießt befdjloffen, 
in einem neuen BergleicßSterniin weiter 3 U oerßanbeln, fofent nießt 
bie Parteien in ber 3 roif<ß<m 3 eit fjcß außergerichtlich geeinigt ßabett 
füllten. Unmittelbar naeßbem bie £lage eingegangen war, fud)te 
baS EJewerbegericßt 311 oermitteln, unb erreichte bie Anrufung beS 
Einigungsamts burch ben Arbeitgeber. $)ie betßeiligten Arbeiter 
Ießnten jeboeß bie Anrufung ab, weil fie nießt gewillt waren, wie 
cS oont Arbeitgeber oerlangt würbe, bebingungslos bie Arbeit wieber 
auf 3 uneßmen. B3äßrenb ber B™S C 6 feßwebte, befcßloffeu bie 
oercinigtett ©olbleiftenfabrifauten Berlins, um bem Streif 3 U bc* 
gegnen, nunmehr ißre nießt ftreifeuben Arbeiter naeß Erlebigung 
ißrer Arbeiten auS 3 ufperren, es fei benn, baß ber Streif itmgeßenb 
aufgeßoben würbe. ^)ieS gefeßaß nießt. Es ßanbelte fieß jeßt um 
eine AuSfpcrritng oon etwa 500 Arbeitern. Bis 3 unt 13. Dftober 
b. 33. waren barauf, in Ausführung beS BefcßlnffeS ber ftabri* 
fanten, bereits 61 Arbeiter auSgefperrt. ^)ie 3 a ß^ ^ er ftreifeuben 
Berfilberer betrug am gebaeßten £age 78 ^erfouen. 

^)er ^ro 3 eß gegen bie 18 Berfilberer fiel 3 U ißren Ungunften 
aus. Sie würben feem Klageanträge entfprecßend oerurtßeilt. 3baS 
©ewerbegerießt eracßtetc bie fämmtlicßen Eitiwenbnngen ber Be* 
flagten gegen ben flägerifcßcn Aufprucß für bureßweg un 3 utreffenb. 
Ein 3 elne Einwenbungen finb bemerfenSwertß. So behaupteten bie 
Beflagten u. A., baß bie ArbeitSorbnung nid)t für fie ocrbinblicß 
fei, ba feinem oon ißnen ein Exemplar auSgeßänbigt wäre. Außer* 
feem feien fie nießt auf bie ArbeitSorbnung ßingewiefen worfeen. 
3n ©emäßßeit ber §§. 124 b unb 152 ber Beid) 3 s ®ewerbcorbnuug 
fei es ferner auSgefcßloffeu, baß ein Arbeiter 3 ur Jertigftelluiig 
oon Arbeit angeßalten werben fönne. 

2)ie 18 Berfilberer ßaben fieß bei bem Urtßeil beS (bewerbe* 
gerießts, baS ber Berufung unterlag, berußigt unb ßaben naeß Er* 
laß beffelben bie Arbeit angetreten. Aueß feer AnSftaiib ber übrigen 
Berfilberer ßat fein Enbe gefunben, naeßbem bie einzelnen Arbeit* 
geber ißren Arbeitern mit Erhöhungen cin 3 elner Bofitionen bcs 
Tarifs entgegengefommen fmb. 3 n beffen würbe für bic 

Arbeitgeber bie befcßloffeite weitere Ausfperrung übcrflüffig. Sie 
würbe aufgeßoben, fo baß woßl augenbticflicß fämmtlicße Arbeiter 
wieber eingestellt finb. 

Bei feem oorgetragenen ^ßatbeftanbe beS Streifes muß cs 
auffallcn, baß man oon Seiten ber Arbeiter bie 18 Berfilberer 
nießt bewog, bie unoollenbcte Arbeit, bereu Öcrtigftcllung nur 
wenige Sage in Anfprnd) genommen hätte, 3 U oolleuben. Als* 
bann hätten bie Arbeiter nid)t baS Dbium fees Bertragsbrmßcs 
auf fid; gelaben. Sic wären ferner nießt in bie üble £agc ge* 
ratßen, fieß oerurtßeilen laffen 311 niiiffen. Es ift nur benfbar, 
baß bei bem Borgeßeu ber Arbeiter bie Annahme eine Bolle ge* 
fpielt ßat, es würbe ben Arbeitgebern gelingen, bic 18 Berfilberer 
3 U oeranlaffen fid; bem Streife nießt fernerhin ait 3 iifd)Iießen. -IVehr 
Bertrauen wäre hier am ^laße gewefen! Eine eriiftlicße lieber* 
3 eugung, ben B r 03 cß 311 gewinnen, fouuten bie Arbeiter fdmerlidf 
ßaben. AnbereufallS beweift cs, wenn fie fid) in ihrer Mlage* 
beantwortimg auf bie 124 b unb 152 ber BeidjSgewerbeorbuuug 
beriefen, bag bie Arbeiterfcßaft noeß nicht in wünidjenswertber 
Steife fid) befleißigt hat, bic für fie fo widitigcn unb maßgcbcubcu 
! Beftinimuugeit ber iHeiilisgewerbeorbnung fid) an^iieigueu. l-l l> 
1 a. a. D. fitibet nad) §. 131 Abfaß 2 bafelbjt auf bie ^abrifarbeiter, 
! 311 benen 3 ioeifellos bie fraglidien Berfilberer 31 t redtuen finb, feine 




115 


Soziale fragte, Eeutralblatt für Sogialpolittf. Ar. 5, 


116 


Anroenbung. §. 152 a. a. D. fpridjt nur bie fogenannte K oalitioits* 
freibeit aus. X)ieS müfgte eigentlich ben Arbeitern nod) aus bent 
AuSfianbe ber Steinbrucfer unb Lithographen ootn Dftober 1S96 
her befannt fein, XamalS lourbe in ben gabireichen ^rogeffen 
gegen bie auSftänbigett Arbeiter ber genannten Kategorien bcrfclbe 
Eittwanb, bap §. 152benKontraftbrud) ber Arbeiter bei Streifs 
gum Gehilfe ber (Erlangung günftiger Lohn* unb Arbeitsbc* 
Dingungen gulaffe, erhoben, aber als " unbegriinbet oom (»eroerbc* 
gericht guriiefgemiefen. 

Xie Arbeiter eradjtelen ferner bie ArbeitSorbnung als eine für 
fie unoerbiitbliche. Es ift gegen ihre Ltiificfjt entfdjieben unb gioar 
nach fonitanter, bieffeitö für richtig gehaltener $raris bcS (bewerbe» 
gerichtS. Auf bie ©riittbe fjier näher ciugugehen, verbietet ber 
Aaunt. immerhin ift bie Srage nach ^ er Aed)tsoerbiublid)feit ber j 
ArbeitSorbnung fehr beftritten. Xer Streif ber Berfilbercr giebt 
fornit ebenfalls gu benfeit an bie oon uns bereite au anbercr 
Stelle betonte Aothwenbigfcit, bie SBeftimmungen ber SHeirfjSgcroerbc* 
orbnung über bie ArbeitSorbnung in fd)ärferer Jaffung gu regeln. 1 ) 

Xer Kontraftbrud) ber 18 Bcrfilberer ift mehrfach fdjiocr ge* 
fabelt roorben. 2 ) Ekwip ift bei* Brttd) eine*? Beitrages bnrdjauS 
nerwerflid). dennoch oerbieut h^i’ ein Ansfpntd) eine* höheren 
Juriften, ber gur 3 ei * ber Vorlage beS Entwurfs ber (bewerbe» 
orbnungSnooelle oon 1891 erfolgte, ber ausgletd)enbeu 6*ered)tigfeit 
wegen angeführt gu werben: „(is ift hödpt einj'eitig, gu glauben, 
bap ber Bertragsbrud) eine Crfdjeinnng fei, weldie fid) auf bie 
Arbeiterfreifc bcfcfjränfe. . . . 0uchen wir hierin gu beffern, mögen 
bie höheren ®efeüfd)aftSfd)ichten ben anberen mit gutem Beifpiel 
o orange heu. BSenn bie unbegahlten 3öeinred)nungen erft gur 
Seltenheit geworben finb; wenn bie Schuftet unb Schueiber ihre 
LieferungSnerfpred)en in ber Siegel Italien unb nur in feltencn 
Ausnahmen verleben — wenn bann trop allebem unb allcbcm bie 
Arbeiter allein eine nertragSbrüdjige Klaffe bleiben follteu, bann 
wäre bie 3 e it gefomtnen, fte bie befonberc Strenge ber Strafgcfepe 
fühlen gu lajfen." 3 ) 

3utn Scf)lup wollen wir bie Hoffnung auefprechcit, bap ber 
Streif ber Berfilberer, welcher gweifellos oon beiben Seiten nicht 
unbebeutenbe Cpfer erpeifdjte, bie biewerbetreibenben für bie 3 Us 
funft belehren wirb, wie oortheilhaft es ift, baS E)ewerbegerid)t, 
fd)on beoor bie Differenzen bie ©emüther erregt herben, als 
EinigungSamt angurufen. 

Berlin. 83c. nou Schulg. 

öttchbnufertarif • örwegting. Xie Aufforberuttg bes gemein* 
fd)aftlid)en XarifauSfd)ufieS ber ©chülfcn unb ^ringipale an bie 
Sdjriftfcper, in ben außerhalb ber Xarifücreinbarimg ftehertben 
©cfdjäften bie Einführung bcS Xarifs gu forbern, hat bereits baS 
günftige Slefultat gu oergeid)uen, bafg 350 weitere Tyirinen benXarif 
anerfaunt h fl öen. B>egcn weiteren etwa 50 Sinnen b a &cit bie 
Xarifuertrefer nod; gu entfdjcibcn. Attpcrbem h°Öen fidj in allen 
neun Dariffreifen gaplreiche Wchulfenpcrfonale bereit erflärt, bie 
AnerfennungbeS 1896er Tarifs gu forbern. An eingclmn Crleit 
ift es ginn AuSftanb gefommen. 

Xa$ 9Jtünd)ener Arheiterfefretcmat hat jept eine reichlich f;alb= 
jährige ^hätigfeit hinter fid); über 4000 "ßerfoneu haben bas 
Jnftitut währenb biefer 3°rt in Atifprud) genommen. Xcr fompligirtc 
DtedjaniSuuiS ber staatlichen Bcrndjcrungsgcfepe, bie nielgcftaltigen 
Qragett beS gewerblichen Arbeiterredjts, bas umfangreiche Gebiet 
ber fogialen Jiitercfienocrtretinig uub bas für bie Arbeiter nicht 
niinber wichtige ausgebehnte Wcbict bes Eioilred)tS h a ben in ben 
breiten Arbciterfdjidjten ein großes Bebürfnip nach einer mit Lüften, j 
llmftänblichfeitcit unb Sörmlidjfeiten nid)t nerfmipfteu Beditsbcleh» j 
rung geltenb gemacht uub bamit gur Errichtung ber Arbeiter» , 
fefrefariate geführt, ba Staat unb ©euteiube bis jept hierfür feine 
befonberen Örgane gefdjaffen hüben. Ilm bas Scfretariat allen Stath s 
unb SluSfunftfuchenbeu gugänglid) gu machen, t)at, wie bie „ s 3Jtiin= , 
ebener*$oft" betont, bie orgauifirtc Slrbeiterfchaft SifüudjeuS oon i 
öoruhcreiu grunbfäplid) ftatutarifcl) beftimmt, bah gur ^nanfpruch* j 
nähme beS Suftituts alle ^erfoueu ohne llnterftfjieb bes (8efd)Ied)ts, I 
beS Berufs, ber Konfeffion, ber ^arteiftellung unb bes Wohnortes | 

9 Uriger, Entirfieibimgcn bec> ('Vcwcrbegcridrts gu Berlin ")U. 151, ! 
linb s l3lanfcii|tein: Xic Sicdusfraft bei ^libeitsorbmutgeu im 21 rditu für 
öffeutlidieö 8ied)t s l?b. XIII S. Ul) ff. 

3 ) Stelle unter Zuberern Weigert: Xer ‘iBergolberaiisfmnb uub bie 
Xnftif bei 'Berliner ('iewcrffchaft in Bürgel«? Subuiirie- unb Ennbel«.^ 1 
blatt oom 22. Cftober Uits iVr. 4 3. 57 ff. 


berechtigt finb. Sreilid) rechnen bie organiftrten Arbeiter beftimmt 
barauf, bafe biejeuigen üBernfSgenoffen, welche bie 33ebeutung unb 
ben SScrth foldjcr fogialpolitifdjeu Einrid)tungeit erfannt haben, 
üiitglieber ihrer ('lewerffdjaftcu werben uub baburd) gur finanziellen 
Unterftüpmtg bes Arbeiter!efretariatS beitragen. Eine Unterftübung 
ber orgauifirten Arbeiter ift aber and) bei her praftifdjen D^ätigfcit 
bcS Sefretariats uothweitbig; eine wid)tige Aufgabe erfüllt es burch 
bie llebermittelnng oon SBefdjwcrbcn über ÜBerftöfje ber Sd)up* 
beftimmungen ber ©ewerbeorbuung au ben <yabrif= uub (bewerbe-* 
infpettor. ES füllten baher alle llebertretungen ber Ejefepc unb 
SBcrorbuungeu in SBcgug auf bie 'Befd)äftigung oon Arbeiterinnen 
uub jugeublidjcu Arbeitern, iBefchwerbeu über fauitätswibrige 3 Us 
ftänbe ber ArbeitSränme, Sdilafräuuie :c., 'Diangel au Schutworrich* 
tungeu, 3?ichteiul)altung ber gefeplidien Arbeitsruhe, wegen Erlaffung 
ober £>anbbabuug oon ArbeitSorbuungen ?c. fofort wal)rheits* 
getreu beut Arbciterfefretariat mitgetheilt werben, bamit oon biefetn 
bie Abftelluug foldjer Derftöfc eingelcitet werben fattn. — 2£ir 
glauben, bap bie Jsabrifinfpeftion non Cberbapern, beren fogial* 
politifdje Eiufidjt fid) fd)ou fo oft bewährt hnt, in biefer Xbätigfcit 
beS Diünchetter Arbeiterfefretariates*) eine werthnolle lluterftüpuug 
in ber Löfuitg ihrer Aufgabe erblicft. 

Streifs uub AuSfperrungen in Xänemarf, $u Kopenhagen 
würbe Ettbe Cftober ein Arbciterfongrcp abgehalteu, an beut 
litt Xelegirte, bie 20 000 Arbeiter oertraten, theilnahmeu. Es 
würbe mitgetheilt, bah int nerfloffenen Ofahre in ttl bänifd)cu 
Stabten tt(> Streifs oorgefommeu feien, an betten 1115 Arbeiter 
fid) bctheiligteti. Jstt 60 Stabten fei ber Lohn erhöht uub in 21 
bie Arbeitszeit nerfiirgt worben. Xie im Laufe bes Jahres burch* 
gefcpten Lohnerhöhungen betragen über lOOOOOOttr. Jcber Ar* 
beiter nerbiene alfo jept jährlid) burd)fd)uittlich 50Kr. mehr als früher. 
— Jwifchett Diciftcrn uitb (behülfen im 33äcfcrgcwcrbe ber 
bänifcheu .iSauptftabt ift ein Streit über Lohn unb Arbeitsgcit aus* 
gebrochen, ber gu einem partiellen Streif unb gu einer nmfaffenben 
Ausipcrrung geführt hat. 9?ott ber lepteren finb gegen 1000 Ar* 
heiter betroffen. Xie 5Brotpreife fteigen, obwohl bie Dceifter oer* 
Indien, bttrd) eigene uub LehrüttgSarbeit bie ^rotnerforgiing ber 
Stabt burdigitführcn. 

Ärbritrrfdju^. 

Xic Lage ber jugenbltihen uub weiblicheu 3*fgtleiarbeiter uitb ber 
$mtbe$ratfj* 

AuSnahntebcftimmungcn auf Elrunb bcS §. Itt9a ber Gewerbes 
orbnmtg würben für bie ^kcjdmbiiftrie im Jahre ISOtt erlaffcn 
aus gweierlei Olriinben: Einmal um ben D3ünfd)ett ber Unter» 
nehmer entgegengufommen, fobantt aber aud), weil bttrd) bie 5Bcr» 
wenbuttg weiblicher unb jitgeublid)cr Arbeiter bei allen Bkfchäfti» 
gangen fdjreienbc Dfipftänbc ciitftaiiben waren. Als bie „Arbeiter* 
fd)upnouelle" 1891 in Kraft trat, machten fid) in ber 3 lc Ö l ^ e i 5 
inbuftrie bereits bie erftett Angcid)ert eines AiebergangcS bettterfbar, 
ber fpätcr gu einer förmlichen Krifc führte, eine natürliche Solge 
ber finnlofen llebcrprobuftiott, bie in ben aditgiger Jahren ein* 
geriffelt war. Xic gröpercu mib fapitalfräftigen Unternehmer 
fonnten bett Aiicffdjlag ertragen, bie ffeineren bagegett fud)ten ihm 
burd) Einitcllung jugenblicher unb weiblicher Arbeiter gu begegnen. 
Bon ihnen würbe es fehr fdjwer empfitttben, bafg ihnen 135 ber 
ß)ewerbeorbtutttg bie Befchäftigmig fd)ulpflid)tiger Kitiber gattg 
oerbot, biejenige non jugeitblidjeit Arbeitern unter 11 Jahren auf 
täglich 6 Stauben, berjeitigen nou 14 bis 16 Jahren auf täglich 
10 Stinibeu feftfepte. Sie nerlangten AnSnahmebeftimmungctt unb 
begrünbeten bieS bamit, bap bie Arbeit itt bett ^itttgcleieu leid)t 
uitb wenig anftrengeub fei, gubettt meiftens im Jreiett verrichtet 
werbe, alfo feinen gcfunbheitsfd)äblid)en Einflitp ansüben föntte. 
Je mehr fid) ber Aiebcrgang bemerfbar machte, befto ftärfer würbe 
baS Drängen ber Unternehmer. Jtn Diai 1893 erließ batttt ber 
AeidjSfangler bie befamtte Bcrorbiuiug, nadjbem norher eine Kon» 
fereitg im Deiehsaint bes Jnitent ftattgefunben fjatte, gu ber wol)l 
eine Anzahl 3iegeleibcfipcr, aber feine Jiegelciarbcitcr hiugugegogett 
warben. Sie Berorbmmg nerbot bie Bcfchäftigitng non weiblichen 
uub jugcitbliiheti Arbeitern bei beftimmtcn Berridjtimgen, trug ba» 
mit alfo bem Berlangen ber Arbeiter itt etwas Aedjiiniig, gefiattete 
bagcgen eine längere Befchartigung ber jngenblicheit uttb weiblidjcn 
Arbeiter, als fie non ben 135 unb i37 ber ('lewerhcorbnung 

• » Jn a mi! ff nvt a. 5V. ioII ein ArbeiterirfMariat am I. Januar 


d ) Diittelftaebt tut „('icriditsfaal" Bb. 4)1 (is'HM 2. 1. Os Iranbelt , eröffnet werben. Audi tu 0)ewerlfd)aft«;«treifeu Ber 1 i ns wirb gegewärtig 
fidr um bie Bnfjc bes 1‘21 b bei Acidjsgcwcrbeorbuung. , ber "plan, ein foldjes Bureau gu erridnen, erörtert. 




118 


117 


©ogiale $ra£t$. (JentralBlatt für Sogialpolittf. 9hr. 5. 


oorgefchriebeit roirb. $)ie Berorbnung foßte bis (5nbe 1897 
©üliigfeit haben. 1895 machte inbeffeti ber fRiebcrgang einem 
ftarfen Auffthmung Blap. $>ie Nachfrage nach gabrifatett oermeljrte 
fid^ # bie greife fliegen, ber betrieb mürbe mieber loftuenb. $>er 
©rnnb für baS ©eiterbcftehen beS gmeiten S^eils ber Berorbnung 
märe jeftt hinfällig geworben. tiefer ©inrnanb mürbe aud) im 
Borjahre mit allem SRachbrud erhoben, trophein fonnte fid) bie 
Regierung bamalS nicht entfchlieften, eine Aenberung eintreten gu 
laffen; fte oerläugerte bie Berorbnung auf ein gal)r. 

(Tie neuen Beftimmungen, bie jefjt am 1. 3amtar 1899 in Mraft 
treten, bebeuteit nun für ben Kenner ber te<hutfd)en Einrichtungen 
in ber 3i e g c ttnMtrie feinen gortfdjritt, fonbern einen Biidfdjritt. 
©ol)l fchetnt eS, als fei burd) bie Einbcgicl)ung ber Ehamotte* 
fabrifen in ben erften ^fteit eine Berbefferung gefchaffen. TieS ift 
jcbod) nicht ber Saß. Tie gefuubbeitSgefäl)did)fte Berriditung in 
ben Ehamottefabrifen ift baS Sieben non Tbou, Saitb, Ehamotte 
u. f. m. Unb gerabe biefe Bcfd)äftignng ift nicht oerboten morben, 
trofcbem fte oorgugSmeife non weiblichen Arbeitern oerrid)tet mirb. 
Boßftättbig ohne jebe Stenntnift ber SSerfjältniffe aufgefteßt ift Ab* 
fab 4 beS erften ber Berorbnung. Anftatt bas Darren non 

Steinen, burd) baS bie aufjergemöfjnlid} groftc 3al)l ber Seiften* 
brüdje bei ben 3iegeleiarbeiteriri)erurfad)t mirb, gang gu uerbieten, 
erftredt fid) baS Berbot nur, foroeit „ein feftoerlegtcS ©eleis ober 
eine barte ebene gahrbahn nicht bennpt werben". TaS Sebterc ift 
febon jept überall ber gaß, benn ein Transport obne gahrbahn 
ift einfach eine llnmöglid)feit. llnoerftänblich ift bie Erlaubnis ber 
33efd)äftigung beim güßett unb Entleeren „oben offener Schmauch* 
Öfen". Sd)maud)öfen finb in ber 3i e 9 c ü n buftrie Heine, trauS* 
portable Defen, bie in bie Tf)ür beS eigentlichen Brennofens ein* 
gefept unb gum AuSfdjtnauchen, b. h- Anwärmen ber 3iegclmaaren 
benupt merben unb nie gefußt ober entleert merben fönnen. ©c* 
meint finb mahrfcbeinlicb 3 i c 9 e tb renn Öfen ohne Tede. 

ßäftt fid) alfo febon oom erften Th e il ber neuen Berorbnung 
nichts @uteS fagen, fo trifft baS in noch oiel größerem BJaftc für 
ben gmeiten gu. gür 3i e 9 e ^ cn / in benen baS Sonnen ber 3iegel* 
fteine auf bie 3?it oon Biitte Btärg bis 3J?itte SRouember befchränft 
ift, tritt gegenüber ben beute beftehenben Beftimmungen eine Ber* 
lürgung Der ArbeitSgeit um eine Stunbe pro ©oepe ein, bagegen 
mirb bie jefet 66ftünbige wöchentliche ArbeitSgeit auf 70 Stunbcn 
oerlängert für bie jugeitblicpen Arbeiter berjenigen Betriebe, welche 
„ohne ftänbige Einlagen betrieben merben (gelbbrättbe), ober in 
melden als ftänbige Einlage nur ein Ofen oorhanben ift". gn 
ber 3i e 0 e finbuftrie merben heute gröfttentbeilS fogenannte SRingöfen 
oerroanbt. TicS finb grofte Dcfen, bie bie gange Champagne über 
im Betrieb gehalten merben. Tic Seiftungsfähigfeit biefer Dcfen 
feproanft groifepen 1 / i Btiflion bis 10 Biillionen Steinen. Slufger= 
bem fommen aud) noch fogenannte beutfepe Defen, periobifd)e Defcn 
non geringer ÖeiftungSfäf)igfeit, oor. Sie finb natürlicher ©cife 
nur in Heincn Betrieben gu finben; manchmal finb groci bis brei 
banon oorhanben. Tiefe gufantmen erreidien aber bei ©eitern nid)t 
bie ßeiftungSfäpigfcit eines eingigen Ringofens. gn aßen Bing* 
ofengiegeleicit, fomeit fie nur ben Sommer über im Betrieb finb 
(baoon egiftiren etma 3000 in Teutfdjlanb), fönnen bie jugenb* 
liehen Arbeiter oom 1. ganuar 1899 an alfo 70 Stunbeu pro 
©oepe befchäftigt merben, unb nur für bie menigen hunbert 
Ziegeleien mit mehr als einem Heinen Dfen tritt eine Berfürguug 
um eine Stunbe ein. 

Tie neue Berorbnung ift begeiepnenb für ben MurS, ben bie amt* 
liehe beutfehe Sogialpolitif gegenwärtig fteuert. Sed)S 3abre befteben 
bie JluSnahmebeftimmungen jept, fein 3ul)^ aber ift bahingegangen, 
ohne baff fid) bie ©eraerbeauffichtsbcamten einmiitbig für bie Auf¬ 
hebung beS gmeiten XheilS unb bie Berfd)ärfuug beS erften auS= 
gefprodjen hätten, ^ie Regierung hat bie einbringlidjfteu Bcal)= 
nungen ihrer eigenen HuffictitSorgane gar nid)t beamtet, oielmehr 
gang bem Bedangen ber Unternehmer Solge gegeben. Hub babei 
fann mau gar nicht fagen, baß bie Unternehmer befonbers ftarf 
auf baS ©eiterbeftehen beS gmeiten SDhoil^? ber Berorbnung ge* 
brungen hätten. ®er „Berbanb beutfeher ^honinbuftrießer" hat 
in biefem S^uhjaht eine Umfrage unter ben 3^0^^befiPeru oer- 
anftaltct, bie fo fläglidje ^Hefultate ergab, baß fid; bamit beim heften 
©ißen nichts anfangen lieft. Bon ben ruub 12 000 3iegelcibefiperu 
beS SHeidjeS hatten nur etma hunbert (alfo uod) nicht 1 %i bie 
gragebogen auSqefüllt, barunter roaren faft 50% folcfter Betriebe, bie 
Arbeiterinnen überhaupt nicht, 80° () refp. 14% foldier, bie mober 
jugenbliche Arbeiterinnen nodi jugcnblidje Arbeiter beühäftigten. 
tiefes eigentl)ümlid)e Siefultat ift iufoferu erHärlid), alo bie Sragc* 
bogen hauptfächlich mohl oon ben Biitgliebern bes BereiuS beant* 
mortet morben finb, biefe aber finb in ihrer großen Bcehrgnftl 3'0 


haber oon Betrieben mit Sommer* unb ©interarbeit. ^cr Boß* 
ftänbigfeit halber fei bemerlt, baft fid) 65o/ 0 ber Antmorten für 
Beibehaltung beS gmeiten SheilS ber Berorbnung auSgefprochen 
hatten. 2:ropbeut fich alfo nur ein mingiger Bruchteil ber Unter* 
nehmer für bie grage überhaupt intereffirt, fchenft bie ^Regierung 
biefem mehr ©eftör, als bem aus eingebenben Beobachtungen ent* 
fprungenen llrtheil ber ©eroerbeauffichtsbeamten. 

©ine ©rflärung für biefen merfroürbigen gnbifferentiStnuS ber 
Unternehmer läftt fich barin finben, baft ber gröftte £h*il uon ihnen 
anfeheinenb bis heute noch nichts oott ber beftehenben Berorbnung 
weift, ober wenn er .Slenntuift oon ihr hat, fich au fie nicht lehrt, 
^aft bicS feine leere Behauptung ift, geht aus ben neueften 3al)res* 
berichten ber preuftifd)en, bat;rifd)en unb babifeften ©cmerbeaufficht 
heroor. geber Beamte fonnte gal)lreid)e Uebertretungen ber Ber* 
orbnung fomohl wie ber ©emerbeorbnung überhaupt fonftatiren. 
Schulpflichtige Äinber mürben in 3i e 9 c ^i c u ungenirt ben gangen 
£ag befdjäftigt. gu ^ßreufteu aßein "mürben im Borjahre in 887 
3iegelcien Uebertretungen ber ©emerbeorbnung feftgefteßt, barunter 
waren 103 Betriebe, in beiten fchulpflichtige ^inber oon ber Be* 
fchäftigung auSgefd)loffen merben muftten. gti 62 3if9«Ieicn mürben 
Äinber länger cils fed)S Stuuben täglid) befchäftigt, in 200 Be* 
trieben mürbe bie Arbeitszeit ber jttgenMidien Arbeiter iiberfchritten, 
in 14 Betrieben mürben fie fogar nachts befdjäftigt. gut Begirf 
Dberbapcrn mürbe bie Borfcftrift über ArbeitSgeit ber gugeublichcit 
in 114 Betrieben übertreten, biejenige ber Arbeiterinnen in 29, im 
Begirf fRiebcrbaperu in 48 begm. 53 gäßen, im Begirf Sd)maben 
216 begm. 20 gäßen. $>er prcuftifdje ©eroerbeinfpeftionSbericht 
enthält leiber feinen SRadjmeis bariiber, mieoiel 3i e 9^^i en int Bor* 
jaftre überhaupt reoibirt morben ftnb; eS läftt fich barum nid)t 
feftfteßen, wie groft ber B r ageittfap ber Betriebe ift, in benen 
Uebertretungen feftgefteßt merben fonnten. gebenfaßs fteßten bie 
887 Anlagen ber 3i e 9 e ^abuftrie in B^euften, in benen lieber* 
tretnngen feftgefteßt merben fonnten, feinen Heinen Bruchthcil bar. 
Unb babei ift es ben Beamten häufig, ja in ber Blehrgahl ber 
gäße nicht einmal möglich, Uebertretungen feftgufteßen, ba bie 
Bücher in beit 3i e 9 c l e i cn fab r liidenliaft geführt merben unb oon 
ben Arbeitern häufig nicht in Erfahrung gebracht merben fann, ob 
Uebertretungen oorfommen ober nicht, gu einigen gäßen waren 
fdjulpflid)tige Slinber fo gut inftruirt, baft fte bie glucht ergriffen, 
nachbent fte bes Beamten anftdjtig gemorben waren. 

3>ie Auffichtsbeamten finb biefen Uebertretungen gegenüber 
machtlos. Sie orbnett mohl eine attbere ArbeitSgeit an, oerroeifen 
bie fd)ulpflid)tigcu Älittber ans bem Betriebe, wenn fte aber nach 
einem ober mehreren galjren mieberfotttmen, finb ttod) immer bie* 
felbcn guftänbe oorhanben. Sie erftatten mohl Angeige gegen 
ben Unternehmer, meift aber nur mit bem ©rfolge, baft biefer gu 
einer lädicrlid) geringen Strafe oernrtheilt mirb unb ruhig bie 
bisherigen 3uftänbe weiter befteben läftt. 3JJan foßte es nid)t für 
möglid) halten, baft in mehreren gäßen Strafen oon 3 Jf (!) 
wegen UebcTtretung ber BunbesrathSoerorbnung feftgefept morben 
finb! S'as hödjfte Strafmaft betrug 300 . // unb biefeS betraf be* 
geichneuber ©eife feinen 3^geleibefiper, fonbern einen 3icgdnteifter, 
ber bie gabrifatton im Afforb übernommen hatte, ^ie höchftc 
Strafe, bie über einen 3i e g c ß'ibcfiper oerhängt mürbe, betrug, fo* 
weit mir bieS auS ben Berichten ermitteln fonnten, 60 ,1( ©aS 
©nnber, baft feine Aeuberung eintritt! ^agu fomrnt nod), baft bie 
Montrolle feitenS ber DrtSbcf)örben eine feftr mangelhafte ift. $>aft 
eine fo milbe Auffaffung ber ©erithte fomohl wie ber Drtspoligei* 
behÖrbeit nicht bagu geeignet ift, ber Arbeiterfchupgefefegcbnng Ach* 
timg gu oerfchaffen, liegt- auf ber $Sanb. S'iefer Anfidjt geben 
auch bie Auffid)tsbeamteu beS öfteren AnSbrud. Ser Bericht* 
erftatter für ben Bewirf Arnsberg beifpielSmcife fchreibt barüber 
(gahrcSberid)tc ber Mönigl. Bi'c’uftifchen BegieruugS* unb ©emerbe* 
räthe unb Bcrgbehörben pro 1897 S. 334): 

„Tic Befdfäftiguitg oon Minbcni unb jungen Leuten mürbe immer 
noch häufig über bie gulämgc 3 l 'it hinaus ausgebebnt, tropbem gerabe 
biefe Beftiinmungeu mit gu ben ältefteu Sitiupbcflimmuugcn gehören 
unb mau besbalb auuehmen tollte, baft fie fid) uöilig eiugelebt halten. 
Tic Thatfadic aber, baft fogar in einem ber größten ©erfc bes Begirf* 
foldjc Uebertretungen in 'A Ac'illen teftgeftellt mürben, unb bie Befduif* 
tigung babei in 13 Tvnflcn fogar I•'* 1 •_< Stunbeu täglid) bauerte, lehrt 
bas ('»egentheil unb erforbert eine ftänbige Uebermaäiung ber Betriebe, 
(sit beut oorftebeub ermähnten A-alle berichtete ber mit ber Aadiioridmng 
betraute oIigoibeamte, baft in einzelnen ©erfftätten bes Bierfes aller= 
biugs oon ben fugenbliiheu Arbeitern llrbernljiditou'' gemacht morben 
feien; er fügte aber feinem Berichte gemiifermafteii emidmioigenb bm>u. 
bie Ueberfcbtcliten batten nur in bnugcubcii 3 allen itattgefimbeii, cmi t- 
meber iei ber Bater bes Arbeiters frauf gemefeu ober bie Eltern lebten 
tu fehr briicTeubru Berluiltniffeii, aueh batten bie Arbeiten gum gröftten 



119 


©ogiale fragte, (Eentralblatt für ©ogialpolitil. Ar. 5. 


120 


$heil ausgeführt werben muffen. Ucberhaupt tritt in ber Be* 
urtheilung non Uebertretungen ber Arbciterfchupgefepe bei 
ber ^oligeibeljörbe wie Bei ben ©eridjten meift eine beu 
3nbuftrieilen günfttge Auffaffung gu Sage, meldje geneigt 
fdjciut, ber fogialett ©efcpgebuitg feine befonbere 2£id)tig* 
feit für baS B*of)l ber arbeitenoen klaffe bcigulegen mtb 
3uiniberbanbrungcu als mehr ober weniger belanglos au* 
g u f e I) e u." 

Anftatt nun biefer Auffaffnitg burcf) eine Verfdjärfung ber 
Schußbeftimmungen entgegenguarbeiten, befennt fitf) ber VunbeS« 
ratt) felbft gu einer Vcrfchlechtcrung feiner Verorbnung, bie bis gum 
1. Qanitar 1904 (Geltung bemalten foK. So fefjr auch baS B£ohl 
ber jugcnblid)en unb weiblichen 3iegeleiarbciter ein Verbot ber Ve= 
fd)äftigmtg über ben JDefen, beim Transport non Steinen über* 
haupt u. f. tü. unb eine Verfügung ber ArbeitSgeit erforbert, fo 
wirb oor biefem 3 e ^pnnft wohl faum etwas geänbert werben. 
SBeun man fid) aud) mit biefer S^atfadje abfinbet, fo muß aber 
hoch an bie Regierung baS bringende Verlangen gefteKt werben, 
nun gum Winbcften bafür gu forgett, baß biefe. Vcftimmungen 
überall (Geltung erlangen, bafj bie große 3 a hl ber Uebertretungen 
oermieben, baß eine ausreidjenbe Kotitrolc ber betriebe oorge* 
nomtnen wirb unb baß Uebertretungen ftreng bestraft werben. S>a£ 
biirftc immerhin ein Anfang für bie Söeffernng ber traurigen Sage 
ber jugenblidjen unb weiblichen 3 i e 9 c fti ar f ) eitcr fein! 

Berlin. 2ÖiIf>dm Swienttj. 

$ie töetdjSfommtfitott für Arbeitcrftatiftif ift auf ben 17. Ao* 

oember einberufen worben. S)ie bieSmalige Verhanbluug wirb ber 
Vernehmung ber Sadjoerftänbigen aus bent ©aftwirthSgewerbe 
gewibmet fein. 3u itjrcr leßten Sijjiutg (27./2S. 3uni) Ijatte bie 
Kommiffion befd)loffen, baß im ©angeit etwa 60 ^erfonen, bar* 
unter pdjftenS Vs eoiS ber 3 a W ber Unternehmer unb 2 /*> ans 
ber 3a^l ber AngefteHten als AnSfuuftSperfoncn miinblid) gehört 
werben fallen. ferner ^ielt bie Kommiffion bie 3»^eljung oon 
Kellnerinnen unb Köchinnen neben Kellnern unb Köchen für geboten. 
3)ie oerfd)iebeneit Arten oon betrieben, bie oerfdjiebenen ©egenben 
2)eutfdjIanbS unb Drte oerfdjiebener ©röße follten bei ber AuS* 
wähl ber AuSfnnftSperfonen, bie fämmtlid) nod) im ©ewerbe 
tl)ätig fein nuiffen, bcrürffidjtigt werben. Wit ber Ausführung 
biefer Söcfdjlüffc wnrbe ein AuSfdjuß betraut, bem bie KommiffioitS* 
mitgliebcr S)ireftor Dr. o. Sdjeel, Winifterialbirettor o. .fperrmann 
unb 9teicf)StagSabgcorbneter Wolfenbuljr angehörteit. — S)ie Ver* 
neftmung oon AuSfnnftSperfonen bilbet ben Abfchluß ber (Er* 
bebungen über bie ArbeitS* unb ©ehaltSoerhältniffe ber Ange* 
fteHten im ©aft* unb Schanfgewcrbc, bereu Beginn bereits in baS 
Sabr 1893 fällt. 

Verhütung brr DUlgbraubbcrgiftung in ber £f)ierbaarinbuftrte. 

S)em SBunbeSratb ift ber (Entwurf oon Veftimtnungen über bie 
Befdjäfiiguug oon Arbeitern in ber Sbierbaarinbuftrie gugegangeu. 
— Schußoorfchriften für biefe Arbeiter werben feit längerer 3eit 
erwogen, ba 3älie oon Wilgbranboergiftung auf bie ©efäbrlidjfeit 
ber Imntirung mit Sbierbaaren 3nt oorigen £>ahre 

(oergl. „Sogiale ^rajiS" Sahnj. VJI 0p. 202) würbe oom AeidjS* 
amt beS Qnnem beu Söct^eiligten ein (Entwurf gur Begutachtung 
oorgelegt, ber aber fowo()l bei Arbeitgebern, wie bei Arbeitern 
mehrfach VSiberfpruch erfuhr, ‘daraufhin würbe am 29. Würg b. S- 
eine neue Sachoerftänbigenfonfereng in Söerlin abgehalteu („Sogiale 
^rayiS" VII 0p. 703). ^un wirb geinelbet, cS werbe bie gwartgS* 
weife ^cSiufeftion aller auSlänbifdjen ^ferbe* unb Sflinberhacire, 
SthweinSborften unb Schweinewolle oorgefchlagen, bie in 9?ofjhaar* 
fpinnereien, .v)aar* unb 33orftengurid)tereien, fowie dürften* unb 
^infelfabrifen oerwenbet werben. S)av mag feljr niiblid) fein, ge* 
nügi aber nicht, beim bie 2JUIgbranbgefabr ift auri) bei 58erwenbitng 
iniänbifd)en Materials oorhanben. 

Verbot ber ©cuuhnng bon offenem Sid)t in ben prenpifdjen 
©ergtoerfen. S^er preufitfebe öanbelSutinifter hat anläßlich beS 
©rubenungliids auf ber 3 C( i) e 3olleru einen Grlafe an bie Dber* 
bergämter 'gerichtet, welcher forbert, 

„bafi in allen untcrirbifdicn Aäumen, wo mit Sampf betriebene 501 a= 
fdiinen aufgcftcllt finb, bie i'enntumg bes? offenen 2idjt^ oerboten wirb, 
foferu nid)t etwa bort oorbanbenei .^olgwerf in fo frndjtem v ';itftanbe 
gebalten wirb, bafj ein ^nbranbfefeen beffelben alv miSgefrfüoifen gelten 
barf, unb fofern nirfit bort uevbanbene Ieidit brennbare Itatcrialien, 
wie ^npiuollc :e., unter fidicren 3>crfd)Iufg geuonmieit werben. And) 
wirb bav offene 2id)t an anberen Crtcu unter sage, wo, wie in s pferbe= 
fräßen, 50fagaginen :e., Icidjt brennbare ©egenftänbe f-'oen, 3trob :c.) 
fid) befinben, niefjt mehr gebitlbet werben fönnen." 


Ärheitcnirrfldjerutig. Spathoffcn. 


$on ber Lobelie gur Alters* unb Snualibitütsuerftcherung 

tröpfeln immer noch cingelne 5ütittheilungen burd) offigiöfe Kanäle in 
bie Deffenilichfeit. EBenn man geglaubt hat, burd& biefeit 5D2obuS ber 
^ubligirung einen giinftigen ©inbruef heroorgurufen, fo ift uitfercS 
©rachtenS eher baS ©egentheil eingetreten. ^>ie ftücfwcife Ser« 
gettelung in offigiöfer Stäche ift eher geeignet, ben Argwohn gu 
werfen, als ob man fxch fdjeuc, ben Wortlaut beS gangen (Entwurfs 
auf einmal ber Kritif preisgugeben. ©erabc weil wir in ber Sor* 
läge fehr beachtenSwerthc Sortfdjritte begrüben, bebanerit wir ben 
Fehlgriff, ber in ber Art ihrer Seröffcntiichung gemacht worben ift. 

■SMe neuen „©nthüUungcn" begiehen fich auf bie anbermeite 
geft[ehung ber 9tenten*©runbbeträge, bie in ber „Sogialett ^rayiS" 
bereits im SeitartiFel ber lebten Kummer erörtert war, unb auf 
bie Seiheiligung ber Scrfuherten an ber Scrmaltung unb SRccfjt* 
fprechung. 

danach foH, toaS bie Aerfjtfprcchung augebt, je ein Vertreter ber 
Arbeitgeber mtb ber Serinhcrten aud) bei jebent 93efd)luffe ber örtlidicn 
Aentenftclle über Bewilligung ober ©ntgieluntg oon Suoalibcit* unb 
Altersrente, über ©iufteüimg ooit Aenteugalilimgen uttb über Beitrags* 
erftattuugeu mitwirten, [su Bogug auf bie Verwaltung oerbleibt es 
gunäd)ft bei bent bisherigen ftechtsguftaubc. Au ber Sönhl ber Arbeiter* 
oertreter aber folleit neben beit bereits gegenwärtig beredjtigten Kranfcn* 
faffenoorftänben u. f. w. fortan and) bie Vorftäube eingcfdjriebcner 
^ülfsfaffeu :c. betheiligt werben. Xie rbliegenbeitett, weldic bem Aus* 
fdntffe oorbeljaltcn werben, finb um widüige Angelegenheiten oermehrt. 
Xahin gehören: 1. bie Acftfebung ber 3ahl ber Begtrfe unb ber 3ipc 
ber örtfidien Stenteuftellen; 2. bie 2s?al)l ber itidjt beamteten Biitglieber 
beS Vorftanbes; 3. bie B?ahl ber Beifiber ber Aentciiftellen; 4. bie Jvcft* 
ftellung beS BoranfdjlagS; r>. bie 3 ll ftintmuug gu Betdjlüffcu beS Bor* 
ftaubeS, welche bie Erwerbung, Beräufjeruug ober Belaftung oon 
©rtmbftürfen ber BerfidierungSanftalt betreffen, daneben fönnen bie 
ben Acutenftelten augebörenben Vertreter ber Arbeitgeber unb ber Ber* 
fidferten auch bei beü BerwaltuugSaufgaben ber örtlidjen Crgane Ber* 
wenbung finben. 

AlterSPcrforgnng für »eibliche ^ienftboten in Defterrcid). 3ut 

öfterreichtfdjen Aogeorbnetenhanfe brachte Abgeorbueter Dr. Stof er 
ben folgcttben Antrag ein: 

Csu ©rwägung, baft für weiblidje Tienftboten, bie oft 20, 30 unb 
mehr $abrc gebient haben, für bie :^agc beS Alters unb ber £icnft* 
unfähigfeit nirfit hinreidicnb oorgeforgt ift, mtb fie baburdj in bie gröfgtc 
Aothlage oerfept werben; in (Erwägung, bafg biefer traurige 3uftaub 
nur burd) eine Altersoerforgung behoben werben fann, mtb bie Alters* 
oerforgung and) bas ntoraiifdje Brwufjtfciu ber nod) Xienenbcu heben 
wirb, wirb bie Aegieruug aufgeforbert, bie Jvragc ber Altersoerforgung 
tociblidjer ^ienftboten in ©rwäguug gu giehen unb B?afmaf)men auf 
bem B3cgc beS (Befepcs ober ber Berorbuung gu ergreifen, um bas 
traurige 2ooS berfelbnt gu erleid)tcrn. 

^ie ftaatlidje AlterSPerfithcruitgSlaffe in ^ratiFreirfi, ein 

ftitut, baS beftimmt ift, mit £>ülfe beträrf)Iirf)er Staatsmittel bie 
freiwillige AlterSfiirforge unter ben Arbeitern gu erleichtern unb gu 
förberit, baS aber in weit größerem 9)?aße oon beit if;r ^erfonal 
folleftio nerflrfjernben Unternehmern, nantentlid) ben (Eifeitbahn* 
gefeüfd)aftcn, als oon Snbioibuett benupt wirb, ocröffentlicht feinen 
3a()rcSberid)t für 1897. ©egettüber bem Vorjahre ift in allen 
VerfidjernngSflaffen eine 3anahmc gu fonftatireu. 3tn Sahre 1897 
würben 2 079 896 ^rämiengahlungen int ©efamtntbelrage oon 
43 (179 637 grcS. geleiftet. An laufcnben Leuten beftanben am 
Schluß beS 3ahres 226 491 mit einem Betrage oon 34 101 298 3rcS.; 
bie burd)fd)tiittliche Aente beträgt alfo 151 3rcS. Von biefnt 
Veutitcrn finb 120 291 männlichen uttb 100 739 weiblidjen ©e* 
fd)led)ts. Xie mittlere Veitte ber Beamter beläuft fid) auf 
150 j$rcS., bie ber grauen auf 162 JrcS. Auf bic eingelneu 
©rößenflaffcu oertheiieu fid) bie laufeitben Acuten in folgeitber 
Bieife: 

3ahl Beogent ber 
ber Beutner (*)cjaimntl)cii 


Aemeu 

oon 


bis 

:>o Ares. . 

. . 02 S12 

41 ,*> 

= 

= 

r» l 

= 

20<> 

. . ST 224 

39,46 


= 

201 


3t )0 

. . 17 484 

7,91 

= 

= 

3<;i 


CiOO 

. . 12 24S 

5,54 

= 

= 


= 

1200 = 

. . 9 134 

4,13 

* 

* 

1201 

= 

1300 - 

. . 2131 

< >,97 


j V?ie wenig biefe ftaatlidie AltcrSfaffe bie freiwillige ^iirforge 
' unter ben breiten Waffen ber arbeitenben Veoölfcrung werfen 
tonnte, erhellt ans nachftehenber StatiftiE ber im 3nl)rc i897 neu 
I hingiujetretenen Witglieber. Von benfelbeu umreit: 




121 


©ojtale $ra$i*. Eentralblatt für ©üjialpolitif. Rr. 5. 


122 


Arbeiter (Csubuftric, Vergbau, Transport, 

Rfänuer 

grauen 

Xotal 

Staatsmanufafturen). 

29 GUI 

13X71 

42 872 

Hanbwerfer, «aufleute. 

1 905 

884 

2 789 

Xienflboten. 

154 

365 

519 

AngeftcIIte. 

12 728 

10 420 

23 143 

Eifenbaßnbebienftetc. 

7 677 

6 336 

14 013 

Öanbwirthe. 

1309 

129 

1438 

Rentner unb freie Vcruje. 

1 520 

843 

2 363 

RÜnberjährige. 

4 154 

3 202 

7 856 

3 ufammen . . . 

58 443 

36 050 

94 493 


SBenn nad) biefer Tabelle italjesu bie Hälfte ber neuen 9Rit* 
^lieber fich aus ber Kategorie ber eigentlichen Arbeiter refrutirt, fo 
ift hoch ju benoten, baß biefelben fid) nicht aus eigener Snitiatine 
ber «affe angefchloffen, fonberti burch ihre Unternehmer (ßaupt* 
fächlich große Aftienunternehmer, wie bie Eifeitbahiten :c.) foßeftio 
nerfuhert werben. — Xie VerwaltungSfoften ber Anftalt erheben 
fic^ 1897 auf 934 481 

Fortführung ber Serathungen über «raufen* nnb Uufaflber* 
fidjening in ber Sdpons* 2>ie national* unb ftänberätbjlicijc Re* 
oaftionsfommiffion für bie «ranfen* unb nnfattoerfidjerungSoor* 
läge hat am 14. Dftober ihre im Frühjahr (ogl. So$iale $rafis 
Saßrg. VII 6p. 1002) abgebrochenen Serathungen begonnen. Es 
liegen ihr bis jeßt fünf Abfchnitte ber rebaftioneHen Faffunc) oor 
unb eS bürften noch brei weitere Abfchnitte nachfolgen. 2)ie re* 
baltionellcn Aeitberungen finb gegenüber ben oon ben eibgenöffifdjen 
Stäthen gefaßten Vefdjlüffen jum äl;eil giemlidh cinfehneibenber datier, 
^ie «ommiffion wirb fich, wie ber „Vunb" betont, über biefe 31 t 
Hänben ber eibgeitöffifd)en Rätße nur begutachtenb äußern fönueit. 


3Ubeitenadj niete. 

Vetjeiliguttg oon Arbeitgebern nnb Arbeitnehmern an ber Verwaltung 
beö (SentralbereinSfür ArbettSitartjWetS in Verlöt. Xie ootn Eentraloerein 
für Arbettsnarfjwets befchloffcne wirfjtige SaßitngSänberung, wonach in 
ben Vorftaiib beS Vereins je oier oom AuSt'chuß bes 6 )cwerbegerid)tS 
ju wählenbc Arbeitgeber unb Arbeitnehmer cintrcten, hat bie lanbeS* 
herrlidje Vejtätigung erhalten. Rad) ber uom AuSjdjnß bcS (bewerbe* 
QeridpS bereits oollsogcnen V>al)l finb nunmehr eingetreten als Ser* 
tretcr ber Arbeitgeber: ^ommerjienrath Ricßarb Roficfe, 3Ritglieb bes 
Reichstags, gabrtfbefißcr Julias 3Raa$, Xiefbauunternebmcr (Sbntunb 
Vernßarb unb gabrifaut Cito Weigert; als Vertreter ber Arbeitnehmer 
Jifchler «nrl «ob leider, Former Alwin «örfteu, Hatmacßer Henning 
liunb, Kellner gerbtnanb Gegner. Sei ber Einführung bie]er Herren 
hielt ber Vorjißenbc ber Vereins Dr. Rief). grenub eine Anfpradje, in 
ber er unter Hinweis auf feine uulängft in SMiiiichen geiprod)cncn Spurte 
(ogl. Soziale ^raris VIII 6 p. 18) abermals betonte*, bah eine gcbeil)= 
liehe Eiitwicflung ber Arbeitsnadjwetfc nur bann ftatthaben fönite, wenn 
beiben Sfjülen, o. ß. Arbeitgebern unb Arbeitnehmern ein Einfluß ein* 
geräumt wirb: „Weitere «reife ber Arbeitgeber fteheu auf bent Staub* 
punft, bah nur fo ein ei-fprießlicßes Olcbeiheu biefcr Arbeitsnachmeife 31 t 
erwarten ift, wenngleich ja einzelne Unternehmer leiber nod) einen 
gegenteiligen 6 tanbpunft entnehmen. (5s ftcht troßbem ju hoffen, baß 
fidj audh in biefen «reifen mit ber 3<üt eilt Umfdjwung ber Meinungen 
geltenb machen werbe." 

6tabtifd;er Arbeitsnachweis tn Spanbau. Xie 6 tabtoerwaltung 
hatte bisher ben oon ben fo 3 ialbemofratifcßeu 6 tabtoerorbneten 
wieberßolt cjeftellten Antrag auf Errichtung eines ftäbtifchen ArbeitS* 
nachweifeS icbeSmal abgelehnt mit ber Vegrünbung, baß ein Ve* 
bürfniß ba^u nicht oorliegc. 3 efct aber pat, mie mehrfach mit* 
geteilt wirb, ber SJiinifter beS Snttern felbft beim SJiagiftrat 
bie Schaffung eines Arbeitsnachweis burch bie Stabt angeregt. 

ArBcitSnadjttieiSBttreaug unb 28artcräume für Scßauerfcute tu 
Hamburg. Einer ber fd)limmften Ucbclftättbe, bie ber §afenftrcif 
1896/97 im Hamburg für weitere «reife anfgebeeft hat, ift bie 
auch m ber SenatSenqucte lebhaft beflagte Art ber ArbeitSoermitte* 
Iung. Xaufenbe oon Schauerleutcn unb anberen Hafenarbeitern 
müffen jumeift auf offener Strafe ober in Riictf)Shäu|crn Sag für 
Xag warten, bis fie Arbeit erhalten. 3?ßt foll hier nad) beruhten 
aus Hamburg wcnigftenS einigermaßen Vknbel sunt Reiferen ge* 
fchaffen werben. Xer Verein Hamburger Rßeber unb ber herein 
ber Stauer oon H a mburg*Altona laffen brei Arbeitsnachweis* 
bureauj mit großen Aufenthaltsräumen für arbeitfucheube Sdjaucr* 
leute in oerfchtebeneit Elegcnben beS weitgeftreeften Hafens aufführen, 
3ur 3 e ü begegnet ber ArbeitSuad)weiS großem Mißtrauen bei ben 
Arbeitern, ba bie Arbeitgeber bie ^ctheiligung ber Arbeiter an ber 
Verwaltung ausfd;ließen unb ihre Vertreter nur in ber Vefcßwerbe* 
inftari 3 sulaffcit wollen (oergl. „Soziale ^rajiS" VIII Sp. 761), 
nicht einmal bie Statuten beS Arbeitsnachweises finb offiziell be* 
faunt gegeben. 


Eentralauftalt für AtB eitS* nnb SBohtitiitgSitcidjtoeiS iu 

1897/98. ^as ^armftäbter Arbeitsamt gehört bem Verbaube ber öffent* 
lidjeu Arbeitsoermittelungsflellen ber Rhein* unb Riatngegenb (oergl. 
Sahrg. VII 6p. 471) an, ber eine einbeitlidje Wefdjäftsftatifiif eingerid)'tet 
hat. Vom 1. April ab fenben bie Aadjmcwftcllen ju ^ranffurt a./R?., 
^armftabt, SRatitj, SBormS, Öießcu, iBicsbaben, Dffenbad) a./R?. unb 
bie VerpflegungSftationen gu ^riebberg, Vupbad), 6)roß=«arben je am 
Schluffe bes Atonats auf oorgefchricbenem Formulare bie ©efchäfts* 
ergebniffc an bas ftatiftifdjc Amt ber Stabt /vranffurt a./SW., biefeS 
fertigt eine guiammenfteUuug ber Ergebuiffe unb tf)cilt fie alsbalb ben 
Radiweifeftelleu mit. ^cr ^al)resberid)t ber Eentralanftalt für ArbeitS* 
nnb Viol)nungSnad)weis in Xarmftabt für bas 3 n hr 1897 nebft SRit» 
theilungcit über bie Sbätigfeit oom Januar bis §ult 1898 (Sarmftabt, 
$. E. kunje, 1898 ) tijeilt weiter mit, baß bie $rooinjia!bireftion ber 
^rooinj Starfenburg fid) mit bent Vorfchlage einoerftanben erflart hat, 
jiir Errichtung oon Arbeitsoennittelungsftellen bie Vürgcrmcifter ber 
Radibarorte Reinheim, Reidjclsheim, ^inbenfels, 3Balb* s lRid)elbad), 
Veerfclben, Erbadj, ÜRidielfiabt, Hödjft, (^roß*llmftabt, Vabenhaufen, 
Dieburg, langen, 6)roß*Eerau, Eerusheim, Vensheim, Heppenheim, 
Sürth anjuregen. £ie 2l)ätigfcit ber ®annftäbtcr Rachweifefteüe hat 
fid) oon 246 Vermittelungen im ^aßre 1898 auf 1860 im $al)re 1897 
gefteigert, barunter 117 Xienftboten. 9Bäl)renb bie 3 a hl ber Auge* 
bote bei ben gcwerblidjcn Arbeitern bie ber Rachfragen erheblich 
überfteigt, ift es in ber befouberen $icnftboteu*Abtl)eilung umgefehrt. 
VJit bem ArbeitSuadjwcis oerfehrten 110 Orte,. 149 betrug bie 3 a hl 
biefer Olefuche, 62 bie 3 a hl ber nach auswärts erfolgten Vermitte* 
Inngen. Xen V$ol)nungsuachweiS haben 107 eingefchriebene Ver* 
miether oon 2Sof)nungen unb Sd)laffteHen unb 288 Rtiether folcher 
Räume benupt. 

ArBcitSbermitielmt^ in Steicrmarf. X)ie ArbeitSoermittelung 
beS SanbeSoerbanbeS für SSohlthätigfeit in Steiermarf, über bie 
ber Referent Sßrofcffor Dr. Eruft Rtifchler in ber „ Statiftifchen 
ÜKonatSfchrift" (Söien, A. Halber, 1898) berichtet, oerbanft ihre 
Errichtung bem äußeren Anlaffe, baß biefer ßanbesoerbanb fein 
3iel, bie «oiuentration unb rationelle AuSgeftaltung ber Annen* 
pflege im £auoe, nur glaubte erreidjen 311 fönnen, wenn unter 
feinen Snftitutionen fich and) eine ArbeitSoermittelungSfteHe befinbe. 
Einmal $u Elraj am 5. 3uli 1897 begrünbet, hat fie fich 3 U einer 
für Stabt unb l?anb überhaupt h^oorragenb wichtigen fogialen 
3nftitutiou entwicfelt, beren Vebeutuug fich weit über ben Rahmen 
ber Annenpflege hinaus auf bas gefammte weite (Gebiet ber Arbeit 
fuchenben unb anbietenben Veoölferung erftreeft. Xie VenußuitgS* 

f iebühr beträgt für Arbeiter bei aweimonatlidher ©ültigfeit 10 «reu 3 er, 
ür Arbeitgeber jur einmaligen Venupung 20 «reu 3 er, für eine 
3 ehntnalige Venußung 1 ©ulben, für Venitßung währenb eines 
«alenbcrjahres 1 öulben 50 «reuser. Xie Ve 3 ahlung biefer ©e* 
bühc haben merfwürbiger SBeife nur bie Arbeitgeber öfters oer* 
weigert, nicht bie Arbeiter. Xiefen fann bie EJebüfjr u. A. ge* 
ftunbet ober nadjgefehcn werben. Xie «anslei ift oon 7 Uhr früh 
bis 7 Uhr AbenbS, Sonntags bis Mittag geöffnet. Xie Vüd)er 
für bie Aitmelbungen, bie suerft uadj bem Shifter ber beutfeßen 
Vermittelungsftellen eingefiihrt waren, finb als itnpraftifd) oer* 
worfen unb feit Rtai 1898 burch oerfchiebenfarbige Snbioibual* 
farteit erfeßt, bie in Fädjcrfäften aufbewahrt werben. EleUagt wirb, 
baß oornehmlid) bie Arbeitgeber fich nur iu ber VUubersahl 3 ur 
orbnungsntäßigen Erlebigung ber Arbeiter 3 uweifungsfarten oer* 
ftehen unb fo bie Vermittelung erfchweren. Xie Arbeitgeber be* 
theiligeu fid) überhaupt noch nicht genügettb. Filialen in anbereu 
Stabten unb Verbinbuugen mit ben RaturatoerpflegnugSftationen 
finb ins Auge gefaßt. Eine Veriicffidjtigung beS SanbeS (außer 
0 )ra 3 ) finbet in ber V?eifc bereits ftatt, baß Oie wer bearbeiten 
uitb namentlich länbliche X)ienfte unb Arbeiten in fleinen 
Stäbten unb auf ^aubgütern 3 ur Vermittelung gelangen, 
wobei Riicffenbung oon in Eiras haltlos geworbenen 
Arbeitfud)cnben mit materieller Uuterftüßung (Reife* 
fpefen 20 .) oor genommen wirb. X)ie fogenann tc Streif f laufei 
ift im Statut uorgcfeljen. Xie gefammte ^odjenfrequens ift oon 
1000 nicht mehr weit entfernt; bie XagcSfrequens war VtontagS 
am höd)ften unb betrug 146,7 Arbeiter unb 19 Arbeitgeber. Ver* 
mittelt würbe Arbeit oom 5. 3nli 1897 bis 5. Augnft 1898 für 
712^erfoncit (588 ÜRänner, 174 Frauen) bei .‘>97:> Arbeitsgefließen 
unb 1565 Arbeitsangeboten, für ein erftes Fahr ber Xl)ätigfeit 
fd)on ein red)t f;übfd)cr Anfang. 382 (39 >h ;, %) Rfäniter unb 48 
(24,24%) Frauen ftrebtcu einen Verufswed)fei im II. Semcfter 
1897 ein. Xie mämtlidjcu Arbeitfudjcnbeit batten im gleichen 3eit= 
raum 297, bie weiblidjcn 60 unoerforgte «inber. 1 bis 6 Vionate 
waren 151 Arbeitfnrf)cnbe arbeitslos, 2 bis 4 VJotheu 238, 17 Sage 
161, 1 bis 3 Xage 151. Xer Voraitfdilag ber ArbeiiSoermitteluug 
für baS Faljr 1898 balau^irt mit 129u Enilben. Xie Suboeiitiou 
bes fianbeSoerbaubeS beträgt baoou 1000 Elulbcn. Für bie Räume 
braucht fein Vfietßssins be^afjlt 311 werben. 










123 


124 


Sojiale $rajtS. CcntralBIatt für SojtalpoHtif. 9h. 5. 


ArfccliSiiodjwciö ttt ^rrbinhittg mit ben RafnrdticrpffeguugS* 
{Kationen in ber Sdjtucßy Tiefe Jragc bilbet bei ben frfituci^crifd;en 
SSerbänben für 9laturalnerpfleguncj immer nod) einen Strcitpunft, 
feitbem mipraftifctie SSerfudje wenig Cfrfolg gezeitigt haben. Dian 
fdjreibt uns bariiber: (Ein ^aupinbelftanb liegt barin, baß bie 
feitenben ^erfoiten bic Sadjc 311 wenig ootn lo^ialpolitifdien 
©efirfjtSpunfte auffaffeu unb überall nur in ber ^Solijci bas 
richtige Heilmittel erblirfeit. Weil bie s }?oli 3 ei bie Montvole an ben 
Ratiiraloerpflegimgäftationni beforgt, ift mau auf ben uugliitflidjeu 
(^ebanfen geratben, biefer ebenfalls bie Arbcitsoermittclung 31 t 
übertragen. Tie Jolge ift, baß bie Scheu bie Arbeitgeber hinbert, 
Arbeiteroafangen an^umeiben ober bei ber ^oligci' Arbeiter 311 
fuchen. Ta^u fonnnt noch ein unpraftifdjes Umfdjauüerbot. 
ilein Witttber, roenn ber Apparat fdjled)t funftiomrt. 

2$or Sturmem hat nun in eine 23c[pred)iiug gmiidjen Tc* 
legirteit beS 2>orftanbeS beS internationalen 2>erbattbes unb ber 
Haubwerfer* unb OJcroerbeoeretite ftattgefunbcu, wobei mau fid) 
allgemein bahitt auSfprach, baß baS Umfchauocrboi, fo lauge 
ein 9tfd)t auf Arbeit nicht gemährt fei, fid) nicht aufred)thalten 
laffe, baß im llebrigeit aber eine 2>erbiubuitg beS Arbeilsuadj* 
meifeS mit ben 9?aturaloerpflegungs)latioueu 31 t mtiufdieu fei. Tie 
SSermittelungSftellen ber Hauptorte hatten fief) mit äl;ulid)eu Stellen 
ber 9?ad)barorte in Serbinbting 311 fcßeit unb allroödjentlid) ein 
Bulletin auSgugehen. Sine .Hotnmiffiou füll nun 2 >orfd)läge für 
eine entfpredjcnoe ßrganifation auSarbeiteu. 


ffloljnuns^wefeii. 

3ur Reform ber öauorbtmngctt. Jnt Siönigreid) 2ad) feit 
ift bie Reform ber Sauorbnungeit befanntlid) fdjoit feit längerer 
3ett im Jluffe, toettn fte and) auf große Wibeijtänbe flößt. Rcucr* 
bingS hat nun baS s Dtiiiifterium beS Ämtern ben (Entwurf einer 
Aorntalbauorbitung ausgearbeitet, wcldjc bett moberuen Reform* 
anfprtid)eit weitgehenb entfprid)t. Wir hoffen in einiger Jeit aus* 
fiihrlidjcr barauf gurüefgufommen. — Ju Halle a. 8 . ift im Juli 
eine ^onenbauorbnung crlaffcn worben, meld;e oier Jonen unb 
gientlich ftarfc 33aubefd)ränfungen oorfiefjt. — Jiir ben größten 
Theil (EharlotteuburgS, für Schöneberg unb bie innerhalb ber 
Ringbahn gelegenen Thcile ber meiften ober aller berliner Sor* 
orte ift im Augujt eine neue 23auorbmtug in .straft getreten, bie 
faft aan 3 ben Scftimmungen entfprid)t, me'ldje bie neue 23auorbnuttg 
für bie Stabt Serliu für bie äußeren Stabttl;eilc enthält. 9iur 
ber 3 ur Bebauung ^ugclaffeite Tf)cil ber ©runbfläihen ift nod) 
etwas mehr befcfjränft worben. 

Srheiterwohnungen in ber $rooing Hannover. Tic Jnoa? 
libitätSoerfidjeruugSanftalt Hannooer hat fid) auf Anregung ihres 
VeiterS, beS VanbeSralh Dr. Viebrcd)t, befonbere Serbienftc um bie 
Sefferung ber WohnuugSuerljältuiffc ber Arbeiter erworben. Tas 
geht mieberuut ans ihrem Jahresberichte für 1897 heroor. (Es 
finb in biefent Jahre 311 ben alten Serbinbungeu jmei neue ljin 3 u* 
getreten, nämlich mit beut genteinnüpigeu Snuuerein in Dsnabriicf 
((>3efeüfd)aft mit befd)rän!ter Haftung) unb bem gemeimuißigcu 
Sauocrein in Vehrte (Oienoffenfdjaft mit bcfdjiänft'er Haftpflicht). 
(Erfterer Serein ift bereits 1891 gegrüubet, trat aber an bie Vanbes* 
oerficheruugsanftaü erft h^ran, ’ als fein eigenes Kapital — etwa 
100 000 c it Stammeiulagc ber (Mefellfdjafter — in OH’iinbftücfeu 
feftgclegt war. Ter Ssnabritrfer herein madjt fid) bie Hcrridjtung 
oon (SrwerbSl)änfern, unb 3 war 0011 (Eiufamilieuhäufern mit Hans* 
unb Vorgärten gur Aufgabe. Tie feljr giiuftige ^eurtheilnug ber 
CSuabnufer 2>ereinSbauteit feitenS beS ’ bautediuifdien Referenten 
ber 2 >erfid)eruugsauitalt, wie and) bie oortheilljafte finanzielle 
Situation bes Vereins ließen eine Beleihung bis 311 7.7 0 . H. ber 
Tare bitrdjaus unbebcntlid) crfrfjeiucu: ber herein bat auf 2 :; ^ar* 
Zellen erstmalig ein Tarldjen oon 77 loo , // erhalten. — 23et 
beut Vehrter geuicinniitjigen 23aitoereiu haubelt cS fid) um eine im 
April 1897 auf betreiben beS Affiftentcn bes (SJcwcrbeinfpcftors 
Dr. 'ibJansfelb unter fpe.^iellcr tbiitwirfung ber 2>erfid)ernugsauftalt 
ins Vebeu gerufene Olenoffenfdjaft mit befdjvänfter Haftpflidjt. Tie 
Aothweubigfeit ber (Slrütibung ergab fid) aus bem gefteigerten 
Tvabrifbctriebe unb aus einer bcmentfpredjeub inteufioeu Juuabnic 
ber werfthätigen 23eoölferung biefes CrteS. Tanf ber Wohlwollen* 
ben Stellungnahme ber bortigeu größeren '-betriebe, bereu Veiter 
neben ber 2>crfid)erungSauftait Hannooer als Wen offen beitratcu, 
erhielt bie Menoffeufdiaft burd) ^olleiujahluug mehrerer 0 )cfd)äfts= 
autheile ein oerfiigbareS Mapital oon mehr als 10 00t),// als 
Öruublage. (Ein Jabrifbetrieb gab bem Verein attnähernb biefelbc 
Summe ohne h 9 l>othefnrifd)e Sidjerljeit 311 o ] j 2 o. H- Jinfeit gegen 


1 Hanbfthein. Ter herein hat baS gentifdjte Spftem angenommen, 
I b. h. es werben für bie ortsanfäffigeit, in baueruber Vohufteüung 
| befinblid)eu Dcitglieber Gnoerbshäu|er — Jwcifamilicuhäufer — 
| errichtet, mährcitb bie unftäubigeu ober 3 uut s ^ar 3 ellenerwerb über* 
1 haupt nicht geneigten ÜJiitglicber SSohuungen in ben bauerub Vereins* 
! eigeuthmn bleibenben RiiethSboppelhäufern für je oier ‘gamilien 
1 erhalten. Jut Sommer 1897 finb 11 (Erwerbsl)äufer itt^ Angriff 
! genommen unb 311 m 1 April 1898 fertiggeftellt: barauf finb bem 
I herein 2)2 000,// oorgeftreeft. Heber bie Qualität ber Häuf er in 
| Vehrte finb 23el)örben unb 23etf)eüigte bes VobeS 00 H. Tie (^röße 
j ber s ^ar 3 clle beträgt in Vehrte burd)fd)nittlid) 300 qm, enthält alfo 
' nod) einen befd)eibeiten Hausgarten; außerhalb ber Stabt werben 
| bic s }>ar 3 clleu fogar 500 qm umfaffeu. — Jut llebrigeit hat bie 
23erfid)erungsauftalt Hannooer 1897 an Tarleheit 311 m 2?au oon 
’ Arbeiterwohnungen hergegeben 307 500«///. müttbelficher tut 79 93er* 

: fidierte unb lüuOOO,// an bie 2traßenbahngefellfd)aft 3 U Han* 
uooer; ferner über bie Rfünbeliicherheit hinaus 3000 , //. att einen 
! 2>erfid)crten, 90 000 J<. an beit gcmeiuuüßigen 93auoerein in 
] Hameln, (U 250 r t( au ben 23auoerein Hcimjtätte in Soltau, 

1 17 000 J an ben Spar* unb 23atioerein in (Böttingen, 10 000,7/ 
an bie gemein niijjige 23 äugen offen fdjaft in Dfterobe, 98 500 c // an 
I bic Spar* uitb 2?angefellfd)aft in 233ilhelmshaoeit, 48 200, //. an 
beit Spar* unb 23auoereiit in (Edle, 7800 , # ait bie 5Baugeitoffen* 
fd)aft in Vel)e, 27 900,//. att bic 23augenoffenfd)aft in Mleefelb, 
109 5t)0 !(. ait ben Spar* unb 23auocreiit itt 23luutenthal, 

1 57 000 , //. au beit Spar* ltttb 23auoerein itt 2L'iiIfel unb 3000 . u 
! att bie Herberge jnr .v)eiiitath in Hanteln. Jm (33anzeit finb bis 
jeßt 1 331 767 c// an 301 2>crfidherte unb 4 368 235 c// att We* 

I uoifeufd)aften :c. geliehen worben. 

Tte ArbciterWohnnngSfrage in Nürnberg. Ter Ardhiteft 
. (E\ Hed)t itt Nürnberg, Rlitglieb bes bortigen (SemeinbefollegiitmS, 
j unterzieht bie bauliche (Eittwicflung Nürnbergs einer eittgel)enben 
l 23etrad)tuitg unter befottberer 23erüiffid)tiguttg ber Arbeiterwoh s 
1 iuittgsfrage2 i: ) Tie Schrift, aus ber ebeitfooiel techni|d)eS 55er* 

, ftänbniß wie warmes Jute reffe für bie fo 3 iaIpolitifd)e 2Bid)tigfeit 
■ ber Wohnungsfrage fprid)t, gelangt 3 U folgeitben 3 ufammenfaffenbeit 
j Veitfäßen: 

! 1. Tic ftnrfe 9 ?coölferiings 3 unahnte Nürnbergs läßt eine rajdic 

I 2 ^'bamutg ber ctu^uuerleibnibrii Vororte gewärtigen, ttameutlid) in beit 
(Gebieten, weldic mit beit 23ahnliö[en in 23crbiubung ftchnt. 

| 2 . lic überwiegeube Itelnzahl bes 23coölfcnutgs3uwachfeS befielt 

| aus Arbeitern, unb cs muß fid) bemuad) bic 23cid)affung neuer Woh 5 
! mittgeu in crficr Vinic in einer entfpred)enbcn 23cnnel)'ruitg oon Ar* 
bciterwohmnigeii bewegen. 

3. Arbeiterwohmuigen, wie fie bisher als Aitcthsfaferiten gebaut 
würben, finb ein 2 J erbcrben für bic 2 ?CLiölferuitg fowoßl tn fojialer als 
gefmibbeitlidjer Hinfidjt unb jwar wegen ber hierbei auftretenbeit 31 t 
großen Tid)tigfeit ber Gewöhnung unb beS ausgebreiteten Schläfer* 
iittwefeus. 

4 . A?it poli3ciltd)en A? aß re ge ln aßctit fönnett bic gcfchübertcn 
Sdiäbett uid)t abgewenbet werben, wenn and) burd) eine befonbere ®au* 
orbuitug für unfere Stabt unb ortspolijeilidic 2 ?orfd)riften manche 93 er= 
befferuug angebahnt werben faini. 

.7. lie HerfteHitug oon Arbeiterwohmuigen muß fooiet als tttöglid) 
ber ^aiifpefulation entzogen werben, fie ift burd) eilte 311 biefent Jwerfe 
beionbers 31 t griiitbenbe c^eiellfdiaft 31 t bethätigeu, für welche größt* 
ntöglidjftes (iittgcgenfomtnen unb Untcrftüßung burd) bic Stabt intb ben 
Staat awyiftrcbcn ift. 

cj. Sic 31t erbauenben Avbeiterwol)iiuitgen finb ttad) bret Aid)* 
tmigen an?3ugcftalten: a) Oimüunilienbäuiev für feßhafte Arbeiter mit 
ber Aiöglidifcit, elftere zunt freien Oigenthum 311 erwerben, b) ^atniUert* 
mietbsbäufer mit bödiftens oier Tvnmtltcn für ein Haus, c) Arbeiter* 
heintc für Icbigc Arbeiter 1111b Arbeiterinnen nadj (vJefdilecbtent gefonbert. 
J11 ben AaiidiicnWohnungen ift Afteruticthe int Allgemeinen 311 oer* 
bieten 1111b nur unter bejoubcreii 23 ebiiigitngeii feitens ber ©cjellfdjaft 
311 geiidnuigni. 

7 . Our 23 erbeffenmg ber 2 s 3 ohmings= unb 23 ebaitungsocrhältniffe 
in beu neuen Stabttheilcn, fowic 3111' lliiterftübung ber in oorfteheuben 
Säßen augebeiiteteu 2'cfircbmigeii ift es erforbcrlidj, baß junärfift eine 
Umarbeitung ber ortspoliy'ilidieit 'Ooridiriftcn über offenes 23 auft)ftem 
uorgenommeu, ytgleidi aber beim Staatsiniiiifterium bes Jiiticrii bie 
lyrlaubiiiß erwirft werbe, für Aiimberg eine befonbere 2 ?anoTbnung 
evlaifnt 311 bürten, welche beit riuheimifdicu Aebürfuiffen Aed)itung trägt. 

^ereilt „Arbciterhcim" in ©ielefclb. Auf ber (^eneralocrfammlitug 
bieies unter bem i'roteftorat ber .staifcriti üehenben "Vereins fpradj ber 
betanute Stuttgarter Aabvifant 'ß. 2 ediler über „nationale 2 ' 3 ohunngS* 
t'iirforge", bie er als Einleitung für feilte Wohnitngsrcfonn betraditet. 
2t?oluiimqsfoimiiiffionen, bie aus 23 ertreteni ber Regierungen, Sedjnifcnt, 
Uutevuetmieni unb Arbeitern beiieheu, folfen eine auregenbe, heratljcnbe, 
fontrolircnbe Idjeitigleit eittfalteit. Jebe bisher befteheubc fiirforglidie 

0 Aiimberg l8bR Willi, ^niiimels 23udj* unb Muiiftbrurferet. 



125 


Sojiale sprajis. Eentralblatt für ©ojialpolttil. 9h. 5. 


126 


Dpätigfeit auf beut (Gebiet ber SBohnuitgöfrage (Bauoercittc u. f. w.), 
fornie Bobenrcforntbeftrebuitgcn u. f. w. blieben unberührt. Die ge* 
fammien mit ber 3eit gefammelten reichen Erfahrungen ber „BSopttuttgS* 
fontmiffioneu" liefen in eine $Reicpb*EentraIftene sufammen unb würben 
bort geprüft unb oerwertpet. Die llnfoften beb ganzen Hpparatb würben 
jährlich mit ein paar lOOOOO M burep bab 9tcid) gebeeft. Htt ber 
Dibfuffion beb Bortrageb beteiligten fiep 2anbebratp Dr. 2iebred)t s 
£)amtooer, Lic. 53ebcr=Üi. ©labbach uttb P. non Bobelfcpwingp. Eb 
würbe einftimmig befrfjloffen, bie 2edjler’fd)e gbee burep bett Borftanb 
beb Eo. Hrbeiteroereinb, beb beutfepeu Bcreins „Arbeiterheim" u. f. w. 
bem 9leid)btag wie bem Bunbcbratp 311 unterbreiten. — P. non Bobei* 
fchwingh ($rafeb beb Bcrciitb „Arbeiterheim") benotete über bie Hr* 
beiten beb Vereins. 3 U ben Erfolgen gehöre auch bie llebernahme 
eineb Dpeilb ber Käufer ber Bcrjudjbftation „Hrbeiterpeim" burch bie 
SRentenbanf. Die Vorteile eineb folcpen Untemehmenb feien immetfjin 
[ehr beadjteitbwertp. Dbcr = gnfpeftor lieber (Vertreter beb Berefttb 
„Hrbeiterpcitn") gab einige ftatiftifepe Zotigen, aub betten 3 . B. bie 
Dpatfadje peroorgept, bafe unter ben £>auptftäbteu Berlin, SRew^orf, 
Barib, Öonbott ber Eruttb unb Boben baulich am nteiften in Berlin 
aubgewuepert werbe unb pro $eftar ebenfatlb mit ber jpötfjftsapl ber 
Einwohner (3175,a) befept fei. teilte UUttpeilungeu aub bett Steife* 
berichten, „Eättge burch Jammer unb 9iotp," liefen einen tiefen Blid 
in bab SBohnungbelenb tpun, bab, wie er erflärtc, Unjufriebenheit unb 
Baterlanbblofigfeit zeitigen muffe. 


gUetotifdie SUgetyn. 

ga Pr buch für bie beutfepe grauen weit. .£>eraubgegehen non Eilt) 
Saul unb .frilbegarb Dbrift=geuidc, VIII 258 Seiten. (Biit 

5 Bilbniffctt.) Ecb. 8 Bfarf. Stuttgart, Verlag non E reiner 

6 Bfeiffer. 

Ein Such, bab mit OHiicf ben 3n>ed oerfolgt, bab Berftänbitip 
für bie moberne graueiibewegung in weitere, heute ihr nodj fern* 
ftehenbe Greife 31 t tragen. Die ^tuffä^e finb fämmtlicp uott grauenhattb; 
mir begegnen unter ihnen and) Hrtifelit über bie Hufgabe ber SDiäbdjen* 
ggntnafien oon Dr. Äätpe SBittbfcfjeib, über bie grau im fmnbelbfacpc 
non Biimta Eauer, oom mebistttifeben Stubium ber grau oon Dr. Hgttcb 
•Öader, über bie Dpätigfeit ber grau iu ber Eeinciitbe oon Statalie 
Siiimelin, über weibliche gabrifinfpeftoreit oon geanette Schwerin u.H. nt. 
Eemerbc=Drbitung für bab Deutfdje 9tcid). .£>attbaubgabc mit 
Erläuterungen oon Slubolf Schreiber, fgl. baper. 0bcr*9tcgierungb= 
rath- 2 . neu bearbeitete Huflage. Biündjen, E. £>. Bed’fdjc 
SSerlagbbudihanblung 1898. 

Eine fehr bequeme, panblicpe Hubgabe, bie burd) gcfdndte Hnorb* 
nuttg beb Stoffeb, tfiirse unb Bräsiftoit ber Erläuterungen unb foübe 
Hubftattung fiep aufb Beftc für ben praftifdjen Eebraudj empfiehlt unb 
gerabe wegen biefer Bor 3 Ügc aud) neben ben utufaugreidjeu kommen* 
taren beb Eefepeb weite Berbreitung oerbient. Betgegebett ftnb bie 
BoHsugboorfdjriften für bab 9tctd) unb kapern. Ein gettaueb Sach* 
regiftcr erleichtert bett Eebraucp. 

Beridjt über bie Eemeinbc*B erwaltuitg ber Stabt Berlin in 
ben gapren 1889 bib 1895. Büt Hbbübungeu, harten unb 
glätten. 1. Dheil. Berlin, Earl .ftepmannb Verlag 1898. 

Der in oonteptnem Ecwanbc crfd)ciucnbc, ftattlidje Battb enthält 
eine giille intereffanter Biitthcilungcu unb Söericfjte über bie Etttwicfe* 
lung Berliitb in ber erften Jmlfte ber 9ü er gapre. Die Eittoerleibungb* 
frage, bie Berbefferuug ber Strapensiige, bie 'Beförberuugbmittel, bie 
baulidje Entwirfclung, ber 58au unb Unhalt ber Strogen, ihre Steini* 
gung uttb Beleuchtung, bie 9J?üüoerbremtuttg, bie ftäbtifdien Gaffer werfe, 
bie Entwäjferung, bie SBafferläufe, Brüden uttb $>afeuanlagen, bie 
öffentlichen ^larfb unb Baumaulagen — matt braudjt nur biefe Äapitel* 
iiberfdjriften ju nennen, um einen Begriff oott ber Sieicbhaltigfeit beb 
Eebotetteu 3 U geben, giir ben Sosialpolitifer finb bie Hbfdjuittc über 
bab föachbthum ber Beoölferung unb bie Befriebiguttg ihrer B$ohn* 
bebürfniffe, fowic über bie ScOcnbmittelucrforguug oou befouberem 
Berthe. ;. 

Schmibberger, Heinrich, ^ireftor ber §anbelbfchulc für Sftäbdjcu 
in granffurt a./9Jf. 2 )ie ^attbelbfchule für Biäbdjen mit aflge* 
meinen Eefidjtbpunftcn über ^anbeU“fd)uleu überhaupt uttb bie 
Hubbilbung ber £ehrer ber .^anbeUwiffcnfdiaften. Bortrag ge* 
halten in ber granffurter Hllgemeinctt ^chrcr=Beriammlung. 
granffurt a./9R. 1898, in ttommifjton bei g. %. Sauerlänber’b 
Berlag. 26 S. 


S)ie gleichseitig hi^nnit aubgegebene 9?r. 2 ber 9Ronatbfd)rift 

©fwerbegeri^t" enthält: 

Hufforberuttg an bic Berbaitbbtnitglieber. — ®ie ^rajib beb 
Stettiner t^ewerbegerichtb, neralichen mit ber $rayib beb (bewerbe* 
gerid)t£. SSon 9l?agiftratbaffeffor Saubiinger in Stettin. — Skr* 
faffung unb Verfahren: Monferetts ber Hrbeiterbeifiher ber 
pfälsifchen E)ewcrbegerid)te. Bon Emil ©erifd), grranfenthal. — 
Berbanbb*Hngelegeitheitett: Die Befpredjititg ber (bewerbe* 


Sd)rifteti beb beutfd^en Bercinb für Hrtnenpflegc unbSKohl = 
tl)ätigfeit. §eft 35—39. Veip 3 ig, Dttttder & £>utubIot. 

Die fürslich erfdjiettenen neuen §cfte behanbelti fämmtliche Eegen* 
ftänbe, bie auf bem Enbe September biefeb gahrcö iu Nürnberg abge* 
balteneit Dage sur Berhanbluttg gefomtnen finb. Die rafdje Beröffeitt* 
lichuttg' biefer Steferate ift mit befottberem Dattf 3 U begrüben, um fo mehr 
alb bic Berichterftattuug in ben 3eitungen nur ein biirftigeb Bilb oon 
ben widrigen Borträgen gegeben h«t. Die .f>efte betreffen: 1 . bab aub* 
länbifdje Hrmcuwcfcu, Dr. E. Bfuertfterberg; 2 . gmangbtnagregelu 
gegen uährpflichtige Hngehörige, Bcrid)terftatter Dr. E. ^irfchbcrg, 
gaffte in, Dr. E. Sftuen ft erb erg; 8 . $i'tlfe in auherorbentlid^ett 9toth s 
ftäitben, Dr. C. Baer (Hothftanb 1897 tnt Stiefengebirge) unb E. galch; 
4. bie wechfelfeitige Untcrftübung oon Steichbangehöriaen in ben ein* 
Seilten Bunbebftaäten, 33. gleifchntantt unb Dr. . ( p. Bulattb; 5. gu* 
^udjtbftätten für weibliche ^crfoitett, Bcrichterftatter E. Hberb; Ejriftetts* 
minimum in ber Hrmettpflege, Referent Dr. Schmibt unb Euno. 

SBiebfelbt, Dr. 0tto. Statiftifche Stubien jur Eutwidelungbgefchiihtf 
ber Berliner gnbuftrie oou 1720 bib 1890. ^cipgig, Berlag oon 
Dunder & ^umblot, 1898. 411 S. (Staatb* unb fosialwiffeu* 
fdjaftliche gorfchungen, hcraubgeg. 0 . Euft. Schntollcr, Bb. XVI, 
§cjt 2 .) - 

Der frühere wiffenfdjaftlidte £>ülfbarbeiter beb ftatiftifd^en Hmtei? 
ber Stabt Berlin unb jepige Sefretär eitteb Berbanbcb Ianwirthfchaft* 
üdjer Eeuoffenfdjaftcn hot auf Httrcgung oon ^rofeffor Schntollcr eb 
unternommen, bie gefammte oielgeftaltige gnbuftrie Bcrlinb mit ihren 
Bcrsmeigungen burch 200 gahrc" hiitburch 3 u oerfolgen unb biefe ge* 
toerbeftaiiftifdten Ergebttiffe su beut Berfud) einer tiationalöfonomifchcn 
unb fosialpoiitifchen Entwidlungbgcfchidjte aubsuttupen. Er glaubt 
fünf ^erioben unterfdheibett 31 t fönnen, für bie er alb Ercnsjapre 1765, 
1816, 1846 unb 1861 wählt. Befottbere Sorgfalt ift auf bie gewerblidte 
Eutwidclung Berlinb ittt XVIII. gahrpunbert gelegt. Der Ber* 
faffer fuept iiberafl auf 3 ubedett, wie weit bic preupifd)*beutfche ^attbelb* 
poütif bie Urfacpe ber gewerblichen Enttoideluttg gewefen ober fie unter* 
ftiipt pot. Drop ber reicplidjeit giiUe gewerbcftatiftifcher Hrbeiten ift 
eine folcpe sufammettfaffettbe DarfteUung eine fcltcnc, fepr banfenbwerthe 
Erfcpeinung, ber nur Hacpfolge 311 wüitfcpen ift. 

gulb, Dr. öubwig. Dab Biiethrecpt nadj bem Bürgerlichen Ecfepbudj 
für bab Deutfcpe Beicp. Spftcmatifd) bargefteüt. Öeipsig 1898, 
Dunder & £mtnblot. 283 S. 

Ein nüplicper Batpgeber für Bfietper unb Bermiethcr! Dab 
Bürgerlidje Eefcpbud) bringt in feinem Btietprcdjt fo tief eitifd)ticibeubc, 
für bic Eefamnttbeoölferung poepwieptige Beftimmungen, bap gebermann 
fleh flar tnaepen mttp, wab oom 1. ganuar 1900 an auf biefem Eebiet 
9tecptcub im Deutjcpett Beicpe ift. Der Berfaffer hat feine Hitfgabe, 
aud) bem öaiett bab 9tecpt flar unb beutlicp 3 U machen, in gliicflicper 
23ctfc gelöft. 

gaprbudj für Eefepgebung, Berwaltung unb Bolfbwirtpfdjaft 
int Deutfcpen 91 ei cp. 22 . gaprgang. Ocraubgegeben oou 
Enftao Scptnoller. 4. §eft. 2 eip 3 ig 1898, Dunder & -bumblot. 
378 S. 

Hncp biefeb ^>eft rechtfertigt burdj feinen reichen unb intereffaitten 
gupalt ben alten 9luf, ben biefe peroorragenbe Boöütotion beftpt. 
St. 0 . Stengel führt feine im oorigen §eft befcploffcne Hbpanblung über 
„Staatenbnnb uttb Bunbebftaat" 3 U Ettbe. 2. 0 . Bortfetoitfd) Bespricht 
in einem „Die Erensnupentpeorie alb Erunblage einer ultra*liberaleit 
SSirtpfchaftbpolitif" betitelten Huffap ben Cours d’Economie politique oon 
B. Boreto in 2aufanue. Hub bem 9iacplaffe beb greiperrn 0 . Steipeuftcin 
bringt E. BJuenfterberg „Beiträge sur Eefcpicpte unb Dpeorie beb Hmiett* 
toefenb" unb swar sunäepft aub bem Hrntenwefen ber Scpwcis. 
g. Wartung pat eilten Hrtifcl über bic birefteit Steuern unb bie Ber* 
mögenbcntmtdlung in Hugbburg oon ber Biitte beb 16. bib 311 m 
18. gahrpunbert beigefteuert. 9tcgierungbratp l»r. H. 2op erörtert bic 
ttoften ber Bolfbfdjule in Breufjett uttb 0. Olcrlattb beleudjtet in be* 
merfeubwertper 33eife „Die Biängel ber ^olisei". „Bolf^wirthfcpaft 
unb 9teditborbmmg" ift bab Dpenta, bab £>cnrt) E. Hbatttb fiep sur Er* 
Öffnung ber gapreboerfammluttg 1896/97 ber American Economie 
Association gewählt pat; E. 0 . £>alle pat bie trcfflidic lleberfeputtg für 
bab gaprbud) beforgt. Eine fepr aftueüe Hbpanblung ift bie oou 
St. .^elffcridj über bic Erneuerung beb beutfdjcn Banfgefepeb. — 2tie* 
rarifdjc Hnseigen maepen ben Befcplup beb ftattlicpen 5>cfteb. 
Dfd)icrfd)fi), Dr. S. Oielb unb 33äprnttg (33iffenfcpaftliche Bolfb* 
lubltotpcf. Hr. 65—66). 2eipsig, Siegbert Scpmtrpfeü. 101 S. 
Breib 40 3f. 


| gerieptboorfipenben unb Beifiper 3 U Nürnberg: Beitrittberflärnngen. 

— 9 ted)tfprecpung: Blittpeilungen aub ben Entfcpcibungett ber 
I Eewerbegericpte Berlin, Dorhnunb, Hamburg, granffurt a. 9 .K'., 

I min, Montgbberg i. $r v sweier Eemerbegericpte iu Sübbeutfdjlaub 
I unb ber 2 anbgericpte Berlin, Dortmunb. — Hllg ent eineb über 
j ©emerbegeriepte unb Hrbeitboertrag: Arbeitgeber unb 
I Hrbeiter bei ben ©ewerbegeruptbrnahlen. — Einiguiigöämter: 
i Dab ®ewerbegerid)t granffurt a. Ui. alb Einigitugbamt iu einem 

Uiaurerftreif. - gnfialtbaugabe ber „Sosialen B^'orib". 


Scrantiuortlid) für bic jHcbaftion: Dr. Grnft graitcTc in öcrlin W., nvcntficvmafjc 





127 ©ojictle $ra£i8. Sentralblatt für ©ojialpolitif. 9h. 5. 128 

©fe »$ 0 |taU erfcfteint an jebem ©onnerötag unb ift burd) alle Sudiftanblungen unb ^oftäii'ter (^oitaeitungÄnummet 6729) $u Besiegen, ©et fßrcio 

füt ba$ SBierteljahr ift 9JJ. 2,. r >0. 3ftbe Kummer foftet 30 $f. ® cr ÄnaeigenpreiS ift 60 $f. für bie breigefpaliene ^etitjeile. 


Einbanddecken 

zu 

Jahrgang VII der Sozialen Praxis 

(in brauner ftaMleinwand und in der Art der Deelen xn den Yorbenrehenden Jahrgängen) 
sind zum Preise von l Mark 50 Pfennig baar durch jede 
Sortimentsbuchhandlung zu beziehen. 


Heuer Hering wn fundier & $jumbiut in Jetzig. 


^foefdjuttgen, Sioatö« unb fociaimiffenf^afili^ XVI, 2: 

Sßiebfelbt, Otto, ©tatiftifdie ©tubien 3uc @ntnncfelung§gefdf)tdjte 
ber berliner Qnbuftrie Don 1720 bt§ 1890. 5ßret§ 9 EÄ. 60 *ßf. 

£$ulb, Sttbtotg, ®a§ EKietred)t nadO bem SBiirgerltdEjen ©efe&bud) 
für ba§ 3)eutfd)e 9fiei<f). ©gftematifdj bargefteflt. »rei§ gebunbett 
in fietmoanb 5 SRF. 40 ißf. 

©demolier, ©uftfti», Untriffc unb Unterfucfjungen gut SSerfaffungS», 
3JerroaItung§s unb 2SMrt[cf)aft§gef<f)tcf)te befonberü be§ Sßteu&ifdjm 
©taate§ im 17. unb 18. Saf|rf)unbert. ißrci§ 13 EK., gebunbcn 
in Seinmanb 14 EK. 60 »f. 

Soeben erschienen: 

Die Staatensuccesion. 

Völkerrechtliche und staatsrechtliche Praxis im XIX. Jahrhundert. 

Von 

Max Huber. 

Gr. 8». (XXII, 319 S.) 1898. Preis 7 Mk. 20 Pf. 


Durch jede Sortimentsbuchhandlung zu beziehen: 

Die Schwindsucht im Lichte der Statistik und Sozialpolitik, 

mit besonderer Berücksichtigung der staatlichen und privaten Versicherung. 

Voii 

Ihr. Wilhelm Kley. 

- 1898. Preis 2 Mk. 40 Pf. - 

Handbuch für Prenssische Sparkassen. 

Gesetze und Verordnungen mit Berücksichtigung der Rechtsprechung 

herausgegeben von 

H. Kappelmann, 

S t a d t r a t. 

- 1898. Preis geb. 3 Mk. 60 Pf.- 


Scraniiuortlidj für bic “Itijcigcn: OcDmntl) ©ctbel, fietp 3 tg. — »erlag dou Sünder & £uuibIot, i'ctwtg. — ©ebiucft bei 3uliuS ©Uienfeltx, öerlln. 


Gustav Fischer, Ver lag in Jena. 


Soeben erschien: 

Festgabe für Johannes Conrad 

zur 

Feier des 25jährigen Bestehens des staats¬ 
wissenschaftlichen Seminars zu Halle a. S. 
in Dankbarkeit und Verehrung überreicht 
von ehemaligen Mitgliedern des Seminars. 

Herausgegeben von 

U. Paasehe. 

—-- Preis: 9 Mark.- 

Hiervon einzeln za haben: 
van de» Borght, Die soziale Bedeutung der Ar¬ 
beiterversicherung. Preis 2 Mark. 

DletnL, Ueber das Verhältnis von Wert und Preis im 
ökonomischen System von Karl Marx. Preis 1 M. 
Kahler, Die Entwiekelung des staatawissenschaft- 
liohen Unterriohts an der Universität Halle. 

Preis 1 Mark 60 Pf. 

Stieger, Zur landwirtschaftlichen Arbeiterfrage. 

Preis 1 Mark 60 Pf. 
Wirmlnghaas, Die nationalökonomische Wissen¬ 
schaft und der deutaehe Kaufmannstand. 

Preis 1 Mark. 


Verlag von Siemenroth & Troschel 

Berlin W. 

Geschichte u. Statistik 

der 

freien Arztwahl 

io Befliß. 

Von 

W. Astor. 


Preis 3 Mark. 















VIH. |ö|;tgflng. 


©crlin, ben 10. 9?ouember 1898. 


Hummer 6. 


Soziale prayte. 

{SfenftrafMaff für ^ogiafpofifiß 

mit 5er HRonatSbeilage: 

Pas (Bewerbcgevtcht. 

©rgan öes Derbanöes beutfdjcc (Betüerbegeridjte. 

Picitc golge 5er „glatter für fogiale ^rajtS // unb 5cS „Sogialpolitifdjcn GentralblnttS*. 

CrMeint an iefeem Sonnrrfiag. ^>ecauSgcBer: frei* ttierteüMelM 2 «♦ 50 Bf. 

Nebaftion: Berlin W., Sabveutherftraße 29. Df* ® fit fl «ffftttdte* Verlag boit ©)untfer & Humblot, Ceipgtg. 


3 tit)alh 


9Ubeltetfc$uß unb^eimntbeit II. 
Bon Dr. (Jugen Scbroieblanb, 

Bxiöotboaent, Höien.129 

©ie «tIterfi- unb SnbalibitütS* 
uerflc$eninß in ben «Riebet* 
Ianben. Bon Dr.3-H.oan3anten, 
fcmfterbam.135 

Vlgetttriitf «ojial* >nb 
|O0litlf.137 

(*inbämmungämafcregeln gegen bie 
■ foftialbemofratiMe £oc$flut(j. 
(Sngltfcbe tfluffoffung bon SlrbeitS* 

. lampfcn. 

Uebetgong bcr Bergpoltaet im Beaitf 
eine« fehle fifaen Bttoatbergwerfregalß 
an ben Staat. 

WrbeitSfamutern in HlmfteTbam. 

ftanmnafc Coata!**Iftt! .... 139 
HRonopole in Sonbon, SEBien unb 
Berlin. 

©emeinblieheBeflßöttftiiberuiigSabgabe 
in Bauern. 

StöbtifcbeS iußfunftSburcau in (So» 
bürg. 

Stäbtifche HRiSceHen. 

•oktale Bufft**« ;.141 

©ie (SinfommenSbert^eilung 
in$amburg. Bon Dr. (S.Biiugft* 
born, Hamburg. 

gönnen unb Begriff bet £au6inbuftrie. 
©er beutfcbe ftrbeitSmarft im Dltober. 
Arbeitslöhne in BritiM*3nbien. 

tfrbcUcrbetoeottnfl.145 

Bon ber Bergarbeiterbewegung. 
Streifs in ©eutfcblanb wäbrenb beS 
OftoberS. 

Aus ber fatljoliMen Arbeiterbewegung 
in ©eutfcblanb. 

Bewegung unter ben ÄonfeltionS» 
arbeitern. 

ein BöeferauSftanb in Berlin. 
Bauarbeiterfongrefj in Berlin. 


ßweiter beutfdjer SeemannSfongrefe. 

Beilegung beS BäcferftreifS in Jlopen* 
bogen. 

ttrbelterMu*.148 

(Erhebung über bie Befdjnftigung ber* 
beiratbcter grauen in gabrifen. 

©aS ßönbbölacbengefeb in ber Scbwetj. 

HanbelSgeroerbeinjpeftion in Sonbon. 

Berichtigung. 

tlvbeileYtaerflAeriittfl. Öparfoffen 149 

Äranfenfürforge unb Snbalt* 
benöerfidjerungSentwurf. Bon 
SanbeSaffcffor ©. b. 2S iß leben, 
Berlin. 

Ablehnung ber 3tt<W0 fi fr<mfenbcr* 
ficberung fürtfanjfeutein HRagbeburg. 

SRiSceKen aut Äranfenberficberung. 

ßranfen* unb UnfaQberficberung in 
bcr Schweia* 

BOo5ttnii0#t»efen.152 

©ie SEBobnungSnotb in granl* 
furt a. HR. unb baS Borgeben 
beS granffurter HRtetheroer* 
eins. Bon Dr. tf. bon HRan« 
golbt, granffurt a. HR. 

Staatlicher HSoljnungSbau in Bwufjen. 

Bribate HBobnungSenguete in HRfincbcn. 

Bobenpreife in Karlsruhe. 

©ie SßobnungSnotl) in Bonbon. 

<£*Sieftitnfl unb ® Übung.155 

BoIfStbümlicbe^ocbfcbulfurfe in Berlin. 

Afabemifcbe Abenbfutfe in greiburg 
im BreiSgau. 

BolfSbibliotbefen unb BolfölefebaHen. 

J&ülfSfcbule für Mtoacbbegabte Äinber 
in B°fen. 

Unregelmäßiger Befudj ber elementar* 
fcbulen in Öonbon. 

greilefebatlen in «nglanb. 

OMielpolitifge Vtoftnabttien tin Brr« 


lebrtWefe».158 

eifenbabntarifreform in Schweben. 

Sttterariffte Knatigcu.158 


Kbbrucf fäuuntfHjer AriiM ift 3*itungen unb 3 e iif<b T ifttn geftattet, iebocb nur 
mit boHer Quellenangabe. 


3 Ubetterfd}u| unb Heimarbeit. 


u. 

(liergl. Sit. 5.) 

Gine ebettfo wichtige 3?rage ift nun bie nad; bem Qit Balte 
biefer ?lrbeiterf(hußoorfchriften: bie fyragc, nad) weldjcn id)* 
tun gen fjin ber ?lrbeiterfd)uß auf bie .Jjaiiöiiibiiftnc „ausgiibel)ueu" 
märe? 


©>entt bie (Erfahrung einzelner Vcinber beroeift, baß bie einfache 
formelle MuSbehnung ber für gabrifen unb Söcrfftätteu beftehenben 
Slrbeiterfdjnßüorfdjriften auf bie SerlagSinbuftrie nidjt genügt. 

(Sine berartige 5$o*berung fann bort, wo eine Sonberftellung 
ber §an0inbuftrie befielt — roie in Solge 154 2fbf. 4 bcr beut* 
fdjen ©ctuerbeorbnung ober in Sfolge §. 1 Slbf. 3 ber öfterreidjifcben 
— formell leicht erfüllt werben. s Jflait befeitigt augbrücfU^ biefe 
Sfu^nabmöfteßung ober erfläri, ba§ (nunmebr) atte 2(rbeiterf<$u|js 
beftimmungen ber ©emerbeorbnung für bie nerleaten ?frbeit^ftätten 
Heftung b a ^ cn - 3« ßnglaub mürben bie ©mnofäte ber ^abrif» 
gefetjgebuug über ba0 Verbot ber Sonntage unb Nachtarbeit, über 
Die Einführung einer ^ayimalarbeitSjeit fomie einer minimalen 
SUterggrenge für bie SBefdjaftigung oon nnb ilinbern fc^on 

1867 auf alle, auch bie fleiufteu, grauen unb Äiuber befdjäftigenben 
Setriebe übertragen. Sranfreich behnte 1874 feine (i)efehgebung 
auf bie fletnen Äerfftattbetriebe au^. ^a§ ©leid^e thaten feit ben 
achtziger Söh^n §ot(anb fomie eingelne fchmei^er Kantone, norb« 
amerifanifche Staaten unb auftralifd)e Kolonien. 17 ) 

' ^ennod) faheit fich biefe Staaten, fofem fte bie £au$inbuftrie 
mirffam regeln rooKten, oeranlafct, Souberbeftimmungen gu fd^affeit, 18 ) 
welche auf baS ©ebiet ber Heimarbeit beffer paßten unb fich baher 
mirffamer geigten aU jene allgemeinen Sähe. $)enn jene ©efeh* 
gebung Iäfet, wie ein Hutor fich anägebrücft hot, einen großen 
2:1^^ for ^auöinbuftricrien Setriebe in ?foIge ber Natur ihrer Se* 
ftimmungen außerhalb ihrer ©irffamfeit, roährenb ihr ber theore* 
tifch erfaßte 2:bcil praftißh fo gut roie gang burch bie 
geht. 19 ) Segreiflid)er s Beife! Sinb hoch gunächft oiele Setriebe Der 
Hau^inbuftrie fchlechterbing^ feine Söerfftattbetriebe, fonbern Se* 
triebe oereingelter Heimarbeiter ober eingelner Familien. Sobanu 
bebingeu bie ber HauSinbuftrie eigenthümlichen Uebel auch befonbere 
Sorfchriften. Unb enblich wirb bie $)urchfehung ber gefehlid^en 
Sorfdjrifteu bur<h ba^ örtliche Sluftuiren ber großftäbtifc§en hQu^ s 
inbuftriellen Setriebe unb Durch bie gegen fettige Hilfe gut Ser* 
heimlid)ung, welche fich bie Heiinarörito gewähren, 20 ) erfchwert. 

HSenn nun aber bie Arbeiter bie „Sluäbchmmg beiS Arbeiter« 
fchußes auf bie Hdi^tnbuftrie" forbern, fo ift bamit gewiß nicht fo 
fe|r bie formelle SluSbehnung be^ Geltungsgebietes ber Beftehenben 
Slrbeiterfchuhoorfchrifteu, als oor Ment bie Schaffung eines biefer 
Setriebsform abäquaten Schußes überhaupt gemeint. &aS ift aber, 
wie bie Erfahrung beroeift, nur burch bie Schaffung oon Spegial* 
oorfchriften möglich. — llnterfujhen wir jeßt, na<h welchen Nidj* 
tutigen fic§ biefelbcit erftredfen müßten. 


17 ) Bgl. bie Ueberftdjt über bte auSlänbifd^c ©efeßgebimg über 
I „^erfftättenarbeit" ttt ben ©rudfadjen ber beutfehen „^ommiffion für 
i Hlrbeiterftatiftif", Berbanblungeii Nr. 10, 8. 8 ff. 

| lö ) Bgl. biefe Sonbergefeße unb HRUtheilungen über ihre (Srfolge 
1 in meinem „^weiten" begm. „©ritten Bor6erid)t über eine nefcßlidn' 
| Negelutig ber Heimarbeit", B^ien, Berlag ber §anbels* unb Öewerbc* 
. fammer, 1897, 8. 38 —i>9 begm. 8. 8 IG. 

! lö ) W. s Beber in SchmoÜcr« „Jahrbuch"/ a. a. 0., S. 273 — 277. 

20 ) Copy of Rejiort to the Board of Trade, on the Sweating System 
i at the East End of London, By the Labour Correspondent, London 1887, 
Bctrlnmcntepapier ,3 : 331, 8eite i>. — Seeond annual Report of the l ,, ae- 
tory Inspectors of Illinois for . . . 1894, 8. 42; ugl. 8. 30 ff- 














m 


©ogtale PrajiS. ©entralblati für ©ogialpolitif. Kr. t>. 


132 


I. 3unäd)ft Famt bcftehenbe iabriFgcfehgebunc) felbft 
3ufäfyc im ljutercffc ber hcimarbeiteubcn er* 

ballen. 3h*c Pkiterbilbuitg in bet* Pidjtimg eines ©djufceS ber 
Heimarbeit ift möglich burd; a) bas abfolute ober b) bas bebingte 
Verbot, bah Arbeiter, weldje in SabriFen befrfjäftigt finb, Arbeit 
tiaef) Hanfe nehmen. Dadurch mirb bie Heimarbeit non Sjabrif* 
arbeitern für ihren PkrFftattbetrieb gang verboten ober hoch be* 
fchränFt. Das ©rftere ift in Aeufeelanb nnb in ber Schmeiß 
lebtereS in Gnglanb ber $ad. 

a) Die neufeelänbifdje gabrifgefebnooelle ootit 12. Dftober 
1896 beftimmt in §. 5 fdjlechthin: 


i 


i 


„33enn überhaupt eine in einer $abrif ober äBcrFftclle befchäftigtc 
perfon eine Arbeit für biefe gabrtf ober SerffteHe anbermärts als? tu 
lejjtrrer felbft oerridjtet, ift ber Peftber ber Unternehmung ftrafbar bis 
gn 10 £, unb bie Perjon, weldje bie Arbeit oerrichtet, bis 311 5 £." 


Die ©efefje ber Kantone Sprich nnb liugent über ben 0djujj 
ber Arbeiterinnen 00 m 12. Auguft 1894 begro. ootn 29. Pouember 
1895 enthalten bic gleiche Porfcfjrift begiiglid) ber SBerFftattarbeitc* 
rinnen fcf)lecf>thin (§. 7 begw. §.4): 

„(*S ift oerboten, ben Arbeiterinnen über bie gcfebltdje Arbcitsgcit 
be* ©cfd)äftes hinaus lociterc Arbeit uadi Haufe ntitjugeben." 


©benfo baS analoge ©efefc beS Kantons ©olothuru 00 m 
29. Kooembcr 1895.21) 

b) Das englifdje JabrifSgefeb aus 1895, meines bie Heimarbeit 
jugenblicher unb weiblicher PkrFftättenarbeiter für bie 3wecfe ber 
©erfftatt seitlich BefchränFt, beftimmt in §. 16: 

„(Sin Äinb barf im ©cfdjäftsbetriebe einer ^abrif ober ägerfftätte 
an lagen, an welchen es in ber äabrif ober Söerfftätte befdjäftigt wirb, 
auger H fl ufe nur innerhalb brr (Trensen ber guläffigeii Arbeitszeit Pe= 
fdjäftigung finbeit. 

(Sine jiigenblidjc ober irammsperfou barf im ©efdjäftsbetriebe 
einer gabrif ober ©erfflättc au Dagen, au welchen fie in ber gabrif 
ober 2Sertftättc Por* unb Kadjinittags befchäftigt werben, anher Haufe | 
nur innerhalb ber ©rcitgen ber guläffigett Arbeitsgeit Pefdjäftigung | 
finben. I 

f$itr bie 3merfc biefrS Paragraphen wirb ein Äinb, eine jugrub* 
lidjc ober grauensperfon, weldjeu ober für welche Arbeit anher Haus 
gegeben wirb, ober beiten erlaubt wirb, Arbeit mitgunehmen, bamit fie 
bieff auherhalb ber gabriF ober SBcrfftättc oerrichten, au bem Dage, 
an welchem bie Arbeit auf btefe p>eifc biuausgcgeben ober genommen 
wirb, als bereit* innerhalb ber Aabrif ober HScrfftätic befdjiiftigt au= 
gefeljeit." 

lAbfajj ü biefe* Paragraphen erflärt e* für guläjfig, bah ber 
©taatsfefretär, um beit ©ewohnheiten unb Pebitrfniffen beS Hanbcls 
entgegensufommen, nach Pebarf Ausnahmen oon biefem Paragraphen 
aulaffe.] 

tiefer Ic^tercn Art ber Regelung flehen jebod) praFtiftfje Pc* 
beiden entgegen. 1. Sitgenbliche ober graucnSperfoneu finb im 
©inne biefeS Paragraphen (Abfafc 2) nicht bagegen gefchi’Mjt, mit 
AuherhauSarbeit belaben gu werben, wenn fie in ber gabriF ober 
SBerfftatt Fürgere als bie A'ormalaibeitSgeit über befchäftigt 
würben. $'m liegt alfo eine 9)1 ö gltd) Feit, bie Intentionen beS 
öefefegeberS gu umgehen. 2 -') 2. ferner ift überhaupt — iufolange 
bie Heimarbeit felbft Feiner wirffameit Regelung unterworfen ift — 
bie Montrole bariiber, ob bic teilte nicht iibennähig uiel Arbeit nach 
Haufe mitbefommen, feljr fchwer burchführbar, wenn bie Unter* 
nehmer unb — was mehrfach uorgefontmen ift 23 ) — auch bie 
Arbeiter bic gefehlte SSorfdjrift nid)t beachten wollen. 3Daher 
oerlangen bie ehrlichen Firmen ein abfolutes Verbot ober ooHe 
Freiheit. 3. (Snblich haben in (Sngtanb bie mit ber 23eacf)tung 
beS 6)efeheS oerbunbenen Unbet)uemlichFeiten Unternehmer oer* 
aniaht, an ©teile beS SerFftattbetriebes in gröhereut 3Jtahe gur 
PerlagSarbeit übergehen. 

^aS SSerbot, in ber Kleiber* unb 'Bäf^eFbnfeFtion Slrbeit uad) 
Haufe initgugebcn, bilbete and) ben ©egeuftanb 001 t Perathungen 
ber beutfehen fomntiffiou für Krbeiterftätiftif. ©egen bas Verbot | 


21 ) vf. 6, ?lbfah ..lieber bie ge [etliche Krbcitsgcit hinan* barf | 
ben Arbeiterinnen feine weitere Arbeit itad) Haufe utitgegcbcu werben." | 
’ J3 ) i<gl. bie Au*führuugcn be* (Grafen 0 . pofabowsft) im 9teirf)*= 
tage am 17. Januar 1808, protofoll 8. 430, über ben am ls. OAai 1807 1 
eingebradjtcn Entwurf eine* (')efepe* gur Abnuberung ber ©ewerbe* j 
orbnung nnb bas Mraufcnocrficltcrungsgefcpcs: Xer Entwurf „ging 
befanntlid) oon bem ©ebaufeu au*, bah weiblidjcu Arbeitern, wcldie 1 
in ber Aabrif bereit* über fed)s ©tunbeu befchäftigt feien, Hausarbeit 
uid)t uadi Hanfe gegeben werben biirfe, unb e* ift meine* brachten# 1 
bamals fdjon mit Kcdjt ber (Sinwaub erhoben worben, bah mau eine 
berartige gcfeßlidie s l?orfd)rift fofort umgehen föuute, wenn mau bei* ! 
ipielSweife bie Arbeiterinnen in ber Aabrif halt <> ©tuuben nur 1 
3 ©tunben 30 Ktinuten bcfdjäftigte." 

23 j Report of the Chief Insjiector of Factories and Workshops 
for . . . 1896; London 1897, 2. 38. 


würbe geltenb geumdjt, bah c *ma 10 o/ 0 ber ^erfftattarbeiter in 
ihrer JvähigFeit hinter bem 2)urchfd)nitt gurücfblcibcn unb baher 
nur unter 3 u ^ilf e aahme oott Hausarbeit beftcljcn Föntieit, ferner, 
bah jenes Perbot eine 5lbnöhmc ber SöcrFftatt* unb Zunahme ber 
reinen Hausarbeit itad) fich giehen würbe. ®odh theiltc bie PcVhr* 
heit ber 5?ommiffion bie 3)?cinung eines KebnerS, „bah ohne baS 
Perbot ber Ptitgabe oon Arbeit nach H au fe alle anbereit ©djuh* 
oorfchriften in ber iiuft fchwebett würben"; oiele Arbeiterinnen 
hätten eine Kähmafchine unb Fönitten baher nach 6d)Inh ber Pkrf* 
ftattarbeit bie Arbeit gu Hanfe weiter fortfefcen. öS fragte fict) baher 
nur, ob bie Hausarbeit — nach eitglifchcm Porbilbe — für ttidjt 
ooll in ber PkrFftatt befchäftigte Arbeiterinnen guläfftg fein foüte? 
Dafür würbe geltenb gemacht, bah nicht angche, einer Arbeiterin, 
bie nur einen halben Dag in ber PkrFftatt befchäftigt fei, weil fie 
für $inber gu Haufe gu forgen habe, gu »erbieten, Arbeit uad) 
Haufe gu nehmen. Der Porftanb ber babifrf)en SabrifSinfpeFtorcu, 
Dr. SoertShoffer, fprach fich ^mar für baS Perbot aus, beantragte 
jeboch, bah eS auf jene Arbeiter Feine Anmcubuttg finben foile, 
„bie nur geringe 3^it in pierFftättcn befchäftigt würben". (Sin 
anbcrcS MommiffionSmitglieb fchlug bie oorfichtigere Raffung oor: 
„bie nur gum geringen Dheil in ber SBerFftatt, iiberwiegeub aber 
gu Haufe arbeiteten", bemerfte aber felbft, bah in ber Hochfaifon 
bie Unternehmer fchon barauf ht»SuwirFen wühten, bah bic au bie 
Dl)ätigfeit in ber Pkrfftatt fich anfchliehenbe Hausarbeit gunehme. 
Daher fprach fi<h benn auch bie tommiffton bafür auS, bah tS 
nothwenbig fei, bte 3öer!ftattarbeiterinnen oor Ucberlaftung burch 
Heimarbeit „thuulidjft" gu fchüheit, „wenn nicht aubcrS möglid), 
and) burch baS Perbot ber Pcitgabe oon Arbeit nach Hanfe."- 4 ) 

II. Abgefchen oon folgen 3 u fä{)en gur JabriFs* unb 9S?erf» 
ftättengefehgebung Föuucn Porfchrifteu erlaffen werben, welche oon 
ooruhcreiu für bie Perlagsarbeit überhaupt berechnet finb. ©ine 
berartige Porfchrift bilbet: a) baS Perbot, bah H e imarbeiter bic 
00 m Perleger empfangene Arbeit in ©ubFontraFt weüercjebeit. 
Die eben genannte neufeelänber gabriFgefebnooelle 2) beftimmt, 
bah fall* (h’genger oon P?ebwaareit, Maufleute ober fonftige per* 
fouen (Gewebe auSgebeu, bamit baraus burch ©tücFlöhner ober 
Heimarbeiter PerFaufSgegeuftänbe oerfertigt werben, biefe Arbeit 
bom Uebcrnchmer weber bireFt noch inbireFt weiteroergebeu werben 
barf, fei es als ©tiicFarbeit ober fonftwie — oielmehr muh jebe 
berartige Arbeiten ihren eigenen SBohnräumen ansgeführt werben, 
oon ihnen felbft ober oon eigenen ^ilfefräften, bie fie bafür felbft 
entlohnen. 

b) Aber auch bic fd)ärfcre Peftimmuna wäre theoretifd) benFbar, 
bah fo!rf)e teilte Feine fremben Kebeugcfellen befdjäftigen 
bürfen. 3m Salle ihrer DurchführbarFeit würbe bem 3mifd)en* 
meifterwefen ein ©nbc bereitet werben. Allein biefe Durchführbar* 
Feit unterliegt ftarFem 3meifel. An ©teile ber 3mifchcnmeifterci 
entftänben H^mbetriebe oon ^umilien, bie einanber in bie Häubc 
arbeiten würben unb immerhin oon bemjenigen Heimarbeiter, ber 
bic Aufträge befchaffen uub bie Ablieferung beforgen würbe, in 
AbhängigFcit geratfjen Fönnten. 

3n ber "beutfehen Mommiffion für ArbeiterftatiftiF wollte 
Dr. 2BoeriSl)0ffer umgefehrt bas 3roifd) e umei}terwefen förbern 
unb empfahl baS Perbot ber Pefdjäftigung oon H^murbeitern 
burch 3roifrf) e nmeifter. 2e ) Ör wollte baher gerabegu auf baS (£ 11 1* 
fteheu neuer 3u ) if^ e niueifterwer!ftätten — bie einer Regelung 
gngänglich finb — hiuwirFen. ©ein Porfd)Iag fanb jebodj nid;t 
bie 3uftimmung ber Mommiffion. 

c) ferner färne bie allgemeine Anorbnung in Petracht, bah bk 
Anrechnung ber 3utl)aten ober einer Piaterialfdjäbigung 
nad) ben ©elbftfoften ber Perlcger erfolgen müffe. Der bereits 
gitirte 3ündjer (Entwurf beftimmt in §. 21: . . . „Arbeitsmaterial, 
fowie allfälliger (irfah für abfichtlid)c ober fahrläffige ©chäbigungcn 
bürfen uid)t höher als gum ©elbftFoftenpreife oerrechnet werben." 
Diefe Porfchrift entfprid)t befonbers ben PMiufdjen ber organifirten 
©chneiber. 26 ) Plan Fönnte aber noch anorbnen, bah biefe ©efejjeS* 
beftimmung in beu 2oFalen ber Perleger angefchlagen werbe. 


24 ) protofoll über bte Pcrlmiiblungen ber Mommtffion für Arbeiter* 
ftatiftif 00 m 9. nnb 11. Januar 1897 (Drucffadjeii ber Mommtffioit, 
Perhmtblimgen Ar. 12, ©eite 14 bis 17), Perlin 1897. 

A. a. L, 8. 11 ff. unb 17ff. „Die ^gwifdienmeifter ber Äon* 
leftionsiubuftric bürfen nur in ihren A^erfhätten Arbeiter befdjäftigen." 
„8ic in ber Heimarbeit bcfdiäftigteu perfoueu bürfen nur in uninittel* 
barem Arbeitsoerbältnih gu ben Monfettioiiärcu ftehen." 

2,J ) Der (Sifenad)cr Äougreh her Dcutfdjcu ©djueiber itnb 
©dmeiberinuen 0 . x a. 18% fowie bie 2ouboner internationale ©dnteibev* 
foufereug 0011 1S9H forderten bie „Perpflidjtung, Arbeitsmaterial itnb 
PJerfgeugc, foweit biefe ber Unternehmer ober beffen Angeftellte ober 





133 


Soziale sprajis. Eentralblatt für ©ojialpolitif. 92r. 8. 


134 


d) e) Der 3üricf»er Entwurf enthält and) bie folgenben Vor* 
fdjriften: 

§. 19. . . . Die 2 ol) n au Sza hl ung im 5Biril)6ljaufe ltnb bic Alt* 
menbimg bes fogcnamtten „Drucf|i)ftentS" ift unterlagt. 

Die Auszahlung bes Gofjnes hat auf ©runb einer bent Arbeiter 
ein^ntjänbtgenben fdiriftUdjeit A6red)iuing jn gefd)el)cn (3al)ttag^cttel), 
anö loeldjer erfidjtlich ift, u)ic niete Stutiben bcatebuugSioeifc (betnt 
Afforblolnt) Stiicfc bent Arbeiter gutgefdjrieben ftno nnb mie grofj bei* 
Stimbert* ober Stiicflolm ift. 

f) 3roecfmä&tg märe cS jeboch aud), im funblicf auf bie Iäub- 
liefen Verhäliniffe itnb baS Drucfroefen, Verlegern beit gleicb^eitigcu 
betrieb non Viftnalien* unb ©emifd)tmaarcnl)anbliiugen, non 
Mrämercieit, non ©oft* unb Schanfgeroerbeu su untcrfaacn. 

III. Sa^cfcatfprechenbe llmbilbung fönnfeu fobann oie heutigen 
Arbeiterfchufcbeftimmnngen für Fabrik unb Berfjtattbeiricbe finben, 
bamit fie aud) für baS ©ebiet ber HauSinbuftric paffen nnb fid) 
itjnt abäquat ermeifeu. .f)ier fämen alte Vorfchriftcn in Vetrad)t, 
roeldjc: 

a) bie Hermen btt ng non Stinberu $it gctnerbtid)er 
Arbeit regeln, 

b) bie Arbeitszeit non ^'iitbern, non fugenblidjen, non 
mciblid)cn nnb non erroadjfeneit mäuulid)en Arbeitern 
bcfd)ränfcn, 

c) gegen bie ©efat)r befouberer Fabrifation*prozeffe 
gerietet ftnb ober 

d) ben Schüfe nor beftimmteu BerfSoorrid)tungen be= 
treffen. 

Unter bie beibeit lefetcrert Forbcrüngen fubfumirett fitf) bie 
Siegelung ber 3üu&h°lzchenerzeugung, bes £uecffilberbelegenS uttb 
ähnlicher gcfunbheitefd)äblid)er betriebe, aber aud) aitberfeits Vor* 
fd)rifteit mie baS Verbot ber tfohlenbügeleifen u. bgl. 

Aud) bie Verorbnungen, metd)e: 

e) baS Schlafen in ArbeitSränmen nerbieten, 

f) beren zeitweiliges, entfpredjenbeS Peinigen tBafrfjen, 
Firniffen, ^Tiind^en) norfdjreibeu, 

g) ihre ©röfec mit Sfüdfid)t auf bie 3af)t ber barin Vc* 
fdjäftigten feftfefeen, 

h) bie Ableitung non Staub ober fonftigen 8d)äb* 
lieb feiten bes" Erzeugungsprozeffes, 

i) baS Vorhanbenfein non Bafiheinrichtungen ober 
entfpre^enber Aborte anorbneit, 

fönnen eoentuell mutatis mutandis auf bie Heimarbeit Anmenbnnq 
finben. 

3n Amcrifa unb Australien finben mir fogar 27 ) bie Veftim* 
mungen über AothauSgänge auf bie .f^cimmerfftättert übertragen. 

Vur baS bie Berfftattarbeit betreffenbe Verbot, SRahlzeitcn in 
ben ArbeitSränmen einzunehmen, nerbunbett mit bem pofttioeit ©e* 
bote, befonbere Speiferänme bcizuftellen, bürfte irt ben 3wifchen* 
ineiftereicn nöflig aufter Acht bleiben. 

Bohl aber fönnen bie Vorfchriftcn: 

k) über 3 a ^I ltll Ö^f :erTn ^ ne / unb, ruie mir fdjon unter II 
ermähnten, 

l) bie Verbote bes DrucfmefenS 
Zitr Anmenbung fomrnen. 

m) Dort, mo bie Gohuregeluttg felbft in baS ©cbict ber 
Fa6rifgefefegebung cinbe^ogen mirb, mie in Victoria 28 ) 
unb, allerbiitgS tn tneit geringerem SJiaftc, in Aeu*See* 
laitb, 29 ) fann biefc Frage gleichfalls ohnemcitcrs inbe^itg 
auf bie §au§inbnftrie im ©efefee behanbelt toerben. 

Das Alles mären Vorfdjrifteu, bie tfjeils ben 3u)if^enmeifter 
nnb beit oerein^elten Heimarbeiter gegen llebergriffc ber Verleger, 
thcils bie Hilfgfräftc ber 3u>ifd)eumeifter gegen biefc Gefeteren 

ber 3mifdjenmcifter liefert ober aiircrfmet, an btc Arbeiter nidjt Iiöljev 
ate juui Äoftenprciö ab^ugeben''. (^rotofoll über btc i>erf)aitblnngcu 
bei? oierten allgemeinen bentfdjen 8diueiber=» nnb 8d)neiberimteii= 
congrcffeö . . , über bie Herbanblmigeit bei? oierten orbenttidieii 3?er* 
baubstageö ber 8d)ueiber unb 2dpiciberiuucu . ., fomic über bie 2?er= 
baitbtungcn ber jmetten Suternationalen ^cfineibcrconferenj. lntm, 
Verlag rinn Heinrich 8titlnner |„5ad^citnug für 8dineiber"| in Hamburg; 
3. 2i» fg. unb 99 fg.) 

tJ1 j 131 a beö (^efc^ei? oou 3)?ari)laub oont 4. ?lprit 1S9<3; 

2 be'ö (')efebCi? oou ^eunfploanien ootit r>. -Olai l«s!»7; 

ij. 2 beö ('»efejjeo oou £f)io oont 27. iHprit ls9l>; 

|. 3s bes Jvabrifsgcfc^e^ oou ^eu^Seelaub oout is. £ftober l^.N. 
Wortlaut biefer ^urfdirifteu in meinem „jmetten" mtb „dritten i^or* 
beridjt" be 3 m. in meiner 3d)rift: teilte oorgcfdjrittenc ^abrif^gefe(j= 
gebung; bic ^abrifögefe^e ber Kolonie 9Jen*3celanb. SSieit, 1S97. 

2?s ) §, tr> mtb H> be§ (SJefe^cö oou "IMftoria oom 2 s. Snli 1sm>. 


ft^ü^ett mürben, befonbere ©t^mierigfeiten mad)t unter ihnen bie 
Siegelung ber Slrbeit^eit in ben huu^inbuftriellen betrieben. 
2)ie Siegelung ber Slrbeit^seit fefct norau^, ba& in ber geftatteteu 
3eit ein gum Geben auSrcichenber SSerbienft möalid^ fei. Siittt 
bebingen aber bic nichtigen Gähne in ber HauSinouftrie gerabe^u 
bie überlange Arbeit, ©eht man auf eine Siegelung ber Arbeite* 
jeit ein, fo hunbelt eS fid) um bic Seftfcfeung ber täglichen 
llrbeit^baiier: um bas SScrbot ber Slrbcit nor einer beftimmten ©tuube 
SßorgcnS unb nach einer beftimmteu 3tunbe Slbcnbs, ferner um ben 
?Ju3fd)lnf$ ber Siadjtarbcit nnb um iBeftiinnumgen jur Sicherung 
ber Einhaltung oou ?(rbeitSpaufen. 

Sei Einführung non Hrbeiterfd)ubuorfd)riften ber oorfteheitben 
Slrt mirb eS fid) ais uotfjmcnbig ermeifeu, oou ©emerbe ^u ©e^ 
merbe inbinibualtftrenb ooi^ugehen, mie etrna bei ber SfuSbehuuug 
ber llnfalloerfidjerung auf bie HauSiubuftrie. SSaS aber ihre 
Durchführung betrifft, fo fiat Herr 23 ootfi nor ber englifdficu 
SlrbeitSfommtfRon barauf htttgemiefen, bag cS non großer Sichtig^ 
feit märe, ben Slrbeitcrti nerlegter ^Berfftatt* ober 3iuifcficnmeiftcr 
bie SJiöglichfeit ,$u gemäl)ren, im Jalle noit ©efeheSnerlehungett 
gegen ihre Arbeitgeber aus,pifagcn. „Sch befürefite, fagt er, baft 
bic Arbeiter niefit freimiüig gegen ben Unternehmer anSfagett 
mcrbeit, fafls er bas ©efejj unbeachtet läfet. SlUeiit es ift 
fd)on midfitig, ihnen bie S)Jöglid)feit ba3u 3U bieten. Beim bie 
gefefiliefien »orfchriften einfaifi unb Xeidfitnerftänblicfi unb niefit un* 
nerftänbig mären, fo böte baS fefion eine günftige (ifiaitcc für ihre 
| Befolgung. DaS ©efiihl ber S?erantmortung mürbe bur^ bie 

1 Dcffentlidjfcit eilte 8tärfuug erfahren." 30 ) Deshalb fefilägt er 31 ) 

; nor, bte bezüglichen SSorfcfiriften in febern Slrbcitsraume leicht lesbar 
l anfcfilagcit ju laffett. Dann fönuten and) bie Arbeiter auf genauer 
1 Befolgung bcS ©efebeS beftefien. Dl)äten fie cS felbft ^itnäcfifl 
I nicht, fo mürbe bas boefi hoffentlich bei ber meiterett Enttoicflung 
ihrer freien Crganifatiou ber Saß fein. Smmerl)in märe aber bie 
| SJttthaftuug beS H ail SeigenthümerS zur Einhaltung ber 25or^ 

1 fcfirifteit nöthig. 32 ) 

i Vielleicht mirb matt eine folcfie Slusbehnnna bes Arbeiter** 
fchubeS auf bie Heimarbeit nom ©tanbpunfte ber l^oral aus bc* 

I fäntpfeit, etrna unter bem Ditel ber Vermcrflidjfeit einer gantilien* 
iitfpeftiort! Dhatfächlich hed bereits ein fraitzöfifcficr Gehrer ber 
Volfsmirthfdbaftsfmtbe auf einem Arbeüerfcfiufifongrcffe bie nette 
$h^afe geleiftct: „Quand vous violerez le domieile, vous serez 
bien pres de violer les consciences!” 33 ) Altein matt hat ja ju 
Veginn ber Slrbeiterfchuhbemegung bie ftaattiefie Einfchränfung ber 
Vertragsfreiheit als ungerecht gegen jjeben Arbeiter oerfd)riecit, 
melcher bereit märe, fiefi anberett Vebingungen z 11 utttermerfen. 
Unb aud) gegen ben Äinberfdjuh ift mit Den gleichen Argumenten 
aefämpft morben, ittbem man bieJtinberarbeit als nothmenbig für 
Die Erhaltung ber Familien itnb zuträglich für bie .tinber felbft 
1 crflärtc. Diefc ©emiffensfragen fiitb bennoch heut prinzipiell in 
! oßeit Sulturfiaaten entfliehen; Herr ©ibnep Bebb fonnte ber 
I englifdjett ArbeitSfontmiffion mit Stecht fagen, matt habe in Eitglaitb 
biefc ©frupeltt „fefiott oor fcd)zig 3at)ren erlebigt, als bic erfte 
| Siegelung ber Frauenarbeit erfolgt ift". 34 ) 

; Heut brängt bie 3*it nach einer Siegelung ber VerlagSarbcit 1111 b 
1 biefc mirb fo erfolgen, mie cS bie Eigenart biefer VetricbSfonn ocr* 

I laugt, llitfere gruubfäfilidfie 3 l M*ümmung zu folcfient Vorgehen haben 
mir eiuleiteitb begrünbet unb biefc Vcgrimbung mirb fid) rool)I als 
ftichhaltig ermeifeu. Die Veurtheiluug fo,^ialpolitifdfier Viafeuahmeit 
! aber ift fiöcfift roaitbclbar. Süttgft crflärtc bereits ein Polizei* 

I bireftor in ber 8d)roeiz, bie Siegelung ber J^cim6etriebe fei priuzi* 

| piell ebetifo miiuf^enSmerth nnb gerecht, als bie feinerzeitige 
Siegelung oon Vetricben anberer Art, roelche bic öffentliche ©cfnub* 

| hed beeinträchtigen, mic z- bes 8d)läd)tercibetriebcS. Smmer 
! bentlicfier fouimt zum Vemufctfcin, baH, mie Vootl) oor ber 
j Gabonrfommiffion fagte, beim ArbeitSoertrage fient brei Faftovcn 
i beftimmenbeu Einfluß üben: ber Arbeitgeber, ber Arbeitnehmer unb 
I ber Staat. 

! Bien. E. Sdjroieblanb. 

! *") §. Ab|. 3 bc* /'vabrifv'gelcpei? 0011 1^94. 

' 30 ) Gabour .Houimiffiou, a. a. qu. r» i«;o. 

! 3| ) Ebenbort, qu. r>4H4. 

I 32 ) Ebenbort, qu. 5420. 

, 33 ) t’ongr**s international de Legislation du Travail tenu a Bru\<dies 

I du 27 au septembre 1897. Rapports et »*om|>te rendu analytique 
j - des seances. Vrüpel 1 S 9 S; 3.079. 

I 34 ) Ebeubort, qu. 4007; ähnlid) Vooth, ebenbort, qu. r>7sl. 




135 


©ojiolc Braute. Eeulralblatt für Sogialpolitif. Sir. 6. 


136 


Bte 3Utrrs- und 3ntMliblt&t5uer|tdjfnttt(j in ben 
«icbedmtben. 


Site im Seth« 1895 tit §oÜanb bic gmeitc Kammer bte Regierung 
aufaeforbert hätte, fid^ mit ber SUterS* unb Snoalibüäteoerftcherung 
gu befchäftigen, ergriff bie Regierung ein Büttel, baS matt in §ol* 
lanb oft anmenbet, toenn man eine Sache auffcfjtebcn will: Sie 
fefetc am 31. SuU 1895 eine Montmtffion oon 24 BUtglieberu ein 
gur Xtnterfurfjung, ob neben einer (bamate geplanten) Staateleib* 
rcntenbanf unb neben einer ltnfaHoerfi<f)ernng auch ein ©efcß gur 
Berftcherung oon Arbeitern unb mit biefen gleichguftclleubeu ^er- 
fonen, bie megeit Sllter ober SnDalibität fi<h 31 t ernähren nid)t mehr 
im Staube finb, gefdjaffen roerben füllte. Snt $aH ber Bejahung 
biefer Jrage fei ber Regierung ein ©efeßentwurf mit Berechnung 
ber Soften oor 3 ulegen. 3 um ^orfißenben ber M'ommiffiou mürbe 
Dr. E. Bhnacfer £>orbt)f, ehemaliger ^rofeffor, Biiuifter unb ©e* 
tteralgouoerneur oon Dftinbien, ernannt. Ste beftaitb meiter atte 
brei ^rofefforen ber Siationalöfonomie, fünf SnbuftrieHen, 3 roei 
Biathematifern, groet Borfißenben ooit Slrbeiteroereinen, ad)t Slb* 
georbiteten unb bret anberen Berfotten. Sille politischen Parteien 
außer ben Sogialbemofraten maren in ber Mommiffiott oertreteu, 
unb barau3 ergab ftd) fefjon, baß e 8 feb>r ferner fein mürbe, ein 
pofitioe 0 SRefultat gu erzielen, llnb boef) ift bie Slrbeit ber 
^otnntiffion oon großer Bebeutuitg. 

Sie begann ihre Arbeiten mit einer Uitterfud)nnQ ber £age 
ber alten Slrbeiter. SluS ben BeoölfernngSregiftern etitiger größeren 
unb fleinerett ©etneinben mürben bie kanten aller mehr ab? 60, 
65 unb 70 S<*h re alten Biätiuer unb Säumt ausgefchrieben; bie 
bauten ber Üinfommcnfteuer gahlenbett mürben in biefer £ifte ge* 
ftritfjen, unb bann mürbe bie -Sage oon jeher eingelneit, nicht 
Steuer gahlenbeit ^erfon genau unterfudjt. So ermittelte bie 
Sfrmtmiffiott 3 . B. in Reiben (50OCX) Einwohner) folgcnbe 
Ziffern. 

50?eh r Gl* 65 3 a h l ‘ c alt: 

SRämter. 2Bciber. 3 ll Huiunni. 

Erwerbsfähig unb Steuer gnhlcitb 31% 24% 27% 

Erwerbsfähig unb nicht ©teuer satitcnb 23= 19« 20 = 

llnterftüßt. . 46 = 57 = 53 = . 

9M)r ate 70 Sabre alt: 

ÄluiniUT. Leiber, ^ufamuiru. 

Erwerbsfähig unb Steuer gahfetib . 29% 22 % 25% 

Erwerbsfähig unb nicht Steuer gahlenb 17= 15= 16 = 

llnterftüßt. 54 = 63 = 59 * . 

Sn einer anberen Stabt ergab fi<h, baß oon ben männlichen 

Slrbeitern über 60 Qahre 44%%, oon ben meiblichen 52 2 / :i u / 0 
unterftüßt mürben. Stuf betn Sanbe geigte fid) bie Sage ber alten 
Tagelöhner etwas beffer: in einer ©emeinbe mürben 3 . B. 36 0 0 
ber Biäntter unb 43%% ber SSeiber über 60 Sab** nnterftüfet; 
oon ben 65jährigen jebodj 42 unb 54 72 %/ uott ben 70 jährige« 
59 unb 100 ü /o- T)ic Äontmiffion fpraeß auf ©runb ihrer Er* 
hebungett ihr Urteil baf)in aus, baß nur in ben blühenben Jvabrif* 
gegenben, bereit es in ^ollattb nid^t oiele giebt, einigermaßen ge= 
ttügenb für alte Arbeiter geforgt roerbe, unb baß in ben anberen 
©egenben ihre Sage fehr fchledjt fei. Tarauf unterfuchte bie Motn* 
miffion bie BMrfung ber beftehenben BerficherungSanftalten, Sabrif* 
faffen u. f. m. uttb fanb fie oöttig uttgenügenb. 

28aS nun bie Slntmorten auf bie fragen ber Regierung betrifft, 
fo oerneinte bie $ontmiffion bic an erfter Stelle ftehenbe, ob fie 
eine Staateleibrentenban! für wünfcheitemerth erachte, Ebenfo ocr= 
neinte fie bie fragen, ob ber Staat bem Arbeiter, ber fid) frei* 
millig oerftchert, ein Theil ber Prämie ober ber Seibrettte arte* 
iahten unb ob ber Staat ben inoaliben ober alten Slrbeitern eine 
SllterSrente gemähren foHc ohne Beiträge oon biefen felbft. Tahin 
ging nämlich ber B3unf<h ber Sogialbemofraten. 2)Ht großer s D2ehr= 
heit fprach fich fd)ließlich bie £ommi|fion für bie obligatorifdie 
SllterS« unb Snoaltbitätöocrficherung aite. hierauf trat 
man in bie Erörterung ber Crgauifation ber Berficheruug ein. 
3ur Erleichterung ber Berhanblungen mürben oon ben ^rofefforen 
©reoert (Seiben) unb b’Shtlttte be Bourrouil (Utrecht) Zotigen über 
bie "Mrfung be§ beutfd)eit Sllter^= unb Snoalibitätegefeße? oor= 
gelegt, ^ßrofeffor b’Slnlttiö toteö umftänblich auf bie Sd)mierig= 
feiten h»b bk man in Teutfdjlanb erfahren hot, iit^befoubere mit 
bem „Stlebeoerfahren"; and) Brofcffor ©reoert ermähnte biefe 
Sdjmierigfeiten, fattb fie aber oiel meniger michtig. 

Taä 9fcfuttat ber Berhanblungen ift folgenbc§: Tie Mafien 
ber Berficheruug follen nur oon Unternehmern unb Slrbeitern ge= 
tragen merbett unb gmar 001 t beibeti gur §älfte. Ter ^taat mirb 
nur biejenigett unterftüßen, bie nicht oon ihrem Eiutrittealter ab 


bie Prämien gahlen fonnten, ba fte fchon gu alt maren. Slucb 
mirb ber Staat bie Prämien ber fich im 5Wilitärbieuft beßnbenbeit 
BerficherungSpflichtigen gahlen. BerficherungSpflidhtig finb ttid)t 
nur Sobrifarbeiter unb |>anbmerfer, fonbern auch Seeleute, Boten, 
Sanbarbeiter, Tienftboten, Sehrer, audh Sraucn. Site SJtagnmal* 
lohn marb 1000 ©ttlben (1670,Y/) angenommen unb Heute Unter* 
nehnter, Bauer, Jmnbeteleute, bie nicht mehr ate 1000 ©ulbeit 
oerbienett, fottteit freiroillig an ber Berrtdjeruitg theilnehmeit fötttten. 
Site Eintrittegeit mürbe ba§ 16. 3<*h r / nte Slttfangöjahr berSUter^* 
rentenaitefehruug ba§ 65. Sah^ angenommen. $nt BeharruttgS* 
guftanbe ber B^ciftchcritng, metttt ber erfte 16 jährige Berfiehernng§* 
pflichtige ba§ 65 jährige' Sllter erreid)t h a ^ c n mirb, foll e^ auch 
ein beftimmteS Sllter geben, in bem man nicht mehr beitreten faittt, 
in bem UebergangSguftanb jeboch nicht. 

Tie Snoalibität tourbe folgettbermaßett bepitirt: Snoalibe ift, 
tuer länger ate ein Saht bttreh feinen phpftfehett ober pfpcßifcheu 
3uftanb außer Staube ift, burd) eine feinen Mräften uttb Sähig* 
feiten entfprechenbe Slrbeit, bie ihm gemäß feiner Entmicfelung uttb 
früheren Befd)äftigung itt gcredjter B5eifc anfgetragen toerben fantt, 
einen Betrag gu oerbienett, ber gleich betn fehlten Theil be^? 
Turd)fd)tiittelohn§ ber Sohttflaffc, in melcher er bie leßten fünf 
3af>re feine Prämien gegaßlt hot, plu§ einem Sechftel einer oottt 
Brooingialau^fchuß ate jährlicher Turcbfchnittelohn ber gernöhn* 
liehen §anbarbcit für jebe ©emeinbe feftgufeheitbcn Stimme ift. 
Statt ben oier Sohnflaffcn beS jeßigen bcutfcheit ©efeßc§ hot bic 
Montmiffioit fünf Mlaffen angenommen. Tie erfte Mlaffe beträgt 
0—415 Sahnteloh«, bie groeite 415—670 dt, bic britte 670 

bte 1000 d (, bic oierte 1000—1330 dt unb bie fünfte 1330 
bte 1670 <1( 

§ittfichtlid) ber Slufbringuitg ber s Btittel hotte bie Mommiffion 
gmifd)eit brei Stjftemen ber Bromieitfcftftellung gu mählen. Sic 
entfrfjieb fich nid)t für ba§ Umlageoerfahren, fonbern für ein 
MapitalbecfungSoerfahreit, mottach bie Prämien fo groß finb, baß 
jebergeit ber fontante s Berth aller laufenbcu Berrtchcruugett oor* 
hattben ift, baljer fantt auch in jebem Slugetiblicf eine Siquibatioit 
eintreteu. Obgleich bie 9?achtheile be^ beutfeheu „Stlebefqftente" 
oon ben beibett .^rofefforen nicht gering beurteilt mürben, mußte 
both ^ientanb ein beffere»? Spftem oorgufthlageit, unb fo marb cS 
oon ber Momtniffion gur Erhebung ber Prämien angenommen. 

Tie Söartegeit mürbe in ber Uelergang^periobe auf fünf Sabre, 
in welchen minbeftenö 250 SBothettpränticn gegahlt fein müßten, 
für bie Slltcremerficherung uttb auf brei Saßre mit 150 Söod)cn* 
Prämien für bie Snoalibitäteoerficheritng feftgefeßt, im Beharrung^* 
guftanbe für bic Slltersoerficherung auf gmangia Soh^c mit 
1000 Binnen unb für bie Qnoalibität auf brei Sobre. ®urcß 
^ichtgablung einer beftitumten Slngahl oon Bräntien erlifcht bie 
Slnmartfchaft, aber fie lebt mieber auf, menn mäbrenb einer bc* 
ftimmteit 3eit mieber eine beftimmte 3 a bl ÜOn Brätnieti begahlt 
morbeit ift. 

Schließlich mürbe ber Betrag ber 9teute folgcnbcrntaßen feft* 
gefeßt: ein girunt in jeber Soßnflaffe tourbe ihr gu ©rttnbe gc* 
legt unb biefeö um eine mittete ber 3of)l ber oon S^bem begahlteit 
S^ochettprämien berechneten Summe erhöht. S^bod) mirb bic SHente 
nie meniger ate ein Bcinimntn betragen. Ta§ giebt alfo bie 
olgcttben 9lefultate: 

aücMrtntc 


l'ol^nruine 


©üdieii- 

vräinle. 

wrnitbbctrag Scrmcfjtunji AKinimunt 
ber pro ©odjciu- ^noaltbitäte 

Diente. prämic. renic. 

für «Itter doii 
Bö $if)rcn 
unb %faiU 
nafjme oon 

I. 0— 415 

JC 

27 V# W 

S3 JL 


125 M-. 

49 Safjrcn. 
185,90 JL 
222,50 * 

11. -115— 670 

= 

. 33 

HM) = 

5,o * 

140 = 

1 III. 670— KlOU 

= 

. 44 

133 = 

6,7 = 

173 = 

297 ,,5 * 

IV. 1000—1330 

= 

. 55 1 /*j = 

167 * 

* 

2(M) * 

370,35 = 

V. 1330—1670 

= 

. 67 * 

200 = 

10,0 * 

220 = 

445,oo * 


Tie gange Berfidiermtg foll (toie ber llnfattoerficheruttgtegefeß« 
cutmurf eoettfalte oorfcßlägt) oon einer einzigen centralen Stenten* 
banf ausgcfiibrt merbcu, toaö bei bem mäßigen Umfange be@ 
Sanbee feine Schmierigfeiten utad)ett mirb. Sn ben ©etiteinbcn 
follcu lofale Momutiffiouen, Beratungen ber Slrbeiter uttb ber 
iluternehmer gcmäblt toerben, bie bent Banfoorftaitb rathenb gur 
Seite ftcfjcu bei Entßheiöung über bie Sohnflaffe, in mcldjc ein 
Slrbeiter gebracht merbett foll, uttb über ben Betrag ber bettle, auf 
welchen er Sin red) t hat. 

Sinn trat aber eine feltfainc BSenbung ein: Tic Olruttbgügc 
ber Berfidjcruug maren fo feftgefeßt, oon ben SJiathematifcrn maren 
bereite bie oottt Staate in ben erfteu 50 Saßren nach ber Ein* 
führung gu traejenbeu Moftctt auf 390 Millionen BJarf auf ein* 
mal ober 13 bte 15 S.Xilliouen SDtarf jährlid) auf ©rutib ber 







137 


©qgtale $ragt*. CentralBIatt für Sogialpoltttt. 9tr. 6. 


138 


beutfcßen 3 a ^ en Beregnet. Als aber nun bie Abftimmung über 
bie $rage fam, ob bie Montmiffion bie ©infüßrung ber Verficße« 
rung auf biefen ©rmtblagen ber Regierung anratßeit fotte, ba er« 
hoben fid^ bie Vefcßroerben: Rian fanb bie Verftcßerung für ben 
Staat gu tfjeuer unb begroeifelte, ob bie 3jffcnt ciuf bie beutfcßen 
©rfaßrungen fidß^tüßen bürften, ob fie nicßt 511 itiebrig roären; 
au<ß fanb man bie Rente, befonbers in ben ßöcßften klaffen, gu 
flein. ilnb fo beantmortete bie Montmiffion bie genannte 3rage 
mit 12 gegen 6 Stimmen (2 Atitgtieber roaren abmefenb) mit 
Rein! „Pour acquit de conscience* mürbe barauf nocß befproeßen, 
ob man bie AlterSoerfichcrung allein mit 3 l| * : ücfgahiung ber ge« 
gaßlten Prämien im Satt ber 3 noalibität, an grauen, bie fuß 
oerßeiratßen, unb beim Xobe beS SScrfictjcrten oor bem ©rreid)en 
bes 65 jährigen Alters an bie©ittroe unb beit Minbern oorfcßlagen 
motte. Aber fomoßl bie 3uriicfgaßlung als bie Verfißerung felbft 
mürben abgeleßnt. Unb bennoeß mürbe gunt Scßluß mit 
13 gegen 6 Stimmen (ein ©itglieb mar abmefenb) bie ob Ti« 
gatortfeße Otters« unb 3noalibitätSoerficßcrung für 
roüitfcßenSwertß erflärt. 

$roß biefen toiberfprucßSuollen ©rgebniffeS fann man bie 
Arbeit ber Montmiffion nießt erfolglos nennen. Sie f)at beit oor« 
trefflichen ©runbriß einer Vcrficßcrung entmorfen, bie bei aller 
Anlehnung an baS beutfefje ©efeß boeß im manchen fünften mehr 
Vorteile bietet: ©oßl ift ber Atarimafloßn geringer unb finb bie 
Prämien ßößer, aber ber ©intritt in bie Verfißerung unb bas 
Siecht auf teilte fallen früher, roäbrenb bie ©artegeit fürger ift 
unb, was baS ©ißtigfte ift, bie Rente felbft ift* feßr oiel größer, 
©entt bie Regierung, bie ingmifßen geweßfelt bot uub mabrfcheiu« 
lid) einer Verfißerung meniger abgeneigt ift als bie frühere, jeßt 
einem oon ber Aotßroenbigfeit ber Verfißerung übergeugten ttJtanne 
bie Aufarbeitung eines ©efeßentwurfes aufträgt, fo fann bei ben 
grüitblißen Vorarbeiten ein ©efeß halb fertig fein. ©s bleibt 
bann noch ein ©eg gu finben, tooßer ber Staat bie großen Mittel, 
welche bie Verfißerung oerlangt, nebnten mirb. 

Amfterbam. 3 . g>. oait 3«nteu. 


Moemeitte Sojinl- unb UHrtjjfdjaftepolitlh. 

©iubämmting8ma§rfgeltt gegen bie fogialfeemofratifße |>oßflutb 

fotten — fo behauptet bie in MarlSruße erfcheinenbe „Sübbeutfße 
ReißSforrefponbeng" — bem neuen Reistag oon ben oerbütibeten 
Regierungen oorgelegt merben; beim eS höbe ficf> heraufgeftettt, 
baß in ber Veßanblung ber llmfturgpropaganba fciteitS ber Re« 
gierungen unb ber ftaatSerßaltenbcn Parteien gebier begangen 
feien. Rtit ber Bisherigen £aftif müffe enbgültig gebrochen werben. 
Sie müffe bureb Afaßregeln erfept werben, bie es außer jebetn 
3n)eifel [teilen, baß ber Mampf gegen bie „£obfeinbe aller tuenfß« 
liehen unb göttlichen SDrbnung" mit rüdffißtslofefter ©nergie auf« 
genommen mirb. 3>er Voben fei nunmehr fo weit oorbereitet, 
„baß an ©rgreifuitg folcber gefepgeberifßer Aiaßregelit ßerattgegangeit 
werben fann, oon benen gu erwarten fleßt, baß fie einmal bie 
Moalitionsfreißeit ber Arbeiter mit ben wiinfßenSwertßen (Garantien 
gegen ihre mißbräuchliche Verquitfung mit Mutt traf tbruef) unb 
i&errorifirnng Arbeitswilliger umgeben, gweitenS aber eine wirf- 
famere Rieberßaltiing ber gemeingefährlichen, untergrabenben Um« 
triebe ermöglichen werben". 

2 >aß berartige ©ünfße unb glätte oon manchen, leiber jept 
feßr einflußreißen s $oIitifent gehegt roerben, ift nißt gu bezweifeln. j 
©ir glauben aber nicht, baß an amtlicher Stelle, ber bie Vcraitt« j 
wortung "für bie Aufführung folßer Abftßten gufatlen müßte, bie 
Situation fo oöttig oerfamtt mirb, baß man an ein neues 
Sogialifteitgefep benft. ©ir erinnern in biefer £)infid)t an bie 
oont Staatsfeftetär ©rafen Vofaborosft) iut lepteit Reichstag ab« 
gegebene Grfläritng. ©beitfo ging Anfang guni biefeS 3aßreS | 
unmiberfprodjen burch bie ^jSrefte bie Raßridjt, ber ReißSfangler 1 
gürft Hohenlohe fei ber Anfißt, bie ©ieberermerfung bes Auf« ! 
naßmegefepes gegen bie Sogialbemofratie fei eine Unmöglichkeit, ' 
unb nod) biefer Stage ift uns auf ber Umgebung bes ReißS« ! 
fanglers eine Acußernng gu Dheeit gefomuten, bie äbnlidj lautet, i 
s D?an famt ef alf fießer annehmeu, baß eo bem Reidiftag erfpart 
bleibt, ein Sogialiftengefeß abgulehnen, weil bie Regierung felbft 
oon feiner Aufficßtflofigfcit überzeugt ift unb barum feines ein« 
bringt, greiüdj, fiirdjten mir, ift bie Regierung nod) lauge nid)t 
gu ber ©infidjt burd)gebrungen, bie mir in einem Auffajje ber : 
„Vteußifdjen gahrbiicßer" über beit Tvall bef Sogialiftettgefeßef ' 
auf ber geber bef ßanbeföfonomieratbef Ri. Robbe«Verlitt, bef : 


befannten früheren freifonferoatioen ^arlamentarierf, in folgenbeu 
gutreffenben ©orten aufgefproeßen ßnben: 

gn ber ^rayif ift bifher bie bentfcße Sogialbemofratie weit meniger 
reoolutionär unb bebrohlid) auf getreten als beifpielSmeife ber längft 
iibermunbene cnglifdjc ©hartiSmuf. ga, ber Stuttgarter Parteitag hat 
abermals bemiefen, baß bie Sogialbemofratie nur bann etwas bebeutet 
unb leiftet, wenn fie praftifdje Mritif an thatfächlicßen Riißftänben übt, 
nicht aber wenn ihre Anhänger gu reoolutionären Propheten unb ihre 
„SBeiber gu Spänen" werben. Auch an ber Sogialbemofratie mirb fid) 
bie ©ahrheit beS ©oethefdheu ©orteS erproben: „Vegeifterung ift feine 
.^eringsmaare, bie man einpöfelt auf oiele gaöre." $üten mir uns 
baljer nur, biefe Vegeifterutig immer aufs Reue roieber burdf) 
äußere Stimulation auguregen — nach nidjts oerlangcit biefe 
Herren mehr als ttad; Stidimörtern, mit benen bie SRaffcn fcftguhaltcit 
unb gu föbern ßnb! ©ir füllten ttachgerabc Alle burch bie nadj 
Aufhebung beS SogialiftengefepeS gemachten ©rfahrungen 
barüber belehrt fein, baß nichts fo fehr ben ftaatsfeinblichen 
©harafter ber RJaffen fteigern, ja prooogiren unb gi’ichten 
mü‘rbe, als meint man ben naturgemäßen RücfbilbungS« 
progeß guni (^efehmäßigeu unb Rationalen burch poligeiüthe 
SRaßregelit erfdjmeren uub bureß RiicfmärtSreoioirung ber 
©efepgebung in ben breiten Schichten beS VolfeS bie Auf« 
faffuitg nähren mürbe, cs folle nicht bie reoolutionäre 
Sogialbemofratie, fonbertt bie Arbeiterbewegung als folcße 
befämpft werben. 

©nglifcßc Auffaffnng boit ArbcttSfämpfett. 3m Article ©Iub gu 
finitbon waren am 2. Rooentber mehrere £uutbert augefehetie Vertreter 
ber Saftig, ber 3 nbuftrie, bef §anbelf, ber ©teiftlidjfeit, ber Literatur 
anroefcttb, um einen Vortrag oon ©. V- RecocS über bie groangS« 
weife ^Beilegung oon Streitigfeiten gtoifeßen Arbeitgebern unb Ar« 
beitcru in Reufeelaitb anguhören. (®ie „Sog. V^agiS" h a ^ über baf 
betreffettbe ©efeß itn 7. 3ah^9- ©p. 405 eittgehenb berichtet.) ReeoeS, 
fcßloß feine Ausführungen etwa mit folgenben ©orten: Raßegu 
2V 2 Saßre ift baS ©efeß in Rcnfeelanb jeßt in £raft unb es ßal 
fieß bewährt. Alle bie grage'n, bie in ©ttglanb ArbeitSfämpfe oer« 
anlagt haben, finb aud) in feilten Vcreicß gefonttneit; bie ©ntfcßei« 
bungeit, bie getroffen mürben, mögen bie Parteien bisweilen pein« 
ließ berührt haben, aber fie fiitb immer unweigerlich befolgt roorbeit. 
&ie 3roaugSfd)iebSgeri<hte ßaben bem fianbe Drbnung unb ©e« 
beißen oerbürgt. — §err Reeoes ift ber geiftige Vater beS ©efeßeS 
nnb lobt natürlich fein Minb. 3 » ber Tcbatte mürben aber rneßr« 
faeß 3meifel laut, ob baS, maS in Reufeelanb am $laße, auch für 
©tiglaub paffe, ier Abgeorbnete Sir 3oßn ©orft, ein fouferoatioer 
Sogialreformcr, Vertreter ©nglanbs auf ber Verliner Arbeiterfcßuß« 
fonfereng 1890, leugnete bies gang entfd)ieben; er war ber Anficßt: 
Koalition förbere bett Jyrieben, Kapital unb Arbeit 
mürben am befteu oormärtsfommen, wenn beibe ftarfe 
JDrganifatioiteii befäßeu unb fuß ißre gorberuitgett gegeitfeitig 
flar maeßten. Aucß ber liberale Abgeorbnete Sir ©ßarlcS 3)ilfe fteßt 
bem 3roangSfcßiebSgcrid)t ffcptifdj gegenüber. *2)er Vifdjof oon giere« 
forb pläbirte bagegen für ein energtfcßeS ©iugreifen beS Staates bei 
Streifs. &er Arbeiterführer Veit Xillett erklärte, er glaube nießt 
für bie nädßfte 3ufunft an eine Vefferuitg ber Vegicßungeit gmifeßen 
Mapital unb Arbeit; beibe ftäubeu fid) in einem Mampfe gegenüber, 
jeber motte aus bem attbereit möglidjft oiel herauSfcßlagen. ®ies 
gab *?orb Ruffett, betn fiorb Dberncßter oon ©nglanb, Verattlaffung, 
über folcßc Anficßteu fein Vebauern auSgufprecßen; er fügte ßingu: 
Streifs finb uugmeifelßaft ein Hebel, aber es ift ein tr oft ließ er 
©ebaitfe, baß gcrabe fie ein VeweiS für bie gortfd)ritte 
finb, bie bie Arbeit gemacht ßat, ein VeweiS bafiir, baß 
bie Arbeit fieß auf eigene güße geftellt ßat unb fäßig ift, 
für ihre Recßte felbft gu fämpfen. lauter, allgemeiner Vei« 
fall folgte biefen ©orten bes ßöcßften engliftßcn RicßterS. — ©egen« 
über ber in SDeutfcßlanb oielfad) oerbreiteten Anfdjamtng, baß 
Streifs fcßletßtmeg gu oerbantmen feien, oerbieut bie oorgefeßrittene 
Auffaffung in ©nglanb, baS fiirglid) erft gmei RiefcnftreifS burd)« 
gemaeßt ßat, waßrlicß aucß bei uns oolle Veacßtung! 

Ucbergatig ber VergpoHget im Vegirf eines fdjlcfifißen ^rioat« 
bergkoerfregalS an ben Staat, ©itter Vefaitutniacßung bes €ber« 
beraamts gu VreSlan gitfolqe, melcße ber „Reid)S«Augrtger" oont 
1. Rooentber oeröffentlicßt, bat ber gegenwärtige 3nßabcr bes Verg« 
regals ber ^errfeßaft RtpSloroiß«M'attomiß, ©raf ^iele«©incfler, in 
einem mit ber preußifdjen Staatsregierung abgcfdilojfenen Vertrage 
für fieß unb für feine RecßtSuad)fomtnen int ©igentbum ber gierr« 
feßaft RhjSlomiß unb beS Ritterguts Mattomiß auf bas Reißt gur 
Verwaltung ber Vergpoligei unter Vorbehalt ber ihm fonft au# 
bent Vergregal guftcßenbeu Aed)tc oergiibtet uub fidt bamit einoer« 
ftanbeu erflärt, baß bie Verwaltung ber Vergpoligei fiir feinen 
Vcrgregalbegirf mit bem 1. Rooember 1898 au ben Staat übergebt, 
hierfür finb fofort bie eutfpreßeitbeu Aiiorbiiniigen getroffen 



139 


©ojialc IßrajiS. ©entralblatt für ©ojialpolitif. $r. 6. 


140 


worben. — TaS jroeite noip in grage ftepenbe nennenSroertpe 
^rioatbergregal ftept, fo oiel wir n?iffen, bem ©rafen ©uibo 
Rencfel*TonnerSntarc! 3 U. Aucp pier wirb wopl bie balbige lieber* 
tragung beS SRecpteS bcr SBergpolisei an bcn 0taat ju erwarten fein. 

ArbritSfammerit in Amfierbatm Stuf ©ruitb beS ©efepeS oom 
23. 5Jlai 1S97 (ogl. Soziale $rariS VII 0p. 299) finb jept burep 
löniglicpe SBcrorbnung oom 18. Dftober b. 3 - für bie ©emeinbe 
Amfterbam fieben ArbeitSfammem ins ßeben gerufen roorben. Ta 
baS gntereffe an biefer 3nftitution burep bie oom „SoIfSoereiit 
für baS fatpolifepe Teutfcplanb" jüngft in 0trapburg gegebene 
mertpootle Anregung (ogl. 0 O 3 iale SßrajiS VIII 0p. 64) aufs 
Aeue and) in Teutfcplanb belebt roorben ift, werben einige, ber 
„grlft. " entnommene s Dtittpeilungen über bie ©inrieptung biefer 
nieberlänbtfcpen Arbeitslantntern roiHrommen fein. 

Tic Kammern in Amfterbam umfaffeit pauptfäcplicp folgenbe 
©ruppen: 33aufäcper, SItetall* unb Rohbearbeitung, Reibung, 
Tiamantinbuftrie, ÜRaprungSmittel, Tabalinbnftrie unb 23ucp* 
bruefereien. Auf ©runb beS ©efepeS finb bie Aufgaben ber 
ArbcitSfamtnern bie folgenben: a) baS 0ammeln oon AuSfünften 
über ArbeitSangelegcnpeitcn; t>) baS Abgeben oon ©utaepten an 
SRinifter unb 93epörbeit oon ^rooin^en unb ©enteinben, entroeber 
auf Anfrage biefer SBepörben ober aus eigenem Antrieb, in ^ejug 
auf fämmtlicpe ©egeuftänbe, welcpc bie 3 ntereffen ber Arbeit be* 
treffen; c) baS ©inreiepen oon ©utadjten nttb baS ©ntroerfen oon 
Verträgen unb Auorbnungen auf Verlangen ber Sniereffenten; 
d) baS SBerpüten unb Ausgleichen oon 0treitigleiten über ArbeitS* 
angelegen peiten, foroie inforoeit notproenbig oaS fällen fepiebs* 
ricpterlidjer llrtpeilc jroifepen ben Parteien. 3 ebe Kammer beftept 
jur £älfte aus Arbeitgebern, bie burep bie Arbeitgeber gcmäplt werben, 
unb jur anberen §älfte aus Arbeitern, bie burep btc Arbeiter ge* 
wäplt werben, bie wäprenb beS Iepten HalenbcrjapreS ober roenigftenS 
wäprenb brei ber Iepten jepn 3ap^e als Volljährige innerhalb beS 
Hammergebietes in bem betreffenben gaepe gearbeitet paben. Tie 
Vcitgliebei^apl jeber Hammer ift auf $epn feftgefept. Tie 3)titglieber 
follen minbeftenS 30 3«pi*e alt fein; es bürfen Üftänner ober 
grauen, ÜRieberlänber ober ©ingefeffene fein. 0ie werben jcbeSntal 
für fünf 3ap^e geroäplt. Tie beiben SSäplerliften (oon Arbeit* 
gebern unb Arbeitern) werben jcbeS 3öP r oon ber ©enteinbebepörbe 
aufgcfteflt. Tie 3öapl fjnbet an bem oout Vliuifter für ©afferbau, 
£>anbel unb 3 nbuftric fefhufepenben läge oon aept bis brei llpr 
mittelft ©inreiepuug eines ausgefüllten ^apljcttcls ftatt, weldjer 
ad)t Tage guoor jebcm Papier eingefd)icft wirb. 3ebem Arbeiter 
füll wäprenb 3 wei 0 tunben bie ©eiegenpeit 311 m fääplen oerfepafft 
werben. Tas ©efep, betreffenb bie ArbeitSfamtneru beftimmt noep 
u. A., bap jebe Hammer einen Voriipcuben pat, ber abwedp[elnb 
für ein palbeS 3apr burd) bie Arbeitgeber unb Arbeiter aus iprer 
Ibiitte gewäplt wirb. Ter Vorfipenbe bilbet ben Vorftanb mit 
3 wei 'JÜtitgliebern, baooit ein Arbeitgeber unb ein Arbeiter. 3cbe 
Hammer ernennt einen 0efrctär, ber eine Vergütung erpält für 
'Öureauunfoften. 3 ebes 3ßitglieb barf 60 ©ent für jebe SBerfatnm* 
hing, ber er beiwopnt, nebft 30 ©ent für jebe 0tunbe ober für 
jeben Tpeil einer 0 taube, wäprenb welcper bie. 2 >crfammlung ab* 
gepalten wirb, beanfprutpen. iliitglieber, welcpe niept in Amfter* 
bam wopnpaft finb, bürfen Vergütung ber 9teifefpefen bcanfprud)en. 


kommunale Sojiolpolitik. 

Monopole in £tmbon, SÖien unb Berlin. ©S fepeint baS VooS 
oon vmnptftäbtcu ( ^u fein, bafj ipre Sewopuer fidp oon s ^rioat* 
gefeüfdmfteii anSitiipen laffen miiffeit. 3» Bonbon pat es bie 
gcfdjicptlidie ©ntmicfelung mit fid) gebraipt, bafe feine Gaffer* 
oerforgung in ben .'oänben ron 8 ^rioatgcfellfcpaften liegt, bie ipr 
Gaffer ber Tpcmfe, bem giuffe Vea unb £ueüeu im ^affiu ber 
Tpemfe entnepmen. 0tatt bcs oon fanitären Autoritäten als uotp* 
locnbig be^eicpucten S l)iiuimnms oon 160 1 täglid) pro Hopf liefern 
fie nur 110 1 „filtrirte Manalabwäffer", wenn uitpt zufällig Äiffer* 
mangel ober fouftige 0 törungcn eintreten, unb ^war 311 bem uu* 
erhörten, im Voraus 311 japleuben greife oon 4 60310 . 3% beS 
Dcietlnoertpey ber ©opuuugen, 100311 nod) (^ebüpreu für Gaffer* 
fpiilnng, 33ab, Modibrncf, ©arten 2 c. fommen. Tvaft ein oaprpunbert 
piuburd) bemiipt fiep bie Üoiibouer (^emeiubeocilrctuug fcies 3 od; 
nb 3 ufd)üttelu, es ift ben (^efcllfd)aften aber bisher mit .sjiilfe bes 
Parlaments, bas bas let.Ue T^ort barin 31 t fpredjcn pat, ftets ge* 
hingen, jeben Angriff al^nfd)Iagco, ja jo gar ein (')utad)teu einer 
föniglitpcn Hommiffion burd) 3 ufepeu, wouatp bis 311111 3 abre 19:»l 
ipre ALHiffergucllen 3111 * Perforgung Bonbons genügten, unb bamit 
bem Vonboner ©raffdjaftsratp bie Diöglid)feit 311 oerfdiräufeu, fid) 


gutes Söaffer aus SSaleS natp Öottbon gu leiten. Trop jenes ©nt* 
atptenS würbe bie ©afferoerforgung immer unooÜfommener. Ta 3 u 
finb bie gefeplitpen Seftimmungen einem Anlauf jener ©efeQfcpaften 
berartig ungiinftig, ba& opne eine SReoifion jener Peftimmungen 
ßonbon bei einem Anlauf nod) eine preisfteigerung oon 15 bis 
20 Millionen Pf unb als befonbere ©ntfcpäbiguug für bie ©ypro* 
priation über ben SSertp pinauS be 3 aplen rnüfjte. ©rneuter Gaffer« 
mangel unb bie bropenbe SSerftärlung ber 3iotp pat jept ben ©raf* 
fcpaftSratp ju einem neuen Porftofj bewogen. Am 2. SRooember 
napm er mit 101 gegen 15 0timmcn eine SRefolution an, worin 
er, wie im April 1896, baS Parlament um bie ©rmäd)tigung er* 
fudjt, bie SSafferoerforgung ßonbonS ergän 3 en 311 bürfen. — 3n 
^Bien patte ber Piirgermeifter Dr. öueger urfpriinglid; angelünbigt, 
baS ausbeuterifdie Monopol ber Tramwapgefeüfd)aft mit Rülfe beS 
eleftriftpen Betriebes 3 U breepen. ©r pat aber bie giinftige ©e* 
Iegenpeit 311 m ©rwerb ber Tramwap nitpt anSgenüpt, fonbern einen 
Pertrag abgefcploffen, ber ber ginna Siemens ein tpatfäd)licpeS 
Monopol auf 27 3nP^ für 0trontlieferung unb Petrieb unb glän* 
jenbe Pebinguttgcn foroopl für ben .s^eimfaH bes 9?epeS 1925 als 
autp für bie Ablöfung 1914 ober 1920 gewährt. Tabci ift leine 
eittpeitlüpe JaprpreiSregelung bunpgefept, fo bap audp lünftig 
s 2i'ien pöpere Tarife als bcifpielSroeife Ramburg, Perlin, Pubapeft 
unb äpnlid)e 0 täbte pat. ©ine 9teiugewinnbetpeiligung ift 3 war 
oorgefepen, aber erft wenn bie Tioibenbe auf baS Altienlapital oon 
25 Millionen ©ulben 7o / 0 iiberfteigt 3ür bie Pebienfteten ift im 
Pertrag gleichfalls fo gut wie gar uiept oorgeforgt. — ©anj fo 
fcplimnt pat fiep ja Perlin bei feinen 0trapenbapn* unb ©lei* 
trhitätSoerträaen niept geftellt. Aber auep ipm fann ber Porwurf 
niept erfpart bleiben, bafe es biefe geroinnreiepften Unternepmungen 
ber prioaten Ausitupung überläpt, wäprenb eS wenig ertragreiche 
©igenbetricbe (SRiefelfelber, Hanalifation, 0cplacpt* unb SSieppof 2 c.) 
in eigener 9 *legie füprt. 

©esnetnblifpe ^eftpnerftnberttngSabgabe in I5at$mu Tas 

0 taatsminifterium beS 3nnern pat, wie oer „Auasb. Abenbjeitung" 
gefeprieben wirb, besüglicp ber genteinbliepen SefipoeräitbcrungS* 
abgabe jept eine generelle ©ntftpliepung erlaffen, worin aufmerlfam 
gctnad)t wirb, bap bem ©efep oom 15. 3um b. 3- bie Ab* 
fid)t 311 ©runbe liege, ben ©emeinben 3 ur löeftreituug ipreS er* 
pöpten Aufnianbes für öffentlid)e ©iuridjtungen unb Auftalten eine 
neue ©•inuabmegucEe 3 U fepaffeu, bap jebod) bie gefepgeberifepen 
3altoren ber Auffaffung waren, bap biefe ©innapmSguelle niept 
opne Weiteres für jebe ©emeinbe fid) eigne unb bespalb bie ©in* 
füpritng bcr Bcfipocränberungsabgabe oon ber jeweiligen ©citepuii* 

? ung bes TOnifteriumS abpängig gemad)t werbe. TaS üRiitifterium 
ebt" bann peroor, unter welcpen ^ebingungen es bie ©encpmigutig 
crtpeilt. ©S fei itacp 'Jütafigabc ber ^eftimmungen ber ©emeinbe* 
orbuung bie SBefipueränberungsabgabe unter bie fubfibiären 
TerfungSmittel für ben gemeinblidjcn s ^ebarf 3 U reepuen; es fei 
bespalb oorauS 3 nfepen, bap in einer ©emeinbe nad) ipren 3Ser* 
mögeuS* unb SBelaftungSocrpältniffeu für bie ©infüprung ber $e* 
fipocränberungSabgabe ein ^ebürfnip gegeben fei. )^ei ©rlap beS 
©efepeS pabe aud) bie ©rwägung geleitet, bap mit ber fortfepreiten* 
ben ©ntmicfelung manriper ©emeinben bie liegenfepaften oielfad) 

| unb nid)t unerpebliep im Socrtpe fteigcu, bap bie üBortpeile ber ge* 
j meinblicpen ©inridjtungen, befonberS in 0täbtcn, bem ommobiliar* 
j befip iu popem 5Dtape 3 U ©ute fommen unb bap es baper billig 
! erfdjeine, wenn oon folepen öiegeufepaften im Anfdjlup an bie 
| ftaatliepe 33efipoeräuberungSgebnpr ober baS Aequioaleut pierfür 
j au bie ©emeinben eine Abgabe eutridjtet werbe, ©s fei babei an 
j jene Tvätlc gebad)t worben, wo iu 0 täbtcn 1111 b bereu Umgebung 
| ober in ©egenben mit ftärferem 3 rembcnbefud; ein häufigerer !Ber* 
| fepr in ©ruubftürfeu ftattfinbet ober 311 erwarten ftept, ober wo 
I namentlich and) ©rnnbftüifc mepr unb mepr 311 23anpläpen be* 
I ftimrnt uub als fohpe oerwertpet werben. Tagegen fei eS uid)t in 
! ber 3ntcntioit bes ©efepeS gelegen, ben laubmirtpfcpaftlicpcn 3nter* 
offen irgeitbwie uape 3 utreten, uub es föune bespalb eine geuieinb* 
lid)e ^efipoeränbcrungSabgabe ba uid)t aiigemeffen fein, wo cs fiep 
j bei bem übcfipwedifcl fafi burdnoeg nur um lanbwirtpfdjaftlicpe 
| (Nlebäube uub ©ruubftücfe banbeit unb bie Abgabe bemnaep als 
eine neue ^elaftuug beS laiibwirtpfdiaftliepen Ah'jines auf 3 ufaffen 
| wäre. Leiter bewerft bas s JJiiiiiftcrium, bau in Aiidfid)t auf ben 
I 3 UH 'd, bem bie ^efil.weräiibernngsabgabe in bcr (^emeinbe bienen 
I foll, es oon Gelang fei, bap auf einen beaddenswertpen ©rtrag 
I berfelben für bie ('iemeinbefaife geredynct werben fünnc. ©S fei 
j bespalb im ^enepmen mit bem Aciitamt 311 erbeben, ob nub iu 
' weither Art fdioit ein grünerer ©iitcruerfcpr in ben (^emeinben fid) 

| ge 3 cigt habe ober ob nnb inwiefern ein foldier etwa in ber 3 °Pl c 
! aimmepmeu fei. Veptere ^orautfepiiiig muffe aber im Allgemeinen 



141 


©oktale SprajtS. EentralBIatt für ©Pjtalpolitif. Nr. 6. 


142 


Zutreffen, es fönne nid)t genügen, lueitit nur nereingelte größere 
Befißueränbernngen in AuSficht faßen. — $ie 3aßl jener pohtifqjen 
©enteinben, melden auf ißr Anfucßen t>om StaatSminifterium beS 
Innern bie ©eneßiitigung ^nr Erhebung bei* örtlichen Befißoer* 
änberungSabgabeauf ©runb beS ©efeßeS oom 8. Quni 1898 in 
roibcrruflicßer 5öeife erteilt worben ift, beirägt nunmehr 101. Nadfj 
.Streifen auSgefdfabett finb non ben 8019 politifcßen ©enteinben 
beteiligt in: Dbcrbatjern 51, Nieberbapern 17, $fal$ 7, Ober* 
frattfett 3, Ntittelfranfen 10, llnterfraitfen 3, Schwaben 8. 

StäbtifcßeS AnSfuitftfmreiM itt Coburg. Unter Bezugnahme auf 
eine SWittßeiluug tu Nr. 3 bes ,,©oj. ^rajtS" über bie ftäbtifcße Aus* 
funftftelle in ^ofen utirb mtS aus Eoburg gefdjrtebett, baß bort ein feit 
Anfang beS SaßrcS eingerichtetes Bureau für Armem uttb BerficßerungS* 
mefett als öffentliche, unentgeltliche Ausfuuftsfteüe junächft nur für fragen 
ber Arbeiterüerficßcrung itt Jljätigfett ift unb uiclfach non beit bet§ei* 
Ugtett .Streifen in Aitfprud) genommen wirb. Sie Einrichtung hat ftd) 
bis jeßt bewährt; auch bat ftdj bisher noch nicht gezeigt, bah eine miß* 
bräud)lid)c Benußuitg burd) nicht fad)Itdje ober uttnüßc gragett unb 
Anträge ftattgefunben habe. 

StäbHfdje aWißcetteit. Ser Borftanb beS preußifdjen StäbtetngeS 
bcfdjloß am 5. Noocntber bie Einberufung eines aUgemeiiteu Stabte* 
tageS, ber ftd) mit ben NedjtSüerhältniffeit ber ©emeinbebeantten, ber 
ftletfcßuerforgung ber Stabte (bie ja fo ziemlich in allen größeren Stabten 
Seutfchlanbs jeßt bie Stabtoerorbneten bejcßäftigt hat) unb beut Schüße 
beS SHeiugewerbcs gegen bie haarenhäufer befaffen toirb. — Sie Stabt* 
oerorbnetett oon ^otsbaui erfannten am 4. November bieSchladjtfteuer 
als fdflcdjt unb höchft mißliebig bei ber Biirgcrfcßaft an, bcfd)loffen 
aber troßbetn, bie ©euehntiguug ber ft-orterhebuitg auf brei gaßre bei 
ber Negierung ttachjufudicn. — Sie leipziger Stabtoerorbneten oer* 
handelten am 2. November über eine Bittfdjrift ber Bereinigung gegen 
.Stonfumoercine um Einführung einer llmfaßfieuer. Sie ließen bie $c* 
tition auf ftd) beruhen, befdjloffen aber gleid)mof)l/ bie Bebürfnißfrage 
Zu prüfen unb im galf ber Bejahung 31t ertoägen, ob im Nahmen einer 
Steuerreform bem gewcrbüd)eit NJittclftanbe geholfen werben fönne. 
— Jn Löbtau bei Sresbett ift eine 2°/utge llmfaßfieuer eingeführt, bie 
fid) traurigerweife hauptfädjlidj gegen ben bortigen, faft auSfrfilicßlid) 
uon ber Vlrbeiterbeoölferung benußtett Afonfuntuereiu richtet. — Sie 
Ehetnnißer fozialbemofratifcßen Statuerorbneten beantragten Errichtung 
eines ftäbtifchen Arbeitsamtes, baS sugleid) eine Art lofaler ftabrif* 
iufpeftion fein joü. — Sie ftäbtifchen Eleftricitätswerfc madieit $ort* 
fdjritte. Aus Stuttgart toirb eine Erweiterung beS AiabelncßeS, aus 
Einbau Bcrbaubluttgett, aus .ftcibclbcrg Borarbeiteu für bie Einlage 
eines ftäbtifchen EleftricitäfSiocrfS gcmelbet. Sas tteiterriditete „Elcf* 
tricitätswerf an ber ^ungwiß" foll baS gait^c ©ebict beS AmtSgcridjtS* 
bczirfeS .£>0ljettft ein*Erttftt b a l unb ber benachbarten ©enteinben ocrforgett. 
?ingefd)Ioffen finb außer Cbcrluugwiß u. 9t. bereits: ftertttSborf, Berits* 
borf, Niißborf, St. Egibien, Erlbad), ftireßberg, Urfpruug, SeuferSborf, 
Ncufircßcu, BHifienbraub, SNittelbarf), Neicßenbraub, 9tabcnftein unb 
^leibe. — Sie Berliner ©aSbeputation erwägt einen EiubeitSpreiö 
für ©as 11 ad) Eharlotteuburger iOtufter. Ser Wagiftrat wirb burd) 
bie ocrfd)ärften BalMeioorjchriften über bie Biüflabfubr nad) ber Um* 
gegenb 3ur Erneuerung ber Berfud)e mit BUilloerbrennungSöfen oer* 
anlafjt. Siefelbc ^rage würbe in ber Btagbeburger Stabtoertretung 
am 27 Cftober geftreift. — ©rofjs^ichterfclbe cnblich hat bie ©e* 
uehmigung einer Biefclfelbanlagc bet ber 9luffichtSbet)örbe beantragt. 


Soziale 3u(1änbc. 

Sic ©infommcnSbcrthcttttng in Hamburg. 

9llS wichtiges ErfennungSmittel für bie fojiate Schichtung ber 
Beoölfcrung toerben bie Ergebuiffc ber Einfomtuengbefteueruitg be* 
trachtet, foweit fie auf Seibfteinftfjäbung beruht. Sie oerbieneit 
um fo mehr 9tufmerffamfeit, je größere Sicherheit ber Beurthei* 
Iung bie Beljörben burch regelmäßige Nachprüfung ber EiitfommenS* 
angaben ber Steuerpflidhtigen gewonnen haben. 3n biefer §inficht 


ftcht in Seutfchlanb Hamburg au erfter Stette, ba bie Selbft* 
einfehäfeung bereits in baS Steuergefeß oon 1866 aufgenommen 
mürbe, fo baß auf ©rnnb ber mehr als breißigjährigen Erfahrung 
felbft in ben Satten, wo ber Steuerpflichtige bie Einfehäfeung oer* 
meiaert, bie SchäßungSbürger feine bebeutenben fJel^Icjriffe begehen 
meroen. 9llS Beweis für bie 9tid)tigfeit biefer Behauptung fei an* 
geführt, baß 1896 bie Steuerbeputation nur 201 Steuerpflichtige 
unb, in Sulge ber 9lufbecfuug oon .fnnteniehungen aus 3lnlaß ber 
Erhebung ber ErbfchaftSabgabe, ber auch bie S)efcenbentcn unter* 
liegen, 46 Erben oon Steuerpflichtigen p Nachzahlungen 311 oer* 
urtheilen hatte, fowie baß bie ©efammtfumme ber Strafen in ben 
Sahren 1894 bis 1896 nie 100 000 c/// erreichte, 1893 freilich 
auSnaljmSmeife 330 000 oii überfdhritt. Sie Eenauigfeit ber Ein* 
fchäßung biirfte audh baburch geförbert werben, baß in Hamburg, 
wo Staat unb Eemeinbe zufammenfatten, ber Steuerfaß oerhältniß* 
mäßig niebrig ift unb bie Sfaufleute in hohen EinfommenSangabeit 
eine Stüße ipreS ^rebitS fehen. 

Bon 1866 bis 1880 war ber Steuerfaß 3%, oon 1881 bis 
1894 372% für Einfommen, bie 10000 c/// überftiegen, wäßrenb 
unter biefer Summe eine begreffioe Sfala $laß griff, bie bis auf 
5 /e% bei Einfommen oon 600 Jt fanf. ®aS ©efeß oom 22. Se s 
bruar 1895 hat, weil jwingenbe Nothwenbigfeit, bie Staats* 
entnahmen 31t erphen, oorlag, an bie Stette beS unüberfchreitbareu 
SaßeS oon 372% einen fogenannten Einheitsfaß — 1% — ein* 
geführt, beffeit BielfacßeS je nach Bebarf, um baS Staatsbubget 
ins Eleichgewicßt ju bringen, erhoben wirb; bisher baS Sünf* 
einhalb* ober Sechsfache. SDie SDegreffioit fommt jeßt attett Ein* 
fommen unter 50 000 Jt 311 gut, ift 3unächft feljr unerheblich, um 
je f(einer bie Einfommen ftnb, befto größeren Einfluß auS3uiiben, 
fo baß 3. B. oon einem Einfommen oon 15 000 Ji oier fünftel 
beS EinpeitSfaßeS erhoben werben, oon 8400 Jt brei fünftel, oon 
5200 Jt 3wei fünftel, oon 2500 Jt ein fünftel, enblich in ber 
unterften Stufe oon 900 bis 1000 Jl ein 3^^atcl beS EinheitS* 
faßes. ®ie höhere Belaftung ber großen Einfommen hatte bas 
Nefultat, baß 1896 bie reichen Steuerzahler oon mehr als 10000,// 
Einfommen — 4, 0 7°/o ber Eefamnttzahl — 76 ‘/Wo beS Steuer* 
ertragS 001t 13 Millionen Ntarf aufbracßten, wäßrenb ihr Ein* 
fommen nur 44o/ 0 beS E)efammt*EiiifommenS erreichte. 3it bem 
neuen Eefeße ift auch bie Befreiung ber Einfommen unter 900 
oon jeber Steuer feftgefeßt, fo baß fich ein erheblicher Sßeil beS 
BolfSeinfommenS — 1894 waren 40 938 Steuerzahler, 27,5% ber 
Eefammtzahl, mit je 600 bis 800 , ft cingefd)äßt — ber Bered) 3 
nung entzieht, oerhältnißntäßig mehr als in Preußen, weil iit 
Hamburg bie Einfommen mehrerer Angehörigen eines Familien* 
ßanShalts nießt zufammcngerechnet werben, alfo nur ber Steuer 
unterliegen, wenn fie einzeln für fteß 900 Jt überfeßreiten. 

£)ie Beruteßrung ber Steuerzahler ein unb berfelben Älaffe 
ift oon einem 3aßr zum anberu nießt erßebltd) genug, um eine 
augenfällige Berfcßiebung ßeroortreten zu (affen; wir haben baS 
Saßr 1881 zuin Berglep mit bem jeßt befanntgemad)teu Ergebitiß 
ber Befteuerung im 3at)^ 1896 gewählt, weil feit jener Qc\i bie 
Beröffentlichungen ber Beßörbe nad) berfelben Eintheilung, ab* 
gefeßeit oon bem BSegfatt ber unterften EinfommeitSflaffe, erfolgen 
unb jenes 3aßr ober oielmcßr bie brei oorßergehenben 3aß^ meßt 
befonberS günftigen ober ungiinftigen .'panbelsfonjunfturen aus* 
gefeßt waren. 2>er Kaufmann ßat itämlid), um ben Ertrag ber 
Steuer nießt beit 0d)wanfunaen einzelner guter ober fcßlecßter 
©efcßäftSjahre auSzufeßen, ttaeß breijährigem ®xir(ßfchuitt feilt Ein* 
fommen anzugeben, wäßrenb bie übrigen $ßflid)tigeti ißren Alt* 
gaben baS Einfommen beS ber SteueranSfdjreibung oorßergeheitbeit 
ÖaßreS zu ©runbe legen fotten. 


EtitfontmenS* 

flaffcit 

,fC 

18S1. 

1 Berftcucrtcs 

Stfuc'rjnljlof 1. (Süifomnicu 

«iijaljt ; % 1 M. \ % 

1890. 

Bcrfteucrtctf 
Steuerzahler Etitfommcu 

Anzahl I °/o , Jl. 1 % 

1881 1896 

auf beu Atopf ctucj? 
Steuerzahlers 
ji. ;| ji. 

DOtl 1881 btv 1S90 
3uwad)c> 
ber | bei? 
Steuer* Ein* 

Zahler faiiminiS 

soo refp. 900 bis 
1000.... 

15 350 

20 , 79 ! 

l:!S15 00ü 

6,31 

44 930 

i 

1 SS,». 44 93« ono 

1<C,18 

900 1 

L 000 

192,74 % 

225„7% 

1 (KKJ—2000 . . 

23 200 

40,51 

33 763 700 

15,17 

55 059 

; 40,67.: 79 843 200 

1 *,09 

1.435 

1 455 

139 ,,5 - 

130,= 

2000 --oOOO . . 

11 709 

20,44 

37 453 ICH) 

16,83 

24 290 

1 17,7.0: 70 542 300 

17,34 

3 199 ! 

3 151 

1* ►7, J: . * 

10 1,,: * 

5(X)0—10 000 . 

3 785 

0,61 1 

27 075 200 

12,16 

6 413 

| 4,<> = 45 070 300 

10,36 

7 153 

7 122 

- I 

li\m - 

10 000—25 000 . 

2 07 5 

3,63 i 

32 743 100 

14,71 

3 022 

I 2,c. ! 50 428 000 

12,79 

15 7 sc > 

5 579 

71 , -, 5 ^ ; 

72,34 r 

über 25 000 . . 

1163 

2,(13 i 

77 720 900 

34,92 

1 952 

1 1 , 4 ^ 137 829 11*) 

31,24 

00 833 i “ 

0 0< >9 

07 ,. 1 = ; 

7 7 :*» - 

3 ujamuten refp. 
im^urd)fd)itttt 

57 288 

j 100,04) j 

222 577 000 

100,00 

130 872 

1(K),(k. i 441 254 900 

! loo /(H) i 

1 1 

3, ss 5 

3 223 

10>V'2°0 

9 S ,^ " 0 















148 


Soziale fragil. fceniralblatt für •ostalpoltttt. Sfr. 6. 


144 


ßaffcn nur bie 1881 in ber unterften Hlaffe Steuernben, 
38 157 ihrer 3<*hl nach, roeil jeßt als ftcucrfrci nicht mehr erhoben, 
nnberücffnhtigt, fo ergiebt bie SSergleidjuitg in bem 15jährigen 
Zeitraum bis 1896 eine Bermehrung ber (Gefamtntheit aller 
Steuerpflichtigen non 57 288 auf 136 872, atfo um 79 584 Hopfe 
ober 138,92%, benen ein 3uroachS beS (Einfommeiis ooit 218,7 Bfil* 
lionen 9Karf ober nur 98, 2 s% gegen überfteht, ba bie brei oberen 
Hlaffen eine bebeutenb geringere intenfioe 3unahme erfuhren als 
bie brei unteren Hlaffen bis 5ÖOO , (Einfommen. 3>ie Beoölferung 
beS f>atnburgifc^en Staates unter ZHuSfd)luß ber Schiffsbeoölfening 
in ben §>äfen toeift oon ber 3ählung 1880 bis z u berjenigeu oon 
1895 eine (Steigerung um 224 808 Hopfe (49,?%) auf, menig 
mehr als ein drittel ber 3unahitie ber Steuerzahler mit einem 
(Einfommen über 900 , U, ooit beneit 1881 auf 1000 (Einwohner 
127 entfielen, 1896 bagegen 203. Jn biefer großen Bermehrung 
fpiegelt ftd) einerfeits bie (Erhöhung beS ßohueS für alle gelernten 
Arbeiter in bem 15jährigen 3eitraunt miber, anbererfeitS bie 3«* 
nähme ber llnterbeamten bei allen Behörben, inSbefoitbere bei ber 
erft feit bem 2lnfd)luß an ben beutfdjen 3oüüerein auf ben hunt* 
burgifcbeit Staat übergegangenen 3offnertoaItung. 

$)ie burcbftbnittlicbe 3unahme Steuerzahler roirb oon ber 
unterften Hlaffe mit 900—1000 JL. (Einfommen am tneiftcu über* 
troffen, fie ift um 192, 74 % ber Hopfzahl unb 225, 27 % bem (Ein* 
fomnieu nad) geftiegen, ba iit biefe Hlaffe nicht nur fämmtlidhe 
Steuerzahler, bie bi§ 1895 ein (Einfommen ooit 800—1000 c //. 
beflarirt hallen, aufgenommen finb, fonbern noch ein erheblicher 
£beil ber früher unterften Hlaffe. (Eilt fmtabgleiten aus oer 
Ztoeüen Stufe mit 1000—2000 JL (Einfommen ift auSgefchloffett, 
weil auch biefe eine 3unahme oon 22 435 Steuerzahlern, ungefähr 
bem SDurdjfcbnitt entfprechenb, erfahren hat, momit baS Slnroachfen 
beS oon ihnen beflarirtett (EinfommenS um 46, 0 8 Millionen BJarf 
nicht ganz ®<hntt hielt; ber Hopftheil ift um 20 JL auf 1435 , y ii 
gefunfen. (Ein ähnliches Berhältniß geringeren intenfioeu als er* 
ienfioen BtochSthumS ^eigl bie britte Hlaffe oon 2000—5000 J(. 
(Einfommen, in ber jeber ber 24 290 Steuerpflichtigen im 3)itrdj* 
fchuitt 3151 JL erzielt, 48 JL roeniger als 1881. $)er 3uwad)S 
an (Einfommen oon 39, O o Millionen EKarf (104, 37 %) überragt ben 
allgemeinen ^nrehfehnitt oon 98,25% noch um mehr als 6%, 
toogegeit ber JuroacßS bet Hopfzahl um 12 581 ober 107,i r ,% 
bereits erheblich zuriicfbleibt. 

Unter ber BorauSfeßung, baß itt Hamburg bie (Einfommen 
oon 900—5000 J( tiberroiegenb 21rbeitSeinfommen finb uub nur 
Zum fleinen Xheil burd) Glentetteinfotnmen ober SRußungeti oon 
toerbenben Hapitalieti ergänzt merben, fann bie (Eittroicfluug biefer 
brei Hlaffen als güttftig für bie Bolfsroirthfchaft bezeichnet roerben, 
wenn auch z uin ^h e ü bie oertnehrtett (Einnahmen burch (Erhöhung 
ber ^ohnungSntiethen unb beS fonftigen ßcbenSbebarfS abforbirt 
finb unb ben allgemein gefteigerteu ?lnfpriid)en auf ?lntheil an 
ßuj.’uSbebürfniffen nicht genügen. 

^aS (Einfommen oon 5000 JL fattit als eine (Grenzlinie be* 
Zeichnet roerben, über bie in bie f)ö4>ere Hlaffe hinaufzufteigen er* 
heblich fdjrocrer ift, als foroold oon ber erften in bie zweite, roie 
oon ber zweiten in bie britte Hlaffe. $)ie roohlhabenbett Steuer* 
Zahler mit 5000—10 000 ,-f( (Einfommen roeifen bas geringfte 
intenfioe BkdjSthum oon 18, 6 Millionen s U?arf (Einfommen (68, 7 %) 
gegen 1881 auf, ebeufo roie ihr ertenfioes mit Ausnahme ber 
höchftcn Hlaffe oon allen übertroffen roirb. (Es gleicht bie oierte 
Stufe geroiffennaßen einem ungenügeub regulirteu Hanoi, aus bem 
mehr ©affer cutftrömt, als ber 3ufluß erfeßen fann, ohne baß 
freilich ^aS Berfiegeu in brohenbe S^äße gerüdft ift. So roerben 
auch bie roohlljabenben Steuerzahler noch lange ein geniigenbeS 
BerbiubuttgSglieb zwifchen ben reichen unb ben ininber bemittelten 
abgeben, bodj barf ihre relatioe Abnahme erhöhte ?lnfmerffamfeit 
beaufprndjen. 

Jn ber fünften Hlaffe mit (Einfommen oon 10 000- 25 OOO f LL 
hat bie Junahute ber Steuerzahler 1547 (7!^%) betragen, bereu 
geringere bnrchfd)nittüchc (Einnahme (15 579 JL gegen 15 780 c,//) 
foroohl bitrch baS Wuffteigcn ans ber oierten, roie ben Uebergang 
ber in ihr vrödiftfteheubcn in bie oberfte Stufe z u erHären ift. 
willen bis jept befprochenen Hlaffeu ber Steuerzahler ift eine in ben 
einzelnen Satiren halb rafdjere, halb laugfamere Zunahme gemein* 
fam, roährenb fiel) in ber hödbftcu Hlaffe. ben Honjuuftnreu beS 
Manbels entfprechenb ein bei ber geringen ihr angefjörenben 3ahl 
oon Steuerpflidjtigen ftarfcS Sd)roanfeit bemerfbar mad;t, fo bap 
es fid) lohnt, ihren 33cftanb in ben lepteu S^hreu auzuführeu. 
lieber 25 000 JL (Einfommen bezogen: 


1888 

1474 Berfoneu 

mit 

95,9 

attiüionen 

SKarf. 

1889 

1737 

* 

* 

120,9 


s 

1890 

1965 

3 

s 

139,5 

* 

9 

1891 

2016 

= 

* 

140,8 

- 

« 

1892 

1952 

= 

S 

1 -8,7 


= 

1X93 

1855 

= 

= 

120,1 


= 

1894 

1772 

= 

* 

114,o 

= 

= 

1895 

1788 

= 

* 

121,5 


S 

1896 

1952 

* 

* 

137,8 

* 

= 


9?ad) bem ftarfen Gtücfgang oon 1892—1894 ift alfo erft im 
lepten Qahre ein erhebliches ?lnfchroellen erfolgt, roeldjes aber nod) 
nicht genügt, ben höchftcn Staub ber (Einfommen in beu fahren 
1890 uub 1891 zu erreidjeu, ber ein 2lbbilb ber gütiftigcn (Ge* 
fcpäftslage nach bem 3oHanfchluh barbietet. $)er um O 1 /-.» 0 () ben 
ertenfioen 3uwad)S iiberragenbe intenfioe ber I^öchflen Stufe im 
3ahre 1896 füll nicht als erfrenlid)es 3^4) e u blühcnber Solfs* 
roirthfehaft befonberS hcroorgel;oben roerben, er barf aber ebenfo* 
roeuig z«c ^tüpe ber Behauptung ooit einer unbegrenzten 3» s 
nahmefähigfeit beS (EinfonimenS ber Gfeichften oerroanbt roerben, 
ba er, roie bie oben angeführten 3 a h^u berocifen, rafd) roieber 
oerfeproinben fann, roenn Hrieg, Seuche ober Ärifis bem harn* 
burgifepen fmitbel tiefe B^unbeii fcplagen. 

^lus bem in unferer Tabelle noch angeführten prozentualen 
^lutheil einer jeben Hlaffe an ber ©cfammtheit nad) Hopfzahl uub 
(Einfommen uitterlaffen roir Schlußfolgerungen zu Z^h^u, toeil bie 
leicht erfettnbarc Berfchiebcuheit in ben fahren 1881 unb 1896 
burch ^Seglaffcn ber 1881 uiebrigfteit Hlaffe ooit 38157 
Steuerzahlern mit burchfd)tiittlid) ^ *■•//. (Einfommen hcroorgerufeit 
ift unb jebc Bergleithung beeinträchtigt. 

^)ie oon ber Steuerbeputation oeröffentlichte lleberficht ermähnt 
außer beu nach Hlaffen oertheilten 136 872 phpfifcheti Steuerzahlern 
nod) 16 119 s }$erfouen, bereit (Einfommen roegen 3uztigs ober ?lb* 
ZugS im ßaufe beS Jahres nicht für bas ganze ^apr beftimmt 
roerben fotiute, ferner 303 3lftiengefeUf<haften mit faft 28 s Mllioneu 
GKarf (Einfommen, bie mehr als 1,5 EDlillionen Eütarf Steuer ent* 
richteten, ^er (Gcfantmtbctrag ber Öinfontmenfteuer betrug 1896 
itt Hamburg 15, 16 Millionen EDlarf, ungefähr 57 % ber Summe, 
bie bie Berliner Steuerzahler nach bem Boranfrijlag für 1896/97 
an (EinfommeitS* unb (ErgänzungSftcuer fiir ben Staat aufzubringeit 
hatten. 

duS ber Berthcilung ber (Eiitfüttimcn auf bie einzelnen Stabt* 
theüe Hamburgs ermähnen roir nur, baß in beit beibeit reichftett 
Stabtthcilcn jeber Steuerzahler burchfd)nittlid) über ein ßinfommeu 
oon 12 543 JL, refp. 8743 JL oerfügt, in ben ärtnften bagegett 
nur über 1417 JL refp. 1535 J (, in ber Xhat fepr fraffe (Gegen* 
fäpe, bie ber Regierung große Sorgen bereiten mürben, roenn fie 
beS Schußes beS £)eut)(heit GtcidjS entbehren müßte. 

Hamburg. Dr. (E. ^ fing ft hont. 


formen unb Begriff ber ^auSinbnftric* 3n ben „Jahrbüchern 
| für Giationalöfonomie unb Statiftif" (Dftoberpeft 1898) oeröffenf* 
ließt Dr. Schroieblanb=BHeu eine ?lbhanblung, tooriit er bie mannig* 
fadjen gormen ber ,v>auS* ober BerlagSinbuftrie in ben mobernen 
Staaten erörtert unb zunt Schluß eine genteittfame Begriffsbeftitn-- 
mung für fie aufftellt. (Er nnterfdjeibet oier (Gruppen, in roelche 
bie einzelnen fonfreten gortnen ber BcrlagSarbeit fiep fdjeiben: 
I. ben Bkrfftattbetrieb beS o erlegten Hie in me ift erS; ber Unter* 
| nehmet ift geroerberechtlich (formell) felbftänbiger §anbiocrfcr, befipt 
I als folcher einen (Getoerbefd)eiti unb Steuerbogen, gehört ber zu* 
I ftättbigen Juituitg an unb fcpaltet mit (Gehülfett nnb ßehrlingen 
| in ber eigenen Bterfftätte ber Stabt ober beS fladjeit ßanbeS. ^och 
| finb biefe EÜi'eifler oon ftäbtifchen Häufßäufern, (Exporteuren ober 
| größeren <£>anbroerfern abhängig, roeldje iljre Brobufte oertreiben, 
j II. Jhueit aut näcpfteu ftept ber 3roifd)eumeiftcr, ßieferineifter, 
l Houtraftor ober Sd)ioipineiftcr (sweater apieceur ä cheval). "X'iefe 
j ßeute übernehmen in größeren ÜUJengen zugefd)nitteue SSaarett uub 
| manche 3uthaten ober and) beu eiufadieu S^ohftoff, unb laffen bie 
| übernommene Arbeit burd) iHnbere ju iool)lfeileu Bebittgungett aus* 
führen, wobei fie zum 2peil felbft mitarbeiteu. S'er Uuterfdjieb 
! Zroifrijcn beibeit £npen ift nur, baß ber abhängige HIeinmeifter bie 
1 formelle EDteifterbefugniß unb oielfach ein oom ^oljnraume noch 
irgenbroie nttterfdjeibbareS "Hrbeitslofal befipt, roährenb bem Scproip* 

1 meifter baS leptere unb oft and) bie EOi'eiftcrbefngniß fehlt. III. (Einen 
fepr häufigen Sppus bei Berlagsurbeitcrs ftellt ber oereitizelte (Ge* 
j hülfe bar, ber notn (Goioerbetrcibenben außerhalb feiner Betriebs* 
ftätte bcfchäftigt roirb. hierher gehört oor dllent: a) ber „§eitn* 

\ arbeitet" ober „Sipgefelle", roeldieut ber roeiblidje „XppuS ber 
, armen Näherin" zur Seite fleht. Siefer Berlagsarbeiter i;at feine 





145 


Qogiale $r<qi4. (frftftalBIatt für fcogtalpolittt. Ar. 6. 


146 


SReifterbefugniß, gahlt feine ©eroerbefteuer unb arbeitet aßein in 
feiner Stube. Oftmals arbeitet bie gautilie mit. ®eit £>eitn* 
arbeitern aleidjgufteßen ift ber ^lafc ge feile, welcher mebcr bet 
feinem Arbeitgeber, noch in ber eigenen Sehaufuirg arbeitet, fonbern 
fich bei einem dritten einen gur ArbeitSftätte gemiethet hat. 
IV. Xie Sißgefellcugruppe. SDiefe fteßt eine bloß äußerliche 
ober eine mehr organtfdje Bereinigung non Heimarbeitern bar. 
SHr finben hirc oon einanber unabhängige, gleidjgeftellte 
Aebengefellen, melcbe einfach eine ©ohnnng theilen, unb Beben* 
gefeßen, oon benen ein £beß Aftermiether beS Hauptgefellen 
finb, uon bent fie oielfad) auch Arbeitsmittel miethen. tiefem 
XtjpnS föitneit auch Bereinigungen oon Heimarbeitern in fo* 
genannten Eentralrocrfftätten gugefteßt raerben: Bereinigungen 
üon ^laßgefeßen, melcbe auf eigene äoften eine gemeinfame ArbettS* 
itätte errichtet haben, um bie Bacfübeile ber Hetmarbeit in geroerb* 
lieber, fokaler mtb roirthfcßaftlicher Min ficht ferngubalten (oergl. 
„Sogiale $ra£iS" Qahrg. 1897 Sp. 404). Büßt gur BerlagS* 
inbuftrie gehört baS fogenannte ©ruppenfnftent auf bent flachen 
Laube, bet bent ber Unternehmer burd) Öaftore abgerichtete HülfS* 
fräfte im eigenen Lofale oereinigt. Seim eingelnett gaftor — er 
führt beit tarnen „Steifter" — ocrfamntelt fich bie länblidje Se* 
oölferung gur Arbeit; SBerfoorrichtungen ttttb SRoßftoffe finb Eigen* 
thum beS Unternehmers. Hingegen fann ber oerlegte Setrieb ctneS 
fleinen SBerfftattmeifterS ober beS 3nnf<henmeifterS einen meiteren 
Ableger hausiubujtrießer Art haben: ber oerlegte Setrieb befcßäf* 
tigt noch Heimarbeiter, begleichen mitunter ber Eingelgefeße. 3)iefe 
auf BerlagSarbeit aufgefe^te BerlagSarbeit ift in ben mobernen 
©roßftäbten [ehr häufig. — Alle biefe £t)pett ber Hausinbuftrie 
cßarafterifirt jeboeß ber Serleger. £er Stäufer beS HauSinbuftdeßen 
ift nid)t me|r „fö'uitbe", fonbern „Serleger", Auftraggeber, uon 
bent er abhängig ift. £ie H augs ober Serlagsinbuftrie erfcheint 
fomit als bie gemerblicbe Se* ober Serarbeitnng oon SRoßftoffen 
burch (oereinigte ober oereingelte) ^robugenten, melcbe, im Ab fab 
ihrer Ergeugntffe unfelbftänbig, beffen Sermittlerrt in roirthfeßaft* 
lieber unb fogialer Abhäugigfeit gegeitüberfteßen unb ihre Sro* 
bufte außerhalb ber SetriebSftättcu biefer für ben ganzen Setrieb 
mefentlichen Organe, mit Mitteln fleingem erb lieber £ecßnif 
herfteßen. 

$er ArBeitSmarft im OftoBer läßt aßjährlich in öolge beS 
3urücfftrömenS ber in ber Lanbroirthfcßaft überflüffig gemorbenen 
ArbeitSfräfte in bie Stäbte, ein ftarfes Ueberangebot oon Arbeitern 
auf bem ArbeitSmarfte entftehen. 3)iefe 3 u aahnte ber Arbeit* 
fueßenben geigt fich auch im Bfonat Oftober, obmohl bie gefcßäft* 
liehe Sfonjunftur noch red)t giinftig ift. 3n manchen ^robuftionS* 
groeigen, mie in Eifeniubuftrie unb Moßlenbau, befteht fogar, toie 
mir ber neuefteit Kummer bes „ArbeitSmarfteS" entnehmen, eine 
lebhafte Nachfrage nach Arbeitern. AnbererfeitS ift bie Lage in 
ber ^eytilinbuftne noch immer fo trübe, baß eher ArbeitSfräfte 
frei roerben. Es übermiegt jebenfalls baS Angebot oon ArbeitS* 
fräften, roenn auch ftatiftifcß im Sergleich gunt nämlichen Stonat 
beS SorjahreS bie Lage beS ArbeitSmarfteS im Oftober b. §S. »nt 
ein unbebeutenbeS giinftiger erfcheint. SRacß ben Eraebuiffen ber 
ArbeitsnachroeiSoermaltungen betoarbeu fich im 100 offene Steßeit 
im Oftober 116,5 gegen 117,i im Oftober beS SorjahreS. 3)er 
Anbrang hat an 29 (unb 2 auSlänbifdjen) Orten abgenommen unb 
ait 23 (unb 2 auslänbifchen) Orten 3 ttgenommeu. 

Arbeitslöhne in 83rittf<h*3itBiejt. Shirglicß oeröffentlichte amt» 
liehe $)aten meifen eine roefentliche Steigerung ber Arbeitslöhne in 
ben Snbuftricbetrieben Sritifcß*3nbieitS auf, mährenb fid) bie. lanb* 
mirthfchaftlidjen Arbeitslöhne auf bem bisherigen niebrigen Aioeau 
halten. So fliegen beifpiclSioeife bie Lößne ber Sudjbinber in 
ber StaatSbrucferei in Ealcutta oon 7,27 Rupien im 3aßre 1870 71 
auf 12,6 Rupien im 3aßre 1897/98, jene oon ©robfcßmicben bei 
ben Oriffa*$attälen oott 3 7-2 auf 7 y> Annas pro £ag, unb s }>oft* 
boten in Affam erhielten 1855 monatlich 5 kupiert gegen 12,?5 $Ru* 
pien itn lefcten 3af)re. Sn ben S^ooingftäbten geigen fich ähnliche 
Loßnfteigerungen, namentlich in ben Spiitneteien. Arbeiter in ber 
Bttlitärfcßubfabrif oott Earonpore, bie bis 1890 bloß 12 Bttpien 
monatlich erhielten, roerben jeßt mit 30 SRupien besal)lt. 


^rbeUecbemesuitg. 


Sou Ber SergarBeitcrBeftegmtg, 2)ie ßohnberoegmtg unter beit 
Sergarbeitcrn beS 9fuhrreoicrs fcheiut gu oerflaucit. (Ss ift feine 
rechte Stimmung oorhanbeit, aud; fehlt bie Ginigfeit. ^)er 03e* 
roerfoereitt ber ^riftlid^eu Sergarbeiter oerhält fid) ablehnenb unb 


bezeichnet in feinem Organ ,,^)er Sergfttappe" bie Seroegung als 
„eine Wache", bagu bejtunmt, bem alten fogialbetnofrattfchen Ser« 
battbe mehr Witgliebcr unb 03elb gitguführeit. ^ 2)aS Organ beS 
alten SerbattbeS roieber flagt über ben „Serrath" unb über bie 
„SergmannSgerfplitterung" feitenS beS chriftlichen ^eroerfoereinS. 
£)ie Qorbcruitgen ber Sergleute: gehnprogentige Lohnerhöhung, 
Einführung oon ArbeiterauSfchiiffen auf fämmtltchen ©ruben uitb 
Herangiehung ber Arbeiter gur ©rubettinfpeftion foßett übrigens 
ben 3 e£ h en oerroaltuitgen nodh gar nicht übergeben fein. $>ieS foß 
oielntehr erft nach einer roeiteren Sergarbeitcrocrfantmluug, bie für 
ben 13. b. SttS. nach $)ortmunb auSgefchrieben ift, befd)loffen 
roerben. 2)er übereinftitnmenb berichtete Stängel an „Stimmung" 
ift toohl mit auf bie Schroäche ber Arbeiterorganifationen unb bie 
leeren Waffen, auf bie ©leichgültigfeit in ben f<hlefif.d)en unb 
fä<hfif<hen Äohlenreoieren, foroie auf ben angefiinbigten ge* 
fchloffenen SHberftanb ber 3cfh^aerroaltungen guriiefgufithren. 

Sngroifchett foßen bie ©rubenoerroaftungen im halben« 
burger Seoier (Schleften) ben Sergleuten eine Lohnerhöhung oon 
10% beroißigt haben, angeblich, roeil in le^ter 3eit ber Staugel 
an ArbeitSfräften fortgefefet fühlbarer geroorben fei. Sei ben 
itiebrigett fchlefifchen Löhnen hätten bie Agenten ber rheinifd)*roeft* 
fälifcheit S3erfe ein leichtes Spiel, gahlreidje Sergarbeiterfamilien 
nach bem 9tuhrrcoier gu giehen. Stan fud^e nun ben Abgug burd) 
beffere Löhne eingubämmen. 

Unter ben öfterreichifchen Sergarbeitent hält bie ©ährung 
an, ba bie ©rubenoerroaltungen bie auf Lohnerhöhung unb Herab* 
fejjung ber ArbeitSgeit gerichteten Sorberungen ber Arbeiter oöllig 
ablehnenb behanbeln unb auch bie ^Regierung ber Seroegung ber 
Arbeiter entgegentritt. ES ift ittbeffen bisher roeber in Söhnten, 
noch im mährifch Ä fd)lefifthen SReoier gu AuSftänben gefomnten. 
9teuerbingS finb auch Bergarbeiter ber 3llpinen Sfontangefeß* 
fchaft in SohnSborf (Steiermarf), foroie bie Sergarbeiter ber 
ärarifchen Ouecffilberbergroerfc in Sbria (^rain) mit gforberungen 
nach Lohnerhöhung unb befferer ^Regelung ber ArbeitSgeit hen^or* 
getreten. 3n einer Sorftanbsfthung beS EentraloereinS ber Serg* 
roerfsbefiher OefterreichS ift bie oon ber ^Regierung angeregte $rage 
ber He^abfefeung ber bisherigen gchnftürtbigen ArbeitSgeit auf acht 
Stunben int Sergbau aufs Entfchiebenftc oerneiut roorben. ^er 
Achtftuubentag möge in einzelnen Setriebcu gang gut beftchen 
föntten, feine gefehliche 5Rormirung für ben gefammten Sergbau 
OefterreichS roürbe inbeffett oon unermeßlichem Schaben fein. — Sfit 
biefer Aittroort roirb auch bie gegebene Anregung im Meinte erftieft 
fein, nachbent ber fogialpolitifch fortfchrittlid) gefimtte H an ^elS* 
minifter Dr. Saernreither auS bem Amte gerieben ift. 

3nt Loire*Sedfen (Sraitfreich) oerlaugen bie Sergleute eine 
Lohnerhöhung unb brohen mit bem Ausftanb. ES foß aber noch* 
tnals mit bert Söerfoerroaltungen unterhanbelt roerben. Ein aßge» 
meiner SergarbeiterauSftanb ift faunt gu befürchten, ba bie Serg* 
leute beS SRorbbepartentents unb beS SaffittS $aS be EalaiS, bie 
ttahegu groci drittel ber frangöfifchen Sohlen förbertt, erft unlängft 
im Skge frieblicher Serftänbigung mit ben Unternehmern eine 
Lohnerhöhung erreicht haben. 2)aS Loire*Secfett ift im Serhältniß 
gu ben beibett genannten nur flein. 

3n Belgien foß im Laufe biefcS Stonats roieber ein Serg* 
arbeiterfongreß tagen, um über eine gu erftrebenbe Lohnerhöhung 
Sefdjlttß gu faffen. 

Streifs in ^etitfchlanB ttrährenB BeS OftoBerS. Aach bem 
„ArbcitSmarft" finb int Oftober 31 Streifs in ^eutfchlanb aus* 

I gebrod)en, 5 nteßr als im September, 20 roeniger als im Auguft. 
Abermals oergeid)net baS Saugeroerbe bie größte 3 a ßl (9) ber 
AuSftänbe, hoch h fl ß e ni| r ein Streif in Saargetnünb einen größeren 
Umfang, Sergbau fatnen oor 2, in ber Afetaflinbuftrte 4, im 
^cytilgeioerbe 2, in ber Holsütkaftrie 5, im AahruugSmittel* 
geroerbe 2, in ber SefleibungSiitbuftrie (Sd)uhmad)erei) 3," in ben 
übrigen Snbuftriegroeigen 4. Alle biefe AuSftänbe roareit, mit 
aßeiniger Ausnahme eines Schuhmacherftreifs in Haunooer, oon 
geringer ober gang minimaler Sebeutung. 

! Ans Ber fatbolifdjett ArBeiterBeroegnng in ^entfchlanB. $>cr 

i jüngft in Ejfen abgehaltene oiertc 2)elegirtentag ber fatl)olifd)en Ar* 
l beiteroereine ber Ergbiögefe .Hölu, auf bent 194 8)elegirte 07 Arbeiter* 
j oereine mit 19 000 Aiitgliebern oertraten, hat nach Ablehnung 
! eines Antrags, nur fatholifd)e ©cioerffdiaften gu griiuben, erflärt: 

■ X'ie Silbung oon SerufSoereiueri auf cfjriftlidiev ©ruublage fei 
| brinaeitb nothroenbig gur 'Jörberung ber tuirthfd)aftlid)en 3utereffeu 
1 ber Arbeiter toie and) gur Sidjermtg eines baiternbeu frieMidteu 
SerhältuijfeS unb Scrfeljrs groifcheu Arbeitgebern itnb Arbeit* 
ttehtnern. 3 llL ' Aeubilbung oon ri)riftlid)eit Scrufsoerciueu empfahl 


147 


®o&ia!e $ragi£. Gentralfclatt für Sogialpolittf. 9h:. 6. 


148 


bei' Dclegirtentag bie Bilbnitg oon MomiteS aus beit uerfchiebetten 
Sesirfcn SRfieinlanbS uttb BkftfalettS unter Arbeitern beffeiben 
3 nbufirie 3 roeigeS 311 m 3 roe tf c ba ©riinbiiitg oon BerufSoeretucn 
auf cf^riftlid^er ©ruttblage. — Bian ift überhaupt auf fatI)olif<f)er 
(Seite auf fokalem (Gebiete fcljr rührig. So ift nencrbingS itt ben 
größeren Stabten bcr SRfjetnproDina mit ber Drgatiifatiott faufmämti* 
djer ©ebilfinuen begonnen worben. Sn Möltt mürbe ein Bcrbanb ber 
Lettner unb ©afthofangeftellten auf djriftlidjer ©rttnblage gegrün*. 
bet. Sine Berfammluug beS c^riftlidjsfo^ialen Dei*tilarbeiteroer* i 
banbeS in Aachen hat jiingft eine energifdje SHefolution gegen eine | 
Berfümmerung beS MoalitionSrechteS angenommen unb bie Erroar* 
tuug auSgefprochen, cS möge bie in bem CSrlaffe beS MatfcrS oom 
4. Februar 1890 bem Arbeitcrftanbe jugefidjerte „gefeßltdje ©letdp 
berechtigung" weiter baburd) auSgcftaltet toerben, baß alle ber 
MoalitionS* ober BcrciuiguugSfreiheit entgegenftchenbeu Bcftim* 
tnungeit einzelner Staaten burd) ein allgemeines 9ieid)Sgefcß aufs 
gehoben unb ben BerufSuereinen unb *Berbänbeit bie gefeßliche 
Anerfettnung jugebilligt merbe. Der d)riftlirf)^f o^ialc X orti I a r b eit er * 
uerbattb ooit Aachen*Burt[cheib unb Untgegcnb erfennt barin and) j 
ein wirffatneS Mittel gur Förberung beS fokalen FrkbenS uttb ] 
beS nationalen mie gefefelichen Sinnes in ben Streifen ber beutfehen 
Arbeiterfdjaft. 

Bewegung unter ben ftonfefttonSarbettern. (Sine Btoffenberoegung 
SU (fünften ber Einführung oon BetriebSroerfftätten unb ber rnög* 
lidjfteu Einfdjräufung ber Heimarbeit in ber Monfeftion mirb oom 
Berbanbe beutfdjer Sd)tteiber unb Sdjneiberinnen für baS fommenbe 
Frühjahr uorbereitet. Die im Jahre 1895 in gleicher Dichtung 
cingeleitete Bewegung, bie ju ben ohne roefentlidje Erfolge burd)* 1 
geführten MonfeftionSarbeiterftreifS in Berlin, Stettin unb Breslau j 
führte, fdjeiterte hauptfächÜd) baran, baß bie bcthciligten Heim* \ 
arbeiter, inSbefottbcre auch ein großer Dhcil bcr Arbeiterinnen, ber j 
Abfchaffung ber Hausarbeit im ©ruttbe roiberftrebten. Sic fürch^ | 
teten, mit oer Einführung oon Betriebsroerfftätten ben leßteu SHeft | 
oon Selbftftanbigfeit bem Unternehmer gegenüber ju oerliercn unb | 
baburch, baß fic bann nur für einen Arbeitgeber arbeiten müßten, I 
ftatt mie bisher oft für mehrere, an Berbieuft einsilbigen, Die 
jeßt eingeleitete Agitation will in erfter Linie barauf bebadjt fein, 
bie gegen bie Abfchaffuug ber Hausarbeit in ben Streifen ber Ar* 
beiter felbft herrfdjcnben SBorurtfieilc burd) S&ort unb Schrift 311 
beüimpfen unb bie ber Drgauifation, halb nadj Beruhigung ber 
AuSftänbe, untreu geroorbeuen SJJitglieber miebeijugeminnen, um 
beu Mampf mit AuSficht auf Erfolg oon Aeuem aufnehmen 311 fönucn. 

Ein BärfcrnuSftanb in Berlin mirb ermogeu. Sn einer Ber* 
trauenSmänneroerfammlung ber Bäcfereiarbeiter ber SReidjShaupt* 
ftabt unb ber größeren Drtfchafteu ber Umgegeub ift befd)loffen 
morben, bie Sorberungen bcr Hamburger beider: Abfdjaffmig ooit 
Stoft unb Logis, Bewilligung eines 9KinbeftlohneS unb Betheifiguitg 
an ber Berwaltung ber Arbeitsnachweis aufeunehmeit unb 311 bereu 
Durchführung eine planmäßige Agitation 311 entfalten. Die Bäder* 
meiftcr finb auf eine encrgifdje Abwehr beS brohenben Streifs be* 
badjt. Die bcibeit grollen Innungen befonberS, beren ©efellett* 
auSfchüjfe allcrbingS oon ben Sogialbeinofrateu beherrfeßt werben, 
wollen weber bie Beseitigung an ber Berwaltung bes ArbeitS* 
uachmeifes, nod) bie Abfchaffung oon Moft unb Logis beim Bicifter 
3 ugeftcbcu, aber wegen einer Lohnerhöhung mit fid) rebeit taffen. 
Die ©ehiilfen legen B?ertf) barauf, baß ein etwaiger Streif glcid;* 
3 eitig in Berlin unb ben Bororten auSbricht. s i)tit ber gemerf« 
fihaftlichen Drgaitifation ber Bädereiarbeiter ficht c* ebeufo fihlecht ; 
ans mie mit ber ber 2d)läd)ter. Bon runb 130 000 Bätferei* j 
arbeiten! in Dcutfchlaub finb überhaupt nur etwas über 1 °/ 0 | 
organifirt. Dem l s 85 gegründeten Bädercioerbanb gehörten Enbe , 
o. 3. nur 1635 Biitglieber an. 3n Berlin mürben bei einem all- | 
gemeinen AuSftanb etwa 6000 Arbeiter in Betracht fommen. Die j 
uolle Station mirb hier ben Oiehülfen metft mit l,r ;() < //. pro Dag j 
berechnet. Die ©efellen befdjmeren fid) hauptfäd^tid) über fdjledjte j 
BiohnungSoerhältniffe beim Bieifter unb münfdjeu and) größere j 
llngebuubeuheit. j 

93anarbcitcrfotigrcß in Berlin. Die oor 3ahreofrift oon ge= ! 
merffdiaftlich orgamftrten Bauarbeitern eiugefepte Mommiffion für ! 
Bauarbeiterfd)iitj fjat ben Befd)luß gefaßt, oom 19. btv 21 . Buir,} 1 
1899 in Berlin einen Bauarbeiterfougreß einsnberufen. Eiugelabeit , 
311 bem Mongreß merben fäinrntlidje im Baugewerbe oertretenen 
Arbeiterfategorieu. B>ie befannt, hat bie Mommiffiou, bereu Siß j 
Hamburg ift, fid) ber Aufgabe uutei^ogen, für bie im Baugewerbe 
Befd)äftigteu einen größeren Schuß gegen llnfallgefabr 311 ermirfeu. 
Die DageSorbnnng bes MongreffeS mirb fpäter befannt gegeben i 
werben. I 


^weiter beutfeher SeemannStouave|» Die AgitatiouSfouuuiffiou 
beS SeemanuSoerbaitbeS in Deutfdjlano hat in allen beutfehen See« 
ftäbten Flugblätter oertheilen laffen, in beiten bie Seeleute aufgc* 
forbert merben, 311 beut am 9. Januar 1899 beginneitben 3 toeiten 
beutfdjctt Seeutanusfongrcß' 3 ablreiche Delcgirtc 3 U entfettben. 
Öolgenbe fünfte follett auf bem Kongreß jitr Berathung fommeit: 
1. Die Lage ber Seeleute an Borb unb an Lanb. 2. Die Sec* 
mannsorbnuug. 3. Der ©eridjtsftanb ber Seeleute. 4. Das 
MoalitiouSrecht. 5. Die Arbeiterfd)ußgefeße, Üranfen*, Unfall*, 
Alters* unb Snoalibitätsoerfidjerung. 6 . Der Arbeitsnachweis bqm. 
bie Anheueruitg ber Seeleute. 7. Die Bemannung ber Schiffe. 
8 . Die Jnternationalität ber Seeleute. — Anfchließenb an btefeu 
Mongreß mirb bie erfte ©eiteraloerfammlnng beS SeeutaitnSoer* 
battbeS ftattfinben. — Der 1. ScentaunSfougreß hat am 15. bis 
18. Booetnber in Hautburg getagt (ogl. ),So 3 iale ^rayiS" Vll 
Sp. 197 ff.). 

Beilegung beS BacferflttetfS in Mopenhageu. Jn Mopeubagen haben 
bie Bäder bie Arbeit toieber aufgenommen, iiarfjbcut ein Sdjicbsgeridit, 
in bem amh ber Borfißenbe bes Bcrbaitbes ber oereinigten Mopetibagener 
©ewerffdjnften, ber fordern. Abg. Jeufeu, oertreten in, firii 3iiiSd)liditung 
ber Streitigfeiten bereit ertlärt hat. 


Ärbtiterfitjuti. 


Erhebung über bie Bef^ttffigung berheiratheter grauen in 
^abrtfen. Aus Bayern mirb beruhtet: 

Angcfidjts ber erßeblidjen Zunahme bcr in ber Jnbuftrie befchäf* 
tigteu oerheiratheten Frauen bat bas Btinifienum bes Jnucrn bie Fabrtf* 
unb Wemerbeinfpertoreit beauftragt, ben Umfang, bie Wriiitbe imb bie 
©efabren biefer Beidu'iftiguug, fomie bie möglidjft jwedmäßige Art unb 
B?cife ber Befdiränfung :c. in ben Jabresberiibten 0011 lsuy an bcr 
Haub ber bisher gemaditen c 5 rfabnmgeu im Jufammeubaug 31t erörtern 
unb 311 bieiem Jwccfe mit ben Borftänben unb Aer3ten ber Mranfeit* 
faffen ins Benelmten 31t treten. r 3ugleid) bat bas Btinifterum für bie 
nädifte Jal)iestoiifereii3 ber Fabrif* unb ©emerbeittfprftomt eine Be» 
fpredmng ber (irbelmngen unb ber Berarbeitnng bes einfddägigen Bia« 
terials in Ansfidit genommen. 

Boahrfcheinlid) banbeit cS fid) hier ntn Erhebungen, bie für 
baS gatt 36 SHeid) angeftcllt merben. Denn ber 9icid)Stag hat ittt 
Jamtar 1898 auf Antrag bei* EentrnmSpartei mit großer BcYl)rl)eit 
eine Befolutiou augeuomtueu, ber Beidjsfausler möge bic ©etoerbe* 
auffid)tsbeamteu 3 U einer eingehcnbercn Beriditerftattnng über bie 
Befd)äftigung ocrhcirathctcr Ara nett in Jab rifen aufforbertt. DiefeS 
fo gerooititeue Biaterial foll bauit als Unterlage 31 t weiterem Bor* 
gehen biettett. Der Staatsfefretär beS Jnnern hat bie Erfüllung 
biefes Biunfdjes am 21. Januar biefcs Jahres iit AuSficht geftellt. 
Blie attS ber in Bayern ergangenen Attmeifttttg erhellt, mirb biefe 
3 ufage gegenwärtig erfüllt. — 9cad) ber Berufs 3 äblung 001 t 1895 
waren in ber Jnbtiftrie 1 044 962 weibliche ^erfüllen tljätig (1882: 
583 850), baoott waren 140 804 oerbeiratbete Frauen (14o/ 0 bcr 
Arbeiterinnen), bie tneiftenS in ber ©roßinbuftrie befd)äftiat waren. 
Jtn Jahre 1875 murbett 81 233, 1890: 130 079 oeryeirathete 
Frauen in Fabrifett ge^äljlt. 

Das 3 ünbhüf$d)en(]efch itt bcr Schweif. 9?ad)bctn ber National* 
rath am 15. Juni b. Js. bie unterm 23. 9?ooetttbcr 1897 eingc* 
gangeuc BurtbeSrathSoorlage betr. bie Jyabrifation unb ben Ber* 
trieb ooit 3 üuM)öl 3 chen mit fleittett Aenbeutugett angenommen 
hatte, ift ihr jeßt am 26. Dftober aud) bei* Stänberatl) beigetreten, 
unb 3 tuai* unter Bornahme einiger Bcrbeffernttgen. Der Juhalt 
beS ©efeßes ift fitr^ folgettber: 

Die .berftellung oon Aainbböl^ern Darf mir in fohben Aäumett bc= 
trieben merben, bie ausidilicßlidi biefer Fabrifation bienen. Die Bc= 
triebe imterfteben ohne Aitdfidjt auf bic Arbciter3al)l imb bie (Mröße bes 
Betriebes bem Fabrifgefeß. Jur l 5 röffmmg eines Betriebes bebarf es 
ber Jufttmmimg ber Maiitonsrcgterimg imb bes Bmibesratl)es. Diefer 
bat bie Bebiitgungeu arnjiiftelleii, bie mit Aiicffüht auf bic Alefnubhctt 
imb Sicherheit ber Arbeiter mie bes ^nblitimis erforberlicft finb. Die 
Fabrifation, Einfuhr imb Ausfuhr imb ber Berfauf 0011 Jimbböl3d)eu 
mit gelbem Phosphor finb oerboten. Die Einfuhr oon gelbem Bhos* 
phor iit nur für uüifeiifdmfttidie, pbarma^eutifdie unb für fohhe gefutib* 
iteitlidt unidjäblidje Jmecfe lU'üattet, für bie ber Bnnbesratl) eine bc* 
foubere Bewilligung ertbeilt hat. Den mit ber Ucbcrwndmtig ber Jiinb* 
bbEdunifabrifen betrauten Beamten ift feber^eit ber Jutritt in alle 
Atuime geitattet, mm beueu mit f'inmb uermutliet werben famt, baß fic 
ber Fabritatiou oon Jtimbwaaren bienen. Xie Borlage ermäditigt ben 
Bunbesrntb, me^epte, bie iid) im Einblid auf bie ('»efimbheit imb 2id)er= 
heit ber Arbeiter unb bes 'publifiiius gä'113 befoubers empfehlen, 31t er* 
werben unb ben Fahrifanteu 311 r Bcnüguu$ 31t [teilen. Unter ben 
Z traten ift midi bie Eutüduiriii ber Fabritatiousbewilligimg oorgefehen, 
bie auf Antrag bes Fabrifinfpcttors oon ber .stantonsregierimg oerfitgt 
werben fann; ber Buuöesratlj ift Acfursbeljörbe. 



149 


©ojiale Sprajis. Gentralblatt für ©ojiolpolitif. SRt. 6. 


150 


Am 2. Booember war oöHige Bereinbatung über ben Gntwurf 
gtüifcfjen National* unb 6tänberatp ergiett. Das Gefep unterliegt 
jept nur no<p ber jßuBIifation im BunbeSblatt unb ber BeferenbumS* 
frift, um in Hraft $u treten. Der „Bunb" fepreibt Dazu: „Gs 
erfdpeint niept als befottberS ma^rfrfieinlicf), bap baS Beferenbutn 
bagegett ergriffen werben roirb. Die burep baS Gefep unoenncib* 
licperroeife in ihrer bisherigen GrmerbStpätigfeit benad^t^eiligteu 
Streife bilben eine zu wenig zahlreiche Gruppe, um eine politifc^e 
Aftion roirffam unternehmen unb burcpfüpren zu föitnen. Anberer* 
feits ftehen Qntereffen ber BolfSgefunbpeit auf bem 0picle, bie bei 
einer Abftimmung [o ferner ins Gewicht fallen mürben, bap bas 
GrgebniS fautn zweifelhaft fein biirfte." 

£aubclSgetoerbeinfpeftion in Bonbon. Das Public Control 
Committee beS £oitboner GraffchaftSratpeS beantragt eine wefent* 
Iid^e Bermeprung ber 3 a h^ Ber ßonboner gnfpeftoren unter ber 
Shop Hours Act. Gin non biefem AuSfdpuffe erstatteter Söericfjt 
giebt an, bap fuh in fionboit ungefähr 21 000 £äben befänben, 
in welchen junge ßeute befcfjäftigt feien, unb in 80% banon 
hanbele eS fid; um fiaufburfdpen; % ber übrigen 4 000 Säben 
befepäftigen Knaben, Vs befdpäfligt Btäbcpen im fabelt. Der Be* 
rid;t nerlangt bie Aufteilung non fedps gnfpeftoren unb brei gn* 
fpeftorinnen. — Der fionboner GraffcpaftSratp pat fiep in feiner 
0ipung nom 18. Dftober für einige wefentlid^e Abänderungen ber 
Shop Hours Act auSgefprocheit, bie gleid; falls eine fchärfere gn* 
fpeftion nothwetibig maepen würben, falls fie GefepeSfraft erlangen. 

Berichtigung« 3« bem Artifel „Die Sage ber weiblichen unb 
jugeitblichen 3^9^iarbeiter :c." 0palte 117, 26. 3eile non unten, 
ntup eS ftatt „3000 3«geleien in Deutfcplanb" 8000 3iegeleien 
peipen. 


JCrbcitcnJcrfldjenrng. Sparhufjea. 


Hranfettfürforgc unb gntialibenPerfichernngSeuittmrf« 

Die BooeHe zum gnoalibitäts* unb AlterSoerficperuugSgefep, 
bie gegenwärtig bem BunbeSratt; norliegt, ift zwar ber Seffent«* 
Ucpfeit noch nicht übergeben, bod; finb itjrc mefentlichften Beftim* 
mungeu, wie cS fepeint, nunmehr fo weit befannt geworben, bap 
eine Beurteilung beS Entwurfes angängig ift. Bon faepoerftän* 
biger geber fiitb feine GruitbAiige fcpoit in Br. 4 ber 0ozialen 
^Srayis in gutreffenber BSeife Der Grörterung unterzogen worben. 
Gs erübrigt fidf) beSpalb, auf biefe Ausführungen fyier nochmals 
zurüefzufommen. Bur in einem fünfte, beffen Regelung ebenfo 
für baS B*opl ber Berfid;erten wie für bie gefd;äftlid;e Gntwicfelung 
ber BerficperuugSanftalten non h^h^ Bebeuhtng ift, möchte ich 
mir einige ergänzenbe Bemerfuitgen geftatten — z u ber grage ber 
llebernahme beS .fjeitoerfaprens gemäf 3 12 beS GefepeS nom 
22.3unil889. " 

0oniel bie Btittpeiliingen ber DageSpreffe erlernten taffen, 
foHeit zur Decfuncj ber Beträge ber Altersrenten unb ber Grunb* 
betröge ber Jgnoalibenrenten % beS jeber Anftalt gepörenben Ber* 
ntögettS unb ihrer Beiträge zu einem neu zu bilbenben Gemein« 
nermögen buchmäßig auSgefchieben werben, wäpretib für ben 
übrigen ber Anftalt Obliegenheit Aufwanb ber Beft beS Vermögens 
unb ber Beiträge als 0onberpennögen beftimmt wirb. Aus biefem 
leptereu fallen, wie ausbrücflicp peroorgehoben wirb, neben beit 
0tcigerungSbeirägen ber gnualibenrenten bie Soften beS £>eilocr* 
faprenS beftritten werben. 

Gegen bie Ueberweifung ber ^eilfoften an bas 0onberoer* 
mögen erheben fidh jeboep fcpwere Bebenfen. gür bie Berficperten 
würbe bamit ficpcrlicp feilt Bortpeil nerbunben fein unb aud; bie 
einheitlichere Durchführung ber Mranfeitfürforge würbe baburep 
ltidpt gewinnen. Bocp mehr als bisher würbe für ben Umfang 
ber oon ben Anftalten aitzuorbneitben ärzllidjen Bepanblung bie 
Jpöhe beS ihnen gepörenben 0onberoermögeitS beftimntenb werben. 
Aber ber jept oorhaitbene 9?cig zur Ausübung einer inöglidhft 
rationellen £>eilpflege würbe iiad) Annahme bes Gutwurfs in ber 
Bieprzapl ber gälte erlöfcheit. Das geigt eine GegenüberfteHung 
beiber SBeftintmungeit. 

Unter ber ^errfepaft beS gelten beit GefepeS pflegt wegen ber 
ber barin ftatuirten ^ertheilung ber SRentenlafi nad) s i)iapgabe ber 
einem SSerftdjerungSträger gugefloffeneii SD?arfenbeiträge berjeitige 
bie §eilfoften zu übernehmen, "ber hofft, bafj ipin bu'rd) eine er^* 
folgreicpe Hur feines Pfleglings bie Pelafhutg mit Stentenanthcilcn 
erfpart bleibt. Dicfc praris bietet einerfeits ben ^ortpcil, bafz 
aus bem 5Ü?arfeitinhalt ber GuithmgSfarten nteift biejeuige Au« 
ftalt erfichtlidj ift, bie z»r Pewilliguug ber mit einer ärgtlidjeu 
Pehattblung oerbitttbettcu Ausgaben fid; gegebenen galls bereit 


erflären wirb, anbererfeits finb baburdh aber auch ben Anftalten 
bie Grenzen gemiefen, bie fie auf bem Gebiete ber Hranfenfürforge 
beobachten fouen; benn bei Uebernahme ber ©eilfoften ift ftets bte 
ZU erwartenbe SRentenerfparnif} ins Auge zu faffen. 

9ia<h bem Snfrafttreten beS GntwurfS wirb baS anberS 
werben. Gin Gompelle zur Anorbnung ber ärztlichen Pflege, wie 
es jept in ber AuSficpt auf SRentenerfparnip enthalten ift, wtrb nur 
noch in wenigen gälten gegeben fein. $ur noch bann wirb fpäter 
titte Anftalt an bem AuSgange ber §eilbef)anblung ein finanzielles 
3>ntereffe hüben, wenn fie als bie für bie SRentenbewilligung zu* 
ftänbige 0teHe bie 0teigerungSbeträge ber gnoalibenreitte aus 
ihrem 0onberoermögen ju becfeit pubeit würbe, burdp ein mit 
Grfolg burdhgefüprteS ^etloerfapren aber biefe Ausgabe erfpareit 
fönnte. Da bie 0teigerungSfäpe in ber SiooeHe jeboep ganz 
wefcntlicp h cra b0 c f e fel worben ftttb (2, 3, 4, 5 unb 6 Pf.), fo 
wirb bie möglicperweife eintretenbe Gntlaftung für bie ginanzen 
ber Anftalt wopl feine erpeblicpe 23ebeutung puben. gn allen 
gälten aber, wo GrwerbSunfäpigfeit noep gar niept oorliegt — 
unb meift eignen fidh gerabe biefe befonberS für bie ärztliche Pe* 
panbluttg —, würbe ein fpezieltes gntereffe ber einzelnen Anftalt 
Zur Uebernahme ber Pflegefoften überhaupt niept mepr oorliegcit, 
benn bei folcpem Dpatbeftanb ftept zur 3 e ü ber Antragfteüung ja 
nodp gar niept feft, wer einft für bie Bewilligung ber 9tentc zu* 
ftänbig werben unb banaep bie 0teigerungSbeträge zu übernehmen 
paben wirb. 

3n folgen gälten wirb ttaep Sufrafttreten beS GntwurfS für 
ben um Uebernahme beS §eiIoerfaprens S^acpfucpenben gemiffer* 
mafien ein Bacuum an zuftanbigen Anftalten entftepen, benn mit 
SUicfficpt auf ipre SRittel, bie naep ber Forelle in noep pöperem 3Rafie 
in Anfprucp genommen werben follcn, wirb, fofern niept eine ganz 
fieper günftige Progttofe eröffnet ift, ben Gefucpftelter eine AnftaU 
an bie anbere oerwetfen, fo wie eS jept fepon gefepiept, wenn SÄarfen 
oerfepiebener Bezirfe in ungefähr gleicher Aitzapl für ben Antrag* 
fteUer oerwenbet fiitb unb beSpalb feine Anftalt ipre 3uftäitbigfeit 
anerfettnen will. 

Gs liegt auf ber .sjunb, bap barunter namentlich bie finngen* 
franfeit ßit leiben pubeit würben, beim biefe befinben fid; in ccm 
3eitpunfte, wo bie ärztlicpe Bepanblnng itod; AuSficpt auf Grfolg 
bietet, nämlicp in ben Attfangsftabien ber Hranfpeit, meift noep 
niept im 3uftanbe ber GrwerbSunfäpigfeit. 

Um biefer $ecptSunfid;erheit, wenn man eS fo nennen foll, 
reddzeitig oorzttbeugett, mup ftatt beS jept oorpanbenett, itt 3ufunft 
aber wegfallenben finanziellen Sutereffe.S bie 3 u ftänbigfeit einer 
Anftalt zur Giitleitung beS £>äh>erfahrens burep gefeplicpett 3maitg 
beftimmt werben. Bor allen Dingen ift es ein briitgenbeS Be* 
bürfnip, bap in ben Gutwurf eine Borfd;rift aufgenontnteit wirb, 
worin biejeniae BerficperungSanftalt genau bezeichnet ift, bie ge* 
palten fein fou, in eine facplicpe Prüfung beS Antrags auf Ueber* 
nähme ber ,f>eilfoften einzutreten. Ainp im Hraitfenfaffengefep werben 
bie Berfidjerten über bie zuftätibige 0telle niept im 3meifel gelaffcn, 
bei ber fie ipre Attfpriicpe geltcnb zu maepen paben, unb auf alle 
gälte wirb ipneit bort beim Borpanbenfein ber gefeplicpen BorauS* 
fepungeit baS itn Gefep oorgefepriebene Btinbeftinap ber 3umen* 
bungen gewäprt. 

Die Hranfenfürforge ber BerficperungSanftalteu pat bereits 
einen fold;en Umfang angenommen unb für bie oerficperungSpflid;* 
tige Beoötferung eine fo pope Bebeutuitg erlangt, bap mit bem Aus* 
bau ber bariiber im Gefep enthaltenen Bestimmungen niept länger 
gezögert werben barf. 

2Bie wir fepen, wirb nur noep itt wenigen gälten baS Gr* 
gebitip beS .^eiloerfapreuS zu einer Grfparnip für biejenige Anftalt 
fiipren, bie fid; zur Ueberttal;me ber Höften bereit erflärt pat. Gs 
würbe alfo als golge beS 3ufrafttretenS ber Gntwurfsbeftim* 
tnungen in ber 9fegel baS .f)ciloerfapren oon ben 0ouberiutereffen 
ber einzelnen Anftalten losgelöft werben unb bamit aufhören, bereit 
0ouberangelegenpeit zu bilben. Die Iogifd;e Honfcqucnz baoon 
würbe, bie fein, bap fämmtlicpe .peilfoften als Gkmeiulaft z» bc* 
traepten unb aus bem Getneiuoerinögeu z 11 beglcicpeu wären. 
Daraus würben beit Berficperten zweifellos grope Bortpeile er* 
wacpfeit unb gleid;zeitig eine einheitlichere, glcicpe Gruubfäpe beob* 
aepteube ^cilfiirforge ermöglicht werben. 

0 obalb jeber Auftaltsoorftanb beftrebt fein wirb, mir folcpe 
gälte als geeignet ,jnm Meiloerfapren auszuwäpleu, in beneii nadi 
gewiffenpafter, forgfainer Prüfung ber Teilerfolg zu erwarten ftelit, 
bann liegt aud; fein Grmtb zur Beforguip oor, bap ein weites 
.^erz unb eine zu grope Taub bem Genieinoerinögen gefalulid) 
werben fönnten. Blit bemfelbeu ^ledite, mit bem ber Gut warf bie 
.VHiuptlaftcn ber Beuten bem Geuteinoermögen zngewiefen pat, 



151 


«Sojiale $ra£t$. Eerttralblatt für Sozialpolitik Br. 6. 


152 


tann man audj bic Soften ber Mranfenfürforge auf biefeS Kapitel 
überfragen, X>enn jene Saften finb, roie jeber, ber einige 3 e ^ an 
ber Beittenbcroilligung mitgemirft bat, mir zugeben roirb, maßr* 
ßafttg faft ebenfo arbiträrer Waiur, als bie burtb llebernabnte beS 
.£etloerfaf)retiS oeranlaßten Ausgaben. 

Berlin. ©. o. BHßleben. 

Bbleßtmng ber ßwawgSfronfenberfußcrmtg für Maufleute tu 
UtagbeBurg* X)ie Stabtocrorbnetcn genehmigten am 27. Dftober 
ein DrtSftatut, monad) §. 1 bes MranfeuoerfidjeruttgSgefeßeS auf 
alle Bebienfteteit ber Stabt 9)?agbeburg mit BuSnaßme ber ftäbti* 
fdjett Beamten unb geuerroebrmannfdjafteit unb auf felbftänbiae 
fiauSgemerbetreibenbe erftreeft roirb, unb atnar aueß für ben ^au, 
baß fie bie Boß* unb gmlfsftoffe felbft beftßaffeit, fomie enblid) 
auf bie in ber ßanb* unb fyorftmirtbfcbaft befc^äftigten Arbeiter 
unb Betriebsbeamten; bagegen lehnten fie mit 32 gegen 21 Stimmen 
bie Einbeziehung ber £>anblitngSgeßiilfcn unb *ßeßrlittge in bic 
3roaitgSfranFcnoerficßening ab. Bezeicßnenb für ben antifozialen 
©eift, ber leiber noch oielfadj in ben preußifeßen ©emeinbeoertre* 
tungen ßerrfeßt, finb einige ©rüubc ber 5£iberfad)er biefer SSer* 
ficherung. Bacß ber „Btagbeb. 3ritung" marute ber Stabtoerorbnetc 
Dr. Stern 3 . B. „oor bent Eingreifen in bie Selbftänbigfeit eines 
Berufes, namentlich menn es fi<ß um Faufmämtifd) oollftänbig aus* 
gebildete Berföulicßfciten huubcle... X)ttrcß bie 3 u)angSoerfid)eruug 
mürbe bei ben jungen Seuten eutfeßieben bie BHbcrftaitbSfraft gegen 
leichte Unpäßlich feiten gefcbmächt; fie mürben bei jebent Uttrooßlfein 
geneigt fein, fteß franf 311 melbett, unb bie Berficßerung märe für 
lic ein Anreiz, oon ber bisher geübten Selbftbehcrrfchung abzugeßen ... 
Es fei fein X)ünfel ober 3 unft 3 mang ober 3opf, baß bie Maufleute 
nicht mit ben Arbeitern ihrer ©cfdjafte in einer itaffe unb in Ber* 
fammlungeu zufammen fein roollien." — &ie ©egiter biefer Ber* 
ficherung fonnten fid) auf baS ablehnenbe ©utachten ber Sleltcften 
ber Biagbeburgcr M'auftnannfdjaft — im ©egenfaß 3 . 33. 311 ber 
Stellung ber Berliner Manfmannfcßaft — unb bes Mauftnätinifcßen 
BereittS ftüßen, oon beffen 906 Bcitgliebern 598 felbftänbigc Mauf* 
lente unb 67 ^rofuriften unb nur 241 ,£>aitbIimgSgeßülfen finb. 
ES half nichts, baß bie BtagiftratSoorlagc auf bic erhebliche 3aßl 
oon Stäbten — jeßt 117, barunter oiele größere $anbelsftäbte — 
hittmieS, bie bereits ortsftatutarifd) bie gcfeßlnße MrduFcuucrfid)crung 
auf alle §aublungSgel)ülfen mit einem niedrigeren Foß^Sgeßalt 
als 2000 Jt auSgcbeßnt haben, baß fie ttadjroieS, mic oon ben 
6152 männlichen .fmnblungSgeßülfen SBagbeburgS nur 1371 oer* 
fießert finb 2 c.; biefe Angabe, roie baS fonftige ftatiftifeße ÜJtaterial 
beS BkgiftratS mürben in ber Erörterung Faum geftreift, nein, mit 
bialeftifcßer ©efeßief ließ Feit mürbe, foroeit ber 3 ritungsbericßt erfennen 
läßt, ber Streitpunkt baßin oerfeßoben, als fteße nid)t bie BfagiftratS* 
oorlage zur Berßanblung, foitberit als gelte es, bie prio'ate Sin* 
fießt beS Stabtoerorbneten Sombart, bes §auptocrtßcibigerS ber 
Btagiftratsuorlagc in ber Berfamtnlnug, 31 t Salle zu bringen. $crt 
Sombart hatte, oon ben genannten ©rüttben abgefeßen, mit Becßt 
betont, baß ber [acßUd) nießt begrünbete BMberfprucß ber beiben 
genannten faufmännifdjen Mörperfeßafteit liicßts bemeife, ba fie ganz 
ober ßauptfädjlid) ans EßefS beftäuben, bie nießt fo fadjoerftänbig 
feien, mie bie £>anbliingSgeßülfeii felbft. bie, mic 3 . B. biejenigen 
beS großen leipziger* BcroinS, fieß für ben BerficßerungSzmdng 
aitsfpräcßett. X)aS ^ufammenfeiu mit ben fonft in Faufmdnnifdjen 
©efcßäften augeftellteu Seuteu in einer Maffe merbe ben jungen 
Maufleuten 3 uträglid) fein, bamit fid) bie Mlaffeuoorurtheile oer* 
flüdjtigeit. X)ie ganze fo^iale ©efeßgebutig beruße auf 3 ra ang, 
1111 b ber merbe aueß für bie jungen Stauf lente [eßr ßeilfam fein. 
Senn ftubirte Ingenieure mit ©eßältcrn unter 2000 , tf in Tvabrif^ 
betrieben oßne BJurreu ben 3u)angSfaffeu angehörten, fo fönnten 
es junge Maufleute aud), bie zumeift bod) nur baS Einjährig* 
>vreimiliigcu=Ejamen gemadjt hätten. 2)ie jungen Mauflente bezögen 
tßeilmeife nur 75 ,1(, Seiber fanben biefe guten ©riiitbe taube 
C-ßren bei ber Bteßrheit. 

SHiScefleti z«r Mrrtttfcnöerfidicntitfl. Xie freie Bereinigung habt f die v 
Crtcf^ Betriebs* unb l onnuugS*Mranfcnfaiieu Deid'jloß auf iljrer öleueral* 
uerfnmmlung 311 Babcn*Baben Eubc Sftobcr, an bic babifdie Regierung 
megeu ber Berfcbiebenartigfcit ber ?lusleguiigeu bes.vtraufeuüernd)errjngs= 
C'iefeßes bas Erhüben 311 ruhten, fie möge bei ber 9 tcid)sregicrung bie 
Erriditung eines Beiriisamtes als Ijödcfteit ('Jeridjtsljofes für bie 
aus bem Mraufouücr]id)cruugs=<'>efebe eutftelieuben Xtreitigteiteu be* 
antrageu. Xcr Borftaub ber Berfidierungsauftalt Baben erf[arte 
Zug leid) b i e 'H11 s b e l) u u u g b e r 11 n t e r ft ii ß 11111| # p fl t di i 0 0 it I :> a u f 
2ii Soeben für nüinfihencmertl) im 'Mnldjlitf; au bie neue Beftiiimtuug 
ber Beifieüerungsnoucde, mouaefi bie oiioalibeurcute bereits nadi i 
2U Bnuheu ?lrbeitsunfnliigfeit aus bezahlt merbcir fall. - - Xie Eciitrg-- 
lifiruug ber £ rtstranfeutaffen Berlins ift am Biiberfpritdie 1 


einer größeren 3^ßl leiftungsfäßigcr Maffen gefeßeitert. Xie 3 ur Be* 
ralfjung biefer ^ragc eingefeßte Mommiffion fpraeß fieß aber gnmbfäßlidj 
für bic 3 u f atn mcnleguiifl aus. Ein ?lgitatious!oniite mitt bie ^lugc* 
legenheit mciter betreiben. 

Sranfett* unb Unfadoerftc^c rung in ber Scßtteiz» S^acßbem bie 
eibgenöffifeßen 9tätßc bie Borlagen in ber gegenroärtigen Sefhon 
materiell zu Enbe beratßen ßaben, erübrigt noeß bie rebaftionelle 
Bereinigung bureß bie aus Biitgliebern beiber 9tätße befteßenbe 
SRebaftionSfommiffion. Seßtere mirb ben bereinigten Xejt in ber 
©ezeuiberfeffion oorlegeit unb zroar foflen alle Borlagen ein 
einziges ©efeß bilben unter bem Xitel „Bunbesgefeß, betrcffciib bie 
Mranfen* unb llnfalloerficßerung mit Eirtfcßlnß ber Biilitäroerficßc* 
ritttg". X)ann ßaben beibe Sflätße bic ©cneralabftimmung über 
biefes ©efeß oorzuneßiiten, fo baß bie ^ßublifation im „BunbeS* 
blatt" Btitte Dezember erfolgen fönnte unb bann bie breimoitat* 
ließe 9teferenbumSfrift beginnen mürbe. X)ie BoIfSabftimmung 
fönnte, fo bemerft ber Berner „Buub", Enbe 2lpril ftattfinben, 
meint bie erforbcrlicßen 30 000 Unterfcßriften zufautmeitfommen. 


MlotjnungsttJffni. 

X)ie BtahtmttgSnoth ttt ^ranffart a/Bf* mtb baS Borgeßen bes 
tJraitffurter BfietßerPeretnS. 

granffurt a/3Ä. befißt eine Beiße alter Stabttßeile, betten cS 
in ßoßetn ©rabe att ßießt nnb Suft fehlt ttttb bereit B5oßitungS* 
oerßältniffc überaus fd)lccßt finb. X)er Aufgabe, biefe Berßältntffe 
gebiißrenb aufzuberfen nnb eine Bewegung 31 t ©unflott einer Be* 
form berfelben fomie ber frankfurter SöoßunitgSoerßältniffc über* 
ßaupt einzuleiten, ßat fid) jeßt ber 5 ranffitrtcr Bcietßeroereitt unter* 
Zogen. Qm oergattgenen .f)erbft nttb BSiitter ßat er 215 ber 
fd)lecßte)ten BJoßnungcn ber Stabt, bie ganz oormiegenb in ben 
crmäßnteit alten Stabttßeilen liegen, genau nadß einem forgfältig 
angelegten Fragebogen uttterfueßen utto auSmcffett taffen. Xte Er* 
gebniffe fomie bie Daran geknüpften Forbcrungett für bic Beform 
ber Franffurtcr B^oßitungsoerßältniffe überhaupt, finb knrglidß in 
einer 54 Seiten ftarfen Brofcßüre, betitelt „X>aS B:oßnungSelenb 
unb feine Slbßülfe in FrflttFfurt aßl“, erfd)iencit.*) Waffen mir 
ben fecßflen 3lbfcßititt ber Brofcßüre, „3ufammenfaffung ber bis* 
ßerigeit Ergcbuiffe\ felber rebett. Es ßeißt ba: 

„Es banbeit fid) insgefammt um 215, faft bunßmcg in alten 
•vmuferit gelegene 'JBoßmmgcn, ooit beucn fieß 18 U in ber tttnent 3 tabt, 
namenüid] Sütftabt unb bem tnneni Sadifcnßaufen, bagegen nur 25 in 
?Üt=Bornl)eim unb 4 in ber ©cniarfuug befiitben. Xie 3 ^ßl bei* Be* 
mobiler beträgt 1<>70, oon betten 55S Eruuußfene uitb 518 Älttber finb. 
Batiirltcß iibermiegen bei ben Mmtsliaüuugsuorftänben bie Xagelößner 
u. bergt./ aber ein Xrittcf unb uiclleidjt nodj meßr finb bod) gelcnttc 
Arbeiter. Xie .v>auptiibelftänbe, mcldjc bie B>ol)uimgen aufmetfen, fmb 
einmal eine litigebeure lleberfülhmg, mtb 311111 nnbern fdjmere bngientfeße 
Mängel ber Bidbmmgcii an ftd); cublicß bie ßoßm Btictbpreifr. Bur 
09 oon ben 215 Biolmmigen beließen aus 3 unb meßr Bäumen/ ein* 
feßließlid) ber Miidjeu, mir in ben in, meldic aus 4 unb 5 Bäumen 
beftebeu, fniitcn auf einen Baum burdifdjtiittlid) meniger als 2 Bcmoßner; 
in ben 54 Eiiiraummobmittgeu kanten fogar naßez» 4 Bcmofmcr auf 
ben Bautu. '\it jmet Xrittelu ber Fälle bient ber 311111 Sd)lafeu bemtßte 
Baum noiß 311 einem au bereit •Eaitptzmecfe, barunter 45 mal 3itgleid) als 
Biofmvaitnt itnb .Uüdie unb 5 meiterr 70t ale außer 311 biefe» beiben 
3 merfeit and) nod) z» gemerblicßcr Bemtßimg. F» Bezug auf ben 
Luftraum pro ^erfon in ber ganzen B>oßnuug finb gcnügrnb nur 
20 Bioßuimgen, allenfalls nod) erträglid) meitere 27 ; alle übrigen mit 
sl °/o bei* gefammten 'Bcmoßitcrfdjaft bieten oöllig iiitgenügciibe 2uft* 
raumuerljälluifie. Xaruutcr finb 9 BJolmuiigeu mit 54 s ßerfoncit, meldje 
ihren Fnfai)en fogar per Mopf nidjt ciuntaf 5 ehm £uft bieten. Ebenfo 
fd)led)t ober nod) fdilediter fiebt es bei ben Sdjlafräuincti aus: 80% 
oon ibitcu hielten fid) unter bem lingieitifdieu Bfitibeftmaß an Luftraum 
pro ^crfoit, in 55 oon ihnen mit 95 Erioadjfetien unb 163 Zttttbern 
mnren fogar pro .stopf uidit einmal 5 cbm oorhaubcu. Unb habet be* 

! ftchcit bie Bemoßner biefer fo überfüllten Biohmingcn nodj utd)t einmal 
aiisfrijließlid) aus Familieumitgliebern. ln ber 92 Fmciraumiooßmntgett 
1 unb faft bie Hälfte ber BJobnungeu mit brei unb mehr Bäumen be* 
herbergt außer ber Familie bes .Eausbaltiiugsoorftaubes nod) Mitunter* 

1 mieter uub Xdilafleute, nttb es ftellt fid) babei heraus, baß bie hier in 
j Fvaitffurt geltenbc Bolizeioerorbniiug über bas Xdilaffiefleitioefen großen* 
theils 11 id)t biirdjgefübrt ift. 

('leben mir nun über z» ben Biängelu ber B^obniiitgeii an fid), 

| abgefelieu oon ber lleberfüllnng. Ein Xrittel ber Bäume ift uugciiügeub 
I beleuchtet, über bie .'ballte feucht ober baufällig ober betbeS zufamineu; 

1 ganz fdiledjt finb bie Bbtrittsoerbältuifie. F» mehr als :? ,4 ber B?oh= 
niingeu finb mehr als zmei B^rteieu auf einen Abtritt angeioiefen unb 
in einer Beibe einzelner Falle fteigevt fid) bie ;|ahl ber einen mtb ben* 

) ;\n beziehen gegen 5 n F 00m Fra 11 tfurler Btietberoerein, Franf* 
Hirt a. Bi., Bene Feii 5 ; >. 




153 


Sogtale $rajt$. Eentralblatt für Sogialpoltttf. 9tr. 6. 


154 


fcC6en Abtritt Sefudjenben bis auf bie fdjier unglaublichen Wahlen oon 
30, 50 uub 80 ^erfonen! — llnreinlidjfeit, Seritopfung, üble Ctfcrüd)e 
oon ben Abtritten merben mehrfach gcmelbet, uitb im (langen faitn nicht 
begmeifelt merben, baß biefe HbtrittSuerhälttiiffe eine fdjmere WefunbheitS* 
gefabr hüben. ®atig ßhledjt fteht es audj in Segug auf bie Stebenräume. 
fteUer nnb Soben mar nur in 39 gärten oorbanben, bagegen fetten 
ntinbeftenS 70 Bohnungen — ein drittel ber ©efammtgahl — überhaupt 
gar feinen Siebenraum. 9tn Bafdjfiichen fcTjlt es fo gut wie gang, unb 
aud) befoitberc Trotfcnräumc fmb fe^r feiten. Weniger gu Klagen Ser* 
anlaffung geben bie Gaffer* unb .freigungsoerhältniffe; ieboth fehlt e$ 
auch hier nicht au cingelnen 3Kängeln. 3n 13 fallen ift überhaupt 
fein Bafferhahn im gangen £>aufe, auch nicht im ftofe, uub bie Defen 
beigen öfter« fdjlecht ober rauchen. 

3nt (Sangen geigen bie 215 Wohnungen, auch abgefchen uott ber 
UeberfüHung, einen folchen (Srab hpgimifcher SKangelijaftigfeit, bah 
getotß oiele ooit ihnen eigentlich für unbenufcbar, anberc erft nach 
mefentlidjcn Umättberungen für braudjbar erflärt merben müßten, unb 
vielleicht nicht eine eingige nicht roenigftens irgenbmie emftlich gu bean* 
ftanben märe. 

$iefc hPßicnifche JKangelhaftigfeit ^ängt gum Xheil gufammen mit 
ber meitgebenben, rücfftchtSlofen 3ertheilung älterer größerer Bohnungen 
in fleinere in biefen Vierteln. E« fteht feft, bah in ben alten Vierteln, 
in melden bie unterfuditen 'Bohnungen liegen, in früheren oialiren eine 
folche gertheilung meitgehettb ftattgefunben hat unb baß biefe 3er* 
theilung erft feit einigen fahren einer gemtffen behörblidjen ftontroüe 
unterworfen morben ift. So fmb Stäuntc, bie urfprünglidj gar nidjt 
gur 3ertheilung ober menigften« uidjt gu ftamiliemooljmmgen beftimmt 
waren, gu folchen gemacht morben, unb fo mirb man fid) namentlid) 
auch bie (Sntftcl)ung beS entfebüdjen äflangcls an Abtritten unb Sieben* 
räumen gu erflären hoben. TarauS geht aber aud) heroor, bah gerabe 
biefer Mangel meit über ben ftreis ber oon'mtS unterfuchteu Bohnungen 
hinaus oerbreitet fein bürftc. 

Tiefe hpgienifchen SKangcl ftttb um fo fchlintnter, als tu ben 
Bohnungen^eine großentljeilS ungcfuitbe Scoölfcrung hmift; in einer 
Sleihe oou fällen laffen fid) bie ft rauf beiten in bireften 3 ,l fommeuhang 
mit ben Bofjmingsmißftättben bringen ober fid; bod) menigftenS bie 
gänglid;e Ungeeignetheit ber Bohnung gerabe itt biefeut $afle unb bei 
biefen Reiben behaupten. Um baS Silb gu oeroollftänbigcn, muh nod) 
ermähnt merben, bah nur ein Heiner Thetl ber BohnungSinljaber eine 
mirflidjc Seßfjaftigfeit entmicfelt, ber gröbere bie Bohnung offenbar 
fefjr häufig mecbfelt. 

3u allen biefen Slfißftänben gefeden ftd) cnblich nodj gang ungemein 
hohe SJliethpreife. Elcttbe Vödjer, bic tljcils gar nid;t, tijetl* l) öd) [teil« 
oou ein ober gmei ^erfonett bemohnt roerbett füllten, foften oftmals 
120, 150, 160, 180, ja 20o jl unb mehr. Sei ben Eiufommensocrl)äIt* 
ttiffen ber ärmfteit Sdjid)t, um bie es ftd) in unferett Bohnungen hanbelt, 
muh eine BodjenmiSgabe uott 3 JL für SWiethe fchott als eine fdjmere 
Saft gelten, tlber felbft bie jämmerlichen Einraumwohnungen unfercr 
Unterfuchung in ber Smtenftabt unb bem inucrnSadjfenhaufeu foften burd)* 
fdjnittlich 168 JL bas 3al)r, bie 3weiraummof)nungcu fogar fchon 222 jl“ 

Sreilich barf man nicht oergeffen, baß es fid) tyzx eben um 
bie befottberS auSgefud)tni, atterfcfjlechteften Bohnungen ber Stabt 
hanbelt, unb barf biefe 3 u ftönbe baffer nicht oerallgemeinern; 
immerhin hanbelt es fid) unt £>ittge, bie man in einer fo blühen* 
ben unb glängenben Stabt nicht oermuthen foflte. 

Sei ben im groeiten Xheite ber Schrift aufaefteUteu ^Reform* 
forbernngen finb nur folche Baßregeln berüdfußtigt, bie ohne 
BeitereS, ohne uorangchenbe Öefebesättbcrungen, oorgenomntett 
merben fömten. Sott ber ^Regierung mirb bic Einrichtung einer 
poligeilidjeit BohmmgSinfpeHton nach ^üffelborfer Sftufter oerlangt; 
bie ^auptmünfehe aber richten fid) an bie Stabt. Es mirb oor* 
gefchfagen, bah bic Stabt in beit inneren alten Stabttheilen burd) 
Enteignung, nöthigenfadS burd) freihänbigen Slnfauf, bie fd)Ied)* 
teften ©ebäubefomplejc erroerben unb burd) neue beffere (^ebäube 
erfehett fofle, mähreno in anberen fällen bic einfache Serbefferuitg 
ber ®ebäube genügen mürbe. 3nr Erleichterung beS SaueS billiger 
Bohnungen in ben Sluhentheilen mirb bic Slbänbernng ber in 
einigen Segiehungen adgu hohen Slttforberungeti ber Sauorbnuug 
oerlangt unb namentlich bie Sefchaffuitg billigen SaulanbeS burch 
Serpa^tung beS auSgebehnten ®runbbefi(jeS, ben bie Stabt unb 
bie unter ihrem Einfluß fte|enben Stiftungen hoben. Beiter merben 
geforbert, bie llnterftüfcnng oon gemeinnühigeit Saugefedfdjafteu, 
oon Saugenofjenfchafteu unb eoentuell oon Unternehmern beim 
Sau Heiner Bohnungen burch bie Stabt, Statiftif ber Ieerftehenbeit 
Bohnungen unb ber Sautf)ätigfeit, Errichtung ftäbtifcher Sogir* 
häufer, Eitttoicfelung beS ßofal* unb SorortoerfehrS unb nod) einige 
2)inge oon geringerer Sebeutung. Sfuch ber prioaten Steform* 
thätigfeit ift ein 5lbfchnitt geroibmet, unb es mirb barin befonbers 
ber nrbeiterfchaft nahegelegt, fich ber Errichtung oon Saugenoffen* 
fchaften gngutoenben. 

$ie Slmegungeit, bie ber Jyranffurter SJtietheroerein mit feiner 
Seröffentlichung gegeben hat, fallen für Jninffnrt in eine befotiberS 1 
paffenbe 3^it. 2>er Sau Heiner Bohnungen ift fdjon feit geraumer ; 


3eit mehr unb mehr ins Stoifen geraden, trobbent bie Seoölfe* 
rung fehr fchneK mächft. Qk S)Uethpreife, ohnehin oon früher 
her fchon fehr hoch, finb im Steigen, bie Slfteroermiethüng nimmt 
gu, an Heiueit unb felbft fchon an mittleren Bohnungen herrfd)t 
ein empfinblicher Stängel. SJtan fann biefe ^inge geioig theilroeife 
auf bie fchon oft befprodjene Unfähigfeit beS prioaten Saugeroerbes 
gurürfführeit, bem machfenben Sebürfnift, namentlich nach Heineit 
Bohnungen, in 3 c üen fchneller SeoölferungSgunahme red)tgeitig gu 
entfprechen. Slber eS fehlt auch nicht an befonberen llrfachen. $)ie 
Sauorbnung für bie Slufjenftabt enthält, mic fchon oben ermähnt, 
einige Seftiminungen, bie grnar gut gemeint finb, thatfäd)lid) aber 
ber Erbauung Heiner Bohnungen fernere .^inberniffe bereiten, 
ferner fpielen bie eigenthümlicben Sefthoerhältniffe beS SaulanbcS 
in 5ran!furt mit. ®aS alte Spfteni beS einfad^en (^ehenlaffenS 
auf bem SaulanbmarHe ift oon ber Stabt oerlaffen morben, aber 
ber grunbfähliche llebergang gu bem neuen ber Serpachtung hat 
noch nicht recht burchgefebt merben fönnen. Enblich mirb aud) be* 
hauptet, ba& bie Agitation gegen ben Saufthminbel bie Saugelb* 
fapitaliften, mit benen bie fehmadjen Sauunternehmer gu thun hatten 
unb mit beren fmlfe hauptfächlich bie Käufer mit Heinen Boh* 
uungeit gebaut mürben, abgefchrecft unb ihrem Eefchäfte abmenbig 
gemacht habe. 

Unter biefen llmftänben mirb man bem Erfolge ber oom Snuif* 
furter Stietheroerein eingeleiteten Semegung mit Spannung ent* 
gegeufehen bürfen. 3>er Serein hat feine Bünfche in Eingaben 
an bie Regierung gu BieSbaben unb bie ftäbtifchen Sehörben unb 
aufeerbem tn einer fiirglidj abgehaltenen öffentlichen Serfammlung 
bargelegt, ^er eoangelifd)e Slrbeitcroerein, ber fatholifche Scanner* 
oerem unb baS (^emerffdjaftsfartett haben fid) ben Eingaben theilS 
oollftänbig, theilS menigftenS theilmeife angefchloffen, fo baß eS fid) 
um eine Semegung fo gicmlich ber gefantmten ärmeren klaffen 
hanbelt. Sluch in ber eigentlid)en Sürgerfd^aft hat bie Enthüllung 
eines berartigen, both nicht oerniutheten ElenbeS einen geroiffeit 
Einbrucf ergielt. Son ben Urhebern unb Leitern ber gangen Se* 
roeguna mirb ernfthaft ermogen, auf baugenoffenfchaftlichem Bege 
in größerem Stile oorgugeben. ®agu ftehen bie Stabtoerorbneten* 
mahlen oor ber 2:hüre, bei benen biesntal bie Bohnungsfrage 
ftcher eine Slolle fpielen mirb. hoffen mir nach aHebent, baß J^ranf* 
furt in biefer Segiehung an einem Benbepunfte gum Sefferen fteht! 

Aranffurt a. 9)?. oonBangolbt. 

* * 

* 

$>aS Sorgehen beS SHethcroereiuS fam in ber Stabtoerorbneten* 
oerfammlung gu Sranffurt a/B. am 1. $ooember gur Sprad^e. 
Dr. SHößler, ber bas Unternehmen beS BietheroereinS als fehr 
banfenSmerth begeid)nete, beantragte, ben Stagiftrat aufguforbern, 
eine Statiftif ber leerftcßenben unb im Sau begriffenen Heinen 
Bohnungen anuufteflen unb eine ftäbtifche BohnungSinfpeftion gu 
errieten. Dr. Eeigcr bagegen fd)Iug oor, ben Stagiftrat gu er* 
fuchen, „balbmöglidjft Sorlage gu machen über bie oon il)m be* 
abfuhtigten Maßregeln gur Sefeitigung ber oielfad) behaupteten 
BohnungSnotf) für bie unbemittelten ftlaffen". tiefer leßtere 2ln* 
trag fanb nach Streichung ber Borte „vielfad) behaupteten" fajt 
einfthnmige Einnahme. ?luf bie ?lufforberung, bie Stabt möge 
felbft Bohnungen bauen ober ftäbtifche (Selber bafür oermenbeit, 
hatte Dberbürgcrmeifter Dr. Slbicfes ermibert, bann mürbe eine un* 
geheuere Zähmung ber ^rioatthätigfeit eintreten, auch föitne bei 
bem großen 3 U 3 U Ö C bie Stabt bem Sebiirfniffe nicht genügen, es 
müßten Sebingungen geraffen merben, bie baS Sntereffe ber 
ft'apitaliften unb Unternehmer meeften. Eine ^auptforge fei bie 
Sefhaffung beS nöthigen (MänbeS, ber s J)tagiftrat toenbe fein 
Wugenmerf feit fahren biefer Jrage gu. Es merbe halb eine Sor* 
läge für ben Sau neuer Bohnungen für ftäbtifche ?lngeftetlte unb 
Arbeiter fommen. 


Staatlicher BohnuugSbau itt Preußen. Bie oerlauiet, merben 
auch in ben nädjften prenßifchcn Etat erhöhte Mittel gum Sau 
oon Bohnungen für llnterbeamte unb Arbeiter, meldje ftänbig in 
Staatsanftalten befdjäftigt ftttb, eingestellt merben. Sefaitntlid) 
fehlen berartige foften im Etat feit mehreren fahren nicht. 

$riuate Bo^ttitttflSetuptcte in SRfimhctt. ^'adjbnn ba\? Wcmcinbc* 
follegium in SKititdieu leiber bie oout i9(agiftrat am* Anregung limuu* 
ragrnbrr .'ongiciiifcr bcfdjloffcnc [täbtifdjc cympicte über bac> Bol)iiuniVö= 
mcfeit abgclclmt bat, null ber fatbolifdic 'HrbcitenuTciu au biefe 
ocrbtenfllidjc Aufgabe berautveten. Xer Sefretär ber fatholifdieu orga* 
nifirtcii ^(rbcitcrfdiaft oerfenbet Fragebogen gu biefeut 3 ,li etf, ber über 
bie Sefdiaffenbeit uub beu AVietbpreio ber Bohnungen in 2lrbeiteroierteIn 
'Mui'fuuft erboleu foll; aud) mill mau ucrfudieu gu ermitteln, in melefiem 
Scrljältuin bas? (iinfomtneu gu beu Bolmuugopreiien fteljt. Ta« Er- 




Soziale $TajtS. Eentralblatt für ©ojialpolitir. 9h. 6. 


1 5(Z 


155 


gcbuiß wirb befannt gegeben, 3» einer öffeiitlirficu Berfammluug 
würbe Stimmung für baS Unternehmen gemacht. Ter Mangel nn 
flctncu itnb billigen 48ol)nuugeii in Wüncbctt wirb ueuerbings viel 
bcllagt; es wirb behauptet, in ber Begcl gebe ein Trittei bes Eilt* 
fommeus ber Arbeiter für 4Bohmuigsmtctl)c auf. 

Stabetipreife in Karlsruhe. llnfere Kenniniß ber t'fjatfädjlidjcn 
greife be3 Baulanbcs in unferen 'Stabten tft nod) fc(ji* gering; 
iebe Aufflärung barüber ift beeljalb freubig zu begrüßen. 3 m 
Statiftifcfjcn Söbresberidjte Nr. 7 für 1897 ber Stabt Karlsruhe 
finbet fid) eine au^fufjrlidje Tabelle über ben Umfaß unbebauter 
©runbftücfe in Karlsruhe im 3af)re 1897. Tanad) mürben befahlt 
int Turcbfdjuitt pro Cuabratmeter: in ber Dftftabt 5 /7(So //, in ber 
Siibftabt 22 ,i 0 J(, im Stabtgartenuiertcl 4,o 4 in ber Sübmeft* 
ftabt 8,11 c U, in 3Rül)Iburg 7 , n7 <//, im neuen £>arbtwalbftabt* 
t^eil 4,42 <M, im alten gmrbtmalbftabttljeil 86,70 <///, int Stabttfjeil 
weltlich ber Karl _3ricbritf)ftraße 160,so c /1t, im Stabttbeil öftlid) 
ber Karl öricbrichftraße 85 , 42 * 7/ Tie beiben leßtangeführteu greife 
beziehen ftd) aflerbingS auf zu fleine Terrains, um als Urteils* 
grunblagc 511 bienen. — Tie aitberen greife überrafdjen im allge* 
meinen burch ifyre Niebrigfeit unb bemeifen, baß es immer nod) 
in ber Näße ber Stabte, tninbeftenS ber mittleren, billiges (Mänbe 
giebt. AnbercrfeitS mirb es fid) mobl bei biefeit Berfäufen zunt 
großen Tßcilc nicht um baureifes Ranb bunbeln, fonbern um ziem* 
lieb meit abgelegenes, baS gunädjft nur zu SpefulatiouSsmccfeu 
mngefeßt mürbe. Tie einzelnen angeführten Stabtthcile djarafteri* 
firen ftdß in folgenber Bkifc: Dftftabt: befferer Biirgerftaub: 6 iib* 
ftabt: mittlerer 93ürgerftanb unb Arbeiter; StaMgartenoiertel: 
SKietbbäufer in Biffenftil; Sübmeftfiabt: Kleinbürger unb Arbeiter; 
Ml)Iburg: beffere Borftabt; neuer |)arbtroalbiiabttl)eil: Billen* 
oiertel; alter ^arbtmalbftabttl)eil: feinfte ©of)ugegenb: Stabttbeil 
meftlid) ber Karl griebrichftraße: befferer Tßeii ber Qnnenftabt; 
Stabttbeil öftlicb &er ^‘öri Öriebrichftraße: fcf)lecbtercr Tbeil ber 
ounenftabt. 

Tie SöufjiitiiiaSiioih iw Bonbon b^t in bem lebten 3abrzebnt 
bnreb baS ibatfräftige unb nmfaffeitbe Eingreifen bes öiraffcbafts* 
ratbcS eine wefcntliche Befferung erfahren. OHcicbmof)! erachtet 
ber 3BobnungSauS[d)tiß biefer Körpcrfdjaft es für uucrläßlid), nod) 
mehr 311 tbun. Bis jefct bat ber ®raf|d)aftSratb nur Btabmtngen 
3 ur Unterfunft für folcbe Reute gebaut, bie rcegen ber Räumung 
ungefunber Tiftrifte ober ber Ausführung oon Babeffernugen aus 
ihrer Bebaufung entfernt merben mußten. Bkiter ging bie Be* 
fd)affuug oon Btabuungcn nicht. 3eßt fd)lug ber SluSfrfjuB auf 
©runb oon Tbeil III ber Housing of the Poor-Act oor, auf billig 
erworbenen Räubereien an ber Peripherie ber SRiefenftabt eine Bau* 
thätigfeit im ©roßen z u entfalten, um bie Bewohner ber über* 
polierten 3nuenftabt bmanS^u^icben. Tie Oberbeamten beS ©rar* 
fthaftSratheS aber äußerten Gebeuten; ber Archileft bezweifelte bie 
^Rentabilität bes planes, ber Arzt befürchtete baoou ein fo ftarfeS 
Nadjlajfen ber prioatbautbätigfeit, baß ber ©raffdiaftSratl) bem 
Bebürfniffe nicht genügen fönne; oon anberer Seite nutrbe betont, 

KÖ* frfjon in ben 3?orftäbteu oiel gebaut werbe, bafo aber in 
ben inneren iöejirfeu, mo oiele Arbeiter ihrer 33efd)äftiguug megeu 
wohnen wollen ober muffen, ein Stocfeu im 33auen eingetreteu ift. 
Ter Ausfchub beharrt aber auf feinem plan unb empfiehlt beut* 
zufolge bem ©raffcbaftSratlj, Raub jn laufen, mo fid) ba,}u ('»K'* 
legen beit bietet, unb ju bauen, fo lauge fid) feine üBerluftc ergeben. 


(Eriieljutig mtb ßUbiutg. 

SBolfSthiimltrhe ^»or^fc^ttrfurfe in Berlin. Unter fr In* gvonein ^lu- 
brang mürbe am 1. Aouembev in Berlin ber erite Atuvfits? ber oolfo* 
tbümlidienf>od)fd)uIfurfe mit 'Borträgenprof.Sdmmller? über bie.v>anbeU'= 
politif brr wichtigeren .'inltnrftaaten int 1*. unb in. oalubnnbert er= 
öffnet, on ber Einleitung äußerte Sdjmollcr feine Aniidjt über bie 
Aufgaben unb 3iele ber 'Bolfediodifdiulbeweguiig: 'IBcnn einzelne Vebrer 
her 'berliner Uuioerfitäteu fid; eutfdiloffeu bätten, min'euidmftlidie Kurfe 
für Aiditftubireube abgtljaltcu, fo werbe bamit au unb für tidi uiebtv 
AeueC’ gefdjaffen. 011 'Berlin fei mau fdion feit onbigelmteii beftrebt, 
bie Aefultate miffenidjaftlidjer Aoridjung in bie weitefreu .streife ,}ii tragen. 
Tie Aufgabe fei aber eine enorm fdiwierige. Bieiiu jeßt ein neuer 'Bcr= 
lud) gemadit werbe, fo hoffe man burdi bie babei angewaitbte ‘.Aetbobe 
bie Sduoierigfeit leidjter ,^u überwiubeu. Es fei bcabfiditigt, in einer 
Aeihc ( yifaiumcnl)äugeuber 'Borträge ein begrenztes (Gebiet fo crfdiöpfeub 
wie möglid) barzuftelleu. Aufjerbent foll, mit zu»ifdieu ben Möreru unb 
beut Aebncr einen Aapport herzuftelleu, au bie'Boiträge eine Tivfnffion 
ftd) aufdjließcti. ^ And) iolle in biefen 'Borträgeu nidit auf ftreitige 
iuiffcnfd)aftlid)e Aragett eiugegaugeu werben, fonbern es fodeu nur bie 
feftftebenbcn Aefultate ber ^iffeufdiaft behanbelt werben. Soweit irgeub 
möglid), follc babei jebes Eingehen auf politifdie, fokale ober religiofe 


parteiibeale ftreug oermieben werben. rs)egenüDer bem Vorwurf, baß 
berartige Wurfe eine £>albbilbung itnb itnbered)tigten Timfel erzeugen 
tonnten, bemerfte er, baß bei einzelnen ^ubtuibueti Terartiges wohl 
cintreteit fönne, in Summa fei bas aber nicht zu befürchten. Uebrigeus 
feien bas eben Dieselben 'Borwürfe, bie mau früher ber 'Bolfsfdjulr, 
fpäter bann ben fvortbilbungss unb Aadjfdwleu gentadjt habe. o,n 
einem Staate ber allgemeinen '28ef)r= unb SdmlpflidU itnb bes allge* 
meinen 'iBahlrcd)ts gäbe es feine bnitglid)cre Aufgabe, als bas elcmeu= 
tare 'Bilbintgsbebürfniß bei* weiten Waffen z u erfüllen. Eben biefcs 
elementare 'Bilbungsbebürftiiß fei oirllcirfjt eines ber hrrrlidiftni Acfultatc 
nuferer .stultur unb ein hcroorftedicnber Eharafterzug bes beutfeben 
'Bolfes, für bas wiffcttfdmftlidic fvortbilbung gernbezu ein Vfcbensbebürf» 
11 iß bis in bie unterften 'Bolfsflaffen hinein fei. Tie fojialc ©efafjr bc= 
ftelje nid)t io fein* tu bei* 'Bermögensungleidihcit, als oiclittehr in ber 
Wluft ber OH'baitfen, 'Borftelltmgeit unb ^bcalc. Soziale pflidjt fei es, 
biefen geiftigett Aiß z» überbrüefen, unb biefer Pflicht follten eben bie 
oolfstl)ümlid)en Wurfe genügen. 

Aföbcuüfd}e Äbenbfurfe tu i. 8. Wit 'Beginn bcS ÄSiutcr* 

femciters hoben mehrere profefforen ber Unioerfität Jrciburg beit Berfndj 
grmad)t, afabeuttfdje Abeitbfurfc abzuhalten, bie in erfter Beiße 
für bie Angeftellten tut Waufmaitnsftaube beftimmt waren. Tie ;Zal)l ber 
Tbeiluchmcr, zu beucu and) (s)cwcrbetrcibcube, fowte Angehörige anberer 
Berufs* mtb hiefellfdtaftsflaffeu, iusbefonbere aus beit Streifen ber mitt= 
Irren Beamten unb and) grauen zählen, hat alle Erwartungen über* 
j troffen unb nahezu ‘250 erreicht, prof. Dr. Audjs (Aatioitalöfouom) gab 
| in feiner Begrüßungsanfpradtr am erfteu Borlcfungsabcub ber A-renbc 
! Ausbrurf über bie z a hlrcid)e Betheiligung; er hoffe, baß fid) eine 
bauernbe Einrichtung herausbilben möge, bie bazu führt, ein enges 
Baub zoüfdjen Unioerfität mtb Biirgerfdjnft z n fnüpfett. Ter erfte 
W'ui'fus umfaßt bie Einführung tu bas Bürgcrlidje Wefeßbud) (prof. 
Bümeltti). Als weitere, jeweils ad)t Abeubftnnben umfaffciibc^ Wurfe 
folgen: 2. Einführung in bie Boifsmirthfdjaftslefjre (prof. Aitchs); 

| 8. bie wtchtigftcu Neuerungen bes neuen .öanbelsgefeßluidjcS (prof. 

| Bofin); 4. ^aubelsgeograpbie (prof. Aeuiuaun). TaS Honorar beträgt 

I für alle oicr Wurfe 20 für bie Witglieber ber faufmänntfdjeu unb 

I gewerblidjeu Beretue 15 Unbemittelten wirb ber Befud) unentgelt* 

! iid) gewährt. Sdion oor einigen 2emeftent finb, wie man uns 
fdjreibt, gemiffc itt btc Abeubfmuben oerlegte Borleßtugett an ber lliti* 
uerfität weiteren Streifen zugniiglid) gemadjt worben; narnentlid) h fl t bie 
oon einem Nationalöfonomeu feiner 3rit behaubeite Arbeiterfrage 
bei ber intelligenteren Arbeiterfdjaft lebhaftes ^utereffe ermeeft. Aud) 
anbere frühere" Berfudje, ftrebfame Arbeiter auf befonberen 9Bitnfd) 

ncnnrntltdi ait bcu nattonalöfouomifdien Borlefuitgeit 3heil nehmen z» 
taffen, haben Erfolg gehabt, aüi* nufere bie neue Aufgaben auf 
I foztalcm (Gebiete zu löfert hat, wirb es immer mehr Bebürfutß werben, 

1 Reute mit praftifdieit Erfahnuigcn, intelligente Ücute aus bei* Arbeiter* 

| flaffc auf gemiffc pofteu z» ftelleu; cs fei liier u. A. au bie ölefdjäfts* 

; fiihrev bei beit Ausfuuftsftellen in Arbcitevaitgelegcnl)eitcn, au bie Ar* 
beiterfefretariate, ferner an bie Brrmcbntug ber Beamten für btc Aabrtf* 
infpcftioit :c. erinnert. Cffne Weiteres werben fclbft bie höher ftrljeubcu 
Arbeiter wohl nid)t hierzu oerwenbet werben föuncu. Es wirb oiel* 

: mehr immer nod) bie Einholung, gewiffer theoretifdier Wemttniffc er* 

! forberlich fein, wcldjc bie lluiuerfitatsausbehmmg für bie genannten 
| Wreife am heften zu bieten vermag. Bon biefem (^efichtspuufte aus tft 
; bie Bewegung, bie vor ao breit fdion fo erfolgreich in Euglaub ciufcßte 
j unb itad) unb uad) ihre Stellen and) itad) Teutfdilanb trägt, freubig z« 

I begrüßen. 

BolfSbibliotljefen mib SoIfSlefchöHeit. Tic Bewegung für bie 
mobcrncit 'Bolfslefe* unb Biidjerhalleu wirb immer nod) in ber .fraupt* 
fadie oon Bcrctneu unb Privatleuten getragen, währenb bie Bolfs* 
bibliothefen tit ben größeren Ttäbten weuigftdis itt Anfttüpfmtg au bie 
| Bolfsfdiuleu redjt vielfad) von brr Ttabt unterhalten werben. Tie 
i größte unter ben neueren (rtrüubungeu ift bie eines politifdicn Bei* 
gejdimncfs nidit entüchrciibe Waifcr '48ilheim = BibIiotlief, bie tu 
| pofen zur Unterftüpung bcS Teutfdithums gcfd)affen würbe, ^ugleid) 
i wirb bcabfidjtigt, btc «diäßc biefer Bibliothef wie aller großen öffeitt* 
lidjen Bibliothefen, iusbefonbere ber ftaatlidjcu Büdjcreicn, mögiid)ft 
1 weiten Streifen burdi Anfügung von großen Rcfcfälen :c. zugättglidi zu 
madien. Eine tleberfidit über bie Bolfslcichallen in Teutfdilanb giebt 
1 ein Artifel im „Hamburger Arembeublatt", T. A. unterzeidinct. Er 
ftcllt feft, baß nod) vor fünf fahren, bis zum I. oanuar isim, cs nur 
| ein einziges freies öffentlidjes Refe.ziiinner in Teutfdilanb gab mtb zwar 
in bem fleinen lieffifrf)cn 3täbtd)eit A-riebberg, bann eröffuctc bie babifdjc 
Ttabt Pforzheim eins, bann bie (')efeilfdniit für ethifdje Wultur eine 
Vefebaüe tu Aieiburg i. Br. im Wai 1M»8, im Cftobcr bes folgenbcu 
wahres eine in A-ranffurt a. W. unb am 1. Januar 1 S U5 eine tu Berlin. 
Es gab bmnals bis .üerbft ls!)5 in Teutfdilanb fünf öffeutlidic Befc* 
halten. Tann beginnt aber eine fdinellere Zunahme: es folgen 1HV5 
nod) AVainz, Wannheim, ^djweibnip, 48 i es haben; ism: bereits z r bn 
neue: Ulm, Tiiifelborf, vom Bilbungsuercin, Eifenad), Berlin, ftäbtifd), 
3ena, Wötiigsberg, Tiiffelborf, ftäbtifd), 3tnttgart=£Tftheim, Leipzig» 

, 8inbenau, Bromberg; wieber z^'hu: Neufalz a. C., Tarmftabt, 

('H-eifstvalb, Wattowig £.= 3., Stuttgart, Erfurt, .öamburg=Eimsbüttel, 
Wollt, Bonn, Erlangen: in ben erfreu Wo na teil bes laufen ben Jahres: 
Ebarlottenbnrg, 48ii|iegiersborf, iarnowiß, ('fotha, Nürnberg, Wöitigs* 
liiitte, Berlin*Norb, fiäbtifdi; in Bresben würbe, mtb zwar tu ber (>U^ 
fdiäflsfiellc bes ,,'Bcrcins Bolfswohl", oor einigen fahren eine offenU 



158 


157 


Sogiale PrajiS. Sentralblati für SogialpolUiF. Ar. 6. 


lid)C Öcfeftaüc errichtet. Alfo 87 freie uitb öffentliche VcfehnUcn giebt 
ei? heute in Teutfdjlanb, eine meliere mirb itädßtcns in (liefern eröffnet, 
eine in Preslau nnb uier meiterc in Perlitt, mo es 27 ftnbtifdje Polfs* 
bibliothefcn giebt, finb bereite non ben ftäbtifcbcu Pebörben befd) [offen 
ober in Ausfi d)t genommen. Berlin haben bic Polen unternommen, 
eine polnifdje Poifsbibliotbef gu errichten. — gu Petersburg ift eine 
Polfslefchallc im großen Stil oon grau P>jera pou Temaies aus eigenen 
PUtteln crridjtet. Tas bafitr errichtete (Hebäubc enthält einen «aal, 
ber gegen 600 perfoitett fafet nnb als üiefefaal fomie als Aubitorium 
bei gu oeranftaltenben unentgeltlichen Porlefungett bienen mirb. dufter* 
bent enthält bas £auS bie reichhaltige PibUothcf, gehn Ptufifgimmer, 
uoit betten jebcs einen fdjöneit neuen glngcl enthält nnb als UcbmtgS* 
raunt für ntittcllofe Sd)itler unb Schülerinnen bes Slonfcroatoriums uitb 
ber SOiti ftffchuleit beftimmt ift, fomie im britten Stocf eine ^eidjeii* unb 
P?alfdjule. TaS gange (Hebäube ift elettrifch beleuchtet. Sämmtliche 
^fiiftaltcn' finb beit Pefud)cru oöüig unentgeltlich Jur Verfügung geftellt. 

$ä(f$fd)tt(e für frfföieihb«®abte ftinber in Pofeit. Tie und) bem 
Pcufter oon PrcSlau, Praunfdjmeig, HHagbeburg unb iiiibecf in Pofen 
am 10 . Auguft p. g. mit 10 ftnaben unb 0 P?äbd)en eröffnete .friilfs* 
fchule für fdjmadjbegabte AHnber hat nach bem Permaltungsbericht ber 
«tabt für 18H7/98 gute Erfolge aufsumeifeit, fo baß nunmehr ait bic 
Einridttung auffteigenber Wlaffeit gegangen ift. Tie Sdjule bilbet einen 
felbftftänbigen Organismus unb unterfdjeibet fid) baburd) oon ben bloßen 
.^ülfsflaffctt Berlins unb anberer Stäbte. 

Unregelmäßiger Söefw# ber Elemeutarfchitlcn in Bonbon* Aus 

Englanb mirb uns gefd)rieben: Die |)infälligFeit oon Parlaments* 
befdjlüffen bei bem Mangel eines thatFräftigen PerroaltungSapparatS 
unb einer roirffamen öffentlichen Meinung mirb mieber einmal recht 
ins £id)t geftellt burd) Peröffentlitf)unaen beS Oouöotter €d)ul* 
amteS in Pegug auf baS ÖunFtioniren oer Porfdjriften über ben 
obligatorifchen ^öefuch in ben Elementarfchulen. Daitad) fcheint es, 
baß pon ben 754 000 Sftnbern, bie in amtlichen nnb freiroilligen 
Elementarfchulen eingcfchrieben finb, 145 000 $inber, ein fünftel, 
beftänbig fehlen, unb baß non ben fehlenbett 100 000 nahezu immer 
biefclben finb. Dbroohl alfo bie große Mehrheit ber Eltern ihre 
ttinber mit aroßer AeaelmäßigFeit gur Schule frf)icft unb obgleich 
für uitoermeiobareS gehlen (roegen $ranFf)eit 2 c.) ein hoher Prozent* 
faj gerechnet merbeit utuß, ift troßbent eine erßhrecfenb hohe 3 a ^ 
oon Eltern 31 t forglos unb nad)läffig, unfähig ober abgeneigt, bic 
Potfheile be$ SchulbefutheS unb ber Schulgucht für ihre «ftinber 31 t 
erfennen. Die Aad)Fommeu fold)er (Eltern finb cs, bie bereinft bie 
0djaar ber Unftäten unb Unroijfeitben oermehren unb, toie bie 
Statiftif betoeift, muthmaßlid) einen großen Theil beS fmtftigen 
PerbredjerihumS {teilen, ©egen biefe Eltern muß man baher mit 
3roangSmaßnahmen unb Strafen einfehreiten. Droßbem jeboch ein 
großer Stab 001 t Pifitirenben im Aufträge bes Oonboner Schul* 
amte* für bie Durchführung beS SchulgroangeS forgen foH unb 
für biefen 3 roe( ^ etroa 50 000 Pfunb jährlich ausgegeben mirb, 
oerfagt gerabe hier, mo eS am meifteit nothtbut, bas ©efeß hoff* 
nungslos. ÜRur lartgfam fotnrnt bie öffentliche Meinung 311 einer 
SSerurtheilung ber ©leichgültigFeit, bie Eltern in ber Pernad)läffigung 
biefer ihrer Pflid)tett jeigen. Slber allgemein ift bic ?lufid)t, ba| 
ein großer Dljeil ber SBerantroortlichieit für bie gegcnmärtigeit 
3uftänbe auf bic 93ehörben beS £onboner Poli 3 eiaerid)tShofS fällt. 
Sie genehmigen bie Strafoerfolgung unb führen Die Ünterfuchnng. 
Unglücfliihenoeife fornmen bei ihnen aber bie anberen, gahllofeit 
Sagatellfadjeu an erfter Stelle unb fo erlangen bie Schuloerfäutn* 
ttiffe oft gar fein ©ehör. Die Praxis oerfchiebener ©erichtshöfe 
ift ocrfchiebeti, aber fehr oft merben bie Sdjulfachen, rnenn üe 
überhaupt oorgenommen merben, fehr gelinbe beurtheilt. Die für 
Bonbon feftgefehte 53ube ift überbieS fehr niebrig unb ein 2Sater 
fährt oft gait 3 gut babei, oon 3 e it gu 3fit 5 fh- Strafe 3 U 3 al)len unb 
beftänbig fein £inb oon ber Schule fern 3 U halten, um feine?lrbeitsfraft 
auS 3 unüben. 3n?^i Reformen finb bringenb uöthig: 1. bie 23efngnif;, 
due thatfächlich abfehreefenb roirfeube ©elbftrafe 311 oerhängen; 2 . bie 
(Sinfehung einer befonberen 53ehörbe unb bie Grridjtung eines eigenen 
Gerichtshofes für bie Ausführung beS SchulbefuchgefeheS. 

^reilcfehaffen ln ©nglaitb. Die Errichtung oon „Free Libra¬ 
ries“ macht in Englanb ftetige unb rafche gortfdjritte. Seitens 
beS StabtrathS oon Eheltenham mirb nunmehr and) oerfucht, bie 
SSerbreitung tedjnifcher Steuntniffe unb höherer gadjbilbung burch 
bie gfreibibliothefen gu förbern. Der 3*°^ foE burdj eine popu* 
lariprung ber oorhaubenen gadjliteratur erreicht merben, bergeftalt, 
ba& alle 14 Tage eine AuSftellung ber auf einen beitinimten ^Bernf 
ober 3 obuftrie 3 meig be 3 i'iglichen s Berfe ftattfinbe. ©Icichgeitig geben 
Sad^oerftänbige bem Publifum Auffchluh über bie betreffenbe gad)* 
Iiteratnr. Die erften S3erfitche in biefer Dichtung h a ^ en burd)* 
flhlagenben Erfolg er 3 ielt. 

Bcranliuorllifl) für bic dlcbaftion: Dr. Cm ft 


Sojtalpolitifdjc iHagttitljutcit int Berhetjrswefca. 

Eifeubahntarifreform in 6 (h toe ^ en * ^ or einem Qahre mürbe 
in Schmeben ein ^omit 6 eingefefet, baS unter bem SSorftfc beS 
früheren ©eneralbireftorS ber fdbmebifchen Staatsbahnen, Eronftebt, 
einen oon Prof. Ehartier in ihmb ausgearbeiteten Elrunbrife für 
bie allgemeinen SSorauSfefeungen einer umfaffenbeu SerfehrSreform 
prüfen foHte. Das jefet feinem roefcntlid)en Inhalte nach vw* 
iiegenbe ©utad)ten empfiehlt bie Einführung eines 3a» c ntarifs, 
aHerbiugS ohne Anlehnung an baS gleichartige Vorgehen anberer 
Staaten, inSbefoubere auch an ^ en ungarifd)en 3° ne ntarif, 
ber für bic fd)mebifcheit SerfehrSoerhältniffe itid)t geeignet erfcheine. 
$adb ben Porfchlägen beS $omit 6 S fott ber öernoerfehr burch 
mefentliche §erabfe(jung ber bisherigen Sahrpreife begünftigt merben, 
bod) audb im S^ah* unb Öofaloerfehr foüen biefe um etroa bie 
$älfte ermäßigt merben. Alle SKücffahr*, Saifon* unb fonftigen 
gabrfarten, mit benen befonbere Ermäßigungen oerbunben finb, 
folleit mit Ausnahme ber bisherigen DionatSfarten aufgehoben 
merben. £)ierburch miß man bem jefeigen gfahrFartenmirrroarr, ber 
beFanntüch auch in Deutfd)lanb ben SBcrraaltungen mie bem publi* 
Fum gleich befchmerlich ift, eine Enbe madjeu unb goglcith &i c 00 * 
erechten S 3 eoor 3 ugungen befeitigen, bie ber jefcige Tarif gerabe 
en bemittelteren Schichten beS reifenben PubiiFumS einräumt. Alfo 
gan 3 roxe bei uns ! 


ßttcrarifdje 3k.ti|dgttt. 

«djntüllcr, $uftau. Umriffe unb Unterfndjungen 3111 - Perfaffimgs*, 
^cripaltungs*, unb 3Birthfd)aftSgefd»ichtc befotibers be$ prcuftifdieit 
Staates im 17. unb 18. gahrfjunbert. öeip^ig 1898, Duncfer 
Sc .^uinblot. 686 8 . 

2Bas ber beriilimte (Helehrte hier einem mciteren Greife uorlegt, 
finb, mie er felbft im ^ormorte fagt, hiftorifd)e Unter)uchungen, bic 
aber ebenfo bie allgemeine Erfenntnib Port Staat unb Acd)t, SSoIfS* 
mirthfehaft unb Eejeüfdiaft förbern, als bie Eutftehung unferer natio* 
nalen guftitutionen erflären unb bas 3?erftäitbniß ber (HegcHmart 
erleidjtern molleu. An ber Spipe fteht, gleidifam als 2eitmotip für bas 
(Hange, eine Unterfud)ung über baS 3)?erfantilfi)ftem in feiner f>iftorifd>ett 
üBebeutuug: ftäbtifchc, territoriale nnb ftaatlidie 3Birthfd)aftspotitif. Als 
ergängenbes 'l?etfpict folgt ein Auffa<j über bie ^niibersfpcrre gmiftfjcn 
©ranbeitburg nnb pomiiteru im gahre 1562. Tie folgenbeu Abhanb* 
Inttgen über bic ^podjcti ber preitßifrfjen ginangpolitif bis 3111 * Eriinbung 
beS Tcutfdjen AeidjS, bie Eutftehung bes preufjifdjen «öeereS pou 164i) 
bis 1740 uitb beit beutfd)eit Peamtenftaat Pont 16—18. gahrhnnbert 
geben in Umriffen bic mefentlidjen Elemente bes Staates. Tie Per* 
jaffung bes .öanbmerfs, ben Ucbergattg jur $ausitibuftrie unb bie An* 
Tätige ber (Hroßinbufirie in Preußen. fd)ilbem bie Anffäpe über baS 
branbcitbitrgifd)*preu|jifd)e gnnungoiuefen pon 1640—L800, bie rnffifdje 
.Hontpagitie in Perlin, bie preußifdje Seibeninbuftric im 18. gahr* 
hunbert. Enblid) treten noch ans bem (Hebiete agrarifdier uitb hanbels* 
politifdjer Stubien gmei Effaps über bie preußifdjc Eimoaubernng unb 
iänbliche «olouifation bes 17. unb 18. gahrhuitberts unb über bic 
Epodien ber (HctreibehanbelSoerfaffung unb »politif hingu. Tie innere 
Einheit biefer Unterfudjungen erhebt fd)oit aus biefer Auüählung bes 
Inhalts bes PucheS, einer mcrdiiollen Eabe bes ben §iftorifer uitb 
ben Aationalöfonomeu aufs Eliidtichfte pereinenben Autors. 

$ifce, Dr. g. Tie Arbeiterfrage unb bie Peftrebungeu gu ihrer Söfung. 
Aebft Anlage: Tie Arbeiterfrage im 2id)tc ber Statifti!. 1898. 
AIS Ptamiffript gebrueft. 3 U begiehett burch beit „PolfSoereiu für 
baS !atl)olifd)C Teutfdjlanb" in 3)?. * CH labbad). 145 unb 46 S. 

Ein änßerft nüblid)cs .^anbbuch für jeben Sogialpolitifer! Auf 
ben perfdjiebeneu (Hcbieleit ber Arbeiterfrage (Arbeiterfchuh, Arbeiter* 
oerfid)crung, .öebuug ber ScbeuShaltung) merben bie hiftorifdje Ent* 
micfluttg, bic jebignt ^uftänbe, bie beftehenbe CHefepgebung, bie nötbigeu 
Aeformen Furg aber crfdjöpfcnb bargelegt, fo baß matt fid) in biefent 
Äompenbium rafd) unb praftifd) informiren fanti. Peigegeben finb in 
überfichtlidKn Abfchuitteu bie Ergebitiffe ber PerufSgählung pon 1895, 
fomeit fie fid) auf bie Arbeiterfrage begiehen, unb anbere ftatiftifdic 
Piaterialien. 

Pöbifer, Dr. phil. et jur. T. Tie Aeichs* Perfid)eruugsgefepgebung 
(Staats* unb fogialmiffeiifdiaftlidie gorfdiungeu. .^crauSgcgcbeu 
uoit (Huftau Sdmtoller. Pb. XVI. .jieft 4). V'cipgig 189s, 
Tuncfcr Sc .öuinblöt. 

gm gegenmärtigeu Augenblid, mo es fid) um mid)tigc Abänbe* 
rungett ber gtipalibitätsperfid)eruug hanbelt, mirb mau bie Stimme 
bes ehemaligen präfibeiitcn bes Aeid)s*PerfidieruiigsamteS mit befonberem 
gntereffe hören. Tie Arbeit bringt an erfter Stelle bie oon bem Per* 
taffer ber .stonferciig im Aooember 1895 oorgclcgten „Porfdjlägc gur 
Pcreinfadntng ber Arbeitcroenidicrung" nebü ihrer Pcgrüiibuiig. Ter 
gmeitc Theit bes Heftes beridjtct über Porarbeiteti gu einer rctdisgefe^* 
lidjcit Acgeluitg ber prioatocrfidierung, mit beiicu ber Perfaffer Anfang 
ber so er gahrc als Aefcrcut für (Hemerbemefen im Aeid)samt bes 
gnnern betraut mar. 

granefe in Benin \V„ Jüaijrcti2i*. 




Soziale $ra£i3. (SentralOlatt für 3o$ialpoIittf. 9ir. 6. 


M&oiiaU etfdjctnl an jctcm ©omicrMag unö ift burd) alle ©uAhaiiMunfle» unb gSoilÄinfrr (43o|t3<itunß6nummct 6729) ju besten. ©et tßre.o 

für ba8 SBicrtdja^r ift 9H. 2,50. Sfcbe üttuuuuer foftet 30 ^Sf. ©er 9lit3:ißeuprei8 ift 60 4>r* für Sie bretßefpaltene fßettyeifc. 


$m Safjrc 1898 erfetjienen bei ©unefer & $iunbIot in Scipgig nacOfteljenbe SBerfe non 

(ßuftav ScfymoUev: 

u « ber Mmrijfe und MnfetMimgen 

einige ÄrunDfragcn Dev Socialplitif 

unb ber 


MswirtSflftsItJjw. 

OJr. 8°. (IX, 343 3.) 

- ^ret$ 6 9R. 40 $j. - 


Soeben gelangte zur Ausgabe: 


ktfanirrs brs Prrn|ifdjfH Staates in 17. int 18. Inl)tl)intert. 

0H\ 8°. (XIII, 6M6 3.) 

$rei$ 13 3)f., ejeb. in ilcinumnb 14 3K. 60 ^f. 


Die Reichs-Yersichernngsgesetzgebung. 

Von 

Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. jur. et phil. T. Bödlker. 

58 Seiten 8° mit 1 Tafel. Preis 1 M. 60 Pf. 

Inhalts - Uebersicht: 

I. Die Arbeiterverslelieriing: Allgemeines. — Die Unfallversicherung. — Vereinfachung der Arbeiter¬ 
versicherung. — Vorschläge zur Vereinfachung [Allgemeines. — Besonderes für die Invaliditäts- und 
Altersversicherung. — Organisatorisches. — Begründung. — Schluss.] 

II. Die Privatversiebernng: Allgemeines. — Historisches. — Grundzüge eines Piivatversieherungs- 
gesetzes [Besonderes. — Die Reichsaufsichtsbehörde (das Reichsverrsicheruugsamt). — Die Zulassung zum 
Geschäftsbetriebe. — Geschäftsführung und Auflösung der Versicherungsanstalten. — Sonstiges. — Schluss]. 


Vortag von Gustav Fischer in Jena • 

e/i —— --- -- —~ - ■— ■ ■ ~- — jvp 

Vor Kurzem erschien: 

Die Galwer Zeughandlun gskompagnie n. ihre Arbeiter. 

Studien zur Gewerbe- und Sozialgeschichte Altwürttembergs. 

Vou 

Dr. Walter Troeltseh, 

Professor an der Universität Tübingen. 

— Preis: 12 Mark. -— 

Jahrbuch für Gesetzgebnng XXII, 2: 

.... Es ist eine vortreffliche Arbeit; mit grossem Fleiss und penibler Vorsicht ist das Material gesammelt 
uud verwertet, mit Geschick und Sachkenntnis sind die Schlüsse gezogen .... Jeder unbefangene historische 
Kritiker muss diese sämtlichen Abschnitte für meisterhaft erklären, mit grosser Sorgfalt sind die schwierigen 
Fragen behandelt .... 


Arbeiterversicherung 

in den 

Europäischen Staaten. 


Dr. T. Ködiker, 

Präsident des Reichs-Versichernugsamts. 

Gr. 8®. (VIII, 352 l) 1895. Preis 7 Mark. 



Verlag von Siemenroth & Troschel, 

Berlin W. 

Das Reichsgesetz 

betreffend die 

Gesellschaften 
mit beschränkter Haftung 

vom 20. April 1892. 

Erläutert von 

Ferdinand Birkcnbihl. 

- preis geh. 8 jVf., geb. 9 )A. ——-— 


Einbanddecken 

zu 

Jahrgang VII der Sozialen Praxis 

(in brauner Ganzletuwand und in der Art der Decken zn den yorhergehenden Jahrgängen) 
sind zum' Preise von l Mark 50 Pfennig baar durch jede 
Sortimentsbuchhandlung zu beziehen. 


OeTautwortlld) für ble flnjeigen: $eQmuty (Bethel, ßetpjlg. - »erlag non Srnmfer & ömttblot, ßeipjig. — ©ebnirft bei 3uliu8 etttenfclti, »erlln. 













vm. gnijtpjtg. 


©erlitt, ben 17. SftooetnBer 1898. 


JCtttnmer 7 . 


Soziale prajis. 

^entrafOfall för £i> 03 ialpolifiß 

mit bet SttonatSbeitage: 

Das <Bewetrbe$etricht* 

©rgatt £>es Derbattbes beutfcfyer (Betoerbegeridjte. 

Weuc golge bet „SSlätter für fojtale $rayt8* unb be8 „©ojialpolitifdjen CentralblattS". 

ffifiStiiii ««ftttm xnmtmi- Herausgeber: *«» »icrtcijMrim * n. so w. 

Webaltion: SetHn W., »atjreuHjetilra&e 29. Dr. CEtttß «fttttllfec. Setlag tton Suncfet & $um6Iot, Selpjig. 


3ntjatt. 


4Qtxt Dr. Beutner unb bie eng* 
Ufd&en Stabe Union«. I. Bon 
Dr. oon Sftottenburg, Bonn. 161 
«Uirauhu C«a«*I* mtb mmf «ift«* 

fitta .166 

ötganifation bet Slibeit. Bon 
Dr. ©. grtande, Bettln. 
Btbeüdfammetn in ben Biebetlanben. 
3abtbu(b bet örbeitSgefefogebung für 
1897. 

ißteißoettbeitung be« Maa4e Social in 
Buti« an IänbU$e arbeitet, 
«mraumalc B^tolHollltV . . 169 

Set Betttag bet ©tabt Berlin 
mit ben ©letttiait&tÄwerlen. 

*fe*eiter*e»ct8tta.171 

Bewegung im Baugewerbe. 

Sie BucpbrudeT-SarifbeWegung. 
Sto^enbet BädetauSftanb in Betlin. 
Sie Bereinigung bet Blalet, Sa dir er, 
anftteidbet unb oerwanbten Beruf«* 
genoffen Seutfdjlanb«. 
©oaialbemofratifi&e ©ifenbabnarbeiter 
beim öfterreid&ifcben ©ifenba|n* 
miniftet. 

©tn tfongtefc bet Sejtilarbetter Bet* 
gienfi. 

ÜRinbeftforberungen bet Stabe Union« 
an bie ©efefcgebung. 

Bewegung unter ben Lettnern in 
Boti«. 

Sie italtenifdjen ©tfenbaljnarbeiter. 

««»eitert*»*.174 

Sie ©ewerbeljpgiene unb bie äHebiatnal* 
bebötben in B teu fe en * 

©tbub bet angefteltten in Saben» 
gefcpäfien. 

Urtbeit be« tfantmetgetidbi« in ©a*en 
be« Äinbetfdjufce«. 

■Äonfetenj bet bapertfäen Bewerbe* 
aufffcbtöbeamten. 


©in ßurfu« füt bie auSbilbung oon 
gfabriftnfpeftorinnen in ©tuttgari 

©taatöoetotbnung füt Bäder eien in 
Sübed. 

2(rbettertoerfl*eruttg. ©parfaffe» 176 

Sie ©tgebniffe bet Snoatiben* 
Oerf icfjerung füt 1897. Bon 
&. £otn, Berlin. 

3noaliben» unb 8üter3rentner in 
Seutfcbtanb am 1. Dftober 1898. 

Surd^fübtung bet ^noatibitüt«* unb 
aUet«Oetftcbetung in Dfipreu&en. 

UnfaEoerfi djerung bet ©eeleute in 
grtanfreid). 

tU»cit«na*toct«.178 

Biün^ener atbeitönadjwei«. 

atbeitönacbwei« • Änftalt Jpeibetberg 
1897. 

au«beljnung be« 8ttbeit«nadjweife« in 
Bielefetb. 

©tübtifcber QlrbeitSnadjweiS in afcbet«* 
leben. 

Betbinbung ftäbtifd^er Arbeitsnachweise 
in ©nglanb. 

©eaeffeitf*aftS*efe« [.179 

Anregung be« ÄleinljanbelS jut ©e* 
noffenfc&aftSbilbung burdj £anbel«* 
fatitmern. 

Sie eingetragenen ©enoffenf*aften 
in B**ufeen. 

Äongreb foaialiftifcber ©enoffenfdjaften 
Belgien«. 

BtotmtngMeefe«. 181 

Betition um ein BeichSwohnungSgefefc. 

©t&btifdje S8obnung«poIitil in §rel* 
butg i. B. 

©egen bie SBobnung«notb in £5ln. 

Sie ftotnrnfffton gegen ungefnnbe 
ÜBobnungen au 6tta|butg L ©. 

tttteraeftf*e Vnactfen.182 


ttbbmcf fümmtlicbet Artttel ift Bettungen unb ßeüfcbriften geftattet, jebodfc nur 
mit ootter CUteEenangabe. 


fett Dr. fietttttet tut* bie engiifi^eu Stabe Union* 


L 

Als itn 2Äai b. 3- ber auf beut ©teinfohlenbergmerfe am 
^ieSberge auSgebrodjene Streif gum ©egenftanb einer Qnterpellation 
in bem $reuf$tfd)cn 5lBgeorbneten^aufe gemalt mürbe, Benagte ein 
SRiiglieb ber nationatliberalen Partei, $err Dr. Söeumer, bie ©e* 
Iegen^eit, um an feine Kollegen bie Sitte ju rieten, fie mosten 
burd) ba« Seifpiel (SnglanbS marnen laffen, an bem man 
feljen lonne, mo^in e0 füljre, roenn bie Agitatoren an ben Sßläfcen 


beg probuftioen SAaffenö baS ^eft in bie ^änbe befämen. Um 
fid) al§ ©at^oerftänoigen ju Ieaitimiren, berief fid^ ber genannte 
£>err am ©d)Iufe feiner Sftebe oarauf, bafe er ber £ommiffion an* 
geprt ptte, bie oon ber beutfdjen Qnbuftrie im Sommer 1889 
nad) ©nglanb entfanbt roorben märe, um bie bortigen Arbeiter* 
oerpUniffe gu ftubiren. „SRad^ eingeijenber $rüfuna beg Xrabc 
Union^mefenS," fjeifet eg bann roeiter, „^aben mir Damals feft* 
gefteHt, ba§ ftd) biefe englifc^en ^rabe UnionS jum S^eil in 
fogialbemofratifc^er ©ntmiaelung im fontinentalen ©inne beS 
SBortes befinben, unb bafe es ftcp bei allen biefen fragen (?) nid)t 
um eine öo^nberoegung banble, fonbern um bie ßrage, roer £>err 
im J>aufe fein fott. Sfteine Herren, baS ^at 3^nen bod) ber Aus* 
ftano ber engüfdjen 3)2afc^inenbauer, glaube iti), gur ©enuge ge* 
jeigt." 

3c^ mufe biefen Ausführungen beS §errn Dr. Beumer miber* 
fpret^cn. 

3unädhft ftelle id) in Abrebe, bafe ber genannte |>err bie 
Legitimation befifet, über ben englifdjen S^rabe Unionismus 
ein Urthcü gu fäEen; ber Semeis bafur mirb jebenfalls nicht burch 
bie ^Berufung auf feine englifcfje ©tubienreife erbracht. S)ie £om* 
mifpon, mit ber er biefe Steife machte, hat, roie fid& aus ben 1890 
bei Btttfdjer u. SftöfteE in Serlin im ®rucf erfchienenen Berichten 
ergiebt, am 24. September 1889 bie §eimatf) oerlaffen unb ift am 
21. Dftober beffelben 3ah«S gurücf gef ehrt, nadhbem fie ßonbon, 
5Rargate, Sorf, 2)arIington, TObbleSborough, ©altburn, 9?emcaftle, 
Spnemouth, ®urham, ©binburg, 3)unbee, ©laSgoro, 9)tanchefter, 
ßioerpool, Srabforb unb Sirmingbam befucht hatte. 28 Sage 
alfo hat bie Äommiffion auf bie ©rlebigung ihrer Aufgabe oer* 
roenbet. 2öenn man bie für bie £>in* unb SRücfreife, fomte für bte 
Reifen in ©nglanb unb ©chottlanb erforberliche 3 e it abredjnet, fo 
ergiebt ftch, bafe §errn Dr. Seumer unb feinen Kollegen etma brei 
SBochen für baS ©tubium ber englifcbcn Arbeiteroerhältniffe übrig 
geblieben finb. 0b bie Herren bie für ein foldjeS ©tubium er* 
forberlichen SorauSfefeungen befaßen, ob fie insbefonbere bie 
englifche Sprache oottftänbig beherrfchten — roaS unumgängUdj 
nothmenbig ift, um beifpielSmeife mit ben Arbeitern im SJiorben 
©ngianbs unb in ©chottlanb in einen ergiebigen 3beenauStaufd) 
treten gu fönnen — baS entgieljt fi<h meiner Äenntnife. 9Kit größter 
Seftimmtheit aber barf ich behaupten, bafe es unmöglich ift, inner* 
halb breier Wochen ftch über bie Arbeiteroerhältniffe in ©nglanb 
in einer SSeife gu informiren, bie gu ber Abgabe eines entfdjeibenben 
SohimS berechtigen fönnte. Als ich bk Serid)te ber Äommiffton 
f. 3* las, mürbe ich an eine Anefbote erinnert, bie, menn id) 
nicht irre, oon Soltaire herftammt. ©iner feiner LanbSleute geht 
über ben tanal, um ein Such über ©nglanb gu f^reiben. 9Jach* 
bem bie brei Monate, melche er fid) für baS ©tubium ©nglanbs 
auSgefefet hatte, oerffoffen finb, fchreibt er feinen Sreunben in 
$ariS, bie 3eit fei gu furg bemeffen geroefen. ^ad) brei 3ahren 
berichtet er, nunmehr roerbe er fleh erft ber ©chmierigfeiten feines 
UnteniehmenS beroufft, unb nach 30 3ahren fehrt er mit bem Se* 
fenntnift heim, ©nglanb fei ein fo eigentümliches Lanb, baff man 
bort geboren fein unb fein Leben jugebracht haben muffe, um es 
richtig gu begreifen. 2)aS ift gemiff eine Uebertrcibung, aber hoch 
liegt eine Wahrheit in ber ©efchichte, eine Wahrheit, bie alle bte* 












163 ©ogiale Sßraji*. ©entralhlatt für ©ogialpolittT. 9?r. 7. 164 


jenigen behergigen füllten, welche englifd)e Berhältnifie gurn ©egen* lid^ barauf rieten, Herren im f>aufe 31 t roerben. Xie Abneigung, 

ftanbe ihre« ©tubium« 3 U machen gebenfen. ber Gegner ber Xraoe Union« fann fehr wohl auch auf einem 

£)ie ©tubienreife be« £>erm Dr. Beumer mar alfo — baruber unberechtigten ©goiSrnu« berufen; fte läfet fic^ barauf gurüdfführen, 

roirb fein ©aefjoerftänbiger im 3roeifel fein fönnen — seitlich 3 U bah bie ©inrichtung ber Xrabe Union« 3 U einer ©teigerung ber 

befcfjränft, al« bah fie 3 U einem beadhtenSwerthen ©rgebnifc auf ßöhne unb baburdf) 3 « einer BJinberung be« Unternehmer* unb 

©runb eigener Beobachtungen hatte führen fönnen. X)ie Berichte tapitalgewinne« geführt hat. gür biefe ©rflärung fpri<f)t ber 

finb benn auch in ber §auptfache eine ©Übergabe oon Snfor« Umftanb, bah £>err §mgh Seil unb feine ©efinnunaSgenoffen über« 

mationen, bie oerfdhietene ^erfonen ber Äommiffion ertheilt haben, einfiimmenb bie Xhatfadje befunbet haben, bah ber ourd) bie Xrabe 

Aber roer maren bie Gewährsleute? £>err Dr. Beumer nennt nur Union« gefebaffene 3«ftanb ben früheren Berhältniffen infofern 

einige wenige, auf beren Befunbungen ich weiter unten gurüdf* oor 3 U 3 iehen fei, al« „ber tampf 3 toifchen Arbeit unb Kapital gnr 

fomme. X)er Urfprung be« weitaus größten Xheile« ber Snfor* Qtii, al« bie Drganifationen unter ben Arbeitern noch gang fehlten, 

mationen roirb nicht angegeben, unb in golge beffen fehlt eS auch ober noch nicht fo feft geftaltet roaren roie heute, 3 ur Sethätigung 

an jebem Inhalte, um ihren ©erth beurteilen 3 U fönnen. ber Öufjerften geinbfeligfeiten, befonber« feiten« ber Arbeiter, 3 U 

©eiter aber: ba« ©rgebnih, welche« ^>err Beumer in feinen ben fchroerften, häufig wieberfehrenben ©treif« geführt, bie auf beiben 

Berichten niebergelegt hat, fann jebenfatt« nicht al« ©tüfce für feine ©eiten oerljeerenb roirfen mußten", unb bah „biefer hächft traurige 

Behauptungen im Abgeorbnetcnhaufe bienen. 3 u ftanb in ber §>auptfa<he aufgehört habe, feitbem fi<h bie Arbeit« 

3unächft hat er feineSroeg« feftgefteHt, bah e« fith „bei allen geber geswungen fahen, bie Xrabe Union« begiehungSroeife beren 

biefen fragen nicht um eine ßohnbewegung hanble, fonbern um bie Sertreter anguerfennen unb mit ihnen al« einer gleichberechtigten 

grage, nier fterr im $aufe fein fotte". Xie AuSbrudfSweife „in ©acht auf beut guhe oottfommener Gleichberechtigung 3 U oerhan- 

allen biefen fragen" ift ja freilich recht unflar; bie ©ahrfchein« bcln". ©obann aber möchte idh begroeifeln, ob bie oon £>erm 

Iichfeit bürfte inbe« bafür fprechen, bah «&en: Dr. Seumer bat £>ugh Bett gemachten Angaben über ba« Berhältnih ber Anhänger 

fagen wollen: Alle Beftrebungen ber Xrabe Union« richten fich 3 U ben Gegnern ber Xrabe Union« unter ben englifchen Arbeit* 

nicht fowohl auf Berbefferung ber ßohnoerhältniffe al« barauf, gebern gutreffenb finb. ©in in ben Berichten be« öerm Dr. Beutner 

§err im §aufe 3 U werben. 3n offenfunbigem ©iberfprudf) bamit namhaft gemachter Gemähr«manne fchreibt mir Darüber, nur bie 

erflärt er nun aber — roie man annehmen muh, auf Grunb h^faen unb unoerftänbiaen Arbeitgeber wünfehten bie Xrabe 

eigener ©ahrnehmung -- auf ©. 8 feine« fchriftlichen, alfo hoch Union« 3 U gertrümmern. ,,3d) bin aber fidfjer, Reifet e« bann in 

wohl reiflich erwogenen Berichte«: „Urfprünglich reine feampf« bem (in ber nächsten Kummer sum Abbrucf gelangenben) Briefe be« 

genoffenfehaften, beren ©irfen fd^roff unb geroaltthätig, ja nicht |>errn ©pence ©atfon, bah bie grofje ©ehrbeit einen folgen 

ohne Blutoeraiehen in bie Deffentlichfeit trat, haben bie Xrabe ©unfeh nicht hegt." 

Union« auch heute noch eine Sfrage al« bie wichtigfte, nöchfte Auf ©. 42 ff. ber Berichte lieft man, e« fei ber tommiffion 
unb praftifchfte burchau« im Borbergrunbe: bie ßohn* oielfach gefagt worben, „bah nur ba bie Xrabe Unioniften begüglid* 

frage, welche bie Bereicherung gegen ArbeitSlofigfeit einfd)lieht." ihrer gorberungen fich in ben richtigen ©chranfen hielten, wo ben 

2)e« ©eiteren ftettt er auf Grunb eigener Beobachtung gleichfalls Xrabe Union« eine möglichft ftraffe Crganifation ber Arbeitgeber 

auf ©. 8 feine« Berichte« ben Xrabe Union« folaenbe« 3eugnih gegenüberftänbe". 3 U ™ Beweife bafür werben bie Anfpriiche er« 

au«: „Sn ihnen allen — nämlich ben englifchen Arbetter« wähnt, welche bie Xrabe Unioniften im ©djiff«bau in Glasgow 

Affociationen, bie Xrabe Union« mit einbegriffen — fommt bie erhoben haben. 3nbeh — }u welchen ©chluhfolgerungen berechtigt 

Sfraft ber ©inigung, bie gähigfeit, fich ^ cr Rührung Anberer biefe Anführung? Qeber objeftioe Beurteiler muh auf Grunb ber 

untersuorbnen, fowie bie |>artnäcfigfeit unb ©nergie in ber Ber« oon .jperrn Dr. Beumer mitgetheilten eigenen Beobachtungen unb 

folgung gefteefter 3iele sum Borfdhcut, unb ber englifchc gelernte 3nformationen Xritter 3 U ber Äonflufion gelangen, bah bie Sn« 

Arbeiter hat, ohne bah Berbefferung feiner Berhältniffe ©egen« ftitution be« Xrabe Unionismus fich al« eine ben f 03 ialen Sieben 
ftanb eine« SHegierungSplanS gewefen wäre, Bewunbern«« förbernbe Snftitution erroiefen hat, bah f lc atterbing« bie ©efahr 

werthe« erreicht, ©r hat nicht bloh Sntereffen oerfolgt, in fich bergen fann, bie Arbeitnehmer sur ©rhebung unberechtigter 

fonbern fich licfjten auferlegt unb fich 3 U i en er ©elbft« Sorberungen 3 U oerleiten, bah aber in ber §>anb ber Arbeit* 

ftänbigfeit ersogen, bie einen SRuhtn barin fucht, felbft für bie aeber liegt, biefe ©efahr burch eine ftraffe Organifation ab 3 uroen* 

eigene 3nfunft 3 U forgen, eine ©elbftftänbigfeit, bie wir leiber bei Den. X)a«, roa« ,f>err Dr. Beumer im Abgeorbnetenhaufe behauptet 

einem groben Xheil auch & er „geleniten Arbeiter" nur allsufehr hat, wirb alfo burch feine Berichte in feiner ©eife erhärtet, 

oermiffen." Auf ©. 10 beruft fich S> err ^ r - Beumer auf einen £err Dr. Beumer hat nun auf feiner ©tubienreife auch bie 
Bericht be« befannten ßabour ©orrefponbent 3Rr. Bumett, eine«, grage unterfucht, ob bie englifchen Xrabe Union« fich fosialbemo» 

wie bie Äommiffion wieberholt anerfennt, nihigen unb befonnenen fratifchen Xenbengen suneigen. ©r oerneint bie«: „Xhatfächlich, 

Blanne«. Xiefer befunbet, bah im ©egenfahe 3 U früheren 3^iten fagt er auf ©. 32 feine« Berichte«, fcheint nach ben eingehenben 

„heutsutage Arbeit«ftreitigfeiten feine Aufftänbe unb ©mpörungen ©ahrnehmungeit, bie wir in ©nglanb gemacht, eine fosialbetno* 

mehr h^aeifühten. X)ie ©ewerfoereinler finb beffere Bürger fratifche Xetibens bei ben Arbeitern ber Xrabe Union« im Attge* 

geworben u. f. w. X>ie öffentliche Meinung ift für bie ©ewerf* meinen bi« jefct nicht oorhanben m fein." Sa biefetn ©inne 

oereine günftiger geworben. . . . Xie friebliche ©rlebigung ber haben ft<h „bie h«worrägenbften unb intettigenteften Arbeitgeber" 

©treitigfeiten roirb je^t erreicht, roährenb früher bie ©rlebigung gegenüber §>errn Dr. Beniner au«gefprod)en; fie oerficherten, „bag 

burch Gewalt ^erbeigefü^rt würbe, ©treif« finb natürlich nod) ber englifchen Snbuftrie oon ©eiten ber © 03 ialbemofratie feine ©e« 

nicht gans überflüffig geworben, aber e« befteht bie Xenben 3 , fie fahr brohe". 3h r cui 3eu0tiih legt §err Dr. Beumer ittbeh um 

thurtlichft 3 U oermeiben, unb bie Xrabe« Union« tragen ihr Xheil be«witten feinen entfdjeibenben ©erth bei, weil bei biefen heroor« 

hiersu bei." ©. 26 roirb berichtet, ber ftet« friebliche Au«gang ragenbften unb intettigenteften Arbeitgebern „fein Berftänbnih für 

ber ßohnoerhanblungen habe sur Solge gehabt, bah bei bzn bie 3 ^ e ^ er internationalen ©osialbemofratie oorhanben fei", 

©ngitteer« feit 1851 ein allgemeiner Arbeit«au«ftanb nicht mehr 3J?it meinen ©rfahrungen ftimmt biefe Behauptung nicht überein; 

ftattgefunben habe, freilich eine Behauptung, Die meine« ©iffert« fie Hingt auch nach ben Angaben be« Berichte« auf ©. 33 ff., wo 

nicht sutrifft. Bei Befprechung ber Xraoe Union« ber Xeftil* oon ber Agitation unb ben ©rfolgen be« Bir. Burn«, „eine« 

Snbuftrie auf ©. 29 ff. wirb rühmenb h en, a r 9 e h°^ e a, bah banf ©osialbemofraten in unferem ©inne De« ©orte«", gefprochen roirb, 

ber sweefmähigen Crganifation X)ifferensen swifdhen Arbeitgeber hädhft unwahrfdheinlich. ©ie bem nun aber auch fein möge, £err 

unb Arbeitnehmer in „ber überwiegenben ©ehrgahl ber gätte" Dr. Beumer ftiiht fein Urtheil, bah «for englifd>e Arbeiterftanb 

burch Bergleich beigelegt werben, bah // nur äuherft feiten" gu fuh fonfequent ben fogialbemofratifchen Aufwiegelungen ocrfchliehe", 
©treif« fommt u. f. w. noch auf ein anbere« Argument, ba« er, feinem Beridjte nach SU 

£err Dr. Beumer erwähnt nun freilich auf ©. 38, ein be* urteilen, felbft für einwanb«frei erachtet. „Ueberatt, fagt er 

geifterter Anhänger ber Arbeiteroereinigungen, Btr. ©ugh Bett in ©. 32, härten wir bie Xenbeng, Unfrieben gwifcheit bem tapitaliften 

©ibb!e«borough, habe fich bahin au«gefprochen, „bah nur 5 % ber unb bem Arbeiter 3 U fäen, oon ben Arbeiteroertretern auf ba« 

englifchen Arbeitgeber bie ©inrichtung ber Xrabe« Union« au« Ueber* ©chärffte oerurtheilen." ©ic betonten „auf ba« $ad)brüdflidjfte bie 

geugung hochfchäpen, bah meitere 45% nur geswungen biefer Be* 9fothwenbigfeit eine« frieblidjett 3ufammenroirfen« oonÄapital unb 

wegung ttad)gegeben haben unb bah bie übrigen 50% nod) h cu te Arbeit*". „X)er Unternehmer müffe immer feinen guten Berbienft 

beftrebt finb, fid) bie Xrabe Union« möglichft 00 m §alfe gu haben, unb bie« ihm gu ermöglichen, liege um fo mehr im Suter* 

halten". Angenommen nun, bah biefe 3 a hf cn sutreffenb finb, fo effe ber Arbeiter, al« fi<h ber Unternehmer anbemfallS guriief* 

wirb baburd) boch nodh ohne ©eitere« nicht ba« thema probandum giehen unb fein Kapital anber« oerwenben würbe. bie 

erroiefen, bah nämlich bie Xrabe Union« ihre Beftrebungen lebig* Arbeiter werbe nur eine ausfömmliche, ben Serhältniffen ent* 



165 


©ojtole %za#6. (Jentralblatt für Sosialpolittt. Rr. 1. 


166 


fprecRenb gute, Rdjere %i)tens oerlangt" u. f. tü. Auf S. 39 Reifet 
es, bie Arbeiterfefretäre erFannten an, „bie fioRnforbermtgen müRten 
fid) ftets in räfonnablen ©rengen galten; ein ehrlicher SoRtt für et)r* 
licRe £ageSarbeit, uteRr bürfe unb Fönne nicRt oerlangt werben; 
burcR ein beftruFtioeS BorgeRen gegen baS Kapital würbe ja ber 
Arbeiter felbft ben Aft abfägen, auf bem er fiRe" u. f. w. £>err 
Dr. Beumer beuterft S. 9, ber englifcRe Arbeiter betrachte eS „als 
@Rrenfache", fi<h ben ©ntfcReibungen ber Arbeiterführer 3 U unter* 
werfen, auch wenn fie gegen fein oermeintlicheS Sntereffe aus* 
fielen. SRan muR alfo annehmen, baR „bie gefunben AußcRten" 
ber güRrer für bie ArbeiterfcRaft maRgebenb finb. — Aber JcRon 
auf S. 32 wirb eine @infd>ränfuug gemacht. 3n ber AnmcrFung 
bafelbft ReiRt eS: „Rur bezüglich ber £rabe Union ber ßonboner 
SeRer gab uns 9Kr. Burnett 3 U, baR biefe Bereinigung, welche 
nod) uor brei gaRren einen gan 3 entfliehen Fonferoatioen Sh ara ^er 
hatte, jeRt in ihrer ©efammtReit oon fosialbemofratifdtjen 3bcen 
erfüllt fei." Auf S. 45 wirb bann fogar eine AuSfacje Burnett’S 
citirt, bie mit ben obigen Angaben nicht oereinbar tft. (Er foll 
3 ugegeben haben, „baR wirtliche R^ialbemoFratifche Führer mit 
einem gewiffen Anhänge in (Englanb oorhanben feien", baR „eS 
SoiialbemoFraten in allen £rabe Unions gebe, wenn auch oor* 
läufig in geringer 3aRl", baR „auch in ben £rabe UnionS als 
folgen fchon jeRt eine gcwiffe Hinneigung jur 0 O 3 ialbcmofratie 
oorhanben fei" greilid) lieft man bann wieber auf @. 34 „2Sie 
fich ba 3 it — nämlich ber fo 3 ialbemofratifchen ^ropaganba — bie 
alten Srabe UnionS Retten werben, bleibt ab 3 uwarten." 

Kur 3 um, baS Bilb, welches H err Dr. Turner in feinen Be* 
richten entwirft, ift ooß oon BMberfprücRen. (ES würbe 3 U weit 
führen, nun auch noch bie Berichte ber anberen KommiffionSmit* 
glieber 3 U analpjtren. 28er fie lieft, fattn fich bauon über* 
jengen, baR fie feine Klarheit in bie Sache bringen. Auch aus 
ihnen erfieRt man nicht, wo bie Wahrheit liegt. Ber fdjliefeen - fich 
bie Arbeiter Fonfequent ben fo^ialbentofratifchen Aufwiegelungen? 
Dber gilt baS nur für bie gelernten Arbeiter? Dber war fchon 
1889 m allen £rabe UnionS eine gewiffe Hinneigung 3 ur © 03 ml* 
bemofratie oorhanben? Dber war bie grage bantals nicht fprud)* 
reif? Bergeblich fucht man nach einer flaren Antwort. 

Herr Dr. Beumer beruft fich in feiner Rebe nun aber auch 
noch auf ben jiingften Streif ber englifchen ßKafdjinenbauer; burch 
biefen foß erwiefen fein, bah es fich //bei aßen biefen fragen nur 
um bie grage hanble, wer Herr im H au f e fein foße". 

28enn bie BtaRhinenbauer in ber £Rat gorberungen aufgefteßt 
hätten, bie in ber Richtung beS thema probandum Fonflubent 
wären, fo würbe m. (E. bamit noch immer nicht ein ooßgültigeS 
Argument gegen bie gnftitution ber Srabe UnionS erbracht fein. 
SDie englifchen Arbeitgeber haben in bem jüngften Kampfe gegen 
bie Arbeitnehmer Btittel angewenbet, welche H err Spence 28atfon 
in feinem Briefe als „bebenflich" be 3 eicftnet, für bie aber wohl 
auch ein ftärferer AuSbrucf noch am Blafee wäre. Sie haben 
beifpielSweiie fofort aßen Arbeitern gefünbigt, bie 3 U ber STrabe 
Union ber Btofd)inenbauer gehörten; auch folchen, welche bie Arbeit 
fortjufeRen gewißt waren. Sie haben weiter, wie bie englifche 
treffe, 3 . B. baS ,,(Ed)o", ohne 28iberfpruch 31 t erfahren, berichtet 
hat, biejenigen Btafchinenfabrifanten, welche ben acRtftünbigen Ar* 
beitstag in ihren Betrieben eingeführt hatten unb mit ben (Erjjeb* 
niffen 3 ufricben waren, gebopfottet. $)er Berein ber 3 ec ^ en befi^er 
richtete an feine SRitglieber ein RunbRRreiben, in bem fie offen 
aufgeforbert würben, nur bei gabrifanten, welche ben achtftünbigen 
Arbeitstag nicht bewißigt hatten, RtaRhineu 311 befteßen. Alles 
baS fcheint H e rrn Dr. Beumer utibcfannt 3 U fein; anberS wäre es 
fchwerlich 3 U erflären, baR er biefe für bie Beurteilung beS Ber* 
RaltenS ber Arbeitnehmer widrigen SRatfachen in feiner Rebe un* 
erwähnt lieR. Btan mag nun freilich eine Rechtfertigung biefer 
BtaRnaRmen in bem ©aRc fuchen: C’est a la guerre coimue ä la 
guerre! Aßein bann muR man biefen Safe andj für bie ©egen* 
Partei gelten laffen, bann muR man auch baS BerRalten biefer 
leRteren unter ber Bcrücffichtigung ber £Ratfad)e cinfrf)äfecn, baR eS 
fit eben um einen KriegS 3 uftanb gehanbelt hat. 

Abgefehen aber baoon — ift eS 3 utreffenb, baR bie £rabe 
Union ber RtaRhinenbauer eine gorberung aufgefteßt hat, bie barauf 
hinauslief, bie Arbeiter 3 U H er ren im Haufe 311 ntadjen? H cr r 
Dr. Beumer fteßt hier eine Behauptung auf, ohne bie Alten 311 Fennen. 
3n 2i'ir Flieh Feit liegt bie Sache fo, wie H er r ^rofeffor Brentano 
fie in ber Rumtner 11 ber „So 3 ialen ^rayis", gahrg. VII, ooui 
16.3)e3embcr 1897 — alfo mehrere Rtonate beoor H^rr Dr. Beumer 
feine Rebe im Abgeorbneteuhaufe b^l — bargefteßt hat. 2)er 
gührer ber Arbeitgeber, 3Kr. 2)^er, hat aßerbingS f. 3- bie AnFlage 
erhoben, bie 2:raoe Union ber Rtafchineubauer beabfichtige, bie 


^robultion 3 U befchränfen. Als aber ber ©eneralfefretär ber 
Rlafchinenbauer, Rlr. BameS, bieS Beitritt unb ben Beweis ber 
2Bat)rbeit oerlangte, finb bie Arbeitgeber biefen ftiilbig geblieben. 
Später fteßte ber HanbelSminifter Ritchie ein Programm behufs 

e er Beilegung beS Streifs auf, in bem eS u. A. heißt: „5)ie 
foereine weifen jebwebe Abfidjt, fich tn bie Betriebsleitung 
ber Arbeitgeber einsumifchen, 3 urücf", unb bie Arbeitnehmer er* 
Flärteu fich fofort 3 U Berhaublungen auf biefer ©runblage bereit. 
3m Rooember 0 . 3* fprachen Re Reh in einer Refolution oon 
Reuem nochmals bahin aus, baR fie „jebwebe Abficht, Reh in bie 
Betriebsleitung ber Arbeitgeber 3 U mifchen, Beitritten". 

Herr Dr. Beumer führt enblich an, bie englifchen £rabe 
UnionS hätten fich ^ a 3 u oerftiegen, ben Arbeitgebern bie (Einführung 
neuer 9Rafd)inen 3 U unterfagen. 3 ^h roü&te nicht, wo unb wann 
eine folcRe gorberung oon einer ^rabe Union gefteßt worben 
wäre. H err @pence featfon fchreibt mir barüber, es fei nicht 
Forreft, wenn man behaupte, „baR bie englifchen Arbeiter für fid) 
baS Recht in Anfprud) nehmen, bie fieitung beS ©efchäfts, ins* 
Befonbere was bie Anmenbung neuer Riafchinen anbetrifft, 3 U 
reguliren." Richtig ift, baR bie £rabe UnionS bei ber (Einführung 
neuer BtaRhinen, burch welche bie ßohnoerhältniffe beeinfluRt werben, 
eine Reuregelung ber lefcteren oerlangeit. SnbeR — ich aerweife 
auf ben lehrreichen AuffaR .,The Methods of colleetive Bargaining“ 
in bem „Öconomk Sournal" 00 m R?är 3 1896 — biefer Anfpruch 
wirb oon ben englifchen Arbeitgebern als berechtigt anerFannt. 
Btit ihrer 3 u itiinmung ift eine ooßftänbige Drganifation aus* 
aebilbct worben — 3 . B. in ber SejtiÜnbuftrie —, um in folchen 
gäßen eine Reuregelung beS ßohneS oor 3 unel)men. Rach bem 
3eugniR fierog Beaulieu’S gefchieht & auf bem Kontinente „nur 3 U 
oft", baR bie Arbeitgeber ben aus neuen Blafchinen erwadjfenben 
BortReü gan 3 für pdb in Anfpruch nehmen woßen. Aber felbft 
biefer über jeben Borwurf fo 3 ialiftifcher Reigungen erhabene 
RationalöFonom bezeichnet biefe Arbeitgeber als „un tiop grand 
nombre de falricants peu loyaux“. 

Bonn. oon Rottenburg. 


Mgemeitie Sojlai- utt& 3®lrtljrdjaft?poUtih. 


Organifatioit ber Arbeit 

Auffaßenb wenig ift bisher in ber £ageSpreffe eine AeuRerung 
beS ofR 3 ießen DrganS ber Fonferoatioen Parteien, ber „Konferoa* 
tioen Korrefponben 3 ", beachtet worben, bie einer abfäßigen Be* 
uriheilung ber @ewerFf<haftSbewegung bie Söorte ^ingufügte: 
„UnfereS ©rachtenS ift jeRt bie geeignetfte 3 e ü/ c ine all* 
gemeine planmäRige BerufSorganifation — eine Drga* 
nifation ber Arbeit — in Angriff 3 U nehmen." (Ein amt* 
licReS Blatt ber Föniglicb fächRfcRen Staatsregierung, baS „$)resbeiter 
gournal", pflichtet biefer gorberung (Rr. 261 00 m 10 . Rooember) 
ooßFommen bei unb meint, im Sntereffe ber Arbeiter liege bie 
Bilbung gemeinfamer BerufSorganifationeu auf einer bem gricben 
bienenben ©runblage; freilief) fei auch nicht 31 t oerFennen, baR bieS 
auch im Sntereffe ber Arbeitgeber unb ber Olefammtheit liege. 
Aus ber nationalliberalen Partei hatte bereits in ber leRten Reichs* 
tagSfeffion Abgcorbneter greiherr oon H e ß* am 9. 9 Jlär 3 b. 3- bei 
Beratljung ber Anträge ScRneiber unb Sieber über bie cingetrage* 
nen BerufSoereine ben gleichen ©ebanFen oertreten mit ben Sorten: 
„3öir meinen, baR obligatorifcRe BerufSoereine burch bie 
©efeRgebung begrünbet werben inüffen, in welchen Arbeitgeber 
unb Arbeiter gemeinfchaftlich oereinigt ben 3*o^n beS gricbenS 
in ber inbuftrießen Arbeit bienftbar gemacht werben foßen." ©in* 
fluRreicRe Angehörige ber (EentrumSpartei Raben unlängft auf einer 
Bcrfammlung in StraRburg einen bis ins ©in 3 elne ausgeführten 
Blan einer folcRen Drganifatioit in ArbeitsFammern oorgelegt 
unb befürwortet (oergl. „Sogiale $rajis" VIII Sp. 64). Sie 
griffen bamit, freilich m ftarf mobiRsirter gönn, auf einen Antrag 
3 urücf, ben bie So 3 ialbemoFraten fdjon oor langen gaRren im ReidjS* 
tag eingebracRt Ratten unb ber ebeitfaßs bie gemeinfame Drgani* 
fation oon Arbeitgebern unb Arbeitern bitrd) ©efeR im garten 
ReicRe forberle. 

©S fpruRt fomit eine feRr groRe 3öaRrfdjeinIid)Feit bafiir, baR 
berartige $läne im uädjftcu Reichstag in ben Borbcrgrunb ber 
©rwägungen treten, unb 3 war um fo meRr, als ohnehin bie gragc 
ber BerufSoereine wieber 3 ur Aufroßuug gelangen wirb. Seil 
1891 Rat ber Reichstag wieberRolt, jnleRt lh ( .i 8 in Refolutionen, 
fich mit groRer RieRrReit bafiir ausgefprothen, baR bie bem Koa* 
litionSredRt noch entgegenfteRcuben BefdiräuFungen be* 
feitigt werben, baR insbefonbere nach §• 15*2 ber ©ewerbeorbnung 



167 


©ojiole J&roytS. «entralblott für Süjialpotttil. Ar. 7. 


16S 


aucß berabrebungen unb bereinbarungen jur Erlangung günftiger 
£oßn* unb ArbcitSbebingungeit aud) bann erlaubt finb, roenn fte 
fidj barauf rieten, entfprecßenbe Aenberung ber ©efeßgcbung unb 
StaatSoerroaltung ßerbe^uführen, baß ferner bie berufSoereine mit 
einanber in berbinbung treten bürfett, baß ben berufSoereinen bie 
AecßtSfäßigfeit oerließen roirb. hierauf bat bie Regierung bisher 
entroeber gar feine ober eine ablebnenbc Antwort gegeben. Statt 
beffen ift oie lex Deynhaufeit ju erwarten, bie ftd) ihrem aus* 
gefprod)enen 3roedf nach 3 roar nur gegen Ausbreitungen unb btiß* 
brauche beS KoalitionSrecßteS rnenben foÜ, oon ber aber febr roeite 
Äfreife tßatfätßlid) eine Einfdjränfung biefeS ©runbrecßteS ber 
Arbeit befürchten. Sollten in bem Entwürfe jene Ausbreitungen 
unb bttßbräucße nur auf Seiten ber Arbeiter gefucht unb geabnbet 
roerben, fo ift mit Sicherheit barauf ju rechnen, baß aus bem 
Reichstag bie unerläßliche Korreftur beantragt wirb, baß auch 
Unternehmer unb Arbeitgeber, bie ihr eigene« KoaütionSrecßt 
mißbrauchen unb bic Arbeiter in ber rechtmäßigen Ausübung ihres 
KoalitionSrecßteS ßiubern, be* Strafe oerfallen. „$)ie Arbeiter 
müffen, ebenfo toie gegen ihre ©en offen, auch gebüßt roerben 
gegen bebroßungen, gegen berrufSerflärungen unb Einftßücßte* 
rungen, bie bie Unternehmer gegen Arbeiter ausüben, um fie 3 U 
nötigen, bem Streif fern^ubleiben ober ben Streif ju oerlaffen" 
(Sorte beS ^rof. Dr. ßöning auf ber ©eneraloerfammlung beS 
Vereins für So^ialpolitif, Enbe September 1897 in Köln). 

Soll eine Drganifation ber Arbeit, bie bübuug einer gemein® 
famen berufSorganifation ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter mit 
Erfolg für ben geroerblichen Öneben, mit Außen für bie beiben 
Parteien unb jum Sohle ber ©efammtheit 311 Stanbe fommen unb 
arbeiten, fo ftnb unfereS EracßtenS bafür jroei borauSfeßuttgcn un* 
entbehrlich. 3 um Erften halten roir eine folche gemeinfame Dr® 
ganifation nur bann für ausführbar, roenn fie auf ben ftarfen Pfeilern 
ber Sonberorganifationen ber Unternehmer unb ber Arbeiter ruht. 
®ie Koalitionsfreiheit ber Arbeitgeber ift feßon jeßt unbefeßränft; 
feinerlei gefeßlicße borfeßrift hinbert fie, 3 ahlreicße gefeßlicße be* 
ftimmnngen orbnen ihre berufSocreinlicße Korporation an: £>aitbels* 
fammern, ©eroerbefammern, Snnungen, ßanbroirthbaftsfammern, 
berufSgenoffenfcßaften, Kartelle, Ainge, Spnbifate, Arbeitgeber® 
oerbänbe, Aftiengefellfcßaften 2 c. finb 3 c »gen bafür. 3)aS Koalition«® 
reeßt ber Arbeiter ift rechtlich auf gatt$ beftimnite ©ebietc unb 
3medfe bcfchränft, feine Ausübung roirb iiberbie« burch Stecht® 
fprcchung unb berroaltung noch mit ben oerfchiebenartigften Aus® 
legungen unb Eingriffen ganj erheblich behinbert. £>ier ift alfo 
freie baßn burch ©efeß in bem 00 m AeicßStag mehrfach befiir® 
roorteten Sinne 31 t fißaffeu. &aS erforbern Aecßt unb billigfeit! 

Unb bieS führt 311 unferer ^roeiteit gorberung: Gleiches AJaß 
unb ©eroießt für Unternehmer unb für Arbeiter oor allen Safta^en 
unb freier blief für bie Entroicfelung ber Ringel $)ie ^ßolitif ber 
Aabelfticße unb ber Kräh min felei, bie jeßt oielfacß in ®eutfchlanb, 
namentlich in Preußen unb in Sacßfen im inneren Aegiment geübt 
roirb, oerrätß roaßrlicß nichts oon bem „Seßerblicf ", ben Earlyle 
ben SDeutfcßcn gugebrieben h°t, „ba fie nicht oft babureß irre 
geßen, baß fie oerfänmten, roeit genug oorroärts 3 U blicfeit". 
©egeutßeil bieS Aegime ift in Engher^igfeit unb Kur 3 fi<ßtigfeit be® 
fangen. Aiit einer ^Solitif ber AuSroeifungen, ^ol^eioerbote, SJta® 
jeftätSbeleibignngSprojeffe, Scßmälerung ber Selbftoerroaltung, 
Sdjieß® unb ,£>ieberlaffe erreicht man nur, baß fieß bie allgemeinen 
Sympathien ben betroffenen 3 uroenben. $)a biefe £aftif gerabe jeßt 
einfeßt, roo in ber fo 3 ialbemofratifcßen beroeguitg eine mäd)tige 
Strömung ißr bett immer breiter unb tiefer gräbt unb auf „eine 
Aeuprüfuitg, eine Aeoifion" ber begriffe, auf eine ©egenroartS* 
unb SirflicßfeitSpolitif ßinbrängt, fö muß man annehmen, baß 
entroeber an maßgebenber Stelle hierfür jebeS berftänbniß feßlt ober 
baß „Augftmcier unb ©eroaltpolitifer", um ein gelegeittlid)eS Sort 
ber „Köln. 3tg*" 3 U gebraudjen, im einfeitigften Unternehmer® 
iittereffc Einflüße auSiibcn, bie einer frieblidjen unb gebeißlicßen 
Entroicfelung gerabe 3 u entgegenroirfen. 

®iefe aber roirb geförbert bureß eine eßrlicße unb ftarfe So 3 ial® 
reform, roie fie in ben Kaifererlaffen 00 m 17. Aooember 1881 unb 
namentlich 00 m 4. Februar 1890 proflamirt roorben ift. „®er 
Staat h^t feine roießtigere ^fließt als bic, unauSgefcßt an ber 
berbeffernng ber i?age ber ArbeiterflafJe, in ber bie 
oerjnngenbe Kraft beS bolfeS liegt, foroeit bie Sltittcl ba^u 
irgeub reid)cn, 311 arbeiten," fagt ber frühere s ^räfibent beS 
9teid)Soerfid)crungSamteS Dr. böbifer in einer füqticß erfeßieuenen 
Scßrift. 9tuu roerben ja oerfdjiebette fo^ialpolitifcße Elefeßeutroürfe 
fiir bie nädjfte iHeidjStagSfcffion augefünbigt. Aber felbfl roenn 
biefe borlagen fänuntlicß im (Seifte etner ernftßaften So 3 ialrefornt 
gehalten finb, roerben ißre ethifeßen Sirfungen auf bie Arbeiter® 


rnaffen oerfeßroinbenb bleiben, roenn nießt sugkieß bie Sßatfad)cn 
ber Ueber 3 euguug ben breiteften hoben oerfeßaffett, baß bie 9tegie® 
rung in allen ißren 3 roe iQ cn EUiebern ber Arbeiterbewegung 
als folcßer mit Eierecßtigfeit unb Einfidjt gegenüberfteßt unb fieß 
nießt oon ben Untemeßmerintercffen allein leiten läßt, ^em einfeitigen 
llnternehmerftanbpunft ift fogar bie reoolutionäre Sosialbemofratic 
lieber als eine ftarfe ©eroerfoereinSberocgung: ©egen bie erftere 
feßüßt ber Staat mit feiner s Dtacßt, gegen bie aubereit muß er 
fieß felbft roeßren. Aber baS Sntercffe ber ©cfammtßeit liegt auf 
bem Segc ber frieblid)en Entroicfelung, unb biefen 3 U geßen roirb 
bie gemetnfame berufSorganifation ber Arbeit nur bann int Stanbe 
fein, roenn fie oon oornßerein auf ben ©runbfäßeti ber ©leid)® 
bereeßtigung unb ber Sreißeit anfgebaut roirb. 

berliu. E. 3fran cf c. 


ArbeitSfammern tn ben 9fieberlanben. 3n Ergän 3 ung ber 
bfittßcilungen in Sp. 139 ber „Sosialen ^rayis" roirb uns aus 
Amfterbam beS Seiteren gefd)riebetr. ^>aS in Ar. 12 beS oorigen 
SaßrgatigS (Sp. 299) befproeßene ArbeitSfamutergefeß ift nuntneßr 
in einigen ©emeinben 3 ur Ausführung gefommen, unb 3 toar finb 
Kammern angeorbitet roorben: für Amfterbam ficben ( 1 . für bau® 
betriebe unb ©aS® unb Eleftri^itätSanlagen, 2. btetall® unb $)ol 3 * 
bearbeitung unb Serften, 3. Kleiber® unb Säfd)efonfeftion, 4. Aaß® 
rungsbetriebe, 5. bueßbrueferei n. f. ro., 6 . Sabafsbetriebe, 7. ^)ia® 
mantinbuftrie); im £>aag oier (1 unb 2 oereinigt, 3, 4 unb 5): in 
Enfcßebe eine für bie banmiooHeninbuftrie; in §aarlem fünf 
(1—5); in ßeibeit oier (1 unb 2, 4 unb 6 mit Seifcninbuftrie, 
5, 3 mit Spinnereien, Sebereien u. f. to.); in $)orbred)t 3 roei 
(1 unb 2, 4); in 3i’itpfien eine (1 unb 2): in Kämpen jjroei 
(1 unb 2 , 6 ). Alle biefe Kammern roerben aus 3 eßn btttgliebern 
(fünf Arbeitgebern unb fünf Arbeitern) befteßen. Es ift aber bc- 
bauerlicß, baß bie Kammern in Amfterbam ebenfo gebilbet roerben 
roie biejenigcn Heiner Stäbte. 3ft «S boeß 3 . b. unmöglich, bie 
mannigfad)en 3»ntereffen ber fo roeit auSeinanber geßenben Aaß® 
rungsbetriebe alle bureß fünf ^erfonen 311 oertreten! $>al)er be* 
fteßt jeßt große XTnjufricbenfjeit unter ben Arbeitern AmfterbamS. 
3Kan ßättc ßier entroeber meßr Kammern aitorbnen (unb bas roärc 
bei ber großen 3 a ß^ ^ er Arbeiter in jeber betriebSart feßr gut 
möglich geroefen) ober man hätte bie blitgliebersaßl ber Kammern 
erhöhen müffen. bis jeßt haben nur im £>aag bie Saßlen ftatt* 
gefunben unb letber mit feßr roenig Erfolg. &er Saßltag roar 
oon bem ©euteinbeoorftanb oiel 3 U fpät befannt gemacht, unb fo 
haben bie Arbeiter nießt bie nötßigen borbereitungen treffen fönuen; 
ooit ißnen haben noeß uidht 150 Säßler ißr Aecßt auSgeübt. 
.^öffentlich roirb bieS in Amfterbam beffer, aber es ift 3 U befürchten, 
baß bie äßätigfeit ber Kammern bureß bie mancherlei Fehlgriffe, 
bie begangen roorben finb, beßinbert roirb. 

dfaßrbuiß ber ArbcitSgefeßgebung für 1897. Xer belgifcßc 
ArbeitSminifter, §err AyffenS, foft jeßt baS im biai 1898 in ber 
$>eputirtenfammer („Soziale ^ßrayis" VII Sp. 888 ) 3 ufolge einer 
Anregung beS 3nternationalen ArbeitcrfcßußfongrcffeS in briiffel 
(Dftober 1897) gegebene berfpreeßen ein, baß belgien eine fort* 
laufenbe ^ublifation ber ArbeitSgefeße ber oerfeßtebenen Sättber 
oeranftalten roolle. 3)er erfte banb biefeS SerfeS, mit bem £itel 
„Annuaire de la legislation du travail“,*) ift foeben erfeßienen. 
2)aS faft 400 Seiten ftarfe S^ßrbud) enthält in ooHern hJortlant — 
in fran 3 Öfifcßer lleberfeßung — bie ©efeße unb berorbnungcu, bie 
in ben europäifeßen Staaten unb ben §auptftaaten ber uorb* 
amerifanifeßen Union roäßrenb beS FaßreS 1897 erfeßienen finb. 
SÖir erroäßnen oon ben roießtigften ©efeßen nur bie .sjanbroerfs* 
nooelle in 2)eutfcßlanb, baS ArbeitSfaimnergefeß in ben Aieber* 
lanben, bie Unfallentfchäbigung in Englanb, baS Arbeiterfcßnßgefeß 
in Außlaub, baS ©efeß über bie Sonntagsruhe in Autnäuien, baS 
ArbeitSgefcß im Staate Aeioyorf. ®em ^e^te ber ©efeße finb 
Aot^en unb Amnerfungen beigegeben, bie auf ißre Entfteßung unb 
parlamentarifcße beßanblung be 3 ug nehmen. b?ie es in ber bor* 
rebe heißt, roirb baS Faßrlutd) nießt bie gefantmte So 3 ialgefeß* 
gebung in ißrer oollen AuSbeßnung umfaffeti, foubern fieß auf bic 
eigentlichen ArbeitSgefeße befdjränfen, alfo auf bie ©efeße, bie bie 
Drganifation ber Arbeit betreffen (©eroerbefreißeit, Koalition unb 
Streif, Arbeitgeber* uitb Arbeiteroercine, bc 3 ießuugeu 3 toifcßen 
Kapital unb Arbeit, ScßiebSgeridjt urtb EinignngSamt), ferner auf 
bie ©efeße, bic ben Arbeite® unb beu ^eßroertrag, bic l?öhnc, ben 
Arbeiterfcßuß, bie ©eiocrbeiufpcftion regeln, enblid) auf bie ©efeße 
über llnfallcntfcßäbigung unb Arlnütcruerfid)crung. Ein praftifd) 
angelegtes Sacßregiftcr erleichtert bie bcnußuug beS SSerfeS, mit 

*) briiffel, Cs. Vebi-gitc & ( 5 ic. 



169 


Sogiole *rosi«. Gentralblatt für Sogtalpoltttt. Rr. 7. 


170 


beffen Herausgabe bas belgifdhe 2lrbeitSminifterium fid^ ein ent* 
fd)iebeneS Beroienft erroirbt. 

tßreiSPerthtihmg beS Musäe Social ttt $ari$ an IftnUdje 
Arbeiter. DaS Musee Social bemüht fidf) auf feinen ^reisfon- 
furrengen nicht bloft um bie theoretifche Sogialpolitif, fonbern 
greift auch, foroeit eS fich mit feiner Beftimmung oerträgt, birett 
praftifd) ein. Bor ^roei 3ob«n §atte ber (Stifter bes BhifeumS, 
©raf ©hambrun, ihm bie Mittel gur Verfügung geftellt, eine Rn- 
gahl greife, beftehenb in einer fiebenSrente unb einer BiebaiHe, an 
oerbienftootte Snbuftriearbeiter gu oergeben. 3m lebten 3o^re be- 
ftimmte er eine beträchtliche Sumjne gur Bertheilung für bie beften 
organifatorifchen Seiftungen oon lanbroirthfchaftlichen Berufs* 
genoffenfct)aften. 3ür 1898 mar eine ffonfurreng unter ben ßanb* 
arbeitern auSgefdhrieben. Die SßreiSoertheilungen, bie in ben 
Räumen beS 5D2ufeum§ abgehalten toerben, geftalteten ficf) bisher 
fiets gu Keinen heften, bei benen bie ^öd^ften Siaatsbehörben unb 
bie anerfannten Sogialpolitifer fi<h eingufuiben pflegten. 3n golge 
beS ReaierungSroeihfelS muftte biefeS Sah* oon einer ähnlichen 
geierlichfeit abgefehen roerben. Die Bebingungen für ben ÄoitfurS 
unter ben Sanbarbeitern maren biefelben mie jene ber oorher* 
gehenben tonfurreng für Snbuftriearbeiter. ©S maren gugelaffen 
nicht nur Dienftboten oon minbeftenS 25 jähriger ununterbrochener 
®ienftgeit, fonbern auch Heine Pächter unb Halbpächter, ©in 
Rtinbeftalter oon 60 Sahnen ift für bie Söeroerber unerläßlich, Das 
Recht, geeignete $erfönli<hfeiten gur ^rämiirung oorgufdjlagen, 
mar ben 75 lanbroirthfdjafilichen BerufSgenoffenfdhaften oorbehaßen, 
roelche im Vorjahre preisgefrönt morben maren. Daoon hoben 70 
ber Slufforberung beS Musee Social entfprodhen unb gufammen 
165 Stanbibaten in Borfdljlag gebracht. 2luS biefen Äanbibaten 
mürben 35 auSgeroählt, roelche als greife eine DebenSrente oon 
200 grcS. jährlich unb eine oon einem Zünftler erften Ranges 
ausgeführte SKebaitte erhielten. 2llS Kriterien ber BSürbigfeit be¬ 
trachtete bie 3urp ebenfomohl oortrefflidhe Seiftungen in©rfüHung 
ber Berufspflichten mie auch befonbere 5luSgeichnungen in fogialer 

S inficht, mie gürforge für ©Itern, gute ©rgießung ber Äittber 2C. 

o mürben prämiirt g. 93. ein Dien)tbote, ber 46 3ah*e lang mit 
feiner grau biefelbe Stellung ausfüllte, ein ©reis, ber mit 
98 fahren noch oon feiner eigenen Arbeit lebte, ein paar Heine 
^achter, bie neue Kulturen in ihren ©egenben eingeführt hatten, 
eine gamilie, bie 16 $inber ergogen unb mohl untergebracht hat. 
Die ^reiSoerthcilung beS Musäe Social behält felbftoerftänblich 
einen patriardjalifchen ©harafter. Sie min feine Söfung ber gangen 
Slrbeiterfrage barfteHen. Sie erblicft ihre Aufgabe ebenfofehr in 
beit allgemeinen BHrfungeit, bie fie auf Bcfifcenbc mie Beftftlofe 
auSübt, als in bem materiellen Bortheü, ben fie ben menigen s $reiS- 
gefrönten bringt. 


fiomramwle ööjtalpolUik. 


Der Vertrag ber Stabt Berlin mit ben ©teftrigitätStoerfcn« 

3n oier Sifcungen, groei orbentlidhen unb gmei aufterorbent- 
liehen — etroaS gang ungeroöhnlicheS für bie fchncll arbeitenbe 
Stabtoerorbnetenoerfammlung —, ift ber Bertrag mit ber Slftien- 
gefeUfdjaft „93erliner ©leftrigitätSroerfe (93. ©. 90.)" mit 64 gegen 
50 Stimmen in gmeiter Sefung angenommen roovben. ©S foH 
groar am Donnerftag, ben 17. Rooember noch eine britte Sefung 
ftattfinben, fie mirb aber an bem ©nbergebnift oorausfidjtlid) nichts 
mehr änbem, ba bie Majorität feftfteht. Stach bem Vertrage foH 
ber oorgenannten Slftiengefellfchaft bie Besorgung beS gefammten 
StaMgebieteS mit eleftrifcher Straft unb ebenfolchent Sichte bis gum 
1. Dftober 1915 gegen ©inräumung einer ©eminnbetheiligung für 
bie Stabt übertragen roerben. Die feljr beträchtliche SRinorität, 
bie marnt für llebernahme ber SBerfe in ftäbtifd)e Stegie cintrat, 
fc^te fich gufammen au§ ben fogialpolitifch fortgefchritteneren Stabt- 
oerorbneten, mie fie fid) namentlich in ber „9?euen Sraftion ber 
Sinfen" gufatnmengefunben haben, ben Sogialbemofraten unb 
eingelnen Heberläufern au3 ben anberen graftionen. 2>ie öffent¬ 
liche Meinung, foroeit fie in ber ^reffe unb in SSerfammlungen 
gum 9lu0brncx fam, oertrat nahegu einmiithig bie Äommunalifirung 
beS Unternehmens. 

Stach bem grunblegenbeit §. 1 be£ 93ertrage§ geftattet bie ©e- 
meinbe Berlin ber ©efellfchaft, innerhalb beö Stabtgebieteö elef- 
trifte Scitungen oon ©entralftationen au§ angulegert unb gu biefem 
^roeefe bie Straften unb 93ürgerjteige gu benuften. ©in anSfchlieft- 
li9ied)t mirb aber hierburd) ni%t begrünbet, fo baft eoentued 
bie Ä'ongefftonirung anberer Unternehmer gunt 3 roe ^ eleftrifcher 
Straftiibertragung nicht auSgefchloffen ift. Sntterhalb ber §äufer- 


blocfs ober eingelner ©runbftüdfe fann natürlich jeber ^rioatmann, 
mie eS auch oielfach gefdfjehen ift, befonbere eleftrifche Äraftergeu- 
aungSqueHen anleaeu, fofern er nur nicht bas Straftenranon über- 
fchreitet. befferen Serftänbnift ber Sachlage erfcheint eö er- 

forberlich, auf bie gmifchen Stabt unb ©efellfchaft beftehenben 
fWedhtgoerhältniffe näher eingugehen. 

9ta<h bem gegenmärtig in ©eltung bcfinbltchen Vertrage oom 
24. SDtai 1890 füllten bie berliner ©leftrigitätgmcrfc oerpfli^tet fein, an 
3ebermann eleftrifche traft gu ben tarifmäßigen greifen gu liefern, unter 
Scmüligung eineö 10 progentigen Siabattesc für bie 93eleud)tung ftäbtifdjer 
©ebäube, audj bie 93eleuchtung ber öffentlichen Straften unb $läfcc gegen 
eine angemeffenc Vergütung gu übernehmen. Sebodi follte bie Seiftungö* 
fähigfeit jämmtlicher oorhanbener Stromergeugungsanlagcn, bereu 3al)l 
auf 5 normirt mürbe, 28 000 ^ferbefräfte nidjt überfteigen. 2)iefe ^e* 
f^räitfung mürbe magiftratöfeitig au§ bem ©runbe eingeführt, roeil 
fidh bie Stabt bas Stecht oorbehalten hatte, oom 1. Dftober 1895 ab 
bas Unternehmen nadj ooraufgegangenertünMguug gunt Sa^merthe gu 
übernehmen, hierbei foUten jeboeft für jebeS gahr oor Äblauf beS 
Vertrages 3V 3 °/o 3 u 9 fd)lag gum Sarpreife als ©ntfdhäbigung für bie 
nidjt burchgeführte Slmortifation ber Hnlagefapitalicn oon ber Stabt 
entrichtet roerben, alfo am 1. Dftober 1899, bem jefct nädjften llebentahmc» 
termin, 153 l ^%. S)as h e ifit in 3 a hlen umgefeftt: gür bie ttadj oor- 
läufiger HRagiftratSfchäpung 85 OCX) 000 Jf. roerthen SScrfe ntüftten rnnb 
18 000 000 M 9lufgelb begahlt roerben. 

^Bisher betrug in 1379 9$ertragsjahreit nach Angabe bcS 93iirger- 
meifterS ber ©eroinnantheil ber Stabt 4 980 000 M, ber ber Slftionäre 
9 362 000 M, fo baft bie Icftteren nicht gang 8 /s, bie Stabt bagegen baS 
gröftere drittel erhielt. 

9Bar mau alfo ein ©egner ber ©igenberoirthfehaftung, fo 
blieb nur ber 9lbfdhluft eines neuen — günftigeren — Vertrages 
übrig, ba bie in bem alten Vertrage ftipulirtebefchränfteSeiftunaS- 
fähigfeit ber Söerfe ben bringenben Slnforberuugen einer ftetig fid) 
oermehrenbeit 3af)l 9lufdhluft begehrenber ^onfumenten gegenüber fich 
nidjt mehr aufred)terhalten lieft. Schon 1V 2 Sahre oor bem erften 
möglichen Uebernahntetermine, bem 1. Dftober 1895, begannen bie 
SSorberathungen. 1896 hatte bereits eine gu biefem 3roecfe einge* 
feftte gemifdhte Deputation mit Stimmengleichheit bem 2ftagiftrat 
ben Slnfauf ber SBerfe empfohlen. Die in Sftebe ftehenbe Sflagiftrats- 
oorlage trägt baS Datum beS 23. Slpril 1898 unb roar 001 t bem 
9luSfdhuffe ber Stabtoerorbnetenoerfammlung in roefentlichen fünften 
amenbirt. Der neue SkrtragScntrourf bietet gegenüber bem alten 
ber Stabt folgenbe 93ortheile: 

Srofcbem ber ©ubtermin (1. Dftober 1915) berfelbe geblieben ift, 
ift bie Setheiligung ber Stabt am Sleiitgeroin ber ©efellfchaft bebcutenb 
erhöht, roährcnb bie Abgabe oon 10 % ber Bruttoeinnahme für Be= 
uufcmtg ber Straften, Brüden unb Bläfte biefelbe geblieben ift. ^ic 
9?ettoabgabe foK nunmehr oon 25 auf 35 ü /o beS ^eingeroimiS über 
20 000 000 Jt. uub auf 85% bcS Sieiitgeroinns über 4% bcS weiteren 
9(ftienfapitalS erhöht roerben. Xie Staotgemeiitbe foU ferner berechtigt 
fein, nach Ablauf beS BertrageS bie SSerfe entroeber gum ^a^preife 
ober gum Budfjrocrthe gu übernehmen, ^ür jebe brei ^ahre nach beut 
1. Dftober 1915 oerminbert ftdh ber UebemahmepretS ber SSerfe, mit 
Ausnahme ber ©runbftüde unb Olebäubc um 10%, fo baft alfo bte 
gefammten Einlagen aufter ben Immobilien am 1. Dftober 1945 ohne 
©ntgelt ber Stabt gufallen mürben. ?lufterbcm hat nod) bie Stabt 
baS Stecht, bte außerhalb Berlins in einem Stabius oon 80 km, oom 
Stathhaufc an gcredjnet, beftehenben ^erfe ber ©Icftrtgitätsgefellfd)aft 
am 1. Dftober 1915 uad) ihrer 2i*ahl gum Budj ober gum 2arrocrthc 
angufanfen. S'aS Hftienfapital ber ©efellfchaft beträgt 12 600 000 M. 
©ine ©rhöl)uug auf 20 000 000 M. ift nad) 2lbfd)luft bes BertrageS itt 
SluSftcht genommen. 2)er Äurs ber Hftiett ift roährcnb ber Bcrhanbliutg 
oon 313,50 (5. 9tooember) auf 292 ,75 (11. 9?ooentber) gefallen. 911* 
$>ioibenbe mürben guleftt 13% oertheilt. 

©egen bte fofortige Uebernahme ber 2£er!e finb oon ber 
SJtajorität ber Stabtoerorbueten brei ©rünbe geltenb gemacht roor- 
ben: Der oertragSmäftig gn entrichtenbe hohe 3«f(hlo0 3 um Day- 
preis, welcher eine Rentabilität beS Unternehmens in ftäbtifchcr 
Regie unmöglich mache; bie aufterorbentlidE) günftige ©eroinnbe- 
theiligung bes neuen BertrageS, bie ber Stabt ohne jeglid)eS 
Rtfifö unb aitbere ©egenleiftung als H e * 9 ok ber Straften unb 
$läfte eine jährliche bebeuteube fidlere ©innal)me garanttre (GtatS- 
jahr 1896/97 ruitb 800 000 f t( nach bem ungültigeren alten 
Bertrage); enblich bie Schroerfälligfeit ber bureanfratifcfjcit Ber- 
roaltunc;, roeld)e bie Stabt ungeeignet gum ©igcubetrieb großer 
inbuftrieHer Unternehmungen madje. Diefe ©iitroätibe geigett recht 
beutlich, mie fel)r bie Berliner ftäbtifchen Berrcaltmigsorgane ge- 
mohnt ftnb, alles unter bem rein fiSfalifd)en' unb eug- 
hergigen abminiftratioen ©efid)tSroinfel aus gu be¬ 
trauten, mie roenig fie fich oon fogialpolitifdien ©r- 
mägungen leiten laffen! ©ang befonberS djarafteriftifdj für 
ben Dtongel an leftteren ift bie Sleufterung eines ciiifliiftreidjcu 
BHtgliebeS ber Berfammlung: ,,©S märe für bie Stabt oom finaii- 



171 


Sogtale $rajt$. CentralBIatt für Sogialpolittf. SRr. 7. 


172 


gicüen unb Berroaltungöftanbpunfte am heften, wenn ftc einen 
©eiteralpäcftter fänbe, ber ihr bie ©aSroerfe abnäftme." Allerbing* 
machte fic^ grabe gegen biefe Aeufterung fe^r ftarfer 2öiberfprucft 
gcltenb. 

Bon ber ©egenfette rourbe feljr richtig bemerft: Sie angebliche 
llnfäfttgfeit ber Stabt jur Berroaltung großer roirthfcftaftlicfter 
Unternehmungen fei burd) bie günftigcit SöetriebSergebniffe ber fo* 
genannten ftäbtifdjen SBerfe, in*befonbere ber ©a** unb Söaffer* 
roerfe, Iängft glängenb roibcrlegt. Hntfcftlicfte man fteft jeftt nicht 
gur Üebernaftme, fo roerbe biefe 1915, roo bie fidf) oon Sag gu 
Sag oergröfteritben Hleftrigität*rocrfe (eine Biajimalgrenge ber Au** 
behnung ift übrigen* in betn neuen Bcrtrage auch oorgefeften) 
etroa 100 Millionen — gegen 50 jur Reit — foften mürben, erft 
recht unmöglich fein. Sic Hlcftrigität fei ein ftarfer Eonfurrent 
be* ©afe*. Solglic^ ntiiftte bie Stabt beibe* in $>änben behalten. 
Hnblich liefere man ben Aftienaefellfcftaften nttb ben hinter ihnen 
fteftenben Öinangmäcfttcn ba* ftccftt auf ÜBenuftung ber (Straften 
unb ^läfte au*. Ser § 11 be* Bertraae*, nach *> cm hie ©efett* 
feftaft Berliner HIcftrigttät*roerfe gur Lieferung ber Hleftrigität gutn 
betriebe ber Straftenbaftnen oerpflicfttet ift, habe bie fehr bebenf* 
licftc Senbettg, ber Bilbung eine* B?o nopol* für Hleftrigität** 
lieferuug bie Bkge gu ebnen. 

3m Saufe ber Berftanblnngeit gelang e* ben SRegiefreunbeit noch, 
bie Hrftöftung ber SReingcminnbetfteiligung für bie Stabt auf 50 % 
(ftatt 35 % ber Diagifirat*oorlage unb 40 u / () be* Au*fd)uftDorfcftlage*) 
bureftgubrüefen. Stefe gunäcftft non ber ©efeQfcftaft für unannehm* 
bar erflärte Bebingatig, roelcfte offenbar eingebracht mar, um ben 
Vertrag gu $all gu bringen, foH, bem Berneftmen nach, oon iftt 
ingroifchen hoch noch acceptirt morben fein. 

3m gangen Verträge ift enblich nur ein einziger Paragraph 
fogialpolitifcften 3uftalte*, ben ber Stabtoerorbnetenauöfcftuft, nicht 
etma ber Biagiftrat, auf Anbrängen ber Sogialbcmofraten noeft 
nachträglich ^ineiHgebracf^t ftat: $ 33, melcher bie ©efeöfdjaft gur 
Hinrichtung einer s $enfion*faffe nach bem Biufter ber in ben 
Staate* unb Beicft*betriebcn norhanbenen ähnlichen Hinrichtungen 
verpflichtet. 

Sroft ber fchlecftten Hrfahrungen, bie bie Stabt in früheren 
feiten mit bem Bferbebaftnfonfortium fomie ber cnglifchen ©a** 
unb ber BkffergefeUfdjaft gemacht hat — ber leftteren muftten für 
vorzeitige Söfung be* BkfferlicferungSoertrage* 10 Biifüoncn Biarf 
^rei*gufd)lag gegaftlt roerben —, ift ber Bi'agiftrat 1885 in ben* 
felbett Fehler ocrfallen, inbem er einen Eontraft mit ben berliner 
Hleftrigitätöroerfen auf 30 3aftre unter ben ermähnten ungünftigen 
Bebittgungen abfcftloft. glätte bie Stabt bereits 1885 eigene Bkrfe 
errufttet, fo mürben fie mit einem Anlagefapital oon etroa 
‘20 Biillionen Biarf ^eut eine fichere Beide oon runb 2 Biillionen 
Biarf haben. SB ir glauben gmar nicht, baft in ber furgen 3nnfcften* 
geit oon ad)t Sagen bie Agitation gu ©unften be* ftäbtifchen Begie* 
betriebet etroa* erreidjen mirb. Bicftt*beftoroeniger mürben mir 
eine fofortige llcbernahmc ber s Berfe, troft ihrer Uebergaftlung, als 
im Sntereffe ber Stabtgemciube liegenb erachten. Sie oerirag** 
mäftige Befcftränfung ber Au*bcftnung ber Anlagen fiele mit einem 
Schlage fort, fo baft bie fcftr erhebliche SBetriebSerroeiternng fogleidE) 
einen Sfteil be* Scftaben* mieber mettmachen mürbe. Sa* gur 
Bergröfterung ber Bßerfe erforberlidje ©elb erhält bie Stabt occ* 
möge ihre* fidjer begrünbeten Erebit* gu bem billigen 3in*fufte 
oon 3 l / 2 % al pari, roontit fie ba* Soppelte herau*roirtbfcftaften 
fami. Sa* 22icfttigfte ift aber, baft fie £>errin im eigenen £>aufe 
bleibt unb uidjt in 9lbhängigfeit oon übermächtigen $rioatgefeli* 
fdiaften geräth- llnb — last not lea.st — fie ift oor neue fogial* 
politifdje Aufgaben gefteüt, g. 23. Hinführung billigerer Sarife für 
ben Mleinbctrieb, 3Serbefferuug ber Sage ber Slngeftcllten unb Arbeiter 
unb gleidmuiftigcre üBenicffichtigung ber Sntereffcn ber gefammten 
^iirgcrfchaft bei S^erforgung mit Hleftrigität. Siefen Problemen 
fann, mirb unb muft bie Stabt in h^ffentlicf) nicht allguferner 3«it 
gercrf)t roerben. 


^rbeiterbenteguug. 

23cmcgung im 23angetoerbe» Sie 2lu§fd)reib]utg eine* ^au* 
arbeitcrfongrcjfeS, ber im fDtärg nächften Sabre* in Serlin ftatt* 
fiubcit füll (fiefte leftte Kummer), hat bie Unternehmer ocranlaftt, 
bem fd)on lvieberljolt erörterten ^lane eine* ?lrbcitgeberbunbeö be* 
üBaugcmcrbe* fiir gang Scutfd)lanb mieber näher gu treten. Hine 
in ber oergangenen 22od)c in ^Berlin abgehaltene 2>erfammlung ber 
Arbeitgeber be* Maurer* nub ^iuimerergemerbe*, in roeldjer iibcr 
ba* Aumachfen ber Drgauifationen ber Arbeiter unb bereu Streif* 


oorbereitungen für baS nächfte grühjahr berichtet mürbe, mar ber 
Meinung, baft ben Arbeitern nur burd) eine einheitlid)e Draanifation 
ber Unternehmer für gang Seutfcftlanb mirffam begegnet meroen fönnc. 
H* fei bafter eine foldje einheitliche Drganifation in bie 2£egc gu 
leiten. Db fie gu Staube foinmen mirb, muft bahingeftellt bleiben. 
Scbenfall* begmeeft ber au*gefd)riebcne allgemeine 23auarbeitcrfon* 
greft eine ftraffere 3ufammertfaffung ber organifirten Arbeiter in 
ben oerfchiebenen Branchen be* 23augeroerbc*, bie man be*l)alb für 
nötljig hält, meil bisher alle geplanten größeren Aftioncn an ber 
Uneinigfeit ber Arbeiter fd)eiterten. Sefttere riiften gu einer gröfteren 
Aftion unb fammeln fleiftig für ben Hcutralfonb*. ffteben ber Hr* 
ftrebung eine* befferen Schufte* gegen Unfälle hanbelt e* fieft um 
einen allgemeinen Eampf für §eraofcftung ber Arbeitzeit unb Hr* 
höftung ber Söhne. 

Sie 9uchbni<fer*Sartf6eUiegttng f bie gemeinfam oon ben Drga* 
nifationen ber ^ringipale unb ber ©ehülfeit jeftt in bie Segc ge* 
leitet morben ift (ogl. „Sog. ^rayi*" Saftig- VIII Sp. 66), i)at 
in ben roenigen 2Sod)en feit 3)filte Dftober fefton ben Hrfolg ge* 
habt, baft 486 Sinnen in gufantmcu 349 Drten bem Sarifoerbaitbe 
beigetreten fmb. Befonber* erfreulich ift, baft ber 23erbanb aud) 
in mheinlanb*2Beftfalen, mo ein befotiberer herein mit einem eigenen 
Sarif eriftirt, mefentliche Sortfcftritte mad)t: Anfang 1896 gehörten 
bort nur 15, jeftt runb 200 Sinnen bem allgemeinen Sarifoerbaubc 
an. 2Bie ber „Horrefponbent" mittheilt, fmb bem ©ebiilfenoerbanb 
burch bie 23emegung etma 3000 neue s JDUtglieber gugeroad)feu 3m 
©roften unb ©attgett haben fid) biefe Tyortfc^ritte auf fricblidjem 
22ege oollgogen; oon erheblicheren Arbeit*einftc(Iungen mirb menig 
berichtet, obmoftl in einigen nicht tariftreuen ^ringipalblättcrn eine 
fehr erregte ©egeuagitation geführt unb namentlich ungefcheut mit 
ber Anlentung oon s A)?äbcheu (!) unb Enabcn, alfo ber böfeften Sehr* 
ling*güchterei, gebroftt mirb. 

Sroljentoer 83äiferaii*fitaiib in öcrlin. §i er 3 u mirb be* Weiteren 
(ogl. „Sogiale fßraji*" 3ah^9- VIII Sp.147) berichtet, baft bie s l)feiftcr 
geneigt feien, mit ben ©efellen itt Unterhanblungen gu treten. Sie 
s &eifter feien bereit, eine HentralfteHc gu errichten, meld)c bie Se* 
fchmerben ber ©efellen entgegen nehmen foll. Auch in ber Sohn* 
frage feien bie s Dfeifter gu 3ugeftäubniffen bereit, nicht aber in 
betreff ber Abfchaffung oe* Eo'ft* unb Sogi*mefen* beim SReifter. 
3ngmifd)en hat eine ©efellenoerfammlung befd)loffen, bie SDieifter 
normal* aufguforbern, bei ÜBcbarf au Arbeit*fräften nur ben oon 
ben ©efellen eingerichteten Arbcit*nachmei* gu benufteit. Sic Stamen 
ber Unternehmer, melche biefem Verlangen nicht nadjfommen, folleii 
öffentlich befannt gemacht roerben. Sarnit foll aufchciucnb auf bie 
grofteu Örobbäcfereien in ben äufteren Stabttheilen eingeroirft 
roerben, bie gumeift oon ber Arbeiterluubfchaft abhängig finb. 
3JtögIid)crroeiie fommt e* auch in Berlin ebenfo roie in Hamburg 
gu einem SBrobbopfott. Auf beiben Seiten mirb au gen feftein lieft 
gum Eampfe gerüftet. 

Sie Aereinigung ber Waler, fiaifircr, Anftreifftcr ttnb oertoanbter 83c* 
ntf*gcuoffe« Seutfcbla^b* hielt Hube Cftobcr in Mannheim iftre OJcncral* 
ocrfammlmcg ab. Ste Witgliebcrgatil beträgt jeftt 6000 in 180 3 fl hl s 
ftcllcn (Iksh mären e* 991 Atitgliebcr in 26 ^ahlftcHen). Streif* haben 
1898 geftn ftattgefunben, an ben 117r» ^erfonen bcthciligt maren. Hine 
oom l'üiftanbc aufgenommene Stntiftif über bie Arbcit^lofigfeit ergab 
folgenbc* Sicfultat: Angaftl ber 'Befragten 4440, co maren oerheirathet 
1887, e* maren Icbig 2r>;»8, Angabi ber Arbcit*lofen Tauer ber 
Arbeit*lofigfcit in 22odjeu 31786, Turdjfdjnitt bei Arbcit*lofigfeit pro 
^erfou in Stochen 7,is, 3ahl ber Hvfranften 988 , x gnl)I bei Mratcf* 
heit*tagc 17023. Bei ber: ,.Stellungnahme gur Arbritölofcimutcr* 
ftüftung refp. Hrmeiterung bc* llnterftüftmigomefcuf® mar bao Hrgobnift 
ber Berathuug, baft mit 22 gegen 19 Stimmen bie Hiufübrmtg ber 
Arbcitylofcnuuterftüftung abgclehnt mürbe. Tagegen mürbe beihioffen, 
um aueft beit ortcmtifäffigen .Siollegeu in bei £iganifation mehr greif* 
bare Borthcilc gu bieten, in .stranfheitofäüen eenen ^ftifdiuft gu gemäljrcit. 
Te* ferneren mürbe and) ctu neue* StreifregIcmcnt bcfcftloffen, rocldic* 
befagt, baft fämmtliihe Streif* ber rberleitung be* Borftanbe* unter* 
liegen. Alle Bcfdjlüfie begiiglid) ber Streif* biirfen nur in Bcitglieber* 
oerfammlimgen in geheimer Aliftimmmig gefaftt roerben. 3 l, r ^nrd)* 
fiihrmtg ber Streif* mirb in bcu Bitonateu April, üai, ^siuit unb ^uli 
eine obligatovifdje Strcifftener im Betrage oon 2 M. erhoben. Tic 
Streifmiterftüftuug beträgt für ictebigc s für Berheirathete io m, 
mtb für jebe* Mittb unter 14 fahren . r >0 4- Tie llnteiftüftung*bcred)= 
tigung tritt uad) lHmödjentlidjcr iliiitgliebfdjaft ein. 

Sogialbemofratifche Hifeubafttier beim öfterreicftifchett Htfett« 
baftnrntniftcr. Am 5. ö. Bi. hat eine Seoutation fogialbemofrati* 
fefter Htfeitbnhncr bem öfterreieftifd)cn HifenbabumimfUT ein Bie* 
moraubum überrcid;t, in bem bie hauptfädjlüftiten Biünfd)e ber 
Bebienftetcn in Begug auf Sohitcrhöhuug, Aibeit*geit, ^eufiotiirung 
u. f. m. enthalten finb. Sie Scputation (gernäftlt oon einer oon Ber* 



173 


Soziale Gentralblatt für ©ogialpottttf. Nr. 7. 


174 


trctcrn bcr fämmtlicßen f.f. öfterreicßifcßen ©taatSbaßnbireftionSbezirfe 
befcf)icftcn Ronferenz) oertrat bie fünf großen Tienftgruppen ber 
Eifenbaßner: Sofomotio*, 3 u 9‘f ©Freden», ©tationS* unb Werf* 
ftätfenpcrfonal unb umfaßte Telegirte ber TireftionSbezirfe Wien, 
Bidad), £inz, Prag unb Hilfen. Tie ©precßer ber ^Deputation 
erflärten, baß, wenn bie Turcßfüßrung ber SBünfd^e nidjt fofort 
erfolgen fönne, tninbeftens eine augenblicflicße (Sr^ö^ung ber ©e* 
ßälter unb ßößne um 2O°/ 0 erfolgen möge. 9^a<^ ber „Wiener 
Arbeiterzeitung" fod ber Minifter bie gebrüdfte Sage ber Söebicnfteten 
anerfannt unb Aufbefferung oerfprocßen ßaben. 

©in fcmgrtß ber Tcgttlarbeitcr Belgien# bat oor furger 3 e ü 
ftattgefunben. Vertreten waren auf biefem Rongreß fämmthebe 
Zweige ber belgifcßen Tejtilinbuftrie, fo ganz bcfonberS auS ben 
Zentren ber Wodinbuftrie oon BeroierS unb ber Baiimwod* unb 
Ikineninbuftrie oon ©ent. Nach ben ©ituationSbericßten, welche 
auf bem Rongreß gegeben würben, betrögt ber bureß fcßnittlicße 
Wocßenoerbienft ber Textilarbeiter 12S*cS., bie Arbeiterinnen tn 
Webereien mit ununterbrochenem betriebe foHen einen wöchentlichen 
Sohn ooit burchfchuittlich 10 greä. erhalten. Was bie Arbeitzeit 
anbelangt, fo würbe berichtet, baß in ben mechanifchen Siebereien 
ber Prooiitz Slonbern bie wöchentliche Arbeitszeit 72 ©tunben be* 
trage, als bureß ftßmttlicße Arbeitszeit ber |mnbwerfer würben 
60 ©tunben angegeben. TaS Ergebniß ber Berßanblung beS Ron* 
greffeS ift, baß bie ©rünbung einer Bereinigung aller in ber belgi* 
fd)en Teftilinbuftrie befcßäftigten Arbeiter unb Arbeiterinnen be* 
fdßloffen würbe. 

Minbeftforbernngen bcr Trabe Union# an bie ©efeßgebnng. 

früher war es ©Ute, baß bas parlamentarifche RotmtS ber 
Trabe UnionS z» beginn ber politifcßen Arbeiten in perfönlichen 
Aborbnungen bei Miniftern unb einflußreichen Abgeorbneten bie 
Sorberungen ber organifirten Arbeiter oertrat. Ter Kongreß in 
Briftol hat biefen Brauch abzufeßaffen befchloffen, ba er fich als un* 
wirffam erwiefen hat. An feiner ©teile foH nun eine neue ArbeitS* 
charte aufgefteEt, oon ben Trabe UitionS unterfeßrieben, ben ©taats* 
männern, Parlamentariern unb Waßlfanbibaten oorgelegt werben. 
TaS parlamentarifche Rornite hat burch fein Mitglieb ©. Woob# 
bie ©runbzüge biefer ©harte in acht fünften entworfen, bie als 
Minbeftforberungen. ber Trabe UitionS an bie ©efeßgebung gelten 
follen. Es ftno: 1. Erleichterung unb Berallgemeinerung beS 
Wahlrechts; 2. Einfcßäfcung unb oode Beteuerung beS ©runb unb 
BobenS; 3. Parlamentsbiäten; 4. AuSbcßnnng ber Arbeiter*UnfaE* 
entfehäbigung auf ade ©ewerbe unb Snbuftrie zu Sanb unb ©ee; 
5. Beffere Anwenbung ber Fair-Wages*Nefolution, Sohnminimum 
oon 24 ©h. wöchentlich in allen ©taatsbetrieben; 6. Achtftunbcntag 
für Bergleute; 7. Amtliche Erhebung über Maßregelung oon Eifern» 
baßnern wegen Tßeilnaßme an ©ewerfoereinen; 8. Ein ©djußgefeß 
für Tampfmafcßinen* unb Reffelarbeiter. — 3u ber arbeiterfreu nb* 
liehen treffe wirb ber Einwanb erhoben, baß bieS Programm hoch feßr 
wichtige Sorberungen oergeffe, oor Allem bie Regelung ber Rinber* 
arbeit, in ber Englaitb weit hinter ben meiften anberen Rultur* 
ftaaten zurüeffteht, unb ben befferen ©djuß in gefährlichen ©ewerbeit. 

Betoegmta unter ben Rednern tn Baris. Tie Sage ber Redner 
ift bort wie überall troß oft feßr bebentenber Tageseinnahmen meßt 
feßr glänzenb. Ter Sachnerein h°t feßon oerfeßiebene Male An* 
ftrengungen gemacht, bureß Abfcßaffung ber Trinfgelber unb Ein* 
füßrung ber fjfen Bezahlung ben Beruf auf eine höhere moralifcße 
©tufe zu bringen. Snbeffen zeitigten biefe Beftrebungen noch 
{einerlei ficßtbaren Erfolg. 3m gegenwärtigen Momente richten 
ließ bie Beftrebungen ber Redner auf bie Befestigung anberer Miß* 
ftänbe, auf bie Befeitigung ber ©tedenoermittfungSbureauS unb 
ber fogenannten frais. Angeregt würbe biefe Bewegung einmal 
bureß bie oor Rurzem erfolgte Erhöhung beS parifex DftroiS auf 
Alfoßol, welche ben Wirtßen Beranlaffung gab, ihre greife zu er* 
hößen, fobann bureß bas §erannaßen ber WeltauSftedung, bie einen 
beträchtlichen ©elbzufluß naeß Paris bringen wirb, an bem, wie 
Jürzticf) bie Bauarbeiter, alle Rategorien oon Arbeitern fteß ißren 
Antßeil fießern wollen, 3n ben meiften NeftaurantS unb Raffee* 
ßäufern beziehen bie ReEner iticßt nur feinen Soßn, fonbern ent* 
ricßteti umgefeßrt oon ißren Einnahmen aus ben Trinfgelbern ge* 
wiffe Beträge an ben Befißer, bie zwfainmen mit ben für eine 
©teEe bezahlten BermittlungSgebüßren baS Einfommcu ber Redner 
ganz erheblich beladen. Auf bie ünterbrücfung biefer frais arbeitet 
man in erfler Sinie ßin. Eine Berfainmlung ber Redner in ber 
Arbeitsbörfe faßte fiirzlicß ben Sefcßluß, eine Eingabe ans s ßarla* 
ment zu machen, um einen ftaatsgefeßlicßen ©cßuß ber Sößne gegen 
bie Mißbrauche z u erlangen, bie unter bem ©tjftem bcr frais fieß 
einfcßleicßen. Weiter oerlangt man oom ^arifer ©tabtratß einen 


bireften Eingriff. 2)a er bie Ronzefftonen für bie in ben Welt* 
auSftedungSräumen ju eröffnenben Sdeftaurants z» »ergeben ßat, 
beantragt man bie Einführung einer Rlaufel, bie bie frais unter* 
brüeft, in bie RonzeffionSoerträge. 

T)ie italtenifcßen Eifenbaßnorbeiter, bie über bie ftärffte gewerf* 
fcßaftliche Draanifation SladenS oerfügen unb bei ber auf bem 
Rongreß in Mailaitb 1894 erfolgten Berfcßmelzung ber oerfeßiebenen 
Eifenbaßneroereine z« einem großen einheitlichen Berbanb (Lega 
dei ferrovieri italiana) gugleid^ ißren Beitritt italienifcßen 
fozialbemofratifcßen Partei erflärten, finb in Solge ber Mailänder 
Unrußen „militariErt", b. ß ber MilitärbiSgipIin unterftedt worben. 
Troßbem ßaben fie neuerbingS ein neues Sacßblatt, „II Treno“ 
(„Ter 3ug"), gegrünbet, baS oon bem fozialbemofratifcßen $arla* 
mentsabgeorbneten unb Seiter ber Eifenbaßner*Drgauifation, 9?ofri, 
ßerausgegeben wirb. SEofri würbe bei ben leßten Parlaments* 
waßlen oon fo^ialbemofratifeßer ©eite in Turin gewäßlt. 


3Ubeiterfd)it^ 


Tte ©ewerbeßhgtene unb bie Mebizinalbeßörbeu in Preuße». 

Auf ber Mitte ©epteniber 1897 abgeßaltcnen 14. ^auptoerfammlung 
beS PreußifdßenMebizinalbeamtenoereinS würbe mit großem SEacßbrucf 
aus ber Mitte ber Berfammlung bie Sorberung erßoben, baß im 
öffentlichen Sntereffe eine ftärfere unb einflußreichere Setßeiligung 
ber Mcbizirtalbeamten an aden 3 l »eigen ber ©ewerbeßtjgiene ftatt* 
ßnbe (oergl. „©oziale prayiS" 3fab*g. ©p. 15). Tiefer Apped 
feßeint nießt oßne Wirfnng geblieben zu fein, benn es wirb amtlich 
befannt gemalt, baß bie am 23. Sdooember zufammentretenbe, 
bureß Bertreter ber Aerztefammern erweiternbe Wiffenfcßaftliche 
Teputation für baS Mebizinalwefen fieß bieSmal „mit einem be* 
fonberS wichtigen ©egenftanbe aus bem Bereiche bcr ©ewerbe* 
ßpgiene" befcßäftigen fod. Erläutemb wirb gefagt: 

Befamitlicß ßat bie Betßeiligung ber MebizinalDcamten bei ber 
Errichtung unb Beränberung gewerblicher Anlagen fowic bei ber Be* 
aufricßtigung beS Betriebes berfelben feit Erfaß ber preußifeßen ©ewerbe* 
orbnung oom 17. ^onuar 1845 mehrfache WanMungcn erfahren. S» 
neuerer 3 e it werben bie Mebizinalbeamteu nur uoeß in befonberen 
SäHen unb in befeßränftem Umfange zur Mitwirfung herangezogen, 
unb eS fragt fieß baßer, ob nießt bie befteßenben Borfdjriften einer Ab- 
änberuitg in bem ©inne bebürfen, baß ben Mebizinalbeainlen auf bem 
bezeießneten ©ebiete eine weitergeßenbe Mitwirfung ein geräumt wirb. 

©erabe biefen punft ßatte bie 14. |>auptoerfammlung beS 
Preußifeßen MebizinatbeamtenoereinS als befonberS reformbebürftig 
betont; baneben war freilich auch noeß auf bie ßggienifdjen Miß* 
ftänbe im Rleingemerbe unb in ber |)auSinbuftrie ßingewiefen. 
Namentlich berührte fpmpatßifd) bie Sorberung eines engen 3 Us 
fammenwirfens ber Mebizinalbeamten mit ben ©ewerbeaufficßls* 
beamten im Sntereffe ber wirffamen Ausführung ber Arbeiterfcßuß* 
beftimmungen ber ©ewerbeorbnung. 3n Englanb ift in biefer 
^infießt fürzlicß eine Neuerung oon großer Bebeutung getroffen 
worben: bem 0ber*3abrifinfpeftor ift eine mebizinifeße Autorität 
unterftedt worben, beffen Tßätigfeit fuß auf baS ganze Sanb im 
Sntereffe ber ©efunbßeit unb ©ießerßeit ber Arbeiter erftreefen fod. 
Wir ßaben hierüber im Saßrg- VIII ©p. 46 berichtet. 

©ißtth ber Angefteflten in Sabcngefcßäften. Es wirb uns oon 
unterrichteter ©eite beftätigt, baß im NeicßSamt beS Snnern auf 
©runb ber feit 1892 geführten Erhebungen ber Rommiffion für 
Arbeiterftatiftif ein ©efeßentmurf ausgearbeitet wirb. Wenn aber 
bereits in ber Preffe Angaben über ben Qnßalt oeröffentlicßt werben 
(fachgemäße Anwenbung beS §. 120b ber ©ewerbeorbnung, ber bie 
Anorbnung oon Einrichtungen z»m ©cßuße ber ©efunbßeit ber 
Arbeiter betrifft, AnSbeßnuna beS §. 120e ber ©ewerbeorbnung, 
ber bem BunbeSratß bie Befugniß giebt, bie Arbeitszeit in be* 
ftimmten Betrieben einzufeßränfen unb bie ArbeitSpaufen z» regeln, 
AuSbeßnung ber ©cßußbeftimmungen für jugenblicße unb weiblicße 
Arbeiter auf baS gmnbelSgewerbe), fo erfahren wir, baß biefe Mit* 
tßeilungen ben Tßatfacßen nießt oödig entfpreeßen. Tic z« er* 
wartenbe Borlage bürfte fcßwerlicß fo, wie bort angebentet, ans* 
fcßen, obwoßl biefe Sorberungen faft einftimmig oom Neicßstag 
in einer oom Gentrum bei SÖeratßung beS neuen SwnbclSgefch* 
bncßeS angeregten Nefolution erßoben worben waren. Es heißt, 
baß in bem Entwurf eine Minbeft*Nuhezeit bcr Angcftedtcn oor* 
gefd)rieben werben fod. — Ein förmliches ©cßiißgefeh für bie 
|>anbelSangeftcdten ift im ©epteniber oorigen Jahres oon bem 
fozialbemofratifcßen Berbanb beS öftciTeidjifiheu NeidjSratßS ein* 
gebradjt worben, aber nicht zur Berathung geFommen. Tttsfelbc 
ließt neben bem 8 llhr*üabenfd;luß, ber ©ipgclegeußeit für Bcr* 



1T5 


©ojtale SßrajiS. ©entralblait für ©ogtalpolitü. Str. 7. 


176 


fäufcrinncTi, aucp bie ftufeitroeife ©infüpruitg beS AcptftuubentageS 
oor unb enthält int Uebrigen bie roeitgepenbften 0cpufcbeftimmungen. 

Urteil bcS ftammergericptS in 0adjen beS fönberfcpitpeS. 

©ine tt>icf>tige mtb fepr erfreuliche ©ntfcpeibung pat Kammer* 
geriet gefällt. Der Dpatbefianb beS Falles mar folgenber: 

Gtne am 29. Dftober 1897 für SRüplpaufen i. Df)ür. erlaffene Boltgei* 
oerorbnung beftimmt, baß frfjulpflistige Sfinbe.r grotfcpen 7 Uhr 
Abenbs unb 7 Uhr früh nicht 311 m Austragen oon SRild), Barfroaareti, 
Fettungen, nicht gutn Ätegelnuffefeeu unb auch nicht gu allen anberen 
geroerblichen ^werfen oerroenbet roerben bürten. (Sin Bacfcrmeifter roar 
angeflagt, [ich gegen bie Beftimmung baburep ©ergangen 511 hebert, bah 
er feinen fchulpflichtigeu ©oljn grott'cpen 6 unb 7 Uhr früh mit bem 
Austragen non Barfroaaren l-ejcpäfttgte. Das Schöffengericht oerur* 
tpeilte ihn gu einer ©clbftrafe unb führte begriinbenb aus, bafo eine 
ftrenge Durchführung ber im gutereffe ber ftinber erlaffeneu Berorbnung 
geboten erfcheine. Aadjbetn bas Lanbgericfjt bie Berufung beS Auge* 
flagten uerroorfen hatte, legte biefer bie Aeutfion ein unb beftritt bie 
AecptSgültigfett ber ^olijeiocrorbnung. 

Das Kammer geriept oerroarf inbeffen Anfang Aooember b. F- 
bie SRcoifion mit folgenber Begriiitbung: 

Die ^oIi 5 eiDerorbnnng fei burdjaus rechtsgültig, ©ie finbe ihre 
©tüfce int §. 6 f beS Boltget*BerroaItungSgefebeS, ba fte erlaffen fei aus 
©orge für Sehen unb ©efunbheit ber .(iittber. ©ie flehe and) 
nicht in SSMberfprucl) mit §. 120e ber ©eroerbeorbnung. AflerbtngS 
fönue bie Aetd)S*©croerbet>rbnung ben fraglichen ©egenftanb burch Be* 
fchlüffc beS BunbcSratheS behanbeln. 3m §. 120e heif 3 e es aber auch 
auSbrücflid), bah ber Sanbcsgefefcgebung bie Siegelung biefes ©egen* 
ftanbes i’tberlaffen fei, roentt iljn bie AeidjSgefcbgebung nicht regele. 
$u einem ©efefc im weiteren ©inne gehörten nun auch ^olijeioerorb» 
nuitgen, alfo fei bie Siegelung im Wege ber Boltgeioerorbnuttg eben» 
falls suläffig. — 3nt ©orliegenbett Falle fei bie Berorbnung oom 
29. Cftober 1897 gutreffenb augeroenbet roorben. 

Befanntlicp pat baS |)anfeatifd)e Dbcrlanbesgericpt in einem 
qan$ ähnlich gelagerten >yau bie AecptSgültigfeit einer gleichartigen 
Bohgetoerfügung in Hamburg oerroorfen (oergl. ©ogiale BrayiS 
VII. 0p. 912). 0o erfreulich baper an fiep auch bie entgegen* 
ftchenbe ©ntfcpeibung beS preufufepen $amtnergericptS ift, fo macht 
bie äroiefpöliigfeit ber Auffaffung ber ©erieptspöfe hoch bie ge* 
fefeliehe Siegelung beS ©cpupeS oon ©chulfinbertt gegen geroerb* 
liehe Ausbeutung erforberlicp. 

8<mfereit$ ber Buperlfdien ©efoerbeatiffieptsbeaijiten. Das 

Sfiinifterium beS Füttern in kapern, baS ben fogialpolitifdjcn 
fragen eine erfreulidje Aufmerffamfcit guroenbet, hat feit Fdpieii 
fd)on oeranlafct, baß bie gabrif* unb ©eroerbcinfpeftoreit bes 
LanbeS atlxährlich 3 U einer ft'onfereng gufammentreten, um in 
gegenfettiger AuSfpradje FüphwQ mit einanber gu geroinnen unb 
eine ©emeinfauifeit bcS Arbeitsplanes perguftellen, ber für bie 
Fortführung beS ArbciterfcpupeS oon poper Bcbeutung ift. Wie 
uttS aus SJUindjen gefdjrieben roirb, fanb bieSmal bie itonfereng 
am 7. unb 8. Siooember unter SSorfifj beS SRinifterS greiherrn 
o. Feiliöfch ftatt. Die fefjr reichhaltige DageSorbnuitg erftreefte fich 
inSbefonbere auf folgenbe fünfte: 

©cftaltung ber S?erl)ältniffe groifd^en ben ©erocrbeauffichtsbeamten 
unb ben Arbeitgebern unb Arbeitern feit bem Vorjahre. Art unb 
Seife, in welcher bie ©pegialerhebungen für bas im Fapre 1899 ju 
unterfudjenbe ©chmiebegeroerbe 31 t pflegen finb. (1897 waren bie 
Sifrfiler, 1898 finb bie ©epneiber an ber Sieihe.) Sefprechung einer 
möglich ft einheitlichen ©eftaltung beS 3ahresbcrid)tes. Sahruehmuugcn 
bezüglich ber bisherigen Shäiigfeit ber rociblidjeu .^iilfsfräfte im Auf* 
fidjtöbicufte. Beobachtungen über bie gewerbliche Arbeit oon .Hinbcrn 
unter 14 Fahren. Sic läpt fid) bie ©iuridjtuug non Sehrrocrfftätteit 
am grordmähigften geftalten? (imphehlt es fid), Lehrlinge bei tüchtigen 
SReiftern unter llcberuahme ber Äioften auf öffcntlidic Foubs untergu» 
bringen? Berhctltniffe in Bärfercien. Bollgug ber ©ountagsruhbeftim* 
muugeu a) in Brauereien, b) in ben mit unregclmcihiger Biafferfraft 
arbeiteuben Betrieben. Bisherige lintwirfelung itub ihätigfeit ber 
Arbcitcrauöfdiüffe. Selche Fortfdjrittc hat bie Uufallnerhütuug im Bau* j 
geroerbe aufguweifen? Sirb feitenö ber Unternehmer a) ber ©taubab* 
iauguug, b) ber {lerftcüung non Safch* unb Babeeiuriditungen ge= 
nügeubc Beachtung gefchenft? ©inb auf bem ©cbicte ber Befchaffnug 
gefmtber unb wohlfeiler Slrbcitcrwohuungen Fortfdjrittc 311 oergcidiuen? 

„Stad) drlebigung ber DageSorbnuitg taufdjten bic Fnfpcftoren 
in gegenfeitiger Befprechung bie oon ihnen im l^aufc bcs ocr* 
gangcncit Fap^^ gemachten befonberen Sahrnehinungeu unb (ir* 
fal)rungeit aus, um ihre Amtsthätigfeit gu einer möglich)! gleich* 
mäßigen gu gcftaltenheißt cS in einer halbamtlichen Bcitthciluug. 
B3ir föttnen baS Borgepen in Bauern aubent beutfehen Räubern, bie 
eine größere Bapl non ©croerbetnfpeftoren befipett, nur gur Sc ach* 
apinung empfehlen! 

©iti äitrfuS für bie AnSbtlbuttg oon ^abrilinfpcftorttiiten in ©tutt= 
gart, beffen Crganifation Frau SiümeHn=STeftcrlen nad) bem Borgang 
turn Berlin unb äViutcpen in bie Segc geleitet pat, wirb erft eröffnet 


roerben, wenn bie Sürttemhergifcpe Kammer bic Frage ber Aufteilung 
oon Fahrifinfpeftorinnen abermals erörtert hat. ©S biirfte bicS aller 
Sahrfcheiulidjfcit nad) im Februar 1899 ber Fall fein. Der töurfuS 
roirb nad) ber ,,©leid)heit" nicht bloft Borträge über bie eiitfd)lägigcu 
Themata umfaffen, fonbern mit fcminariftifchen unb praftifdEjcn Hebungen 
oerbunben fein. 

©taatSberorbming für Bürfereien ttt £übedf. Stach öem SOtufter 
oon Hamburg (Dgl. „0og. BtayiS" 3ah^9- VII 0p. 308) mtb 
DreSben (3(*h*g- VII 0p. 468) erläßt jejjt auch btr 0enat 001 t 
Sübecf Borfcpriften über bie ©tnrid)tnng unb ben Betrieb oon 
Bäcfereien im Sntereffe ber ©efunbpeit unb Steinlichfeit. Die Ber* 
orbnitng umfafet 18 oon benen bie Beftimmuugen 

in ben §§. 2 unb 3. au^er Bei ©rrocitermtg unb Umbau ber An* 
lagen, innerhalb ber näcpfteu fünf Sapre auf bereits beftehenbe 
Anlagen nur bann Attroenbung finben, roenn bringettbe Uebelftänbc 
gu befeitigen finb. Die §§. 2 unb 3 lauten: „Die Bacfl)äufer 
müffen mtnbefienS 3 m, bie Bacfftubcn minbeftenS 2, 70 m poep 
fein" unb „Die Arbeitsräume muffen mit Fünftem oerfepen fein, 
roelcpe naep 3öpl »nb ©röfee aitSretcpen, um für alle Arbeitszeiten 
bei Dage ohne füitftlicpe Beleud)tung pinreicpenbcS Sicpt gu ge* 
roäpren." Diefe auf Art. 120e Abf. 2 berupenbe Berorbttuug tritt 
mit bem 1. Sdnuar 1899 in Straft. 


ÄrbeUeroerndjernng. Qparha)Tctt. 

Die ©rgeBniffe ber ^nbalibenberficperung für 1897. 

3n ben „Amtlicpcn Stacpricpteu beS Steicps-Berficperungsanites" 
finb bie finanziellen ©rgebniffe ber Snoalibenoerfidjerung, fotocit 
fie bie Bertpcilung ber SRentcnantpeile auf bic eingelnen Ber* 
ficperungSanftalten unb bie ©rftattnng ber Beiträge in ben Fällen 
beS DobeS unb ber Bcrpeiratbuna betreffen, früper mitgetpeilt 
roorben; roir paben baoort auep bereits Stotig genommen (ogl. 
0og. s $rariS VII 0p. 1176). ©s feplcn aber noep bie Stad)toeifungen 
über bie ©innapmen unb über bie 3 a Pl bewilligten Stenten. 

SöaS beit Iepteren Bun^t betrifft, fo ging aus beit finanziellen 
©rgebniffen fepott peroor, bafe ber im 3<iVe 1896 bereits bei ein* 
gelnen BerficperungSanftalten bemerfbare 0tiU)tanb in bem ©elb* 
betrage ber Altersrenten im 3«prc 1897 gitm offenbaren Stncfgancjc 
and) itt ber 3 a Pl ^ cr Altersrenten geworben ift. Stacp einer mir 
oorlicgenbeit llcberficpt ber oorläufigett feftgeftcllten Sted)nungS* 
ergebniffc für 1897 finb bewilligt roorben 21 709 Altersrenten, 
bagegett finb in beutfelbett 3apre in Wegfall gefontnten 21 760 
Altersrenten, fo bafc tpatfäcplid) am 0cpluffe beS QapreS 1897 
51 Altersrenten weniger in (Geltung waren als am 0d)lnffe beS 
SapreS 1896. ©in Abgang an Altersrenten maept fiep natürlich 
bort am erften benterfbar, roo bie Altersrenten am ftärffien be* 
willigt waren, bei ben Anftalten, in bereu Begirfen bie £atibroirtp* 
fd)aft oorperrfd)t. ©S geigt fid) ein Ueberfcpufc ber roeggefallcneu 
über bie neu bewilligten Altersrenten in £ ftp renfjen oon 358, 
©eftpreuhen 137, Branbetibnrg 62, 293, 0cplefiett 110, 

.J)annooer 20, ©eftfalen 91, .Reffen * Siaffau 75, Stpeinlanb 11, 
Öberbapern 125, Siieberbapern 107, Bicdg 60, Dberfranfcit 21, 
Unterfranfen 37, 0tproabett 51, ©Irnppergogtpuiu .reffen 21 itnb 
Dlbcuburg 3. ©in Btepr ber bewilligten Altersrenten über bie 
roeggefallencu geigt fiep in Berlin mit 115, ^muntern mit 7, 
oing 0ad)feit mit 187, 0d)lesroig*§oIfteiit mit 53, £berpfalg mit 
3t, Bfittelfran fett mit 2, Slöuigrcicp 0atpfen mit 598, Württemberg 
mit 355, Baben mit 91, Bceifleuburg mit 111, Dpüringen mit 
106, Braunfdjroeig mit 37, Manfeftäbte mit 120 unb ©Ifafe* 
Lothringen mit 15 Altersrenten. 

An" SiHKÜibcurentcn finb im Fohre 1897 bewilligt roorben 
71 805, bagegeu in Wegfall gefommen 24895, fo baß ein FuniacpS 
! oon 46 910 Fnoalibcnrcntcit gu ocrgeidjiten ift. Bon biefem 3 Us 
ioari)S entfallen auf Cftprcußeu 2 857, Weftpreufjcii 1 940, Berlin 
891, B'rnnbenburg 2 212, Bommertt 1957, Bofcn 2 135, 0cplcfieu 
6 519, B^ouiitg 0acpfeu 2 los, 0ihlesioig=MoI)tein 1 668, ,v>annooer 
2 96s, Bicftfalen 1 740, /ocf|cn*Siafiau 1 098, Sipeinlanb 3 730, 
Bauern 5 255, Mönigreid) ©ad)|en 2 662, Württemberg 1 876, 
Babett 1 275, ©roßpergogthum .v)cfiett 65s, BRccflenburg 538, 
Thüringen 945, Clbctiburg 16 s , Braunfdjrocig 270, §anfajtäbte 
663 ntib ©Ifaß*Lotpriiigcti 717. 

Die B^etoilligung oon Alters* nub Fnoalibitätsrcnten feit 1891 
opttc SRürfficpt auf bie ingwifdjen toieber in Wegfall gefouiuteuen 
Stenten ftcllt fiep am ©cpluifc beS Fahre* 1897 auf 1000 oerfidjerte 
Bcrfonett folgctibcrmaßeit: in 0cplefictt 11 ,r,o, in 0cplcStoig*.J)oI)tein 
11,-,;, in Mannooer 10,7^ in Cftprciißni 10,.-,,), in Bommcvn 10,17, 
in Württemberg. 10,,»$, in Weftprcujgcit 9,-_> 7 , in Aieberbai)crn 8,9p, 




177 


Sogtale Braji*. GentralBlatt für Sogtalpoltttf. 9tt. 7. 


178 


in Branbenburg 8 , 75 , in Dberbapern 8 , 74 , in Dbcrfranfen, Baben 
unb Btecflenburg 8 , 04 ; bie übrigen Anftalten haben weniger Renten 
bewilligt als bcn 3)nrd)f(hnitt, ber ftd) auf 8,54 auf 1000 33er* 
fieberte"ftellt; bie niebrigfte $Rentengaf)l entfällt auf Berlin mit 4,25, 
bie £>anfeftäbtc mit 4,32 unb Glfaß*£othrinaen mit 5,.%. $)abei ift 
aber 31 t Beamten, baß bie non ben ßifenbabnpenfionS* unb ben 
KnappfchaftSf affen bewilligten Renten hierbei nid^t in ^Rechnung 
gefteßt fiitb. 

S)ie SRentenbewißigung ift um fo größer, je länger bie Arbeiter 
in üerfid)erung 3 pflid)tiger Befchäftigung bleiben, um fo Keiner, je 
mehr fie oor Erlangung einer SRentc aus ber oerficherungSpflid)tigeu 
Arbeit auSfcheiben; beSßalb finb auch in ben Bcgirfeit mit boßer 
SRentengahl bie Säße ber SRücferfiattung 0011 Beiträgen weniger 
gasreich, als in ben Begirfen mit niebriger SRentengahl. So 
fommen auf 1000 3>erficberte SRiicferftattungSfäße in Berlin 18, t0 , 
in ben £>anfeftäbten unb im Großhergogthum Reffen 13,7 2 , ba* 
gegen in Aiebcrbapern nur 2,ac, in ber ßberpfalg 4, 3I , in ^ofen 
7 , 03 , in ©eftpreußen 7 ,35 unb in Dftpreußen 8 , g2 . 2>er $>urch* 
fdjnitt fteßt fidf) auf 10,93 für 1000 Berfidjerte. 

©as bie Beiträge angebt, fo ift beren Gefammtgelbbetrag 
oon 101 526 395 AL im Sabre 1896 auf 104 612 024 AL im 
Sabre 1897 geftiegen. Baratt finb aße BerfichcruugSanftalten mit 
Ausnahme ber oftpreugifeben unb gweier oon ben acht baperifchen 
Anftalten beteiligt, wenn auch bei oielen Anftalten bie Steigerung 
ber Ginn abmen nur einige taufenb Btarf auSmad)t. $)er Ber* 
mögenSbeftanb ift oon 460 638 854 Af, auf 539183 217 AL ge» 
fliegen; bie I)öd)fte Steigerung geigt fi<h in ber SRhetrtprooing, oon 
50 333 789 AL auf 59 604 000 f(. unb im Königreich Sacßfen 
oon 48 180 232 c/# auf 57 368 082 A( , ferner in Schlcfien oon 
36527000 Af auf 42 656 294 AL unb in Berlin oon 28987460 < LL 
auf 34 247 336 AL 

Berlin. _ §. .ftorn. 

StWalibeu* unb Alteröreutuer in $ttttfd)fittib am K Ofiober 
1898* 9Jacß amtlicben BMttbeitungen betrug bie 3<*bi ber feit Sn» 
frafttreten beS GefefteS (1. Sanuar 1891) bis 30. September 1898 
bemißigten 3noalibenrenten 360 253, baoon finb 107 598 weg* 
gefaßen, fo baß am 1. Dftober 1898 itod) 252 655 liefen, um 
i 4 3 987 mebr als am 1. Suli beffelbert SaßreS. SDic 3abl ber 
wäbreitb beffelben 3 e ^raumeS bewißigten Altersrenten betrug 
333 064, baoon finb 130 980 weggefauen, fo baß am 1. Dftober 
1898 liefen 202 084, um 546 weniger als am 1 . Snli. S)ie 3abl 
ber 3 noalibenrentner ift fdjon jeftt alfo gang erheblich größer als 
bie ber Altersrentner. — BeitragSerftattungen an weibliche Ber* 
fteßerte, bie ficb oereßelid)t haben, unb an bie ^unterbliebenen oon 
Berficßerten waren bis 30. September b. 33- im (langen 319 351 
bewißigt, gegen 286 425 bis 30. Snni 1898. 

ber SnbalibitätS- unb AlterSberftcßerung in Oft* 
preu^en, Sn bcin Artifel über bie SnoalibitätSoerfid)erungS*SRooeße, 
ben £err Dr. preunb in 9?r. 4 ber „Sogialen BrajiS" oeröffent* 
lic|t bat, erwähnte ber Berfaffer, „baß g. B. ber ungünftige Ber* 
mögenSftanb ber Anftalt Dftpreußen meßt unoerfcßulbet ift". SOiefe 
Anficßl finbet in ben eigenen Gefcßäftsberidjten beS Bor* 
ftanbeS ber Anftalt über bie Sabre 1891, 1893, 1894 ihre 
ungweifelbafte Unterlage. ©ir erhalten nun bemgegenüber 
oon bem jeftigen Borfiftenbcit beS BorftanbeS ber Anftalt Oft* 
prenßen eine 3 ufcßrift, laut welcher jene ßRittßeilung unrichtig fei, 
ber wirtliche, auf Grunb eingeßenbfter Gnuittelungen feftge)teßte 
^batbeftanb fei in einer ®enffd;rift niebergelegt, bie 1897 oom 
Borfiftenben beS AnftaltSoorftanbcS oerfaßt worben. ®icfe $>enf* 
feßrift, bie ber 3ufcßrift an uns beigefügt war, fommt gu bem Gr* 
gebniß, baß bie ungünftige £age ber Anftalt „auf ber Alters* 
ruppirung DftpreußetiS, wie fie bureß bie fteigenbe AuSwattbcrung 
er Arbeiter nach bem ©eften ßcrbeigefüßrt worben ift," beruße, 
nicht aber auf Mängeln in ber Berwaltung. 

2)er jeftige Borfiftenbe beS BorftanbeS bcSaoouirt fomit itt aller 
Sorm bie früheren amtlichen Bublifationen beS BorftanbeS. gür 
ben Unbeteiligten werben aber bie amtlidjen Bublifationen beS 
BorftanbeS, bte feinergeit oon beseitigen Beamten oerfaßt worben 
finb, bie unmittelbar mit ber Berwaltung betraut unb in ber 
Cage waren, ficb eiue genaue Kenntniß ber tßatfädjlidjen Ber* 
bältniffen gu oerfebaffen unb auf Grunb berfclbeu ihr llrtßeil gu 
bilben, oon größerem Bierth fein, .als bie jeftige Beröffcntlidnmg 
eines Beamten, ber in ber in $rage fommenben 3 C ^ ^ CL ' Bcrwal« 
tung gänglicb fern ftanb. Bemerfeit möd)tcn wir nodj, baß für bie 
ungünftige üage ber 5lnftalt weniger bie £>iutergiebnng oon Bei* 
trägen in Betragt fommt als bie ungeheuere Belaftung bnreb 
SllterSrentenbewißtgungen, welche im erften Sab^e bie amtlid;e 


Scbäfeung um 100 o / 0 überfliegen. Böäbrenb man nun biefe amt» 
liehe Schäftung als gu niebrig angreift, bemängelt mau auch 
gleichseitig bie amtliche Schäftung ber oerficberungSpflidjtigeu Ber* 
fönen als gu b 0 ( h- S>i cr ift e i n unlösbarer 5öiberfpruch oor* 
banbeit, ba ja bie 3ubi & cr Zentner in einem Berbältnift gu ber 
3abl ber BerficherungSpflichtigen ftebt. Sft alfo bie amtliche 
Schäftung ber Iefttcren gu bod) gemefen, fo butte bie Sdjäftutig ber 
Zentner noch niebriger auSfaßen müffen, unb bie SDiffcrenj gegen* 
über ben tbatfächlich bewißigten Stenten wäre nun eine noch bei 
©eitern größere. 

Unfatttoerjuberitng ber Seeleute in Sfraufretdj» 3uf°l9 c eine« 
oom 21. Slpril 1898 batirten (^efefteS, welches am 1. Sanuar 1899 
in ©irffamfeit tritt, finb bie fraitgöfifchen Seeleute oerpfUcfttet, 
fich gegen bie bei ihrer Bcfcftäftigung oorfommenben Unfäßc unb 
Kranfbeiten gu oerfi^hern. 3 U biefent 3roccfe tft in Berbinbung 
mit ber SHterSunterftiiftungSfaffe für Seeleute, weldje feit 1681 
oorbanben ift, eine Stationallaffe (oergl. „Sog. B ra fis" Sab^Ö- 
Sp. 363) gu errichten. $>ie §iilfSmittel biefer neuen Kaffe werben 
befteben: aus ben Beiträgen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer 
unb auch aus Schenfungeit Unb Legaten, fowie Bewilligungen, 
weldje oon Begirfcn unb ©emeinben, öffentlichen Bebörben unb 
Berbänben gemacht werben, unb im Stotbfaße aus Borfchiiffen, bie 
ber Staat ginsfrei leiften wirb. ®ie Beiträge ber Seeleute ge» 
fcheben burch gefeftliche Abgiige oon bereu Söftnen. Schiff^eigen* 
tbümer unb Gbarterer haben oiefelben Beiträge wie bie Befaftung 
gu leiften. $)ie gewährten llnterftitftungen futo bie folgcnbcn: Sür 
bauernbe ooßfomtuene ArbeitSuufäbigfeit: eine lebenslängliche Stente; 
für geitweilige ArbeitSunfäbigfeit: eine zeitweilige llnterftüftung. 
Gine lebenslängliche Aente ift cbenfaßs für bie ©ittwe eines See* 
rnanneS oorgefeben, beffen £ob burch llnfaß ober Kranffjeit als 
Solge feiner Befchäftigung eintrat. Gin Seemann ober bie ©itwe 
eines Seemannes erhalten ferner eine befonbere 3ubißigung für 
jebeS Kinb unter 10 Sahnen. Kinber oon Seeleuten erhalten, wenn 
weber Bater nod) Biutter lebeif, bis gunt 16. Sab^ beS jüngften 
KinbeS eine gememfame llnterftüftung im gleichen ©ertbe ber Aente, 
welche beren Btutter erhalten haben würbe, wenn jte am Seben 
wäre. Gltern ober ©rofteltern erhalten eine SRente, wenn ber See* 
mann weber ©ittwe noch Kinbcr biuterläftt. 3He §öbe ber jäbr* 
liehen SRente, welche einem gewöhulid}en Seemanne bei ooßfiänbiger 
Arbeitsunfähigkeit gufommt, beträgt 169 ,ig AL, feine ©itwe wirb 
153,58 AC. erhalten; wenn er feine ©ittwe ober Kinb biuterlieft, 
würben feine Gltern ober Großeltern eine jährliche gemeinfame 
llnterftüftung oon 76,85 ./^ befomnten. '^ie Beträge werben um 
bie £)älfte berabgefeftt, im Säße folcfte B^fauen 3 uwenbungen oon 
ber AlterSuntcrftuftungSfaffe ober oom Staate haben. $>ie befonbere 
llnterftüftung für jebeS Kinb unter geftn Sabren würbe 19,16 t ((, 
betragen. X'ie Beftimmungen, welche baS gewöbnlid)e Gefeft in 
Betreff oorfäftlicher gefeftwibriger gcanblungen ober grober 5Rach* 
läffigfeit trifft, finb nidjt aufgehoben; ein Staben, welker in Solge 
foicber ^anblungen ober Slachläffigfeit paffirt ift, wirb oon ben 
ilnterftüftungen, welche baS neue Gefeft oorfieht, nicht in Betracht 
gegogeti weroen. 

3Ub*itettai!)itiete. 

SKümbener ArbettSnachweiS« BUt Schluß beS DtonatS Oftober 
bat baS Bcftnebener Arbeitsamt eine breijährige Xbätigfeit hinter 
fich. würben in biefen brei Sahnen pon Arbeitgebern unb 
3)ienftberrfd)aften 100 794 (58 705 männliche, 42 089 weiblid)e) 
Arbeitskräfte gcfucht; 144 328 (95 187 männl., 49 141 weibl.) Ge* 
fudjc um 3uweifung oon Arbeit eingcfdjrieben unb 83 822 (52 128 
männl., 31 694 weibl.) Steßen befeftt. ©abrlicb ein ftattlicber Grfolg! 

ArbettSnachttieiS=AnflöU ^etbelberg 1897, ^te ftäbtifclie allgemeine 
Arbeitsnacbu>eti?*Aii|taIt §eibelberg ift nad) bem jeftt ooriiegenben ge» 
brueften Berichte über baS ^abr 1H97 oon 4234 Arbeitgebern, wcldjc 
5202 Arbeitsfräftc oerlangten, unb oon 7270 Arbeitnebiuern, foiorit 
bereu Gefudje eingetragen würben, alfo abgesehen oon ber Bteiirgahl 
ber Jurrinoanbernoen (2486), in Anfpntd) genommen worben. Auf bie 
Gefuche ber Arbeitnehmer fonnte in 4642 fallen fofort Arbeit uadi* 
geioiefcu werben, 2777 biefer Aadjwcifungen führten gu einer wirflidieu 
Giujtellung gegen 1851 im Borjahr. ?ic für weiülidje ^ienftboten 
(eiufdilicßiid) ber Mcllnerinncu) oermittelteu 3 teilen haben gwar um 
46 gugeuontmen, aber bie Anftalt ift troftbent erheblid) weniger alc> im 
Borjahre oon Xienftberrfdiafteii unb Xienftboteu in Anipnnli genommen 
worben, ^cr Olruub bafiir wirb einmal in ber abnehmenben Aeigmig 
nuferer weiblichen Beoöiferuug gefudit, in ein teftee (ifiiiibeoerluiltnih 
cingutreten. B^av oon ben arbeitsfähigen Biäbiheu nicht in einer Äabrif 
ein Uuterfommen fiitbe, fuclic lieber einen ober mehrere Bfonatobieuftc 
gu erhalten, locldjc uadi Abfoloirmig einer gewiffeu, geitlidj bemeffeiieu 



179 


Soziale Eentratölatt für ©ozialpolittf. Vr. 7. 


180 


Arbeit bcn Vcft be# Sage# beit Arbeitenben zur freien Verfügung über* 
laffcn. Seiber mürben biefe Bestrebungen non ben (Litern gerabeju 
unterftüßt. Xaneben aber wirFten audj gciuiffe örtliche Urfadjen mit. 
3n man eben Greifen befiele bic Anfdjauung, baß bic Anftalt, weil fie 
unentgeltlich arbeite, nidjt ba# Gletdjc Ieiften Fönne, wie anbere Ber* 
mitteliingSanjtalten. Xiefe# Vorurteil zahlreicher .'pauSfraiten werbe 
non ben Verbingcrimtcn genährt. G# werbe gerabeju fo bargefteüt, 
al# ob bie itäbtifdje Vermittelung ben EljaraFter einer Firmenleiftung (!) 
habe, weshalb beffcre Xicnftboten unb beffere £>errfcfjaften firfj nidjt an 
fie wenben Fönntcn. ©old) tljöricfjtes unb uitoerantworilidje# Gerebe 
biene nur baju, einen Gewerbebetrieb ju ftüßen, über befjen gefeUjrfjaft* 
liehen Unwert!) bie Elften gefrfjloffen feien. "Sie Kommiffion will bcn 
ftäbtifrfjen Beworben bringettb empfehlen, bie ©teUenoermittelung für 
weibliche Xieufiboteu burd) Einrichtung einer Beherbergung ju er* 
gänjen, wie ba# ber bortige grauen* unb SKarienocrein getljan hübe. 
Xic Anftalt gehört beut Verbanbe ber babifchen Arbeitsämter an, ber 
für fämmilicije SKitglieber eine eiubeitlidje Buchführung feftgefteüt hut. 

AuSbeljnmta be# ArbeitSnadjtoeiffÖ in Bielefelb. Vadjbem feit etwa 
^ahreSfrift in Bielefelb ein unentgeltlicher Arbeitsnachweis für männ* 
liehe Arbeiter eingerichtet worben ift, foß nun mit Anfang be# nädjften 
gaßre# biefe Ginrichtung, bie fid) befteit# bewährt, auf weibliche Arbeit#* 
fräfte, unb zwar auch auf Xienftboten auSgebeßnt werben. 

6täbtifd}er Arbcitgnarfjtoei# in MfdjcrSlcbcw. Obgleich oor etwa 
Zwei fahren ein Antrag auf Errichtung einer Arbeitsuadjweisftetle ab* 
gelehnt worben war, hat fidj ber SJtagiftrat hoch oeranlaßt gefeßen, ben* 
felben Antrag iteuerbing# wieber einjubringen. diesmal haben bie 
©tabtucrorbneten jugeftimmt unb bie Soften ber Einrichtung unb ber 
Unterhaltung bewilligt. 

Verbinbmtg ftübtifdjcr Arbett#iiad)iöeife its EugYattb« Auf einer 
Konferenz oon Vertretern ber oerftfjiebenen ftäbtifchen Arbeit#* 
bureau# in Englanb, welcher auch ein SRitglieb be# Arbeitsamtes 
be# §>anbel#minifierium# beiwohnte, ift oor längerer Seit befchloffen 
worben, eine bireftc offizielle Verbinbung jwifchen ben einzelnen 
ftäbtifchen Arbeitsbureau# in# Vßerf zu feßen, um baburch nament¬ 
lich auch Z u ermöglichen, baß biejenigen, welche bei bem einen 
Vitreau Arbeit fudjen, einem anbern, wo gerabe befonbere Arbeit 
oorhanben ift, überwiefen werben Fönnen, unb auf biefe s Beife eine 
günftigere Vegulirung ^tüifchcn Angebot unb Nachfrage bezüglich 
ber Arbeit herzuftellen. Gleichzeitig würbe, wie bie „3eitfd)rift ber 
Gentralftelle für Arbeiterwohlfah r ^ , einrichtunaen / ' melbet, ein Komite 
eingefeßt, um einen geeigneten Vorfcßlag für bie praftifdje Au#* 
führung biefer Verbinbung au#zuarbeiten, welcher ben ftäbtifdjen 
Beßörben unterbreitet werben fott. Auch würbe weiter ber Bcfrfjluß 
gefaxt, auf bie Gefeßgebung einzuwirfen, um ben ftäbtifchen unb 
ben Genoffenfchaft#behörben bie gefeßlidje Vefugniß zur Errichtung 
unb Unterhaltung oon Arbeitsbureau# beigelegt zu fehen. 


Anregung be# Kleinljattbcl# gnr ©euoffenfchaftgbtlbttng burdj 
^mubelSFammern. 3ur |)cbung be# Kleinljaitbel# will bie Raubet#* 
fammer für bcn Kreis Konftanz bie Angehörigen be# Kleiuhanbel# 
Zur GcnoffenfchaftSbilbung anregen, &er ©eftetär biefer Kammer 
Dr. Otto ©djrnibt ift mit ber Ausarbeitung einer X>enFfdjrifi be* 
auftragt, bie bie GefidjtSpunFte zufammeitfaßt, bie hierbei in gragc 
Fommen. Er wenbet fich beSljalb mit einem gragebogeit an Ver* 
treter be# Kleinßanbel# ocrfdjiebener Branrfjen, bie alle Einzel* 
heiten ber KleinhaitbelSfrage aufroflt. X>te fragen lauten: 

1. Glauben ©ic, baß eine „Votßlage" im Jtleinßanbcl oorljanben 
ift? 2. Vorauf führen ©ie biefe zuriief? 3. B$ie ftellen ©ic fid) a) ju 
ben Konfumucreinen? b) ben Verfanbtgefdjäften? c) bem Xetailrcifcit? 
d) bem .fraitfirljanbcl? e) ben grofeftäbtifetjen Söaareubazaren? - Er* 
Fennen ©ie eine Ueberlcgenheit biefer Vetriebsformen an unb worin 
feljcn ©ie biefe? 4. jft 3h»eu beFannt, n) bafj bie ^afjl ber .^anbel#* 
betriebe beftänbig zunimmt, bafj j. V. bic Zunahme berienigen mit einem 
Angeftellten in ber Seit oon 1882 bi# 1892 = 112% betrug? b) bafj 
fidj unter bcn Vertretern bcs Ätlcinhanbelsftanbe# eine unoerhältuib* 
mäf)ig groijc 3al)l foldjer befinbet, bie ohne jeglidjc gachFenntuiffe fidj 
biefem Verufe zugewanbt haben? 5. ÜiZic [teilen ©ie fidj biefer unucr* 
hältniBmänigen ©teigerung gegenüber? Viiirbe fidj biefe nadj Sljrcr 
Anfidjt nidjt uodj in höherem iUtahe oermeljren, [all# eine Vcfdjränfung 
ber unter 3 genannten Betriebsarten einträte? 6. Eradjten ©ie 9ie= 
formen zur Hebung be# ftleinljanbel# für nothwenbig? Eoentucll 
weldje? 7. Verfpredjen ©ie fidj irgeub weldje Bort heile baoou, wenn 
fidj bic Vertreter be# .SUeinbanbels, insbefonberc bie fadjmänuifdj ge* 
bilbeten, bie gleidjzeitig über ein mäfjige# .Stapita! uerfügen, zum ^werfe 
bcs gemeiufamen Einlaufs refp. Bezug# oereinigeu, wie zur gemein* 
fanten Wahrnehmung ihrer Sutereffeu überhaupt? — giir weldje 
Brandjcn würbe bie Vereinigung nadj glj lTr Anfidjt eoentucll ntöglidj 
fein? 8. Glauben ©ie nidjt, a) baß babnrdj bem abnormen Subrang 
ber Aidjtfadjleute am wirffamften cutgegengetreten werben Faun? bj bafj 


fidj eine foldjc Einfauf#gettoffenfdjaft minbefteu# bie gleichen Vortheile 
m eigen madhen Fantt, wie Äonfumoereinc unb Waarenljaufer? 9. 
gaHe ber Verneinung ber gragen unter 7 unb 8: Weldje Giitmänbe 
madjen ©ie gegen GinFaufSgcnoffcnfrijaften biefer Art gcltenb? 10. gm 
galle ber Bejäfjuug: Wie würben GinFaufSgenoffeufdjaften biefer Art 
Zu organifiren fetn? 11. ©inb Öhuen foldhe GinFaufsgenoffenfdjaftcu 
beFannt? ©eit wann beftehen fie? Welche Erfolge hüben fie zu oer* 
Zeichnen? Weldje# ift ihre Drganifation? 

E# wirb beabfichtigt, ba# Gefammtergebnife ben beutfehen 

£ anbel#oertretungen zugüngtich z« machen unb fie eoentuell zur 
teflungnahme zu oerattlaffen. — Eine foldje Anregung ift gewiß 
geeignet, einige Klarheit in bie gegenwärtig etwa# oerworrenen 
Anfdjauungen über bie £aae unb bie Mittel zur Vefferung ber 
Verhältniffe ber SUeinljänblcr zu bringen. Allerbing# ift e# in 
X)eutfchlanb auch ben Ä’onfumoereinen nicht, wie ben englifdjen 
unb fchottifdjen z* %■, gelungen, ftarFe Groß*Ein!auf#genoffenfdjaften 
ZU bilben. Au# granFrctch wirb oon einer iruftbilbung ber 
großen Bazare zum gemcinfamen billigen EinFauf berichtet, ohne 
baß ber Stleinhanbel bi# jeßt zu ähnlichen Vereinigungen auch nur 
ben Anlauf genommen hätte. 

2 )te eingetragenen Genoffenfdjaftcu in Preußen. Xic ^reußtfdjc 
EentraI*Eienoffenfchaft#Faffe z u Berlin oeröffentlicfjt ein Gefammtoer* 
Zeichniß ber eingetragenen Genoffenfrfjaften in Preußen nach bereu 
©tanbe oom 30. ^uni 1898.*) ©eit feiner Errichtung fdjon hat bn# 
„Zur görberung be# B cr i°ualFrebits, tnSbefonbere be# genoffenfdjaft- 
itdjcn Berfonalfrebit#“ begrünbete gnftitut e# ftdj angelegen fein laffcn, 
al# eine ber widhtigften Vorbcbingungen für bie planmäßige Hebung 
unb Wciterentwirflung ber genoffcnfdjafilidjen Drganifatioti audj bic 
GcnoffcnfdjaftsftatiftiF tljatFräftig z» förbern. Währenb bte erftc grudjt 
ihrer baljinzieleubcn Beftrebungcu, ba# VconumentalwerF be# „Eleuoffcu* 
fdjaftsFatafters", feßon bem gewaltigen Umfange nadj oorerft hauptfädj* 
lidj ber Wiffenfdjaft, ben ©ozialpoütiFern unb ©tatiftiFern oom gacij, 
ZU Gute Farn, ift ba# obige £>eft umnneljr beftimmt unb geeignet, bas 
gntereffe für bie gemcinfame ©adje in bic weiten Greife ber Genoffen* 
fdjaften unb Gcnoffcufdjafter felbft zu tragen. Aufgezäljlt werben in 
alpljabctifrfjer golge nach girma, Art unb ©iß im Ganzen 8300 felbft* 
ftänbige Genoffenfdhaften, oon benen 2299 mit befrfjränfter, ö898 mit 
unbefdjränFtcr Haftung unb 103 mit unbefdjränFter A'adjfdjufjpflidjt 
arbeiten, igljre V?itglicberzahl beträgt 1 117 722 Genoffen, welche eine 
Gefammtbajtfumme oon runb 204 7a VUüiouen VcarF oertreten’. Xic 
genaue Vertheilung ber Summe auf bie einzelnen Genoffenfrfjaften unb 
ihre Vcitglicber zeigeu zwei ber ba# girmenoerzeichuiß bnrdjlaufenb be* 
glcitcnbeu ftatifiifdjen Vubrifeit an; zwei weitere ebenfo bie Genoffeii* 
Zaljl unb bie .fräße ber Olcfdjäftsantßeile, weldje fidj oon ganzen 10 unb 
20 ff. bei ben einen bi# z u 12 unb 20 000 ic bei anberen erheben. 
Eine leßte 9iubriF orbnet bie .freerßaufen nadj ißren frieblidjen ©djladjt* 
rufen „ßw ©djulßc*Xclißfrfj — ßie Cffcnbadj, Vaiß'eifen . ." e tutti 
quanti in bie oerfdjiebencu 9teoifion#ocrbänbe ein. Befonbere# 3»ter* 
effe biirfen enblirfj uodj brei Fleine Ueberftchteu in Anfprurfj nehmen. 
Xie eine oon ihnen zeigt, weldje Volle ben uuterfrfjieblidjen „Erwerb#* 
unb Wirthfchufl^zwecfen" zur Seit in uuferem genoffenfdjaftlidjen Beben 
befdjieben ift, eine zweite, wie insbefonberc bie „BrobuFtioqenoffen* 
fchafteit" unter iljnen fich nadj ©onberarten ißrer „BrobuFtiuitäi" unter* 
fdjeiben; bie britte madjt ben Äeljrau# mit ben manrfjerlei „fonftigen" 
Geuoffcufchafteu. gn Vorbereitung befinbet fich ferner für bie in zwang* 
lofer golge erfrfjcinenben „Vtittljeiluugeu ber ^rcußifcheu Eeutral* 
Genoffcufdjaft#Faffe" ein zweite# .freft, weldje# ba# Warfjstljum be# 
Olenoffcnfdjaftswefcns wäßrenb be# leßteit gaßre# übcrfirfjtlidj zur Xar* 
ftellung bringen foll. 

Äongreß ber fozialiftifdjeit ©enoffenf(haften Velaien#* 3ufolgc 
eine# auf bem Ießten nationalen Kongreß ber Arbeiterpartei ge* 
faßten Vefrfjluffe# oerfammelten fidj bie fozialiftifdjen Genoffen* 
fdjaften Belgien# am 6. Vooember im VolFsljaufe zu Brüffel unter 
bem Vorfiß be# Abgeorbneten 2. Bertraub, um einen Verbanb zu 
griinbeu. 61 oon ben 75 Genoffenfrfjaften ber Partei, nämlich 
55 Konfum* unb 6 BrobuFtionSgenoffcufchaften waren burch 
79 X)elegirtc oertreten. Au# Brüffel wirb un# hierüber gefchricben: 
X)ie XhätigFeit be# neuen Verbanbe# foll eine hoppelte fein: 
1. Errichtung oon Ecntralmagazineu für EinFauf unb Verlauf. 
2. Einfeßung eine# beftänbigen ©efretariate#. Heber ben leßtereu 
BunFt würbe gegenwärtig allein Befrfjluß gefaßt. Vadj Annahme 
ber ©tatuten, wonach iebc betn Verbanbe augeljörige Elenoffenfrfjaft 
25 gfrcS. Eintrittsgelb unb 2 Et#, für jebe# SKitglieb unb 3aßr 
Zaljleit foll, feßte ber Kongreß einen ncnngliebrigen AuSfrfjuß ein, 
um firfj mit ber Verwaltung be# Verbanbe# zii befaffen. Aurfj 
würbe befrfjloffen, ba# E)enof|eufrfjaft#wefcu ber belgifrfjen Arbeiter* 
partei auf ber Varifer V3eltau#ftellung uorzufüfjren. 

*) Verzetrfjuiß fämmtlirfjci* am 30. gitui 1898 int Köuigreirfj 
Vreußeu oorhaubenen eingetragenen Geuonenfrfjaften. Berlin 1898 , 
Earl .sfreijtnann# Verlag. 115 ©. 



181 


Sogtale $ragi£. Hentralblaii für SogialpolittT. Kr. 7. 


182 


^etittou nm ein ReupStoopnungSgefep. 3n 2lnbetracpt bcr 
großen BopnungSnotp bcr mittleren uno ärmeren fllaffen unb ber 
Ungulänglicpfeit ber prioaten unb ftaatlirfjcri 93aut^ätigfeit haben ber 
Verein ,, Arbeiter beim" in Vielefelb unb ber ©efammtoerbanb ber 
Hoangelifcben 2lrbeitcn)ereine ®eutfcf)lanbs an beit Reichstag eine 
Hingabe gerietet, ber Reichstag möge bie oerbünbeten Regierungen 
um balbige Vorlage eiueö ReicbSwobnungSgefepeS einmiitbig unb 
bringlicb erfucpen. 2110 ©runbgüge einer folgen Vorlage merben 
bingefteßt unb näher begrünbet: 1. eine ReicbScentralfteße für 
BobnungSfitrforge, 2. Lanbcsfommiffionen für BobnungSfürforge, 
3. ReidpSfrebit, um aröpere Bittel gu befcpaffen. $affor o. Vobel* 
fcbmingb mill bicfe Hingabe auch bem flaifer unterbreiten. 

©täbtifdfie BobnungSpolitif tu ftteibitrg t. V, Bir „palten 
eS für eine Hbrenfadpe, oargutbun, baß unfer blutiges ©pftem ber 
3ufammenfepung ber ©emeinbefoßegien biefe burcpauS nicht $\n* 
bert, auf bem ©ebiete ber BopnungSfürforge wie auf fo oielen 
anberen bie roeitpergigften Vefcplüffe gu faffen," fo fcbreibt ber 
Stabtratp ber Stabt ^reiburg im VreiSgau*) in Vefämpfung ber 
Vemerfung in einer „fogialpolitifdpen 3«tfcpnft", bafe an ber Ab* 
Iebnung TOOpnungSpolitifcper Baffnapmen uielfacp baS gemeinblicpe 
Baplfpftem fdjufb fei. $>er Stabtratb nimmt gugleid) Veran* 
laffung, fnb über- ftäbtifcbe BobnungSpolitif eingepenb gu oer* 
breiten. Ban fann ibm baS 3 e ^gniß nicht oerfagen, baff er in 
ber SEpat energifcp auf bem ©ebiete ber BopnungSpolitif ooran* 
gegangen ift. $üe ©efammtgapl ber oon ber Stabt bireft erbauten 
unb erworbenen ober mit ihrer ilnterftüpung ins Leben gerufenen 
Keinen Bohnungen — abgefepen oon ben befonberen Sabrif* 
arbeiterroobnungen — beträgt 552, baS bebeutet, baff auf punbert 
Hinwopner unb 19 Haushaltungen eine ftäbtifcpe Bopnung 
fomrnt. 

3)er Stabtratb befcpränft fiep nicht barauf, auSfcpliefflicp 
2lrbeiterbäufer ju erbauen. S)ie BopnungSfalamität beperrfcpt 
nach feiner Auffaffung äße gamilien mit Keinem Hinfommen unb 
barauS ergiebt fiep für bie ©entein be bie Legitimation gum um* 
faffenbett Hingreifen. $>abei foß aber bie ^egrabirung biefer 
Hinrichtung etroa gu einer Baffnapme ber Arntenfürforge burcpauS 
oermieben werben; eS wirb baber auf gewiffenbafte Hrfüßung ber 
finangiellen Verpflichtungen nicht oergicbtet. Sonft aber werben 
feine Vebingungen gefteßt unb fo weift ber Bericht als eine Be» 
fonberS erfreuliche ipatfacpe auf bie groffe flinberfcpaar in ben 
ftäbtifcpen Häufern bin, wäbrenb fonft finberreichen gamilien bie 
Vefriebigung bes BopnungSbebürfniffeS oielfach erfchwert werbe. 
$)er fogtalppgienifcpe Bertp liege in ber baburcb betbätigten An* 
ftrengung, bie Hntfiebung ber flranfpeiten rechtzeitig, b. p. oon 
SfinbeSbeinen an, gu oerbiubem unb fo müffe ber Vau oon An* 
ftalten gur Heilung oon flranfpeiten feine Hrgängung in ber Hr* 
fteßung oon "Bohnungen unb Hrftrebung oon guten BopnungS* 
oerbältniffen finben. SDie Vauart ber ftäbtifcben Bohnungen ift 
ben neueften Hrrungenfcbaften beS VauwefenS gefolgt. 

$)ie ©runblage ihrer aemeinnüpigen BobnmtgSpolitif pat in 
ber Stabt greiburg gewechselt. 3n ben fecbgiger Sab^n würben 
berartige Bohnungen gwar burcp öffentliche Bittel, aber in ber 
2lbficht erbaut, biefelben aßmäplicp in ben ^rioatbefip ber Vebacpten 
übergeben gu laffen. $>ie Hrfabrungen mit biefem Spftem waren 
fehlest; bie bamals erbauten Bohnungen fmb peute gum gröfften 
£peile im Higentbum ber gabrifbeftffer unb $rioatleutc. Ban 
übertrug fobann ben Vau gemeinnüpigen ©efeßfcpaftcit. $>ie 
Stabt b«t für bie „©emeinnüpige Vaugefeflfcpaft" namhafte Opfer 
gebracht, ohne baff ihr ein mapgebenber Hinflup auf bas weitere 
Sdfjicffal ber 2lnlage juftept. ®ie Hrgebniffe waren nicht gerabe 
unbefriebigenb, tropbem ift bie Stabt jept enbgültig gum reinen 
©emeinbefpftem, bem fogenannten Regiefpftetn übergegangen, fie 
führt bie Vauten felbft aus unb behält baS Higentbum am 
©angen. 

©egen bie BohmmgSiwtb in Äöln. Von fogialbemofratifcber 
Seite ift in ftöln an oaS Stabtoerorbneten*ÄoUegium folgenber 
Antrag gerichtet worben: 

„Um ber in flöht unb ben Vororten hrcrf<b™ben SBobnungSnotb 
für Binberbemittelte, bte fepon im 3ab^ c l 887 ^tabtoerorbneten* 
flollegium als oorhanben anerfannt würbe, mit ihren für bie minber* 

*) Vorlage beS StabtratheS ber Stabt ^reiburg im VreiSgau an 
ben VürgerauSfcbup, betreffenb bie Hrbauung einer weiteren Reihe oon 
Häufern mit Keinen 9»ietf)Wohnungen. 1898. 6. Ä. Bagtter’S Uni* 
oerptätS*Vu(hbmcfcrei. _ 


bemittelten Vftether fchweren materiellen Ra^thrilcn unb ben fanitären 
unb fiiilicheii Gefahren gu jteixem, übernimmt bie Stabt, ba fuh bie 
oon prioater Seite aut biefem (Gebiete ergriffenen Bapnahmen als 
aänglich unzulänglich erwiefen haben, ben Vau entfprechenber Bohnungen 
für Arbeiter unb fonftige minberbemittelte Leute unb beftimmt als 
©runbfapital gu biefem Unternehmen bie aus bem ginangausfdfjup beS 
ftäbrifchen Htats 1897/98 ftch ergebenbe Behreimtahme oon 798 017 Ul" 

$ie flottmtiffton gegen nngefunbe Bohnungen in Strapbnrg i/H*, 
oon bereu eifriger Xpängfeit bie „Sogiale ^rajis" im Laufe ber 
lepten Bonate wieberbolt berietet bat, nahm in ihrer Sipung oom 
29. Oftober weitere Vericpte über bie gefunbbeitSwibrigen 3uftänbe 
in Bohnungen oerfepiebener Ouartiere entgegen. Bebrfach würbe 
habet betont, wie bie Ueberfüllung emgelner Bopnräume 
bie Haupturfacpe ber BobnungSnotb bilbe unb wie gerabe 
biefer Umftanb für bie Veurtpeilung ber Vewobnbarfeit oon groper 
Bicptigfeit fei. 3n manepen Säßen feien es niept bie befepränften 
Raumoerpältniffe an pep, bie baS Verbot ber weiteren Venupung 
als Bopnraum reeptfertige, fonbern bie übermäpige 3apl ber barin 
untergebra^ten ^erfonen. Vei Hrörterung ber 3^age, ob beftimmte 
Rormen für bie Veurtpeilung ber erforberlicpen Binbefiquanten 
an Luft unb Licpt pro flopf ber Vewopner feftgufepen feien, be* 
fcplop bie flommiffion, pieroon abgufepen unb bie Hntfcpeibung 
oon gaß gu gaß gu treffen. — $)ie Rotpwenbigfeit beS HrlaffeS 
einer Sßoligeioerorbnung gur Regelung beS Sepia f ft eilen toefenS 
würbe befabt. derartige Verorbnungen beftepen fepon in mehreren 
Orten ber Reicpslanbe (Bülpaufen, Aohnar, ®eutfcp*Otb, Rüffingen) 
unb bie ©eriepte haben ipre RecptSgültigfeit anerfannt. S)ie Sfom* 
miffion befeplop, bei ber ^ßoligeibireftion ben Hrlap einer folcpen 
Verorbnung für Strapburg gu beantragen unb ben fßoligeipräfi* 
beuten gu erfuepen, ipren Snpalt ber BopnungSfommiffion gur 
2leuperung oorgulegen. — Ueber ben gegenwärtigen Stanb ber 
Srage ber Hrbauung oon Volfswopnungen würbe mitgetpeilt, bap 
bie ip er iieUung ü0n Volfswopnungen an Steße ber alten Spnagoge 
eine s $rioatgefeßfcpaft übernehme, ber gu biefem 3 roe ^ e ein VeV* 
mäcptnip gugefloffen, bei bcr Verwenbung beS Spacpfcpen Legats 
werbe bie Stabt Unternehmerin fein, auperbem gebenfe ber Verein 
für Volfswopnungen bemnäepft eine gröpere Slngapl billiger Bop* 
nungen gu bauen. 

2>er ©emeinberatp befeplop ferner auf Antrag beS Vürger* 
meifterS Vacf bie Aufteilung eines ftäbtifepen BopnungS^QnfpeftorS. 
$)ie flompeteng bes BobnungS*3nfpeftorS würbe bapin geregelt, bap 
biefer fid) ftets in ben Bopnungen, bie bie ftäbtifepe BopnungS* 
fommiffion als ungefuttb begeiepnet pat, oon bem Stanbe ber an* 
georbneten VefferunaSmapregeln gu übergengen unb Bis ins Hin* 
gelne hinein angugeben pat, was gur Vefeittgung beS ungefunben 
3uftanbeS ber Bopnungen gefepepen foß. 


etttnnrifdie Slnjetgett. 

BirthSpciwö^Aeform in Hitglanb, Rorwegen unb Sd;wcben. 
Äuf ©runb oon Reifen tm Sluftrage ber Hefeufcpaft für Boplfahrts* 
Hinrichtungen gu ^ranffurt a./Bain gefcpßbert oon Dr. SB. Vobe. 
Veriin 1898. Harl HeipnannS Verlag. 108 S. l,eo M. 

2 )er befannte ©efchäftsführer bes Xeutfdjen Vereins gegen ben 
Bipbraucp getftiger Hetränfe fcpilbert in biefer Scprift niept nur bie 
bepufS Verminberung bes ?llfoholgenuf|cs in ben norbifepen Länbern 
getroffenen Htnricptungcn unb bie einfcplägige ©efepgebung, fonbern 
geigt namentlich, bap bie BäpigleitSmirthfcpaft auep gewinnbringenb ift 
unb gwar fo gut als bie Birthfcpaft, bie fiep oorgugsweife ftitfet auf 
ben Susfcpanf oon alfopolifcpen ©etränfeu. ^n Xeutfcplanb benft man 
ftets nur an SBopltpätigfeitsanftalten unb Hinridjtungeu oon gemein* 
nüpigen Vereinen, wenn oon Bäpigfeitswirtpfcpaften bie Rebe ift, aber 
in Hnglanb beftepen foldje Birtpspäufer als fapitaliftifepe Unternep* 
mungen unb werfen gunt Ipeil popen ©ewtnn ab. Auf eine Racp* 
apmung jener englifepeu ReformwirtpSpäufer piuguftreben, ift ber 3wetf 
ber Reifen bes Verfaffers unb feiner Auftraggeber gerichtet, unb bas 
^nftitut für ©cmeiuwopl gu granffurt a./B. pat bie Srucflegung ber 
intereffanteu Reifcfdpilberung unterftü^t. Hine groffe 3 fl hl oon Ab* 
bilbungen bes inneren unb Aeuperen ber ReformwirtpSpäufer rnadjt bas 
Vud) ned) wertpooßer. 

Stimmen aus Baria*2aacp. flatpolifcpe Vlätter. ^aprgang 1898. 

9. Heft. ?vreiburg i. V., Herberfcpe Verlagsbucppanblung. 

Veridit über bie Verwaltung bes ArmenwefenS ber Stabt flölu 
pro 1897. 

The Quarterly Journal of Economics. Vol. XIII. October 1898 
No 1. New York und London, Maeinillan & Co. 

$ofen. Ausguß aus bem Veridit über bie Verwaltung unb ben Staub 
ber Genteinbeangelegenpeiteu in ber Stabt Vofett pro 1. April 
1897/98, betreffeitb bie Armen* mtb Baifenoerwaltung. 


»erontroortlid) für bte tfebaftton: Dr. «rnft grande tn »erltn W., »airtut^erftwfee 29. 








ftorantroortlirf) für btc «njeigen: ^cflmutD «eibel. JBelwtfl. - »erlag oon S)untfet & $umblot, ßcipjig. - ©ebrucft bei 3uliul SUtenfelD, »cum. 











vm. fdprgMg. 


Berlin, ben 24. 'Jioucmber 1898. 


Pnntnur 8. 


Soziale pvarts. 

^ettfraXOratt für ^ogtaXporifiü 

mit bcr 2Ronatöbeilage: 

Das ©ewerbecjetricht. 

(Drgan öes Dccbanbes beutfdjer (Betperbegeridjte. 

9?euc golge bcr „Blätter für fogtale sßrajrtÄ" unb be8 „Sogialpolttifdjen GentralblattS". 

<Evf4cfitt gm Itbtm tiGWMttfkGt. ^)CCQU§geber: frei* »ffrtdiJUrlid» 2 TO. 60 Vf* 

SRebaftton: Berlin W., Bapreutbetftraße 29. Df- Berlag bon ©unefer & £mmblot, Selpgtg. 


3nhitlt 


£*tt Dr. Beuinet unb bie eng* 
üfeben Stabe Unton*. II. Bon 
Dr. bon SRottenburg, Sonn. 185 
ArbeitSftatifHfcbeS Amt unb 
ArbeitSbeiratb in ßefterreid). 
Bon Dr. @mtl Soew, SBien . 198 
■Scmehtc ©ottal« uttb CKttrtbfämftt* 

H#MÜf.191 

@o|iatpolittfcbe Anträge int 
9teidjStag. 

©ewerblicbe Alliance-Betbönbe. 

Born §. 8 be* preufcffcben BereinS* 
gefe^e«. 

SoUttfdje unb gewerffcbaftlicbe Bet« 
fantmlungen in ©aebfen. 

Die JRecbtSeinbeit in bet ©cbmeij. 
Bcbözblicbe Sobntegulitung in ßng* 
lanb. 

Obligatotifebe SRinbeftlöbne in Btc* 
toria. 

feamnutale *o*i«l**U4tt ... 194 

Armenpflege unb ©emeinbe*2öabltecbt 
in Bremen. 

©töbtifebe ©IeftrijttätS werfe, 
©töbtifcb« SRiScellen. 

dnftttnbe.195 

Die 3 wangSnerfteigerungen 
unb ibte Opfer. Bon gabrttant 
D. SBeigett, Berlin. 

ttffteiterbcioeftiitg.197 

Koalitionsfreiheit unb Zentrum, 
©treif in ÜRenifcbeib; OrtSfranfenfaffc 
unb BetriebSfranfenfaffen. 
©treifftatiftif für Bauern in 1897. 


I Orflanifationbbeftrcbungenbergformer. | 

I ©treifS unb AuSfperrungen in ©nglanb 
I 1897. i 

Aus bet englifeben ©ewerföetetnS* 
bewegung. ! 

I Äongrefe bet ftanaöfifcben Dabaf* ■ 
j arbeitet unb »Arbeiterinnen. | 

! ttrbetterf*«*. 200 ! 

I Die 9tei(b*fommiffion für Ar* 

1 bei terftatiftif. 

| Äonferenjen ber ©ewerbeaufficblS* 
beamten mit Beauftragten ber Unter* 
i nehmet unb ber Arbeiter. I 

I ttrbciterberfUberuttg. «parfoffen 201 
I Die SBtrfungen beö neuen Un« 

I fall * Gntfd)äb igurtgSgefefceS 

: in ©ttglanb. Bong.2Ö.©alton, 

Sonbon. 

| Die erfte amtliche Kunbgebung jur 
j gnoaliöitätSoerftcbetungSnoüelle. j 
I KranfenoeriidjerungSpflicbt $auSin* I 


buftricller für Berlin. ! 

ttvbHtdnadptoci«. 204 I 


(Srridjtung eine* gemeinblicben Arbeit** 
nadjweifeS in SRagbeburg. I 

Stäbtifcbeö Arbeitsamt für (Sbemnib- j 
©täbtifdjcS Arbeitsamt in ©cbw infutt. 
ArbeitSnacbroeiS für bie Sanbmirtb* ' 
febaft in Bommem. 

BöobnitnflSttefen.204 

9Rufter*Bauorbnung für baS j 
Königreich ©aebfen. 

Der rbeinifebe Berein jur götberung 
beS ArbeitermobnungSroefenS. 


JPC Sie näcbfte stummer bcr „Sogialen roirb cmftatt : 

am 1. Degentber erft am Sottttabettb, ben 3. ©egember, crfc^ciiten unb j 
einen Auffaß non Brofeffor Snftab ^djmoüer über 9ttrft SBiStnarcf# | 
„©ebaafeit mib Gtittttctmtgcit" ueröffcntlidjcn. 


§ttr Dr. ßenmer unb bie cnglifdjctt ®tabe Union?. 

u. 

Um meine Beobachtungen unb mein Llrtheil über ben Streif 
ber englifd)en SJtafchinenbauer einer Prüfung gu unterbieten, habe j 
ich mid) an §errn Spcnce BBaifon in 9?erocaftle geroenbet. 3öie 
gefagt, mar er einer ber ©etoähröleute beö fterrit Dr. Beutner; ( 
in ber englißhen Snbuftrie, namentlid) in ber beö SRorbenö non i 
(Snglanb, nimmt er megen feiner eingefjenben Äenntnife ber 3Ser* 
tältniffe unb ber objeftioen 33eurtteilung berfelben eine t^mor^ ' 
ragenbe Stellung ein. .fterr Spence ©atfon fitrieb mir nun:*) ; 

*) Beibc Briefe beö .'perrn SBatfon finb in eng(ifd)cr ©pradic gc= 
fcbricbcn. ^dj tabe fte mortgetren ftDcrfc^t.j 


Benötaw ©rooe 
©ateötcab^on^nc, 

21. Suni 1898. 

3Rein lieber .§err! 

3dt bin mir fetr rootl bemüht, roie fitmierig eö ift, in 
biefen mistigen 3 r ögcn gu ©rgebniffen ju gelangen, roeldte fo 
fujter iinb, bafc fie eine allgemeine Billigung finben; attein 
roenigftenö barf ict für mia) in 2lnfpru$ netmen, bafj ict 
meine ^Infic^tcn forgfaltig gebilbet unb auf einer langen ßr* 
fatrung aufgebaut tabe. Biele 3«t^ ict mid) mit einigen 
ber großen mbeiterfragen eingetenb befd^äftigt; ict b a ^c alö 
Sctiebörictter ober alö alleiniger Referent in über 60 Streitig* 
feiten jroifeten Arbeitgebern unb Arbeitnetmem fungirt, oon 
benen einige gange ©eroerbc unb oiele Saufcnbe oon Arbeitem 
berütrten; ict 9 a ^ bic Statuten oon Boards of Conciliation and 
arbitration in getoiffen Sttbuftrien enhoorfen, t°bc bie Sliding 
scales in anberen aufgeftettt unb bin ftanbiger Referent in bem 
Standing Comitfcee u. a. geroefen. 

©ö ift oollfommen richtig, baß burct ben jüngften Streif 
ber 3Jlafd)inenbauer oiel Sctaben angeriettet toorben ift. Aber 
ein inbuftrieller Sfrieg ift eben roie ein jeher anberer toeg; roie 
auct immer ber fctiießlicte ©rfolg 6efd>affcn fein möge, ber 
^rogeß, rooburdt er erreicht roirb, ift foftfpielig, graufam unb 
traurig in oielen Begebungen. Allein, roenn man bebenft, baß 
ber Xrabe llnioniömuö nact 25jäbrigem Befteten noct immer 
niitt eine ooüftänbigc gcfeßli^e Anerfcnnung gefunben b fl t, fo 
follte man burct Die oerbältnißmäßige Seltenteit emftüctcr 
Streifö eher überraßtt unb ernuittigt, alö baburct entmuttigt 
roerben, baß fic oon $ät gu 3^it auöbrectcn. ©8 ift ferner, 
ßd) oon ber alten fctlcctten s JÖtettobc ber ©eroalt loögufagen. 

Sidfjcrlict tat ber Srabe Unioni8mu8 nicf)t banferott ge* 
madbt; autt unter ben 2)tafctinenbauern ftett er in Blütte unb 
ift fräftig; er ift im Staube, feinen oielfacten Berpflidttungen 
auf bem ©ebiete ber Sürforgc gerecht gu roerben unb feine 5Dcit* 
glieber gu fetüßen. ©ie neuefteu Beriete, bie i<t gefeten tabe 
— fie reifen bis in bie jüngftc 3«it t» lc i n — fteHen baö 
meineö ©rad)ten8 außer allen 3 roe tf c ^ 

Beoor i<t auf 3t* e näctfte S^age unmittelbar eingete, ge* 
ftatten Sie mir bie Beuterfung, baß man, roenn man oon Arbeit* 
aebern nnb Arbeitnehmern fpriett, biefe Begriffe etroa8 roeit 
faffen muß. Beibe haben llnionö, gufammengefeßt au8 3 roe i9 Ä 
oerbinbungen, bie über baö gange Königrcid) auögebreitet finb. 
Sorooßl bie eine al8 bie anbere Union bilbet eine angemeffene 
SRepräfcntation be8 SRafd^inenbauer * ©eroerbcS; aber feine oon 
Beiben umfaßt alle ober auch nur annäbernb alle 2Ritgliebcr 
beö ©eroerbeö, bie ihm angeboren müßten, roenn alle bagu Be* 
reettigten ben Unionö beigetreten roären. 3n jebem 3 a Ü e üben 
bie Unionö auf biefe Außenftebenben einen roeitgebenben (Sin= 
fluß auö. 

llnionö, fie mögen nun oon Arbeitgebern ober Arbeit* 
nebmern gebilbet fein, haben ihre fehler — gang fo roie anbere 
menfdjlicbe Ginridjtungen, uitb fie ober einige begielntngöroeife 
mehrere ihrer 3a)eigoerbiubimgcu ober and) nngefite ihrer Wit* 











1*7 


«Sojiale $raji?. Eentralblatt für ©ogtalpolitif. 9h*. h. 




liebet* oerfallen bisweilen itt fernere 3nrtljümer. Man hat oft 
eobadhtet, baß Snbioibuen, roenn fie in eine Berbinbung unter* 
einanber getreten finb, 3Mnge tßun, bie zu thun bem Einzelnen 
nidjt im Traume einfallen mürbe; anbererfeits aber muß man 
and) bebenfen, baß bie uerftänbigeren, überlebteren Mitglieber 
einen ^eilfamen, fjemmenben Einfluß auf bie nnbefonnenen 
©eifter auSübeit. 

Unter allen Umflänben follte man eine jebe Union nad) 
ihrer ©efammtthätigfeit beurteilen unb nicht nad) ben Srrtljü* 
ment, bie fie oielleicßt begangen h°t- Silben mir unS hoch 
auch unfere Anftdjt über eine ©tabt ober ein Öanb nicht nach 
ben Arbeitsbäufern ober ©efängniffen, nach ben mauvais sujets, 
bie barin leben, ba biefe jebenfalls hoch nur eine fleine Min* 
berheit beS BolfeS bilben. 

deshalb ift es auch nic^t forreft, menn man behauptet, bah 
bie englifdjen Arbeiter für fid) baS Siecht in Anfprucß nehmen, 
bie ßeitung beS ©efcßäftes, inSbefonbere roaS bie Anroenbung 
neuer Mafcßinen anbetrifft, ju regeln, ©ie mifeßen ficf) nicht in 
ba« ein, roaS man allgemein unter ©efcßäftsf übrung oerfteht. 
3<h behaupte nicht, baß feine 3 ro eigoerbinbung jemals einen 
ungehörigen Anfprucß in biefer Beztehung erhoben hot; aber 
niemals tft ein folcher Anfprucß oon ber großen ftörperfcßaft ber 
Arbeitnehmer erhoben roorben. ©ie forbem nur, baß fie bei 
Einführung neuer Mafcßineit eine Stimme haben, menn bie 
£>öbe ber unter ben oeränberten Sebingungen ju zaßlenben ßößne 
biSfutirt mirb. 

3ch bin ber An ficht, bah man bei groben ©treifS fein 
grobes ©eroießt auf bie Sorberungen unb Erflärungen legen 
fottte, bie oon ber einen ober anberen ©eite gemacht merben. 

©ie haben oöllig Siecht: $)ie Sßatfacße, bah bei ben lebten 
©treifS feine ©emaltthätigfeit, fein XerroriSmuS, fein 3mang 
auSgeübt roorben finb, gereicht ben Arbeitern zur höchften Ehre. 
£)ier unb bort finb freilich bie fogenannten „blackiegs“ oon 
Beibern unb ^inbern oerhöhnt roorben; aber auch nicht bie 
©pur oon ©eroalt hat man gegen Berfonen ober gegen Eigen* 
tf)ura angeroenbet. Unb baS ift glücflicßer Beife heut zu Sage 
bie Siegel. 3n ber Xfjat, ich habe Anlah auf ©runb reicher 
Erfahrung, ben Anftanb unb bie Befonnenßeit banfbar anzu* 
erfennen, roeldje, allgemein gefprochen, unfere Arbeiter aus* 
zeichnen. 'Bie alle Menfcßen, haben fie oieie Seßler; aber fie 
haben auch in einem berounbernS* unb beacßtenSroerthen ©rabe 
©inn für @efeßüd)fett. 

Benbe ich mich nun zu ben Arbeitgebern, fo muh i<ß 3U* 
nächft roieberholen, bah iä) non ihnen im Allgemeinen fpreeße, 
unb als oon einer klaffe. 3 ro eifellos Giebt es unter ihnen 
Snbioibuen, bie oon oben herab ßanbeln, herrifch unb unoer* 
ftdnbig, roelcße am Siebften bie UnionS zertrümmerten unb lebicj* 
lieh ihren eigenen Beg gingen. 3<ß bin aber fießer, bah bie 
rohe Mehrheit einen foltßen Bunfcß nicht hegt. 2)iefe Meßr* 
eit roeih, baß inbuftrieller ftriebe nur ba möglich ift, roo ftarfe 
Berbiitbungen oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern oorhanben 
finb; fie ift fid) bes maßren Berthes ber Arbeiter bemüht, unb 
trofc aller ©chroierigfeiten, mit benen ein 3eber fämpfen muh, 
ber Anbere 311 leiten hat, hegt fie ßerzlidje unb freuitblicße ©e* 
fühle zu ben Arbeitern. 

3ch ßarf über einige ber Mittel, roelche bie Union ber 
Arbeitgeber in bem ©treife angeroenbet hat, unb roelche mir be* 
beuflich erfcheinen, nicht hart urtßeilen. Es roar ein SftriegSzu* 
jtanb unb beibe Xheile roollten fiegen. Beibe £ßeile haben 
gethau, roaS roaljrfdjeinlid) roeber ber eine noch her anbere in 
SriebeuS^eiteu zu thuii aud) nur geträumt haben mürbe. Es 
ift ridjtig, baß bie Arbeitgeber Arbeiter auSgefperrt haben, bie 
geroillt roaren 311 arbeiten, unb baß in einigen Süllen baS be* 
reitS ertheilte 3 ugeftäubniß ad)tftünbiger Arbeitszeit jurücfge* 
nommeii roorben ift. Sliemanb ift im ©tanbe 311 fagen, melch’ 
Einfluß, roeldjer ^ruef oon beiben Steilen angeroenbet roorben 
ift, mit Ausnahme berjenigen, roelche roirflich im ©efecht roaren; 
aber in einem foldjcu, roie in allen MriegSzeiten ergreift aber 
jebe Partei bie heften Baffen, bie fie fiubeu faun. 

3roeifellos roirb fid) fdjließlid) aus bicfeii böfen 3eiten etroaS 
©uteS entroicfelu. XieS roirb uid)t barin beftehen, baß bie 
Uflious ber Arbeitnehmer gcfcßroädjt roerben, roaS nur oorüber* 
geljeub ber Sali fein fönnte, fonbern beibe lluions roerben fid) 
über ihre Stellung unb ihre '.Ulethoben flar roerben nniffen, unb 
baS roirb bazu führen, baß fie fid) auf einer gefimben, gerechten, 
oernünftigen ©runblage oeroollfommtien. 

Es fällt mir nicht für einen Augenblick ein, Trade Unionism 
als ben testen Abfdjluß ber ©chroierigfeiten unb ^rotftigfeiten 


in ber Arbeiterfrage anzufehen; meines Erachtens ift er nur 
eine 3roifcßenftufe zroifdjen ber ©flaoerei ber alten 3 e iten nnb 
ben in rocitcr 3nfunft liegenben £agen, ba fid) Kapital unb 
Arbeit in benfelben ^änben oereinigen roerben — nid)t in golge 
eines plöfclichen, bebenflichen ober geroaltfamen ^rozeffeS, fonbern 
in Solge beS beharrlichen, fehr Iangfmnen, aber fieberen BirfenS 
folcher oerföhnenben Äräfte, roie es Kooperation unb Er* 
Ziehung finb. 

3d) glaube auch nicht, baß unter unferen Arbeitern all* 
gemein irgenb eine ftarfe Steigung zum Sozialismus oorhanben 
xft. ES eyiftirt — unb hat feit oielen 3aht?n ejiftirt — eine 
Söeroegung in ber Stichtung beS fommunalen ©ozialiSmus, beS 
UebergangeS ber ©aS* unb Bafferlcitungen, ber ^ferbebahnen 
u. f. ro. in baS Eigenthum ber ©enteinben. Sßeines Erachtens 
aber hat bie 3bee ber Slationalifation eines jeben Arbeitsmittels 
feine Bürzeln gef<hlagen, noch oon öen Arbeitern im 

Allgemeinen ernftlicf) begünftigt — jebenfaüS nicht außerhalb 
SonbonS. 

3ch nierbe ftets bereit fein, Shnen it'be 3nformation zu 
geben, roelche mir zu ©ebote fteht. 

Aufrichtig 

ber 3hnge 

Stöbert ©pence Batfon. 

3d) roanbte mich nad) Empfang biefeS Schreibens nodjmals 
an $err ©pence Batfon mit ber $tttte, mir feine Anficht barüber 
mitzutheilen, roie eS fidf) erfläre, baß, obroohl bie 3bee ber Sfationo* 
lifation ber Arbeitsmittel in ber englifchen Arbeiterfchaft feine 
Bürzeln cjefthlagert habe, bennoch roieberholt auf Mongreffen ber 
Xrabe UnionS Stefolutionen in fozialbemofratifchem Sinne gefaßt 
roorben feien. 2)ie Antroort beS genannten f)crrn lautet roie 

folgt: 

„'BenSham ©rooe 
©ateSheab*on £i)ne 

12. 3uli 1898. 

S)tein lieber Dr. oon Stottenburg! 

BaS bie Sefcßiüffe ber ßroei Äongreffe ber £rabc UnionS 
Zu ©unften ber SRationalifation ber mbuftrieUeu Arbeitsmittel 
anbetrifft, fo glaube ich, & a ß biefelben zu bebauern fmb, baß 
man benfelben aber eine 311 große Üöebeutung beilegt. 3d) habe 
bie Angelegenheit häufig mit Arbeitern befprodjen, roeldje an 
beiben iiongreffen Stßeil genommen hatten, unb fie oerfid)erten 
mir, baß, roenn bie 3frage als etne roirflid) entfte unb praftifcf) 
bebeutfame angefehen roorben roäre, auch nicht bie aeringfte 
AuSficht für eine bejahenbe Antroort oorhanben geroefen fein 
roürbe. Es fodte nidjt erlaubt fein, baß folcße ^)ingc burch* 
fchlüpfen; aber bie Shmgreffe übernehmen eben fehr oiel mehr 
Arbeit, als geleiftet roerben famt, unb bie ^Msfuffionen haben 
ytm größten Xheil einen oberflächlichen unb fdjablonenbaften 
Eharafter. SSiele neroöfe ßeute finb burch biefe Abftimmungen 
ängftlich gemacht roorben; aber ich bezroeifle, ob irgenb ein enali* 
fcher ©taatsfozialift, beffen Anfchauungen eine refpeftoolie Se* 
achtung beanfprudieit bürfen, auch nur baoon träumen roürbe, 
aus einer fo fd)toad)en unb zweifelhaften 58orauSfeßung ein 
Argument bafür herzunehmen, baß feine Sehren unter ber av* 
beitenben 33eoölferung in ber 3 u nahme begriffen finb. 

ES roirb mich freuen, 3huen bie befte AuSfunft 30 
geben, roeldje ich 3 U ertheilen uermag, unb id) erroibere herzlich 
3hren Bunfch, öaß roir eines Sages (Gelegenheit haben mögen, 
biefe $)inge mit einanber zu befprechen. 

Aufridjtigit 

3hr 

Robert ©pence Batfon." 

3Rit biefem llrtheil fümmen übrigens oieie Aeußerungen ber 
englifchen $reffe aus Anlaß ber fozialbemofratifchen Aefolutiou 
ber Xrabe UnionS im Saljre 1894 überein. ®er Berichterftatter 
ber „Bcftminfter Oa^ette", roeldjer bem betreffenben Mongrcffe bei* 
gerooljnt hatte, fdjrieb bamals: „3th habe fein S3ebenfcn 311 er* 
flären, baß bie Belt in einen groben 3rrtf)um oerfällt, roenn fie 
glaubt, bie £rabe UnionS biefeS Üanbee« feien 311 m Sozialismus 
übergegangen." Er beridjtet bann, roie zuuächft bei* Antrag gefteüt 
roorben fei, fidj 311 ©unften ber 9?ationalifation bes ©rnnbeigen* 
thutnS, bei* 9JUnen, Mineralien unb ber royalty rents auszufpred^en. 
Ein 3>elegirter erflärte biefeit Antrag für egoiftifdj : alle ^robuftionS* 
mittel müßten natioualifirt roerben - nnb in roenigen Minuten 
roirb biefer lepte Antrag ber s 4>räfibeut bezeichnte iljn als 
„a pious opinion 4 * — zum 33efd)Iuß erhoben, ©elbft unfere fozial* 
bemofratifdjen Blätter geftanben f. 3- z™, bie Abftimmung brüefe 




190 


JS9 


Sogtale $ra|ts. Eentralblatt für ©ogtalpoltttf. Är. 8. 


nicf)t bie waßrc Anficßt ber Jelegirten aus, fonbern „fei meßr 
buriß Ueberrumpelung als burcß Uebergeugung errungen". 

Snbem icß biefe 3eileit fcßreibe, ßabe icß nießt bie Abficßt, 
auf bie fcfjtüierige Frage naeß bem fogialpolitifd^en Vkrtße ber 
englifcßen Jrabe UnionS eingugeßen, noch will i(b bie weitere, 
nießt ntinber fcßwierige Frage unterfucßen, ob bie englifd^e Fnftitu* 
tion ficß gur Uebertragung auf ®cutfc^lanb eigene, Jüe Aufgabe, 
roelcße icß mir geftettt höbe, befcßränft ficb barauf nacßguweifen, 
in welcß’ oberflächlicher unb parteiifcßer feeife bisweilen fogial* 
politifdje Probleme beßanbelt werben. 

(fine ber wießtigften Fragen unfereS politifcßen SebenS ift 
beute bie, inwieweit ben Arbeitern ein VereinSrecßt einguräumen 
fei. 3u ihrer Söfung bebarf es oor Allem praftifeßer Erfahrungen, I 
unb bie reichten Erfahrungen bietet Englcmb. Ein Feber, ber 
baran mitarbeiten will, baS englifeße Material gu fammeln unb gu 
fiebten unb gu fritifiren, ift m. E. mit Vücfficßt auf bie Verant* 
wortlicßfeit einer folcben Arbeit gebunben, fteß ber peinlicbfteit 
©rünblicßfeit unb ber größten Dojeftioität gu befleißigen. s Ber 
biefen Anforberungen ntebt gerecht wirb, oerbient bie fcßärffte 
3urücfweifung, gurnal wenn er ficb einer fo einflußreichen Stellung 
erfreut, wie bie beS £>errn Dr. Veumer ift. 

Dr. oon Vottenbnrg. I 


%mt ttttb %xbtü$btixat^ in 
©efterreiri). 

VSaren ^effimiften ber Anficßt, baß ber ArbeitSbeiratß unb I 
bas arbeitsftatiftifebe Amt mit bem SRiicftritte beS VanbelSminifterS i 
Dr. Värnreitßer, ber fie ins Seben gerufen, p einem Scßeinbafein | 
oerurtbeilt feien, fo ßat ber Verlauf ber Sißungen beS ArbeitS* 
beiratbeS am 14. unb 15.$ooember, mit benen bie fachliche Arbeit | 
beS neuen ArbeitSftatiftifcßen Amtes einfeßte, gezeigt, baß ArbeitS* 
amt unb ArbeitSbeiratß auch unter bem neuen VanbelSminifter | 
Varon SDipauli berufen finb, ficb 3u ßoeßbebeutfamen fogialpolitifcßen 
Faftoren p entwicfeln. 

Varon Jipauli begrüßte ben ArbeitSbeiratß mit einer be* 
merlenSwertßen Anfpracße, in ber er bie VMcßtigfeit ber Statiftif 
betonte; er appeHirte an bie ÜWäßigung unb Verftänbigung ber pr 
fogialpolitifcßen Mitarbeit berufenen 9fätße unb feßloß mit ber Ver* 
fießerung, baß ben Anregungen beS ArbeitSbeiratßeS in ben fragen 
ber fogialen ©efeßgebung unb Verwaltung oolle SBürbigung gu 
Jßeil werben folle. S)er TOnifter ffiggirte fobann baS ArbeitS* 
Programm ber Sißung, bas hierauf in eben fo ausführlicher als 
befriebigenber Vkife in gweitägigen Debatten erlebigt würbe. Vor 
ihrem Veginn maeßte V°fratß $rof. Dr. Vtataja, ber Vorftanb beS 
Arbeitsftatiftifcben Amtes, Vtittßeilungen über bic Drganifation 
beS Amtes, Es ift in gwei Abtbeilungen fonftihiirt, beren eine 
für bie Vorbereitung unb fpätere Verausgabe ber projeftirten 
3RonatSfcßrift, für bte Agenben ber Arbeiteroerficßerung fowie für 
bie bem Arbeitsftatiftifcben Amte noch neu guwaeßfenben Angelegen* j 
ßeiten beftimmt erfeßeine, wäßrenb bie gweite Abtßeilung Die bis* i 
ßer bereits im VanbelStninifterium beforgten Arbeiten arbeits* I 
ftatiftifeßen EßaiafterS übernommen habe, inSbefonbere Angelegen* | 
ßeiten Der ArbeitSoermittelung, ber Streifftatiftif, beS ©cnojfcn* ! 
fdjaftSwefenS, ber ©ewerbeitatiftif fowie bie abminiftratioen 
Agenben. ®ie periobifc^e s $ublifation beS Arbeitsamtes, beren 
Verausgabe Schreiber biefer 3eilett bereits oor mehreren Faßren 
angeregt bat, ift oorerft beftimmt, einen wertßooHen 9tacßri(ßten* 
bienft über ben ArbeitSmarft gu organifiren; in ber Verbreitung 
fogiatpolitifcßen Verftättbniffes jeboeß wirb ißre oorneßmfte Auf* 
gäbe allgemeiner ÜRatur gelegen fein. 

Sßacß Annahme ber ©efcßäftSorbnung gelangte ber erfte ^unft 
ber JageSorbnung, bie Reform ber Streifftatiftif betreffenb, 
gur Veratßung. |>ofratß Vtataja ßat fieß um biefen 3 roc ^9 ^ er 
ArbeitSftatifti! beretts feßr oerbient gemacht unb oon Saß* 311 Faßr 
bie Statifti! ber Arbeitseinteilungen unb AuSfperrungen immer 
meßr ausgebaut, fo baß fie ficß ßeute bereits mit ber einfcßlägigen 
englifcßen Statiftif meffen fann. 3)em Arbeitsbeiratßc würbe nun* 
uteßr ein neues Programm für bie ftreifftatiftifeßert ©rßebungen 
oorgelegt, baS nießt bloß Fragebogen unb 3äßlblätter erweitert, 
fonbern aueß neue Aemter unb Stellen gur Mitarbeit an ber 
Statiftif ßerangießt. 2)aS oorgelegte Programm würbe, oon einigen 
AmenbementS abgefeßen, naeß längerer, überaus facßlicb gehaltener 
Debatte angenommen. 

®er näcßfte $unft ber StageSorbnung war bie Drganifation 
1111 b Statiftif ber ArbeitSoermittiung. 3 U biefem ©cgcit* 


ftanb ber ^aaesorbnung lag ein 00 m Arbeitsftatiftifcben Amte aus* 
gearbeiteter ©efeßentwurf oor, ber jeboeß nießt eine Vorlage ber 
Regierung, fonbern ein ©ntmurf beS Amtes ift. 

$er erfte Jßeü btefes ©efeßentwurfeS betrifft bie gewerbemäßige 
Sienft* unb Steüenocrnütteluna. S)te gewerbemäßig betriebene bienft* 
unb ©teHenuermittelnng wirb ber ©cmerbcorbnung unterteilt unb unter 
bie fonceffionirten ©ewerbe eingereißt. 5)er Entwurf begeießnet bie Vor* 
ausfeßungen, unter welcßen bie Äongeffion ertßeilt werben fann, bie 
Veßörben, welcße gu ißrer ©rtßeilung fompetent finb, er trifft Anorb* 
nungen über bie Vereinigung ber bienft* unb SteUcnoermittlung mit 
auberen ©ewerben in einer Vaitb, über bic Verpachtung erfterer unb 
beftimmt enblid), baß jeber Faßaber eines bienft* unb Stcßenoermitt* 
lungS*©ewerbeS ber Verleißungsbebörbe gur Veftätigung eine ©efcßäfts* 
orbnung Oorgulegen ßabe, in ber namentlich bie |wbe uri fo bie Ve* 
bingungen ber 00 m ©ewerbe*Faßaber, in feinem ©efdjäitsbetriebe be* 
anfprudjten ©ebüßren unb eoentnell auch bie Tarife jür Stoft unb Ve* 
ßerbergung genau feftgefeßt fein miiffen. ^>er bisßer fcßlenbe Vucßgwang 
wirb gefeßlid) ftatuirt. 2)er gweite ißeil beS Entwurfes gilt ber gefeß* 
ließen Siegelung ber nid)t gewerbsmäßigen 2)ienft* unb SteHenoermittlung. 
2ien ^aubesßauptftäbtcn unb aßen Stäbten mit meßr als 30 000 ©in* 
woßnern wirb bie ^fließt gur ©rünbung unb ©rßaltung uuentgeltlicßer 
ArbeitSoermittIungs*Anftalten auferlegt, ber Umfang ber Jßätigfeif folcßcr 
Anftalten umfeßrieben unb bie Verwaltung berfelbeit befonberen Äom* 
mifßonen i’tberwiefcn, weld;e ficß paritäifdj aus Unternehmern unb Ar* 
beitem unter bem Vorftße eines Unparteiifcßen gufammenfeßen. 

3n ber äußerft lebhaften Debatte, bie ficß über biefeS £ßema 
eutfpann, trat ber feßarfe ©egenfaß gwifeßen Unternehmer* unb 
Arbeiteroertretern beutlicß gu Jage, oßne jeboeß ber Sacßltcßfeit ber 
Erörterung Eintrag gu tßun. 2)ie J)elegirten ber Arbeiter oer* 
traten ben Stanbpunft, ber ArbeitSna^weis geßöre in bic Vänbe 
ber Arbeiter, wogegen bie itnterneßmeroertreter ficß weßrten. 
Schließlich würbe ber Entwurf itatß Antrag 5ßrofeffor o. $ßilippo* 
oießs einem acßtgliebrigen Ausfcßuß gur Veratßung überwtefen; 
beibe Parteien ftnb in ißm gleichmäßig oertreten. 

Aucß bezüglich ber oon Sßrofeffor 0 . ^bilippooicß beantragten 
Einleitung oon Erhebungen über bie Öage ber VerfeßrS* 
bebienfteten würbe bie Einfeßung eines £omiteS befcßloffen. JaS 
bisßer 00 m Eifenbaßnminifterium gefammelte Vtaterial, betreffenb 
bie Sage ber Vaßnwäcßter bürfte bem Arbeitsbeiratßc bentnäcßft 
oorgelegt werben. 

Jie gleichfalls auf ber JageSorbttung befinblicße F^ge ber 
bereits feßr bringenb geworbenen Reform ber Unfall* unb 
tranfenoerfießerung würbe auf Antrag beS Abg. Dr. Verlauf 
noeß nießt erörtert; fie fofl erft bann einem AuSfcßuffe gugewiefen 
werben, wenn bie bemnäcßit gu erwartenbe Vorlage eines SftegierungS* 
entwurfeS erfolgt fein wirb. 

Sobann gelangte bie Sage ber V e i mar & e ü er pr ®i8* 
fuffion. Seit einigen Sößren bereits fteßt biefe Frage fpegiett in 
V3icn im Vorbergrunbe fogialpolitifcßer Jßemen. ^ie VanbelS* 
fammer befcßäftigt ficß eingeßenb mit einfcßlägigen SReformfragen, 
unb fürgUd) ßat aucß baS ©ernerbe * Fnfpeftorat hierauf begügueße 
Erhebungen eingeleitet, bie jeboeß nießt crfcßöpfenb oeranlagt finb. 
Jer ArbeitSbeiratß eutfeßloß ficß naeß längerer Debatte, in ber ein* 
mütßig bie 9totßwenbigfeit oon Erhebungen unb auf ißren Er* 
gebniffen bernßenben Reformen auSgefprocßen würbe, für bie 
Veranftaltung oon EnquSten über bie Heimarbeit bureß baS 
Arbeitsftatiftifcße Amt unb gwar foll auf Antrag Sßrofeffor 
o. ^ßUippoüicßs guerft eine Enquete über bie Sage ber V^imarbeiter 
in ber VefleibungS* unb VMfcße*$onfeftionSbrancbe abgeßalten 
werben. 3 ur öeftftellung ber ©runbfäße* für bie einguleitenbe 
Enquete unb ißre Vorbereitung würbe ein acßtgliebriger AuSfcßuß 
eingefeßt. 

3um Scßluß gelangte nodß ein Fnitiatioantrag aus ber Vtitte 
beS ArbeitSbeiratßeS gur Erörterung, betreffenb bie Einleitung oon Er* 
ßebungen über bie Sage ber Vergarbeiter. Jie Anregung fanb 
allfeits ungetßeüte llnterftüßung, unb es würbe ein Ausfcßuß mit 
ber Aufgabe betraut, ein Programm auSguarbeiten, naeß welcßen 
Mcßtuhgen ßin bic ilnterfucßung ftattfinben foll, unb hierüber in ber 
näcßften Sißung beS ArbeitSbeiratßeS Vericßt gu erstatten. 

Jer ©ana ber Verßanblungen ßat gegeigt, baß ficß baS neue 
Arbeitsftalijtifcße Amt feiner großen Aufgabe oollfommen bewußt 
unb entfcßloffen ift, ben FoAfcßritt fogialpolitifcßer ©efeßgebung 
unb Verwaltung mit allen ißm gur Verfügung fteßenben Mitteln 
gu förbern unb auf eine pofitioc ©runblage gu ftellen. Er ßat 
aber aucß gegeigt, baß ber ArbeitSbeiratß weit meßr als eine 
beforatioe Äongejfion an bie Sntereffentenfreife ift, baß er oielmeßr 
ficß berufen füßlt, feinen Coden Einfluß auf bie fogialpolitifdje 
Segislatur gur ©eltung gu bringen unb gtoar in möglüßfter Aus* 

ß ung ber Fntereffengeqenfäße im eigenen Scßoße. Jie Sad)* 
it ber Jisfuffionen bietet Viirgfrfjaft für bie gegetifeitige Ver* 





191 


©ojtale prajt«. Eentralblatt für Sozialpolitik. Rr. «. 


192 


ftänbigung, unb fte beweift, bafe auch aufeerhalb EnglanbS ein 
einträchtiges 3ufatnmeitarbeiten von Unternehmer* unb Arbeiter* 
Vertretern im Sntereffe ber Gefammtheit möglich ift. tiefes Gr* 
gebnife mufe bereits als grofee Grrungenfdjaft betrautet werben; 
es Berechtigt jebenfaÜS zu fcfjöneu Hoffnungen für bie gebeih liehe 
Gntwicflung beS ö|terreid)ifchen Arbeitsamtes unb ber öfterreirf)if<f)en 
Sozialpolitik. 

Wien. Dr. Emil Loero. 


3U1 gemeine Smjial- und HltrtijfäJaftepolitlh. 


SoZiafyofitifdje Anträge im ReidjStage. 

Wie immer zu Beginn einer neuen Legislaturperiobe wirb 
auch bieSmal eine lange Reifee oon Anträgen fojialpolitifcfjer Ratur 
oon ben oerfcfeiebenen Parteien anaefünbigt. Berfcfeiebene ber An* 
träge ftnb alte Bekannte. Bon freifinniger unb fozialbemofratifcfeer 
«Seite foüen wieber Anträge auf Reform berGemerbe-gnfpektion 
aefteüt werben. ®iefe foü unter entfprecfeenber Bermeferung ber 
AufficfetSbeamten unb Heranziehung weiblicher Affiftenten unb Ber* 
treter ber Arbeiter jur ReicfeSfacfee gemacht unb bie Snfpektion 
auch auf bie HauSinbuftrie auSgebefent werben. 2>aran follen fich 
Anträge auf Einführung obligatorifcher (bewerbegeriete unb 
auf Einführung eines ReidfeSberggefefeeS feitenS ber Sozial* 
bemofraten fdfeliefeen. Söei bem lepteren Anträge, ber einem Be* 
fchluffe beS lefeten fozialbemofratifcfeen Parteitages in Stuttgart 
entfpredfeen würbe, bürfte es namentlich um bie H era uziefeung 
prattifcfe erprobter Seraarbeiter zur Gruben*3ufpeftion unb bie 
allgemeine Einführung oer A<htftunbenf<hicfet fid) feanbeln. Seitens 
beS EentrumS unb ber greifinnigen follen bie Anträge auf Ge* 
Währung ber Rechtsfähigfeit an eingefchriebene Berufs* 
oer eine erneuert, oom Eentrum zugleich ein Antrag auf Ein* 
richtung oon .ArbeitSfammern geftellt werben. Bekanntlich hat 
fich bie am 13. Dftober in Strafeburg i. E. abgehaltene General* 
verfammluncj beS fatholifdfeen BerbanbeS„Arbeiterwohl" für Arbeiter* 
fammern, bie ihren 3ufammenfchlufe in einem Reich SarbeitS* 
amte finben foüen, auSgefprocheu. $lad)bem bie Gefeüen beS 
HanbwerfS in ben GefeüenauSfd)üffen ber Innungen unb in ben 
Hanbwerferfammern oertretcu finb, follen fich &ie ArbeitSfammern 
auf bie Arbeiter unb Unternehmer ber Grofeinbuftrie, b. i. gabriten 
mit minbeftenS 20 (10) Arbeitern befchränfen. Rur foweit in einem 
Bezirke eine ftarfe, gefdjloffene HauSinbuftrie vertreten fei, fönne 
aud) biefe betheiligt werben. Es feien lofale (für gröfeere Gemeinben 
bejw. Greife) unb Se^irfsfammern für gröfeere Bezirke (nach Bor* 
bilb ber Hanbelstammern) 5 U Bilben. Schon 1885 unb 1890 ftnb 
oon ben So^ialbemofraten im ^Reichstage Anträge auf Einführung 
oon ArbeitSfammern, Arbeitsämtern unb eines ReidfeSarbeitSamteS 
gefteüt worben. 

Sojialbemofratifcherfeits ift abermals ein Antrag auf Ein¬ 
führung ber aefetftünbigen Arbeitszeit für aüe tn Hanbel, 
gnbuftrie unb bewerbe befefeäftigten perfonen geplant, gn ber 
Seffion 1896/97 oeranlafete biefer Antrag eint lange Debatte, in 
welcher fich aber &ie ^Regierung auSfchwieg. $)er Abgeorbnete 
o. Karborff oerlangte bei biefer (Gelegenheit „brafonifdje Strafen" 
für bie Befjinberung ArbeitSwiüiger. $)ie Debatte enbete mit ber 
Annahme eines Antrages beS EentrumS, Erhebungen barüber an* 
Zufteüen, in welchen Gewerbebetrieben burch übermäfeige 2)auer ber 
täglichen Arbeitszeit bie Gefunbfeeit ber Arbeiter gefährbet werbe 
unb überaü, wo eine foldfee GefunbheitSgefährbung oorliege, in 
Ausführung beS §. 120e ber Gewerbeorbnung burch entfpreefeenbe 
Berorbnung bie Arbeit z u regeln. 3>ie h^ erau f feitenS ber 
Gewerbe * änfpeftoren oeranftalteten Erhebungen finb bekanntlich 
infolge ber ungenügenben Auskünfte ber Krankenfaffen * Aerzte 
unb Siranfenfaffen * Berwaltungen nur mangelhaft auSgefaÜen. 
RationalliberalerfeitS foü, wie ]chon im lefeten Reichstag, wieber 
ein Antrag auf Ausbelfenung beS gewerblichen ArbeitSfdhutjeS auf 
bie HauSinbuftrie eingebracht werben, fytv würbe befonberS bie 
KonfektionSinbuftrie in Betracht kommen. Rad) bem 3 e ugnife 
ber gabriteninfpektoren h a l fich bit BunbeSratbSverorbnung oom 
31. 2Rai o. g., burch wekfee bie wefentlichen Sdjujjbeftimmungen 
für gabrifen auf bie Werkftätten ber Äonfeftionsinbuftrie auSge* 
behüt worben finb, nicht bewährt, oielfad) fogar zur Berbrärtgung 
ber betreffenben Arbeiterinnen in bie (nngefdjüfete) HauSinbuftrie 
geführt. &er oon ber Regierung aufeerbem oorgelegte Gefejjent* 
wurf, welcher ben BunbeSrath ermächtigen woüte, LofenzetteI ober 
Lohnbücher oorzufefereiben, bie üRitgabe oon Arbeit nach H au fe an 
bie in gabrifen unb Werkftätten befefeäftigten perfonen zn verbieten, 


bie Kranfenverftcheruttg auch au f bie in ber HauSinbuftrie Be* 
fchäftigten auSzubefenen unb bie Arbeitgeber (Konfeftionäre 2C.) z» 
entfprechenben Seiträgen z u verpflichten, ift leiber uiterlebigt ge* 
blieben. 2)a inzwifd)en auch ber beutfehe Schneibcrocrbanb Er* 
hebungen über bie golgeit ber erwähnten SunbeSratfesoerorbnung 
burch gragebogen oeranftaltet hat unb beren Ergebniffe bem Reichstage 
Zugehen laffen wiü, fo bürfte befonberS ber grage beS MonfcftionS* 
arbeiterfchuheS im nächften Reichstag wieber näher getreten werben. 
$)a aufeerbem bereits eine gnterpellation beS bänifefeen Abgeorb* 
neten Sohannfen über bie ArbeiterauSweifungen ans Rorb* 
fchleSwig angefünbigt ift unb Petitionen um Erlafe eines Reichs* 
mohnungSgefefecs oorliegen, fo bürfte auch bie s BohnungS* 
frage unb bie grage ber ArbeiterauSweifungen in Rerbitibuitg mit 
ber" 3nla|*fung ruftich-polnifcher Arbeiter im SDften zur Sprache 
kommen. 

Gefcerbltdjt Allliaiigtjerbäiibe* SSon Eb. 23ernftein erfchien in 
ber lefeten Rümmer ber fozialbemokratifchen „Reuen 3 e ü" (^ r - ö 
oom 19. Rooember) ein äufeerft inftruktioer Auffah über bie fog. 
&rabe AüianceS in Englanb. Unter Beibringung oon Statuten* 
auSzügen, praftifchen Beifpiclen unb ^iftorifc^eh 3>aten fchilbert er 
Entftehung, 2Sefen unb Erfolge biefer Berbänbe, welche Arbeitgeber 
wie Arbeiter je eines beftimmten Gewerbes umfaffen, um burd) 
gemeinfameS Borgehen bie gemeinfamen 3ntereffen zu pflegen, gür 
bie Unternehmer hanbelt eS fich BaBei um Hiutenanhaltung einer 
„übertriebenen Konkurrenz" unb beS bamit oerbunbenen „Unter* 
bietenS", für bie Arbeiter um Sicherung beS ArbeitSoerhältniffes 
unb um Erlangung eines biüigen Anteiles an ben Ergebniffcn 
ber baburch profitabler geworbenen Betriebe. 3 U biefem Sujecfe 
ermitteln bie Aüianzen pnächft, welches ber HerfteüungSpreiS jebeS 
in ihren Bereich fallenocn ErzeugniffcS ift unb weldjer Rtinbeft* 
profit an ihm gemacht werben mufe. SDabei wirb aber weber ber 
BerfaufSpreiS feftgelegt, noch oerbiüigte gabrikation auSgefd)loffen, 
fonbern nur Borforge getroffen, bafe ber Kofteuanfafe nach beftimmten 
Grunbfäfcen gefchiept unb ein bejtimmter Safe als Profitrate auf* 
aefchlagen wirb. 2)as zweite ift bie Drganifirung ber Sohnregu* 
lirung. ®azu treten beibe £)rganifationen (ber Arbeiter unb ber 
Unternehmer) bezrn. ihre $)elegirte zufammen. ^»ie zu* 3 e ^ ^ er 
Aüianzbilbung beftanbenen Lohnfäfee gelten als Btinbeftlöhne unb 
für jebe Erhöhung ber Profitraten erhalten bie Arbeiter einen pro* 
portionellen prämienauffchlag. 3)aS Lohnfomite hübet zugleich 
baS SchiebSgericht bei Streitigkeiten, bem fich i c b er Arbeitgeber 
wie Arbeiter zu fügen hat unb and) thatfächlid) bis jefet gefügt 
hat. 2öenn auch über biefe £rabe AüianceS noch fein enbgültigeS 
Urtheil gefäÜt werben kann, fo haben fie bis jefct hoch fd)on manche 
günftige'Ergebniffe gehabt. — ^ie „Kreuzztg." bemerkt zu bem Auf* 
fahe BernfteinS, AueS bränge barauf fjiu, „zu einer gemeinfamen 
Drganifation, in ber Arbeiter unb Unternehmer frieblid) über ihre 
gemeinfamen gntereffen oerhanbeln, zu gelangen. Wirklichen Rufecn 
I kann thatfächlich baS GemertfchaftSmefen als Kampforganifation 
I für bie Arbeiter befonberS auf bie ®auer nicht fefeaffen. ^ie Ar* 
i beiter werben am beften beraten fein, wenn fie mü ben Unter* 
nehmern oereint oorgehen unb wo gegenseitiges Bertrauen in ge¬ 
meinfamen Drganifationen \)txt\d){." 2)ie Borbebingung folcher 
gewerblichen Berbänbe ift hoch aber gerabe bie Eyiftenz ftarfer unb 
leiftungSfähiger Sonberorganifattonen oon Unternehmern unb 
Arbeitern, wie bieS aus BernfteinS Ausführungen erheÜt. Unb 
auch &a$ einzige Beifpiel einer Xrabe AÜiance in ®eutfd)lanb, baS 
3ufammenwirken ber Prinzipale unb Gehiilfcn im Buchbrucfgewerbe, 
baS jefet in ber Sarifbcmegung feine Kraft mit grofeem Erfolge 
befunbet, weift auf bie Rotfewenbigkeit hiu, bie gemeinfamen Ber* 
bänbe auf bie Sonberorganifatiouen zu ftüpen. Dfene einen ftarfen 
prinzipaloerbanb unb ohne einen kraftooüen Gehülfcnoerbanb wäre 
in biefem Gewerbe nie eine Einigung, ein gemeinfameS Borgehen 
erzielt worben, wie eS jept zu Rufeen beiber £f)cile befteht. 

Bom §♦ 8 beS prenütfehen BeretnSgefeheS, ber baS Berbot ber 
Berbinbung oon politifcfjen Bereinen enthält, hatte man längere 
3eü nichts gehört, gefet wirb gemelbct, bafe auf Grunb btefeS 
Paragraphen in Haüe a./S. bie 3 a hlfteüe beS BerbanbeS ber 
gabrik*, Sanb*, HülfSarbeiter unb Arbeiterinnen l 3>eutfd)lanbS 
polizeilich gefchloffen worben ift, weil fie mit anberen Bereinen 
gleidjcr Art, unb zu?ar mit bem Gemerffd)aftStartcH, in Berbinbung 
getreten fei. — Bagern unb Sad)fcn haben baS ganz oeraltetc 
BerbinbnngSoerbot im Laufe beS Iefcten galjreS aufgehoben, gür 
preufeeit wäre ber einfaefefte Weg ber, bafe ber BunbeSrath bem 
fa)t einftimmig gefaßten ReidjStagSbefchlufe, bie lanbeSgefefelidhen 
Berbote über baS Snoerbinbungtreten oon Bereinen mit politifcfeeu 
i 3*»ecfen aufzuheben, zuftimmt. 



©ogtole (fcentralblatt für ©ogialpolittf. 9fr. 8. 


198 


Politifd)e unb gcroerffdjaftfidje Serfatnmlmtaen in ©adjfeit. 

Die Sbänberung beS fädfjftfd^cn VereinSgefefceS fd)lie&t befanntlidj 
Sföinberjährige oom Vefud) politif^cr Verfamntlungen aus. Da* 
gegen mürbe roährenb ber Kamtneroerhanblungen toieberholt non 
ben greunben biefer ttRajjnabme allen Vefürd)tungeit bie Vergehe* 
rung cntgegengefefet, baß bie geroerffdjaftlidje Veroegung, bie 
Sörbermtg Der Verufsintereffen unb bie ©rgielung befferer Arbeite* 
bebingungen in feiner Weife burcf) biefe Veftiinmung getroffen 
roerben foüe. Die PrajiS aber f)at anbere ©rgebniffe jjegeitigt. 
3n ben oier Monaten, bie baS ©efefc jefct in Straft ift, unb oer* 
fd)iebene Satte gu oergeidjnen, roo Verfammlunaen, bie fich mit un* 
groeifelljaft nid)tpoIitifd)en Sngelegeitheiten befc^äftiat haben, oom 
Verbot bes VefudjS ber SKinberjäfjrigen ereilt rooroen finb. ©o 
eine SDfrtallarbeiteruerfammlung in DreSben, für bie ein Vortrag 
über bie Degeneration ber Srbeiterflaffe angefünbigt roar, eine 
©ifeleuroerfammlung in SRabeberg, in ber über ben SRücfgang bes 
KunfthanbroerfeS gefprodjen rourbe, eine |)olgarbeiten)erfanunlung 
in Rabenau, roeil ber Vearnte erflärte, inan fönne nidjt roiffen, ob 
ber ^Referent nicht auch auf bie politif fomme 2 c. Kann inan bei 
folgen Vorgängen an ÜRifegriffe untergeorbneter Beamter benfen, 
fo liegt bicö bod) anberS in folgenbem Satt: Die Smthauptmann* 
fchaft Dresben*Sltftabt ^at eine Vefchroerbe roegen 3 ur ücfroeifung 
Sföinberjäpiger an einer ^olgarbeiteroerfantmlung in ©techtrifj, in 
welcher über 3 tüe rf unb 3' c ^ ber geroerffchaftlidjeit Orga* 
nifation gefprodjen roerben fottte, mit ber Vegrünbung abgeroiefen, 
auö bem bisherigen Verlauf ber Srbeiterberoeguitg in ©adjfen 
gehe proor, 

„baß bie fogenannte (gerocrffchaftlidje) Organtfatiou in bas gahrtuaffer 
ber fogialbentofratifchen gartet gerathen fei unb non beren Agitation 
weniger gur ©rgiclung befferer Lohn* unb SrbeitSbcbingungen für bie 
Arbeiter felbft, als oielmchr in crfter Linie gur Verfolgung ber ben 
Veflanb ber Staats* unb ÖefeUidjaitSorbnung bebrohcnben polttifdjen 
x 3iele ber Parteiführer beförbert unb benufct roerbe." 

Diefe ©ntfcpibung roiberfpricht offenbar ben flar auSgefprocpnen 
Sbftcpen beS einen ber gefefcgebenben Sohren, bem Sanbtage. 
Ob fie bie Snfchauungen beS anbereu SnftorS, ber föniglid) färf)fi** 
fcpn ©taatSregierung, richtig roiebergiebt, roirb fich geigen, ba bie 
£>anbhabung beS VereinSgefepS natürlich in ber nädjften Sanb* 
tagSfeffton gur ©prache fomnten roirb. ^ebenfalls ift ber amtliche 
Vefcpib ber Smtshauptmamifdjaft DreSben*Sltftabt nur ein neuer 
VeroeiS für bie Verftänbnißlofigfeit, mit ber aud) höp* e Vehörben 
ber Srbeiterberoeguitg gegemiberftepn: ©ie treiben bie Srbeiter 
gerabegu mit ©eroalt in bie Srute ber politifchen ©ogialbemofratie, 
roenn fie fte an ber legitimen Vertretung unb Sörbernng ihrer 
Verufsintereffen oerhinbern. Such berartige Vorfomtmtiffe mahnen 
ben VunbeSrath aebieterifd) gur Verücfficptgung ber oom Reichstag 
befchloffenen SRefolutionen auf Snerfennung unb VetoegungS* 
freiheit ber SrbeiterberufSoereine. 

Die fRecpörinheit tu ber ©chlorig. Sünfgig 3<*pe pt im 
©chroeiger Volfe bie Veroegung gebraust, um ans 3i c l fom* 
men: SuS ber Qahrhunberte roäpenben S^fP^terurtg beS Rechtes 
in ben einzelnen Kantonen roirb nun bie Einheit in ©traf* unb 
©ioilrecp für bie gange ©chroeig erftehen. Sm 13. SRooember hat 
bie VolfSabftimmung mit ruitb 270 000 gegen 100000 ©timmen 
fi<h bafür auSgefprocpn, oon ben Kantonen haben 15 unb 3 halbe 
mit 3a unb 4 unb 3 halbe mit SRein ootirt. Damit ift eine f)od)* 
bebeutfame Dhat oottgogen, foroohl für bie Kräftigung beS nationalen 
©ebanfenS in ber ©d)roeig, roie auch für ben fogialpolitifchen 
Sortfchritt. 

VehBrblidhe fiohnregnlirnng in ($ng(aub. Sus Bonbon roirb 
uns getrieben: Das ^onboner ©chulamt befchäftigte fleh m tt ber 
üohnfrage in einer feiner lebten ©ihungen. Vis je^t roaren bie 
©eroerfoereinS-ßohnfähe in allen Vauoerträgen eingefeht roorben 
unb eine SuSbehnung biefes PringipS fam nunmehr gur Vefdjlufe* 
faffung. Der Vorfifcenbc beS 5lrbeitSfomit6S Öorb Vtorpeth 
machte ben Vorfchlag, „bah &a, roo in feft umgrengten unb 
umfangreichen ®eroerben eine oon Srbeitgebem unb Arbeitern 
anerfannte Öohnreguliruitg eriftirt, folche fiohnfäbe oon atteti Sb* 
theilnngen beS ©cbulamteS angenommen unb in allen Kontraften 
oerbinblid) gemacht roerben." hiergegen roanbten fich gunächft 
einige fortfcfjrittlic^c s lK'itglieber mit bem Sntrage, bah bie burch 
ben'Drucf auSgegeichneten Sorte roegfatten, unb bah ba, roo feine 
£?ohnabmad)ung oorhanbeti fei, baS ©chulamt in ben Satten, „roo 
es roünfthensro'erth", eine Sohnregulirung oornehmen fottc. Der 
Sonbotier WraffchaftSrat'h hat fich groar gu biefem ©ruitbfah be* 
fannt, bie ©chuloerroaltung aber hat ihn nach lebhafter Debatte 
mit einer Mehrheit oon einer ©timme abgelehnt. Vtan roar roohl 
ber Snficht, bah 11l *t ©runb befürchtet roerbe, es fönne in ben 


194 


(bewerben ohne Sohnabmachungen fich baS ©roeatingfpftem ein* 
fehleren, bah aber hoch bie Sufgabe, felbft bie Söhne feftgufefcen, 
für eine öffentliche Vehörbe gu fchroieria unb bebenflich fei. @S 
gelangte baher ber SuSfchuhantrag gur Snnahme. 

Obltgatorifche ÜJlinbeftlöhnc in Victoria* Heber bie (£r* 
fahrungeti mit ber obligatorifchen Seftfefeung oon 3Rinbeftlöhnen 
unb ber ^öchftangahl oon Sehrlingen in eingelnen ©eroerben in 
Victoria berichtet Dr. ©chroieblanb in ©onrabs „Sah^büchem für 
S^ationalöfonomie unb ©tatiftif": 3n ber Vä cf er ei unterftühte 
bie grohe Mehrheit ber ttKeifter bie Durchführung ber Veftim* 
inungen auf jegliche Steife. @S fcheint, bah ein grober Dheil oon 
ihnen erfreut roar, nunmehr gegen bie Konfurreng oon VerufS* 
genoffen gefiebert gu fein, roelche ihre Seute fehlest entlohnten, oiele 
Sehriinge hatten unb anberfeitS baS Vrob roohlfeiler abgaben. 
Die Sohnerhöhung betrug nahegu 25o/ 0 unb fie erfcheint für 
immer errungen. Such m ber Kunbenfchneiberei begegneten 
bie Verfügungen feinerlei ©chroierigfeiten. Die ©efchafte erften 
langes gahlten fchon ehebem phere Söhne unb bie neuen Vtinima 
beroirften feine drmähigung berfelben, für Kunbengefchäfte jroeiten 
langes hingegen bebeutete bie Sntoenbung beS SDtinbefttarifcS er* 
hebliche Sohnerhöhungen, roelche fi<h bis auf 50o/o beliefen. Die 
Vorfchriften haben fnh aber als oottfommen burdhfüpbar er* 
roiefen. SnberS in ber Konfeftion. §ier rourbe bie ^robuftion 
oor bem 3n$lebentreten ber neuen VJahregeln oermchrt, unb als 
biefe in Kraft traten, prrfepe Srbeitslofigfeit. Dagu fam, bah 
bie Kommiffioneit bie ©tücflöhne etroaS hper feftgefeht hatten, als 
bem VSochenlohn entfprochen ptte: Die Heimarbeit, roelche ftets 
nadb bem ©tüd begahlt roirb, hörte bapr auf; es rourben aber 
in Den ©erfftätten nur bie beften Srbeiter aufgenommen. Such 
roaren oiele aus Samilienrücffichten nicht in ber Sage, aufjer 
$auS gu arbeiten. 3« ben VSerfftätten entlieh man in Solge ber 
Sohnerhöhung bie minber tüchtigen Srbeiter unb befchleunigt ben 
©ang ber Vtafchinen. S^rner rourbe bie 3ahl ber Sehriinge oernngert, 
benn auch ihre Söhne roaren erhöht roorben. Such in ber ©d)uh* 
mach er ei oeranlahte bie abfolute £>öhe ber ©äfce eine ftarfe Ver* 
mehning ber mafchinetten SuSrüftung ber Sabrifen. ©ine Ver* 
ringerung ber 3 a hl ber Srbeiter unb SuSlefe ber Düchtigften unb 
Slinfften biirfte bieSolQC fein. 3n ber 3Wöb cltifchlerei rourben 
bie Söhne bis gu 20% erhöht. Deshalb rourben unter ben 
d)inefifd)en Srbeitem bie Iangfamen in ©«haaren entlaffen. Diefe 
begannen nun auf eigene ^Rechnung gu arbeiten, eine grohe §auS* 
inbuftrie enftanb unb bie Sabrifen leiben ftarf unter beren Kon* 
furreng. Hier rourbe ber 3 c ülohn gu h 0( h feftgefe^t unb oeran* 
Iahte bie ©ntfaltung ber HauSinbuftrie, roäpenb baS geroottte 
Vtihoerhältnih groifchen Vßerfftattlohn unb §eimarbeitslohn in ber 
Kleiberfonfeftion unb gum Dfjeil in ber ©chuhmac|erei bie 
Heimarbeit oernichtete. Verfepte Vtahnahmen beförberten baher 
bort fünftlich bie Söerfftattarbeil, hier bie HauSinbuftrie. 


ftotnttttntale Soiial|>oUttk. 


VrtneiMiflege mtb ©euteiuberoahfrecht in Vremen. Die S^age, 
roie roeit bie ©eroährung oon Srmenunterftüfcung ben Verluft beS 
Wahlrechts nach fich 3i e ht niirb in Vremen nad^ Vereinbarung 
groifdjen bem Vorftanb ber ©tabtbremifchen Srmenpflege unb ber 
Deputation gur Seitung ber Vertreterroahlen fünftig nach folgenben 
©runbfäfeen behanbelt: 

a) bie einer ©hefrau geroährte llnterftüfcung gilt als Unterftühung 
beS ÜRanneS, aufeer roenn Dem 9J?annc oom Bericht geftattet ift, oon ber 
grau getrennt gu leben, ober roenn bem Spanne eine SlimentationSpflidjt 
ber grau gegenüber nicht obliegt; b) bie Unterftüfcung eines ehelichen 
ober biefem gleidjftehenben Kinbes, ebenfo bie Unterftühung eines ehe* 
liehen ober außerehelichen Vorfinbes ber grau, gu befielt Slimentation 
ber ®?amt cioilredjtlich oerpflichtet ift, gilt nicht als Ünterftüfcung bes 
Cannes, roenn fie geroährt ift, nadibent bas Kinb bas 18. Lebensjahr 
bereits oollenbet hat, ober groar oorher, aber nacfjbent bas Kinb roirth 5 
fchaftlidj felbftftänbig geroorben ift. Lejjteres ift im gweifel bann nicht 
angunehmen, roenn bas Kinb ftch noch in ber häuSlidien ©emeinfehaft 
beS gamilicnhauptcS befinbet. 

Der Snfidjt, baß roer eine im lebten 3ahre begogene Srmennntcr* 
ftüjung gurücfbegahlt habe, nicht mit in bie oott ber Srmenoerroaltuug 
aufguftcllenbc Lifte ber oon ber Waf)lbcred)tigung ausgefdjloffcnen per* 
fonen aufgenommen roerben bürfe, roeldjer v^ap g. V. aud) in Hamburg 
beobachtet roirb, hat bie Deputation ftdj uid)t angefdiloffeu. 

©tübtifche (SleftrigitatSroerfe. ©o erfreulifd) ber eifrige gort* 
fchrüt ift, ben bie ©leftrigität in ben ©täbten mad)t, ebenfo un= 
erfreulich ift es, baf* bie Vertretungen gerabe leiftuitgsfäljigfter 
©täbte fich burcf) bie böfen Erfahrungen, bie u. S. bie großen 



196 


195 


©ogiale $ra£is. Centralblatt für ©ogtalpoUttf. Br. s. 


englifdjen ©täbte mit ^tinahnonopolen für Bebürfniffe ber (Sin* 
rnoßner (BedehrSgelegenßeiten, ßicßt, Sßaffer k.) gemacht haben, 
fließt belehren taffen, fonbern gerabe gciüinnreicße Unternehmungen, 
beren fiel) bie BJehrgaßl ber Einroohner bebienen muffen, ’jßrioat* 
gefettfefjaffen jur AuSttußung iiberlaffen, beren felbftoerftänblicheS 
©efcßäft, ja Bflicßt ber Ertoerb ift. ©o ift benn in Berlin am 
17.Booember in britter Beratßung, alfo enbgültig, mit 66 gegen 
51 ©timtnen ber Vertrag mit ben Berliner EleftrigitätSwerfen 
(ogl. oorige Kummer) unoeränbert angenommen roorben. Es ift 
biefe Abftimmung um fo betrübenber, als mir leiber fcf>on red>t 
häufig bie gälte haben regiftriren muffen, roo bie Vertretung ber 
|>auptftabt bes S)eutfcßen Reiches einen bebauedichen Mangel an 
jogialem Empfittben bemiefen hat. — Ein ähnlicher stampf fteljt 
gegenroärtig in Nürnberg beoor. S)ort beabfidjtigt ber Bcagiftrat, 
ben Vau unb Betrieb breier neuer Straßenbahnlinien einer bortigen 
Bnoatgefeüfchaft gu übergeben, troßbem gerabe in Nürnberg mit 
bem ©traßenbetrieb ber prioaten ©efettfeßaften bie aHerfd)Icd^teften 
Erfahrungen gemacht finb. $)as Befanntroerben ber Abfid)t hat 
3 u ^roteftoerfammlungen geführt. — Aus einer Beiße ooti ©täbten 
werben eifrige begw. erfolgreiche Berßanblungen mit ^rioatgefell* 
fchaften, Banfen 2 c. über Errichtung oon EleftrigitätSwerfen, meift 
gurn ©traßenbabnbetrieb, gemelbet; fo aus 3 »cna unb ben um* 
liegenben Drtfdjaften 3 ro äßen, ßöbftabt, Söenigenjena, ßobeba, 
Burgau unb ©öfdjwiß, aus ©roßotterSleben (Verbinbung mit 
s Hiagbebura*©ubenburg), aus $irna unb ben beteiligten Drten 
Eoptß, ^ittniß, £>ofterwiß unb ßofeßwiß, aus £>alle, Reichenbach, 
©panbau, Xeucßern, unb aus .\Secflingen — Staßfurt — 
ßöberburg. 

©tftbtifdje BiiScellett. Ehenttttßer ©tabtoerorbnctc — bie ton* 
[eroatioe ^raftion - beantragten nach 3dtungSutelbungen ein SBahlrecßt 
jur ©emeinbeuertretung gu feßaffen, bas aud) eine Vertretung ber 31 r* 
beiter ermögliche. ES feßwebt eine BtablrechtSglieberuug nach Berufs* 
ftänben uor, rate fie auch gclegentltd) fiir bie padamentarifdjeu ftörper* 
fchaften oorgefdjlagcn ift. — Xic Charlottenburger ©tabtuerorbneteii 
genehmigten am 11. Booember bie Cinridjtung oott UnterfunftSräumen 
für obbacßlofc Familien. Xabei mürbe bie Erstellung eines Dbbad)lofen* 
Aftjls mie ber Vau oon Arbeitertoobnungen burdj bie ©tabt angeregt. 
— giir WaiferSlautcrn t. b. Bßeinpfalg ift eine außerorbcutlidjctton* 
trole fämmtlicher Neubauten oom Vegirfsamt angeregt, nachbcm inner* 
halb weniger Jage Xagc gwet Käufer ciugcftnrgt finb, ein fdiledjtcs 
•ßeugtttß für bie ftäbtifdje BSotjnuugSinfpeftiou. — 3it 3Ragbebitrg 
ift am 9. Booember bie ÜuftbarfeitSfteucr baßin ergänzt, baß auf Antrag 
beS Unternehmers an ©teile ber Öuftbarfeitsfteucr eine Veftenerung bei 
EintrittSfarten treten fann. 


Stadiale 3u(tönie. 

$ie ßkoaitgSOerfteigertnigest uttb ihre Opfer. 

£)ie 3toangSooüftrecfung foU fchtteü unb prompt im Sntereffe 
ber beitreibenben (Gläubiger ooHgogen roerben, fie foll bem Gläubiger 
aud) gleichseitig bie IRöglirfjFeit entziehen, burch mißbräuchliche, 
cßifanöfe, übertriebene Anwcnbung feines Becßts ben ©chulbner in 
unguläffiger Seife gu fcßäbigen. X)er ©taat muß jebergeit gur Er* 
haltung ber ©teuerfraft feiner Bürger bafiir forgen, baß ihre 
Erwerbsfäßigfeit nicht gehemmt, bie georbnete BMrthfcßaft beS 
5amilicnIebeitS beS ©djulbners nicht geftört werbe. 9iod) finb 
faunt brei Sahqehnte oerfloffen, baß in S)eutfchlanb bie ^ßerfonal* 
©chulbljaft aufgehoben worben ift, unb erft feit einigen Safjrni ift 
in Preußen ben .£>au*beftfcern als EHäubigern bie &öglid)feit be* 
nommen, baß ben ©chulbnern unb beren Santilienmitglicbern alles, 
felbft bas Äopffiffen unter bem Slopfe gepfänbet werben barf, baß 
ber ©erichtsoollsieher bie fämintlichc fahretibe .fiabc beS ©chulbnerS 
pfänben unb mit Seib unb Minberu einfach auf bie ©traße feßen 
fann. ßeiber ermangeln wir noch immer einer ©tatiftif über bie 
mirthfchaftlidjeu Effefte ber ^angSooUftrecfungen aus Eioil* 
forberungen. ^adjftehenbe 3 wei Veifpiele aus ber ^eugeit mögen 
aber ihre ocrhceretibe Sirfung oeranfcßaulichen. 

Ein Eigcuthünter im Sforben Berlins hatte eine breimonatlidjc 1 
3J?iethsforberung gegen einen ÜWiether in $i>hc oott 66 M. Äuf bie 
cingercichte Älage erftritt er bie Ermiffion unb 3mangSooüftrccfung. 
$ie ^e^tcre ergab nur Viobilien im Jarmerthe oon 40 JC.\ ber 3luftions* 
erlös betrug hierfür aber nur 2i *. Sie Soften für bie Vfänbung 
unb 3maugsocr[teigernng machten 21,«» M.,_ mithin blieb ein Vlus oon 
60 3f bas sunt ^heil nod) burch ^ortofoften abforbirt mürbe. Ser j 
©djulbncr blieb für ben oollen SRicthsrücfftaiib, für aufgclaufeue ^infen, | 
OlerichtSanmaltSfoften haftbar, oerlor Vtobilien, bic jmar nur einen j 
Sarmerth oott 40 M., jeboef) einen HnfdjaffungSroerth oott tninbeftens j 
80 M. hatten; ber ©laubiger mußte nodj aus feiner Safdje bie ©eridjts* | 
unb Hnmaltsfoften barauflegeu, unb Vortheil aus bem Vorgänge hatten i 


nur bte oereinxgten Sröbler Berlins, bie auf ©runb ihrer Verein* 
barungen alles jur 3toangsoerfteigerung fommenbe ju ©d)unbpreifeii 
ermerben. 

3nt jmeiten §alle mürben einem ©diulbner mehrere 3immcr V?öbcl 
im 3lnfchaffungSmerthe oon über 1000 gepfänbet, jum Saytoerthe 
oon 450 *//. ^reunbe beS ©chulbnerS hatten oorher oergeblich gefud)t 
mit bem ©laubiger ein Arrangement ju treffen. Um ben ©d/ulbner 
oor gänjlichem mirthfdjaftlidjcn 9luin ju fehüßen, beabfichtigte man, bie 
Bfanbfadten im Verfteigcrnngstermin ju ermerben. Sa febod) ttotorifdj 
1 bie oercinigten Berliner .{»änbler frembe Käufer nicht ^ulaffen, entfloß 
I man ftd), nach bem fämmtlidjc "^fanbfachen nur 250 M. erbracht hatten, 
fie oon ben Sröblern juriiefiuermerben unb mürbe ttad) langem Ber* 
hanbeln über ben Kaufpreis oon 500 „it einig. Ser ©chulbner hat alfo 
Vtobilien im Anfdjaffungsmerthe oon 1000 jl oerloren, ber Erlös oon 
250 Jt. mirb oon ben ©eridjts*, Anroalts* unb 3 l oangSoonftrecfungs* 
foften ocrfdjlungen; er bleibt baljer außerbem nod) haftbar für ben oollen 
| ©djulbbetrag beS beitreibenben ©läubigerS plus einer neu creirten ©djulb 
oon 5a> Jt. an feine greuitbe für ben Bücffauf ber Bfanbftütfe. 

S)a bei ^tt^nfi^oöf^erfungen aus bürgerlichen VecßtSftreitig* 
feiten feiten ©adjen gepfänbet merben, bie einen marftgängigen 
Breis haben unb beSßalb ohne größer« Veilnft oerfäuflich ßnb, 
fonbern iti ben meitauS meiften OfäHcn 9Wobilien unb haaren ber 
3mattgSDoIIftrecfung unterliegen, fo tritt hierburcf) nicht bie oom 
©efeße beabsichtigte VermögenSoerfchiebung, fonbern eine Ber* 
mögenSjerftörung ein. S)em ©chulbner mirb mehr endogen, 
als ber Gläubiger gu forbern hat, mtb bem (Gläubiger ermächft 
aus ber Verfteigerung roeniger, als ber ©chulbner einbüßt. S)er 
Effeft ber 3a)angSoerfteigerung ift mithin in ben meiften fällen 
ein oom ©efeßgeber nicht beabfid)tigter, er führt 311 einer nicht 
gered)tfcrtigten ©djäbigung beS momentan 30 h lungsunfähigen 

©chulbnerS, bie feine mirthfchaftliche Eriftetu gefährbet. S)ie 
©chäbiguitg ber ErroerbSfäßigfeit beS ©chulonerS läßmt feine 
ArbeitSfreubigfeit, untergräbt feinen ©parfinn unb raubt bem ©taat 
einen 3 ufrieberten Staatsbürger unb einen guten ©teueqaßler. vner 
in Berlin gehen jährlich §unberttaufenbe oon Vfarf baburch ocrs 
loren, baß bie ©pänen ber AuftiottSlofale, bie Bereinigung ber 
Sröbler, einen Bing gebilbet haben 3 ur billigen Erftehung aüer 
ur 3 ro aagSoerfteigermig gclangciibeit Bfaubftücfe! B3el)e bem 
remben, außerhalb beS Binaes ftehenben Befleftanteu, ber fich 
I unterfängt mit^ubictcu, er mirb bei ben merthlofeften ©acheit oon 
| beit Biitgliebern bes Bittges fo hod) getrieben, baß ihm ein für 
I alle iliale bie Suft oergeßt, fid) felbftftänbig am Bieten 31 t beteiligen 
| uttb er es uoqieht, einen ber 311 m Biuge gehörenbett Sröbler 311 
I beauftragen, iit feinem Aufträge bie ©aeße 311 ermerben, bic er 31 t 
! erfteheu miinfcht. hierfür hat ber Befleftant einen beftimmten Be* 
i trag an beit Erftefjer 31 t entrichten, ber feinen Verbietet mit feinen 
3 um Bittge gehörenben (vjettoffcit 311 theilen bat. 3n ben meiften 
hätten faufett jeboch bie 3 unt Bingc gehörenbett ©enoffen bic 
Bfatibfadjen gu einem ©pottpreifc, um fie nad) Beenbigung ber 
gerichtlichen Verweigerung an berfelben ©tätte in bie „Äippe" 311 
nehmen, b. h- fie an bie meiftbietenben Btitglieber beS Binges 
meiter gu oerfaufen. S)er hierbei er^idte Ueberfchuß über ben 
urfprüngliten ErftehuttgSpreiS gelaugt fofort unter bie Bütglieber 
3 itr Bertbeilung. 

B3ir befißen 3 mar ein ©efeß, bas biejenigen mit hoher ©träfe 
belegt, bie fich oereinigen 31 t bem 3 | oecfe, bei 3njangSoerfteigernngeit 
niebrige ©ebote abgugeben ober anbere, ihrer Bereinigung md)t 
Angehörige, oom Batbieten absuhalten; aber bie Attmenbung biefes 
©efeßeS ift eine fo feltene, baß häufig 3ahre oergehen, ehe man 
eine Bestrafung aus ihm erfährt. S^a jebod) ber ©taat bie Ber* 
pflicßtmig hat, bett ©chulbner oor einer Bennögensgerftöruug burd) 
eine gefeßlofe Bereinigung oon gemiffenlofen Mänblcnt gu fchüßeit, 
fo erfcheint es im Sntereffe ber allgemeinen Bechtsficherheit geboten, 
biefetn Xreiben ein Enbe gu machen. BMr mißen leiber aitS Er* 
fahruitg. baß bei bem bureaufratifchen ©attge berartige Öd’t* 
ftellungen, bie ben Borfd)lägett oorangehen utüffen, mie bem BHß* 
ftanbe im 3 l oangSoerfteigenntgSoerfahren abguhelfen fei, 3ahrc 
oergehett fönnen, ehe fie abgefd)loffen finb, unb um ben mirth* 
fdjaftlid) gerftörettben Einmiduitgen beS gegenroärtigen ©pftems 
einen .vSalt gu bieten, müßte matt ingtoifchen bebaeßt fein, für eine 
aitbermeitige uttb mettn auch nur prooiforifche Befeitiguitg ber 
Viißftäube 311 forgen. Es mürbe fieß empfehlen, baß f)i er ^ic 
öffentlichen B3ohltßätigfeitS * Vereine, ittSbefonbere ber 
Verein gegen Verarmung mtb Bettelei ßelfcnb ein trete, bem 
fid) eueittuell bic ©täbtifeße ©tiftungs*®eputation angu* 
fd)ließen haben mürbe. 

3 n erfter Virtie ßanbelt eS fitß boeß barum, möglicßft gu oer* 
ßinbent, baß iUobiliett ber deinen fieute megen gertnger ©cßulb* 
betrüge gericßtlid) gepfänbet, bebentenb unter ißrem AnfcßaffungS* 
wertße oerfteigert unb babureß alljährlich ber ©ntnb 3 um wirtß* 



197 


Soziale iptayts. Gentralbiatt für Sogialpolitif. $r. 8 


19 * 


fc^aftlicfjen SRuin einer großen AngapI Steuerzahler gelegt roirb, bie 
meift ohne birefteS Berfcpulbeit ihre Scpulbeit nidjt rechtzeitig zu 
tilgen oermochten. Der herein gegen Verarmung unb Bettelei foH 
nach feinen Sapungeu nach BtÖglicpfett oerpinbent, bah unncr« 
fchulbet peruntergefommene Bürger ber Armenpflege anheimfallen. 
Diefer herein ift gut organifirt unb fann leicht feftfteüen laffen, 
ob ©efuepe um Beiftanb gerechtfertigt finb. 3>n beitjenigen gäflen, 
too eine folche §ülfe angebracht erschiene, müßte Kantens beS 
Vereins oerfuept merben, mit bem Gläubiger ein Abfommeit bahin 
Zu treffen, bafc gegen 3 a Plung beS DajroertpeS gemäß § 726 
b. G.’ißJD. bes ber fßfänbung unterliegenben Gigentpmns bes 
ScpulbnerS, biefeS in ben Befip bes BereinS übergeht, ber aisbann 
bie ermorbenen Dbjefte leihmeife in bem Bcfiß beS ScpulbnerS 
läfct. ^ierburch mürbe ein für allemal oerhinbert merben, bah 
Stacppfänbungen ftattfinben unb eine roieberholte Snteroention zu 
©unften beS ScpulbnerS Sßlafc greift. Die auf biefe Bkife 
fontrahirte gorberuna mühte unoerginslich unb bent Scpulbiter 
geftattet fein, fie in Seinen, nach feinem Vermögen feftzufefeenben 
Saaten zu tilgen. 

3>n ben JäHen, mo ein berartiges Abfomnten mit ben 
©laubigem nicht zu Stanbe fommt, müßten in allen BerftetgerungS« 
terminen Beüottmäcpttgte beS BereinS als Btitbieter auftreten unb 
unter allen Umftänbeit bie zur Auftion fommenben ©egen« 
ftänbe erftehen. Senn auch in ber erften 3 e it vielleicht bie Sachen 
Derpältnißmäßig theuer ermorben merben müßten, fo mürbe hoch 
unzmeifclhaft pierburep ber auf ungefeßlieper BafiS begrünbete 
Stting ber Dröblcr aefprengt unb bie meitere unheiloolle Ber« 
fcpleuberung ber Bfanoobjefte enbgültig befeitigt merben. Sollten 
bie Btittel beS BereinS gegen Verarmung unb Bettelei nicht aus« 
reichen, bann ^ätie bie Stäbtifcpe Stiftung^ * Deputation ^elfenb 
einzutreten. 

Die unter ber Auffnht ber beibeit ©emeinbebepörben ftehenben 
SopltpätigfeitSanftalten unb Stiftungen oerfügten Gnbc Btärg 1898 
über ein zinsbar angelegtes Kapitalüermögeu oon 15 569 930 Ji. 
hierzu fomrnen bie unter alleiniger Aufficht bezm. Berroaltung bes 
BtagiftratS ober einzelner Deputationen ftehenben Stiftungen mit 
einem Kapitaloermögen oon 7 374 482 M unb bie unter Ber« 
roaltung felbftftänbiger Kuratorien ftehenben Stiftungen mit einem 
Kapitaloermögen oon 5 954 510 Außer btefen iuSgefauunt 
28 898 922 jf( befafeen oerfchiebene Stiftungen noch ©rünbftücte 
im Dagiuertpe oon 7 558 823 Jf , auf benen Gnbe Btärg 1898 
£>ppotpcfen im Betrage oon 250 259 */# hafteten, ©egen baS 
Vorjahr ift bas StiftungSoermögen um 3 504 765 r 4{, geftiegen. 
Da biefe ©elber lebiglicp z u bem 3u>ecfe gefpenbet morben fmb, 
»oth unb Glenb ber unbemittelten Kreife nach Kräften zu linbern 
unb aber auch namentlich ftürforge zu treffen, bah unoerfchulbet 
ins Unglücf gerathene Bürger oor roirtpfcpaftlicpem SRuin 
bemahrt merben, fo bürfte eS ein fieicpteS fein, biefen Borfdjlag 
praftifcp ins Sehen zu rufen unb einem Unmefen zu fteuem, baS 
einen ferneren fozialen fDtihftanb beroirft. 

Berlin N. C. Weigert. 


SUrbetterbetaeguttg. 

Die Koalitionsfreiheit unb baS Gentrnm. Auf einer Berfantm« 
lung beS Bieberpeinifcpen BerbanbeS djrifilicper Dejtilarbeiter zu Krefelb 
am 12. Booember ermahnte Bifar Brauns—Borbecf zu energischem 
Ginfprucp, menn man an ber Koalitionsfreiheit ber Arbeiter rütteln 
motte; man mitffe bahin roirfen, bah bie Arbeitgeber mit ben or« 
ganifirten Arbeitern oerhanbeln auf ber ©runblage gütlichen lieber« 
einfommenS. StteicpstagSabgeorbneter Brofeffor Dr. S>ifee—fünfter 
betonte bie Botproenbigfeit einer Drganifation ber Xeftilarbeiter. 
GS beftehe fepon ein £>eer oon 100 OÖO organifirten cpriftlidjen Ar« 
beitem. Die 3 u fammenfebung bes SHeicpstageS laffe eine Be« 
fepränfung bes Koalitionsrechts nicht befürchten. Die Arbeiter 
müßten gielberouht mitarbeiten bei ber Berroaltung ber für bie 
Arbeiter gefchaffenen ftaatlicpen Ginrichtungen, mie bei ben Krauten« 
taffen unb ©erorrbegeriebteu. s Dian müffc energifd)e, tüchtige fieute 
bazu mahlen. — Die ^crfammlung fa^te eine ^Kefolution gegen 
jebe SSertiirzung ber Koalitionsfreiheit. 

Streif in 9fcmfd)eib; OrtSfranfenfaffe unb $3rtric6sfranfenfiiffem 

Aus eigenartigen Urfachen ift ein Streif in 9temfd)cib auSgebrod}en. 
Seine llrfache geht auf einen Streit zurücf, ber oor einigen 2öod)en 
bort zuüfchen bem SSorftanb ber SDrtsfrantcnfaffc unb ben Kaffen« 
ärzten entftanben mar. Der SSorftanb hatte zroei Aerzte geftridjen, 
ihre Kollegen erflärten fich mit ihnen folibarifd) unb ftreiften als 
Kaffenärzte. Da es ber DrtSfaffe aber gelang, fehr halb oon aus« 


märts Aerzte zu befommen, fo unterlagen bie Stemfcheiber Aerzte. 
9tun hüben etma 30 ^abrifanten befchloffen, 'öetriebSfranfentaffeu 
Zn begrünben, roeil es laut einer Grflärung beS 93ergifd)en <Xabri« 
fantenoereins ihnen „in ben lebten fuhren unmöglich gemacht 
morben ift, ihre Anfichten im SSorftanbe ber DrtSfranfentaffe zur 
©eltung gu bringen" unb roeil es ftch für fie barutn fmnble, „ob 
fie sperren im eigenen §aufe bleiben". Die Arbeiter motten jebod) 
in ber CrtSfranfenfaffe oerbleiben; in einzelnen Betrieben h^u 
fie bereits bie Arbeit niebcrgelegt, in anberen hu^cn fie orbnungS« 
mäfeig gefünbigt, ber AuSftanb broht recht umfangreich gu merben. 
Ungmeifelhaft hüben bie gabrifanten nach § 60 bes Kranfeuoer« 
ficherungsgcfepes ben Bucpftabcu beS ©efepeS für fiep: Gin Unter« 
nehmer, ber 50 ober mehr Arbeiter beschäftigt, put baS Stecht, eine 
BetriebSfranfenfaffe gu begrünben .unb bie in feinem Betriebe be« 
fchäftigten Arbeiter m Affen bann aus ber 0rtS trauten taffe aus« 
unb in bie Betriebsfranfenfaffe eintreten; fie merben oorper nicht 

S 'lört unb müffen fiep fügen. Aber bem ©eift ber Sogialoer« 
eruitg miberfpricht eS entfepieben, menn man bie Betriebskonten« 
taffe als HJtacptmittel oermenbet, um eine leiftungSfäpige DrtS« 
franfenfaffe gu ftpöbigen, unb roeitn man bie Arbeiter groingt, Bät« 
lieber einer Kaffe gu fein, oon ber fie nichts miffen motten. Gs 
anbelt fiep um etma 6000 Arbeiter, bie DrtSfranfeitfaffe gäplt 
etma 9200 Btitglieber; eS ift baper entfcpulbbar, menn auep feines« 
megS mit ihren Befugniffen oereinbar, bap fte fiep in ben Streit 
niifcpt, eine agitatorifepe Kunbgebung erläpt, Sammellijten für bie 
Streifenben auslegt unb materielle Üutcrfiiipungen oerfpriept. .f)ier 
pat bie Auffid)tsb'epörbe prompt eingegriffen. GS märe aber auep 
git münfepen, ba& bie Unternehmer fid) flar machen, mie eS bie erhabene 
Aufgabe ber Arbeiteroerficperung oerfenneit peiftt, baft man fie gur 
s Baffe gegen bie Arbeiter macht. Dap bie Sogialbemofratie pier 
oielfacp mit fcplecptcm Beifpiel oorauSgegangen ift, inbem fie bie 
Berroaltung ber DrtSfrantenfaffen gu politifcpen 3n)etfen mipbrauept, 
äubert baran niept baS Btinbefte. 

Streifftatifti! für ikpertt in 1897. Bapern ift bisher ba^ 
eingige beutfepe ßanb, baS oon AmtSmegen eine bis 1889 g» s 
rücfreid)cnbe Statiftif ber AuSfiättbe oeröffentlicpt. Das foeben 
erfepienene „Statiftifcpe Sahrbucp für baS Königreich Bapern"*) 
gäplt für 1897 25 Streifs auf, an benen 1804 Arbeiter betpeiligt 
roaren. Bon ben Ginftettungen maren 16 fogenannte Angriffs« 
ftreifs, bie ber Berbefferung ber ArbeitSbebingungen galten, 9 Ab« 
roepritreifs gur |>intanbaltung uon Berfcplecpterungen. 3 Streifs 
mit 555 Arbeitern enbeten mit oottem, 10 mit 647 Arbeitern mit 
tpeilmeifem Grfolg ber Arbeiter, 12 mit 602 Arbeitern blieben opne 
Grfolg. Sntereffant ift folgenbe flehte Dabette über bie Arbeits« 
einftellungen ber lepten neun 3apre in Bapern: 


3al)r. 

3ahl ber 

Sn- 

ja^l 

1 Bet l)ei« 
ligte 
i Ar« 
i beiter 

«n« 

ja()I 

Betpei« 

ligte 

Ar¬ 

beiter 

»n- 

jal)I 

Betpei« 

ligte 

Ar« 

beiter 

Ar« 

beitS« 

ein* 

Tei¬ 

lungen 

aus« 

ftän« 

bigen 

Ar« 

beiter 


ber Arbeitseinteilungen mit 


oottem 

Grfolg 

tpeilmeifem 

Grfolg 

feinem 

Grfolg 

1897 . . . 

25 

1 804 

8 

I 

! 555 

10 

647 

12 

602 

1896 . . . 

85 

4 256 

4 

103 

21 

3 671 

10 

4*2 

1895 . . . 

87 

3 580 

3 

i 284 

14 

1 305 

20 

2 041 

1894 . . . 

16 

625 

— 

— 

9 

436 

7 

IS9 

1898 . . . 

5 

180 

2 

1 26 

2 

43 

1 

61 

1892 . . . 

9 

819 

8 

121 

2 

430 

4 

26* 

1891 . . . 

14 

995 

1 

85 

8 

759 

5 

201 

1890 . . . 

84 

2 498 

5 

275 

13 

700 

16 

l 528 

18*9 . . . 

48 

| 5 275 

15 

| 785 

22 

4 000 

11 

540 

1 sH!>/y7 . 

228 

19 982 

86 

! 2 084 

101 

11 991 

86 

5 9< »7 

°/o 

lOO.o i 

100,o 

16,, 

! 10,4 

45,3 

60, n 

3*6 

29,,; 


GS ift in popem Btape bemerfenSroerth, mie fiep in biefen 
3aplen bie mirthfcpaftlicpe Bemegung miberfpiegelt. Auf ben 
: ftarfen, aber furg bauernben Auffcpmung 1889 unb 1890 folgte 
( bie tiefe Depreffiou 1891—1894, bis bann abermals giiuftige 
I 3 e iteit eintraten, an beren Grträgniffen bie Arbeiter ihren Autpeil 
! oerlangen. Aber felbft in bem ftreifreiepften 3^pr 1889 ift ber 
1 B ro ö en h" a fe ^ cr Streifenben gegenüber ber ©efammt^ahl ber ge« 

i " 

i ■') i*>craiiögcgcbfn oom Köuigl. riatiitiiduMi Bureau, 4. ^nlirgang, 
illcündjcn lsns. 









190 


Sojtalr $rajrts. ©entralblatt für ©ojialpolütf. 9lr. 8. 


2»H> 


toerblicben Arbeiter nod) nietet ein ooßeS Prozent, 1897, bas eben* 
faUS 311 ben roirtbfcbaftlicb günftigen Sauren gehörte, ^attc gar 
!J ur JA—Vs 0 / 0 AuSftänbiger unter ber ©efammtzabl unb bieroon 
ftanb noch ein drittel in ber Abroebr gegen 9Serfcf)lecf)tcrungen 
i^rer Arbeitsbedingungen. Von ernftbafien Störungen beS ge* 
faimnten VHrtbfcbaftSlebenS bureb Streifs fann mithin in Vanern 
md)t bie Debe fein. 

DrgatttfationSbejfrcfmitgcn ber Former. Die Former erftreben 
eine belfere Drgatti)ation, be 3 ro. ein 3 u fanimengeben mit bem 
Dletaßarbeiter*Verbanb, um angefidjts ber fortgefegten Verfdjlecb 5 
terungen ber Arbeitsbedingungen ben Unternehmern, bie über eine 
fefte Drganifation oerfügen,_ gefd^Ioffen entgegentreten 311 fönnen. 
San ben runb 71 000 beutfeben Formern finb faum 7 % (nabe 3 u 
5000) in bem gormeroerbanb organifirt, roäbrenb einige Daufenb 
uotb bem Dletaßarbeiteroerbanb angeboren, Öegterer zählte ©nbe 
o. 3. runb 60 000 Dlitglieber, alfo runb 9 % ber etma 646 000 
VerufSangebÖrigen. Sn einer jüngft in Verliit abgebattenen 
Sormeroerfammlung mürbe bie ©eneralfommiffion ber ©eroerf* 
fd)aften Deutfdjlanbs in Hamburg erfud)t, an bie Vorftänbe beS 
Sormer* unb DletallarbeiteroerbanbeS bie Aufforberung 3 U richten, 
in für^eftcr Srift zu einer Monferett 3 xufammen^utreten, um über 
bie ©runblageit für ein roirffameS 3 u [ a nintenarbeiten aller Former 
311 beratben. ©rft nach ©etoinnung einer fold)er ©runblage tönne 
eine 3 roecfntägige Veratmung auf bem geplanten beutfd)en Jyorntertag, 
ben man bis Deujabr binauSfd)ieben möge, oorgenomtnen merben. 

Streifs unb AuSfperrmigeit in ©ngfanb 1897. Das Arbeits* 
amt oeröffentlidjt foeben eine Ueberfidjt über bie ArbcitSfämpfe 
mäbrenb beS 3al;reS 1897. Die 3al)l ber Arbeiter, bie in fie 
uerroicfelt maren, betrug 230 267 (2 % ber ©efammtarbeiterfebaft), 
baoon maren 10 * o / 0 grauen, bie 3abl ber Streifs 864, bie Dauer 
m Arbeitstagen über 10 Dlißionen. Daoon fommen aber allein 
auf ben geroaltigen Mampf im Dlafcbinenbaugeroerbe 6 Dlißionen 
Arbeitstage. Das 3al)r 1897 mar fehlest im SSergleid) mit ben Vor* 
jabren in Vezug auf ben Verluft an Arbeitstagen, aber es mar trofebem 
eines ber günftigften, fofern man bie 3al)l ber beteiligten Arbeiter in 
Vetracbt 3 iebt. golgeube Keine Tabelle giebt bariiber AuSfunft: 
^ a f, r 3 a bl ber Verfu|t oon 

betroffenen Arbeiter Arbeitstagen 
1 W3 686 386 31205 062 

1*94 824 245 9 322 096 

\m 263 758 |.B42 65*> 

1896 198 687 3 748 525 

1*97 230 267 10 345 523 

3)ie hoben 3iffern im Sabre 1893 finben ibre ©rflärung in 
bem SRiefenftreif ber foblenarbeiter; auch für 1898 mirb ber Aus* 
ftanb im Bergbau oon SübroaleS entfdjeibenb fein. föaS bie Ur* 
fadjen ber ArbeitSfämpfe in 1897 betrifft, fo finb “obnforberungen 
memger m Betracht gefommen als in ben früheren Sabren, ba bei 
ber günftigen Monjunftur eine ©rböbung ber ßöbne oielfad) auf 
gütlichem Vkge erreicht morben finb. Vefanntlid} bat es fid) auch 
im Dia fd; inen bauerftreif uic^t um bie Öobnfrage gebanbelt. Sou 
ben Ausftanben gingen 44 , 5 % }u ©unften ber Unternehmer aus, 
nur 21,6 % oerliefen für bie Arbeiter uößig erfolgreich. 40 Streifs 
mürben bureb amtliches ober prioateS ©ingreifen in ©inigung ober 
ScbiebSgericht gefdjlidjtct, tiid)t roeniger als 624 oon ben 864 AuS* 
ftänben mürben bureb birefte Vereinbarung ober Verbanblung 
jroifdjen ben beiben Parteien beigelegt. 

$luS ber enaltfdjen ©eroerfoeretnSberoegttng. Der National* 
oereiu ber ^anblungsgebülfen unb bie Nationale §anblungS* 
gebü!fen*Vereinigung haben fid) 3 U einer einzigen Drabe Union 
uerfd)mol 3 en. Die Veftrebungen finb folgenbe: Veffere Söhne unb 
DÜnunallöbne für bie uerfhiebenen Arbeiten: Abfüllung ber Ar* 
beitS 3 eit für aße_©ebülfeu, bie länger als 45 Stunben roöcbentlid) 
arbeiten; Abfcbaffung ber regelinäfjigen Ueberftunben; Verbefferung 
ber bijgtenifd^en Verbältniffe in ben Ärbeitsftätteu; gefe(jlid)er Sdjub 
für meiblidje unb minberjäl)rtge Angefteßtc; angetneffetie Feiertage. 

„So fd^micrig bie Drganifation oon ^anbeisaugeftellten ift, fo 
ttotbmenbig ift fie bei ber meift erbärmlichen ^age'ber ©ebülfen, 1 ' 
fchreibt man uns ba 3 u; „auf 3 al)rc hinaus merben fie aber ber i 
Unterftiihung bureb bas $ublifum unb bie (^efetigebuttg nicht ent* 
bebrnt fönneu, unb es ift baber erfreulief», bah ber ^onboner 03raf* 1 
Hhaftsrath fiiqlid) eine fleitte Vermehrung ber Auffiditsbeamten I 
uni 9 männliche unb meiblicfie Snfpeftoveu angeorbnet hat, um bie , 
^urchfnbrung bes ^abenftnnbeugefetjcS 31 t förbern." - V?cld)en 
Umfang bas ©etoerfucreinsmefcu itt ©nglanb ausuuehmen berufen 1 
idjeint, bas gebt u. A. aus ber Xhatfadje Ijeroor, baß aud) anbere i 
Greife beginnen, fid) in berfelben Vkife 31 t orgaitifiren, mie fie eS ' 
oon ben ©emerfen gefeben haben. ®o mirb es uid)t lange bauern, i 


bis eine Vereinigung ber ©lententarlebrer auf trabe*unioniftifd)er 
VafiS alle ßebrer ©nglanbs in ficb oereinigt, ferner mürbe oor 
einer Socbe ein nationaler Verbanb ber geiftlicben Wiener gebübet. 
©S finb baS biejenigen Seute, melcbe in ber englifcben $tird)e bie 
Vefponforien bei bem ©otteSbienfte 3 U lefen hotten- Auch ftel)t 
eine ^rabe Union ber Vifare beoor, b. b- ber £ülfsgeiftlicben. ©s 
ift (fo mirb bem „©eroerfoerein" getrieben) nal)C 3 u eine SRotbroenbig* 
feit, menn fid) biefe Unglücflicben gegen bie ffanbalöfe Ausbeutung 
bureb ihre Arbeitgeber, bie feft angefteßten ©eiftlicbeit, fcbii|jen tooßen. 

Sungreh ber frnn3öftf(hen ^abafarbeiter nnb -Arbeiterinnen. 
$)ie in ben fransöftfd^cn @taats*5:abafmanufafturen befdjäftigte 
Arbeitcrfcbaft bi e tt 00 m 4. bis 7. 9?ooember in ^ßaris ihren 
7. SahreSfongrefc ab. 3 ur Vkbrung ihrer 3ntereffen beftebt fdhoit 
feit 1891 ein nationaler ©eroerffcbaftSoerbatib, bie Federation des 
ouvriers et ouvrieres des manufactures des tabacs de France, 
bem 25 lofale ©eroerffd)aften mit 3 ufammen 11 127 Dlitgliebem 
angeboren. $>a bie gan 3 e £abafinbuftrie nur etma 14 000 Arbeiter 
(mooon %o meiblid)) umfaßt, fo repräfeutirt ber ©cmerffchafts* 
oerbanb, in bem übrigens fo^iaIiftifd>c Xenben 3 eu bominireu, mit 
gutem Rechte bie Olefammtbeit. Von il;m gebt felbftoerftänblid) 
auch bie 3nitiatioe 311 ben ^ongreffen aus, auf benen bie Arbeiter* 
forberungen formulirt merben. 5)er biesjäbrige, in ber ArbeitS* 
börfe oon V ar i$ abgcbaltene 3abreStag mar oon 20 ®eftionen 
mit 60 SMegirten befcfjicft uub ocrbanbelte b au PtfäcbIid) über 
fragen aßgemeinen ^ntereffeS. Dian befd)loh, eine ©ingabe an 
baS Parlament 3 U machen, um eine ©rböbung ber ^3öbne in aßen 
Dlanufafturen — 23 in 00113 Sranfreicb — 3 U erlangen. Ve 3 Üg* 
lief) ber £>t)giene in ben Arbeitsräumen fteßte man bie gorberung 
befferer Ventilationen unb ber Reinigung ber ®äle roäbrenb ber 
Abroefenbeit bes ^erfonalS, häufigerer Vefucbe ber fyabrifiitfpeftoren 
unb im ©au 3 en genauerer Anmenbung ber ©efunbljeitsfcbub ber 
Arbeiter betreffenben ©efefee. ^ie Srage ber Äranfenunterftübung 
mürbe febr lange bisfutirt unb man fam überein, ben unentgelt¬ 
lichen ältlichen Veiftanb, ber jefct fd^on in einigen Dtanufafturen 
gemährt mirb, überaß 3 U oerlangen, ferner bie ©rböbung ber 
iäranfettgelber auf bie £>älfte beS &bneS unb Verabreichung ber* 
fclben ooni erfteu ^ranfbeitstage, anftatt mie bisher 00 m britten 
an, ju beantragen. Auch in ber Vefrutirung bcS Arbciterperfonals 
münfeht man einige Reformen. 3ur 3 e il engagirt bie Vermaltunq 
nur Arbeiter unb Arbeiterinnen über 16 Qabre. 3>er Mongrefe 
möchte bie ftaatliche STabafinbuftrie hierin ben freien Önbuftrieu 
gleichgefteflt roiffen, in benen bie Aufnahme als Arbeiter fd)on mit 
13 fahren erfolgt unb 100 bie Lehrlinge in ber Siegel aus ben 
Arbeiterfamilien felbft, unb befonberS ben finberreicben, genommen 
merben. Leiter mürbe befcbloffen, auf bie Abfcbaffung ber Straf¬ 
gelber, namentlich für Dlalfa^onS, mit beiten grofte Dtihbräucbe 
getrieben merben, bingumirfen. — ©ine Delegation bes Kongreßes 
erhielt Aubien 3 beim ^iitan 3 minifter, bem bie Dabafmanufafturen 
unterftellt finb; er oerfprad), ben ihm oorgetragenett Vepmerbett 
unb Anträgen feine Anfmerffamfeit 3 U fchenfen. 

^rfaeiterfd)u^. 

Die 9tei4sfommiffion für Arbeiterftatiftif 

ift, nachbem fie in ihrer 3 ani=®ipung bie ©rhebungen über bie 
Arbeitzeit in ben ©etreibentüblen bis auf bie 0eft|tcßung beS 
8 d)lupcricbtS abgefd)Ioffen §at f am 17. b. Dl. im DcidjSamt beS 
3 nnern roieber 3 ufammengetreten, um bie fefjon im ®otnmer 1893 
begonnenen ©rhebuttgen über bie Verbältniffe ber in ©oft* unb 
8 d)anfroirthfd)aften befd)äftigten ^erfonen 3 U ©nbe 311 führen, 
©s banbeltc fid) bieSmal um bie ©rgäii 3 intg ber bisherigen fdjrift* 
liehen ©rhebungen burd) bie müttblid)e Vernehmung oon ©efcbäftS* 
inbabern unb Angeftcßten, 3 ufammen einige fech 3 ig s ßerfonen, oon 
benen itabe 3 U 3 toei Drittel bem Verfonäl angei)örten. Vei ber 
AuSroal)l ber AnsfunftSperfonen, bie fämnttlicb nod) im ©emerbe 
tl)ätig fein mußten, toareit bie oerfdjiebenen Arten oon Vetrieben, 
bie oerfchiebenen ©egenbett DeutfchlanbS unb Drte oon ocrfchiebener 
©röfee berücffichtigt roorben. ©S mürben ^rinsipale, Meßner, 
Möd)e unb Möd)inttcn aus ber S)otelbraitd)c, Unternehmer unb 
Meßner unb Mcllnerinnen oon Deftauratioucu, foioie Maffeehaus* 
befiger unb MaffeehauSbebienftete oernommen. 

Dach ben oorliegeuben, Ieiber etroas fpärlidjeit prioaten Veridjten, 
mürben in Ve 3 iig auf bie übermäßige Arbeitszeit, ben Diangel ge* 
nügenber Duhetage, ben Stellenroucher unb baS DTrinfgelber* 
unroefen bie ©rgebniffe ber fchriftlidjeit ©rhebungen bureb bk 
müllblichen Verhanblungen in ber £>auptfad)e beftätigt. 3n 
.J)otelbraud)e flagteti bie Mödje befonberS über lauge Arbeitszeit, 



201 Sogiale Braji*. ©entralblatt für Sogialpolthf. SRr. R. 202 


ungefunbe Arbeitsräume unb ßebrlingSgüdjterei. das Bebürfniß 
eines SRußetageS ift bei ben Arbeitern aller Branchen oorßanben, 
unb in ber Berurtbeilung beS StedenraiderS roaren Söirtb>e unb 
Kedner einig. Sn Begug auf baS drinfgelberunroefen fpraeßen fid) 
bie Kellner gumeift für feften 3 e it*ß°bn aus, roeil bie drinfgelber 
unfießer unb nieberbrücfenb feien, die iBirtbe roieber meinten, fo 
boße ßößne, bie baS drinfgelb erfeßen fönnten, oermöcßten fie 
meßt gu geben. Sie roiefen auch auf bie ©efädigfeiten bin (Hanb* 
reießungen), bie ber ©aft 00 m Redner oerlange unb für bie baS 
drinfgelb ein Aequioalent fei. Obgleich inbeffen einige SReftaurateure 
riefige Summen als drinfgelbereinnabmen nannten, roodten boeb 
faft fämmtlid)c Redner lieber fefte ©innaßmen fyahtn, ftatt auf ben 
©nabenloßn beS ©afteS angeroiefen gu fein. Auch bie Eifere in ben fo« 
genannten Animirfncipen mit Kednerirmen*Bebienung mürbe erörtert. 

die ©rgebttiffe ber Berneßmungen laffen erfennen, baß bei 
einigem guten BHden SRancßeS gebeffert unb mit manchem 
Schienbrian gebrodhen merben fann.' geigten fi<h nicht nur 

in ben eingelnen ÖanbcStbeilen, fonbertt auch in ben ©eroerben 
gleicher ©attung fo große Berfcßiebenbeiten begüglicß ber ArbeitS* 
oerbältniffe, baß eS nicht leidet fein roirb, generelle Borfthriften 
gu machen. das SReicßSgefunbbejtSamt bat in feinem ©ut* 
achten im Sntereffe ber ^©efunbbeit beS ©aftroirtßSperfonalS eine 
tägliche SRinbeftrubegeit non acht Stunben für bie ©rroaeßfenen 
unb oon gehn Stunben für bie 3ugenblid)en fomie beftimmte 
Stubetage empfohlen. die unter fogialbemofratifcßem ©influß 
fteßenDen Angeftedten haben folgenbe gorberungen erhoben: ©efefe* 
ließe ©infüßrung einer roöcßentlicben fecßSunbbreißigftünbigen Stube* 
geit, eines groölfftünbigen Arbeitstages für bie männlichen ©r* 
roachfenen, eines elfftünbigen für bie meiblichen unb eines gehn* 
ftünbigen für bie jugenblüßen Angeftedten, bie Stegelung ber §auS* 
orbnungen, bie Unterredung unter bie ©eroerbeauffießt, bie ©in* 
fübrung eines feften StunbcnlobneS, bie Abfcßaffung beS drinf* 
gelberfpftetnS unb ber freien Station, baS Verbot ber Steden* 
oermittelung in SBirtbfcßaften unb bie eoentuede Beftrafung ber 
Stedenagenten nach bem SSucßergefeße :c. diefe gorberungen mürben 
in ber Kommiffioti oon bem Abgeordneten SRolfenbußr oertreten. 

Begüglicß ber Bimtenfcßiffabrt roirb oon ©rbebungen über 
Sonntagsruhe bei Flößerei unb ©iitertranSport abgefeben, bagegen 
eine ©nquete über Sonntagsruhe bei ^SerfonentranSport empfohlen. 

fiottftreit^ett ber ©etoerbcanffdtsbeamten mit Beauftragten ber 
ttittenteßnter unb ber Arbeiter, die „Bol. SRacßr.", in benen fo* 
roobl amtliche Andauungen roie Unternebmerintereffen gum Ausbrncf 
fornmen, treten für Abhaltung oon Konferengen ber ©eroerbe* 
infpeftoren in Berbinbung mit ben Beauftragten ber Berufs* 
genotfenfebaften ein: 

Sn 3olge ber ©imoirfung oerfchiebener „höherer" Snftangen habe 
fich ja bas Berfjältntß biefer beiben Beamtenfategorien gu einanber ge* 
beffert unb bantit au* bie üble golge ber früheren, ohne jebe Aücffidjt 
auf einanber ausgeübte Xbätigfeit für bie gewerblichen Betriebe ge* 
milbert. 3ebocß mürbe b^rtn nod) recht oiel mehr erreicht merben 
fönnen. Unb bagu mürbe eine gegenseitige AuSfpradje auf folßen Äon* 
ferengen am Beften geeignet fein. Bielleicßt liefen biefe fid) auch für 
eingelne ^rooingen ober größere diftrifte oeranftalten. 

2Benn fteß bie Ausführung biefeS ©ebanfenS empfiehlt — unb 
es laffen fich in ber &hat ©rünbe bafür anführen —, fo muß 
betont merben, baß bann erft recht Konferengen ber ©eroerbe* 
aufficßtSbeamten, bie hoch gum Schuß ber gefeßlicßen SRecßte ber 
Arbeiter ba finb, mit ben beauftragten Bertretern ber 
Arbeiter, ®elegirten ber ArbeiterberufSoereinc, BertrauenSmännern 
u. f. m., nöthig finb. 3n Württemberg finben folche Befprechungen 
bereits ftatt (oergl. „Sogiale $rafiS ,r VII Sp. 520). Aber gerabe 
bie Greife, benen bie „Bol. iRacßr." als Sprachrohr bienen, mehren 
fuß aufs ^eftigfte fogar gegen bie Anhörung oon Arbeiterbeauf* 
tragten burch bie QnfpeftionSbeamten, roährenb fie für bie Unter* 
nehmerintereffen eine Berftärfung beS ©influffeS befürroorten! 

^tbcitnuetßdjeumg. Spathafltn. 

die Btarfungeu beS ueueu Uufad*©ntf*häbigungSgefeheS in ©nglattb. 

Wäßrenb ber Berathungen über baS Unfaü*©ntf<ßäbigungS* 
aefeß*) im Unterhaufe 1897 mürbe manch büftere Weisfagung 
laut über fchlimme ©rgebniffe, bie oon einer fo reoolutionären 
Btaferegel gu ermarten feien. SUd)t baS geringfte ber fo prophegeiten 
Uebel fodte eine enorme 3 a h)I foftfpieliger Älagen fein, bie bie 
Arbeiter arm machen unb bie Begehungen gu ben Unternehmern 

*) Bgl. „Sog. ^rarts" 3nh l '9- VII Sp. W» ben Auiian oon (>ich. 
Aeg.=Aatl) Dr. jacher über bteS (^efeg. 1 


oerbittem müßten. 2)ie Kenner ber BÖirfungen beS ^aftpflichtgefeheS 
theilten aderbingS biefe peffimiftifche Anficht feineSmegS. Sie mußten, 
bafe bereits bie Biehrgahl ber grofeen Unternehmer entmeber fich felbft 
egen Unfäde, bie ihren Arbeitern guftiefjen, oerficherten ober für 
iefe burch Bernüttelung oon ©efedfehaften forgten, benen bie 
Arbeiter Beiträge galten unb oon benen bei geroerblichen Unfäden 
©ntfehäbigungen geleiftet mürben. $)aS §auptergebniß beS neuen 
©efefceS mürbe oon Sacboerftänbigen barin oermuthet, bafe es 
biefen beiben formen ber Borforge gegen bk möglichen Ausgaben, 
bie bie ©inmirfung beS neuen ©efefceS ben Unternehmern gumeifen 
fönnte, einen beträchtlichen Anftofj geben fönnte. 

Btan roirb fich erinnern, baß baS neue, am 1. Suli bs. 3s. 
in Äraft getretene ©efefe eine oodftänbige Ummälgung beS enalifchen 
Rechtes in biefer Srage bebeutet. Bisher mar bie ©ntfchäoigung 
für gemerbliche Unfäde auf bie J$äde befchränft geroefen,* mo 
bireftes Berfchulben auf Seiten beS Unternehmers ober feiner Ber* 
treter bünbig gu ermeifen mar. 3)aS neue ©efefe fieht bagegen eine 
Stufenfolge oon ©ntfehäbigungen oor für Unfäde oon Arbeitern in 
aden großen ©eroerben, aufcer Sanbroirthdaft unb Schifffahrt, 
unb gmar für jeben Unfad roährenb ber Befchäftigung ohne Stücf* 
ficht auf bie Urfadje, fo meit biefe nicht in bem alleinigen Ber* 
dulben beS Arbeiters liegt. Btehr als oier Btonate fleht baS 
©efefc nun in Äraft, unb ein Blicf auf feine SBirfungen roährenb 
biefer 3eit mag baher oon adgemeinem Sntereffe fein.' 

3uerft — unb bieS ift fehr bebeutfant — ift gu betonen, baß 
man nur oon einer fehr geringen Angahl gerichtlicher Klagen in 
Begug auf baS ©efefe hört. Sorgfältige yladfforfchungen tpun 
bar, bah nur etlü a ein 3)uhenb folcher^äde berichtet roorben finb, 
unb in feinem eingigen f)at eine ber Parteien oon bem ©rafd a ff^ s 
richter an bie höhere Snftang gegen bie ©ntfdjeibung appedirt. 
3meifeISohne ift bie Angahl ber roirflich oorgefommenen ^rogeffe 
gröber, roobei bie meiften roohl gu unbebeutenb roaren, um Be* 
achtung gu finben. Aber man barf hoch aus ber geringen 3dl 
ber berichteten 5äde unb aus bem Unterbleiben ber Befchroerbe 
ben Schluß gießen, baß bei ben meiften Klagen eine freunbltdje 
unb oernünftiae Beieinbarung ergielt roorben i)t. SebenfadS fteßt 
feft, baß fein folcßer Anfturm auf bie ©erießte eingetreten ift, roie 
ißn bie ©egner beS ©efeßeS oerfünbeten. 

AnbererfeitS ift nid)t gu begroeifeln, baß eine beträchtliche 3 Us 
nähme im Umfange beS ßkr einfcßlägigen BerrderungsgefchäfteS 
erfolgt ift. 3m Anfang biefeS 3d rc ^ mären bie ßeiter ber großen 
BerfderungSgefeddaften, bie SRififogiffern für baS neue ©efeß 
aufaeftedt hatten, gufammengetreten unb hätten einen £arif ber 
BerfdernngSfäße gegen bie Haftpflicht ber Unternehmer in adert 
großen Qnbnftrien berathen. tiefer Xarif fanb Annahme, bie 
fämmtlichen ©efedfehaften oerpfldteten fich # feine anberen Abfd)lüffe 
als gu ben oereinbarten ^ariffäßen gu machen, unb befonbere 
9Runbf<hreiben, bie bie meiften ©efedfehaften erließen, machten bie 
Unternehmer auf bie ißnen oom neuen ©efeß auferlegten Ber* 
pflichtungen auftnerffam. ©S ift noch gu früh, um genau feft* 
gufteden, roeldje Bermeßrung beS ©efd)äfteS biefe Bcaßnaßmen 
beroirft haben, aber foroeit bie ©rfaßrungen ber Agenten unb 
anberer Sad)oerftänbigen reießen, ift eine bebeutenbe 3 un dme in 
biefem 3meige ber BerfderungStßätigfeit eingetreten. 

Aber bie auffadenbfte ©rfeßeinung ift bie feßr große 3dl oon 
Qäden, in benen $rioatabma<hungen (Contracting out of Act) 
oermittelft ©egenfeitigfeitSoerficßerung groifeßen Arbeitgeber unb 
Arbeitnehmer getroffen roorben finb. diejenigen, bie bie oödige 
Befeitiaung biefer Art oon Öürforge gegen geroerblicße Unfäde 
| geroeisfagt haben, müffen feßr erftaunt über beit gortfeßritt fein, 
ben fte in BHrflicßfeit ntaeßt. Dßne 3meifel ift baS ©efeß gang 
prägife in feiner Borfcßrift, baß feine Bereinbarung über Brioat* 
abmaeßungen für Arbeiter gefeßlicß binbenbe Äraft haben fod, roenn 
fie nießt etnen ©ntfcßäbigungSplan enthält, ber ootn 0ber*9tegiftrar 
ber griettblp SocietieS genehmigt roirb unb ben Arbeitern min* 
beftens ebenfo günftige Bebingungen roie baS ©efeß felbft geroährt. 
Aber troß biefer Brägifion in ben gorberungen beS ©efeßeS be* 
rießtet ber Dber*3Regiftrar oon einer großen unb roaeß enben 3 a ßi 
genehmigter Bdme. 33 ^ j um 12 . Dftober roaren nijdjt roettiger 
als 50 oorgelegt unb gebilligt roorben, etroa ein dußenb unter* 
lagen noeß ber ©rroäaung. Bon ben 50 genehmigten Blänen be* 
trägt in 39 gäden Die Angaßl ber baoon betroffenen Arbeiter 
66 805 B^rfonen; 27 Bereinbarungen mit 20 000 Arbeitern gehören 
bem Kohlenbergbau an, 2 mit 35 000 Arbeitern betreffen groei 
große ©ifenbahngefedfcßaften. die übrigen 10 Abmachungen mit 
11000 Arbeitern gehören üerfeßiebenen Snbuftrien an. 

So finb bie Borberfagungen ber Anhänger beS t^efeoes 
äugenfcßeinlicß im ©roßen unb ©angeit eingetroffen. v >n ben 



•_>rm 


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Sogiale $raji$. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. s. 


großen ©ifenbahnen unb im Kohlenbergbau, too befonbere Vrioat* 
abtnachungen in Vegug auf baS §aftpflid)tgefeb allgemein feit 
fahren beftanben, bebeuten bie ermähnten Vorgänge nid)t ein Auf* 
hören ber Vereinbarungen, fonberit ihre Aegiftrirung unb 
Legalifirmtg unter bem neuen ©efefc. 3n beit anberen fällen 
fdjeint bie Tenbeitg für bie ©rofeunternehmer babiit gu gehen, bafg 
fie in fteigenber 3 a hl fi<h 9 c 9 en ihnen DOm auferlegten 

Verpflichtungen oerfid)ern. £>ier mic bort aber haben fich bie 
Viafenahmen offenbar bis jefct fo befriebigenb erroiefeit, baß baS 
©cfejj fehr wenige AechtSftrcitigfeiten im (befolge gehabt hat. 

VereitS ift eine Vcroegung im SBerfc, bas ©efefc auf bie* 
jenigeit 3nbuftrien auSgubebneu, bie ihm gur 3eit noch nicht unter* 
ftehen, unb ber frühere liberale Vtinifter bes ßnnern, &r. $. .£>. As* 
quith, hat biefeit Veftrebungen feine Unterftühung geliehen. ©S 
ift geroi§ fchroicrig, oerminftige ©rünbe gegen biefc Abfid)ten gu 
erblicfcit Anaefid)ts ber fel)r gnfriebeufteUenbeu ©rgebitiffe beS 
©efeljeS. Anoercrfeits roirb oermuthlich früher ober fpäter fid) eine 
Agitation für bie Uebertragung ber Koften ber gewerblichen Unfall* 
©iitfdjäbigung auf beit Staat erheben. 3JJan menbet ein, es fei 
unbillig unb fogar thöridjt, ben einzelnen gemerblichen Unter* 
itehmern bie gange Laft ber ©ntfdjäbigung für ihre oerle^ten 
Arbeiter aufgubiirben, befoitbcrS in einer gefährlichen 3nM*tne 
ober in ©emerben, roie Secfchifffabrt unb Vergbau, mo Unfälle oft 
burd) Aaturereigniffe herbeigeführt rnerben. ©in folcher Vorfdjlag 
befiftt trofc aller einleudjtenben Argumente hoch bie arge Sd)toäd)e, 
bah es unmöglich ift, bei feiner Ausführung genau unb richtig gu 
feheiben. ©r mürbe bie Koften fomohl in abroenbbaren mic 
uitoermciblichen Unfällen oon fchmachen Unternehmern ober oon 
oerfaüenben ©emerben auf bie Sdjultcrn ber Allgemeinheit fchiebeit 
unb fo bie Lebensbauer bcS Veralteten unb Unpajfenben oerlängern 
helfen. Vei bem fehlen jeber (? Tic Aeb.) Victhobe, bie Arbeit* 
gebet* nach 3»buftricn gu oraauifiren unb fo bie Koften ber ilit* 
fätte in einer Sabuftrie auf bie Korporation ber Arbeitgeber in 
ihrer ©efammtheit gn laben,*) mirb mahrfcheinlid) bie gegenmärtige 
Art ber Unfallentfd)äbigung. mo jeber eiitgclne Arbeitgeber bieVer* 
antmortung unb bie Motten**) trägt, in ©nglaitb fid) lange erhalten. 

Bonbon. __ 3*. V>. ©alton. 

Tie erfte amtliche itnnbgffruug gnr ^nPalibitätdkierftcheriiitgS^ 
noücüc roiro aus bem Lanbrath (Vrooingiallatibtag) für Aiebcr* 
baperu berichtet. Tort ift am 10. Aooember eiiiftinunig ein Antrag 
angenommen morben, ber bie Staatsregierung erfocht, gut* fiitart* 
xiellen Sattirung ber nieberbaperifd)en Verficf)crungsanftalt bei ber 
Verathung ber Aooellc gum Alters* unb SnoalibitätSgefeb für 
legislatorifche Abnahmen eintreten gu moHen; itiSbefoiibcre mirb 
bie Vereinigung ber oberbatjerifdjen unb nieberbaperifchen Vcr* 
fidjerungSanftalt gu einer Anftalt befürraortet. TaS jährlid) madifeube 1 
Tefigit beträgt im 3ahre 1896 bei einem Vermögensftanbc oon | 
2 751481 <stl bereits 1 458 258 <J{ — TaS iiiitiifterium beS , 
3nnern in Vapern hat bie Vorfibenbeit ber acht baperifchen Ver* j 
ficherungöanftalten gu einer Vefpred)ung beS neuen ©ntrourfs, fomie j 
gu einer Verathung oon Aragen bes ©efehoollgugS auf ben 14. b. Vf. . 
berufen. j 

Tiefen 3£eg hat bcfauutlidi bie bcntfcbe Unfaüucrürijcninqs* 
©cfcpgcbiing crfolgreidi mit ber ©rndjtung ber Verufygeuoffenfdiafteu 
riugcfdjlagen. Tie Acb. 

3 » einer am 1."). Aourmbcr in Ataudicftcr gehaltenen Acbc 
berührte ber Molonialminifter L'hamberlatn, ber mit grofjer ©nergie fiel) 1 
für bie Workmens Compensation Act eingefept hat, bie baranS fiir bie 
Unternehmer ermadifenben haften. Cir fagte n. A. AoIgenbeS: 3Wan be* 
fäntpft bat? öaftpflidjtgcjep, rneil man glaubt, bie .stuften mären über* 
mnftig unb für bie ^nbuftrie oerhängnifmoll. 'Bährenb ber Verathungeu 
im ilnterlmufe traten uns oor allem grufje Mapitaliften unb Unternehmer 
entgegen. 3mei ragten befoubers unter ihnen heruor, 3ir ^ofeplj s ]?eafe unb 
3Kr. Vaiubribge, beibe grope Oirubenbefiper. ^sntmer unb immer mieber 
erzählten fie bem \?axife, bap, menn bie Vifl burdjgiuge, bie fleiucu 
Mohlenmcrfc oernidjtct fein mürben. Aiir fid) felbft forgten fie uid)t, 
aber bie Mleinen lagen ihnen am bergen, ^finbeftens um H Vcnce, idi 
glaube, man fpraep fogar oon u $euce, mürbe bie Mohlenprobuftiou 
pro Tonne oertheuert rnerben. Tl9c fpredjen nun bie Thatfadicn^ Ter 
Staatsfefrctär bey onueru fomohl uüe id) felber hatten forgfame Ve= 
redjnungen fammeln laffcn. ^8tr erflärten, baf; bie Moften hödiftensum 
I 'i'cnnp fid) fteigern fönnten, mahrfdjeinlid) nod) nidit um fooiel. Auu 
mill id) ohnen ctmas ergählcu. Ta beftefjt eine grope Crganifatiou, 
bie Verfidierung ber Aorthuntberlanb* unb Turhaiu*Vcrgleute. Aad) 
Annahme biefes ©efepes bot fie ben ©rubenbefiperu im Tiftrift, gu benen 
Bir 3- l^eafe felber gehört, bie Ucbcrnahme aller ermadpeuben aft= 
pf!id)toerbiublid)feiieu für nod) uidjt 1 Vfnnp, für 7/ io Vcnni) pro Tonne 
an! Unb bie Unternehmer lehnten biefcs Angebot ab. Tod) mohl, 
meil ihnen "/i<‘ "^ennn gu hod) fdiieu. 


KranfcubrrftchcruugSpfltcht ^auStubnffriefler für Verltit. ©ine 
Verfchlechterung beS geplanten Verliner JOrtSftatutS über bie ©in* 
begiehuttg ber ^pausinbuftriellen in bie Kranfenoerfidherung höl 
©emerbebeputatiou, ber ber ©ntmurf gur Verathung oorlag, auf 
bie Vittfchriftcn ber 3nbuftrieflen hiu oorgenommen. ®er ©nt* 
murf h atte beftimmt, bafe bie fog. 3mi|djcnmeifter bie V^elbepflicht 
für bie oon ihnen befd)äftigten Arbeiter hoben foDten, bafe aber 
ben eigentlichen Arbeitergebern, beren VJcrffüprer bie 3mif^en* 
meifter geroiffermafgen ftnb, bie 3 a W ini 9Spfttd)l guftehe. T)ie ©e* 
merbebeputatiou legt nun auch bie 3 a bl u ngSpfIicht ben 3mif<hen* 
meiftern auf, obmohl ihr öod) nic^t unbefanttt fein famt, ba§ unter beit 
3 mifd)enmeiftcrn fi<h oiele leiftungSunfähige $erfonen (SBittmen 2 c.) 
befinben. Vei biefem neuen Verfud) ber ©rofgfonfeftionäre, fogialpoli* 
tifche haften oon fid) abgumälgen, märe cS au ber 3*ü, bie 5 ra 9 c 
ber VetriebSroerfftätten für bie Konfeftion erneut in Sluhgn bringen. 

3CrbeitettdiJ)ttiete. 

©rrichtung eines gemeinblichen IrleitSii^meifeS in 9Rag* 
beltttg. 9?ach langer unb lebhafter Debatte hoben am 17. $ 0 * 
oentber bie Stabtoerorbneten mit 29 gegen 22 Stimmen bem 2Ra* 
giftratsantrage auf ©rridjtung eines ftäbtifchen ArbeitSnachroeifeS 
gugeftimtnt. T)iefe Stelle hot „bie Aufgabe, groifchen Arbeitgebern 
unb Arbeitnehmern (geroerblichen unb lanbroirtlpchaftlichen Arbeitern, 
Tagelöhnern, THenftboten unb Lehrlingen beiberlei ©efchlechtS) 
Arbeit gu oermitteln", unb fann fid) auch mit anberen 

ArbcitSnachroeifeu in Vcrbiitbuna fefeen. Sie fteht unter ber 
bauernben Verroaltung unb Veauffichtigung einer Kommiffion, bie 
folgenbermapen gitfainmengefeht ift: ein Vtitglieb beS VtagiftratS 
itno je fünf Arbeitgeber unb Arbeiter, oon benen je brei oon beit 
Veifijjern bes ©eroerbcgerichtS gu Viagbeburg, getrennt oon Arbeit* 
gebern nnb Arbeitnehmern, unb je groei oou ber Stabtoerorbneten* 
oerfanttnlung auf brei 3ohre geroählt roerbeit. T)ie KommiffionS* 
ntitglieber erhalten für bie Thetluahnte an jeber Sihitng 3 , h ©nt* 
fchäbigung. T)ie ©infiigung einer Streifflaufel rourbe abgelehnt. 
T'ie Koften ber 3nftitution roerben auf etroa 8- 10 000 gefchäfct. 

StäbtifcheS Arbeitsamt für T)ic fogialbemofratifcheu 

Stabtoerorbneten in ©tjemnib brachten einen Antrag auf ©rrichtung 
eines ftäbtifdieu Arbeitsamtes ein. ©S foll bie Aufgabe hoben, 
eine Statiftif über alle möglichen Arbeitsoerhältniffe aufgufteüen, 
nuentgeltliihe Aitshnift über alle auf Arbeitsoerhältniffe bezüglichen 
Arageit gn geroähren, unentgeltlichen Arbcitsnad)toeiS für allerhanb 
Arbeitfuchcnbe gu oermitteln unb eine ftäbtifche lleberroachung oon 
Aabrifbetrieben, bie h° u Plföd)lich auf fanitäre ©efid)tspunfte ge* 
ridjtct fein foH, herbeizufii^ren. 

®täbtifd)eS Arbeitsamt m Schuieinfnrt. TaS oon ber Stabtoer* 
maltung bcfchloffme Arbeitsamt famt oorläufig nicht in Mraft treten, 
roetl bas ©emeiiibefollegtum bie für ben Unterhalt bes 3nftttutS er* 
forberlidjen Mittel nid)t bemilügte. Ter Sftagiftrat roiH fid) aber babei 
nid)t beruhigen, jonbern hat fich on bie Regierung geioanbt. 

ArbeitSnadjmeiS für bic fianbmirthfthoft in ^ommrrti. Tie 
Lanbroirthfdjaftsfammcr befd)äftigte fich ont 12. $ooembcr mit ber 
Arbeitsoermittelung utib ber ©rridjtuitg eines länblidjeit ArbeitS* 
nad)roeifcs. 3o ber Tebatte fpracfjen ' fich fätnmtliche SRebner gu 
©uuften eines folchen Arbeitsiiad)toeifeS aus. Ter Oberpräfibent 
erflärtc bie unbebingte Vereitroilligfeit ber Staatsregierung, an ber 
Vefferuitg ber 3 ll flönbe mitguroirfen, unb groar fo, bab bie ©efahr 
einer roeiteren ^olouifiruna hiutangehalten roerbe. Tie Srage 
rourbe fobann einer Momniiffiott gur Vegutad)tung, bie groeifellos 
im pofitiocu Sinne ausfaUeit roirb, überroiefen. 

Äoljnung^tucCen. 

^stfter-Vauorbnung für baS Königreich Saufen. 

©s ift in biefer 3eitf«hrift fchon mehrfad) oon ber Reform 
ber Vauorbmiug im Königreich öaehfen bie SRcbe geroefen. Aach 
ber ungiitiftigen Veiirtheiluug, rocld)e baS energifche Vorgehen ber 
! fächfifdjen Acgieruug feitenS ber Volfsoertrctung im lefetcn Lanb* 
! tage gefunben hotte (f. „Sogialc gratis" Vll/^ahrg. Sp. 877), 
nun* ein gcioiffes 3»rörfmcid)en bei* Regierung faft gu erroarten. 
onbefg ift bieS bodj nicht eingetreten. Unter bem 80. 3uli b. 3- 
hat bas fäd)fifd)e Viinifteriunt beS 3onern ben Kreishauptmann« 
fd)afteii eine im Vfinifterium auSgearbeitetc Vtufter*Vauorbnung 
gugeheit laffcn, roeldtc in 3olnnft ben ©emcinben als Anhalt für 
ihre ©•utfrfjlicBiiugen bienen foll, tocnit fie aud) nidit als unbebingt 
binbenb gilt. Tie Veftimmungen biefer 9Ruftcr*Vauorbnuitg, roelche 
im Allgemeinen ben fd)oit oor etroas mehr als gioci 3nhreit oont 






Sogiale ^rajiö. ©cntralblatt für Sogialpolitif. 9fr. s. 



Minifterium beS 3nnera funbgegebenen Anfeftauungen entfpreeften, 
bürften betnnaeft in Sacftfen meftr unb meftr gur Durchführung 
fornmen, unb es lohnt fich baher rooftl, fie eingehenber 511 betrachten. 

3m Attgemeinen ift bie neue Bauorbnuttg burcftauS oon mober- 
nem ©eifte erfüllt; fie fueftt überall bie richtige Mittellinie groiftften 
ben mobernen 9teformforberungen unb ben Wiberftänbcn beS iftat» 
fachlichen Sebent gu finben. Das geigt fleh fefton bei ben nach* 
folgenb angeführten Beftimmungen über bie gange Art ber Be* 
bauung. 3m Allgemeinen ift ber Begirf einer ©emeinbe ftinficfttlicft 
ber AuSnufcitng beS ©runb unb BobenS in groei, eoentuell in brei 
3 onen eingutheilen; beren erfte ben fefton bebauten DrtStfteil, beren 
groeite unb britte bas übrige ©eläitbe umfaffen. Die eingelnen 
Baublöcfe ftnb fo abgumeffen, bah eine groccfmäftige bauliche Aus* 
itüfcung ohne Bebauung beS £>interIanbeS ermöglicht mirb; für 
Sieben* unb Woftnftraften finb in Begug auf bie technifche £>er* 
fteüung ber Strafte geringere Anforberungen gu ftellen als für 
BerfeftrS* unb ©efeftäftsftraften. 3n ber I. 3one ift natürlich eine 
ftärfere AuSnüfeung bes BaugrunbeS erlaubt; jeboch ift auch ba 
ein gröberer £>of freigulaffen; auch (offen Siebengebäube nicht mehr 
als gmei ©efeftoffe einftftlieftlicft bes ©rbgefcftoffeS enthalten. 3n 
ber II. 3 one ift bie bebaubare ©runbfläcfte auf V 10 befeftränft; in 
ben ßanbgemeinben foll bie offene Bauroeife bie Siegel bilben, aber 
audft in ben Stabten foll in ben Auftetttfteilen bie gefchloffene Bau¬ 
roeife auf baS nothmenbigfte befchränft roerben; beSgleicfteit foll in 
ben ßanbgemeinbett in ber Siegel nur parterre unb ein Stocf, in 
ben Stabten nur parterre uno gmei Stocf hoch gebaut roerben. 
3ür ftillere Straften finb Borgärten anguorbnen, bie Diefe beS 
,J>ofeS foll ber fmuptfiutSftÖfte bes Börbergebäubes roenigftenS 
gleicftfommen. £>intergebäube benachbarter ©runbftücfe bürfen feine 
gefchloffene Steifte bilben unb Siebengebäube bürfen nieftt meftr als 
gmei ©efeftoffe ftaben. gn beiben 3onen füllen in ber Siegel nieftt 
meftr als je gmei Wohnungen in ein ©efeftoft eingebaut roerben; 
beSgleicfteit finb Slellerrooftnungen im Attgemeinen oerboten, aus* 
genommen als öausmannS*, $futfcfter* unb ©ärtnerrooftnungen, 
roo bann meitgeftenbe BorficfttSmaftregeln angeroertbet roerben muffen. 
Aucft fft* Dachwohnungen finb ftrenge Borjcftriften erlaffen. 

©ine Steifte Beftimmungen betreffen bte ©ntfcftäbigungSfragen 
bei geftfeftnng neuer Ölucfttfinien. ©egen bie an unb für ficft gu 
geroäftrenbe ©utfeftäbigung ift im Attgemeinen bie Wertfterftöftmtg 
aufgureeftnen, roelcfte baS betreffenbe ©runbftücf bureft bie neue 
©inriefttung erfährt. Damit gehen biefe fäcftfifcfteii Beftimmungen i 
in oortfteilftafter Weife über bie entfpreeftenben preuftifeften Beftim* l 
mungeti hinaus, bie ein Anrechnen ber Wertfterftöftung bei ber 1 
©ntfcftäbignng nieftt fennen. Die Soften eines BlafceS, foroeit fie 
über bie geroöftnlicften Anliegerbeiträge ftinauSgeften, fönnen bureft 
DrtSgefefc auf ein gröftereS umliegenbes ©ebiet oertfteilt roerben. 
Auf ber anberen Seite ift aucft bie Bittigfeit gegen bie ©runb* 
befifcer burtftauS geroaftrt. ©S roirb auSbrücflicft gur ©noägung 
geftettt, bie M'ofteu für bie guftgängerbaftnen unb für bie Scftleufen 
nieftt ooüftänbig ben Anliegern aufgulegen, fonbem tfteilroeife auf 
bie ©emeinbefaffe gu übernehmen, ba gute guftgängerbaftnen unb 
gute Scftleufen aucft im attgemeinen 3ntereffe lägen. 

Sou bebeutenbem Wertfte ift aucft eine giemlicft unfcfteinbarc 
Beftimmung in §. 23. Danach ift ein Sauherr, bem an ber 
Strafte ein unbebaubares Stüä liegen bleibt, oerpftiefttet, bieS in 
einem Umfange, ber beS ^Öfteren oon ber Baupoligeibeftörbe be* 
ftimmt roirb, auf Verlangen an bie ©igentftümer ber baftinter ober 
baneben liegenben ©runbftücfe abgutreteu. ©S roirb alfo eine be* 
fonberS roiefttige Art ber Berftinberung beS Bauens bureft unpaffenbe 
Üage ber ©runbftücfe gu einanber aufgehoben unb fo ein tfteilroeifer ! 
©rfolg für bie fog. Umlegung ber lex Abicfes gefeftaffen. 

Sehr wichtig ftnb enbltcft bie Scftimmungen über bie Se* I 
feftaffenfteit ber SSoftnungen. Diefe Seftimmnngen geften roeit ' 
hinaus über baS eigentliche ©ebiet einer 33auorbnung unb ftetten 1 
tiefergreifenbe, allgemein gefunbheitspoligeilicfte Anforberungen bar. j 
„©ine Jamilienrooftnung foll in ber Siegel roenigfienS aus einem 
gut fteigbarett SSoftnraume, einem Scftlafraume unb, einer t fücfte, I 
lotoie aus bem nötftigen ©elaft gur Aufberoaftrung oon ©erätft* , 
f^aften, .v>olg u. f. ro. befteften. SBohn= unb Scftlafräume uiüffen ; 
gufammen roenigfienS 30 qm ©runbfläcfte h^^n/' Als überfüllt | 
foll eine Softnung gelten, roenit fie nieftt für jebe erioacftfeite ^ßerfon 1 
roenigftens 20 cbm, für jebeS tfinb roenigfienS 10 cbm Luftraum 
bietet. fBoftnuugen, roelcfte -biefen ^eftimmungen nieftt genügen, 
fönnen leergeftellt roerben. ©nblicft ift bei Sceubauten für jebe j 
^familienrooftnuug ein befonberer Abort augulegen unb aucft in be= 
fteftenben §äufem bei ©elegenfteit baulicfter SBeränberungeu tftun* | 
iicftft auf bas gleiche ftinguroirfeit. Scftlieftlicf) finben ficft am 

BerantroortHcQ für bie ttebaftion: Dr. <5rnft 


SAluffe notft einige roiefttige Seftimmungeit gum Scftufte 0011 
heften unb ©efunbfteit ber bei Sauten befeftäftigteu Arbeiter. 

Siacft attebem barf man rooftl fagen, baft biefe fäcftfifcfte 
Mufter*Sauorbnung eine feftr roiefttige unb fortfcftrittlicftc Maftregel 
barftettt. Sftre Durcftfiiftrung roirb ja atterbingS auf grofte 
Scftroierigfeiten ftoften; inSbefonberc bie Seftimmungen über 3a* 
milienrooftnungen unb beren etroaige £eerftettung roiirben ficft jeben* 
falls nur mit gülfe befonberer Drgane burcftfiiftren laffcn unb aucft 
bann nur feftr unoottfommen. Sol^e tief greifen ben Seffermtgen roirb 
man nieftt oon bem poligeilieften ©ingriffe, fonbem in ber £)auptfacfte 
oon einer allgemeinen Untroanblung ber fogialen Serftältniffe er* 
roarten bürfen. Smmerfttn roirb man ber fäcftfifcften Regierung bas 
3eugnift nieftt oerfagen fönnen, baft fie auf bem wichtigen in Siebe 
fteftenben Spegialgebiete mit ©ifer unb Seftarrlicftfeit oorfeftreitet. 

Der rftriirifcfte herein gur gfjhrbtntttß beS ArbeitemoftmragS* 
toefenS hielt am 15. Slooember in Düffelborf feine ©eneraloer* 
fammlung. SanbeSftauptmann Dr. Älein eröffnet bie SSerfammlung, 
er roieS auf bie grofte fogiale Sebeutung ber SöoftuungSfrage ftin 
unb gab feiner Sreube über bie aufterorbentlicft gaftlreicfte 33 etfteüi* 
ung AuSbrucf. Der Sorfiftenbe iianbesratft 33ranbtS begeieftnete 
ie Aufgabe, roelcfte ber herein ficft geftettt ftabe. ©r ftreifte babei 
bie Agitation ber |jauS* unb ©runbbefifteroereine unb betonte, baft 
bie 33auoereine in 3oIge ift^S gemeinnüftiaen ©ftarafterS unb ber 
freiwilligen Selbftbefcftränfunaen, bie fie ficft gur ©rmöglicftung 
guter Arbeiterrooftnungen auferlegen, Anfprutft auf ©eroaftr oon 
©rleicftterungen feitens ber ©emeinbe unb beS Staates hätten, 
ßanbratft Dönftoff—Solingen ftielt einen SBortrag über „SetfteUU 
aung oon ©emeinbe unb Staat an ber l'öfung ber Wohnungs¬ 
frage, inSbefonbere an ben üBeftrebungen ber gemeinniifeigen Sau* 
oereine". Seine Ausführungen gipfelten in folgenben, foroeit er* 
forberlicft, bureft ©efeft gu erfüttenben 3 ori)erungen: 

©rlaft oon ^orfeftriften über bie ^enupitug ber Woljmmgen tuib 
©inriefttung eines befonberen WoftnungSauffidjtsbienfteS. ^weefent* 
fpreeftenbe ©eftaltung ber ^auorbiumgeit uitb Bebauungspläne foroie 
Öffeulcgung ausreieftenbeu Baugclänbcs unb ©inriefttung genügenber 
Straftenbaonoerbinbuugcu. Begünfügung ber Wohnungen für bie minber 
bemittelten Beuolferungsflaifeu, insbefoubere in fleiucreu .vmufem bei 
^eftfeftuug ber bnt .£musbefifc trerfeuben einmaligen ober bauernben (Sc* 
biihren unb Abgaben, •'pier fornmen nauieutlicft in Bctradjt: Straften* 
unb Manalbaufoften, BaufongeffionsgebiU)reu, c^ebänbe* unb Umfaft* 
ftcuer, Abgaben für Was* unb Wafferlicferuug, Manalbenuftung unb 
©rubenreinigung. — görberung ber ©rrid)tung gemeüinüpiger Bau* 
gefeUfdiaften (Baugenoffenfcftaften) burd) Bereitftellung auSreid)enbeu 
I Sfrebit* (möglicftft unter ©arantieübernaftme burd) bie ©emeinben), burd) 
©eroäftrung ber erwähnten Bcgüuftigungen, burd) möglitftfte Befreiung 
i oon ftaailicften (Gebühren unb Abgaben, ^suforoeit bureft biefe ober 
fonftige SÄaftuaftmen bem Woftnungsmangel nieftt abgcftolfen werben 
fann, Befcftaffung oon Bgohmmgen bureft Staat unb (^emeinbe für bte 
oon ihnen befeftäftigteu Arbeiter unb unteren Beamten fowie bie oon 
ihnen bauenib uuterftüftten Armen ober ooritbergeheub Dbbadjlofen. 

©eft. Baurath Stübben — Ä'öln fpraeft über „Stabtbauorbnung 
unb Stabtbauplan in befonberer Stiicfficftt auf bie ©rmöglicftung 
guter unb billiger fleiner Wohnungen", ©r begeieftnete es als er* 
roünfcftt, baft bie ©emeinben forooftl wie ber Staat bei erforberlicft 
roerbenber Auftfteilung ihres ©runbbefifteS gur Bebauung meftr benu 
I bisher baS fogiale ^ntereffe als finangielle ©eficfttSpuiifte in ben 
| Borbergrunb treten laffen möchten, ©r befürwortet bie offene Bau* 

1 weife unb bie Abftufung ber Bauorbnun^eit nadj 3nnen* unb 
Auftenbegirfen, aucft muffe baS Beftreben aut gröftere Ausbreitung 
beS ©infamilienftaufeS ftinauSgeften; wenn alle Käufer als ©igen* 
ftäufer für eine 3 amÜie gebaut würben, werbe es faum noeft einer 
Baupoligeiorbttung bebürfen. Den Dftefen beS >3errn Dönftoff 
fügte er folgenben Saft ftingu: ,,©S roirb empfohlen, bei geftftettung 
oon Bebauungsplänen unb Bauorbnungen tneftr als bisfter barauf 
gu adjten, baft bie ©rriefttung fleinerer Käufer erleichtert unb be* 
günftigt werbe." ©r fcftloft feine Ausführungen mit beit Worten, 
eS müffe roieber allgemeine Bolfsfitte, Saufilienfitte roerben, itit 
fleinen £>aufe uub möglicftft für ficft allein gu wohnen. 

3n ber Disfuffion, an roeld;er fid) bie Herren Srattg Branbts 
M.=©labbacft, Cberbürgenneifter Strauft—Sth«)bt, Sientuer 3 . W. 
StümgeS—9tftei)bt unb Dr. 0 . Mangolbt—3ranffurt a. M. betfteili* 
gen, rourbe namentlich eine ©rmäftigung ber ©ebäubeftener befür* 
roortet. Die Dftefen würben gur Menutnift genommen, ©tu Mufter 
ftatut nebft ©efd)äftSanweifuugen für Baiigeiioffenfiftafteu fauu 00111 
BereinSbureau begogen roerben. Öanbricftter Dr. Sdjöller—Düffel 
borf fpraeft über Mauf* uub Micthsoerträge nad) bem neuen Bitrgei 
licfteit ©efeftbueft. ©s füllen im Vanfe beS Winters einige Mn ft er 
entwürfe gu folcftcn Bertiagen ansgearbeitet werben. 

granrfe in Scvlin \V, Sar)vcuil)cviua|jf :>v. 



soziale ^rariö. ©entralblatt für ©ojialpolittf. 9?r. 


®te .»^oitaU f»ra«i0“ erfebetnt an jebem ©uttnerMag uttb iit bur<b alle ©udihanblungen uitb ©oftämter (©oftadtungSnuntmer 6729) au beheben. ©er ©rdö 
für ba8 ©ierteljabr ift 9W. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 ©f. ©er fflnaeigenpreiS ift 60 ©f. für bte bretgefpaltene ©eti^eife. 


Verlag von Gustav Fischer iu Jena. 


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Staats-Archivs zu Zerbst sowie der) 
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zu Herklingen und von Krosigk zu j 
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Würdigung der Ansichten 
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Von T. Bödiker. 1898. 1 Mk. 60 Pf. 


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päischen Staaten. « t. «<><nu<..-. 1 


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Gesetz« nnd Verordnungen mit Berücksichtigung der Rechtsprechung 

heraasgegeben von 

U. Kappelmann, 

Stadtrat. 

1898. Preis gebunden in Leinewand 3 Mark 60 Pfennig. 

Aus einer Besprechung des Herrn Regicrungsrat Seidel (Wiesbaden) im ProiuMilu^houi 
Yerwttltui»g»blatt (13. August 1898): .... r Mit Rücksicht auf den nahen Zeitpunkt des 
Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches ist dankenswerter Weise auch dieses mit heran¬ 
gezogen, auch die Rechtsprechung der höchsten Gerichtshöfe auf dem Gebiete der ordentlichen, 
sowie der Verwaltungsrechtspflege ist berücksichtigt worden. 

Das Werk kann demgemäss als eine praktisch brauchbare Arbeit empfohlen werden. . . .“ 

©emnäcbft rottb öerfanbt: | 

Kaife* tPütjelm I. j 

profeffor Dr. (Eridj tttarefs in Ceipfig. i 

©ritte, Perhefferte nnb üermeljrte Auflage. W VA | 

ttroa 26 Sogen gr. ö*>. »reiB 5 S»r. 40 ©f., in fetnemßetnenbb. 7 SRI., tn $al6fr|bb. 7 SDK.60 $f. 

©ehr halb nach ©rfebeinen ber ©tBmai'tffcben „©ebanfett unb Erinnerungen" 

— alfo nod) rechtjeitig üor bem SBcibnacbtSfeft — wirb bte britte, oielfacb ber» 

önberte unb bermebrtc Auflage ber ©iograpbie Äaifer SBübelniS I. auSgegeben, firtlttttinltinltt 
na<bbem faum ein Satjr bergangen ift, feit baS ©udj junt erftenmal erftbien. ^IIIUIIIUIJIUUI 

3n biefer britten Stuflage wirb bie gefamte aeitgenöffifebe Öitteratur, alfo 
ni<bt nur ba« ermähnte Söerf ©iSntatcfe, fonbern auch bte ©riefe 21befenS unb i 

bie beiben ©eröffeniltdjungen s JLIf. ©ufebs, ledere foroett fie Utfunblicbeö enthalten, \ 

berüdfichtigt fein. 2Bie SRardft’ ©ud) bon ber ßritif mit feltener ©inmütigfeit c 

als bte befte ©iogvapbie Äatfcr SBiltjetmö I. anerfannt »orben ift, rotrb e8 in I --— 11 

feiner neuen ©cftalt bie eingebenbfte unb unbefangenfte SBfitbigung öeö großen i 
Staatsmannes enthalten, bie 311t ßeit ejtfiiert. I 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel, Berlin W. 
Formulare 

für die | 

Kranken-Kontrolle . 1 

1. Krankenordnung. 

2. Verhandlungsprotokoll gemäss $ 14 der 
Kranken o rdnung. 

3. Fragebogen für die Kranken-Kontrolle. 

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®tto Jirbmann, frrli$ski4|ullu$, §erlin W. 35. 
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Strafrecht —- 
— • unb polttif. 

f tiiinnlplttifdg f rfcintfeftt riurs ölten iii^ttrs. 

©on 

Jfuftus (ülratcns. 

- 110 ©eiten gr. 8». 31 ?f. 1 , 60 . - 


„ .7 — » ! M-MM« 

»•»«M« 1 Umtt te Sellin« ' in 

uitb I :ur 

i von 

ihr Pirtflhnftspolitih. i «eorg Salzer, | ^ortbilöung öes grofembujiriellen 

I Präsident de* Züricher Cassatlonshofc.s. <ltbdtSffC^tS. 

1,11,1 < ! Preis 6 Mark. ' Son 

«ttj fUrtib- i Die§t)i(utnngäes^rceerhrlftsfntBtuiftblanb loHo* pierpierff. 

| «on 

wh. i ®tf. - ! tSrnft veit |«Ue. - in 97. ^ rC u- i m - 

^I - 189«. 'Ureis Ui- -- 

«erantroortlitf) für bte “Insdgcn: ScQmuU) Gfctbel, ßetpjtg. — »erlag oon Dunder & ^umblot. Cetpjig. — Giebrurft bei ^ultui Stttcnfelb, »erlitt. 

















vm. faprjmij. 


iöerlin, ben 2 . Dezember 1898 . 


Ütantnwr 9 * 


Soziale pvaris. 

@enfraH?fatt für ^ogiafpofifiß 

mit 6er 2KonatSbeilage: 

Vas ©ewerbe^cvic^t* 

(Drgan bcs Derbait&es beutfdjer (Betperbegericfyte. 

9^euc golge 6er „Slätter für foatate unb 6e8 „Sogialpolitifdjen ©entralblattS". 

ffrfdjcint om jebem Xotmerflag. ©eCflüSgeber.* IJreiS uiettetjÄprlf; 2 IR* 60 flf. 

SRebaftion: Serllit W., SBabreutberftrafje 29. Dl\ (Etttjl Serlag boit ©uttder & ©umblot, Seidig. 


3 nfinlt 


©ebattfett unb ©httittentiignt bott 
Otto Slftirft tum Slßitsarrf. Sßon 
Stof. Dr. ©. S d> m o 1l e t, Berlin. 209 

9IHoc«eine Cejial* nab «Btvtbfiftaft«’ 
|»0li«if.218 

UntetneljmeT» unb Hibeiteröer* 
bänbe in ©ngtanb. Son©.®öeß, 
Sonbon. 

©ie ©atifbemeaunfl im Sudjbrucfer* 
gewctbc ©eutfd)lanbß. 
gbiberung bon .£>anbn>etf unb .ftauß* 
inbufiric in Ungarn. 

Romsinnale ©»stalpoltttt ... 221 

©et ©efebentttmrf übet bie 9led)tß» 
Detf)Ältn<fle bet Äommunalbeaniten 
in Preußen. 

Statut für bie Sllterfi* unb gnoaliben» 
üerforgung bet ftöbtifdjcn ^o:;n= 
arbeiter in Stuttgart. 

Statut für ftabtifdje Arbeiter in Äarlß* 
tube. 

ilommunalprogtamm bet Ueipjiger 
Sojialbeuiofratte. 

Stöbtifcpeß SlrbeitSamt füt ©l^mnilj. 
•i)ifli( Bnftünbc :.223 

©egen bie SebrlingSjücbtcTei iin beut* 
fdjen Sarbier* unb grifeutgemerbe. 

©ie Arbeiter in ben öfterrcid)iid)cn I 
©abaffabrifen. | 

9lrbeitßlöt)ne in bet belgifdjen ©ifen* 
inbuitrie. I 

ßur Sage bet Sltbeiter in ben Äricg$= ! 
atfenalen granfrfid)ß. , 

MrOehgeteruerbänbe.225 

2ltbeitacbert»etbanb im SaugemeTbe ' 
ju Sliincbcn. ' 

©et CSentraldetbanbfitag beutjdjer 
Säcfet'gnnutigen. 

©ie Engineering Employers Federation 
in ©nglanb. 

Urfretterbctorgnita.225 

Streitigfeiten unter ben bcutfcficn 
.^anbclßthUfßarbeitern. \ 

©in tbtiftlicbet ©ejtilarbeiteroerbanö ! 
in 50t. ©labbad). ! 

©entralüerbanb ber beutjdjen Siucfa* I 
teure, ©ipfer ic. 

93ergarbcitcröerbanb in Sübmateö. 
Slrbeitßeinftellungcn in fyranfrcid) 1 97. ; 
©ie Streifs in Stalieit Don 1879 bis : 
1896. 

©ie Organifation ber 3t m mertcutc • 
hi Mmerifa. j 

Ülrbeitcrfongtefc in Sftbauftralicn. i 

ttrbetterfdmi}. 227 ! 

tfein Örbeiterfdjufc in funftgemerb* t 
litten Setrieben. 1 


Sdju{} ber ^anbelßangeftellten. 
SOta&ngbnten gegen ben Staub in 
©olbbud)«2öerfftätten. 

Söeiblidje gabtifinfpeftoren in 3tufi* 
lanb. 

VrbeüertoevfltfKYttng. «parfaffett 228 

©aS ginnifdje Unfalloerfidje* 
tunflßgefep. Son Dr. 9t. 9t. af 
Urftn, ©urfu (Slbo) in gimtlanb. 
Serufßftatiftif ber Sparfaffen* 
einleger in Sapern. 

Stellung ber 2lerjte ju ben Äranfen» 
faffen. 

©in Antrag auf ©infübrung einet 
allgemeinen Slltcrö- unb^noalibitütS« 
berficberung in Defterreid). 

©aS Problem ber 3llterßöerfid)erung 
in ©nglanb. 

©in S^ojeft über SllterSöerforgung 
bcS nieberen Soft* unb ©elegrapfjcn« 
perfonalS in granfreidj. 

tlrbeitßnci(f)ti>ri6. 233 ) 

©rridjtung einer SlrbeitSnadjloeiSftefle ! 
in Stcgnip. i 

Stäbtifcper 2ltbeitßnadjn>inß in Sonn. ; 

SSoblfabrtSeinrtdituugen .... 233 
©ie SJöot)Ifal)rtßetntid)tungcii auf ber | 
tfaiferlicpen 2Scrft in tfiel. j 

Stäbtifdjc unb prtoate Sßoplfaprtß* 
pflege. i 

©ie ©entralftefle für bie Üontrolc ber ; 

20ol)ltl)ätigfcitSpflege in Serlin. I 
Sclbft ,ut crmittelnbe ißrioatpflege. I 
fteüen in .ftöltt. | 

Sebrlingöftiftungen in SSfirttemberg. ! 

fSobnungßtaefen. 235 I 

©ie ©rriditung eines SBoljnungS* 
amteS in Stuttgart. 

©er Scrbanb ber t OauS» unb ©runb* 
bcfitier in ber Stbeinpialj. 

©er ^arlöruber SOtietljer* unb Sau* 
oerein. 

6oiiole J&pßieue. 235 i 

SOtebijinalreform in Preußen. | 

Sefampfung ber ©uberfulofc. \ 

tftaucbocrbrennungSöürridjtungen. * 
^pgienifdje 2öol)lfal)rtSeinTid)tungen. I 
©enefimgSlieime in Saben. i 

eoAiatpolttHdie 9taffiiabmen tu» Srr I 
febrsmefett. 237 ' 

SonntasiSrulje auf ben engiifdjen 
©ifenbapnen. * j 

Sttteravtftfie tla&etgen.238 


Snbalt beß ©emerbegerid)tS SJtr. 3. j 

Oeilflgtt **©«$ <Betnerbegertibt M Nr. 3. I 

Ubbrucf fämmtlicber Strtifel ift ß^ltungen unb geftattet, febo^ nur j 

mit boHet tQuellenangabe. 


Irknitm unb |riiunu$n v ifi : 9tti Jirft^ira^isinattt;. 

Son 

Se^moffer. 


politifc^e ^eftament S3iömarcfg an 6 a$ bcutfrfjc Sotf, mit 
feltener Spannung feit Monaten ermartet, ift am 29. 9?ooember 
au^gegeben roorbeu; roie oicle Saufenbe t)abe aui^ id^ e«, in ber 
Seftüre niefft me^r enben fönnenb, üerfdjlungen unb eile, in biefen 
blättern fur^ barüber 3 U berieten, obroobl fo^ialpolitifc^e ®ingc 
fauut berührt. Scf) füt)le mid^ baju oeranlaftt, roeil id) in oier 
Septembernummern ber „Sozialen $raji§" neben ber fogial* 
politifrfjen unb uolföimrtbfcbaftlid^cn Sebeuhtug Siömarc!^ ooc§ 
and) feine $erfönlid)feit unb ihre politifdje ©efammtleiftung 
fd)Überte. 2)eit überntäd)tigen ©inbrud ber gmei 33änbe möd)te i(^ 
gleicbfatn al£ ©pilog beut bort ©efagten folgen laffen. 

(S£ oerftebt fief) nad; Stitel unb Umfang, bafe mir feine er* 
feftöpfenbe 5lutobiograpl)ie cor uug au( ^ ^ ne fünftlerifd) 

abgcruiibcte ©efd)id)ttfbarfte[lung, roie fte griebricb ber ©rofee nach 
jahrelanger ^urdjfeilung in feinen hMtorifchen Serien binterliefc. 

i^erf ift auf 3 “^ben Sotbar Sucher^ au§ ©efpräcben be 8 
75 jäbrigert entftanben, melcbe biefer treue ©efäbtrte fteuograpbifcb 
fiyirtc. 9iacbb^t mürben fie mieberbolt uott Sigmar cf felbft tureb* 
aefefien unb geänbert. s J)Jan fpiirt biefe (Sntftebung; uielfacb maltet 
oer CSb^rafter einer ©auferie uor, Söieberbolungen fmb nicht oei> 
mieben. Slber alleö atbmct bafür lebenSoolle Slnfcbaulicbfeit 
unb ooflenbete fubjeftioe ©abrbaftigfeit. 3 n lofer gorm folgen 
ficb breiunbbreifjig Mapitel, einige fiirger, anbere länger, bureb* 
fcbnittlicb gmangig Seiten lang; tbre Sfolge entfpriebt bem fiebeng* 
gang beö $angler3; jebeg bebaubeit eine geitepoebe, ein großes ©r^ 
eignifi, eine Snftitution ober ^ßerföntiebfeit. ©ingelne Kapitel finb 
binreiftenbe anfd)aulicf)e ©rgäbluugen ber großen Sßenbepunfte 
feinem i?cbcnö; in anberen übermiegen tbeilä neue, tbeilö auch be* 
fannte ?lftenftüde; oft mirb ber Reiben ber ©arftellung burd) 9fücf» 
unb Sorblicfe, burdb politifrfje Sergleicbe unb biftorifebe (Ijfurfe, 
burd) 3 i c bung ber ßrgebniffe aller (Srfabrungen be§ großen 
Staatsmannes unterbrodjen. 3>ic dürften, SDiinifter unb anberen 
miebtigeren 'ißerfonen ber 3 ^it roerben braftifdj gefebilbert, böupß 
mit fo uiel .fmmor unb SarfaSntuS, baft man immer mieber in 
laute ©eiterfeit ausbriebt; eingelne nicht ohne SBitterfeit unb Schärfe, 
mie ©ortfebaforo, anbere mit oollenbcter Pietät, mie $aifer 
SJilbelm, alle mit bctit s l'iitfel, ben nur bie gottbegnabeten ©iftorifer 
führen. 3 tn 3)tittelpunft ftebt burcbauS bie aiiSmärtige ^ßolitif, 
bauptfädjlid) bie non 1858—75; bie materiellen fragen ber inneren 
mcrbeit mehr nur ba unb bort geftreift, um beftimmte 
Uebergcugungcii aitSgufpred)en. dagegen )inb bie fonital recht* 
lidjen unb polüifd)en 5 ra 9 c n ber SDtimiterftellung unb alles, maS 
bamit gufammenbängt, faft ebenfo eingebenb erörtert, als bie aus* 
märtige 'jßolitif. 

^3ei bem großen Umfang ber fd)on oorbaubenen ^ßublifationen 
Sismarcffdjcr Elften unb Sriefc unb ben gablreidjen SDarftellungen, 
bie mir non Spbel, 'DiarcfS nub Anberen über bie Qtit haben, ift 
es natiirlid), bafj mir nid)t burdjaus Weites erfahren fönnen. 2 tber 














211 


Sojiale Praji«. dentralblati für Sogialpolittl. Sir. 0. 


212 


nid)t nur ift Sleue« unb ileberrafcßenbe« bocf) in §utte itnb Sülle 
oorßanben; nic^t nur ergäßlt bcr größte Kenner bcr neueren 
europaifcßen politif mit üoerrafchenber Offenheit über eine dpocße, 
beren Arcßiofcbäbe bocß im langen nod) oerfd)loffen finb. Auch 
rno er oiel erörterte, im (langen befannte fragen, wie bie Gut* 
fteßung be« Krieges non 1870 ergäbt, erfcßeiitt bie ©Iaubwiirbig* 
feit biefe« unterricf)tetften 3 eu 9 en ™ f° buttem ßid)te, baß alle bi«* 
berigen DarfteÜungeu baneben faft gu trüben £>ellämpd)cu gu* 
fammenfdjrumpfen/ Aber natürlich bleibt bcr SRemoirencharafter 
bod) bent BSerfe aufgebrücft: ber große, leibenfcßaftlicb liebenbe unb 
ßaffenbe Stander will ftcb rechtfertigen, will geigen, wa« er getßan, 
wa« Anbere ibm in ben 2öeg gelegt, dr fprtcht pro domo, dr 
ift fein objeftioer £>iftorifer, ber über ferne 3 e il cn gang gerecht 
abmägenb berichtet; er ergäbt tbeilroeife an« bem ©ebäcßtniß; fo 
roie ißm bie perfonen unb bie Dinge in bcr 3 e it, ba er fpricßt 
unb fdjreibt, erscheinen, finb fie bargelegt; bie Notice feiner geinbe 
unb ©egner roürbigt er jeßt fo toenig gang objeftio, al« er e« im 
Amte gefonnt batte; er fucßt oon benfelben itberwiegenb hoch bie 
niebrigen. Die ungeheure Hraft feinet BMllen« hätte nicht eyiftirt, 
roenn er ba« berechtigte in ben Denbeitgen feiner Gegner oerftanben 
batte. Die bitterfeit be« entladenen SRinifterpräfibenten bridjt 
immer roieber in eingelnen fleinen 3ägcn burd). Aber alle« ber* 
artige erfdjeint hoch nur als eine gu überfebenbe beigabe neben 
ber abgeklärten Stube be« groben preußifd)*beutfcßen Patrioten unb 
be« melterfabrenften SRenfcßenfenner« unb Staatenlenfer«, ber am 
Slbenb feine« ßeben« feinem bolfe tagen mill, mie Deutfcßlaitb 
enblich feit ben Dagen ber fächfifcßen'Haifer mieber ein einiger 
großer Staat geworben ift, unb bureb welche SRittel unb Sßege wir 
iiber ba« $>eer oon Junberniffen hinweg gum großen Siele fanten. 
Sreilicß ergäblt er ba« im Done be« Litauen, welcher fein §>erg* 
btut babei oergoffen bat, ber faft nie ben Danf unb ba« Ber* 
ftänbniß, ba« er erwartete, fanb, ber faft nie jur Stube, gum 
©enuß be« reinen ©lüde« unb ber oollen Bcfrtebigung feinet 
Schaffen« fatn. 

Der ungeheure bramatifche dinbruef be« SSerfe« fcheint mir 
mefentlid) barauf gu beruhen, baß e« bei aller Sd)lid)tbeit unb 
Stealiftif, bei bem gänglichen SRangel jebe« Bojtreit« unb jeher De* 
flamation bie innere Dragif be« weltgefchichtlichen gelben ergäblt, 
ber alle« ©roße für fein Baterlanb nur erreicht burd) innere dr* 
regungett unb äußere .Stampfe fo bitterer unb fo heftiger Art, baß 
all feine SRacßt, fein äußerer ©lang ihn nicht über feine dinfaui* 
feit unb bie Stichtanerfennung tröften fönnen. So feßr für biefe 
Stimmung feine dntlaffung 1890 mit* unb nadjgewirft haben mag 
— er oermeibet in oorneßmer Seife fie gu befprechen — fo wenig 
ift biefe hoch offenbar bie ©runburfaeße biefer burd)fcbimmernben 
Stimmung. Aud) Aße«, wa« er oorber erlebt bat, feine gange 
politifd)e Dßätiafeit oon 1862 an, tritt un« in ber Beleuchtung 
eine« erfeböpfenoen H'ampfe« unb eine« SRartyrium« entgegen. Unb 
babei ift ba«, wa« an feinem bergen nagt, wa« feine Steroeufraft 
erfdjöpft, nicht bie Steibung mit feinen Öeinben: bie belebt, erfreut 
unb erfrifdjt ihn. Stein, bie fio«reißung erft oon ©erlad), Stahl, 
Sagener, fpäter oon ber gangen fonferoatioen Partei, oon feinem 
Berwanbten Äleift*Steßow, feinem Sreunbe Blanfenburg unb halb 
auch oon Stoon, bie Kämpfe mit ben ©eneralen, bie ihn, ben Be* 
grünber all ihre« Stuhme«, 1870 oon jeber Beratßung au«fchließen, 
weil er, wie ber ftaifer gu ©raf d. Stolbcrg jagte/ 1866 immer 
Stecht in feinem Boturn gegen fie gehabt habe, bie Sieibitngen unb 
.Stümpfe mit ben anberen SRiniftern, ber erfeßöpfenbe Stampf gegen 
bie £>offamarilla, über bie er nie gang £err wirb, bie bittere dm* 
finbung, baß bei feiner dntlaffung 1890 bureb alle SRinifterien 
ie Stimmung einer Befreiung oon fd)wereni 3odj laut burd)* 
bricht, unb juleßt freilid) am meiften, baß er auch mit feinem oiel* 
geliebten Staifer nur burd) Kämpfe ber erfcbütternbfteu Art ßinbnrd) 
au«fontmt, baß biefer g. B. nach ber .Staiferproflamation in Ber* 
faüle« ihn ignorirt, an ihm oorbei gebt, ben ©eneralcn bie $>aub 
gibt, weil ber Stönig unb er bie Sage oorber fid) über bie Slrt ber 
itaifertitulation nicht batten einigen fönnen, — ba« finb bie 
bitterften Sropfen in bem £eibeu«fcld), ben er bann guleßt mit ber 
dntlaffung bi« auf bie $cfe leeren muß. 

Saß er feine eigene innere ©efd)id)te fo empfanb, baß er bie 
ungeheuren drfolge, bie große Popularität, bie feltene S)tad)t 
weniger fab al« bie oielfad) fleinen .Stränfungen, lag in feinem 
innerften Sefen nod) meljr begriinbet al« in feinem äußeren 
Sd)icffal. din SJtann oon fold)er S3illen«ftärfe unb fo tiefer ©e* 
miit«empfinbung, baß er, ber fcheinbar diferne, g. B. in Stifol^* 
bürg, al« er oon allen ©cneralen unb bem Mönig überftimmt 
wirb, nur noch fähig ift, in fein 3ünmer gu eilen unb in einem 
SBeinframpf gufammengubreeben, ein folcber SRanu war nicht fähig, 


fid) barmlo« wie SInbere gu tröften, er habe ja bocf) oiel erreicht, 
Sille« fei nid)t gu haben, d« bäumt in ißm ber Brometf)cn« auf, 
ber ba« Sd)icffal gwingen will, unb wo er e« nicht gwingeit famt, 
mit ben ©öttern babert. 

Slber bie ©öfter überlaffen ihren Lieblingen, bur<b welche fie 
ba« §öchfte au«richten, eine foldje Stolle nur um ben prei« bcr 
dinfatnfeit unb eine« gewiffen SJtartprium«. ^)er große biftorifebe 
©eniu«, ber fein Baterlanb rettet unb gur ©röße führt, fann ba« 
nur oollfübren auf einem fchwinbelnbeu Pfabe, auf bem ihm felbft 
bie Städ)ftftebenben oft nicht begreifen, ben erft bie folgenbe ©enc* 
ration in banfbarer Bcrebrung gang oerfteben fann. 

* * 

* 

dtwa« meßr al« bie Hälfte aller Kapitel ift ben äußeren Ber* 
bältniffen gewibmet. din meifterbafter Stücfblicf auf bie preußifdjc 
politif gibt un« bie dinftcht in ba« Urteil be« Rangier« über bie 
3cit oon 1786 bi« 1862: e« ift im ©artgen eine dpoche oerpaßter 
(Gelegenheiten, in welcher unfere Politif meift nicht in Berlin, 
fonbern in BSien unb Peter«burg gemad)t würbe; Preußen war 
1815 bi« 1850 faft ein ruffifeber "Bafaflenftaat. s Ba« in Deftcr* 
reich bie Beid)toäter, haben bei un« bie $abiuet«rätbe unb bie 
ebrlid)en, aber befdjränften ©eneralabjutanten oerfchulbet. 2)ie Be* 
ftimmbarfeit Sriebrid) B?ill)elm« IV. bureb ntel)r ober weniger geift* 
reiche Slbjutantcn, Sfabinet«rätbc, ©elebrte, unehrliche Streber, 
Pbantaften unb Höflinge war fein Utiglücf: ftatt nur auf feine 
SRinifter gu böi'en, oertrautc er fid) bem ©eneral oon Stabomife, 
„bem ©arberobier feiner mittelalterlichen Bbantafie", an. Slud) Honig 
BBilbelm unterliegt guerft ähnlichen ©cfabren; er läßt fid) 1854 gu 
einer falfcbcn Parteinahme für bie B>eftmäd)te, 1859 faft gur ^h e ^ s 
nähme am italicnifchen Hriege hiabrängen. Slber mehr unb mehr 
fiegt in ihm ba« richtige Slugenmaß für bie Realitäten, ber ftolge 
Patrioti«mu« unb bie dinfiebt in ba« Staat«intereffe über bie 
fonferoatioen Srabitionen ber ^eiligen SlUiang, über rontantifche 
dinfliiffe unb bie ^ofüberalen Hoterien. Smmer wieber betont 
Bi«tnarcf, baß man in ber au«wärtiaen Politif nur Schaben 
ftiftet, wenn man Sympathien, trabitioneTlcu (Sefiiblcn, allgemeinen 
Stichworten, wie Legitimität ober Hampf gegen bie Steoolution, 
folge, d« ift in feinen Bkrbejabren ein Siebltng«tbema gegenüber 
feinen fonferoatioen o^anben, wie falfd) e« fei, wenn man einen 
SRamt wie Stapoleon III. reige unb gurüefftoße, weil man fief) in 
Berlin noch in ber Stimmung oon 1813 fühle. Shir ba« Jsntercffe 
be« eigenen Staate« biirfe maßgebenb fein, ba« man freilich mit 
weitem Blicf, mit Abwägung aller Begiebungeit flar unb fcharf 
nitb mit federn, fiihnem SRutbe erfaffeu nuiffe; in ben klugen* 
blicfen be« drfolge« biirfe man aber aud) nid)t etwa gur Be* 
friebigung nationaler ditelfeit ober be« militärifcfjen Stuhme« einen 
Sd)ätt gu weit geben. 

Sie biftorifd)e Slbwaitbelung bcr prenßifcheu Begiebungeit gu 
Stußlanb, Defterrcidj, Jvranfreid) in erfier Linie, gu Italien, dug* 
lanb, ben auberen beutfdjen Staaten in gweiter Linie wirb in allen 
ihren phafeu, s D?öglid)feiteu, Spannungen unb Annäherungen ge* 
fchilbert; oölferpft)d)ologifche Bilber wechfeln mit ber drörtcrung 
be« dinfluffe« ber Stegierungöfyfteme; e« wirb für feinen b^an* 
wachfenben bcutfd)cn Diplomaten ein lebrreid)ere« Stubium geben, 
al« ba« biefer Blätter, wenn aud) heute bie mitfpreebenben gaftoren 
thcilwcife fd)oit wieber etwa« anbere finb, al« in ber 3 C ^ 0011 
1850—1890, auf welche bie drörtcrung fich begießt 

Die ^rage wann, für wa«, in weld)er europäifchen Houftella* 
tion preußen ober Deutfd)Iaub gunt Mriege fd)rcitcu biirfe, bie dr* 
flärnng, warum bie Mriege 1864, 1866, 1870 berechtigt, bie 
broßenben, tßeilweife aueß in Dcutfd)laub gemünfdjten 1867, 1875 
abgeweubet werben mußten, fteßt im SJtittelpunft biefer drörternngen. 
Unb bamit oerfuiipft fid) natiirlid) bie anbere, burd) weld)e Biinb* 
niffe Deutfd)laub feine Stellung behaupten unb ftärfen nuiffe. d« 
ift nidßt unfere Sad)e, hierauf eingugeßen. Bicllcidjt am lehrreich* 
ften ift babei, wa« Biemarcf über fcefterreid) unb ben Drcibunb, 
über feine bi« 1850 gunirfreid)enbe Abfidjt äußerte, Defterreid) bie 
Aiißrung Deutfd)lanb« abguueßmen, aber gu ißm itt ba« Berßältniß 
eine« engeren Bnnbe« gu foutmeu. Bi«marcf ift bi« 1850 gut 
öfterreichifcß. drft Sdyoargenberg« Deuife in Begug auf preußen: 

Avilir. puis demolir t: öffnet ihm bie Augen bariiber, baß ßier 
eine Aii«ciuanberfeßung mit Blut unb difert nötßig fei: aber er 
fließt fie gu ocrmciben/ fo lange er fann, nitb al« fie bann fatn, 
fo rafd) unb fo milb al« möglich gu bceuben. dr wäre 1864 im 
! Dftober fogar gu einem 3°üuerein mit Ccfterreicß, hauptfädjlicß 
| um Stedjberg gu halten, bereit gewefen, wenn ißn uid)t bie auberen 
I Biiniftcr uub Delbriicf baran geßinbert hätten. Daß er, um nießt 
I mit frangöfifdjer theurer .§>ülfc bie bentfeße Srage gu löfen, bie 




Sogiale Pra|i3. Eentralblatt füt Sojialpolitif. Br. 9. 


214 


21Ä 


Biinbnifeanträge BapoleonS III. ablehnte, ift befannt. Bidjt aber 
— fo r>iel id) weife — bie Ablehnung eiltet ruffifdjen Bwtbnife- 
antrageS im Fahre 1863, welches einen ftrieg gegen Frankreich 
nnb Deflerreid) unb bie Bieberwerfung ber fort|d)ritt(id)en Dppofi* 
tion gum 3 tü ede hatte. BiSmard empfahl bie Ablehnung, um nid^t 
Defterreid) p gefäfjrben, um nicftt bie beutfdje unb bie BerfaffungS* 
frage mit Mofafen 311 löfen unb nicht baburd) bie Abhängigfeit 
non Bufelanb 3 U fteigern. „^afe ber $önig," fügt er in Begug 
hierauf, „1863 feine fdjmer gefränFte Empfinbung als Blonarch 
unb als Preufee nid)t über bie potitifcfjen Erwägungen Herr werben 
liefe, beweift, wie ftarf in ihm baS nationale Ehrgefühl unb ber 
gefunbe Btenfd)enoerftanb waren." 

3)ie Stellung BiSrnardS gegenüber ben anberen beutfchen 
Staaten unb ben beutfchen dürften unb bamit feine Anfchauungen 
über bie föberatioe beutflhe Berfaffung ift fchon bisher allgemein 
befannt. Er war ein fdjroffer ©egner beS rabifalen HnitariSmuS, 
wie ihn £reüfd)fe wiinfdjte, obwohl er aus SdjIeSwig^olftein 
feinen neuen Bfittelftaat werben laffen wollte, §annooer, ^urljeffen 
unb Bafiau bem preufeifdjen Staate einoerleibte. Aber bie £efer 
werben in ben „©ebanfen" bodt) oiele braftifdje Ausführungen unb 
neue ©rünbe für feinen Stanbpuuft finbeit. Ueberaus lehrreich ift 
in biefer Stellung baS Kapitel über „Stämme unb 6 E)puaftien", 
baS 3 eigt, wie fefer BiSmard bod) aud) oÖlferpfpchologifchen ©e* 
banfenreiben gugänglich war. „3>er Sd^lüffel 3 ur beutfchen Politif," 
fagt er ba, auf 1848—1866 gurüdblidenb, „lag bei ben dürften 
unb SDtjnaftieu, nicht bei ber Sgubli^iftif in Parlament unb preffe 
ober bei ber Barrifabe." 

* * 

* 

Auch bie Anfchauungen BiSrnardS über bie grofeen inneren 
BerfaffungSf ragen ber ©egenwart unb fpe^ieH ber preufeifdjen unb 
beutfchen finb im ©angen bisher fcfjon befannt gewefen. Aber fie 
erfjalten hoch mancherlei neue Beleuchtung. 

Er ergäbt, bafe er, mit Speftalos^i^a^nfdfjen ©runbfäfeen er* 
gogen, bie Schule mit ber Uebergeugung oerlaffen habe, bie Bcpu- 
blif fei bie oernünftigfte Staatsform; er betont, bafe fein Bater 
frei oon ariftofratifc^en Borurtheilen, feine Blutter oon fo liberalen 
Xrabitionen erfüllt war, bafe fie, am £eben bleibenb, faum mit ber 
Bicfetung feiner minifleriellen St^ätigfeit gufrieben gewefen wäre. 
Bon bem Eintritt in bie Bnrflhenfdpft hielt ihn hauptfäd)li<h ber 
Mangel an Ergiehung unb bie utopiftifdje Ueberfpanntheit ihrer 
bantaligen ©öttinger Blitglieber ab. Für ein AbelSregiment fei 
er nie gewefen, habe nie geglaubt, bafe ©eburt ein Erfafe für 
mangelnbe iüchtigfeit fei. Aber ben guten preufeen unb ben 3 UU 1 
entfchloffenen Bionarchiften geworbenen ftänbifch s liberalen ©utsbe* 
fifeer ber oter^iger Fahre reigten bie Flachheiten unb Plattheiten 
beS IHberaliSmuS jener £age gum Kampfe. 2)ie polternbe .£)eftig« 
feit BindeS, bie Sentimentalität BetferatfjS, ber rheinif<h-frangöfifd)e 
IHberaliSmuS BfeoiffenS unb oon ber H^btS erzeugten feinen BSiber* 
fpruch unb liefeen ihn auf bem Bereinigten #anbtage als Funfer 
unb extremen Bogaliften erfcheinen, währenb bie unumfehränfte 
Autorität ber alten preufeifdjen $önigSmad)t fchon bamals nicht 
fein lefeteS B$ort war. „^er AbfolutiSntuS, fagt er, bebarf in 
erfler Ötnie Unparteilich Feit, Ehrlichfeit, pflichttreue, Arbeitskraft 
unb innere 3)emuth beS Begierenben; finb fie oorhanben, fo wer* 
ben hoch männliche nnb weibliche ©ünfllingc, im beften Falle bie 
legitime Frau, bie eigene Eitelfeit nnb Empfänglid)feit für Scbmeidje* 
leien bem Staate bie Früchte beS föniglidjen B3ohlwollenS oer* 
für 3 en, ba ber Bionard) nicht aHmif[enb ift unb nicht für alle 
3meige feiner Aufgabe gleiches Berftänbnife haben fann." AuS 
biefen ©rünben fei er fchon 1847 für eine öffentliche ^ritif in 
Parlament unb Preffe gewefen. ÜIRan mag gweifeln, ob ba nidjt 
theilweife fpätere Erfahrungen in jene 3 e ^ übertragen werben; 
BiSmard fagt felbft, biefe Sluffaffung hätte fich in bem Biafee bei 
ihm ausgeprägt, als er bie§offreife unb bie ©efahren beSBeffort* 
Patriotismus näher fennen gelernt habe. FebenfallS finb bie 
Sleufeerungen wichtig unb forrigiren baS Bilb oon bem tollen 
Sunfer, in bem Friebrich BMlljelm IV. feinen Freunb unb Schüler 
fah, wefentlich- 

S)aS Berhältnife BiStnarcfS 311 biefem Fürften tritt uns wohl 
aus ben 2 luf 3 ei<hnungen 3 um erften Bial Flar entgegen. 2 )ie 
beiben geistreichen Biänner 3 ogen fid) an; bie ritterliche Streue unb 
ber füfene Biuth beS Fünfers feffeln ben ßönig ebenfo, wie bie 
oerblüffenbe Wahrheit feiner politifchen Erörterungen unb Bath* 
fchläge, benen er hoch nicht 311 folgen wagt. 2llS BiSmarcf ihm 1854 
ein fühneS Auftreten gegen 0 efterreid) unb F^anfreith zugleich räth, 
antwortete er: „3>aS is fehr fchöne, aber es iS mich 3 U tljeuer, 
foldje ©ewaltftreiche fann ein Btann oon ber Sorte Napoleon 


wohl machen, ich aber nicht." BiSmarcf oerfieht bie Stelle eines 
Spiritus familiaris beim SFönig, beforgt ihm BJinifter unb oerföhnt 
fte wieber mit ihm, entwirft ^epefdjen, wirb über 2WeS ge¬ 
hört, foll felbft immer wieber Bttnifter werben, weife bem aber 
gefchicft au$ 3 uweichen, weil er wohl empfinbet, bafe er als Btinifter 
nicht mehr mit bem romantifchen, wedjfelnben Stimmungen unter* 
liegenben ^önig auSfäme. Es ift eine &hätigfeit neben ben 
Bhniftern, wie fte BiSmarcf fpäter als Bfinifter auf baS h € f^gfte 
jeberseit befämpft hat, bie aber hoch bamals oiel ©uteS bewirfte; 
freilich toefeittlich beShalb, weil BiSmarcf nie gegen Btanteuffel 
intriguirte, immer nur bie Sache, nie feine Perfon im Sluge hatte. 

BiSmarcf bient bem ft'önig auch als geheimer Slgent bei ber 
fonferoatioen Partei, weife biefe für bie £>errenhauSpläne beS 
Königs 3 U gewinnen; er fügt aber bei, er fehe, bafe baS nicht 
richtig gewefen, wie er es fchon bamals, freilich gan 3 oergeblich, 
bem Könige oorgeftellt habe. S)ie frühere erfte gewählte Kammer 
fei 3 ur Söfung ihrer Aufgaben befähigter gewefen, als baS nun 
frei oom S^önig gebilbete, als fein alter ego erfdjeinenbe §erreit* 
hauS: eine erfte Kammer bürfe nicht in ber öffentlichen Bteinung 
als IDrgan ber Regierung gelten. Ein muthigeS Sfönigthum be- 
bürfe folcher Brüden nicht. Fa ber $onfliftS 3 eit habe baS Herren¬ 
haus 3 war burch furchtlofe ^reue fich auSge 3 eichnet, aber nicht 
burch mehr^ Eine erfte Kammer, wie fie bis 1854 beftanb, würbe 
burch bie Sadjlichfeit unb Selbenfchaftsiofigfeit ihrer Debatten 
fdjon oiel früher auf baS SlbgeorbnetenhauS ermäfeigenb einge* 
wirft unb helfen SluSfchreitungen oerhinbert haben. Er würbe 
20 Fahre fpäter aus ber Beibehaltung ber erften Kammer gegen 
ein H erren bauS eine $abinetsfraae gemacht haben. ®iefc Ein* 
fchäfeung beS HerrenhaufeS, bie faft an bie Schriften oon Sweften, 
©neift, Eonftantin Böfeler erinnert, wirb felbft für oiele genaue 
Ämner BiSmardS iiberrafchenb fein. 

Bei ber Er 3 ählung, wie er mit arofeer Bfühe ben Äönig ba 3 u 
gebracht habe, 3 U 3 ufiimmen, bafe im äuguft 1866 für bie bubget* 
lofe Regierung oon 1862 bis 1866 Fnbemnität oom Sanbtag ge* 
forbert werbe, Fommt BiSmard auf bie BerfaffungSfrage 3 urüd: 
®er SlbfolutiSmuS fei feine F° nn einer in ®eutfd)Ianb auf bie 
$auer haltbaren ober erfolgreichen Regierung. 4>ie preufeifche 
Berfaffung fei in ber Hauptfache oernünftig, inoeui ber ft'önig unb 
jebe ber beiben Kammern ein Beto habe; es laffe fich mit berfelben - 
regieren. $ur 3 oorfeer oertheibigt er bie Äon 3 ebirung beS allge¬ 
meinen Stimmrechts, nur öffentliche BSahl fei nöthig, wie er fie 
urfpriinglid) geforbert. ^)amit erhalte ber Einflufe ber ©ebilbeten, 
als ©egengewicht, feine BSirffamfeit. Fn jebem StaatSwefen fei 
baS Streben ber SRichtbefifeenbcn nad) Erwerb fo berechtigt, als bie 
2 enben 3 en ber Befifeenben; aber baS Uebergewid)t berer, bie ben 
Befife oertreten, fei baS 9füfelid)ere. Ein Regiment ber Begehr¬ 
lichen, ber novarum rerum eupidi, unb ber Bebner, welche urtpeilS* 
lofe Bcaffen belügen, er 3 euge leicht eine Unruhe, welche ftaatliche 
©emeinwefeit nidjt ohne Schaben aushielten, welche eine gefähr¬ 
liche Befchleunigung ober gar 3 er frümmerung beS Staatswagens 
er 3 euge. Unb wenn bann auch Blaffen felbft burch baS Örb- 
nungSbebürfnife 3 ulefet wieber pr 2)iftatur unb 3 um EäfariSmuS 
geführt würben, fo geflhehe baS unter Aufopferung auch ^ e * 
rechtigten unb feft 3 uhaltenben BtafeeS oon Freiheit, baS europäifch 
ftaatliche ©efeEfdjaftcn ertragen. 

^)iefe hifiorifchc Betrachtung über ben Kreislauf, bem bie 
heutigen europäifchen rnonard)ifd)en Staaten unterliegen, ber oon 
ber abfoluten Btonarchie 3 ur gan 3 * ober halbrepublifanifdjen Staats- 
form unb 3 ur Babifalifirung öfter Fnftitutionen führe unb ftets 
mit bem EäfariSmuS enbe, Hingt an oerfdflebenen Stellen beS 
BkrFeS wieber an; biefen pro 3 efe fo auf 3 uhalten unb gu mo* 
beriren, bafe weber bie Anardjie noch ber EäfariSmuS eintrete, 
fönnte man als baS 3i ß l f e i n ^ r inneren politif bezeichnen. Aber 
nirgenbs geht nun ber grofee Staatsmann auf bie Asiaten, bamit 
in Berbinbuitg ftehenben Fragen ein; er berührt weber baS 
Sogialiftengefefe noch ben Arbciterfchufe unb bie Arbeiteroerficherung, 
ber erörtert weber bie Sogialbemofratie noch bie ©ewerfoereine, 
weber Kartelle noch Sohufämpfe; er bringt bamit gewife bie fogial- 
politifchen Beaftionäre, bie fich jefet fo häwfig auf ihn berufen $u 
bürfen glauben, in Berlegenhcit. Fdj inöd)te fagen, er geigt bamit, 
bafe ihm biefe Fragen nicht fo am H er gen lagen wie bie, welche 
er eingehenb bespricht. 

Aud) nach ber mehr politifcf) oerfaffungSred)tlichen Seite hin 
erörtert BiSmard baS oon ihm aufgeftellte hiflorifche ©efefe leibet* 
nicht näher. BMr bebauern baS, weil baS ©efefe in feiner Allge¬ 
meinheit gewife ebenfo wahr ift, als bie Auffinbung beS Büttel- 
wegeS fcfjwierig erfd^eint, ber ber gefürchteten ilonfequeng auSgu- 
weichen, aber bod) bie berechtigten Forberungen ber 3eit, wie 



21 & 


^ogtale Prajis. ßentratBlatt für 6ogialpoItttf. Elr. y. 


*2t6 


allgemeines Stimmrecht, gu bewilligen oerftet)t. ViSmarcf fommt 
nur nod) furg unb anbeutungSweife auf einige herber gehörige 
fragen, g. 23. ben Ginfluß beS VefibeS unb ber Gilbung oßne Veftß in 
ben Parlamenten. Die befißlofe Gilbung finbet er nie! gu ftarf oer* 
treten; roäfjrenb fie im Voll nur wenige progente auSmadje, ftcige 
Tie in ben Kammern auf über bie §älfte. Dabei giebt er aber an 
anberer 'Stelle gu, baß bie ben Vefiß oertretenben Elbgeorbneten 
meift träge, wenig arbeitfam. babei leid;t ncrftirnmt unb eljrgeigig 
feien, nod) mehr als anbere ohne eigene Prüfung ben Rührern 
folgen, wäfjrenb bie ©ebilbeten oljne Vefip in ber Siegel mehr 
Elrbeitfamfeit unb RnteUigeng geigten. 

Die Mittellinie, welche unfer VerfaffungSleben einguhalteit 
habe, bcgeidjnet ViSmarcf 00 m Stanbpunft ber Grhaltung guter 
Minifterien fo: Die Mritif ber Parlamente unb ber Preffe foü in 
ben Sdjranfen fich holten, foH burd) baS pofitioe Elecbt unb bie 
politifdje Grgiehung fo bemeffen werben, baß unfähige Minifter 
baburd) befeitigt, fähige aber auch gegenüber gelegentlichen 
Majorität^bftimmungen, Schwanfungen ber öffentlidjen Meinung, 
jeitweifen Eingriffen ber preffe unb ,pof* unb Hantaridaeinflüffeit 
fid) beiten fönnen. DiefeS fei Ins gu bem nadj menfd)lid)er 
UnooÜfommenbeit überhaupt erreichbarem ©rabe annähernb unter 
Maifer EBiUjelm I. erreicht gewefen. 

Elach biefem Eluerfenntniß follte man erwarten, baß ViSmarcf 
auch bie Gjifteng unb EBirffamfeit ber politifdjen Parteien aner* 
fennen würbe. Elber er oerweilt auSfchließlid) bei ben Sdjatten* 
feiten ber heutigen Parteien, was ja pftjchologifch wohl begreiflich 
ift, ba Eliemanb mehr als er unter ber Unreife unferer beutfehen 
politifchen Parteien litt. Rebe Partei, meint er, treibe politif, als 
ob fie allein wäre; auf bem EBege beS Parteihaffes färnen fie bis 
gur Unehrlichfeit unb Vaterlanbslofigfeit, bis gur Einweisung oon 
Mitteln, bie jeher in feinem prioatleben oerwerfe.; nicht Programme 
unb pringipien fchieben fie, fonbern perfönlidje 3iüc(fc; bie Rührer 
unb SRebner feien Gonbottieri, bie eine ©efolgfdjaft oon Strebern 
um fid) fammelten; bie Parteianhänger wollten mit ben Rührern 
gur Macht unb gu Stellen fontmen. Elm meiften geht er ins ©e* 
rieht mit ber fonferoatioen Partei; er mieberholt EtoonS befannte 
EBorte oon ber Verworrenheit, Elatf) s unb Mopflofigfeit biefer 
Partei, oon ber neibifd;en unb boshaften lleberhcbung Singeiner 
in ihr. Gr fpricht wieberholt ben Vorwurf aus, baß oiele 
ber Runfer in farmatifchem ©leidjheitsbrang ihm bie Minifier* 
fteHung, bie Dotation unb ben Rürftentitel, ber ihm fo fel;r wtber* 
ftrebt habe, geneibet hätten. ®ie Elbwenbung ber Monferoatioen 
oon ihm, ihre Eingriffe gegen ihn 1868—76, ergäl;lt er itodj mit 
bem gangen ©roll ber ge)tern erlittenen Mränfung unb mit ber 
Gntrüftung über bie großen politifdjen Rebler, bie fie bamit be* 
gingen. Der VerleumbungSfelbgug ber Mreuggeitung unb ber 
EteichSgtocfe gegen ihn unb feine Rntegrität hat ihn wohl am 
allermeiften gefdjmergt; es war auch ber thörichtftc unb unwahrfte 
Eingriff, ihn als einen Vegünftiger ober Dheilnefjmer bes langes 
um baS golbene Malb gu oerbädjtigen. |>ätte er iljn mitgemacht, 
wie g. V. einft Magarin ober Richelieu, fo hätte er wie biefe ein 
Vermögen oon 100 - 200 Millionen htuterlaffen unb nicht ein für 
einen Rürften mäßiges oon einigen wenigen, baS ben Dotationen 
unb bem Miniftergehalt entfpricht. 

Rrnmer geht biefe Parteifritif an manchen punften über bie 
ViÜigfeit unb bie ^iftorifd;e EBahrljeit IjinouS. ViSmartf giebt 
generalifirenbe Urtheile ab, auch wo er nur einige beftimmte per* 
fonen im Sluge hat. Unb bie großen geiftigen Strömungen, als 
beren Grgebniß hoch bie Parteien fid) barftcllen, ftehen ihm häufig 
nicht fo oor ber Seele, baß er oon hier aus bie Parteien innerlich 
oerftünbe. EBährenb er alfo hier theilweife übers Riel hinaus* 
fließt, fdjeint baS mir gar nicht ber RaU ba, wo er auf bie 
Schilberung feiner Minijterfoliegen unb oerfdjiebener CGefanbten, 
auf bie Monflifte, bie er mit ihnen hatte unb bie Eieffortfämpfe, 
welche bamit gufammenhängen, fommt. Sr ift hier ebenfo maßoofl 
als utnfidjtig; ich glaube, baß in ben gasreichen biefeS Dljeuia 
behanbelnben Partien einer ber bebeutfamjten Verträge für eine 
praftifche politif geliefert ift. Rn unferen großen burcanfratifdjcn 
Staaten mit ihren organifirten Veamteugruppen, beren ElrbeitS* 
theilung unb Reuereifer für ihr Eleffort ift es eine ber größten 
©efahren, baß ber Staat unb baS ©aitge burd) bie Eieibung ber 
EteffortS unb burd) bie geitweilige einfeitige .J>errfchaft ber eingelneu 
©ruppen gefährbet werbe, baf 3 fo eine tl;eils gelähmte, tljeils falfdje 
StaatSleitung entftehe. Reh habe baoon fd)ort bes Näheren in 
meinen ViSmarcfbriefen gefprodjert unb barf heute babei nid)t oer* 
weilen, fo oieleS gu fagen wäre über bie Elrt, wie ViSmartf biefe 
Rrage in 3ufammenhaug mit ber nothwenbigen Sinheit ber Staats* 
oerwaltung, mit ber De^nif ber ©efefcgcbung befprichh wie er oon 


biefem ©efidjtSpunft aus bie EBieberbelebung beS Staatsraths oer* 
fuchte, wie er bie Eiolle bes Ieitenben MinifterS gegenüber ber in 
gewiffen ©reugen nöthigen Selbftänbigfeit ber anberen Minifter 
gu beftimmen fucht. 

EBid)tiger ift gulefet hoch noch bie poiitifdje, mit ber oorher* 
gehenben freilich vielfach gufammenhängenben Kernfrage, bie man 
neben ber auswärtigen politif bas .fauptthema feiner Srinnerungen 
nennen fönnte: wie fann unb foll baS Verhältnis bes Ieitenben 
MiuifterS gunt Rürften fein. Das ift bie wahre Eldjfe ber inneren 
politif bes prenßifchen Staates feit 1786. Eitle entfdjeibenbeix 
Strifen unb EBenbungen unfereS Staatslebens brel;ten fich mit ba* 
rum; man fann ohne Uebertrcibung fagen, in immer neuen Ein* 
läufeu fämpften bie Ieitenben Minifter oon ^erfcberg, Stein, 
£>arbenberg bis gu Mantcuffel, ViSmarcf unb Saprioi um bie 
normale ©eftaltung biefeS fdiwierigfteu politifdjen VerhältniffeS. 
Die ,£)ohengollern wollen mit Eiecht bie Ieitenbe Stellung behalten, 
aber bie ungeheure fiaft ber ©efchäfte unb bie Eiothwenbigfeit für 
bert $önig oon preufjen, in erftcr Üinie Dffigier gu fein, bie Ver* 
faffnng unb bie heutige Deffentlitfjfeit gwingen hoch in immer weiter* 
gchenber EBeife bagu, aus gehonhenben, burch bie Unterfdjrift 
bes Königs gebeeften, bei DiffenS nidjt gurüeftretenben Minifteru 
felbftftäubige ocrantwortliche Dräger einer eigenen Politif gu machen, 
welche gugicid) bie gangen inneren Staatsgefdjäfte tedjnifrf; oer* 
ftehen unb befjerrfchen, weld)e nur ihr Programm auSguführen bereit 
ftnb. Das Problem ift nidjt etwa erft mit ber Verfaffung entftanben; 
fchoit 1806 — 15 hanbeltces fich im abfoluten Staate um bie Rriebrich 
EBilhelm III. fo ferner werbenbe Srfenntnife, bafe bie Eiettung bes 
Staates in ber Elufridjtung, in ber redjten EBirffamfeit unb 
Äompetengabgrengung eines fclbftänbigen, baS geheime Üabiuet 
beherrfdjenben, ben Slönig täglich beeinfluffenben Staatsfangieramtes 
liege. 

EBaS uns ViSmarcf über biefe widjtigfte fonftitutionelle Rrage 
ergählt unb oorträgt, ift in erfter ^inie rein PerfönlidjeS; unb es 
ift flar, baß bas perfönlidje inbioibueüe Verhältnis beS £önigS gu 
feinem Minifter immer gulept bas ©ntfdjeibenbe für baS Rufamnten« 
wirfeu unb bie itonflifte ift. Elber auch biefeS perfönlidje ift be* 
bingt burch bie Sitten unb (Gepflogenheiten, bie inftitutionelleu 
(Sinridjtungen, welche ben ^lönig wie ben Minifter binben, iljnen 
eine beftimmte Elrt beS Verljältnifics als hergebracht unb uoth s 
wenbig, heilfam ober fdjäblidj erfdjeineu laffen. 

(Ss ift guuädjft bie Rrage, inwieweit ber Eiegeut einer ©roß* 
macht heute nodj fein eigener Minifter fein fönne. Rm Ranuar 
1859 fagte ber Pringregcni gu ViSmarcf, baß er fein eigener aus* 
märtiger unb itriegsminifter fein werbe; biefer fudjte ihm fofort 
gu bemeifen, bah baS heute unmöglich fei. Gs fjanbelt fich bann 
weiter barum, ob unb inwieweit bie anberen Minifter bem leiten* 
ben beim ^önig entgegentreten bfirfen, wogegen in Preußen bie 
befannte £abinetSorbre gu Manteuffcls 3 e rt erlaffen würbe, bie 
1890 eine Efolle fpielte. 3 U ViSmarcfs 3^ü oerfnüpfte fich bamit 
bie weitere Rrage, ob ein leitenber Minifter persona grata bei 
ber Rürftin fein müffe, wie es Sdjleiuiß war, ob in ber Perfon 
beS föniglichen §ansminifterS eine Elrt weiblicher ©egenregierung 
gebulbet werben fönne, oljne bie Ruh^ ber Rriftionen an oberfter 
stelle bis ginn liebermaß gu fteigern. lieber Derartiges flagt 
ViSmarcf am meiften. Gbenfo widjtig ift bie Steünng ber oberfteu 
militärifchen Eiatljgeber bes Königs gu bem Minifterpräfibenten. 
Die Rrennbfdjaft ViSmarcfs mit Eioon unb Moltfe Ijinberten nicht 
bie ftarfften Mampfe, wie id) fchon erwähnte. Mit leibenfdjaftlidjer 
(Energie betont ViSmarcf, baf; ber erftc Minifter unb itid)t bie ©e* 
uerale bie Gntfdjcibnng audj über Mrieg unb Rrieben, wie über bie 
Elrt ber Mriegfüljrung haben miiffe, ba auch leßtere ftets politifdhe 
Vcbeutung habe. Daß bie (Generale ftets leicht gum Mrieae 
brängett, will er nicht oerurtljeilen, aber heilfam fei es nur, fo 
lange ein großer Minifter unb ein Mönig fie im 3 au me holte, ber 
bas redjte Efugenntaß Ijobe unb gegen unberechte Ginflüffe wiber* 
ftanbsfäljig fei. 

Eluf 3 er bjefen nie gu oermeibenben Elebeneinfliiffeu ber oberfteu 
Spißeit bcS Staates auf bert Mönig, ftehen aber audh aüeperfonett 
in Monfurreng mit bem Mangler, bie überhaupt regelmäßig ben 
Möuig fehen^unb fpfedjen: bie MabinetSräthe, ©enera(*Eibjutanten, 
perfönlidje Rreunbe, bie burdj iljre gefellfdjaftlidjeu Vegieljungeit 
an bett Monardjeit hereinfotnmenben. Rn Gnglanb wedjfeln mit 
bett partei*Minifterieu feit lange audj bie Mammerfrauen, nicht um 
bie Moitigin gu träufelt, fonbern bie. Rohl ber freugenben Ginflüffe 
gu miubcrit. Ellle foldje perfotten werben einem Minifter baS 
Vebeu um fo fdjwerer madjeit, als fie meift 001 t ben Staats* 
gefdjäften weniger als bie Minifter, oft gar nichts oerftehen, oon 
Gitelfeit unb anberen unfachlidjen Motioeu getrieben werben. 



217 


Sojtale PrajiS. Eentralblatt für ©ojialpoltttf. SRr. 9. 


21 « 


PiSmarcf fatin fic^ nicht genug thun, über fie 31 t Hagen. SöoHen 
wir billig fein, fo werben wir jagen, bah folrfje Einffiiffe nie gans 
gu befeitigen feien, aber innerhalb gewiffer ©rensen firf) galten 
muffen. $)er Regent fanti niegt itt ber SSagl feines Umganges, 
feiner 9lbjutanten unb Generale, feiner Wiener gan 3 beoormunbet 
werben, fonft wirb ber Ieitenbe 9Rinifter sutn ^auSmeier; oollenbs 
in 3 e ^ e « ber Hrife, beS 3weifelS an ihm muh ber Hönig auch 
anbere Perfonen hören fönneu. ?lnbererfeits muh ber Ieitenbe 
s Dtinifter forbern, baf$ nicht unoerantwortlichc Stafhgeber mehr bas 
Dhr beS Königs haben als er, wie bah bie anberen 9)tinifter nur 
in llebereinftiinmung mit ihm ben Honig berathen, bah taftlofc 
Sntriganteu unb Streber fieg nicht beraubrängen bürfen. Es ift fo 
thcilS Sache beS Saftes unb beS gegenfeitigen PertrauenS, theils ber 
Hofetiquette unb beS pofitioen Rechts, wie ber .Honig su berathen 
fei. 3ulept, wenn ber Ieitenbe Minifter nicht mit feinem SJtatlje 
buregbrirtgt, hat er baS PreffionSmittel ber HabinetSfrage, fofern er 
fich erhcblicge Serbienfte erworben unb bei ben Parlamenten unb 
ber öffentlichen Meinung einen Sücfhalt gefunben hat. PiSmarcf 
hat es auch $aifer Wilhelm I. gegenüber öfter unb ftetS mit (Sr* 
folg angewanbt. Unb man wirb nicht fagen Fönneit, bah Haij'er 
SBilhelm fich babei etwas oergeben habe. 3 $ habe bem, was id) 
in meinem erften PiSmarcfbrief ( 1 . Sept. 1898) über biefe HonfliFte, 
ihre pfpdjologijchen Urfachen unb bie ftetS wieber gelingenbe Ser* 
föhnung fagte, weber etwas susufügen, noch auf ©runo ber „(Sr* 
innerungen" etwas 311 änbern. PHe ich bort fegon fagte, erfegeint 
bie ©rohe beiber SRänner gerabe giebei in ihrem reinften Sichte. 

* * 

* 

Sch glaube baba: auch, bah bie oollftäubige Slufbecfung biefer 
HonfliFte unb ber jebeSmaligen Perfopnung, weldje hier sunt erften 
SRale rficfpaltlos gefiept, niegt nur nicht fegaben, fonberu Segen 
ftiften wirb. $ie oolle Wahrheit gleicht auch hier bem Speere, 
ber wohl SBunben fcplagen Faun, aber fie ftetS auch geilt. $ur 
wenn bie ^Dlenfcgen enblicg 311 begreifen anfangen, wie unenblich 
jepwierig baS Regieren, baS 3 u fammenfaffen Pieler 3 U einem 
Sßillen, ja nur baS einheitliche 3ufammenwirFen sweier großer unb 
ebler Piänner burch Sabre pinburd) ift, werben fie beginnen, etwas 
oerftäubiger über politifege fragen su urtgeilert. 

Unb ber lebte Eiubrucf ber „Erinnerungen" wirb nach beut 
erften iragifegen hoch am Enbe ber oerjöbnliche fein; gerabe burch 
bie 9lrt, wie PiSmarcf fein 3Sergältnife su Haijer Wilhelm ftfjilbert. 
Glicht ohne XMbficgt finb bie Mapitel über bie beiben lebten Haifer 
ans Enbe geftellt. SRicpt mit Porten beS ©rolls, wie er fie oor* 
her rcicglicg nach ben oerfcgiebenften Seiten ausgefepüttet, fcheibet 
ber eiferne Hansler oon feinem PolFe, fonbern mit Porten ber 
Siebe, ber pietät, ber $)anfbarfeit. 

Haifer SBilhelm wirb freilich in ben gansen 3 wei Pänben nur 
mit Verehrung behanbelt. 2lls er in SftiFolsburg PiSmarcf oor* 
geworfen hatte, er laffe ihn oor bem Jeinbe im Sticp unb 3 winge 
ihn 311 fchmachooUem ^rieben, fügt PiSmarcf bei, er habe fid) an 
biefer unoerbinblichen Sorm ber 3 ujtimmung 3 U feinen SBorfcglägen 
nicht geflohen, unb beUagt es, bah er feinen geliebten Herrn fo habe 
oerftimmen müffen. $uit im oorlepten Kapitel fegilbert er in 3 h* 
fammenbang bie perfönlidjfeit beS HaiferS; ohne iibertreibenbeS 
Sobmort, ja bie Eigenheiten unb ©re^en fegarf be 3 cichnenb, aber 
bie frönen ritterlicgen unb groben 3 üge in fo rührenber SBeife, fo 
binreibenb 3 eichnenb, bah inan fagen muh: fo fchön unb fo wahr 
ift entfernt Fein anberes Porträt. PiSmarcf erfegeint nur als ber 
SehnSmann, als ber treue Wiener beS treuen Herrn, ber fich jebe 
Perftimmuug, ja jebe Ungeredjtigfeit gern gefallen läht, wie ber 
Sohn es oom Pater hinnimmt. Er ersäplt, wie ber Haifer offen 
fagt, er wiffe, bah er oon ihm geleitet werbe, bah er ohne ihn fich 
in feinem Filter „blamiren" wiiroe, wie aber all baS feiner Fönig* 
liehen P$ürbe nie Eintrag gethan, weil er fich feiner hohen 
Stellung unb feines PkrtpeS ftetS bewuht gewefen, baher er nie 
eine Spur oon Eiferfucpt auf ben .Hausier geseigt habe. Unb faft 
wie ein Snbel Hingt eS, wenn er sulept anher ben oorher fegon 
eingeftreuten ^anFeSbriefen beS Haifers nun noch eine ganse Serie ' 
oon folcgen abbrueft, als wolle er fagen: Seht, ihr s Sfäfler unb 
Seinbe, biefer Eine, mein Herr, ber rnidj Fannie, er hat mich oer- 
ftanben unb gewürbigt! 

Sluch was über Haifer Sriebrich gefagt wirb, ift in ähnlichem 
©eifte gehalten. 3br Perpältnih su einanber habe bis 1860 ab 
unb 311 gefchmnnFt, fpäter nie mehr. Sn ben entfeheibenbeu Hon* ; 
fliFlen mit PMlbelm I. war ber Hronprins ftetS auf PiSmarcfS | 
Seite, Pei ber Pefprccpiing, ob PiSmarcf fpäter bei ihm bleiben 

werbe, hatte fich ein oollftänbigcS Einoerjtänbnih ergeben auf 1 


©runblage oon bem Söorte beS SRinifterS: „Heine Parlaments* 
regierung unb Fein auswärtiger Einfluh in ber politiF." 

$)as Perpältnih 3 ur Haifcrin griebrich ift ebenfalls mit be* 
fonberein Xaft befprochen, ohne bie oorhanbeneit !©cgenfähe 31 t 
leugnen. 23iSmarcf hat eine ?lrt ritterlicher Hochachtung oor biefer 
geiftreiegen Philofophin auf bem throne, mit ber er fcherggaft* 
necfifche ©efpräche über SRepubliF unb Hönigthum führt. 

So Hingt baS politifdje ^eftament SiSmarcfS hannonifch 
auS. ES wiro baburd) bem beutfd)en S^olFe um fo mehr ans §ers 
wachfen; eS wirb Xaufenbe feiner ©egner entwaffnen, bie meiften 
überrafegen burch bie oltjmpifche 3^ugc unb Penneibung jeber 
PiFanterie. 5Bir SosialpolitiFer, bie wir in manchem punFte feine 
©egner waren, haben ihm su banFen, bah & auf biefe ftrittigen 
Stagen gar nicht eingegt; baS SöerF gewinnt baburch au gefcgloffener 
©röhe. ®ie, welche jagen, baS £eftament würbe im Sluite ge* 
feg rieben auf etwas anberen £on abgeftimmt fein, haben gewih 
Stecht; eine föniglicge Regierung über bem Parlament wäre bann 
wohl etwas ftärFer betont. Slber bie Erinnerungen würben bamit 
nicht wirFfamer, oielleidjt auch niegt innerlich wahrer. 9lud) baburch 
oerliert ber Einbrucf nicht, bah bie Schwächen, bie Seibenfdjaften, 
bie theilweife einfeitigen (Gefühle s>oijchen ber faft übermenfcglicgeit 
©röhe beS 3)tanneS überall menfdjlid) burd;blicfen. 

Sch Fenne oon Feinem groben i)cami ber ©efchichte ein ähn* 
licheS ^eftament, — aufjer oon Sriebrich bem ©rohen. Slber beffen 
beibe ^eftamente werben oon bureauFratifcher (^eheimnihFränterei 
leiber immer noch bem beutfdjen 2$olFe oorenthalteu. Stets hat 
fich bisher eine Summe oon ßegenben unb SRihoerftänbnifjen für 
©enerationen wie ein Stebel oor baS Pilb ber groben Staaten* 
lenFer gelagert, fo bah erft fpätere Sah^haaberte fie gans begriffen. 
Hier wirb sum erften Ptai fofort nad) bem £obe biefer Stebel 
Serriffen burd) ein authentifcheS ^DoFument, baS uns ben beutfehen 
Halben unfereS Sah^hanberts in feiner gansen ^gatfraft, feinem 
fontf), feinem Patriotismus, feiner Schlichtheit, feiner Ptähigung, 
feinem burchbringenben Scharfjinn, feinem unbegreiflichen Slugen* 
tnah für bie wirtlichen Hräfte beS ftaatlidjen SebcuS seigt. Es ift 
ein SöerF, beffen SöirFiing man Faum überfdjäfcen Fanrt. 

Es wirb noch nad) Sah^hanberten unb Sah^tanfenben gelefeu 
unb ftubirt werben. Heute follen jd)ou 80 000 Exemplare ber 
beutfehen Ausgabe feft beftettt fein, über Sah* unb Xag werben eS 
Huubcrttaujenbc werben unb Millionen oon Ptcnfchen, bie cS gelefeu 
haben. Stögen bieSehren gefchid)tlid)er unb politifdjer Weisheit, bie eS 
prebigt, als SamenFörnchen wirFeit unb taufcnbfach aufgehen, bann 
wirb eS wahr werben, was ich am 3. Slugujt sum Schluh meiner 
SteFtoratsrebe im auf PiSmarcf auSjprad): „bah bie 

breitefte SöirFfamFeit ber groben ©ettien ber Ptenfdhh^tt gerabe nad) 
ihrem £obe beginnt!" 

Perlin, 1 . 2 >e 3 ember 1898 . 


geweilte Sojial- unb IBirtt)fii)aft£politUt. 


Unternehmer* unb 9lrbetterberbanbe in Englanb» 

SlrbeitSFämpfe haben gewöhnlich/ auch wenn eine ber Parteien 
in bem Streite befiegt worben ift, ben Ausbau ber Drganifation 
Sur Solge. Arbeitgeber unb Arbeiter fühlen eben beibe, bah ber 
s lRangel einer feften Drganifation bie Unftcgergeit im ©ewerbe 
förbert, unb eS mehren ftd) bcShalb bie ©rünbe, fpftematifege Pe* 
Siehungen swifchen beibeu ger^ufteÜen unb einen geeigneten Apparat 
Sur Peileguitg fünftiger ®ifferensen auf frieblicgent Söege su fegaffen. 
SSerfcgiebeue ü)tafpial)men oon Pebcutung finb in biefer SWichtnng 
gegenwärtig in Englanb im ©ange. 

Pon ben neuen Pewegungen ift bie Sonberfifeung beS ^rabc 
UnionFongreffeS im näcgften Sanuar injofern am s JÜieiften bcadjtet 
worben, als mau oielfacg glaubt, bah ber plan einer allgemeinen 
Söberation Ij^c einen Schritt nach PorwärtS madjen wirb. :i ) Aber 
für ben Augenblicf ift praftifch baS wiegtigfte Ercignih auf biefem 
©ebiete ein Pefdjluh, ber auf einer Vlrbcitgeberocrfauunlung am 
15.8tooember 311 Bonbon gefaxt worben ift. Xer Porfiuenbc, 
Sorb P3emi)h, hat ben 3^tungen einen Peridit sugefaubt, um 3 ll= 
fammenfepung unb §kk ber Perjomiulung Harsulegen. Xie ld> 
ieren beftegen mber Emjcpung einesparlamcutarifd)eii?lrbeitgeberaiiv* 
fepuffes, ber in feiner Dblicgenheit j'o siemlid) bem Parlaments* 
Fomit 6 ber £rabe UnionS gleicht: er fall ber ©efepgcbuug bie ge* 
meinjamen ?lnfchauungen „in Petreff ber inbnftrieilen SnteretTeu, 

:: ) Pgl. ben ''limao oon a. 'li 1 . ^nilion (lieniber iit $v. I be.r 
„zonalen praris“, gallig. VIII. 



219 


©ogiale $ra£i«. ©entralblatt für ©ogialpotitif. Ar. 9. 


220 


beS freien KontrafieS wnb ber freien Arbeit" gu ©ehör bringen. 
Aber eS feuchtet ein, baß ein leiftungSfäßiger Apparat für biefe 
Froecfe auch ein gut ©tütf SBeges für anbere gemeinfame Aftionen 
gu braunen fein roirb, fei es für Beratungen, fei eS für ©<ßnß» 
maßnahmen, roie bie Gelegenheit eS eben erfordert. darauf beutet 
feßon ber Befucß ber Berfammlung bin. ÜDfeßr als 30 große ©eroerbe 
unb Fnbuftrien mären oertreten, barunter bie ftärfften Unterneßmer» 
nerbänbe beS SanbeS: bie ©d)ifffaßrt, ber Btafcßinenbau, ber 
©cßiffbau, bie Bleichereien unb Färbereien, bie Btöbelmanufaftur, 
bie lianbroirtßfcßaft, bie Koßlen» unb Gifeninbuftrie, bie ©teilt» 
brüd)e, baS Baugewerbe, bie Dorfs, Bkrften, Söaareitlager, ber 
©etreibeßanbel, bie ©djußfabrifation, baS ©attlergemerbe, bie 
Baumroodeninöiiftrie, bie ©laSfabrifation, bie dürftenfabrifation, 
baS Bäcferei* unb Konbitoreigeroerbe, bie Klempnerei, baS Fumelier» 
geroerbe, bie Drurferei nebft oerroanbten ©eroerben, bie Kleiber» 
fabrifation, baS gubrgeroerbe, bie ©ißiefcrberferei, bie Anftreicßerei 
unb anbere ©eroerbe. ©in prooiforifcßeS Komite, bas einige ber 
befannteftert Btänner ber ©cfcßäftSroelt enthält, rourbe eingefeßt unb 
ift oielleiißt gunäcßft baS roießtigfte ©rgebitiß ber Bereinigung, bie 
augenfcßeinlicß auf eine ftärfere' Berbinbung ber Arbeitgeber unter 
einanber gu ©cßuß unb Druß ßingielt. 

©leicßrooßl ift ein folcßeS Borgeßen im allgemeinen Fntereffe 
bes geroerblidjen griebenö gu begrüben, beim ftänbige BertretnugS» 
förper auf beiben ©eiten erforbern eine tüchtige ©efcßäftsfiißrung 
unb biefe roieberum ift eine ©eroäßr bafiir, baß in Streitfällen bie 
.JmlfSmittel gewerblicher Diplomatie gehörig oerroeubet roerbett. 
Die Bereinigung oon Arbeitgebern roirb jeßt oermutßlicß ernfthafter 
als früßer in ber BrajiS betrieben unb bie Arbeiteroerbänbe roer» 
ben fich oft neuen ©eroalten bes BHberftanbeS gegenüber fehen. 
Aber es roäre eine furgfießtige Behauptung, baß bie Stabe llnionS ba» 
bureß entmutigt unb gefcßroäd)t roerben müßten. Fm ©egentheil, 
fie finb jeßt oft noeß fo unoollfommen unb fdjtoaitfenb, baß mit 
oiel größerer Böaßrfcßeinlicßfcit bie $aupttoirfung ber neuen Drb» 
nung ber Dinge eine ©rßößung beS AiocauS ber Arbeiterorgani» 
fationen unb eine Berntcßrung'ißres ohnehin feßon beträrfjtficßen 
©influffeS in geroerblicheu Angelegenheiten fein roirb. 

BMe ber Apparat auf betben ©eiten tßatfäcßlicß arbeitet, bafiir 
haben roir ein gutes Beifpiel an ben ftirglicß abgehaltenen Be» 
rathungen oon Unternehmern unb Arbeitern in beut ©inigungsamt 
für ben Kohlenbergbau. £>ier hatte jebe Bartei Klagen über Ber» 
flöße gegen bie Beftimmungen ber Bereinbarung oom ©eptember 
b. F- (ogl. „©ogiale BnifiS" VIII ©p. 10) oorgubringen. Als ©r» 
gebniß ber in oerbinblichftem Done geführten Berßanblungen rourbe 
befcßloffen, einen oon ben ©eneralfetretären beiher Berbänbe unter» 
geichneten, gemcinfamen Brief ber Unternehmer unb ber Arbeiter 
an alle ©rubenbefißer unb Arbeiteroertreter in ben gur göberation 
gehörigen ©ebieten gu erlaffen; bieS ©eßrriben fcßloß mit ber 
Mahnung, baß in aden Fäden, rco bie ocreinbarten Beftimmungen 
nicht ausgeführt roorben feien, „fofort Blaßnaßmen getroffen roer» 
ben foden, um jene Borfdjriften ihrem oodett S^hölfe nach bureß» 
gufüßren." Das Amt roirb nochmals ftdj oerfammeln, um bie 
B3aßl eines Borfißenbeti gu berathen, ber oon bem ©precher beS 
UnterßaufeS ernannt roerben fod, roemt bie Blitglieber beS Amtes 
fich nicht einigen föniteu. ©S fei übrigens ßier gleich angefügt, 
bafe bie Delegirten beS neuen BergarbeitcroereiuS ooit ©iibroales 
fich iüngft mit ben Bertretern ber großen Miner Federation über 
bie Fulaffung gum Berbänbe berathen haben. Bereits ift eine oor» 
läufige Bereinbarung getroffen roorben, unb fo befiehl ade AuSficßt, 
ba§ binnen Kurgent aud) ©übroales unb BZonmoutßfßire gu ben 
Bereinigten Bergbaubiftriften beS Raubes gehören. 

Sonboit. ©. Aoes. 


Die Darifbetoegttttg im Bucßbrurfcrgelucrbe DentfcßlanbS 

(oergl. „©ogiale BrajiS" VIII ©p. 66) ift groar noch nicht gu ©ube, 
läßt fich aber hoch feßott einigermaßen in ihren ©rgebttijfen über» 
fehen. Die oom „Deutfcßen Bitd)brurfer»Berein" (Bringipale) 
herausgegebeuc „Feitfcßrift für Dcutfd)IanbS Budjbrmfcr" ftellt in 
ihrer Ar.47 feit, bas jüngfte Borgehen gur weiteren Berallgetneine» 
rung beS Darifs fei oon gang bemerfensiocrtheu ©rfolgen begleitet 
geroefen: 

3u größeren Differengen grotfdjeu Beingipalen unb ('ichülfen ift es 
habet iiicf)t gefommen, fonbern es bat fidj bas ,3urcbni ber Bringipnl» 
mtb ©ehülfemnitglieber im ^artfaitstrbnfl ber bcutfihen Bmfibruefer, fo= 
wie ber Organen ber beibericitigen Crgantfatioucn als ausretiljeub er» 
lotcfen, um eine gang ertlcdliche ;>al)I non Bringipaleit gur Anerfeumiiig 
bes Sartfs gu oeraulaffeti unb biefe % 3ahl roirb in ben uäriifteit Soeben 
oorausfiditlidi uodi rociter roadjicn. B^ie ans ben Beröffentliebungen 
bes Sarifamtes benrorgebt, bat firfj bie ;>aUl ber ben Savif auerfeunen» 


ben Firmen in ben lejjten Söochen um iiahcgu 600 uermebrt unb bem» 
entfprechenb bat fid) auch ber Kreis ber tarifmäßig entlohnten Öebülfen 
oergrößert ... 

Fm weiteren Berlaufe feiner Ausführungen mahnt baS Blatt 
gu energifeßer Drganifation ber Bnngipale. ©benfo roie bie Unter» 
nehnter fpreeßen aber aud) bie Arbeiter ißre Befriebiaung auS: 
„Fiir uns Bud)brucfer rcfnltirt aus ber jiiitgften Darifberoegung, 
baß fie uns große ©rfolge gebracht hat . . . Die Bud)brucfer 
roiffen es gu fräßen, roaS eS ßeißt, faft oßne Opfer innerhalb ber 
heutigen gefahrenen roirthfcßaftlid)cn Berhältniffe folcß einen gort» 
feßritt im Fntcreffe ber Kodegenfdjaft gemacht gu haben," feßreibt 
baS ©eßülfenorgan, ber „©orrefponbent für DeutfcßlanbS Budj» 
bruefer unb ©cßriftgießer" in $r. 133. Die Bewegung ßat aber 
noch eine weitere Folge. Fn ber fogialbemofratifcßen B^effe fanb 
bie Darifoeradgemeiiterung tßeils offenen Dabei, tßeils laue ©Ieicß» 
gültigfeit. Das giebt bem „©orrefponbent" Anlaß gu einer feßarfen 
©ntgegnung: 

Die Bud)brucfer haben jeber geit als Arbeiter im heften ©innc beS 
SBorteö gchanbelt; fie oerlangen nießt Dulbung, fonbern Anerfennung 
innerhalb ber Arbeitcrberoegung . .. B$ic fommt es, baß faft aus» 
fchlteßUch in jogialbemofratifcßeu Drudereien jene ©eßülfen gu finben 
finb, roeldie mit adelt Mitteln bie Organifation ber Budjbrudergehülfen 
gu oernidften unb bie übrigen Arbeiter gegen fie aufguljcßrn bemüht 
finb, roie fommt es, baß fogialbemofrattfdjc Aeid)Stagsabgeorbnete, Ae» 
balteure, ©eroerffd)aftsfartcd»Borfißcnbe unb ähnliche Arbeiterführer ihr 
SDJanbat mißbramht haben unb nod) mißbrauchen, um burd) Berbäd)ti= 
aungett unfers Berbanbes, beffett Leitung wie feines CrgauS, mtb 
Sörberung einer Okgettorganifation ben Bcrbattb lal)mgulrgen ober ben 
Unternehmern gegenüber gu feßtoächen unb bann bie Folgen biefer 
bctnoralifirenbcit Il)ätigfcit aufs Konto ber Dartfgcmeiitfdjaft feßen?! 
SBir finb jebergeit objeftio genug geroefen, nicht bie Bartet als folcßc 
für biefe Dinge ueraitttuörtlich gu machen, roemt cS aber in berfelbett 
fd)ott fo weit gcfommeit fein foUtc, baß jeber oon perföttlidjen Veibett» 
fdiaften ober ©cßäfftgfciteit erfüllte SKenfdj AamenS ber Bartei bie Be» 
fämpfung oon Arbeitern ober bereu rrgauifatiouen gum „Bruigip" er» 
fläreit feinn, wenn eine Abwehr perfönlitßer Attgriß'e unb ©ehafftgfeiten 
mit bem AuSfcßluß aus ber Bartei geahubet urtb bamtt gur Barteifache 
gemacht wirb, bann oergtoeifelu wir an bem OHaubett, in ber fogiat» 
betnofratifd)ett Bartei bie Bertretcrin unterer Fntereffen gu erbliden. 

Die Darifberoegung im bentfdjen Buchbrudgeroerbe roirb oer» 
tnuthlid) im näd)ften AeidjStag bei beit ©rörteruugen über Koali» 
tionSrecßt utib BerufSoereine ßäußg befproeßen roerben. ©ie beroeift, 
baß ftarfe Organifatiouen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter feßr 
rooßl im ©tanbe finb, bem gewerblichen unb fogialen Frieben gu 
bienen, baß beibe mit ©rfolg gur BSaßrung ißrer gemeinfanten 
Fntereffen fricblicß gufammettarbeiten, baß babureß für Böngipale 
unb ©eßülfett befriebigenbe ArbeitSbebingungen mit Btnbung auf 
längere Dauer gefeßaffett roerben, baß bie pofitioe geroerffeßaftluße 
Arbeit auf bem gegebenen Bobeit ber Berßältniffe gu einer Abfeßr 
oou ber poütifcßen ©ogialbemofraüe führt. DaS finb bie wichtigen 
Beßren aus ber leßten Bud)brucferberoeguug! 


Förderung Don ^anbkperf nnb pauSittbufirie tu Ungarn. Fu 

ber fiirglid) eingebraeßten Bubgetoorlage ber ungarifeßen Regierung 
roirb ein Krebit gur Förberung oon Fubuftrie unb ©etoerbc an» 
gefprocßen. Fnt s A)iotioenberid)t bemerft bagn ber .vtanbclsminiftcr: 
s Bas baS .gtaitbroerf betrifft, fo habe er bie Befferung ber Krebitoer* 
ßältniffe, bie Bcfcßaffung oon Äoßftoff», i^ager» mtb B r °buftionS» 
genoffeufd)aftcn oor Augen; bann toid er Btafcßinen unb B?erf» 
geuge gur Beifügung fteden unb Btcifterfurfe einrid)ten, in benen 
bie .'oanbßabuug ber Btafcßiucn geleßrt roirb. $m\\ ©entralpuuft 
ber teeßnifeßen ©ntioicflung bes MleittgeroerbeS fod bas Bubapefter 
ted)nologifd)e ©eroerbemufeum gemad)t werben, neben roelcßeni 
aber im näcßfteit Faßre in brei ober oier Brooingftäbtcn £eßr» 
furfe unb Aiisftellungen abgeßalteit roerben. F^ner roünfcßt 
ber Blinifter bie Berhältniffe ber Sfeßrlingc gu regeln, einen Berfud) 
mit freiwilligen CeßrlingSprüfungen gu tnadten mtb mit ©tipenbieu 
oerfeßene Jiaubtoerfer beßufs Ausbilbmtg ins X^uSlanb gu eutfenben. 
Die ^auSinbuftrie fod in jenen 3meigen, in toclcßen fie ,,fon» 
furrengfäßig" ift, gu einem regelrechten Faftor ber Brobuftion ent» 
loicfelt unb mit Fabrifen in Berbinbmtg gebracht werben. Die 
gabrif ßätte baS Boßmaterial gu bieten unb ben gu £>aufc 
I arbeitenbett ©eiuerbetreibenben gu entlohnen. B?o eine folcße An» 
gliebermig ber .pauStnbnftrie an bie Fabrif nicht möglid) ift, foÜ 
l für bie tecßnifdje ©ntioicflung ber .pansinbnjtrie unb für bie Ber- 
S roertßuug ihrer ©rgeuguiffe geforqt roerben. (Bgl. „©ogiale Braris" 

| VII ©p. 1281.1 



221 Sogtate SßrariS. Gcutralblatt für Sogiatpolilif. Rr. 9. 222 


kommunale Sozialpolitik. 


$er ©efehentrourf über bte 9ied)t$berl)ä(tmffe ber kommunal« 
beamten in Brennen (ogl. Safjra- VII, Sp. 1281 f.) ift nad) ber 
„Mölntfdjen 3citung" einer Umarbeitung unterzogen, SHanadj fdjeint 
bie Sicherung ber ©emcinöebeamten gegen roißfürlidje ßntgieljung 
noit Amt unb (Sinfommen, roie fie Art. 98 ber preufetfdjen Ber* 
faffuitg für bie Staatsbeamten forbert, erhöht worben 511 fein. S£)er 
^Begriff „Beamter" roirb im § 3 fcfyärfer bahin gefaxt: „5Bcr ben 
(Sib ber mittelbaren Staatsbicner oor einer Mommunalbchörbe, in 
beren 3 )tenfl er eintritt, geleistet Ijat, ift Mommunalbeamter unb 
erhält eine Bcfiaßung 2 c." lieber ift aber für bie Beamten ber 
ftäbtifdjen BetriebSoerroaltungen, 311 benen bodj and) Bureau* 
beamten geboren, eine Ausnahme gugelaffen, ebenfo fehlt eine Be* 
ftimmung über bie ^erfonen, roeldje fiinftlcrifdje unb roiffeufdjaft* 
licbe SDienfte Ieiften. Weiterem Schu&e ber Beamten foll mobl 
auch bie Beftimmung im § 13 bienen, roonatb bie Seftfepung ber 
BefolbungSbeträge ber ftäbtifdjen Beamten im Salle beS SSiber* 
jprudjeS ber ©tabtgemeinbe burd) Befdjlufj beS Dberpräfibenten (in 
ber Brooing beS BegirfSauSfdjuffeS) erfolgt, ©ollte Mefe Beftim* 
tnung burdj baS merfroürbige Berhalten Berlins unb einiger 
anberen großen ©täbte gegen ihre Sefjrer, bie unteren Beamten 
unb f>iilf3arbciter heroorgerufen fein? Bont Cberpräfibenten oon 
Brandenburg unb bem Bcinifter beS Smtern, ber bie obere 
Snftartg bilbet, mürbe g. 55. Berlin in einem folgen Salle nöllig 
abhängig fein. Bür roerben auf ben (Sntnntrf bei feiner Vorlage 
im Öanbtag gurüeffommen. 

Statut für bte Alters* nub Sntmlibcnocrforgntig ber ftäbtifdjen 
Lohnarbeiter in Stuttgart« ^er ©emeinberatb Stuttgart höt in 
feiner Sifcung 00 m 24. Rooember ein Statut über bie Alters* unb 
SnoalibitätSoerforgung ber ftäbtifdjen Lohnarbeiter beratfjen unb 
angenommen, baS auf ©runb oott fefjon früher befchloffciten ©runb* 
giigett oon ©emeinberatfj Stodfmaper entmorfeit morben mar. 

5£>ie Berforgung erftreeft fidj auf ftänbige ftäbtifche Arbeiter, 
bie ohne eigenes Berfdjulbett in Solge förperlidjer ober geiftiger 
(Gebrechen bauernb unfähig gur Befolgung beS ihnen obliegenbcn 
ftäbtifdjen ^ienfteS geroorben finb ober baS 65. Lebensjahr guriief* 
gelegt höben. Sinter mufj ber Arbeiter, ehe er in ben ©enufj 
einer Berforgung fommen !ann, gehn Söhre ununterbrochen in 
ftäbtifebem $>ienfte gugebradjt höben, roobei übrigens fiirgere Unter* 
bredjungen unter groei Monaten, 3 . B. megen militäritdjer ©inbe* 
rufung, Mranfljeit u. f. ro. nicht berüeffiebtigt unb nidjt gerechnet 
merben. $>ic Berforgung beträgt mit bent ooßenbeten zehnten 
5)ienftjahre 230 J(, unb fteigtr mit jebent meiteren 2)ienftjaljre um 
15 J(, bis gu bem .fjödjftbetrage oon 500 ,K. Begüge aus retdjS* 
aefefclichen Waffen u. bgl. toerben eingerechnet, bodj ift hierbei bie 
Sinfchränfung beigefügt, bafc burch folcfje Abgüge ber ©efatnmt* 
begug nicht unter 360 J(. herabgebrüdt merben Darf. 

3ur Beftreitung ber Büttel foH eine eigene oon ber Stabt* 
pflege oerroaltete $affe bienen, für bie bereits in 3 toei (Statsjafjren 
je 20 000 , U bereinigt rourben unb ber bis auf Weiteres auch 
ferner jährlich 20 000 J( überroiefen roerben follen. ®ie Arbeiter 
felbft galjlen feine Beiträge, fic nehmen aber auch nicht an ber 
Bcrroaltung theil, roie überhaupt bie oerroilligten Berforgungen 
oom ©emeuiberatfj einfeitig unb enbaültig foroie in jebergeit roiber* 
ruf lieber SSeife feftgefteßt roerben. ds befteht alfo auf Seiten ber 
Arbeiter fein RechtSanfprudj, hoch hält fid) bie Berroaltung an bie 
in bem Statut aufgeftellten ©runbfähe berart für gebunoen, baf; 
bie Berforgung beim 3 u trcffen ber ermähnten BorauSfefcungen 
jebem ftänbtgen Arbeiter gu theil unb nicht etroa oon ber Prüfung 
ber Bebürftigfcit abhängig gemacht mirb. 

S)a bie ftäbtifdjen Beamten, Affiftenten unb ©ehülfen fdjon 
länger ^enfionSrechle höben unb auch für bie nieberen ftäbtifdjen 
Bebienfteten, ?lufmärter, 'ißoligeibiener u. f. ro. fdjon geraume 3 e ü 
eine UnterftüpungSfaffc befteht, bie theils aus Beiträgen ber Stabt, 
thcilS aitS folgen ber üJiitglieber unterhalten roirb, fo ift mit bem 
neueften Statut baS Iepte ©lieb in ber .Mette ber Berforgung oon 
in ftäbtifchem ®ienft ftänbig Befchäftigten irgenb roelcher 5lrt ge* 
fchloffen. 

ßrroähnt mag noch merben, bafj baS Statut auf foldje, bic 
bei feinem Snfratttreten bereits aus bem ftäbtifdjen 2 >ienft aus* 
gefchicbeit finb, felbftoerftänblid) nicht gurücfroirft. 5öenn fo in 
liberaler Seife ber ftäbtifdje Arbeiter für SäHc ber Snoalibität 
unb ber ?lltersfdjroäd)e fichergefteßt fein unb oor Snanfprudjnahme 
oon Slrnienunterftüfcung für bie Siegel beroabrt roerben foll, fo 
fudht baS Statut anbererfeits für einen leiftungSfähigen Arbeiter* 
ftamm neben ben Beftimmungcu ber in 9ir. 35 beS VII. Sahr* 


gatigcS ber Sogialen B^öfiS erroähnten 5lrbeitSorbnung baburch 
m Jorgen, bafe Arbeiter nach gurücfgelegtem 34. ßebenSjahre in 
oer Siegel nidjt mehr gu fiänbiger Arbeit eingefteßt roerben foßen. 

5luch baS ift erroähnenSroerth, baft baS Statut oom ©emeinbe* 
ratlje, in bem aße Parteien oertreten finb, einftimmig genehmigt 
rourbe. — 51 in felben Sage, an bem baS Statut genehmigt mürbe, 
fonftituirte fich ber auf ©rnnb ber oorerroähnten SlrbeitSorbnung 
gewählte 5lrbeiterauSfchu6, oon beffen Shätigfeit ebenfo bie 3 ö s 
tageförberung mancher fonft iit ber Siefe oerborgenen lllifeftänbe 
unb bie offene 5luSfprache barüber erwartet, roie bie Slufbecfung 
unb bie Unterbriicfung unbegrünbeter, nur auf §örenfagen beruhen* 
ber Befdjroerben erhofft wirb. 

Statut für ftäbtifdje Arbeiter tu Karlsruhe. Sie Stabtoer* 
maltungen fommen im eigenen roohloerftanbenen Qntereffe neuer* 
bingS audj gu einer ähnlichen Sürforge für ihre Arbeiter, roie fte für 
bie Beamten meift fchon befteht. Sn SreSben, granffurta. Bl., 
©ffen, Stuttgart (liehe oben) begehen BenfionSfaffen für ftäbtifdje 
Arbeiter (ogl. Söhrg* VI ^P- 1047), in Sarmftabt roerben 9tube* 
geholt unb .ginterbliebenenoerforgung für ftäbtifche Arbeiter (ogl. 
Öahrg. VII Sp. 784) auf Antrag beS Oberbürgermeisters oerhanbelt, 
in Blaing für bie Snoalibeit. Sn Berlin petitionirten bie ftäbti* 
fd)cit Arbeiter um bie gleiche gürforge. §n Sranffurt a. 2 R. 
finb auSführlidje „Slrbeitsbebingungen" gefchaffen (ogl. 3öh r g- VII 
Sp. 1048). 3» Karlsruhe höben nun bie oorbereitenben Schritte 
ftatiftifdjer Erhebung, roie fte auch in Seipgig oeranftaltet rourbett 
(ogl. Söljrg« VII Sp. 359, 1148, 1206), gu ber Ausarbeitung eines 
ArbeiterftatutS, roie es fcfjeint nach Sranffurter Blufter, geführt, 
danach ift, roie bie „Sranffurter 3citnng" berichtet, als s AlterS* 
grertge für bie Aufteßung baS 30. Söfjt gewählt. 

Xcv 2oljn ber )täbtijdjcn Arbeiter foü bent ortsüblidjeit 2i$ert ber 
ihnen obliegenbcn Arbeit gunt Slinbeften entfpredjen unb feineSfall^ ge* 
ringer fein, als ber nad) ben Beftimntungett beS Mranfenucr[id)cruugS* 
gejctjcS feftgefebte ortsüblidje üagclohn. Arbeiter, roeldje fünf 3 a h rc 
unb barüber bet befriebigenber Rührung tm ftäbtifdjen ^ienfte geftanben 
finb, erhalten eine Belohnung in ber ^olje oon 8ü bis 150 M. c 
Arbeitszeit foll je nach ber Sdjmcrc ber Arbeit auf 9 bis lt Stnnben 
im 'Jage feftgeftellt merben, wobei bic ArbeitSpaufen in biefeit 3eitrautn 
nidjt eingerechnet merben. gür Ueberftunbeu roirb eine 20 % höhere 
Bcrgiitmig gemährt. Jvi’tr 91ad)t= ober Sonntagsarbeit mirb eine Auf* 
befferung oon 100 u /o, foroeit eS fich um. SSadit* unb AuffichtSbienft 
hanbelt, eine foldje oon 50°/o gemährt. Jjur Regelung ber ArbcitSoer* 
Ijältniffe merben Arbeiterausfchüffe gebilbet, bereit Blitglieber in 
iljrer iUlehrgaljl oon ben oofljährigett ftäbtifdjen 5lrbeitern in birefter 
unb geheimer B$ahl gewählt merben. 3«r Unterftühung oon Arbeitern 
ober Hinterbliebenen im 5 a ß c unoerfdjulbeter Botljlage roirb ein Unter* 
ftitpungsfoubs gebUbct mit einem ftänbigen 3 u fd)ufjbou jäljrlid) 2000 
Blarf aus ber Stabtfaffe. Arbeiter, mcldje gehn ^aljre lang im ^ienft 
ber Stabt geftanben unb baS 35. Lebensjahr ooßenbet höben, merben 
als ftänbige ftäbtifche Arbeiter anaeftcllt, roeldje Anmartfdjaft auf 
Buhegefjalt unb Beliftenoerforgung h a ö en - Buhegehalt 

beträgt für ba§ ^aljr ber ftänbigen Aufteßung 40 0/0 beS BOOfacheit 
Sagelohnes unb fteigt um 1 ü /o jebcS ^aljr bis gu 70%. £aS B>ittmen* 
gelb beträgt 30%, baS BJaifcngclb für Minber, beren Blatter lebt, a /io 
unb für foldje, beren SWutter geftorben. 3 , 10 beS SSittmengelbes für jebeS 
.^inb. Staubigen Arbeitern fann auf Anfuchett jährlich ein Urlaub 
bis gu adjt iageu gemährt roerben, oljne bah rtne Unter* 
brcchuug ber Loljugahlung eintritt. $üe göhluufl ber Beloh* 
nungen, Äuljegehalte 2 c. gelten als freiroiüige Leitungen, auf meiere ein 
9ted)tsaufpruch nidjt befteht. $iefc ©runbfä^e gelten auch für bie 
Arbeiterinnen. 

.^öffentlich roirb ber dutrourf oon bem BürgerauSfdjufj nidjt 
abgefdjroächt. 

Mommiraarprojrainm ber Letpgtßcr Soglalbemofraten. Auf bem ge* 

ntcinblidjen OJcbicte tritt ber (Sljarafter ber ntobemen Sogialbentofratie 
Büttel* unb Sübbeutfdjlanbs als rabifalc Beformpartei am flarfieti gu 
2 agc, roie bic Programme für bie gemeinblidjcu Wahlen beroeifen, bic wir 
mieberholt in biefett Blättern gebradjt haben. So enthält baS jiingftc 
fommunale Programm ber Lcipgigcr Sogialbemofratic gtoar nodj bie 
Stellungnahme gegen Bereinigung oon ftäbtifdjen Bütteln für Sport*, 
LuruS* intb firdjlidjc 3mede, bic eitglifdje, amerifauifdjc unb auftralifdje 
Arbeiter — roeuigftetts mas Sport unb Mirrijc an langt — nidjt ein* 
nehmen, bie pringipiellc ^orberung beS Regiebetriebes unb ber lieber* 
nähme bcs AnnemoefcuS auf ben Staat, alic anberen Aorberungcu aber 
finb mehr ober miitbcr energifdj andj oon bürgerlidjcu Sogialpolitifern 
beS ^sn* ober Aitslaitbes aufgcftellt worben. (5s finb: Aenberung bcs 
OJemcinbcroaljlredjts l^roportioualfnftem), Bejeitigmig bcs Subntijfions* 
roefenS, Umgcftaltung ber Begtrfs* 1111 b Biirgerfdjiilcn in ('leuteinbe* 
fdjuleu; Uueutgeltlidjfeit bes Untcrridjts unb ber Lehrmittel, l5hmihniug 
eines geljuftünbigeu Bcarimalarbeitstnges für alle ftäbtifdjen Arbeiter 
unb eines Bünimallohncs, ber ben Arbeitern eine menfdjeuioürbige 
0 'rifteng oerbürgt. Sdjaffung begm. Berutehruiig oon öffeutlidjeii Bolfs* 
bäbern, bereu Bcuupnug für ^iebmuariu uncntgeltlidj fein muf;; beo* 
glcidjcn Rcuaulcgung oon üiuberfpielplätjcii. ISrridjtung oon ftäbtiidjeu 




223 


©ojtole $ra$tö Eentralblatt für ©ojialpolitif. Br. 9. 


224 


©noitätemadjeu; genauere ftmitrolc über gcfunbhettsidjäbtgenbc Arbeit#« 
räume utib SSofjumtgeu; Benud)nmg ber öffentlichen Sebürfuißanftaltcii 
uub bereu unentgeltliche Betiubitiig für männliche unb weibliche Bev* 
fernen. Unentgeltlichfeit ber Xobtenbeftattimg uub Siegelung bes grieb* 
I)ofs§u?efetiio. 

©täbtifdjeS Ar&etfÖamt für Jiingft brauten bie ©ojial* 

bemofraten im Stabtuerorbnetenfollegium einen Eintrag auf Errichtung 
eine* ftäbiifchcu Arbeitsamtes ein, baS bie Aufgabe haben fotl, ftatiftifche 
Erhebungen aller Art über ArbeitSoerljältitifsc au^jufübren unb alljähr* 
lieh xu neröffentlicheit, unentgeltliche AuSftiufte über Berfirfjcnmgen, Etc* 
wcrocgeridjte :e. jit geben, für unentgeltliche Arbeit#» unb ©tellenucr» 
mittelung 31 t forgen unb eine ftäbtifche Ucbcrmadnmg ber gabrifbetriebe 
im Jutercjfe ber f^efunbheit uub ©ittlidrfeit hcrbeizufü&mi. Erfreu» 
licfjerineife haben bie ©tabtuerorbneten befchloffen, beim Batfyc bie Ein* 
fetutng eine? gemifchten Aiisfchuffe# 3 ur Beratung bes Antrages in 
Borjd)lag 311 bringen. 


Soziale 3tt(töni>r. 

Ekneit bte gdgtlc^terei ’ im Barbier* unb SrrifcurgettierBe 

wenbet fid) in einer Petition an ben BunbeSratb ber Borftanb beS 
Bagerifdjeit SanbeSoerbaitbeS ber Barbiere unb grifeure mit ber 
'-Bitte, auf EJruttb beS $. 128 Abf. 2 ber Eleroerbeorbnung bie Bor« 
fchrift 3 U erlaffen, „baß in ben Betrieben beS Barbier* unb grifeur* 
geroerbeS mehrere Sehrlittge zu gleicher 3?ü nur infofern gehalten 
merben biirfen, als ihre ©efantmtjahl bie 3 a hl ber regelmäßig 
befchäftigten (behülfen nicht überleitet." 3 ur BegrünDung ift 
eine oon Dr. B- ©eitber—Berlin ausgearbeitete Tenffdjrift beigefügt. 
Tanacf) überfc^reitet bie 3 a hl ber Lehrlinge, bie jept adjährlich 
auSgebilbet merben, ben oorhanbcneit Bebarf (3 Lehrlinge auf 
100 Bleifter unb ©ehülfen) um nahezu baS günffache. Tie folgen 
finb Berfd)ärfung ber ä'onfurrenz, ©infcit ber greife uub Soßne, 
Erfetjung ber behülfen burch Sehrlingc, Berfcßlechterung ber Sehr» 
ItngSauSbilbung, Benninberung ber Betriebsfoftcn, rcoburch bie 
Beiiilichfeit leibe, Unftätheit im EJemerbe. Turch Befchrättfung ber 
Sehrling^haltung hofft mau biefen llebelftänbcn z u begegnen. — 
Ünfere§ BMffenS ift bieS ber erfte Berfud), ben §. 128 beS neuen 
.JmnbwerfSgefebeS (Abänbcrung ber ©emerbeorbnung 00 m 22. guli 
1897) in bie B ra riS ju führen. 

Tie Arbeiter tu ben oftmcidjifdjeit Xabaffabtifeu. Jn beut lebten 
ftefte ber „0tatiftifcheu SBonatSfchrift* ift ein Jluffap oon Dr. ©iegfrieb 
Siofenfelb enthalten, ber fidi mit ben ttranff)eits= uub ©terblichfeitSuer* 
hältuiffeu ber Arbeiter in ben öftcrreid)i)d)en Tabaffabrifeu befaßt. ES 
erfranfien im Xurdj)diuitt Dieter Jahve oon lOn labatfabriföarbeitern 
32,*:>, uon huubert Arbeiterinnen 40, 6? , oon ben Arbeitern ftarben l,3cs, 
non ben Arbeiterinnen 1 , 03 % oHjnhrlid). Tie ©terbüdjfeit ift, mit ber 
3terblid)feit aller fraufhcityuerfidierten Arbeiter uerglidjen, hoch- Bon 
biefen ftarben bei ben BJönueru 1 , 03 , bei ben Leibern 1,13%. Tie 
Erfranfungehäufigfcit ber Xabafarbeiier ift aber nicht höher als bie 
aller anberen Arbeiter. Xi c bödpten Jaljlen für bie ©terb* 
lichfeit unb Erfranfungsjäbigfeit finben ftch bei ber ©fartirung, 
ber Eigarreu», Eigaretteu», Baud)» unb ©chnupftabaffabrifation, alfo 
bei jenen Betriebszweigen, bie bem Xabafftaub entmeber auSfdjließlid) 
ober am ftärfften ausgefefct finb. Tic ©tcrblidjfcit ber Xabafarbciter 
mirb burd) bie Jufeftiouvfraufheiteu beherrfdit. Unter biefen ift c$ 
natürlich bie Xuberfulofe, ber ber Sömcuauthcil pfällt. 0b bem Xabaf* 
ftaitb eine fpejififd) fraufmacheubc "Birfung xufonnnt, bariiber finb bie 
Statoren noch nüht einig. Dr. Bofcnfelb möchte fie ihm nid)t gaiu ab» 
flretteu. Xie llrfnd)en mögen 311 m Xheil in Uebetftänbeu ber Jabrifs* 
iofalitäteu liegen. Xann finb üc, foiüie bie burd) ben Xabafftaub felbft 
heruorgerufencu Mraufheiten, burd) bt)gienifd)c Biaßnahmett meun nicht 
gan ,3 311 beteiligen, fo bod) 311 minberu. Jum anberen unb größeren 
Iheile liegen bie llrfadjcn biefer Äfranffieitcit in foktalen Berhaltniffen, 
in ber fdiled)tcit Wohnung, bei mangelhaften Ernährung unb überhaupt 
allen auf eine ltngeniigenbc Entlohnung 3 iirürf 3 tiführenben Jaftorcn. 
Xieie fallen bei ben’ Xabafarbeiterinueu um fo ftärfer inö (^cmid)t, als 
bie Xabafarbcit in fchr frühem Sllter begonnen mirb. SJadj Bofcnfelb 
finb fogar^inber unter 14 Jahren nod) oor meitigen Jahren bcfchäftigt 
geincfeu. 

SlrbeitSldhite in ber belgifchett Eifcninbnftric. X'er eben er* 
fchiencuc Berid)t ber ^Association des Maitres de Forges de Char- 
lero'r pro 1897 gibt u. St. eine ^arfteHung ber SlrbeitSlöhrte unb 
Slrbeitsleiftung in ber belgifd)eu Eifeuinbuftrie, ber nad)ftel)cnbe 
Taten entlehnt finb: Tie burdjfdjnittlicbe Brobnftion ber Modjofeu» 
arbeiter ift uon 290 300 kg in 1890 auf 297 707 kg in 1897 ge» 
fliegen 1111 b erreichte bamit feinen hödiftcn Buuft im gegenmärtigen 
Texenmum; ein OHcidjeo gilt 00111 Sohn, ber oon 3 /0 o grcS. auf 
.'ml ai*cs. ftieg. Tanadj märe ber Tnrdifdmittcdohn tun 2,^ 0 o/ 
bie Seiftung bagegcit bloß um 2 , 7 , 7 % gejttegeu. Jni Slllgemeineit 
luiben bie Arbeiter in ben Eifeutuerfen nidjt unter ber Berfchlochte» 
einig ber Sage ber belgifcßeu Eifcniubuftric 311 leiben gehabt; l;i cr 


oerriugerfc fid) bie 8j3robuftioii per Mopf ber Arbeiter um 3^,,%, 
bie 3^tf ^ cl ‘ Arbeiter ftieg uon 14 821 auf 15 103 uub ber 
Arbeitslohn ftieg oon 3, r>9 grc§. pro Tag in 1896 auf 3, t 5 grcS. 
in 1897 alfo um 1, 77 °/o- Betreffs ber .perftellung fertiger Eifen* 
probufte uerringerte fiih bie SeiftungSfähigfcü ber Arbeiter trofc 
ber tedhnifchen gortfehritte um 5,68°/o. Sn ber ©tahlinbuftrie bc* 
trug biefer Sliicfgang gar 6,94%, inbem bie ^robuftimtät eines 
Arbeiters oon 96 490 kg in 1896 auf 31 439 kg fanf. Ter 9fii(f* 
gang ber SeiftungSfähigfeit ber Arbeiter mirb als crnfteS ©tjmptom 
aufgefaßt. 

Ter Bericht legt leiber nicht baS ftatiftifche SRaterial oor, baS 
ju obigen Enbergcbniffcn geführt h^t. Tic ©tatiftif h^t längft 
bie TurchfchnittSlöhne oerroorfen; menn nicht nütgetheilt mirb, mie 
ftch Sohnfteigerungen oerthcilen, fann auch nicht gefchloffeit 
merben, inroieroeit fich bie Sage ber Eifenarbeiter als klaffe ge* 
beffert h<*t. Tie Beregnung ber burchfd)nittlid)eu $robuftion ift 
gleichfatts nicht gan^ einroanbfrei; oor Allem müßte feftgeftelit 
merben, ob feine Aenberungeu in ber Arbeitszeit oorgefallen finb 
unb ob nicht etroa auch einzelne Betriebe ihre ^robuftion abfuht* 
lieh eingcfdjränft höben. 0o münfdhcnSmerth es ift, menn fid) 
Snbuftriebcridjtc auch mit ben Arbeiteroerhaltniffen befaffen, fo 
angezeigt ift es, baß bieS in flarer unb grünblicher SSeife gefdfjieht 
Dberflächlichfeitert führen hier gar z« leicht Z u fchroerroiegenben 
gehlfchlüffeit. 

Sage ber Arbeiter in ben $rieg$arfenalen granfreid^S. 

Born 14. bis 19. SRooember hielten in BnriS bie in ben franzöfi* 
fchen Btilitärarfenalen (Btarinearfenale nicht inbegriffen) befchäftigten 
Arbeiter unb Arbeiterinnen ihren fünften SöhveSfongreß ab. Au* 
mefenb mareit 23 Telegirte, 21 636 Befchäftigte, alfo baS gefamtnte 
eigentliche Arbeiterperfonal oertreten. Tie Berhanblungen betrafen 
bauptfächlich bie Anftellunge» unb BenfionSoerhältniffe, 
bereu gegenmärtige offizielle Begelnng noch oielfachen B^idfürlich* 
feiten fcitenS ber Berroaltung Baum giebt. Unter bem herrfcheubcn 
3uftanbe, ber auf bem Tefret 00 m 27. gebruar 1897 beruht, 
unterfcheibet man Angefiellte (commissionAs), |>ütfSarbeiter 
(auxiliaires) unb Taglöhner (journaliersl. Tic 3 Q h^ ^er Sin* 
qefteHten mirb oom 5lricgSminifter für jeben einzelnen Tienftzroeig 
fiyirt. Tie Aufteilung felbft erfolgt nach freier SSal)l bes Arfenal* 
oorftaubeS aus ben ^ülfSarbeiteru mit einer gemiffen Slnzahl oon 
Tienftjahren. 0ie giebt inbeffen fein Becht auf ftänbige Bef^äfti* 
auug, fouberu nur baS Brioileg, nicht oerabfehiebet merben z u 
rönnen, fo lange im bctreffenbeit Tienftzmeig noch $>ülf$arbeiter 
ober Tagelöhner oorhanben finb. Bach ben Sßünfchen ber Arbeiter, 
mie fie auf bem in Bebe ftehenben Kongreß formulirt mürben, foll 
nun bie AnfteUuug ansfchlicßlidh nach AnciennetätSrang erfolgen 
unb obligatorifd) fein nad) zehn Tienftjahren. S^och foHen Ar* 
beiter, bie fchoti eine militärifche B^öfion beziehen, nicht in biefe 
Kategorie ber SlnftellungSbered)tigten zugeiaffen merben. Bezüglich 
ber AlterSpenfionen ftellte ber Kongreß ben Slntrag auf eine 
.s^erabfeßung beS penfionSfähigen Alters oon 65 gahreu auf 55 
für bie Biäuner unb oon 60 auf 50 für bie grauen. Auch roünfcht 
man einen größeren Tf)eil ber für bie Aufbringung ber bei ber 
AlterSoerfidjerungSfaffe eingcfchriebenen ^ßcnfioneit aufmachfenben 
Soften auf ben BtilitärfiSfuS abzumälzeu. 3 ur 3 e ^t merben oon 
ben Bezügen ber Angeftellten unb ^iilfsarbeiter 4 o / 0 a l$ Brämien 
erhoben, benen ber giSfuS 4% l)inz»fügt. Ter ©taatsbeitrag fod 
nun auf 5 % erhöht unb ber perfönliche auf 3 % erniebrigt 
merben. Tas garantirte BenfiönSminimum mödjte man für bte 
Btänner auf 600 grcS., für bie grauen auf 400 grcS. erhöht höben. 
Tie Beftimmungen über AlterSpenfionirung gelten h clJ tc fdjoit in 
gleicher SÖeife für Angestellte unb ^iilfsarbeiter. — s Beiter faßte 
ber Kongreß bie Befolution, bie ^ranfenunterftüfcung burch 
miniftcrielleS Tefret einheitlich für alle Arbeiterfategorieu zu regeln. 
Unb zn)ar fod bem B er f° na l gemährt merben unentgeltlicher ärzt» 
lieber Beiftanb, freier Bezug ber Btebifamente unb eine Baarunter* 
ftüjjung oon minbeftenS ber §älfte beS Tagelohns für fechS Bto* 
nate, rceld)es immer bie Urfache ber rauf heit fei. — Bon anberen 
grageit adgemeiner Bebeutung, bie oerhanbelt mürben, hefott mir 
heroor bie Erhöhung ber Söhne ber raeiblichen Arbeiter, 
bie im Arfenal oon Touai z* B. nur 1,49 grcS. pro Tag erhalten, 
ferner ben Antrag z^ Bermeibung langer B er i°^ cn DOn 
Arbeitslos igfeit bie oorhanbenen Arbeiten gleichmäßig au bie 
oerfd)iebeneu Arfenale unb übere ganze Sohr z u ocrtheilen, fobanu 
bie Abfcbaffung ber gabrifationSprämieu, bie gegeitroärtig 
311 großen llngicichheiten in beit Bezügen ber Arbeiter führen. 
Enbiid) münfd)t man, baß ade geltenben Bestimmungen über bie 
Arbeitsoerhältnifse in gornt oon BcgieruttgSbefreteu erlaffen merben 
unb bamit gefepliche ilraft erlangen. Ter Kongreß, bem fich ^ 



©ogiale Jprajt«. (Eentralblatt für ©ogtalpolitif. 9fr. 9. 


226 


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ber groeitcn .vmlfte feiner lagung groei £)elegtrtc ber in beu ©taats* 
puluennanufaftnreu befdjäftigteii Arbeiter (ctit»a 30()0) angefdjloffeit 
batten, leitete feine Dcformoorfd)läge unb 33efchroerben burd) eine 
Delegation an bie guftänbigen Steden, b. h- an beit KriegSminifter 
unb an ben parlamentarifiijen HuSfc^uß ber ^eputirtenfammer. 


^rbcitgrberuerbänbc. 

ArBettgebrrberbanb im Aangetoerbe 51t DJündjett. 3m Shrüfj* 
jahr, als in 3Dünd)eu eine öohnberoegung einfefete, rourbe unter 
Sitbrung bebeutenber 33aufirmen ein $erbanb ber Arbeitgeber int 
Baugewerbe houptfächlid) gunt ®<hu6 gegen Streifs angeftrebt. 
Anfangs ftiefj ber $lait auf ©djroierigfcitcn; botb rourbe ein 
Sekretariat eingefefct unb nun roerben bie Statuten an bie einzelnen 
Korporationen ocrfenbet, um fid) gutachtlich gu äu&ern. £er 33er* 
banb will oorerft nur fiir Dfiindjen tbätig fein, aber bod) auch eine 
33erbinbung mit baperifchen unb anderen beutfdjcn Vereinen an* 
ftreben. Die Beiträge, bereit V>öf)e autb für bie Stimmengabi ber 
einzelnen DJitglieber ntafegebenb ift, roerben oerrocnbet gur Ab* 
roeifung 001 t Streifs unb gur Unterftüfeung oon burd) folche in 
Scbroierigfeiten geratenen DJitgliebern. 3ßirb bei einem 33erbanbS* 
mitgliebe oon ben Arbeitern eine Sorberung aufgeftellt, bie baS 
beftebenbe 3Serhältnif$ gtt änbertt beabfid)tigt, fo tft ber 33erbaitb 
git oerftänbigen. ®er Berbanb führt alle roeitcren 33erhanblungen. 
Bei größeren AuSftättben finb nad) ben OuittungSfarten ber 3n* 
oalibttätS* unb AlterSocrficheruttg oont Sefretariate beS 33erbanbeS 
Siften ber AuSftänbigen berguftelleu. ®iefe S3ergei<hniffe roerben 
an alle Dtttglieber unb and) an Dichtmitglieber abgegeben. Arbeiter 
aus Crten, in benen geftreift roirb, bürfen nicht ciugeftettt, muffen 
eoentuell fofort entlaffen roerben. Sei einem Streif oerpfli<bten fid) 
bie ^üiitglieber, feine Arbeiter an Dichtmitglieber abgugeben. — Alfo 
„fcbroarge Siften", AuSfperruitgen unb Bopfotts in aller Sorm! 

$er dentral-BerbanbStög beutfdjer Bätfer= 3 nmmgen, ber oon 

etroa 200 Bäcfer*3nn ungen aus bem gangen Deiche befudt roar, 
tagte am 21.Dooember in Berlin. dS rourbeit febr heftige Deben 
gegen ben DtajrimalarbeitStag gehalten unb angefünbigt, baft man 
gegen biefen eoentuell „bis gunt Kaifer geben roerbe". ©<hlie&lid) 
rourbe eine Defolution angenommen, in ber bie Unburchführbarfeit 
beS 9Da£imalarbeitStageS im Bäcfergeroerbe betont unb darauf bin* 
eroiefen roirb, bafj ber SDajdmalarbeitStag es unmöglich mache, 
ie Orbnung im Bäcfergeroerbe aufrecht gu erhalten, bafg bie orbent* 
liehen, föniaS* unb oaterlanbstreuen dJefetten gegen ben 2Wa;rimal* 
arbeitstag feien, bafg inSbefottbere ber Diittelftanb unb baS Klein* 
geroerbe ungemein baburd) gefd)äbigt roerben, unb baß es ungerecht 
fei, gerabe bie Bäder in ihrem bewerbe berartig gu fdjäbigen. 
&er BerbanbStag erfuebt baber bie Regierung, ben 9J?a£tmaI* 
arbeitstag roieber aufgubeben, unb roenn baS nicht fofort geftheben 
fönne, eine Dttnintalruhegeit oon täglich 8 ©tunben eittgufübreit. 
3>amt folgten Klagen über baS lefcte SnnungSgefefc uttb bie 
Schließung Heiner Snuungen, ohne bajg es gu einem Befdjlut fam. 

$te Engineering Employers’ Federation in diiglanb bat 

ihren Serbano nunmehr reorganifirt. SBährenb beS großen Streifs 
fdjloffen fich oiele SDiftrifte unb firmen bem Serbanbe temporär 
an. ^aS 33erhältniß rourbe nunmehr fonfolibirt. din dentralamt 
oon 40 3>elegirten ber bem Serbanbe angebörenben lofalen Affocia* 
tionen führt Die ©efebäfte. 


^rbeitaribenugttitg. 


©treittgfeiteit unter ben $anbeISljfilf$arteitent. Unter beu VanbelS* 
bülfSarbcttern ift feit etroa eineinhalb fahren eine Spaltung eingetreten. 
(Entgegen bem Sefdjlnffe beS lebten 3?crufsdongreffeS, eine centrale Crga* 
nifation auf bem ltäcpftcn .Hongreffe gu f cf) offen, ift eine foldje bereits 
furge ;geit nad) Abhaltung bes erfteren begrünbet roerben. tiefer ift 
jebod) etroa bie .fpälfte ber in ben bisherigen ^ofalocreinen organifirten 
.'banbelSbülfSarbciter nicht beigetreten. 2>ie beiben Dichtungen führen 
nun einen erbitterten Hampf. Die centrale Didjtung hat für iKeihnadjten 
tiefes Rohres einen aUgemeineu Serufsfongrefj nad) ftranffurt a. Df. 
einberufen. 2>ieS hat bie lofalc mit ber (Einberufung eines ebcnfolcben 
Hongrcffes gu Cftern näd)ften Jahres nad; (Saffel beantwortet. ^öcibe 
Hongreffc roerben ftattfinbcu unb groeifellos bie ©egeufähe noch oer* 
fehärfen. 'J'ie .^aubclShülfSarbciterbebürfen jebod) um fo mehr ber (Einigfeit, 
als ftc fid) gunt größten ^f)eil in rcdjt fd)led;ter roirthjdjaftlidier Öage 
befinben, unb ba fie ungelernte Arbeiter fmb, bei ^ohufämpfen jebergeit 
leicht erfe|jt roerben fönneu, roenn ihre Crganifation nidjt eine gang 
befonbers feftgefügte ift. 


diu djriftlidjer ?eg;tilarbcttcrberbanb tu 9R. Glabbach hat fid) aut 
20 . Doociubcr gebilbet. 2)ie Anregung geht oon fatl)olifd)cn Sogial» 
reformern aus, aber ber Derciu umfafit beibe djriftliche Houfeffiouen. 
3u ben iiorftanb rourben 15 fatl)olifd)e unb 5 eoangelifdje Arbeiter ge* 
roählt. Dach Ausarbeitung ber Safcungcn foU bie enbgültige (ijrünbuug 
beS 9?erbanbeS im $egembcr erfolgen. 

dentraloctbaub ber beutftheu Stucfateitre, ^Hpfer ?c. ®ie groeite 
©eueraloerfammlung, bie oont 21. bis 28. Doocmbcr in §allc a. S. 
ftattfanb, erlebigte in ber .f)auptfad)C DrganifationSfragcn. Aus bem 
©eftfjäftsberidjt geht heroor, ba& ber feerbanb gegenroärtig runb 
2500 Diitglieber gäl)lt/ etroa 30% aller Dcrufsaugchörigen. Seit brei 
fahren ift bie Dfitglicbcrgal)! um 1800 geftiegen, bie ^ahl ber Filialen 
oon 17 auf 39. Sde dinführung ber ArbcitSlofenunterftübuug roirb für 
eine ftragc oon einfd)iteibenber Sebeutung erflärt unb ber löorftanb be* 
auftragt, eine Umfrage über bic $auer unb Art ber Arbeitslofigfeit gu 
ocranftaltcn. Dach einer im 3al)w 1896 aufgcnommeiten, allerbiugS 
giemlich mangelhaften Statiftif foDen bic Sturfateurc im ^urdjfchnitt 
22 Vs Dage im ^ahte arbeitslos fein. $>ic drünbung eines eigenen 
Crgans rourbe im ^ringip befchloffen, oon ber fofortigen Verausgabe 
jebod) abgefehen. Die §rage ber Afforbarbeit roar degenftanb einer 
eiugchcnben XiSfuffioit, ber Deferent unb bie nachfolgenden Debner 
beleuchteten bie Schaben bes AfforbfpftemS unb oerurtheiiten es, ba ba* 
runter gerabe ber forperlidj fdjioächere unb bamit roeniger leiftungs* 
fähigere Arbeiter aih meiften gu leiben habe. Auch BaS im Stuckateur* 
geroerbe herrfd)enbe ^roifdjenmeifterftjftem roarb auf baS dntfdjiebenbfte 
oerurtheilt. 3ur Annahme gelangte folgcnbe Defolution: „3« drroägung, 
ba& bic Afforb* unb Stiicflohnarbeit bie Ausbeutung ber Arbeiter burch 
ftch felbft bebeutet, ferner bie V erun terfefcung ber ArbeitSpreife, bas 
Holonuenfpftem, bas Sd)roihfnftem, foroie bas Anlerneu oott Vülfsarbeitern 
begünftigt, bie Arbeitslofigfeit oermehrt, bas Solibaritätsgefühl unter ben 
Arbeitern untergräbt unb bie geroerffchaftlidjc Drganifatiou in hohem HRafje 
fchäbigt, befchliefjt ber ^erbanbstag: in Denjenigen Filialen, in benen 
noch Afforb* unb Stücflohuftjftem oorljanbcn ift, innerhalb groeier 3al)ve 
genannte eijftente abgufd)affen unb Dafür ein geregeltes 3 c ttlohnft)ftem 
einguführen." Gleichfalls angenommen rourbe eine Defolution, ,,bafj bic 
Sichtarbeit innerhalb groeier $af)rc abgufdjaffen ift," roeil fie bie Unfall* 
gefahr oergröjgere. Dad) Dfittheilung einer Aitgal)l totaler Dfife- 
[tänbe rourbe bie dinfefcung einer AgitationSfommiffton befd)loffen, um 
bie Agitation unter ben Hollegen roirffamer betreiben gu fönnen. 

93ergarBetterberBaub in 6übttiale$. Ungefähr 35 000 ^Bergleute 
finb bem neuen ©eroerfoerein beigetreten, ber fich nac h Seenbigung 
beS lebten großen Kampfes gebilbet hol- ®t e ©efammtgahl ber 
am AuSftanoe betheiligten Arbeiter betrug runb 100 000 unb es 
ift wahrscheinlich, bafe oon biefen noch fehr oiele ber neuen JDrga* 
nifation beitreten. SBenn bieS gefchieht unb ber $lan eines An* 
fd^luffeS an bie grofee Miners Federation auSgeführt rotrb, fo roirb 
biefer Arbeiteroerbanb ungefähr 400 000 DHtglieber gählen unb 
bamit weitaus bie ftärffte inbuftrieHe 33erbinbung in ditglanb fein. 

ArbeitSeinfteUnngen in gfranfrei^ 1897. Dach ÜOm 
„Office du travail 1 * oeröffentlichten ftatiftifdhen 5)aten finb in 0franf* 
reidh roährenb bes lebten 3<*hreS 356 AuSftänbe oorgefommen, au 
benen fid) 68 875 in 2568 dtabliffements befd)äftigte Arbeiter be* 
theiliaten. 5)ie Angahl ber oerloreiten Arbeitstage betrug 780 944 
mit Inbegriff oon 60 433 Xagen, bie fich auf Arbeiter beziehen, 
bie an ben AuSftänben feinen Antheil nahmen $)ie burchfchnitt* 
liehe 2)auer beS ©treifs pro Arbeiter roar roaS unter 

ben in ben lebten fünf Sohren beobachteten Arbeitseinteilungen 
als bie fürgefte Srifi erf^eint. S)te geaen baS Soh^ 1896 mit 
476 AuSftänben eingetretene bebeutenbe Abnahme betrifft houpt* 
fächlid) bie Xejrtilinbuftrie. ^)ie im oerfloffenen 3ah^ auSgebrocheneu 
©treifs enbigten in 68 2?äUen gu fünften ber Arbeiter, in 122 gällen 
burch Vergleich, in 166 Satten mit einem Dfifeerfolge ber Arbeiter. 
2)ie Angal)l ber erfterroähnten Kategorie oon AuSftänben (68) roar 
wohl Heiner als 1896, umfafete aber eine oerhältnibrnäfeig größere 
Angahl Arbeiter. 3« betreff ber Urfacheu ber AuSftänbe pot fid) 
gegen 1896 feine roefentltche 93eränberung ergeben; in erfter ßtnie 
waren cS immer ^ohnfragen, bie gu Arbeitseinteilungen führten, 
bann $)tenfteSentlaffung unb im Allgemeinen ^ßerfonalfragen; oer* 
hältnifjmä&ig gering waren bie Sötte, in roelchen ein ©treif burch 
bas Verlangen na$ fiirgerer ArbeitSgeit oeranlafgt rourbe. 33er* 
gehen gegen bie Freiheit ber Arbeit rourben in 170 gätten poligei* 
lieh betraft. 

$ic ©treifs in Italien bon 1879—1896. ^)ie ftatiftifche Ab* 
theilung beS DfiniftertumS für Atferbau, 3obuftrie unb ^onbcl in 
Stalien oeröffentlid)t eine Ueberftcht über bie ©treifs oon 1879 bis 
1896, ber baS Solgenbe entnommen ift: $>te 3af)l ^ cr Streifs, 
über welche bem ftatiftifchen Amte DJittheilung gemacht roorben ift, 
erreichte im Sohre 1896 ben b)öd)ften ©taub, ds rourbe über 
210 ©treifs mit 96 051 ^erfonen, ober burdjfchnittlich 457 ^er* 
fonen auf einen AuSftanb, berichtet. S'ie Angahl ber ©treifs oer* 
mehrte fich 001 t 32 im 3ol)rc 1879 auf 139 im 3of;re 1890. 3>on 



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Sogiale ^rajris. (Eentralblatt für «SogialpolitU. Kr. 9. 


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btcfer ;]cii bis 1895 blieb bicfe 3abl beinahe gleich, bis fie fid) 
1896 auf 210 oerntebrte. Tie grögte Anjal)! ber Streife fanb 
1896 ioöhrenb ber Kiouate guni, Auguft unb Oftober ftatt, 
mährenb bie fleinfte Anga()l mährenb ber 3£intermonate oorfam. 
Kaljegu 53% ber Streife mäljrenb be$ gahreS 1896 hatten bie 
gorberttjtg höherer Söhne gur Urfadje, mährenb bei 12, 4 %ßohn* 
fürjung ber ©rutib mar. (ES finb alfo 65% ber Streifs in cg eit 
Sohnfragen eutftanbeu. Kur faft 4% ber (Streifs mürben burd) 
bie Regelung ber Arbeitzeit ocraulaftt. Sou ben Streife mären 
38 % erfolgreich, 24 % maren tl)eilmcife erfolgrcid) unb 38 % 
halten feinen (Erfolg. 3£enn bie Attgal)l ber Strcifenben in 3k* 
lradjt gejogen rcirb, mar ber Ausfall noch günftiger, 70% ber 
Slreifeitbeit Ratten (Erfolg, 18% erhielten theilmeifen (Erfolg unb 
nur 12% hatten feinen (Erfolg gu oerjeidjneit. Tie crfolgreichften 
Streife maren bie, raelcfje megen ber ArbeitSjeit eutftanbeu. 

Tie Organifation ber 3immcrlente in Amerifa. ®ie ©ernerf* 
fchaft ber 3i™roe r f eute ^iclt am 17. September 1898 ihre gehnte 
©eneraloerfammlung unter Teilnahme DOn 156 Tclegirten in 
Kemporf ab. Ter Bericht beS 3*orftanbeS enthält einige iitter* 
effaitte Kfittheilungen, bie mir nad) bem oout American Fede¬ 
rationist“ oeröffentlid)ten ^Bericht miebergeben. -Tie Organifation 
mürbe im gapre 1881 gegrünbet. 3 U jener 3eit mar ber gehn* 
ftünbige Arbeitstag bei ben 3i ni merleuten allgemein üblich- §eute 
finb nur noch 23 oon ben Stabten, in meld)en bie Organifation 
oertreten ift, bie ben gehnftiinbigen Arbeitstag h 0 & cn - 105 

Orten ift ber adjtftünbige unb in 424 Orten ber neunftünbige 
Arbeitstag errungen. 3n ben Icpten groei fahren mürbe in 
35 Orten ber Sldjtftnnbentag burdjgeführt. Tie Sohnocrhält* 
niffe finb in $unberten oon Orten oerbeffert. Trop ber au* 
bauernben 33aufrifts gelang es ben Unternehmern, nur in 40 Orten 
bie Arbeitsbebingungen gu oerfchledjtern. Seit 1883 hat bie Or* 
ganifation für Unfaflunterftüpung 528 706 $, für Traufen unter* 
ftitpmtg 683 644 $, für Streifunterftüpung 354 293 $ oeraitSgabt. 
gu biefem 3eitraunt maren 1026 Streife unb AuSfpcrrungctt git 
ocrgeid)ncn, oon benen 998 erfolgreich maren, 61 mürben oer* 
loreu unb 67 in gütlicher 3Beife geregelt. 3n 70% ber Stabte, 
auf toeld)e fid) bie Organifation erftreeft, betragen bie Söhne heute 
50% im Tui(hfd)nttt mehr, als oor ©rünbting ber Union. 3ki acht 
KJonaten Slrbeit im 3a£)re i n biefen Stabten für bie lepteti gmölf 
gapre ergiebt bieS einen Sohngeroinn oon 4 500 000 $ jährlich, 
ober 54 000 000 $ in ben lepien gmölf gapren. Tie gerfplitterten 
gäben oon Iofalen unb fogenannten unabhängigen Unionen mürben 
in ein großes Keproerf ooUftäitbiger Organisationen gitfammeit* 
gemoben, mit ftarfen finangiellen Keferoen "unb großem öffentlichen 
(Einflup. 

Arbeiterfoitgrefj in Sübauftralien. SOie fürglich ftattgehabte 
.Stoitferenj fübaufiralifdjer Arbeiterbelegiitcr befd)log eine Kcfolution 
gu ©unften ber gefeplichen (Einführung beS AchtftunbcntageS in 
ber Kolonie, oerurttjeüte baS Montraftfpftem bei ber Ausführung 
öffentlidjer Arbeiten unb fprad) fid) für bie geftfepung allgemein 
gültiger Kfinimallöhuc aus. Tesgleichen forberte bie Eonferenj 
eine Regelung beS SehrlingSmefenS unb eine Ikrbcfferung bcs 
Uuternehmerhaftpflid)tgefepes. 


3CcbeUccfd)u^. 


$ein Irbcitcrfch»# in funftgctocrblichcu Setrieben. 3>ott 3 C ^ 
gu 3 e ü merben gerichtliche Urtheile gefällt, bie red)t beutlid) bie 
Ungulänglid)feü ber jept gültigen 33efd)räitfungeu in ber Ausbcl) 5 
nung bes gemerblicfjen Ärbeiterfdnipes barttjun. (Ein befonberS 
fraffer 5a 11 ift jiingft oor bem Amtsgericht in München oerhanbelt 
morben. 3 rae i Schaber einer lithographifdien Anftalt maren nämlich 
angeflagt, ben in ihrem ^Betriebe |tcl)enben Sehrlingen bie oout ©c* 
fepe oorgcfdjriebenen Arbeitspensen nid)t gemährt, ben AuSjug ber 
©croerbeorbituitg in ihren 33ctriebSräumcn itid)t angefd)lagen unb 
bie bei ihnen befdjäftigten Arbeiterinnen über bie gefeplidje geicr* 
abenbftunbe befdjäftigt gu haben. Xrohbem bie Angeflagteu bie 
oernoinmcnen Arbeiter, bie gegen fie anSfagten, entließen unb fo 
auf bie 3fugen einen in ber Scrhaublung ftarf bemerfbaren ^ruef 
ausübten, mürben bod) alle ihnen gnr Saft gelegten lleberfchreU 
tungen bnrd) bie 3.krf)anblung bemiefen. Olleidimobl fprad) bas 
Ok’ridjt bie Angeflagteu frei, ba ihr 33etrieb ein Muuftgemerbe* 
unb fein gabrifbetrieb fei. Auf ben Muiiftgemerbebetrieb aber 
fänben bie fraglichen 33eftimmuugen ber Olcraerbeorbuuug feine 
Aumenbung. S'ie Sache mirb gmar eine mcitere 33et)aublung 
bnrd) bie 33erufnngSinftang erfahren, ber Arbeiterfd)iip follte aber 


nicht bnrd) (irmcffeit bcs 3iid)terS beftimmt merben, fonbern bnrd) 
Ok'feb feft begreitgt fein. 

Sd)uh ber ^aubclSangcftedten. S)er im Keid)Samt beS Oaneru 
ausgearbeitete r^efehentmurf liegt jept ben (Eingelregierungen oor. 
©ann er an ben SBunbesrath gelaugt, läfet fid) gegenmärtig nicht 
fageu. ^em 3>eruehmeu nad) enthält er nicht allein Seftimmungen 
über bie (Einführung einer 3)iinimalrnhegeit, fonbern es ift auch, 
roie offigiös mitgetheilt mirb „oon ber Aumenbung beS Sabeu* 
fdjluffeS nicht gäuglid) Abftanb genommen." 3» öer angefünbigteu 
Vorlage nimmt ber „Serbaub beutfeher .gmnblungsgebülfeit" Stellung. 
3n feinem Organ, ber „ftanfm. Reform", ftellt er folgenbc ^Irunb* 
fäjje auf: 

Aeftfepung einer Öabenjeit oon 12 Stnnben für alle (»efdjäftc mit 
Ausnahme ber Kahnuigsmittclgefdiäfte, für btefe eine foldic oon 
14 Stunbeu; 12= refp. 14 ftünbige ArbcitSgeit einfdjliebltd) 2 Stnnben 
^auje; ^abenfhlnfj mit 8 Uhr, für etngelnc WcfdiäftSgmeige foll oon ber 
£anbescentrnlbehörbc ein früherer *!nbenfd)luf? feftgefept merben; bis 
9 Uhr füllen bie Scibcn geöffnet fein an ben Sonnabenben, ben lepten 
14 lagen oor 38cihnad)ten nnb an einer Aitgahl anberer Jage; für 
(5-ngrosgcfd)äfte unb Kontore bicielbc Arbeitsgcit mie für i?abcngefd)äfte, 
(vntfdmbigung für Ucberftunbeu; 3?efdn*äufung ber Sonntagsarbeit auf 
3 Stunbeu, falls uollftäubigc Sonntagsruhe für bie nädjfte geit aus* 
ftd)tslos ift; gleidmiäfhgc (kftaltung iaubesgefeplidicr Korfdtriftcu über 
bie Sonntagsruhe; uotlfiänbigc Sonntagsruhe für 6)ehnlfinneu; Afarimah 
arbeitsgcit oon U) Stunbeu eiufdjltcniuh Raufen für OTäbdjeu unter 
16 fahren; ebenfo 11 ftünbige für Mbdu'it über 16 Tsahrc; jcftlegung 
eines beftimmten 3?erhältnifies gmifdieit ber ,3ahl ber Lehrlinge unb 
hiehülfen; Tsnfpeftion ber betriebe, fauitäre 3?orfdiriften für fie; Aus= 
bchuung ber Sbatigleit ber Auffihtsbehörbc auf bie 6)efd)ä|tsorbnnngcn; 
(£r(aft oon SBoridjriftcn für bereu Aufteilung. 

5)cr grofee Hamburger „herein für §aitbluitg£eommiS oott 
1858", gu befielt Ktitgltcbcru and) fchr oiele s $riitgipalc gäl)leu, ntmuit 
es als feilt 3>erbieitft itt Attfprud), bag er guerft ben 3?orfd)lag ge* 
macht hat, einen allgemeinen 8 Uhr Sabeitfdjlug eiitgu* 
führen, um ber übermäßig langen Arbeitsgeit ber (Mjilfeu unb 
Schrliugc oorgubeugett. 

3){r4i;ahmctt pegen ben Staub tu ®ilbtui|nicrfftittci. Auf eine 
Anregung bes ^alu'ifinfpeftorS hat in Nürnberg bie SFoIi^ct (Er* 
hebungeii über bie Stauboerhälhiiffc in ben SBerfftättcu ber 6)olbbud)= 
litadter nngei ettt. (>)ang böfe fhhtünbe mürben babei feftgeftcllt. (5s 
fei fniuit gu begreifen, heigt es in beut 35eridit, bag fidt Arbeiterinnen 
finben, bie es aiishieltcu, ln bis 12 Stunbeu in folchem Staub gu 
arbeiten. $cr ^oligeifenat bcS 'il^agiftrais befthlog, bas Acid)Sgcfunb= 
heitsaint erfndjeit gu taffen, barübev 3>crfud)c nugufteltcu, ob bas (Ein* 
reiben bes Rapiers für bie Sdjaumgolbheftdjen mit ,Hreibe nicht auf 
uiedtanifdjem 3yege gu bemcrfftelligeu fei, meil, mie gefagt, bei bem 
| jepigen .5>aubbctrieb bie (vtefuubheit ber Arbcitenuncu gefäl)rbet er* 
! fcheiue. 

I SBciblidjc ^abrifinfpeftoren in fKn^lanb. SDie „3»reb. Olajcta", 
I bas Organ bcs ruffifchcn 3aftigminifteriums, utelbet, man plane 
in SHcgiernttgStreifeu mciblidje Jyabrifinfpcftoren für fold)e gabrifett, 

I in benett grauen als Arbeiterinnen befd)äftigt Ttnb, angufieUen, 
unb gtoar füllen meiblid)e Aergte bas Amt biefer toeiblid)ett gabrif* 

I iufpeftoren beflciben. 


^rbdtctttccfidjcrung. Spachaffeu. 


1 ginnifchc UtifafiOerfidicntngSgefeh. 

i Seitbetn baS ^Teutfche Keid) mit feiner obligatorifdjeit Unfall* 
oerfid)crnttg im 3at)w 1884 oorangegattgen ift, ftitb Oefterreich im 
! gal)re 1887 nnb Kormcgen im gal)re 1891 auf berfelben 35ahu 
j gefolgt. 2aS oierte Vattb, mo eine obligatorifche llnfalloerfidjerung 
I feit bettt gahre 1895 e^ifttrt, ift baS (%ogfürftentt)um ginttlanb. 
| 2)as finnifd)e ©efep bietet aber auf bem Oiebiete ber obligatorifd)en 
j Hnfallgefepgebung einige @tgenthümlid)feiten bar, bie oielleidjt eine 
| etmaS nähere 3k[prcd)iing unb 3>eröffcntttd)ung in meiteren Greifen 
angemeffen erfdjctnen taffen. 

|: ^ie erfte Anregung gu bem Olefepe mürbe fchott im gal)re 1882 

; im fimitfdien ijattbtagc gegeben, mo bie (Einfepung einer Mommiffion 

gur näheren Prüfung ber Sadje in 3>orfd)lag gebracht mürbe, 

i Tie Kegiernug fepte and) mirflid) eine .Stomutiffioit gu biefem 3 rl) eif 
ein, bie ihr 0)titad)teit im gahre isst abgab. Tiefes beruhte 

i mefentlid) auf bem f<hmcijcrifd)en Oiefepe oom gahre 18sl. (Es 

blieb jebod) bei biefem 0)utaci)len bis ginn gahre 1888; in ber 
Stänbeoerfammlnng biefes galjres mürbe mieber ein Antrag auf 
i eine enieute ^riifung ber ginge eingereicht. Tie Regierung fepte 
; nun mieber eine Mottimiffiott ein ■— in meld)e ginn crften ÜDial aud) 
ein Arbeiter gemäl)lt mürbe nnb biefc ^ommiffioit erftattete itit 
gahre 1893 einen 33erid)t, ber fehr umfangreich nnb erfd)öpfettb toar. 



Soziale Sßrajis. ©entralblatt für Sogialpolitif. 9fr. 9. 


230 


229 


£)ocp fonntc bic ^omntiffion nic^t einmal über bie ©runb* 
pringipien einig merben. £>ie Vtehrpeit befürwortete bie ©runb* 
anfdjauunaen ber früheren Sfonttniffiott, tneil fie ber Anfid)t mar, 
bap bie obligatorifche Verficpcrung bie 3opl her llufäHe in golge 
ber SJfacpläffigfeit ber Betriebsunternehmer in Begug auf Sd)up* 
t>orrid)tungen unoerhältitipmäpig oermeprett mürbe, ©ine folcpe 
Befürchtung, bie befanntlid) aud) in ^ranfretep unb fonft non ben 
©egnern ber obligatorifdjen Unfadoerficherung gehegt mirb, grünbet 
ficp angeblich auf bie in 2 >eutfd)laub gemalten ©rfaprungen, ob* 
gleich, mie inan in ber tfommiffion peroorpob, bie mirflidjen STf)at* 
fa^en als SHefultat ergeben, bafj eine burep bie obligatorifcpe Ver* 
fiepentng oeranlapte größere SRacpläffigfeit non Seiten ber Untere 
neptner bieS nid^t oerattlapt haben fann, fcpon aus bem einfachen 
©ruitbe, baft bie 3 a Pt bet SobeSfäde überhaupt niept ober niept 
in bemfelben Btapc mie bie ber anberen Unfälle geftiegen ift 
unb bie Unternehmer felbftoerftänblicf) nicht bie Art ber burep ihre 
9?a<pläfftgfeit entftanbenen Unfälle beftimmen föntten. X>te Btinber* 
gal)l in ber ^ommiffion geigte im ©egentpeil, bafe befonberS bie 
fiep fonft fehr nermehrenbeu Streitigfeiten gioifcpen ben Unter* 
ne|mern unb ben Arbeitern in Begug auf ben auSgugaplenben 
Scpabenerfap unb bie llnficperheit ber ©ntfcpäbiguncj bei geroöpn* 
lieber Haftpflicht ber Unternehmer mit Sßotproeubigfeit gur obliga* 
torifefjen Verficperutig führten. ©S machten fid) fo ziemlich bie 
alten, befannten ©riinbe unb ©egengrünbe auf beiben Seiten 
gelten b. 

£>ie Regierung entfehieb fid) für bie obligatorifche Verficperung: 
ihre Sßropofition an ben £anbtag mar auf biefem ^ßrinjip auf* 
gebaut. 3»n ben Stäuben maren natürlich bie llnternepmerintereffen 
)tarf oertreten; bie Sache enbigte baher burch ein ftompromife. ©ie 
Vereinbarung mürbe befonberS burch ben oorhergepenben AuSfprucp 
bcS VerficperungSinfpeftorS perbeigefüprt, ber eben für einen oer* 
mittelnben Vorfcplag pläbirt hatte. $ie größeren Unfälle, b. p. 
biejenigen, bic ben Xob ober bie Snoalibität Ijerbeiführen, feilten 
oerfiepert, bie Heineren bagegen oon ben Unternehmern bireft ent* 
fdjäbigt merben. SDaS finnifche ©efep ift alfo ber erfte 
Verfucp, gtoifepen ber obligatorifcpen Verficperung unb 
ber fcpmeigerifcpeit Haftpflicht ootn Qapre 1881 gu oer* 
mittein, obgleich bamit feineStoegS gefagt merben fotf, bafs ber 
Verfucp als gelungen gu betrachten ift. ©egentheil ift faft mit 
Sicherheit oorauSgufepen, bap bie Ausgleichung ber oerfchiebcnen 
Snterejfen bei Heineren Unfällen nicht fo leicht oon Statten gehen 
mirb unb ba& ber geroinnenbe Xpeil babei in ben meiften SäUen 
feineSroegS ber Arbeiter fein mirb. 

BerficpernngSpflichtig finb nach bem finnifchen ©efep alle Ar* 
beiter (aber nid)t Beamte ober ArbeitSauffeper) in ben meiften 
3?abrifen ober fabrifmäpigeit betrieben nebft Vau* unb Bkgeanlagen 
oon allerlei Art, fomie in einigen anberen Betrieben, bie mit einer 
größeren Unfaflgefapr oerbunbeit finb. Welche Betriebe als Sabrifen 
attgufepen finb, mirb jebod) nicht, mie im beutfepen ©efep, in bem 
finnifchen näher angegeben, fonbern biefeS mirb, mie in bem nor* 
megifdjen ItnfadDerficperungSgefep oon bem betreflfenben SRegierungS* 
amt, h^r 00 m ©ericht in gweifelpaften Jällen feftgefept. Mehrere 
©eroerbebetriebe, aud) meint fie mehr als gehn Arbeiter befepäftigen, 
fönnen baburch oon ber BerficherungSpflidjt auSgefchloifeit merben. 
Alle forft* unb laubroirthfcpaftlicpen Betriebe finb unter bas ©efep 
gar nidjt mitbegriffen, ebenfo wenig mie bie Seeleute, obgleich bie 
Unfälle auf bem erftgenannteu ©ebiete als gar nicht unbebeutenb 
and) in Simtlanb naepgumeifen finb unb in 'Xcutfcplaiib in Begug 
auf Seeleute ja fogar force majeure berücffidjtigt mirb. 

9?acp bem 3 bes finntfdjen ©efepcS mirb berjenige, für 
beffeu Rechnung bie befonberS aufgegäplfcu Unternehmen ausgeführt 
merben, als Arbeitgeber angefehen, aber bettnod) gehen bte^ Cb* j 
liegenheiten in Begug auf bie Berfüperung auf einen geroerbSmäHigeit 
©ntrepreneur über. SDtefe Beftimmung "ift als fehr unglütflicp an* | 
gufepen — um fo mehr, als bie" VerfidjerungSfommiffion fie ' 
feineStoegS gebilligt hatte —, meint man bebenft, baft menigftenS 
in Sinnlanb folcpe gemerbSmäftige (Sntrepreneure öfters grofte 
Spefulanteu ohne Kapital finb. 

9bod) bebenflidjer ift ber Mangel einer anSbriicflicheu unb 1 
beutlichen Beftimmung, mer ben AadjmeiS 311 führen hat, meint | 
ein Unfall fid) ereignet hat. Uitb in baS finnifche ©efep finb aud) 1 
bie unglücflichen B^ortc: „grobe gahrläffigfeit" bes Arbeiters als 
nicht 311 m Sdjabeiterfafc bered)tigenb hiaeingeraten. GS ift felbft* 
oerftänblith, ba& heraus bei Heineren Unfällen eine Unzahl 001 t 
Streitigfeiten 3 ioifd)en Arbeitgebern unb Arbeitern fid) ergeben mirb. 

Doglcich ber Xob unb bie onoalibität burch bie Berfidieruttg 
entfehäbigt merben — als Snoalibität mirb in biefer Be 3 iel)itng 
fdjo.tt eine über 120 läge bauernbe Mranfbeit angefehen —, fann i 


jebodj bie einheimifdje Regierung gegen ©arantie oon biefer Ber* 
ficherunaSpflicht entbmben. — Sicherlich ift baS auch eine Beftim* 
mung. Die feineSrcegS auf allgemeine 3uftimmung 3 U regnen hat. 

®ie GntfdhäbigungSbeträge, befonberS in Be 3 ug auf bte Hinter* 
laffenen finb niebriaer bemeffen als in bem beutfd)en unb itormegi* 
fchen ©efeh- Als 5ödt)ftcr fiohn mirb im Salle ber Snoalibität 
720 finn. Bfarf (= SrancS), als niebrigfter 300 finn. 3Rarf be* 
rechnet, roaS bei 60o/ 0 einen höchfteit Grfah oon 432 finn. 9Rarf 
unb einen niebrigften oon 180 finn. Biarf jährlich ergiebt — eine 
Gntfchäbigung, bie ber Arbeiter befommt, merttt er tu einer Be* 
fdjäfttgung oor adern ju ©unfteti beS Arbeitgebers feine ©efunb* 
heit für immer geopfert hat! Vergebens fucht man im finnifchen 
©efeh einen befonberen ©rfap ber Soften beS H e ^ oer fahreitS, biefe 
£often finb in bie Bente ober bie 60o/ 0 beS bitrchfchnittlid)en täg* 
liehen ArbeitSoerbienftes, ben ber Arbeiter bei oorübergehenber, 
üodftänbiger Arbeitsunfähigfeit ober höchftenS 2 finn. Btorf 50 $fg. 
täglich berommt, mitgeredhnet — alfo ganj anberS als in ben 
beutfd)en unb norroegifd)en ©efehen. Gine gemiffe, obgleich uit* 
gureichenbe ©tttfehäbigung h^für bietet ber Umftanb, ba| ber 
Sdjabenerfafc für oorübergehenbe Arbeitsunfähigfeit faft ohne 
$aren 33 eit fd)on mit bem fiebenten ^age nach bent Unfade anfängt. 

@S fcheint, als ob burch biefe Beftimmung bie Saft beS H^l* 
oerfahrenS fchon 00 m Anfang ber burch beu Unfall h^bet* 
geführten Äranfheit bem Arbeitgeber, mie gebührenb, überlaffen 
märe unb bafj bie ^ranfenfaffen, bie hauptfächlich burch bie Bei* 
träge ber Arbeiter getragen finb, nicht, mie in ^eutfdjlanb mähreitb 
13 Wochen, in SRormegeu unb Defterreich mährenb 4 Soeben, als 
Präger biefer bem Arbeitgeber obUegcnbcn Saft angefehen mürben. 
Aber ber fiebente Paragraph bes finnifchen ©efefceS, ber bem 
beutfehen Haftpfli^htgefeh 00 m Sah^ 1871 entnommen ift, giebt 
bem Unternehmer burch ©rünbnng oon Stranfenfaifen, gu meldjen 
er mit einem drittel beiträgt, unb obligatorifche Heraitgiehung 
ber Arbeiter 3 U benfelben (burch SSeiaerung ber Arbeit im ent* 
gegengefepten gade) eine gute ©elegenheit, bie auch nach bem finni¬ 
fchen ©efe(j oon if)tn ood 3 U tragenbe fiaft ber Unfadoerficherung, 
in fo roeit oorübergehenbe Unfäde in örage ftehen, auf eine folche 
^ranfenfaffe gu mälgen. ^ 

©S mag noch ermähnt merben, bafj im ^vade bes XobeS bie 
BHttroe 20% bes ArbeitSoerbienftes beS ©etöbteten unb jebes 
hinterlaffene ^inb bis gum 15. Sah^e 10 o/ (l , aber gufammen 
höchftenS 40% (in 3>eutf<hlanb 60%, in S^orroegen 50%) begiehen; 
anbere 5)eScenbenten unb AScenbenten befommen nichts. 

®ie übrigen Beftimmungen beS finnifchen ©efepeS finb oon 
feinem größeren Belang. Seiber ift ber AuStaufch ber Bflege gu 
Haufe gegen biejenige tn einem Äranfenhaufe immer obligatorifd^, 
menn ber Arbeitgeber es münfdjt — roaS bem Arbeiter aufeerbem 
theurer 311 ftehen fommen fann; ebenfo ift oon bem foftfpieligen 
unb meitläufigen Verfahren oor ©ericht bei allen Befdjmerben 
©ebrauch gu machen. Auch bie AuSgahlung beS SchabenerfapeS 
gefd)ief)t nicht, mie in ^)eutfchlanb, burch bie Voft, noch liegt, mie 
in Sßorroegen, für eine adgemeine 9teid)Sanftalt (bie in Sinnlanb 
nicht e^iftirt), bie Verpflichtung jeber ©emeinbe auf bem Sanbe oor, 
menigftenS einen Agenten ober Auffeher ber Verfid)erung gu mahlen. 

l £aS ©efep ift fchon im 3<*hrc 1895 erlaffcn, aber erft feit 
Anfang biefes 3al) re ^ ^ ra fi getreten. ÜJtan hot ben Arbeit* 
gebern 3 e ^ Ö^nug gur Bilbung oon befonberen, auf ©egenfeitigfeit 
gegrünbeten VerficherungSanftalten getoähren moden. $ic Beftim* 
mungen beS finnifd)en UnfadoerficherungSgefepeS erfüdeu iit manchen 
Bcgichuugen bie gorberungen, bie eine fortfcfjrittliche Aufaffung ber 
fogialpolitifcheit Aufgaben beS Staates erpeifchen fann, freilich uid)t; 
aber Jvinnlanb fann oiedeiept boep ftolg baranf fein, fepon jept 
oor fo manepeu anberen, auep in Eultnr pßh er ftepenben Völfern, 
ein auf obligatorifcpen ©runbpriugipien menigftenS tpeilmeife fupen* 
beS, entmidelungsfähigeS UnfadoerficperungSgcfep gu befipeu. 

^urfu (Abo) iit Sinnlaub. Dr. 31. 5R. af llrfin. 


BernfSftatifttf ber Sparfaffenemleßer tit «atjent. 

Bei einer Vcrufsftatiftif ber Sparfajfcneinlegcr hanbelt ee fid um 
ein doppeltes, crftlidi um eine Aimfipeibiuig ber ©inleger uadj ihrem 
Beruf unb bann um eine Aimfdieibuug ber ©inlagen und) bem Beruf 
ber ©iuleger. Xer praltifd)c Bierth einer folden Stattftif ift bereits? im 
Oiahrg. IV Ar. 45 biefer Blödenfdrift oon a. 3al)ii bargethan morbeu. 
Xie ©rgebuiffc finb oon Sntercffe fomohl in Bcgug auf Aragon, meldie 
bie Sparfaifeueinrtdtuugeu felbft angehnt ( 3 . B. bei 3daffmig befonberer 
Sparformen für beftimmte Mategoricu ber Sparer, mie Arbeiter :e.l, 
als aud in Bcgug auf A-rageu, bie mit ber Beurteilung beo Biohl'- 
ftaubeo, beo Sparfiuiif 1111 b ber Vebenslmltung ber Beoölferung in 
^ufammenbaug ftehen. Anmeutlid befugen fie, ob bie Sparfniien ent' 
ipreehenb ihrer uripriinglideii Beftimmung in iiormiegeuDem Biaf;e 0011 



231 


©ogtale ißrayis. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 9. 


232 


bcn breiten Schichten be§ Solls bcnüfct werben unb wirflid) (Erfpamiffe 
bcr ärmeren ober minberbemittelten Polfsflaffen oerwalten ober ob fie 
mehr ben (Sharafter non Xcpofitcnbanfen angenommen haben. 

Den erften bead)tenSmertbcn Pcrfurf) gu einer foldjcn Statiftif 
machte non ben beutfdjen PunbeSftaatcn SBatjcrn im Sahre 4893. 

[teilte babei für ein drittel ber baijcrifdjcn Sparfaffen, bie ein fünftel 
ber ©efauunteinleger nnb ein Siebentel ber OJcfautmteiulagen umfdjlichen,*) 
feft, ba [3 bie Sparfaffen weitaus am meiften oon beit Arbeitern unb 
Minbern benii^t werben, bah bie[e Pcoölfcruugsflaffeu fowoljl im S3cr* 
gleidj gur ©efamnitgaljl bcr Sparer, wie im ’&crglcidj gum ©efamnit* 
einlagenbeftanbc bei jenen Kaffen am Ijödjften betbcüigt finb. 

Auf (ärmtb ber bei biefer (Erhebung gewonnenen (Erfahrung würbe 
in 33aijerit oom Sahre 1896 ab für fänuntlidje Sparfaffen eine all* 
jäljr liebe Aufnahme bes Pcrufs eingcfüfjvt, frcilid) mit ber Niafigabc, 
bah Iebiglief) bie neu bei ben Sparfaffen eiutretenbcu Einleger mit ihrer 
erften (Einlage nad) PcrufSartcn nachgewicfen werben feilten. Das 
Verfahren empfahl fid), weil fo jebc Sparfaffe, aud) bie mit auögebclju* 
teftem betrieb, bie gewünfdjten Nachweife erbringen farm; aufjerbent 
ergeben bie 9faebweifuugen in jener Pcfchräitfung ben ibatfäditidjcn Pe* 
ruf bcr Spargäfte oiel fidjercr als biejenigen (Ermittelungen, wcldje für 
alle am Sabresfdjluh oorhanbenen ülefammteinleger ben Peruf crfaffeti 
wollen. Aus biefeit ®rüuben erflärte fid) aud) bas internationale 
ftatiftifdje Snftitut auf bem Kongreh 51 t Pern mit bcr (Einführung einer 
internationalen Statiftif im Sinne ber batjerifdjen Stfetljobe oöflig ein- 
oerftanben, unb fanb baS 9?orbilb Patjerns iugwifdjcn oott anberen 
Staaten bes So* nnb AttSlanbeS mehrfach Nachahmung. 

Nunmehr theilt ber eben crfchicncne oierte Jahrgang bes baqcri* 
fehen Statiftifdicn Sahrbudjs -- herausgegeben oont iBorftanb bes 
Statiftifcheu Bureaus, Dbcr-Negierungsratl) Dr.prob ft — neben fonftigen 
recht intereffauten Daten bie Nefultate mit, weldje für baS Sahr 1896 
burch jene Statiftif ermittelt würben. Dattadj finb in biefem Saljre bei 
ben baperifchert Sparfaffen neu eingetreten: 


3ahl 


spar* 


1. (Erwcrbstfjättge, bie für fid) fclbft I 

einlagen mad)teu. 

2 . Suriftifdje perfonen (Vereine, Corpora* 

tionen).. 

Nidjferwerb^thätige (Ktuber), für weldje 
oon Anberen (Einlagen gemacht würben 


betrag ihrer 
(Erfteinlagen 


65 073 16 354 835 


3 


3 215 1 079 211 


34 568 5 319 039 


Sa. 102 856 22 753 085. 


Nur bie erftc (Gruppe, bie faft gtoei drittel ber neuen Spargäfte 
mit faft ebenfalls gtoei drittel ber Neueinlagcnfnntmc in fid) begreift, 
eignet fid) bereits gur weiteren 2£ürbigung. Die gweitc (Gruppe ift für 
unfere fokale ^etraditung irreleoant, unb bie brüte bleibt folange eine 
wirtfdjaftlicf) ober fogiaTfarblofe Mlaffe, als man nicht weih, ob cs fid) 
um Unternehmer* ober Arbeitcrfinber hanbelt, nnb folange mau uidjt bie 
(Erwerbsquelle (Sanbwtrthfdjaft :c.) fennt, aus welcher fic ihren Unter* 
halt ablcüeu; in Pegitg auf le^tere (Gruppe muh alfo bie ausführliche 
publifatiou bes Statiftifdjeu Bureaus abgewartet werben. 

§ebt man aus ber erften ©ruppc bas Aitgefte Ilten* unb 21 r* 
beiterperfonal heraus, fo ergiebt fid) über beffett Setheiliguug an 
bcn Sparfaffen foIgeitbeS: 


2 aub* unb Jorfnoirthfdjaft 

progeittauthetl an 
fämmtlidjen **) Neu* 
(Einlegern (Einlagen 
. . 13,*77 10, 70 

Xurdjfdjnitil 
£>öl)c einer 
(Erfteiulage 
198,18 

Sitbuftrie. 

. . 18,67, 

1 3,50 

184,79 

.^anbel uttb Scrfeljr . . 

5,18 

3,82 

178,51 

£>äuslidje Xienftbotcn 

. . 20,18 

1 0, C9 

132,78 

£cffetttlichcr Xicnft eiufdjl. 
Perufsartcu .... 

freie 

. . 5,21 

5,40 

266,76 


Sa. 62,99 43,76 177,33 

2L*eun nad) biefen 3af)Ieit faft gwei drittel aller Neueinleger fid) 
ans ber Mlaffe ber Unfelbftfiäubigen, insbefonbere ber Arbeiterflnffc, 
refrutiren, fo ift bas zweifellos ein giinftiges Spmptom oon bem Spar* 
finit unb ber Sparfähigfcit ber unteren Klaffen. Su biefem Urtheil 
beftärft bie 2Ijatfarfie, bäfj aud) am betrag ber Neueinlageit bie ar* 
beitenbe 'sBeoölferung mit über gwei fünftel betheiligt ift, nnb bie bimh* 
fd)iiittlid)C .frühe ihrer (Erfteinlage fciitcswcgs unerheblich fid) bnrftcllt. 
Der etwas niebrigere progciitiap ber Abhängigen an ber (Einlagenfmniite 
gegenüber bemjenigen au bcr (Einlegergahl wirb im Uebrigen uidjt bc* 
frciitben, beim bie in Nebe [tchcnbeu Kategorien föuueu uaturgemäh 
ntd)t fo hohe Beträge erübrigen unb gitriicflcgcti als bie Unternehmer* 
flaffe, für weld)e fid) bie (Erfteiulage bunbfdmittlirfi auf rnnb 390 jt 
beläuft. 

Nad) einzelnen berufen georbuet ergiebt fid) bie bebeutenbfte 
Sparhäufigleit für bie inbuftrielle Arbcitcrfdjait. 3 ,luu ‘ wirb ihr au 
fid) hoher AiithcU (!*,<* %) au ber (Einleger^ahl oon ben häuslichen 
Xieuftboteu uod) etwas übertroffen, unb im Turd)fd)iiitt finb bie 2?e* 


) Xie (ücfammt^ahl ber Sparfaffen betrug bantals 323 (1896: 333), 
ber (Einleger 63s ss7 (729 s 3 s) unb ber (Einlagen 216,3 (27<>) Ncillioueit 
AVarf. 

I X. i. oon (Gruppe 1 unb 2 nad) ben ^eredjnuugeii bes? Xtatiüi* 
fdjen oahrbudjs. 


träge, bie ber 2Irbeiterftanb oon i?aitb* unb ^orftwirthfch«ft, fowie oon 
öffentlichem Xieitft (tiicbere SBebienftete, iöureaubiener, Portiers :c.) bei beit 
Sparfaffen einlegeit, höher; aber bie Iepteren ^älle finb oiel fclteucr als 
bie, in benett Arbeiter bcr ^»buftric jur Sparfaffe fomnien. Unb barunt 
erfd)eiuen bie iubuftrielleu ?lrbeiter mit einem fo namhaften Aittbeil au 
ber (Einlagenfumute, bah bie Cuoteu ber anberen Arbeiter oerhältnifj* 
ntäfeig weit juriicfbleiben. 

©tellttug ber Äerjte jn bcn ftranFenfaffen. X)er 2lnSfchuh ber 
preufeifchen Aergtefammeru hat am 22. Nooentbec befdjloffen, über 
bie Stellung ber Werkte ju beit Äran feit Fa [feit ©ntadjtcit oott allen 
Kammern nn^uholen nnb baS (Ergebnife in einer X'enFfdjrift b er 
©ehörbe gu überreidjett. X'er AuSfchufe empfiehlt als Norm folgenbe 
gorberungett: 

a) (ES ift prinzipiell bie 'gefeplidtc ^eftlegung bcr freien Arztwahl 
weuigftenS für bie OrtSfranfenfaffeu anguftreben. 

b) (ES ift bie gcfc^Iicfje Definition, wer als „Argt" gu begeidjucu 
ift, anguftreben. 

c) (ES ift anguftreben, bah nH* Waffen, bie ben gefcfclid) geforberten 
Ncfcroefonbs erreid)t haben, bie §otiorirung ber Aergte möglich bis 
gur (Erreidnmg ber SNinitnaltare erhöhen. 

d) (ES finb gefefclid) (ärgtliche ober geutifdite) Äomtitifftouen gu 
bilben, weldje bie Ahfchlüffe ber Verträge gwifchen Waffen unb Aergtcu 
gu prüfen hoben. 

e) (Ebenfolchen .(fommifftonen liegt bie Neoiftou ber Negeptur ob. 

f) (Es finb für Streitig feiten gwifchcn Äaffen unb ihren Aergten 
gefehlid) Sd)iebsgerid)te und; Analogie ber Sd)iebSgcridjte für bie ®c* 
werbetreibenbeu gu bilben. 

g) (ES fo« barauf hingewirft werben, bah l- ^erfoneit mit mehr 
als 2000 JL ^fthrrSeinfoinmeu aud) freiwillig nicht Nfitglieber oon 
^hranfenfaffen werben föimen, unb bah bei tpäteren Aenbenmgen in 
ber Olcfefcgebuitg biefer betrag bes (Einfommcns uidjt erljöht werbe. 

Aud) ber ttädjfie Aergtetag, ber im NJärg 1899 in X)reSben 
ftattfinben foü, wirb als ^auptgegenftanb bie Stellung ber Aergte 
gu ben £ranfenfaffen behanbeln. Sin „Aergtl. SSereittSbl." fchlägt 
Dr. be S3arp—Alt*Xhann bie (Eiitfebung einer Art oon Sd)iebs* 
geridjt oor, „ba§ burdh baS ftaffengefefc fanftiouirt, in erftcr l # inie 
tu foldjett Streitigfeiten (mit ben Staffen) unb ärgtlidjen Sragen gu 
Nathe gu giehen wäre, baS erfparett würbe, bah bie orbentUdjen 
($erid)tc gleich gur (Geltung fomtneit mühten, ba£, furg gefagt, bie 
dinfettigfeiten abfehaffen h^f^/ bie auf ncrfdjiebenen Seiten in 
^affenbingett gu äage treten. y< 

din Antrag auf (Einfühntug einer attgetnetnen Afters* nnb 
Snoalibitätsoerfidjernng in Oefterreiih ift oon 24 juiiQtfd^ecfjifcfjen 
Abgeorbneten, alfo ctuS ber NegieruitgSinehrheit, im ofterreidjifchett 
Abgeorbnetenhaufe eingebracht worben. Sn ber SBegrünbuitg wirb 
barauf oerwiefett, bah für eine folche s 3erfidherung bereits gahlreiche 
SSercine, (^enoffeitfdjaften unb Waffen errichtet wörbett feien. 
reiche Petitionen ftrebten weiter bicS att. 'Die Nothwenbiafeit 
einer folgen Perfid)erung nach beutfehem Ntufter äußere fidj gleich 
für afle Angehörigen ber im NeidjSrathe oertretenen Königreiche 
uttb fiänber. X)urch dinführuitg einer nidjt blofj partiellen, fonberu 
allgemeinen Nentettoerficherung werbe bei ben heutigen oerfdhärften 
Konfurrengoerhältttiffen Ntillionen oon Arbeitern, ©ewerbsleuien, 
^aubroirtljen, prioatbeamten, SchriftfteKern, M ünftlem u. f. w. 
bie alles hetnmenbe unb oergeljrenbe 33eforgnih unt bie dgnfiettg 
für bie Sälle ber ArbeitS* unb Perbieuftunfähigfeit benommen. (Es 
genüge bie SScrfidjerung oon minimalen Nenten, fo bah baburdj 
bie prioatoerficherung oon höheren Ncnten wie bisher nidjt auSgc* 
fdjloffen wirb. 5£er Schluh bes Antrages lautet toörtlidj: 

Xurd) btefc allgemeine, alfo für fämmtlidjc Staatsbürger eingu* 
fiiljrcnbc Nentcuocrfidjcrung, bie als Ijuntaiie Snftitution burch ^erbei* 
gieljung ber befteheitbeit Steuerämter als (^clbfammelftellen unb ber 
Olcmciiibcämtcr als Abmiuiftratioorganc läuberwcifc ohne namhafte 
Niaiüpulationsauslagen bewerfftelligt werben föunte, würbe bie fchwie* 
rigflc Partie ber .^eimathsgcfepgcbimg, näntlid) bie Armeuoerforgung 
erlebigt werben — es entfielen gitm groheit Xheile bie für bie 2anb= 
wirthfdjaft briiefeubeu AiiSgcbingc — cs wäre bies ein oovbereitenber 
Sdjriit für bie Ncgehmg ltub Stabilifinmg bes ^üisfuficS, ber Söljnc, 
ja für bie (Eiitlaftuug bes bäucrlidjcu (^rttiibbcfiltes. Xicfe Snftitution 
ift ber Sdjliiffel gur 2öfuug maudjer brohenbeu Sogialtragcu. 

Aus biefett diriinben wirb bie Negierung aitfgeforbcrt, balbigft 
bem NeidjSratlj einen ©efetjcntiüurf, beireffenb bie (Einführung einer 
allgemeinen Alters* uttb Si^altbitätsrentcnocrfichcruug, oorgulegen. 

XaS Problem ber Alterdoerfidjerung itt ©nqlanb ift oon bem 
Kolonialntiitiftcr dhambcrlain, ber eigentltdjen Xriebh'aft auf bem 
(Gebiete ber Sogialreform im Mabinet, nnlängft in Nianchefter er* 
örtert worben. (Ehamberlain war cs, ber biefe Ara ge auf bas 
j fonferoatioc Negientngsprogratnm 1805 gebradjt batte: auf feine 
1 Snitiatioeiourbe ein parlameiitarifd)er Aitsfdjuh unter Vorb NofebernS 
; Porfife ciugefcbt, tun bie Angelegenheit gu ftubiren. Das (Ergebnis 







233 


©ojiate $raji$. ©cntralblatt für ©ojialpolitif. Ar. 9 


234 


biefer Verathungen ift frciltd) oo^ugSweife negativ (ogl. „Soziale 
VrajiS" VU. ©p. 1179). 3 u ^ e w hat bex 3 thafefan 3 lcr fid) jiingft 
recht abfällig über jeöe ftaatlidje AlterSoerforgung anSgefprod)eu. 
Aud) (Sfjamberlain betonte nadfjbrücflid) bie ©d)wierigfeiten, aber 
er fuf)r bod) fort: i 

„(Einige meiner politifdjcn (Gegner haben ben Vcrirfjt bcS Aus* 
idjuffeS mit greubc be^m. ©chabetifreube begriifet. Wirb ber Veridjt 
genehmigt, fo bat barnit bie Sobtenglorfc für eine ber größten f 0310 len 
Reformen gefdjlagen. ©elbft wenn er genehmigt mirb uub bas leßte 
Wort in ber Sache gefprodjen morbeit ift, mürbe ich es nidjt bebauein, 1 
beui Oiegcnftanbc ^eit uub Aadjbenfcn gemibmet unb bas Volf 3111 * Ve* 
feitiguug eines ber größten Aergcrutffc nuferer (ScfUtung augeregt 311 
haben. ' Selbft wenn ich (einen Erfolg haben fällte, mürbe id) mir 
fagen, bafe es beffer ift, SDJifeerfoIg 3 U ernten, als niemals für eine gute 
Sadje 311 fämpfett. 3dl glaube jebod) nicht, bafe bas lefete Wort in ber 
©adje fdjon gefprochen worben ift." 

Wir finb ber feften Ueber 3 eugnng, bafe bie 3ufanft §ernt 
(Ehamberlain Aed)t geben mirb; nadjbetn burd) bie UnfaÜoerficherung 
in (Englanb gan 3 neue Sahnen burd) fokale Qürforge unb jroar 
burchauS erfolgreich, fo meit fich bis jefct fehen läfet, eiitgefd)Iagen 
finb, toirb auch baS Problem ber AlterSuerficherung nicht mehr 3 ur 
Auhe fomtnen. ®er grofee 0 o 3 ialreformer, (El). ^Vooth in Lonbon, 
hat erft biefer Sage aufs Aeue bie ^ropaganba für bie Old Age 
Pensions in einer Aebe aufgenommen, bie in bem oolfsthümlidjeu 
©chlagroort gipfelt: 5 Schilling wöchentlich für Liebermaiin, ber 
über 65 Sahre alt. 

<£in fprojeft über AlterSberforgmtg be$ ttteberett $oft* imb 
Xelcgrnpf)cnperfonalS in grrattfreid) toirb gegenwärtig int £mnbels* 
minijterium ausgearbeitet. Sie ßlrunbltnten beffelben finb bie 
folgenben: S)a bie angcfteÜten Vebienfteten fchott jefet bie An wart« j 
fchaft auf eine auSfchliefelid) aus ihren eigenen EJkämiei^ahluugen | 
Fonftituirte Alterspcnfioit haben, fo ift gwifetjen ihnen unb bent ! 
nichtangeftellten Verfonal 31 t unterfcheiben. mir bie erfteren fieht ! 
baS neue ^rojeft nur einen 3afd)nfe bes Si^Fits oon 3 o / 0 ber j 
(behalte ju ben inbipibueüen Prämien oor. giir bas nidjtangeftellte > 
$erfonal führt eS bie AlterSoerforgung ein, unb groar folien bie I 
^enfionSfonbS gebilbet werben aus einem 4o/ 0 igen Lobnal^ug 
unb einem 3 o/ 0 igen 3ufchu6 aus fisfalifd)cn Mitteln. Sie VeufionS* 
fähigfeit tritt ein bei ben männlidjcn Vebienfteten mit bent 00 ., 
bei ben weiblichen mit bem 55. Lebensjahre. Sie $enfion felbft 
beträgt 500 fyrcS. im ÜDiinimum unb 1200 $reS. im ÄZagimum. 
Sen Wittwen unb Söaifeit ber ^enponSberechtigten foll baS Aecfet 
auf einen entfprechenben Sruchtheil ber 'ßenfion gefiebert werben 


Ärbtlt?itad)ttiel5. 

(Errichtung einer ÄrbeitStiachtoeiSfteKe in Siegt!!#. Sas 3 ur Vcfeitigung 
ber lättbltchcn ArbeitSnoth ins Auge gefaßte Unternehmen, eine Siegelung 
beö SlrbeitSnachmetfeS herbciiuführen, ift am 15. Aoo. ins Sehen getreten. 
Ser Aad)meis ift auf ben Vobett ber freien Vereinstbätigfeit gcftellt 
worben; er mirb geleitet oon einem Vcrmaltungsausirfjufe, weh-feer oon 
einem weiteren, aus Vertretern ber beteiligten Korporationen, Ver= j 
eine 2 c. bcftchenben SluSfdhuß gewählt mirb. £ic finan 3 iellen Viittel | 
werben burd) 3 u fd)üffc ber ©tabt unb bes Kreifcs fomic burd) Beiträge 
ber betheiligten Vereine 2 c. aufgebradjt. $ie SlrDeitsocrmittelung finbet 
für Arbeiter unb Arbeiterinnen fämmtlid)er Verufsartcn fomie für ftäbti* 
fcheS unb IanblicheS (^eftnbe ftatt, unb jmar für Arbeitnehmer uneuP 
geltlich, mährenb oon ben Arbeitgebern eine geringe (Gebühr erhoben 
werben foü. 

©täbtifiher ArbeitSnaihttietS in Vom S)ie ©tabtoerorbneteu haben j 
am 25.JRoocmber bie (Srridjtung einer ftäbtifdjeu Arbcitsoermittelnngi?« j 
ftelle für männlidjc unb weibliche Arbeiter befd)loffeu. 


üotjlfaljrt^eimiditungen. 

2)ie üföohlfahrtSeinrichtUttgeti auf ber !aiferli<hcit SBerft in Äiel (ogl. j 
„©oktale $rajis" VII. ©p. 813) haben einen neuen 3»wachS erhalten. ! 
inmitten beS oor brei fahren angelegten Arbciterparfcs ift im i'aufe 
biefes Sahrfd ein großes (Jrholuugs* unb Verfammlimgohaus erbaut • 
worben. $aS weithin fidjtbare, auf einer Anhöhe ber VSerft gegenüber | 
liegenbe VauwerF macht einen fiattlidjen tiinbruef. S)as (jrbgefdjofj ! 
enthält einen 600 qm groben Konjertfaal mit Viihne, einen Sfebeufaal, | 
StcftaurationSräume, eine Vcranba unb eine Soppelfegelbahn. 3m erften i 
©toef liegen Klub=, Sefe.jimmer unb Viüarbfäle, wcihreub im zweiten , 
©tod bie SBohnräume für ben üDcfonomen fid) befinben. An ber Cft= 
feite ift ein hoher 2 h«rm aufgeführt, oon meldjcm man einen präd)tigeu | 
Vlic! über Kiel unb ben ganzen .'oafen bis in bie Lfifec Ijat. ©chöne 
Anlagen umgeben bas ®an$c. Sie Arbeiter unb Veamten ber Vierff I 
folien in biefen Räumen eine ©teile ber (Srf)olung erblirfen. 3 u ben 1 
Seferäumen wirb ihnen jegliche Seftüre geboten; bie Vereine foflen in I 


ben größeren Klubjimmern ihre Vcrathungcu abhalten; ber ©aal fieht 
ihnen für ihre Vergnügungen 31 er Verfügung; ©pcifen unb Öeträufe 
werben 311 mäfjigen^reifen oerabfolgt, unb ber fd)öne ^arf bietet einen 
herrlidjeu Aufenthalt im freien. Sie ganzen Koften für ben Vau, an 
beffert Verwaltung bie Arbeiter bureb Vertreter betheiligt finb, unb bie 
(Einrichtung belaufen fid) auf eine Vicrtelmillion SRarf. 

©täbtifche mtb pribatc 3öohlfahrtSpflcfle. 3 n ben ©tabtoertretuugeu 
mad)t fich bas .'oerannahen bes Sinters bcmerflich. ©0 würben am 
15. Siooember in .^alle 3500 x. 3 ur Anlegung einer (Eisbahn für Uu= 
bemittelte bewilligt, ©diulbcputationcn, Vereine u. f. w. beginnen auf 
Vergünftigungen für beu (Eislauf ber Kinber uub bie Vefcbaffung oon 
©d)iittfd)uhcn 3 U finneu. Sesgleidjeu regen fid) bie Ausfdjüffc 311 r Ve= 
[djaffung oon warmem Ai'ühftüd für armeKinbcr bort, wo bies nur 
im hinter gewährt wirb. 3 n granffurt a. V?. ftnb für ben hinter 
bereits 1600 Kinber bafür angemelbet, wovon 1400 00 m 15. 9tooember 
ab bcriidfichtigt werben. Ser Koftenaufmaub bafür beträgt 16 8 (X) JL 
3 n (Ehemnip ift nad) Seipjiger SKufter eine ©djreibftube für 
Arbeitslofe begrünbet. ©ic bient ähnlidjen 3mecfen, wie bie foge* 
nannten Aothftanbsarbciten, bieinjebem SSinter oon beit gröberen 
©täbten eingerichtet werben, unb ermöglicht es beu fd)wäd)creu Ver* 
fouen, betten ©teinHopfen, .'ool^fägeit u. f. w. eine ©chäbigung ihrer 
fvingerfertigfeit ober Otefunbheit bringen fönnte, fid) über bie ^eit ber 
Arbeitslofigfeit hiawegjubriugcn. Vcrlin ift ein AbeHbbeim 
für Arbeiterinnen errichtet, ber Unterhaltung, Velehrung unb Arbeit 
(eine 9fähmafd)ine fteljt 3 ur Verfügung) gemibmet. 3ür billiges Abeitb» 
brot wirb geforgt. — ©penbeit für bie (Errichtung neuer Suttgeuheil* 
ftätten unb Olenefungsheime werben aus £ Ibenburg (75 000 JL hat 
bie Verfidjcrungsanftalt bem Volfsheilftätteuoereine ohne Verpflidjtung 
3 ur Stiidgabe 311 r Verfügung gcftellt), 3»eifeen berichtet. Weitere 
©penbeu betrafen bie (Srrid)tung eines VolfsbraufcbabeS (in fieupfd) 
bei 2 eip 3 ig), eines Kinberafpls (in Vcrlin ), eines Vlittbenafpls (Verliit), 
Sefehalleit unb Volfsbibliothefen (Vcrlin), ein oegctarifcfeeS Kinberhfim 
(Vcrlin), Volfsparfs, 9)Ktnncrheimc, Kranfenhäufer unb Ael)nlid)eS. — 
Sic Arid)*p oft Verwaltung hat fid) entfdj loffeu, bei Acu- unb Um* 
bauten für Vabcgelegcuhciten ihrer Augeftelltcn 31 t forgeu. Sie feit 
einem halben 3 abrc in ber 9teid)sbrucferei gefdjaffeuen Vraufebäber bc= 
unfeten burdifdjuittlid) täglid) 108 Vcäuner unb 82 grauen. Sie Vc 
nupung (eiufd)liefe(id) ©eife, $>aubtuch u. f. w.) ift uuentgcltlid). 

Sie ^entralftette für bie ^ontrole ber V^ohUhatigfeitSpflege 
in Vcrlin, bie mit ber ftäbtifdjeu ©tiftiiugsbeputatton oerbunbeit 
ift, erstattet einen gebrueften Veridjt über baS 3al)r 1 . April 1897 
bis 31. s JAär 3 1898 (Vcrlin 1898, Srucf 001 t dutil ©^ 11 ( 30 , Vian= 
tcuffelftr. 77). 3n ber (ientralftelle füllten alle Aad)rid)ten über 
fowohl burd) bie öffentliche Armenpflege, als auch aus ©tiftungS* 
foitbs, oon Vchörbeit, Sol)ltl)ätigfeitSanftalten, Vereinen 2 c. unter* 
ftüfete s ^erfonen gefamntelt werben, uttb oon ihr füllte AuSfunft 
über alle als unterftüfet gemelbetett Verfonen ertheilt werben, bamit 
Unterftüfeungen nid)t mehr gewerbSmäfeigcn Vettlcrn gugewettbet 
werben. S)as ift bis jefet nicht erreicht. *&S ift nid)t oor jeber 
llnterftü(jititgSgewäf)rung angefragt worben, es finb nur 17875 3Rit* 
theiluitgen ber ber Armenbireftion nid)t unterftel)enbeu ©teilen bei 
ber (Eentralftelle eingegangen, ferner 2265 Anfragen, 43164 9 Rit* 
tl)eilungen ber Armenbireftion über gewährte ©jdraunterftühuitgen, 
31 760 Vcittheiluiigen über Veränberungett in beit Iaufenben Ve* 
3 iigen, 11 253 Aftenftücfe. ©ie erlebigte ferner 202 ©tabtfergeanten* 
aufträge. Susgefammt bearbeitete bie (ientralftelle 106 519'©ad)en. 
Aus benfelbcti würben 25 927 ^crfonenblätter neu angelegt unb 
78 433 berichtigt. Von bett 249 Vel)örben, SBohlthätigFeitSaiiitaltert, 
Vereinen 2 c., welche fid) bis 311 m £)erbft 1897 30 einer Verbitibuttg 
mit ber (ientralftelle bereit erflärt hatten, h a & cu nur 107 fic be* 
tljätigt, 142 haben itid)ts oott fid) hören Iaffeit. Sic (ientralftelle 
ift fein Organ ber Armenbireftion unb oerfid)ert, fie halte bie 
VUttheilungen ftets unter Verfd)lufe, fo bafe eine Vefanntgabe ber 
barin enthaltenen Viittheilnngeu an Unbefugte auSgcfdjloffeu ift. 

©elbft 3 u ermittclube $ripatpffegeftellett in ftöln. Ser Kölner 
Verwaltungsbericht tEjeilt mit: 

(Eitbe Sf 3 emher 1897 ift oerfud)Swetfc bie (Einridjtung getroffen 
worben, baß bie Armeuln^ivfe hülfsbcbürftige Kinber hei mir worüber* 
gehenber llnlerbrerijung ber (Elternfürforge ftatt, wie bisher, in ftäbtifchc 
VJaifcupflcgc, in felbft 31 t ermittelnbc ^rioatpflcgcftellcu unter* 
bringen fönnen. ^sn foldjcu Jvällcu wirb ber für bic Aufnahme in 
Viaifeupflege uorgcftbricbene Antrag oon beu Armenbe 3 irfen bei ber 
Armeubeputation gefiellt, glcid) 3 eitig bie Vflegcftelle näher be 3 cid)iict unb 
eine geeignete Saute oorgefdjlagcn, welche bereit ift, in Verbinbitug mit 
bem betreffeuben Armcitbc^irfsoorfteher uub Armcupfleger bei ber Veauf* 
fichtigung ber 'ipflcge mit 3 inoirfeu. ^\it beu erften brei Vcounten ift in 
12 ^äUcit für 3111 'ammeu 22 Kinber oon biefer (Einridjtung Olebraitd) 
gemadjt worben. Aur in einem biefer gälle haben fich Vebenfeit gegen 
bie Vflegcftclle ergeben. 

^chrlitiflSfriftungett in Württemberg. Sas ©tuttgarter ©tatiitiidie 
Amt hat es fich 3 m’*Aufgabe gemacht, in einem Anhang 31 t jebem 
Aconatsberidjt eine grage oon allgemeinerem ftäötiidieu ^ntereffe in| 
Sufammenhange 31 t behaitbefu, beioufet, in ber Abfidjr, baburdj au 




‘235 


Soziale $roji3. Eentralblatt für Sojialpolitif. Rt. 9. 


236 


regenb auf bie ftäbtifdjc Sogialpolitif unb Wohlfahrtspflege 311 wirfen. 
Ter Septemberbericht ftcllt bie Sej^rliiiQ^ftiftungen unb ihre Jlwcdbc* 
ftimmungeit in 'Stuttgart unb bcn übrigen größeren Stabten bcs £aubcs 
gufammen. 3usgcfammt bcftchcu in beit elf Stabten: Stuttgart, (Sann* 
ftatt, (Swingen, ©münb, ©öppingen, .^eilbronn, iubwigsburg, RavetiS* 
bürg, Reutlingen, Tübingen, Ulm, 56 öffentlich verwaltete Stiftungen 
für gewerbliche VerufSbübung. 3 n ben anberen ©emeinben beS ^anbeS 
beftaubeu itad) einer Aufnahme non 1876 nodj 39 ä^nlidie Stiftungen. 
jDiefel&en nerfügen über ein Mapital vvti gufammen 374 410 *(>. mit 
einem jährlichen Erträguif) non 13 605 M . Ter Stiftiutgsgwccf geht 
tf)etls auf bie gewerblidje AuSbifbung, theils auf bie höhnen Stubien. 
39 , 3 % ber Stiftungen mit 44 ,bs% beS gefammtett Kapitals ftttb nor 
1860 unb 23,? bejiu. 15,^2% beS Kapitals gmifdjcn 1851 unb 1871 er* 
richtet. TaS laufenbe 3ahrgel)tit hat nur wer Stiftungen biefer Art 
im ©efammlbetrage non 37 000 Ji. gebracht. TaS Statiftif<hc Amt 
weift barauf hity baf) allein im Danton St. ©allen 1895 nicht weniger 
als 118 gewerbliche MjrliugSfoitbS mit einem Setrag non 875 519 ftrcS. 
regiftrirt würben unb forbert bie wol)lhabenben Rteifter gur Rad)* 
eiferitng aud) in biefer Art ber görberung beS £ehrlingswcfens auf. 


ffloljnungsttiefcn. 

Tie (Errichtung eines ä$ohmiti$3atiitrd in Stuttgart ift im 

Werfe. 3m Aufträge beS DberbürgerntetfterS hat ber ®ireFtor 
bes ftatiftifchen Amtes ber Stabt Stuttgart, Dr. Rettich, bent ©e* 
meinberathe einen $lan vorgelegt, wonach bern Amte folgenbe 
jjpauptfunftionen gugebad)t ftnb: 

1. Statiftifche Veobachtung aller Vorgänge auf bem ©cbietc beS 
WohnmigswefertS unb beS WohnungSmarfteS. 

2. feof)nungsnad)roeiS, barauf geftü^t, bafc bie HauSbeftfcer burd) 
OrtSfiatut verpflichtet werben [ollen, jebe nermiethbaie Wohnung unter 
Sefchreibuitg berfelbeit unb Angabe bes greife© aitjumelbeu unb nach 
erfolgter Vcrmietf)ung, unter Angabe ber neu ehtgiehenbcit ^erfonen 
wieber abjumelben. (Sgl. ben Aufjah RettidjS in ber „Sozialen Vrnris" 
VI. Sp. 545.) 

3. SSoI)nungsinfpeltion, inSbefonbere Ermittelung ber überfüllten 
Wohnungen. 

4. Tas Wohnungsamt foll ■ oor beni Erlab oon Crtsbau* 
ftatuten, bei Stabterweiterungen unb über Anträge auf Erbauung non 
SWiethmobnungen burd) bie Stabt gutadjtlidj gehört werben. 

5. TaS Wohnungsamt foü als unentgeltliche AuSfiuiftSffclIe für 
alle fragen bes 9)detl)red)tS fuugiren; ferner wirb bem ©emcinberathe 
anheim gegeben, gu erwägen, ob es nicht nüfclid) wäre, bem Wohitungs* 
amt aud) eine fd)iebsrid)terliche gunftion gugucrfeitneti. 

Tct Vcrbanb ber unb ©ntnbbcftfcct tu ber 

hat, entgegen ben Sefdjlüffen beS EentralvereinS beutfefjer §auS* 
befifcer, bie fid) gegen Saugenoffenfdjaften unb 93augefcllfd)aften 
auf gemeimtüfciger 93afiS richteten, fid) bahin auSgefprochen, bafj 
in ben Snbuftrieorten ber $falg thatfächlid) Mangel an Arbeiter* 
Wohnungen fei unb es nur gebilligt werben fönne, wenn Vau* 
gefellfdjaften unb ©enoffenfdjafien entftehen, bie biefem Mangel 
abhelfen. Wenn ©enteinbe* unb Staatsbehörben fowie bie 93er* 
ficherungSanftalten folcheit Vaugenoffenfchaftcn unb *©efellfchaften 
ihre görberung guwenben, fo muffe man baS als im allgemeinen 
3ntereffc liegenb nur anerfennen. Tie ©rünbung oon Vaugeitoffcn* 
fchaften fchreitet in ber $falg fort. 

Ter ftartönther 2üiet|et* trab Vauvmbt (©enoffenfehaft mit bc* 
fchränftcr Haftpflicht) hat bie erftc Serie feiner Sauten forneit fertig* 
gefteflt, bafj 27 Wohnungen an Vtttglicber gu vergeben ftnb. Serbien! 
and) baS rafdje, energifrf)c Vorgehen Anerfennung, fo ift baS Ergebnis 
ber 9)?iihe im Verhältnis gum Vebarf an fleinen Wohnungen in Karls* 
rul)e nur gering, unb weber bie Sauten ber Stabt, nod) bie ber ©e* 
uoffenfehaft werben ben Stängel linbern, ber fid) burd) bie grof 3 cn 
Sauten in Karlsruhe, bie bereits begonnen finb unb bie weiter in Aus* 
ficht flehen, nod) erheblid) fteigern bürfte. 


$ 0 |iale §t| 0 iette. 


SRebuiualreform. er preufeifche „Entwurf eines ©efefceS, 
betr. bie ^ienftfteHung beS Kreisarztes unb bie Silbung non ©e* 
funbheitsfommiffionen", wie er feiner geit hfiro°rö e 9 an 9 en au§ ^ cn 
Serathungen ber fogenannten 2J2aifommiffion (1897) über ben 
urfprüngltch oon ber Regierung uorgelegten weiteren Entwurf, ift 
jefct uon ben Aerztefammern berathen unb warb in biefen £agen 
uon bereu AuSfdjufe erlebigt. Er bejwecft befanntlich, bas alte 
Snftitut ber KteiSphnfici beit Anforberungen ber mobernen Sozial* 
$>i) 9 iene anzupaffen, ©ie Stellung ber Aerzte zu biefer Sorlage 
mögen bie Sefd)liiffe ber Aerztefammer für Serlin*Sranbenburg 
erläutern. SDiefe ftimmen ber Reform im Allgemeinen z^O 
ntiffen aber eine ©ernähr in bem Entwürfe, ba& ber ftinftige Kreis* 


arzt auch wirflid) auSfd)laggcbenber 3aftor in ber Sozialhygiene 
werben fann. Sic halten bazu für nötl)ig, bafj ber Kreisarzt 
ooübcfolbeter, unmittelbarer Staatsbeamter werbe unb auf jebe 
^rioalprayiS verzichte, ähnlich bem eitglifchen ©efnubheitsinfpeftor, 
baft er ferner eine eigene Snitiatiue befomme unb nicht erft baS 
Erforbern ber z»ftänbigen Sehörbett (meiftenS beS SanbratheS) 
abwarten müffe, um fid) gutachtlich äufjeru z« fönnen, unb aud), 
ohne aufgeforbert gn fein, an ben Si(jnngeu ber KreiSfd)üffe u.f.w. 
theiluehmen gu bürfen. Ein äl)itlid)er ©runb ift es befanntlid) 
aud) gewefen, ber Rubolf Sird)Ow gu ber Sorberung einer £os= 
löfung beS öffentlichen ©efunbheitSwefenS oom Reffort beS Kultus* 
minifteriumS unb feiner Unterteilung unter baS Stinifterium 
beS Snnern oeranlafet hat. 3m Entwurf fehlt bie Einrichtung oon 
Affiftenten beS Kreisarztes, bie fich bie Kammer als private, auf 
ben KreiSargt fich vorbereitenbe Aergte benft, bie von Satt gu gaU 
gegen Remunerationen gugegogen werben. Enblid) greift bie 
Kammer bie Seftimmung beS urfprünglichen Regierungsentwurfs 
wieber auf, wonach für 3mecfe beS ©efunbheitSwefenS Unter* 
fuchungSanftalten unter staatlicher Auffidht erridjtet weiben muffen. 
"SMe nothwenbig biefe lejjte gorberung ift, ohne weld)e ber Kreis* 
argt häufig jeber R;öglid)feit mobcrn*wiifenfd)aftlicher Hnterfud)ungeu 
bar ift, geigt ber Umftanb, bafe bisher erft ^erglidj wenig Stäbte 
folcfje Anftalten befigett, unb bie Kreisärzte auf bie fiicbenStvürbig* 
feit ber militärärgtlichcn Einrichtungen angewiefen waren, wo 
ihnen nicht bie UniverfitätSlaboratorien auShaifen. 

SSefämpfmtg ber Sufaerfulofe. ^aS Seutfdie EcutralfomitH gur Er# 
ridjtung von Heilftätten für ^ungeiifranfc, welches unter bem ^roteftorat 
ber Kaiferin unb bem Ehrenvorfib beS SieidivfauglcrS ftcfjt, wirb am 
17. S)cgcmber im ReichSfauglrrpalaiS feine ©cueraluerfammlung abhalten, 
i^on ben auf ber lageSorbuung fteftenben ©egenftänbeu finb bemerfenS* 
wertl) Sftittheilungen über ben "für bie ^fing|twoche 1899 uad) Berlin 
eingubenifenben „Kongrefe gur ^efämpfung ber ^ltbcrfulofc als s i?olf$= 
fraitfheit", beffeu Vorbereitung in ben Hauben be$ Herzogs von Ratibor 
unb beS ÖeheimrathS v. iteyben liegt. 2)a in lefzter v 0 ,c'it eine größere 
Angahl von ©emeinben bie 3Äitgliebfd)aft beS EentralfomiteS erworben 
hat unb bie an bie Unterbringung tubcrfulös Erfranfter in Hcilftätteu 
fid) anfdjliehenbc ^iirforge gu nicht geringem Jheil auf fommunalcm 
©ebiet liegt, fo wirb ferner bie Stellung ber ©emeinben gur Heilftätteni 
frage einer Erörterung unterzogen werben. 

RmtthocrbrcnnunöSDomchtintßcn. Unter gahlreidjer Vetheiliguug 
hoher Beamter, ^nbuftriefler, 2ed)nifcr :c. fanb am 24. Roveuiber in 
Verliit eine Verfammlung ftatt, bie unter Hinweis auf anbermärts ge* 
machte erfolgreiche Erfahrungen (VariS) befdjlofj um Erlau einer ^oltgei* 
vcrorbnung gunächfl für Verlin gu bitten, nad) wcldjer bie Eutwidlung 
fd)wargcn, biefeu unb lauganbaueritbeu Rauches burd) gemcrblidjc An* 
lagen unb Eentralbeigiingeit vom 1 . Cftober 1899 ab ünterfagt wirb. 
Rtabgebcnb finb für biefeu Vefchluß folgenbe Erwägungen: 1 . es ift 
feftgeftcllt, bab cs eine grofje Angahl randjvergehrenber Apparate gicbi, 
weldje geeignet finb, bie Eutwicflung übermäfngen Rauches bei groben 
Seuerftätten gu verhtnbern; 2 .^ es? fann mit Sid)crheit angenommen 
werben, baf) bei Aitwcnbung foldjer Eturidjtungcu eine irgenbwie in 
Vetracht fontmcnbe öfonomifdje Schäbigimg ber hefiger von fteucrungs* 
anlageu nicht ein treten wirb; 3. es ift gu erwarten, baf? ber Erlag eines 
Verbotes bie weitere wtrffame unb fegcnSreidjc Eutwicflung rauchver* 
gehrenber Apparate gur ?volge haben wirb; 4. burd) bie fid) immer ver* 
mehrenben Anlagen ber ^euerfteüeu in groben Stäbtcu wirb ein gefunb* 
heitsgefährlicher, bie Schönheit unb Reinlid)fett ber Stäbte beeinträd)ti= 
genber Einflub ausgei'tbt; 5. es bietet feine Schwierigfeiten, biefen unb 
unburd)fid)tigen Rand) von fd)ioad)em, uid)t beläftigenbeu Raud) 31 t 
unterfd)ciben. 

H^penifchc IBoyföhrtSetitriihtuugett. S'ie Reuerridjtung von ©c-- 
nefungsheimen fdjreitet fort, ^sm Sübhargborf Sülgfjaiu ift von 
ber Rorbbeutfdien Änappfdjaftspciifiousfaffc unb privaten eine Hctlftätte 
für Suugeufranfe für 115 ^erfoneu crridjtet • mit) Riitte Cftober ein* 
geweiht. 78 Patienten finb bereits aufgeuommen. — 3ur Erbauung 
eines ©enefungsl)eims in ©rotVHansborf bewilligte am 20. Öf* 
tober ber Ausfd)uu ber auf biefem (Müde rnbmlidjfi vorangegaugeueit 
hanfeatifdjen ^uivalibitäts* unb Altersvcrfidjcrutig 273 600 .//. — E^er 
AuSfchub ber württembcrgifdien ^imalibitäts* nitb Altcrsvcrfidierung 
beriet!) am 20 . Oftober in Stuttgart über einen Antrag beS Rfitgliebcs 
Knie, bie Errichtung von Sanatorien (lüiugeuhcilftätten) 1111 b 
R ef 011 valesg cuten hält fern auf .üoftcu ber Vcrfidimingsauftalt in 
Erwägung gu giehen. ^cr Vorftanb, ivie bie Mehrheit bes AiiSfdjuffeS 
geigten fid) geneigt, bcn fd)on befteljenben württembcrgifchen Verein für 
Volfsheilftätteu gu unterftüpeu. Ein enbgiltigcr Vefdjlub würbe bis gur 
nädiften Etatsberathung vertagt. Tiefer Verein gäfjlt gur ^eit 328 V?ü= 
gücbcr, hat 73 000 „it an einmaligen unb 5000 ^ au bauernbeu Ein* 
nahmen, fowie einen ©rimbiingsbeitrag von 50 000 jc von ber Regie* 
rung gugefidjert erhalten. Tns Sanatorium foll für 100 Vetten ein* 
geridjtet werben.’ 

©eitcfmtßSheimc in Vabeit. Ter babifdjc Verein „©cucfuugsfürforge", 
beffen ©rimbftocf beit Sammlungen entflammt, bie gum 70. ©eburtstag 
bcs ©robhet'gogs von ben Hanbelsfammem veranftaltd waren, hat feilt 



©ojialc Sßrajis. Wcntralblatt [ür SojialpoUtiF. 9fr. 0. 


238 


237 


erßeS WenefungSßeim fertiggeffellt unb wirb cs bemnäcßß bem Vetrieb 
übergeben. Ws ift aite einem ehemaligen Scßlößcßeu in Aoßrbacß bei 
Heibelbcrg ßergeßeHt worben unb entfprießt in feinen Winridjtuiigen, 
feiner 2 age unb feiner Umgebung feinem 3™ed in ßoßem Wrabc. &aS 
Siocite §eiut wirb im Greife 2 örracß errichtet werben. 


äojtalpolitifdje üHa|§nal)tnen im öerheljr^mcfcn. 

Qu SountngSrnße auf bett engltfdjcu (Mfettlftlttctt. lieber bie 
(5infd)ränFung beS (9uteroerfeßrS an Sonn* unb gfeiertagen auf 
ben difenbaßneu GnglaubS (mo feßon 1680 bte „Lords Day Act“ 
beit ©runb jur Winfüßrung ber Sonntagsruße legte), berietet bie 
öftcrreicßtfrfj*ungariicßc HartbelS* unb ©ewerbeFamnter in ßonbon: 

Alle befragten Vaßtiuerwaltungen Fonftatiren übereinßimmenb, baß 
fte Feine gebrueften Verorbmutgen für bie WirifdjrätiFung beS Wüteroer* 
FeßrS an Sonn* unb geiertagen befaßen, fowie, baß ber beginn ber 
Vefdjränfung auf Fein befaimmteS 2)atum jurücfgefübrt werben Fönnc. 
$)iefc Winridjtung ift baS Aeuiltat langjähriger Oiepflogentjeit unb fjat 
fidj, ben Anfdjauungert beS ^ublifimts unb ben baraus fad) ergebenben 
Webräucßen betreffenb bei* Sonntagsruhe entfpredjenb allmählich ent* 
wicFelt; fie entfpridjt oollFommen ben Vebürfniffen ber Wefcßäftemcit, 
mcltfjc in Feiner SSeifc über biefe Winfcßränfung Klage führt. HUc 
Wiiterftationen ftnb bem ^ublifum gegenüber am Sonntage gefcßloffen; 
bie größeren Stationen werben bereite am Sonntage non Vacßmtttags 
3 wci ober oier Uhr gefcßloffen. SSäßrenb biefer $eriobe nehmen bie 
Sahnen uont ^ublifum Feine Wiiter entgegen, gm ^rinjip ftreben bie 
Verwaltungen banadj, bie 3aF)l ber am Sonntag ab^ulaffenben 
unb uantentlid) auch Oiüterjüge auf baS mögliche Vfinimum 3 U be* 
fdjränFcn unb fo einer großen Stnjahl non Vebienßeten aller Art wie 
irgenb thunlidj frei ju geben, gn ber Sieget leiften bie Vebienßeten 
ber Wiiterftationen am Sonntag Feinen $ienft, jebod) Fommt es ju 
feiten außergewöhnlich großen WefdjäftebrangeS oor, baß einige 2eutc 
aufgeforbert werben, am Sonntag haaren auf* ober abjulaben, bereu 
Hatitirung am Jage ooyßer nicht rechtzeitig oollenbet werben Fonnte. 

Ws erfeßeint auch juweilen erforterlicß, in golge außerorbentlidj 
regen WefdjäfteocrfeßrS, ober wenn bureß 9fatureretgniffe, wie groß, 
Sdjnec, 9?ebel u. bgl., Stocfungen ßeroorgerufeit werben, am Sonntag 
eine gewiffe 3 a ßl »on Oiiiter^ügen ein 3 ufcßalten, namentlich um Stationen 
3 u entlaßen, wo faeß oielleidjt eine übergroße An 3 aßl oon leeren SBagen, 
ober oon belabenen Kohlenwagen aiigefamntelt hüben, $iefc 3 iige 
werben inbeß nicht eingelegt, weil etwa baS ^iiblifum bieö oerlaitgt, 
fonbern fie bienen lebiglidj ben Vebürfniffen ber Sahn. Oielegcntlidj 
wirb and) ein Sonbcrgüter^ug für Wjrportwaaren am Sonntag eingelegt. 
Reicht ocrberblidjc Artifcl, wie Vfildj, gifche u. bgl. werben, infoweit 
bics bas Sebiirfrtiß bes VublifiimS erfordert, am Sonntag bureß $er* 
fouenjüge ober Sonbcrjüge beforbert. Mn ben größeren Wüterßationen 
ßnbet an ben oier SanFfciertagcn bie Ablieferung foldjer haaren ßatt, 
welche leicht bem Serberbcu aitegcfcßt ßub. gm Allgemeinen läßt ßdj 
bas Sijftem ber Wtnfrfjränfimg bes Wüterocrfeßrs bahin ^ufantmenfaffeu, 
baß an Sonn* unb geiertageu Feine Annahme noch Aitefolgung ber 
Witter erfolgt; mit Ausnahme oon relatio geringen Vfengen oon SBaaren, 
weldje bem Scrbcrben auogefeßt fittb. Wiifertige, weldjc au ben ge* 
nannten ^agett abgelaffen werben, bienen lebiglidj baju, Anßauitugeu 
oon SSaaren ju oerljinbern; ihre 3 a b l befeßränft ßdj burdjwegs auf 
etwa ben fünften Üljeil ber an fonßigeti £agen faßrenben Wiiterjüge. 
Auf ber Wreat=Aortfjern=(£ifenbahn werben am Sonntag nur 90 bureß* 
geßenbe Wiiterjüge abgelaffen, wäßrettb bereu 3 aßl an ben äßodhentagen 
je 450 beträgt, tiefes Sijftem wirb babureß ermöglidjt, baß eineStßeite 
bie Saßnen einen ßinreidjenben gahrparF bcßßen, ber ißuen erlaubt, 
bem SubliFum gcuiigenb 3eit jum Auf* unb Ablaben ber S?aarert ju 
gewähren, unb anbererfeits baburdj, baß bie Saßnoerwaltungen SJaarcn 
in allen gälten prompteß beförbern, fo 3 war, baß Wüter oon einem 
(Snbc bes Sanbes bis an bas anbere fpätcftenS innerhalb 24—86 Stunbett 
oont AugenblicF ber Aufgabe an gcrcdjiict 3 m* Ablieferung gelangen. 
Qic prompte Seförberung ber Wüter auf ben englifcßeit Saßnen wirb 
aueß itod) babureß wesentlich erleidjtert, baß bie Verwaltungen nießt 
allein bie SSaaren bureß ihr eigenes guhrwerf abliefcrtt, fonbern auch I 
ab holen, unb 3 war tßeils oon eigenen Sammclßellen, tßeils ootn We* 
fdjäftSloFal beS Serfenbcrs felbß. SBaaren, weldje 3 . S. in ber (iitt) 
oon Sonbon oont WefdjäftsloFal bes Serfenbers oor fedjS Ußr Abettbs 
abgeßolt werben unb für Wlasgow beßimrnt ßnb, werben bereits am 
nädjßen Sormittaa beut Wmpfängcr ciugeßänbigt. 5)ie Wntfermtng be= 
trägt 645 km, bie ^auer ber Seförberung oon £>auS 3 U £>auS 18 Stunben. 


Citcrartfdie ^njdgett. 


£ liefert, Dr. Wgon, Sammlung fo 3 ialpäbagogifcßer Auffäße. ^aber* 
born 1898, gerbinanb Scßöningß. 137 S. 
gn biefer Sammlung früher in oerfeßiebenen Seitfdjnftcn fdjon 
oerößentlidjter Auffäße werben bie 2efer biefeS SlatteS befonbers bte 
trefflichen Abßanblungen interefßren über bie höheren faulen unb bte 
fo 3 ialen gragen, über bie Sheilnaßme ber höheren schule am Kampfe 
gegen Serfdjwenbung unb Serguügungsfudjt, über fo^ialpabagogticßc 
gerienfurfe, fowie bie feinfinnigeu, auf reießer päbagogifcßer ivrfahrung 
unb gebiegeneu oolFSwirtßfdjaftlidjen Kenntniffen berußenben AuS uh* 
rungen bes Autors über bie Seleßrungen betreffenb bie gefeUfcßaftltcßc 
unb wirtßfcßaftli^e Wntwicfelung in ben ßößeren Seßraußalten. 
llevue politique et parlamentaire. Herausgeber Starcel gournier. 
^ariS. Woliu & Wo. 

Aus bem DFtober* unb Vooemberßeften citireu wir folgenbe ArtiFel 
oon fo 3 ialpolitifdjent gntereffe: Toran*Bagle, Le probleme social et l’indi- 
vidualisme; Aguilera, Ja Politique ö’Aristote et le programme social 
de la 3 me republique; Fournier dq Flaix, La geographie Sconomique et 
sociale en France; Fontaine, revue des questions ouvrieres et de pro- 
voyance; Roussel, La grevo general et le syndicat Gu^rard; de Seilhac, 
les congres ouvriers; Bourdeau, revue du mouvement socialiste etc. 

fronte, Dr., Arsneioerfeßr für KrauFenFaffen. Anleitung 3 ur Spar* 
famFeit bei bem Serorbnen für KranFenFaffen. dritte Auflage. 
Köln a. 9Uj. 1898, $aul Veuoiter. 244 S. 

s l5ataFtj, Hugo unb SJilßelm. Sämmtlicße S^entgefeße bes gn* 
unb AuSlanbcS in ißren wießtiaften Seßimntuugeu. gür beit 
praFttfcßen Webraud) überfidjtlicß 3 ufammengeftellt. 4. Auflage. 
Bresben 1899, Werßarb Küßtmann. 275 S. $reis 3 ,€ geb. 

Söberblom, Vatßan, Pfarrer ber feßwebifeßen Wemcinbe in $aris. 
Sie Religion unb bie fo 3 iale Wntwicflung. Vortrag auf bem 
erften religionswiffenfcßaftlidjeu Kongreß in Stocfßolm gehalten 
am 31. Auguft 1897. greiburg i. S. 1898, g. W. S. SKoßr. 
96 S. 

Seemann, SBilßelm, güßrer bureß bas Kranfen*, Unfall*, gnoalibi* 
täte* fowie Alteroerßcßernngs*Wefeß. 3 l, l flmnten f lc ^ im Ü ^ cr 
widjtigften Seßimntungcii in leicßt oerßänbltcßer unb Fnapper 
SBeife. Karlsruße, Verlag ber W. Sraun’fdjen Höfbudjbntcferci. 
31 S. 

SKUtheiltutgen aus ber Verwaltung ber bircFteu Steuern im 
preußifdjen Staate. 9fr. 35 unb 36._ Serlin l« 9 s, 
9t. o. federte Verlag, W. Scßencf, KÖntgl. Hofbudjßäitbicr. 

Sa cm ei ß er, goßanit. SSarum? Vfenfcß unb Sucßßänbler. Scbens* 
Auj 3 eicßnungen. Sicsbabctt 1898, Hans Sacmeifter. 247 8 . 
$reis 2 M. 

greiburg i. S. Vorlage bcS Stabtratßs ber Stabt greiburg i. S. an 
ben Sürgerausfcßuß. 

Dsnabrücf, Sericßt über bie Verwaltung unb ben Stanb ber We* 
meinbeangelcgcnßeitcn ber Stabt Dsnabrücf pro 1. April 1897/98. 

Statiftif ber VcidjStagöwaßlen oon 1898. 9tebft einer Fartograpßifcßen 
2)arfteIIung. Searbeitet im Kaiferlidjeit Statißifcßen Amt. Wr* 
gänsungSßeft 31 t ben Vierteljaßrshcften 3 ur Statiftif beS S)eutfd)en 
Steigs, III. Serlin 1898, $uttfammer & Vtüßlbredjt. 78 S. 
^reiS 1 

Wef^äftsbericßt bes 9tßeinifcßcn Vereins 311 t görberutig bes Arbeiter* 
woßitiingswefenS pro 1897/98. 

Stettin, Sericßt über bie Verwaltung ber Weineinbcaugelegenßeiten 
ber Stabt Stettin pro 1. April 1897/98. 

SaS 5)eutfdje VoIFStßum. Unter Mitarbeit oon Dr. Hans Hcünot, $ro= 
feffor Dr. Alfreb Kircßhoff, ^rofeffor Dr. H- A. Köftlin u. A. 
ßeraitegegeben oon Dr. H^nS Steuer. Öcip 3 ig unb 93ieit 1898, 
Verlag bes Sibliograpßifdjen gnßituts. 13 2iefcrungen 311 je 
1 Jt. mit 30 tafeln in garbenbrud, Kupferäßung unb Hol 3 fcßnitt. 

Heibelberg. Vorlagen bes Stabtratßs H e ^ c ^erg an ben Siirger* 
ausfeßuß. 

Revue Neo-Scolastique, publiee par la Societe Philosophique de Louvain. 
5e Annee. No. 4. Novembre 1898. Louvain, Institut superieur 
de Philosophie. 

Augsburg, VerwaltnngsbericßtbeS StabtmagiftratsMugsburgfür 1897. 


Qk gleicß 3 eitig hiermit aitSgegebene 9fr. 3 ber Sionatsfcßrift 
„Qa» (Bm&thegttMif entßält: 

3ur recßtlicßeii Stellung ber Heimarbeiter. I. Von Vf. oon 6cßul,L 
Vorf. beS (9cwcrberidjts Serlin. — Serfaffuitg unb Verfahren: 
Kur 3 e Notizen. Von Vfagiftratsaffeffor Saubünger in Stettin. — 
SRecßtfpredjung: Vfittljctlungen aus ben dntfcßeibuugen ber 
©ewerbegerießte Serlin, granFfurt a. Vf., H am ^ lir 9/ Sreiburg i. S., 
Stettin, eines ©ewerbegeritfjts in Siibbeutfcßlanb unb ber ßanbgericßte 


Serlin, Stettin. — Allgemeines über ©eroerbegeriißte unb 
ArbeitSoertrag: Aus bem gaßreSbericßt bes Olewerbegeridjts 
Vfiincßen fiir 1897; SeFanntmacßung ber ©ewerbegeridjte über 
ArbeitSoerßältniffe ißres Se 3 ir!es. (Geringe Seitußuug ber Arbeite* 
Zettel. — VerfdjiebeneS: Seiftßerorganifattoueu; 3 una & me ber 
gütlicßen Segleidjung oon ArbeitSftreitigFeiten in Wnglaub. — 
SriefFaftcu: ©re^; Wannftatt, Stettin. — giißaltsaugabe ber 
„So 3 ialen ^ßrai'is". 


»erantroortltc^ für bie Slebaftton: Dr. örnft gtcnicfe (11 Serlin W., Sagreutijcrftra&c 2.*. 






239 


©oktale ^ßrajig. ©entralhlatt für ©ojialpolitif. 9lr. 9. 240 

©ie ,,$o|taI» ^ratrU ’ 5 erfc^eint an jebem ©onnerötag unb ift burdj alle 33ud)f)anblungeu nnb «ßoftämtet (fJoftaeitungänummer 6729) )u begießen, ©er IßretS 
_fflt bag aStertelfäbt ift 3B. 2,50. gebe Mummet Foftet 30 $f. ©er Stnaeigenpreiö ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^etitaeile. 


©einnäcfjft mirb uerfanbt: 

Katfcv UHlljdnt I. 

3301t 

Profeffor Dr. <Erictj ZtTarcfs in Ceipftg. 


Srittt, Octieffertc nnb »ermcljrte Stuffage. 

6t uni l’ü i ; oßfii ßt, 8°. $rel« 5 SHf. 40 <pf., tu feinem fielttenbb. 7 SDtf., tu bclbfri&b. 7 üKf. oo $f. 

v'sn btrfcr brittcn Auflage wirb bic gefamtc ^eitgcuöffifdK l'itteratur, 
alfo N £ismarrftf „(stebanfeu mtb Urimierurigeit", bic ^Briefe ?lOcfrii£, aud) 
btc bctbcn SJeröffrntlidjungcii 5ÖÖ 33ii|cf)C’, legiere foioeit fic Urfmiblidjcd 
enthalten, bcriirffhljtigt fein. SBic SHarcfä’ 33nrf) non bei* Airitif mit 
fclteiicr liinmütigfeit al£ bic hefte Biographie Ataifcr Bülheims 1. an* 
erfannt morbeit ift, mirb cö itt feiner neuen Gteftalt bie eingclicnbfte unb 
nnhefanpenfte SSürbignng bev großen Staatsmannes enthalten, bie jur 
^jeü emittiert. 


®tto Jiebiiinnn, Prrlagsbnd)f)anb[nng, rillt W. 35. 

Soeben erfdjien: 

§trafrfd)t UH» Unlitili. 

51t cetera. Bon 3ttftu$ <£lctttett$. 110 S. gr. 8°. 2ft. 1,60. 
grüfjer crfdjicnen: 

Sie fmittlffngr ber arhritenhen JUa jfrn 

ttt 4ßprlt1t ^ on Dp * ^ffift- am etatift. 

III 21 mt ber Stabt Berlin. 5Kit mehreren 

grapljifdjen ©arftellungen. 1897. 5,50. 

fic Änitfutjflrfle. 8 SSW »rS 

rat l)r. aRiinfterbcrg. 1897. ö)eb. 3N. 3,— 


Demnächst erscheint: 

Deutsche Wirtschaftsgeschichte. 

Von 

Karl Theodor von «Iiuuna - Steriiegg, 

k. k. Soktionschef, Präsident der k. k. Statischen Zentralkominission in Wien. 

Dritter Band, erste Hälfte. 

Etwa 30 Bogen gr. 8 Ü . Preis etwa 11 Mk. 

ln der ersten Hälfte des dritten Bandes behandelt der Verfasser Kolonialgesehichte und städtische Entwickelung, 
Grundbesitz und Bodenkultur für die Zeit des 13. bis 15. Jahrhunderts. Die zweite Hälfte wird die Geschichte der 
Gewerbe, des Handels und der Schiffahrt, des Geld- und Kreditwesens bringen und mit einem Gesamtregister über alle 
drei Bände das Werk abschliessen. 


Früher erschienen von demselben Werke: 

Erster Band: 

Deutsche Wirtschaftsgeschichte 
bis zum Schluss der Karolingerperiode. 

XXIII, 527 S. 1879. Preis 12 M. 


Zweiter Band: 


Deutsche Wirtschaftsgeschichte 
des 10. bis 12. Jahrhunderts. - 

XX, 518 S. 1891. Preis 13 M. 


Eekert, Christian, Das Mainzer Schiffergewerbe in 
den letzten drei Jahrhunderten des Kurstaates. 

3 M. 80 Pf. 

Gothein, Eberhard, Pforzheims Vergangenheit. Ein 
Beitrag zur deutschen Städte- und Gewerbegeschichte. 

2 M. 20 Pf. 

Gothein, Eberhard, Die deutschen Kreditverhältnisse 
und der dreissigjährige Krieg. (In: Samml. staatsw. 
Schriften). Geb. 3 M. 20 Pf. 

Hätschelt, Hans J«, Das Manufakturhaus auf dem 
Tabor in Wien. Ein Beitrag zur österreichischen Wirt¬ 
schaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts. 2 M. 80 Pf. 


! Jnama-Sternegg, Karl Theodor von. Die Aus- 
j bildung der grossen Grundherrschaften in Deutschland 
während der Karoliugerzeit. 3 M. 20 Pf. 

j Meyer, Hans, Die Strassburger Goldschmiedezunft von 
I ihrem Entstehen bis 1681. Ein Beitrag zur Gewerbe- 
j geschichte des Mittelalters. 6 M. 

j Nähling, Eugen, Ulms Baumwollweberei im Mittel- 
I alter. Ein Beitrag zur deutschen Städte- und Wirt- 

! schaftsgeschichte. 5 M. 

[ Wiedfeldt, Otto, Statistische Studien zur Entwicke- 
i lungsgeschichte der Berliner Industrie von 1720 bis 

1890. 9 M. 60 Pf. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
_ A. Troschel, Berlin W. _ 

* 

Das 

Krankenversicherungsgesetz 

vom 

15. Juni 1883 
Tü. April 7892' 

Mit Einleitung und Kommentar 

vou 

Julius Hahn, 

Amtsgerichtsrath. 

Zweite, umgearbeitete und reich vermehrte Auflage. 

1898. Preis 6 Mk., geb. 7 Mk. 


Revue d’Economie 
PoJitique. 

Hgg. von Gauvw&S, Gide 9 Soh wiedland und VHloy* Redactionssecretäre: Jay 
und Souckon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge Yon Beauregard, v. Böhm- 
Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, Issajev, y. Körösi, Lareleye 
Leyasseur, Loria, Macleod, Mataja, dn Maronssem, Menger, v. Miaskowski, Mnnro, 
y. Philippoy ich, Piernas, Pigeonneau f, Rabbenof, Sauzet, Schmoller, Walras, Webb, 
Westergaard. — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs. 

Preis jährlich 21 Francs. 

Verlagshandlung L. Larose in Paris. 


Bcrunhuoinidj für bie önjcigcn: 4>eflmutl> ©etbel, ßeipjig. — Bcrlag oon Suncfer & £>umblot, Vciysig. — ©ebnuft bei Suliuä -Ittcnfclb, Scrllit. 







vm. fiiljrgmtg. 


Serlin, ben 8. Sejember 1898. 


Ütummtr 10. 


Softdk ptctris» 

^entra£ 6 fatt für §> 03 ict£:po£ifili 

mit ber SWonatSbeilage: 

Das ©ewerbegevicht. 

©rgait bes Oerbanbes beutfdjer (Betrerbegericfyte. 

9tcuc golge bcr „Blätter für fojlale unb beS „Sogialpolittfdjen GentralblattS*. 

ttrMcint an lebe® Scmuerfiag. Herausgeber: 0«W btertelMrliit 2 Ol. 50 $?. 

SRcboftion: Berlin W., Sahreuthevftrafce 29. Dp. Ctttfl «ftUHlfet* ©erlag Oon Wunder & Humblot, Seipgtg. 


Inhalt 


(ginc Sltbeiterprobuftibge* 
noffenfdjaft in ber (SUaSin* 
buftrie SRoxbböIjmenS. I. ©on 
Dr. 3Raj bon Tapenttjal, 1. ©e» 
fretär ber J&anbelfi« unb ©ewerbe» 

fnmmer, 9tetd)enberg.241 

©ie Drganifation ber amtlichen 
©treifftatiftif. ©on Dr. Gfrnft 
§ ran de, fflerlin.246 

tVgeaieta* SojUl* *»b 
»#l litt.248 

©ie ©oaialpolitif in ber beut* 
fdjen Tljronrebe. 

©oaialpolitif d»e «rbeiten be« 
ftanaöfif djen Parlaments, ©on 
fy. ©cfcottljdfer, ©axi«. 
Snbuftxiefammm ern. 

©in foaialifttfdjeS „©lebisdt" in (Sng* 
lanb. 

<Sinigung8ämtex in Belgien. 

Dr. öeumet unb Dr. non 5totten* 
bürg. 

ftraumaale «oataUioltrt* ... 252 

©oaiale Äommiffion in bet ©tabt* 
bexwaltung Münchens, 
kommunaler ®rbeitexfc$ug in ©axi6. 

•*StsIe SnWnbe : .252 

§rembfpxacbli<ge Arbeiter in Wjeinlanb* 
SBeftfalen. 

Sftabattfparoereine in ©xeufcen. 
©rhebungen über ben ©efunbpeitfl* 
jnftanb beS ©oft» unb Telegraphen* 
perfonalS in ©eutfcplanb. 
©exgaxbeitexlöljne in ©xeufcen. 
HWinimallöljne für belgifdbe (Sifenbafjn* 
arbeiter. 

VtteitevtetMgaag.253 

ßur beutfdjen ©exgaxbeitex*©ewegung. 
©et Btemfdjeibex Äran!en!affen»tMu8* 
ftanb. 

©ie ©adexei*9lxbeitex ©exlinS. 

©erbot üon Slxbeitexfongxeffen in 
Ungarn. 


Lohnbewegung in bet belgif^en Äoh» 
leninbuftrie. 

Bewegung unter ben englifchen ©ee* 
leuten. 

©ach bem Kampfe in ©übwale«. 

Vtbettetffta«.255 

©ochmald bie Befestigung bon 
SHxbeitexinnen unb jugenblichen Mr* 
beitem in 3i*Ö e fct en - ® om ® c * 
merberath 3»aeger, ©erlin. 

©djufcmagnabmen für Arbeiter in 
Thoma$f<bIadenniühlen. 

Orbeiterfchuh im ©augewerbe in 
©apero. 

internationaler Äxbeitexfdjufe; Eintrag 
im öfterreiebifeben Obgeorbnetenhaufe. 

©d&ufcgefefc für ^anbtungfgehülfen im 
ftanton Büxidj. 

©Chu| beö SlrbeitSfontrafteS gegen 
Ouflöfung burch milit&rifche Hebungen 
in gxanfxeicp. 

tttbdtetlictfldienitif. SU«* taffe» 258 

©ie freiwillige Ältexfibexfoxgung ber 
Öhbeitcr burch bie Orbeitgebet in 
gxanfxeidj. 

Mvtctt0aa«|tbei5.259 

OrbeitSnachwei« ber ©atrioti* 
fcheit ©efellfdjaft in Hamburg. 

Drganifation be8 Ärbeitßmarfte« in 
©elgien. 

CBopIfabvttctovtcgtttngeu .... 260 

Slrbeiterfürforge bei ben pxeugifepen 
©taatSbafjnen. 

fBoftnaaggwefea.261 

©au* unb ©parbereine in Hamburg 
unb Umgegenb. 

£ur Söohnungönoth in (Sf)arIotten- 


burg. 

©aö ©chlafftellenwefen. 

Coatete $l)gicur. 262 

©ie ©erlittet SftettungSgefeUfchaft. 
©tabttfd&e ©chulörate. 

Oltterarifdie ftuftttarn.262 


ttbbxud fömmtlicher Mxtifel ift ßdtungen unb B'üfcbriften geftattet, jeboch nur j 
mit oollex Quellenangabe. ! 

! 


(fine 3 ltbeUer|>vobulttingenonenrd)(iÜ in ber j 

(Bla^httrpmareninbußrie ftoröböljmen?. 

’ i~ j 

Sn 9?r. 48 Snh r 9- VII biefes Blattes oom 1. September b. S*- i 
ocröffentlichte 9tob. 'Jkeufcler, einer ber Sübrer ber öfterreid&ifdien 
(^erüerff^aft^beroegung, einen Slrüfel über ben gegenwärtigen 1 


ftanb in ber ©laäfuraroaareninbuftrie ©orbbölimen^, genauer ber 
natf) bent Zentrum be8 Snbuftriegebiete^ bejeic^neten ©ablonjer 
Snbuftrie, womit er bie ^(ufmerffamfeit aueb weiterer Greife auf 
biefe Snbuftrie lenfte, welche bem ©ationalöfonomen wie bem Sojial- 
politifer unb ©erwaltungöbeamten eine au&erorbentlidje Sütte be^ 
©tubien« unb $Beoba<f)tung3materiaIe8 bietet unb welche namentlich 
Bet llnterfuchungen über ba§ 3Befen beS SSerlag^fpftemS nicht über« 
gangen werben fofl. 

5lu^ biefem Söetcieb^fpftem finb in erfter 9teihe bie immer 
wieberfehrenben Ärifen biefer trofc berfelben gumeift blühenben 
unb für OefterreichS ^olföwirthfchaft fehr bebeutfamen Gjport» 
inbuftrie gu erflären, inbem alle ©acfjthcile ber |>au§inbuftrie hier 
ohne SluSnahme gutreffen. Sn einigen 3weigen biefer oielgeitaltigen 
Snbuftrie fpielt allerbing# neben bem ©etrieböfpftem noch bie 
itobe eine au^fchlagacbenbe stelle unb ift ber "Bechfel berfelben 
bie Urfad)e ber h^ftigiten @rf(Fütterungen, bie bann häufig felbft 
auf bie übrigen 3weige guriiciwirfen. Sn anberen 3 ^ e i 9 e n ba* 
gegen laffen ftch bie ^achtheile beS 33etrieb£fgftem§ mit umfo 
größerer i)eutli(hfeit auf ihre llrfachen hin prüfen, al8 e@ ftdh um 
haaren hnnbelt, welche trofe ihre« ßufuScharafterS ©egenftänbe 
eines bauemben 33ebarfeS finb unb für welche baS ©ablottger 
©ebiet ber eingige (SrgeugungSort ber »Belt ift, um eine $robuftion 
alfo, bei ber bie Schwanfungen auf bem Beltmarfte, Äonfurren^ 
oerhältniffe unb felbft fonft tiefeinfehneibenbe hnnbelSpolitifche 9JtaB* 
nahmen faft feine ober nur eine nebenfübliche Atolle fpielen, bei 
ber bie inneren Grfcheinungen baher auch gumeift auf innere ilr* 
faihen gurüdfguführen ftnb. 

Se madjtlofer bisher bie ©efehgebunaen jenen Schaben beS 
SSerlagSfpftemS gegenübet^tanben unb je refultatlofer bie fchwachen 
Slitläufe geblieben finb, bie in Defterreich wie anberwärts in lefeter 
3cit gum 3n>ecfe ber ftaatüchen Regelung ber Heimarbeit genommen 
würben, umfomehr mu& baher ein 3?erfuch intereffiren, ber gegen* 
wärtig in einem 3roeige ber ©ablonger Snbuftrie gemacht wirb, 
um im Bege ber Selbft|ülfe einerfeitS bie wirthfchnftliche 6age ber 
Arbeiter gu beffern, anbererfeits in 3 u ^nnft bie Schaben beS 33er* 
lagSfijftemS gu befeitigen unb felbft in gewiffem 3Ka&e eittgelnen 
fogialpolitifchen (Errungenfhaften ber anberen Setriebsfpfteme auch 
in biefem Spfteme ©eltung gu oerfchaffen. 

tiefer 33erfuch wirb gemacht in ber gormperleninbuftrie unb 
ift nicht nur intereffant wegen bes angeftrebten 3n?ecfeS, fonbern 
aud) burch gewählte Mittel, als welches bie (Errichtung einer 
^robuftiogenoffenfehaft gewählt würbe. 

^ie ©ablonger Snbuftrie ift, wie bereits erwähnt, aufeerorbent* 
lieh oielgeftaltig. 23erfucht man trofebem eine J^ategorifiruitg, fo 
fanit man als ihre bebeutenbften 3n>eige ^craorficben bie ©las* 
fnopfergeugung, bann bie fßrobuftion oon ©lasfteinen, Simili* 
biamanten u. bal., weiter bie ©rgeugung oon geblafeneit perlen, 
ferner bie oon Vlrtifeln aus gepregtem unb gefchliffenem Mrnftall* 
glas, namentlich oon Sufterartifcln, bann bie Snbuftrie in ©efau« 
perlen unb ^Befapfteinen für ^ofamentriegmeefen unb enblidi bic 
Herftellung oon Bijouterien, wogu ©las in Bcrbinbung mit Biotall 
oerwenbet wirb, ^ie einzelnen biefer Steige finben bann noch 
zahlreiche Unterthcilungen, wie fie and) oernhiebene llebergäuge 















24* 


Sogtale $rö£i8. (Eentratblatt für Sogialpolitif. Rr. io. 


244 


intterettianber öufweifen. 3>it”ber Sßerleninbuftrie fpegiell bilbet 
eine ber Hauptgruppen bie (Ergeugung fogenannter Formperlen, 
mit roelcßer ficß ungefähr ein Fimfunbgwangigftel ber gefammten 
Arbeiterfcßaft ber eigentlichen Gablonger 3nbuftrie, b. i. etwas über 
1000 gcfcßulte Arbeiter befd^äftigen, bie Vrob für über 3000 $er* 
fonen gu erwerben höben. 

Ki s Bäßrenb in anberen 3ro«9*n ber Gablonger Snbuftrie baS 
VerlagSfpftem oerfeßiebeue VetriebSformen, namentlich auch ben 
Vkrfftättenbetrieb aufroeift, beruht bie gormperleninbuftrie aus* 
feßließließ auf ber Heimarbeit, 3n ber befißeibenen 2Bof>nftätte beS 
Arbeiter« fpielt ficß ber gange ^robuftionSprogefe ab. 2>aS roichtigfte 
HanbwerfSgeug bilbeit eine (Stichflamme unb eine VJetaflfornt in 
roelchc bie perlen aus GlaSrößrcßen geblafen werben, um bann 
mittels einfad&er 9Rafcßinen burch ben Arbeiter felbft ober ben 
Lieferanten mit einem Silbereingug nerfehen, abgefprengt, oon grauen 
unb Hinbern angefäbelt unb fobamt an 3nn|tßenglieber, bie Liefe* 
ranten, beren bie Qnbuftrie etwas über 60 gäßlt, unb oon biefen 
an bie (Exporteure geliefert gu werben. 3)ie ©efchicflichfeit unb bie 
VJaterialfenntniß beS Arbeiters finb bie roießtigften Faftoren in 
biefer Sßrobultion. 3ßr gefd)äftlicher £ßetl wiefeit [ich in ber 2Seife 
ab, baß ber (Exporteur, ber eigentliche Verleger, trachtet, Aufträge 
im AuSlaitbe gu erhalten, bie er bern Lieferanten gur Aus* 
führung übergiebt, welcher bie bestellte 2öare oon ben einzelnen 
Arbeitern gang ober theilweife fertigftellen läßt. tiefes Spftem 
ermöglichte eS nun, baß bie Importeure, benen wegen beffelben 
ein tieferer Ginblicf in bie VrobuftionSoerßältniffe in ber Siegel 
abgeht, bas (Erlangen oon Aufträgen, bie gegenfeitige Honlurreng, 
nießt burch Verbefferung ber 2£aare, fonbern burch roecßfelfeitigeS, 
oon ber flauen überfeeifeßen Hunbfcßaft noch mit allerlei Mitteln 
qeförberteS Unterbieten in ben VerlaufSpreifeu betrieben, auf 
Höften ber ben Lieferanten gegarten greife unb feßließließ ber 
Arbeitslöhne! 

$)eren ftänbiger §erabbrücfung ftehen bie Arbeiter wehrlos 
gegenüber, eben gufolge ihrer (Eigenfcßaft als Heimarbeiter, bie 
gerftreut, ohne jebe Drganifation, theilweife an $auS unb Scholle 
gebunben leben, ohne jebe Henntniß einer anberen gewerblichen 
Sßätigfeit unb baßer ohne Vföglicßleit, in eine aitbere Arbeitsftätte 
ober auf anbereS Arbeitsgebiet übergutreten, unb bie babei bie 
Vefißer ber SßrobuftionSnuttel finb, beS eigentlichen, wenn auch 
mäßigen AnlagcfapitalS, unb angemiefen crfcheincn, bieS auch gu 
noch fo geringem Ertrage gu oerwertheu. Verfcßiebene fleine 
VUttelcßen, baS AuSfpielen ber Lieferanten gegen einanber, bas 
Umgehen berfelben, bie mit all biefen (Erfcßeinungen §anb in g>anb 
gehenbe ^emoralifation ber Lieferanten unb Arbeiter ettblicß oollenben 
baS Vilb biefeS HonfurrengfampfeS auf bem Vücfen ber Arbeiter. 

s Bie beffen ERöglicßfeit aus bem VerlagSfpftem, fo ift aus ihm 
bic (Erfcßeiming gu erflären, baß in ber furgen 3^it oon 1890 
bis gu beginn biefeS Frühjahres ein Vücfgang ber greife um 
runb 50o/o erfolgte unb ber Verbienft ber Arbeiter auf ein 
Minimum, ca. 1 bis 4 fl. bei 70 bis SOftünbiger ArbeitS* 
■geit in ber VJocße, fanf, troßbem ber Artifel oon feiner 9Robe 
beeinflußt in gleichen, ja eher fteigenben jährlich auf ungefähr eine 
SJtiHion Gulben gu bewertßenbeit Quantitäten, ßauptfäcßlich auf 
bem inbifeßen unb afrifanifcßeit SRarfte ftänbig begeßrt wirb unb 
troßbem bie Gablonger Formperlcninbuftrie feinerlei auSlänbifcße 
Hoitfurreng ßat unb alle Verfudje, eine folcfje gu begrünben, bisßer 
mangels eines entfpredjenben ArbcitermaterialeS feßlgefdjlagen finb. 

£ie wieberßolten Verfucße ber betßeiligten Arbeiterfcßaft, biefem 
Vücfgange ber greife unb Lößnc (Eiitßalt gu tßun — Verfudje, 
bie gumeift in bureß Streifs ergwungenen Vereinbarungen gwifeßen 
(Exporteuren, Lieferanten unb Arbeitern über euigußaltenbe 
Sliinimallößne ißren AnSbrucf fatiben — feßeiterten gewößnlicß 
in fiirgefter grift an bem allfeitigen Gefcßäfts* unb Arbeitshunger, 
ber immer in allen betßeiligten (Gruppen Elemente fiitben ließ, bie 
biefe Vereinbarungen, welcße niemals mit ftärferen — meift feßon 
burch bie befteßenben Gcfeße auSgefcßloffenen — (Garantien um¬ 
geben waren, bureßbraeßen unb bamit autß fofort auf ber gangen 
Linie unhaltbar ntaeßten. 

2£aren ja bocß, wie erwähnt, feinerlei materielle Vücfficßten 
gu neßincn unb fpielten ja in ber Halfulatioti ber Importeure unb 
Lieferanten bie GeftcßungSfoften nur als (Einfaufsprcis, iticßt aber 
als ^robuftionSfoften eine Volle. :£ic Halfulation biefer fonute tnan 
rußig bem eigentlidjen ^robugenten, bem Arbeiter übcrlaffen, toeldjer 
beim aueß richtig fein wicßtigftcS VrobnftionSmittel, feilte ArbeitS* 
fraft, bie hier ben Hauptfaftor in ber Vrcisbilbung anSmacßt ober 
weitigfteitS ausguniacßen hätte, nießt in bie Halfulation eittbegog 
unb tu mangelhaftem Verftänbitiß unb im prange ber Votß weit 
unter bereu OJefteßungsfoften, unter ben nothwenbigett Lebens* 


bebarf herunterging. (Erft an ber äußerften ©reitge ermaeßte immer, 
wenn aueß nid;t bie (Erfenntniß, fo boeß ber SBiberftanb. 

5)aß unter biefen Verßältniffen enblicß hätte bie 3nbuftrie 
felbft Schaben nehmen muffen, was fieß aueß in einer bereits be* 
benfließen SBaarenoerfdjlecßierung, bem eingigen fonftaut ange- 
wanbten ©iberftanbSmittel ber Arbeiter geigte, war felbftoerftänb* 
Hdß. Als ficß baßer im Früßjaßre unb im Vegimte beS Sommers 
biefeS SaßreS bie Lage ber Arbeiterfcßaft wieber auf Aeußerfte oer» 
fcßlecßtert ßalte unb ein großer Streif ber Verlenarbeiter ßieoon 
berebteS 3 eu 9™& 9 fl b, fonnten ficß bie berufenen öffentlichen Faf- 
toren iw ^pinblicf auf bie Sntereffen ber 3n*mftrie überhaupt, wie 
auf ben Votßftanb ber Arbeiter ber Aufgabe nießt entgießen, 
wenigftenS ben Verfucß eines (Eingriffes gu machen. 

Auf Aufforberng ber StaatSbeßörben unb im (Einoerneßmen 
mit ben Sntereffenten oeranftaltete bie Veicßenberger HanbelS* unb 
^ewerbefammer in ben erften SaÜtagen eine (Enquete, welcße bie 
oorßin gefcßilberten Verßältniffe flarlegte unb bie Gelegenheit gur 
Vefprecßung oon Mitteln ber Abßülfe bot. Vicßt eine neuerliche 
VreiSfonoention, beren Grfolglofigfeit oorauSgufeßen qewefen wäre, 
fonbern bie Verwirflicßung eines längft gehegten feunfcßeS ber 
Arbeiterfcßaft unb einer namentlich oon bem Argt unb Sabrifanten 
Dr. 3»an 2SeiSfopf bereits oor gaßren angeregten Qbee, bie Grün* 
bung einer Vrobuftiogenoffeitfcßaft, war bieSmal baS günftige Ve* 
fnltat ber Verathungen. S)urcß bie 3afammenfaffung ber gefammten 
Vrobuftion beS VfaffenartifelS in ißrer §anb unb bureß bie Liefe* 
rung ber V?aaren gu einem einheitlichen greife an bie Ggporteure 
fann es einer folcßen Genoffenfcßaft in erfter Linie möglich fein, 
aueß einheitliche Arbeitslöhne gu erhalten unb gleicßgeitig ber Veffe* 
rung ber Vtaarenqualität ißr Augenmerf gugutoenben. ®iefe Gr* 
fenntniß war es, bie benn aueß alle betßeiligten Faftoren bewog, 
jene Grünbung naeß Hräften gu förbern, unb bereits in ber SRitte 
beS VfonatS Anguft war baS ^rojeft foweit oorgefeßritten, baß bie 
Statuten ber „^robuftiogenoffenfeßaft ber $oßtperlen* 
ergenger im politifcßen Vegirfe Gablonj" hanbelSgericßtlicß 
regiftrirt würben. Am 2. Dftober fanb bic erfte Generaloerfamm* 
lung ber Genoffenfcßaft ftatt, ber faft alle betßeiligten Arbeiter unb 
bie VJeßrgaßl ber Lieferanten beigetreten finb. 

(Eines ber auSfdjlaggebenben Momente bei biefer Grünbung 
war aüerbingS, baß ber GlaSfabrifant Viebel, ber Hauptprobugent 
beS VoßmaterialS für bie Gablouger Snbuftric, ficß bereit erflärte, 
ber Genoffenfcßaft als AnfangSfapital 100 000 fl. leißweife, unb 
gwar für eine Veiße oon 3aßren unoerginSlicß unb für eine fpätere 
3eit gu ben günftiaften Vebinijungen, gur Verfügung gu ftellen unb 
fo bie finanzielle VafiS für eine gebeißlicßc Gntwiaelung ber Ge* 
noffenfeßaft gu feßaffen, eine VafiS, bic baburd) noeß wefentlidß oer* 
breitert würbe, baß aueß baS HanbelSminifterium, beffen jüngft 
abgetretener Leiter, Dr. Värnrcitßer aueß ßiennit fein oielfeitig 
betßätigteS fogialpoUtifcßeS Verftänbniß bofnmentirt ßat, gunäcßft 
für baS fommenbe 3aßr eine Suboention oon 12 000 fl. gufid)crte. 

2)ie juriftifeße Qrganifation ber Genoffenfcßaft berußt auf bem 
„Gefeße über (Erwerbs* uub ^BirtßfcßaftSgenoffenfd^aften" oomSaßre 
1873. 2)ie wießtigften Veftimmungen ber auf Grunb biefeS Ge* 
feßeS ausgearbeiteten Statuten fowie ber biefe ergäitgenben unb 
für bie praftifdje GefcßäftSgebaßrung ber Genoffenfcßaft ßoeßmieß* 
tigen GefcßäftSorbnung follen nun im Solgenben mitgctßeilt werben. 

Xie Genoffenfcßaft ift eine Genoffenfcßaft mit — auf bas 2)uplum 
beS Antßeils — befeßränfter Haftung. Gcgeuftanb beS (4efcßäftsbetriebeS 
ift bie lErgeugung oon SWaffenartifeln ber Hobt perlen brandic mit Aus* 
feßluß jeber gcfrfiliffeneu 3i^aarc unb bereu Verfnuf auSfdiließlicß an bie 
(Exporteure bes Gablouger politifcßen Vegirfe*. Sftitglieber ber Genoffen¬ 
fcßaft föunen nur Fadigeuoffen, ^erlenbläfer, gertigmadjer unb Lieferanten 
werben, weldie minbeften* einen Antßeilfdjciu geießuen. 2)ie C^efcßäftS* 
antßeilc ber s Uhtglieber finb bergeit auf einen Vetrag oon fl. 50 feft 
gefeßt unb föunen burdj wöcßentlidic Vciträge oon 10 Aireugent ein* 
gegaßlt werben. Außcrbem werben, folauge ber Gefcßäftsantßeil eines 
Slfitgliebes uid)t ooll ciugrgalilt ift, bic hierauf cntfallenben 3infen auf 
bas" (5onto bes GefdjäftoantßeileS gutgcfcßricbeu. Mein iWitglieb fann 
mehr als 20 Gefdjäftsantbeile erwerben. Aebeit bem aus beit GcfcßäftS* 
antßcilen gebilbeten Vtitglieberocrmögcn wirb ein Veferocfonb bis gur 
Höhe oon fl. looooo augefammelt. S)ic ('Icwinuoertheiluug wirb in 
ber Seife oorgeuonimcu, bafj oon bem fuß ergebeuben Reingewinne 
10 % beut Rcferoefonb gugewiefeu werben, wäbrcnb ber ^)teft 'gunäcßft 
gur Verginfung ber 0)efd)äftsantheile, weldje jebod) 5% nidit iiberfteigen 
barf, oerwenbet wirb. (Ergiebt fidi ein weiterer Ueberfcßuß/fo wirb er gu 
Vio unter ben gefdiäftsfiihrenben Vorftaub, ben Auffidjtsratß unb bie 
Veamteii, gu 9 /iu aber unter alle Olcuoffenfdmftsmitglieber unb gwar nad) 
Maßgabe ber oon jebem einzelnen gelieferten Vnwrenmengc, begießungS* 
weife ber geleiftcteu Arbeit ocrtßcilt. 

Als bas oberfte Crgan ber Gefdiäftslcituug fuugirt bic (General* 
oerfammlung, in ber jebes SRitglicÖ fooiel 3ttmmeii als Antbeilsfdjciue, 



245 


Sogiale $tagii. Gentralblatt für ©ogialpolUtf. Rr. 10. 


246 


jebocß niemals meßr als 10 Stimmen hat. Der Generaloerfantmlung 
fielen bie SBabl (unb enentuette Remuneration) beS RorftanbeS unb bie 
SBaßl beS AufftcßtSratheS gu, ferner bie Reftimmuttg ber Höße ber Ge* 
fcßäftSantßeile, bie Genehmigung ber GefcßäftSführung burch beu Ror* 
ftanb unb Slufftcf)tSratß unb bie Sdjlußprüfuttg ber Rilang, bie Re» 
ftimmung ber SRobalitäten ber Geminnoertheilung, bie peftfeßung ber 
Öoßntarife unb bie Gntfdjeibung über Refdjmerben gegen bett Rorftanb 
unb AufficßtSrath, fomie enblicß bie Romahme wichtigerer RemtögenS* 
tranSaftionen. Die eigentlirfje GefdjäftSführuua beforgt ein breiglieberiger 
Rorftanb, bem bie gerichtliche unb außergerichtliche Rertretung ber Ge* 
noffenfeßaft gufommt, ber für flc zeichnet, bie Rudffüßrung, ftaffenge* 
baßrung u. f. m. beforgt. Das mießtigfte Organ ift aber ein aus 18 Rtit* 
gliebern beftehenber AufficßtSratß, ber bie Gefchäftsführung bes Ror* 
ftanbeS übermacßt_ mit bem Rechte, RorftanbSmitglieber, fofern fie fteß 
gegen bie Fntereffen ber Genoffenfchaft oergeheit, uon ber GefdjäftS* 
Ieitung gu entfernen, unb an beffen 3uftimntung ber Rorftanb überhaupt 
in allen mistigeren Angelegenheiten gebunben ift. Heber eine Reihe 
non Gegcnftänben, wie über bie Aufteilung ber Reatnten, über bie Re* 
fSaffung ber Rohftoffe 2 c. entfeßeiben Rorftanb unb AufffcßtSratß in ge* 
meinfanter ©ißung. 

Eine befonbere Rebeutung mirb ber bereits in ben Statuten, aber 
namentlich in ber GefcßäftSorbnung ausführlich behanbelten Organifation 
bes SBaarenßaufeS in Gablottg beigenteffen. Unter ber unmittelbaren 
Leitung beS mit gemeinfam, oou ihm unb einem RorftanbSmitgliebe auSgu* 
übenber $rofura betrauten Ghefbeamten ftehenb, beforgt bic|eS SBaaren* 
Baus allein bie Lieferung ber SBaaren an bie Importeure. Die gange Rer* 
reeßnung mit biefen, fomie anbererfeits mit ben Lieferanten erfolgt burch 
Rermittlung ber Filiale ber bößntifcßen Unionban! in Gablong. Der 
Ieitenbe Reamte führt lebiglidj eine mit einem unbebeutenben Retragc 
botirte Hanbfaffe, roährenb alle größeren Gin* unb Anzahlungen burch 
Amoeifungcn auf baS genannte Fnftitut ftattßnben. Dabei werben nicht 
längere als einroödjentlicßc Sfrebite gemährt-. Die Lagerung oon SBaarcn 
ift, fomeit nicht bas für eine rafeße Gefcßäftsgebahrung erforberlicße Rfani* 
pulattonSlager in Retracßt lommt, genau in einer SEBeife geregelt, bie 
es ermöglicht, auch mäßreub Abfaßftocfungen bis gu brei Monaten bett 
Arbeitern fortwäßrenb Rerbienft gu geben, ohne eine Gefäßrbung ber 
Genoffenfchaft, fei eS burch übermäßige Auslagen für Lageroorräthe 
ober burch Gntmertßung beS Artifels bei Ueberproouftion herbeigufüßren. 

Die ^robuftion felbft ift unter Reibehattung ber alten Retricbsfonn, 
ber Heimarbeit, genau geregelt, uttb groar fo, baß auch bie Lieferanten, 
bie ehemaligen SRittelglieöer jmifeßen Exporteuren unb Arbeitern, fofern fie 
SRitglieber ber Genoffenfchaft merben, gum größten Dßeile eine Rermctt* 
bung ßnbett, bie fieß oou ißrer früheren — aHerbittgs unter Uebcritahme 
einer Reiße oon $fltcßten, betten numnehr eilt gefieberter ftäubiger Rer* 
bienft geg^nüberfteht —, hauptfäcßlich nur babitrcf; unterfeßeibet, baß fte 
jeßt anftatt an oerfeßiebette Exporteure, an bas RSaarcußauS ber Ge* 
noffenfeßaft gu liefern haben. 

Raturgemäß mar bie Abgrenzung ber Recßte unb $flicßten ber in 
ben Genoffcnfdjaftsbetrieb übernommenen Lieferanten gegenüber ber.Gc* 
noffenfeßaft uno gegenüber ben einzelnen Arbeitern eine ber fchmierigften 
ber zu löfenbeit prägen unb bementfprccßcnb ftnb auch bie nteiften unb 
betaillirteften Reftimmuitgen ber Gefcßäftsorbtiung biefent Gegenftanbe 
gemibmet. Febern Lieferanten toerben, unb grnar nadj Maßgabe ber 
totalen Rerßältttiffe eine Angabt Arbeiter, bie GenoffenfcßaftSmitglieber 
ftnb, gugemiefett. Fm Rerßältttiffe gur 3 a ßl biefer Arbeiter, int all* 
gemeinen aber möglidjft gleichmäßig, erfolgt bann au bie Lieferanten 
bie 3 u tßeilung ber Aufträge burd) bie Gefcßäftsieitnng, oou ber bie 
Lieferanten auch eine Reiße ber notßmenbigeu Hülfsftoffe, mie Silber, 
Aetgfali, Rapier, Solle unb Rinbfaben fomie bie Rerlenformen gu 
begießen haben. Der Regug beS Glafes gefeßießt bttreß bie Arbeiter 
bireft; fte ftnb hierbei an feine beftimmte Rcgugsquelle gebuitbeii. Die 
erhaltenen Aufträge hat ber Lieferant gleichmäßig unter bie ißnt gu* 
aewiefenen Arbeiter gu oertßeilen unb hierüber, fomie über bie begaßlteit 
Löhne, rücfficßtlich bereu er fieß an bie oon ber Genoffenfchaft feftgefeßten 
Loßntarifc gu halten hat, Ruch 3 U füßren. Die fertige Saare mirb oou 
ißm in beftimniter Aufmachung unb Rerpacfung unb mit ber regiftrirteu 
©cßußntarfc ber GenoffeufSaft oerfeßen gu im Roraus beftimntten greifen 
an baS Saarettßaus abgeliefert unb ßat er für ißre Oualität gu haften. 
$>ic Lieferanten biirfen fid> nur mit in ben Geitoffeufdjaftsbetrieb auf* 
genommenen Artifeln befaffcttutib folcße Artifelnur an bie (Genoffenfchaft, 
feineSfaDs an außenfteßettbe Rerfonen liefern. Rur gegen Grlag einer 
Kaution gur ®icßeruttg ber Icßterwäßntcn Rerpflidjtuttg fantt ißtten aueß 
bie Herfteüung oott Artifeln, bie nicht in ben Raßnten ber Genoffenfdjaft 
fallen, geftattet merben. 

Die Rßicßtcn ber Arbeiter entfprcc^en benen ber Lieferanten. Aucß 
bie Arbeiter haben fuß gunä^ft nur mit ben GenoffenfcßaftSartifeln gu 
befaffen unb fte ausfdjließlicß für bie Genoffenfd^aft gu ergeugett. Anbere 
Artifel gu ergeugen ift ißtten moßl geftattet, jeboeß biirfen fie biefe jeben* 
faüS nur an bie Lieferanten, nicht an bie Grporteure bireft liefern. 

3um 3roecfe ber Erfüllung aller baS Arbeitsocrhältuiß betreßettbett 
Rcftimmungen ift ber Genoffeufcßaft ein roeitgeßenbes AuffidjtSrecßt ein* 
geräumt, toelcßes bureß bie Aufficßtsrätße nach beftimntten ißtten gu* 
gemiefetten RaijonS ausgeübt mirb. Strcitigfettcu gmifcßeu Genoffen* 
jeßaft unb Lieferanten, ober biefen unb Arbeitern merben burd; ein 
Scßiebsgcricßt gefd;lid;tet, baS in ber Seife gebilbet mirb, baß jeber 
Streittßeil einen Scßiebsrid;ter bezeichnet unb bie fo begeießnetett ScßiebS* 
rießter bann gemeinfam einen unparteiifeßen Rorftfcenben ernennen. 


Refonbere Refüntmungett betreffen baS Scßulboerßältniß gur ^irttta 
Riebel, welcher ein RorfdjlagSrecßt für brei SRitglicbcr bes Auffidjts» 
ratßeS unb ben leitenbett Reamtett, fomie ein getoiffes Ginfprud)Sredjt 
gegen Refcßlüffe ber GenoffenfcßaftSleitung gugeftanben. mirb, mit ber 
Sirfung, baß itt berartigen gällen bie Gencraloerfammiuttg gu ent* 
feßeiben ßat. 

Die ftatutarifdien Reftimmungen über Auflöfung, ÄottfurS uttb 
Liquibatiott ber Genoffenfdjaft cntfpredjett lebiglicß ben befteßettben gc^ 
feßlicßen Rorfcßriftcn. 

Reicßenberg. t>on Da^entßal. 

(Scf)lu6 folgt.) 


Bte (Snjnnifation ber amtiidjen Streikftati|tik. 


Saut Refdßluß beS RunbeSratßeS nom 10. 3utti 1898 merben 
Dom 1. Januar 1899 ab im D)eutfdßen Reicße Ermittelungen gur §er* 
fteUung einer ©tatiftif ber Streifs unb AuSfperrungen gefüßrt. 
D)ie hierfür getroffenen Reftimmungen, bie bisher nur fumtnarifcß 
befannt waren (oergl. „©ogiale $rafis ;/ VII. ©p. 864), merben 
nunmehr in ben „RierteljahrSßeften ber ©tatiftif beS D>eutf<ßen 
ReidjeS", .J>eft 4, mitgetheilt, gugleicß mit einigen Angaben über 
bie Drgantfation ber ©treifftatiftif in Gnglaitb, Italien, 0efterreicß 
unb ber norbamerifaniftßen Union. 2Lir werfen gunädßft einen 
Jürgen Rlidf auf biefe RHttßeilungen, eße mir an bie Erörterungen 
ber beutfeßen Rorfcßriften geßen. 

D)ie ältefte attjäßrliiß erhobene amtltdße ©tatiftif, beginnenb mit 
1888, befißt Englanb. Rorläufige Angaben merben allmonatltcß in 
ber amtlichen „Labour Gazette“ getnadßt, bie enbgültigen Ergebniffe 
merben bann iäßrlid) in einem befonberen Ranbe oeröffentlicßt. 
D)ie ©tatiftif mirb im Arbeitsamt beS Board of Trade gefüßrt, 
unb grnar finb für bie Ermittelung als geeignete Duellen nußbar 
gemaeßt bie Sofal* unb bie ©eroerbepreffe, bie Reridjte ber ©ewerf* 
oereine, ber Unterneßmeroerbänbe unb äßnlicße Racßricßten, bagu 
fontmeit Rftttßeilungen oon ben in allen bebeutenben ^nbuftrie* 
gegenben anfäffigeit „Labour Correspondents“ beS Arbeitsamtes. 
Due gefammelten Racßricßten merben in ein Regifter eingetragen, 
aisbann erfolgen genauere Erhebungen, in ber Hauptfacße bureß 
Ausgabe oon Fragebogen an bie ftreitenben Dßetlc, 
beueit baburdj ©elegenßeit geboten merben folf, ißrerfeitS eine 
D)arftcUung bes Sattes gu geben. „Rtit bem Erfolge beS englU 
fcßeit RerfaßrettS ift man ber amtUcßen ©tatiftif gufolge im ©angeit 
guf rieb eit," bemerft ber Rerfaffer bes AuffaßeS in ben „Rer* 
öffcntlicßungen". D)er Fragebogen ift feßr einfaeß; er enthält nur 
Fragen nadj Drt, Refcßäftigung, ©runb ober ©egenftanb, 3 a ßl &er 
betroffenen Retriebe unb Arbeiter (unmittelbar ober mittelbar), 
D'auer bes ©treifs, Ergebitiß — baS ift Alles! 

F« F^aufreieß unb Ftalieit berußt bie ©treifftatiftif im 
Rkfentlicßen auf ben Rcricßten ber Rräfeften; in Ftanfretcß merben 
fie oeroollftänbigt bureß bie ^rotofoÜe unb Entfcßeibungen im • 
RermittelungSoerfaßreu oor bem FtiebenSricßter. D)aS Office du 
Travail, baS bie ©tatiftif bearbeitet, oeröffentlicßt bie oorläufigen 
Ergebniffe monatlich itt feinem „Bulletin“ unb bann gufammen* 
faffcnb ttaeß Fößtesfcßluß (baffelbe tßut übrigens aucß Relgien), 
mäßrenb Ftalien, mo bie ©eiteralbireftion ber ©tatiftif bie ©treifs 
bearbeitet, nur eine aUjäßrlid)e ^ublifation ßerauSgiebt. Defter* 
reieß ßat naeß Errichtung feines arbeitSftatiftifcßen Amtes biefem 
bie feit 1891 im H<mbclSminifterium bearbeitete ©treifftatiftif über» 
tragen. D)ie Erhebungen erfolgen in ber Hauptfacße mittels 3äßl s 
Blätter, „melcße bie politifdjen Reßörbett erftcr Fuftattg, naeßbem fie 
fieß tßeils bureß Rerneßmungen ber RetriebSleitunaen unb ber 
Arbeiter, tßeils auf ©runb gemiffenßafter unparteiifeßer Erhebung 
ber ißnen gur Rcrfüguttg fteßenben Drgane ilemttniff oerfeßafft 
ßabett, auSfüUen fotteit." Ron ben Rehörbett unb ©eroerbeinfpef* 
toren werben biefe 3äßlblätter bann ergättgt: „Auf bie Rtitmirfung 
ber©etoerbeinfpeftoren legt man SLertß nicht nur, weil fie im 
Allgemeinen mit Arbeiteroerhältniffen oertraut finb, fonbern aucß 
beShalb, weil fie in ißrer AmtStßätigfeit ßäufig bei Ausftänben 
oermittelub eingreifen." D)ie D)urcßforfcßitng ber Rreffe, bie Re* 
fragung oon HanbelSfammerit unb F^bitftrtellen liefern weiteres 
s IRateriaI. D)ie Reröffentlicßung erfolgt aUiäßrlidß. 3 ur 3 e ^ wirb 
biefe ©treifftatiftif ttoeß oeroollfomtitnet. — D)ie Erhebungen bes 
Department of Labor in ben Rereittigten ©taaten föttnen mir 
ßier außer Adjt laffen, weil fie feine fortlaitfeitben Aufnahmen uttb 
jäßrlicße Reröffcntlidjungen bringen. 

Sie fott nun fünftig in SDeutfcßlanb oerfaßrett merben? D>te 
Reftimmungen lauten in xßren roefentltcßen fünften folgenbenttafjen: 

Rom 1. Smutar 1899 ab foll über jebe gemeinfantc Arbeitsrin* 
fteUung mehrerer geroerblicßer Arbeiter (©treif) uttb über jebe gemein» 




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©ogiale $ra$t*. Eentralblatt für ©ogtalpoltttf. Rr. 10. 


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farne AuSfcßließung mehrerer gewerblicher Arbeiter oon ber Arbeit 
(AuSfperrung) eine Rad)weifung auSgefüllt werben. Tie ^uSffilluitg 
ber Racßwetfungen liegt ben DrtSpoligeioeßörben ob, foweit nic^t burd) 
bie 2anbeS*EeritraIbeßorben anbere ©teilen bamit beauftragt werben. 
Tie Radpoeifung wirb ber ßößeren Berwaltungsbeßörbe iiberfanbt, 
biefe oerattlaßt bie Prüfung unb, foweit crforberlicß, bie SerooIIftänbi* 
gung beS SnßaltS unb fcßitft binnen gwei Söocßeti naeß bem ©d)Iuffe 
jebe« Vierteljahre« bie im 2aufe beS Cuartals eingcreidjten Radj* 
weifungen an bas Kaiferl. ©tatift. Amt. Rüdfragett beS Kaiferl. ©tatift. 
Amte« muffen bie ßößeren BerwaltungSbeßörbeit unmittelbar beant* 
Worten. Ta« Kaiferl. ©tatift. Amt ßat für jebe« Vierteljahr eine 
fummarifeße Ueberfid)t ber ©treif« unb AuSiperrungett unb für jebe« 
gaßr eine ausführliche ©tatiftif fobalb als tßunlicß gu oeröffeittlicßen. 

Tie Racßweifung fowoßl für ©treifs wie für AuSfperrungcn eut* 
ßält 14 fünfte, biefe betreffen gleichmäßig £)rt, Eewerbeart, Angaßl ber 
Betriebe, ©efammtgaßl ber in ißnen befrf)äftigten Arbeiter (barunter 
Berfotten unter 21 fahren), Beginn unb Ettbe beS ©treifs (refp. ber 
AuSfperrung), ^öcfjftga^l ber ©treifenben (barunter Biinberjäßrige), 3 a ^I 
ber Kontraftbriicßigeu (barunter SRinberjäßrige), £>öcßftgaßl ber inbireft 
oom ©treif erfaßten Arbeiter, Erüubc beS ©treifs uitb gorberungen 
ber AuSftänbigen, Ergebttiffe beS ©treif«, Einmirfung unb Untcrftüßung 
oon Berufsocreiuigungen unb britten B^rfonen, BcrgleitfiSoerßaublungeu 
(unmittelbar gwifeßen ben Parteien, oor bem Olewerbegeridjt, burd) Ber* 
mittelung oon SerufSoercimgurtgeit ober hätten Berfonen), poligeiließer 
©cßufc Arbeitswilliger unb fonftige poligeiließe SRaßnaßmen, Benterfungeit 
(auch barüber, ob bie ©taatsanwaltfcßaft in Anfprud) genommen worben 
ift, fowie über nachweisbare Berlufte au Arbeitslohn wäßrenb beS ©tretfS). 

TaS Bebürfniß nach einer amtlichen ©treifftatiftif ift in 
Teutfcßlattb fehr ftarf unb bie Eenugtßuung, baß wir enblicß bie 
Erfüllung biefeS ShmfcßeS oor uns fehen, wahrlich nicht gering, 
©leitßwohl bürfen wir es nicht unterlaffen, Bebenfen über bie Art 
unb 22 eife ber Ermittelungen 511 äußern. Es erftreeft fidß bie 
Racßweifung auf oiel mehr fünfte, ak in aubern Räubern üblich- 
TaS fann fehr werthoolleS Material ergeben, eS macht aber auch bie 
Erhebung fchmieriger unb baS Ergcbniß unfießer. 3n ber SBaßl ber 
Organe für bie Erhebung lehnt man fuß leiber an baS bureau* 
fratifeße ©pftem in granfreieß unb Stalien an, aber nicht an bie 
in Englanb unb 511 m SO^eil auch in JDefterreicß erprobte Btetßobe, 
bie ben SOh^tBcftanb burch befragen ber Bnrteien felbft feftguftellen 
furf)t. Auch in ber beutfdjjen ©treifftatiftif ift gwar ein bireftes 
Erfunbigen bei ben Setheiligten nicht auSgefcßloffen, aber bie Ser* 
muthung geht baßin, baß, felbft wenn bies gefeßieht, bei ben Orts* 
poligeibeßörben bie ©timme ber Unternehmer größeren Einfluß hat 
als bie ber Arbeiter. Eine bebauerliche llnterlaffung ift unfcreS 
EracßtenS, baß bie EJewerbeaufficßtsbeamten nicht ausbrürflicß gu 
ben Erhebungen ßerangegogen werben. Wäßrenb ferner Englaub, 
granfreid), Belgien allmonatlich eine ©treifftatiftif in amtlichen 
Blättern oeröffentlichen, foß bies in Teutfdßlanb nur okrteljährlirf) 
gefeßehen. $>a$ ift ein gu langes gttteroau, wenn man bie wirth* 
fcßaftlicßen golgerungen aus ber ©tatiftif für bie B™fk gießen 
will. BefonberS aber fällt ber feßarf poligeiließe unb friminaliftifeße 
Eßarafter einiger gragett auf, wie bie Erfuubigung nach ber 3aßl 
ber Stinberjährigen, ber Kontraftbrüdjigen, ber poligeilicßen 9Raß* 
nahmen unb beS ftaatSanroaltlicßen EinfcßreitenS; in Verbinbung 
mit ihnen befommt auch bie grage nach ber Einmirfung ber Sc* 
rufsoereine unb britter B er f° ncn e i ncn bitteren Seigefcßmacf. 
$>iefe Ermittelungen fehlen in ben fämmtlichen Srageboaeit für bie 
©treifftatiftif ber anberen ßänber unb fie fitib es, bie bei ber gur 
3 eit in 2 )eutfcßlanb ßerrfeßenben reaftionären ©trömmtg in ber 
©ogialpolitif bie Sefiird)tung naßelegen, baß eS fuß bei Der beut* 
feßen ©treifftatiftif uießt bloß um Sejtftettung wirfhfchaftlicßer £ßat* 
faeßen unb fogialer 3aftänbe, fonberit um Gewinnung oon An* 
flagematerial gegen bie Arbeiterbewegung ßanbelt. 2Bir ßoffeit, 
baß bie Antworten bartßun, wie ftarf im Allgemeinen — Aus* 
naßmen giebt es natürlich auch hier — ber gefeßlicße ©inn in 
ber beutfeßen Arbeiterwelt ift. 

$>en 3 roc ^ ^ er Streifftatiftif in anberen Sänbern finbet bie 
Bublifation beS Maiferlicßen ftatiftifeßen Amtes gang richtig in 
erfter Sink auf wirtßfcßaftlichem unb fogialetn ©ebiete: „S3ie oft 
bie einanber wiberftreitenben Qntereffeti oon Arbeitgebern unb 
Arbeitern unter Anwenbung oon Arbeitseinteilungen, ben äußerfkn 
Kampfmitteln, gum Austrag fommen, unter wcldjen llmftänben, 
ju welchen 3roecfen, mit welchem Erfolge cs gefeßießt, welcße Solgen 
fid) barauS für bas mirtßfd)aftlid)e Sebcn ergeben, baS fitib Aragen, 
bie eine Beantwortung bureß bie ©tatiftif erßeifeßen. Unb uod) 
ein weiterer 3 ^ ef f pflegt mit biefen ©tatiftifen oerbunben gu wer* 
ben, ba bie begiiglidjen Ermittelungen eine Ieicßt greifbare ^JÜiög* 
licßfeit bieten, einen Einblicf in bie baS ikben ber Arbeiter be* 
wegenben Serßältniffe gu tßun." Es wäre crfreulid), wenn man 
biefe BJorte aueß als s l)?otto ber amtlid)en ©treifftatiftif iu 2 )eutfd)* 
Ianb oorfeßen fönnte! ' 22 ir müffen nun abmarten, wie fie ausfällt. 


Eine Ergängung ßaben wir ja in ber oon ber Eentralfommiffion 
ber Eewerffcßaften ocranftalteten ©tatiftif. Aber wie bie amtlichen 
Erhebungen auch geftaltet fein mögen, ein Blicf in bie Organifation 
ber ©treifftatiftif ber anberen Sauber läßt uns aufs 9ieue tief 
beflagcn, baß wir eine Eentrale für fokße Ermittelungen entbehren, 
bie jeßt naßegu alle Kulturnationen befißen unb beren SDafein fieß 
ßöcßft frucßtbringenb erwiefen hat: Ein SfeicßSarbeitSamt! 

Berlin. E. granefe. 


Allgemeine Qojial* und fiJlrt!)fd)aft?politih. 

$te ©ogialpolitif in ber bentfeßen Sßroitrebe. 

^)ie erfte ©effion beS neugewäßlten Reichstages ift am 6 . £e* 
jember oom Kaifer pcrföttlicß mit einer &ßronrebe eröffnet worben, 
in ber bem Skicßstage oon ben oerbünbeten Regierungen folgenbe 
Aufgaben auf bem (Gebiete ber ©ogialreform gefteßt werben: 

^er weitere Ausbau ber fogialen ©efeßgebung liegt ben 
oerbünbeten Regierungen nad) wie ooram$ergen. Auf biefcin 
Eebiete wirb 3ßneit wieberum ein OJefeßentwurf gugeßen, ber ben 
9)?äitgeln ber 3«oalibitätS- unb AIterSoerficßcrung in wefent* 
Iid)en Begießungen abgnßelfeit fudjt. 

^>nrd) eine Rooetle gur Eewcrbeorbnung foH ber ben gewerblichen 
Arbeitern bereits gewäßrtc ©d)uß oor (fkfaßrett für Seben, Eefuubßeit 
unb ©ittlidjfeit auf bie Weßiilfen unb 2eßrlitige im ^anbelsgcfcßäft 
auSgcbeßnt unb gleid^geitig Bäßftänben gefteuert werben, welcße ftdj 
namentlich in ber KonfeftionSinbuftrie gegeigt ßaben. 

£>er Terrorismus, burd) ben Arbeitswillige an ber gortfeßung ober 
Annaßtne oon Arbeit geßinbert werben, ßat einen gemeinfcßäblichen 
Umfang angenommen. TaS ben Arbeitern gewäßrleiftete Koalition«* 
red)t, weld)e« unangetaftet bleiben f 0 II, barf nießt bagu genüß* 
braucht werben, bas ßößere Red)t: gu arbeiten unb oon ber Arbeit gu 
leben, bureß (Siufcßüdjteruug ober Troßuug gu oergewaltigen. §ier bie 
perfönlicße ^reißeit unb ©clbftbeftimmung 11 aeßbrü(fließft gu fcßüßett, ift 
naeß Bkitier unb Bkincr ßoßen Berbünbeten Uebergeugung bie unab* 
weisbare ^fließt ber ©taatSgewalt. .£)iergu rcidjen aber bie befteßenben 
©trafoorfdiriften nießt aus; fie bebürfeu besßalb ber Erweiterung unb 
Ergängung. Tiefem 3werfe entfpridjt ein ©efeßentwurf gum ©rf)uße 
beS gewerblichen Arbeitsuerßältniffe«, welcßem ©ie, wie 3cß 
guoerfießtlid) erwarte, oßre 3 ll ftiminung nießt oerfagen werben. 

T)ie Tßronrcbc oon 1897/98 gebaeßte mit feinem 2öorte ber 
Aortfüßrung ber ©ogialreform; tßatfäcßlid) ßat aueß ber BnnbeS* 
ratß in ber Ießteti ©effioit bem RcicßStag weber auf beui (Gebiete 
ber Arbeiteroerficßerung noeß beS At*beiterfd)ußeS eine Sorlage gu* 
gehen laffen. Es war bamit and) äußerlich befunbet, baß ein 
©tillftanb in ber ©ogialreform eingetreten fei. ©teßen wir jeßt 
oor einem neuen Anlauf? Berbefferuug ber Snoalibenoerficßeruug, 
©d)uß ber ,g)anbelSangeftclIten, Befeitigung oon Rtißftänben in ber 
KonfeftionSinbuftrie werben angefiinbigt. ©elbft wenn bamit nur 
AbfcßlagSgaßluitgen auf berechtigte öo^beruugen gegeben werben — 
unb rneßr ift fd)werlid) gu erwarten — halten wir es für bk 
Bflicßt ber Anhänger einer ©ogialreform auf ©runb ber faifer* 
ließen Kunbgebungen oom 17. Rooember 1881 unb oom 4. Februar 
1890 mit Eifer unb Ernft mitguarbeiten: 3teber toirflicßc gort* 
feßritt, fei er an fieß noeß fo flein, ßat in ber ©ogialreform als 
notßwenbige golge weitere ©cßritte naeß bent 3 kl e ßin! 

T)aS ©d)wergewicßt ber fogialpolitifcßen Debatten wirb 
aber nießt itt biefen pofitioett Rtafjnaßmeu, fonbern in 

bem unter bem Rauten eines „ EkfeßeittmurfeS gum ©cßuße 

beS gewerblichen ArbeitSoerßättniffeS" angefititbigten ©traf* 
gefeße liegen. T)er itt ber Tßrottrebe gewählte Rame ift an 
fieß oielbeutig; man fann aus ißtn aueß ßerauSlefett, baß baS ge* 
werblidte ArbeitSoerßältniß naeß beibett ©eiten, alfo nießt nur 
gegen Berftöße ber Arbeiter, fonbern aneß gegen folcße ber Unter* 
tteßmer gcfdjiipt werben fott. Sttbcffen bie erläuternben Berner* 
fungett müffen gu ber Aitttaßmc fiißreu, baß nur bie Arbeiter 
getroffen werben foHett. B3ie bies möglid) fein wirb, oßne bie 
Koalitionsfreiheit eingufeßränfett, ift uns nießt erfennbar. ©0 feßr 
wir bie Bebroßnng uttb Riißßattblung Arbeitswilliger oerurtßcilen, 
fo glauben wir bod) entgegen ben Porten ber Xßrottrebe, baß 
bie befteßenben ©trafgefeße oöllig auSrcid)en, um Riiß* 
ftättbeit gu fteuern, unb baß bie fogialen ©eßwierigfeiten 
ber 3 c it bureß bie äußerliche Repreffion nur gefteigert 
werben. Xod) Darauf wirb itäßer ciitgugeßeit fein, wenn ber ©e* 
feßeutwurf, für beffeit angebliche Rotßtoeubigfeit bie Regierung ben 
Beweis erbringen muß, oorliegt. Vorläufig ift er noeß nießt ein* 
mal an ben Sunbesratß gelangt, wie beim aueß oon ben anberen 
fogialpolitifcßen Vorlagen noeß feine gur Einbringung au ben 




249 


Sogtale prajis. Eentralblatt für Sogtalpoltttl. Nr. 10. 


250 


NeicpStag fertig aefteHt ift. Sie Sogialpolitif roirb natürlich fcpon 
in ben Bubgetoebatten geftreift werben, ber $auptfampf aber roirb 
erft oiel fpäter in ber Seffion entbrennen. 


Sogialpolitifdje Arbeiten beS frangöftfdjen Parlaments. 

Ser Bieberbeginn ber parlamentarifcpen Tagung pat in ber 
Seputirtenfammer eine glutp oon fogialpolitifdpen Anträgen per* 
oorgebracpt, bie aflerbingS tpeitroeife nur Neprifen aus ber oer* 
gangcnen Legislaturperiode barfteHen. Sie Snitiatioe gu ben an« 
geftrebten gefepgeberifcpen Reformen unb Neuerungen geht non ben 
©Hebern ber oerfcpiebenften Parteien aus; hoch geigt fiep bie ©ruppe 
ber fogialiftifchen Seputirten am fruchtbarften. — 3m Ntittelpunfte 
ber fommenben Sebatten roirb neben ber Peptral’fcben Einfommen* 
[teuer („Sogiale Praxis" Sflprg* VIII, Sp. 89) Die grage ber all* 
gemeinen AtterSoerfidperung fielen. Es liegen hinüber brei 
in ber jeßigen Sagung eingebracpte Entwürfe oor, bie gufammen 
mit mehreren aus ber lepten Legislatur übrig gebliebenen projeften 
in ber Arbeitsfommiffion ber Seputirtenfammer oorberatpen roerben. 
darunter befinbet fiep eine oom oorigen $anbelSminifter, Barue* 
jouls, ausgearbeitete unb oom Kabinett Griffon offiziell eingereid^te 
Vorlage, roeldje — mie mir prioater 3nformation oerbanfen — 
aud) oom NUnifterium Supup oor bent Parlamente oertreten 
roerben roirb, obroopl es fiep nocp nicpt formell bafür erflärt pat. 
Beiläufig mag pier erwähnt roerben, baß ber Ntinifterpräfibent an* 
läßlich ber oon ibm präfibirten EröffnungSfipung ber Binteroor* 
lefungen beS Ntufee Social fepr lebhaft betonte, baß ber Staat 
überall ba mit oblifjatorifcper ©efebgebung eingutreten pabe, roo 
bie freiwillige unb wbioibuelle giirforge nicht auSreid)t. Samit 
ibentifigirte er fid^ mit bem Projefte Ntdruejouls. Auf biefeS unb 
bie oerroanbten Anträge ber Seputirten Subuiffon (liberal) unb 
Epauriere (Sogialift) fontmen wir nod) fpegiett gurüd. 

Neben bem fogialiftifcf>en Anträge auf Schaffung eines 
ArbeitSminifteriumS („Sogiate prajiS", 3a§rg. VII, 0p. 1281) 
erfdieint nunmehr oon liberaler Seite ein Antrag Sutreij, baS 
bcftebenbe office du travail in ein UnterftaatSfefretariat ber 
Arbeit umguänbern, welches bem $anbelSminifterium angugliebetn 
wäre unb baS ArbeitSred}t, bie £>pgiene, Ernten* unb ©enoffen* 
fcbaftSroefen als Neffort erhalten foue. Sie beiben Einträge finb 
recht aussichtslos. 9Nan pat im Bubget ber lepten 3ap*e bie 
$rebite beS Arbeitsamts gang erheblich ßerabgefefet unb roirb fi<h 
im Parlament nicht fo leicht oerleiten taffen, nunmehr roieber ben 
entgegengefepten Beg gu roattbeln. Ser Antrag Sutreig: hält fiep 
übrigens faum auf ber £>öpe ernftpafter Beachtung: 3it feinen 
Botioen [teilt er baS Seutjcpe Neicp in Begug auf arbeitsftatiftifcpe 
Bepörben granfreicp als Bufter bin. — Ser proteftioniftifcpe 
3ug, unter bem bie frangöfifcbe BirtpfcpaftSpoIitif feit langen 
Sabren ftebt, fucpt fiep nunmehr auf bie Baare Arbeit auSgubebnen. 
Abgeorbnete, roelcpe ber fleinen neugebilbeten antifemitifdj-nationa* 
liftifchen ©ruppe angeboren, haben groei projeftegurBeftcuerung 
auSlänbifcper Arbeiter eingereidjt. SaS Projeft Bagniaube 
oerlangt oon ben Unternehmern für jeben befcpäftigten fremben 
Arbeiter eine ©ebüpr oon 50 EtS. pro Sag, baS anbere weniger 
probibitioe oon Brice unb 3J?iHeoope mochte nur eine 'JNonatStaje 
oon 5 grcS. (für grauen bie £>älfte) pro Üopf erhoben roiffen. 
Beibe rooHen bie gu erroartenben ©innabmen für 3n>e<fe ber Alters* 
oerftdberung oerroenben. 

3ur Neform beS ^oalitionSgefepeS oom 21. SNärg 1884 
gingen oon brei Seiten Anregungen aus, bie alle eine größere 
gretbeit unb größere Selbftänbigfeit ber syndicats professionnels 
anftreben. S)er Antrag Sanfette unb Wotte, eines ©rofrinbuftriellen 
oon Noubaif unb BefieacrS oon 3ut^ ©ueSbe bei ben lepten 
'Bahlen, forbert für biefe gachoereine bie oollen Nechte einer 
juriftifdjen Perfon, namentli^ bie SNöglicbfeit, ihr Bermögen in 
ooHer greibeit gu oerroenben unb gu oerroalten. Sie fogialiftifche 
NooeHe BaSlp möchte ben gachoereinen auch nicht gum ©eroerbe 
gehörigen perfonen als Blitglieber gulaffen, bie obligatorifcbe 6in* 
reichuttg ber Blitglieberliften bei ben BerroaltungSbebörben ab* 
fd^affen, um bem Arbeiter größere Sicherheit gegenüber ben Unter* 
nebmetn gu geben. Nach öem Antrag Bartbe enblid) foH es ben 
Spnbifaten möglich gemacht roerben, ihre gonbs für ©rbauuttg 
oon Arbeiterroobnungen nupbar gu mad)ett, felbftoerftänblicb unter 
©inbaltnng ber Beftimmungen beS SpegialgefepeS oon 1894 über 
§erftettung billiger Bohnungen. 

Sie unaufborlid) oon ber Arbeiterfchaftangcftrebte Befeitigung 
ber prioaten Stellenoermittluugsbiireans roirb burd) einen 
fogialiftifchen Antrag ©outant u. f. ro. aufs Neue in Erinnerung 
gebracht. Siefer oerfucht, ben Arbeitsnachweis unentgeltlich gu 
uta^en unb ihn auSfchlie&ticb ben Berufs!örperfd)aften unb ©e* 


meinbebebörben ^u referoiren. — TOt ber Neorganifation ber 
gabrifinfpeftton befchäftigen fleh S^ e i Anträge. Ser eine oon 
ihnen, ©bnrleS Bemarb gegeichnet, würbe eingebracht als ©rfap 
für bie immer oerfprochene unb immer auSgebltebene NegierungS* 
oorlage über ftraffere Örganifation unb ^ompetengerroeiterung Des 
SnfpeftionSbienfteS, welche heute nur burch einige Paragraphen beS 
ArbeitSfdjupgefepeS oon 1892 unb einige Berorbnuitgen geregelt 
ift (ogl. „Sogiale Praxis", Sabrg. VII, Sp. 1265). Ser anbere 
Antrag, oon Sogialiften auSgebenb, bemüht fich, ben Arbeitern 
einen größeren Emflup auf bie AufftchtSbehörben gu oerfchaffen, 
einmal burch bie Nefrutirung beS AuffichtSperfonalS aus birefter 
Bahl burch bie Betheiligten anftatt ber gouoemementalen Er* 
nennung, fobann burch Beiorbnung oon ebenfalls gewählten 
Spegialfommiffionen für jeben gnfpefttonSbegirf. Bie ber oorher* 
gehenbe erweitert auch &W er Antrag bie ^ompeteng beS SnfpeltorS. 

Erwähnen wir noch, befonbere Befprechung oorbehattenb, ben 
fchon burch mehrere ßegislaturperioben hinburchgegogenen unb nun 
roieber erneuerten fogialiftifchen ©efepentrourf gur Äobifüation 
ber gefammten bie Lohnarbeit betreffenben ©efep* 
gebung, um fo einen befonberen code du travail gu fchaffen. 
Ebenfo muft ber oon bem Seputirten unb Profeffor an ber Parifer 
Necptsfafultät Beauregarb eingebrad;te Antrag auf Umgeftaltung 
ber ©eroerbegerid|te, nach welchem biefe förmliche ArbeitS* 
tribunale roerben follen, gefonoert befprochen roerben. 

Paris. g. Sdhotthöfer. 


3nbuf)riefammeru« Bieberholt haöen wir in Iepter 3 e ^ ^ur* 
auf hingeroiefen, bafe oon fonferoatioer Seite eine aemeinfame 
Drganifation ber inbuftrieüen Arbeitgeber unb Arbeiter befürwortet 
roirb. Auch in ihrer Nummer 564 befdjäftigt fich bie Äreuggeitung 
roieber eingeheitb mit biefent ©ebanfen unb groar bieSntal an ber 
$anb ber Ausführungen BranbtS * §>ipe über ArbeitSfammern auf 
oer lepten ©eneraloerfammlung beS BerbanbeS „Arbeiterroohl" 
in Strapburg. Obwohl baS feitenbe fonferoatioe Blatt an ben 
bort gemachten Borfdjlägen manches im Eingelnen auSgufepen hnt, 
erflärt es hoch ben Plan für fehr erroägenSroerth: „ES ift ftets 
baS Srachten ber Sfonferoatioen geroefen — unb ift eS unoeränbert 
noch b eu * e —< eine aemeinfame Drganifation oon Arbeitgebern 
unb Arbeitern in ber gnbuftrie herbeiguführen. ©egenfeitige Aus* 
fprache führt am lepten Enbe gu aegenfeitiger Berftänbigung unb 
gur AbftanbSnahme oon unerfüllbaren Bünden." Ser Name 
„Snbuftriefammern" erfcheint bem Blatte jeboch paffenber als ber 
oon „ArbeitSfammern". Ser Name tljut wenig gur Sache, aber ge* 
fpannt mufe man nun fein, wie bie fonferoatioe Partei imNeidjS* 
tag fich oerhalten roirb, wenn baS Eentrum, wie roir hoffen, einen 
bem §ipe’fchen Projeft entfprechenben Antrag einbringt. Einiger* 
maßen ftupig muß eS machen, wenn bie Äreuggeüung erflärt, einer 
3ufantmenfaffung ber Begirfsfammem in einer Spipe, einem 
NeichSarbeitSamt, oorläufig noch feinen rechten ©efebmaef abge* 
roimten gu fönnen. Anbere Aeußerungen legen bie Bermuthung 
nahe, baß eS bem fonferoatioen Blatt bei ber gangen Angelegenheit 
me|r um eine Befämpfung ber Sogialbemofratie als um eine 
görberung ber Arbeiterintercffen gu thun ift. 

Ein fogtaliftifdjeS „PlcbiScit" itt Euglanb. Einige Sogialiften* 
führer Englaubs, bie im „Elarion" ihr Organ hoÖen, rooHen eine 
ftärfere Aftion ihrer ©efinuungSgenoffen einleiten. 3 U liefern 3ioecfe 
haben fie gunächft eine Abftimmung über bie grage ber Annahme einer 
neuen Politif im Parlament unb bei ben Bahlen oeranlaßt. SaS 
Eraebniß biefeS BotumS liegt oor unb baS erfte, baS baran auf* 
fällt, ift bie ©eringfügigfeit ber Betheiligung. Nur 8885 Perfonen 
haben abgeftinunt, unb ba oiele oon biefen nicht Böhler finb, fo 
erhellt, roelch geringen Einfluß biefe Schaar auf bie Bahlen hoben 
fann. BaS bie Eingelheiten betrifft, fo fpriept ficb eine fepr große 
Ntehrheit für bie Bilbung einer einzigen fogialiftifchen Partei auS; 
bei ber nächften allgemeinen Bapl follen in erfter Linie Sogialiften 
aufgeftellt roerben, roo bieS nicht angeht, will man für biejenigen 
$anbibaten anberer Parteien ftimmen, bie ben fogialiftifchen gor- 
berungen am meiften entgegenfomnien, bie frühere görberung ber 
Bahlentpaltung ift bamit aufgegeben. Auch ein „praftifcheS Par¬ 
lamentsprogramm" ift angenommen worben, unb eS ift eben fo 
begeiepnenb für bie englifcpen Sogialiften, welches bie eingelnen 
punfte beS Programms finb, als auch, roeldje Stimmengapl biefe 
erhalten haben: für Neferenbum unb Soitiatioe nad) Srfjroeiger 
Bufter paben fiep 5965 erflärt; bie nächften gorberuugen: Alters* 
oerforgung, Befdjaffung oon Arbeit für ArbeitSlofe, Abfdjaffung 
oon Sünberarbeü bis gum 14. 3opre unb gefeplidjer Acptitmtbentag 
haben groifepen 5115 unb 4763 Stimmen erhalten. Sie oolle Be* 
fteueruug oon ©runb unb Bobeit, bie Nalionalifatiou beS Laubes, 



251 


©ogiale $ra£t$. Gentralblatt für Sosialpolitt!. Sir. 10. 


252 


bie Sorberung non Diäten unb Seftreitung ber Sßahlfoften, foroie 
bie Serftaatlid)ung ber Gifenbahnen fiitb mit 4052—3709 Stimmen 
angenommen, baS allgemeine Stimmrecht hot nur 2856 bc!ontnten. 
GS folgen bie Befreiung oorn Schulgelb, bie Serftaatlidjung beS 
SchanfgeroerbeS foroie ber Sergroerfe, bie Ginführung oon Stich* 
mahlen unb Erhöhung ber GrbfchaftSfteuer, roofür groifchen 1976 
unb 1423 Sotanten eintraten, Gang gulefct fommt eine alte gor* 
berung ber fogialbemofratifchen Söberation: Free Bread for all 
Applicants — fie erhielt nur 967 Stimmen. — $er gange Sor* 
gang oon Nob. Slatdjforb unb feiner greunbe oom „Glarion" 
beroeift anfs Neue, mie gering bie AuSftdjten für bie Grftatfung 
ber Sogialbemofratie in Gnglanb finb, roährenb bie nichtfogialiftifdjen 
Geroerfoereine fortroährenb an innerer $raft unb äufjerem Umfang 
roachfen. 

GimgimgSämter in Seiten. Aus Sörüffel mirb uns ge* 
fehrieben: 3n eingeroeihten Streifen oerlautet, bah tnan im bclgifchen 
ArbeitSmiuifterium mit ber Ausarbeitung eines GefefceS befc^äftigt 
ift, meines an bie Stelle beS GefefceS oom 16. Auauft 1887 über 
bie Conseils de l’industrie et du travail treten foH. GS mirb 
barin angeftrebt, biefe tförperfchaften, bie bisher nur eine fehr 
geringe Shrffamfeit enhoicfelt haben, gu oerbeffern unb inSbefonbere 
fie geeigneter unb fähiger gu machen, um bei ßohnftreitigfeiten als 
GimguitgSätntcr erfolgreich gu roirfen. Natürlich ben!t man aber 
in Trüffel nid^t baran, beit AuSfprüdjen biefer GinigungSämter 
irgettbrnie obligatorifche Gültigfeit gu oerleihen. 

Dr. Sattster unb Dr. üon Notteuburg. 3Bir erhalten nach* 
folgenbeS Schreiben mit ber Sitte um Aufnahme: 

$)üffelborf, ben 30. Nooember 1898. 

Sehr geehrte Nebaftion! 

3<h fann nicht oerlangen, bah Sie ber in ber Anlage f&eutfdje 
Snbuftriegeitung Nr. 23) erfolgten Grroiberung auf bie feitenS 
beS Herrn Söirflidjen GeheimrathS Dr. o. Nottenburg gegen mich 
in ben Artifeln „Herr Dr. o. Seumer unb bie englifdjen Xrabe 
UnionS" gerichteten Angriffe einen $lafc in ben Spalten ber 
„Sogialen Sßrajis" geroähren. SSohl aber glaube ich Sie er* 
gebenft barum erfuchen gu bürfen, Sh^en ßefern mittheilen gu 
moUeu, bah ich auf bie Dr. o. Nottenburg’fdje, meine amtliche 
SBirffamfeit in einem ungeroöhnlichen Grabe herabfefcenbe Äritif 
nteinerfeits in ber „S)eutfchen Snbuftriegeitung" Nr. 23 beS 
XVII. SahrgangS geantmortet habe. 

^So3)ad)tungSooI[ unb ergebenft 
Dr. Seumer, 3JiitgIieb beS ^Sreufeifchen AbgeorbnetenhaufeS. 

Herr Dr. oon Lotten bürg fenbet uns gu biefem Schreiben, 
oon bem mir ihm ebenfo mie oon bem Artifel beS Herrn Dr. Seumer 
Mcnntnih gegeben hatten, folgenbe Semerfungen: 

Soun, 5. $>egember 1898. 

Sehr geehrter Herr $)oftor! 

Sn Grroiberung auf Sh* gefälliges Schreiben oon geftern 
erlaube ich mir ergebenft gu betnerfen, bah ich es meinerfeits 
nur befürroorten fann, rocitn bie ßefer ber .„Sogialen $rafis" 
auf ben Artifel in ber $>eutfd)en 3nbuftrie*3eitung aufmerffam 
gemacht roerben, in roelchem §err Dr. Senmer meine gegen ihn 
gerichteten Ausführungen gu roiberlegeit oerfucht. 3<h mürbe eS 
ant Iiebften fehen, roenn ber Artifel in Shrem Slatte Sßort für 
S?ort reprobugirt roiirbe; benn roeit baoon entfernt eine „Ab* 
mehr" beffen gu enthalten, roaS ich behauptet habe, femtgeichnet 
er fich oielmehr als eine Seftätignng meiner $ritif. 3d) behalte 
mir oor, binnen fturgem ben NachroeiS gu erbringen, bah bie 
gange ©ebuftion beS Herrn Pr. Senmer fich lebiglidj in unbe* 
roiefenen Sehauptungen unb roillfü dich eit ÜnterfteUungen beroegt. 
3unächft nuih ich noch eine Änderung beS Herrn Spence Söatfon 
abroarten. Herr Dr. Seumer fagt in feiner „Abroehr", mein 
Gewährsmann habe bie Sdfjattenfeiten ber £rabe UnionS „nicht 
fehen roollen unb fcheine fie auef) heute nod) nicht gu fennen", 
toeil er, ein rabifafer ^olitifer, „auf bie Stimmen ber £rabe 
Unioniften angeroiefen fei." 3d) fenne Herrn SktfonS 2Bahr* 
heitsliebe genau genug, um gu roiffen, baß er biefe ohne jebe 
Segrünbuitg gemachte Unterteilung nicht leicht nehmen unb baS 
Sebürfnih empfinben roirb, fie öffentlich guriicfgnroeifen. 

Sdjon heute muh ich aber eine Sehauptung in ber „Abroehr" 
beS Herrn Dr. Seumer berühren, roeit fie fid) fd;einbar auf 
einen Seroeis ftüfct. ^err Dr. Seumer beruft fich auf bie Ser* 
hanblungen beS SereiuS für Sogialpolitif im Sahre 1890*) 
gtint Seroeife bafür, bah „englifche Irabe UnionS ben Arbeit* 
gebern bie Ginführung neuer Nlafdjinen unterfagt" hätten. Sn 

: j Sgl. ©rfjvifteii b<\^ Screiits für Sogialpolitif Sb. 47 $>ic Aeb. 


ben begeidjneten Serhanbtungen hat nur Herr Suedf behauptet, 
bie Arbeiter eines SetriebeS — ber 9Äa£im*Norbenfelb SöorfS 
— hätten einer Serbefferung oon 3Jla feinen Söiberftanb geleistet. 
Son bem thema probandum, b. h- baoon, bah eine £rabe Union 
fich in folcher Art „gum gierrn beS SetriebeS" gu machen oerfucht 
habe, ift alfo in biefer Seroeisführung abfolut nichts enthalten. 

3<h halte hiernach Alles, roaS ich in nteiner Uritif gefagt 
habe, Söort für 3Sort aufrecht unb füge hingu: S)er un* 
günftige Ginbrucf, roelchen bie Siebe beS $errn Dr. Seumer im 
Abgeorbnetenhaufe bei allen Sachoerftänbigen h cr °argurufen ge* 
eignet roar, roirb burch feine „Abroehr" noch mefentlich oerfchärft. 

Genehmigen Sie, oerehrter §err, bie Serfitherung meiner 
oolüommenften Hochachtung. oon 91 Ottenburg. 


kommunale $o|ialpoltttb. 

Sogtale Äommifüon in ber Stabtbertoaltnna Münchens» SDem 
GemeinbefoIIegium (Stabtoerorbneten) liegt feit längerer 3*ü 
„Sogiale S ^kafis" Sahrg. VII Sp. 1339) ein Antrag oor, es möge eine 
aus ber Stabtoertretung unb ben Sntereffentenfreifen fombinirte ftän* 
bige f ommiffioit gebilbet roerben, an roeldjc fogiale fragen oon ein- 
fchneibenber Sebeutung gur Sorberathung unb üKeinungSäufeerung 
gu überroeifen unb ber ebenfo Streitfragen gur Segleidjung gu 
übergeben finb. derartige ^ommiffionen beftehen in einigen an* 
beren Stäbten unb haben fich auch oielfach beroährt. 3n SJlündjen 
beantragte ber AuSfchufe, ben Antrag afyjulehnen, roeü er hoch auS- 
fichtSloS fei. 9la<h fehr lebhafter Grörterung aber befchlofe am 
1. $egember bie SJlehrheit, trohbem bie Anregung bem Slagiftrat 
gur SB&ürbigung gu überroeifen. — ®ie Hauptfachc freilich ift unb 
bleibt, bah bie gefammte Stabtoerroaltung oon fogialpolitifcher 
Gefinnung unb ^hatfrafl befeclt ift. 

ftotmtwstaier 9(rbeiterffhub in $ariS» $)aS „Bulletin muni* 
cipal officiel“ oom 9. SRooember oeröffentlicht folgenben Sefd)Iuh 
beS ^arifer GemeinberatheS, betreffenb bie Regelung ber ArbeitS* 
oerhältniffe feitenS ber Kommune: 

2)aS Subfontraftroefen ift oerboten; bie bei ber Ausführung 
ftäbtifcher Arbeiten befdjäftigten Arbeiter rnüffen bireft oom Unter* 
nehmer, bem bie ßieferung ertheilt rourbe, angeftellt roerben. 2)er 
5RormaIarbeitStag barf neun effeltioe Arbeitsftunben nicht über* 
fchreiteit, auch ift roöchentlich ein Auhetag gu geroähren. 2ÖaS bie 
Söhne anlangt, fo ift ber Unternehmer oerpflicptet, foroohl bei 3^it* 
als bei Stücflohn minbeftenS bie für jebe Kategorie unb ^Sro* 
feffioit fiyirten Slinimallöhne gu begahlen. Goenhiett erlaubte 
Ueberftunben rnüffen mit 25 progentigern 3ufdtfag, bei 9lacht mit 
bem hoppelten ßohn begahlt roeroen. 2)er Unternehmer barf nicht 
mehr als ein 3^hntel ber Selegfchaft auSlänbifche Arbeiter befchäf* 
tigen; bei Äafernenbauten bürfen nur frangöfifche Arbeiter be* 
fchäftigt roerben. S^be eingelne Uebertretung roirb mit einer Sufj€ 
oon 10 3?rcS. geahnbet unb Nichtbeachtung ber allgemeinen Se* 
ftimmungen gieht ben Serluft ber Lieferung nach fnh; iiberbieS hat 
ber Unternehmer eine Kaution gu hiaterlegen, bie für bie regel* 
mähige AuSgahlung ber ßöhite Garantie bietet. 


t Jttflättbt* 

^rembfprachUdhe Arbeiter in Nheintaub-SSeftfalen. Gegen baS 
ftarfe Ginftrömen polnifd^er Arbeiter nach & eit rheinifch^roeftfälifchen 
Snbuftriebegirfen bereitet baS Dberbergamt gu 2)ortmunb, ber 
„£ölitifd)en 3 e itung" gufolge, eine Sergpoligeioerorbnung oor, 
roelcbe u. a. beftimmt: 

^rembfprachlidje Arbeiter bürfen auf Sergroerfen uub bagu ge* 
hörigen Nebcnanlagcn nur befdjäftigt roerben, roenn fie genugenb beutfeb 
oerftehen, um münbliche Anroeifungen ihrer Sorgcfehten unb 3Rit* 
theilnngen ihrer Acitarbeiter richtig aufgufaffen. AIS Auffel)er, SRafdünen* 
fiihrer, Surnoen* unb Mcffclroärtcr, liefmeifter, SBettcrleute, Crtöältcfte 
(^rittclführer), Stfjacbtbaucr, Anfd)Iäger, Abnehmer unb Sorarbeitcr 
auf ähnlichen Soften bürfen frembfpradfjige Arbeiter nur befchäfügt 
roerben, roenn fie ber beutfrficn Spradje fo roeit mächtig fmb, bah f»e 
biefelbc fertig fpred;eit unb in Schrift unb $)rucf fertig lefeu fönnen. 

3ur Segrünbuug ber Ntahnahme roirb auf bie fchroeren fidjer* 
heitspoligeilichen Sebenfen hingcroiefen, bie beim Sergroerfsbetrieb, 
roo oont ^haa anb ßaffen beS einzelnen ÜRanneS oft bie Sicher* 
heit Sieler abhänge, aus ber Unfenntnih ber beutfcheit Sprache 
unb bem barauS entftehenben Nid)toerftehen oon Reifungen unb 
3 urufen gu beforgen feien. 

fRabattfparoereine. 3n ber „Sogialen SßrayiS" hat unlängft 
(Sahrg. VII Sp. 1333) Herr gabrifant D. Steigert baS Sorgehen 
unb bie SMrfungen ber Nabattfparoereine an einem befonberen 



253 


©ogtale «ragi*. «entralblatt für SogtalpolitH. Br. 10. 


254 


Beifpiel in Berlin fd^ctrf Beleuchtet. 3efct hat ber preußifdhe 2 Ri* 
nifter für £anbel unb ©eroerbe ant 30. Booember eine Hborbnuna 
beg Bunbeg ber grnnbel** unb ©eroerbetreibenben unb ber ©entraß 
oereine felbftftänbiger ©eroerbetreibenber empfangen, bie in Ber** 
tretuni} non 26 Bereinen eine Eingabe gegen bie Babattfparoereine 
überreichte. Der Btinifter lieb fid) eingehenb über bie tbatfadjlicften 
Berhältniffe foroie über bie ©ünfehe Der betfeciligten Greife, welche 
bie Stellung biefer Bereine unter bag ©ir^fchaftggenoffenfchaftg* 
fchaftggefefc foroie ihre §erangiehung gu ben ftäbtifchen unb ftaat* 
tidhen Steuern beantragen, Bericht erftatten, unb erfuchte um ©in** 
reichung ftatiftifchen SRaterialg, aug bem fidfj eine ©efammtüberficht 
über bie Sdf)äbigung beg §>anbelg burd) bie Babattfparoereine 
erfehen laffe. Der Brinifter oerfprach eine grünbliche Prüfung ber 
Httgelegenheii.' 

langet über ben ©efmtbbcitggitffaitb bei f oft* unb Delegrapljeti« 
perfmtalg in Deittfdjlattb. Dag Beidjgpoftamt hat oerfügt, baß im 3aßre 
1899 eine etngehenbe ftatifttfdje ©rljebung innerhalb ber $oft* unb Dele* 
graphennermaltungen ftattgufinben habe, um über bie einrotrfung ber 
uerfihiebenen Bcfchäftigunggarten im Sßoft* unb Delegraphcnbetriebe auf 
ben ©efunbbeitSjuftanb beg $erfonal8 einen Ueberblid gu gewinnen. 

Bergarbeitcrlöf)tie in ^teuften* lieber bie ßöfjne ber Berg** 
arbeiter in Preußen im britten Cuartal biefeS Sahreg oeröffentlic^t 
ber „Beichgangeiger" eine lleberftdjt, bie ^olgetibeg ergiebt: 

3m Steinfohlenbergbau betrug ber Durdjfdjmttglofjn beS Arbeiters 
für eine S<fjid)t in Dberfchleften 2,70 gegen 2, 69 JL im groeiten Biertel* 
jahr 1898 unb 2, 68 im 3ahre£mittel 1897, in lieberfchleften 2,?i gegen 
2 ^ä unb 2,59, im Cberbergamtöbegirf Dortmunb JL 3,78 gegen 3,69 unb 
3 , 57 , Bei Saarbrüifen 3, S8 gegen 3,38 unb 3,34 unb bei Hacken B, 97 gegen 
8,37 unb 3 , 19 . Der gefammte nerbiente reine Hrbeitglohn (nach Hbgug 
aller HrbeitSfoften, foroie ber Änappfdjaftg*, 3nnalibität§= unb HlterS- 
oerßdjerunggbetträge belief fuh im 3. Cuartal in 0berfd)lefien auf 208 JL 
(tm 2. Quartal 182), in Bteberfchlefien auf 213 (193), Dortmunber 
Denier 310 (281), Saarbrücfen 262 (241) unb Kathen M. 263 (243). 
Beim Braunfohlcnbergbau im DbcrbergamtSbegirf §aüe betrug ber 
Sthiihtlohn JL 2,79 gegen 2,71 im 2. Quartal b. 3- unb 2^4 im §al>re 
1897, unb ber ©efammtlohn 218 gegen 200 JL im vorigen Bierteijabr; 
ebenfo im Saigbergbau 3 ,59 gegen 3,49 unb 8 , 59 , foroie JL 280 gegen 257. 
Sehnliche Sohnftcigerungen fmben fidh beim ©rgbergbau. Die Sunahme 
beg Sohnes gegen bag oorige Bierteljahr fchroanft hier in ben einzelnen 
Bejirfen grotfehen JC. 12 uno 29. 

SRimmaUbhne für belaität ©ifeubahuarbeiter. Huf ©runb 
einer im Huftrage beg belgifchen ©ifenbahmninifterg oeranftalteten 
©nquete oerfügte biefer, baß fünftig bei ben ©ifenbahnen feine 
Hrbeiter mehr unter einem Dagelohn oon 2,co 8 fr. refp. 2,so 3?r. 
befdjäftigt roerben foHen. Die Berorbnung. fott gubern eine biß 
gum 1 . Sfali rücfroirfenbe Äraft erhalten. 


Atcbettetbetvegitttg. 

Bergarbeiter-Beioegnng. Der Borftanb beg alten (fogial* 
bemofratifchen) Berg* unb püttenarbeiteroerbanbeg im Bnhrreoier 
hat nunmehr bie ßohnforberungen ber Bergleute ben 3 c <hen** 
oerroaltungen gugefanbt. Bor ©eihnadjten foü außerbem ein 
Bergarbeiter**Delegirtentag ftattfinben, auf bem in ber ßohnange* 
legenheit enbgültig Befd)iuß gefaxt roerben foH. 3m Organ beg 
©eroerfoereing c^riftlid^er Bergarbeiter, bem „Bergetappen", roirb 
groar bag Bedangen nach weiterer Hufbefferung ber ßöhne für be* 
rechtigt, burihführbar unb roünfchengroerth erflärt, aber gugleiih 
oor einem Streif gewarnt, weil eg an einer gefdhloffenen Organi* 
fation unb an Mitteln gum Streif fehle. 2)ie Buhrbergleute hätten 
auch fö nc Beranlaffung unb 5uft, für bie Hrbeiter anberer Geniere 
bie Äaftanien aug bem Sfeuer gu holen. $)iefe mosten fich guerft 
beffer organifiren. lim eine beffere unb gerechtere Bertheilung ber 
ßohne herbeiguführen, foHten Hrbeiteraugfchüffe eingeführt roerben, 
bie bei ber Regelung ber ©ebinge unb Scfjicfjtlö^ne mitguroirfen 
hätten. 3m Uebrigen möchten bie Bergarbeiter bie je^ige günftige 
3 eit unb bie „giemlich befriebigenben" ßöhne (ogl. bie betreffende 
SRotig unter ber Bubrif „Sogiale 3uftänbe" in biefer Bummer) be* 
nufeen, um ftch beffer gu organifiren unb bie Organifation auch 
finanziell gu fräftigen. 3 ngroifd)en hüben bei ben legten $napp* 
fchaftgälteftenroahlen im Buhrreoier bie Oppofitionellen, bie eine 
freiere Berroaltung ber $nappf<haftgfaffen burch bie Hrbeiter, fyöfyvt 
ßeiftungen ber Waffen unb Bereinheitlichung beg Enappf^aftg«* 
(Bruberlaben=*)2öefeng für gang $)eutftblanb erfireben, über bie @e* 
mäßigten einen Sieg baoongetragen, ber auch bem alten Berbanb 
gu ©ute fommen bürfte. 

$ev Bemfdjeiber ^ranfenfafftnangfitanb (ogl. „Sogiale $ragig" 
VIII Sp. 197) hat feinegroegg ben Umfang unb bie Schärfe an** 
genommen, ben fogialbemofratifche Blätter prophegeit haben. 3n 


SBirflichfeit war ber Hugftanb in groei Betrieben mit etwa 100 
Btonn fehr halb befeitiat, ba bie Hrbeiter bie Hrbeit roieber 
aufgenommen haben; auch in ben übrigen Betrieben ift bie Äünbi* 
gung gurüefgejogen roorben, weil bie Hrbeiter fich gefügt haben 
wohl auch m ber Uebergeugung, ba& bie neu gu erridhtenben Be* 
triebgfaffen in oieler Begiehung mehr leiften roerben alg bie Bern** 
fcheiber Ortgfranfenfaffe. 3nggefammt roerben einige groangig 
Betriebgfranfenfaffen gearünbet, bie gufammen etwa 2000 SRit* 
glieber haben roerben. ä)ie Ortgfranfenfaffe hat jefet 10000 BUt* 
glieber, mit ben bleibenben 8000 Btitgliebern ift fie lebensfähig; 
eg ift aber nicht abgufehen, ob eg nicht gu weiteren Hbfpaltungen 
fommen roirb. BMe bie „9Jteb. Beform" melbet, roirb auch bie 
(Errichtung oon Snnunggfranfenfaffen betrieben. Huch baburd) 
roerben ber Ortgfianfenfaffe Btitglieber abroenbig gemacht. 2)ie 
neuen Bemfdjeiber Betriebgfranfenfaffen fchliefeen fic^ gufammen 
unb [teilen genteinfam 18 Hergte an. Böie ber 8 fabnfantenoerein 
befannt macht, fteht ben SRitgliebern ber Betriebgfranfenfaffen bie 
SBahl unter biefen 18 Hergten frei. 

$ie Bäcferelarbeiter Beding halten am 29. Booember eine 
Berfammluncj ab, in ber bie Shmdichfeit einer umfaffenben ßohn** 
beroegung erörtert rourbe. HIg gorberungen rourben aufgefteKt: 

1. Hbfchaffung oon $oft unb 2ogi§ int .£>aufe beg 2Reifterg. a) Hlg 
©ntfhäbigung hierfür roerben pro 2Rattn unb SSodje 12 M. gegahlt. 
b) 18 M. gelten alg SRinbeftlohn. c) f$ür gefeplt«h guläffige lieber** 
ftunben roerben 50 begahlt. 

2 . Stritte Durchführung ber Bunbegrathg=Berorbnung mit einer 

Stunbc (Sfcpcutfe. 

3. Begelung beg Hrbeitgnaihroeifeg auf unparteiifcher ©runblage. 

4. ©eroährung einer greina^t an ben brei hohen geften Dftern, 
fingften, SSeihnachten, unb groar ber Bad)t 00 m erften gum groeiten 
eiertage. 

Diefe Sorberungen foHen gunädjft burch bie ©efeüenaugfchüffe 
ben beiben Berliner Bäcferinnunaen oorgelegt roerben. Uebcr bag 
©eitere roirb bann eine Äommiffion befinben, bie jefet fd)oit einen 
8 fonbg für einen etwaigen Streif fammein foll. 

Berbot toon Hrbeiterfongreffen in Ungarn. 3« Ungarn ift ber 
für ©eihnachten nach ©segieb einberufene Parteitag Der ungar* 
iänbifchen Sojialbemofratie foroie ber britte Sfribarbeiterfougrejj, 
ber fich an biefen Parteitag anfchlieben foflte, oerboten roorben. 
Den ©inberufern rourbe aufeerbem eröffnet, ba§ bie etwaige Hb** 
haltung ber Sfongreffe in ber ^auptftabt Bubapeft ebenfaüg nicht 
geftattet werbe, ba bie öffentliche Orbnung gefährbet erfcheine. Da 
eg in Ungarn aufjer Bubapeft unb ©gegleb nur wenige Orte giebt, 
in benen fogialbemofratifche Berfammluttgen cjebulbet roerben, unb 
ba bie Berlegung ber Sfongreffe nad) Oefterreich wegen ber Botfj* 
läge ber ungarifchen ßanbarbeiter am $oftenpunft feneitem würbe, 
foU oon ben $ongreffen gang abgefehen unb ben geheimen fogial* 
bemofratifihen Difdjgeitoffenfthaften, bie über bag gange ßanb oer* 
breitet pnb, bie Befchlu&faffuna über bie Sragett, bie auf ben 
Äongreffen beraten roerben foulen, überlaffen roerben, nachbem 
ihnen oorher gebruefte Beferate unb Befolutionen gugänglich ge** 
macht roorben ftnb. Der geibarbeiterfonarefe fottte ftd^ befonberg 
über bie Hbänberung beg gelbarbeitergefeheg, bag am 1 . Blärg 
b. 3 - in $raft getreten ift unb oon ben fogialbemofratifchen 
Hrbeitern alg „Sflaoengefefc" bezeichnet roirb, foroie über bie 
gforberuitgen ber gelbarbeiter fcf)lüffig machen. Der fogialbemo** 
ftratifche ^sarteitap follte fich mit bem ©abl * 5 unb Äoalitiongrecht 
unb bem Hrbeiterfd)ufc befchäftigen. Seit bem oorjährigen 
Schnitterftreif fudjt bie Begierung bie fogialbemofratifche 
unb ingbefonbere bie ^dbarbeiterberoegung mit allen 3Ritteln gu 
unterbrüefen. Heufeerlid) ift auch eine geroiffe Buhe geraffen 
roorben, aber unter ber Oberfläche hält bie ©ährung an. 

Sohnbetoegnng in ber belgifdiett Äohlentnbuftrie. ©ie in ber 
„Sogialen ißrajig" feiner 3 c ii mitgetheilt rourbe, war auf bem 
Äongrefc ber belgifchen Btinenarbeiter in Sframerieg im Oftober 
b. 3- ber Befchfuft gefafet roorben, foroohl an bie Hffociation Btar* 
bonniere wie an bie Direftoren ber emgelnen ©efellfchaften bie 
©infabung gu richten, fich mit ben Hrbeiterorganifationen über bie 
Begrünbung eineg ©onfeil be Btarbonnageg gu oerftänbigen. Diefer 
foUte gu gleichen Dheilen aug Hrbeitern unb Hrbeitgcbern beftehen 
unb bie Begelung ber ßobttfragen gur Hufgabe haben. Huf biefe 
Borfdpge Der Hrbeiterfchaft haben bie eingelnen Direftoren über* 
haupt nicht geantwortet. Bon ber Hffociation Btarbonniere aber 
lief bie Hntroort ein, ba& fic eine foÜeftioe Begelung ber ßohu* 
frage pringipiell ablehnen inüffe unb bafe eg allein „praftifd) unb 
oernünftig" fei, wenn jebe ©efeUfchaft fich über bie ßohnfrage ein* 
geln mit ihren Hrbeitern oerftänbige. Die Hrbeitcrfdjaft, bereu 
eingige Btacht in ihrer Bereinigung unb ihrer Solibarität liegt, 
mußte biefe Hntroort natürlid) alg eine Hblehnung ihrer Borfdjläge 



255 


Sogiale Vrajis. Eentralblatt für SogtalpolUtf. Mt. 10. 


256 


anfepen. hierauf befcplop man, eine Deputation ber pariamen* 
tarifepen Abgeorbneten ber 9Rinettbegirfe an ben ArbeitSminifter 
Mgffetn gu entfenben, um biefen oon bem bropenben $onf!ift gu 
unterrichten. Der SRinifter erftärte ben Abgeorbneten, er bebaure 
bie ©egenfäpe gwifepen Kapital unb Arbeit, hoch fyaltt er es nicht 
für feine Aufgabe, feinerfeitS pier eingugreifen. Aus Vrüffel roirb 
unö piergu gefdjrieben: „2BaS für (Stritte bie Arbeiter jept unter* 
nehmen weroen, um einen entfprechenben Antpeil an bem Auf* 
fchmung ber Snbuftrie gu erlangen, ift bisher nicht befannt ge* 
roorben. Von Vorbereitungen gu einem ©eneralftreif oerlautet 
noch nichts. Dagegen fepemen auf einer Veipe oon ©rubert 
menigftenS partielle Lohnerhöhungen gugeftanben worben gu fein. 
Aus ber fürglich erfchienenen Statiftif ber 2Rinen in 1897 bürften 
hier bie folgenben Eingaben über bie Eopleninbuftrie iutereffiren. 
Die 3ahi btt Unfälle belief ftd) auf 306, baoon oerliefen 124 
töbtlicp. Es famen 48 (Streifs oor gegen 38 in 1896. Das 
burcpfcpnittliche Sap^einfommen beS Arbeiters betrug 1006 gr¬ 
ober 3,40 ÖrcS. täglich 9 e Ö en 2,92 fJfrcS. in 1896. Söenn man bie 
tpatfäcplich eingetretene Lohnerhöhung mit ben auperorbentlicp ge* 
fteigerteu Dioibenben ber ©efellfcpaft oergleicht, fo erfennt man, 
bap fte nicht im entfernteren mit biefen Stritt gehalten h a t 
toogu noch bemerft werben mup, bap nach offigtetteit Vublifationen 
bie Lage ber Äopleninbuftrie auch in 1898 eine blüpenbe ge* 
blieben ift. 

Die Vetoegmtg unter ben fuglifcpen Seeleuten« Seit einigen 
Wochen ift eine giemlich lebhafte Veweaung unter ben englifcpen 
Seeleuten im ©äuge, bie fid) auf ©faSgoio, Mewcaftle*on*Dpne, 
Mortp* unb SoutpsSpielbS, £artlepool unb Duitbee erftredt. Die 
Urfacpe ber auf einen Streif abgielenben Agitation ift bie Rührung 
einer Art feptoarger Liften feitenS ber Vpeber. Vor 1880 fonnte 
jeber befertirenbe Vtatrofe eingefperrt werben, was jeboep burch bie 
Merchant Shipping Act 1880 abgefchafft würbe; feither geht ber 
Deferteur nur feiner an Vorb gelaffenen Effeften unb ber rücf* 
ftänbigeit Löhne oerluftig unb fann auch cioilrecptlicp für bie Ve* 
gahluitg ber Differeng belangt werben, wenn fein Erfapmann etwa 
höheren Lohn erhält. Die ScpiffScigenthümer hielten biefe Strafen 
für unwirffant unb fuchten nach anoeren SRitteln, um bie Seeleute 
gnr Einhaltung ihrer Vertragspflicht gu oerhalten. Sie fanben 
baS ÜRittel im „Federation Ticket“, baS alle flRatrofen oorguweifen 
haben, bie bereit fiub, mit Micptunioniften an Vorb eines SdjiffeS 
gu arbeiten. Das Dicfet ift bie wichtigfte VorauSfepung gur Auf¬ 
nahme eines Seemannes an Vorb eines bem Vpeberoerbanb gu* 
gehörigen Schiffes; es mup bem „Shipmaster“ übergeben werben, 
ber es erft am Enbe ber Fahrt «lieber ausfolgt. 3m gälte einer 
Defertion nun fenbet ber Vpeber baS entfpredjeub inboffirte Dicfet 
bem SRbeberoerbanb, ber einen „Record of Offences“ eingerichtet 
hat uuo Strafen biftirt. Deferteure gehen beS DicfetS gang oer- 
luftig, b. p. fie fönnen auf feinem gum Vpeberoerbanb gehörigen 
Schiffe aufgenommen werben, fo lange fie fiep nicht wieber baS 
Dicfet erworben haben; für anbere Vflicptoerlepungen fept ber Verbanb 
1—12monatlidje SuSpenfionen begw. Vetention beS Dicfets feft. 
Der SRpeberoerbanb fenbet bie Nachrichten feines „Record of Of- 
fences u an 30 3nmcperbänbe, fo bap ber beftrafte SRatrofe in 
feinem englifchen £>afen auf Arbeit au einem SeberationSfabrgeug 
redjnen fann. 3n ben lepten fiebeu 3apren follen über 10 000 
Mameu im erwähnten „Vecorb" eingetragen worben fein. Die 
Vewegung richtet fich 9W n biefeä Aftern unb bürfte faum fobalb 
aufhören, ba ja immer ein gewiffer Vrogcntfap oon fuSpenbirten 
ober bopfottirten Seeleuten für bie Agitation forgt. 

Nach bem Stampfe bt SftbmaleS. Am 30. Mooember tagte gunt 
erfteu SRale wieber nach bem großen Streif ber aus Arbeitgebern unb 
Arbeitern befteljenbe SohnffalaauSfchup ber wnltftfrfjcn Slohleuinbuftrie 
in Earbiff. Die oon beibcit Seiten gur Prüfung ber Viicper gewäblten 
Monitoren erftatteteu Vericpt über bie Einuabme ber Vkrfe int Sep¬ 
tember unb Cftobcr. 5)aS Nefultat ift, bap bie Arbeiter eine 2 l / 2 %iqc 
i'olmerhöljung erhalten. $ie 2öf)ne werben fontit um 20% höher fein, 
als itarf) bem 1879 feftgefteüten SRittelmap. 


3UbeÜerfd)u|. 

Nochmals bte Vcfdjäftigung Don Arbeiterinnen uitl jjugenblichen 
Arbeitern in 3tege(eien. Vöir geben folgeuber 3«f<prift im Snter* 
effe ber Sache Vaum: 

Die Ausführungen beS Ferrit V*. Swienh) in Ar. 5 biefer 
3eitfcf)rift bebiirfen in einigen 'fünften ber Verfügung: 

3m Vergleich mit ber älteren Verorbnnug beS VunbeSratpS 
bebeuteu bie neuen Veftimmuugeu unter Abfcpuitt I feineSwegS 
einen Mücffdjritt. Aidjt nur fiub bie Ehamottefabrifeu in ben 


^reiS ber Verorbnung einbegogen, fonbern baS Verbot beS Streichens 
ber Steine ift nunmehr aud) auf bie juaenblicpen Arbeiter auSge* 
behnt worben. Ebetifo ift baS Verbot Des DranSports geformter 
Steine anberS als auf ©eleifen ober harten Fahrbahnen für bie 
gu fchüpenbeti Arbeiterfategorieti als eine wefentlidje AnSbehnung 
oeS ArbeiterfchupeS augufehen. Die Anficpt beS §errn Swienhj, 
bap ein DranSport ohne Fahrbahn eine llnmöglichfeit fei, baS 
Verbot alfo offene Dhüreti einftope, fann ich aus ber VrafiS 
burchauS nicht beftätigen, ba mir hinreichenb 3i c 9cRieu befannt 
finb, in benen iuSbefonbere ber DrauSport getroefneter Steine oon 
ben fogenannten ©atnuten in bie Schuppen oon Frauen ohneFahrbahn 
beforgt wirb. Von einem Vücffdfritt fann bei bem erpaitfioen 
Efjarafter ber Verorbnung im Abfcpnitt I baper feine Vebe fein. 
3Rir ift niept befannt, ob unb inwieweit |>err Swientp Fadjmann 
ift, jebenfads ift fein Vhmfcp, bie Verorbnung möge baS Sieben 
oon Dpon, €anb unb Epamotte in ben Ehamottefabrifeu oerbieten, 
binficptlidj beS DponS unerfüllbar, ba fiep folcper niept fiebeu läpt, 
hiufidhtlicp ber anbereu ^Materialien überflüffia, ba bieS mafcpinell 
gefepiept. Der augeblid) niept oerftänblicpe AuSbrucf „Scpmaucp* 
ofeu" ift eine in Facpfreifen niept unbefannte Vegeicpnung ber oben 
offenen beutfepeu Defen. 

Die Veftimtnungen unter Abfd)nitt II 3ift er 2 ber Verorbnung 
Tmb oon $crrn Swienh) gänglicp falfcp aufgefapt worben. Aus 
ber ©egenüberftellung folcper 3 i e 9 *leien, welcpc „opne ftänbige 
Anlagen" (Felbgiegeleien) betrieben werben, unb folcpen, in weiten 
als ftänbige. Anlage „nur ein Cfeit" oorpauben ift, gept peroor, 
bap „ein" niept als 3äplwort fonbern als unbeftimtnter Artifel 
aufgufaffen ift unb bap ber SRacpbrucf auf nur begw. Cfen gu 
legen ift. Unter 3iffa 2 fallen bemnaep nur bie primitioen Vetriebe, 
welcpe entweber gar feine ftänbigen Anlagen, auep niefjt einmal 
einen ftänbigen Dten, ober auper einem ftänbigen Dfeit fonft feine 
ftänbigen Anlagen fg. V. Drocfenfcpuppen, Schlämmen, Dpon* 
fepneiber, mafcpiucfle Anlagen u. f. m.) befipen. Mur biefen fleinen 
Anlagen ift mit Vücffidht auf ipre fümmerlicpen ErwerbSoerpält* 
niffe eine täglidje gwölfftünbige ArbeitSgeit für Arbeiterinnen unb 
jugenblicpe ^Arbeiter bewilligt worben, wobei gu berücffidjtigen ift, 
bap in biefen Anlagen, inbetn felbft Schuppen als ftänbige An* 
lagen ber VorauSfepung nach fehlen, alle Arbeiten betnnad) oon 
ber Witterung abhängig finb, häufig ftutiben*, ja tagelang jeglidje 
Arbeit unmöglid) ift. Die burcpfipnittlicpe ArbeitSgeit wirb baper 
feinesfalls länger wäpreu, als naep ben allgemeinen Veftimmuugeu 
ber ©ewerbeoronuug guläffig ift. 

3n ber VJehrgapl ber Ziegeleien wirb jeboep neben bem Ofen 
irgenb eine ftänbige Anlage oorpauben fein, fo bap bie Vegel bie 
clfftiinbige ArbeitSgeit für junge Leute unb Arbeiterinnen fein wirb. 
Für lepterc beftepen baper, abgefepen oon ber guläffigen AuS- 
bepnung ber ArbeitSgeit an Soitnabenben über b 1 /^ Upr piitauS 
(fiepe Ziffer 3 ber Verorbnung), feine Ausnahmen mepr oon ben 
qefeplicpen Veftimmungen; bie jugenblidjen Arbeiter bürfen aller* 
bingS itocp fünf Stunoen in ber feoepe länger arbeiten, als fonft 
guläffig ift, immerhin aber 1 Stunbe weniger als früher. 

Diefe fünfftiinbige 3Reprarbeit wirb aber burch eine anbere 
SRapnapme fompenfirt, bereu Sirfuug bisper in biefen Vlältern 
noep niept gcnüqenb gewürbigt worben ift. 

Söäprenb ber Arbeitgeber bisher je nach ber Witterung bie 
ArbeitSftunben ber Arbeiterinnen unb jungen Leute beliebig unb 
täglid) wecpfelnb auf bie 3eit gwifdjeit 4 Upr 9RorgeuS unb 9 Upr 
Abeubs oertpeileu fonnte, mup berfelbe nunmehr eine nur burch 
bie Vöufen unterbrochene, gefdiloffene ArbeitSgeit, überein* 
ftiinmeub mit ben naep S 138 ber ©ewerbeorbnung ber Orts* 
poligei gemachten Angaben, einführen. Es ift fomit ben AufficptS* 
Organen für bie Dnrd)füprung ber Veftimmungen ber wichtige 
Anpalt beS VeginneS unb beS EnbeS ber ArbeitSgeit unb ber 
Vau feit gegeben, ©crabe biefer Mangel ber früheren Verorbnung, 
uämlid) bie bem Arbeitgeber geftatteten beliebigen Abweidjungen 
ooit ber regelmäßigen ArbeitSgeit, machten bie Veauffidjtigunq un* 
burtpfüprbar. Die labellen würben niept gefiiprt unb waprpeits* 
gemäße Angaben ber gefcpiipten Arbeüerfategorien waren eine 
Seltenheit. Eine Äontrole ber Angaben war niept möglich 

Macpbem aber nuumepr bie 3*cgeleien in biefer .giuxficpt allen 
auberen Vetricben gleid)gcfteflt finb, wirb bie Ä’ontrole unb batnit 
bie Herbeiführung georbneter ArbeitSguftänbe auf ben Ziegeleien, 
wenn bie ©emerbeanffieptsbeamten burep bie ^ol^eibepörbeu nur 
einigermaßen unterftiipt werben, burcpfüprbar. 

3 fh glnubc, bap bie Elcwerbeaufficptsbcamten biefe wefentlicpe 
Verbefferung ber Verorbnung beffer gu fcpäpeu wiffen werben, als 
V)err Swieitti), beffeu abfprecpcnbes ilrtpeil auep pinfidjtlicp beS 
AbfdjuiitS II ber Verorbnung ein nid)t geuügenb begriiubetes ift, 



257 


Sogiale ArajiS. ©entralblatt für Sojtalpolitif. Sir. 10. 


258 


feineSfaEs begrünbet itt bern Sinne, baß bic Berorbnung begeidjnenb 
fei für ben EnrS, ben bie amtliche Sogialpolitif heute fteuert. 

©twaS AnbereS ift es, wenn es als wünfcbenSwerth begeidhnet 
wirb, bie neuen Beftimmungen mosten ben Uebergang bagu büoen, 
bie 3iegeleien ^infid^tlid^ ber ArbeitSgeit zc. gänglid) ben anberen 
gabrifen gleidjgufteEen, auch üielleid^t eine Begrengung ber ArbeüS* 
jeit ermachfener männlicher Arbeiter oorgunehmen. Bielen 3iegeleien 
ift es jeßtfchon möglich, unabhängig non ber ^Bitterung gu arbeiten. 
$>ie bagu erforberlidjen ©inrichtungen (ArbettSfdjuppen) fonnen 
aber non ben noch rüdftänbigen 3^geleien offne aEgu brücfenbe 
Belaftnng in einer UebergangSgeit getroffen werben. $>a für bie 
golae aber tnenigftenS eine feft geregelte Arbeitszeit eingefüßrt 
tnerben muß, toie id) oben auSeinanberfeßte, fo ift ber weitere 
<5cf)ritt, biefe auf baS allgemeine gefefelid&e ERaß gurücfguführen, 
nicht mehr fdjmer. 

Berlin. ga ege r, ©emerberatß. 


§d)ttgmaf?nahmen für Arbeiter iw SbomaSfdjlatfenraüblen. Am 

2. $)egember befaßte fiep im BeidjSamt beS gnnern eine aus Ber« 
tretern ber Regierung, ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter gufammen* 
gefegte Eonfereng mit ber Befdjäftigung ber Arbeiter in £f)omaS* 
fdt)la(fenmüf)len, beren ©efunbheitsfchäblühfeit in golge ber ftarfen 
©ntmicfelung beS feinen SchlacfenftaubeS befonbere Sißußöor* 
rid)tuiigen auf ©runb ber §§. 120e unb 139a ber ©eraerbeorbnung 
geboten erfdjeinen lägt. 

Arbeiterfrau im Baugewerbe tu Bauern« 3um Schüße ber 
Arbeiter bei Neubauten hat ber SRagiftrat ber baperifdjen Stabt 
gürtß eine ortSpoligeilidie Borfdjrift erlaffen, wonach ber Bau* 
leiter ober roenn ein folcßer nid^t oorhanben ift, ber Bauherr bei 
jebem Neubau einen Arbeiter ober polier beni Sftagifirat namhaft 
*u mact)en bat, beut bie Beantwortung für bie gunehaltung ber 
BauoorfTriften übertragen worben ift. — $>a£ BegirfSamt in 
EaiferSlautern (Bheinpfalg) batte in golge ber jüngften Bau* 
einftürge an bie Stabtoerwaltung bie Aufforberung gerietet, eine 
ftäbtifepe Baufontrole einguführen. S)er Stabtratß bat baraufbin 
befcbloffeit, oom nächften grühjaßre an einen tüchtigen polier an* 
gufteEen, ber bie Bauftellen gu begeben unb gu überwachen bat. 
$)ie Soften ber Uebermad)ung bat ber Bauherr gu tragen. 

gutentationaler Arbeiierfdjuß; Antrag int öftemuhifAett Ab« 
aeorbitefenljattfe. $)ic fogialbemofratifchen Abgeorbneten haben eine 
Interpellation eingebracht, bie bei ber Regierung anfragt, ob fie 
gewillt fei, eoentuell einen neuen Berfud) beS Schweiger BunbeS* 
ratbeS, eine internationale Arbeiterfd)ußfonfereng einguberufen, tbat* 
fräftig gu unterftüßen ober falls ein foldjer Berfud) oon Seite ber 
Schweig nicht erfolgt, felbft bie Snitiatioe gu ergreifen unb auf 
bie £ageSorbnung einer fold)en Eonfereng bie Befcplüffe beS Snter* 
nationalen 3ü rc h*r ArbeiterfdjußfongreffeS oom gaßre 1897 (ogl. 
„SogialeBrajiS" Sabrg.YISp. 1213) gu fteHen unb oor AEern auf 
bie internationale gefeßlicße geftlegung ber Acbtftunbenfcbicbt für 
Bergarbeiter unb eines entfpreebenben ERajimalarbeitStageS für alle 
Arbeiter ber gnbuftrie, beS §anbels unb beS £rauSportS gu 
bringen? — gn ber Begriinbung ber gnterpeEation beißt eS: 

lieber bie Aott)menbigfeit intentationaler 2lrbeiterfcf)uggefcge bat 
ließ nicht nur längft bic flaffenberoußte Arbeiterjcßaft aller Sauber flar 
geäußert, fonbern auch bie Scanner ber SBiffcnfcßaft laßen bariiber 
leinen Zweifel, unb felbft intelligente llntemebmer geben fte gu. 

€>4ttfcgefe1? für ^anbfungSgebüffen im Danton 3ürid). Auf 
mehrfache Anregung ber faufutänntfeben Bereine bes Kantons 
3üricb bat ber EantonSratß eine Eommiffion eingefegt, bie ein 
Scßußgejeß für fjanblungSgeßülfen ausarbeiten foE. $>er nun 
unlängft erfcßienenc Entwurf fiebt eine elfftünbige ArbeitSgeit 
als Btajimalgrenge für baS Berfonal ber Eaufläben unb s Dto* 
gagine oor. gür bas Burcauperfonal ber faufmännifeben Betriebe 
wirb eine ERayimalarbeitSzeit oon 60 Stunben in ber SBodje oor* 
gefcblagen. gerner ift oouftänbige Sonntagsruhe für alle Betriebe 
borgefeben, jebod) foE ben eingelnen ©etneinbebehörben baS Becht 
gufteben, befonbere Borfcßriften in biefer gnnfiebt gu erlaffen, gür 
ßebrlinge wirb eine B^obegeit oon 14 Sagen feftgefefct; ber Sehr* 
berr wirb oerpflicgtet, bem Sebrling täglid) 4 Stunben im BiagH* 
mum 3 e *t gum Befucße einer faufntänniicben gortbilbung£f(f)ule gu 
gewähren. S>er Unterricht in biefen Schulen ift unentgeltlid). gür 
bie Safpeftion ber |)anbelsbetriebe wirb eine Hommiffion eingefegt. 

Mehrere faufmämtifdje Bereine bes Kantons haben nun an ben 
Batb eine Eingabe gerichtet, in weld)er fie bie geftfegurtg ber elf* 
ftünbigen s DtagimalarbeitSgeit für Sabengefdjäfte begrüßen, jebo^i 
barauf biaweifen, baß eine berartige Maßregel ben größten Sßeil 
ihrer BMrfung oerlieren werbe, wenn nicht gleicßgeitig ein einbeit* 
lieber Sabenf^luß feftgefeßt wirb. Sie forbern bie geftfeßung 


eines folgen für 8 Uhr AbenbS. gerner foE bie Arbeit in ben 
£abengcf<bäften auf bie 3?it oon 6 Uhr BiorgenS bis 8 Uhr Abenbs 

a ränft werben, ©nergifcb wenbet ft<h Die ©iitgabe gegen bie 
fichtigte geftfeßung etneS gebnftünbigen BZa^imalarbeitStageS 
für Äomptoire; barin fiebt fie einen Bücffcbritt gegenüber ben 
jegigen 3aftänben fotoobl, als auch gegenüber einem im Borjabre 
oon einem BegierungSratb auf Beranlaffung ber Äantonbebörbe 
auSgearbeiteten ©ntmurf. Sie oeclangt bie Befchränfung ber Ar* 
beitSgeit in ^omptoiren auf wöchentlich höchstens 54 Stunben. Be* 
güglich ber Sonntagsruhe oerlangt bie ©ingabe baS einheitliche 
Berbot jeber Sonntagsarbeit im |>anbelSgewerbe für ben gangen 
Danton. Bei ber ©emäbrung freier 3 ci t für ßebrlinge wirb 
Streichung ber SBorte „im Sftajimum" oerlangt; ferner wirb bie 
AuSbebnung ber Unentgeltlicbfeit auf Lehrmittel unb Scbulmaterial 
geforbert. 

Sdlnß beS ArbeitSfontrafteS gegen Auflöfung bureß milttörifche 
Hebungen in granfreicb. S)ie ®eputirten!ammer bat einen ©efeß* 
entwurf genehmigt, ber bem Unternehmer oerbietet, bie ©inbentfung 
beS Arbeiters ober AngefteEten gu Beferoenbungen als ©ntlajfnugS* 
grunb gu betrachten. Bei bereits gefünbigten Arbeitsoerbältniffen 
barf bie Sauer ber Uebung nicht in bie ÄiinbignngSfrift eingcredjnet 
werben. Scbe Berleßung biefer Beftimmungen giebt bem Arbeit* 
nebmer ein Becßt auf ©ntfebäbiaung bis gur $öfie eines gwei* 
monatlichen BerbienfteS für bie AngefteEten unb etneS einmonat* 
liehen für bie Arbeiter. Bewerft mag werben, baß bie Beferoiften 
unb ßanbwebrleute gu Hebungen oon 28 unb 13 Sagen eingegogen 
werben. 


3Ctbcitctoerfldjeraug. öparha)7cn. 

Sie freiwillige AlterSoerforgung ber Arbeiter burdj bie Arbeit* 
aeber in granfreidj. SaS fraugöfifche Arbeitsbureau bat für bas 
Sabr 1896 eine eingebenbe Unterfucbung begüglich ber Alters* 
oerforaung, welcßc in granfreich oon ben Arbeitgebern freimütig 
für ipre Arbeiter eingerichtet worben, eihgeleitet unb ihre ©r* 
gebniffc nunmehr gur Beröffenttidjung gebracht. Befcßränft war 
bie Unterfucbung einerfeiis auf biejeniaen gewerblichen ©tabliffe* 
ments, welche ber Aufficßt beS gabrifinfpeftors nnterftanben, unb 
anberfeits auf biejenigcti BerforgungSeinridjtungen, welche Icbiglicß 
oon bem Arbeitgeber ins Leben gerufen, fomie burd) ihn in ihren 
©inrid)tungen beftimmt unb geleitet waren, fo baß alfo wohl* 
tbätige Bereine unb ©efcEfcßaften unb bergleidjen nicht mit in 
Betracht gegogen würben. Nebenher ift übrigens aud) noch ber 
Bergbau unb baS SranSportgemerbe, fowie bic Arbeiterfchaft in 
ben ftaatlichen Betrieben unb in gewiffen Eiaffen oon anberen 
öffentlichen Betrieben berüeffiegtigt worben. Sie Unterfud)ung hat 
in ihrem ©nbrefultat ergeben, baß oon einer gefammten Arbeiter* 
fdjaft gu 2 673 314 Eöpfen, welche im gahre 1896 in 296 797 ge* 
werblichen ©tabliffements befchäftigt würben, 115 896 ober 4,35 o / 0 
befchäftigt in 229 ©tabliffements, fid) einer AlterSoerforgung, welche 
in ber bewährten Söeife freiwiEig oon ben Arbeitgebern eingerichtet 
war, gu erfreuen hatten. Bon biefer oerforgten Arbeiterfdjaft ent* 
faEen 17 240 auf bie ftaatlichen Sabaf* unb 3^ n bgolgfabri#en, für 
bereu AlterSoerforgung ber Staat oermittelft bes National*Alters* 
oerforgungsfonbs eintritt; läßt man biefe Arbeiter außer Betracht, 
fo oerbleioen aus lebiglich prioaten ©tabliffements noch 98 656 
beiter oon inSgefammt 2 656 074 ober 3,71 OL oerforgt. S)ie Berg* 
merfsarbeiter unb bie Seeleute, beren 3«ht U<h c troa auf 166 000 
begm. 120 000 beläüft, finb bnrehweg beftimmungSgemäß gu irgenb 
welchen AlterSoerforgungSanftalten berechtigt unb auf biefe 2Beife 
ooE gefiebert. Bon ben Befdjäftigten ber hauptfäd)lichftcn ©ifen* 
bahnen cinfcßließlich ber Staatseifenbahnen, ber Straßenbahnen, 
ber DmnibuSgcfeEfchaften unb anberer SranSportunternehmungen 
haben 196 000 ber oerfchübenften ©rabe unb SteEungen eme 
AlterSoerforgung auf ©runb einer freiwiEig geraffenen ©inrich s 
tung ber betreffenben Unternehmungen gu beanfpruchen. S)er Staat 
unb anbere öffentliche BermaltungSförper haben für etwa 42 000 
Straßenarbeiter zc. eine AlterSoerforgung gefchaffen unb ebenfo finb 
ungefähr 20 000 Arbeiter, wcldje in ben unter bem EriegSminifterium 
ftehenben ftaatlichen ©tabliffements befchäftigt werben, begüglich 
ihres Alters gefiebert, gietjt man nun aEe biefe eingelnen 3 roetgc 
gufammen, fo fommt man gu bem ©efammtfdjlnß, baß in granf* 
reich oon inSgefammt etwa 3 900 000 Lohnarbeitern ber gewerb* 
ließen ©tabliffements zc. etwa 660 000 ober hächfteitS 17®/ 0 burd) 
©inrichtungen, welche ans eigener güitiatioe burd) ben Arbeitgeber 
begw. ben Staat ins Leben' gerufen finb, begüglich iljres Alters 
fichergefteEt werben. 



259 


Sogtole $ragig. Eentralblatt für Sogtatpoltttf. 9^r. 10. 


260 


Atbett$tta<i)it)ete. 

Arbeitsnachweis ber ^atriotifdjen ©efeflfdjaft In Hamburg* 

Die höh^e Stuffaffung oon bctn Bkfen bcr ArbeitSoermittelung, 
baß fie bcr Sphäre beS BtadfjtftreiteS gwifdfjeu Arbeitgebern unb 
Arbeitnehmern möglichft 31 t entriicfcn uitb als eine Angelegenheit 
öffentlichen gntereffeS gu behanbeln fei, wie fic bcr im gebruar 1898 
in Berlin gegründete Berbanb beutfdjer Arbeitsnachweis oertritt, 
ift im Süben unb Bkften Deutfd£)lanbS bereits allgemein geroorben, 
mährenb üßorbbeutfcf)tanb bisher nur oereingelte 5Da|en biefeS fokalen 
©eifieS aufmeift. Das gahrbud) 1898 ber Homburgifchen ©efeH* 
fchaft gur Beförberung ber fünfte unb mißlichen ©ewerbe gemährt 
uns einen Einblitf in baS rührige Söirfen auf einer folgen 5Dafe, 
nämlich ber ßeiter beS Arbeitsnachweis ber Batriotifd£>en ©efell* 
fdfjaft. Der Bericht beS SfommiffarS Stath Dr. Naumann mit 
feinen Beilagen ift beShalb fo lehrreich, weil er beutlich bie 
Schwierigfeiten erfennen läßt, bie ber Eentralifirung ber ArbeitS* 
oermittelung einer ©roßftabt entgegenftehen, unb gewiffermaßen 
eine Anleitung gum Ausbau folcher gemeinnüfcigen Einrichtungen ift. 

Der ^atriotifchen ©efeHfdßaft gelang gunäcfjfi bie AuSbehnung 
beS Arbeitsnachweis für ©etegenheitSarbeiter (Arbeiter ohne 
befonbere Borbübung für ben ArbeitSgweig, morin fie auf Stunden 
ober Dage fidf) befchäftigen laffen), ben fie auf Anregung beS 
(Senates übernommen hotten. Berfdjiebene große Bermaltnngen 
unb größere Greife oon Arbeitgebern entnehmen i|re ©eleaenheits* 
arbeiter ausfdiließlich bem Nachweis, barunter bie houiburgifche 
Baubeputation (b. i. baS ftaatliche Departement für Baumefen). 
Diefe benachrichtigt ben Arbeitsnachweis auch jebeSmal, wenn 
gröbere Sauarbeiten fontraftlich an einen Unternehmer übertragen 
roorben finb, unb betraut ihn mit ber Ausgabe ber harten gu 
ben oon ber Straßenreinigung gu beforgenben Schnee* unb Eis* 
arbeiten, SSeitcr mürbe ein Unternehmer oeranlaßt, mit zahlreichen 
HouSbefifcern einen Bertrag abgufdjjließen, moburch ihm bie oor* 
gefchriebenen Schnee* unb Eisarbeiten oor ben Käufern übertragen 
mürben. Der Unternehmer mar oerpflichtet, Arbeiter Iebiglich aus 
bem SRadfjweiSbureau bei einem SJünbeftlohn gu begiehen. 

gür bie AuSbehnung beS $a<f)meifes auf bie gelernten 

S afenarb eiter — Schauerleute, Emerführer, Spei cp er arbeiter, 
djjiffSreiniger, Baggerer u. A. — ergaben fidf) als Anforberungen: 
1 . bie fachliche unb womöglich räumliche Trennung oon ben ©e* 
legenheitSarbeitern, fchon um bie 9)tögiicf)feit eines £ohnbrucfeS gu 
oermeiben; 2 . bie berufsmäßige Sonderung innerhalb ber Hofen* 
arbeiter, barnit jeher Arbeitgeber in feinem Sache erfahrene Seute 
befommt; 3. bie räumliche Decentralifirung. Berliefe oon ber Be* 
fteHung bis gum Eintreffen ber Arbeiter gu oiel 3 C ^/ fo überwöge 
ber baburch entfteljenbe Berluft alle Bortheile. Der periobifaje 
Bebarf an Arbeitern, wie es ber SchiffSoerfehr mit ftch bringt, 
hat bie Arbeitgeber oeranlaßt, folchen Arbeitern, bie bei ihnen gu 
bciberfeitiger ^ufriebenheit tljätig gemefen finb, harten gu geben; 
auf beiberfeitigen Bhtnßh werben bie anmefenben Äartenleute beS 
BeftellerS gunächft berücffichtigt. 

An bie Abtheiluna für ben lanbmirthfdf)aftlichen $adf)* 
roeis, beffen ßeitung äenfaüs einer fachfunbigen ^ßerfon unterfteHt 
werben foll, fnüpft fi(h ber roirthfchaftlich unb fogiatpolitifch hoch 
bebeutfame interlofale Ausbau, beffen Aufgabe bie Entfaftung 
beS überfüllten ArbeitSmarfteS unb bie 3 ur ücfführung ber 
iiberfchüffigen für bie ßanbarbeit geeigneten Kräfte auf 
bas &anb i)t. Eine Berbinbung mit ben Homburgifchen £anb* 
herrenfdfjaften unb ben fianbrathsämtern ber Greife Stormam, 
^ergogthum ßaueitbnrg, Sßinneberg, gorf, Harburg, 2öin* 
fen a. 2. unb fiüneburg ift angefnüpft unb ein Beirath prafti* 
fdfjer ßanbmirthe gugegogen. Der Berein ber gabrif* unb £anb* 
arbeiter Hamburgs, oon beffen 1500 Btitgliebern gahlreidf)e gur 
lanbroirthfchaftlichen Dhätigfeii fähig unb bereit fein foften, hot bie 
Hülfe bes üRachmeifeS erbeten. i)ht ben Verbergen gur ^>eimath 
finb Segiehungen eingeleitet. 

Vertreter ber Arbeitnehmer wie ber Arbeiter follen 
an ber Leitung beS ArbeitSnachmeifeS betheiligt werben, obliga* 
torifch ift biefe Setheiügung bei ber Abtheilung für gelernte £>afen* 
arbeiter gebacht. Die iloften für bie SSarteräume werben burdf) 
eine SSerbmbung mit ben beftehenben ,,£affcehallen", foweit fie eine 
geeignete £age hoben, erheblich oenninbert. ©eforbert wirb baS 
Serbot, Arbeiter auf ber Straße unb in StHrtßfchaften angunehmen. 
Die Soften eines folchen umfaffenben ArbeitSnachmeifeS werben auf 
jährlich 40 000 < // berechnet, bie fid) bnrd) bie Erfparniffe ber 
Arbeiter an ben oft wuctjerifcf)en SermittelungSgcbiihren, bie jeber* 
Zeit flare ileberfid)t über ben Arbeitsmarft, 9Jhnberung ber SRadj* 
frage, Entlaftung ber Armenpflege unb einiger Sehörben unb bie 


Dienfte für bie Statifti! nach Anfnht ber ©efeüfcßoft reichlich begahlt 
machen; ja fie benft fd)on an AuSgahlung beS CohneS burch ben 
Arbeitsnachweis, wie fie für bie homburgifchen Seeleute fchon jefct 
bem Seemannsamt übertragen ift. 

Die Entwicklung bes ArbeitSnachmeifeS gu ber geplanten £>öhe 
würbe burdt) ben großen §afenarbeiterftreif unterbrochen. Die 
Arbeitgeber in Hamburg fteuten fidf) feßroff auf ben Stanbpunft, 
baß bie Vergebung ber Arbeit allein Sad)e ber Unternehmer fei, 
unb baß fie fidf) babei weber oon ben Arbeitern, nodj oon ben 
ftaatlidfjen Sehörben ober gemeinnützigen ©efeUf(haften h^inreben 
taffen wollten. Ein eigener Arbeitsnachweis ber $amburg*Amerifa* 
fiinie unb ein ^euerbureau bes 9 f th e beroereinS für Seeleute würben 
eingerichtet unb ber Arbeitgeberoerbanb hot ftdj baran gemacht, für 
bie eingetnen ©ruppen oon Hafenarbeitern eigene Sßadf)meife gu er* 
öffnen. 3o einem Ergebniß gefommen ift bereits außer bem herein 
Hamburger 9 f th^^ er noch btt herein ber Stauer oon Hamburg* 
Altona. Der Arbeitgeberoerbanb lehnte fogar bie löetheiligung an 
einer nach gleichen ©runbfäfcen eingerichteten Statiftif ab. Daburdf) 
ift bie alte 3erfplitterunp auf bem ©ebiete beS ArbeitSnachmeifeS 
in Homburg aufrecht erhalten, baS DhätigfeitSgebiet ber $atrioti- 
fdf)en ©efeHjcbaft in ber Houptfoche leiber auf bie ©elegenljeitS* 
arbeiter unb bie länblichen Arbeiter befchränft. Senat unb Bürger* 
fchaft haben bie Mittel (11 000 r /fi. jährlich) gur Aufrechterhaltung 
bes $a<hmeifes in bem begrengteren Umfange auf mehrere gafjre 
etatSmäßig gewährt. _ 


Organifatiott beS ArbeitSmarfteS in Belgien. Der fogialiftifche 
Abgeoronete H cc ^or Denis, ^rofeffor ber Siationalöfonomie an ber 
Srüffeler Unioerfität, hotte ber 9tepräfentanten!ammer einen ©efefc 
entwurf unterbreitet, welcher bie Drganifation ber Nachfrage unb 
beS Angebots oon Arbeit burdf) ben Staat anftrebte. Die oer* 
einigten Seftionen ber Kammer hoben nunmehr biefen ©efefc* 
entwurf abgelehnt, mit ber Begriinbung, baß bie Errichtung oon 
Drganifationen gu biefem 3 mecfe ber Sßrioatinitiatioe überlaffen 
werben müffe, welche freilich bann 00 m Staate ermutigt werben 
ntüffe. _ 


KohJfrtljrtetlnridjhtugea. 

Arbeiterfürforge bei ben prenßif^en StaatSbahnen. Die 

preußifche Staatsbahnoerwaltung hot für bie nicht bloß oorüber* 
gehenb befdjäftigten Arbeiter eine befonbere ^affenabtheilung ein* 
gerichtet, bie 3 uf(hüffe gu ben Snoalibenrenten unb SBittwen* unb 
feaifengelb an bie Hinterbliebenen ber Arbeiter nach & crci1 fünf* 
jähriger 3 ngehöriafeit gur Äaffe gewährt. S^ad^ ben 3 nfommen* 
ftellungen beS ©eheimen 9legierungSrateS Hoff m ber „Leitung beS 
BereinS Deutfcher Eifenbahnoerwaltungen" waren baran am 
Schluffe bes Sohnes 1898 oon ben runb 219 000 Arbeitern 
150 000 betheiligt. 1897 finb in nahegu 900 gälten beS Eintritts 
ber Erwerbsunfähigfeit folcher §Rentengufdf)üffe unb in nahegu 
1000 gäHen BHttmen* unb SBaifengetoer neu gewährt worben. 
Daneben fmb aus bereiten Mitteln Unterftüfcunaen gewährt. Am 
Schluffe beS QahreS 1897 begogen 4113 inoalioe Arbeiter Snoa* 
libenrente unb oon ihnen 2792 außerbem einen Bentengufchuß, 
ferner 4677 SBittwen oerftorbener 5faffenmitalieber SBittwengelber 
unb 5473 SSaifen 3öaifengelber. Die 3afd Altersrenten* 
empfänger betrug 2926. 3ur felben 3eit hotten oon ben 21 Eifen* 
bahnbetriebsfaffen 18 bie Sranfenfürforge auf 20 bis 40 Söocben 
unb 17 — ober runb 80% — baS £ranfengelb auf % oeS 
ArbeitSoerbienfteS feftgefeßt, waren atfo über bie im Ärantenoer* 
ficherungSgefefc oorgef^riebenen Btinbeftleiftungen hinouSgegangen. 
Die Angehörigen finb meift in biefe gürforge oöflig mit einbe* 
griffen, auch begüglich beS Sterbegelbes. Die Aufmenbungen ber 
Waffen bei Erfranfung ober Ableben oon Angehörigen meroen für 
1897 auf 1 300 000,/# berechnet. Berfügbare Mittel würben 
egen 3 bis 3, 5 % 3mS, gumeift ohne 9Jtünbelfi<herheit, als Bau* 
arlehen an Baugenoffenfcbaften oon Eifenbahnbeamten unb *Arbei* 
tern — bis Eitbe 1898 über 4 000 000 , # — gegeben. Bon fo 
bebauten ©enoffenfehaften finb bereits 233 Sßohnhäufer erbaut, 
49 im Bau begriffen unb 41 geplant mit im ©angen 1491 28oh s 
nungen. Die StaatSoerwaltung hot bie Unfall* unb Hofipflid^t* 
entf^äbigung allein getragen, 1897 gufammen runb 3 683 000 Jfi, 
gu ben tfranfenfaffen holb fo oiel, nämlich 1897 einfdjließlic!) 
SBöchnerinnenunterftüßung, Sterbegelb u. f. w. 5 500 000 Ji, unb 
ju ber ^enrionsfaffe eben fo oiel als bie taffenmitglieber beige* 
fteuert, nämlich über 2 000 000 ^ gür jeben ber 1 740 706 
^ranfheitstage ber Bthgtieber ber Eifenbahnbetriebsfranfenfaffen 
im gahre 1897 h°t baS Äranfengelb bur<hfdf)nittlich l, 4 i M. be* 



261 


<SojiaIe Sraji«. GentralBIatt für ©ojialpolittf. Kr. 10. 


*262 


tragen« Ser Sergleid) mit bem igahre 1891 lägt eine erhebliche 
©texgeruitg bei* 3uroenbungen er f cnnen - c j ne TO eitere Steigerung 
ift 3 U enoarten unb für ba« $ranfengelb 311 münfd)en. Srnmerhiit 
ift bie Selaftung be« Hu«gabefonb« ber ©taat«bahnen burdh bie 
9So§lfaf)rt8einri(§tungcrt für bie Hrbeiterfchaft red^t erheblich, fie 
betrug 1897 runb 9 100 000 dt ober 40 di. für jeben ber burch* 
febnittlirf) täglich befdhäftigten Arbeiter ohne bie Soften ber Ke<h* 
innig«* unb Äaffenfüt;rungen bei ben Soblfaf;rt£einrid)tungen. 


ttetjttuttg&tiereit. 

San« nnb Spartetrine in $atnftnrg »*b Hingegen*. Stau fd) reibt 
nrt«: Sa« erfte ©euoffenfd)aft«f)au« in S$aub«bcE ift Anfang Ko« 
uember bejogen unb bietet aegt gamüten Sehnungen ooit je brei 
3ixnmcrn mit Äiidje, Heller, Sobeu unb ©artenplap (oon 30 qm) für 
240—250 Jt SJäetbe je nadfj ber ©röpe ber SSobmmg, bie jroifdjen 63 
unb 67 qm fdjmanft. Sa jur gemcinfamen Semipung noch Groden» 
hoben, 2£afchfüd)e unb Sabeftube 31 er Verfügung fte^t, muß ber Släetbe* 
preis? billig genannt merben, mährenb gleicgiuo^l feine relatioe £>öbe 
beioeift, bap aud) in 3Baitb«bef bie SKänner, meiere bie ©enoffen)tfjaft 
begrünbet paben, niept $u ben armen Seuten ju jäfjlen finb. Ser 
unaepft in Hu«fupt genommene Sau auf einem 3000 qm groben Sßlap 
oü aud) Sohnungen mit groei 3inmtem enthalten. 

Ser Spar« unb Sauoerein Hltona, eine feit mehreren gapren 
febr tpätige Eenoffeufcpaft, mirb im näcpften Sommer roieber 64 SBop* 
nungen, oon beneu jmei drittel nur jioei 3 iwmer unb Äiicpc enthalten 
füllen, ben Sätglicberu anbieten unb für bie Sliitber einen 1000 qm 
großen 8 pielplap cim*ichten. 

Ser 00 m Sau« unb ©paroerein Hamburg ausgefepriebene 2Bett* 
beioerb 31 m Erlangung oon planen für Scbauung eines? Örunbftüd« 
im Stabttbeil Eimsbüttel mit Hrbeitert)äufem ift oon 15 Hrcpitcften 
bcfdjicft rnorben, bereit Entmiirfe 51111 t Speil auch bie Seachtung oon 
Saugcnoffenfd)aften anberer ©ropftäbte oerbienen. Sa« mit bem erften 
greife gefrönte Sßrojeft geftattet bie Einrichtung oon 108 S$ohmingcn, 
ba bie öruppirung ber Käufer in £mfetjemorm, mit ber offenen ©eite 
bei* ©trage jugefehrt, ben HiiSbau bei* glügel ju oier (6 cf cf) offen ge« j 
ftattet, ma« na<p bem SaupoIi 3 eigefep nidjt erlaubt ift, loenit bie glügel* I 
bauten an ber ber ©trage abgefebrten ©eite be« Wrunbftiicf« liegen, j 
Ser Säetpcpret« foll 5 M für 1 qm Sobenfläche ber Wohnungen nicht j 
überfteigen, fo bap (Sin« 3 immcr«SBof)uungen (mit Miidje, SSaffcrflofet, 
Sorplap unb geuerung«gclap) 180—200 M foften merben, 3mei*3immer* 
SBopnungen burdjfdjuittlicp 250 M unb folcpe oon brei gintmem 300 Jt 

3ur StohnnttgSnatb in Eharfottenlmrg äupert fiep bie „Saugern.* 
3tg." in einem Hrtifel toie folgt: Eparlottenburg ift in rapibem Hn* 
machien begriffen unb pat wegen ber oieleit geioerblichen Anlagen 
bauptfächlich 811311 g oon Arbeitern. Sie Sauftellen ftnb fo tbeuer ge« 
toorben, bap barauf Heine SSopnungen überhaupt nicht mehr gebaut 
loerben fönneu, unb es? pat notorisch bie Erbauung oon Raufern mit 
Heineren 2Bol)nungen fchon längft aufgehört. £>ier 3 u fommt, bap ber 
3 ino für .£>t)potf)cfeu erheblich in bie £>öpc gegangen ift unb #t)po* 
thefen überhaupt nicht mehr fo leidjt toie nod) oor smei fahren 31 t 
haben finb. Saburd) mirb ba« Sauen natürlich fehr erfdiroert. Sas? 
©teigen ber Sauftellenpreifc mirb ()a«ptfächlicli barauf 3 uriicfgeführt, 
bap oon ben mehr als 2000 §eftar Eefammtareal El)arIottcnburg« 
nur ettoa ber britte &heil fanalifirt ift, unb 100 nicht faitaüfirt unb 
entmäffert ift, barf nicht gebaut merben. Aufgabe ber ©tabtocrmaltung 
GliarlottenburgS joirb e§ bemnach fein, balbigft neue ©tragcit 3 üge für 
bie Scbauung baburdj 3 U erfchlicpen, bap für bie (£ntmäfferung ber« 
jenigen ©tragcnanlagen geforgt mirb, mel^e an bie $fanalifation nod) 
nicht angcfrfiloffen finb. 

@«hlafP*Scnweffii unterfud)t Dr. (Jmft Galjn in einer füglich 
al§ 28. ©tiid ber Siiiuchner Solfem. ©tubien erfchienenett ©djrift mit 
bem Sitel ^Sa§ ©dilafftellenmefen in ben beutfehen Oiropftäbten unb 
feine Keforrn mit bcfotiberer Scrüdfichtigung ber ©labt Kiiindjen".*) 
Ser Serfaffcr cntmidclt bie Cuellen bcö heutigen ©djlafftcüeumcfeno, 
fudjt an 2 gpen beffeu gegenmärtigen ©tanb unb feine folgen bai* 3 u« 
legen unb bcfprid)t bie gefeggeberiiebett unb bie pofitioeu Kiaguahincn, 
bie 311 feiner Sefferung in Sentichlanb, Oirogbritaunieit, Tvranfveid) unb 
Safel ergriffen roorben futb. Sic eigene (Snquctc belicht fid) auf bie 
Serbältni|ic in SHiuchen. Kn ben finanjiellen drgebniffen bei* englifchcit 
Model lodfing houseb**) 3 cigt ber Serfaffer, bag es? felbft bei ben theuren 
Sobenprcifeti ber großen euglifdjen ©täbte möglid) ift, bei bei* latibc£« 
üblidteit Serbin fang be? Knlage«ÄiapitaIs? ben alleinftehenben Knge« 
hörigen ber ärmeren Solfyflaffen eine annehmbare SJohnftätte 3 u einem 
ihren CJinfommcnooerhältuiffeu entfprechenbeu greife 311 bieten. ®ie 
tn (Snglanb mögen ©taat unb ©tabt e* auch in Seutfdjlanb nicht ab« 
lehnen, ihre gemaltigcu Siadjtinittel für foldje 3 ^ f de in bie SBaafchale | 
5 U merfen, menu bie ^rioatinitiatioe 31 t gering ift unb Kothftänoc ein | 
Eingreifen erheifd)en. Unb Kothftänbe finb in erfdjrecfenbem 9)?age i 
oorhanben, bao scigen bie cingcftreutcn ©chilberutigen ber ©djlafftellcn I 
bei ben Krbcitgebern mie Sermiethern. Sen Kuhang bilbet eine ctma* | 


*) Serlag ber ffi. Eottafchen Suchhanbluug Kadif., Stuttgart. | 

**) Kls? Kulage ift bie Silan 3 oon Model Loifging Houses Parker- 1 
Street-Drury-Lano für 1895/96 mitgetheilt. I 


rciihlid) fui^e Serüdfidjtiaung bei* Kfplc für Ebbadjlofe uub oermaubter 
Knftalten in Seutfdhlaub unb Olrogbritaunien. KI« HRufter für bie 
Wcfcpgebung ift ber Entmurf eine« 28ohnuitg«gefepe« für ben Manton 
Safelftabt mitgetheilt, mie er bcm Olrogen 9iath am 8 . September 1897 
oorgelegt muroe.__ 


Sojink jQt)glene. 

Sie Serliner Kettungdgefettfihaft (Sorfipenber ^Srofeffor E. o. Serg« 
mann) hat über ihr erfte« KrbeitSjahr berichtet. Sana^ hatte fie fid) 
bie Hufgabe gefteflt, äße gtopen in Serliti beftehenben ®o«pitäIer, roelche 
ber ©taat, bie ©tabt unb bie firdhlicheu Oienoffenfchaften erhalten, in 
Se 3 ug auf erfte fmlfeleiftung unb Unterbringung ber ihnen 3 ugchenben 
Äranfen 31 t einigen, nach Sebarf Kettungöroacheu 3 ur nothmenbigen 
erften $ülfe. 3 U gemähren, mit Setiupung ber beftehenben guhrgefchäfte 
ben ftraufentrandport 3 U orbnen uub an unbemittelte Mraitfe unb Ser« 
unglüefte bie erfte .§ülfe unb ben Sran«port unentgeltlich 31 t gemähren. 
Siefe Hufgabe hat fie fdjon 3 iemlid) gelöft. Sie Eeutrale ber Öefeü« 
fchaft, bie bei ber lür 3 lid)en Hus?fteöung be« Kothen $reu 3 e« ben 00 m 
Äönig oon ©achten geftifteten Ehreitpret« erhalten hat, oermittelt burd) 
eigene Srähte bie Serbinbung mit ben Orantenhäufern unb ben guhr« 
gefchäfteu. ^eben borgen unb jeben Hbenb mirb fie oon ben .ftofpitälern 
über bie 3 Q hl ber freien Setten für 2J?änner, grauen unb Äinber, fomie 
anftedenbe ih*an!eitcn unterridjtet. geber Hqt unb jeber ilranfe fanu 
fo bei Sag unb Kacht erfahren, melche« ^»ofpital noch freie Setten hat, 
mo ber nädjfte Hr 3 t, ©eburtöhdfer ober Ehirurg mol)nt, u. f. m. noch 
nicht oerfloffenen erften gahre ift fie runb 10 000 SWal in Hnfprud) ge« 
nommen, am 20 . Cftober 3 . S. bi« 2 Uhr SHttag« 48 9Kal. Eine Ser« 
einiguug mit ben beftehenben ©anität«mad)en ift angebahnt. Ser 
Her 3 teoerein ber Serliner Kettung«gefellfd)aft mit etma KXK) Stitgliebem 
regelt unb Übermacht ben ältlichen SSachtbienft, ber in oierftiinbigem 
3Scchfel unb felbftuerftänblid) bauernb nid)t ohne Entfchäbigung geleiftet 
mirb. Örunbfap üt, nur erfte $ülfc in ber SBadje unb Seförberung 
bc« Äranfen, mohin er mifl, b. h- Uebermeifung an ben Hr 3 t ober ba« 
§ofpital feiner SBahl, 3 u übernehmen. Sie Sättel merben burch Sei« 
träge ber ©tabt, intereffirter SerufSgenoffenfchafteti, Sereine, Äaffen unb 
Srioatperfonen aufgebracht. 

©tabtifdjt ©chulorrii gn $alle a. ©. mürbe ber Hntrag auf 
HnfteDimg oon Sdjulärsten am 22 . Kooember 00 m Cberbürgermeiftcr 
©taube mit bem Einmanbe befämpft, bie grage fei nod) nicht fprudi* 
reif, erforbere, menu man auf lOOOtf inbcr einen Hr 3 t rcdtjne, bei *20 000 
©d)nlfinbern am Crtc mehr al« 20 00<^ Jt bei fteter Steigerung. Hn= 
bere Hu«gaben feien ^unädjft midjtiger, jebod) habe ber S?agiftrat gegen 
eine Sorberathung in einem gemifchten Huöfchuffe nid)t« ciii 3 umcnben. 
©0 mürbe beim aud) befdjloffen. SBir haben fdhon mehrfad) bie Huf« 
gaben bc« ©chulai’ 3 te« ffi 33 irt, mie fie in ben Stäbten, bie bie Ein« 
ridjtung haben, aufgefapt mirb. SBir fügen heatf einen Serid)t über 
ba« Shätigfeit«gebiet ber ^peilbronner ©d)ulär 3 te bei, ber erfel)en 
läßt, mie burch Einführung oon Schulärzten ein möglichft guter 
©efunbheit« 3 uftanb ber anmachfenben Olcneration be 3 ioerft mirb: 

Ser Sdiular 3 t unterfudit jebe« neu in bie Sd)ule eintretenbe $inb; 
ba« Ergcbnin bei* Unterfuchung mirb in ben ,.(^cfunbl)eit«fd)ein", ber 
für fieben ©d)uljahre abgetheilt ift, auf beit Kamen be« betreffenben 
Miitbe« lautet unb baffelbe burch bie gaii 3 e ©d)ul 3 eit begleitet, ein* 
getragen, gnt ©efunbhcit«fd)ein finben mir folgenbc Kubrilen: 1 . Saturn 
unb Schuljahr, 2 . allgemeine tfonftitution, 3. Olröfje, (Vernicht unb 
Sruftumfang, 4. Sruft unb Sauch, 5. .^aut, 6 . Sirbclfäule uub Ertre* 
mitäten, 7. Hugen unb ©ehfehärfe, 8 . Dbren unb (4ehör, 9. Ktünb, 
Kafc unb Spraye, 10 . Semerfungen unb Sorfdiläge be 3 iiglid) ber Se« 
hanblung in ber ©cpule ( 3 . S. befonberer ©ipplap, Sefreiung 00 m 
(v*erätf)eturneu 2 c.), 11. Sätthcilungeu an bie Eltern, 12 . Semerfungen 
bc« Sehrer«. 3 un äd)ft merben nur bie beibeu erften Schuljahre unter* 
fucht. KZonatUd) einmal haben bann bie ©d)uläi* 3 tc bie Sdiulen 3 U bc* 
fuchen, bie Hnftänbe ber 2ehrer bc 3 iiglid) ber einseinen .Slinber entgegen* 
3 iinel)men unb bie Minber einer felbftäubigen Seobadjtung 311 unter* 
3 icl)cn. Hm Sd)lnp jebe« ©d)iill)albjal)r« treten bie Sd)iiläi* 3 te, bie 
über ihre Seobadjtungen 2 c. Sud) führen, mit bem Stabtai' 3 t 3 ufammen 
3 ur Sefpred)iing ihrer s Bünfd)e, Sefd)toerben unb Hnträge in Setreff 
ber Sd)ulgefunbheit«pflege, über meldie bann bie 0rt«fd)iilbcl)örbe ent« 
fdjeibet. Huf Hutrag bc« Crtofdmlinfpcftorato haben bie Sd)iilär 3 tc 
ein 3 eluc Minber 311 bcgutadjten — fall« fein f)au«är 3 tlid)c« 3 cu 9 n Ül 
liegt, 1 . be 3 iiglid) ber Sefreiung oom Schulbefuch, be 3 io. oon eiii 3 eluen 
gädjeru (lurnen, Singen, 3ädjueu); ‘2. besligltcf) bei* Sefreiung oom 
Solf«bab; 3. bejüglid) bei* gcftftellung 0011 anftedeubeu ober efel« 
erregeuben Mraufheitcu; 4. be 3 Üglid) ber Uebermeifung eine« .tttnbc« in 
Hnftalten für Epileptifdje, ©d)mad)finnige, ober Unterbringung in eine 
£eü* ober Serforgung«anftalt; 5. be 3 üglich eoentueller 3 ui*ücfftelluiig 
oom Sdjulbefud) um ein gahr megen Schmäd)lid)feit. 


eiterarirdje ^njelgeit. 

3 i nun ermann, Seigeorbneter in Äöln. Sie Hnnenpflegc bei* Stabt 
Äöln. (Sonbcrabbrucf au« ber geftfdjrift für bie $auptoerfamm= 
hing be« beutfehen Serein« für öffentlidie rrtefunbheitopflege. 1 ^ 9 s.) 
Keue Seutfdje Kuubfchau. .'oeft 11. Kooember Isns.' Serliu, 
S. gifdjer. 


ikrantroovtlic^ für btc Stcbaftton: Ür. Cinift gtanrfc tu Serliu W., 8ai)reutt)crin:aBc 2y. 




263 


eojiale ^ra£i$. (icntralülatt für 8 o 3 iaIpolitif. 9it*. 10. 


26 4. 


® le ).$o)iaU ?3rarie“ erfdjcint an jebcm ©onnerötag unb ift burdj alle 23ud)fianblungen unb tßoftämter (^ofaeitungSnummer 67*29) ju bcjieljen. ©er Sßreiö 
für baS 93ierteljaf)r ift 9J?. 2,50. 3ebc Kummer foftet 30 ^f. ©er Slnjeigenpreiö ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^etitaeile. 



Figuren unb 2 lnjid)ten 

ber 

Variier Sdiretfcnsseit 

( 1791 — 1794 .) 

3?on 

3uüu 5 (Ecfarbt. 

—— Preis 8 111. —- 

^nüalt: SRajrimilian 91o&c$pt«xe. — ©antou. — 3aiut Juft. — 
©er öffcntlitfje Auflager bc* 9icöoIutions=©ribunalS. — llnferc 
liebe ftrau oout ©fjermibor. — 3 ^KPüüic S?eauf)arnai$ itnb 
©clpljine bc Guftine. — ocan $aul 3K^rat. — .frebert lutb 
(Sbaumctte. — Slu&Iänber im revolutionären $artö. 
©rouet, ber ^oftmeifter oou 2aintc HRencfjouIb. 



11 


*5^ —-<-0 Verlag von Gustav Fischer in Jena. 

Wörterbuch der Volkswirtschaft. ,n zwei B ™ den - 

Bearbeitet von 

Prof. Dr. von Below-Marburg, Prof. Dr. M. Biermer-Greifswald, Prof. Dr. van der Borght-Aacken, Prof. 

Dr. Karl Bücher-Leipzlg, (ich. Reg.-Rat Prof. Dr. Ludwig Elster-Berlin, Geb. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge- 
Breslau, Prof. Dr. Fucha-Freiburg i. Br., Geh. Reg.-Kat Prof. Dr. Freiherrn von der Goltz-Ronn, Gericurs- 
sekretär und Privatdocent. an der Universität Dr. Carl Grünberg-Wien, Privatdocent Dr Max von Heckel- 
Würzburg, Forstmeister Dr. Jentsch-Hann.-Münden, Bergrat Lengemann, Direktor der Kgl. Berginspek- 
tion, Clausthal, Geh. Reg-Hat Prof. Dr. Lexie-Göitingen, Bibliothekar Dr. Paul Lippert-Berlin. Prof. Dr. 
Lotz-München, Prof. Dr. Mischler-Graz, Landgerichtsrat Dr. Neukamp-Göttingen, Prof. Dr. Pierstorff- 
Jena, Prof. Dr. Rathgen-Marburg. Hofrat Prof. Dr. Schanz-Wür/.burg. Dr. Schott, Vorstand des stat. 
Amtes, Mannheim, Prof. Dr. Sering-Berlin, Dr. Wirminghaus, Syndikus der Handelskammer, Köln, 
Konsul Dr. Zimmermann-Berlin, Prof. Dr. Zuckerkandl-Prag, 

herausgegeben von Prof. Dr. Ludwig Elster, 

Geh. Reg.-Kat u. vortrag. Rat im Ministerium d. Geistl.-, Cnterrichts- u. Medicinalangeleg. in Berlin. 


fS <S Preis das vol,ständ '0 e Werk in zwei Bänden brosch. 20 Mk., elegant Q Q 

halbfranz geb. 25 Mk. Die Bände werden nicht einzeln abgegeben. 

Deutsche Volkswirtschaftliche Correspondenz v. 29.,7. 1893. 

.... In seiner Art die beste Zusammenfassung unserer volkswirtschaftlichen 
Kenntnisse in einer bequem zugäuglicheu Form. 

Hamburgischer Correspondent v. 17.7. 1898: 

4 . . . Der ganz aiissergewölinlich billige Preis wird das Buch iu seiner Aufgabe, 
ein Hilfs- und Lehrmittel für weite gebildete Kreise unseres Volkes zu w erden, wesentlich 
unterstützen. Vor allemmöchtenwiresalsFerienlektii re unddauerndesNachsch lagebuch 
unseren parlamentarischen „Füchsen** empfehlen, den neuen Reichstags- 
(^10) abgeordneten — und vielleicht auch einigen alten. Wenn sie es recht fleissig (%(f0) 
studieren, so wird man das mancher Reichstagsrede vorteilhaft anmerken. 


1 



3« bejicfjen burd) jebc Sortimente 
Bmljfianblung: 

peltgf fri|iil)te. 

33 on 

ftopolb noit Ranke. 

SBoUftänbigc ©ci:t = ?(u8gabe mit 
(Scfnnitrcgifter. 

lieber 190 Sogen 9tcwal = Dftao in 
oier Sänbcn. 

3hicitc, nnoeräuberte Auflage. 

f&rete: ©eljeftet 40 SRarF, gebunben 
in $albfranj 50 S?arf. 

©injelne Sättbc werben nidjt abgegeben, 
©ic Mimaljntc oou Sanb I nerpfliifjtct 
$u ber beS ganzen SScrfetf. 


©iefc neue ?lu£gabe in oier Sänbcti 
bringt bie Hnmerfungen, foioie bie 
Hnaleften unb fritifdjen (Erörterungen 
ber nodi weiterhin beftebeubeu grofjcit, 
neunteiligen ?togabe nicht; hingegen 
enthält fic au ger bem o o 11 ft än b i g en 
©ert in einem Anhang bie „2luffrifoe 
jur eignen 2ebenöbefd)reibung' / 
unb bie für bie 3citgefd)i<f)te wichtigen 
„©agcburfjülättcr" unb ein aue 
fiihrlidjeg Sadjregifter. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel, Berlin W. 

Soeben erschien: 

Verzeichnis 

der 

Jielriebskrankenkassen 

des 

Deutschen Reiches. 

Nach amtlichen Quellen zusammengestellt. 

Nebst einem alphabetischen Ortsverzeichnis 
und einer Zusammenstellung der Fabrikationszweige. 

-— Preis 6 Mark. —— 


Soeben erschienen: 

Die 

bevorstehende Erneuerung 

des 

deutsche n f^ankgesetzes. 

Von 

Karl Helffericb. 

- Preis 3 M. - 


XHc Scfytmnfcfucfyt 

im Sichte ber ©tatiftif unb ©ocial* 
politif. 23on Dr. IUill)rlm $Uetf. 

1898. <ßrei§ 2 2JFF. 40 $f. 

|um llcrlmnf. 

fturliau* in (*rfncr, lanbidjarilid) irfum, 
fnuitär günftig gelegen, — o'cfgrmibiiürf, 46 &T, 
gutes SBoijn« unb Dcronomtegebäube, mantgf. 
alter 3?aiunbeftniib, — im V'niiMiaiwuicTtcl eint 
SBalbe, gute $romenabcnwege audi im Sinter. 

©ccignct für eilt ftänbigee* (*rf)0luitgd* 
haue« 3. für ’sMugeftcUtc bc* ftanbel* unb 
ber 3»bu|trie. ftiisfunft: IV» Köhlen 9 
<?rfncr, gürfienmalberftraftc 4. 


Ccraiihuortlidj für bic ?lnscigcn: fcellinutt) Gctbcl, flcipjifl. — S?ctlap non Zunder 6k $umb!ot, Seipjig. — Gebiucft bei Julius eittciilclD, Berlin. 







vm. guljrgang. 


SSerlin, ben 15 Scjcmbcc 1898. 


Hummer 11. 


Soziale pvam. 

($enfra£ 6 fctft fö* gjogiafporifiE 

mit bcr KtonatSbctlage: 

Das < 5 ewerbe<jertcpt. 

©rgan bes Decbattbes beutfdjer (Betrerbegericfyte. 

Kcite Folge bcr „Blätter für fojialc ^rajrt«" unb be« „©osialpolitifcpcn (SentralbtattS". 

©rftfdit* an leiem D«uwerftag. §erau«geber: AretS oiertclittrli* 2 SR. 60 ff. 

Kebaftton: Berlin W., Bapreutperftrape 29. Dl\ (Etttft /tDttlkt Berlag Oon D>uncfer & Jmmblot, Ceipstg. 


3 nl)<tlt 


SuöaUbenpftufer für Arbeiter. 
Bon Stabtratl)&. 0. $ ranfenberg, 

Btaun|cf)Weig . . . . ‘.265 

©ine ArbeiterprobuftiDgc* 
itoffenfdjaft in ber ©laSiit* 
buftrie KorbböpmenS. II. Bon 
Dr. Sflar bon Dapentljal, Äon» 
jipift ber #(inbel$* unb ©ewerbe* 

fammer, SReiebcnberg.269 

KlfcnetneOHiab nnb f9irt(f4«ft9* 

gaoftttf.272 

Arbeitgeber unb llntcrnebnier. 
Bom ©eroerbendjtcr £. S d) in i e b e t, 
Berltnȣalenf<e. 

Der ©efefcentrourf über ben 
ArbeitSbertrag inBelgien. Bon 
Dr. ©uftao 3Rat)er, Brüfiel. 
©oaialpolitifdje Anträge im Deutfdjen 
SieidjShige. 

Arbeiteioerbänbe unb gabrifnntcn* 
fpnbifatc. 

ArbeiterauSfdjüjfe bei ben baperifcben 
©taatSbapnen. 

Da$ örtcrrefctjifc^c Arbeitsamt. 
Snternationaier fojialiftiftber Dieuft. 
Die ©o^ialpolitif auf bcr ©arifcr 
SSeltausfteUung 1900. 

Üomnnnaie ©osialpalltif . . . . 277 
gosialbemoTratifcbcö ©rogtanun für 
bie ©emeinbemapleu in SßreuBcu. 
Befdpränfungen beS ©cmeinbcroal)!* 
recptS in Sadjfen. 

©täbtifdjc ÜJltScellen. 

Asglale guH'dnbt ..278 

©tatiftif ber grauen», ^ugenblicpcn« 
unb Äinberarbeit in gabrifeit. 

Die AuSbilbung ber faufmännifcbeit 
Veprlinge. 

Die täglidje Arbeitszeit in Oefterreicp. 
©oaialbemorratiftbe Viga in Belgien 
gegen ben AUopol. 

fHvbeitgcberbevbänbe.280 

„©(Smarje Siften". 

Bereinigung bon iyabrifanteu in Äre* 
felb gegen Streifs. 

Die ©infüprung bon ©ntlaffungS* 
fd&elnen für bie Arbeiter bcS ge* 
fammten Baugewerbes. 

Der Bunb öiterreicpifcpeT ^ubufirieller. 

MnSciterbetocgnng.282 

SRa&regelung wegen Auöfageit uor 
ber Äommiffion für Arbeiterftatiftif. 
3ur Bergarbeiter * Bewegung in 
©eutfdjlanb. 


Die beutfcpen Bauarbeiter, 
ßur Bermeibung beS Berliner Bäder* 
fireifeS. 

Arbeiter * ©cfretarlate in DüfTelborf 
unb Wm. 

©egen baS 3weiftuT}Ifpftem in ber 
Weberei. 

Bewegung ber belgifcpen SJtincnar- 
beiter. 

SUbetJcvf*«*.283 

Der ©efefeentwurf gegen bie Uebef* 
ftüitbe in ber ÄonfeftionSinbuftrie. 

3 um ©cpup gewevbltd) befepäftigter 
Äinber. 

Arbeiterfc^ub im heutigen SBirtljS* 
gewerbe. 

Die ©ewerbeinfpeftion in Oefterriicb 

tttbeiterberflttcruitg. ©fartaffen 285 

Die Kentenfeftfepung unb bie 
Aufbringung bei ©Uttel jur 

Beftreitung ber SRentenlfaft 
nad) bet Kooellc jum 3 >noali* 

I bitfltSgefefce oon Dr. 3uliu8 

I 9to.tbboIa, Berlin. 

3ut 3 |lüc dibitätSnobetle. 

Äranfen* unb Uufatlucrfidjerung ber 
ftäbiifdjen Arbeiter in Berlin. 
UnfaÜberpütungSborfcpläge ber Ar* 
beiterunfaUoerficberungSonftalt für 

Slteberofterreicb. 

Berficperung ber ©oft» unb Dele» 
grapljenbebienfteten in Defierreicf). 

©nquete für eine AlterSberfttpeTitng 
in Belgien. 

StYbctt«nc**eit.288 

©eniralberein für AibeiiSnadimeiS in 
Berlin unb ©enträlauSfauB fauf* 
j mänuifeper, gewerblicher unb in* 
buftrieller Bereine. 

©rgtcOBKg «nb BUbunq.288 

DaS preuüifdje ©otfSfcbuIwefen. 
Bon ©eneralfefretür 3. $ e w S, Beilm. 

BoIfStbümlidje ^otbfcbuUurfe in 
Berlin. 

$umboIbtafabemie 311 Berlin. 

Die Uuiveisity Exteusiou in Vonbon. 

©iBigattffämtev. 6<&tebSger«it( 293 

©in ©totfarbeiter-AuSftanb Por beiu 
©inigungSamt beS ©ewerbegerid)tS 
Berlin. 

©in ©inigungSamt in ber englifd)en 
SRbeberei. 

8Uicra?tf©c Stnaatgcii.294 


S0tT Diefcr Kummer fiub für föntmtlidje Abonnenten bcr „So* 
3 ialen als Wrati^bdlagc btc Steuograp^t^cn ^rotofoffe 

ber tBerianblnttgett ber erftett, in AKünepeti <5nbe September 
abge^atteuett ^oitferett) be^ iDerbanbcd 'Deutfcper 9(rbcit<M 
ttadMueife beigegeben. Die Kebaftion. 


3mmlii»enljän|Vt für Arbeiter. 


Scpon feü einer langen Keipe non 3«^en roirb für bie 
naliben be§ ©tptnerteS niept nur burep ©etoäprung non ^enfionen ; 
fonbern and) baburep geforgt, ba§ ein Xpeil non ipnen angemeffene 
Verpflegung in ftaatlid)en Anftalten finbet unb oor Kotp unb @nt* 
beprung auSreicpenb gefepüpt ift. S)ie 3»ööltben ber Arbeit fiitb 
niipt fo günftig gefteüt; pier unb ba beftepen atlerbingS su iprer 
Unterbringung Stiftungen mit ober opne @infauf§gelber; öffent* 
lüpc Verbönbe in iprer (Sigenftpaft als Arbeitgeber paben ein 
nacpapmenSmertpes Vorbilb in ©eftalt oon §>eimftätten für ipre 
burd) Alter ober fonftige dinmirfungeit erioerbSunfäpig gemorbeiieit 
Arbeiter gefepaffen, unb AepnliipcS ift feitens uiancper ©Jrog* 
inbnftrieHen foroie in ber Verginbufirie burip ^nappfcpaftSorgane 
unb berg(eid)en gefepepen. 3m Allgemeinen inbep fepU es bisper 
noep an ber greifbaren S)urcpfüprung beS ©ebanlcnS, ben inoalibeu 
Arbeitern auf Söunftp ein befdjeibeneS, bauernbeS Unterfomtnen 
mit ber nötpigen pflege bieten. 

barf bespalb baö Vorgepen beS VorftanbeS ber 3n* 
oalibitäts* unb AlterSoerficperiingSanftalt Vrauufcptoeig in biefer 
Angelegenpeit bie Aufmerffamfeit aller Vetpeiligten beanfprucpeit. 
©r pat nämliip, natpbem er auf eine Umfrage bei ben Kenten* 
empfängern feine« Ve^irfeS fepr oiele juftimmeube Antroorten er* 
palten patte, bei bem KeitpSamte be« Snnern beantragt, in ben 
Gsntiourf ber 3noalibenoerfi^erung«nooeUe eine Vorfcprift be« 3«* 
palt« aufgiinepmen, bap e« ben VerrnperungSanftalten nadp Ktafe* 
gäbe ber oerfügbaren 3Rittel geftattet fein fülle, bie ©mpfänger 
einer Kente gegen Ver^idpt auf bie leptere in einem oon 
ber Anftalt ju erbauenben Snoalibenpaufe auf^unepmen. 
3>a$ Keicpsamt beS Snnern pat biefem ©rfuepen entfprocpeu, unb 
fo ift su erwarten, bap naep erfolgter Vefdplupfaffung be« Vunbes* 
ratp« bie Srage be« Vaue« oon Arbeiter*3noalibenpäufern bei ber 
beoorftepenben ©rörterung im KeitpStagc mit beratpen werben wirb. 

©S lägt fiep freiliep nidpt oerfennen, bap bie ©rfepung bcr 
Snoalibenrente burep ben freien Unterpalt in berartigen Anftalteu 
einigen Vebenfen begegnet, beren ©rpeblidpfeit ju prüfen ift. 

3>ie ©efapr fdpeint $u bropen, bap baS Familienleben, ber 
Familienfimt be« Arbeiterftanbe« nadptpeilig beeinflupt wirb, wenn 
man bie Alten unb ©rwerbsunfäpigen oeraulapt, au« ber Ktitte 
iprer Angepörigen, beren Siebe unb Aupänglicpfeit gerate in 
Eranfpeit«tagen erprobt werben fönnte, auf bie Malier in ein Ver* 
forgung«peim übereilfiebeln. Xiefent ©inwanbe läpt fiep jeboep 
entgegenpalten, bap naep bem obigen Vorfcplage bcr Wegfall ber 
Kente unb ber ©intritt ber pflege niemal« bnrep fonbern 

immer nur im beiberfeitigen ©inoerftänbuiffc erfolgen foll. 
0d)on bei ©rlap be« Snoalibität«* unb Alter«Derfi£perung«gefctn‘v 
würbe gelcgcntliep bcr Scfprccpung be« jepigen §. 1H (bamal* S) 
in ber Kciipötagsfommiffion mit Kcdjt betont, ta,; e« uuwiirbig 















267 


Sojtale $rayt$. Eentralblatt für Soatalpolttü. 9h:. 11. 


268 


fei iinb beut (Reifte beS (GefeßeS 3itroiberlaufe, gan^ aßgemcin bie 
Ablöfung ber Rente burd) Raturalleiftungen jiijulaffcn; *) bas 
Plenum beS Reichstages fjat troß beS BiberfprucßS ber RegierungS* 
oertreter biefe Auffaffung burcßauS gebilligt.**) — Vielleicht wirb 
es fief) empfehlen, ben berechtigten Biinfdjen beS Eii^clnen baburcf) 
Rechnung gu tragen, baß beiben £ßeilen, bem AnftaltSoorftanbe 
n)ie bem Verficßerten, bie Vefugniß eingeräumt roirb, aus wichtigen 
(Griinben bie Eutlaffung aus ber pflege unb ben Biebereintritt 
in ben SHentenbejug 31t oerlaitgen. Db ein „wichtiger (Grunb" 
biefer Art oorliegt, wirb non bem ScßiebSgericßte ober bem ReidjS* 
VerficßerungSamte naeß bifligem Ermeffeit enbgültig 31t entfeßeiben 
fein, ähnlich wie in 3aßlreid)en anbereu gäßen beS (Gewerbe* unb 
$>aube[$red)t$ (3. 33. §§. 124a, 133 b ber Rei<ßS*(Geroerbeorbnuug; 
§. 626 beS 23ürgerlicheu (GefeßbucßS). Benit 3. V. ber einzige 
Soßu einer Bittroe aus fernen ßanben ßeimfeßrt unb ber Vhitter 
in feiner Veßaufung einen bequemen £ebenSabenb bereiten möchte, 
fo roäre eS eine $ärte, wenn ber Austritt auS bem 3uoaliben* 
baufc nicht baS Aufleben bes Rentenanfprucßs 311t* golge haben 
foßte. 

fRoch meniger fticßßaltig ift es, toenn ein Vebenfen gegen ben 
Antrag abgeleitet roirb aus ber Verfcßiebenartigfeit ber Vermögens* 
ucrhältniffe ber eingelnen VerficßerungSanftalten. Es mag fein, 
baß‘inSbefonbere Dftpreußen unb Rieberbapern auch naeß Einfüß* 
rnng ber ihnen fefjr günftigen Rooeßenoorfcßläge über bie Ver* 
tf)eilung ber Rentenlaft noeß geraume ^c\t uöthig haben, ehe fie 
lief) aus ben 0ehmierig!eiteu herausarbeiten, in bie fie 311m Sßeil 
nicht ohne eigene Scßulb gerathen ftnb. 3)aburcß barf aber, raenn 
man fid) nicht bem Vorwürfe ber Prinaipienreiterei auSfeßeu miß, 
feiueSroegS bie Entroicflung in ben übrigen, beffer gefteßten 93er* 
ficßerungSanftalten aufgehalten merbeit. Bie eS ßod) erfreulich ift, 
ba& biefe auf bem (Gebiete ber Kranfeufürforge burth ben Vau 
unb bie Einrichtung oon £>eimftätten für ©enefenbe bereite be* 
bculenbe Erfolge erhielt unb auch Öörbcrung beS BoßnungS* 
roefenS in bas ^Bereich ihrer £ßätigfeit ge3ogen h^bett, fo foß man 
ihnen bei biefem ferneren (Gegeuftanbe ber ArbcitenooßlfaßrtS* 
Veftrebungeu gleichfalls freie £>anb laffen. 3>er Vorbehalt, baß 
über bie oerfügbaren Mittel nicht ßinauSgegaugeu toerbeu barf, ift 
felbftoerftänblid). Beim aber früher ober fpäter einmal bie in 
biefem Platte fo oft befürwortete EinßeitS*Verficßerung burchgeführt 
mirb, bann roirb fi<h ber Uebergang aßer biefer Einrichtungen auf 
bie neu 311 fchaffenben RecßtSfubjefte Straft bes (GefeßeS ohne 
BeitereS ooßaießen. 

0elbft roenu man ben geänderten Gebeuten mehr Berti) bei* 
legen rooßte, fo roirb man bod) sugebeu miiffen, baß im Vergleiche 
bamit bie Vortheile ber 3uüalibenßänfer überroiegeit unb 311 that* 
fräftigem Vorgehen ermutßigeu. 

^ic Suoalibenrente ift jur befanntlich noch fehr gering, 
ba feit bem 1. Januar 1891 erft eine oerßältuißmäßig Heine 3 a bl 
ber VeitragSroocßeu oerftrießen ift, bereu jebe ben 3oßre3betrag ber 
Rente um 2, 6, 9 ober 13 4 erhöht. £>er monatliche ^ureßfeßnitt 
ber mit 9,0-, JL beginnenben Snoalibenrenteu fchroanft gegenroärtig 
Sroifcßen 10 unb 11 ,-if, Vereitelt roerben, befonberS in ben 
großen 0täbten, Veträge bis 311 13 , i( monatlich gezahlt, ^ie 
Roocße bcabfidjtigt 3toar, biefer färglicßen Vemeffung ber ßeiftungen 
al^uljclfen — eine burdjgreifenbe Aetibcrung ift aber faum 3U er* 
•warten, roenn nicht ber (Grunbgebaitfe beS (GefeßeS aufgegeben 
roirb: ber Verficherte foß fich bie Rente je nach 2trt unb 3ußl ber 
geleiteten Veiträge in höherem ober geringerem Vetrage oerbienen, 
•hinter ben llnfaßrenten, roic fie bei einer als 3noalibität 311 be* 
3eid)nenben, alfo über 2 / :? betragenben ErroerbSbefcßränfnng geroährt 
roerben, bleibt bie 3nDalibenrentc in abfehbarer 3ufunft erheblich 
3un'icf: Vei ben SllterSrenten, bie in .s^öhe oon 9 bi§ 16 t ((_ monat* 
lieh beroißigt roerben, gilt baffelbe. Bie füllen ec> nun, gitmal in 
beit theneren Drtfchaften, bie eilten unb (Gebrechlichen einrichten, 
mit berartigen Veträgen au^ufommen? Benn Verroanbte ba 
ftnb, mit benen fie eine Haushaltung bilben, unb bie fid) ihrer 
annehmen, fo läjjt fich noch am leichteften ber Unterhalt für ben 

) ^cidifingC'brnefindHMi oon isss sn 8fr. l-!l 3. I M*». 

I 2teiiogr. Veriiüt B. 12:*>4 rf. 


Rentenempfänger befd)affen. Beim aber ber Verficherte fich bei 
fremben Leuten in pflege geben muh/ bann roirb naturgemäß hön* 
figer ber Öaß eintreten, baß bie betreffenbe gamilie aßmonatlich 
ben ooßen Rentenbetrag hinnimmt, ohne auSreicßenb für ben Vc* 
reeßtigten 311 Jörgen. Verfud)t er aber aßein 3U roirthfehnften, fo 
finb bie ?lu£gabeit für Bohnung, Rahrung, Neuerung 2c. für ihn 
al0 Einseinen fdjier itnerfd^roinglich, unb nicht feiten muß er ftd) 
an bie ^rioatroohlthätigfeit, an Vereine ober an bie Slrmenbehörbe 
roenben, um Vaarunterftüßung, Raturalien, ja felbft Aufnahme im 
Rrmenhaufe 31t erlangen. 

3m Vergleiche mit biefem befchämenben 3uftanbe eS 

offenbar eine große Botjlthat 31t bebeuten, roenn ber Rentner auf 
Slulrag in einem angemeffen auägeftatteten Verforgung^h^ni feitenS 
ber Verfid^erungöanftalt untergebracht unb biö an fein ßebenSenbe 
au^fömmlich oerpflegt roiirbe. Rebenbei mag baranf hingeroiefen 
roerben, baß auch & er Sö^gfuß ber für oiele Snualibe befchroerlichcn, 
jebeu 9Ronat erforberlichen Bege 3111* Vefchaffung be« behörblichen 
5iebensattefteS unb 3ur Abholung be3 Selbes oon ber ^ßoftanftalt 
ben Vetreffenben fehr roißfomnten roäre. ^eu ihnen etroa oer* 
bliebenen Reft oon 2trbeitSfäl)igfeit roürben bie meiften Snfaffen 
folcher Suoalibenhäufer geroiß gerne oerroerthen, um ihre 3«t mit 
nüßlidjen Vefchäftigungen 3U oerbringen. 3)er babei er3ielte Ver* 
bienft müßte ihnen, nach $lb3ug ber 0elbft!often für Rtaterial unb 
bcrgleichen, überroiefen roerben. 0oroeit eine folcßc Einnahme nicht 
in Vetracßt fomtnt, fteht nichts entgegen, nöthigen SußeS ein be* 
fcheibeneS Heines 2afd)engelD 3U geroähren, ähnlich roie es 0011 
ben VerficherungSanftalten in manchen Säßen bei benjenigen Uranien 
gefdjieht, bie in einen Kurort gefeßieft roerben. Eine unguläffige 
Sreigebigfeit ift in folcßen 3umenbungen ficßerlich uießt 3U erblicfen, 
ba fie lebiglid) ben 3mecf hüben, ben geroährten freien Unterhalt 
3U ergänsen unb bem Empfänger bie Veftreitung geringfügiger 
Ausgaben für feine perfönlicßen Vebürfniffe 3U ermöglichen. ^aS 
Rähere hierüber fann bureß bie §>auSorbnung geregelt unb ebenfo 
roirb Veftimmung barüber getroffen roerben, ob oielleidjt für SDie* 
jenigen, roelche eine höhere Rente be3ogen hüben ober einen 3» s 
feßuß 3itr Verpflegung 311 3ahleit bereit finb, befonbere Vergiin* 
ftigungen geroährt roerben foßen. 

lleberhaupt muß man oorauSfeßeit, baß oon ben 3«ualibitätS* 
unb 9llterSocrfid)eruugSanftaIten, bei beren Verwaltung bureß Vor* 
ftanb unb ?lusftßuß neben ben ftaatlicß befteßteu Veamten bie 
Arbeitgeber nitb *neßmer in gleicher i^aljl betheiligt finb, bie Ein* 
rießtung unb ber BirtßfcßaftSbetrieb ber Suoalibenhäufer in einer 
oerftänbigen, roohlrooßenben Beife geregelt unb beauffießtigt roirb. 
Benn fie e£ hieran irgenbroie in erheblichem SRaße fehlen ließen, 
fo roiirbe bieS bei uitferen heutigen Verßältniffen alsbalb befannt 
roerben, unb fortan möchte eS feßroer faßen, bie Rentenberechtigten 
3unt Eintaufcß ißreS AnfprucßS gegen bie freie Station in bem 
Afpl 311 beroegen. 

^cr EMcidjfteßung prioater VerforgungSßeime mit jenen An* 
ftalten fann icß nießt baS Bort reben. ^)er Vraunfcßtoeiger An* 
trag nimmt ßieoon audj Abftanb. 3u ber Xfyat roürbe e£ leicßt 
311 RHßftänben führen, roenn man bie Unterbringung in $rioat* 
pflege auf Soften ber Verficßerungsorgane ebenfaßs an bie Steße 
ber Rente treten laffen rooßte. 3>ie (Sorge für bie Verecßtigten ift 
babureß bei Beitem nießt fo aitsreicßenb fießergefteßt, als bei un* 
mittelbarer (Gewährung beS Aufenthalts feitenS ber Xräger ber 
Rentenpflicßt. 

Auf ber anberen Seite bietet ben VerficßerungSanftalten bie 
Errichtung ber Snoalibenßäufer große Vortßeile, bie eS erflärlidj 
matßeu, baß aus ißrer Vätte bie Anregung 311 ber gefeßgeberifcßeit 
Reuerung ausgeßt. Sie erhalten nießt nur (Gelegenheit, bem aß* 
gemeinen Boßle burd) bie Erfüßung eines oielfacß gehegten 
BunfcßeS 311 bienen unb ben Segen ber oft angefeinbeten Arbeiter* 
oerfidjerung reeßt augenfäßig fid)tbar roerben 3U laffen, fonbern fie 
werben aueß oorauSfid)tlicß bie gemeinfame Verpflegung einer 
größeren Ai^aßl oon ^erfonen bebeutenb billiger unb fachgemäßer 
bureßfüßren fönnen, als es bem Einseinen möglid) roäre, 3umal 
ba fie mit ißren eigenen, erßeblicßeit Kapitalien arbeiten. Sie haben 
gleichzeitig (Gelegenheit, bie Pfleglinge, beren 3uftanb, Eßarafter 
unb Veiftungsfähigfeit genau 311 beobachten, fie fönnen bei ihnen. 




270 


269 Soziale PrajtS. Gentraloltttt für ©ogtalpolüil. 9h:. ll. 


falls bic^ gmecfentfprecpenb frfjeiut, baS ^eilocrfaprcn (§ 12) ein« 
leiten, baS nach ber RooeHe auch bei ben fd)on für iitoalibe (Sr* 
Härten ftattpaft fein foH, unb \\t finb, wenn fiep eine erhebliche 
Peränberung in ben Perpältniffen eines Snfaffen ergiebt, welche 
tpu niept niepr als bauernb erwerbsunfähig betrachten läßt, 
ober wenn er ben angebotenen, facpbienlicpen £eiluerfucp ab(eF»nt, 
gur Perfagung beS ferneren Aufenthalts in ber Anftalt unb gur 
Gntgiepung ber Reute befugt. $)a bie ©efammtpeit ein 3ntereffe 
baran pat, baß niemanb bie Rente erhält ober weiter bezieht, ber 
fie nicht oerbient, fo läßt fich gegen biefe Rtöglicpfeit befferer Kon* 
trole, bei ber felbftoerftänblich bie ^rcimilligfeit beS Eintritte 
in baS SnoalibenhauS nicht "unbeachtet bleiben barf, schwerlich 
etwas erinnern. 

Aue biefen ©rüitbcn ift bem Porfcplage, bie PersicperuugS* 
anftalten gum Pau ooit Snoalibenpäufern unb gur Unterbringung 
ber Rentenempfänger in ihnen gegen S^er^icfjt auf bie Rente gu be* 
rechtigen, ein guter Grfolg gu tuünfcheit, fofem bie ermähnten Gr* 
gelungen Perücfficptigung finben, bie ^auptfächlich im ^ntereffe 
ber Perficperten liegen. Gin Perfucp foüte mit ber Sadje wenig* 
ftene gemacht werben; ein folcher ift aber ohne Aenberung beS 3n* 
oalibitäts* unb AlterSoerlicperuHgSgefeßeS gur 3*it nicht möglich, 
ba bie gefeßUcp gewährleifteten baaren Rentenbegftge felbft mit Gin* 
roiQigung beS berechtigten nicht bnreh Raturaloerpflegung erfept 
werben fönnen. 

Praunfcpmeig. £>. o. 3ran fettberg. 

dtne Ätbertcrprobuhtiagenoflettfdjaft in bet 
dla^kurinmareninbitfirie UorbböJjmcn?. 

ii. 

PerS'ucpt mau nun fich über bie bortheile Har gu werben, 
welche bie ©enoffenfdjaft auf ©runb ber in ooriger Rümmer gc* 
fchitberten Drganifation mit [ich bringen fann unb oorauSfichtlid) 
auch mit fich bringen wirb, fo laffctt lieh biefe nach groei ©eftepts* 
punften, unb gwar iit folche oorwiegeitb wirthfcpaftlidser unb folcpe 
oorwiegeitb fogialpolitifdjer Ratnr gruppiren, bie beibe naturgemäß 
oielfath gu einanber in 'Becpfelbegiepungen fielen unb ineitianbcr 
übergreifen. 

3 n ber erften (Gruppe ift als wichtigstem ÜÄoment bie burch 
bie ©enoffeufepaft gu bewirfenbe Preiserhöhung gu nennen. £>tefe, 
welche oorfichtigerweife für bie uächfte 3eit nur auf etwa 20% 
feftgefeßt ift, bebeutet für bie Arbeiter eine Grpöpung ihres Arbeits* 
eiufommcuS um etwa 200—300% unb wirb ihnen baher, wenn 
auch feine glängenbe, fo bod) eine meufcpenwiirbige Griffen g bieten. 
Sie bebeutet aber auch eine Grhöhung beS Perbienftes ber fiiefe* 
ranten, bie unter ben bisherigen Perhältuiffen oielfach um ihr ganzes 
fiab unb ©ut gefommeu waren, unb fd)ließlicp auch beseitigen ber 
Grporteure felbft, bereu ©ewinn fich innerhalb gewiffer progeitt* 
fäße oom Preife bewegt, jeßt allerbings aber mehr ben Gharafter 
einer KomtniffionSgebübr annehmen wirb. ®ie burch bie ©enoffen* 
fepaft gu bewirfenbe Peenbigung ber preis* unb £opnbrücferei 
wirb alfo allen betheiligten (Gruppen Ruhen bringen, womit bereu 
Kauffraft erhöht werben unb ber bereits ftarf überhanbuepmenbeu 
Perfcpulbung ber ©egenb Ginhalt gethau werben wirb. 

4)iefe äÖirfuitg wirb fich aber niept nur auf jene (Gruppen er* 
ftreefen, bie an bem oon ber ©enoffenfepaft erzeugten Rfaffenartifel 
unmittelbar betheiligt finb, fonbertt ber Auffcproung biefeS ArtifelS 
wirb auch auf bie gaplreicpeu aitberen Artifel gunäepft ber perlen* 
brauche unb oielleicht aud) nnberer Prancpen ber ©ablonger 3n s 
buftrie guriicfwirfeit, wie bereits gegenwärtig bie ©riiubung ber 
©enoffenfepaft felbft auf ähnliche ausläubifcpe 3nbuftrien in yform 
einer Preiserhöhung ihrer Artifel cinguwirfen f epeint. 

Gin anberer Porttjetf, bie Permcibuug einer lleberprobuftiou, 
ift infofern nicht befonbers hoch angufiplagen, als ja auch bisher 
in bem Artifel fein Spefitlationsgefd)äft oorperrfepte, fonberu für j 
bie probuftiou rneift nur bie tpatfäcplid) oorliegenben DrbreS maß* j 
gebenb waren. 3mmerhitt ift aber bie Regelung ber probuftion j 
auch in Pegug auf bie Quantität, bie burd) bie ©enoffenfepaft unb | 
fpejiell burch ein oon ihr gu errid)tenbeS L'ager herbeigeführt wirb, | 
fef;r su begrüben, namentlidj auch beShalb, weil bie pauSiubuftrielle 1 
Peoölferung, um bie es fich pi er banbeit, oon einem gewissen 1 
Üeicptfiun nicht frei^ufpreeheu ift, ber fie in früheren 3eiten günftige j 
perioben häufig überhaupt nidit auSnüpeu. fonbern nur sum Anlag j 
eines seitmeiligeu flotteren Üebeus nehmen lief). 


j Als ein wirthfchaftlicher SSortheil ift auch bic Perbilligung ber 
probuftion gu begeidjnen, bie burch & e n Anfauf einer Reihe oon 
I $ülfsmaterialieu burd) bie ®enoffenfd)aft herbeigeführt wirb. Aber 
i nicht nur ber Perbilligung ber oerwenbeten Rtatcrialien, fonbern 
i aud) ihrer belferen Qualität fann bie GJenoffcnfcbaft ihr Augenmerf 
1 guwenben, wie überhaupt ber Pefferung ber Qualität ber 'I^aare 
burch Ginführung gleichmäßiger, größerer formen, burch befonbere 
Aufmerffamfeit auf bie Perfilberung 2 C. bie weiteftgehenbe ^ürforge 
bei befferen Preifen gewibmet werben fann. Hnb gerabe barin 
I muß ebenfalls einer ber widrigsten gortfehritte erblicft werben, ber 
j burd) bie Wenoffenfchaft angebahnt wirb, bereu gefeßUd) gefchiißte, 

; außer für eine entfpred)enb gute Qualität auch bie Garantie für 
! entfprechenbe (Größen unb Pcengen in ben eingelnen Aufmachungen 
j gebenbe SRarfe in .'pinfunft bic ©ablonger 3ormperle gu einem 
hoppelt fo gefuchten unb beliebten Artifel gu machen beftimmt ift. 

2£as bie fogialpolitifcheu Grrungenfd)af!en anlangt, bie burch 
bie ©enoffenfehaft ihre Permirflichung erfahren follen, fo ift auch 
hier bie ^ohnfrage in erfter Reihe gu nennen. ®as 3^ ^aS an* 
geftrebt wirb unb baS anbermärts immer mehr ober weniger nto* 
piftifdi bleibt, bie Ginführung oon Ptinimallöhnen, erfdjeinl hter ntög* 
lief) baburd), baß es sich um eine fo giemlid) gefd)loffcnc3al)loon Ar* 
beitem ohne ftonfurreng hanbelt. 3»t 3nfamntenhange mit biefer 
Grrungenfchaft ift auch bie glücflid) gelöste Srage ber Pertheilung 
bes Reingewinnes gu betrad)ten. (^<hon uad) 3- ^t PHd ift baran 
feftguhalten, „baß eine Pereinigung feine ©enoffeftfehaft ift. gu ber 
fich perfoiten oereinigen, um ©ewimt gu ergiclen, an Dem nur 
Ginige Anteil haben, fonbern baS ©efentlichfte ber ©enoffenfehaft 
ift, baß ber Arbeiter au bem ©ewinne ber Arbeit theilnimmt". 
$ier wirb faft ber gaiue ©ewinn nad) Maßgabe ber geleifteteu 
Arbeit oertheilt unb baburch bis gu einem gewiffen ©rabe fogar 
baS oie!6efprochene „Recht auf ben ooHen Arbeitsertrag" oerwirflicht. 

PefonberS beuterfenSwerth ift nun aber nod), baß burd) bie 
©enoffeufd)aft iubireft wenigftenS bem Arbeiter ein 0d)uß gu* 
gewenbet wirb, ben baS ©efep bisher nur in ber gabrif bur^* 
geführt hat. £bnc baß bas Statut ober bie ©efdjäftSorbnung 
auch nur ein Söort barüber enthielte, wirb nämlich bei Pefolgung 
ihrer Peftimmungen baS ArbeitSi)uautum, bas bem Gingelnert gu* 
gewiefen wirb, ein befchränftes unb baher auch ArbeitSgeit eine 
hefchränfte fein, in gewissem 0innc alfo ber PfayimalarbeitStag 
auch in biefer .spauSinbuftrie Gingang finben. ; ' 

^aß bie Art unb ©eife ber Gingahlung bei* Antheilc bic 
gunächft allerbings gwingeitbe Anregung gum Sparen giebt unb 
ben 0parfinu weeft, ift, wenn auch nicht oon befonberer, fo hoch 
nicht gang unb gar gu unterfepäßenber Pebeutnng, guntal wenn bie 
©enoffenfdjaft florirt. s BaS ipr in biefent galle noch auf humani* 
tärem ©ebiete gu leisten möglich ift, mag oorläufig bahingeftellt 
bleiben, dagegen wirft bie ©enoffenfehaft jeßt fepon niept un* 

| wefentlid) ergieperifcp unb in fogialer Pegiepung anregenb baburep, 
baß fie ben Arbeitern ein gentcinfameS Öbjcft bcS ScpaffenS, einen 
iongentrationspunft iprer Peftrebungen unb enblid) auep einen 
AuSgangSpunft iprer Drganifation gab. 

^aß mit ber Grhöpung ber l^öpne unb Ginfcpränfung ber 
ArbeitSgeit, fowie mit ber angebapnten Drganifation auep bie ©runb* 
bebingungen ber Pefferung ber oielfacp fepr traurigen fanitären 
unb fittlicpen Perljältniffe gegeben finb, braudjt wopl niept befonbers 
erörtert gu werben. Auep ift es oorläufig nod) niept an ber 3°iP 
bie weiteren fo$ialpolitifd)en Aufgaben ber ©enoffenfepaft git be* 
fpreepen, au bereu fiöfung fie mit ihrer inneren öeftigung unb Gr* 
ftarfung oon felbft schreiten wirb. 

dagegen fott uoep furg ber Perfucp geinacpt werben, bie Aus* 
fiepten ber ©enoffcnfdjaft auf ©runb ber beftepenben Perljältniffe 
unb ber anberwärts gemachten Grfaprungen furg ins Auge gu 
faffeit, wenn fiep auep ber Perfaffer gang Har barüber ift, baß 
gerabe in ben fragen beS wirtf)fd)aftlicpeu Gebens, baS oon fo 
oielen gum ^peil nüd) unanfgeflärten Jaftoren abhängig ift, jebc 
Prognofe fautn mepr als eine Permutpung ift unb nur bie Gr* 
faprung ben Grfolg jeber Maßregel lepreu fann. Pisper paben 
bie Probuftiogenoffenfcpaften im Allgemeinen noep niept jene Gr* 
folge für firfj, bie mau uaep ben Anpreifnngeu burep mauepe ihrer 
Perfecpter gu erwarten hätte; ja oielc oon biefen finb im Minblief 
auf bie gaplreicpeu Riißerfolge, bie fpegiell im Kleingewerbe mit 
biefer AffogiationSforui gemacht würben, oon ipreit einstigen Ur* 
tpeilen abgefommen unb betrachten ftreng fritifepen Auges bie oer* 
pältnißmäßig wenigen probiiftiogenoffcnscpafteu, bie oereingelt in 
allen Staaten eine mehl* ober weniger befdieibene Grifteng friiten. 
Ausgunehmeu finb oiellcidit mir jene ginn 0heil fein* bebenteiibeu 
©euoffcntd)aften, weUpc, gumeift oon Monfumenteu gegriiubet, für 
bie Pefcpaffung ber wichtigsten Artifel bes täglidjen ijebeitsbebaifes, 




271 


Soziale $rajt$. ©entralblati für ©o&ialpolittf. Nr. 11. 


Brob, Niild) :c., forgen, wahrend fpe^tcH oerfcf)iebene Arbeiterprobuf* 
tiogcnoffenfifjaftcn, bie eine ßeitlang oiel oon fid) reben gemacht 
batten, halb an unüberwindlichen Schwierigfeiten fetjeiterten. BSenn 
nun trop biefer ©rfahrungett hier ein giinftiged fHefuTtat erwartet 
wirb, fo gefdjieht bied, weil bie* tbaifäcfjlich ganz befonbere 93er* 
bältniife oorliegett und biefe ©enoffenfehaft wirflid) gefördert non 
alten Jyaftoren, oon ben natürlichen (^riften^oerbältniffen ber in 
faage fommenbett Snbuftrie, wie oon einer Steifte inbioibneller unb 
fpe^ififcher Momente tnd Leben tritt. 

Nach ber Anfid)t eined ber beften Kenner ber ganzen ©enoffen* 
fchaftdbewegung, Dr. £>and drüger*@barIottenburg (ogl. Artifel 
„Brobuftiogenoffenfchaften" im .v)anbwörterbud)c ber Staatdwiffen* 
febaften), wirb 

„bie Brobuftiogeuoffcnicbaft am cheftcn überall ba erfolgreich fein, wo 
ber Breis bes Brobuftes hauptfädjlid) burrfi bie Arbeit beftimmt mirb, 
wo Arbeit uttb perföiiliche (Energie für bas ©cbeiljeti bcs Unternehmens 
eutfcbeibeitb fiab, wo ber Abiaß ein gefid)erter ift unb um eine gleich* 
mäßig große ^Ingaljl oon Arbeitern befrfjäftigt werben famt. ©anz be* 
fonberd zur geuoffenfchaftlicheu Crganifatiou eignet (ich aber bie .fraud* 
inbuftric." 

AHcd, wad ber erfahrene Autor oorftebenber Säpe ald Bedingungen 
ber erfolgreichen Begründung unb bed ©ebeihend einer ^robuftio* 
genoffenfdjaft hier ooraudfept, trifft in Dorliegeitbem 3aUe zu unb 
noch weit mehr. 3n erfter Linie ift ber Abfap des Artifcld nach 
menfchlicher Boraudficht ein gefieberter unb feit Bienfehengebenfen 
ein !onftanter, ja fteigenber. Meine audlättbifche unb feine inlän* 
bifche Moufurrenz bebroht ihn, unb auch in unferer 3»buftrie felbft 
wetteifern nicht etwa oerfchiebene Betriebdformeii untereinanber. 
Meine Biafdjine ermöglicht einem Unternehmer, bie Arbeit bed mit 
fojufageu ererbten Menntniffen fdjaffenben $)eiinarbeiterd burdfj bie 
Leitungen einer ungefdjulten ^anb zu erfepeu. SDie ©efcfjicflichfeit 
unb Erfahrung bedArbeiterd ift audfdjlaggebenb für Citalität unb 
Quantität ber Brobuftion, unb feine Arbeitdfrafl bilbet ben öaupt* 
faftor ber ^reigbilbung. Mautit irgenb eine wefentlicbe (Gefahr 
droht alfo bem neuen Unternehmen uon außen. 

$)ie Draanifation ber ©enoffeufchaft ift aber eine fo oorfichtig 
angelegte unb gut funbirte, baß and) aud ben fpe^ififdjen Verhält* 
niffen biefer ©enoffeufchaft wohl feine unüberwindlichen Schwierig* 
feiten fid) ergeben werben. $)iirch bie ftuge unb zweckmäßige 
Beßhränfung auf ben Abfap an bie ©rporteure unb ltnterlaffuug 
einer eigenen ©fporttpätigfeit, bie jumeift wohl eine auf große ©r* 
fahrungen unb" Menntniffe bed Bkltinarfted geftüpte iubioibuelle 
Leitung unb auch gt’oßc S^ififcn zur Boraudfepung hat, bricht bie 
©enoffeufchaft bem begreiflichen Mißtrauen ber ©£porteure, ber ein* 
fluß* unb fapitaldreid)ften Saftoren ber Snbuftrie, bie Spipe ab; 
burch Befestigung aller tüchtigen Lieferanten oermieb fie ed, biefen 
Staub feiner ©pftenzmittel 311 berauben unb fid) gutn ©egner 3U 
machen; burch eine auf mobernen Anfchauungen unb 'sßrin^ipicu 
beruhenbe ©ewinnoertheilung wirb fie fi<h bie ©uitft unb and) ben 
©ifer ber Arbeiter erwerben. Bon ben offiziellen Aaftorcu wirb 
bie ©euoffenfdjaft, wie bisher, auch in 3 u t mi ft geförbert werben. 
Aud) bie Arbeiter fepaft ald Partei, fowie in ihrer gcwerffdjaftlicheu 
Crganifatiou befürwortet in ihren Streifen, wenn and) unter Bkp s 
rung ihrer prinzipiellen Neutralität, bie llitterftiipitng ber ©enoffeit* 
frfjaft unb ben Beitritt 311 ihr. 

Unb nun 31 t einem ber heifeliteu fünfte, 31 U' ©elbfrage! Biele 
ber heroon*agenbfteu Meitner be$ ©euoffenfchafti&wefenö oerwerfen 
bie |)ülfe ooit außen, burch Staat unb Brioate, uitb h a ^ en ^ 
Brobuftiogenoffenfhaft nur bann thatfächlid) für ein geeignete^ 
Ntittel ber ©tnau 3 ipation ber Arbeit, wenn fie and eigener Suitiatioe 
ber Arbeiter entfpringt unb mit ben eigenen Mitteln ber Arbeiter 
ind 3Öerf gefept wirb, fner aber geben zunächft nur Brioate unb 
ber Staat bad ©elb her unb auch bie Leitung ber ©enoffeufchaft 
ift ooit aufjeit beeinflußt. Vlber wenn nun auch bad ©rftcre bem 
Berfafier felbft ald ein bebenflidje^ Moment erfd)cinen will, wenn 
and) wirflid) 31t befürchten fleht, bafj bie Arbeiter, fid) felbft über* 
lajfcu, bie Summen, über bie fie nun 31t oerfiigeu haben, über* 
fchäpen, fd)led)t uermalten unb fid) ber eigenen Arbeit unb bed 
Lernend überhoben glauben würben, fo werben gerabe biefe Be* 
benfen burch bad zweite Bioment einigermaßen ^erftreut. 2?cnn 
freilich fehlt ber Nrbeiterfchaft bie geuoffenfchaftliche Borfdiule, 
freilich fehlt ihr nocf) ber (iinblicf in bae ©efchäftdlebcu, aber bie* 
jenigeu, bie bad ©euoffenfchaftdprojeft, einen laugerfehuteu 92öunfd) 
ber Arbeiter, mit ihrer Miilfe in bie ®rflid)feit ntngefept haben, 
bie wollen nid)t nur ©elb geben, fonberu and) bie ©r.dehung 311 
beffen ©ebraud). 

„Bür haben bie Arbeiter auf*? Bferb geießt, nun füllen fie — 
uidit gleich reiieu , aber reiten lernen/' meinte einer ber am ver* 


oorrageitbften au ber ©enoffenfehaftdgrünbung betheiligten Ntänner. 
Db fie ed lernen werben, ob bad $ferb bad rid)tige unb ob ed 
rid)tig gefältelt unb gesäumt ift, wirb freilich erft bie 3ufunft 
lehren, jebeufalld wirb hier ein bebeutfamer Berfud) gemacht 
unter ben günftigften 2lufpicien. Unb ed wirb für Stheoretifer unb 
Braftifer ber 3Kiihe werth fein, biefen Berfuch, ber audi theore* 
tifchen ©egnern Sympathie absuringen geeignet ift, mit Äufinerf* 
famfeit 311 oerfolgen.*! 

Neidjenberg. Biar 00n ^apenthal. 

^Ugemdtte Qojiol- unb ÄirtljrdjaftspoUUfe. 

Arbeitgeber ttnb Unternehmer. 

©in Beitrag 3ur ^Regelung bed 3Sahlred)td für bad 
©emerbegericht. 

3n ber Spraye bed gewöhnlichen Lebend pflegt man gwifcfjen 
einem „Arbeitgeber" unb einem „felbftänbigen Unternehmer" feinen 
Unterfd)ieb 31t machen. B?an hat eben bei Anweitbung beiber Be* 
griffe nur ben ©egenfap bed fo^ial unabhängig für eigene Nedjming 
Arbeitenden 311 bem abhängigen Arbeitnehmer im Auge. 3m red>t- 
lichen Sinne aber ftnb biefe beiden Begriffe burchaud oerfchieben: 
Nicht jeder Arbeitgeber ift felbftänbigcr Untemehmer, unb nicht 
jeder felbftänbige Unternehmer ift Arbeitgeber. 

Ilm bied uaduumeifen, muh man sunächft beide Begriffe 3U 
befiniren fuchen. Leiber giebt bie ©ewerbeorbnung für eine ^e* 
finition feinen Anhalt. ®enn fte gebraucht häufig beibe Begriffe 
ald gleichbebeuteub (ogl. 3. B. § 133a „oon ©ewerbeunter* 
nehmern . . . befdjäftigte Berfonen", denen gegenüber nach § 133c 
Abf. 2 ber „Arbeitgeber" gewiffe Ned)te hat), während fie au 
oieleit anderen SteHen swifd^cu „Unternehmer", „©ewerbetreibenber" 
unb „Arbeitgeber" 11 nterfd)eibet. 

§)ält man fleh bedhalb sunädjft an ben Bdortfinn, fo ift „felb* 
ftänbiger Unternehmer" derjenige, ber eine Arbeit sur And* 
führung auf eigene Nechnnna übernimmt. Selbftänbiger 
Unternehmer ift alfo nicht nur der grofce gabrifant ober .?>anb= 
werfdnteifter, ber oiele ©ehülfen befchäftigt, ober der Mleinmeifter, 
ber ohne fremde$ülfe arbeitet, fonbern auch ber fogial abhängige 
Arbeitnehmer infoweit, ald er einmal audnahmdweife ein Stücf 
Scharwerf auf eigene Nedjmincj audfiihrt (3. B. ber Nofirleger, ber 
für feinen $>audwirth eine flaue Reparatur an ber 9ßafferleitung 
oornimmt). 

Arbeitgeber dagegen ift nach & em IBortjinn derjenige, ber 
3emanbem Arbeit giebt, ber 3^manben ald feinen Arbeitnehmer 
befd)äftigt. Arbeitgeber ift alfo nicht nur ber mit ©ehülfen 
arbeitende felbftänbige Unternehmer, fonbern auch ber £>aud* 
inbuftriellc rücfficf}tlicf) bed Nechtdoerhäliniffed 3U feinen §ülfdfräften. 

Beibe Begriffe bccfeit fleh alfo nicht, obwohl fie bie ©ewerbe* 
Ordnung mehrfach ald gleichbebeuteub anwenbet. hierdurch ent* 
ftehen auch im Nahmen ber ©ewerbeorbnung feine Schwierig* 
feiten, weil gerabe dort, wo beibe Begriffe oermifcht werben, über 
den Sinn bed ©efefced fein 3meifel befteht. 

Bon erheblicher Bedeutung dagegen ift ber llntcrfcfjicb 3wifcf)cii 
„Arbeitgeber" und „Unternehmer" auf einem anderen ©ebiet. 

3)ie Beifiper ber ©ewerbegeriepte „miiffen 3«r |)älfte aud den 
Arbeitgebern .... entnommen fein", fie „werben mittclft Bkpl 
ber Arbeitgeber . . . befteüt" (§ 12), denen im § 14 gewiffe 
andere Berfonen gegeftelit find. (Endlich find nach § 13 nur „bie 
näheren Beftimmungen über bie B3aht und bad Berfahren bei der* 
fclben" der ortdftatutarifchcn Negclung überwiefen. 

: ’n ©!? ift ein bcmerfcndwcrthcr /ufall, baß glcid) 3 eitig mit brr 
oben geid)ilbcrtcn großen ^robuftiogeuoffenfehaft int ©ablonzer Bewirte 
eine zweite Arbeiterprobiiftiugcuo|fciijci)aft in einem anderen $>au«iiiduftrie* 
gebiete Norbböbmen« im? Leben tritt, bie „©rfte Bürgfteiuer Ber* 
einig 1111 g 3111 * r 3 cngnng oon Na Innen, regiftrirte ©eiiofienidmft 
mit beidiränltcr imftung". Xiefc etwa 4u ältere Arbeiter zählenbe We* 
noiienidjflft löft bie Airma ,,©arl ©rar Min?fi) ©rben" in Bürgfiein ab nnb 
ift in bcrB?eife 311 Staube gefommen, baß ber bi*?berige /siibaber biefer 
A-irma, ©raf .stinofii, fein Unternehmen, bie fabrikmäßige Urzeugung 
oon banptiäd)lid) für ben Urport nad) /snbien nnb Amerifa beftimmten 
Spiegelrabmen felbft nicht weiter betreiben, mit Niicffidit auf bie lang* 
jährige Bcfihäitignng ber Arbeiter bei ber A-irma nnb auf ben Bcftaud 
einer wohl fnnbirten Mrattfeu* unb $eufiouöfaffe aber ba? Unter* 
nehmen aud) nidjt oollftänbig auflöfeu wollte, weshalb er baffelbe 
feinen Arbeitern übertrug, iljnen gleichzeitig bie freie Benupuug ber 
A-abrif, ber Niafthineu, iWräthc, bie Urlebiguug ber oorbaubeneu Auf* 
träge :e. iiberlaffeub. Xie Arbeiter oeriitdieu nun, zu einer Brobuftio* 
geuotfeuichait orgnuinrt, ben Betrieb mit eigenen Banuittelii weiter* 
zutiihren. 



273 


©ojiale fprajis. <5entraI6Iait für ©ojialpolittf. Ar. 11. 


274 


( 5 ? fragt ficfj bal;cr, ob jeber felbftänbige Unternehmer als 
Arbeitgeber wahlberechtigt ift. Diefe grage roirb nach oorftehenben 
Ausführungen 311 oerneinen fein. Aur Derjenige Unternehmer barf 
Sitm ©ewerbegerid)t wählen, ber gleichseitig Arbeitgeber ift; beim 
im ©efefc ift nirgenbs bem „Unternehmer" eine ©iitwirfitrtg auf 
bie 3 u f amm enfebung Des ©ewerbegerichts eingeräumt, bort ift oiel* 
incht immer nur 00 m „Arbeitgeber" bie Aebe. Die 33orgefd)id)te 
beS ©ewerbecjcrichtSgefeheS fönnte aßerbitigS eine anbere Anfidjt nahe 
liegen; benn ein Antrag, bett begriff beS Arbeitgebers bahiit jubeftniren, 
bag er Arbeit geben unb fein ©ewerbe angemelbet höben muffe, 
würbe in ber äommiffion abgelehnt. SDiefe Ablehnung aber er« 
folgte nicht, weil man bie Definition für falfch ^ielt, fonberen weil 
man nicht ju fet)r generalifiren wollte, 3öenn in ber Äommiffion 
ualeich ber ©ebanfe auSgefprochen würbe, biefe Definition folle 
ieber baS DrtSftatut auSfprechen, fo !ann biefer ©ebanfe, ba er 
im ©efefc felbft feinen AuSbrucf gefunben hat/ feinen Anfpruch auf 
S3erücffid)tigung machen. Denn nach § 13 Abf. 4 hat baS DrtS* 
ftatut (abgefehen oon bem gefefclid) befonberS h en, 0 r 9 e h 0 & cncn 
0 pe 3 ialfau beS § 14 Abf. 2) nur „über bie 3öahl unb oaS 33er* 
fahren bei berfelben", nicht aber über baS Wahlrecht 33eftimmungen 
SU treffen. 

©S ift beShalb auch nicht möglich, burch baS DrtSftatut folche 
3?erfonen jur SBahl ber Arbeitgeoerbeififcer gujulaffen, bie smar 
Unternehmer, nicht aber Arbeitgeber ftnb. 2So biefer S3erfuch etwa 
gemacht worben ift, ift er ungefehlid). 

Glicht ni leugnen aber ift eine ©chwierigfeit, bie ftd) aus biefer 
Trennung Der beiben in Aebe ftehenben begriffe ergiebt. V3o — 
wie 3 . 33. in Berlin — Sählerliften aufgefteHt werben, rnüfcte bei 
jebem ©inseinen, ber als Arbeitgeber eingetragen werben will, feft* 
gefteHt werben, ob er wirfUd) „Arbeit giebt", b. h- ob er in ber 
Aegel Arbeitnehmer Befcfjäftiat. 3Boßte man in jebem 3aß einen 
ftriften Nachweis erforbern, fo würbe in großen ©täbten eine ge« 
rabegu nicht 5 U bewältigenbe Arbeit für Den 9ßagiftrat bei Auf« 
fteHung ber ßifte entftehen. Diefe ©djwierigfeit liehe fich aber 
leicht heben, wenn man folche Unternehmer, welche ttotorifcf) ©e« 
hülfen befestigen, ohne weiteres eintrüge unb bei ben übrigen 
ftd) mit einer ©laubhaftmachung im ©inne ber ©ioibprosefe« 
orbnuna begnügte. Da| in beiben Aichtungen gro^e Vorfid)t am 
$tage fein würbe, ift flar. Voürbe hoch wohl manche eibeSftatt« 
liehe Vcrfidjerung leichtfertig abgegeben werben, unb giebt eS hoch 
anbererfeits Unternehmer, bie — wie 3 . 33. ein großer 33auunter« 
nehmer in 33erlin — nicht einen ewigen Arbeiter befchäftigen, 
fonbern ftets ihre großen S3auten einer anberen $erfon in ©eneral* 
entreprife übertragen unb felbft nur beren Dbätigfeit fontroliren. 

Ungenügenb ift bagegen ber Wachweis, ben 3 . 33. baS 33erliner 
DrtSftatut (§ 13) für auSreichenb hält, bah nämlich ber ©in« 
mtragenbe fein ©ewerbe angemelbet ober oerfteuert habe; benn 
oaburch weift er nur nach, bah er felbftänbiger Unternehmer, nicht 
aber, bah er „Arbeitgeber" ift. 

23erlin«£>alenfee. §anS ©thtnieber. 


Der @efe|entamrf über ben Arbeitsertrag in felgten. 

SSorauSfichtlich noch oor ©d)Iuh beS SalpS wirb ber Projet 
de loi sur le contrat de travail in ber Acpräfentantenfamnter sur 
33erhanblung unb auch ohne wefentliche 33eränberungen ber in ber 
Section general ber Kammer feftgefteHten Raffung sur Sinnahme 
fommen. Der belgifcfje Code civil behanbelt ben ArbeitSoertrag 
lebiglich als AtiethSoertrag. Artifel 1708 fagt: fl ll y a deux 
sortes de contrats de louage: celui des choses, et celui d’ouvrage“. 
lieber bie Pflichten ber Arbeiter unb Arbeitgeber gegen einanber 
enthält baS ©efefcbuch nichts. 

3 m 3 ahre 1891 beauftragte ber bamalige 3 aftisminifter 
#e Senne eine Eommiffion, an beren ©pifee ber äaffationSgerichtS* 
rath oan Verdient ftanb, mit ber Ausarbeitung eines ©efe(jentrourfs 
sur les efFets du contrat de louage des ouvriers et des domes- 
tiques. S3on ben 110 Artifeln beS oon biefer Üommiffion aus« 
gearbeiteten ©ntwurfs behanbelten nicht weniger als 93 bie ©nt« 
jchäbigungSpflicht beS Arbeitgebers bei Unfällen. Diefer oon ber 
Regierung eingebradjtc ©nttourf !am wegen Auflöfung ber Kammern 
nicht s»r 33erhanblung, unb als er 1893 oon Weucm oorgelegt 
würbe, erlitt er baffelbe ©djicffal, wenngleich er bieSmal wenigftenS 
in bie Eommiffion gelangt war. ©rft 1895 würbe bie Angelegen« 
heit wieber aufgenommen. 3 uswifd)en war bas SRinifterium für 
Arbeit unb Snbuftrie errichtet worben, unb bie gefefcgeberifchen 
Aufgaben auf fosialem ©ebiet fielen nunmehr biefem 311 . Der 
neue SRinifter, £>err WpffenS, beauftragte ©nbe 1895 ben Conseil 
superieur de travail mit ber Ausarbeitung eines ©efefcentwurfS, 


ber fich aber auSfdjliehlid) auf ben ArbeitSoertrag bestehen unb 
bie 3rage bet Unfattentfd)äbigung bei ©eite laffen follte. Auf 
SSunfch ber innerhalb beS Conseil superieur unter Vorfifc beS 
|>erm $rinS errichteten ©pesialfommiffion geftattete ber WUnifter 
fpäter aber hoch bie ©inbesiehnng jener Srage. 

Der oorlicgenbe ©efejjentwurf ftüfct fich auf bie Arbeiten jener 
$ommiffionen oon 1891 unb 1895, hoch weidet er oon ihnen in 
böchft wefentlicben fünften ab. 33or Allem ift bie Unfallentfchäbi« 
ung außerhalb beS AahmenS beS ©efefceS geblieben, ba fowohl 
er SRinifter wie bie £ammerauSfd)üffe ber Attficht waren, bah es 
oorsusiehen fei, biefeS h^dhft wichtige ©ebiet oon Verpflichtungen 
ber Arbeitgeber gegenüber ihren Angefteltten sum ©egenftanb eines 
fpesiellen ©efefceS 3 U machen. Auch biefeS ©efefc liegt ber Kammer 
gegenwärtig oor unb beibe ©efefce werben oorauSfidjtlich gleich* 
Seitig auf bie DageSorbnung fommen. 3Sir werben ben Unfatt« 
oerfidjerungSentwurf in einem fpäteren Slrtifel befprechen. 33e« 
achienSwerth aber i)t, bah bie ©efefegebung, inbem fie fich enblich 
anfehidt, ben ArbeitSoertrag als einen 33ertrag sui generis auf* 
Sufaffen, bie UnfallentfchäbigungSpflicht als eine Pflicht in einer £ette 
oon pflichten auffaht. ©in weiterer Unterfchieb beS oorliegenben 
©ntwurfs oon bem oon 1891 befielt barin, bah er nicht wie jener 
bie Dienftboten ben Arbeitern anreiht, fonbern fie aus bem ©efefce 
fortläht. Die 3Rotioe bearünben biefe AuSfchliehung bamit, bah 
eS nur su Äonfufionen führen fönnte, wenn man swei fo oer* 
fchiebene klaffen in ein ©efefc hätte sufammenfaffen wollen, ©benfo 
finb bie fiehrlinge auSgefchloffen. 

Der ©ntwurf, wie er aus ber ©eftion heroorgegangett ift unb je^t 
ber Kammer oorliegt, beginnt mit allgemeinen Veftimmungen; be* 
adjtenSwertfj hierbei ift Artifel 5, ber feftfept, bafe alle gorberungen, bie 
auS bem ArbeitSoertrag berühren, wenn nicht ©pesialbeftimmungcn 
oorliegen, nach fed)S SRonaten oerjähren. Dann folgen bie Artifel, welche 
bie 33erpflid)tungen ber Parteien feftfe^en. Der Arbeiter ift aud) pr 
Söabrung ber fvabrifgebeimniffe oerpflidjtet. Unter ben Pflichten oeS 
Unternehmers finb bie folgenben fünfte heroorsuheben: er hat mit ber 
©orgfalt eines guten fvamilienoaterS unb unberührt burd) alle entgegen* 
ftehenben Abmachungen barüber su wachen, bah bie Arbeit unter an* 
genteffenen Vcbingungett in Vesug auf ©i(hei*heit unb ©efunbheit beS 
Arbeiters fid) uollsiebe. 35Senn er bie Verpflidjtnng übernommen hat, 
bem Arbeiter SSohnuitg unb ifoft su geben, fo muh er ihm eine an« 
gemeffene Wohnung unb eine gefunbe unb ausreid)enbe itoft liefern. 
@tn weiteres Kapitel haobelt oon ben oerfchiebeneit Ratten, in beneti 
bie Verpflirfjtungcn ber Parteien aufhören, hierbei oerbienen befonberS 
bie Veftimmungen über ÄünbigungSfrift unb Äoutraftbruch Ve« 
aebtuug. 3Benn nicht burch Vertrag ober ortsüblidjen ©ebraud; anberS 
beftimmt ift, wirb bie Äünbigungsfrift auf wenigftenS 3 wei Sodien an* 
gefegt. betrieben aber, wo baS Vorhanbcnfein einer f^abriforbnung 
obligatorifd) ift unb biefe nidjtS über bie Äünbignugsfrift beftimmt, 
oraucht eine folche auch ntd;t eingehalten su werben. Die (välle, in 
benen ber Unternehmer ben Arbeiter ohne Äünbigungsfrift entlaffen 
fann, fmb im ©efeh aufgejä^It. ©in $imft hifröfi erfcheint bebenflich 
unb fönnte unter Umftänben s u ©Ijdanen gegenüber bem Arbeiter be* 
nufct werben. Artifel 17 nennt nämlid) gulejht als ©runb sur fofortigen 
©ntlaffung beS Arbeiters auch ben galt: „wenn er eS an feinen Ver* 
Pachtungen gegenüber ber guten Drbnung, ber Disziplin beS Unter* 
nebmenS ober ber Ausführung ber Arbeit fehlen läht." Die „gute 
Drbnung" ift unferer Meinung nach ein 311 unbeftimmter AuSbrud! 
Unter ben fällen, in benen ber Arbeiter ben Dien ft ohne ft ünbigung 
oerlaffen barf, beftnbet fich audj ber, wenn ber Unternehmer eS bulbet, 
bah einer feiner AngefteDten ben Arbeiter'fdjledjt behanbelt. SBetbliche 
Arbeiter, bie im .£>aufe beS Arbeitgebers ober ArbeitsleiterS wohnen, 
haben baS Aecht, ben ßontraft su löfen, fobalb bie ©atttn ober ^>auS* 
oorftchenn ber Arbeitgebers ober Arbeitsleiters,' bie sur 3 c it beS Sion* 
traftabfdjluffes oorljanbeu war, ftirbt ober auSsieht. 

©S folgen bie Veftimmungen über ben Älontraftbrud). Die 
gartet, bie fich eines foldieu fchulbig macht, fott sur Zahlung einer 
©ntfehäbigung oerpflidjtct fein, welche ber Hälfte beS bnrdifdjnittlichen 
Sohnes ber Dage entfpricht, währenb beren bie Arbeit nodj hätte fort* 
baueni müffen; hoch barf biefer Vctrag niemals ben biird)fd)uittltd)eu 
SSodjenlohu itberfteigen. Alle Abfommen über f)öf)ere ©ntfchäbigungeu 
bei Slontraftbruch finb nichtig. Dodj werben für Säße, mo eS fidj um 
bie Voßenbung oon gans beftimmter auSbebiutgener Arbeit ljaubelt, 
gewiffe Ausnahmen oorgefehen. 

©nbltdj folgen nodj einige befonbere Verfügungen für ftrnuen unb 
Vüriberjährige. Diefe fonnen jeben ArbeitSoertrag abfddiehen, faßS 
nicht ber Vater, ber ©atte ober ber Vormunb bem Arbeitgeber ober 
VetriebSleiter bagegen proteftiren. ©cfd)ieht bicS, fo füuncit ber?iiinber* 
jährige unb btc oerheirathete ^rau beim ftriebensridder ©infprud) er* 
heben, bem bie ©ntfdjcibuug 3 uftel;t. Audi ber Sohn wirb bem Winber* 
jährigen felbft ausgcsafjlt, wenn bev Vater nidit Dagegen proteftirt. 
©egen biefeit ^roteft fann ber Vitnberjährige wieberum beim ^riebeus* 
richter ©infprud) erheben. 

3Senn fefjon bie einzelnen Veftiutmungcn biefeS ©efehentwiirfs 
über ben ArbeitSoertrag praftifd) feinesmegS itnwidjtig finb, fo 
liegt ber ^auptwerth biefeS ©efe^eS in Anbetradjt ber fosialett 



275 


6ojtair$rajtfi.'" dentralBIatt für Sogtalpoltttf. Sir. 11. 


276 


3 uftänbe in Belgien bo<h auf allgemeinem unb etfjiftfjem ©ebiet. 
Snbem ber ©efefcgeber gugiebt, bah ber ArbeitSoertrag ein Eontraft 
sui generis ift unb lein blofjer ERiethSoertrag, macht er bem neuen 
fojialen ©eift, wenn auch fpäter als anberSwo, ein 3ugeftänbnih, 
beffen Eonfequengen gar nid)t überfdfjäfet werben fönnen! 

Brüffel. ©uftao ERaper. 


Sogialpolitifiijc Anträge im $eutfdjen BetdjStage. ®ie in ber 
X^ronrebe angefiinbigten fogialpolitifchen BegierungSoorlagen finb 
bem Beichstage noch nicht gugegangen, wohl aber finb oon ben 
oerfdiiebenen Parteien bereits ga^lreic^e Anträge fogialpolitifcher 
Baiur eingebracht roorben. ©S befinben fich barunter mehrere alte 
Befannte. ®ie 6ogialbemofraten inSbefonbere ^aben faft aus» 
fchliehlicfj ihre früheren Anträge wieberholt; fte begroedfen neben 
einer Reform ber ©ewerbegerichte unb ber ©ewerbe*3ufpeftion, ben 
©rlah eines Beidt)SberggefefceS, bie ©inführung beS Adhtftunben* 
tageS für alle im Cohn®, ArbeitS* unb 3)ienftoerhältnih im ©e* 
werbe®, Snbuftrie®, £>anbels* unb BerfehrSroefen befchäftigten $er* 
fönen, unb bie ©ewäprung ooller BerfammlungS® unb BereinigungS* 
freibeit. 2>ie ©ewerbegeriebte follen obligatorifdb gemacht unb baS 
Söablredbt gu ihnen auch beit Arbeiterinnen ertpeilt, gleicbgeitig 
foH baS aftioe unb pqffioe ESahfrecht auf baS oollenbete gwangiafte 
ÖebenSjahr ^crabgefe^t werben. 2)ie ©ewerbe*3nfpeftion wieber 
foH gur Beichsfache gemacht unb bur<h befonbere „BetriebauffichtS® 
beljörben" wahrgenommen, bie Auffid)t auch auf bie £>auSinbuftrie 
auSqebehnt werben. 3n ben SnfpeftionSbegirfen foH bie Betriebs® 
auf ficht oon Beid)Sbeatnten unb Beigeorbneten gemeinfam mit bem 
Bed)t auSgeübt werben, ihre Anorbnungen gwanaSweife burchgu* 
führen. $)ie Beiaeorbneten follen auf ©runb oeS attgemeinen 
Stimmrechts oon Den fmlfSperfonen aller Betriebe gewühlt, weib® 
liehe Beamte unb Beigeorbnete aber follen entfprechenb ber 3 fl hl 
ber in ben betrieben befchäftigten weiblichen |>ilfSperfonen ange® 
fteHt, begw. gewählt werben. 

©in Antrag ber liberalen Abgeorbneten Sßachnicfe unb Boeftcfe 
oerlangt bie ©inrichtung eines BeidhSarbeitSamteS gur Unter® 
fuchung unb gtftftellung ber Arbeiteroerhältniffe im $eutfchen 
Reiche — alfo ein arbeitSftatiftifcbeS Amt, wie es in ©nglanb, 
granfreich, Belgien unb anberSwo feit 3ah r en unb in Oefterreid) 
feit bem 1. Oftober befteht. $)ie „Sog. B*ajiS" ift in Br. 38, 
Sahrgang VH/ f«h r nachbrüdflich für ein folcheS Amt eingetreten. 

©in Antrag beS ©entrumS oerlangt oon ben oerbünbeten Be* 
gierungen balbthunlichfte Vorlegung eines ©efefcentwurfeS gum 
ymeefe ber ©rrichtung oon ArbeitS f am mern, um fo „ben 

Arbeitern ben freien unb frieblichen AuSbrmf ihrer Söünfdje unb 
Befchwerben gu ermöglichen unb ben StaatSbehörben ©elegenheit 
gu geben, fid) über bie Berhältniffe ber Arbeiter fortlaufenb gu 
unterrichten unb mit ben lefcteren Fühlung gu behalten." (Eaifer® 
liehe 3ebruar®©rlaffe oom 4. gebruar 1890.) 

Weitere Anträge begweefen bie Anerfennung unb Bedjtsfähig* 
feit ber eingefchriebenen BerufSoereine; bie Bationalliberalen 
wieberholen bie alte Sorberung einer Aufhebung beS Verbotes, 
woburrf) inlänbifchen Vereinen unterfagt wirb, mit einanber in 
Berbinbung gu treten. EBie aus ber Ueberficht über bie ©nt® 

fchliefjungen beS BunbeSrathS begüglich ber oorjährigeit Befdf)lüffe 
beS Reichstags erfid)tlid) ift, h a * ber BunbeSrath, wie gu erwarten, 
ben Beid)StagSbef<hlüffen in Betreff ber BerufSoereine, ber ©r- 

weiterung beS EoalitionSrethtS 2 C. „feine Sfolge" gegeben. Auch 
hier wirb fteter tropfen ben Stein höhlen. 

Bon ben Bationalliberalen finb enblich Anträge auf ©rrichtung 
faufmämtifcher SchiebSgerichte, auf ©rgängung beS §. 133 a ber 
©ewerbeorbnung betreffenb bie EünbigungSfrift, auf AuSbehnung 
beS ArbeiterfchufceS auf bie ESerfftätten ber §auSinbuftrie ein® 

gebracht worben. 

Arbeiteröerbänbc nnb 3fabrifautettfpnbifate. $)er frühere 
öfterreichifcfje Sinangminifter unb jefeige SenatSpräfibent am Oberften 
©erichtshof in EBien, Dr. Steinbad), hot unlängft in ber 3»nfti® 
fchen ©efeEfdjaft gu EBien einen Bortrag über ben ©goiSmuS ber 
©efellfd)aft ober bie gcfeflfdjaftlicbe ERoral gehalten, ©r wies babei 
u. 21. auf bie lebhafte Betätigung beS forporatioen in 

unferer 3eit hin- ©euoffenfdjaften, Bereine, Slffociationen, ©emeirt® 
fchaften bilben fiefj immer mehr aus unb haben bett 3 ro ecf, gerabe 
wie ber Staat felbft, baS s Bohl if>rer ©lieber gu förbern unb 
„einen gefunben ©goiSmuS ju betätigen". 2>iefe Eorporationen 
unb Bereine finb geneigt, eine £)anblungSmeife ihrer BHtglieber, 
welche gegen ben ©efammtegoiSmuS oerftö&t, gerabe fo wie ber 
Staat als Berlefcung ber „guten Sitten" aufgufaffen: 


„®aS moralifche Urteil ber SRitglieber eines rbeiteroerBaubeS 
in Betreff jener ©enoffen, welche ihre HrbeitSfraft um niebrigeS ©ntgelt 
anbieten ober mäljrenb eines 2luSftanbeS fi<h gur Arbeit bereit finben 
laffen, unterfcheibet fich in feinem Inhalte faum trgenbioie. oon bem 
Urteile ber SRüglicber eines gabrifantenfpnbifats in Betreff eines 
©enoffen, ber burdh erhöhte Sohnanbietungen anberen SpnbifatS* 
mitgliebern gefdhiefte Beamte ober Arbeiter entgieljt ober einen Eartell® 
oertrag oerlefct." 

SlrBeiterauSftüffe Bei ben Ba^ertfdBett StaatSBahnen. Beit 
©enehmigung beS BfinifteriumS l;at bie ©eneralbireftion ber 
baperifchen Staatsbahnen über bie ©rrichtung oon 2lrbeiterauS® 
fthüffen für bie im Xaglohn befchäftigten ftänbigen Arbeiter beS 
Betriebs® unb BahnunterpaltungSbienfteS bie BoEgugSbeftimmungen 
erfaffen. Bach hen allgemeinen ©rläuterungen follen bie Arbeiter® 
auSfcbiiffe bie 5Röglid)feit ftaffen, bie Ooerbahnämter über bie 
2 Bünf<he unb Anliegen ber Arbeiter burdh bie oon biefen felbft ge* 
wählten BertrauenSntänner unmittelbar gu unterrichten unb im 
SSege georbneter Berhanblungen eine Berftänbigung über alle 
Slrbeiterangelegenheiten attgemeiner 2lrt herbeiguführen. $ie 
HrbeiterauSfchüffe werben an ben Sifc ber Oberbahnämter gelegt, 
unb bie Berhanblungen haben unter Seitung eines Oberbahnamts* 
beamten ftattgufinben. ®ie erfte BSahl ber 2lrbeiterauSfd)üffc finbet 
gegen SRitte 2)egember ftatt; bie 2luS[d)üffc felbft fotten im 3ah^ 
1899 ins fieben treten. Bach ben weiteren Beftitmnungen über bie 
©inrichtung unb ^hätigfeit ber 2luSfchüffe follen in ihnen attge* 
meine fragen beS SlrbeitSoerhältniffeS unb foldhe fragen, bie fich 
auf baS SSohl ber Arbeiter begiehen, befprodhen unb fürStationS* 
unb Bangirbienft, ©üterbienft, BkrfftättentranSportbienft, Bahn* 
aufftchtS* unb BahnunterhaltunaSbienft (2lblöfer* unb Bahnarbeiter* 
bienft) je ein eigener 2luSfchu& gebilbet werben. 2)er 2luSfchu6 
befteht aus minbeftenS 3 unb hödhftenS 15 SRitgliebern. Beben 
ber Berpflidjtung, Anträge, Sünfche unb Befdjwerben bei bem 
Oberbahnamte oorgubringen ober über ©inrichtungen gur Ber* 
hütung oon Unfällen, B3ohIfahrtSeinrichtungen gutachtlich S u öe* 
richten, haben bie 2luSfthiiffe auch bie Aufgabe, Streitigfeiten ber 
Arbeiter untereinanber gu flüchten. S)ie Sahl ber 2luSfchu6mit* 
glieber erfolgt auf brei 3ah^. — &ieS Borgehen ber baperifdhen 
StaatSbahnoermaltung fticht erfreulich ab oon ber ablehnenben 
Spaltung, bie bie fädjfifche Begierung gegenüber BSünfchen oon 
Bahnarbeitern auf ©inrichtung oon 2lrbeiterauSfchüffen eingenommen 
hat. (Bgl. „Sog. ^ßr." 3ahrg. VII, Sp. 1338.) 

2)aS Bfterreidjifdje Arbeitsamt. ^)ie öfterreidhifche Begierung 
hat neuerlich — gum britten 9Ral — bem Parlamente einen ,,©e* 
fefeentwurf betreffenb bie 2lrbeitSftatiftif" oorgelegt. Befanntlidh 
ift im Sommer taufenben SahreS bereits bie ©mdjtung eines 
arbeitsftatiftifchen Amtes im ^anbelsminifterium auf ©runb eines 
©rlaffeS erfolgt. $)ie neue Borlage ift bagu beftimmt, bie Süden 
in ber Organifirung beS arbeitsftatiftifchen SDienfteS auSgufüHen. 
$)er ©ntwurf ftatuirt gunädjft eine allgemeine 2luSfunftSpfliid)t ber 
für bie 3we<fe arbeitsftatiftifcher ©rliebungen gemäfe bem Statute 
beS arbeitsftatiftifd)en Amtes Befragten, baS Bedjt ber für arbeitS* 
ftatiftifche ©rhebungen legitimirten Organe, ©inficht in gewiffe 
Sjhriftftücfe (2lrbeiteroergeichniffe, Arbeitsbücher zc.) gu nehmen, fo- 
wie bie Arbeitsräume u.f.w. gu betreten. ®ie 3uerfennung biefer 
Beredjtigungen foH bie Bornahme perfönlicher ©rhebungen auch 
bort ermöglichen, wo etwa wenig ©ntgegenfommen gu finben wäre, 
fowie auch unter allen Umftänben im Sntereffe ber ©enauigfeit 
ber ©rfaffung bie 9Rögli<hfeit wahren, bah fid) bie Organe ber 
ArbeitSftatifhf nicht immer mit ben erteilten AuSftinften begnügen 
müffen, fonbern bie Originalquetten einfehen, aus benen biefe felbft 
gefdjöpft werben. Breiter werben nod) Straffanftionen fowie bie 
Pflid)t gur ©eheimtjaltung ber arbeitsftatiftifchen gefteEungen feft- 
gefefet. 3nt Bubget werben für baS Amt im ©angen 
65 050 fl. = 110 000 t fL geforbert. ^>aS ‘ißerfonal befteht anher 
bem Borftanbe (£ofrath ^rofeffor ERataja) aus acht technifdhen 
unb gwei BechnungSbeamten fowie gwei AmtSbienern. 

internationaler fogialftatiftifdier bienft. 3u ber Sifcung beS 
AuSgleidjSauSfchuffeS beS öfterreid)ifd)en BeichSratbS am 7. b. Bits, 
wieberholte ber Briinner Stbgeorbnete Dr. Sedjer einen oon uns fdhon 
früher erwähnten Antrag als Diefolution, monadj bie öfterrcidhifdje Be* 
gierung erfutfjt wirb, mit ber mtgarifd)en Begierung basGinoernehmen 
gu bem3mec!e gu pflegen, um ber Anregung ber fdjwcigerifchenBunbeS* 
regierung, betreffenb bie Sdjaffung eines internationalen fogial* 
ftatiftifchen SDienfteS, in Bälbe nahe gu treten. .JanbelSminifter 
greiherrr o. ^Dipauli erflärte herauf, bah er fid) ben burch ben 
BefolutionSantrag Dr. Bechers oa'folgten 3i e len gegenüber fptn* 
pathifch oerhalte. Abg. ERauthner, präfibent ber ELUener £janbels* 



277 


Soziale $ra£t*. CentralBIatt für ©ojlalpolitif. ftt. 11. 


278 


unb ©ewerbefatnmer, erflärte ff mit bcr Errichtung eines foüal* 
ftatiftifen Bureaus in Sern oollftänbig einoerftanben, weil es 
unter beit gegenwärtigen Verhältniffen mit ben größten Schwierig» 
feiten oerbmiben fei, wenn man fid^ bie gefeßlidjen Beftimmungen 
in fozialpolitifdjer Richtung aus fremben unb entfernten ßänbem 
uerfdjaffen roofle. Sie Refolution mürbe fobann wiberfpruchs« 
to§ angenommen. — Sie prinzipielle Stellungnahme beS 
©anbelSminifterS fomie beS JührerS ber Abgeorbneten ber §anbels« 
unb ©ewerbefammeru, s l)?a uthner, zu fünften beS £ed)erfchen An« 
träges ift f)öcf)ft erfreulich unb bilbet eine bemerfenSroerthe ^S^afc 
in ber ©effte biefer 3bee. 

$ e Soziatpolitif auf ber ^»irifer IMferiiffottirag 1900. Sic 

mit ber Drganifation ber wäjhrenb ber AuSftellung abzuhaltenben 
Kougreffe beauftragte Kommiffion hat in ihrer erften Sipung 
oom 25. Rooember befchloffen, im (Ganzen 37 Kongreffe za uer« 
anftalteu. Saoon werben 10 ber Sozialpoütif gewibmet fein. Sie 
Spezialfragen, mit benen fie fid) befaffen, finb: ©enoffenfchaftsfrebit, 
Konjumoereine, ©ewinnbetheiligung, Arbcitenoopnungen, Unfall« 
oerficherung, Unfalloerhiitung bei Sampffcffeln, Sonntagsruhe, 
öffentliche ©efuubfjeitSpflege unb Semograppie, Armenpflege, fjiir* 
forge für entlaffcnc Sträflinge. ^ocpft wahrfcheinlid) wirb auch 
ein Kongreß z u Staube fomnten, tn bem über baS Problem ber 
ArbeitSlofeminterftüpuug oerhanbelt werben foll. Sie Anträge auf 
Abhaltung eines großen internationalen ÖrauentageS, ber nach 
einigen SBiinfcpen fe<hs Wodjen bauern foHte, würben abgelehnt. 


kommunale Sozialpolitik. 

SopalbemofratifdirS Programm für bie ©emcinbewahlen. Sie 

fozialbemofratifche 3raftion ber Stabtoerorbnetenoerfammlung non 
Berlin hat folgenbe „einheitliche ©runbfäpe" für bie ©emeinbe« 
wählen ausgearbeitet: 

8iir bie Wahlen za ben ©emeinbenertretungen ift baS allgemeine 
leicpc, geheime, btreftc Wahlrecht einzuführen. Sa£ Wahlrecht barf 
urd) ben Empfang irgenb welcher Unterftüpuug aus ©emeinbemittclu 
nicht aufgehoben ober bcfdjränft werben. Sie Wahlen haben bcS Sonn« 
tags ftattgifinbeii. Auf bem ©ebiete be£ SchulwefenS forbern wir 
Wcltlirfifeit ber Schulen. Obligatorifchen Befudj ber BolfSfchulen. lln» 
entgeülidjfcit bes iluterrftS unb ber Lehrmittel in ben BolfSfulen, 
fowie in ben höheren BUbungSanftalteu für biejenigen Sd)üler ber 
Volfsfchulen, bie traft ihrer J-ähigfeitcu jur weiteren AnSbübuug ge* 
eignet erad)tet werben, Errid)tung non Sdnilfantinen z ur Verpflegung 
ber Schnlfinbcr, (Einrichtung unb Unterhaltung einer geregelten ftraufcit» 
unb ©efnnbheitsp jlegc unter Bcadjtuug aUer norbeugenbeu Mittel. 
Firmen* unb Wagenpflege mit auSrefenben Unter|tüpungSfäpen. 
Erridjtung non Afplen unb Wärmehafleu ohne polizeiliche Kontrole. 
Sic (Gemeinbefteuern finb auf birefte Steuern zu befdjränfen. Aus¬ 
fluß jeher inbireften, VerbraudjS* ober Kopffteuer. BeleuchtungS», 
Verfehrs*, tfrafterzeugungs*, fowie fonftige, für bie ©emeinbe noth 5 * 
wenbigeu Betriebe finb ber ^mmtausbeutung zu entziehen unb auf 
eigene Rechnung bcr ©cmeinben zu errften unb zu betreiben, auch finb 
anbere ©emciubcarbeiicu (Bau, Vflafter 2 c.), fo weit angängig, in ©e* 
meiitberegie auszuführen. Reoifiou beS SubmiffionSwefenS, 
Vergebung bcr ©emeinbearbeiten unb Lieferungen nur unter oertragS* 
mäßiger Verpflichtung ber Unternehmer, bie Lohn- unb ArbeitSbe* 
binguugen ber oon ihnen mit [täbtifcheu Arbeiten befchäftigten Ar¬ 
beiter in ©emcinfdft mit ben ftadjorgauifationen ber Arbeiter feftzu- 
fepen. mir bie im ©emeiubeauftrag befchäftigten Arbeiter unb Beamten 
ift auSreid)enbe Bezahlung fowie eine Arbeitszeit oon 8 Stunbcn 
täglid) herbeizuführen. Sas Äoalitionsredjt ber Arbeiter ift ff er 
Zu ftcllcn unb barf in feiner Seife eingefchränft werben. Jn allen 
ftäbfifdien Betrieben finb Arbeiterausfchüffe zu errften. Ausbeutung 
ber Kranfenoerfferung auf bie £ au Sin bu ft rie. Unentgeltlichfeit beS 
Beftattuugswefens. 

lieber bieS Programm foll auf einer für ben 27. Dezember 
einberufenen Konferenz ber fozialbemofratif en ©emeinbeoertreter 
ber ^rooinz Branbenburg berathen werben. 

Befdjränfuttgen beS ©emeinbe Wahlrechtes in Sadjfen. ^as 

Einbringen oon fozialbemofratifchen Arbeiteroertretern in bie Stabt« 
oerorbrtctenoerfammlung hat zur Aenberung beS Wahlrechtes in 
fäd)fifd)en ©emeinben angeregt. 3n Ebemnih hat man firf) für 
ein Stänbewahlrecht entfd)ieben. Sie Wähler werben in fünf Ab¬ 
teilungen mit ocrfchiebenem Wahlrede gruppirt: 1. Allgemeine 
Abtheilung (ade Bürger, bie in ben anberen klaffen fehlen unb ein 
Einfommen bis zu 2500 c/// unb barüber haben); 2. Arbeiterftanb, 
foweit er ber Snoalibenoerficherung unterfteht; 3. Beamte unb ®e« 
lehrte mit einem Einfommen oon mehr als 2500 Ji ; 4. bewerbe* 
ftaub (^anbwerfer unb fleine Eefdjäftsleute); 5. ^anbelsftanb 


(©anbelSgefehbuch). ®ic etwa 6200 wahlberechtigten Ehemnifcer 
Arbeiter würben fünftig nur 9 Vertreter haben (heute finb 
17 Sozialbemofraten unter ben Stabtoerorbneten), ebenfooiel wie 
bie 3900 SRitglieber I. Älaffe. S)ie 1500 Beamten unb ©eiehrten 
erhalten 12, bie 1400 Äaufleute 15 Vertreter. — 3n Erimmitfchau 
foüte ber EenfuS für baS paffioe Wahlrecht theilweife erhöht 
werben, hoch fiel ber Antrag mit 11 gegen 9 Stimmen. 

Stübtifdje 9Rt£cettett. Sie Sbee beS Schularztes feitbem 

Wiesbaben in fo oorzüglidher, auch oom ftultuSminifterium anerfannter 
unb zur 9?ad)al)me empfohlener Weife auf biefem (Miete ooraitgcgangen 
war, ftätig neue Greife in ihren Bann. Sen Stäbtcn Äonigsberg, 
Sarmftabt, Nürnberg, 'Dffenbach, ©iepen, Berlin, tyo\cn, 9Wagbeburg, 
Stuttgart, ©alle u. f. w., bie mit ber grage, ber (Einführung ber Schul¬ 
ärzte unb meiftenS mit Erfolg befafjt gewefen finb, ift jept % rieb richS* 
hagen bei Berlin gefolgt. Sie bortige ©emeinbeoertretung hat be¬ 
fchloffen, oorläufig einen Schularzt anzuftefleu. — Sic falte Jahreszeit 
hat, worauf wir fchon hinwiefen, bie wohltätigen Vereine in Verbin* 
bung mit ben Schulen ober Stabtuermaltungen oeraitla&t, bie Lieferung 
warmer Eetränfe an bebiirftige Schüler wieber aufzunehmen. So 
hat in SreSben ber füboorftäbtifdje BezirfSoerein, ber bisher 151800 
&Iafdjen warmer 3RUch an 2580 tfinber mit einem Aitfwanb oon 
10 600 M. oerteilt hat, feine 2l)ätigfeit am 28. Slooember wieber auf¬ 
genommen unb üertfjeilt täglich etwa 520 glafchen warmer SRilch- — 
S>er Berliner Verein für baS Wohl ber aus ber Schule entlaffenen 
Jugenb hat nach bem Bericht feines Vorfipenben, Schulinfpeftor unb 
AeichStagSabgeorbneten Dr. 3wid 37 Äurfe mit 298 Leftionen hauS- 
wirthftaftlichen Unterrichts an 200 Stäbchen ber 1. ©emeinbe- 
ftulflaffen im oerfloffenen Jahr ertheilt. Sie hergefteflten Portionen 
würben an Pfleglinge ber Äinberhorte geliefert. Sie Soften betrugen 
2808,90 M., wooon bie Stabt 1500 M. zufchofe. Bei bem hohen fozialen 
Werth biefeS Unterrichts foüte er oon ber Stabt übernommen werben, 
Zumal ber Verein jept fchon an ber Erenze feiner LeiftungSfäl)igfeit 
angefontmen ift. — Sie Erörterung ber grage, ob Regiebetrieb ober 
Vrtuatbetrieb oorzuziehen, fnüpft fich an bie $Iäne auf Errid)tuug bezw. 
Erweiterung ftäbtifcher EleftrizitätS- unb Strapenbahnanlagen 
in Stuttgart, ©öttingen unb Nürnberg, ©ier hat fich jept Bür» 
germeifter Dr. o. Sch uh für bie Verftabtlitfwng erflärt. Erunbach 
in Württemberg wirb feit bem 4. Sezember oon einem fßrioatbetrieb 
mit eieftrifcher Beleuchtung oerforgt. — 3n Eifenadfj fam an 20. Ro- 
oentber im ©emeinberath bie grofee Wohnung Sn o t h in f^olge beS 
BfangelS au mittleren unb fleinen Wohnungen zur Spradje. Eimnüthig 
würbe betont, bafc bie Stabt bie ernftc Pflicht h a l 1e / bcr Wohnungsnoth 
unter Aufbringung oon Opfern z« fteuern; über baS Wie? würbe eine 
Einigung noch nicht erzielt. Ser Stabt*@emeinberat oon 9Äplau 
hat genehmigt, bei einer prioatgefeüfc^aft bie Stabt gegen ©aft- 
pflidjtanfprüche aus Befähigungen Iebenber unb tobter ©egenftänbe 
Zu oerftdhem. Sie Prämie beträgt 3 JL. für je 1000 Einwohner. 


$0}tale Jnftöttta. 


StatifH! ber Sraueit-, Jfngenblidieit- trab ftraberarbeii in 
^abrifen. S)aS neuefte VierteljahrSh^ft ber Statiftif beS Seutfen 
Reiches (Rr. 4) giebt genaue Blittheilungen über bie 3ah^ ber in 
gabrifen befäftigten Ö^anen, Sucjenblichen unb ^inber, f. Sabelle 
Sp. 279—280. 

Sie Ziffern weifen in allen Kategorien eine fepr beträchtliche 
Steigerung auf, was z u ^ e Ml mit bem Auffwung, ben bie meiften 
©roggewerbe genommen haben, zufammenhäitgt. Sa bie günftige 
Sage ber Snbuftrie auch im laufenben Sabre angehalten hat, wirb 
man annehmen bürfen, bafe auch für 1898 eine weitere 3unabme 
ber 3 a bl Arbeiterinnen unb Sugenblichen in ben gabrifen feft* 
gefteUt werben wirb. Um fo notbwenbiger ift es, bap bie Schup* 
oorfchriften ber ©ewerbeorbnung mit aller Strenge gebanbhabt 
werben. S)ie 3 a h^ ber 3.un)iberbanblungen gegen biefe Beftim* 
mungen, bie zur gerichtlichen Beftrafung famen, ift leiber nid)t 
gering: fie betrug 1895: 837, 1896: 985 unb 1897: 944. Sazu 
aber finb bie Berichte ber ©ewerbe-AuffichtSbcantten noch ooH oon 
Klagen über bie meift aufeerorbentliche ©eringfügigfeit ber oer- 
bängten Strafen, bie weber zu ber Schwere ber Vergehen noch z u 
bem burep unrechtmäßige Betuipuug ber grauen» unb Kinberarbeit 
erzielten ©ewiitn im richtigen Verpältniffe ftehen. Es ift, als ob 
man Dielfach in Ridjterfreifen nod) nicht baS richtige Augenmaß 
für bie h°h c Bebeutung beS Arbeitcrfd)upeS im Sutereffe bes Bolfij* 
woßle» unb ber Sittlichfeit gewonnen hätte. — Wieoiel Ehefrauen 
unter ben 732 909 Sabrifarbeiteriniten über 16 Jahren finb, theilt 
bie obige Sabelle nicht mit. Rad) ber Berufszählung oon 1*95 
waren m ber 3ubuftrie 1 044 962 weiblidje ^erfüllen thätig (1 ö 82: 
583 850), baoon waren 140 804 Ehefrauen, bie meift in ber ©roß* 
inbuftrie befäftigt waren. Befamitlid; ift ben gabrifiufpeftoreu 




279 


Soziale PrajtS. CentralBIatt für Sojialpolttü. 9br. 11. 


280 



3ahl ber 
gabrifen, melche 
befchäftigeit 

3ahl ber befdjäftigten jugeubtid)cn Arbeiter 

3aljl ber befdjäftigten 
er mach jenen 
Arbeiterinnen 

TeutfdjeS Gleich. 

ftiuber 

gunge Leute 




Bezeidjuung 

ber 

©emerbegruppen. 

jugenb* 

liehe 

Arbeite* 

rinnen 

über 

16 gahre 
alt. 

unter 

14 gahrert 

oon 

14 bis 16 gahreu 

überhaupt 

16 bis 

21 galjre 

über 

21 Saljre 

s«- 

famuten 


Arbeiter. 

männl. 

1 

roeibl. 

männl. 

roeibl. 

männl. 

roeibl. j 

auf- 

alt. 

alt. | 

Bergbau, §ütten* unb Salinenmefcn, 
Torfgräberei. 

1450 

731 

132 

25 

21364 

1020 

21496 

1 045 i 

22 541 

5 889 

9 261 

15 150 

gnbuftric ber Steine unb Erben . . 

6 005 

4 595 

1038 

257 

24 082 

5 723 

25 120 

5 980 | 

31 100 

15 920 

28 896 

44 816 

A?etaü*Berar6eitung. 

6 503 

2 316 

483 

146 

27 720 

6 252 

28 203 

6 398 1 

34 601 

16 194 

21 228 

37 422 

SDcaftbineit, 2Serfzeuge, gnftrumente, 
Apparate. 

4 909 

817 

467 

39 

38 

27 720 

1322 

28 187 

1 360 

29 547 

6 016 

8 626 

14 642 

Ebcmijdje gnbuftrie. 

579 

727 

17 

2 711 

1268 

2 750 

1 285 

4 035 

5 179 

8 077 

13 256 

gnbuftric ber £uü 3 s unb 2cud)tftoffe . 

346 

408 

14 

10 

605 

525 

619 

535 

1 154 

1 889 

2 306 

4 195 

Tejtil-gnbuftrie. 

6 387 

8 681 

501 

1078 

23 332 

37 712 

23 833 

38 790 

62 623 

124 154 

216 454 

340 608 

papier unb Leber. 

2 349 

2 601 

179 

153 

7 333 

6 592 

7 512 

6 745 

14 257 

19 887 

27 906 

47 793 

gnbuftric ber ^olz* unb Sthnifeftoffc 

4 153 

1736 

297 

89 

10 798 

2 101 

11095 

2 190 

13 285 

5 874 ! 

10 784; 

16 658 

AahrungS* unb ©enufemittel . . . 

6 345 

6 929 

241 

321 

13 004 

13 389 

13 245 

13 710 

26 955 

38 739 

69 385 1 

108 124 

Befleibung unb Reinigung .... 

2 103 

3 685 

141 

205 

3 827 

8 253 

3 968 

8 458 

12 426 

30 404 

35 733 

66 137 

Polpgraphifdje ©emerbe . . . . 

2 820 

2 038 

203 

35 

8 439 

2 571 

8 642 

2 606 

1 11248 

9 281 

11491, 

20 772 

Sonftigc gnbuftriezmeige .... 

644 

316 

35 

7 

1463 

444 

1498 

451 1 

[ 1 949 

1256 

2 080 1 

1 3 336 

gm galjre 1897 znfatnmen . . . 

43593 

35 530 

3 770 

2 381 

172 31)8 

87172 

176168 

89553 

265 721 

280682 

4522271 

732 909 

gm galjre 1896 . . . 

40 339 

32 823 

8 343 

1969 

159 214 

80 334 

162 557 

82 303 

244 860 

270 266 

| 429 313 

699 579 


für bie nädjften gahreSberidjte aufgegeben roorben, bie Befchäftigung 
oer^ciratbctcr grauen in ben gabrifen unb bie jroetfmäfeigfte 2 lrt 
ber Befdjränfung biefer Arbeit 31 t unterfuchen. $>amit roirb einer 
com DteidjStag in ber lebten Seffton auf Antrag ber EentrumS* 
partei angenommenen Sftefolution entfprocfjen (uergl. „ 6 oziale 
Praxis" VIII 6 p. 148). 

$ie HnSBilbnua ber fanfmännifchen Lehrlinge. SDer „T)eutfdje 
Berbanb faufmännifdjer Vereine" bat bem BeijhSamt beS gnnertt 
eine Eingabe unterbreitet, bafj in baS angefünbigte ©efefc zum 
6 djufee ber ©anblungSgehftlfen Beftimmungeu über bie AuSbilbung 
fanfmännifcher Lehrlinge aufgenommen roerben, ober bafc s ur 
Regelung biefer SRaterie ein Sonbergefefc erlaffen wirb. SDer 23er* 
banb forbert: 

1. eine $öcbftbauer ber Befdjäftigung umi £>anblungSlchrltngen ooit 
Zehn Stunben unb eine SWUtagSpaufe oon einer Shntbe, 2. baß §aitb* 
lungSlclirlirige 511 T/ieufUeiftiuigen, bie nach LrtSgebraurfj beit im 
.JianbelSgcrocrOe bcfchäftigteu gcroerblichen Arbcitsfräften ober bem ©e* 
l'inbe obliegen, nirfjt Ijcrangczogeu roerben bitrfeit, 3. ©eroäljrung oon 
ntinbeftens roötfjeutlid) feefj^ Stimbcrt ^ur t^coretifc^en Ausbübung in 
ber ^eit oon fieben lU)r Borgens bis fteben Ubr AbenbS, gortbilbungS* 
fcfjulzroang, 4. Borfdjrift eines fdjriftlidjen LehrucrtrageS. 

Begrünbet mirb bie Eingabe mit ben Ergebniffen ber Er * 
Hebungen, bie ber „®eutf<he Berbanb für baS faufmäunifc^e Unter* 
rid)tSroefeii" in einem mittleren BunbeSftaate oeranftaltet bat. T)ie 
Erhebungen bezogen fidj auf Borbilbung, Lehrzeit, ©efchäftSzeit 
unb Befdjäftigung im 1 ., 2 . unb 3. Lehrjahre. SDie gragebogen 
mürben oon 106 Prinzipalen unb 304 Lehrlingen beantroortet. 
^)ie Ermittelungen ergaben, baft befonberS in ben feineren 3Jta* 
terial*, kolonial*, Eifert* unb Shtrzroaareitgefdjäften bie Lehrlinge 
meifteuS mit nieberen Arbeiten (ftanbreidjuugen aller Llrt, ©efehäfts* 
gangen, Ltbftäuben, Peinigen Der ©efdjäftSräume, Abfaffett unb 
Berpacfeit ber B3aareii) befdjäftigt mürben. Es fam niefjt feiten 
oor, baft jungen Leuten, mähreub ber ganzen Lehrzeit nidjt eine 
einzige fdjriftlitfje Arbeit übertragen mürbe, willen Lehrlingen biefer 
Brandjcit mangelt bie .Stenntmjz ber ^Buchführung. Tüe ©efchäfts* 
Zeit ift eine übermäßig lange: oon fecfjS ober fteben Uhr Borgens 
bis zehn Uhr AbenbS. UiittagSpaufe mirb nur in ben feltenften 
gälten gemährt, ba 82 % ber Lehrlinge bei ben Prinzipalen in 
$oft uno LoaiS ftanben. EtmaS beffer liegen bie Berljältniife in 
ben übrigen Brandjen. 

Tie tägliche Arbeitszeit in Oefterreich. golgenbe Tabelle giebt 
Auffcfjluf^ barüber, mie lange bie tägliche Arbeitszeit in bett oer* 
fchiebenett ©eroerbegruppen DefterreidjS im gal)re 1897 mar. Tiefe 
ift zafainmengeftedt nach ben Berichten ber ©eroerbeinfpeftoren, 
roeldje 4473 fabrifSutäfeige Betriebe im gahre 1897 bcfucht haben. 

Aus ber Tabelle ift za erfchen, bag tro(j beS elfftünbigen 
3JtajimalarbeitStageS in JCefterreid) 588 ober 13,1% ber fontrolirten 
betriebe länger als 11 6 tunben pro Tag arbeiteten, gn mie oiel 


Betrieben mag aber noch länger gearbeitet roerben, roeldje nidjt 
fontrolirt muroen? 



Anzahl ber gabrifen, bereu 
Arbeitsftunben betrugen 

u 

Ä 

©crocrbcgruppeu 

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3 

3 

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01 

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O *3 
ZF'Z 

1» 

0 

SWetallgemerbe. 

3 

175 

179 

2 

42 

401 

B?afrf)incn= u. Schiffbau ufro. 

7 

248 

148 

— 

— 

403 

SSeberci. 

9 

79 

946 

— 

9 

1042 

ftieibermadjergeroerbe . . . 

6 

39 

114 

— 

— 

159 

Bapiercrzeugung .... 

1 

45 

138 

— 

37 

221 

Trucferei uub uerro. ©croerbc 

62 

21 


— 

— 

85 

$olz s uub 9)?übelarbeit . . 

10 

83 

229 

- 

— 

322 

©laSmadjer, Töpfer, S^l* 
breuner ufm. 

19 

135 

433 


13 

600 

©emifdjte gabrifen . . . 

6 

77 

148 

i _ 

36 

267 

£>erftefluug non ^atjrungS* 
mittcln ufm. 

2 66 

280 

429 

1 

778 

Aitbere ©eroerbe .... 

8 

1 58 

109 

1 

19 

195 

Alle ©eroerbe, bereu gabrifert 
infpizirt roaren, zufammen 

133 

1026 

2726 

432 

156 

4473 

6oziaibentofratif<he Liga in Belgien gegen ben ^tlfohol. $ad)* 
bem ber lefete belgifthe 6ozialiftenfongre6 bem AUohol ben Ärieg 


erflärt unb befdjlofjen hat, cs bürften in ben foziaibemofratifchen 
BolfShäufern unb ©enoffenfdjaften 6 pirituofen fiinftig nicht mehr 
oerfauft roerben, hat fid) eine Liga füzialiftifdjer (Gegner beS Alfoljol* 
enuffeS gcbilbet, bie ber Parteiorganifation angegliebert ift. Tie 
eitretenben BUtglieber finb oerpflichtet, fich beS ©cnufjeS oon 
alfoholifdjett ©etränfen, minbeftenS aber beS ©enuffeS oon beftillir* 
tem Alf 0 hol (©eneoer unb anberett Ligueuren) za enthalten. Sollen 
fie biefem Besprechen nidjt mehr nachfontmen, fo müffen fic ihren 
Austritt anzeigen. Tie Bereinigung roill ber in ben unteren 
Schichten ber belgifdjen Beoölferung meit oerbreiteten 6 d)uapSpeit 
entgegenmirfeit. (gn ben ffanbinaoifchen Länbern fud)t bie 
Sozialbemofratie ebenfalls ber Srunffudjt z« fteuern.) 


Slrbcitgrberticrbänbe. 

„Schmarre Liften." Unterm 26. ^ooetuber h fl t ber Berein 
Braunfchmeiaifcher Btetadinbuftrieller an feine s Dcitglieber folgcnbes 
oertraulid)e ylunbfdjretben erlaffen: 

„2)ie Treber unb Nobler ber Atrina ?l. SsJilfe hier traben und) 
orbuungSinäjjiger .Uuubigimg bie Arbeit nicbergelegt, meil eine 





















281 


©ojtale $ragis. Eentralblatt für ©ojtalpolitif.' Rr. 11. 


282 


ntäfeige £>erabfeßung ber ju popen Afforbpreife angeorbnet mar. T)er I 
„BoIfSfreunb" warnt oor 3 U 3»Ö unb erfcpcint es oeSpalb empffplens* 
werth, feinen ber non ber girnta A. SSilfe am 28. b. 3». entlaffenen 
Arbeiter jur Seit einjufteüen. (ES ift begrünbete Hoffnung oorpanben, 
bafj einige ber (Entlaffenen bie Arbeit bei ber betreffenben gtrma roieber 
aufnehmen, wenn fie hier in feinem anberen S5?erfe Arbeit finben, unb 
baburdj biefe Angelegenheit opne roeitere folgen beseitigt wirb." 

3n Bresben hat ber Borftanb ber Bucpbrucferinnung bie 
kanten breier ©epriftfeßer, bie eine Lohnerhöhung oerlangten unb 
beSpalb cntlaffen würben, ben ÜKitgliebern „zur Örientirung" mit* 
aetpeilt. — $>er ©efammtoerbanb beutfeher Btetallinbuftrieller in 
Berlin hat unterm 31. Dftober b. 38. ein mit „Ar. 9 pro 1898" 
bezeicpneteS Runbfcpreiben oerfepieft, worin eS heißt: 

SBegcti eines allgemeinen £treifs ihrer gornter aus Anlaß ber 
RtcbtöemiHigung ungerechtfertigter gorberungen pat unfer (Einzelmitglieb, 
bie girma R. B. ju gorft i. 2., ihren Setrieb oorläufig einfteflen miiffen. 
Radjftepenb bringen wir bie 2ifte ber AuSftänbigen, unb bürfeit biefe 
nach §-25 ber ©aßungen in Söerfftätten bes Eefammtoerban’ 
bcS bis auf SöeiiercS nicht befchäftigt werben. 

Es folgen bann tarnen, ©eburtstage unb §eimathSorte oon 
14 Arbeitern. — 2Bir haben noch eine Seihe oon ähnlichen gälten 
in unferer Btaterialienfammlung. $)ocp werben bie im Borftepen* 
ben mitgetheilten fthon genügen, um aufs Reue ju beweifeu, baß 
auf ©eiten ber Unternehmer Büttel beS T>rucfeS unb ber Ber* 
hinberung an ber Arbeit im ©eproange finb, bie in ihrer BSirfung 
bem oon Arbeitern auSgeübten SterroriSmuS nicht naepftepen. 

Bereinigung Pott gabrifanten in Srefelb gegen ©ireifS. 3n 

ber ©eibenroeberei unb ©ammtfabrifation oon Sfrefelb finb in leßter 
3eü einige fleinere AuSftänbe wegen Lopnforberungen oorgefommen. 
3)aS hat baju geführt, baß bie Inhaber ber bortigen ©eibenftoff* 
Webereien unb ©ammtfabrifen faft fämmtlidj fiep oereinigt unb am 
7. Dezember, 46 an ber 3ahl, fotgenbe Befanntmadhung erlaffen 
haben: 

Gegenüber ben wadjfenben agitatorifchen Begebungen, bie Arbeiter 
ber mechanifchen ©tofffaorifen jn ungerechtfertigten AuSftänben ju oer* 
anlaffen unb bitrch Behinberung ber arbeitswilligen (Elemente bet ben 
einzelnen gabrifen ftete fteigenbe gorberuugeit bürtfjzufeftcn, haben bie 
Unterzeichneten girmeu befcploffen, um biefem Terrorismus entgegen¬ 
zutreten, baß, im gälte ein AuSftanb nach Prüfung ber zu biefem 3mecfe 
eingefc&icu .Vfommtjfiou fid) als unqeredjtfcrtigt erweift, ber Betrieb 
nach oorhergegangener ftünbigung ber Arbeiter binnen 14 Tagen in 
fämmtlicheu mechanifchen ©toffwebereten SfrejelbS gleidjzeitig eingeftellt 
werben foll. 

„Ungerechtfertigt" ift ein ©treif meift in ben Augen ber be* 
troffenen Unternehmer; es ift baher fehr bebenflich, wenn fie in 
eigener ©ache Kläger, dichter unb Ejefutoren finb. T)aS ©ewerbe* 
aericht als EinigungSamt wäre für folche gälte bie beftgeeignete 
gnftang, um Ausftänbe burch Berpanblungen zu oerpüten ober bei* 
julegen. 3» Erefelö hanbelt eS fich aber augenfcheittlich um bie 
ÜRadjtfrage. $)enn unterm 10. ©egember wirb oon ber „£öln. 3tQ-" 
gemclbet. „T)a ber AuSftanb bei ber girma E. oom Arbeitgeber* 
auSfchuß für ungerechtfertigt erflärt wirb, bie Arbeiter hingegen beim 
AuSftanb oerharren, befepfoß bie Serfammlung ber Arbeitgeber, am 
Btontag fämmtücpen Arbeitern ber ptefigen mechanifchen ©toff* 
webereten ju fünbigen." T)as ift alfo eine AuSfperrung in großem 
Bfaßftabe, oon ber bie arbeitswilligen Arbeiter oon färnmt* 
liehen anberen gabrifen getroffen werben, weil bie Arbeiter einer 
einzigen gabrif im AuSftanbe oerharren. 

$ie Einführung Pott EntlaffungSfcpeinen für Pie Arbeiter PeS 
gefammten Baugewerbe# ift (nach bem „Bolf") feitenS einer großen 
Anzahl oon Baugemerfsinnungeit in AuSfiipt genommen. Stan 
gebenft burch eine berartige Biaßnahme ben ©treif# wirffatn ent* 
gegentreten zu Jönnett unb zu oerhinbern, baß auSftänbige Arbeiter 
an ftreiffreien Drten in Arbeit genommen werben. T)ie BorauS* 
jepung eines folchen BorgeßenS ift jebodf) eine Einigung ber gn* 
nungen mit ben anberen Arbeitgeberoereinigungen im Baugewerbe 
unb ben jeber Drgamfation noch fernftehenben Unternehmern. Auch 
wirb bie Einführung ber EntlaffungSftfjeine, gegen welche bie Ar* 
beiter anberer Berufe mit Erfolg in Abwehr treten, nicht ohne 
große Kämpfe mit ben Arbeitern im Baugewerbe möglich fein. 

BtuiP öfterrcirfjifefter gtiPuftrieller* 2)ie zweite ©eneral* 
oerfammlung biefer größten Unteritehmeroereinigung CefterreicßS, 
bie jept 668 ginnen mit 128 000 Arbeitern zäßlt, pat am 
28. Booember in ®en ftattgefunben. T)er oont B^äfibenten 
Baftree erftattete Bechenfd)aftSbericht übergept eine ©eite ber BunbeS* 
tpätigfeit mit ©cpwcigen: bie Bemühungen, bie Drganifationen 
ber Arbeiter zu z er ttörett. „Es wäre taftifcp oerfeplt," fagte ber 
Bräfibent, „uitfere hierauf bezüglichen Bemühungen bes weiteren 
öffentlich Z u befpreepen. T)ie Herren, bie es angept, femten unfere 


Arbeiten." Bon gntereffe ift ber BaffuS beS Berichtes über bie 
3ufammenfepung beS gnbuftrie* unb beS ArbeitSratpeS. Es wirb 
barauf pingewiefen, 

„bap eS ber Bunb war, ber an bie Regierung mit bem Serlangeit 
herangetreten ift, bie Sufammenfepnng bes gnbuftricratheS fo burd)* 
Zufüpren, bap in erfter £inie inbuftrielfc B^aftifer in oiefen berufen 
werben, liefern Berlangcn beS BunbeS würbe feitenS ber Regierung 
ooßftänbig ftattgegebeu. Aucp unferen S?ünfd)en bezitglidj einer Ber* 
tretung im gnbuftrierath unb ber Sufammenfcpung ber ©eftiouen beS 
gnbuftrieratpeS würbe Aedjnnng getragen. (Ebenfo würbe bem SBunfcpe 
beS BunbeS Aecpnuug getragen pinficptlich ber 3 u f am ntenfepung beS 
ArbeitSftatiftifdjcn Amtes." 

Am mieptigften ift bie Anfünbigung, baß ber BunbeSauSfcpuß 
eine 9£ormalarbeitSorbnuncj ausgearbeitet pat, bie ict ben Betrieben 
aller BunbeSmitglieber eingefüprt werben foll. SDtefe ArbeitS* 
orbnung, beren Beröffentlicpung benmäepft erfolgen wirb, entfpridjt 
war naep ^ en Berficperungen beS Bräßbenten oollfommen ben ge* 
eplicpen Anorbnungen, pat aber ben ooUen Beifall bes Eentral* 
©ewerbe*gnfpeftorS niept gefunben, unb z^ar beSpalb, weit bie 
Herren „mit entfcploffener fefter Abficpt ben ©tanbpunJt beS Arbeit* 
geberS eingenommen paben, wogegen baS Eentral*©emerbe*3nfpef* 
torat, bem 3 u gc ber 3«t folgenb, fiep bemüßigt glaubte, etwas 
mehr ben befannten ©tanbpunft ber organifirten Arbeiterfcpaft ein* 
Zunehmen". Dr. 3Bolf, ber BunbeSanwalt, pat biefe Ausführungen 
beS B r öpbenten noep ergänzt. T)ie gefeplicpcn Beftimmungen feien 
ben Snbuftrieüen feinbltcp, unb ba eS berzeit niept möglich fei, 
eine Aenberung beS ©efepeS perbeizufüpren, fo pättc ber AuSftpuß 
niept aus bem Bollen fepaffen fönnem Sutmerpin aber räume bas 
©efep boep eine gewiffe ßatitube ein, bie auSzunüpen eS gegolten 
pabe: 

„SBir paben uns alfo niept barauf geworfen, eine Utopie zu fepaffen, 
fonbern etwas AealcS, was im auSgefprocpenen guter eff e ber Betriebs* 
Unternehmer liegt, eine ArbeüSorbnung, bie nur für bie Arbeit* 
geber, aber uid)t für bie Arbeitnehmer gefdjaffen ift, wobei 
wir niept aufjer Acpt liepen, bap ben Arbeitern gegeben werben foll, 
was ihnen gebührt, unb worauf baS Eefcp ja ohnehin reicplidj bc* 
baept ift." 

^rbeitecbrniegung. 

9Raßre8flnng mtatn AnSfageu öor ber dommiffiott für Ar* 
beiterftatiftif. BSäpreno man btSper nichts baooit gehört patte, 
baß Arbeiter wegen iprer AuSfageit oor ber ^ommiffion für Ar* 
beiterftatiftif irgenbwie oon ihren Arbeitgebern befehligt worben 
wären, wirb jept befannt, baß ein $oteI*DberfeUner in $öln auf 
eine ^Denunziation oon feinem Bnnzipale, ber fiep burch feine AuSfage 
beleibigt fühlte, entlaffen worben fei. Offiziös wirb anläßlich biefes 
galles barauf pingewiefen, baß ber Borftpenbe ber Äommiffion ber 
Annahme, bie AuSfunftSperfonen aus bem Arbeitncpmerftanbe 
fönnten burep ipr Erfdpeinen unb ipre AuSfagen oor ber $om* 
miffion ipre ©tefiung oerlieren, mit ben Porten entgegengetreten 
fei: „3(p nepnte an, baß bie AuSfagen, bie pier oor biefer popen 
Äörperfcpaft abgegeben werben, feinem 3Birtp, anep wenn fie un* 
günftig für ipn lauten, Anlaß zu prioaten Berfolgungen geben 
follten. 3cp fepe baS als felbftoerftänblicp oorauS." Triefe Er¬ 
mahnung pat nicptS gemißt unb ber Borgang ift befonberS lehr¬ 
reich, ™an & cc AuSwapl ber AuSfunftSperfonen aus bem 
Arbeiterftanbe bieSntal nur folcpe berücffidjtigte, bie noep im Sßirtps* 
gewerbe tpätig waren, um, wie feiner 3«t angebeutet würbe, einer 
Beeinfluffung ber AuSfagen burep bie Arbeiterorganifationen ent* 
gegenzuwirfen. SBenn aucp BergleidjSoerpanblungen ^mifepen Bein* 
Zipal unb Hellner in Slöln im "©aitge finb, fo wirb biefe 2JJaß* 
reaelung boep niept opue 'nacptpeilige 3Birfung bleiben. Btan fartn 
fiep nur bem Urtpeil anfcpließen, baS bie „$öln. BolfSztg." bapin 
fällt, bem Arbeitnehmer müffe unter allen Umftänben baS 3ted)t 
unb bie greipeit gewahrt werben, Büßftänbe im Berufe an zu* 
ftänbiger ©teile offen barzulegen, opne baß ipre Eyiftenz babei 
gefäprbet wirb. 

3ur Bergarbeiterbetoegimg ttt ^eufdjlanb. ®en gorberungcu 
ber Bergarbeiter beS AuprreoierS paben | fiep neuerbingS bie Berg* 
leute beS B^uenfcpen ©runbeS im ^öuigreid) ©aepfen im BJefcnt* 
lidheit angefcploffen, wäprenb im 3 ,0 *rf a uer Aeoier gleid) uad) Aeu* 
japr unter ben Bergarbeitern eine Agitation zu ©unften ähnlicher 
gorberungen beginnen foll, um fo ein eiupcitlidjes >>anbeln ber 
fäcprtfdjen Sfoplenbergleute zu erzielen. T^ie Bergleute bes Blaneu-' 
fd)eit ©runbeS wollen burd) bie Arbeitcroertreter au bie 
oerwaltungeu folgeube gorberungen [teilen: 1. Eine Lohnerhöhung 
oon 10% für alle Arbeitcrflaffeu; 2. Befeitigung ber fraffen Lohn* 



283 


©ogiale fragte. ©entralblatt für Sogtalpolittf. 9h;. 11. 


284 


uitterfcbiebe (begro. ftlaffenlöbne), roie fie auf ben eingelnen Skrfen 
befielen; 3. Abfehaffung ber Ücberfc^idjten, foroeit fic nicht gur 
Reparatur ber ©rubenanlagen notbroenbig finb; 4. achttägige Lohn* 
gablung. — Sei biefer Gelegenheit fei bemerft, bafe oom 1. Sanuar 
näcfeften SobreS ab bie in 3mirf au (m ^achfen) erfdjeinenbe Serg* 
unb Hütten arbeitergeitung „©Iüef auf" mit bem Drgan beS alten 
(fogialbemofratifdjen) SerbanbeS im SRubrreoier oerfcfemolgen mirb. 

Tie beutfdjen Bauarbeiter rüften gu einem grofeen Lohn* unb 
ArbeitSjeitfampf im näcbften Frühjahr- Vorher foll befauntlidj 
aud) ein allgemeiner Sauarbeiterfongrefe in Serlin abgebalten 
roerben. Tie SMntermonate foHen 311 reger Agitation unb gum 
Ausbau ber Drganifation benufet roerben. 3n einer Serliner 
Staureroerfammliing rourbe jiingft mitgetbeilt, bafe ber Maurer* 
oerbanb gur &\t über 65 OOO gablcnbe s lRitaliebcr habe, benen etroa 
6000 organifirte baugeroerblicfee Unternehmer gegenüberftänben. 
Son ben Maurern feien 20, oon ben 3immererit 16 o/ 0 organifirt. 
©S fei feftgefteflt, bafe nur ein geringer Progentfafe ber Staurer ein 
bobeS Lebensalter erreiche. Tentnacf) fei für bie Staurer alle Ur* 
fache oorbanbeit, auf bie Erringung befferer Lohn* unb Arbeite* 
bebingungen bebaut gu fein. 

3iir Sermeibmtg beS ©crlhier SBftcferferetfS haben in ber lefeten 
*>o<fee Verbanblungcn groifeben Stiftern itnb ©efcllen ftattgefnnben. Ta 
inbeffen bie Reiftet bie ftauptforbcnutg ber ©cfeHen: Abfdjaffintg oon 
M o ft unb Logis iui Haufe beS 9Reifters, ftriftc ablebntcn, foll in ben 
uäcfeften Tagen eine Varferuerfantmlung fid) über bie roeUeren Sd) ritte 
fcbliiffig machen. Tie Sammlungen für beit StrciffonbS ftnb bereits 
im Change. 

Arbeitcr'Sefretariate in Tüftelborf nnb lUnu Tie Hirfd^Tunder’fcben 
(Beroerfoereine in Tiiffelborf bcfcbloffcn bie ©rrtdjtung eines Arbeiter* 
SelretariatS. Tie auf 2000 Jt . jährlich oeranfdjlagteu Mojieit fallen 
burdj frciroiHige Beiträge unb Anjroettbimgen ber Hauptuovftänbe auf* 
gebradit roerben. — (Sin ftäbtifdjeS Arbeiterfefretariat roirb am 1. 3«nuar 
1899 mit bem ftäbtifdjen Arbeitsamt Ulm oerbuuben roerben. Tie Ober* 
aufftd)i fülirt ber ©emcinberatf), begro. ber Vorftanb ber ArbeitSocr* 
mittelnngs* unb &$obnungStommtffion. 

©egen baS 3n>etftoljlWt*m m b*r USeberei, bei bem bie SBeber bei 
ben bisherigen Söhnen groei SSebfiüble bebieneu muffen, madjt fid) unter 
ben 2 egtilinbuffriearbeitern CcfterreidjS unb Teut[d)lanbs eine ftarfe 
Bewegung bemerfbar. 3n Sriinn nnb 9ieidjenberg brohen bie Arbeiter 
mit einem Streif unb famnteln bereits 31 t einem Streiffonb. Tie oer* 
einigten Borftänbe bes bcutfdjcn Textilarbeiter* unb beS uicberrheinifd)en 
23ebcruerbanbcs haben an bie in ber Samuit* unb Scibcniubuftric bc= 
fdjäftigteu Textilarbeiter einen Aufruf erlaffen, bie Uebernaljmc ber fo* 
genannten gmciftuljlarbcit abgulehnen. Ter d)riftlid)e Textilarbeiter* 
oerbanb bes AieberrbciitS hat ben Anfd)Iufe abgetchnt. 

Belegung ber belgifdien SJtinenarbeiter. Nad)bem foroobl bie 
Serfucbe, auf bireftem Skge roie burd) Sermittelung beS Arbeite* 
minifterS gu einer Serftänbigung mit ben Arbeitgebern in ber 
Lofenfrage m gelangen, gefcfeeitert finb, roirb nunmehr ein für ben 
erften 2ßeihnad)tetag gnfainmengerufener Sergarbeiterfongrefe in 
©barleroi über bie roeitere §altung ber Arbeiter bie ©ntfc|eibung 
fällen. 

3Ubeiterfdjut}. 

®er (Mcftijetttttmrf gegen bie Itebeiftttnbe in bee fionfeftion8=' 
inbuftrie, ber 11t ber Tbronrebe angefünbigt roirb, roirb, roie baS 
3adhblatt „ t Sionfeftionär" mittbeilt, oorauSficbtlicb im Skfentliiben 
bie §§ 114, 137, 146, 150 unb 154 ber ©eroerbeorbnung unb 
ront Slranfenoerfid)erungSgefefee bie §§ 2 unb 54 betreffen, roie 
ber ©efefeentrourf oom 18. ID^ai 1897, ber am 24. Wai bei feiner 
erften Seratbung im !jHeid)stage einer Slommiffion überroiefen, oon 
biefer aber roegen SdjluffeS ber Seffion nicht mehr erörtert rourbe. 
Turd) bie bamalige Sorlage foEte bem SimbeSratb bie (Sr* 
uiädjtigung gegeben roerben, für beftimmte ©eroerbe Sobnbü^er 
ober SirbeitSgettcl oorgitfd)reibeu, roorin 3lrt unb llntfang ber über* 
tragenen Arbeit, bei 3lfforbarbeit bie Stiicfgabl, ferner bie Lof)n* 
fnpc unb bie Sebingungeit für bic Lieferung oon Skrfgcugeu unb 
Stoffen gu ben übertragenen Arbeiten oon bem Arbeitgeber ober 
bem bagu Seoollmädjtigten gu bcurfunben roaren. Lobnbud) ober 
3lrbeitSgcttel, über bereu (Siurid)tuug ber SHeicbSfanglcr gu beftimmeu 
batte, follte ber Arbeitgeber auf feine Stofteu befefeaffeu unb bem 
Arbeiter nad) Sollgiebung ber oorgefdjriebeneu Gintraguugeu oor 
ober bei ber llcbergabe ber Arbeit foftenfrei auSbäitbigen. 3roeitenS 
mar bem Sefdilnffe beS Sunbesratbs oorbebaltcu, für beftimmte 
©eroerbe anguorbnen, bafe Arbeiterinnen unb jugenblidjen Arbeitern, 
bereu tägliche Sefd)äftiguug in ber Jabrif 6 Stunbeu überfteigt, 
Arbeit uid)t mit nadj .sSaufe gegeben roerben bitrfe: aud) erhielten 
biefe Seftimmungen auf bie Sefdjäftigung oon Arbeiterinnen unb 


jugenblitben Arbeitern in 9öerfftätten entfpreebenbe Anroenbung. — 
T)te oben citirten Paragraphen beS ^ranfenoerftcberungSgefefeeS 
betreffen bie AuSbebnung ber Äranfeuoerficbming auf bie §au§* 
inbuftrie bureb DrtSftatut. — Auf bem lefeten Scbneiber* unb 
Scbneiberinnenfongreffe in Mannheim unb aud) fonft in manchen 
Serfammlungeit rourbe fonftatirt, bafe bie burd) bie SunbeSratbS* 
oerorbuung oom 31. Ü)?ai 1897 über ben Arbeiterfdjufe in ben 
Skrfftätten ber Kleiber* unb SBäfcbefonfeftion betroffenen Arbeite* 
fräfte büufig S lir Heimarbeit getrieben roorbeit feien, roie beim 
überhaupt bie ungejcfeüfete HauSinbuftrie ficb immer mehr entfalte. 
Um Material für bie ©efefegebung gu geroinnen, böt ber Sdjiteiber* 
oerbanb Fragebogen oerfaitbt, bureb roeldbe (Srbebungen über bie 
Folgen ber SuitbeSratbSoerorbnungen oeranftaltet roerben. T)ie 
Fragebogen foHen bis 1. Tegember biefes F^breS gurücfgefanbt 
roerben. Hoffentlich fann baS (Srgebuife biefer prioatenquete noch 
nufebringeitb für bie Seratbung beS ©efefeentrourfeS gemacht roerben. 

3«m geloerhltch iefdj&ftigter Ätiber. *) Gegen bie Alte* 

beutung ber finber in ber H au 3inbuftrie fcbreüen oie Sebörben 
im SRegierungSbegirf T)üffelborf ein. ©ine Fa^rifarbeiterin in 
Erefelb b^h entgegen einer am 2. April b. 3. oeröffentlicbten, mit 
3uftimmung beS SegirteauSfchuffeS oom SRegierungSpräfibenten 
erlaffenen Poligeioerorbitung, fdjulpflichtige $inber roäbrenb ber 
3eit groifeben bem Sor* unb 9?achmittagSfd)ulunterricht mit Slei* 
fniipfen befebäftigt unb rourbe be§b(üb in Strafe genommen. Tic 
Stinber mufeten täglich circa fünf Stunben arbeiten unb oerbienten 
roöchentlich bödjftenS 75 4. Tie ermähnte Poligeioerorbmmg ift 
auf ©runb beS §. 137 beS ©efefeeS über bie allgemeine LanbeS* 
oerroaltung oom 30. 3uli 1883, ber §§. 6, 12 unb 15 beS ©efefeeS 
oom 11. 3)^ärg 1850 unb ber §§. 120c unb 120e ber $Rei<h£* 
geroerbeorbnung erlaffen unb oerbietet ben H au0 inbuftrieIIen unb 
Heimarbeitern ber Teytil* unb 9fteta(linbuftrie, bie fid) mit ber An* 
fertigung oon ©äfche, ^leibungSftiicfen unb 3üubl)oIäfdbachteln be* 
faffen, bie Sefchäftigung oon fcfeulpflicbtigen Hinbem oor Seginn 
bes Schulunterrichte, ferner groifeben bem Sor* unb Nachmittags* 
unterricht unb AbenbS nach fieben Uhr. 

Arbeiterf<buh im beutfdjen SSirtbSgetoerbe. 3m Frühjahr foll 
in Serlin ein Fmbfo n 0re& ber ©aftroirtbSgebülfen ftattfinben, auf 
bem bie Forberungcn ber ©ebülfenfehaft formulirt roerben füllen. 
Tiefe fönnten bann oom 5Reid)Stag bei ber Seratbung eines etroaigen 
S^ubgefefeeS berücffichtigt roerben. 3n einer Serliner Serfamm* 
lung rourbe erflärt, bafe bie Kellner faft ausnahmslos eine gefefe* 
licfee Festlegung eines roöchentlich roieberfebrenben NubetagS, einer 
SJarimalarbeitegeit unb einer Stinbeftrubegeit für notbroenbig unb 
burdjfiihrbar halten. Ter anroefenbe Sorfifeenbe beS Teutfchen 
©aftroirtbe*SerbanbeS, Tb- Ntüller*Serlin, erflärte fi<h mit ber 
gefefelicben Festlegung einer äRinbeftrufeegeit oon acht Stunben ein* 
oerjtanbcn, ebenfo mit ber Sefchränfung ber LebrlingSaitebeutung 
nnb ber Sefeitigung beS Stellenroud)erS. 

Tte ©eroerbeinfpeftion in Defterreidj fott am ©nbe 1899 nach 
bem Subgetooranfdjlag befteben aus 1 (Sentralgeroerbeinfpeftor, 
6 Dbergeroerbeiufpeftoren, 11 ©eroerbeiitfpeftoreit I. klaffe, 13 ©e* 
roerbeinfpeftoren II. klaffe, 23 ©eroerbeiufpeftorSaffiftenteu, 3 3n* 
fpigienten. Tiefe Icfeteren Seamten fteüen eine neue Kategorie bar. 
©S foüen näutlid) bie Fitfpeftoren oon jenen Serrid)tungen inöglichft 
entlaftet roerben, bereit Seforgung eine höhere facblidje Sorbilbung 
nid)t erbeifcht. 3 U biefem Sebuf roirb bie Seftellung oon 3n* 
fpigienten in AuSfid)t genommen, unb es roirb beabfid)tiat; biefe 
Fnfpigienten gunächft bem Streife jener Skrffiibrer, 9Reifter unb 
Sorarbciter gu entnehmen, bie bie 2Berfmeifterfd)ule an einer in* 
Iänbifdjen ©etuerbefdjule mit ©rfolg abfoloirt b^öen. Sorerft fott 
bureb 3 u tl)eilnng je eines Snfpigientcn gu brei ©eroerbeinfpeftoraten 
ein Serfnch gemacht roerben. Aus 2Bien roirb uns bagu gefd)ricben: 
„Ten 3»fpigienteit foll bie Seforgung jener im F^fpehioitebienft 
fich ergebenbeit Verrichtungen gufallen, beren Seforgung feine höhere 
Fad)oorbilbung oorauSfefet. 3nforoeit bieS nicht für ben äufeeren 
Tiertft in wichtigeren NeoifioitSfällen, foiibern faft aitefchliefelicb 
nur für bett inneren .Hanglcimanipulationsbienft, ber bie ©eroerbe* 
iufpeftoren in Defterreicb beute fefer fd)ioer belaftet, gefd)ebcu roirb, 
faitu man gegen biefe Steform uid)ts eiuroenbeu. 3u beforgen ift 
nur, bafe man biefe ,,3ufpigienten" ba unb öort auch allmäblidh 
gur roirflidjeu 3nfpeftioit herangiebeit roirb, eine iRöglid)feit, bie 

*) Xcm Seritcfimeii nad] ift bic Srröffcntlidjiing ber ©cfamntt* 
ergcbiiiffr ber (Srl)elutiigeii über bic geroerblirfjc S\ tüberarbeit, 
bie auf Airorbmmg bcy AcichsfangferS iror Fahrcsirift in beit ©ingcl» 
ftaaten angefiellt roorben finb, in Salbe gu erroarten. Nadi einer An* 
fmtbignng bev Siaat^fetretär^ bec? Fmiern foll bic Moinntiffioii für 
Arbetierftaiifitf fid) mit biefer cinquete befaffett. . Tie Acb. 



285 


©ojiale $rajt$. ©entralblatt für Sojtalpolitü. Rr. 11. 


286 


bei ber mirt^fc^aftli^en Straft ber Unternehmer einerfeits imb ber 
BJinberroertbigfeit ber neugefcßaffenen SiMP^ftionöorgaiie 31 t argen 
Unjuträgli^fetten führen fönnte." 


^rbeiterorrfidjerung. SpnrhafTen. 

$ie ^lentenfeftfe^uttg ttnb bte Aufbringung ber SWtttcl ^nr 23e- j 
ftreitung ber Renteulaft nad) ber AobeUe gnni SnPalibitfttSgefeße. j 

$)ie Beftintmuugen beS neuen ©ntrourfeS, foroeit fie bis jeßt I 
befannt geworben finb, beiaffen im ^rinjip bie jeßige geftfeßung ! 
ber Smmlibenrente aus einem ©runbbetrage unb ben (Steigerungen, : 
bie bureb bie Btarfenbeiträge b^norgerufcit roerben. £er roefent* | 
Iic^e Unterfd)ieb gegenüber bem beftel;enben RentenfefifeßuugSoer* 1 
fahren befteßt aber barin, baß ber ©runbbetrag nießt meßr gleich* t 
jeitig GO t // beträgt, fonbern nad) ber klaffe ber beigebradjten j 
SRarfen be^ro. bem SDurcbfcßnitt abgeftuft roerben foH, unb groar j 

für SoßnHaffe I .... auf 60 jfc I 

* * JI . . . . * 90 * 

- - II! ... . * 120 = 1 

* 5 IV .... * 150 * | 

s s y ... . * 180 * (neue SRarteuHaffc). 1 

AnbererfeitS finb bie ©teigerungSfäße ber Rente burd) bie 
üJarfenbeiträge erheblich oerringert; fie belaufen fuß: 

in ber Soßnflaffe I . . . auf 2 ?{■ (früher 2 5*f.) 

88 * * II ... * .8 * ( * 6 * ) 

8 5 * III . . . * 4 = ( * 9 * ) I 

88 * * !V . . .* 5 * \ s 18 <» ) 

88 s s V . . . = 6 * (neue 21? arten Haffe). 

Bklcße Bortßeile ergeben fid; aus bem neuen S^entenfeftfefeungö® 
perfahren gegenüber bem jeßigen für bie Berfidjerten? $üe diente 
für bie Berficßerten ber erften Lohnflaffe bleibt unoeränbert. gür 
bie Berficherteit ber anberen Lohnflaffett fteigen bie ©ruitbbeträge 
ber Renten nicht unerheblich, aber mit ber $auer ber Berfid)erung 
oerfchroinben bie SBort^eile aus bem neuen RentenfeftfeßungSoer* 
fahren mehr unb mehr, bie Rentenempfänger roerben im Laufe ber 
Sabre fogar gegenüber bem jeßigen Berfaßren benachteiligt. Bei 
ben Berficberten 

II. Lobnflaffe tritt nad) 1000 BeitragStoodjen 

III. = = * 1200 

IV. * * » 1125 * 

ber 3eitpunft ein, roo bie Snoalibenrenten nach bem neuen ©nt* 
rourfe Heiner roerben, als nach bem alten ®efeße. Rechnet man 
baS BeitragSjabr ju 47 Söochen, fo roerben bie Berficberten 

in ber Lofmflaffe II nach ruitb 22 Bettragsjabren 

* 3 * III * * 25 * 

* - 3 IV * 9 24 

fchlechter roegfommen, roenn bie RooeHe (BefeßeSfraft erhält. AuS 
ben Tabellen ber lebten BerroaltungSbericßte ber BerficßerungSanftalt 
Berlin läßt fich für bie männlichen Berfid)erten, für bie uor^üglid) 
bie Bestimmungen ber RcroeÜe in Betracht fommen, ba fie ntinbeftenS 
in LoßnHaffe II oerficbert finb, feftfteUeu, baß bei ihnen im $>urd)* 
fchnitt für bie 3öb rc 1891/9-7 bie Snoalibität ungefähr mit bem 
50. Lebensjahre eintrat, unb sroar roaren beim ©intritt ber Sn* 
oalibität 

unter 50 gafire über 50 galjrc 
tu ben gabreu 1 so 1/05 554 045 

im gaßre 1896 .. . 810 8s2 

3 a 1897 . . . 819 482 

©ären bie betreffenben Rentner mit Beginn beS 17. Lebensjahres 
in bie Berficherung eingetreten unb hätten jäbrlid) 47 Beitrags* 
rooeßen nachroeifen fönnen, fo mürben fie im 2 )urd)fd)nitt nad) bem 
neuen ©ntrourf eine Heinere Rente erhalten haben, als nach beut 
jeßt beftebenben (Befeße. $)ie Rooelle uerfdjärft noch baS BJißocr* 
ßältniß, baß bie Berficberten, bie roenig Beiträge leiften, oerbältniß* I 
mäßig fyofyt Reuten erhalten 31 t llngunftcn bei Anberu. j 

2)urch bie roin 3 igen ©teigernngSfäbe nimmt bie Reute nur 311 
burd) jäbrlid) 47 geleiftete Beiträge in 

ber LobnHnfic U um J,n M 

a 3 III * 1,80= 

* = IV a 2,35 = 

* = V = 2,82 * 

Oiefejjt nun, baft im 2?urdjfchnitt ein Berfidjerter bis 311 m 
©intritt ber Siwalibität 33 3ab l ’ e »om 17. bis 50. Lebensjahre 


regelmäßig jäbrlid) 47 Beitragsmarfen beigebradjt bat, fo ift feilte 
Reute in ber 

II. SoljnHaffe um 46,53 Jt 

III. a S 62,04 a 

IV. a s 77,55 3 

V. 98,06 a geftiegen. 

demnach bifferirt bie BHnimalreitte (OJrunbbetrag) unb bie 
Biafimalrente im ^)urchfchuitt bei allen LobnHaffen nodb nicht ein* 
mal um 100 df ©oÜten biefe fleinen Unterfchiebe, bie bureb bie 
äßarfenbeiträge b^roorgerufen roerben, roirflid) 60311 angetban fein, 
ben Arbeiter an 3 ubalten, auf bie weitere Berroeitbung 001 t SJlarfen 
3 U ad)ten, roenn er erft bie 2 Barte 3 cit erfüllt bat? ($S ift both 
gan 3 natürlid), baß bei bem Berficberten baS Sntereffe an ber Ber* 
fidjerung nur roachfen fann, roenn er fi<b bewußt wirb, baß feinen 
Leitungen auch bie ©egettleiftungen entfpreeben. SDaS läßt fich 
unfereS ©rachtenS nur erreichen, roenn mau bie ©teigerungsfäße 
erhöbt, nicht aber bureb einen höheren Gkunbbetrag, roäbreitb gleich* 
zeitig bie ©teigerungSfäße erniebrigt roerben. An ber ©rböbung ber 
Rente follen alle Berftcherten betheiligt fein, nicht nur biejenigen, 
bie roenig Beiträge geleiftet haben. 

©ie ©runbbeträge ber oerfchiebenen LobnHaffen oerfchieben 31 t 
normiren, halten roir für feine glütflicbe Reuerung beS ©ntrourfeS. 
©aburcf), baß ber Berßcherte in eine ftaatlid)e Berftcherung auf* 
aenommen wirb, ift ibtn 00 m Reiche ein ^ 

für baS Saßr bei ©intritt ber Saaalibität gefiebert. ®er ©taat 
als folcher bringt bie ^Kittel hierfür auf. $)aS Reich macht feinen 
Unterfdjieb, roefcher Lobnflaffe ber Berfidjerte angehört. ^)em* 
gegenüber foKte auch bie Olefammtheit ber Berftcherten oerpfliebtet 
“ein, Sebetn, ber in bie Berftcherung eintritt, eine Bfinintalrente 311 
td)ern aud) oßne Rücffidbt auf bte Lobnflaffe; ber ©runbbetrag 
ber Rente, ber fteß aus ben beiben oorbergenönnten Beträgen ju* 
fammenfeht, ift bann, roie in bem alten ©efeß, in gan 3 $)eutfch* 
Ianb ein einheitlicher, unb feine große oon 110 ,///. fann angetneffen 
erfeßeinen. 

' ©ine ©rßöbung ber Snoalibenrenten, 3 Utttal berjenigen, bie 
feßon naeß Berroenbung oon einer oerbältnißmäßig geringen An 3 al)l 
oon B?arfett bewilligt roerben, wäre feßr roünfdjenSroerth. ©ie 
ließe fid) lcid)t bureß eine ©rßöbung ber ©teigcrungSfäße erreichen, 
für Berfidjerte oon ber 3 toeiten LoßnHaffe ab begonnen. 3)entt 
für bie Berfidjerten ber erften LoßnHaffe erreicht bie (^runbrente 
oon 110 Ji feßon faft ein drittel beS jäßrlicßen ArbeitSoerbienfteS. 
©S würbe aber 3 U roeit füßren, eine ©fala ber ©teigerungSfäße 
an biefer ©teile an 3 ugeben, oielmeßr beßalten roir uns oor, in 
einem befonberen Artifel ba rauf 3 urücf 3 ufommen. 

Be 3 Üglitß ber Altersrenten tourbe feßon gelegentlich beS ©nt* 
rourfs oon 1896 oon maßgebenber ©eite ber Borfcßlag gemacht, 
bie Altersrente in eine Snoalibenreitte nm 3 uroanbetn, berart, baß 
ber Berficßerte mit ©intritt in baS 71. Lebensjahr eine Snoaliben* 
rente erßält. tiefer ©tanbpunft erfeßeint uns als ber rießtige. 
3)ie Altersrente, beren Be 3 ug oon einer SBarte^eit oon 1410, naeß 
bem neuen ©ntrourf oott 1200 BeitragSroodjen abßängig gemaeßt 
wirb, oerliert bttreß biefeS erfdjroereitbe Btoment meßr unb meßr 
an Bebeutung gegenüber ber Siwalibcnrente, bie feßon naeß Rad)* 
roeifitttg oon 235 be^it*. 200 BeitragSroocßen bewilligt roerben fann. 
©S ift ferner 3 U bebenfen, baß eine nießt Heine An 3 aßl oon Ber* 
fi(ßerten beiberlei OiefcßledjtS erft in oorgefd)rittenen Saßren ge* 
3 ioungen ift, oerfidjerungSpflicßtige Befcßäftigung au^uneßmen. 
£ie Altersrente föitncn biefe wegen ber langen ^öarte^eit nießt be* 
fommen, bie Snoalibenreitte wirb ißnett aber aueß nießt 3 ugefprocßen, 
weil fie in Snlgc ibr eö fleinen BcrbicnfteS noeß immer im ©taube 
finb, ein drittel beS ortsüblichen SageloßueS 31 t oerbienen, (^erabe 
aus biefen Mlaffen feßen fid) bie Almofenempfänger 3 ufatnmen, unb 
es würbe eine große ©ntlaftung ber Armenoerroaltuitgen bebeuten, 
roenn bie Altersrente in eine Snoalibeitrentc umgeroanbelt würbe, 
llnb 3 ioar füllten bie Altersrenten gan 3 uaeß berfelbeit Art unb 
B>eife feftgefeßt roerben, roie bie Snoalibenrenten. ©S cntfpiidit 
boeß nur Der Billigfeit, wenn ein 7J jäßriger Riamt, ber 001 t feinem 
17. bis 71. LcbenSjaßre regelmäßig Rfarfen oerioeubet hat, aud) 
ber Srnd)te feiner ©rfparnii’fc in oottcui Btaße tßcilbaftig wirb. 
Jür bie Berioaltung ergiebt fid) aueß eine Grfparniß an ©tßreiberei 
unb Arbeit babureß, baß ber AlterSrentner, fobalb er fid) inoalibe 
füfjlt, bann nid)t meßr einen neuen Antrag auf Snonlibeiirente 
eit^ubriugeii braucht, roehßer bie ©inleitiuig eines neuen Rcnteitoer* 
fabrens 3111 * *5otgc bat. Betont mag itod) roerben, baß bainit bie 
roeitoerbreitete Anfid)t unter beu Arbeitern, baß fie erft mit bem 7o. Le* 
beusjabre, baS fie bod) uid)t crrcid)en, eine Rente erhalten, ans 
ber Bklt gefeßafft wirb. ©S bleiben nur befteßcit Snaalibeureuteii, 







287 


©ogtale PrajtS. (Eentralblatt für Sojtalpolitif. 9fr. 11. 


288 


bie unabhängig non bcm Alter ber SSerfic^erten bewilligt werben | 
tonnen, mit ber Oeftimtming, baß ein 71 jähriger Oerficf)erter and) 
ot)ne 9?ad)wei« feiner (Erwerb««nfäl)igfeit al« Snoalibe gilt. 

Oerlin. Dr. SuliuS SRothhoIo- 


3«r Sm>alibttat«not>el(e. Ser Au«fd)itß ber Älter«- unb Snualibität«* 
uerfid)erung«anftalt 0d)le§wtg*|>oIftein fprad) fid) cinftimmig gegen bte 
geplante llebertragnng ber bi«lier ben Oorftänben ber Anftalten gu* 
fteljenben Oefdilußfaffitng über bie Oemtfligimg non Renten an Sofal* 
iltftangeit au«. Sie ÄenDerung erfdjeine in Ijo^em Stfaße bebenflidj unb 
finanziell gefährlich. — Sie* „Soziale prari«" erblicft im ©egenfaß 
tjierju in ber (Errichtung non Sofaltitftangett eine wefentltdje Oerbeffe* 
rutig be« ©efeße«, wie bie« Dr. Sreunb in 9fr. 4 treffenb au«gefüljrt hat. 

& ran fett* unb lUtfaHberftcherunfl ber ftäbHfrfjrtt Arbeiter in Berlin. 

Sa« 9J?agiftrat«fotlegium hat auf Anregung ber Stabtuerorbnetenoer* 
fammlung nunmehr befchloffett, ba« £)rt«ftatut jur Aegnlinmg ber 
ftranfen- unb Unfalluerftcberung ber im ftäbtifrfien Sienft unb bei ben 
ftäbtifchen wtrtl)fdjaftlid)cit Anftalten be[d)äftigten perfonen unb An* 
gefteüten gu genehmigen. Sa« Statut bebnt bie Oorfchriften be« §. 1 
be« Äranfenocrfidjentngsgcfeße« auf alle non ber ©enteinbe gegen ©e* 
halt ober Sohn befdjeiftigten perfouert au«, foweit fie nid)t mehr al« 
6 9 / 3 Ul. pro Sag bcgiehung«wetfe 2000 Uf. für ba« Sahr erhalten 
ober in &ranfhett«fällen Aufprud) auf ^ortjahiung be« ©eljalt« ober 
Sohne« haben. (Ebenfo foü bie Unfaltoerfidjerung ber tn ben ftäbtifchen 
betrieben Befcfjäftigten Perfonen in ber oon ber ©ewerbebeputation be« 
5DJagiftrat« norgefdjlagenen ©etfe in bie ©ege geleitet werben. 

ttnfaüberhütung«borf(htäge ber Ärbeiterunfattberftcherungdanftalt 
für 9Ueberöfterrcid). Sie öfterreidjifchen UnfaUuerfid)erung«anftalten 
entbehren be« Rechte«, gur Unfalloerhütung allgemeine ^ßorfcfjriften 
über Oetrieb«eiurichtungen gu erlaffen unb bie betriebe burd) eigene 
Drgane gu befichtigen. Sie ftnb auf bie überbürbeten bewerbe» 
infpeftoren angeretefen, bie auf Verlangen einer Anftatt einen oer* 
fid)erung«pflichtigen betrieb an Drt unb Stelle gu befichtigen unb 
bie (Ergebniffe ber Anftalt mitgutf)eilen haben. Me Oerfuche, biefen 
3uftanb gu äubern, um einen größeren Oetrieb«fchuß in Unfall* 
nerfi(herung«pflidjtigen ^Betrieben Ijerbe^uführen, finb bisher ge* 
f (heitert. &un hat ber Oorftanb ber nieberöfterreicfjifi^en Mftalt 
am 14. ^ooember noch einen Oerfutf) unternommen unb eine SReilje 
oon Anträgen 31 er llnfattoerhütung befchloffen. Sarin wirb bie 
Streichung ber Summe für bie Otttwirfung ber ©eroerbeinfpeftoren 
(bie fämmtlichen Anftalten 3 ahlen bafür Jährlich 17 900 (Bulben) 
eforbert. Sie ^Beauftragten, (Erhebung«?ommiffionen 2 c. foHen ihr 
efonbere« Augentnerf auf bie Umfiärtbe richten, welche 3 ur herbei* 
fiihrung be« Unfälle« befonber« beitrugen unb beren Oefeitigung 
burd) Sid)erheit«üorfebrungcu bie ©ieberfel)r ber Unfälle au«* 
fließen würbe. Sie £>aftpflid)tparagraphen foHen auf« Strengfte 
angewenbet werben. Sa bie lluterlaffung oon Unfalloerhütung«* 
oorfchriften al« ein Oerfchulben im Sinne be« allgemeinen bürget* 
liehen ©efeßbuche« unb al« Oerleßung be« Arbeiterfrage« an 3 u* 
fehen feien, fo fei für bie ©ewerbebei)örben ein fefter ©oben 3 um 
(Erlaß oon Unföüoerhütuug«uorfchriften gegeben; Uebertretungen 
feien nad)brücflich strafrechtlich 3 U oerfolgen. (Eine Stommiffion hat 
bie Oorfd)rifien au«guarbeiten. Sür ^Betriebe mit größter Unfall* 
gefäbrlicßfeit fitib bie Oorfchriften obligatorifch 31 t machen. Sie 
&ad)tbefuguiffe be«©ewerbeinfpeltorat« finb 3 U erweitern, bie Unfall«* 
erhebungen gröfttmöglichft 3 U befd)leunigeu. (Ein bem Streftor bei* 
gegebener Sccßnifer hat bie Unfallaften auf bie Unfatlgefährlictjfeit 
ber ^Betriebe gu prüfen unb auf Abteilung ber Mängel gu bringen, 
Stoff für Unfafloerhütnng liefern, ftatiftifdje Spegtalau«weife 
bariiber gu betreiben unb bet ber ©efahrenflaffififation ber betriebe 
mitguwirfen. 9fr d)t wichtig erfd)eint bie weitere Sorberung gefeh¬ 
lter Ocftimmuitgen, wouad) bie OJafdjiiienfabrifanten fid) ftrafbar 
unb ihre 9Jcafd)inett unoerfäitflich mad)en, wenn fie biefe nicht mit 
oon ber 9J?afd)ine ungertren 11 ließen Scßußüorrichtungen oerfeh^n. 
91 uf bie (Erfiubung gweeftnäfeiger unb nothwenbiger Sdjufeoorfeh- 
rungen füllen Staat«preife au«gefeht werben. 2Beitere Sorberungen 
Beziehen fich auf (Erhebungen über grauen* lin ^ itinberarbeit, fo* 
wie beren Oefdjränfung ober Oerbot in beftiinmten ^Betrieben. S)ic 
Scdjnif ber Sd)uhoorrid)tungeu follcrt in befonberen Kollegien gelefcn, 
bie 9lrbeiterfd)ubgefebgebung in jeber 0 ?eife, befonber« burd) bie 
Sehranftalten unb £)bd)fd)u!en, popularifirt werben. — ^offentlidh 
haben bie Einträge (Erfolg. 

Oerftdjerung ber fßoft- ttnb Selcgrap^nbebtenfteten in Oefter* 
reich* Stuf Anregung einer SRefolution be« ©ewerbeau«fd)iiffc« be« 
Ähgeorbnetenhaufe« fal) fid) bie öfterreidjifche Regierung oeranlaßt, 
bem Parlamente einen BJefetjentwurf, betreffenb „bie Sterling ber 
perfouen be« poft* uttb Selegraphenbetriebe« gegen bie golgeti 
oon Unfällen" oorgulegen. S)er (Entwurf fiel;t jeboch uid)t bie 


Mmelbung ber Poft* unb Selegraphenbebienfteten bei ben auf 
förunb be« Unfaüoerfid)erung«gefehe« fonftituirten Oerfichcrung«* 
anftalten oor, fonbern ftatuirt bie ©ewährleiftung ber gefebmägigen 
Unfallentfchäbigung burch ben Staat, weil bie oerfchiebenartige 0)e* 
ftaltung ber einfdjlägigen S)ienftuerl)ältniffe ber einfachen M«* 
behnung be« UnfaÜoerti(herung«gefehe« grofee Schwierigfeiten in 
ben ©eg fteEt. S)o<h wirb au«brticflich h cr oorgehoben, bafj bamit 
feineSweg« ein Präjubig hiaf^^fh & er 9lu«fd)eibung anberer 
ftaatlicher Oetriebe au« ber regulären UnfaHoerfterung gefthaffen 
werben foll. — Oetreffenb bie Oorforge oon ÄTanfheit«fällen be* 
ftehen formen, bie bie Oelaffung be« gangen SüenfteinFomtnen« 
ober eine« Shcile« auf eine gewifje S)auer regeln. 

(Smquete für eine Ältcr^oerpchcrung in Belgien. S)er ÜÄinifter 
für Sttbuftrie unb Ärbeü beauftragte Da« „Office du travail ’ 4 mit 
einer (Enquete über bie öfonontifd)e Sage ber perfonen oon über 
60 gahren, bie ehemal« £>anbarbeiter gewefen ftnb, gu bem 
3wecfc, genaue Unterlagen für ba« Stubiutn be« Problem« einer 
eoentuellen 9llter«oerfid)erung gu gewinnen. &ie (Enquete füll ft 
nidht auf« gange fianb, fonbern nur auf eine Ängaljl tqpifcher 
inbuftrieller unb ianbmirthf<haftli<her ©emeinben unb £reife er* 
ftreefen. 


3trbeitsnod)njd9. 

^entraloerein für &rbrit€nnchkuei« in Berlin unb Zentral* 
ansfdjuff faufmännifcher, gewerblicher nnb inbnftrieüer Oereine. 

S>er &ntratau«tufe h°t am 5. S'egember nach einem ausführlichen 
Referat be« Dr. Sr e aab, Oorfitjenben ber Mer«* unb gnoalibität«* 
oerftcherung Oerlin unb be« Oerbanbe« beutfeher 9lrbeit«nachweife, 
unb nach eingehenber Oerathung einftimmig folgenben Oefchlufe 
gefaßt: 

Ser 6entralau«fchufj erfeunt tut Sntereffe einer befferen Siegelung 
oon Angebot uttb Sladqrage auf bem 9lrbett«ntarfte unb 3 itgleid) tut 
Sntereffc be« guten (Etnuemel)mcu« gwifdien Slrbettgebcru unb Ärbeit* 
neljmem bie 9?otl)wenbig!ctt ber (Errichtung unb ber Sörbcritug oon 
?lrbeit«nad)weifen an, tu beneu Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gleich» 
mäbig unter einem unparteilichen Oorftpenben ocrtrcteit finb. Ser 
(Eentralau«fd)uh befchliebt, feinen Oerbättbeit bie Unteiftüpung unb Oe* 
nupung be« alfo orgauifirten (Ectttralnercin« für Arbcit«nad)wct« gu 
Oerlin warm gu cmpfelileit, babei oott ber Oorau«fepimg au«gel)enb, 
bafe zugleich unter Sljeilualjme non 0adwerftänbigen bte Organifation 
oott Arbcit«nachweifeit für gelernte Arbeiter oont (Eentraloerctn für Ar* 
beit«mchwei« fofort in Angriff genommen wirb. 

S)a« Oorgehen be« ßentralau«tuffe« Oerltner faufmännifcher, 
gewerblicher unb inbuftrieller Oereine ift ein fehr bebeutfame«. 
S)enn nicht weniger al« 37 grobe Oerbänbe finb in biefetn Au«* 
fchub (Oorfipenber ©eh- lommergienrath ©olbberger) oertreten; 
wir nennen oon ben Otitgliebcrn g. O. bie Oereine Oerliner $auf* 
leute unb Qnbuftrieller, Eaufleute ber $oIonialwaareubrand)e, 
0chirmfabrifanten, Spebiteure, papieroerein, £>utinbuftrie, Seber* 
hänbler, Schuhfabrifanten, ©äfchefabrifanten, Petroleum*@rob- 
hänbler, ©olb* unb Silberwaarengewerbe, ©etreibe* unb Probuften* 
hänbler, Sabafintereffenten, Olumenfabrifantcn, Oranntweininter* 
ejfenten, Such*©robhänbler, £unft* unb §)anbel«gärtner, Herren* 
unb Änaben-Äonfeftion, Oraucreien, $olginbuftriellc, Photographen, 
^olghänbler, pianofortefabrifanten, äohlen*©robhänbler, d)emifd)e 
Snbuftrie 2 c. Schott biefe Mfgähluttg giebt ein Oilb oon bem 
Umfang uttb ber Oebeututtg be« (Eentralau«fchuffe«. ©enn nun 
biefe zahlreichen Oereine oon Unternehmern uttb Arbeitgebern im 
Sntereffe be« guten (Einoernehmen« für paritätifche Arbeit«nadhweife, 
au bereu Oerwaltung Arbeitgeber unb Arbeiter gleichmäßig unter 
einem unpartciifchen Oorfipettben betheiligt finb, efntreten, fo ift ba« 
ein Alt oon großer praftifcher Tragweite, ber in l)öd)ft erfreulichem 
©egettfape gu beut befannten 23cfd)luß ber Scipgigcr Oerfamtnlung 
fteht unb oeffett ©irluitgen fid)er weit über Oerlin fich erftrecfen 
toerbett. 


(Ec}ict)ung unb fiUbnng. 


Sa« prcuffiidje Oolf«fd)ulwefen. 

Sie ftatiftifchen (Erhebungen über ba« gefammte niebere Sdjttl* 
wefen in preiipeti, bie feit 1886 alle fünf ’^ahre regelmäßig uttb 
im Allgemeinen nad) benfelbett ©efid)t«pun!ten ftattgefunben haben, 
geben ein gwar uid)t umfaifenbe«, aber nad) ben in Oetrad)t ge* 
gogenett ©cfid)t«pnnften erfcböpfeitbe« Oilb ber Oerbältniffe be« 
Oolf«|chittitnterrid)t« ittt Staate. Oefonber« ausführlich werben 
bie fonfeffionellen Oerhättniffe feiten« ber Statiftif beljanbelt, wäh- 




289 


Sogtale $raji$. Centralblatt für ©ogtalpolittf. SRt. 11. 


290 


renb bie inneren «ftuftänbe, bie u. 51. in ber öfterretd^ifcfjen unb 
fcbroeigerifcben Statiftif eine grofee SRofle fptelen, unberücfftcbtigt 
bleiben. 

2luS bern reifen Material, baS bie drbebung oont 27. Sunt 
1896 geliefert fjöt unb baS jefet in gmei Soliobänben bearbeitet 
oorliegt, fönnen an biefer Stelle nur einige widrige Partien ^er« 
auSgepoben unb bie Crgebniffe furg mitgetheilt werben. 

bie Schulbauten, inSbefonbere in ben ßanbgemeinben 
ber öftliäjen Groningen nicht auSreidjenb finb, ift aus ben 35er* 
banblungeit beS 3lbgeorbnetenbaufeS befannt, gang gu fdjweigen 
non bem elenben 3 ^ftanbe, itt bem firfj ein mdfjt geringer %$i\l 
ber Schulhäufer nach ben ÜRittheÜungen beS MtuSminifterS be* 
finbet. 1886 waren für 92 001 SchulHaffen nur 78 431 klaffen* 
räume, bie gu UnterridbtSgmecFen benufct würben, oorhanben, unb 
1916 SRäume mußten gemietbet werben. 33äfjrenb in ben Stätten 
im S)urcbfcbnitt auf 103 Sdjulflaffen 100 SUaffenräume entfielen, 
waren auf bem ßanbe bie 33erhältniffe wefentlidj ungünftiger. dS 
famen 3 . SB. auf je 100 SUaffenräume in ben 93egirfen granf« 
furt 149, ÄöSlin 130, $ofert 156, 33romberg 143, 33reSlau 165, 
Ötegnifc 171, Dppelit 126, 3Rerfeburg, Erfurt unb .&ilbe§^eim je 
134, fünfter 128, Csnabriidf 136, 3Rinben 161, Gaffel 140 Schul* 
Haffen, tiefer SRangel an Älaffenräumen ift befonberS aus 
bpgieniftbcn, aber auch aus fchultechnifchen ©rünben hö<hft beben!* 
lieb- 2>erfelbe UnterrichtSranm mufe non oerfdjiebcnen Schul* 
Haffen nach einanber benufct werben. 2htSreid)enbe ßüftung ift 
hierbei nicf)t immer möglich: bie 3 U früh gurn Unterricht erfchetnen* 
ben Minber muffen au<p bei fd^Ied^ter Witterung auf £)öfen unb 
Sforriboren warten, unb größere unb Heinere Äiitber müffen an 
benfelben Schulbänfen befc^äftigt werben. $>ie folgenbe Tabelle 
geigt, eine wie grofce 3 a hl 00,1 ^dbulräumcn in ben ein 3 elnen 
ißromngen noch befebafft werben müfcte, um für jebe Schulflaffe 
ein eigenes £>eim 31 t erhalten. 


einer SReihe non 33egirfen auf eine ßeljrfraft noch über 80 hinter, 
fo in S3romberg 81, in DSnabrücf 82, in fünfter 87. trauriger 
lagen bie SSerbältniffe auf bem ßanbe. §ier famen auf je einen 
ßehrer im 33egirf ^Rarienwerber 85, in 3ran!furt89, in$ofenllO, 
in 33romberg xtitb 33reSlau je 95, in ßiegnifc 88 , in Dppeln 96, 
in 3Rerfeburg 82, in Erfurt 84, in £>annooer, Dsnabrücf unb 
.Staffel je 81, in fünfter 92, in 3Rinben 97, in SntSberg 84 &in* 
ber. $)urcbf<bnittlüb hötte 1886 jeber ftäbtifebe ßeljrer 67, jeber 
ßanblehrer 79 Stinber 3 U unterrichten. ®iefc 3iffent hoben firf) 
bis 1896 in ben Stätten auf 59, auf bem ßanbe auf 70 t>er* 
minbert. Stafc auch biefe 3 afjlen noch gu hoch finb, fann feinem 
3weifel unterliegen. 5lm günftigften finb bie ftäbtifcbeu Schulen 
in ben 33egirfen ^Berlin (52), Stettin (52), Stralfunb (51), waffel 
(52), SSieSbaben (51) unb Sigmaringen (52) gefteHt. Sei ben 
ßanbfchulen befteben bie günftigften Serbältniffe in ben Segirfen 
Stralfunb (53), Schleswig (53), ßüneburg (54) unb Sigmartngen 
(54). SefonberS ungünftig finb gefteHt bie $egirfe $ofen ( 88 ), 
Sromberg (77), granffurt (77), SreSlau (78), ßieguifc (78), 
JDppeln (81), HRünfter (79) unb 9Rinben (82). 

$afj eine folcbe Schiilergahl für eine ßeljrfraft gu ho<h *1*' 
bat bie UnterricbtSocrwaltung baburdj anerfannt, bafe fte bie auf 
einen ßehrer entfaöenbcn Schüler häufig in gwei klaffen geteilt 
bat. So fommt es, bafc auf 79 431 ßehrerfteHen 92 001 SchulHaffen 
entfallen. SDa aufjerbent ein Xbeil ber ßebrerftellen unbefefct ober 
nicht orbnungSmäbig befe^t ift, fo hoben über 13 000 Schul* 
flaffen feine befoitbere ßebrfraft. Sn ben Stabten waren 
für 30153 HnterricbtSflaffen 29 901 ßebrfräfte oorbanben, auf 
bem ßanbe bagegett für 61 848 UnterrichtsHaffen nur 49 531 ßebrer* 
fteHen. Sn einer SReibe oon ^rooingeit ift biefer für bie unterricht* 
liehe Serforaung ber Sugenb befonbers hioberliche SRaiigel an 
ßehrfräften febr erheblich, ^ie folgenbe Tabelle giebt bie betreffen* 
ben 3 ohlen für bie eingelnen ^rootngeu an. 



3af)l ber 

3al)l ber 


S t a b t 

2 a n b 


ßftpmiBcn . . . 

SchulHaffen. 

. . 5 428 

ftlaffeuräuntc. 

0 055 


Sdjulflaffen 

ßehrer* 

[teilen 

Sdjulflaffen 

2c h rer* 
[teil cn 

Seftpreuben . . . 

. . 4 362 ' 

3 708 

ßftpreuften .... 

981 

982 

4 447 

4 084 

Berlin. 

. . 3 583 

3 543 

SBcftpreubcu . . . 

960 

942 

3 402 

2 787 

SBranbenburg . . . 

. . 8 108 

6 659 

^Berlin. 

3 583 

3 58 7 

— 


^oinmeru .... 

. . 5 011 

4 365 

iBraiibenburq . . . 

2 608 

2 542 

5 500 

4 144 

$ofcn. 

. . 5 786 

4 149 

Sommern .... 

L 443 

1462 

3 568 

2 927 

Schlefien .... 

. . 13 548 

9 954 

•jSofen . . . . . 

1 444 

1 309 

4 342 

2 887 

Sachfcn .... 
SchleSwig*.&ol[tciu . 

. . 7 869 

6 758 

Schleften .... 

3 270 

3 158 

10 278 

6 947 

. . 3 945 

3 886 

Satfjfen. 

3 035 

3 002 

4 834 

3 830 

.ftaitnouer .... 

. . 7 379 

6 334 

Sd)leSwig*.^olftein 

1 206 

1 273 

2 739 

2 653 

Scftfaleu .... 

. . 7 710 

6 560 

.ftamtoucr .... 

1 972 

1992 

5 407 

4 432 

Öcffen*9?affau . . . 

. . 5 285 

4 368 

SSeftfalen .... 

2 393 

2 383 

5 317 

4 341 

Stbeinlanb .... 

. . 13 788 

12 914 

.$effen*9fafiau . . . 

1496 

1 537 

3 789, 

2 874 

.frohengoUcrn . . . 

. . 199 

198 

9U)eintanb .... 
.'pohengoüeni . . . 

5 743 

5 712 

8 045 

7 446 

Staat . 

. . 92 001 

78 451 

L9 

19 

180 

179 


Son beit in fäntnttlicben 36 138 Solfsfchuleu im Sob^ 1896 
oorhanbeuen 92001 Xlnterrid^tSflaffen waren 14 422 Knaben* 
Haffen, 14 552 'Dtäbd)enHaffen unb 63 027 gentifcf)te klaffen. Sn 
ben Stabten waren neben 10 964 £naben* unb 11093 3Räb<ben* 
Haffen nur 8096 gemifd)te klaffen oorbanben, fo baft noch nicht 
ein drittel ber ftäbtifdfjen SolfSfchüler in gemifchten klaffen unter* 
richtet würbe. Sluf bem ßanbe wirb bagegett noch weitaus bie 
SRebrgabl ber Äittber (3 009 873) in gemifchten klaffen unb nur 
226 320 Mnaben unb 227 263 9Räb<beu in gefotiberten Knaben* 
unb SRäbcbeitflaffen unterrichtet. ^)ie Trennung ber ©e* 
fdblecbtcr macht aber auch auf bem ßartbe grofee ^ortfehritte. 
Sott 1886 bis 1896 bat fid) bie 3 a b^ ber gefonberten Mttabeit* 
unb ÜRäbchenflaffeit oon 4206 auf 6917 oermebrt, unb bie 3 a bl 
ber in bie[en unterrichteten Einber ift um runb 150 000 gefliegett, 
wäbrcnb fich bie 3 a bl ber in gemifchten klaffen untergebrachten 
SHitber in bcrfelben Qtit um 15 000 oerntiitbert (jat. (5s waltet 
alfo offenbar bie £enben 3 ob, auch auf bem ßattbe, fo weit bie 
Serbältuiffe es geftatten, eine Trennung ber ©efchlechter berbeigu* 
führen. 

^iefe 3 )laf 3 nabme erfreut fiä) in päbagogifcheit .Streifen itid)t 
allfeitigcr 3 nfli tm nung, es wirb oieltnebr ber gcmcinfante 
Unterricht beiber (SJefchlechter itiSbefonbere aus ergicblichcn ©rüit* 
ben oielfach beoorgugt. Sn ben Stabten ift ber genieinfantc Unter* 
rieht in beit ^rooingeit SSeftpreuBen, $ofett, §annooer, SBeftfaleu 
unb ber 5Rh c inprooing no^) giemlid) häufig. 

^ie $öbe ber unterridjtlicben Serforgung richtet ftdj in erfter 
ßiitie tiad) bctit 3 a bl e noerbältnij 3 gwifdjen Schülern unb 
ßebreru. (iS ift befannt, baf 3 in biefer ^egiebillig in ^renfjeu 
bis in bie jüngfte 3 ^it gientlid) unbefriebigenbe SSerhältniffe obgc* 
waltet hoben. Snt 3«b rc 1886 entfielen g. s S. in ben Stabtfdmien 


30163 29 900 61 848 49 531 

®er in biefen 3iif ern gn 2age tretenbe Uebelftanb l;öt ftch in 
ben lebten gehn Snh ren noch oergröfeert. 1886 ftanben ben 75 097 
Scbulflaffen 64 750 ßebrerftellen gegenüber, es fehlten alfo in biefern 
Sabre nur 10 347 ßebrfräftc, 1896 bagegen 12 570, abgefebeu 
oon ben unbefefeten Stellen. Sn ben 2Rittelfchulen unb höheren 
Wäbthenfchulen beS Staates, in benen bie Sefefcung ber .Mlaffen 
im ^urebfehnitt noch nicht hnlb fo ftarf ift, als in ben SSolfSfchulcn, 
ift bagegeit bie 3«hl ber ßcbrfräfte größer als bie 3nh^ ber Schul* 
flaffen. @S waren für 4 482 UnterrichtSflaffen mit 143 097 Sdpil* 
finbent 4 904 oollbefchäftigte ßebrfräfte angeftelft. 5luch in ben 
^Berliner ©emeinbefchulen ift für jebe klaffe eine befonbere ßeljr* 
fraft oorbanben. 

3u bent SRangel an ßebrfräften fommt ein anberer Uebelftanb 
biitgit, ber bie ßelftungsfäbigfeit ber SolfSfchule erheblich herab* 
brüeft. diu nicht geringer Sljeil ber Scbulflaffen, auch folcber, 
für bie eine befonbere ßebrfraft nicht oorbanben ift, höben eine 
Scbülergabl, bie weit über baS normale SRaft binauSgebt. 5Us 
normal befefet betrachtet bie UnterriditSocrwaltung jebe Sd)ul* 
Haffe, bie nicht über 80 (in einUaffigett Schulen) begiehungSweifc 
nid)t über 70 (in mebrflaffigen Schulen) SUitber gäblt. 1896 fafeen 
nod) 1 390 525 ttinber in klaffen, bie über biefe grequeug hinaus* 
gingen, ^ie Scbulflaffen hötten g. ^lj. über 150 Schüler. 3»S* 
efammt waren 17 165 Scbulflaffen überfüllt, baooit entfallen auf 
ie Stabte 5 569 klaffen mit 432 603 Ambern, auf ba^ ßaub 
11 596 Mlaffett mit 957 922 Minbern. ?luf bem ßanbe würbe 
alfo faft eine 9Rillion Minber in überfüllten Sdiulflaffen unter* 
ridjtet. Olegctt baS Sahr 1886 ift in biefer ^Begiebung jebod) eilt 
erheblicher 7vortfd>ritt gu oergeidjueit. Sn biefern Söhre waren nod) 
I 25 535 SchulHaffen mit 2 333 373 Minbent überfüllt. Xie lieber* 












291 


®ogtaIe ?TQft0. denfralMati für ©ogtatpoltitf. Nr. 11, 


292 


füüuug ber ©djulflaffeit ift aber 311 einem großen Steile lebiglich 
öaburtfi befeitigt worben, baß bie klaffen oßne Aufteilung neuer 
Lel)rfräfte geteilt roorben finb. 3)aburd) ift aHerbingg eine fdjul* 
tedjnifdie ^erbcfferung erreicht, aber ber Werft) berfclben mirb ba* 
burd) oerminbert, baß bic Leljrfräfte ftarf überlaftet gnb ober bie 
llntcrrirfjtägeit bebeutenb abgefürgt roirb. Auf jeben galt ift biefe 
(Einrichtung alg ein Notfjbehelf gn betrachten. Wollte bie Unter* 
ridjtgoerwaltung für jebe ftiaffc eine befonbere Letjrfraft anftetten 
unb fämmtlidje ©djnlflaffen auf eine nonnale <yrequeng bringen, 
fo müßte ber Letjrförpcr um runb 20 000 $erfonen oer* 
ftärft merben. 4>er Aufroanb für bag !Bolfgfd)ulroefeu mürbe 
baburdj um 25 o / 0 ober um runb 50 Millionen gesteigert merben. 
‘Xag märe freilich ritte erhebliche SWeljrbelaftung ber SBeoölferung 
(auf ben Kopf l /50 *//), hoch bürfte ber SBortbeil einer fold)en 
Skrbefferung beg Itnterricfjtgwefeng, aud) rein wirttjftfjaftlid) be* 
trachtet, ein red)t bebeutenber fein. 

£ag leßte 3aljräef)nt hat bereite eine bebeutenbe Grljößung 
ber ©djulaujweitbungeu gebracht. $ie Auggabeit, auf ben Kopf 
ein eg ©djulfinbeg berechnet, fteigerten fich oon 1886 big 1896 in 
Stabt unb Laub gufamnten oon'24,07 anf 35 /50 J( t unb auf ben 
Kopf ber 53eoölferung berechnet oon 4, u auf 5 /8 4 „//. $ie nach 6 
fteßenbe Tabelle giebt einen Ueberblicf über bie ©teigerung ber 
©djulaufroenbungcn in ben einzelnen ^rooiugeu oon 1886 big 1896. 



Ausgaben auf ben Kopf 
eines ©dgtlfinbcs 

'Bolfsfd)iiIuutcrhaltungs* 
fofteu auf beit Kopf ber 
Beoölferuug 


ISS Ci 

1S91 

189(5 

lssß 

1S91 

1896 

C ft preußen . . . 

. 20,. 7 

24,42 

27,6u 

3,32 

:l,s3 

4,58 

Wcftprc.nßeu . . 

. 19,71 

24,82 

28,92 

3,36 

4,ii 

5,08 

'Berlin .... 

. 7) 

CJ5l,ir> 

(57,21 

6,38 

7,<rj. 

7,54 

'Bratibenburg . . 

. 251,1« 

2S,30 

515,93 

51,66 

4,28 

;>,3S 

Sommern . . . 

254,ui 

29,12 

351,68 

4,10 

4,8. 


'pofen .... 

17,42 

251,07 

29,22 

51,18 

4,n 

5,19 

©djlcfieu . . . 

19,11 

2;l,ui 

27,72 

51,33 

51,97 

4,66 

®ad)fen .... 

. 24,25 

510,34 

514,42 

4,08 

4,99 

5,77 

©d)leswig*.lpoIfteiu 

513,23 

41,30 

46,91 

5,85 

6,85 

7,65 

Öannouer . . . 

251,07 

29,49 

517,91 

3,92 

4,88 

6,19 

Wcftfaleu . . . 

. 251,41 

27,93 

36,45 

4,19 

5,21 

6,68 

Öeffen«Kaffau . . 

25,tio 

30,97 

41,47 

4,13 

5,00 

6,36 

Kl)cinlaub . . . 

2(5,41 

511,73 

37,29 

4,73 

5,49 

6,32 

Vohei^olleru . . 

25,8« 

2 s, 64 

37,79 

4,80 

5,06 

6,11 


24,07 

29,74 

35,50 

4,11 

4,88 



X>as Wad)gtf)iim ber ©djullaften ift, mie biefe 3iff e rit auf 
ben erften 33Iicf erfennen Iaffen, recht bebeutenb; ob eg ftarf genug 
ift, bag llnterridjtgroefen ben machfenben Anforbernngen uuferer 
3 eit entfpredjenb 311 oerbeffern, ift eine anbere grage, bie fich in 
Mür^e nicht beantworten läßt. 

2 )er größte Xfjeil ber ©djulauggabcit entfällt auf bie Lehrer* 
geh älter. X)urd) bag ©efcß 00 m 3. Ktäq 1897 ift aber bie iBefolbuttg 1 
beg Lefjrperfonalg fo bebeutenb umgeftaltet morben, baß bie An* I 
gaben ber ©tatiftif für ben augeiibliiflid)eu ©taub nicht mehr maß* ■ 
gebenb fein fönnen. $>ic ftäatlichen Ausgaben finb burch bag 

©efeß bjgfjer um runb 11 9ftilIioueu erhöht morben. X'aburd) 
ergiebt fich für jebe ber 80 000 Lehrhafte, bie jur 3 eit an ben 
preußtfcßen $Bolfgfd)_iilen amtiren, eine Aufbefferung oon runb 
150 . /f _Nun finb freilich bie ftaatlicfjcn Aufwartungen gum £t)ril 
an bie ©teile oon früheren OJcmeinbeleiftungen getreten. aber 
audj oiele ©enteinben burd) bag ©cfeß 311 größeren Aufwartungen ! 
oeranlaßt morben finb, fo barf mau für ben Leßrerftanb minbefteug | 
biefen betrag oon 11 ütiüioneu alg Aufbefferung berechnen. S >ic ' 
Erhöhung ber SBefolbung ber Leljrfräfte oon 1886 big 1896 ift ! 
aug nadßtefjenber Tabelle erfichtlich. I 




ehre r 

ehre r 

i n u e n 


1886 

1896 

1886 

18% 

Cfipreußeu . . . . 

1054 

1220 

S83 

991 

Weftpreußen .... 

1055 

J 255 

967 

1100 

'Berlin. 

2375 

3010 

1457 

1627 

'Branbeubnrg . . . 

1251 

1527 

1025 

1 iss 

'pommeru. 

1172 

1 35»; 

101 1 

1 125 

'Polen. 

I12N 

1361 

1093 

1119 

©d)le fielt. 

1235 

I4b9 

1121 

1264 

©a di feu. 

1277 

1549 

993 

1109 I 

©djleswtgs.'oolfteiu . . 

1424 

16S9 

9 | S 

1041 ; 

vSauitooer. 

1159 

1 166 

926 

1103 | 

Weit fa (eit. 


1753 

1042 

1277 

Ve.ffen=Naffatt . . . 

1266 

1694 

1077 

1371 1 

Kheiulaub .... 

I4S3 

1 sc >6 

1093 

1285 ; 

•FolienRollern ... 

lols 

1348 

812 

1006 i 


1292 

1583 

11 OS 

1279 , 


£roß biefer äugenfcheinlichen SSerbefferung ber $>nrd)fchmtt** 
gehälter bleibt hoch ein erheblicher X^ril ber Lehrer unb Lehrerinnen 
auf einem Gtnfotnmen ftehen, bag ben gegenwärtigen Lebeitg* 
anfprüchen faum genügen bürfte. Gs be 3 ogen $. S -B. 1896: 41 Lehrer 
unb 6 Lehrerinnen toeniger alg 600 Jt, 5882 Lehrer unb 
1352 Lehrerinnen 600 big 900 , ff. unb 16 997 Lehrer unb 
3826 Lehrerinnen 900 big 1200, // ®iefe Lehrfräftc hatten 311 m 
&heil bereitg ein höfjereg 2)ienftalter erreicht. Auf bcni ©ef)altg* 
faße oon 900 big 1050 , K ftanben 3 . 574 Lehrer mit 10 big 

15 $icnftjahren, 43 Lehrer mit 15 big 20 Xienftjahrcn unb 
18 Lehrer mit mehr a(g 20 ^ienftjahren. 3n bie oorftehenb au* 
qegebencit ©chaltgfummeit fmb aOe ^Beträge für Wohnung, Steurung, 
Öanbnußung 2 c. eingerechnet. 

Wenn man bie in ben lebten 3ah r S e h n ^ ei1 veröffentlichten 
ftatiftifdjen Angaben iiberblicft, fo ift unoerfennbar, bafe fich bag 
preufeifche SSolfgfchulroefen ftetig weiter cntmicfelt hat. ^er öort* 
fchritt ift feit ben fiebriger fahren ein befchleunigter geworben, ba 
feit biefer $t\t ber ©taat mit eigenen 9lufroenbungen eingetreten 
ift. $öig bahin mürben bie Solfgfdjulen, bie nad) bem Allgemeinen 
Lanbred)t „eine SSeranftaltung beg ©taateg" finb, oon ben OJc* 
meinbeit unb ben Glteru (burch ©chulgelb 3 ahlung) unterhalten. 
®egenroärtig betragen bie ftaatlicheu Aufmeitbungen fiir bag 
SSolfgfchulmefen faft ein ^Drittel fämmtlicher ©chullaften. Auf bem 
Lanbe finb bie ©taatgleiftungen erheblich häh cr alg in ben ©täbten. 
Gg roirb aud) nicht 311 umgehen fein, bie Heineren ©emeinben in 
nod) größerem s 4)faßc bei ber Aufbringung ber ©djullaften burd) 
ftaatlid)e ^eihülfen 3 U nnterftühen, roenn eine allgemeine, big in 
bie fleiufteu 0rtfd)aften hiarinreichenbe ^erbefferung beg Unterrichte* 
mefeng erhielt merben foll. 

^Berlin. _ 3- Xe 10 g. 

Stalfgtljtifltlidjc ^othfäjuUnrfe in Berlin. Xie erfte 2crie oon (> l^or* 
trägen ift bccubigt mib ihre ^eranftalter wie bie Iheilnchmer biirfcn 
mit großer 'Befricbigung auf ben Grfolg 3icriicfblirfen. Sic weiften ber 
Vorträge fanben uor gefüllten, fogar überfüllten ©älen ftatt. Audi ift 
eg als reiht errrenlidj 311 be.^cidinett, baß gerabe Diejenigen 'Benülfernngs* 
fd)ichtcn, auf bic bie ^ortragenben unb mit ihr bie (Scntralftelle für 
Arbeiier 3 2^ohlfahrtveinrichtungen heroomigenb geregnet hatte, ein 
ftarfcs Kontingent oon Hörern gcftellt haben. s Bei eiu^elneu Vorträgen 
betrug biefer ’Beftanbtheil, menigfteug wag bie fWänuer betrifft, über 
so u / 0 ', währeub es in s igien, wo mau biefe Art oon llnioerfitäts * Aus= 
Dehnung fdiou länger hat, niemals gelungen ift, biefen ^ro^entfaß über 
8üo/ 0 311 erhöhen. Os ^eigt fiih, baß bie 'l>erauftalter bunhaus auf 
ber riditigen 'Bahn finb. 2ehr bewährt hat fid) and) bie (iiuriihtuug 
bes ‘Aiieiiumgsaustaufihes ober, wenn mau will, ber £isfuffion. ^ie 
wir erfahren, finb auch bie ‘Bortrageubeu oon bem cirfolge ihrer ^Bc= 
mühungeu, für bic ihnen ber wärmfte Tauf gebührt, Durduius'’^ufricbeit* 
gcftellt, unb es beftel)t bie Abfiht, bas Unternehmen nicht nur weiter* 
juführen, fonberu es im nächfteu hinter fogar nod) auf eine breitere 
Bafis 311 fteflen. ^unädjft wirb man fidi nod) in bem bisherigen 
Kähmen halten. Kad) ber N B?eihnad)tspaufe fommen für Sanitär« 
Acbruar wieber fedjs Kurfe, biesutal oon anbereit ^rofefforen. 

$rof. Marburg wirb bes Montags im phnßfalifdien Snftitut an 
ber 9)?arid)aflbrliefe" über Wärmelehre fpredieu, ebenfalls Montags hält 
in ber 'Bergafabemie, oaoalibcuftraße 44, l)r. Tvififjcr einen Kitrfus über. 
Kupfer, ;Unf, 'Blei, $im\, Kirfel u. f. w. mit befoubrrcr 'Berüctfichtigung 
ber 'Berliner ?Aetallwaareu*Subuftric unb ber (Gefahren, bie für bie 
Arbeiter bei ber A-abrifation eutftehen fönneu; Jieuftags fpridit 'profeffor 
'PUiller in ber lanbwirthfdjaftlidieu öod)fd)ule, Snvalibcnftrafje 42, über 
pflau3lid)e Nahrungsmittel, bas 'Brob, bie ©ülfeufriidjte, Kaffee, Ihre, 
Kafao u. f. w.; am Niittwodj wirb 'proieifor fsrei) in ber Uuioerfität, 
•V>örfaal 2C>, über Kaphael unb NHdjelangelo fpredjen unb Dabei bie 
Werfe biefer Kiinftler burd) ben Viditbilbcrapparat oeranfdjaulidjen; am 
Xonuerftag erfolgt ber Opflus über 'paläftina oon 'profeffor Arciherr 
0. ©oben im Aricbrid) = WcrDerfd)cu Ohnuuafium, Torotheenftraße in 
unb 14; unb fdjliefjlid) lieft ©ouuabeubs in ber tedjnifcheu .Ood)fd)iilc 
31t Oharlottcnburg, -Oorfaal 141, 'profeffor WebDiug über Oleftrotedjnif 
mit Orperimenten. Sie 'Borträge beginnen, wie bisher, ftets um 
8 l /a Uhr unb bauern 1 ’/a 3tunbeu, wobei bie Sisfuffiou eiugefdjloffcit 
tft. Sas GiutrittsgclD beträgt für ben Karins 1 .//. unb alle Kurie 
finb für iPfänncr unb grauen 3ugänglidi. Sas (Genauere ift bei ber 
GeitirnlfteUc für Arbeiter=Woblfalins=Oiurid)tungeu, Köthuerftraße 2U, 
täglidi oon 2- Uhr, 311 erfahren. 

^umbolbt^Afabcmte 31t ^erlitt. Am 27. Noocmbcr beging bie erfte 
bcutidje 'Bolfshod)fd)iile, bie .öiimboIbt=Afabemie 311 'Berlin, bas A-eft ihres 
2n jährigen 'Beftehens unb ehrte ihren ©tüter, ben Anwalt ber beutfdjeii 
Ok'werfoereiue, L)r. Niar .soirfd), burd) ein Ohrengefd)euf. .s>irfd) hielt 
1877 iineutgeltlid) einen Opflus über 'Boifswirthfdjaftslehre unb 3war 
3ituäd)ft für feine c^ewerfoereinler, unb ein Kebafteur öarfdjfnmp 'Bor= 
träge für Khetorif mit praftifdieu Hebungen. Sm folgenbeu Satire 
bradjte .^irfdj burd) 'Berfeubuug eines „'planes 3111’ ('»rüubung einer 
Anftalt für populär=wiffeufd)aftlid)e 'Bortragscpfleu“ ben ('W'banfeu an bie 
Ceffentlichfeit. Os war ber Uripruug bes wiüeuidmitlidien Oentraloereins 
unb feiner .'pumbolbt=Afabemie. 









298 


Soziale PrajtS. Eentralblatt für ©ojtalpolitif. Br. 11. 


294 


Währcnb fic 1882 nur eine Leljrftätte hatte, wo jufammen 25 Bor s 
tragsctjflen i>ou 588 eingefdjrtebenctt Hörern befudjt mürben, Beftanben 
1897 außer einer 3meiglef)rftätte tu potSbant fünf Lehrftätten in beit 
ocrfd)iebenen Stabtgegctiben Berlins, in benen jufammen 206 BortragS* 
cijflen unb Unterrid)tefurfc non 5798 etngefdjrtebenen §öreru außer 
mehreren .^unbert auf Etnzclfarten beuicbt mareit. Jut laufcnben Scmeftcr 
ift bic 3aßl ber eingefdjriebenen .ftörer auf über 3000 geftiegen. £te Lehr* 
fädjer ltmfpanitcn alle 3Biffen@jtüetgc. 35er ©ruttbfafc oolljter Lehrfreiheit 
tonnte mit ber toadjfenben 3a|)l ber Lehrfräfte unb Etjflen immer frudjt* 
Bringeuber oermirflicht merben. 

$ie Unlverslty Extension tit fiouboit. 35er Bericht ber „London 
Society for the Extension of University Teaching“ für baS „Stubtettjabr 
1897/98 rneift einen gefunben gortfdjritt bcS oolfsthümlichen Unioerfi* 
tätsunterririjteS auf. 35ie 3abl ber Kurfe unb Borlefungen ift neuerlid) 
ftarf geftiegen, unb besgleichett jeigt bie 3al)l jener £>örer, bic ^eugntffe 
erlangt haben, eine Steigerung oon 12,7 auf 14,i %. Beu eiubejogen 
in beit WirluttgSfreiS mürben bie ’sBe^irfe: 4pacfnei>, $eptforb, Stepnem 
Upper 3ooting,' Weft Bormoob, Eambentomn unb WnnbSmorth, mo ftd) 
überall bic Arbeiterbeoölferung für ben Unterricht lebhaft intereffirte. 
— 35er Extension*Bemeguug haben [ich ueueftetis and) bie polptechnifdien 
Jnffititte in Ettglanb angefd)loffeu; 


(Jinigungsätnter. #d)tei>j!gerid)te. 

Ein Stoßarbeiter=Au$ftottb tun: betn (gittigmtgSaittt be$ 
geridjtS »erlitt, Bor einigen Wochen legten bie Arbeiter ber girma 
A. L. & ©o. bei einem ihrer 3mifchenmeifter bie Arbeit ttieber, raeil 
ihrem »erlangen nach ®icbercinfteüung bes orbitungSmäßig cntlaffenen 
Arbeiters g., von betn fie behaupteten, er fei gemaferegelt roorben, nicht 
entfprochcn mürbe. $>ie Sache gelangte Oor bas EinigungSamt beS 
Berliner 0)eroerbegerid)tS unb ergab folgenben Shatbeftaub: 

$ie Arbeitgeber maren oor 6 Wochen genötigt, einen ihrer Stod* 
arbeiter 3JL auf feilten Wunjch unb fehr gegen ihren Villen ju entlaffen, 
meil er erflärte, nicht länger mit ben 35red)Slern g. unb gr. jufammett 
arbeiten ju föntten, ba biefe ihn nicht nur anbauernb häufelten, fonbern 
ihn auch belichteten, feine Arbeitsfoliegen bei ben Ebefs ju oerbächtigen. 
$rei Wochen fpäter erfudjte ber Stodarbeiter gi. um feine ©ntlaffmtg 
unb gab als Glrunb hierfür au bah ex Bie £>ättfeleien bes g. nicht länger 
ertragen föntte. 3)ie Eljefs erflärten hierauf, baS ftc eS oorjögen, ben 
g. zu entlaffen unb gi. zu behalten, momit biefer cinoerftaitDen mar. 
3:em g. mürbe hierauf bebeutet, baß er megen Mangel au genügettbcr 
»efchäftigung aufhören müffc. Bad)bcm bie Entlaffung bes g. erfolgt, 
mürbe 3W. veranlaßt, beffen Stelle einzunehmen. Butt aber oerlangten 
bie Stodarbeiter unter ber Behauptung, g. fei megen feiner 3ugcbörigfeit 
Zur Crganifation gcmaßregelt toorbett, beffen Wiebereinfteliitng unb bic 
Entlaffung bes 9)?. 3 ur »egrünbung ihrer gorberung führten bic 
Stodarbeiter an: g. habe ftets bafür geforgt, baß in ben L.fchett Werf* 
fiätten bie 9 ftünbigc Arbeitzeit nicht überfchritten unb brohenbc Lohn* 
abjügc nicht gentadjt mürben. 3K. bagegen habe bnrdj »emilligutig 
oon ßstraoergiitigung fid; nicht nur ba^u, oerftanbcn, für Au^behnuttg 
ber Arbeitzeit SU agitiren, fonbern auch burd) 3uträgereieu bie Arbeite 
genoffen bei ben (£hcfö angefchmärjt, me^halb bie ©enoffen es ablehtten 
muhten, fernerhin mit ihm ju arbeiten. 

35ie umfangreiche »emeisaufnahme ergab bie £>altlofigfeit biefer 
Behauptungen, g- war lebiglich auf Ölntnb feiner Unoerträglichfeit 
mit feinen Arbeitögenoffen entlaffen morben; um ihn nicht blofeuftellen, 
hatten bie Arbeitgeber ihm alo OJrunb ber ©ntlaffung Arbeitsmangel 
angegeben unb ihm einen burchaus günftigen Arbeitsfdjein auSgeftellt. 
(5s mürbe aber aud) feftgeftellt, bah Bie Arbeiter ohne jeglidjc Aufficht 
in ber SSerfftatt arbeiteten, bah fie ihre Arbeiten ooflftänbig nach »e= 
lieben leiftetcn unb manche oon ihnen, mas fie am 3agc oerabfauntten, 
burdh Ueberftunben nachjuholen fudjten. ^urch ftänbigcs Streifen ber 
Branutraeinflafche mährenb ber Arbeitzeit mürben biefenigeit Arbeiter, 
bie menig oertrugen, betrunfen unb aisbann jur3ielfcheibe oon ^äufelcieit 
ber Anbern gemad^t. Xie äoerfftatt ftellte fid) als eine berjenigen bar, 
mie fte nicht fein foll, unb es hätte ber Streif, bei einiger Beauffichtigung 
feitens ber Arbeitgeber, leicht oerutieben merbeit fönneit. 35a fomit febe 
Unterlage für bie Beredjtigung beS AuSftanbeS mangelte, fo unterbreitete 
bas (Siniguugsamt ben Parteien folgenben Bergleich: 

1 . ^cftfc^img ber 9ftiinbigeu Arbeitsseit; 

2 . Sd)liehung ber 3Öerfftatt nadj Ablauf ber Arbeitszeit; 

3. Berjicht bes %. auf ä^iebereinftelluna unb 

4. SBieberannahme fämmtlidher anberer Arbeiter ohne SKahregelung. 

Xie Arbeitgeber erflärten hiermit ihr ©inoerftänbnih. ^ic Arbeiter 

aber forberten auherbent bie (5ntlaffung oon unb fti., meil ein ge* 
beihlicheS 3 u f ammcnai 'bciteu mit biefen nicht möglid) fei. $i. fei, mie 
beffen Beruehntung ergeben habe, ju empfinblid), fei and; burd) feine 
Befchmerbe bic »eranlaffung zur (Siitlaffung oon habe baburch beit 
Ausftaub h cr beigeführt unb müffc audh eubliri) als Streifbrecher ange- 
feheti merben, ba er bent AuSftanbe fid) nicht angefd)loffeti habe. So 
menig 9)?itleib 3Ä. uttb gi. mit anberen gehabt, fo menig föunten fie 
iejjt für fid) beatifprud)en. 35ctt BemUttcIungsüorfd)lag ber Arbeitgeber, 
B?. auherhalb ber B5crfftatt ju befdiäftigcn, lehnten bie Arbeiter ab, 
meil burd) Befdfäftigung §auSiubuftricller nur Breisbritdereieu begiinftigt 

aSevantiooitlidj füc bic iHebaftlon: Dr. öuift 


mürben. 3)ie ©ntlaffunj oon $i- mürbe in Ermangelung jeber thatfächlichen 
unb rechtlichen Begriinbuug fategorifch abgelel)nt. Sd)liehlid) mürbe 
ein Bergleid) burd) bie Annahme ber oben ermähnten oier Bunfte mit 
beiti 3 u fa^ angenommen, 

5. 35ic Barteien feien einig, bah Ber Stodarbeiter 9JL bis znm 
]. fteor. 1899 bie Arbeit bei ber Airma A. 2. & Eo. eubgiiltig 
uieberlege. 

Senn auch biefer Ausftaub feine unmittelbare Urfadfc in ber 
mangelhaften Beauffichtigung ber SBcrfftatt oon Seiten ber Arbeitgeber 
hat, fo ift bod) nid)t zu leugnen, baf) bie Arbeiterführer fotoohl bei bem 
Streif als oor bem EiniguugSamt ein ftarfeS Berfennen ihrer eigenen 
aus bem ArbeitSoertrage ermachfenben BfU<hten unb eine Aid)tad)tung 
ber Bechte anberer, ihnen mihliebiger Arbeiter bemiefen haben. Xurcli 
fold)cS Berl)alten merben benen Blaffen zugeführt, bic mit ber »c* 
fjauptung, bie gegenmärtigeu Strafbeftimmungen genügten nidjt z«m 
Schnee ber ArbeitSmiUigen, eine Berfd)ärfung ber @efe|je unb bamit 
bie Mittel zur Berfümmeruttg ber Koalitionsfreiheit oerlangeu. Aud) in 
biefern fyaßc hat fid) ferner gezeigt, bah bie Berliner f$emerffd)aftsführer 
nidjt mit ber £bjeftioität bie Aurbernngen ber Ausftänbigcn geprüft 
haben, bie man im ^tttcreffc ber gelammten Arbciterfdjaft oerlangeu 
muh. 2o lauge bic Leitung ber Berliner ^emerffdjaften fid) ttidht z« 
ber Ueberzeugung befehrt, bah man Ausftäubc nicht mit blohen Be* 
hauptungen uttb Schlagmorten, fonbern nur mit Ihatfacheit unb ftid)* 
haltigen Bcmeifen erfolgreich burchfämpft, merben aus foId)eit Borgängeit, 
mie ber oben gefchilberte, bie ©egner ber Arbeiterbemegung Bitten 
Ziehen. 

Berlin. €. SBeigert. 

Ein EtittßuttgSttmt ttt ber ettgUfdjett Oiheberet. 3mifchen ben »he* 
bem uttb ben organifirten Seeleuten fdjtoeben Berhanoluitgen, betreffenb 
bie Schaffung eines „Shipping Conciliation Board“, baS, aus einer gleichen 
Anzahl oon SchiffScigentljümern unb Seeleuten beftehenb, bie Löhne 
regelmäßig für ein halbes 3afm int BorauS feftfeßen foll. Streitfälle 
füllen oor einen Ausfluß gebracht merben, unb im $alle biefer feine 
Beilegung erzielt, folleu bie ftreitenben Parteien ftch an bas ^aubelsaint 
um Befteßung eines SchiebSrichterS auf Wrunb ber Conciliation Act 
menbeii. 


£ttcror!fd)t ^ttjdgett. 

E lem cn S, 5u ftus, Strafred)t unb ^olttif. Kriminalpolitifdje ©ebaiifcit 
eines alten Btchters. Berlin 1898, 0tto Liebmann. 103 S. 
5preiS 1,60 Je. 

Gewin, Bernard, Arbeidsbeurzen. Proefschrift ter Verkrijging van 
den graad van Doctor in de staatswetenschap aan de Rijks Uni* 
versiteit te Utrecht. Utrecht, A. J. van Huffel. 409 S. Prij* 
fl. 2,40. 

Giro tja hu, Alfreb, $er AlfoholiSttrus itadh 2Befen, »Mrfung uub 
Bcrbreitutig. Leipzig 1898, Öeorg SBigaub’S Berlag. 412 S. 

Jahrbücher für Bationalöfonomie unb Statiftif. ©egrünbet 
oon Bruno £>ilbebranb. ^erauSgegeben oon ^xo\. Dr. J. Eonrab 
ttt Berbinbuug mit ^rof. Dr. Ebg. Loening unb $rof. Dr. 
©. Leyis. III. Jolgc. 16. Banb. 5. §eft. Jena 1898, ©ufiao 
gifcher" Bfonatlid) erfcheiut ein §cft, 6 §efte bilbett einen Banb. 
$reiS beS »anbeS 15 M. 

Annals of the American Academy of political and social Science. Vol. XII, 
No. 3. November 1898, London, P. S. King & Son. Price per 
Year $ 6,00, per Number $ 1,00. 

35ic Wohlfahrtspflege im Kreife. 3)ie inbioibuelle £>t)gieite 
bcS Arbeiters. Borberichte uitb Berhanblungen ber VII. Kon* 
ferenz oottt 16. uub 17. B?ai 1898 in Berlin (Schriften ber Een* 
tralftelle für Arbeiter*WohIiahrtSeinridjtungen Br. 16). Berlin 
1898, Earl .ftcpmannS Berlag. 274 S. $reis 5 M. 

Unfcre BolfSfchiiler im Stabttheater. (Lehrer*Bereinigung für 
bie pflege ber fiinftlcrifchen »ilbuitg in Hamburg.) Hamburg lsos, 
E. »oufen. 48 S. 

Wernide, Dr. Johannes, llnt[aßfteuer unb Konfumoereine (Olettoffeu* 
fd)aftlid)e Streit* uttb 3 e itf l ’agen. .LierauSgegebeti oott Lubolf 
^artftus uub Dr. ^aus Eriiger. $eft 3). Berlin 1898, 

J. Oiuttentag. 

J. Lehr’S ^olitifche Defonomie in gebrängter gaffung 

(Bolfsmirthfchaftslehre unb $oiüif, ginanzmtffcn* 
jdjaft, Statiftif u. f. m.). dritte oennehrtc Auflage beforgt 
oon ^prof. Dr. E. Beitburg. SKüucheit 1889, J. Linbancr fchc 
Buchhanblmtg (Schöppttig) 168 S. preis 3 M. 

BermaltungSberidit bes BorftanbeS ber 3 hüringifdicn Bet* 

fidierungsauftalt in Weimar pro 1897. 

Olctßenbergcr, Dr., 3)as .fiaufirgemcrbe tu Elfah s Lothriiigen (Sottber* 
Abbrud aus ben Schriften bes Bcreitts für Socialpolitif. 

Bb. LKXX. Uitterfud)uugen über bic Lage bes .frnufirgemerbes 
in 35eutfd)lanb VI. Bb.). 1 SÄit 8 tabellartfdjcit Ueberfidtteu im 
Anhang. Leipzig 1898, Xitttcfer k .s>itmblot. 122 3. 

g-taitcfc in Scrlin W., SnijrcutljcrftiaBc 2 % 




295 ©ojiale $rajts. (Sentralblatt für <$ojtalpoütif. 9Rr. 11. 29<> 

£ie ,,$0ftal* prati»' 4 erfdjemt an jebent {Donnerstag unb ift burdj alle BuddhuiMungeu unb Boftfimter (fpoftieitungSnummer 6729) 311 beziehen. S>cr Breis 
für baS 9Siertdial)r ift 90t. 2,50. $ebe Stummer foftet 30 Bf. Der ttnjtfigenptiiS ift 60 Bf* für bie breigefpaliene ißetit^eile. 


Kagetr UWljetm I. 

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®ridf Pardt«. 

glrttte, *>jerb*ncvic unb vsxxnt\)vtt Sluflage. 

Brett 5 SKL 40 Bf., iu feinem Selnenbb. 7 Vit, in fcal&fn&b. 7 SWL 60 Bf- 1 

3n biefer britten Auflage ift bte gcfauttc jeitgeitoffifrfje fiitteratur, alfo 
Bi3utarcf$ „©ebanfen uitb Erinnerungen", bic Briefe ?lbefeu3, 1 
and) bie beibcii Berüffcntlidjungen 90t. Bufd)*, tc^tcrc foweit fie llrfuub* 1 
lidjc* enthalten, berücffichtigt. 9Sic SERarcfö’ Bud) uoit bei Ärttif mit I 
feltencr Eiumiitigfeit als bie beftc Biographie Äaifcr Wilhelms I. an* j 
erfaimt worben ift, enthält es in feiner neuen ©eftalt bie eingehenbftc unb 1 
im befangenste SSiirbiguug bcs groben Staatsmannes, bic jur ^eit ejiftiert. j 


Otto Liebmann, Ye^lagsbuchbandlang, Berlin W.35. 

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Iteheubeu groben, neuntetligen ^lutfgabc nidjt; 
hingegen enthält fie anfjer bem oollftä ubigen 
Icrt in einem Anhang bie „iHuffäße 311 r 
eignen ^ebeuobefdireibuug" unb bic für 
bie ^citgefdjidjte wichtigen „Jagebndiblntter" 
mib ein auofiihrltdie^ Sachregifter. 


©erlag ber Ärbeiter-©erforgung. 5 fi. Crofdjel ln Berlin W. 

fhc Strfißiter^etfatgung 

Centralbvgan 

für bae gefamte 

fuaitlttR-, ttttfatt-, Jnnalililüts- n. lltcrs-@«ftrf)trHnj5iBtftB in Sratfd)« fitidje. 

$eranogegebeu non 

Dr. jur. p. Jjonüjmann. 


Die „?lrbeitcr*Berforgung" erfdjeint mouatfidj breintaf. Ser ?(bouiicmcutöpm* 
beträgt 12 SKarf jäbrlid), aiuifdjliefelidj ^orto. Bollftäubige Jahrgänge werben einzeln 
311m greife uoit 14 SWarf, bie Jahrgänge I XIV ^nfammen 31t bem ermäßigten Bicifc 
non 98 9KarF, in Criginalbanb gebimben 31t 120 3Rarf abgegeben. 

Hins beut Jnhalic ber lebten .frcfle finb folgenbc 9tbhanblnngcit hcruoriuhcben: 

Die Bcfeitignng bei* 311 lliirrdjt genehmigten .Mranfeufaffeii. (£wffmann.) Die Jwang$* 
oerfidjerung bei* .£>anblung#gchilfcu unb Lehrlinge auf Wutiib berBcftiutmuitgcn bctf&anDcl*« 
gefeßbudi* uom 10. B?at 1897. (.Hamburger.) - B>cr haftet für Maffcnfchulbcn? (.Stabiler.) — 
Born Äoufurcwerfahrcu über bas Bermögcn einer Atranfcufaffc. Lfrabu.) DieÄranfcu* 
Äontrolle, ein mirffnuteö Mittel gegen bie Simulation. — Tie Bchanblung fdiwebenber 
Uutcrftütmugoaniprüdjc bei XUenbcrungcu ber Alaffenmitgliebfdiajt. (.ftoffmami, $af)u.) 


Soeben erschien: 

Die bevorstehende Erneuerung 


Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. 


des 


Soeben erschien: 


deutschen Bankgesetzes.; Cohn, 


P GeoV B Dr ' Gemeinderschaft und Haus- 


Von 

Karl Keifferich. 

--—— Preis: 3 M. -- 


genossenschaft. 


Vortrag gehalten in der internationalen Vereini¬ 
gung für vergleichende Rechtswissenschaft und 


Volkswirtschaftslehre zu Berlin am 16. Oktober 1897. 8. 1898. Preis geh. M. 4 - 


Die Reichs-Versicherangsgesetzgebimg. von r iwditer. 

- 1898. Preis 1 M. 60 Pf.- 

Die Schwindsncht im Lichte der Statistik and Socialpolitik. Von Wilhelm Kley. 

-- 1898. Preis 2 M. 40 Pf. - 

Die Drotfrage and ihre Lösung. Von r riedrich Freiherrn zu Weichs-Glon. 

-1898. Preis 2 M. 20 Pf. - 


*era:tiiooitli<fj für btc Jlnirigeu: $ennuitl) Deibel, Velvjifl. — Merlan uon Xundcr .V .vumLler. iMpüfl. - Gciumtt bei ^ulini «ittotfefs, Detail. 







vm. fajrrpag. 


©erlin, ben 22. Iiejentber 1898. 


Itummrr 12. 


Soziale prajte. 

{|entraf5faff für g>ogtafpöfifift 

mit bet 9flonat$betlage: 

Vas ( 9 etretbegmd)t 

(Drgatt fees Derbanfees beutfdjer < 5 ett>etbegeridjte. 


«Reue golge her „Stfitter für fojlafe ^rajrtg" unb beS „©ojlalpolttlfi^en SentralBIottS*. 


ttrfflefitt an Jrbnn Sonnerllag. 

föebaftton: Berlin W., Babreutherftrafje 29. 


Herausgeber: 

Dr. (Srnß «frattibe. 


freu oierteiiftbrlid 2 VI. 50 ff. 


Berlag bon Suncfer & Humblot, Setpgtg. 


©ie ©ojialreform in ber tatf 
bebatte fee« beutf^en SRei#«* 
tag«. Bon Dr. 6. Stande, Berlin. 

297 

nimehuCoiUb nnb C9irtbf4«ft«* 
füllt«.301 

SSeitere foaialpolitifc^c 8ln* 
träge im «Reichstage, 
©ewerloereine unb Btinifter ln 
©nßlanfe. 

©ntmurf eines ©efefcefl ftberbie 
fr beit er waebfener «Männer in 
ben «Riefeertanfeen. BonDr.ß.#. 
»an ßanten, Stmfterbam. 

Mocbmalfi bie beutfefee ©treifftatiftif. 
VnMUumle VoaULpoltHf .... 305 
©erfung fee« ©emelnbeaufwanbe«. 
©täbtifebe 81 uSfunftei in Berlin. 

ürbcttgebertccbänbe.306 

KoalitionSawang öon Unternehmer« 
Betbänben. 

©er Beteln für bie bergbauli<ben 
Sntereffen in Sftbeinlanb unb SBeft* 
falen. 

Uebereinfommen ber öfterreidbifc^en 
BaumwoEfpimteteien über eine Be* 
triebSeinfcbxönfung. 

ffnfctterbtlMtnna.307 

©ie 3:ejtUarbeiter*8etoegung in Äre* 
felb. 

Bewegung im ©eutfeben Baugewerbe, 
©ie Berliner ©rofebfenfutfeber im 
Sajameter-Betrieb. 

Kein Strbeiierfeftetariat in Berlin, 
©tretf« in ©eutfcblanb wäbrenb fee« 
Boüembet«. 

ßurfitfnabme einer «Wajjtegelung in 
Köln. 

©emerföerein ber ßtegler in Sippe, 
©inigung bet #anbel«*£iif«arbeitet 
lotaler unb centraler SRicbtunfl. 
Berein für #anblung«fommi« bon 
1858 in Hamburg. 

©et 3abreö!ongreb ber franaöfifcb*n 
Bergarbeiter. 

Bewegung unter bem $ßerfonal ber 
$atifet DmnibuSgefeÜfdjaft. 

«steifer! *v*.309 

©ie Ungteidjartigfeit feer ©ewetbe* 
beauffidjtigung in ©eutftblanb. 
©ewerbeinfpeftion in Beufj j. S. 
©anitare Reformen für fea« Allein« 
gewerbe in Defterreicb. 

©in franabfifebe« ©<|M|gefe| über feie 
Sobnaabtungen feer Arbeiter. 


3 ttljaU. 


«rteiterterfhbertmg- «Parfaffai 311 

©ine Sücfe im Kranfenberficbe* 
rungSgefefc. Bon Dr. 61. tfj, 
Berlin. 

ßur ßnbalifeenoerfitbexung in Bapero. 
©nquete über feie 8llter«berficberung 
in ©nglanfe. 

©ie ©rünbung einer nationalen Ber* 
einigung ber freien #ülf«faffen in 
Sranfreicp. 

«rtetiSiuMtWcl«.313 

©er öfterrei<bif<b* ©efebent« 
Wurf über ben 8lrbeit«na<b* 
wei«. Bon£einri(b8lbler f SBien. 
Sbrbetung gemeinbli^er frbeitSnacb* 
weife burtb feie ^Regierung in SRünfter. 
Arbeitsnachweis ber ©(bauerleute in 
Hamburg. 

©et Arbeit«marft im Bobember. 

©enoffenfftafttwefen.316 

©ie ©enoffenftbaften in ©itglanb 1897. 
©ie Frlendly Societles im Sab« 1897. 

C&otiuMgtwefett.317 

©in ©ang burtb 3ö mmc * unb 
Botb- 

2Bobnung«notb in beutftben SRittel* 
ftöbten. 

©er Karlsruher SRietber* unb Bau* 
berein. 

8lrbeiterWobnung«frage in ßüricb. 

©rüeptttiA nnb BUbnna.320 

©ine ©tatiftt! über ben obltga* 
torifeben gortbilbung«f<buI» 
unterricht in ben preufeifeben 
©rofcftäbten. Bon Dr. SRubolf 
©täper, Berlin. 

©oaia!wiffenf<baftti(be Bereinigung in 
Setpaig. 

©oatoli #Hgif«e.322 

©in Kongreß a UT Befämpfung ber 
Subetfulofe al« BolfSfranfbeit. 
©ebulärate. 

©et Berein für Bolf«beilftötten in 
SSürttemberg. 

©etoerbegeriftfe. ©inigangiämtev. 

©cfctctogertAte.322 

Heber bie {Retbtfpretbung fee« 
©ewerbegeriebt« au Berlin.Bon 
©ewerberidjter 2R. b. © <b u l a, Bor* 
fifeenbem be« ©ewerbegeriebt« Berlin. 
©inigungSamt im englifcpen Kopien* 
betgbau. 

Slbtebnung eine« ©(bieb«geri(btS 
amifepen SRbebem unb ©eeleuten am 
6lpbe. 

«Reform ber franaöfifdjen ©ewerbe» 
geriebte. 

fUcmtfdt Kugctgen.326 


fbbrud fämmtlicber frtilel ift Seitungen unb ßeitfebriften geftattet, febotb nur 
mit boEer ^Quellenangabe. 


Bie So}ialrtfontt i« feer ütatefeebatte feeo feentfibe» 
Keiibotago. 

ben Sleic^StagSroa^Ien fprad^en roir unfece Stnfic^t an 
biefer ©teile (ngl. „© 03 . ^ra^iö" Sa^g. VII ©p. 992) baljin auS, 
bafe ber neue 9teitf)8tag eine Serftärfung ber Slnpnger einer fraf** 
tigen ©ojialreform auf beut Soben ber faiferlid^en drlaffe auf* 
weifen werbe. (Sine SSeftätigung biefer Slnnalnne erbliden wir in 
bem ©etteifer ber Parteien, fojialpolitifdje Anträge einsnbringen, 
unb in bem Verlauf ber erften fiefung be 8 Steic^ö^auöljaltgetatg, 
bie in ben Sagen oont 12 . bis 15. SDejember ftattgefunben 
©S !ann banad) fein 3 roc if c I hefteten, ba& in biefem 9teid^Stage 
für eine gro&e Slnsa^l fojialpolitifc^er Reformen eine ftattlidje 
9 Re^r^eit oor^anben fein wirb. ©0 bebauerlidj eS ift, bafe bie 
fonfernatioe graftion unb bie beutfdje SReid^Spartei, bie fowo^l ber 
SIrbeiteroerficfjerung in ben adfjtjiger Sauren als au cf) ber Arbeiter« 
fd&ufegefebgebung non 1891 unb bem ©ewerbegerid)tSgefeb non 
1890 pofttine Unterftüfeung geliehen Ijaben, feitbem anbere Sahnen 
eingefcf)Iagen unb in ben Iefcten Debatten nur äufjeren SfepreffionS» 
mafena^men bas 28ort gerebet §aben, fo ^aben bo<§ anbere $ar* 
teien bieSmal um fo entfdpebener fid^ für bie Fortführung ber 
©ojialreform eingefefet. S)aS ©entrum feinen alten Stuf, 
ben Bebürfniffen ber Arbeiterbewegung oerftänbnifjoolle ©infuht 
entgegenjubringen, wieberum bewährt, inbem es nicht nur feine 
früheren Anträge, bie IRechtSoerhältniffe ber BerufSoereine reichS« 
gefefelidh su regeln, wieberholt, fonbern auch bebeutfame Forbe* 
rung ber ©rcichtung non Arbeiterfammem aufftellt. ©eftüfet auf 
biefe Beweife fonnte ftd) baher ber ©tatrebner ber F^füon in ber 
Sisfuffton auf bie Bemerfung befchränfen, baS ©entrum h^e fich 
ju felbftftänbigem Borgehen entfchloffen, um bie „arg ins ©toefen 
gerathene" ©o^ialpolitif fortjuführen unb ben BunbeSrath su oer* 
anlaffen, „wenigftenS biejenigen 9RaferegeIn gu treffen, welche uns 
auf fogialpolitifchem ©ebiete am nothmenbigften unb am bringenbften 
erfcheinen." 

S)aS fogialpolitifche ©reignife ber Bubgetbebatte war inbeffen 
bie 9tebe beS nationalliberalen F^aftionSrebnerS. ©cf)on norher 
waren in angefehenen Blättern biefer Partei Aeuherungen erfchienen, 
bie auf eine fräftige AfHon fdjUefeen liefeen. Sie ,,^6ln.3tg." fogar 
hatte energifd) bagegen proteftirt, bafe man „eine grojje, aDe ©tänbe 
umfaffenbe Bartei als ben Büttel beS UnternehmerthuntS" anfehe, 
unb bie „SRationa^eitung" h^k berechtigte Berlangen ber 
großen Btaffe nach einer auffteigenben ©eftaltung ihrer SafeinS« 
bebingungen" als mafjgebenben Foftor für bie ©ntwicfelung beS 
heutigen BölferlebenS begcichnet. ©leicfjwohl ftnb wir freubig 
überrafcht gewefen burch bie ©ntf«hiebenheit, mit ber Abg. Baffer* 
mann ein umfaffenbeS B^ogramm ber ©ogialrefornt oertrat. Siefer 
Barlamentarier hot fefjon beS Defteren fich fl lS einfichtSoollen unb 
fenntnifereichen ©ogialpolitifer erwiefen; bafe man gerabe ihn mit 















299 


Soziale prajt«. Ecntralblatt für Soztalpolitü. Str. 12. 


ber Aufgabe betraute, als Führer bcr Partei bereit Aufichten bet 
ber erften Debatte im neuen SleichStage oorzutragen, beroeift, bah 
innerhalb ber Fraftion bie Erfenntnih ber Slothroenbigfeit, ben 
hanbarbeitenben klaffen baS Auffteigen zu befferen SebenSoerhält* 
niffen zu ermöglichen, neues ßeben geroonnett hat. $ieS mirb auch 
im Anfchluh an feine 9>tebe in ber nationalliberalen treffe oielfadj 
noch auSbrücflich beftätigt. Das ift zroar leine Belehrung zu neuen 
Sbealen, benn auch bisher hat bie Sozialreform an biefer Partei 
im Parlamente eine Stüfce gehabt. Aber eS ift hoch ein 3eugnih 
bafür, bafe jefct ein frifcher unb lebenbiger 3 U 9 in bie Fraftion 
gefontmen ift, mie benn auch baS Pefenntnih PaffermannS, baS 
Dentpo ber Sozialreform fei zu langfam unb bieS roerbe auch in 
nationalliberalen Greifen beflagt, am (Eingänge feiner Siebe ftanb. 
Da baS oon ihm entroicfelte Programm fich in oielen Punften mit 
ben immer roieber in biefen Plättern erhobenen Sorberungen beeft, 
genügt eine furze SFizzirung: 

Sin SleichSarbeitSamt, bem bie Pehanblung ber fozialpolitifdjen 
Angelegenheiten unterteilt mirb, foll errichtet roerben, bamii baS 
Dempo ber Sleform befchleunigt unb eine beftimmtc Shdjtung feft* 
geftellt roerbe. (Sine gemetnfame Drganifation ber Arbeitgeber unb 
ber Arbeiter merbe bem fogialen grieben bienen, bie ArbeitSlofen* 
oerficherung unb bie Drganifation beS ArbeitSnachmeifeS auf pari* 
tätifcher ©runblage in bie Bege leiten unb z u obligatorifchen 
Einigungsämtern führen. So richtig eS fein möge, junächft einzelne 
Schöben in ber Arbeiteroerficherung auS^ubeffern, fo muffe man 
bodf) z u einer organifchen Sleform Fommen unter (Einbeziehung ber 
Bittroen» unb Baifenoerforgung. Die Forberung eines SleichS* 
BohnungSgefefceS fei im Prinzip gerechtfertigt. Der Arbeiterfchufc 
rnüffe auSgebehnt merben. Aber noch nichtiger fei eS, in ben Ar* 
beitern baS (Gefühl erftarfen zu machen, bah fie, wie x>. Pennigfen 
f<hon oor oier Fahren Qefagt, „burch Plitroirfung ber Slegierung 
unb ber bürgerlichen Parteien im Stanbe finb, in ben menfehen* 
mürbigen 3 u ftanb S u gelangen, ber ben Arbeitern ebenfo zufommt 
mie ben aitberen klaffen". Die Slothroenbigfeit ber uollen Auf* 
rechterhaltung beS $oalitionSrechteS fei anzuerfennen. DenPerufS* 
oereinen rnüffe bie legitime PeroegungSfreiheit zugeftanben roerben. 
Pflicht ber Slegierung unb ber Parteien fei eS, im Kampfe zroifchen 
Unternehmern unb Arbeitern oolle ©erechtigfeit malten zu laffen; 
benn bie 3ufriebenheit ber groben Unternehmer Fönne im Staat 
nicht ausfchlaggebenber ©eficfjtspunft fein. 

Es oerbient Peadjtung, bahfogarber Abg. Pebel, bem erfichtlidj 
bie Aufgabe zugefallen mar, gegenüber feinem mafjoolleren SFoöegen 
o. PoIImar bie fchärfere ionart innerhalb ber Sozialbemofratie 
auSzufpielen, mieberholt bem Abg. Paffermann unb ber national* 
liberalen Fraftion feine Anerfennung für bieS fozialpolitifche Pro* 
gramm auSgefprochen hat. Das märe noch nur einigen Salden 
nicht möglich gemefen, batnals hätten bie Sozialbemofraten nur bie 
oolle Schale giftigen Spottes über folche Ausführungen aus* 
gegoffen, bie als „Sanb in bie Augen" ben Piaffen benun* 
cirt zu merben pflegten. Fefct fcheint fich auch hier eine 
Banbluitg oorzubereiten. Qn ber fefjarfen Siebe o. PollmarS, in 
ben Ieibenfchaftlichen Ergüffen PebelS finbet fich fein Bort ber Ab* 
fagc ober beS Rohnes gegen bie Sozialreform. Sollte in ber 
fozialbemofratifchen Fraftion bie Einficht aufbämmern, bah bie Ab* 
Iehnung ber Arbeiteroerficherung unb ber ArbeiterfdfjufcnooeHe im 
SleichStage unb bie fpftematifch betriebene Slörgelei an allen fozial* 
politifchen Plahnahmen ein fernerer Fehler gemefen ift, ber bie 
reformfeinbiiehe Sleaftion erzeugen unb ftärfeit muhte? lieferte bieS 
Perhalten bod) billiges PemeiSmaterial Denen, bie mit bem lanb* 
läufigen Argument, bie Arbeiter mürben nur immer unzufriebener, 
je mehr man ihnen gäbe, gegen bie Sozialreform überhaupt angingen. 

Den groben Parteien fliehen fich mm ßittfS unb SlechtS noch 
Zahlreiche Anhänger fozialpolitifcher Plahnahmen an. AitS ben 
Sleihen ber ßinfsliberalen finb bie hüchft rcerthoollen Anregungen 
auf Errichtung eines SleichSamteS für Arbeitcrftatiftif unb auf Ein* 
führung gemeinblicher ArbeitSnachroeife an ben Reichstag gelangt. 
Unter ben itonferoatioen ift bod) menigfteitS für mandje SJefortnen, 
Z- P. für ArbeitSuad)roeife, Arbeiterfammern, eine Strömung oor* 
hanben, mie oerfchiebene Prehftimmen bemeifeit. Das chriftlidj* 
foziale Element, obrool)l im Parlament nur fdjioad) oertreteu, 


200 


roirft in entfchiebeit arbeitcrfreunbfichetn Sinne. Audj bie Bilbat 
unb Antifemiten fteHen biefen unb jenen Abgeorbneten für bie 
Sleform. Bir fürchten nicht burch bie Ereigniffe fiügen geftraft 
Zu merben, roenn mir behaupten, bah eine Plehrheit im SteidjStag, 
allerbingS bei ben oerfdjiebenen Anläffen oerfchieben zufammen* 
gefefct, mittig eintreten mürbe für bie Anerfennung ber eingetragenen 
PerufSoereine, für bie Pefeitigung ber bie legitime Birffamfeit ber 
Arbeiterorganifationen hemmenben Schranfen, für Arbeiterfammern, 
für ein SleichSarbeitSamt, für Plahregeln gegen bie BohnungS* 
noth, für bie Errichtung oon ArbeitSnachroeifen, für bie Sleform 
ber Arbeiteroerficherung, bie Fortführung beS ArbeiterfchufceS, für 
Einigungsämter unb Ausbau ber ©eroerbcgerichte. AnbererfeitS aber 
ift flar, bah roeber ein AuSnahmegefefc gegen bie Sozialbemofraten 
noch eine Perfümmerung beS $oaIitionSred)teS eine Plajorität finben 
mürbe. Die Sozialreform hat in biefem SteidjStag breiten 
unb günftigen Poben, ber SteichStag mill ein rafchereS 
Dempo, energifchereS Porgehen. 

Unb bie Slegierung? 3war fagt bie 3rh r önrebe, bah ben 
oerbünbeten Slegierungen nach wie oor ber roeitere Ausbau ber 
fozialen ©efefcgebung am §erzen liege, zwar merben etnige Sleform* 
mahregeln angefünbigt, zwar erflärt ber Staatsfefretär beS Fnnern, 
es feien noch weitere Schufcoorfchriften in Ausficht genommen. 
Aber mir hären oon ihm in gleichem Athern oerfid&ern, baS Dempo, 
baS bie Plehrheit beS SleichStagS zu langfam hnbet, fei fc^nett 
genug, baS ©ebäube ber Sozialreform rnüffe erft im Qnnern aus* 
gebaut merben, ehe man an SleueS benfeu fönne. Ueberhaupt leben 
mir nach feiner Auffaffung eigentlich in ber beften ber Pklten, unb 
menn bie £eute fubjeftio unzufrieben finb, fo hat baS nach ihm feinen 
©runb barin, bah tbaw öbjeftio fo gut geht. PSir muffen 
geftehen, bah wir biefe heitere unb IiebenSmürbige Art, bie $>ingc 
Zu fehen, leiber nicht tbeilen fönnen : fie mag ja perfönlich für ben 
§errn Staatsfefretär bie Folge einer glücflichen Peanlagung fein, 
bie ben Prioatmann zieren mürbe, bei bem PolitiFcr unb Staats* 
mann aber hat fie hoch ihre bebenflichen Schattenfeiten. Es ift 
unfereS EradjtenS ein Srrtham zu glauben, eS gelte jefet in ber 
^auptfache nur bereits oorljanbene fozialpolitifche Fnftitutionen 
auSzubeffern unb zu oerfdjönern. S)aS bisher aufgeführte ©ebäube 
ift noch nicht einmal im Slohbau oollenbet. Es fehlt unten baS 
Funbament: baS ift bie faftifdje Permirflithung ber rechtlich ben 
Arbeitern gemährten gefcplichen (Gleichberechtigung bei Abfdjluh unb 
Durchführung beS ArbeitSoertrageS, unb eS fehlen oben noch ganze 
Stocfroerfe, bie zwar feit Fahren auf bem Papier im Entmurfe 
ftehen, aber noch nicht gebaut finb. 

2Bir müffen bamit rechnen, bah nach bem ganzen Perhalten ber 
Slegierung an amtlicher Stelle offenbar roenig Peigung befielt, fich 
ben fozialpolitifchen Anträgen unb Pefchlüffen beS Steid)StageS an* 
Zufchliehen. 3m ©egentheil: mehr als bie pofitioe Sozialreform 
mirb "Berth gelegt auf bie Slepreffion. BaS ber Staatsfefretär 
gegen bie Anficht oon ber Plauferung ber Sozialbemofratie gefagt 
hat, ermeeft faft ben Anfchein, als ob er einen folgen EntmicfelungS* 
prozeh ungern fähe, als ob ihm eine reoolutionäre Partei, bie man 
nötigenfalls mit (Gemalt nieberfchlägt, lieber fei als eine mächtige 
Arbeiterberoegung, bie nach befferen SebenSbebinguitgen hinbrängt. 
Schon beuten Anzeichen barauf hi n / äah es fich au <h bei bem 
Schuhgefeh für bie Arbeitsmilligen in erfter ßinie um einen Äarnpf 
gegen bie Arbeiterorganifationen honbelt — ber ftcherfte Beg nad) 
unferer Ueberzeugung, um bie beutfdjen Arbeiter Plann für Plann 
in baS fozialbemofratifche ßager zu füh^u unb bie reoolutionäre 
Strömung zu ftärfen. Doch barüber mirb beS Näheren zu rebeit 
fein, roenn bie Porlage, bie augenfdjeinlich noch im meiten Felbe ift, 
erfcheint. Das Eine aber fteht f>eute fthon feft: bie ganze Art, mie 
bieS ©efefc oon Anfang an in ber Deffentlid)feit bebanbelt morben 
ift, hat ein fo tiefes Plifjtrauen aud) in ber nicht fozialbemofratifchen 
Arbeiterroelt — unb fie ift ©ott fei Danf noch rc( ht groh • — er* 
Zeugt, bah es auch für eine fräftigere Sozialpolitik als mir fie 
heute haben, 3al)fe unb Fahre fchmerfter Arbeit bebürfen mirb, 
um ben ungünftigen Einbrucf mieber zu befeitigen. 

Ein Bort aber nehmen mir mit frenbigem Danfe oom (Grafen 
Pofabomsfp au: „Ein ilulturftaat faitn bie foziale (Gefefc* 
gebung gar nicht zum Stillftanb bringen —■ ein Stiüftaub 



301 


©oktale $rojt$. Gentralblati für ©ogialpolttif. Rr. 12. 


302 


ber fokalen ©efepgebung märe ein 6tiHftanb ber fortfcpreitenben 
©efittung beS 2>eutfcpen Reiches überhaupt." Er märe nocp mehr! 
Ricpt nur ber gortfchritt ber ©efittung unfereS VolfeS tätigt non 
ber Sogialreform ab, fonbern bie $raft unb bie 3ufunft unfereS 
VaterlanbeS. ©ewaltige Aufgaben liegen oor uns, gu beren Er¬ 
füllung bie Nation alle ihre geiftigen, fittlicpen unb förperlicpen 
Mräfte anfpannen mufi. Seltner poper werben bie Anforbcrungen 
an bie Seprfäpigfeit, bie Sfinangfraft, ben Arbeitseifer, bie Vilbung 
unb bie 3ntettigeng unfereS Golfes. Um bie Aufgaben, bie baS 
Reich im ^ci^cn Gingen mit anbem Länbern non riefiger Aus* 
bepnung, foloffaler VolfSgapl unb unerschöpflichen ^Hilfsquellen 
burchsufiipren pat, aud) wirflicp oottmertbig unb pünftlicp gu er¬ 
füllen, rnüffen bie breiten Rtaffen auf ben pöchfimöglichett Staub 
iprer LeiftungSfäpigfeit gebraut werben. 3n biefem Sinne ift bie 
Sogialreform nicpt nur ein ©ebot ber ©erecptigfeit unb Räcpften- 
liebe, fonbern eine $flicpt ber nationalen Selbfterpaltung 
0o »läge es im Amte einer weifen Regierung, hier füprenb ooran- 
gugepen! Sie aber bie 2)inge gegenwärtig bei uns fielen, pat $mar 
bie ttReprpeit ber VolfSoertretung auf bem ©ebiete ber Sogialpolitif 
bie ©infid)t unb ben Riutp, bie $apne oorwärts gu tragen, bie 
Regierung aber fiept gögerttb ober pinbemb am Sege. Sir hoben 
f(bon einmal in ^eutfcplanb baS gleiche 0cbaufpiet erlebt: 3n ben 
adfigiger Sabren erHärte ber Reichstag 3apr für 3apr feinen 
Sitten nad) einem ftärferen Arbeiterfcpup, bie Regierung aber 
lebnte faft alle Anträge ab, bis enblicp bocp ant 4. Jebruar 1890 
baS erlöfenbe Sort fiel. Auch bieSnial oergweifeln wir an bem 
fcplieplichen Siege nicpt unb ber Verlauf ber EtatSberatpung im 
Reichstage beftärft unfere 3uoerfidfi! 

Verlin. E. 5ran de. 


Allgemeine Stejtal- unb Äirtljfdjnftepolitlh. 


Seitere fogiatyoltttfcpe Anträge im Reichstage. 

Heber ein $>upeitb Anträge fogialpolitifc^er Ratur liegen bereits 
bem Reichstage oor unb noch futb weitere gu erwarten. SDaS 
©entrum bot, wie fepon fiirg erwähnt, auper bem Anträge auf ©r- 
riebtung oon Arbeiterfammern auch feinen Antrag auf Regelung 
ber RecptSoerpältniffe ber VerufSoereine wieber eingebracht. 
Serben Vereine, weldje bie Saprungunb görberuttg ^ er 
unb StanbeSintereffen beftimmter Verfonenfreife begweden, gur 
Eintragung in baS VereinSregifier angemelbet, fo fott bie Verwal- 
tungSbebörbe gegen bie (Eintragung nicht aus bem ©runbe Ein¬ 
spruch erbeben fönnen, weit ber herein einen politifcpen ober fogial- 
politischen 3 rae( * »erfolgt ober na<b bem öffentlichen VereiitSredfi 
eines VunbeSftaateS unerlaubt ift ober oerboten werben fann Rtit 
ber ©intragung fott ber Rame beS Vereins ben 3 u fap „eingetra¬ 
gener VerufSoerein" erhalten, Rteprere Vereine fotten gur gemein- 
famen Verfolgung oon VerufS» unb StanbeSintereffen in Ver- 
binbung treten fönnen. 3 roe de ber VerufSoereine fotten inS- 
befonbere fein: 

1. bie Sabntebntung ber Aedfie ber SRitglieber als SRitglieber beS 
Vereins, fowie bie Errichtung oon Sdjtebs- unb Gtnigungsämtern; 
2. bie Organisation bc* ArbeitSnacbweifeS unb bie Eewäfjrung uon 
Unterftüpungen bei Arbeitslofigfeit, ArbeitSauSftänben, ArbetteauSfcpüffen 
fowie in fallen ber Rotp; 3. bie AuSbilbung ber VJitglieber in ihrem 
Verufe burd) Vorträge unb Unterricbtsfurfe; 4. bie Erridjtung oon 
Unterfiüpuugs-, ttranfen- unb Verficberungsfaffen; bie Erörterung unb 
Vefiblupfaffung über äße ben Veruf unb ben 0tanb ber SWitglieber be- 
treffenben Ängelegcnbeitteu mit Einfdjlup ber Einwirfung auf bie Ote- 
fepgebung unb bie Verwaltung. J'ic Uutfrftüfcungen unb Einridjtungcn 
fönnen auf bie gamilienangebörigen ber Vtitglicber auSgebebnt werben. 

©in in ber gleichen Dichtung fi<b bewegenber Antrag ber grei¬ 
finnigen ift angefünbigt. 

S)ie Sßationalliberalen hoben ihren oorjährigen Antrag er¬ 
neuert, ber ben gewerblichen Ar beit er fdäufe auf bie §auSinbuftrie 
auSbebnen, bie ArbeitSgeit in offenen Verfaufslofaleu fowie im 
©aft- unb Scbanfgewerbe regeln unb für bie Aufficbt auib weib¬ 
liche Snfpeftoren gugieben unb bie ftranfen- unb 3noalibitätS- unb 
AlterSoerficberungSpflicbt auch auf bie §auSgewerbetrcibenben unb 
ihre Arbeiter auSbebnen will. Vei ber Aushebung bes Arbeiter- 
frühes auf bie £>auSinbuftrie fotten aber biejenigen Scrfftätten 
auSgefdjIoffen bleiben, in meldjen ber Unternehmer guSfd)lie&licb 
gu feiner Familie gehörige ^erfonen befefjäftigt. ®ic in Vetreff 
ber Lohnbücher uito ArbeitSgcttel in bem Anträge oorgefd)lageueu 
neuen Veftimmungen betreffen befonberS bie Sfoufeftiousinbuftrie. 


^)er VunbeSratl) fott Lohnbücher ober ArbeitSgettel oorfchreiben 
fönnen, in benen Art unb Umfang ber übertragenen Arbeit, bei 
Afforbarbeit bie Stüdgahl, ferner bie Lohnfäpe unb bie Vebingungen 
für bie Lieferung oon Stoffen unb Serfgeugeit gu ben übertragenen 
Arbeiten oon bem Arbeitgeber ober bem bagu Veoottmäcbtigten gu 
beurfunben ftnb. gür beftimmte ©ewerbc fott ber VunbeSrath bie 
ERitgabe oon Arbeit nach <£>aufe bei Arbeiterinnen unb jugenblichcn 
Arbeitern oerbieten fönnen, fofern ihre tägliche Arbeit in gabrif 
unb Serfftatt fechS Stunben überfteiat. $)a nach ber ^h r oo»cbe 
bie feinergeit im Reichstage unerleoigt gebliebene RegierungS- 
oorlage über ben ÄonfeftionSarbeiterfd^up wieber oorgelegt werben 
fott, wirb ber obige £f)eil beS nationalliberalen Antrages wohl 
babei mit gur ©rlebigung fommen. Veim ©ewerbebetrtebe in 
offenen VerfaufSftetten unb Schanf- unb ©aftwirthfehaften fott 
weiblichen Vebienfteten eine ununterbrochene Rachtruhe oon min- 
beftenS gehn Stunben täglich gestaltet werben. $5ie in ©aftwirth* 
fehaften angeftettten s #erfoneit fotten, foweit es gur Vebienung ber 
©äfte nöthtg ift, AbenbS bis gur Voligeiftunbe unb bei grei* 
nächten auch über biefe hinaus befchäftigt werben fönnen; hoch fott 
ihnen in allen gäflen eine tägliche, ununterbrochene Ruhegeit oon 
minbeftenS acht Stunben geftattet werben. Sofern ber Sontttag 
aus Rüdfichten auf ben Vetrieb nicht freigegeben werben fann, 
fott ihnen währenb ber Soche ein falber freier Zaa gewährt 
werben. Säbcben unter 18 Sohlen fotten gur ftänbigen Vebienung 
nicht oerwenbet werben bürfen, wenn fie nicht gur gamilie bes 
SirtheS gehören. $)ie Aufficht über bie Ausführung biefer 33e- 
ftimntungen fott burd) ©ewerbe-gnfpeftoren unb DrtSpoligeibehötben 
wahrgenommen, biefen AufttchtSorganen fotten aber auch weib¬ 
liche Auffichtsbeamte beigeorbnet werben. Z>a bie Sfommiffion für 
Arbeiterftatiftif ihre Erhebungen über bie Verhältniffe im Schanf« 
unb ©aftwirthfehaftsgewerbe nun abgefchloffen fyat, ift bemnächft 
wohl eine RegierungSuorlage über ben Stpup beS VerfonalS im 
©aftwirthsgewerbe gu erwarten, mit bem bann biefer Speil beS 
Antrages oerbunben werben fönnte, ber in ber ^auptfache 23e- 
ftimmungen oorfcplägt, bie in ben ffanbinaoifdjen Länbern unb auch 
in einigen itantonen ber Schweig bereits gelten. 

$)ie Abgeorbneten Roefide ($>e|fau) unb Dr. Vachnide höben 
mit Unterftüpung ber greifinnigen Vereinigung beantragt, bie 
oerbünbeten Regierungen gu erfudjen, bem Reichstage balbmöglicpft 
einen ©efepentwurf, betreffenb Errichtung oon ArbeitSnachweifen 
oorgulegen, burch welchen — gang nach Analogie bes ©efepeS 
über bie ©emerbegerid)te (§. 1) — beftinimt wirb, bap auf 

Antrag unb nach Anhörung einer entfpredjenben Angahl be- 
thciligter Arbeitgeber unb Arbeitnehmer ©emeinben begiehungSweife 
weitere Äommunaloerbänbe, infomeit innerhalb ihrer Vegirfe fom- 
munale ober gemeinnüpige ArbeitSnachweife, welche ben Vorfcpriften 
beS gu erlaffenbeti ©efepeS unb ben örtlichen Vebürfnifien ent- 
fprechen, nicht oorpanben finb, burd) bie LanbeScentralbepörbe gur 
©rrid)tung unb Unterhaltung folcpcr ArbeitSnacpweife anaepalten 
werben fönnen. gemer finb an ber Verwaltung fofiper ArbeitS- 
naepweife Vertreter ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in gleicher 
3apl unter bem Vorfip eines ilnparteiifchen gu betpeiligen. 

3n Sübbeutfchlanb ift befanntlich oon Staats- unb ©emeinbe- 
weaen fchon oieX für ben fommunalen ArbeitSnadfweiS gefihepen, 
unb auep in ^reufien ift bie Regierung in anerfennenswertper 
SSeife wieberpolt in gleicher Richtung mit ©rlaffen oorgegangen. 
Za inbeffen bie Erfolge foldjcr Vtapnungen bis jept leiber recht 
mäfiig geblieben finb, i|t ein ftärferer 5)rud oon Röthen, unb bes* 
wegen begrüpen wir ben Antrag Roefide in ber Hoffnung, bap 
bie oerbünbeten Regierungen cbenfo wie ber Reichstag ipn an¬ 
nehmen unb bamit eine pöcpfi wichtige fogialpolitifcpe Snfiitution 
in richtiger VBeife auSgeftalten unb förbern werben. Vebeutfam ift 
es, bap gu gleicher 3 ß d a »fh i» Ocfterreich ein ©efepentwurf, be- 
treffeub bie ArbeitSoermittelung, oorgelegt wirb, hier atterbingS 
oon Seite ber Regierung. (Vergl. ben befonberen Artifel in biefer 
Rümmer unter ber Rubrif „Arbeitsnachweis.") 


©etoerfoereine unb Rüittffcr in ©nolanb. 

3n ber ©tatsbebatte beS ©eutfepen Reichstages pat ber Staats- 
fefretär beS 3nnern gientlicp beutlicp erflärt, bap nach feiner An¬ 
ficht baS^Jeutfche Reich au f bem Vobeu ber Sogialpolitif Englanb, 
baS fo oft als Rhtfter pingeftettt werbe, überpolt pabe. VHr 
ftimmen ipm gu, bap bies in einigen fünften ber £yatt ift, fo auf 
bem wichtigen ©ebiet ber Arbeiteroerfid)ernng, auch lu bem Scpup 
ber Äinberarbeit. Sie weit aber in grunbfäplicper Vegiepung Eng- 
lanb noep ooranS ift, baS beweift ber Verlauf oon Unterrebungeu 
gwifdjeu Vertretern ber ©ewerfocretitc unb Diiniftern, bie biefer 
Xagc in Englaub ftattgefuubeu paben. Särc es bei uns heute 



808 


Sogiale BrajtS- feentralblatt für ©ogialpolitif. Br. 12. 


804 


möglich, bab g. B. eine Deputation oon Arbeiterberufgoereinen in 
einem amtlichen Empfange BUniftera unb ©taatgfefretären ihre 
©ünfebe unb Anliegen perfönlicb oortrügen unb oon ben Bätben 
ber ftrone fo aufgenommen roürben, roie mir im Solgenben feben 
roerben? ©ir fürsten, nein. Unb wenn eg bod) gefdpbe, wie 
mürben bie oon ©tummfebem ©eifte befeelten Blätter unb manche 
Unternebmeroerbänbe logfabren, toäbrenb in ßnglanb alle ©eit eg 
alg gang fetbftoerftänblicb betrachtet, bab bie BUnifter Arbeiter* 
beputationen ebenfo empfangen, roie Aborbnungen ber Unternebmer. 
Dieg ©efübt fogialer ©eredfjtigfeit unb Billigfeit, bie Anertennung 
ber Gleichberechtigung ber Arbeiter ift eg, in ber ©nglanb ung 
noch roeit ooraug ift. 

Die Borgänge, oon benen mir fpredfjen, finb folgenbe: Am 
15. Dezember empfing ber §anbelg* unb ©emerbeminifter, umgeben 
oon mehreren höheren Beamten, bag ^Sarlamentarifchc $omite beg 
Trabe tfnionfongreffeg, um Befdjmerben roegen BJabregelung oon 
©ifenbabnern, bie in ©emerfoereinen finb, unb ©ünfrf)e binficbtlidj 
ber befferen Beförberung ber Arbeiter auf ben ©ifenbabnen ent* 
gegengunebmen. Der BUnifter fagte na(b beibeit Bid)tungen eine 
grünbliche Untersuchung gu, obmobl bieg bei ben Brioatbabnen 
©nglanbg natürlich febroieriger ift alg bei ©taatsbabnen. Barnent» 
lieh roanbte er fidpnit großer ©chärfe gegen ©ifenbabnoermaltungen, 
bie ©eroerfoereinler gemaferegelt hätten, obmobl biefe nur Reifungen 
beg |>anbelgminifteriumg befolgten. Dann aber aina ber BUnifter 
ausführlich auf bie Kämpfe groifeben Kapital unb Arbeit überhaupt 
ein. Dbroobl er nicht peffimiftifd) gefinnt fei, müffe er boeb barauf 
oermeifen, bab dnglanbg ©oblftanb unb Btacbt oon ber Blütbe 
feiner Snbuftrie unb feineg gmnbelg abbänge, bab biefe aber bureb 
febmere unb langbauernbe Arbeitgfämpfe gefebäbigt merbe unb bab 
baoon bie $onfurrenten ©nglanbg ben Bu^en gögen, gang abge* 
feben oon ber Botb, bie bureb folcbe ©treifg über meite Greife ber 
Beoölferung fäme. Bon mieberboltem Beifall ber ©emerfoereing* 
beputation unterbrochen, forberte ber BUnifter auf, trofc aller 
©<bmierigfeiten Biafenabmen gu treffen, um ber Snbuftrie 
grieben gu bringen, ©in griebengoertrag gmifeben Kapital unb 
Arbeit müffe möglich fein. ©djjon bag Berföbnungggefep oon 
1896 habe tnancbeg ©ute beroirft, wenngleich eg bei ben größten 
©treifg feblgefdfjlagen fei. ©ine 3toanggeinigung halte er aller* 
bingg für auggefcbloffen, aber ein ©eg gum geroerblicben grieben 
liege in ber ©rriebtung oon ©inigunggämtern für alle ©emerbe, 
fo bab Arbeiter unb Arbeitgeber ficb um benfelben runben Tifd) 
festen unb gemeinfam in aller Bube unb Orbnung bie ©treit* 
punfte befpräcben. Damit mürbe fdjon unenblicb oiel gemonnen 
roerben. Dabin gu roirfen, halte er für feine Bfftdjt, unb nichts 
mürbe er bt>b cr fchäfeen, alg bag förbern gu fönnen, mag im 
gntereffe aller Ä'laffen ber Bolfggemeinfcbatt notbroenbig fei. Den 
©orten beg BUnifterg Bitdf)ie folgte gum ©d)lub abermalg lebhafter 
Beifall, unb mit roarmen Danfegäufeerungen febieb bag ©emerf* 
oereingfomite. 

Am felben Tage mürbe bie Deputation 00 m ©ebafcf angier ©ir 
Bt. £>idfg*Beacb empfangen unb trug ihm ben Befcblufe beg lebten 
©emerfoereingfongreffeg oor, eg mochte ben Trabe Uniong ebenfo 
roie ben grienblp ©ocietieg geftattet fein, ihre Bennögengbeftänbe 
bei ben ^oftfparfaffen gu beponiren, ba auch fie gleich jenen ©e* 
feUfcbaften gang oormiegenb mit ihren ©elbern 3 roe #e ber Unter* 
ftüfcung für ihre BUtglieber in Sfranfbeit, Alter unb Arbeitglofig* 
feit oerfolgten. Der ©cbapfangler betonte in feiner ©rmiberuna, 
gu einer folgen Btabnabme fei ein ©efeb notbroenbig. ©r habe 
an unb für ficb grunbfäfclicbe Bebenfen gegen eine AuSbebnung 
ber Tbätigfeit ber Boftfparfaffen, ba fte in mifelicben 3^n ben 
©taat febrcer belaften fönne. Doch ftebe er ben ©ünfeben ber 
©emerfoereine frennblidj gegenüber, menn eg gelinge, bie Unter* 
ftüfcunggfonbg oon ben ©treiffaffen gu fonbern. Der ©eneral* 
j'efretär beg großen $?cffelmacber*©eroerföereing, £>err ftnigbt oon 
Berocaftle, bemerfte biew bab fein Berein nur 2% aller Bfittel 
für ArbeitSfämpfe oermenbet habe. Der BUnifter fdjlob ben 
©mpfang mit bem Besprechen, bem ©efretär beg Barlamentar* 
fomiteS ber ©emerfoereine fpäter mitgutbeilen, ob ber ©unf<b ber 
Deputation Augficbt auf ©rfüllung habe. 


(Sminwrf eineg ©efe^eg über bie Arbeit ertoaebfener Bfänner in ben 
Bieberlanben. 

Befanntlicb beftebt in ben Bieberlanben febon feit 1874 bag 
Berbot ber Arbeit oon Stinbern unter 12 Sahnen, unb feit 1889 
mirb bie Arbeitszeit ber Sfinber unter 16 Sabren unb ber grauen 
jeben Alterg auf elf ©tunben befebränft, ihre Bubegeit geregelt unb 
bie ©onntaggarbeit in faft allen Betrieben oerboten. 3*&t ift pon 
ber Begieruitg ein ©efefeentmurf ben Kammern oorgelegt, ber in 


einigen Betrieben einen Bfa|imai*5lrbeitgtag fcftfefct unb für alle 
Sabrifen unb ©erfftätten Beftimmungen über Ba<bt* unb ©onntagg* 
arbeit enthält. 

3n Bäcfereien aller Art unb in anberen bureb föniglicbe Ber* 
orbnung gu beftimmenben Betrieben, mo giftige ©toffe entmicfelt, 
bereitet ober oerarbeitet roerben, fcbäblicbe Dünfte ober ©taub ent* 
fteben unb eine bob^ Temperatur b^febt, barf nicht länger alg 
elf ©tunben täglich gearbeitet roerben unb nur gehn ©tunben, roenn 
baoon roeniafteng oier in bie Bacbtgeit (groifdheit 9 Uhr §lbenbg 
unb 5 Ubr Bcorgeng) fallen. Doch oarf in Brotbäcfereien tuäbreitb 
17 oon oen 24 ©tunben gearbeitet roerben, roenn in ben folgenben 
24 ©tunben bie Bubegeit um bie 3abl ber Ueberftunben oermebrt 
roirb. Der BUnifter barf für 60 Tage im S^b^ mit ober ohne Be* 
binaungen erlauben, ba& in ben erften fünf fahren nad) bem 
©efefc Drei, fpäter groci ©tunben länger gearbeitet roirb, unb ber 
Unternehmer barf groölfmal im gabre (aufjer in ben Brotbäcfereien) 
14 ©tunben arbeiten laffen. 

Die Beftimmungen über bie Nachtarbeit in allen Sabrifen unb 
©erfftätten finb folgenbe: Sebem Arbeiter miiffen in jebem Sa** 
raum oon oiergebn Tagen roenigfteng fieben Bubegeiten, roooon 
jebe eine gange Bacbt einfcbliefet, gemährt roerben; ber BUnifter 
fann jeboeb in ben erften gehn fahren für eine beftimmte 3^ü . crs 
lauben, in biefer Bubegeit gu arbeiten. Die Bubegeit barf nicht 
in ber gabrif oerbradjt roerben, aber auch oon biefer Beftimmung 
barf ber BUnifter für eine beftimmte &it Slugnabmcn erlauben. 
Ueber bie ©onntaggarbeit, ober beffer bie wöchentliche Bubegeit, 
enthält ber ©ntrourf naebftebenbe Beftimmungen: 3n ben nicht oon 
einer föniglidjen Berorbnung beftimmten Betrieben mufj in jeber 
©o<he eine Bubegeit oon 30 ©tunben, bie ben ©onntag einfcbliefjt, 
ernährt roerben. Die Berorbnung fann für beftimmte Arbeit in 
eftimmten Betrieben bem Unternehmer bie ©abl aug brei oer* 
f^iebenen ©pftemen laffen: ©ntroeber er fann in groei ©oeben eine 
Bubegeit oon roenigfteng 36 ©tunben mit einem ©onntag ein* 
fcbliefelicb gewähren ober er fann in bemfeiben 3 c toaum smei 
Bubegeiten gewähren, roooon bie eine 30 ©tunben mit einem 
©onntag unb bie anbere ohne ©onntag 24 ©tunben, anfangenbgroifeben 
6 unb 10 Ubr Slbenbg, bauert ober britteng, er fann groei Bube* 
geiten, beibe ohne ©onntag, gewähren, roooon bie eine 30 unb bie 
anbere 24 ©tunben bauert; in biefem Salle mufe jeboeb oon oier 
auf einanber folgenben Bubegeiten eine 36 ©tunben mit einem 
©onntag einfcbiiefelid) umfaffen. Der BUnifter fann in befonberen 
Umftänben allen Betrieben erlauben, in ber Bubegeit gu arbeiten, unb 
ber Unternehmer fann ohne ©rlaubnifc fedE)gmai im Sabre in ben 
Bubegeiten arbeiten laffen, roenn nur bie Arbeit bie erlaubte Dauer 
am Tage unb Ba<btg nicht überf(breitet, ©tatt ©onntag tritt für 
3Sraeliten ber ©onnabenb ein. 

Die Aufficht über bie SÜugfübruncj beg ©efefceg ift ben ®e* 
roerbe*3tifpeftoren, bereit 3 a bl & er BUnifter nicht oermebren gu 
müffen glaubt, übertragen. Die Arbeitgeber ftnb oerpflichtet, Be* 
fanntmadfjungen über bie gewöhnliche unb bie eoentuell geänberteu 
Arbeitg* unb Bubegeiten an fiebtbarer ©teile auggubängen. 

Die Befcbränfung beg Arbeitgtageg bebeutet hernach noch 
nicht oiel; eg ift wahrlich ein febr „febüebterner" ©efebeittrourf; 
benn roenn in Bleiroeife* unb Bho^Pbo^fobrifen elf ©tunben ge* 
arbeitet roerben barf, roie lange roürbe ber BUnifter bie Arbeit 
bann roobl in ungefährlichen Betrieben ertauben? <&ern hätte er, 
fagt ber BUnifter, biefe Beftimmungen auf mehrere Betriebe aug* 
gebebnt, aber er beforgt eine gu ftarfe Bennebrung ber 3 a ^ ^ er 
©eroerbe*3ttfpeftoren. ©ehr halb jeboeb will er bie Arbeitggeit 
ber Arbeiter im Berfebrgroefen regeln, teilte Beftimmungen finb 
getroffen für BUttaggpaufen, Bube für Btatjlgeiten u.f.ro. unb auch 
feine befonberen Borfcbriften für |>ülfgarbeiten, roie bag Au* 
machen oon Seuer, bie Beinigung ber Bfafcbineit unb berArbeitg* 
räume. Da bag Gefefe roeber ben Anfang noch bag (Snbc ber 
Arbeit befebränft, b^lt öer BUnifter eine folcbe Beftimmung nicht 
für nötbig. 

Amfterbam. 3- <£>■ oan 3aoten. 


fb#malg bie betttfdje ©treifftatiftif. Bfit (^enugtbuung bc* 
grüf$en mir eg, bab auch ein fo oormiegenb ben Unternebmerftanb* 
punft oertretenbeg Blatt roie bie „$ölnifcbe 3eitung" in ihrem 
Ürtbeit über bie Drganifation ber amtlichen ©treifftatiftif mit 
unferen in Br. 10 ber „©ogiaten ^ßrayig" auggefproebenen An» 
febauungen gerabe in bem roefentlicben Bunfte übereinftimmt. Dag 
rbeinifdfje Blatt febreibt u. A. in feiner Br. 1176 00 m 14. Degember: 

Die 0011 bem Bunbegratl) beftimmte, etwas burraufratifdjc B?e= 
t^obe bei- 3Raterialfammlung giebt uns besljatb gu manuigfadjen Bebenfen 
Anlab/ unb wir fönneu uns nicht bei Befürchtung oerfd)liefen, bab auf 



305 


©oktale ftöji*. ©entralblatt für ©ogialpolttt!. 9h. 12. 


306 


biefem Wege niemals eine allen, audfj ben höchften Anforbernngen ent* 
fprerfienbe, non jeher Denbeng nach irgenb melier Richtung freie Stafiftif 
Der ArbeitSetnfteßungen gefd^affen rairb. öS gehört feincSwegS oiet 
^fjantafic bagu, um ficf) bie praftifdjen ©rfolge einer poligeiltchcn ©r* 
funbigung nach ben Ürfadjen unb (Ergebntffett bcr AuSfiänbe ober gar 
nach ben während berfelben gejaulten Unterftü^ungen flar gu machen. 

Die „Kölnifche 3^itung" ift überzeugt, bafc bie oorgefchriebene 
Viethobe ber Streif erhebungen „bei Vertretern ber Siffenfdfjaft 
faum Anflang finben wirb. 9Ran mufj eben mit aller Veftimmt- 
heit an bem ©cbanfeit fefthalten, bafj eine ReichS-AuSftanbSftatiftif 
nicht allein ben 3 lüc ^ en einzelner VerwaltungSgweige bienen fann, 
fonbern oielmehr ihre oornehmftc Aufgabe in ber aus ben ©rgeb- 
niffen gu gewinnenden Vereiterung ber Kenntnift unferer wirth* 
ftaftlidjen unb fogialen 3 u ftänbe gu erbltcfen bat woraus fid) 
bann wieberum für bie PrajiS bie roicbtigften Schlüffe über bie 
3Racbtoerbättniffe innerhalb ber probuftion ergeben werben." — 
Der Reichstag follte eS fidb aidpt entgegen laffen, redjtjeitig oor 
etwaigen Schlüffen gu warnen, bie aus einer bureaufratifdhen unb 
friminaliftifcben Drganifation ber Streifftatiftif fünftig gezogen 
werben fönnen. 


JUnttttitttaJt Schulpolitik. 

Detfung beS ©emeinbeaufwanbeS. $ietgu finb in erfter Sinic 
bie ©infünfte aus bem ©emeinbeoermögen beftimmt. RufcbareS 
Vermögen im oolfSwirthf ehelichen ‘Sinne ftettten nach ben bis* 

a en Aufhellungen ber ©rutibbefip (©ebäube, ftäbtifcfje unb 
id)e ©runbftücfe, gorften, Vergwerfe, Steinbrüche 2C.), bie 
Rechte (Qagb-, gifcherei-, gluferecfjt, Venufcungen beS ©emeütbe- 
eiaentumS burdb prioatgefeßfchaften, Pferdebahnen, ©aSgefettfchaften, 
©IeftrigitätSwerfe 2C., bie Rufcungen), Kapitalien unb oeräu&er* 
lidbe Mobilien unb Vtaterialien bar. Das Stuttgarter ftatiftifche 
Amt bat nun im Dftoberbericht berechnet, wie gröl ber Progentfafc 
ber fo gebecften ©innahmen in Stuttgart unb einigen anberen 
großen Stabten ift. Von fömmtlicben Ausgaben für Unterricht, 
Armenfürforge,©efunbheitS- unb Kranfenpflege, Vautenunb Strafen, 
Pottgei, allgemeine Verwaltung unb ©emetnbefchulb fönnen burcb 
bie ©innahmen aus bem Vermögen gebecft werben: in Altona 
6,9i o/ 0 , Dortmund 2,r>4%, Königsberg i/Pr. 3 ,oo%, Nürnberg 5 , 52 o/o, 
Stuttgart 1,44 °/ 0 . Rid)t riel günftiger fte|t Stuttgart begüglid) 
ber ©tnnahmen aus ben gewerblichen Unternehmungen, 0 . b 
aus bem Vetriebe oon ©inrichtungen wie ViarFthaflen, Viebtnarft, 
fonftige Viärfte, Schlacbtbof, SBaffer-, ©aS-, ©IeftrigitätSwerfe, 
ßagerbäufer, Stabtwaagen, $afen (ßönbe), guhrparf (Viarftatt), 
Eichamt, AnfchlagSfäulen, Sparfaffe, ©emeinbefriebböfe 2 c. Die 
©innahmen aus oiefem ©ebiete oermögen in Stuttgart nur 6 ,i 6 % 
ber Koften ber oben genannten $auptgemeinbeaufgaben gu bedfen, 
in Nürnberg bagegen 8 , 04 %/ in Königsberg 13 , 75 %, in Dort- 
inunb fogar 31, 52 %; in Altona ift bieS ©ebiet noch wenig aus* 
gebebnt unb ergiebt ein Defigit. Die fcblechte Stellung oon Stutt* 
gart erflärt fleh u. A. barauS, baf* es ben ScfjlacbtbanSbetrieb unb 
Die ßid)toerforgung prioaten überlaffen unb bie Ueberfdjüffe ber 
Sparfaffen — was wir nur billigen fönnen — für VSohlfaljrtS- 
gweefe beftimmt bat. Die ©infünfte aus bem nufcbaren Vennögen 
mit ben Ueberfcbüffen aus ben gemeinblichen Vetrieben nifammen 
bedfen oon ben Koften ber §auptgetneinbeanfgaben in Dortmund 
34, 6 o/ 0/ Königsberg 17,35%, Nürnberg 13,56%, Stuttgart 7 /6 o°/o- 
Das geigt beutlich ben großen ©influfj gefchicfter Venu^ung biefer 
(SinfommenSquellen auf bie fteuerliche Velaftung. 3b re 9luSnuhung 
wirb gebieterische Pflicht, wenn fonft bie Steuerfcbraube gu fefjarf 
angegogen werben inufe. VUt Vecht weift baS 2Tmt auf ben Strafen* 
babttbetrieb bin. Keine anbere Unternehmung fuftt fo Mer auf 
ber beoölferunaSftatiftifcben ©ntwidfelung ber großen Stäote als 
erabe biefe. &iefe Sicherheit ber Rentabilität in Verbinbung mit 
em großen öffentlichen Sntereffe an ber beftmöglidhen SluSgeftal* 
tung beS wichtigften grofeftäbtifchen VerfebrSmittelS macht biefeS 
in befonberem VJafje gur Verftabtlidjung geeignet, wie es neuerbingS 
auch beutfehe Stabte unternehmen, daneben fann bie Stabt bie 
Steuerfraft ihrer Vewobner mittelbar ftärfen. 3n folchen 3Rafe* 
nahmen, bie alfo ohne ins ©emidht faHenbe Koften ben Steuer* 
gablcrn erhebliche Ausgaben erfparen, red)net bas Slmt neben 
S^ladhtbäufern unb Warften bie gemeinbliche Regelung beS 3rieb* 
bofmefenS nach Schweiger dufter, gute Vauorbnuttgen, unb einen 
öffentlichen ©ohnungSnathweiS, ben Arbeitsnachweis :c. s Bir fönnen 
bem &mte nur beifttmmen. 

©täbtifche HstSftötfM in ©erlitt# ^ebnlid) ben ?(usfunfts« 1111b ?(n= 
melbeftuben bei ben 9 lmtsgevirf)ten ioü eine unentgeltlich ,51t benuoenbe 
VluofunftSitcÖe 00m berliner ^agiftrat eingcvidjtet werben, wo Anträge 


entgegegenommen itnb über ftäbtifche Angelegenheiten AuSfunft ertheilt 
wirb. 3ur Vorbereitung ift eine fünfgliebrige Kommiffion eingefe^t. 
hoffentlich wächft fidb biefe SteDe einmal gu einem oöDigen VolfSbureau 
aus, bamit bas ärmere $ublifum nicht immer auf bie juriftifchen Sprecfj* 
ftunben oon 3 e itaagen ober gar bie SSinfelfonfuIentcn angewiefen 
bleibt. 


&rbeltgebemrbäiit>e. 

KoaHtioitSgtiiattg Pott Httterttebttterperbittbe«# ^)ag 3ttbuftrie* 
fartelle bie „Outsiders“, bie ftch oon ihnen fernbaltenben Unter* 
nebmer ihres ©ewerbegweigeS, gum Veitritt mit SRitteln gu 

S en fudbett, bie auf einen 3roang bioauSlaufen, gefchiebt oer* 
4 oiel öfter, als es befannt wirb. SSieberbolt ift als eines 
foldf)er Mittel bie Verweigerung ber Abgabe oon Robftoffen ober 
ßalbfabrifaten an Ridhtmitglieber genannt worben, ©in folc^er 
§all wirb jefet in ber jjachgeitfchrift „$)er ©ifenbanbler" mitgetbeilt. 
2)er Snbaber einer fleineu 2 )rabtftiftfabrif fdhreibt bem Vlatte: 

„3tb h a ^e oor Kurgem $raf)t befteßt unb erhalte oon ber gabrif 
bie Rachricht, bafe fie mir bte Lieferung beS Drahtes oerweigert, weil 
fte bem Verbaub ber ©rahtftiftfabrifanten beigetreten ift, unb gwar fo 
lange, als ich biefem Verbanbe nid)t betgetreten bin. S)ie Statuten beS 
VerbaubeS, bte mir gugefanbt würben, enthalten fooiel oeyatorifche Ve- 
ftimmungen, bah teb mir lieber meine greiheit wahren miß, unb trete 
ich bem Verbanbe nicht bei. 3<b erfuche Sie ergebenft, mir, wenn möglich, 
gwei ober bret gabrifen, bie $)raht gu ^rahtftiften tauglich fertigen unb 
bie nicht bei bem Verbanbe ftnb, gu nennen, bamit ich meinen Vebarf 
bortfetoft gu beefen in ber Sage bin unb meine Arbeiter weiter befchäfti* 
gen fann." 

®er Satt ift febr lebrreidh. ©r tbut bar, ba& auch ® on Unter* 
nebmem ein febarfer KoaütionSgwang ausgeübt wirb unb bafe 
arbeitswillige Arbeiter burcb Unternehmer, inbem man ihrem Arbeit¬ 
geber ben Robftoff oorentbält, an ber Arbeit gebinbert werben. 

$tr Verein für bie bergbaulichen gfntereffeu in Rheinlanb nnb 
SBeftfalen b at 00 m SRinifter bie f)inauSfchiebung beS Termins für 
Snnrafttrcten ber ^oligeioerorbnung über bie Vefdhäftigung fremb* 
fprachiger Arbeiter erlangt (oergl. „Sogtale Vra^iS" Sp. 252). 
®te Durchführung ber Verorbnung würbe, wie in weftbeutfehen 
Vlättern beroorgeboben wirb, tief in bie beftebenben Verbältniffe 
eingegriffen haben: 

„So foßten als Auffeher, SRafcbinenführer, Keffel* unb Pumpen¬ 
wärter, Scbie&meifter, Wettermänner, DrtSältefte, Schachthauer, An- 
fchläger u. f. w. nur 2eute befchäftigt werben, bie bie beutfehe Sprache 
fertig fpredfjen unb in Schrift mtb Xrucf fertig lefen fönnen. (SS müßten 
baher iaufenbe oon Arbeitern aus ihren je&igcn Poften entfernt werben. 
2)a cs an Arbeitern mangelt, fo fönnte bie fofortige Durchführung ber 
Verorbnung oielc Sdjäbiguttgen hfrbeifiihren." 

Die Verecbtigung biefeS ©inwanbeS ift nicht gu uerfennen. 
$öbcr aber ftebt hoch bie für jene Verorbnung oon ber Regie¬ 
rung geltenb gemachte Vegrünbung, ba& bie Unfenntnih ber 
beutfehen Spraye im Vergwerfbetrieb fchwere ©efabren für bie 
VetriebSficherbeit mit ficb bringe. 

Uebereinfommen ber ö fit erreich ifeben Vanmtootffpinnereien be¬ 
treffend eine VetriebSeinfchränfnng. Die öfterreichifdjeit Vaumwott* 
Spinnereien planen eine VetriebSrebuftion, wie aus folgenber Ver¬ 
öffentlichung ber Spinnereifeftion beS VerbanbeS ber Vaumwotten- 
inbuftrietten £efterrei<hs gu erfehen ift: 

„Die Vemühungen gur (Einführung einer 16progentigen Vetricbs- 
cinfchränfung in ben öfterreicfjifchen Vauntmoßfpinnereien waren info- 
fern oon (Erfolg begleitet, als ber weitaus größte Dh^il ber ins Auge 
gefaxten Spinnereien bem oorgefdjlagenen Uebereinfommen beigetretcu 
ift. Die gur Durchführung bes Uebereinfommens nothweitbige Ve- 
theiliguna fonnte aber bisher uid)t ooflftänbtg erreicht werben, ba 
mehrere bedeutende Spinnereien durch 2icferuugsucrpflid)tungeit, weldie 
fte fchon früher für bie nächften SRonate übernommen hatten, oerhiubert 
waren, an bie (Einführung ber Aebuftion gu fdjreiten. Vor allem aber 
würben gewichtige Vcbcnfen laut, ob es nid)t mit Rücffidjt auf bte 
Arbeitcrfchaft oortheilljafter wäre, mit ber Vetriebseinfchränfnng erfi 
im grühjahre gu beginnen, wenn neue Arbeitsgelegenheit ober Reben- 
bcfchäftigung burch Jvelbarbcit fidi Ieiditcr findet. Aus bieten ©riinben 
hat baS (lomite befdiloffen, ben Vegitut ber Rebuftioit auf den 1. Afärg 
1899 gu oerfchicben. (Es ift begrünbete Ausfidjt uorhanbeu, bau gu 
biefeut Dcnnine die Riaftregel thatfädtlid) burdjgefiihrt wirb. (Eine neue 
Einberufung bcr Aftionstheilnehutcr ift uid)t in Ausfidjt genommen, 
ba für eine folche feilte Veranlagung oorlicgt." 

Diefe Ausführungen laffen darauf fchliefeett, bafg nidtt nur 
eine ^)erabfehung ber ArbeitSgeit, fonbern auch eine ©ntlaffung 
ooti Arbeitern geplant ift. 



308 


30“ ©ogiale $tari8. Gentralblatt für ©ojialpolittt. SRr. 12. 


^rbettarbesiieguiig* 

$te SegtifarBriter - ©etoegung in ftrefelb ift burrf) eine Ver* 
cinbarung gum ©tillftanb gefommett. Anfangs liefe fic fi<h fe^r 
bebrofjlith an. Bie in ber Iefeten Kummer mitgetfeeili, füitbigteit 
am 12. XJegember bie vereinigten Arbeitgeber roegen eines ©treifS 
in einer einzigen gfabrif bie Ausfperrung fämmtlitf)er Beber — 
roie es feexfet, an 8000 — nach Ablauf von 14 £aaen an. darauf 
legten unter $ontraftbrudj gahlreidje Beber bie Arbeit nieber. (Sr* 
freulicherroeife trat fofort bie ftäbtifc^e fogiale $otnmiffion oer* 
mittelnb ein. Dad) oerfdjiebenen Benbungen einigten fitf) bie Ser* 
treter ber ftreitenben Parteien über folgettbe fünfte: 

1. Xie Fabrifanten »erpflid^teit fid), tut nädjften Vierteljahr uon 
ber Vereinbarung, unter Umftänben 9J?affenauSfperrungen oorgu* 
nehmen, feinen ©ebraitch gu machen. Xie Beber verpflichten fid), im 
nädjften Vierteljahr in feinen AuSftanb eingutreten. 2. F» beit 
mechanifdjen Bebereten foll allgemein bie bnftunbenarbcit einge* 
führt roerben. 3. ©oll in einem Vierteljahr eine Sohnlifte für Stoff* 
roeber anfgcfteÜt roerben. 

©orool)t bie Arbeiter roie bie Sabrifantcn h a & e n bann in 
Verfammlungeit biefer Abmachung gugeftimmt, unb roeitit nicht in 
Iefetcr ©tunbe ein 3roifd)enfaH ftörcnb eintritt, fo werben bie X)inge 
roieber in ruhige Sahnen fommen. X)ie Arbeiter befchroeren ftch 
befonberS über bie niebrigen Söhne (es foll Botenlöhne von 
10—11 Ji. geben), über ungerechtfertigte öofjnabgücje, lange ArbeitS* 
geit unb über bie ^rajiS, bie Frauenarbeit niebriger gu begabten, 
trofcbem bie Frauen baffclbe leiften foHen, roie bte Sfänner. ©S 
roirb fid) nun geigen miiffen, ob im nächfteu Vierteljahr ein enb* 
gültiger Ausgleich gu ©taube fomrnt. Xde Xljatfache, bafe forooljl 
bie Unternehmer roie bie Arbeiter in feften Verbänbeit oraanifirt 
finb, h Q t jebenfallS bie VermittelungSthätigfeit ber ftäotifcfjen 
fogialen $ommiffton bisher erleichtert. 

Vctoegnttß im BcntFchen VaugetoerBc. 3n einem oom Vunb 
ber Vait*, 9Daurer* unb 3t mtnermc Mi er h^rrührenben Aufrufe 
roerben mit Vegug auf bie für nächfteS Frühjahr angefünbigte 
Vauarbeiterberoegung oerfchiebene Dathfcfjläge ertheilt. Sei Sohn* 
forberungen foll billiges dntgeaenfommen gegeigt roerben; überall 
ba aber, roo Verträge abgefd^toffen feien, fou auf ihre ftrenge 
Fnnehaltung gebrungeit roerben. X>ie meiften AnSftänbe roürben 
aber roofel um §erabfej}ung ber ArbeitSgeit unter gehn ©tun* 
ben unb um Anerfennung ber Arbeiterorganifation entbrennen. 
§ner fei eine ©tärfung beS ArbeitgeberoerbanbeS nothroenbig unb 
oorfid)tigeS AbftUefeen ber Sauoerträge, bei benen oor Allem bie 
©trcifflaufel nicht vergeben roerben bürfe. — 3» einer am 15. b. 
abgehaltenen Dtaffenuerfammlung ber Serliner Sauarbeiter aller 
klaffen rourbe über bie Dothroenbigfeit eines erroeiterten reichSge* 
fehlidjett SauarbeiterfdjufceS oerhanbelt, ba bie jefeigeit Soligei* 
oerorbnungen, namentlich roaS ben SftüftunaSbau, bie Saububen* 
frage tc. betreffe, unguläitglith feien unb Deren Sefolgung audj 
nicht genügenb fontrolirt roürbe. ©S rourbe eine $ommiffion oon 
Sertretern fammtlidjer Sauberufe niebergefefet, welche einen bie 
Bünfdje ber Sauarbeiter cnthaltenben ©efejjentrourf ausarbeiten 
unb ben guftänbigen Sehörben unterbreiten foll. SefonberS foll 
bie ©infepung eines Sauinfpeftorats gur Slontrole ber ©d)up* 
beftitnmungen, bem auch praftifche Sauarbeiter angehören foÖen, 
geforbert roerben. 

Xie Serliner Xrofdjfenfiitfdjer im Xa£ameter*Vetrieli fteljeit g. 3* 
in einer Sobnbcrocguug. ©ic ocrlaitgen ftatt bcS bisherigen Sohnfapes 
uon 1 M ©nmblohn unb 25% ber XageSeiunaljmc eine ©ntnbtajre 
oon 1,50 Ji. Xljcilrocife ftnb bie ftittjdjcr bereits erfolgrcidj geiocfcn, 
guntal fie au ©teile bes ©efammtausjtaubcs fid) auf bie Verhängung 
oon 15-ingelfperren befrfiränfrn, auf anberen .vröfeu, wo bie Aorbcrung 
guriirfgeroiefeu rourbe, foll bas Auhrgcfchäft gang ober theilroeife ruhen. 
Sebiirftige ©treifenbe erhalten oom Agitatioiisfomite 12 Ji pro Bodje 
F» gioci Verfammluugen haben bie Mutfdier ncuerbings bie Beiterfiihrung 
ber (5iugelfperren befihloffcn, roäbrcnb eine Verfammluug ber Parameter* 
fnlirherrit befdiloffcn hat, am bisherigen Solmfap fcftguhnltcn, eine 
Bibcrftanbsfaffe gu griiubrn unb aus ihr gesperrte au hrhcrru eocntuell 
gu uuterftüpen, audj arbeitswillige itntfdjer* herangugiehen. 

fteitt Arbcitcrfefrctartat in Verlin. (5ine Xelcgirten=Verfammlung 
ber Serliner Weroerffdjaftsfommiffioii hat fid) für bie Auftelliing eines 
giociten Seamten ausgefprodien, bagegen bie (Srioeiterung ber Mommiffion 
gu einem Arbeiterfefrciariat itad) Nürnberger SWuftcr abgelchnt, weil in 
Serliu oerfdjiebene Olerocrffdjafteu bereits eigene Sitreans hätten unb 
roeil bei ber groben Ansbebuuug Scrlins ein C5entralbureau uidjt ge= 
uügen unb fid) bie foftfpielige (Sinrid)tnng mehrerer Sureaus in ben 
ucrfchiebcncn ©tabttheilen uotfjroenbig madien roürbe. 

©treifS in Xeutfchlanb tnährcnb bcS flobember. X'er „Arbeits* 
inarft" gäljlt 40 neu im Nooeutber ansgebrodjeue AuSftänbe auf. 
X)ie Öohnberocgnng h a l alfo einen etwas größeren Umfang attge* 


nommen als im Oftober, roo bie 3flhl W) au f 31 belief, ^ie 
meiften ©treifS (9) treffen auf bie 9J?etall- unb SRafchineninbuftrie, 
bann auf bie Snbuftrie ber §oIg* unb ©chnifeftoffc (5), im Sau¬ 
geroerbe, in ber NahrungSmittelinbuftrie unb im Xeftilgeroerbe ftnb 
je 4 gu oergeidjnen. X)agu fomrnt noch eine SReifje oon ©treifS im 
Suchbrucfgeroerbe, bie mit ber oon ^ringipalen unb ©ehülfen ge* 
meinfam geführten Xarifberoegung gufamtnenljängen. X)ie meiften 
biefer AuSftänbe finb gang geringfügig gcroefen; oon einiger Se* 
beutung waren nur ber $affenftreit tn 9temfd)eib unb bie Anfänge 
beS £rcfelber BeberftreifS; beibe Seroegungen finb nach oerhältniß* 
rnä&ig furger 3 c if beigelegt roorben. 

3urihf»ahme einer i^afr gelnng in ßoln. Btr httben in le^tcr 
9?ummer (©p. 282) oon ber Gutlaffung eines ÄeDnerS in Äöln roegen 
fein:r Auslagen oor ber .Hommiffton für Arbeiterftatiftif berichtet. (Sr* 
freulidjcrrocifc haben bie beStjalb eingeleiteteu AuSglcidjSoerhanblungen 
Erfolg gehabt. Am 16. Xegember hat bie hierfür eingefefete Äommiffion 
oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern beS ©aftroirthSftanbeS gu bent 
(Srgebniffe geführt, „baf; bie Äiinbigung bes CberfeHticrS feitenS feines 
Vringipals priugipiell gurüefgenommen*' rourbe." Irofcbem berocift ber 
AaH, bafe Vorfehrungen getroffen roerben muffen, um AuSfunftSperfonen 
oor SNafjregelungen roegen wahrheitsgetreuer AuSfagen oor ber Äfom* 
miffion für Arbciterftatiftif, gu benen fie verpflichtet finb, gu fdjüben. 

<$ctotrfoerein ber Biegler in Sippe« Am 10. SDejember fanb 
in ‘Xetmolb eine Sorftanbsfthung bes ©eroerfoereinS ftatt, an ber 
fid) auch ein Vertreter ber lippifchen Stegieruna betheiligte; bie 
Vereinigung ber beutfehen 3^ c ß^leibefifecr, ber „Verbanb beutfeher 
XfeoninbuftrieEer" hatte auf Üinlabung beS (^eroerfoereinS groei 
Vertreter gefanbt (Is hanbelte fich nach ^ cm „®olf" hanptfächlidh 
um bie Frage ber Srridjtung eines centralifirten ArbeitS* unb 
©teilenitachroeifeS für baS 3 ie 9^rgeroerbe, ba bie Vermittelung 
burch Agenten gu oielen 9)h|ftänben Aniah giebt. ßs rourbe bie 
©rridhtung einer Zentrale mit örtlichen Filialen in £ippe, Reffen 2 f. 
mit bem ©ifc in Sage in Sippe befdjloffen unb bie Verbinbung 
mit einem feitenS bes VerbanbeS ber XhoninbuftrieHen in Serlin 
gu errichtenben ArbeitSnadjroeifeS ber Arbeitgeber angebahnt. ©egen* 
ftanb ber Verhanblung roar ferner baS Vorgehen bes ©eroerfoereinS 
gur Vcrfürgung ber im 3iegeleigeroerbe überlangen täglichen ArbeitS* 
geit, welche g. S. bis oor groei Fahren noch eine täglich 16* unb 
meferftünbxge roar, jefet aber gumeift auf 14 ©tunben herabgefefct 
ift. ©ine weitere §>erabfepung um 7-2 ®tunbe täglich oerfucht ber 
©eroerfoerein für nächfte Campagne gu erreichen fiir baS ©ebiet 
ber unteren ©Ibe. 

©tntguug ber $aubclShilfSarbeiter lofaler unb centraler 9Hd)ttntg. 

Fn einer am 11. b. 9tf. in Verlin abgehaltenen Äonfereng, gu ber faft 
alle gröberen §anbelSftäbte XeittfchlanbS Xelegirte entfanbt hatten unb 
ber auch ber Vorfifcenbe ber ©cneralfontmiffton ber ©eioerffchaften 
Xeutfchläubs, Regien, beiwohnte, rourbe als ©runblage ber (Sinigung 
beiber Aidjtungeu Folgcnbes befdiloffcn: 1. Xic oon ben beiben 

Dichtungen gu Beihuadjten begro. gu s pfingften cinbcrufenen ©onber* 
fongreffe finben nidit ftatt, 2. gu Cftcrn roirb oon ben Vertrauensleuten 
beiber ©ruppen gemetnfam ein allgemeiner $anbelshiIfsarbeiterfongreh 
einberufen, 3. auf biefent ©ongrep roirb ein neuer (Scntralocrbanb be* 
grünbet, brffen ©apungen feftgelcgt unb beffen Veamtc aus Vertretern 
beiber Dichtungen gewählt. 

Verein für §nnb!nnfl«*©omntiS *** 1858. Nach groei Verichtcn*) 
bes ©efdjäftsfühverS Alwin .^elmS gählte ber Verein oon 1858 f©ip 
Hamburg) am 1. V?ai 1898 über 55ocX) Vereinsaugehörige, baruntcr 
28 bcutfdjc .'oaubelsfammern unb 249 unterftüpeube Ainnen. (5s ocr* 
mittelt foftenfreie am 2. April 1898 ben <57 onoficn ^often, baoon roährenb 
ber lepten 10 Fahre 39 939 ©teilen im Fn* unb Auslaub (1642) unb 
über ©ec (812). Xie 1874 eingcridjtetc Abtheilung für Lehrlinge oer* 
mittelte bis (Snbe 1897 3 623 ©teilen. (Sine Verfidjcmng gegen ©teilen* 
lofigfeit ift geplant, hat aber nod) feine Höfling gefnnben.' ftranfen* 
unb Vegräbnififaffe, ^cnfionsFaffe mit Fnvalibcn*, Bittiven*, Alters* 
unb Bai)en=Ver|orgung ift oovhanbcu. ©einer Anregung fdjreibt ber 
Verein bie Xeuffdirift bes „Xeutfdjen Verbaubes Maufmaunifdjcr Vereine" 
au ben Dcidjsfangler gu, bie gu (5rhcbuugeu über bie ^age ber .^anb* 
luugsgehilfen, betreffenb Arbeitsgeit, tiiinbignngsjriften unb Lehrlings* 
verhältniffe buvd) bie Momntiffiou für Arbciterftatiftif geführt haben, 
besgleidjen bie Veroeguug für ben allgemeinen 8 Uhr*S?abcnfchluB 
unb bie Vcrfürgung ber Arbeitsgeit in ben .Kontoren, roie eine aus* 
gebehute ©onntagsruhe. Xer Verein forbert felbftänbigc faufmän* 
nifd)e ©d)icbsgerid)te in Angliebentug au bie Amtsgeridjte unb hat 
bas Verbot bes Abgugcs bes Mranfeugelbes oom (behalte burdjfcpen 
helfen. Aus ben boftrinäreu (Srroäguugeu, baf', bas ©trebeu nach 
©elbfthiilfe, bas ©taubesberoufitfein, bas "pflidngefülil unb bie Anlage 
guut fclbftänbigeu Raubein entfdiieben burd) eine ^^’angsoerfidjentug 
ungüuftig beeinflnfu werbe, roirb ber 3maug in ber Verftdicrungsfrage 
für uuaugebradjt erflärt. 

Xie (fntroiffluug bes Hamburger 5s cv Vereins in ben lepten 
lu Fahren unb feine fogialen Aufgaben. Hamburg, V?ai unb Do* 
ociuber 1898. 



309 


Sogtale $tajig. Eentralblati füt Sogtalpolttif. Ar. 12. 


3J0 


$er Sabregfongreft ber fraitgöftfchcn Bergarbeiter wirb oom 
21. bi 8 24. £)egember in St. Etienne abgehalten unb ficf) im Ein* 
gelnen mit folgenben fünften beg Arbeiterprogrammg befdhäftigen: 

1 . Ad)tftunbentag, 2 . Abänderung beg ©efepeg über bie Arbeiters 
belegirten gunt Auffichtgbienfte, 3. Abänderung beg Knappfdjaftg* 
faffengefepeg, 4. Einrichtung non fpegieflen Öewerbegerichten für 
bie Berginbuftrie, 5. Seftfefcung eineg Aftnimallohneg unb 6 . Aücf* 
nähme non Kongeffionen, bie nicht auggebeutet werben, unb Ber* 
gebung berfelben an Arbeiterprobuftiogenoffeufchaften. 

Bewegung unter bem ^erfotial ber ^arifer Omnibu8gefeflfd)aft. 
Sn $arig ift befanntlidf) ber Dmnibugoerfehr oößig in ben fänden 
einer einzigen prinilegirten SlftiengefeUfcijaft monopolifirt, bie in 
ber Sage ift, in jeber .gmificht faft nach SBißfür oerfahren gu 
fonnen. Sie liegt barum auch beständig im Kriege, fowohl mit 
ber Stabtoerwaltung, ba fie trop fefjr günftiger Sinänglage bie 
Sntereffen beg Bubltfutng mißachtet, alg auch mit ihrem eigenen 
Berfonal, bag über f<hle<f)ie Arbeitgoerljältniffe Klage führt. Eg 
find namentlich bie unteren Kategorien ber Bediensteten, bie nach 
Berbefferungen oerlangen. $>ie fchlimmften 3 u ftänbe fcheinen bei 
ben leicht gu refrutirenoen ®epotarbeitern (Stößen, üAagaginen :c.) 
gu h^rrfdhen, bie eben ber Unficfserheit ihrer Stellung wegen noch 
gar nicht organifirt finb. 3>er gachoerein ber Angefteßten ber ©e* 
feÜfchaft giebt fii) nun alle ßßühe, auch Kategorien fith ein* 
guförpern. Er nerlangt für fie ähnliche Ordnung beg Arbeitg* 
uerhältniffeg wie für bie übrigen Bebienfteten, in erfter Sinie einen 
SJtinimallohn oon 5 grcg. pro £ag unb Beförderung nach SDienft* 
jahren. $>er Stabtrath oon Sßarig fteUt ben Begebungen ber 
Arbeiter feine Unterftüpung in Augficht, bie freilich ilfuforifch ift, 
ba fich bie Dmnibuggefellfchaft auf ©ruub iljreg Bertrageg fdE)on 
feit Sahren geftatten rann, allen Anregungen ber Stabtoerwaltung 
feine Steige gu geben. 


^tbeUerfdiu^. 


$ie Uugleichartigfeit ber ©etoerbebeattfftdjtiguug iu $eutfdj B 
fattb. 3>ie Augführung ber ©ewerbeaufficht burch Beamte, bie 
nicht oom Aeirif), fonbern oon ben Eingelregierungen ernannt wer* 
ben, fowie ferner bag Sehlen fcparfer ©rengen für bie ber 3 n* 
fpeftion unterliegenben Betriebe haben eg bewirft, bafj in ben ein* 
gelnen Bunbegftaaten ben Beamten gang ocrfchieben grofee Kreife 
oon Betrieben gur Beaufsichtigung unterftehen unb in golge beffen 
ber Arbeiterfd&up im ^eutfcpen Aeidjje eine bunte SJlufterfarte oon 
Bta&nahmen aufweift. 2)ie „Amtlichen SAittheilungen aug ben 
Sahregberichten ber ©ewerbeauffichtgbeamten für 1897" entwerfen 
oon ben gur 3 C ^ haftenden 3uftänben in ber Anlage IA fol* 
genbeg bunte Bilb: 

„Aach ben oon eingelnen Bundesregierungen unb Auffuhtsbeamten 
gegebenen Erläuterungen walten Berfchiebenheiten in ber Auffteßung 
(ber Ciften) befonbers f)infidhtlicf) ber nach §. 16 ber Gewerbeordnung 
genehmigungspflichtigen Anlagen (Schieppuloerfabrifeu u. f. w.) und 
ber banbmerfSmäBigen Betriebe oor. Alg reoiftongpflid)tig fmb im 
Königreich B reu feen btsljer folgende Betriebe angefehen worben: 

a) fämmtltche Anlagen, bie unter §. 16 ber Gewerbeordnung faßen; 

b) fämmtltche Anlagen, in welchen mit mechanischen ober durch thierifche 
Kräfte betriebenen SEotoren, als £>ampf*, Heißluft ober ©agfraftmafdjinen 
SBafferräbern unb Turbinen, SBinbmühlen, Bferbcgöpeln u. f. io. ge* 
arbeitet wirb; c) Anlagen mit Arbeitgmafchinen, bie burch SRenfchenfraft 
betrieben werben, wie Hanbwebftühle, Spülmaschinen, Spinnräber, 
Scfjleifftcine, AäEj* unb Stricfmafchtnen u. f. w., ober auch Anlagen 
ohne 9Rafd)inenbetrieb (g. B. ^ampfbäefereien, gärbereien, ©elbgiepereien) 
ferner Bergwerfe, Brüche unb Gruben, foweit fte nicht unter bie Aufficht 
ber Bergbehörden faßen, wenn biefelbcn ihrem Umfange nach alg ge* 
werbliche Anlagen gu betrachten ftnb, wag im 3wetfel angenommen 
werben foß, wenn bie 3<*bi ber an ber Betricbgftätte befebäftigten 
fonen minbefteng 5 beträgt; d) fämmtliche Anlagen, in denen junge 
tfeute unter 16 fahren alg Sehrlinge ober jugendliche Arbeiter befchäftigt 
werben, unter Augfchlufc der SScrfftätten ber ^anbwerfer. 3tt mehreren 
Äegierunggbegirfen werben auch lanbwirthfchaftliche Aebenbctriebe be* 

« t, auch wenn fte ihrer Aatur nach nicht unter bie Bestimmungen 
ewerbeorbnung faßen, neuerbingg alle Bäcfereien. 

Sm Königreich Bauern finb beinahe fämmtliche baubwcrfgmäftige 
Betriebe in bie Giften ber ©ewerbeauf ficht auf genommen. 

3m Königreich Sachfen finb dagegen nur aufgenommen gewerbliche 
Anlagen, welche mit elementarer Kraft betrieben werben, nach §. 16 ber 
©ewerbeorbnung einer Genehmigung unterliegen ober unter bie Be* 
Stimmungen ber §§. 154 Abf. 2 unb 154a ber ©ewerbeorbnung faßen; 
andere Anlagen werben dagegen nur ittfofern berücffidjttgt, alg in ben* 
felben minbefteng SO Arbeiter befchäftigt werben. 

Auch in bem ©rohh^jogthunt Oldenburg, fowie bent dürften* 
thum Ae uh ä. & finb oon den Betrieben ohne elementare Kraft nur 
größere nach Biafjgabe ber Attgahl ber befdjäftigteu (10 begw. 20) Ar* 


beiter berüdfichtigt. 3n anderen Begirfen, ben ©rofchergogthümern 
Reffen, HÄecflenburg*S<hwerin unb Strelih/ Sßeimar, finb 
Bäcfereien, Budjbrucfereicn, Eigarrenmachereien unb andere Anlagen 
mitgegählt, für welche auf ©runb beg §. 120 e ber ©ewerbeorbnung 
durch den Bunbegratlj besondere Borfdjriften erlaffen worben ftnb, aufjer 
biefen im ®roBher 3 0 9 lhnnt SKeiningen noch Betriebe oon mehr tjai© 3 
inbuftrießem Eh fl ratter. 

3n Elfah*^othringen ift bie Erhebung auf fämmtliche Betriebe 
auggebehnt worben, weldje mechanifdhe Kraft ober minbefteng einen 
gewerblidjen Arbeiter ftänbig ober geitweilig oerwenben." 

S)ag find doch gang unleidliche, unhaltbare 3 wftÜnbe! 2 )ie 
©ewerbeauffidjt unb damit bie wirffame Augübuna beg Arbeiter* 
fchufeeg abhängig gu machen oon bem SKafje fogialpolitifdjcr Ein* 
ficht unb ^hatfraft ber jeweiligen Regierung fowie oom bigfretio* 
nären Ermeffen ber Berwaltunggbehörben unb ber Aechtfprechung, 
ift ein Unding. B5ag in einem Staate ber Qnfpeftion unterliegt, 
mufj auch im andern reoiftongpflichtig fein, bag erfordert ni^t 
nur bie hohe Bedeutung beg Arbeiterin£eg für bie Bolfgftaft unb 
die Sittlichfeit, fonbern gerabegu auch ber Aeid)ggebanfe. ^)ie 
mitgetheilte amtliche 3 ufoßnnenftellung fchreit laut nach einheit* 
liehen Borfd)riften für bag Aeich- SSir ftimmen bem „Borwärtg" 
bei, wenn er fagt: „Sie liegen fich mit einem Schlage fRaffen, 
unb oielen Arbeitern würbe bann auch ber fo lang oorenthaltene 
Schüfe gu £heil werben, wenn nun enblid) bie §. 154, Abfafc 3 
unb 4 in Kraft treten würben." SDag ift eine Sorberung, die bie 
„Sogiale Brafig" immer wieder erhoben hat. 

©e»erbe-3ttfptftum i« j. ß. Aach dem Borgang oon Bauern 
unb Reffen, denen fich auch SBetmar angefchloffen hat, hot ber fiaubtag 
oon Aeufj j. Ö. auf Antrag ber fogialbcmofratifdjen Abgeordneten be- 
fdjloffen, die Aegterung um eine Borlage betreffend Anfteßuna eineg 
weiblichen Affiftenten ber Sabrifinfpeftion gu erfuchen. — 3u der 
Debatte erflärte auf bie Sorberung, bafj ber Snfpeftor mit ben Arbeiter* 
oereinen fich bireft ing Benehmen fe^e, ber Aegierunggoertreter, Staatg* 
rath oon hinüber, auch dem AMnifiertum fei eg gang recht, wenn ber 
©ewerbe*3nfpeftor mit ben Arbeiterorganisationen in Berbinbung trete. 

Sanitäre Reformen für bag Kleingetoerbe in Defterretfh* 3 n 
ber am 5. b. 3A. abgehaltenen Sifcung beg nieberöfterreid^ifchen 
ßanbeg*Sanitätgratheg wurde bag Aeferat über bie oom Berbanbe 
ber ©enoffeufchaftgfranfenfaffe für bie Sah** 1895 unb 1896 oor* 
gelegten Berichte oorgetragen. 5)er ßanbegfanitätgrath beantragte 
mit Aücfficht auf die in ben Berichten bcroorgeljobeiten fchlechten 
©efunbheitgoerhältniffe beg Wiener Kleingewerbeg Aachftchenbeg: 

1 . eine Berbefferung ber ©ewerbeorbnung nach ^rjgicnifcheit ©runb* 
fäheit unb Anweifung ber Amtgärgte unb ©ewerbeinfpeftoren gur genauen 
Ueberwachung ihrer Befolgung; 

2. bie Aeform ber Bauordnung in bem Sinne, bah der arbeitenden 
Bcoölferung gefunbe Aäume für ihre SBohnuitg und ihre Arbeitgftätte 
gefchaffen unb fanitätgwibrige nicht gugelaffen werben; 

3. fti’enge Ueberwachung beg Sebenguiitteloerfehrg gu ©uufteu ber 
ärmeren Beoölfcrung bei ftrenger Handhabung beg Sebengmittelgc* 
fc^eg; 

4. Belehrung ber arbeitenden Klaffen überhaupt unb ber Klein* 
gemerbe*3nhaber ingbefonbere durch bie Schulen, burch Borträge und 
Schriften über bie Bf[ e 9 e der ©efunbheit beim ©ewerbebetriebe unb die 
Bermeibung oon Unfällen; 

5. Auggeftaltung ber Armenfranfettpflege burch Befteßuug einer 
augrcichenben $al)l oon Armenärgten unb Sicherfteßung ärgtlicher HUfc 
gu jeber Stunde beg 2ageg unb der Aacht; 

6 . Aeform beg Kranfenfaffenwefeng nach ben bigljer gemachten Er* 
fahrungen unb Ausdehnung beg Unfaßoerficherungggwangeg auf aße 
Unfäßen auggefehten Arbeiter jeder Kategorie. 

©in frangöftfeheg Sch«hgcfeh üöer bte Koh n $ a ^ttngeit ber 
Arbeiter. Aacp mehr alg fecf)gjährigen parlamentarischen Berhanb* 
luttgen fcheint nunmehr auch in Soanfreid) ben ßohngahlungen ber 
Arbeiter jener gefefcliche Schuh gu ^hßif 3 1 * werben, ber fonft faft 
überaß längft alg nothwenbig erfannt worben war. 2 )ag 3 u* 
ftanbefommen biefeg frangöfifdEjen ^rudfgefeheg fcheiterte bigher an 
ben wiberfprechenben Anfid^ten ber beiden legiglalioen Körper* 
f(haften. Alg im Sahre 1892 bie 5Deputirtenfammer bie Snitiatioe 
ergriff, genehmigte fie eine Borlage, welche in gewiffem Sinne bie 
Aormen für bie Sabriforbnungen gab, aße Strafgelder rundweg 
befeitigen unb Abgüge für Acalfacong, Befriedigungen nur alg 
gewerbegerichtlich gu regelnden Schabenerfap guliefe. ^er Senat 
befchnitt biefeg weitgehende Bi’ojeft fehr fd)arf. Statt der Be* 
feitigung ber Strafgelder führte eg Äegelung unb SAayimum für 
fie ein unb entgog die Snrigbiftion über begüglidje Streit* 
fäße ben ©ewerbegerirf)ten. So ben Beratungen oom 6 . unb 
8 . ©egember hat nunmehr bie 2)eputirtenfammer eine Saffung gc* 
bißigt, bie fich ^ e w Senatgprojeft giemlich nähert unb daher* auch 
Augfitt hat, ©efepegfraft gu erlangen. ^)ie Grundlinien biefeg 
oon ber $)eputirtenfammer genehmigten unb an ben Senat ge* 
leiteten Entwurfes finb bie folgenden: Sie V?öhne muffen in 



311 


©ogtale prajiS. Gentralblait für ©ogialpolttü. Sfr. 12. 


312 


SöährungSgelb auSgegahlt werben unb gwar minbeftenS gweimal 
pro 2 Ronat unb in £>ö<hftinteroatten oon fedjjgehn Sagen. Bei 
Slfforbarbeiten rnufe ©orge getragen werben, bafj SlbfdblagSgahlungen 
in ben gleichen 3 e ^ r ® llinett erfolgen. Sie SluSgahlungen felbft 
muffen an einem 2 Socf)entage unb tn ber gabrif unb nicht in einer 
©chänle ober in einem Setailgefd&äfte ftattfinben. Sitte gabrif« 
orbnungen miiffen minbeftenS einen SRonat oor ihrer Slnwenbung 
bet ben guftänbigen ©ewerbegerichten eingereicf)t werben. Sitte 
©trafgelber unb ßohnabgüge ober ßoljnminberungen als DiSgiplinar« 
maßregeln finb unterfagt. gür oerborbene Slrbeit ober Material* 
befrf)äbigungen fann ber Slrbeiter nur cioilrechtlicf) gum ©cfjabenerfab 
herangegogen werben. 3mmberl)anblungen gegen biefeS ber gabrif« 
infpeftion gur tontrole überwiefene ©efefc giepen eine ©träfe oon 
15 grcS. nach fiel). 


Ärbettemerfldienmg. SjmrhafJcu. 


©ine Särfe im ÄraufenoerftcberungSgefefc, 

SJadj §• 49 beS SfranfenoerficherungSgcfefceS haben bte Slrbeitgeber 
jebc oon ihnen befchäjtigte uerficheningSpflid)tigc Perfon fpäteftenS am 
britten Sage natp beginn ber Vefdjäftigimg angumelben. Sie oor« 
faßliche ober fahrläfftge 23erlefcung biefcr Slnmelbepflicht gie^t nach §. 50 
bte Grftattung aller Slujwenbungen nad) ftch, bie eine ölemeinbe-tranfen« 
oerfuherung ober eine DrtSfranfenFaffe auf Grunb gefefclicfjer ober fta« 
tutarifdjer Vorfchrift in einem oor ber Slnmelbung burch bie nicht an« 
gemelbete Perfon oeranlafeten ttnterftüfcungsfall gemacht hat. $fi bie 
wranfheit nur oon furger Sauer, jo wirb in einem folcfjen gaUe ber 
erfranfte oerfid^erungSpflichtige Slrbeiter, ber ja bann nadj §. 616 beS 
23ürgerlichen ©efefcbuchs „für eine ocrhälftiifjntäjsig nicht erhebliche 3eit" 
unb nach §. 63 bcS 9?euen §anbel$ge[efcbu<hs 6 SÖodjen lang feinen 
ßohn weiterbegiept, bie Unterftüfeuiig ber tranfenfafje nicht in Slnfprud) 
nehmen, um nidjt um feinen Sienft gu fommett. 23et länger bauernber 
trantbeit aber wirb ber Slrbeiter, ober, wenn er mittellos ift, bie Sinnen« 
benbehörbe ftatt feiner bie tranfenfenfaffe in Slnfpruch nehmen. 
Siefe wirb ihre Slegrefjanfprüche an ben Slrbeitgeber geltenb machen 
unb baS Gubergebnib wirb fein, bafc biefer im Slerger über bie ihm 
obliegenbe GrftattungSpflidjt bem Slrbeiter fiinbigen wirb. 

gür eine grobe 3 a bl non Slrbeitern ift nun aüerbings bei ben 
furgen ÄünbigungSfriften bie gange Sache belanglos. (Singeine anbere 
bagegeu, bie fdpuerer wieber eine ihrer bisherigen 23crujStf)ätigfeit ent« 
fpreepenbe Slrbeit finben wie g. 23. taiiflentc, SSerfführer u. bergl., bie 
beSpalb auch in ber Siegel mit längerer tüiibigungsjrijt angeftellt finb, 
tonnen burdj eine wäljrenb ihrer tranffjeit erfolgenbc unb oiclleicht 
gar noch oor ihrer ©enefung ablaufenbe ftünbigimg Ijart getroffen 
werben, ja in manchen gälten fann eine ihnen ohne ihr Verjdptlben 
gugeftofjene berartige £>ärte ben Slitfang ihres wirthfdjaftlichen SluinS 
biften. Sa nun ftranfheit nach 62« beS 23üraerli<beit ©efefcbucbS 
unb §. 72 beS Sleuen .£>anbelsgejcfcbucbs einen tünoigungsgrunb bilbet, 
wäre es angegeigt, bafj ein Slrbeitgeber, ber ber ihm nach §• 49 beS 
.SlranfenoerfidjerungSgefeüeS obliegenben Slnmelbepflidjt nicht nachfommt, 
auch alle golgen biefer Pflidjtoerlefcung gu tragen hätte. SieS fönnte 
etwa burch einen Slbfafc 3 beS §. 50 beS tranfenoerficberungsgejefceS 
in folgenber SBcife normirt werben: 

Slbfah 3. „SBätjrenb ber gleichen 3eit ift bie Äünbigung beS 
SlrbeitSoerhältniffeS burd) ben Slrbeitgeber ungültig." 

Siefe 23eftimmung würbe ftd) namentlich beShalb empfehlen, weil 
burch fte ber §. 50 bie gegen ben Slrbeiter gerichtete ©eite oerlieren 
würbe. Senn gegenwärtig wirb mancher Slrbeiter, g. 23. mancher fauf« 
männifdje Gebülfe, bie Sioften aud) einer längeren tranfljcit lieber 
felber tragen, als auf bie (Gefahr pin, wegen ber unangenehmen folgen 
beS §. 50 für ben Slrbeitgeber feine tünbigung gu erhalten, bie Unter« 
ftüpung ber Äraitfenfaffc in Slnfprud) nehmen.' Ser Slrbeitgeber wirb, 
wenn er ein Kaufmann ift, biefe folgen um fo mehr empfinben, als 
er feinem erfranften Öcpülfcn neben bem tojtencrjafc an bie tränten« 
faffe ben oollen ©ehalt weiter gu begaplen h«t. Gr wirb alfo um fo 
eher fünbigen. Gine fold)e 2?eftimmung wäre auch ben berechtigten $n« 
tereffen ber Slrbeitgeber gegenüber nidjt unbillig, benn fic würbe lebig* 
lic§ ben gweef haben, bap ben an ben folgen beS 50 für ben 
Slrbeitgeber unfdjulbigen Slrbeiter nidjt inbireft 5Racht^ciIc treffen. Gitte 
folchc Seftimmung würbe aber auch f*h r Verbitterung oerhüten: 
fie würbe es unmöglich machen, baß oer Slrbeitgeber ben Arbeiter bie 
folgen feiner ^flidjtoerlehung fühlen läfct. 

Verlin. Gl. ^ci 

Sur ^nbaHbettberfifhemitg tu kapern wirb uns gefdjriebcn: 
'Ii3te in ber SnoalibitätSoerficherungSanftalt für 9?ieberbapern, fo 
macht ftch in berSlnftalt für Unterfranfen ebenfalls bie Neigung 
bemerfbar, nach fretnber §itlfe gu fuchen. 3 « ^a^re 0 bericf)t 
ber Slnftalt für Unterfranfen ootn 3ab rc 1897 heijgt eS: 

„Sie Stellten finb tu rafdjem ©teigen begriffen unb werben fort« 
gefegt fteigen bis gum Gintritt bes Ve 1)arnnigsgitftanbcs, ber erft itad) 
Slblauf oon breifgig bis otergig fahren gu erwarten ftcljt. ©eit 1 so 1 
bis Gnbe 1897 haben ftdj bie ^noaliben« unb Slltersreuteu unferer Slu« 
ftalt oon jährlich 71 000 Ji auf 247 000 m erhöht. Sagu fonnnt uod) 


bie 9tücferftattung oon 23citrägeit an oerheirathete grauen unb hinter« 
laffette oerftorbener Verftdgerter int jährlichen 23etrage oon 20 000 bis 
30 000 JL GS ift faum gu erhoffen, bafg bie fich aitnähemb gleich« 
bleibenben Ginnahmen unferer Slnftalt gu ca. 7—800 000 M pro Sah** 
gur Sientengahlung int VeharruttgSgufianbe auSreichcu. Sie fleinen, 
weniger leiftungsfahigen Verfid)eruugsanftalten ftehen faft alle oor biefer 
©diwierigfeit, namentUd) wo bie lanbwirthfdjaftlidie 23eoölferung oor« 
l)errfd)t. 3» Unterfranfen mit feinen oortoiegenb lanbwirthfchaftli^en 
betrieben, mit feinem pargellirten ©runbbefipe, ben nteift burdh nicht 
oerficherungspflichtige gamilienangehörige beftellt wirb, mit feiner ge* 
ringen gnbuftrie unb in golge hoffen ntiitberen Slngaljl oerficherungS« 
pflichtiger Slrbeiter, werben mit SluSnahme ber ©täbte 2Biirgburg unb 
©chweinfurt nur VeitragSmarfeu I. unb II. Äflaffe gu 14 unb 20 oer* 
wenbet. gtt ben Slnftaltsbegirfen mit hodfentwicfelter ^nbuftrie uitb 
großen ©täbten ift fdion bie Slngahl ber Verficherten eine ungleich f)öh erc 
unb werben S3eitrngSmarfen III. unb IV. klaffe gu 24 unb 30 geflcbt. 
SBährenb bie länblidjen Slrbeiter, fobalb fic ben fchweren lanbwirtl)* 
fchaftlichcn Slrbeiten nidjt mehr gemachten finb, bie 8tente fofort in Slit* 
fprud) nehmen, obfcfjoit für fie bie 23eiträge Iäfftger begahlt werben als 
wie für bie ftäbtifdieu unb inbnftrieHen Slrbeiter, giebt es in ben ©täbten 
unb gnbuftriebegirfeu für ßeute oon geringer SlrbcitSfäl)igfeit nod) 
taufenbfache Slrbeitsaelegenheit, bie mehr als bas Grioerbsmiuimum gunt 
Slnfpruche auf eine ^noalibenreute einträgt. Siefe Verhältniffe bringen 
cS mit fid), bab bie fleinen VerfidjerungSanftalten ohne grobe ©täbte 
uitb bebeutenbe 3nbuftrie ocrhältnibmäbig geringe Ginnahmen unb be* 
beuteube Mehrausgaben auf Renten haben. GS wirb baljer gur Gnt« 
laftung ber weniger leiftuugSfähigen Slnftalten nothwenbig werben, bie 
Sientengahlung im gntereffe bes groben ©angen breiteren unb IeiftungS* 
fähigeren ©djultern aufgubiirben." 

SltterbiitgS finb bie Vegirfe ber acht baperifchen VerftcherungS« 
anftalten fel;r flein; fie fd)lieben ftch ait bie politifdje Gintheilung 
VapernS an, was burdgauS nicht gefefelich oorgefdgrieben ift, aber 
für bie Verwaltung ben Vorgug ber Vequemlichfeit unb Vittigfeit 
hat. 2Bäf)renb im Surchfchnitte bes Reiches auf eine Slnftalt etwa 
370 000 VerficherungSpflichtige entfallen, gählen bie baperifchen 
Slnftalten nur 128 000 bis 177 000 unb nur bie Slnftalt Dber« 
bapern in aRündjett gählt 280 000 Verfi<herung3pfli<htige. S)ie 
23ilbung gröberer Vegirfe würbe hi er fefjon manchem llebelftanbe 
abhelfen. S)eitn wenn auch für Unterfranfen gutrifft, bafe bei bem 
pargellirten 23efifce eine gröbere Slngahl oon ^crfoneit felbftänbig 
ift als in bem mit ßatifunbien gefegneten Dftpreufeen, fo gilt bieS 
bodj nidjt für bie übrigen baperifchen Slnftalten. 23ei oen Sin« 
ftalten $falg unb Unterfranfen finb allerdings nur 19,4 begw. 
20,2 o- ber Veoölferung als oerficherungSpflichtig ermittelt 
worben; aber bei ben anbern baperifdhen Slnftalten ftettt fich 
3ohf ^r Verfidherten wie bei ben meiften anbern Slnftalten, auf 
23 o. unb in SRieberbapern fogar auf 26, 9 o. §.! Ueber bie 
Iäffige VeitragSgahlung in ber ßanbwirthfchaft wirb auch hi e ^ 9 e * 
flagt. 

(Suquete über bie ?üter£Perftd)trung @ng(attb. S)aS $ar* 
IamentSfomite, baS fid) neuerlich mit ber grage ber SllterSoerfor- 
gung in Gnglanb gu befaffeit hat, bef<hlofg eine fd)riftliche Gnquete 
einguleiten unb h<*t einen gragebogen ausgearbeitet, ber an 
fämnttliche Oiewerfoereine, grienblp ©ocietieS, Sinnenpfleger unb 
SöohlfahrtSgefettfdhaften gur Beantwortung oerfenbet werben fott. 
S)ie Umfrage mnfafjt folgenbe §auptpuufte: 3ft anberweitige 
©taatshülfe gur SllterSoerforgung neben ber Slrtnettpflege ange« 
geigt ober fott fie ben grienblp ©ocietieS unb ähnlichen Bereini* 
gmtgen überlaffen werben? Berbient ber Blön allgemeiner SllterS« 
oerficherung oon 5 @h- wöchentlich für ^erfonen im 65. Sah**, 
fobalb fie eine gewiffe Sfteibe oon gahren in einem ©ewerfoerein 
ober einer ©enoffenfd;aft Prämien gegahlt h a ^« n / Unterftühung? 
©inb Slenberungen beS Poor Law angegeigt, fei eS in ber SRich 5 
tung, bafj SllterSafnle für unoerfchulbet in Slrmuth gerathene $er« 
fonen errichtet werben, fei eS ba& folthe auf öffentliche 5foften 
prioat oerpflegt werben? — TOnifter Ghamberlain h^ in feinen 
lebten SReben in 9ftandf)efter neuerlich bie Hoffnung ausgefprodhen, 
bafj bie grage nod) oor Slblauf ber ßegislaturperiobe bes geaen« 
wärtigen Parlaments einer Grlebigung werbe gugefül)rt werben. 
(S)emnad) entfpricht bie oom SRegierangStifch im ^Reichstag ge¬ 
fallene Behauptung, in Gnglanb hn&e man baSprojeft ber SllterS« 
oerforgung ftitt bei ©eite gelegt, nicht ben £hatfad)en.) 

2>ic ©rüubung einer nationalen Bereinigung ber freien 4bülfS« 
faffen in granfreidj bilbet gegenwärtig ben ©egenjtanb eifriger 
Bemühungen ber SRutualiften. S)ie Snitiatioe gu biefem Söerfe 
geht auf beit präfibenteu ber SRcpublif gurücf, ber fürglid) eine 
Delegation beS SluSführungSfomitSS empfing unb baS Ghren* 
präfibium ber gu grünbenben geberatiou übernahm. Die Slufgabe, 
bie man fich Q?f e hl hat, beftel)t in ber 3 afammcufaffuug aller 
lofalen unb fpegietten Vereine gu einem fich über baS gange ßanb 
erftreefenben Verbanbe, um einerfeits bie beftebenben taffen weiter 



313 


Soziale (tagte. ©entralblatt für ©ojtalpoltttt. Sfr. 12. 


814 


SU entwicfeln unb namentlich in bcn länblicßen Bezirfen mitunter* 
ftüßung ber ©emeinben neue ju grünben. S)er Berbanb beab* 
ficßtigi, fowoßl ben 3nbioibuen roie ben ißm angebörenben 93er* 
einen §itff$Ieiftungen zu gewähren. $>en leßteren 0fatt fießt man 
namentlich bei ©pibemien ober Kalamitäten ber ßofaloereine oor. 
SDie Organifation beS neuen BerbanbeS foE fuß auf regionalen unb 
biefe auf bepartementalen ©ruppen aufbauen. 


3Ubeit$nad)ttie& 

$er öftemidjifcße ©efeßentwurf über ben Arbeitsnachweis. 

Oefterreicß ftebt auf bem ©ebiete beS öffentlichen ArbeitSnacß* 
weifeS ßeute noch febr roeit zurück $)er ©efeßentwurf über bie 
2)ienft* unb ©teEenoermütelung, ber bem neuen arbeitsftatiftifcßen 
93 eiratb gleich in feiner erften Tagung zuging*), fcß'eint beftimmt, 
biefem Mangel zu einem £ßeile abzußelfen. 3« ben Eigenheiten ber 
öfterreicßifcßen BerwaltungSpflege gehört es ja auch fonft, in 
mistigen fünften lange jurüdfsubleiben, bann aber baS Berfäumniß 
mit einem Male einbolen zu motten — eine ©prungßaftigfeit, bie ber 
normalen ©ntwicflung unb bem regelmäßigen ©inleben beS Sfruen 
um fo weniger förberlich ift, wenn fie fi<h mit mehr mecßanifcßer, 
urtßeilslofer Sftacßaßmung frember Mufter paart. 2)iefeS Ießtere 
Uebel fann man am ©efeßentwurfe, ber uns hier befcßäftigt, aEer* 
bingS nur oerfchwinbenb wenig waßmeßmen. ®aS aber ift £ßat* 
fache, auch bieSmal bat fich bie öfterreichifche ©ozialpolitif fo große 
Aufgaben jur gleichseitigen Erfüllung gefeßt, baß es zweifelhaft 
wirb, ob Sie Söfung wirflicß in ber gewünfcßten ©leichseitigfeit 
unb Boflftänbigfeit auch nur xn ber £>auptfacße möglich fein wirb. 

Man wiE ja auch eine regelmäßige Bericßterftattung über 
bie ßage beS ArbeitSmarfteS organifiren. lieber ben Arbeit«* 
marft, über bie Befcßäftigung ber ^Betriebe unb ihrer Arbeiter, 
über Arbeitsmangel unb Arbeitslofigfeit follen bei ben §anbels* 
unb ©ewerbefammern, bei ©onberbericßterftattern beS ßnnbels* 
minifterieHen Arbeitsamtes, bei ben 93ertretungen unb 93erbänben 
fowoßl ber Unternehmer als ber Arbeiter (©ewerfoereine, Aus* 
fcßüffe ber ©eßülfenoerfammlungen) regelmäßige Monatsberichte 
eingebolt unb in einem Monatsblatte beS Arbeitsamtes oeröffent* 
licht werben. 3)ie Berichte follen besirfSweife, unb zwar für jeben 
Berirf möglichft je ein Beriet aus Unternehmer* unb aus Arbeiter* 
freifen, erflattei werben. S5er Berufscharafter (Arbeiter ober Unter* 
nehmer), wenn fcßon nicht ber 9tame, foE bei jebem Berichte er* 
ficßtlicß fein, ©obalb bie besirfSweife Berichterftattung eine gewiffe 
BoEftänbigfeit erreicht bat, foü bann „aus ben ©inselberichten eine 
lleberficßt unb $>arfteEung ber ArbeitSmarftlage im AEgemeinen 
fowie nach ben wichtigften (robuftionSzweigen zufammengefteEt 
werben." 

$)ie gefammelten Mittbcilungen über Arbeitszeit unb ßoßnßöße 
follen nach bem in ber englifcßen „ßabour ©asette" eingehaltenen 
Borgange benußt, gleicbsritxg bamit foE nun au<ß bie SDienft* unb 
©teEenoermittelung, ber Arbeitsnachweis felbft auf bem ©e* 
feßeSweae orgaitifirt werben, ©cßon oor fecßS 3ußren würbe bie 
öfterreichifche Regierung s u ©rßebungen über eine folcße Aftion 
unb in Berbinbung bamit su ©tubien über bie ßerrfcßenben Ber* 
ßältniffe im Arbeitsna<bmeife oeranlaßt. 3nt Saufe beS 3aßreS 1898 
erfcßien biefer Bericht, eine müßeooEe Arbeit, bie ben Söiener 
BegierungSfreifen fo recht wate, wie oiel Berfäumniffe in Oefter* 
reich nacßzußolen unb welch’ fcßöne ©rfolge bisher im AuSlanbe, 
oor AEem in ©übbeutfd^Ianb auf bem ©ebiete beS Arbeits* 
nachweifeS erzielt feien. 

S)er ©efeßentwurf beS ftaatlichen Arbeitsamtes, biefer oor* 
trefflichften ©ißöpfung beS früheren §anbelSminifterS Dr. Baern* 
reitßer, wurzelt in ben ©rgebniffen jener oieljäbrigen ©rhebungS* 
arbeit. 2)ie £ienft* unb ©teHenoermittelung foü fich fünftig in 
bie gewerbsmäßige, an ben KonzeffionSzwang su binbettbe unb 
in bie nicht gewerbsmäßige, öffentliche Arbeitsoermittelung ber 
Bereine, ©enoffenfcßaften unb ©emeinben gliebern. $)ie Berbängung 
beS konseffionSswaugeS bejwecft baS aümälige „Abfterben" ber 
gewerbsmäßigen BermittlungSgefchäfte. Man wirb ihnen auch in 
Oefterreicß faum oiel Spänen nachweinen, benn gerabe bort unter* 
liegen bie oft mittellofen unb ganz unerfahrenen ©teHenwerber 
häufig fcßamlofefter Ausbeutung. An ben genoffenfcbaftlicben 
ArbeitSnacßweifen tabelte man Die (roteftion unb Subolens unb 
flüchtete besbalb su ben prioaten, gewerbsmäßigen ArbeitSnacß* 

*) Bgl. Darüber ben Artifel in Sfr. 8 ber „©ojialeit ^rarii?" oom 
24. 9touember 1898 (3p. 189 unb 190). 


weifen, fo hob* ©elbforberungen biefe auch ftellen. SDer KonseffionS* 
Swang unb bie bamit zu oerbinbenbe fcbarfe Bolisei*Ueberwachung 
ber prioaten ArbeitSnachweife füll all* biefen Mißbräuchen ein 
©nbe feßen. 3a, es fxitb fo einfcßneibenbe Aufftchtsmaßregeln unb 
©chußoorfehrungen gegen bie Ausbeutung ber ©teHenwerber ge* 
plant, baß bie ©teflenoermittelung f<hon baburch ihre heutige 
©inträglichfeit oerlieren unb fo immer weniger Socfungen bieten wirb. 

Auf biefem 2Sege wirb baS Uebergewicht ber öffent* 
liehen, bißigft ober ganz unentgeltlich tßätigen ArbeitSnachweife 
bann nur no* mehr waeßfen, bis biefe ben ArbeitSmarft fcßließlich 
ganz aEein beherrfchen werben, tiefer Brogeß wirb fieß felbft 
immer meßr befcßleunigen, benn fowie fieß bei ben öffentlichen 
ArbeitSnacßweifen Angebot unb Nachfrage fonsentrirt muß ißnen 
bieS bie Möglich feit wirffamer Xßätigfeit nur noeß meßr fteigern. 
$er ©efeßentwurf räumt, als ecßteS Baßmengefeß, bem bebörblicßen 
BerorbnungSrecßte bie weiteften Bcfugniffe über bie Buchführung, 
über bie AmtSaufficßt, über ©efcßäftSorbnung unb £arifwefen ber 
fonsefftonirten ©teEennacßweife ein. $>aS Berbot ber Beherbergung 
weiblicßer ©teEenfucßer in folcßen ^ienftoennittelungen ift barin 
enthalten, aber leiber nicht fo abfolut, wie im neufeelänbifcßen 
©efeße, fottbera ift befeßränft auf jene Konseffionäre, bie nießt auch 
bie Berechtigung zur Beherbergung oon gremben haben, ©insu* 
fügen wäre im Uebrigen noch eine Beftimmung über bie ftrafweife 
©ntziehung ber Konzeffion, benn ber öinweiS (§. 8) auf bie in 
ber ©emerbeorbnung oorgefehenen ©trafbeftimmungen erfeßeint uns 
bei ber Öaffung biefer leßteren nießt ganz genügeno. 

5)ie „nießt gern erbemäßige" ©teEenoermittelung wirb zu s 
gelaffen für Bereine — je nach ißren ©tatuten —, für gewerbliche 
©enoffenfeßaften, bie minbeftenS 200 ©ehülfen als Angehörige be* 
ftßen unb im ©inne ber ©emerbeorbnung für ben Arbeitsnachweis 
bereits geforgt haben ober bieS planen, für ©emeinben unb für 
bieBerbänbe foldjer nicßt-gewerbSmäßigen ArbeitSnachweife. ©erabe 
oon Ber einen würbe für ben Arbeitsnachweis bisher wohl baS 
Meifte in Defterreicß geleiftet; wir erinnern nur an ben jeßt leiber 
in ben total mißglücken Wiener ftäbtifeßen Arbeitsnachweis aufge* 

B nen Berein für ArbeitSoermittlung mit feinen Filialen in 
:r*9?euftabt unb Brünn, an bie ArbeitSoermittelungSanftalten 
ber ©emerfoereine, an ben fteiermärfifeßen SanbeSoerbartb für Söoßl* 
tßätigfeit, welch leßterer in ©ras einen ausgezeichnet orgaitiftrten 
öffentlichen Arbeitsnachweis angelegt ßat $>en ArbeitSnacßweifen 
ber erwähnten ©emerbSgenoffenfcßaften wirb nunmeßr bie 
paritätifeße Berwaltung unb Kontrole ber ©inrießtung z ur 
^fließt gemaeßt, ber Ausfluß muß alfo aus einer gleichen Anzahl 
oon ©enoffenfcßaftSmitgliebern unb Arbeitern beftehen, bie oon ber 
©enoffenfeßafts*, refpeftioe oon ber ©ebülfenoerfammlung z u 
wählen finb. ^inficßtlich ber ©em ei nbe* ArbeitSnachweife wirb 
bie ©inrießtung für aEe fianbeSßauptftäbte unb bie übrigen ©täbte 
mit meßr als 30 000 ©inmohnern (eine Anlehnung an Den fran* 
löfifeßen 1897er ©efeßentwurf über ben ©teflennacßweiS für 
Arbeiter unb AngefteEte) oorgefeßrieben. BebarfSweife fann bie 
©rrießtung fommunaler ArbeitSnachweife oon ber ©taatSregierung 
unb ber ßanbeSoermaltung auch für anbere Orte oerfügt werben. 
$iefe ^otßmenbigfeit wirb fich, angefießts ber ©ecentralifation ber 
Arbeiterfcßaft fo maneßer ^robuftionSzweige, woßl feßr ßäufig 
geltenb maeßen, bieS umfomeßr, als bie Mmbeftgrenze — 30 000 
©inwoßner pro ©emeinbe — ja feßr weit, oielfeicßt z» weit ge* 
fteeft ift (für B^ußen pro 10000 ©inwoßner!). BoEenbS für 
^robuftionSzweige, bie zah^eieße auf bem offenen Sanbe anfäfftge 
Heimarbeiter befcßäftigen, wirb fieß bie ©rrießtung eines Arbeits* 
nacßmeifeS ja oft in einem günftig gelegenen, wenn auch oielleicßt 
ganz keinen Orte empfehlen. 

Qür bie * paritätifeße, alfo ftreng neutrale Berwaltung ber 
Kommunal*ArbeitSnacßmeife ift babureß geforgt, baß ißre Ber* 
waltungSfommiffion, geleitet oon einem Borfißenbcn ober beffen 
Bertreter — biefe beiben bürfen weber bem Unternehmer« noeß bem 
Arbeiterftanbe angeßören — je zur £älfte bem Unternehmer* unb 
bem Arbeiterftanbe entnommen werben muß. 3ür biefe Bkßlen 
ift zunäcßft an bie Mitwirfung ber ©emerbegerießte gebaeßt. 
2 Bo biefe aber feßlen, foE bie 2Baßl ber Unterneßmerbeifxßer 
(§. 14) an bie ©emeinbeoertretung, bie ber Arbeiterbeifißer an bie 
93 orftänbe ber Kranfenfaffen übergeßen. 3u jener bebarfsweifen 
Heranziehung ber ©emeinbeoertretung liegt inbeS eine Uu* 
gleießßeit, zum ©cßaben ber Unternehmer, benn bie ©emeinbe* 
oertretungen finb felbft in Oefterreicß nießt immer meßr als ibentifd) 
mit Bertretungen beS Unterneßmer*3ntereffeS aufzufaffen. ©crecßter 
wäre eS woßl, in jenen Bebarfsfällen bie lofalen ©ewerbsgenoffen* 
feßaften unb bie in ber betreffenben ©emeinbe erwcrbstßätigcn, 
etwa nießt in ben ©enoffenfeßaften oertretenen Mitglieber ber be* 



3l5 


Sogtale $rajt$. ©enfralblatt für Sogtalpolittt. Nr. 12. 


316 


girfSguftänbigen HanbelSfammer bireft mit ber Vornahme bcr Baßl 
gu betrauen. 

Ter ftreng neutrale ©ßarafter ber öffentlichen ArbeüSnacß« 
roeife foll auch bureß bie entfpreeßenbe Anlage ber ©efcßäfts« 
orbnung oerbürgt werben. Sie wirb oon ber ©emeinbeoertretung 
nach Anhörung ber VerwaltungSfommiffion (§. 17) feftgcfteUt. 
®iefe Veftimmung paßt für Teutfcßlanb, überhaupt für Staaten, 
bie über ein moberneS ©emeinbewahlrecßt oerfügen, aber für Defter« 
reich, wo baS allgemeine Wahlrecht für bie ©emeinbe noch immer 
feine ©eltung erlangt hat, erfdjeint fic bebeuflicß. Tenn wenn bie 
©efcßäftSorbnung auf neutralen ©runbfäßen beruhen foll, muß 
fie hoch mohl oon einer Mörperfdjaft befcßloffen werben, in ber 
beibe Sntereffenten, Unternehmer unb Arbeiter, oertreten finb. gür 
bie ©emeinbeoertretung in Defterreicß trifft biefe Vebingung inbeS 
nicht gu. Bir betonen bieg, wenn mir aud) im Vorigen guge« 
ftanben ^abcn r baß bie ©emeinbeoertretung in Cefterreicß nicht 
mehr bloß baS Unternehmerintereffe oertritt, benn ooit ba big gur 
oollen Rarität ift eben hoch nod) ein großer Abftanb. ©inen 
braftifd)en Verneig liefert bafür gerabe bie erfte ©emeinbe beg 
NeicßeS Bien, roo oor Burgern troß beg lebhaften AbmaßnenS ber 
liberalen unb ber fogialpolitifc^en Vertreter ein Arbeitsnachweis 
ohne paritätifeße Vertretung ber Unternehmer unb Arbeiter er* 
rießtet mürbe. 

©ine auffällige ßücfe geigt fich im ©efeßeniwurfe auch h™ 9 
fichtlich beg Verhalteng ber Arbeitgnacßweife gegenüber Streifs 
unb AuSfperrungen. ®er Ausbau ber ©ewerbeqerichtS*Crga* 
nifation hätte gang woßl geftattet, bem ©efeßentwurfe Veftimmungen 
ähnlich etma benen ber ArbeitSn ad) weife ©ießen, Dhinfter unb 
Bormg k. im Sinne ihreg 3ufammenwirFenS mit ben ©ewerbe» 
aerießten gur frieblicßen Slugtragung ber Streitfälle eingufügen. Tie 
©efcßäftSorbnung muß bie Neutralität ber Öffentlichen ArbeitSnacß* 
weife augbrücflich oerbürgen, bag gängliche £>inmegqehen über 
biefen widrigen Vunft fann fonft noch ben Öortbeftanb unb ben 
©rfolg ber ArbeitSnacßweife in Srage fteHen. Auffällig ift auch, 
baß auf bie Vermittelung lanbwirthfehaftlicher Arbeiter im 
©efeßentwurfe fo wenig ober gar feine Nücfficßt genommen würbe, 
eine Unterlaffung, bie umfomeßr befremben muß, als bie Arbeit*« 
nachweife bisher fa gerabe bei ben weniger qualifigirten Arbeit*« 
fräften mehr ©rfolge alg bei ben gewerblichen Arbeitern höherer 
£ualififation gu oergeichnen hatten. Vielleid)t freilich beruht jener 
Vergibt nur barauf, baß ber fchon lange baß© fcßlummernbe gräf« j 
lieh Salfenßaqn « £ebebur’fcße ©efeßentwurf über bie lärtblicßen 
3wangS«VerufSgenoffenfd)aften ben lanbwirthfdjaftlicßen Arbeit*« 
nachweig biefen recht unglücflicß gebachten Unternehmeroereiitigungen 
gugemiefen §at. ßiir bag oerbanbgweife 3«fammenroirfen öer 
lofalett ArbeitSnacßweife ftnb im ©efeßentwurfe bie nöthigen Vor* 
feßrungen bereits getroffen. 

Bien. Heinrich Abler. 


görberunq genteinblidjet ArbeitSnacßweife Inreh bie Negierung 
tn Vtflnfter. Ntit Vegugnahme auf wieberholte ©rlaffe beg preußt« 
feßen HanbelSminifterS ß a t neuerbingg NegieruncjSpräftbent ©efdjer 
in Ntünfter an bie Vehörben feineg Vegirfeg eine banfengmerthe 
Verfügung gerichtet, in ber eg u. A. Reifet: 

,,©S muh wiebcrßolt barauf hingewiefen werben, baß bie ©rridjtung 
oon ArbeitSnadjweisanftalten gerabe als eine Aufgabe ber feiten mit 
gutem Gefd)äftsgange angufeben ift, bamit für weniger günftige feiten 
Vorforgc getroffen ift. Ter organifirte ArbcitsnadjweiS bient ebertfo 
ben Arbeitnehmern wie auefj ben Arbeitgebern, insbefonbere auch um 
ben leßteren im ftallc bes ArbcüermangelS bie VJöglicßfcit gur Ve» 
jdjaffung oon ArbeitsFräftcn gu gewähren. Tie ©iurid)tung oon 
örtlidjen ArbeitSnadjweiS [teilen ift nothwenbig unb bilbet 
bie VorauSfeßuitg für bie lünftig gu fdjaffenbe organifdje 
Vcrbinbung ber eingelnen ArbeitSnad)wcisftellen behufs 
planmäßigerer unb umfaffeitbercr AuSgeftaltung ber Ar« 
beitsoermittelung." 

©S folgt bann bie Aufforberung, nochmals gu prüfen, wag 
für bie beffere AuSgeftaltung beg Arbeitsnachweises gu oeraulaffen 
ift. darüber foll fünftig alljährlicf) unb augfiihrlid) berichtet 
werben. £)ie fonferoatioe „^reuggtg." bemerft gu bem Grlafg: ,,©g 
ift gu oerntuthen, bafe audh anbere Vegirfgregieruttgen in gleidicr 
Beife oorgeheu werben ober fd)on oorgegangen finb. ^ebenfalls 
ift gu wiiufchen, baß biefe ftaatlidjen Anregungen guten ©rfolg 
haben; eg wäre fd)wer gu oerfteheu, wenn bic Monununen in biefer, 
ihr eigenfteg Sntereffe oerührenben Angelegenheit nod) ferner un- 
thatig bleiben wollten." Tie wirffamftc Manbljabe für ein erfolg» 
reiches ©ingreifen ber Vehörben würbe freilich bie Verwirflirfjuug 
beg Antrages Noeficfe (oergl. baniber in Spalte 302 biefer Nummer) 
geben. 


SlrbeüSnachmetg ber Saaufrlcute in Hamburg. Tie oont 
Senat nach öem großen Streif oeranftaltete ©nquete über bie 
ArbeitSoerhältniffe im Hamburger .$afen h^t unwiberleglich be* 
wiefen, baß einen ber fdjlimmften SJiifeftänbe bie Art ber ArbeitS* 
oertheilung bilbet. Namentlich wirb baburch bie gahlreichfte klaffe 
ber Hafenarbeiter, bie Schancrleute betroffen. Nur Benige oon 
biefen Taufenben oon Arbeitern fönneit ftänbig auf Vefchäftigung 
rechnen, bie ungeheure Behrgahl muß fid) täglich neue Arbeit fuchen 
unb wartet in BirthSbönfern, auf ben CuaiS unb Straßen, bis 
ber Stauer fie anuimmt. Tie ©inrichtung eines* geregelten ArbeitS* 
nadjweifeS für Schauerleute war baber eine ber wefentlichften 
Nefornten, bie bie Senatsfommiffton oorfchlug. Bic in Sp. 269 
ber „Sozialen $rajiS" erwähnt, wollte eine aemeinnüßige ©efeU» 
fchaft mit Staatsunterftiißung biefer Aufgabe fich untergiehen. 
Aber wie bie Arbeiter, bie bie Gmchtung einer „ArbeitSbörfe" oer* 
langten, fo erflärten auch bie Arbeitgeber ruitbweg, baß fie einer foldjen 
unparteiifch oerwaltetcn Snftitutiou fid) wiberfeßten unb nur einen 
Arbeitsnachweis wollten, ber ausfchließlich in ihren eigenen Hänben 
ruht. öer Tfjat hat ber Arbeitgeberoerbanb einen folgen 
Nachweis errichtet, beffen Saßungeit bisher ben Arbeitern ftrenge 
oorcnthalten worben waren. 3eßt ift inbeffen baS Statut hoch an 
bie Deffentlichfeit gelangt. Tie |>auptbeftimmungen finb folgenbe: 

Ter Verein ber Stauer oon Hamburg»Altona errid)tct einen ArbeitS* 
naeßweis für Scßauerleute gu beut 3wecf, bie Arbeitsoermittelung gu 
regeln, insbefonbere ben ^ugug ber erforberlicßen Arbeitsfräfte gu förbem, 
anbererfettg aber aud) ein Ueberangebot oon Arbeitsfräften gu oerhinbern. 
©S füll bas Herumlanfeu ber Arbeiter uad) Arbeit befeitiat, bas Arbeit*» 
angebot uad) VZöglid)feit centralifirt werben. Aucß rann bureß ben 
Arbeitsnachweis bic 2ol)ngahlung bewirft unb oereinfadht werben. TaS 
Viireau arbeitet narß Anweifung unb unter Auffnßt bcS Vereins ber 
Stauer. Tie V?itglteber bes Vereins ber Stauer oerpflicßtcn fieß, nur 
bureß Vermittlung bes VureauS Arbeiter anguftellen unb gu biefent ^weef 
nur folcßcu Arbeitern Arbeit gu geben, meld)e eine oont Vurcau auSge* 
ftelltc Arbeitsfarte ober Arbeitsgettcl befißen. ^seber Arbeitfudjenbe ßat 
bei feiner erften Vielbung im Nadjwcis ein 2egitimationSpapicr unb 
ben Ausweis über feine IeßtrTfjätigfeit oorgulegen. Tie Arbeiter werben 
in 4 SUaffen eingethcilt: 1. in fefte Arbeiter, 2. in örtlid)e HiilfSarbeiter, 
3. in Vrand)cnarbeitcr, 4. in Gelegenheitsarbeiter. Tie klaffen werben 
burd) oerfdiiebenfarbige Marten fenntlicß gemadjt. ©S foHeit nidjt mcßr 
Martenleutc oorhanben fein, als fid) oon bcr gewöhnlichen, bureßfeßnitt* 
ließen Arbeit auSfömmlicß ernähren Fönnen. Tie Marte Fann Arbeitern 
entgogcu werben, „loeldje oon ben Stauern aus irgenb wcldjcnt Grunbe 
! nidjt mehr in Arbeit genommen werben ober fid) an ben VerfammlungS* 
orten nießt einfinben, ober unter allerljanb AuSreben Feine, ober ßöcßft 
feiten, Arbeit anncl)mcn. M Tie Mohngaßlung hat auf ber Arbeitsfteile 
fclbft in Vaar ober itt (Sijeef gu erfolgen. 

Tie günftigen Birfungen, bie feibft ein folcßer Arbeitsnachweis 
für bie Negelung ber ArbeitSoerhältniffe in H am öurg haben fann, 
finb nicht gu unterfd)äßen. Sic werben aber in hö<ßft bebeitflicher 
Beife geminbert bureß bie Veitimmungen bes Statuts, bie nießt 
nur bie unbefeßränfte NJacßt ber Arbeitgeber fefifeßen, fonbern audß 
ber Billfiir Tßür unb Tßor offnen. Von ben Arbeitern ift Nie* 
manb an ber Verwaltung unb Kontrolle betßeiligt, nur in ber 
VefcßwerbeFommiffion fißen gewählte Vertreter ber Scßauerleute 
neben fDiitgliebern ber^ organifirten Nheber, Sd)iffStnaFler unb 
Stauer. Tem fogialeit ^rieben wirb mit folcßen ©inrießtungen, bie 
baS fDtißtrauen ber Arbeiter gerabegu ßerauSforbern, nießt gebient. 

Ter ArbeitSmarft im Nobember geigte troß ber günftigen $on* 
junftur in oielen Snbuftriegweigen ein AnfcßweHen beS AnbrangeS 
ber Arbeitfucßenbcn, wenn aueß nießt in bem Vtaße, wie im gleichen 
Ntonate beS Vorjahres. ©S ift bieg eine alljährliche ©rfeßeinung, 
bie oielfad) bureß ben Becßfel ber 3ahreSgeit, bie Vcenbiguna ber 
Somnterfaifon bebingt ift. Aucß bie ©nttaffungen oom Vtilitär 
belaften baS Angebot auf bem ArbeitSmarfte im Nionat Nooember. 
Tiefe Sage beS ©efanuntmarfteS ftießt wefentlid) oon bem Arbeiter« 
mangel ab, ber noeß für oerfeßiebene ©ewerbe, wie Vergbau, ©ifen« 
inbuftrie 2 C. gu Fonftatiren ift. Nacß ben ©rgebniffen Der ArbeitS* 
nachweiSoerwaltungen, wie fte im „Arbeitsmarft" oeröjfentlicßt 
werben, bewarben fid) um 100 offene Stellen 135, 7 Arbeitfud)enbe 
gegen 145, 7 im gleichen Ntonat bes Vorjahres. Von 56 oergleicß* 
baren Vericßten weifen im Vergleid) gum Vorjahr 34 eine Ab» 
naßme unb nur 19 H- 3 auSlänbifcße) eine 3 lln aßmc beS An« 
brangcS auf. 


®eno(|cnrdjBfl5«icren. 


Ttc ©enoffenfeßaften in ©nglanb 1897. Tie amtliche „Labour 
Gazette“ ocröffeutlidjt eine Tabelle über bie Vorgänge in ben 
Arbeitergcnoffenfchaften für Monfutn unb ©rgeugnng oon Baarcn 



817 


Sogtale Srajis. ©entralblatt für Sogtalpolitif. 9tr. 12. 


818 


in ©nglanb. T)er ©efannntuerfauf unb lltnfafc ber aufgeführten 
1710 ©enoffenfdjaften int 3aljre 1897 belief ft<h auf 1319635380 JL, 
bie ©efamnttmitgliebergahl auf 1 512 399 unb bie Slngaht ber am 
3 af)reäfd)Iuffe bei ben ©enoffenfcfjaften unmittelbar befdfjäftigten 
$erfonen auf 73 054. The ©efatntntoerfäufe ber 5tonfumabthei* 
lungert ber 1 483 Vereine, welche ihre SBaaren im Detail oer* 
laufen, Ratten einen Sßerth non 803 515 480 <1(, ein 93tehr oon 
63 990 780 J(, über ben Setrag, melier für 1896 oott 1 470 ©e* 
rtoffenf (haften berietet mürbe. T)ie eingegangenen Senate non 
580 ber Äonfumoereine, roelthe T)etailgefdjäfte machen, geigen, bah 
biefe ©nbe 1897 10 830 Sßerfonen unmittelbar bantit befdjäftigten, 
bie oerfdjiebenett Slrtifel fjerguftetten, roeldfje in ihren Äonfumabthei* 
Jungen oerfauft mürben. T)er SSerth ber ©rgeugniffe biefer 2lrt 
betrug roährenb beS QaljreS 63 911260 < //, oergFtchen mit 
53 003 660 c /1t. als SSertfj ber ©rgeugniffe non 495 ©enoffen* 
fdjaften, welche 1896 Seridjte oer off entließ ten. tiefes macht gu* 
fammen mit ben ©rgeugniffett ber groei ©enoffenfdhaften, welche im 
©rohen oerfaufeit unb ben ©enoffenfdjaften gur SBaarenergeugung, 
bie ©efammtfumme non 186 986 380 <//£ als SSerth ber eigenen 
©rgeugniffe, roeldje non ©enoffenfdhaften aller Slrt im Sahre 1897 
nerfauft mürben ein 9Keljr non 21, 9 o/ 0 über baS 3ah r 1896. The 
©efammtgabl ber bei ©enoffenfdhaften aller Hrt gur Stoarenergeu* 
gung befdjäftigten ^erfonen mar 29 564, roonon 17 149 Siänner, 
7 537 grauen unb 4 878 junge Sßerfonen unter 18 3aljren maren. 
Son biefen maren 69 /8 % in ©nglanb unb 2SaleS, 28, 8 in Sdjott* 
lanb unb 1, 4 in Srlattb befchäftigt. Sei ben ©enoffenfdhaften für 
SBaarenergeugung beträgt baS Slnmadjfen ber 9)?itgliebergaljl 6,5 o/ 0 ; 
bei Shttheilfdjeinen, T)arlehen unb Sfteferoefapital 9 o/ 0 ; bei Ser* 
fäufen 12,i °/o unb bei ben Sefdjäftigten 5^ o/ 0 . Son beut ©e* 
fammfapital fämmtlidber Slrten non ©enoffenfdhaften mürben 
160803 160 jH, anbermeitig unb nicht im eigenen ©efdjäftsbetriebe 
angelegt, gheroon mürben 52 794 220 ^1(, auf £äufer unb £anb* 
Käufer, 71 272 300 <//£ bei anberen ©enofjenfdjafteit unb baS 
Uebrige in nerfdjiebener Steife ftdjjer belegt. 

$ieFriendly Societies in ©nglanb 1897. T)er unlängft erfdjienene 
SahreSberidjt beS Chief Registrar ber Friendly Societies pro 1897 
fonftatirt einen leidsten SRüefgaitg in ber 3a^l biefer Sercinigungen. 
Son ben Anfangs 1896 regiftrirten 9154 Friendly Societies hüben 
1340 aufgeprt gu egriftiren, rcogegen nur menig neue ©enoffen* 
fd^aften gegrünbet mürben, dagegen geigt bie Stttgliebergafjl ber 
erroerbsttjätigen Friendly Societies eine ertjeblidje 3unahnte. 1531 
folcfjer (SefeUfdEjaften — norgugsroeife Hooperatio* uitb Saugenoffen* 
fefjaften — miefen 1 238 190 Stttglieber auf, baS finb um 72 268 
me^r als im Sorjabre. Unter ber Trade ünions Act mürben im 
SericbtSjabre 44 Sereine neu regiftrirt. 


Ho^mtüptnefat. 


©in ©aitg bnrdj Sammet nttb 97atb* 

T»er unter Sßroteftorat ber $aiferin fteljenbe beutfebe Scretn 
„Slrbeiterljeim", nor nieten 3ab^n non Sßaftor Dr. n. Sobelfdimingb 
unter tbätiger Seibülfe beS nadjmaligen $aiferS grtebricb ins 
Seben gerufen, bat fid) bie Aufgabe gefteUt, im beutfdjen Sater* 
taube bie SöobnungSnotb aufgufud^en, bie gefunbheitlid) s fittli<h, wie 
fogial, ja politifch gerabegu oerfjängnihooll gerfefcenben ©infliiffc an 
ber .g>anb faßlicher Seridjte aufgitbcden, gur SKbhülfe aufs $adj s 
brücflitbfte anguregen unb hierbei itacb Kräften mit SluSfunft, Satb 
unb Material gur §anb gu geben. Um bieS tbun gu fönnen, 
ftubirt ber Serein fonberücb audj alle ßinri(btungen, bie Hbbiilfe 
begroeefen, unb bat felbjt eine SerfudbSftation, bie halb ungefähr 
150 Qweifamilienbänfer (gum eigenen ßrmerb mit Stallung unb 
größerem ©arten) in Sielefelb gäblt. Dberinfpeftor Sieber, ber 
©efebäftsfübrer beS SereinS, ber feit über fieben Qabren feine Straft 
biefer SFbätigfeit mibmet, betont beS Dcfteren, mie gerabe bie Un* 
feuntniß ber SJobnungSnotb im eigenen Saterlaube, eigener 6tabt, 
ja eigenem |>aufe bie 0<bulb baran trage, bajj fold^e unfer Solls* 
leben unterroüblenbe 3wpnbe beftelieit fönneit, unb läftt es fid) 
befebalb angelegen fein, Slufflärung b^ r ä^e r 3a oerbreiten. S$ir 
taffen einige roenige TOtbetlungen über Stettin aus feinen Steife* 
berichten folgen, bie unter obigem £itel („©in ©ang bureb Sammcr 
unb flotb") erfebeinen merben, 

3u einer ber erften 2Bobmtngen,> bie [mir in Stettin befurfjicn, 
mußten mir in fo einem neugeitigen SJtaffenquarticr, brei Xreppen empor, 
^ort fanben mir 3 gang bübjdje lidjte ^täumc/ bie inbeb nicht meniger 
als 360 JL fofteten. Um biefe Summe 31 t crjrfjunngen, mufjtc bie 
SRietbcrin, eine SJtttme, fid) mit ihrer gangen Familie auf einen mit 
befchränfcn. Ten gmetten batte ihre Brfjmcftcr, ebenfalls 3i>ittmc, unb 


beren 2 Äinber in fUftermietbe. gm britten häuften gmei 0 chlafburf<hen. 
Tie SBhtbin felbft batte, oon 14 ftinbern, bie fte gehabt, noch 0 bei fid). 
Tiefe 6 $erfonen mußten fich/ mie gefagt, mit bem einen ©täbeben bc* 
fcheiben unb beS 9tacbt$ Unterfchlupf in 2 Setten unb auf einem ©oplja 
fuebeu. Tie grau, ein fchr orbentlicheS SSeib, hatte eine SlufmartefteUe 
unb juchte mit ber ältefieu, gerabe fonfirmirten Toehter meiter burch 
Jäheit fuh unb ihre gamilie burdjgubringen. Sange mar fic franf ge* 
mefen,unbba hatte in ber That allein berältefte 18jährige $nabc, als Äcgel* 
junge, bie gange gamilie ernähren ntüffen. Unb groar oerbiente bas 
arme tfinb, oon abenbs bis oft 2 Uhr morgens, ungefähr 75 mogu 
ber freunblidje SBirtb mobl noch ab uitb gu etmaS ©ffen (ich fürchte 
auch ©ctränf) gab. Um 6 Va mufete baS Äerlchen roieber gur Schule. 

Sebeuienb fpäter traten mir, über einen gang fleinen Sorraum, in 
ein faft bunfleS 2och gu ebener ©rbe, neben bem fich ber oft gefehenc 
§erbminlel befanb. Ter ©eruefj mar entfehlich- Unb hoch mufete hier 
ein SWatrofe, ber augenbüdlidj beS ameri!anif(h s fpanifchen 5h:iegeS megen 
nicht angehrtiert mar, beffen grau unb 6 ftinber leben, oon benen baS 
ältefte noch nicht fonfirmirt mar. gür alle 8 $erfonen maren in bem 
2ochc 3 Setten eingefchachtelt. 28ie hier 2J?enfdjenlungen athmen fonnten 
mar mir einmal roieber ein Stätljfel. greilidj faben bieJ^inbergefichtchen 
auch banach ans. Unb biefeS 9left foftete immer noch 132 JL 

3Wit bie fdjredlichfte Sehaufnng, bie uns in Stettin begegnete, füllten 
mir inbeb halb barauf erft fehen. ©ine entfefclidje alte Treppe ging cS 
empor. Traufeen auf ber Strafe mar es heller, lichter Sonnenfdjein, 
bennodh märe bas Soch, baS mir betraten, ftorffinfter gemefen, meil ei? 
eben feufterloS mar, menn nicht ein armfeliges Petroleumlämpchen, 
auf einem Tifchchen, an ber Stonö gegenüber, ein mübeS 2id)t gefpenbet 
hätte. 2ln biefem Tifchchen (eS lehnte fich anf<heineub altersfchurndj an 
bie SSanb) fab ein 5D?ann im ?lrbeitshemb unb §o[e, ben Äopf auf bie 
©llenbogen geftü^t, bie ^änbe im mirrett ^aar oergraben, unb ftarrte 
oor fich tu ein gerlumptcs Such. TidEjt neben bem Tifch ftanb ein 
Äinberbctt, auf bem tief eingefunfen, ein ungefähr löjäljrigeS SRäbdjeit 
fab unb bei bem miiben Rampenlicht eine glidcrei gu madjen fdjieu. 
So meit ich ntid) entfinne, maren auber Tifdj, Äinberbettfteü unb Stuhl 
fein ©inridhtungsgegeitftanb mehr, faum noch ein paar Rümpen an ber 
©rbe, in biefem üerfdjmärgten, fchrecflichen Roche. Nebenan mar noch 
ein gang äfjnlidjeS, bas inbeb an ber einen S$anb, ^od) oben unter ber 
Tede, ein paar oergitterte genfterchen hatte, oor beiten bidjt fich a ber 
aud^ bie Stauer beS fRacfjbarbaujeS auftbnrmte. Tas ©ange machte 
unmiHfurlich ben ©inbrud einer 3 e ßr für fernere Serbrecher. Stuch bas 
eine armfcligc Sett, baS an ber SBanb ftanb, änberte an biefem ©in* 
brud mahrlid) nichts, einige Rümpen lagen auch ^ier auf bem frf) 10 argen 
gubboben unb in einem fleinen pufteren 2lrt SorrathSraum nebenan, 
fonft ebenfalls fein ©inricbtimgsgegenftanb, nichts — nichts! Unb in 
foldjem 9^aume mohnten, athmeten unb fdhltefen, mogu baS Slinberbett 
unb baS eine Sett nebenan genügen fottte, Sfann, grau unb 4 ftinber 
Trei baoon maren noÄ flein, baS ältefte mar bas Stäbchen bei ber 
glidarbeit. ©ran, elen\ oerfommen fab audEj bas SBeib aus, mie alles 
mas hier lebte unb mebte. — Taft in einem tnlturftaate, too bem Ser* 
brcchcr nicht bloß Dbbadfj/ fonbern audj Serpfleguttg gereicht mirb, freie 
Sfenfdjett in foldj einem Roche Unterfchlupf fudien unb baffclbe nodh mit 
108 M. begahlen muffen, baS follte hoch unmöglich fein! Ter Sfaitn, 
ein Töpfer, ber feit lange arbeitslos mar, fcfjulbete nun freilich and) 
fdfjon feit 5 ÜDfonaten bie äßiethe. Unb nur ber Umftanb, ba& in folche 
Sehaufung boch nur bie Hermftcn ber traten gebrängt mürben,^ ^attc 
mahrfcheinlich ben Hausherrn abgehalten, bie gamilic auf bie Straffe 
gu fefeen. 

Siergefjn Stufen hinab ging es, an eine anbere Stelle, in eilten 
Heller. Tiefer, mie mancher roeiteri)in befuchte, mar urfprünglich Hohlen* 
feiler gemefen, bann aber, bei fo bebcutenber ©obmingSnarfjfragc, gur 
2SohnungoermanbeItmorben. ©S mar ein bunfleS, entfc^Uchcs Rodj, ba bic 
obere Haute ber fafienartigen genfter nur gerabe mit einem fleinen 
Streifen über bie ©rboberjläcbe ragte. Unb auch biefer staunt foftete 
nodh 84 Jf. Sfietlje. Selbftrebenb mar ber Jammer ber Scmobucr ber 
Sehaufung cntfpredjenb. Ter Sfann mar fortgelaufen, bie grau, ein 
armes mübcs ©efchöpf, nun allein auf ihrer $änbc Arbeit atigemiefcn, 
fich unb 4 noch flehte Hiitber gn ernähren, oon beiieu bas Csüngftc erft 
2 Satire gählte. Ter ^lelteftc muhte als Raufburfdic fchon etmaS oei-* 
bienen, fam aber auch höchftenS nur auf täglidj 50 SBciut bic SBnttcr 
mafdjen ging, muhte er auch »od), auher ber Sdjulgcit, feine fleiitcit 
©efehmifter beforgen unb bas bisdjett Mittagbrot fertig fteücn. ©in 
Sett nur fanb in bem fchauerlicheu Staunt. TcS Nachts mürbe 
inbeh noch eine Ragerftatt auf bem gufjbobcn gurecht gemacht. Uitb fo 
oerfrochen fich bann bie 5 Häupter unb §änptchen, fo gut es eben gehen 
100 Ute. 

$atf) oielcn weiteren Scfudhett. gingen mir, in einer anberen Strafje, 
gu ebener ©rbe, burdj baS SorberljauS, bei ber Unebenheit bcs Sobeits 
inbeh hinten nach bent «ftofe mieber eine Treppe hinnb unb alsbaitit 
im Seitengebäube, noch eine Treppe tief unter bie ©rbe. Ter frijmalc, 
cinfenftrige Heller, mit bem noch ein bunfleS oicüeicht 3 ©eoiertmeter 
IjaltcnbeS Roch in ^erbinbuttg ftanb, mar nag unb fo itiebrig, baft idi 
bequem an bie Tecfe faffen fonnte. Unb foldj ein Rudi muhte immer 
noch mit 90 M. begaljlt merben. ©in eiugiges Sett, oteluiehr Sett* 
geftcll, mit einigen oerfdjmärgten, gerfdjlificncii SettubciTcfteu brin, hatte 
anher einigen Rumpett unb gerbrodjenen ©eräthen, gerabe Sinh. Sor 
bem Settgeftcll ftanbcii ein paar SHohrftühlc mit gcrfepteit Sipen. Sor 
bem einen auf beut fdjmu^ftarrcitbcn gujjbobeu fniete, mit Vliiyheffcnt 
befdjäftigt, ein tutgefähr 10—12 jähriges SWtibcheu, bas hierbunlt etmas 



319 


Soziale $rcqt*. ©entralbtatt für SogtalpoUtt!. 9h:. 12. 


320 


gu oerbienen ftrebte. Sott biefettt elenben, fielen Kinbe, mit bem müben 
©lief beSgammerS, bem ftruppigen, rotmn §dar, gerfcßlißtem, farblofem 
Kattimfäbncßen, bas fcßlotternb atn £eibe §ittg, erfuhren mir beti gangen 
abgrunbtiefeu gammer; freilich ftodte bie Antwort auf unfere grage oft 
unb fattt bann uur fcbcu beraub. £ic Butter lebte gefeßieben, ober boeß 
getrennt oon tfjrem Spanne, bem ©ater biefcö unb eines noch jüngeren 
armen ©cfdiöpfcßeitS. 2)ie Notß, bte SNietße gu erfeßroingen, ßatte halb 
beit Scßtafburfcßcu eingießen taffen. — ®ie natürliche golge mar bte 
roilbe (Hk. Scßlafburfcße, grau in milber ©ße — 2 Kinber in feßon 
reiferem KinbeSalter — für aHe ein Sett in foldj einem Scßanblodje! 

Nidjt oiet beffet mar eine fpäter angetroffene SSoßnung. Söir 
mußten gu ibr über ben engen unb mabrbaft atbembellemmenb rieeßenben 
.£>of einer echten 5 ftödfigen Arbeiterfaferne. $)ort, eine Jreppe ßoeß/ * n 
in bem bunflen Stiibdjen mit 2 elenben Setten, roobnte eine SBittroe 
mit 2 Äinbern, oon benett baS eine geifteSfranf mar. gn bem bagu 
gehörigen Kämntercßen fanb ein äußerft Dürftiges Sett plaß. tiefes 
eine Sett mar an groei Sdjlafleute (grauen) oermietbet, ooft benett bie 
eine eßeoerlaffen mar. |>iergu fam nod) bie mebrgefebene feßroarge Kocß* 
gelegenbeit, giir btefe SBoßnititg mußten 168 M, troßbem ber ©erueß 
aueß in ber Sühnung entfeßließ mar, gegaßlt rnerben. $>aS arme Sein 
fudjte burd) Stopfen unb glideu etroaS gu oerbienett, fam aber babei 
natürlich täglich nur auf einige Pfennige, $ie Armenoerroaltung gaßltc 
monattidi 10, 5 o M.. t bie Sdjlafleiitegnfamuten 6 M. gm ipanfe 
mobntett ungefähr 50 gantUiett. $>ie 40 gamiliett beS fpinterßaufeS 
batten gufammen unten auf bem ßofe 3 bäßlidje, aus Srettcrn gufammen* 
geftetttc Aborte. 3 an ß Streit unb SHeberlicßfeit gab eS natürlich, mie 
uns bie grau flagte, aud) genug. — GS braucht eigeittlidj faunt noch 
hittjngefügt rnerben, baß unter folgen — hier freilich faum ftüditig ge* 
ftreiften — Umftänben auch bie förperlicße ©efunbßeit, je mehr, je garter 
bie Sefen, tßeils fdimer gefcßäbigt rnerben mußte: gegebener $eit alle 
non ber Sohnungsnotb ja untrennbaren Reiben, 9thad)itiS, Sfropßulofe, 
Juberfulofe, u. f. m. ihre $erbe finben tttüffen. 

3um Schluß biefer ergreifenben Silber, bie feineSroegS bie 
bunfelften finb, bie in ben „©ängen bureß Säumer unb Notß" 
entrollt rnerben, bie Setnerfung, baß Dberinfpeftor Sieber, Siele* 
felb * ©abberbaum, gu jeber meiteren AuSfunft über ben beutfeßen 
Serein „Arbeiterßeim" bereit ift. 


SBoßmnig&roiß ht beutfehen SRittelfföbfeu. Aus 1: armjtabt mirb 
berichtet: $)er Mangel an SBoßnungen für SWinberbemittelte ßul bie 
©emeiitbeoerroaltung oon $armftabt oeranlaßt, ftch nach ©runb unb 
Hoheit umgufeßen, ber für ben Sau folcßer SBoßnungen geeignet märe. 
Silan hat aber megen ber bol) en greife, bie geforbert mürben, nidjts 
finben fönnen, unb gebt nun mit bem ©ebanfen um, ftäbtifdjes ©elänbe 
gu Saujroecfeu gu oermenben. Aucß foü ber grage näher getreten 
rnerben, ob nicht gum 3 l ^eef ber ©rbauung oon Arbcitcrroüßnungen baS 
©nteignungSuerfaßren gegen bie Sefißer oon in grage fommenben 
©runbßütfen gu beantragen märe. — $er gaßresberießt beS ©eroerf* 
fdjaftsfartefls in gena tßeilt mit, baß bie Wohnungsfrage, bie auch in 
gena eine Kalamität fei,'mehrfach erörtert mürbe. Als uou bürgerlicher 
Seite bie ©riinbung einer ©augenoffenfeßaft augeregt mürbe, bie gum 
3roerf bat bie ©efeßaffung oon gefunben unb billigen SBoßnungen an 
bie ©enoffen, finb oiele Sftiiglieber ber ©eroerffdjaften beigetreten, fünf 
mürben fogar in ben Aufficßtsratb gemäblt. 

$cr Karlsruher 9JJict^er- unb Saubereiu, e. tn. b. $)., Ijat 
jeßt, nachbetn er eine Serie SJlietbSroobnungen fertiggefteUt hat, 
einen neuen ^ßlan in Singriff genommen, ©r gebenft oberhalb 
©ttlingen im ^ cr un t eren Älp ©infamilienhäufer he^nfteHen 
unb an feine SJittglieber gegen Slbgahlung $u oerfaufen. ©S foKen 
250 folcßer §äu3<hen erbaut rnerben, unb es mirb ftch ihr 9$reiS 
auf etrnas über 6000 <JC ftellen. tiefer ^reis foH burch 
jährliche Slb^ahlung oon 300 J( getilgt rnerben, unb bei ©in* 
rechnnng ber 3” l f ei1 ift eine gfrift oon längftenS 28 3ah ren & a Su 
oorgefehen. ©ine Slngahlung foH nicht ocrlangt rnerben. ®aS 
Saufapital hofft man burch Ausgabe 3progentiaer Schulbfcheine bei 
ber rcohlhabcnben Seoölferung 311 befeßaffen, uno bereits haben ber 
Wroßbeqog unb bie 0 )roßher 3 ogin bem Sernehmen nach i e 
100 000 t /H biefer Schulbfcheine gegeidjnet. $>ie gu erbauenbe 
Molonie ift burd) bie eleftrifdje Sahn in feljr guter Serbinbung 
mit Karlsruhe gebracht, auch finb bie gfahrfoften fehr niebrig, fo 
baß bie SJtietherfparniß bei Weitem nicht aufgemogen mürbe. 
Silan ocrfpricht fid), mie man uns feßreibt, für bie ©efunbßeit ber 
Semohner ber Kolonie nur (künftiges unb leatSBerth barauf, baß 
and) jebeS $aus mit (Sorten oerfeßen unb fo eine Heine Öanb* 
mirthfehaft unb Sießhaltung geftatten mirb. 

9lrheitertt)ob«uu0Öfrafle in ^ürifh). &ie .Hommtffion beö ©roßen 
2tabtratheS beantragte ben Zulauf billiger unb geeigneter f^obnhäufer, 
alter Käufer auf Mbbrudj ober Umbau, fomie ?lnfauf oon Saupläpeit, 
alltnählidie .^erftellung billiger unb geeigneter Wohnungen burd) bie 
Stabt pr miethmeifen Ueberlaßuug au Arbeiter unb ^lugeftclltc, coent. 
and) au attbere ©iiimohner mit geringem ©infommeu, im Allgemeinen 
görberuug oon Seftrebungen oon ^rioateit, gemeiunüßigen ©cjcllfdiafteu 
unb Saugeuoffenfdjafteu für .^erftellung billiger unb gefuuber ^Joh s 


nungen. ®ie Stabt foH einen SBoßnungSnachmeiS einrichten. gemer 
muroe beantragt: ber ©rlaß eines tantonalen SBohnungSgefeßeS, ©e* 
mährung billiger Anleihen an ©emeinben, Saugcnoffenfchaften ober 
gemeinnüßige ©efeüfchaften, gumenbung oon Beiträgen an folrhe aus 
Dem für gemeiitnüßige 3mede in AuSftcht genommenen gonbs ber 
Kantonalban!. 


<Ef|ie^tmg trab OUbmtg. 


(Sine Statifiti! über ben obligatorifchen gortbilbungSfchulunterricht 
tu ben preußifdjett ©roßftäbtem 

Dbrnoßl bie SlooeHe gur ©emerbeorbnung 00 m 1 . Suui 1891 
in §. 120 Abf. 3 ben ©emeinben auSbriicflicb bie Sefugniß ertheilte, 
burch DrtSftatut ben 3u>ang gum Sefuch ber grortbilbungSfd)ulen 
auSgufprechen, ift biefer SBmf beS ©efeßgeberS bis in bie jüngfte 
3 eit hinein anfeßeinenb oßne praftifeße golge geblieben, ©rft jeßt 
madbt fieß eine ettoaS lebhaftere Seroegung ber ©emetnben in biefer 
SRicßtung bemerfbar, über beren Umfang unb ©rfolge man jeboeß 
bisßer fo gut mie nichts mußte. 

3tn Slai b. 3s. oerhanbelte aueß baS Scßulfuratorium gu 
$)ortmunb über biefe mießtige grage. Seoor man jebodj befinitio 
Stellung naßm, mürbe eine Umfrage über bie Serßältniffe in ben 
größeren Stabtgemeinben SreußenS befcßloffen. 00 m Stati* 

ftifeßen Amte ber Stabt 5)ortmunb bearbeiteten S^efultate geben 
einen banfenSroertßen Auffcßluß über oiele bisßer bunfle ©tngel* 
fragen. 

Unter 50 befragten größeren preußifeßen Stabten befaßen 20 
obligatorifcßen gortbilbungSfcßulunterri^t. §iergu tritt als 21. 
$otSbam, roo bie ©emeinbebeßörben ben 3 roa n9 befcßloffen hatten, 
roäßrenb baS DrtSftatut itocß bei ber Regierung gur ©eneßmigung 
lagerte. Außerbem feßmeben gur fyit in brei meiteren Stabten 
(granffurt a/3Jl., §ilbeSßeim unb Kaffel) noeß SSerßanblungen über 
bie ©infüßrung. 23on ben 16 preußifdjen Stabten, bie im 3dßre 
1895 über 10 Ö 000 ©inrooßner gäßlten, befaßen nur brei (Altona, 
®angig unb Königsberg i/^r.) biefen Scßulgmang, bei groei meiteren 
($ortmunb unb granffnrt a/3Jl.) mar er projeftirt. ©ei ber Kate* 
gorie ber größeren 3Jlittelftäbte (50 bis 100 000 ©inmoßner) hatte 
bie Snftitution bagegen meit meßr Anflang gefunben. 

©ßaraFteriftifcß ift, baß Stettin erflärte, im gaßre 1897 märe 
über bie grage oerßgnbelt roorben, ba aber bie ÜRehrgaßl ber 
gnuungen fieß bagegen auSgefprocßen habe, fei oon ber ©infüß* 
ruitg Abftanb genommen morben. ®aS ift feßr auffällig; benn es 
bürfte moßl faum ein gnnungSftatut geben, baS nießt bie ©er* 
pfließtung ber 9Reifter auSfpricßt, ißre Seßrlinge gum ©efueß ber 
gaeß* unb gortbilbungSfcßulen angußalten, ßäufig ift bieS ißre 
gange £ßätigfeit in päbagogifcßer ©ejießung. Unb nun biefer 
©infprueß, bem fi(ß bie Stabtbeßörben fügten. 

Seiber fonnte nur in brei gällen feftgeftellt rnerben, feit mann 
bie gortbilbungSfcßuIpflicßt eingefüßrt roorben ift. 5)a fuß aber 
biefe auf bie gaßre 1897 begro. 1898 begießen unb eS in ber ÜJleßr* 
jaßl ber gälle ßeißt:,,DrtSftatut ift cingereicßt", fo ift auguneßmen. 
Daß in ber £ßat bie ©infüßrung erft oon ben beiben Ießten 
gaßren batirt, mit AuSnaßtne oon ©elfenfirtßen, melcße Stabt 
bereits feit 1892 ein folcßeS DrtSftatut erließ. 

$)ie Scßülergaßl ber gortbilbungSfcßulen feßroanft natürlich je 
nad) ©röße ber Stabt unb ber gemerblicßen ©eoölferung feßr be* 
träcßtlicß; boeß ßanbelt es fuß feßon jeßt um bebeutenbe 3 iff c ^n 
oon Sd)ülern. 

$)aS ^auptintereffe ber gangen ©nquete, ißr Scßroerpunft, ent* 
fällt auf ©eantroortung ber grage: „gft eS nötßig, ßäufig einen 
3mang gum ©efud) beS Unterrichts auSguübett?" Sir muffen babei 
an bie gugeub ber gangen gnftitution erinnern. Naturgemäß geigt 
fuß am Anfang biefe Sißattenfeite am mciften. ^iergu fommt, baß 
fomoßl bie ©rmittelung mie bie K'ontrofe ber Pflichtigen eine feines* 
megS geflärte unb einroanbfreie aller Drten ift. Senn troßbem 
eigentlich nur Sinben bei §annooer über oerßältnißmäßig oiele 
Strafen megen unentfcßulbigter Scßuloerfäumniffe flogt, fo ift bas 
feßr bebcutfam. „Nießt feiten" fommt bergleid)eit in ©eifenfireßen 
oor, ebenfo gu Königsberg i/Pr. unb ©HeSbaben. Sonft aber 
mirb über befriebiaenbe guftänbe in biefer ©egießung berießtet. 
Seßr ßäufig finb aber bagegen bie gätle, in benen gefagt ift, baß 
Strafen fo gut mie gar rneßt oorfämeu. ©Ibing feßreibt noeß gang 
befonberS: ,’^)er obligatorifd)e Sdjulbefucß ßat fieß gang 
oorgitglicß bemäßrt." ©on etmaigen Niißerfolgen, bie gut Auf* 
ßebung beS DrtsftatutS ©eranlaffung geben fönnten, ift feine eingige 
Stimme laut gemorbeu. 

So erfrenlid) eS nun an fuß ift, baß bie Verpflichtung gum 
©efudi ber gortbilbungsfdjuleii innerhalb ber preußifdjen Stabt* 



321 


Sogiale ptaji«. Eentralblatt für Sogialpolitif. Kr. 12. 


322 


emeinben oon fclbft immer roeitere Streife gieht, fo fann bod) 
iefeS lanafame Dempo roeber ben Sogialpolüifer itocfj ben päba- 

O en befriebigen. Es barf hoch nid)t bem blofjen 3ufatt über- 
in bleiben, ob bie Stabtoertretungen mit genügenb oiel fogial- 
Politikern Del gefalbt finb, um ten 3nbifferenttSmuS unb bie 
oielfach beftehenben boftrinören Borurtheile gu übenoinben, bagu 
ift bie Sache gu mistig. @3 hanbeli fid) §ier um Daufenbe unb 
Abertaufenbe oon jungen Leuten, bie baburch fo gut wie jeber (Ge¬ 
legenheit gur AuSbitbung oerluftig gehen unb beren geifttgeS Ka¬ 
pital an stenntniffen gefährbet ift burd) gu frühe3 Abbredjen be3 
Schulunterrichts. D>af 3 biefer kroere Bedrohungen unferer 

BolfSfraft, unferer gangen geioerblichen unb fogialen 3 u f u nft in 
fi<h kliefet, brauet fautn angebeutet gu toerben. 

Wohl ift e3 toahr, bah auch stabte mit fafultatioem gort- 
bilbungS- unb gadjknlunterricht relatio günftige Kefultate auf- 
toeifeit; ba3 fofite aber gerabe ein Anfporn fein, biefe burch ben 
obliqatorifcfjen noch gu erhöhen unb gu oerbeffera. „S)ie Unent¬ 
geltlichfeit be3 Elementarunterrichts ift eine grofee Errungenfchaft, 
aber mir fehen feinen Erunb bei ihr ftehen gu bleiben. &ie 3eit, 
mo bie Anfangsgrünbe be3 WiffenS genügten, um bie grofee 3Äaffe 
ber Beoölferung für ben Ä'ampf um3 Dtofein auSgurüften, ift 
oorüber, bie höheren Anfprüdje, roelche ba3 Leben ftettt, erforbern 
eine gröfeerc unb intenfioere Vorbereitung." S)er ba3 gefd)rieben, 
ift ber fidjerlid) „fogialiftifcher" Regungen unoerbächtige Borfijjenbe 
ber Berliner BoIfSroirthkaftlken Eefettfchaft, §err Stabtrath 
Dr. W. Steigert. *) 

Stobei mürbe ber obligatorike Unterricht nicht einmal fo un¬ 
geheuere finangielle Dpfer bebeuten, al3 oft eingemorfen mirb. 
Wäre e3 aber felbft fo, bann mürben mir bann noch feinen 
gmingenben ©runb gur Ablehnung erblicfen. Sogar in Berlin, 
mo Doch bie Aufroenbung unb bie Bermehrung ber Sdjülergahl 
burch ben 3 ro ang am größten märe, bebeutete nach ben Bered)* 
nungen oon E. ^irfthberg**) biefer bie Bermehrung oon 8666 
Schülern auf etroa 22 000. 

S)ie ^orimunber Enquete belegt auch, öafe auf ber oierjährigen 
Schulpflicht bis gum oollenbetem 18. Lebensjahre umfomehr be- 
ftanben merben muh, als biefe aus päbagogifdjen Erünben ge- 
forbert mirb. S)ie grofee Wehrgatjl ber Stabte mit obligatorifdjem 
gortbilbungSfchuluntemcht kreiben biefe Periobe auch oor. 

So märe benn biefe Ermeiterung beS gortbilbungSunterrichteS 
gugleid) eine Beranlaffung, in ben geroählten Parlamenten beS 
Beiches unb Preußens, baS in ber .fmuptfache allein rücfftanbig 
ift, biefe grage mieberum anguregen. Es muh fo lange auf einer 
^Regelung genereller Art burch 9teid)S- bep. LanbeSgefefe beftanben 
merben, bis gröbere fogialpolitifdje Einficht alle entgegenftehenben 
§emmniffe aus bem Wege räumt. 

Berlin. Bubolf Eräfeer. 

Soglalmiffenkaftlke in ßetpgig. (Sine Pflegftätte 

fogialen ©eiftes ift bie £eipgiger „Sogialroiffenfcbaftlidje Bereinigung". 
Kadj bem Bericht über ihr groeitcS Bereinsjahr 1897/98 erfdjien es ihr 
merthooöer, ohne irgenb roeldje Kücfficht auf politifchc Anfdjauungen, 
gelegentlich auch nur im eugften Streife Belehrung gu fudjen, als etroa 
in öffentlidjen BolfSoerfamntlungen bie OTöglid^feit fachlicher unb forber- 
Iicher AuSfpracbe gu gefährben. Unter ben acht gröberen Borträgen 
mären nur gmei öffentlich. gür ben fommenbeit hinter ftnb bisher bie 
Herren gacobSfötter-Erfurt, ferner Sombart-BreSlau, Äulemann-Braun- 
fdjroeig, Dr. Kaumann-|>amburg, Dr. Ketn-gena, Sohnrep-Berlin 
unb Dr. Bahel-^eipgtg für Borträge gemonnen. Eine Btbliothef ift be- 
grünbet. Einen überrafdjenb groben Erfolg hatten bie oolfsthitmlichen 
Sqmphouiefongerte, bie oon ber Bereinigung im notigen hinter ins 
£eben gerufen morben finb. Die Eintrittsfarten gu 20 frf merben nicht 
öffentlirfj oerfauft, fonbern burch Auflage oon Bcftefllifteu in gabrilen 
unb ©efdjäften, bantit gu biefen Beranftaltungen auch mirflich bie Streife 
herangegogen merben, bie fonft geroöbnltdj baoon ausgefchloffert fmb. 
Senn audj oon ben 600 gabrifbefifjern etroa bie $älfte bie Sifte unter 
ihrem Perfonal nicht berumgeben lieben, fo mürbe hoch ein burchknitt- 
liAer Befuch oon 3000 perfonen ergielt. S)abei mar eS nicht bie 9lb= 
fic$t, ctmas umfouft gu bieten, nein, feine Sohltljätigfeit, fonbern Dar¬ 
bietungen oon fünftlerikent 253crtf) für bas Bolf gegen bas Opfer eines 
mäbtgen Eintrittsgelbes, ^ür biefen hinter finb mieberum 6 Äongerte 
in flusfid)i genommen. Der Borftanb hofft, in l'eipgig biejenigen 
bauentb gu fantmeln, bie ihre nationale Eefinnung befonberS in oer 
Arbeit für ihre minber begünftigten Bolfsgenoffen bethätigen möchten. 
Dem Borftanb gehören an prioatbogent Dr. ©alter Eoefc, Dr. K. Äöhfdjfe, 
Dr. Söhnt, Dr. rl. OHefecfe, Daoib 9toft, Euftao bc Öiagrc, Dr. ©. Stieba, 
Dr. ©uubt 2 c. 


*) 2)ie Bolfsfdjulc unb ber gcmcrblidic Unterricht in ftranfreirf). 
Berlin 1890. 

**) Die fogialc s 2age ber arbriteubeii Ml affen tu Berlin. Berlin ls‘J7. 
S. 17 u. 126. 


Sojiole Jjqgtette. 

Ein fifngtei gur Befämpfung ber Duberhtlofe als BolfS- 
franfheit mirb oom D)eutken Eentralfomitee gur Errichtung oon 
^eilftätten für Lungenfranfe für bie Dage oom 23. bis 27. 3Jtai 
1899 nach Berlin einberufeit merben. S)er KeichSfangier h^t ben 
Ehrenoorfth übernommen. D)ie Aufgabe beS ÄongreffeS foÖ barin 
befielen, einerfeitS bie Bebeutung ber Duberfulofe als BolfSfranf* 
heit, anbererfeitS bie 3RitteI gu ihrer Befämpfung ben meiteften 
Greifen oor Slugen gu führen. Um biefer Aufgabe gu entfpredjen, 
hat baS mit ber Drganifation beS ÄongreffeS beauftragte Komitee, 
an beffen Spi^e ber $ergog oon Batibor unb Eeheimrath o. ßepben 
ftehen, ben gefammten ©egenftanb in fünf §lbfchnitte: StuSbreitung, 
Sletiologie, prophpfafe, Xfaxapit, §eilftättenroefen, gerlegt. 3Rit- 
glieb beS ÄongreffeS fann 3^ber merben, ber Sntereffe an ber Be¬ 
fämpfung ber Duberfulofe als BolfSfranfljeit h^t unb eine Btit* 
aliebsfarte bei ber ^affe beS EentralfomiteeS für Lungenheilstätten 
löft. D)ie Begierungen beS 3n* unb SluSlanbeS merben oon ber 
Abhaltung beS Stongreffes oerftänbigt unb um bie Slborbnuug oon 
D)elegirten erfudjt merben. 

D)aS SDeutke Eentralfomitee gur Errichtung oon $eilftätten 
für Lungenfranfe hot eine Eeneraloerfammlung für ben 9. 3fanuar 
einberufen. Slufeer Bfittheilungen über ben Sfongrefj gur Befämpfung 
ber Duberfulofe fteht als ^auptgegenftanb auf ber DageSorbnung: 
w 3Bie ftetten fi<h bie Eemeinbett gur ^eilftättenfrage?" Bericht¬ 
erftatter hi cr fi* r f in ^ Oberbürgermeifter o. Borftht-Btündjen unb 
Lanbrath Bafe-Saarbrücfen. 

©dhuförgte* $>ie Aufteilung oon Schulärgten keint fk bem 
ShiltuSminifterium immer ftärfer als Kothmenbigfeit aufgubrängen. 
An oerkiebene BegierutigSpräfibenten ift ein Erlafe beS StultuS- 
minifterS gegangen, monach eine ärgtliche Unterfuchung einer 
größeren Angahl oon $inbem inlänbli^en Begirfen oorgenommen 
merben fott, befonberS ber neuaufgunehmenben. An etrna fechS 
Schulen eines jeben BegierungSbegirfS fott burch ben guftänbigen 
Btebiginalbeamten unter 3wsi^unö beS toiSkulinfpeftorS unb 
^auptlehrerS unterfucht merben, ob bie gum Schulbefuch atigemcl- 
beten Minber 1. ohne Eefährbung ihrer SRitküIer gum Eintritt 
in bie Schule gugelaffen fmb unb 2. oorauSfktlid) kne ^ac^t^cil 
für ihre förperliche Etitmicfelung an bem Unterricht uneingekränft 
ober bebingungSroeife theilnehmen fönnen. 3m Anklufe h^ran 
ift gugleich bie Berichtigung ber Schulgimmer oom kö^nifchen 
Stanbpunft aus oorgunehmen unb auch barüber gu berichten. Auf 
Erunb biefer Sfcftftettungen fott bann ein Urteil barüber ge¬ 
monnen merben, ob bte ärgtlke Prüfung beS EefunbheitSgu- 
ftanbeS bei ber Aufnahme ber Sfinber in bie länblken BolfSkulen, 
fomie bei ber gefunbheitlidjen Uebermachung ber Schüler über¬ 
haupt unb in meld)em Umfange erforberlich fei. — 3n Berlin 
ift bie Schulargtfrage aflmählith fo roeit gebiehen, bafe pe am 
15. D)egember oon ben Stabtoerorbneten einem AuSfthuffe über- 
roiefen mürbe. 

Der Bereut für BolfSheilflätten m Württemberg, ber fid) nunmehr 
organtfirt uitb am 24. Cttober feinen BermaltungSrath geioäl)tt hnt 
(Borftbenber Staatsratl; o. 3Rofer) mirb bei ber pargelle (©chtffrain, 
©emeinbe Keid)enberg, eine, bie erfte roürttcmbergi[che .^eilftättc errichten, 
bie im griihjahr 1900 eröffnet merben foll. 


®EwerbtgcrlrC)tc. (Eiuigungsömter. Sdjtcb^gcridjtc. 

Heber bie fttechtfpredjttng beS EetoerbegerichtS gu Berlin. 

3n bem BermaltungSbericht über baS (Geroerbegericht gu Berlin 
für 1897/98 mirb mitgetheilt, bafe Klagen oon Arbeitnehmern 
12 837 (957*2 o/o)/ non Arbeitgebern 568 (472 °/o) angeftrengt 
morben finb. Bon ben burch Arbeitgeber angeftellten 568 pro- 
geffen gelangten 53 gum fontrabiftorifchen Urtljeil unb mürben 
hieroon 41 = 77 % gemonnen. AnbrcrfeitS fameit oon ben 12 837 
progeffen ber Arbeitnehmer 1732 gum fontrabiftorifchen ilrtheil 
unb ftegten h^r bie Kläger in 686 gälten = runb 40 %. Wir 
erflärten bagu, baß biefe 3klen ben oöttig neutralen Stanbpunft 
unferer Beiftfeer bemeifen unb in 3 u ^ un ft biejenigen ein für alle 
Wal oerftummen mad)en merben, roeke bie aus ber Luft gegriffene 
Behauptung fk erlaubten, baf$ auf ben (Gerocrbegerid)ten bie 
Arbeitnehmer „mehr 9ted)t" befänten als bie Arbeitgeber. D>er 
Umftanb, baft in biefern puitfte bie Arbeiter ben Arbeitgebern fo# 
gar um 37 % gur lief ftehen, laffe beutlich erfemten, ba& oorgebad)te 
unb ähnliche Behauptungen mir ber Ausfluß unlauterer Bcftvc- 
bungen finb. 



324 


323 


©ogiale prägt». ©entralblatt für ©ogialpolitif. 9fr. 12. 


Xie Hoffnungen, roelc^e mir gehegt fabelt, finb trügerifd) 
gemefen. Xie „Xeutfdje Bolf»roirthfd)aftlid)e Sforrefponbeng" oorn 
13. Xegember b. 3-, beren grunblofe Angriffe gegen bie ©emerbe* 
gertd)tc bereit» im April b. 3- energifd) gurüefgeroiefen raerben 
mußten, 1 ) oerfudjt anfnüpfenb an ben oben oon un» angeführten 
Xh e ü b *8 BerroaItung»berid)teS roieberum beit Serth ber ©emerbe* 
gerid)te unb ihrer Sfedjtfpredjung herabgufefcen. Xie $orrefponbeng 
fteÜt bie grage auf, ob e» etrna ein 3eugnih für bie Uebergeuguttg 
oon ber unfererfeü» behaupteten Unparteilid)feit ber ©emerbe* 
gerichte fein folle, bah oon ben 12 827 im Berid)t»jahre angefteüten 
Klagen 9572 °/o oon ben Arbeitern unb nur 4Vs % oon ben 
Unternehmern eingeleitet mürben. Sir mürben fchon, fährt bie 
3 eitfd)rift fort, au» biefer einen Berhältnihgahl folgern, bah ein 
Vertrauen gu ber gemerbegeri<htlid)en Stedjtfprediung bei ben 
Arbeitgebern oiel roettiger al» bei ben Arbeitnehmern beftehe, 
ba hoch niemanb unterfteflen mürbe, bah bie Unternehmer im 
Berfjältnih obiger Progentgahlen ihren Berpflichtungen gegen 
bie Arbeitnehmer fehlerer nachfämen, al» e» umgefehrt ber galt 
fei. Senn ferner bie Arbeitgeber 77 %, bie Arbeitnehmer 
aber nur 40% obfiegenbe ©rfennntniffe burd) fontrabiftorifdje» 
Urtheil ergielten, fo läge ba» einen oielfagenben Schluh auf bie 
Cualität ber Anfprüdje gu, roelche bie Arbeitnehmer im Vertrauen 
barauf, bah mehr al» bie Hälfte ber Seifiger Sogial* 
bemofraten feien, oor ben ©emerbegerichtcn erheben. 3 m 
Uebrigeit habe man nur nötljig, bie 33ericf)te über bie ©emerbe* 
geritbt»ocrhanblungen gu oerfolgen, meldje ber „BormärtS" bringe, 
um oie in bem BerroaltungSbendjt ausgefprochcne Anfid)t oon ber 
Unparteilichfeit ber Beifiber gu mürbigen. Xa» Vertrauen gu 
ben fogialbemofratifchen Beifibern ber ©emerbegerichte fei fo ein» 
fettig mie möglich- Senn bie Statiftif ergebe, bah in fehr oielen 
Säuen bie in folgern Vertrauen erhobenen AnfprüdEje ber Arbeiter 
abgeroiefen rnerben mußten, fo geige fich gerabe barin, mie bie 
fammenfebung ber ©emerbegerichte, fo mte fie fid) nach ben gefeb* 
lieben Borfdjriften geftalten muhte, fehr fonberbare Stecht»» 
anfehauungen bei jenen entmicfelt hat, melche gum ©emerbegericht 
gehen, meil ftc oorauöfefcen, bah ihre Seifiger ihnen bort fd)on 
„Stecht" gu oerfchaffen roiffen mürben. 

Xurch biefe Ausführungen glaubt bie „Xeutfdje BolfSmirtfj* 
fchaftliche ftorrefponbeng" bem Bermaltuug»berid)t 3 rrthiimer nadj» 
gemiefen gu haben. ©g ift ihr bie» feineSmeg» gelungen. Xurch 
ba» leiber noch immer oorhaitbcne SRifttrauen einer Angabi Arbeit» 
geber, rocld)e», int Berfchminbcn begriffen, burch bie Eritif be» Ber* 
maltungSberidjt» roieber genährt rnerben foll, unb burd) bie an» 
gebliche Auffaifung ber Arbeitnehmer, bah fie in golge ihrer 3u» 
gehörigfeit gu einer beftimmten Politiken Partei felbft bei ben 
uubegrünbetften Klagen oor bem ©emerbegericht „Stecht" erhalten 
mürben, beroeift man nicht bie ‘parteilichfeit ber Stichter unb ebenfo* 
menig, bah mir mit unferen, feiten» ber $orrefponbeng bemängelten 
Behauptungen be» Bericht» un» im Unrecht befinben. 

Auch bie Berichte be» „Bormärt»" über bie Berljanblungen 
beim ©emerbegericht bemeifen nidjt» gu llngunften ber ©emerbe* 
erid)te. ©» ift befannt, bah 3 e üang»beri^te über ©erichtSoer* 
anblungert mehr ober mirtber unguoerläffig unb besmegen mit 
Borfidjt aufgunehmen jtnb. 2 ) Senn man ben reblidjeit Sillen |at, ftch 
ein forrefte» Bilb oon ber Xljätigfeit ber ©emerbegerichte gu oer» 
fdjaffen, fo möge man bie oom Berbanbe beutfeher ©emerbegerichte 
oeröffentlichten ©ntfeheibungen unb bie oon Unger herausgegebenen 
©ntfdjeibungen be» ©emerbegericht» gu Berlin ftubiren. AlSbann 
mirb man gu ber ©rfenntnih gelangen, bah oon ben ©emerbe» 
geridjten meber nach ©utbiinfen noch einfeitig gu ©unften ber 
Arbeitnehmer entfliehen mirb. 8 ) 

3a ber erftcti 3 dt be» Beftehen» eine» ©emerbegericht» rnerben 
oereingelte gäOe nicht au»gefchloffen fein, in benen fid) bie Beifiber al» 
SRanbatare ihrer Sähler fühlen. ©» ift bie» guntal bei ben Arbeit» 
nehmern nidjt gu oermuiiberit, ba fie — roenn man oon ben Sieid)»* 
taa»manbaten abfieht — gum erften SRale burch ^ a » ©emerbegericht»» 
gefep gu einem oerantmortlidjen ©hrenamt berufen rnerben. S^ach 
ben überall gemachten ©rfahrungen fann man fagen, bah im ©rohen 
unb ©angen bie Beifiber [ich in ihre 2tellung al» Stifter überrafdjenb 
fchneU hiaeingelebt haben. 3 ut llebrigen haben mir mäbreub 

*) Siebe ba» ©cmcrücgcridit oom 2. 'umi lsys 3p. 97 imb 9*. 

2 ) Bcrgl. gaftrom, btc (Erfahrungen in bcu beutidn'ii ©emerbe»« I 
geriditeu in ben gahrbüdiern für S?ationalöfoiioniie imb 2tatiftif. Xritte | 
golge. Bb. XIV (LXIX) 3.331 u. ff. 

3 ) @iclie hiergu V.'auteufd)läger in ©dintoUcr* oahrluid) für ('k'iep» ! 

gebung 1-S93 3. 172, Tvlrfdj in bcu Blättern für 2o.gialc Brari» oom | 
2 . Augnft 1S93, oaftrom a. a. C. 3. 3(>4 imb 33.» uni» 3. 3;>i;, unb 1 
Bi. o. 3cfjitlg in Braun » Arrfjiu Bb. XII 3. 79sff. i 


unferer mehrjährigen Xhätigfeit nirgenb» bie Beobachtung gemacht, 
bafe bie oon ber Slorrefponbeng gefchilberten „fehr fonberbaren 
S^edht»anfd)auungen" bei ben Arbeitnehmern heroortreten. Xic 
„Xeutfdfje Bolfsmirthfchaftlid^e Morrefponbeng" hält bie SaieHigeng 
ber Arbeitnehmer mirflich für eine gar fo geringe. 

Seitit hin »ab micbcr frioole Klagen feiten» ber Arbeitnehmer 
anhängig gemacht rnerben foHten, in ber ©rmartung, auf biefeut 
Segc Zahlung- einer menn auch nod) fo geringen Summe oom 
Arbeitgeber gu erreid)en, fo barf man für biefe» $hun ni^t eine 
politifd)c Partei oerantmortlich machen. Xcr gehler mirb oielmchr 
im ©efebe felbft gu fliehen fein. Xer Borftbenbc be» ©ericht» hat 
nach §• 39 be» ©cmerbegcrid)t»gefebe» in allen Stabicn be» Siecht»* 
ftreit» ben Berfpd) ber gütlidjen ©rlebigung gu machen. Xiefe 
Borfchrift hat tl)atfäd)lid) Unguträglichfcitcn h^roorgerufen, inbem 
bie Arbeitgeber mehrfach bie ^lagefummc ober einen Xheil ber» 
felbeit, auf meldie bie Arbeiter oon 3ied)t»roegen feinen Aufprud) 
hatten, ben Klägern in bem Sühnetermine burch Bergleich gu» 
billigten. Xie befannt gemorbene Siachgiebigfeit ber Beflagteu 
mag eingelne Arbeitnehmer ocrleiten, einen fonft au»fid)t»lofcit 
Progefe gegen ihre Arbeitgeber anguftdlen. 4 ) SRit berartigen pro» 
geffen, melche ftet» bie Ausnahme bilbeit rnerben, rnerben aber aud) 
bie orbentlicfjen ©eridjte behelligt. ©» ntufe baher mit aller ©nt* 
fd)iebenheit betont rnerben, ba& e» nicht eine ©igenthümlid)feit 
gerabe ber ©emerbegeridjte ift, tocitn aud) bei ihnen frioole Klagen 
ängebradjt rnerben. 

Um bie Haltlofigfeit ber beleibigenbcn Bcrbäd)tigungeit ber 
„Xeutfdjen oolf»mirtljfchaftlid)en ^orrefponbeng" im fldrften ßid)te 
u geigen, nehmen mir Beranlaffung, auf ben Bermaltung»bcricht 
e» Berliner ©emerbegericht» näher cingugehen: 

Bon ben im ©efdjäftsjabre 1. April 1897 bi» 31. SRarg 1898 gur 
Acdjtfprechuug gelangten 12 827 Klagen mürben erlebigt: 


a) burch Berglcich. 

6 723 

72,3 

°/0; 

b) * Beriid)t im Sinne bc» §. 277 ber 
Gioilprogefjorbnung. 

2 \ 

, *)i „ 


o) burch ^urii cf nähme. 

2 734 j 

1 _ J,3 


d) * Anerfenntnihurtheil. 

31 \ 

► = 8/4 


e) * Berfämnnihurtheil. 

1 042 S 


f) * anbere Gnburthcüe: 

a) mit Bemeioaufnahme . . 1227 
ft) ohne Bemci»aufna()mc . . -781 

1814 

=-- 14,1 


") nnerlebigt blieben am Sdjluh be» Be* 
rid)t»jal)re». 

4SI 

= 4 



12 827 

= 100 



Xie Xhatfache, bah 52 3 /j 0 % ber gefamntten oon ben Arbeit» 
nehmern eingereichtcu Klagen burch Bergleich (innerhalb ein bi» 
brei Süthen) foftenlo» beteiligt morben finb, mühte felbft ben un» 
oerföhulid)ften ©egnern ber ©emcrbegeridjte ba» Befenntnih ab* 
ringen, bah hier fdjuell, billig iutb fachgemäh Stecht ge* 
fdjaffen ift. Senn e» aber ferner angängig mar, bie Urheber oon 
2734 = 21 3 /io °/o ber eingelaufenen Klagen gur ©infidjt ber Hi» s 
fälligfeit berfelbeit gu bringen unb gur 3»riicfnahme gu bemegen, fo 
hat ba» ©emerbegericht hierburch foroohl ergieherifd) al» au^ in»* 
befonbere im gntereife ber ©erechtigfeit gemirft. Angeftchl» 
biefer Xhatfachen ift e» faum gu glauben, bah fi^h bie breifie Be* 
hauptung oon ber Parteinahme be» ©emerbegericht» überhaupt 
heroormagen fann. 

Xiejenigcn 1073 = 8, 4 o / 0 progehfäüe al»bamt, melche burd) 
Anerfenntnih* begm. Berfäumnihurtheilc beenbet mürben, legen an 
ben Xag, bah bie oerflagten Arbeitgeber ben gered)ten Klagen 
mohl au»nahm»lo» begrünbete Ginroeitbungen cntgegenguftelleu 
nid)t in ber Sage maren. 

Unter ben 1814 = 14,i o / 0 burch ©nburtheil erlebigten Klagen 
befanben fich nur 686 = 40 %, melche gu ©unften ber Arbeit¬ 
nehmer entfliehen mürben. Hi^rnu» erhellt, bah rnnb 60 % biefer 
Klagen gu ©unften ber Arbeitgeber ausfielen. Xiefe» ©rgebnih 
fpr*id)t mahrlich nicht für ein parteiifchc» ©emerbegericht. 
Senn auherbetn oon ben 12827 angrftcütcu progeffen am Schluffe be» 
Berichtsjahre» nur 481 = 4% nicht erlebigt roaren, fo bebeutet 
bie», bah bie unparteiifd)e Ste^tfpred)ung be» ©emerbegericht» gu» 
gleich auch eine fchnellc ift. 

Sa» nun bie oon ber $orrefponbcitg fjeroorgehobene geringe 
; 3 Q lü ber Silagen ber Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer anlangt, fo 
1 muh wor allen Xingen barau erinnert rnerben, bah ** a ll er Orten, 
! alfo aud) in Berlin, mehr Arbeiter al» Arbeitgeber giebt; im 
i Allgemeinen ftellt fid) ba» Berf)ältnih mie 9:1. gerner barf nicht 
j anher Betracht bleiben, bah rin Arbeitgeber feiten unb nur ungern 

i 4 ) 3id)e liiiTÜbel* gaftroio a. a. £. 3. ‘>'>4. 









Sogiale prajlS. Eentralblati für Sogtaipolttü. Kr. 12. 


826 


826 


eilten progefe wegen einiger KJarf Scbabeuerfafe anftrengt, weil 
feine 3^it ihm mehr gilt. Itmgefcbrt ifi ber Arbeiter Bei feiner 
gumeift ungiinftigen BermöcjenSlage gegmiutgen, wegen unberechtigter 
Sobnabgüge ober wegen feines ©Habens aus uitrechtmäfeiger Ent« 
laffung fein Ke<ht oor bem ©ewerbegericht gu finden. Jaftrow 
weift aufeerbem barauf |itt, bafe bie Arbeitgeber im Bcgc ber 
ßobncinbe^altung ftch aufeergerichtlidje §ülfe febaffen fönnen unb 
auch fdtjaffen. SBenn man fid; barauf berufe, ba§ im Bcrglctdf) gu 
ben gasreichen Klagen ber Arbeiter gegen Unternehmer bie' lefeteren 
baS ©ewerbegericht als Kläger nur wenig in Anfpruch nehmen, 
bafe fte alfo im Allgemeinen gu bem ©ewerbegericht fein rechtes 
Vertrauen gu haben fdheinen, fo treffe biefe Sctjlufefolgerung nicht 
gu. Söo loFale ©rünbe eine ftärFere Snatifpruchnahme bes ©e« 
roerbegeridhts burd) bie Unternehmer erforberlirf) machten, erhielten 
fie auch mit höheren 3iffertt. So !ämen in flauen auf 
412 flagenbe Arbeiter nicht weniger als 311 flagenbe Unternehmer 
(alfo 57, 0 unb 43, 0 %). $ie Bettufeung ber ©ewerbegeridhte burcf) 
bie Unternehmer fönne nicht als beweis bafür angeführt werben, 
bafe fie nicht auch auf Seiten ber Unternehmer Bertraneit geniefeen. 5 ) 
Aus bem Artifel ber Korrefponbeng lieft man überhaupt unfdjwer 
heraus, bafe mit ben hinfälligen Angriffen auf bie Kechtfpredhung 
beS ©ewerbegeridhts weniger biefeS als bie fogialbemofratifche 
Partei gu treffen begwecFt wirb. 

3um Scfelufe foU oon uns noch erwähnt werben, bafe bie 
©oangelifchen Arbeiteroereine ftch für bie ^hötigfeit ber ©ewerbe« 

« erwärmt hn^^n. 6 ) Auch bie 48. ©eneraloerfammlung 
tbolifcn DeutfdhlanbS hot am 21. Auguft b. 3. bie bisherige 
Arbeit ber ©ewerbegeridhte gur frieblichen Schlichtung oon Streitig« 
feiten aus bem Arbeitsoerhältnife, unb bie BirffamFeü ber ©erichte 
als Einigungsämter ooH anerfannt. 7 ) BefonberS bemerfenSwerth 
ift jeboch für uns, bafe ber DÜnifter für §>anbel unb ©ewerbe 
nach feiner Umfrage bei ben Aelteften ber berliner Kaufmannfchaft 
unb bei ben ^anoelsfammern über bie Errichtung oon Schiebs* 
gerichten für Streitigfeiten gwifchen Sfaufleuten unb ihren An« 
gefteÖten eoentuell auch felbftänbige Faufmännifche SchiebSgerichte 
eittgufefeen im Auge hat. 8 ) danach ftnb bei ber hödf)ften AuffichtS« 
inftang ber ©emerbegerichte oermuthlich biefe bo<h beffer beleumbet, 
als es bie SSiberfadtjer ber ©ewerbegerichte wünfefeen mochten. 

Bei biefer Sachlage werben bie ©ewerbegeridhte über bie Un* 
gnabe ber „Deutfdjen BolfSwirthfchaftlichcn Korrefponbeng" unb 
ähnlich gefinnter Blätter ftch gu tröffen wiffen. 

Berlin. _9)2. oon Schulg. 


EtmgnngSamt im eugtifhen Kohlenbergbau. Die früher oer« 
tagte Berjamnilung ber Bertreter ber ©rubenbeftfeer unb Arbeiter 
in ben oereinigten Begirfen ift jefet am 14. Degentber abgehalten 
worben. Die Srage, wer ben Borftfe führen foHe, ift gu beiber« 
feitiger Befriebigung geloft worben. Kach ber Bereinbarung füllte, 
wie man ftch erinnern wirb, bei einem Mangel an Uebereinfümmung 
innerhalb beS Amtes, ber Borftfeenbe oom „Sprecher" beS Unter« 
haufeS ernannt werben. Dagu brauchte es inbeffett nicht gu 
fommen, fonbern bie Bertreter beiber Parteien einigten ftch, unb 
einmüthig würbe ßorb SamcS oon ^ereforb auf biefen wichtigen 
Boften in ber Belt gewerblicher Einigung berufen. Bermuthlich 
wirb inbeffen bie Saft feiner Pflichten nicht aUgu fchwer fein, ba 
feine Anwefenheit bei ben Sifeungeit lebiglidh bann erforbert wirb, 
wenn bie Delegirten ftch nicht felbft einigen rönnen, was nach bem guten 
Anfang hoffentlich feiten ber galt fein wirb. 9J?an fc|retbt uns 
gu biefem bebeutfamen Borgange aus Sonbon: „Englanb bebarf 
gerate jefet recht bringenb eines fchlagenben BeweifeS für ben Er« 
folg gewerblicher Diplomatie, unb auf biefe Beife würbe auch fo« 
gar bas Pringip gewerblicher Einigung eine gröfecre Berbreituitg 
unb Anerfennung finben." 

Ablehnung eines SfhiebSgeridjtS gtoifchen $ycbent unb Seeleuten 
am Ettybe. Dte in Sp. 255 erwähnte Bewegung unter ben eng« 
iifchen Seeleuten gegen baS Spftem ber Federation ticket hölt 
noch an, ohne jeboch an AuSbehnung gu gewinnen. Der „©ewerF* 


8 ) Jaftrow a. a. C. 0. 372 ff. unb baS „©eioerbcgericht" oom 
3. September 1896, 92r. 6 Sp. 75. 

6 ) Eingabe betr. EtntgungSämter unb SchiebSgerichte oom 22. £f= 
tober 1897 beS Auspuffes bes ©efammtoerbanbcS ber Eoangelifchen 
Arbeiteroereine DeutfchlanbS an bett Reichstag. 

7 ) Siebe baS „©ewerbegericht" oom 1. September 1898 Kr. 12 
Sp. 144. 

8 ) Siebe bas „©eioerbcgericht" oom 4. Koocmbcr 1897 Kr. 2 Sp. 23 
unb 24. 


oereiit ber Seeleute unb Jfcuerleutc" hat fog .s^aitbelS« unb ©c- 
werbentinifterium erfuchi, einen Unterfudtjer gu befteHen, um bic 
Streitpunfte gwifchen ihnen unb ber Shipping Federation aufgu« 
Flären unb einen SchiebSfpruch J^crbci^ufüören. Darauf h a * ba$ 
Btnifterium ein Sd)reiben an bie Hnterttehmerocreinigung gerietet, 
ob eS biefem Begehren ber Arbeiter ebenfalls guftimme. Die 
Antwort war ein runbeS Kein. Die Unternehmer ftnb ber Anfufit, 
ihr Streit falle nicht unter baS BerföhnungSgefefe oon 1896, unb 
fte wollen Feilte Bermittelung oon irgenb einer Sette, mag fte auch 
noch fo gut gemeint fein. 

föefornt ber frangbftfehen ©emerbegerichte. Dem frangöftfdhen 
Parlamente Ifegt ein Antrag, betreffenb oie Keforrn ber Conseils de 
Prud’hommes oor, ber einer SpegialFommtfftott gur Beratung 
unb Berichterftattung gugewtefett würbe. Der AngelpunFt ber be« 
autragtert Keforrn liegt tn ber Sicherung einer einheitlichen Kecfjt* 
fpredtjung, nadhbem bte Erfahrung gelehrt hat, bafe in ben 50 000 
Streitfällen, bie alljährlich gur Entfcheibiutg oor bie Prud’hommes 
gelangen, an oerfchiebenen Orten überaus üerfthiri> c ü c Enburtheile 
gefällt werben. 


Cttentrlfi^e Änjcigto. 

B2iinchencr BolfSwirthfchaftliche Stubien. §erausgegeben oott 
2ujo Brentano mib BalterSofe. 27. bis. 29. Stücf: 3 ur ®eneftS 
ber heutigen agrarifdfiett Sbcen in Preufeen. Bon Alcjmnber 
Üeim). 141 S. Breis 3 ut . — 2)as Sd{)laffteUenwefen in 
ben beutfcheit ©roßftäbten unb feine Keform mit befonberer Be« 
rücfftcbtigung ber Stabt SKintchen. Bon Dr. Ernft Eahn. 121 S. 
preis 3 M. — Die £age ber beutfhen SRüfjleninbuftrie 
unter bem Eiupufe ber ^anbelspoliti! 1879—1897. Bon 2ubwig 
§oHänber. 98 S. Preis 2,40 Uf. Berlag ber 3- ©• Eotta’fch en 
Bnchhanblung Kachfolgcr in Stuttgart. 

I/Humanite Nouvelle. Revue internationale. 2® Annee. Octobre 
1898. Paria, Librairie .0. Reinwald; Brüssel, Librairie Spineux, 
# Prix du Numero: France et Belgique 1 fr. 25, Etranger 1 fr. 50. 

Bitten. §auShaltS*Etat ber Stabtgemeinbe Bitten pro 1897/98 nebft 
Bericht über bie Berwaltung unb ben Stanb ber ©emciitbe« 
Angelegenheiten pro 1. April 1896/97. 
ata ft er ber im Königreich Prcufeen oorhaitbenen eingetragenen ©e« 
noffenfhaften. Unterlagen gur ®enoffenfchaftS|tatiftif. Be« 
arbeitet oon ber preufeifdfjen Eentral * ©enoffeitfchaftS«Kaffe. 
Berlin 1898, Earl ^epmattns Berlag. 649 S. 

I. Kachtrag, 192 S. 

Statistiscli Jaarboek der Gemeente Amsterdam, uitgegeven 
door het Bureau yan Statistiek der Gemeente. 2® Jahrgang 1896. 
3« Deel: Grondgebied, Hygiene. Prijs f. 0,50. — 4® Deel: Open- 
baar en bijzonder onderwijs te Amsterdam. Prijs f. 0,30 — 
5® Deel: Gemeentelijke Financien. Prijs f. 0,20. 

Biittheilungeu ber Preufeifhen Eentral«EenoffenfhaftS« 
Kaffe, .^eft I. Statiftifclje Ergebniffe beS KatafterS ber im 
Königreich Preufeett oorhatibenen eingetragenen ©enoffenfehaften. 
Berlin 1898, Earl ^eijmcntns Berlag. 85 S. 

Bergeichnife ber BetriebS*(5abrifS*)Kranfenfaffen beS beutfhen 
KeicheS. B?it Benufeung amtlicher Cuellen gulammengeftellt. 
Kebft einem alphabetifhen Kegifter ber Drtfqjaften unb ber 
^abrUationSgwcige. Berlin 1898, Berlag ber Arbeiteroerforguug 
(A. Drofhel). 184 S. Preis 6 M. 

Bericht über bie Berwaltung ber ^noatibitäts* unb AlterSoer« 
ficherungSanftalt 0djleSwigǤoiftein pro 1897. 

Eonrab, Prof. Dr. ©runbrife gum Stubium ber poiitifdfjen Cefo« 
nomie. 3ajriter &heil: BolfSwirthfhaftSpolitiF. 2. erweiterte Auf« 
Auflage. Sena 1898, ©uftao ^ifher. 144 S. Preis M 2,80. 

Kogge, Ehriftian, Dhomas Earltjle. Ein ©ebenFblattgurhunbertften 
Bieberfehr feines ©eburtstages. ©öttingen, BanbenhofcF & Kup» 
recht. 1Ö0 S. preis geh- M 1,20. 

Eine aus warmer Berehruitg entfprungene biographifhe SFigge beS 

großen SKanneS, bie bringenb jum Stubium feiner Schriften auf« 

forbert. 

Jahresbericht bes Berbanbes gur Sörbcrung bes ArbeitSnach« 
weifeS im Kegierungsbegirf Düffelborf pro 1897/98. 

Augsburg, Berwaltungsbericht beS Stabtmagiftrats Augsburg pro 
1897. 

Das Armen recht, insbefonbere bas KeichSgefefe oom 6. Juni 1870 
über ben UnterftüfenngSwohnftfe in feiner Bebeutuitg für bie pri* 
oatwohltbätigfeitS«Bereine unb Anftalten. Bit einem Anhänge 
über bie öffentliche Armenpflege in Bayern, .jperausgegeben oon 
einer Komrntffion bes EharitaSoerbanbeS für bas fatholifhe 
Dcutfchlanb (Eharitas«S(hriften. 1. £>eft). /vreiburg i. B. 1898, 
Berlag bcS EharitaSoerbanbeS für bas Fntbolifchc Dcutfchlanb. 
91 S. 


SkrantiDoitUd) für bic ^cbnfitou: Dr. CSvuft ^raliefe in Berlin W, »agreutrjcrflvaftc 2H. 




828 


327 Sojiale $ra£tS. Eentralblatt für <So$ialpolitif. Hr. 12. 

® ie "Sroitaic ctjd^eint ait jebem Xomictttag unD ift Durd) alle Hucbbaitblungen unD 4>oftäiuter (^oftjoitungSnuiiiiner 6729) 311 bc^ieljen. Xer ^rciö 

für Hierteliahr ift SW. 2,50. 3ebe Stummer foftet 30 Hf- Xct SlttaeigenpreiS ift 60 ißf. für bie breigefpaltene ^etit^eile. 


Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35. 

Vergleichende Darstellung des Bürgerlichen 
Gesetzbuches und der Landesrechte. 

Das Gemeine Recht. v» D Dr. «. v. ituchkn, 

Leg.-Rat u. Direktor im Aasw. Amt, ehemalig. Obcrlandes-Ger.-Rat u. Mitgl. d. 
Ueicbstagskoinmission. Zwoite, verbeaierte Aufl. Eleg. geh. M. 9,—. 
Die erste, sehr starke Aufl. war nach 6 Monaten vergriffen. 

Der Code civil. v» n it. Förtsch, R«ichs«Mcb.sr.t. ». 

Eleg. geh. M. 7,—. 

Das Preuss. Allg. Landrecht. v on Dr. F. Licske, 

Geh. Justiz- u. vortr. Rat im Preuss. Justizminist. Erscheint in Lieferungen. 
Bisher erschienen Lieferung 1 und 2. M. 5,70. Preis kompl. ca. M. 14,—. 
Die in erster Linie für die Praxis bestimmten Werke sollen darch 
eine vergleichende systematische Gegenüberstellung der geltenden Kechtssysteme 
und des BGB. die Einführung des BGB. erleichtern. 

Jeder Band — völlig- in sich abgeschlossen — ist apart käuflich. 


Soeben und noch rechtzeitig zu den Verhandlungen des Reichs¬ 
tages erschien: 

Zur Erneuerung des deutschen Bankgesetzes. 

Von 

Dr. Karl Helfferieli. 

Preis 3 Mark. < 

Der Eintritt des Zeitpunktes, zu welchem die Reichsregierung berechtigt 
ist, die Privilegien der Notenbanken aufzukündigen, stellt die deutsche 
Gesetzgebung nicht nur vor die Frage, ob diese Privilegien verlängert 
werden sollen oder nicht. Die Gesetzgebung ist in der Lage, die be¬ 
stehenden Notenrechte unter veränderten Bedingungen zu erneuern, und 
sie muss diese Gelegenheit zu zeitgemässen Aenderungen des 
Bankgesetzes um so sorgfältiger benutzen, als während der Gültig¬ 
keitsdauer der Privilegien einschneidende Aenderungen ohne die Zu¬ 
stimmung der einzelnen Notenbanken kaum vorgenoramen werden konnten. 
Deshalb werden gelegentlich des bevorstehenden Kündigungstermins 
nicht nur Umgestaltungen der üruudzüge unserer Bankverfassung, sondern 
auch Aenderungen innerhalb des Rahmens der bestehenden Bank- 
verfassung einer eingehenden Erörterung unterzogen._ 


lieber bie ffijrodicn Jcr «eueren (ficftl|itl|te. 

Son 

feopolb uon flanke. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena 


Soeben erschien: 

Die Entstehung 




t>on 21 1 f r c fc o t» r. 

3 weiter Sonberabbrucf ber „Verträge", fünfte Auflage. 

150 Seiten Hot)aI 8°. SßrciS 3 Hfarf 60 sßfg., in Seinumnbbanb 4 Htarf 60 ^fg. 

Xer erfte Sonberabbrucf btefer Hanfefdien Sdjrift ift oergriffen. Xie Herlagsfwitblitug 
oerauftaltete einen ^weiten, in größerem Format nnb jit luefeiitlid) billigerem greife. Xtcfe 
Vorträge Hanfes, bie er felbft als „eine Hhapfobie ber Unioerfalhiftorie" beseidmetc, enthalten 
in ber fnappften gönn bie ftauptfumme feiner tfiebltngsibeen nnb feine ?lit[id)ten oom 3 ll f«muten« 
bange ber uüdjtigften H$cltbegebenl)citen. 


und die 

ökonomischen Grundsätze 

der 

Chartistenbewegung 

von 

Dr. John Tildsley 

—-— Preis: 3 Mark 50 Pfennig - 




2 )er „ 97ei djSbote" fd^reibt in feiner 97r. 267 uom 
27. Oftober: 

3n bem großen Sammelioerf ftaats« unb fociaPiuißenfrfiaftUdjer 
^orfdiungen, berattSgegcben non ©uftau Sd)tnoller, ift foebeit als 
2 . £>eft beS 16. Hanbes folgenbes 2Bcrf erfdjienen: Statiftifchc Stubicn 
^ur (9ntto\dcU\nü*ücf(t)\d)tc ber berliner ^nbuftric oon 1720 
bi$ 1800 . ®on Otto S&iebfclbt. l'eipjig. Verlag uon Xuncfer 
& .fpumblot. ^rcis 9 2tfarf 60 Sfifg. 3» biefer müheooden unb fleißigen 
Arbeit gtebt ber Herfaffer an ber &anb ftatiftifeber 3ot)len einen außer« 
orbentlidi intereffanten Ueberbltcf über bie Entioicfelung ber ©enterbe 
in Berlin im Verlauf ber lepteit 200 ^apre — oont Enbc bes 
80jährigen Krieges bis in bie ©egentuart, b. I). bis junt Csafjrc 1890, 
nttb jmar in cingebenber Xarfteüung ber Entioicfelung ber einzelnen 
©enterbe. Xiefc Arbeit ift um fo banfenStoerfer, meil fte mof)I bie erfte 
ift, roeldje in biefer ©riinblichfeit bie ©enterbcentioicfelitng eines fo 
beftinunt umgreifen ©ebiets, tote bie Stabt Berlin, barlegt, nnb gerabe 
barin liegt if)r großer HScrt unb ifjre lüiffenfdiaftlidje Hebeutung. ES 
ift fe^r anerfenncnS« unb banfeitsroert, baß bie Hationalöfonomic fidj 
foldjer gri'mbltdier ^iftorifc^er Stubien beflcifjigt, um fic jur ©ritnblage 
für ben Söeiterbau ber SBiffenfc^aft 3 U machen, ftatt, tote es bisher oiel« 
fad) gefchaf), mit allgemeinen Theorien 31 t arbeiten unb fie bett praf« 
tifdjeit Herbältniffen als ein 3 odj. aufjitlegeu, toobnrd) fo oiel Htipgriffe 
gentadjt unb bie Entiotcflung itt falfd)e tabuen gebrängt toorbett ift, 
bis bie bitteren Erfahrungen sunt ?lufgebctt ber Xh c orieu nötigten, an 
beren Stelle aber bann oft anberc nicht mtnber bebeitfliite gefept umrbcit. 
Möchte cS ben 9?attonalöfonomen eingegeben feilt, aus bett tbatfädilidien 
Lepren ber gefdiiditlidicn Gntioirfelung überall richtige Äonfequenjen 31 t 
3 tehen. ES ift baS befonbere Serbien ft SditnoüerS, ber aud) 3 U biefer 
Arbeit 5^icbfelbtS bie Anregung gegeben h^h btefc hiflorifche SRid)tung 
in ber 9?ationaIöfonontte geförbert 31 t h^ben. ?lud) er felbft h^t foebett 
in betufelben Verlage oott Xuncfer & .^umblot 311 ^eip 3 ig ein neues 
bebeutenbes hiftorifd;eS iföerf btefer ?lrt crfdieincn laffctt: Üinriffe unb 
Uutcvfurf)itugeu jur ^crfaffung<<= f ^cviunltnugs unb fSbivt- 
fchaftSgcfchifhtc befonber^ bc<5 pvcnbifäen Staates im 17 . unb 
18 . ^abthunbert. 'llou <9uftat> Schmoll er. ^?rcts 13 2)?arf. — 
Sd)ittoüer legt itt biefer intereffanten, auf itmfaffenbett hiftorifchen Stubieit 
beruhettben Arbeit bie große 3?cbeittung ber Eitttoicflung ber toirtfebaft« 
lidiett Verholtttiffe im preußifdjen Staate bar unb 3 cigt inSbefonbere auch 
bie intenfioen unb umfaffenben Arbeiten, toeldje bie preitßifdje Regierung 
unb fpe 3 iell bas prcußifchc Monigtum itt biefer s ^c 3 tehung entfaltet h«t. 
Er fdjilbert 3 uerft bas ^erfautilfpftem in feiner hiftorifchen ^ebeutung, 
inSbefonbere bie ftäbtifebe, territoriale unb ftaatliche Söirtfd;aftspolitif int 
17. nttb 18. oahrbunbert, bie ^anbelsfperre 3 iuifd)en ^ranbeubttrg unb 
Sommern, bett ftänbifdjen lerritorialftaat, ben Neubau bes pmtßifdjen 
aerautmortlid) für bie innjeigen: ^eDinutl) (Setbel, ficljijlg. — »erlag uou 


Staates bitrd) ben (Großen ähtrfitrften, behanbelt bie ^cbeutung ^vifbrid) 
SBühelmS I. als ginau3mann, unb fdplbcrt bann in ausführlicher Söeifc 
bas loirtfdiaftlidje SBirfcit griebridjS bes ©roßen unb fdjließt mit 
einem intereffanten Uebcrblid über bie ©etreibehnnbelSpoliiif, inSbe* 
foubere im 19. 3ftbrhu»bert. 

$5ie „^ölnifd^e ßeitung" 97r. 1051 (uom 8. 97oücnibcr 
1898) fdhreibt: 

Xer frühere ^räßbent bes 9ieid)S=^crßd)erungSamtcs Dr. ^DÖbifcr 
bat im Verlage oon Xuncter & ^untblot in ^?eip 3 ig eilte flciuc Sdirift 
über „bie SWcichSOcrfichcrungögcfcUgcbmtg^ (1 SDtarf 60 $fg.) 
erfcheinen Iaffen, bie für bie nädifteu Aufgaben beS 9ieid)Stages auf 
bem ©ebiete ber 2 lrbeiteroerficheruug toie ber ^riuatoerfidjernng oon 
befonberer 'JBebeutuug ift. ftiir bie Uttfalloerfidjerung regt er eine 
jReihe oott fünften an, biemnter 'Jlufrediterhaltung ber jepigett großen 
$Bor 3 itgc ber 9ictd)Sgefcpgebung imftattbe finb, nennenStoerte s l>er« 
befferungett herbei 3 uführcn. ^ür bie Slrbeiteroerficherung toicbcr« 
holt er biejenigen S>ereinfachitngsüorfd)läge, toclche er ittt 9?ooember 1895 
ber Beratung oon Sacbuerftänbigett unterbreitet h^h^ bamalS itt 
bas 9icid)Santt beS Innern cinberufeu toaren. Xen .Stent biefer Hör« 
fd)Iägc bilbct bie Hefeitigung ber Htarfc als 5onu ber HeitragS« 
erhebuttg bei ber 3noalibitätS« uttb 2(ItcrSüerrtd;erung. Xaneben ftrebt 
er eine grnnbfäplidjc Hercinigung ber Unfall«, ^noalibitäts« unb Alters« 
oerficheruugS«Crgantfatiott itt Henoaltitng unb Siedjtfprechuttg au. gür 
bie ^rioatoerfidjentug betont er bie Hottoenbigfeit ber balbigeu Regelung 
bitrd) bas Heid); bie 311 t 3 e d beftehenbe Hcd)tS 3 erfplittermtg auf biefem 
©ebictc ift für bie Olefellfchaften ebenfo brücfenb toie für bie Staats« 
auf|icht lähmettb. 3luf feinem anbertt Hcdjtsgebicte ift baS Xttrdi« 
einanber in Xcutfd)Iaub fo groft tote auf biefem, fdjott feit 1861 ift 
baS Hebitrfttis nad) einer einheitlichen Hegelung bes HerficherungSred)ts 
für gatt 3 Xcittfchlatib 311 m 2lusbrttcf gefotmnen. Xer Herfaffer h^t ”tt 
^aljrc 1882 als Heferent für baS ©eioerbeioefett im HeidjSamte bes 
Ämtern eilten hierauf bc 3 üglicheu ©efepentiourf nebft Hegriinbung aus« 
gearbeitet. Er ocröffentlidit jept bie ©rmib 3 itgc biefeS Entwurfes, bie 
barauf ab^icleit, einen billigen 21 ttsgleid) 3 toifd)cn ben ^idereffen ber 
Hcrfid)erungSgefeHfd)aftett, tote beneit ber SBcrfirfjcrtcn nttb ber Staats- 
aufftdjt 31 t finben, unb er begriinbet bie cinseltteu Horfdjlägc in ein« 
gepenber 33eife. Hei ben gropen Erfahrungen unb Stenn tu iffen, bie 
.frerrtt Höbifer auf bem gati 3 ett (Gebiete ber Hctd)Soeriid)erungsgefcp« 
gebitng 3 ttr Seite ftehen, uttb bei ber innigen gühlmtg, bie er ftetS mit 
•£>atibel uttb ©ctoerbc XeutfdjlaitbS gehabt b<U, oerbienen bie Horfdiläge 
ber Schrift bie aufmerffatitfte Heachtiutg nuferer gefepgebenbett Störper« 
fdjaften. Hiögc bei ihnen ber Same, bett er hier aitSgeftreut bett,- guten 
Hoben fittbcit. 

Sünder & i>utublül, VJeiviifl. — ©cbiurtt bei Suliuö SlUcnfelb, »crll:i. 





vm. galftpijg. 


©erlin, bcn 29. 2>egetnber 1898 


itomnwr 13. 


Soziale ptajis. 

@enftrafl>faff für ^ogiafpofifiß 

mit ber BtonatSbellage: 

Das < 5 ewctt>c 0 cridjt, 

Organ bes Perbanbes beutfdjer (Betcerbegcridjte. 

Beue golge ber „glätter für fokale ©rayü^ unb bei „Soaialpoltttfdjen EenfcralblattS*. 

Orföcitti an jebem %mun Ra«» $eraU§gcBer: ©retb toterteWrllH 2 «. 60 ©f. 

SRebaftlom Berttn W., Bapreutljerftrafee 29. ÖP. Ctttß £tÜU&t* ©erlag bon Dunder & ©umblot. Selbig. 


äuljalL 


©ie Sbätigfeit bet lanbroittb* 
fcbaftlidjeitSpnbifateingranf» 
teicb auf fojialem Öebietc. ffion 
Dr. £>. Söiebfelbt, ©rebben. . 329 
«Nnutai Cutab ksI «Mitif #®fi§* 

»rttttf.333 

Sniernationaleb Strbeiterfdjufeamt 
Äoften beb StmteS föt Strbcitöftntiftif 
in Defterreid). 

©ie amerifanifdjeit ©e»er!fd&oftcn 
gegen bie SlnnejionbpoliW bet ©er* 
einigten ©taaten. 

•sitele &uftäit»e i . . . 335 

Äinberatbcit in gabrifen unb in bet 
#aubinbuitrie ©eutfcblanbb. 
«d)tftunbentag im föifenbaljmoefen 
©aprnb. 

3Wifeitanbe im ©raget ©aefergemerbe. 
SSmetifaniftbe ©ifenbabnatbeiter*Sta* 
tiftif. 

tfrbeitgeberbevbänbe.338 

Herein beutfdiet Sapetenfabrifanten. 
©tei$« unb l f obnbeteinbarung in bet 
ölabinbuftrie Storbböljmenb. 

tUtrtterbetoeflnn«.339 

Änbfperning unb ©treif bet ©eiben« 
»ebet in ittefelb. 

©au non ©emerficbaftafjihifern. 
6ttid)tung bon SIrbeitetfefretariaten. 
©togtamm ber £rabe UnionS für bie 
:iltbeit$gefebgebung. 

©et ©onberfongtefc bet britifdjen 
©emerffebaften. 

Bewegung bet ^anblungSgebülfen in 
©arid. 

«Mctterf*«*.341 

Äonfetenjen bet preu&iföen ©emetbe« 
aufficbtSbeomten. 


©et 91d)tubt!abenfd)tufi unb bie ftlein« 
faufieute. 

£anbe£poli$eilid)e ©erorbnung jum 
©cpu& ber Bauarbeiter in Slnbalt. 
©ifenbal)narbeiterfd)ub in £)efterrei<b. 

ftUfccitertoerftrfimittg. ®parfaffe» 342 

©etriebb« (gabtif») Äranfenlaffen beb 
©eutiepen 3ftcid>eö. 

©taatli^e ©erfieperung ber ©eeleute 
in DefterTeicb. 

©ab©erfid)erung8roerf in ber ©djroeij. 

©ntfcpcibungen übet ben Umfang beb 
Arbeiter * UnfaQentftböbigungbgefepeb 
in (Snglonb. 

tUteiiSnaftwei*.344 

©et ©ctbanb jut görbenmg beb 
«irbeitbnacbroeifeb im Uiegierungb* 
©ejirf ©uffelborf. 

©ie 2irbeitboermittIungbfteHe bet 
©tabt Dbnabrficf. 

©emeinblicbet Slrbeitbnacpweib in 
©öttingen. 

ftto^nnngStaefen.345 

©ie SBopnungbfrage InSonbon. 
©ou g. 29. ©alton, Sonbon. 

ÜJtietpen unb ttrbeitermobnungfinotb. 

görberung oon ®rbeiter«2Bobnungen 
bntcb bie ©etficbetungbanftalt ©d)leb« 
roig^olftein. 

3ur ©efeitigung bet SBobnungbnotfj 
in ©rebben. 

•nteftnna nnb ©Ubnag.349 

©ie 3 u BÖTeTf(baft ber ©olfbtpfim* 
lieben .s^ocbfdjulfurfe in Berlin. 

©etoerbefleviebte. Cinifaiiitämter. 
©«bieMgertdiie ..349 

(Srinigungbamter bei englifeben ^>an* 
belbfatnmern. 

SUtirartfOc ttntctgen.350 


Qbbtud fömmtlidjer Slrtifel ift ßeitungen unb 3<Uf<Btiften geftattet, ieboeb nut 
mit dotier Quellenangabe. 


Bie Stätigkeit der iankniittt)rd)aRUit|en Sgobibate 
in ^rankreid) auf fo|ialeui ©ebiete. 


3 « ben lebten fahren hat fi<h in granfreidj aiemlidj geräufd)* 
los eme Bewegung entroicfclt: bie Drganifation ber Baueritfdjaft 
in lanbroirthfchaftlidjen Spnöifaten. 21 ls baS ©efefc über bie gach* 
oercine (Spnbifate) 1884 in jroeiter Sefung Beratfjen mürbe, foH 
bei ber 2?erlefung be^ §. 3: 

,,©ie ©pnbifate babeit aiiJ&fd^Iie^Iicfj jum ©egenftanb baö ©tubium 
unb bie ©Jaljrung ber mirtf)|d)aftUd)en gutereffert be^ ©emerbeb mtb 
bes .^anbelb" 

ber $lbgeorbnete Dubet plöfolitb baamiftbengerufen b^ben: „Söarum 
nic^t auch ber ßanbroirtbfdjaft?" 6 o ronrbe bie§ SBort mit bin* 
eingeftieft, ohne bafe man bei ber Abneigung ber fransöfifd)en 
l?anbbenötferung gegen jebe genoffenfd)aftlid)c ferganifation biefer 


^rroeiterung befonbere praftifebe 33ebeutung beima|. 3naroifcbcn 
finb aber bie tanbroirtbfd^öftlidjcn 3fatb ocreinc au f “ber 1700 mit 
mehr als 700 000 TOtgliebern bew«geroacb)en, bie in 10 grofeen 
Serbänben jufammengefcbloffen einer mirffamen unb macbtooÜen 
Sutereffenoertretung ber franaönfcbcn Öanbmirtbfcbaft aeroorben 
ftnb. S)iefe Sacboereine haben fidb junäebit als GiitfaufSoereini» 
gungen für lanbroirtbfcböfi ^ 6 Sutter«* unb Düngemittel betbätigt, 
unb ihre (Sentralftetten (Cooperatives Agricoles) b“ben bereits 
einen geroiffen ^influfe auf bcn §anbel in biefen ?lrtifeln erlangt. 
@ie babeit fid) ferner gemeinfebaftheb Drefcbmafd)inen, 3Ääbntafcbinen 
u. f. ro. befcf)afft ober Drainagen, 23eroäj|erungSanlagen u. f. m. 
auSgefübrt. Sie bnben 3“d)tgenoffenf(baften, Sßolfereien, Eäfereien, 
Säciereien, 9Rütlereien, Äonferoenfabrifen u. f. ro. errichtet unb ben 
Slbfafc ihrer lanbroirtbfd)aftlicben ^ßrobufte in einzelnen 3 roc * 9 cn 
Bereits mit ©liicf felbft in bie .§anb genommen. 

$od) intereffanter als biefe großen roirtbfcbaftlicbcn Erfolge ift 
bie Dbätigfeit ber Spnbifate unb Spnbifatsoerbänbe auf fokalem 
©ebiete, bie aunäcbft abficbtslos aus ihren roirtbf<baftlid)en 3 roerfen 
berauSgeroacbfeit ift, bie aber nun mit beraubter SCbftcbt in be* 
ftimmten ^Richtungen*) oerfolgt roirb. 

9luf ber ©renxe jroifeben roirtbfebaftlicber unb fojialer 2 öirf* 
famfeit liegen bie ©erfuebe ber lanbroirtbfcbaftlicben Spnbifate, mit 
ben $onfumoereinigungen ®efd)äftsbeaiebnngen ju pflegen unb 
überhaupt mit ihnen m SSerbinbung ju treten, roie bieS auf 
mehreren Äongreffen, 3 . 1896 in $anS, als erftrebenSroertheS 

3iel ht“ 9 ^i^ttt ift. 3n Deutfchlanb oerfolgt oon allen lanbroirth* 
fchaftUchen ^Bereinigungen unb ©enoffenfihaftSoerbänben nur ber 
SSerbanb 9th e t“P reu 6tröer lanbroirthfd)aftlicher ©enoffen|d)aften mit 
9£ad)brucf bas gleiche 3 i e f- 3 “ Sranfreid) geht man folgerichtig 
noch einen Schritt roeiier, inbem bie lanbroirthfchaftlidjen Spnbifate 
ober Spnbifatsoerbänbe felbft berartige iionfumöereinigungen 
grünben. So in la SRocheHe, Spon, Dijon, §loignon, Xornelle 
u. f. ro. hierher gehört aud) bie Errichtung oon ©enoifenfehaften, 
roie Schlächtereien/ Müllereien, 33äcfereien, bie halb lanbroirthfchaft* 
liehe ^robuftiogenoffenfdjaften unb halb $onfumoereine finb. Der^ 
artige, in Deutfchlanb nod) feltene ianbroirthfdjafttichc Bereinigungen 
fmb in öranfreid) feljr zahlreich. @0 jählt ber ©raf be SRocguignp 
3 . B. in einem ber 86 Departements, in Gharente*3nferieure, 130 
Bäcfereigenoffenfchaften. Bei allen biefen Btafcnahnten ift neben 
ber Schaffung eines fnheren unb oortbeilbafteu MfafceS burch 51ns* 
fcheibung ber oertheuernben 3 ro ifih en flationen fietS bas Btotio 
mafegebenb: „ben fleinen Bauer unb ben Ianbroirtbfchaftlid)en 
Arbeiter in ber Befchaffuug ber ßebenSnothburft feiner Samilie 511 
unterftüfeen unb ihm bie Sparfamfeit jn erleichtern." 

Unter bie halb roirthfchaftlid)e unb halb fogiale Dhätigfeit fallen 
nod) bie Beftrebungen, roelche barauf gerichtet finb, einzelne 3“= 
buftriearoeige auf bemfianbe ein 3 ubiirgern. Es hanbelt [ich hierbei 

*) Äuf bent britten nationalen Ätongrcfj ber fran^öfifdicn latib* 
roirthfdjaftlidjen Spnbifate, ber am 5., 6. unb 7. $ t 'ai lsi>7 in Criean* 
[tattfanb, hielt ber ©raf be 9tocquigni), einer ber geiftigen giiljrer ber 
fran^öfifcfjen ©nnbifate, einen ©ortrag über ,.Le moavemeut symiical 
dans l'Agriculture (Paris, Guillaumin et Cie. 181)71, in toeldjnn er bie 
fokalen i'eiftimgen mit befonberer 9Iits[iilirlidifeit belmnbcltc. 
















831 


©ogtale $ra£i*. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Sir. 13. 


332 


nicht nur um SNolfereien, SJtüllereien, Väcfercien, Wurftfabrifen, 
fonbern auch um Koitfcroenfabrifen, 0tärfe*, Nubelfabrifen u. f. m., 
fo bafj alfo in gewiffetu Umfange eine l'ofalifation ber 3itbuftrie 
foweit fic mit ber i?anbmirtf<haft eng gufanuncnhängt, angeftrebt mirb. 
Dabei ift nod) git bcadjten, baß in oielen biefer Jabrifen, mie in 
gaf)lreid)en 0t)itbifaten bie Veatnten unb Arbeiter nicht bloö gegen 
£ot)n, fonbern au cf) mit (Gcminnbetheiligung angcftcüt finb. 

(Sin weiteres Veftreben ber 0i)iibifate gel)t ba^in, Krebitge* 
noffenfdjaf tcn ins £cbcn 31 t rufen, alfo ber länblidjcn Veoölferung 
bie Vorteile beS Vaitfgcfd)äftS gugäitglid) gu machen unb bierburd) 
fomol)I einer NuSmucherung ber fleincn Vefißcr unb Arbeiter burch 
Bewährung billiger Vorfd)iiffc gu fteuern, mie ihnen bequeme unb 
gute 0pargeIegenbeiteu gu bieten, hiermit in Verbittbung fteht 
bie Xhätigfcit ber 0 t)itbifate gur Verbreitung non Verfi gerungen 
aller Nrt, inbem fie tl)ci(S, mie bei Jeuer* unb nagcloerfidjerungen, 
bie Agenten ber großen 6 )efeHfd)aften erfeßen, theils, mie bei ber 
Vieh* unb Unfalloerfid)erung, felbft große Verfid)erungSgefellfd)aften 
gebilbct haben, Die Vieh* unb £ebenSoerfid)enutg ift namentlich 
für bie Kleinbauern unb bie lanbmirtbfchaftlid)en Arbeiter mistig, 
aber mcift nur bann für fie burchführbar, meun fie burdr SJiit* 
liebfdjaft bei einer Krebitgenoffenfchaft ober berglcidjen bie (Garantie 
abett, ihre Prämien, eoentued burch ®arlehn, red)fgeitig gahlen 
gu fönnen. 

3um VerficherungSwefen gehört noch bas (Gebiet berjeuigen 
Verfid)erungen, bie iit Deutfchlanb ber prioaten Xhätigfeit entgegen 
unb burd) ftaatlidje 3roangSoerficherungen erfeßt finb. 3n ben 
Statuten ber meiften Spnbifate ift bie 0cßaffung oon UnterftüßungS* 
unb Verfid)cruitgSfaffen mit als ein 3icl begeichnet. Einige 30 
bis 40 0i)itbifate haben befonbere ©enoffenfehaften gur gegeitfeitigen 
ttnterftüßung begrünbet; fie gewähren gewöhnlich freie tirgttidje 
Vehanblnng unb freie Ntebifamente unb außerbent wäßrenb ber 
KranfheitSbauer noch ein Nrbcitslofengelb; bei DobeSfäüen über* 
nehmen fie meiftenS einen Xijcii ober bie gangen Vegräbnifgfoften. 
(SS malten hierbei bie oerfchiebenften formen ob. 0o hat baS 
0pnbifat in Eaftelnaubart) bie Jornt ber beftätigten (GefeIIfd)aft 
gemählt (SociStS approuvee), um bie 0taatSunterftüßung gu ge* 
niejgen. Wer mit 25 fahren eintritt, gai)It g. V. iäßrlid) 5 3rcS. 
Das Spnbifat gahlt jährlich bie gleidje 0umme hingu, fo baß ber 
Vetreffenbe burd) Hingufommen beS 0taatSgufdjujfeS mit 65 3ahren 
eine Venfion oon 264 *$«$., mit 70 Saßren eine ^ßcnfioit non 
800 Jrcs. begieht. Wirb ber Verficßerte fdjon früher gnoalibe, fo 
mirb bie Sßenfion fd)on oor bem 65. Sabre gafjlbar. Diefe Nrten 
ber Verfid)erung mit 3nftf)Uß feitenS beS 0pnbifats merben oielfad) 
als ein geeignetes Mittel begeicfjnet, um ber broheubeit Entoölferung 
beS platten Vanbes burd) ben Jyortgug ber Arbeiter nach ber 0tabt 
etwas oorgubeugeu. (Singeine 0nnbifate finb nod) meiter gegangen 
unb gablen, mie Bellevilie-sur-Saöne, ben Wittwen unb Waifen 
begm. bereit Vortitünbern eine fßenfion aus ber 0i)ttbifatSfaffe. 
Einem berartigen 0 i)nbifatSgufd)uj 3 , ber aus gegenteilig geleiteten 
Dienften ber Viitglieber herftammt, fehlt natiirud) baS erniebrigettbe 
unb befchämenbe (Gefühl ber Nrmcnunterftiißung. 3 U ber NuS* 
fiihrung biefer Aufgaben benöthigen bie ©gnbifate eines gemiffen 
JvonbS, mie ihn gum Veifpiel baS eben genannte 0i)itbi!at für 
biefeit 3wecf in Hößc oon 10 000 $rcS. aufgeworfen hat. Da 
auf bem ßaube oielfacß felbft bie gemöf)niid)fteu ÜKebifamente 
fehlen, fo haben mehrere 0 t)nbifate fantonale Dispenfiranftalten 
errichtet, bie 001 t 0 d)meftern oerfeßen unb periobifd) non Nergten 
renibirt merben. 

Ilm beit häuftgeti ^rogeffen ber länblidjen Venölferung nor* 
gubeugeu, bie nielfad) nur aus unriditiger 9luffaffung ber 0 ad)lage 
berriihreu, haben nielc 0 nnbifatc 3ühn* unb 0 d)iebsgeeichte 
eingeführt. Söenn allerbings einige ben 0 d)iebsfprud) bei 0 treitig* 
feiten in länblid)en Angelegenheiten für iljre Vfitglicbcr obligatortfd) 
unb binbertb machen wollen, fo erfcheint bics bebenflid). 2 >ie 
meiften gehen and) uid)t fo weit, fonbern begnügen fid) mit ber 
Abgabe ihres llrtheils ober ber Herbeiführung einer ^lusföhnung. 
3o fonnte bas fdioit genannte 0 t)tibifat Vellenillc auf feiner 
©eiteralnerfammlnng am 25. Cftober 1896 ftolg baranf hiuracifen, 
baß es in ben lepten brei bis oier fahren 171 0d)iebSfprüd)c bei 
0treitigfeiteu gmifrijen Weingartnern, Vcfiberu unb ^achter 11 ab* 
gegeben hatte, bie oon ben Vetheiligten fämmtlid) anerfanut mürben, 
lliitunter finb bie 0 d)iebsgerid)te gu mirflidjeit Volfsfefrctariaten 
erweitert worben, bie ben Spnbifatsmitglieberu in allen 9icd)tS* 
fragen ^lusfunft ertheileu unb ihnen für alle ihre outereffeu ihren 
Vaih gewähren, g. V. bei fteuerlidjcn ober fonftigen fisfalifd)en 
llcbcrgriffeu, gegenüber ben 0 ransportgcfelIfd)aften 11 . f. m. 

^Das (^efe(j oon 1881 hatte ben 0i)itbifatcn bas bKed)t ge* 
geben, Arbeit Saus fu nftS*VureaiiS eingnrid)teu. ^Die meiften 


0 i)nbifate famtneln nur bie Angebote unb bie Nachfragen unb oer* 
öffentlichen fic bann regelmäßig in ihren Vlättern unter ber Nubrif 
„ 2 Jrbcits* 3 eitung". Slnbere, mie bie ©ärtner * 0 t)tibifate, haben 
ooÜftänbigc VurcauS gefd)affen, in benen bie 5(rbeitSoermittelung 
unentgeltlid) beforgt mirb. 0chon mirb in ben 0t)nbifatSuerbänben 
ber 6 )cbanfe erwogen, gwifdjcn ben eingelnen 0 i)ubifaten bie 
SIrbeitSangebote unb Nad)fragen auSgutaufchen, um fo bas 0)leid)* 
gewicht in ben Slrbeitsfräften unter beit eingelnen V l ‘ DlJ ingen h cr,? 
guftellen, unb um gleichgcitig im national*politifd)en 311 tereffe bie 
Kottfurreng auSlätibifd)er Arbeiter ferugnhalteit. (Siugelitc 0onbifate 
gewähren übrigens ben Ianbroirthfd)aftlid)cn Arbeitern bei Ntangel 
an Arbeit Slrbeitslofenunterftühung, Ncifeentfchäbiguug u. f. m. 
Slnbererfeits haben roieber einige 0 t)iibifate, fo gu fageit eine ©egen* 
feitigfeitSoerfid)erung bafiir gefchloffeti, baß bie ^elbarbeiten 
ber Sititglieber gur richtigen 3 e it "ansgeführt merben, and) wenn 
ber Vetreffenbe etroa burd) K rauf heit ober fonft an ihrer 21ttS* 
führung behinbert ift. ^Dicfe eigenartige Einrichtung fiubet fich 
oorroiegenb in ben Weinbau * ©egeitben mit 3roergwirth|cbaft, ba 
bie Arbeiten in Weingärten nur unter großem 0 chaben über bie 
3eit f)iaauSgegögert werben fönnen, unb ba bie fleinen üöefißer gu 
unoerntögenb finb, als baß fie fid) aus eigenen Mitteln Erfaß* 
fräfte befchaffen fönnen. Hier greift baS 0pnbifat ein, 
inbem entroeber bie anberett ©enoffeit bie Arbeit mitntad)cn, 
ober iitbcnt fie burch Arbeiter ausgeführt mirb, bie 00 m Spnbifat 
angenommen unb begahlt merben. 

0 d)oit an fid) finb bie lanbroirtl)fd)aftli<hen 0 t)nbifatc unb 
baS Arbeiten in ihnen für bie üüfitglteber eine anSgegeichnete 
04ule, wie bieS auch in 2?eutfd)lanb bei ben Iänblidjeit ©e* 
noffcufd)aften ber 3 aü ift. §lbcr bie fraitgofifcheit 0 onbifate gehen 
noch weiter unb fud)en bie gewöhnliche SDorffchule burd) theoretifch 
praftifche ÖanbmirthfchaftSfurfe gu ergängeit. ®ic bretoiüfd)en 
0pnbifate, in erfter ßinie baS 0pnbifat ber ^anbtoirthe unb 
©ärtner, b’Stte & SBilaine, haben in'biefer Vegiel)ung bie 3nitia s 
tioe ergriffen unb oieleS geleiftet. 0ie haben mit Hülfe ber „Vrüber 
oon Samennais" bei fämmtlidjen (Siementarfdjnlen Mnrfe einge* 
richtet, in benen nad) beut „Ianbroirthfd)aftlid)cn Katechismus oon 
Vruber 91bcl" in 42 fieftionen unb einigen Nachträgen lanbioirff}* 
fchaftlicher unb gärtnerifcher Llnterrid)t ertl)eilt wirb. Nut 3al)rcS* 
fchlufe wirb in ©egenmart beS 0i)nbifatS eine Prüfung abgehalten, 
bei welcher V^ämteit oertheilt merben. Wer biefe Prüfung be* 
ftanben hat, famt nach einigen Sahrett eine gmeite Prüfung machen, 
bei welcher bann bie enbgiiltigcn Diplome gegeben werben. 3 n 
gleicher Weife hat man für bie s JÜiäbd)en 0d)uleit errichtet, in benen 
fturfe in ber (Slemeutar*Üanbmirthfchaft unb bem HaushaltnngS* 
rnefen gegeben merben. ^Diefe Vemegung, welche bei beit l) cl *an* 
road)feitben (Generationen bie iriebe unb baS Vcrftäitbniß ber Vanb* 
mirtl)fd)aft gepflegt miffen miH, breitet fich oon ber Bretagne \)tx 
immer weiter aus unb hat fd)on in Vourgognc, Touraine, im 
0 üboften u. f. w. 3 uß gefaßt. 

0 d)ließlich fei nod) erwähnt, baß einige 0 i)itbifate auf pflege 
ber ©efelligfeit unter ihren Witgliebern einen großen Werth 
legen. 0 ic wollen hi^rbtird) ihre oerfd)iebenen Ntitglieba: mit ein* 
anber befannt machen, ihnen für einanber Sntereffe erwecfeit, bie 
egenfeitigeu Vorurteile abfd)leifett „unb bie 0d)ranfeit nicberreißen, 
ie fid) gemeiniglich gwifcheti bie eingelnen ^erfoiten ftelleit." 3 u 
biefetn Vel)ufe finben nach ben Verfamtuluugen gemeinfchaftlitc 
Ntal)lgeiten ftatt; eS beftehen fiefegirfel ober es werben Vibliotl)efS* 
gintmer, wo man aud) (Srfrifdptngen befomnteit famt, uttb Nehn* 
liches eingerichtet, bie fid) befonbers an beit SWarfttageu größeren 
3ufpruchS erfreuen. Namentlich in ben 0i)iibifaten bes 0uboftenS 
urtb im 3ura legt man herauf größeren Nadjbrucf unb betont, 
bah man burd) biefe fleincn Niahnahtiten ein fel)r oiel beffereS 
3ufammeitarbeiten ber 0i)nbifatSmitglieber ergiele. 

Was haben nun nufere beutfehen laubioirthfd)aftlid)en (Ge* 
uoffeufchaften unb Vereine biefen oielfcitigen ^eiftungeu ber fratt* 
göfi)d)eit 0 i)bifate auf fogialem (Gebiet gegeuübcrgufteQen? Nid)t 
eben oiel. 3 amr rid)tct f)i e ^ uitb bort eine ÜDJolferei in ihrcu 
Näumeit ein Vabegimtiter ein, baS fie allen Dorfbewohnern 
billig gur Verfügung ftcllt, gwar giebt im Vattbc t)W unb fyx 
eine Darlef)uSgcuoffenfd)aft für allgemeinere 3wecfe einmal CGelb 
her; unb bergleid)en läßt fich bei einiger s Diiil)e rtod) mancherlei 
finben. Hier finb natneittlid) bie älteren (Genoffeitfdjaftcn beS 
Heffifdjeu VcrbattbcS gu ermähnen, bie gum Dhcil für (Shauffee* 
bauten, gur Nnftcllung 001 t Kranfeiifdjmeftcru, gur Veftreituug ber 
Kranfent)auSfofteii, für 'JortbilbungSfchulcn unb berglcid)ett recht 
namhafte Veträge hergeben. Nber alles bies ift wenig befannt, 
fel)r ocreiitgelt unb wirb nur als ein gelegentliches Eytracrgebnifj 
ber genoffcnfchaftlichen Nrbeit bchanbe.lt, mährenb es in fyranfrcich 



833 


Sojtale $rajts. ©entralblatt für ©ojtalpolitif. Rr. 13. 


334 


alg ein wichtigeg Qiü erfdjjeint. Sie ©rünbe biefer SSer f d)ic b cn § eit 
liegen 3 um barin, baß bie beutfdßen ©enoffenfdhaften nach 
bem 9teirf)Sgefeö eben nur wirtschaftliche 3 mecfe oerfolgen bürfen, 
baß fte im Allgemeinen auch Heiner ftnb unb baher wohl in ihrem 
Greife intenftoer arbeiten, aber auch weniger Mittel für große 
3n>edfe gur Berfüauna haben. £>ier muffen alfo bie §auptoereine 
unb bie ©enoffenfehaftgüerbänbe einfeßeit, roie fte bieg andf) jum 
Sljäte tun; eg fei nur an bag Redjtgaugfunftgbureau beg £>effifchen 
©enoifenfdfjaftgoerbanbeg für bie SRitglieber feiner ©enoffenfdjaften 
erinnert, ferner an bie Verträge mehrerer Berbänbe, 3 . 93. Sachfen, 
§effen, mitßebeng* ober Öeueroerficheruugggefellfchaften u.f.w. Aud) 
bag fpricht mit, baß man in Sfranfreidh auf ben Äongreffen uno 
©eneraloerfammlungen planmäßig für bie Sljätigfeit auf fogialem 
©ebiete arbeitet, unb auch fonft gu beren görberung mandjjeg ge* 
fdhieht, mag leiber in ®eutfd^lanb fehlt. 60 hat 3 . B. im §erbft 
1897 ber ©raf be ©hambrun, ber ©riinber beg Musee social, einen 
öffentlichen SBettbewerb mit ^rämiirungen für biejenigen lanbwirth* 
fdjaftlicf)en Spnbifate oeranftaltet, welche auf irgenb einem Selbe beg 
fo 3 iafen ©ebieteg bie beften ßeiftungen anfxuweifen bnben. ©in wich* 
tiger ©runb liegt aber jebenfaüg barin, Daß oiele beütfche läitbliche 
©enoffenfdhaften unb Bereine fich oor 3 uggroeife auf lanbwirthfchaft* 
liehe Unternehmer, allerbingg oont großen big 3 um Heinften erftredfen, 
baß aber bie fransöfifdjen Spnbifate gan 3 überwiegenb bie länb* 
liehe Arbeiterfdhaft mitumfaffen; fo 3 ählt bag Spnbifat oon 
©aftelnaubart) unter 1000 Btitgliebern 600 Arbeiter. |)ierburch 
hat natürlich bie fo^iale Shätigfeit ber Spnbifate bei ben Spn* 
bifatgmitgliebern ein gan 3 anbereg Sntereffe unb einen gang anberen 
SRücfhatt. Auch ift eg gewiß nicht 3 ufäHig, baß biejenigen ©e* 
n offen f cf) aften, welche in Seutfdßlanb auf fogialent ©ebiete am 
meiften leiften, bie h^fOfch^n unb bie rheinpreufjifdfjen, auch relatio 
bie mitglieberreidE)ften finb, alfo audh Iänbliche Arbeiter planmäßig 
unb in größeren Waffen mitumfchließen. BJährenb in f 5 ^cinfreich 
bie Srage, bie länblichen Arbeiter hcretn 3 U 3 iehen gerabe 3 U alg 
©yiften 3 frage ber Spnbifate hingefteHt unb auf beren Äongreffen 
immer oon neuem behanbelt wiro, ift fie in ®eutfchlaitb oon ben 
Scf)wefter*Drganifationen !aum aufgeworfen worben. Bigßer hot 
man allerbingg mit ber ©rünbung oon länblichen ©enoffenfdjaften 
genug unb über genug 3 U thun gehabt, aber jeßt, wo in ber 
©rünbunggbewegung ein langfamereg Xernpo ein 3 utreten fcheint, 
bürfte ben beutfeßen länblichen ©enoffenfehaften eine wichtige Auf* 
gäbe barin erwad^fen, baß fie ihre, oielfadj recht Heine BHtglieber* 
30 hl erhöhen, inbem fie alle Bewohner beg platten Sanbeg oont 
©utgbefißer big 3 um Heinen $äugler unb befißlofen Arbeiter in 
fidf) 3 U oereinigen ftreben. 

Sregben. Otto B&iebfelbt. 


3UI gemeine gojlal- unb HHrtljfdjaftepölitih. 


QntmmimmM Arbeiterfchnßamt. Sn ber lebten Sißung ber 
f 03 ialwiffenf<haftlichen Bereinigung in Bern hielt Rationalrath ©urti 
einen Bortrag über bag £henta: „3 ur Srage ber ©rrichtung eineg 
internationalen Arbeiterfdjußamteg", über ben wir nach bent „Bunb" 
Solgenbeg berichten: Seit ber Berliner Äonferen 3 oont Sahre 1890 
fteht biefe Qbee gleidhfam auf ber Sagegorbnung ber öffentlichen 
Meinung. Ser internationale Arbeiterfcßußfongreß in 3ürich ( 1897 ) 
faßte eine Refolution, gemäß welcher bie Sheilnehmer bei ihren 
Regierungen unb in ber treffe ihr Btöglichfteg thun füllten, unt 
bie ©rrichtung eineg internationalen Arbeiter feßußamteg 3 U förbern. 
©in folcheg Bureau hätte: 

1 . alle auf Arbeiterfchuß gerichteten ©rlaffe ber oerfchiebenen Staaten, 
3unädhft in ^eutfeß, Srangöftfch nnb ©nglifch unb, fofern ber gefeßgeberifeße 
©rlaß aug einem anberen Sprachgebiet ftammt, auch noch in ber Sprache 
beg betreffenben fiaitbc* 31t veröffentlichen; 2. bie Sogialftatiftif im AU* 
gemeinen 5U pflegen; 3 . alg Augfunftäburcau für ©efeßcgoorfdjlägc 311 
bienen; 4 . in einem 3 ahre*beriibt Augfunft über bie ftortfehritte in ber 
Arbeiterfchußgefeßgebung jn geben; 5 . bie ©runblagc für bie Abhaltung 
oon internationalen Arbeiterfchußfongreffcn 3U bilbeit. 

©obalb brei Staaten fich ba 3 u bereit erHären, foü bag inter* 
nationale 9lmt eingerichtet werben. Big jejjt h^t noch Riemanb 
bie Sache in biefetn Sinne an bie §anb genommen, bagegen haben 
Belgien unb Defterreich oon fich aug bie Smtiatioe ergriffen, 
^ag belgifche Slrbeitgminifterinm giebt bereitg eine Sammlung 
ber wichtigften augmärtigen ©efehegbeftimntungen in Be 3 ug 
auf Slrbeiterfchufc h erQ ug (oergl. „So 3 iale 93rafig" Sp. 168), aber 
biefeg Sah^buch erfdheint nur tn frangöfifcher Spraye, unb bie 3 U* 
gehörigen Befprechungen finb weit entfernt, erfchöpfenb 3 U fein. 
4)en 9lnforberungen einer aügemeinen Slrbeiterftatiftif lann biefeg 


belgifche Bureau auch nicht gerecht werben, benn ba 3 u gehört ein 
internationaler Slugtaufch- Sn Oefterreich geht bie Regierung auf 
Antrag beg Slbgeorbneten Dr. fieser mit bem ©ebanfen um, einen 
„fogialftatiftifchen Sienft" eingurichten (oergl. „So 3 iale $rajig" 
Sp. 276), weldher fich m it bem eineg 9lrbeiterfchuhamteg ungefähr 
beeft. Slber eine Bluralität foldfjer nationalen Bureaug fann noch 
lange nicht ben $)ienft einer internationalen ©entralfteße oerfehen, 
unb überbieg wirb baburch ^ er 9 Q n 3 e Apparat ungleich fomptuirter. 
55ie Arbeit einer folcfjett ©entralfteUe jewcilg ben Slrbeiterfchuh* 
fonareffen 3 U überlaffen, wie bag oon oerfchiebenen Seiten angeregt 
wiro, ift fchon beghalb nicht möglidh, weil eg ben Äottgreffen unb 
beren permanentem Äomitö an ber nötigen Suboention fehlt. 
9öag bie gemünfdf)le Saitiatioe beg fchweigerifd^en Bunbegrathg an* 
belangt, fo meint ©urti, bie S<hmei 3 müffe oielleidht aug ©rünben 
ber ^igfretion abwarten. $lber wenn 3 . B. ber öfterreidtjifche 
§)anbef£minifter bie Anregung macht, fo wirb cg gewiß 3 U einem 
internationalen tote fornmen, ba Belgien im $ßrin 3 ip fchon längft 
babei ift. £)b bann bag Bureau nach Bern ober nach Brüffel 
fommt, ift fdbließüch einerlei, bie ^auptfadhe ift unb bleibt, baß 
überhaupt batbigft eineg eingerichtet wirb. 

Soweit ber Bericht über ben Bortrag ©urtig. $>ie ^igluffton 
brachte noch einige intereffante Rtomente 3 ur Sprache. Dr. Äebebgp 
glaubt, man fontme am beften an£ 3 iel, wenn man, um bem 5ßiß* 
trauen ber meiften Regierungen 3 U begegnen, mit einer Heinen, burdh* 
aug wiffenfchaftlichen ©entralfteUe auftrete unb bie Sache fcharf oon 
einer internationalen Slrbeiterfchußaefeßgebung trenne. $rofeffor 
Dr. Reidjegberg will, baß oor 9lUem bie Arbeiterfdhaft für bag 
Brojeft gewonnen werbe, benn wie fein anbereg ©lernent fei bag 
Broletariat berufen, bie Snternatioualitätgibee 3 U oertreten, tyxo* 
feffor Dr. Dncfen meint, baß man in Be 3 ug auf bie Hrbeitgfchuß* 
gefeßgebung gewiß auch Äonbitiongflaufeln anbringen fönnte, wie 
eg bei £>anbelgoerträgen oft gefchehe. darnach würbe bann eine 
Beftimtnung erft in Äraft treten, wenn auch anbere Staaten Äon* 
3 effionen mad)en würben. Rationalrath ©urti bemerft, baß fchon 
Berfudje einer internationalen Sürbeitgregelung gemacht worben feien. 
So habe ber St. gaHifche Sticfereioerbanb mit bem fädjfifchen einen 
Rtayimalarbeitgtag unb BHnimallohn feftgefeßt. Seiber habe fich 
biefer Äompromiß nicht lange halten fönneit, ba eg fich nicht um 
eine ftaatliche, fonbern um eine prioate Initiative gehanbelt habe. 

Äoftett beg Ämteg für Srbeitgftctttftif in Oefterreich. ?lu£ Bßieit 
wirb uitg gefchriebeit: w 2)ie Angaben in Sp. 276 ber „Sojialcu 
Bra^ig 1 ' über bie Äoften beg arbeitgflaiiftifchen Hmteg in Defterreich finb 
311 gering gehalten: ©£ fommt bafür nicht bloß ber <3pegialfrebit oon 
65 050 fl. in Betracht (ber iibrigeug felbft noch eine ?lenberung erfährt, 
ba bei ihm bie mit Dftober b. eingetretene ©rhöhung ber Beamten* 
befolbnngen noch nicht in Betradjt ge 3 ogen würbe), fonbern auch bie 
im Bubget oorgenommene Bermehruug beg Äou 3 eptg — (recht»* unb 
ftaatgwiffeufdjaftlicb oorgebilbeten) B cr f° tta lg beg ^>anbelgminifteriumg 
um oier Berfonett, welche uid^t bei bem ^pegialfrebite 3 um ^lugbrude 
fommt. ?lud) fmb nid)t 3 wei, fonbern fünf Redjuunggbeamte bewilligt." 

^bie amerifanifchen ©ewerffchaften gegen bie Slnnejiongpolitif 
ber Bereinigten Staaten. Ser „American ^eberationift", bag 
©entralorgan ber ©ewerff«haften in ben Bereinigten Staaten, 
brachte 3 wei intereffante Slrttfel, bie fich 9 e 9 en bie Slnneftirung ber 
bisher in fpanifdhem Befiße befinblidhen Snfeln augfpradhen. Ser 
Söiberfprud) wirb oon öfonomifdhen unb moralifd)en ©efic|tgpunften 
aug begrünbet. ©g wirb barauf hiagewiefen, baß ber bre^ehnte 
Radhtrag 311 ber Berfaffung ber Bereinigten Staaten folgen ber* 
maßen lautet: 

„Äcine ©Hauerei noch unfreiwillige Sicnftleiftung, auggenomnten 
alg Strafe für Berbredjen, beren bie Bartei orbnunggntäßig überführt 
ift, foll innerhalb ber Bereinigten Staaten ober an Orten, weldje beren 
©cridjtgbarfeit unterworfen fmb, beftehen." 

2luf ben anneftirten Snfeln befiehl aber noch SHaoerei ober 
biefer nahe fommenbe Äontraftarbeit. ©g wirb in ben Strtifeln 
hierüber in Be ( 3 ug auf $amai gefagt, baß oon ben weniger alg 
100 000 ©inwohnern £>awaig 50 000 ÄoutraHarbeiter unb that* 
fächlid) SHaoenarbeiter finb, baß hi erüon SO % ©hinefen unb 
Sapaner unb ungefähr 20 % B° r lugiefen (oon ben ^oreu) unb 
Sübfee*3nfulaner finb; baß bie Sauer ber Äontrafte ftebeit Qahre 
ift; baß bie Slrbeiter fein Redßt haben, ihren Slrbeitgeber 311 
wechfeln ober ihre Beifügung aufsugeben; baß ber Slrbeitä^ 
fontraft in allen Sheilen gefeßlnh er 3 wungen wirb unb baß ber 
00 m Äomgreß angenommene Befdf)luß befonberg erHärt, baß bie 
©efeße oon £>aroai in Äraft bleiben füllen, big bie neue Regierung»* 
form angenommen ift; baß 311 irgenb einer 3 e it Arbeiter ing 
©efängniß gefteeft werben fann, wenn er feine Rrbeit oerläßt, ift 
bem Äontraft auf lebenslängliche Slrbcit beigefügt; baß bie Arbeiter 
in Abteilungen oon 12 big 16 SDtonn 3 ujammengetl)aii finb; baß 



385 


©ogtole BrojtS. ©entralblait für ©ogtalpoltttf. Nr. 13. 


386 


jebe Abteilung einen berittenen Auffeßer hat, welcßer eine ^eitfc^e 
führt, womit er ben gFIcife gur Arbeit ergingt; baß bie größte 
3aßl ber fontraftlicßen ©flaoenarbeiter in ßawai in ber 3udfer* 
inbuftrie befcßäftigt wirb, unb baß bie Arbeitgeber erflären, bie 
3ucferinbuftrie fönne ni<ßt mit Erfolg betrieben werben oßne biefe 
Art oon fontraftUdßer ©flaoenarbeit. 

Söc^iiglid^ ber ^Philippinen wirb gefagt, baß baS Bolf bort 
halb barbarifch fei unb auf ber untersten ©tufe ber Bilbung flehe. 
©S wäre nicßt, wie bei ber Ausrottung ber Snbianer, baran ju 
benfen, bie Beoölferung biefer ^nfelgruppe (fieben bis acht Nhl* 
Iionen) bur<h atnerifanifcße Bürger gu erfeßen, weil baS ÄTima 
foIcheS mcßt ermöglicht. $>ie Arbeiter auf ben Bßilippinen würben 
au<ß fernerhin als ©flauen oon einer fleinen ©ruppe Amerifaner 
auSgebeutet werben, troß ber entgegenfteßenben BerfaffungS* 
beftimmung ber bereinigten ©taaten. &ie golge ßieroon würbe 
fein, baß bie ©ewalt, welche man ben Arbeitern biefer Snfeln 
gegenüber anwenbet, auch au f &i c Arbeiter beS bisherigen LanbeS 
angewanbt werbe. 

„SBte lange wirb es roäfjren, baß unter folchen Verßältniffen bie 
obenanftehenben Älaffen biefeS LanbeS eher ben (Gebrauch ber (Gewalt, 
als ben SBiHen ber SRcßrheit gur Verfolgung tßrer ^läne angeroenbet 
fe^en möchten? Wirb es nicht leicht fein, bie oerädjtlicße (Gleichgültig* 
feit gegen bie natürlichen Necßte unb Wiinfcße ber buufelßäuttgeu Sohn* 
arbeiter ber BßiliPPi ncn in gleicher Weife auf bie §anbarbeiter oon 
unferem Blute unb in unferent Lanbe gu übertragen? können bie 
©runblagen unferer Regierung: (Glcußßeit ber Necßte, feine ©teuer ober 
Regierung ohne Vertretung unb bergleicßen in fcßamloferer Weife oer* 
fpottet werben? $>ie gange fittlichc Wirfuug beS ©rmerbeS ber Vßi* 
iippinen mit ihrer ßafbroilben Veoölferung wirb bie fein, baß Alles 
umgefioßen wirb, was bureß Drganifation unb ©rgießung in gefeflfcßaft* 
lidher, wirthfchaftlidher, politifchcr unb fittlicßer ftinfießt 51 t ©tanbe ge* 
bracht würbe, befonberS bie Hebung ber LebenSucrßältniffe ber Arbeiter 
ber Vereinigten ©taaten. ©ie wiro bagu führen, Verachtung für ben 
$anbarbeiter gu ergeugen unb wirb bie nichtSwürbige Anfidjt er* 
muthigen, bah öer ©tarfe ben ©chwachen rechtmäßig auSbeuten barf 
unb biefer bagu gebraucht werben fann, um ben LujuS für bie ^errfdjaft 
Weniger gu liefern." 

S)aß bie Befürchtungen feineSwegS ungutreffen b finb, wirb fo* 
bann an einigen neueren Borfomntniffen erwiefen. Auf ben Bßi ß 
Iippinen ftnb bie ber Nahrungsmittel in golge beS Krieges 

enorm geftiegen. (Einige ©ifenbaßnangefteMe forderten beShalb 
©nbe ©eptember eine unbebeutenbe Lohnerhöhung unb ftcllten bie 
Arbeit ein. ©ie würben mit bern Bajonett gur Wieberaufnaßme 
ber Arbeit gezwungen. Wer ber ©ewalt nicht weichen wollte, 
würbe niebergeftochen ober ins ©efängniß geworfen. Auf £>awai 
ift nach ber Annexion ber erfte gau, in welchem ein Äontraft* 
arbeiter burch ©ewalt gur gnneßaltung beS ÄontrafteS gezwungen 
würbe, gleichfalls gu oergeießnen. $)ie Honolulu 3wfer ©ompanp 
erhob Älage gegen einen Arbeiter, welcher feinen Äontraft ge* 
brodhen hatte. $)ic Bertheibigung machte geltenb, baß ber Äontraft 
im Wiberfprucße mit ber ©efeßaebung Der Bereinigten ©taaten 
flehe. $)er Angeflagte würbe troßbem oerurtheilt, bie Arbeit wieber 
aufguneßmen. ©r oerweigerte bies unb würbe barauf oerhaftet. 
hierauf würbe an ben oberften ©ericßtsßof appeHirt. Sn golge 
beffen fann ein Befdjluß ber ©erießte über bie ©ülügfeit beS 
.fiawaifeßen ÄontraftarbeitSgefeßeS unb feiner Beftimmungen hin* 
fußtlicß ber greißeitsberaubung beS Angeflagten in Bälbe erwartet 
werben. 

$)ie Artifel wenben fieß mit aller ©ntfcßiebenßeit gegen ben 
Berfucß, bie SNacßt ber Bereinigten ©taaten auf folonialem ©ebiete 
auSgubeßnen unb gegen baS Beftreben, bureß ©cßaffung eines 
fteßenben feeres bie Nepublif gu einem SRilitärftaat gu machen. 
©S wirb bargetßan, baß leßteres bie fießere AuSficßt eröffnet, baß 
bie Arbeiterflaffe meßr als biSßer ber Ausbeutung bitrcß eine fleine 
Sßinberßeü überliefert würbe. ©S wirb gum ©eßluß gefagt, baß 
nie ein Bolf waßrßaft groß werben fann, beffen ©yifteng auf ent* 
würbigenber Arbeit berußt, ober bei bem bie SRenfcßenwürbe beS 
Arbeiters bebroßt wirb: „©ine Nation, welche ben Weltmarft be* 
ßerrfeßen will, muß ber Arbeiterfcßaft Sreißeit gewähren unb muß 
ißr bie 2öege ebnen, bie ßöcßfte ©tufe ber Lebenshaltung unb ber 
geiftigen ©ntwidfelung gu erreichen. Nur baS Bolf, in welchem 
©olcßes gefeßießt, wirb auf bem Bklhnarftc entfeßeibenb fein unb 
bie ©efcßicfe ber SSelt leiten." 


Sojtale Juflältbc. 


Äiuberarhrit in §abrifett unb in ber ^auSinbnfitrie. Nacß ben 
„Amtlichen NMttßeilungen aus ben SaßreSbericßten ber ©ewerbe* 
aufficßtsbeamten im ©eutfeßen Neicße" für 1897 ßat bie Äinber* 


arbeit in ben Öabrifen gegen baS Borjaßr wieber um etwas gu* 
genommen, naeßbem burch baS Arbeiterfcßußgefeß im Saßre 1891 
eine ftarfe Berminberung ber in Sabrifen arbeitenben Äinber ein* 
getreten war. ©S würben in Sabrifbetrieben befcßäftigt: 



Änaben 

SWäbcßen 

gufamnteit 

1886 . 

. 13 529 

7 514 

21053 

1888 . 

. 14 738 

8175 

22 913 

1890 . 

. 17 254 

10 231 

27 485 

1892 . 

. 7 315 

3 897 

11212 

1893 . 

. 3 730 

2 181 

5 911 

1S94 . 

. 2 682 

1 577 

4 259 

1896 . 

. 3 343 

1 969 

5312 

1897 . 

. . 3 770 

2 381 

6 151 


Sn fedfjs AufficßtSbegirfen würben 1897 überhaupt feine Äinber 
in gabrifen befcßäftigt, in breien nur oereingelt, in 13 Begirfeit 
fanb eine Abnahme ftatt, in 9 Begirfen blieb bie 3^ßl gleich unb 
in 30 Begirfen trat eine 3unaßme ein. Als ©runb für bie ftärfere 
§erangießung ber Äinber gur gfabrifarbeit geben meßrere AufficßtS* 
beamte ben Auffcßwung ber Snbuftrie unb ben Mangel an ArbeitS* 
fräften an. i>ie Befcßäftigung ber Äinber finbet ßauptfäcßlich in 
fleineren Betrieben ftatt, bie bureß bie billige Äinberfraft fuß ber 
Äonfurreng ber größeren Sabrifen gegenüber wettbewerbsfähig gu 
erßalten fueßen. 2)er AufficßtSbeamte für Dftpreußen ßebt ßcroor, 
baß in allen gällen, in benen Äinber in Sabrifen angetroffen 
würben, auch ^erftöße gegen bie gefeßlicßen Beftimmungen feft* 
geftellt werben fonnten. Sn feinem SaÖe ließen fieß bie Betriebs* 
Unternehmer an ber gefeßlicßen fecßsftünbigen BefcßäftigungSbauer 
genügen, oielmeßr würben bie Äinber in ben für jugenblicße Arbeiter 
oon 14 bis 16 Saßren ftattßaften ©rengen befcßäftigt. 

2)ie ^erangießung ber Äinber gur gabrifarbeit ift inbeffen 
oßne Belang gegenüber ber großen Snanfprucßnaßnie jugenblicßer 
ArbeitSfräfte in fleingewerblicßen unb ßauSinbuftrieHen Betrieben. 
®er ©ewerbeinfpeftor in Ntüßlßaufen i/^ß. beflogt wicberßolt bie 
auSgebeßnte Berwenbung oon Äinbern gum ©arnfpulen in ber 
^auSinbuftrie beS ©icßSfelbeS unb wiinfeßt, baß biefe Befcßäftigung 
ber Snfpeftion ber ©ewerbeauffießtsbeamten unterftellt werbe. 2)er 
ArnSberger ©ewerberatß ßebt ßeroor, baß in Sf^loßn 514 Äinber 
mit bem Anfcßnüren oon Näbnabeln befcßäftigt würben. Aucß in 
Neßeiin, Lübenfcßeib unb ÄreiS VJittgcnftcin würbe bie Äinber* 
befcßäftigung, um bem aefeßlicßen Verbot gu begegnen, aus ben 
gabrifen in bie £>auSinouftrie oerlegt. ^)er Aacßener Bericßt 
nimmt an, baß 4000 bis 5000 Äinber beS BegirfS in ber $auS* 
inbuftrie tßätig finb. Sni Begirf Döbeln gingen ©igarrenarbeiter 
unb «Arbeiterinnen oielfacß oon ber £ßätigfeit in ber gabrif gur 
£>anSinbuftrie über, um bei ber leßteren gaßlreicße Äinber als 
„Abripper" gu befcßäftigen. Sn ben Lofalblättern würben nament* 
ließ gur Dftergeit Äinber für biefe Arbeiten häufig gefueßt. Aucß 
ber AufficßtSbeamte für Lippe fcßließt aus ber niebrigett 3 a ßl & cr 
jugenblicßen Arbeiter in ben ©igarrenfabrifen auf eine ftarfe Be* 
fcßäftigung jugenblicßer Arbeiter unb Äinber in ber ©igarrenßauS* 
inbuftrie. Sn Neuß j. L. würbe nacß wie oor bie Wahrnehmung 
gemaeßt, baß bie Befcßäftigung oon Äinbern bei ben im geringen 
Umfange betriebenen §auSmbuftrien eher gu* als abgenommen ßat. 
SDer AufficßtSbeamte berießtet u. A. über bie im reußifeßen Ober* 
lanb betriebene Blattfticßnäßerei golgenbeS: S)ie eigentliche leitenbe 
ginna befinbet fieß in Binnen i/B., oon ßier aus werben bie Ar* 
beiten bureß gaftorinnen in bie eingelnen Lanborte oertßeilt. $ier 
überneßmen wieberum gegen 40 gerftreut woßnenbe ältere grauen 
unb Ntäbcßen bie Ausgabe ber Arbeiten an gamilien unb ertßeilen 
aleid)geitig bie nötßige Anleitung, ©rftaunlicß fod ßierbei bie ©e* 
feßief ließ feit unb ber gleiß ber Äinber fein, welcße, angefpornt bureß 
einen ftünblicßen Berbienft oon 10 4, bis ßerab gum Alter oon 
5 unb 6 Saßren gu biefen Arbeiten gaßlreicß mit ßeraugegogen 
werben. Ob unter biefer SOßritigfeit ber Äinber ber ©djulnnterricßt 
leibet, ßat ber Beridjterftattcr nießt in ©rfaßrung bringen fönnen, 
es erfeßeint ißm aber im Sotereffe ber förperlnßen ©ntwicfelung 
ber Äinber geboten, eine allgemein guläffige niebrigfte AlterSgrenge 
für bie ßauSinbuftrieEe Arbeit feftguftcHen. 

Aus biefen unb anberen Ntittßeilungen in ben Berichten ber 
©cmcrbeauffid)tsbcamten geßt ungweifelßaft ßeroor, baß bie Äinber* 
arbeit in ben meiften Sabuftriebcgirfen noeß in einem Umfange be* 
fteßt, ber aus ergießlicßen unb gefunbßeitlicßen Nucfficßten bean* 
ftanbet werben muß. — Weiteres Lid)t über biefe 3 u ftäube wirb 
bie ßoffeuthcß halb erfolgenbe Veröffentlichung ber bekannten ©r* 
gebniffe ber NeicßSenquete über bie gewerbliche Äinberarbeit oer* 
Breiten. 

Acßtfhinbetttag im ©ifeubahmoefeit BaperoS. Wie Ntüncßener 
Blätter mittßeilen, ift am 15. $>egember im Naugirbienft ('JRafcßmen* 




337 


©ogiale fragte. EentralBIatt für ©ogialpoltttf. Ar. 13. 


338 


perfonal) — Beim Stredenbienft fott bie gleite 5Jtofjnahme folgen 
— ein neuer SurnuS oorgefc^rieBen roorbeit, ber ben ^ebienfteten 
ben Achtftunbentag gebraut |at. ES roirb batin für 18 Sage 
Sienftanfang unb Stenftenbe in folgenber Beife feftgefefct: 


Sag 

| $>ienftan fang | 

©ienftenbe j 

Angahl 

Stunben 

3 rüf) 

Bittag 

AbenbS 

grüh 

Bittag 

AbenbS 

1. 

400 




12oo 


8 

2. 

400 

— 

— 

— 

12oo 

— 

8 

3 . 


— 

— 

— 

12oo 

— 

6 

• 

— 

— 

800 

400 

— 

— 

8 

4 . 

— 

— 

800 

400 

— 

— 

8 

6. 

6. 

7 . 

— 

— 

800 

400 

— 

— 

8 

_ 

1200 

_ 

_ 

_ 

800 

8 

8. 

— 

12oo 

— 

— 


800 

8 

9 . 

— 

2oo 

— 

— 

— 

600 

4 

10. 

400 

— 

— 

— 

12oo 

I — 

8 

11. 

400 

— 

— 

— 

12oo 

— 

8 

12. 

— 

12oo 

— 

— 

— 

800 

8 

13 . 

— i 

— 

8*o 

400 

— 

1 

8 

14 . 

— 

— 

800 

400 

— 


8 

15 . 


12<x) 

— 

— 

— 

! 8 r ° 

8 

16 . 

— 

12uo 

— 

— 

— 

800 

8 

17 . 

— 

12oo 

— 

— 

_ 

800 

8 

18 . 

400 

— 

— 

— 

l2oo 

— 

8 


fRec^net man täglich gu ber effeftioen ArbeitSgeit noch eine 
Stunbe Binju, bie baS Peinigen 2 C. ber 9Kafd)ine erforbert, fo ent* 
faßen auf 18 Arbeitstage (Umfang beS SurnuS) 153 Stunben ober 
8 l /2 Stunben pro Sag. 3u roünfrfjen märe noch, ba& Efjpaufen 
oorgefefjen mürben. Beim bieS gefchähe, fo f)aben — roie bie 
fogialbemofratifche „üRündjener foft" Betont — „bie Betreffenben 
Abteilungen Urfache, mit ber Sienfteintheilung gufrieben gu fein." 

üilftünbe im fraget Sätferaefterbe* Sie Aufhebung ber 
Aadjtarbeit unb Einführung eines StagimalarbeitStageS oerlangen 
bie Sacferarbeiter fragS in einem Bemoranbum, baS bent 
2JHitifferium unb bem AeichSrath überreizt tourbe. Sie ftüfcen 
i^re gorberung mit ©rünben ber Arbeiterhpgiene unb beren ©in«* 
flufj auf bie Ergeugniffe unb bie fonfuntirenben Eiaffen, So mürbe 
Bebörblid) feftgeftettt, ba& im gahre 1897 in frag unb Umgebung 
oon 241 Berfftätten 75 in Eellerräumen untcrgebrad)t maren. Aon 
ben Berfftätten maren 83 feud)t unb Xid^t, 72 feucht unb bunfel. 
3n 29 Berfftätten hatten Bie Arbeiter bunfle unb feuchte Sd)laf* 
ftätten, in 18 gälten [^liefen bie Arbeiter in ben Berfftätten. 
Beiter mirb angeführt, bafj fich bei ber nächtlichen Ergcugung beS 
©ebäcfS in ben gumeift fd)led)t oentilirten Aadftuben fanitäts* 
mibrige ©afe entmicfeln unb ber oon ber langen unb fcbmeren 
SageS* unb fRadjtarbeit erfcböpfte Arbeiter feine 3eit hat, feinem 
Eörper bie nötige Aeinlichfeit angebeiben gu laffen. Sie üblen 
folgen biefer Sanitätsroibrigfeiten haben baS fonfumirenbe f ubli* 
fum unb bie Arbeiter gu tragen. gut gahre 1897 gählte man 
unter 746 Aäcferarbeitererfranfungen in frag 119 gnfeftions* 
franfbeitsfätte mit 2772 Eranfentagen unb 7 SobeSfätten. An 
Eranfheiten ber AthmungSroerfgeuge unb ber ßunge gählte man 
219 gätte mit 3328 Eranfentagen unb 2 SobeSfäuen, an $aut* 
franfljeiten gählte man 64 gatte mit 859 Eranfentagen. Auf 
Eranfbeiten, bie einen üblen Einfluß auf bie ©ebäcfSergeugmtg 
haben fönnen, entfallen alfo 64%. 

Amerifanifdje (Sifenbabnarbeiter - ©tatiftif. Ser Eljef BeS 
Aero*?)orfer AureauS für Arbeitsftatiftif, Bm. StainSbp, fagt in 
feinem gahresbericht, ba& bie 23ahnen im Staate Aero*?Jorf 31 OOO 
AnaefteHte haben, unb folgenbe ßöfjne im lebten gisfaljahre be* 
zahlten: 


^ennfploauia . 

3ahl ber 
Aiigeftellten 
. . 12 353 

Löhne 

$ 

7 025 961,87 

gerfei) Eentral . 

. . 5 804 

3 488 422,33 

BorriS & Effej 

. . 5 440 

2 875 747,62 

Erie . . . . 

. . . 2 785 

1 718 263,5s 

Leljigh fallet) . 

. . . 22 154 

1 132 503,98 

SuSgitehanna . . 

. . . 1 168 

533 402,33 

Acabing . . . 

. . . 1058 

534 797 04 


Sagu fommen noch 959 gähre* unb 23ahnbrücfen*23ebieitftele. 
Sie Surcbfcbnittslöbne betragen 564 ,06 $. Aahegu bie jpälftc er* 
halten burdjfchnittlich 40 bis 50$ monatlich, über 90<>/ 0 28 bis 


55,58 $ monatlid). Sn ben einzelnen Branchen erhalten bie An* 
gefteflten folgenbe ßöhne: 

Anjabl Löhne 
ber per Bonat 
Aiigeftellten $ 


äugfuljrer. 

... 89 

89,68 

Eonbufteurc .... 

. . . 561 

74,89 

feiger. 

. . . 81 

66,10 

Bafdjiniften .... 

. . . 411 

56,88 

3imnterleute .... 

. . . 817 

49,13 

StationSagenten . . . 
Stredenauffeher . . . 

... 420 

47,36 

... 243 

47,26 

93ahnarbeiter .... 

. . . 2867 

28,90 


Sotal. 6 942 


ÄrbettgebcmerbSttiie. 


Streit! beutfdjer Sapetenfabrifanteu. Ser „Aorroärts" oer* 
öffentlich* AuSgüge aus bem Statut biefeS bie meiften größeren 
beutfchen Sapetenfabrifen umfaffenben Spnbifats. Sn ben Safcunaen 
fd)reibt biefeS nicht nur feinen eigenen SRitgliebem oor, melche 
freife fte Beim Aerfauf ihrer Baaren an bie #änbler nehmen 
müffen, fonbern auch ben Sapetenhänbient, melche frogentfäpe Tie 
auf biefe gabrifpreife im Setailhanbel gum roenigften auffblagen 
müffen, — unb groar beträgt baS Minimum biefeS AuffdjlagS bei 
geringmerthigen Sapeten burchfchnittlich 90—100%, bei befferen 
über 100%, bei Sapetenborben nicht unter 275 o/ 0 . £änbler, bie 
gegen feine Sorfchriften h.anbeln, Bebroht ber Serein mit bem 
Sonfott, b. h- mit ber ©infteHung ber ßieferungett. So mirb 
g. 23. in §. 27 ben £änblern, melche noch Sapeten gn ben früheren 
niebrigeren f reifen gefauft haben unb nun bie ingroifd)en oor ber 
Lieferung erhöhten freife nicht gahlen ober fid) ben jefeigen S3er- 
faufsbebuigungen nicht fügen motten, angebroht: 

^änbler, melche megcn Einführung ber neuen 33efd)lüffc für ben 
Serfauf im Setailgcfchäft DrbreS annutttren, merben gefperrt. 

Ebenfo mirb ben ^änblern oerboten für ben Export beftimmte 
Baaren aufgitfaufen, ba nämlich Bie beutfchen Sapetenfabrifanten 
nach Bern Auslaube oiclfadj billiger oerfaufen, roie im Snlanbe: 

Ber beutfehe Baaren, melche angeblich für baS AuSlanb gefauft, 
in Seutjdjlanb übernimmt, mirb gefperrt. 

ferner mirb, um ber Eonfurreng ber Baarenhäufer unb Ser* 
fanbgefchäftc gu begegnen, ben gum Serbanb gehörenben Sabrifen 
ber f erlauf an berartige ©roftgefhafte unterfagt. 

§. 29. Ser Serfauf oon Tapeten, Sorben 2 c. an £>anbroerferoer* 
einigitngen, fomte an Baarenhäufer, Sagare unb Scrfanbgefchäfte 
größeren Stils ift für $)eutfd)laub unb Sugemburg oerboten. 

§. 30. .gänbler unb ^abrifauten, melche Tapeten unb 23orben 
bireft ober inbireft oerauftioniren laffen, merben gefperrt ober beftraft. 

Sie Sabrifanten, bie fi<h bem 23erbanb nicht anfchliefeen motten, 
fotten burch folgenbe 23eftimmungen mürbe gemacht merben: 

§. 35. SebcS 3Wüglieb bes Vereins oerpflichtet ftch, mit feinem 
$änbler gu arbeiten, ber oon beutfchen gabrifanten fauft, melche nicht 
gum herein gehören. 

§. 36. ®ie SKitglieber uufereS Vereins finb bei Eonoentionalftrafe 
oerpflichtet, nur oon folgen gabrifanten (Rapier*, garben*, ßeim* 2 c., 
3eichnern, gormftedjcrn) refp. Lieferanten, Agenten unb 3KitteISpcrfonen 
gu faufen, meldje ausfchliehlich nur an unfere 23ereinSmitglieber liefern, 
alfo au iapetenfabrifanten, meldje nidjt unferem Vereine angehören, 
jebmebc Lieferung cinfteHen. 

Sen beutfchen jmnblern mirb beS Beitem oerboten, oon aus» 
roärtigen Sabrifanten billiger eingufaufen als oon beutfchen: 

$er Einfauf oon auSlänbifchen gabrifaten muh im gleichen ©eure 
minbeftenS gu unferen HKinimalpreifen erfolgen. ^)er 23erfauf im Detail» 
gefchäft muh bei auSlänbifchen gabrifaten bei gleichem ©eure minbeftenS 
gu benfelben greifen unb Aabattfä^en erfolgen, mie beutfehe gabrifate 
im gleid)cu ©eure. 

Aeben ber Sperre fennt baS Statut ©elbftrafen. 23ei ben 
gabrifanten betragen biefe je nach ßnneffen beS 23orftanbeS 300 
bis 3000 JL Ebenfo nimmt fiöh ber Struft baS Aedjt, auch 
,f)änbler, bie oon ihm faufen, je nach ©utbünfen mit 30 bis 
1000 c /IC gu beftrafen. ©egen bie oom 23orftanbe feftgefefeten 
Strafen fte§t ben gutn SSerbanbe gehörenben gabrifen eine ^e» 
rufitng an bie ©eneraloerfammlung gu; feiteuS ber ^änbler ba* 
gegen ift nad) Art. VII „ein Biberfprud) auSgefchloffen". Qm 
Sicherung beS Eingangs ber oerljängten Strafen hat jeber beutfdje 
Sapetcnljänbler unb jeber bem SSerein ungehörige gabrifant einen 
Solaroed)fel bei bem SSorftanbc gu hiaterlegen, „ber 23orftanb ift 
ermächtigt, biefett Bed)fel (ober einen £heil beS in mehreren Ab* 
fdjnitten hinterlegten 23ctragS) in Umlauf gu fefceit, menn ber Aus* 
















839 


©ogtale $xajt3. Eentralblatt für ©ogialpoltttf. Nr. 13. 


340 


ftedcr gegen bic unter ©träfe qeftedten Vefdjlüffe nachweisbar oer* 
ftoßen bat". (Vgl. §. 152 Abf. 2 ber ©ewerbeorbnnng: „Sebent 
Dßeilneßmer ftcßt ber Nücftritt non foId>cn Vereinigungen unb 
Verabrebungen frei unb es finbet aus legieren weber Klage noch 
Eiurebe ftatt.") Außerbem üerpflicfjtet ficb jebeS „angeflagte" 
NUtglicb, bcm Vorftanbe auf Verlangen baS Necßt einguräumen, 
Einficßt in bie Vücßer unb bie Korrefponbeng gu nehmen unb eine 
Vernehmung beS Sßerfonals gu geftatten. Aucß ift ber Vorftaub 
weiter berechtigt, in VerbacßtS* ober 3 rae if e ifäß en unangemelbet 
einen oereibigten Vücßerreoifor gu bem betreffenben dßitglicb gur 
Unterfucbung gu fenbcn. Den Arbeitern gegenüber feßreibt ber 
Verbanb im §. 40 „feßwarge Liften" oor: 

Erfolgt bei einem Niitglicbe beS Vereins ein ©trei! ber Arbeiter, 
roogu eine fomplottmäßigc, wenn audj fonft orbnungsmäßtge Ki'mbigung 
gur Ergmiitgung böserer Üö^nc ober Abjcbaffitng mißliebiger Einridj* 
tmiaen mitgeredmet wirb, fo barf fein bem herein angeßorenber College, 
naepbem bie Angelegenheit oom Vorftanbe geprüft unb gur Kenntuiß 
ber SRitglicber gebracht ift, einem ©treifenben innerhalb ber erften brei 
SRonatc Vcfcßäftiguug geben. 

Es ift jept fooiel oom Arbeiter*DerroriSmuS bie Nebe — 
welches wäre benn bie paffeitbe Vegeicßnung für biefeS mit allen 
Mitteln ber ©perre, beS Verrufs, ber ©trafen unb Kontrolen, fo* 
wie ber „feßmargen Liften" auSgerüftete ©tatut eines Unternehmer* 
oerbanbeS? 

$reiS" unb Loßnberetnbaruttg in ber (MaSinbnftrte Norb- 
Böhmen#. Aus Dannwalb wirb berichtet, baß eine ?ßreis* unb 
Loßnfonoention ber Krpftaderiebrancßc beS ®ablong*Dannwalber 
VegirfeS abgefchloffen worben ift. Durcß biefe Konoention oer* 
pflichten fieß bie Ergeuger oon KrtptadglaSwaaren auf bie Dauer 
oon brei Qahren für bie in ber Lifte oom 15. 3mti 1890 ange* 
gebenen Artifet bie bort feftgefepten NHnimallößne gu begabten 
unb nur gu beftimmten, am 31. Dftobcr t. 3. feftgefepten Verlaufs* 
preifen SBaaren gu liefern. Öür ben 5afl ber Nichteinhaltung 
eines fünftes ber Konoention würben ©trafen ocreinbart. Die 
VHrffamfeit ber Konoention hat mit bem 20. Degember begonnen. 


^rbetterbettiegtmg. 


AuSfperrung unb Streif ber ©etbentoeber in Ärefelb finb 
jept burd) gütliche Vereinbarung oöHig beigelcgt worben. 3mar 
ift bie ^Bewegung nicht gang fo rafcß gmn ©tidftanb gefommen, 
wie es naeß Den bet ©eßluß ber Iepten Nummer unfereS 
VlatteS oorliegenben Nacßridjten fchien, ba ficb Arbeiter einer 
girma weigerten, bem Abfotnmen beigutreten. ®och gelang eS 
auch in biefem Sade nach mehrtägigen Verßanblungett bie Diffe* 
rengen gu befeitigen, inbem oon ben Arbeitgebern eine Loßnerßößung, 
anbererfeits eine ©elbftrafe für Kontraftbrucß oon ben Arbeitern 
gugeftanben würbe. Der Sriebe ift aderbingS nur auf brei Nio* 
nate gefcßloffen, hoch fotl eine gemifeßte Kontmiffion, aus Sabri* 
lauten unb Vßebern befteßenb, nicht nur über bie innerhalb biefer 
3 eit entftehenben ©treitigfeiten entfeßeiben, fottbern auch für bie 
3u!unft Vereinbarungen treffen. Daß eine berartige „gewerbliche 
Diplomatie" unmöglich wäre oßne bie 0rganifation ber Unter* 
neßmer unb ber Arbeiter, ßaben wir feßon in ooriger Nummer 
betont. Die „©ermaitia" fagt treffenb ßiergu: 

And) ßier bietet bie ©cmerffdmftsbewcgung wieber ben VeweiS, 
baß nur fic es ift, bic eine einheitliche 3afamntenfaffung ennögüdjt unb 
eine nuplofe Vcrgcnbitng ber St reifte uerßinbert. SBeitn bie beiben 
leitenben Aaftoren fuß gcgcnübciiteßnt unb einer für Saufenbe oer* 
banbelu farm, nur bann ift ein gebeißlidjes Verbanbeln utöglid). Die 
ungelenfe Nicngc wirb nie oicl gu ©tanbe bringen, weil oiclc Stopfe 
oiele ©imte gumeift über baS erfirebte 3*U hinaus wollen unb leiber 
oft gu gefügige $Berfgcuge in ber .^anb oon Agitatoren finb. £em ift 
aber in biefent Tyallc oorgebengt. SKir b f 9 f n ben innigften SBunfdi, 
baß bie Negierung cnblidj iitne werben möge, baß bie Verufooereinc 
nur oon bauembem ©egen für unfer arbcitenbeS Volf fein fönneit. 

San trän ©ctoerffchaftShaufcrm 3n Nürnberg unb fjürtß ift 
ber Vau oon VolfS* ober ©ewerffdjaftshäufern nach belgifcßem 
unb ffanbinaoifeßem SNufter im ©angc. ^er Vau in Nürnberg 
wirb eine Aiigaßl großer VerfamntlungSfäle erßalten. ^ie Moften 
füllen bureß Ausgabe oon Antheilfcßeinen aufgebracht werben, ben 
Neft fofl eine Vrauerei liefern. 3» Sfürtß ßat ber Vau bereits 
begonnen. Slucß in Verlin ift ber Vau eines OteroerffdjaftSbaufeS 
im ©ange. ©S wirb im ©iiboften, in ber Näße beS Nticßaelfird)* 
plapes am Gngelufer errießtet. 

©rrichtuttg Dmt Arbeiterfefretariatew. £ic (Jrridjtung eiueö Arbeiter* 
fefretariats ift in Alten bürg auf Antrag beS ÖcwerffdjaftjsfartcHs be* 
fdiloffen worben, giir bas ©efretariat würben 1300 JC. pcrfoulicßc unb 


150 JC. fachliche toften pro 3aßr ausgeworfen. Altenburg hat gegen* 
wärtig 22 gewerffdiaftlicße VcrufSorgauifationeu mit 2400 Ntttglieberu. 
— SSie uns aus Veutßen gefdirieben wirb, ift bort am 1. Noucntber 
bie ©ritnbung eines obcrfdjlepfcßen ArbeiterfefretariatS erfolgt; ©cfrctär 
ift Dr. A. hinter. — And) in £ ar mft ab t ift bie (Srricßtung eines Ar* 
beiterfefretariats in AuSficßt genommen. 

Programm ber £rabe UuiottS für bie $rbeit$gefehgebiti!g. 

£)er ©efretär beS parlamentarifcßen ftomiteS beS £rabe Union* 
ftongreffeS, Abgeorbneter ©. 3Boob, ßat an ade ©ewerfoereine im 
Verfolg eines VefcßluffeS beS Vriftoler StongreffeS ein Nmtbfdjreiben 
gerichtet, baS bie 3eftftetlung eines Programms für bie ArbeitS* 
gefepgebung begweeft. 3 e ß n Stagen werben ben ©ewerFpereincn 
oorgelegt. ©ie betreffen bie Erweiterung beS ^BaßlrecßtS, bie ooUe 
Vefteuerung beS VobenS, ben Arbeiterfd)up in gefäßrlicßen ©e* 
werben, inSbefonbere gegen Vlei* unb Vßo^Pßa^ergiftung, bie 
AuSbeßnitng beS ©cfepeS über bie Unfallentfcßäbigung, bie 
Durchführung ber „©ereeßteu SoßnHaufel" unb NUnimallößne oon 
21 ©ß. in ©taatsbetrieben, ben gefeplicßen Acßtftunbentag im 
Vergbau, bie ^effelinfpeftion ^en ©cßup ber fteffelarbeiter, bie 
AlterSoerficßerung für alle Arbeiter, bic AuSbeßnung ber 
$artifularS!laufel auf alle 3nbuftrien mit ©tücfarbeit, enblicß bie 
Verforaung ber SBittwen unb SSaifen oon Arbeitern in 
©taatsbetrieben. Vtenn bie Antworten hierauf oon ben ©e* 
werfoereinen eingelaufen ftnb, wirb baS Programm gufammen* 
aeftedt; bieS wirb ben ÜRiniftern übergeben unb bei jeber 
^arlamentSwaßl bem ilanbibaten oorgelegt, ber fid) barauf oer* 
pflicßten muß, wenn er bie ©timrnen ber organifirten Arbeiter 
erßalten wid. 

Der ©onberfougreß ber britifcßett ©cwerffchaften, ber fuß mit 

bem alten, bis in bie breißiger 3aßre gurücfreicßenben $lan eines 
3ufammenfcßIufieS ber ©ewerffeßaften gu einem großen ©cßup* unb 
Drupoerbanb erneut befcßäftigen fod, ift gurn 24. Sanuar n. 3- 
naeß SRandjefter einberufen worben. Auf bem Iepten 3aßreSFoitgreß 
ber ©ewerffeßaften in Virmiitgßam würbe befanntlidß ein ^omite 
eiugefept, baS ein ©tatut für ben adgemeinen ©ewerffcßaftsbunb 
ausarbeiten fodte. DiefeS ©tatut fod nun bem Kongreß in 9Ran* 
eßefter unterbreitet werben. 0b es angenommen wirb, fteßt baßin. 
3ebenfadS bürfte bie feßon begonnene Errichtung oon ©ewerf* 
oereinSoerbänben naeß 3nbuftrien eine görberung erfahren, wie 
folcße in ber Derfilinbuftrie unb im Vergbau bereits befteßen. 
(3n Dänemarf finb bic gaeßoereine bereits gu einem großen ©e* 
werffcßaftSbunb oereinigt. & en ftßwebifdßen, norwegifeßen 

unb bänifeßen gacßoereiiten befteßt eine ffanbinaoifeße ©ewerf* 
fcßaftSunion.) 

Vewegnng ber $attb(ttngSgeßülfett in $ari$. Der Mangel an 
gefcplicßem ©cßupe ßat bie ^anblungSgeßülfen in granfreid) unb 
befonberS in $ariS in gientlicße Abßängigfeit oon ben Unter* 
neßmern gebracht, bie nießt feiten in gang bebauerlid)e 3 u f^änbe 
auSartet. 3 roar einige ber großen VerfaitfSmagagine, wie 
g. V. ber Bon Marche, in ber gürjorge für ißre Angeftellten feßr 
weit gegangen. Docß ßaben fie bamit fcßließlicß weiter nießts ge* 
tßan, als bie alten, ßalbpatriarcßalifcßen Verßältniffe, unter benen 
ber Vebienftete in bie gamilie beS VceifterS aufgenommen würbe, 
äußerlich moberttiftrt, einfach weil bie waeßfenoe 3 ö ßl 23 e * 
bienfteten biefe Aenberungen nötßig rnadjte. Vei Heineren ©e* 
fcßäften ergeugt biefe 0rganifation felbftoerftänbiicß eine [eßr be* 
briiefte Lage ber ©eßülfen. Der ©elöloßn ift gering, bie Ver* 
pflegung unb befonberS bie ©djlafräutne finb oft armfelig, bie 
ArbeitSgeit eine ungewößnlicß lange. Verfcßlimmert werben bie 
Arbeitsoerßältniffe bureß bie oodftänbige Abwefenßeit gefepUcßer 
©onntagSrnße. — Die ^anbtungSgeßülfen oon $aris arbeiten 
feßon jahrelang an ber Verbefferung ißrer Lage unb gwar ßaupt* 
fäcßlid) bureß tßre Korporation, ben 5<ußüerein her faufmänuifeßen 
Angeftedten beS ©einebepartements. ^ßäßrenb ber Iepten 9Sod)en 
ßat ber Verein eine lebhafte Agitation unter ben ©eßülfen ber 
Kolonialwaarenbrancße entfaltet, bie fieß bis jept noeß wenig ge* 
rührt unb fieß nur in geringer 3 a ^ & er Vereinigung ange* 
fcßloffen hatten. Durcß Veranftaltnng oon Verfautmlungen in 
oerfeßiebenen ©tabttßeilen feßeint es feßr rafcß gelungen gu fein, bie 
Nt affe ber 3nterefftrten in Vewegung gu bringen, namentlich bie 
Angeftedten oon gwei großen 3'innen, bie mit ißren gaßlreicßen 
Filialen in ber gangen ©tabt ben Don im ©emerbe angeben, für 
bie ©aeße gu gewinnen. 3n einem fürglicß an bie Unternehmer 
oerfanbten Eirfitlar ßaben bie ©eßülfen ißre 3orberungen prägifirt 
unb folgenbcS NJinimalprogramm anfgeftedt: 1. 3mölfftiinbiger 
Arbeitstag mit gwei einftiiitbigen Raufen für bie 9J?aßlgeiten, ©e* 
fd)äftsfcßluß an ©onntagen um 12 Ußr NJittagS. 2. 3 roe i 
gaßlte Nußctage pro Nlonat, wooon einer ein ©onntag. 3. Ab* 



341 


Sogiale Brayts. Eentralblati für ©ogtalpolittf. Är. 13. 


342 


fcßaffung aller Strafgelber, unter welcßer Sonn fie immer erfeßeinen 
mögen. 4. Anerfennung beS SfltßüereinS als Vertreter ber (Ge* 
hülfen bei ben Unternehmern. Heber biefeS Minimalprogramm 
hinaus, für meines man unmittelbar (Gewährung forbert, fteHt 
bas ^ßerfonal nocß bas Verlangen 1. einer genauen SReglemen* 
tation beS 1'eßrlingSwefenS; 2. ber Abfcßaffung ber Befestigung 
unb ßoairung im £aufe Patrons unb 3. Der Aufteilung mit 
fiyem Monatsgehalt. — SRatßbem bie Unternehmer bieS Ultimatum 
ber forporirten (Geßülfen unbeantmortet gelaffen hatten, erflärten 
biefe auf einer ©eneraloerfammlung ben fofortigen allgemeinen 
AuSftanb, ba bie rege BerfaufSperiobe um ben 3a^reörDecf)fcI bie 
befte (Gelegenheit biete, einen erfolgreichen Drucf auSgitüben. Dele* 
girte ber (Geflügel* unb ber Sdjußbrancße hotten ben Anfcßlnß ihrer 
Berufe an ben Streif ber epiciers in AuSficht gefteÜt. Die Sn* 
gaben über bie 3of>l ber AuSftänbigen feßwanfen gwifeßen 3000 
unb 5000. SRocß ehe aber bie oom großen Sauerem ber £mnbels* 
anaefteHten beS Seinebepartements angeregte Bewegung in ber 
Kolonialwaarenbrancße ihren £>ößepunK erreicht hatte, maren Ber* 
futhe gu ihrer Abfcßwäcßung gemalt roorben. Die bebeutenbfte 
Sirma ber Branche feßte ben (GefcßäftSfdßluß oon 9 Uhr auf 8 Uhr 
AbenbS herab. Ein anbereS Mittel gum gleichen 3roe#e mar bie 
3erfplitterung ber Bewegung burdß (Grünoung eines Konfurreng* 
oerbanbes eines fpegießen gachoereinS ber (Geßülfen ber kolonial* 
roaarengefchäfte, ber oom gangen Programm ber Streifer nur bie 
Abfcßaffung beS ©trafgelbes beibehielt unb fi(ß gegen bie Unter* 
nehmet einer fehr loyalen Spaltung befleißigt. Biele ber Keinen 
(Gefchäfte haben fidb bereits mit bem AuSftanbSfomitö oerftänbigt, 
äße Sorberungen Der AngefteHten gugefagt, um bie AuSftänbigen 
gum fofortigen Wieberantritt ber Arbeit gu oeranlaffen. Snt 3nter* 
effe ber (Gefammtßeit hat bie Streifleitung jeboeß bieS 3ageftänbniß 
oerfagt. Bon einem Siege fann aber erft bie 9tebe fein, wenn 
bie beiben größten Sarnen, Botin unb Damoiji, ben Sorberungen 
beS B er f°nalS entgegenfommen, maS fehr fraglich ift, ba bei ihnen 
ber AuSftanb fich bis jeßt nur wenig fühlbar gemacht hat. 


3Ubettetfd)u|. 

Koufereugett preußifdjer ©etoerbeaufftdjtSbeamteit. 3m ©inblic! 
auf eine Mittheilung in 0p. 175 ber „Sogialen B^ajiS" über 
SaßreSfonferengen ber baperifeßen Sabrifinfpeftoren werben wir 
barauf aufmerffam gemacht, baß bie preußifrfjen (GemerbeaiifficßtS* 
beamten fdßon feit 1893 begießungSweifc 1894 alljährlich gu Be* 
fpreeßungen gufammentreten, um in gegenfeitigem MeinungSauS* 
taufch Süßlung mit einanber gu gewinnen unb eine (Gemein|amfeit 
beS Arbeitsplanes ßergufteffen. Stießt nur pflegen alljährlich im 
Märg bie 26 StegierungS* unb (Gemerberäthe beS ßanbeS gu 
mehrtägigen Konferengen nach Berlin berufen gu werben, auch bie 
<Gemerbe*3nfpeftoren unb Affiftenten treten in jebem 3aßre gweimal 
unter bem Borfiß beS guftänbigen BegicrungS* unb (GewerberatßeS 
gu amtlichen, ben Dienftbetriebbeßanbclnben 3wfammenfünfteu gu* 
fantmen. 

Der Adjtiihrfabettfchlttß ititb bie Klemfaufleute. Bon ben 

Befämpfern beS einheitlichen AcßtuhrlabenfcßluffeS ift ftets als 
fmupteinwanb angeführt worben, baß biefe Maßregel ben Buin 
oeS KleinßanbelS bebeuten würbe. BefonberS lebhaft würbe biefer 
Einwanb erhoben oon bem Bereut Berliner Kaufleute unb 3nbu* 
ftrieHer, einer Drganifation, ber oorgugSmeife (Großfaufleute unb 
(GroßinbuftrieHe angehören, unb bie halb nach bem Befanntwerben 
ber Borfchläge ber BeicßSfommiffion für Arbeiterftatiftif eine 
heftige Agitation gegen beren BerwirKidjung entfaltete. „Die 
Wirfung fann nur bie fein, baß bie oielen Keinen (Gefchäfte 
eyiftengunfähig gemacht werben unb immer mehr in bem (Groß* 
betrieb aufgehen, baß ber nüßlicße Kleinbetrieb oerbrängt wirb," 
fo führte Direftor BogtS in einer oott bem genannten Berein ein* 
berufenen Broteftoerfammlung aus. Scßon bamals würbe mit 
Stecht ausgefüßrt, baß gar fein (Gruttb oorliege, eine berartige 
Wirfung biefer Maßregel angunehnten, unb in ber erwähnten Ber* 
fammlung erflärte eine Angaßl Kleinfaufleute felbft, baß fie ben 
Adjtußrlabcnfd)luß ebenfo ßerbeimünfeßen wie bie Angestellten. Daß 
bamit bie Meinung eines großen DßeilS ber beutfeßen Kleintauf* 
leute wiebergegeben war, haben nachher bie gasreichen Bcftrebungen 
ber felbftänbigen Kaufleute, einen einheitlichen fiabettfdjluß bur<h 
freiwillige Bereinbarung herbeiguführett, gegeigt. 3eßt, wo es be* 
fannt geworben ift, baß bem Reichstage ein (Gefeßentwurf gugeßen 
fod, ber oon ber Einführung beS einheitlichen l ? abenfdjluffeS „nidjt 
gang Abftanb nimmt," mehren fich bie Stimmen ber Kleinfauf* 


leute unb ihrer Organe, bie bie Regierung aufforbern, ben Sicht* 
ußrlabenfcßluß entfprechenb ben Borfcßlägen ber AekßSfommiffion 
in baS (Gefeß gum Schüße ber £>aublungSgeßüIfen aufgunehmen. 
So begleitet bie „Dcutfdje §anbels*3eitung, DffigieHeS Organ beS 
BereinS Berliner Kaufleute ber Kolonialwaarenbrancße unb bes 
BereinS Berliner Kolonialwaarenhänbler" bie Artfünbigung beS 
SchußgefeßeS mit folgenbem Kommentar: 

„danach tft in bem in Attsfidjt fteßenben Ecfeße thatfächlich eine 
SRinintalrubegeit für bie Slitgefielltcn oorgefeßen; aüerbingS foH aud) 
ein obligatorifd^er $lbenbfd)luß ber Ecfchäftc nießt gang ad acta gelegt 
fein. $a heißt es nun für bie, benen an ber leßten gorm beS SdjußeS 
gelegen ift, jitß rühren, bamit fie eintrete. Sir meinen, ein 
obligatorifcßer Slbenbfdiluß ift-oorgugtehen: bann hat and) 
ber Bringipal etwas oon bem „Sdjuß", ben er unter Um* 
ftänben mehr braudjt als bie Slngeftellten." 

SRoch weiter geht ber Barmer £abenbefißeroerein. Er befdjloß 
in feiner leßten Sißung, an ben Beicßstag eine Eingabe gu rießten 
mit ber Bitte, ben fiaoenfcßluß um 8 Ußr SlbenbS gefeßlicß gu 
regeln, ba eine freiwillige Bereinbarung, bie (Gefchäfte um 9 Ußr 
gu ffließen, troß großer Müße unb oieler Kofteit an bem Eigen* 
willen einiger (GefcßäftSinhnber gefeßeitert ift. 

ganbeSpottgeUidje Berorbnung gum Scbuß ber Bauarbeiter tu 
Stußalt. Eine anerfennenSwerthe Maßnahme gum Sdjuße ber 
Bauarbeiter hat bie anhaltifcße Regierung getroffen. Sluf (Grunb 
beS ©efeßeS über bie Boligeioermaltung ift am 12. 3)egember 
folgenbe lanbeSpoligeilidje Berorbmtng erlaffen worben: 

Bei bem inneren SlnSbau oon Webäuben, inSbefonbere bei 9?eu* 
bauten, Dürfen währenb Des Winterhalbjahres länger anbauernbe Ar¬ 
beiten nidjt oorgenommen werben, wenn nicht bie 2 ßür* unb ^enfter* 
Öffnungen fo oerfeßt ober gefdjloffen ftnb, baß bureß biefelben ein 2uft* 
gug nidjt ftattfinbet. 3» Räumen, in benen offene Kofsfeuer ohne ooll* 
ftänbige Ableitung ber eutftehenben Eafe brennen, Darf nidjt gearbeitet 
werben. Soldie Räume finb gegen anbere Stäurne, in benen gearbeitet 
wirb, bießt abgufdjließen unb Dürfen nur oorübergeßenb oon beit bie 
KofSförbe beauffidjtigcnben B cr f° nen betreten werben. 3Rit ber Er* 
rießtung oon Wohnßaufern unb anberen größeren Bauwerfen im &ocß* 
unb Tiefbau Darf niemals früher begonnen werben, als bis eine ge* 
fcßloffcne Bebürfnißanftalt möglicßft abgelegen oon ber 3traße auf bem 
Bauplaß errießtet ift. ;3 u ^i^ r hanblungeu gegen biefe Borfdjrifteu 
werben mit 6)elbftrafe bis gu 30 JC ober mit £mft bis git 14 lagen 
beftraft. 

©ifenbaßnarbeiterfihtth tu Oefterreiiß» 3nt öfterreidjifeßen 
Abgeorbueteußaufe fam bei Erörterung beS ßofalbaßngefeßeS bie 
Stage bes EifenbahuarbeiterfcßußeS gu eingeßenber ^isfuffion. 
5)er Eifeitbaßuminifter Dr. Söittef erflärte in biefer Begießung, bei 
ber Aufteilung ber Bcbingnißßefte, natß welchen bie Bauten an 
bie Unternehmer oergeben werben, fei in ber auSgiebigften Weife 
für ben Scßuß ber Arbeiter Borforge getroffen, unb bie Be* 
bingnißßefte feien in biefer Begießung wirKicß mustergültig. ®iefe 
Bebingniffe, bie immer rnieber reotbirt würben, gelangten aus* 
naßmslos gur Anwenbuitg bei ben Bauten, bie mit Staatsgarantie 
erfolgen. Aud) bie ÖanbeSeifenbaßnämter hätten fieß biefe Sormen 
angeeignet. 3n ber Kontrole fei baS Eifenbaßnminifterium autonom 
gefteOt. 2)er ©cwerbe*3nfpeftor bei ben Wiener Bcrfeßrsanlagen 
fei aber gewiffemtaßen als Kern einer gu bilbenben Abtßeilung ber 
(Generalinfpeftion gu betrachten, tiefer (Gemerbe*3nfpcftor fei ber* 
geit bannt befdjäftigt, bie (Grunblagen gu feßaffen für bie Ein* 
rießtung einer fpegiellen $>ienftabtßeilung ber ©eneralinfpeftion, 
welcße oie Aufgabe haben wirb, genau fo wie bie (Gewerbe * 3n* 
fpeftiott gegenüber ben ^ßriuatfabrifen unb BrioatetabliffementS bei 
ben Eifeitbaßnen gu interoeniren. — Anfnüpfenb an biefe Er* 
Käruna würben feitenS ber Sogialbemofraten fonfrete Anträge gur 
Aufnahme in bie Bebingnißßefte geftetlt, bie fieß auf bie £oßn* 
gaßlung, ArbeitSgeit, Sonntagsruhe, Srucfunwefen, Subfontrafte 
u. f. w. begießen. Die Anträge fanbeit beifällige Aufnahme unb 
würben einem AuSfcßuffe gur Begutachtung unb Berichterstattung 
binnen aeßt Wocßen gugewiefen. 


3^rbeltcnJerftd)cnmg. äpaebafftn. 


Betriebs* (gfabrif*) ftrattfettfafjett beS Deutfdjen 9tetißeS. 3m Au* 

fdiluß an bas tut Borjaßr ocröffcutltcfjtc Bcrgeidjniß Der Crtsfiaufni- 
faßen Des Deutfcßcn Acidjes hat Der Bcriag Der ArbeiteroiTforgung 
(A. Irofcßel)*) Die BctricboFranfcnfaffen bec^ Xeutfdicn Striches muh Dem 

*) Bcrgeidjniß Der Betriebs* (Jvabvif*) Sl raufen taffen bes Icutidieu 
Aeidies. Mit Benußung amtlidjer Citeüen gufammengeftelU. Aebß 
einem alphabctifdjen iHegifter ber Ortnhaften unb ber Aabrifatioits# 
gweige. Berlin lsns. Berlag ber Arbeitcroeriorgung. A. Irbfctiel. 
((Mr. 8° 184 Seiten.) 



343 


©ojiale $rajid. Sentralblatt für Sojialpolttü. Br. 13. 


344 


Material bed Haiferlichen Statifüßhen Amtes zufammeugcftcllt, btc an 
3af)l bic Drtdfranfenfaffcn erheblich überragen. Bir haben und bic 
genommen, auszuzäf/len, mic weit biefe gorm ber gefe^lic^cit 
ttranfenuerftcfjerung in beit einzelnen gabrifationdzweigen vertreten ift. 
Xa fcfjie^t ben Bogel ab bie Bcberei 2 c. mit nicht meniger ald 1139 
foldjcr Waffen unter indgefammt 16 584 auf geführten. git meitem Ab* 
l'tanbe folgert bic Spinnerei (502), bie (lifeninbnftrie (491) unb bic 
SDiafcbincnfabrifcn (417). Xic Abtbeilungen Stcinbrüdjc, Bergbau :c. 
haben 388, bie 3uderfabrifcti 324, bic ^apicrinbnftrie 262, bie Xljon* 
iitbuftrie 260, Bauuntcrncbntungcn unb jioljinbuftric je 253, bie Xabaf* 
inbuftric 222, bie djemifche gnbufiric l 89 / 3* c 9 c l^ 182 / ©lasinbuftrie 
156, Mctaüinbuftrie 154, Färbereien 124, 2ano= unb gorftmirthfehaft 
124, Seber, Schuhe, .panbfehube 110, Stricferei, Seilerei 101, CSrifenbahn* 
bau unb betrieb 99 folcher ,Haffen. Bun ftnfen bic gahleit rafcb, fte 
betragen für Brennereien 74, graphifdjc Anftalteu 72, Bnbrungsmittcl* 
inbitftrie 55, gnftrumente, Uhren 50, Schiffsbau, Schifffahrt 43, ©ad* 
unb Baff eran galten 40, ^oftfranfenfaffeu 39, ^ofamentenfabrifen 39, 
Ocl* unb Seifeniitbuftric 36, Steinnuß* 2 c. gubuftric, Huopffabrifeu 32, 
Sprcngftofffabrifcn 31, Xrausportgefcflftfmften 23 u. f. m. Xic Hon* 
feftion tnic bie Spiclwaarcn, Bijouterie haben nur je 7, bie galwrab* 
fabrifeit gar nur 6 Haffen unb barunter fehlen bie befannteften gabrifen; 
ebenfo ift es beim Bianofortcbau, ber 7 Haffen aufweift. Auch brei 
.£>cilanftalteu fmb nertreten. Xas Begiftcr foll burd) jährliche Nachträge 
nollftäubig gehalten inerben. 

Staatluhe Berfufjerittig ber Seeleute tu Defterreidj. Fn Defier* 
reich h a * im Beidßdrath ^ er H an ö c teminifter eine Snterpeüation 
über bie Berforgung ber Hinterbliebenen oon oerunglücften See* 
leuten unb bie Hranfen* unb llnfattoerficherung ber Seeleute, ber 
befanntlid) ^djiffa^trtöbetriebe, bie ben Seegefefcen unterliegen, nicht 
unterworfen finb, bahin beantwortet, baß ein ©efefcentwurf, burdt) 
welchen bie Unfattoerficherung auf Seefdjiffahrtdbetriebe audgebehnt 
werben foll, unb ber baher auch bie Besorgung ber Hinterbliebenen 
oon oerunglücften Seeleuten put ©egenftanb ljabc, oorbereitet 
werbe, Sd erübrigten nur noch bie abßhließenben Berbanbluttgen 
mit ben betheiligten Sentralftellen. — Bährertb bei und bie Sozial* 
betnofraten f. 3* gegen Arbeiterocrfiehernngdgefeße geftimmt 

haben, agitireit bie öfterreid)ifchen Sojialbemofraten feit langem für 
ben Ausbau ber bortigen Hranfen* unb Unfalloerficherung, fowie 
für (Einführung ber Fnoalibitätd* unb Alterdoerficherung nach beut* 
.fehern Mufler. 

Xad Berficheruugdfterf tu ber Sdjtoetz. X>ie Berftcherungd* 
gefefee für Hranfßeit unb Unfall finb in ber Hauptfache abgefchloffcn, 
ed fehlt, abgefehett oon ben Schluß* unb Uebergangdbeftimmuitgen, 
im Bkfentlid)en nur noch &ie rebaftioneHe Fertig)tellung. Xroß* 
betn hai ber Bationalratl) befchloffeit, bie Srlebiguitg p oerfchiebett 
unb feine Frühjahr^feffion ju biefent 3mecle abphalten. X>er 
©runb liegt in ben Fiuanjett: Man fteht im Augeitblicf nicht, wie 
bie erforberlichen acht Millionen für bie Berfidjerung p befchaffett 
finb. (Sitten gangbaren 28eg böte bie (Einführung bed Xabaf* 
monopold, aber ba taudjen mancherlei Bebenfen auf. ©leiößwohl 
giebt eine Bebe bed Batioualratßd Forrer bie in ben Siögenöffißhett 
Bäthen herrfdjenbe Stimmung richtig wieber: 2Bir — fo erflärte 
er — haben nicht nur für ben Boben unb für bad Bieh, fonbern 
auch für ben Menßhen p forgen. Mit ber Berficherung werben 
wir bad menfchliche Slenb, foweit beffeit Befätnpfung in unferer 
Macht fteht, aud bem Selbe fragen. Bichtd barf und baoon 
prücffjalten, an ber Schwelle bed neuen Fahrhunbertd biefe große 
fojialpolitifdhe Xhat ju oollbringen. Mit ber gleichen Spanne trat 
bei jenem Anlaß ber franpfif^e Berichterftatter ber Hommiffion, 
Herr Somteffe, für bie Borlage ein. Ed ift eine erfreuliche (Er* 
fdjeinung, baß bad SBerf in ber beutfehen wie in ber welfdjen 
Sdjweiz feine begeifterten Borfämpfer hat, bie barin gerabep eine 
gebieterifche Forderung erblicfen. Haf^n^ifh läfet bie finanzielle 
Funbirung nicht allzulange mehr auf fich warten. 

(Entfchetbungett über beu Umfang bed Srbetter'Uufattentfchäbi^ 
anngdgcfched in (Englaub. 3n>ei wichtige Fälle finb jiingft oont SlppeH* 
hofe ent|d)ieben worben. 4»a fie ein Sicht auf einige fünfte ber BHr* 
fungen bed am 1. Fuli 1898 in Hraft getretenen ©efefced (oergl. 
„Soziale B ra ji^" ^P- 201) werfen, theilen wir ^ier^u folgenbe 
3u|chrift eitied unferer Mitarbeiter mit: Ter erfie Fall betraf ein 
an Borb eined Schiffed in ben Sonboner SDocfd oorgefommeued 
llngliicf mit töbtlichem ?ludgang. (Ein beim (Entlabeu eined Sdjiffcd 
angeftellter Sd)auermanu würbe burd) bie (Srplofion einer mit Ba* 
tronen aiigefüüten .Stifte getöbtet. X)ie Sd)iffdeigenthümer weigerten 
fich, bie (Ent|cf)äbiguug an bie Hinterbliebenen zu zahlen, ba ber 
Unfall auf einem Schiffe oorgetommen fei utib Sdjiffe uid)t bem 
0)efepe unterftäuben. X^ad 03raffd)aftdgerid)t hatte gleicf)wol)l gegen 
fie entfd)ieben, ba bad @efe(j fid) auf alle Arbeiten Ded habend unb 
(Entlabend in „Xsocfd, s Berften, Cuaid unb Baarenhäufern" er* 


ftreefen. X)ad 0bergerid)t trat biefern Urteil bei unb fo erhielt 
bie BUtme eine (Entfd)äbigung oon 5 400 ,K- Sluch im Zeiten 

Fall fchlofe fich bie obere Snftanz bem Spruch Untergerichtd 

an, aber ba hanbelte ed fich um eine (Einfdjränfung bed ©eltungd* 
bereiche« bed ©efefeed. Sin Bauarbeiter, ber an einem Beubau 
arbeitete, würbe burch bad H e ™bfallen eined 3 i c 9 e Utcine« oerlefet. 
3ur 3^ü bed Unfalled aber war bad ©ebäube no«h niefjt 30 Fu& 
hoch, obwohl ed nach feiner BoHenbung biefe Häh e überleiten 
foKte. X)ad ©efeh jeboch betrifft nur Unfälle auf Bauten, wenn 
biefe höher ald 30 Fnfe finb. SDer oerlehte Arbeiter hatte nach 

2lnficht ber ©erichte bemgemäfj feinen Slnfpruch auf Sntfchäbigung. 


3UbtttsroadjttJ*te. 


2>er Berbanb pr Förberung bed ^IrbeitdttaAmeifed tm 9fe^ 
gierungdbezirf 2)üffelborf, ber im 9lpril 1897 ind ßeben trat, theilt 
m feinem erften Fahredbericht 1897/98*) feine Sntftchung unb bie 
X } lrt feiner Arbeiten mit. Sein Sentralbureau in £)üffelborf ftellt 
bie 5lrbeitdgefuche unb Stellenangebote, bie oon ben einzelnen 
Bachweifen ald oon ihnen nicht zn erlebigenbe wöchentlich ange* 
melbet werben, znfammen unb überfenbet bie 3nfammenftellungen 
ben angefchloffencn Bachwcifeftellcn, giebt biefen auf Anfrage Hud* 
funft unb regt bie (Errichtung neuer Slrbeitdnachweifeftelleu an. 
Sine birefte 5lrbeitdoermitteIung übt ed nicht aud. Seit Booember 
1897 werben neben beu offenen Stellen noeft bie unerlebigt ge* 
bliebenen Slrbeitergefuche in bie 3nfammenfteuung aufgenommeit. 
Mit welchen Schwierigfeiten biefe felbft oon ber bortigen Bcgierung 
warm unterftiihten Beftrebungen (ogl. Br. 3, Sp. 75) zn fämpfen 
haben, ergiebt fid) z* aud ben Säfeen: „Sine bent Berbanbe 
anaehörige Slnftalt erblicft in bem Befanntgeben ihrer überfchüffigen 
Hrbeitdfräfte für fich f°9 a r einen Bachtheit, weil fie befürchtet, oafe 
burch Fnanfpruchnahme ber ortdanfäffigen Arbeiter burch aud* 
wärtige Arbeitgeber bereu Beftanb unangenehm oerminbert werbe. 
Bon biefer Anftalt laufen felbftoerftänblich feine Angaben über 
Arbeiterangebote ein." £>ad ift ein Stanbpunft, ber im Fntereffc 
ber Arbeitnehmer fid)er nicht z u billigen ift. X)ie angefchloffeneit 
Stellen oennittclu für ben Arbeitnehmer unentgeltlich, fmb im 
Uebrigen aber oerfchiebeu organifirt. X)ie größeren Orte, wie 
Xmffelborf, M.*©labbad) unb Sffen, erftreben eine unmittelbare Ber» 
binbung mit beu umliegenben ©emeinben ber ßaubfreife an, fo* 
weit biefe noch nicht hergefteHt ift. 2)ie günftige S)efd)äftdlage hat 
bie interlofale Arbeitdoennittelung fid) noch nid)t erheblid) entmicfeln 
laffen. An ber ©efammtzahl oon 16 853 offenen Stellen bed 
erften Fatjred (ogl. Br. 3) waren bie Anftalten, welche ziemlich rcgel* 
mäßige Angaben machten, betheilijt: £>iiffelborf mit 3804, 
M.*©labbadb mit 3056, Sffen mit 2491, Hrefelb mit 1926, Bhepbt 
mit 1695, X)uidburg mit 874 Stellen. 

$ie ArbeitdPenuittlungdftelle ber Stabt Dditabrüdf, errichtet 
am 1. September 1896, hat buchmäßig 1. April 1897/98 1051 
männlid)e unb 476 weibliche Stellen, znfammen 1527 beferen 
föunen. Unberiicffid)tigt finb 226 Männer unb 227 Frauen ge* 
blieben. Auch hier fehlt noch bie aügemeine Anteilnahme. Fm 
Berwaltungdberid)t ber Stabt 1897/98 heißt ed barüber: 

„Xic Sinridüung muß noch immer mehr Boben gewinnen, befon* 
bers baburd), baß aud) an anbereu benachbarten Orten gleiche Arbeite* 
oermittclung^ftcllcu eingerichtet werben unb eine Berbinbiing uieler her* 
geftellt wirb, wie biefed in Sübbeutfd)lanb znr Ausgleichung oon 
Arbeitsangebot unb »Badjfragc au oerfdjiebencn Orten bereits oorgefchen 
ift. — Bir bebiirfen briugeub ber Anzeige freier Stellen fettend aller 
Arbeitgeber, befonbers ber großen Berte, um ben Arbcitfudjenben fdjitell 
Arbeit unb Berbicuft ocrfdjäffcn z« fönnen. ©crabe im Hiublicf barauf, 
baß wir feine Stelle undjwcifcn fönnen, wenn feine freien Stellen au* 
gezeicit finb, haben wir aud) für bic Arbeitgeber foftenfreic Benußuug 
feftgefebt, um alle Sdiwierigfeiten aus bem Begc zu räumen unb bas 
Aumclbcn ben Arbeitgebern fo lcid)t als möglid) zu machen." 

©etneiitblidjer Arbeitditöchmefd itt ©ötttitgen. Xic ftäbtifd)en 
Hollegien haben für bie Errichtung einer ArbeitSnachweisftelle einen an* 
gemeffeiieit Betrag bewilligt. Xas Badiweisbureau foK nad) bem Mufter 
bed für Erfurt ervid)tetcn, mit Erfolg wirffameu glcid)eu Fuftitutd 
organifirt unb am 1. Januar eröffnet werben. Um bett Futereffenten 
oon vornherein bie Bemtßuug zu erleiditern, will man im Mittelpmtftc 
ber Stabt in einem leidit zugänglichen ^rioathanfe einem fachfuubigeu 
Einwohner bie Berwaltuug übertragen. Xic Auffid)t über bad Bureau 

i läßt ber Sßagifirat burd) eine Hommiffion führen. 

| :: ) Xiiffelborf l s 9^. Xrucf oon E. Ffßughaud. 




345 


Sojtalt Brasil. «entroIBIah für Sojialpollttf. Rr. 18. 


346 


HtoijumissnJejeji. 

$ie SöopnungSfrage in Bonbon. 

ßonbon ftept im Seginn einer neuen Aera öffentlicher Se* 
ftrebungen, gefunbe unb bequeme SSopnungen für bie Armen 31 t 
fepaffen. SiSper patte ber ßonboner ©raffcpaftSratp feine Arbeiten 
auf ©runb beS 1890 erlaffenen ©efepeS über baS SSopneit ber 
arbeitenben klaffen barauf befdjränlt, ungefunbe 2 £opnbe 3 irfe 311 
fäubern. Auf biefen ©ebieten ober auf anftopenbem ©runb unb 
Soben hat ber ©raffdjaftSratp bann SBopngelegenpeiten für eine 
Diel geringere Slngahl oon ^ßerfonen gebaut, als er bislocirt patte. 
Qn ber £pat ift baS, mag bislang gefepepen ift, nicht SBopnungen 
fepaffen, fonbern SSopnungen oerntdjtcn geroefen, ba bie 3 apl oer 
in ben neuert Sepaufungen untergebradjten Snfaffen in feinem 
fjalle erheblich über bie £)älfte ber früher auf bemfelben ©ebiete 
S&opnenben betragen pat. SJit anberen ^Sorten, bis auf biefen £ag 
toar baS rpirfliche 3icl all ber ©opnungSpläne in ßonbon nicht 
bie 33efchaffung oon Stopnungen für bie Unbemittelten, fonbern 
bie Sefeitigung ungefmtber Spelunfen, bie eine ©efapr für bie 
gan 3 e ©emeinbe barfteHten. 

S&acp Xpeil 3 beS ©efepes pat inbeffen ber ©raffcpaftSratp 
ftetS bie Sefugnip gehabt, fianb 3 U faufen unb Käufer für bie 
Arbeiter in jebem beliebigen Umfange 3 U errieten. £)ocp pat ber 
SRatp oon Siefer Sefugnip, bie einige anbere ©emeinbebepörben 
in Englanb eifrig benupt paben, niemals ©ebraudj gemadjt. $)er 
©runMür biefe Serfäutnnip liegt gewip nicht im Mangel beS Se* 
bürfniffeS in fionbon. SHr paben hier 3 aplreidje Sßerfonen, bie 
ungefunbe unb überfüllte 3Bopnungen 3 U fiepen geswungen finb, 
weil jebe anbere SSopngelegenpeit in erträglicher Entfernung oon 
iprer ArbeitSftätte fehlt. $>ie 3öplung oon 1891 beifpielSweife 
3 eigte, bap 829 765 ^erfonen in überfüllten Sepaufungen oon 
oier unb roeniger Räumen wopnten, wobei 2—12 Serfonen 
auf einen SKaum fameit, wäprenb nicht roeniger als 214 843 in 
S$opnungen mit nur einer Stube lebten. So fattn leiber fein 
3roeifel hefteten, bap eine belfere SSopnungSfürforge in Sonbon 
bringenb notptput, obroopl bie Aufgabe jo ungeheuer grop ift, 
bap bie Stabtbepörben bisher ihr hüiflos gegenüber ftanben. 

3efct aber pat ber S>opnungSauSfcpup beS ©raffcpaftSratpeS 
baS Problem in Erwägung gesogen. 3*oei Skge 3 um 3iel paben 
fleh ihnt bargeftellt: 3 n erfter ßinie ber $lan, unbebautes ßaitb 
außerhalb beS ftäbtifepen SßeicpbilbeS in ben nod) freien Speilen 
einzelner Sorftäbte auf 3 ufaufen unb bort Slrbeiter^Ein^elhäufer 311 
errichten. 3ebocp pat ber AuSfcpnp bieS ^rojeft fallen laffen, ba 
es fuh als unnöthig erroeift. Schon jept firtb nämlich bie JDrt* 
fchaften runb um fiottbon mit Arbeitcrpäufern, bie bie $rioat* 
fpefnlation gebaut hat, bebeeft. $n ben lepten Sapreit finb grope 
Stäbie auf jeher Seite oon fionbon entftanben, roo früher nur 
Acferlaub roar. $)em AuSfcpup fchien es baher nicht oortpeilpaft, 
mit feinem Einfluß nod) eine Bewegung 3 u unterftüpen, bie ohne* 
hin rafch genug anroächft. 3 n SBirflicpfeit fönnen alle Arbeiter, 
beren Sefcpäftigung ihnen in ben Sororten 3 U roohnen geftattet, 
gefunbe Wohnungen 3 U mäßigen greifen bort finben. 

Auf ber anbern Seite ift gerabe im Qnnern oon Conbon bie 
Nachfrage nach Arbeiterwopnungen grop, weil bort neuerbhtgS ein 
oöfligeS Stocfen beS SauenS oon folgen burch ©enoffenfepaften 
unb ©efeHfcpaften eingetreten ift. $)ieS ift 3 um £peil bettt fehr 
fchneflen Steigen ber greife für Saumaterialien unb Arbeitslöhne 
3 U 3 ufchreiben, tpeilweife auch ber enormen 3nnahme ber Soben* 
preife. 3n Anbetracht biefer Umftänbe empfahl ber AuSfcpup bem 
Plenum 3 roei Anträge: Einmal fei jept naep Artifel 3 beS ©efepeS 
mit bem 3 eitroeiligen Erroerb freien l?anbeS innerhalb Bonbons 
unb bem Sau oon Arbeiterhäufern 31 t beginnen; fobann fülle bet 
allen fünftigen SKapnabrnen jur Sefeittgung ungefunber Sejirfe 
ber ©raffcpaftSrath nid)t bloß feine gefeplicpen Serpflid)tungeit er* 
füllen, etwa 50% ber 2)iSlocirten mit neuen Wohnungen 31 t oer* 
fepen, fonbern Sehaitfungen für minbeftenS ebcnfomel Snfaffen 
fepaffen, wie oor ber Santrung in bem Se 3 irfe gewohnt haben. 

3 nt ©raffcpaftSratp aber entftanben beträchtliche 3 njcifel, ob 
bie oorgefcplagene ißolitif roirflicp ange^eigt fei. Bonbon -- fo 
würbe betont — ift baS größte SerfeprScentrum ber 3Selt; in 
Solge beffett perrfept eine ungeheure ilonfurreng um ©runbftücfe 
für ©cfcpäftSsroecfe. 5Die SJirfung pieroon ift bie fortwäprenbe 
Sergröperung beS bem Serfepr unb bem ©efepäft geroibtneten 
Areals auf Soften ber SSopnbejirfe ber inneren Staot. $>tefe 
wieberum oergröpern fiep iprerfeits auf Soften ber länblicpen Um¬ 
gebung. $aS ©acpStpum gefcpäftlicper Anlagen eqeugt auep eine 
Nachfrage naep billigen SSopuungen in iprer unmittelbaren 9?acpbar* 


fepaft für alle Arbeiter, beren Sefcpäftigung ein Söopnen in ber 
9?äpe ber ArbeitSftätte oerlangt. 4>aper fommt es, bap oiele jept 
oon ben ärmften SHaffen bewohnten Se 3 irfe urfprünglicp oornepme 
SBopnquartiere waren. $>er Sormarfcp ber Sobuftric pat bie 
früheren 3nfaffen oertrieben unb bie Nachfrage naep Arbeit 3 wingt 
bie Arbeiter fiep, fo gut es eben geht, in ben gropen S3opnpäufern 
ein 3 uricpten. derartige ©runbftücfe werben nteift in 3 aplrcicpc 
Ein 3 el* s Bopnungen 3 erlegt, roäprenb in beu Wintergärten nod) 
Keine WÄ u f er gebaut werben. So fommt es, bap bie Aermften 
auf bem wertpoollften ©runb unb Soben wopnen, unb niept nur, 
bap ein ungebüprlicp groper £peil ipreS EinfommenS oon ber 
UKietpe oerfdplungen wirb, ntup biefe auep noep in gan 3 erheb* 
licpem 9Kape für bett Sobenwertp auffommen. 2)arum fteüt man 
bie ©ebäube fo billig wie möglich per, fo bap fie itt ein paar 
Qapren gefunbpeitSgefäprlicpe Spelmtfcn finb. 

9?un fragt eS fiep, ob ber ©raffcpaftSratp es wirfltep oer* 
fuepen fann, biefe 3aftänbe burep Sornapme eigener Sauten 31 t 
oerbeffern. An erfter Stelle wirb empfohlen, bap freigeroorbene 
©runbftücfe in ßonbon erworben unb 3 um Sau oott Arbeiter¬ 
häufern oerroenbet werben foKen. Aber man barf mit Öug Pc* 
3 weifcln; ob gegenwärtig noep freie Saupläpe roirflicp für foltpe 
3wecfe paffenb unb auSreicpenb 3 U paben finb. Unb wenn ber $lan 
niept in enormen SKapen 3 ur Ausführung gelangt, wirb baS Ergebnip 
praftifcp gleicp 9?ull fein. UeberbieS fd^emt au^ eine©efapr barin 
31 t liegen, bap man bei einer Serwenbung freier Saupläpe allein 
für biefen 3 ^^ Söacp&tpum oon |>anbel unb 3 aPaftrie in 
ber Stabt ernftpafte Wiuberniffe bereiten würbe. S?eue gabrifeu, 
SJaarenpäufer unb £äoen müffen oon 3 ^it 3 U 3 c ü errieptet werben, 
um ben fteigenben Sebürfniffen ber ^onfumenten 3 U genügen, unb 
wenn bie freien Saupläpe für anbere Sprite beftimmt werben, fo 
würbe baS ©efepäft fttp entweber naep anbereu Stäbten hiu 3 u* 
3 iepen ober neue SSohnquartiere würben ^erftört werben, um 9laum 
für ©efdpäftsbauten 3 U maepeu. Sknn anbererfeits ber ©raf* 
fcpaftSratp bemüpt wäre, niept freie ©runbftücfe, fonbern bereits 
bebaute für SBopi^roecfe 3 U erwerben in ber Abfiept, bie Qualität 
ber Söopnungen 3 U oerbeffern, fo ift 311 beforgeit, bap bamit im 
Allgemeinen niept eine Sermeprung ber Quantität an Stopngelegcn* 
heit erreicht würbe. 

©aprfcpeinlicp ift auep, bap roeber biefer noep irgenb ein 
anberer $lan, Arbeiterwopnungen in Sonbon 30 bauen, bei ben 
jepigen enormen Sobenpreifen unb popen Saufoften fiep rentiren 
wirb. 5)ie ^rojefte, bie ber ©raffcpaftSratp gegenwärtig unter¬ 
nommen pat, rentiren fiep 3 war in bem Sinne, bap bie Soften 
ber Sauten unb beS piequ oermenbeten SobenS gebeeft werben, 
aber pe fommen feineSwegS auf für bie Aufwenbungen, bie für 
bie SanirungSarbeiten unb bie Auslegung oon freien ^ßläpeu 
nötpig ftitb. SDaS finb $)inge, bie bie Seporben im Sntereffe ber 
©efunbpeit ber gansen Staot aus öffentlichen Mitteln beftreiten 
mögen. Aber ber gall liegt anberS, wenn man fiep mit ^läncn 
trägt, ^eute unter 3 ubringen, bie gegenwärtig niept in gefunbpeits- 
gefäprlicpen Se 3 irfen wopnen. ^)aS gept barauf aus, bie gan 3 e 
©emeinbe 3 U ©unften ber Wenigen 3 U bclaften, bie fid) ein Unter* 
fommen in ben neuen ©ebäuben ftpaffen fönnen. Selbft bieS 
aber liepe fiep reeptfertigen, wenn man bamit bauerub baS 5Rioeau 
ber ©efunbpeit unb beS SepagenS ber Sofaffen erpöpen würbe, 
aber wir paben feine ©ewäpr, bap bieS baS Ergebnip fein würbe, 
^ie Sefcpaffung oon ^opnungen für einen Keinen £peil ber 
Arbeiter 3 U einem SRietpefap, ber für bie gemachten Auslagen 
nicht auffommt, fönnte leiept 3 U einem 3 uf(pup 3 u ben Ööpnen 
werben, unb fcplieplicp würbe fiep ergeben, bap bie Unternehmer bie 
Sortpeile eines folcpen SorgepenS ernten würben in ber Sonn 
niebrigerer ßöpne für ipre Arbeiter 

i)aS finb in ftür 3 e bie Argumente, bie im ©raffcpaftSratp 
3 ur Spracpe gebraept worben finb. ®aS Ergebnip war bie 3a* 
rücfoerweifung ber Anträge an ben AuSfcpup 3 U weiterer Er¬ 
wägung. Sermaq alfo ber 9tatp in biefer Angelegenheit nidjts 311 
tpun? S» erfter Sinie follte er — unb oermutplicp wirb baS aud) 
gefepepen — Söopngelegenpeit befepaffen für alle, bie burep Ser- 
befferungSpläne biSlocirt worben finb. ^aS ift ein fo oernünf- 
tiger Sorfcplag unb ber etwaige Serluft fann fo oötlig mit 9ied)t 
auf baS Stonto ber Serbefferung felbft gefept werben, bap bagegeu 
wenig Qppofition im 9tatpe gemad)t würbe. Auep palte icp es 
für fepr waprfcpeinlid), bap ber SRatp eoentucH fiep für ben Ser* 
fuep entfepeiben wirb, einige freie ©runbftücfe in Soitbon 1111311 - 
faufen unb bort Arbeiterwopnungen 31 t erbauen, gan^ unabhängig 
oon allen Serbefferungsprojefteu. 8 oId)e Wohnungen müffen fid) 
aber rentiren. Es ifi un^uläffig, bap eine begiiuftigte Arbeiter- 
Kaffe entftept, bie wegen iprer Sfietpcrfparniffc 31 t uiebrigeren 



347 


©ojiale ?rajig. Eentralblott für Sogtalpoltttf. 91 t. 13. 


34S 


Söhnen mit bcn weniger glücflicken Arbeitern fonfurriren fönnen. 
dag 3^ in biefem Satte rnufe fein, nicht für bie Slerotften, fon* 
bern für bie Ijotfjftefjenben Arbeiter 'Bohnungen gu fchaffen, bamit 
burch bie Slnfiebelung in ihnen ber druef unb ber Bettbewerb in 
ben billigeren unb überfüllten Quartieren erleichtert werben. dag 
wäre inbireft eine Bohlthat für alle diejenigen, bie innerhalb 
Sonbong gu wohnen gezwungen finb. Enblid) ift eine wichtige 
Stufgabe für ben Bath, ein bebeutfanter Beitrag gur Söfung ber 
Schmierigfeiten, für billige unb fdjnelle Berfehrggelegenheiten non 
unb nach allen feilen Sonbong unb feiner Umgebung gu forgen. 
Sonbott ift gur $t\t mahrfdjeinlid) bie tbjeuerfie unb unbequemfte 
Stabt ber Belt, mag ben Berfehr anbelangt, darum finben oiele 
Unbemittelte, bie gern in ben Bororten leben würben, bieg un* 
möglich, weil eg fie gu niel 3eit unb ©elb foften würbe, non ihrer 
Bohnung nach öer Slrbeitgftätte gu gelangen, unb fie rnüffen beg* 
halb höhere Biethen für fchledjtere Bohnungen im Eentrum ber 
Stabt, begahlen. der ©raffdjaftgrath ift bereitg Eigentümer eineg 
dheilg ber Sonbotier drambaljnen. Anfang 3uni 1899 wirb er 
Befifeer eineg noch größeren dheilg. Bag gefchehen fann, um ben 
Betrieb biefeg Berfehrgmittelg gu befchleunigen, gu nerbeffern unb 
gu oerbilligen, foflte ohne Bergug getfjan werben. 

durch Sörberung all berjenigen Arbeiter, bie eg nur irgenb 
nermögen, in ben Bororien gu wohnen, burch Befchaffung non 
Bohnung für alle biejenigen, bie non 3 e ^ S u 3eit burch Sani* 
rung non Stabtoierteln oobathlog werben unb burch Errichtung 
non Bauten auf freien ©runbftücfen innerhalb beg Benhbilbeg non 
ßonbon, wenn bie prioate Bautljätigfeit nicht augreid)t — burch 
biefe Bafenahmen !ann ber druef ber Ueberoölferung in ber Stabt 
mefentlid) erleichtert werben. 3 U einer folgen ^olitif fcheint ber 
©raffdjaftgrath nun enbgültig fidj bemnächft entfdjliefeen gu wollen, 
unb alg Ergebnis bürfen wir auf eine beträchtliche Abnahme ber 
Bohnunggnoth in Bonbon hoffen. 

fionbon. 3- 2Ö- ©alton. 


Bietljen ttttb Ärbeitertoohnnnggnotf?. die Bohnunggnoth ber 
unbemittelten klaffen, ingbefonbere ber Arbeiter, ift ein Sd)lagmort 
eworben, beffen Berechtigung non ber einen (Seite ebenfo nach* 
rücflich behauptet, wie fie non ber anberen Seite, befonberg ben 
§augbefihern, beftritten wirb, diefe Battei pflegt auf bie größere 
ober Heinere Slniahl leerfteljenber Bohnungen hinguweifen unb 
glaubt fith burch biefe dhatfadje gegen weitere fogialpolirtfcfee Sin* 
forberungen gebeeft. dabei wirb aber nielfach bag Slngieljcn ber 
greife in ben ©rofeftäbten unberücffichtigt gelaffen, bie ben Un* 
bemittelten gmingen, einen ftetig fteigenben dheil feineg Einfommeng 
auf bie Befriebigung beg Bohnbebürfniffeg gu oerwertben ober 
aber bieg Bebiirfnife auf bag geringste Bafe gu befchneiben. die 
Brei^unterfchiebe, bie in ben nerfchiebenen Stäbten beftehen, fallen 
für bie befdjränften §>augl)alte ber Slrbeitcrfamilien unb fonftigen 
fleinen fieute ferner ing ©ewicht. Strafebnrg*) hat u. Sl. bie 
Bohnunggpreife in 28 größeren Stäbten Enbe 1897 unb Anfang 
1898 gufammengefteHt, eg finb Slawen, Slltona, Sluggburg, Barmen, 
Breglau, Eaffel, Ebemnib, Erefelb, dangig, dortmunb, dregben, 
düffelborf, Elberfelb, Sranffurt a. B., £aHe a. 6., ftannooer, 
Karlgruhe, Köln a. Bfe-, Bagbeburg, Baing, Bannhetm, Befe, 
Biilhaufen, Bünden, Nürnberg, Strafeburg, Stuttgart, Biegbaben. 
Berlin unb bie .fmnfajtäbtc fehlen. SUg durchfchmttgpreig für bie 
gweigimmerige Bohnung unb Küche ergiebt fich ba 193 big 280 dt, 
für bie breigimmerige 286 big 350 dl. Unter biefem durdjfdjnitt 
flehen Befe (100/120 begw. 140/160 di), Sluggburg (100/130 begw. 
180/200), Bagbeburg (113/205 begw. 187/336), weiter §>atte a. S., 
Nürnberg unb Strafeburg, wo alg Binbeftpreig 135 begw. 210, 
150 begw. 200 unb 112 begw 192 dt angegeben werben, /pofee 
Binbeftpreife geigen Köln (300 begw. 360 dt ), Breglau (227 
begw. 488 dl), Stuttgart (280 begw. 420), Stanffurt a. B. 
(burchfehnitttich 280 begw. 449 di ), Baing (250 begw. 350 dl), 
Bannheim (240 begw. 360) unb Biilhaufen (240 begw. 300). 
dag finb fchon greife, bie ben Arbeiter an breigimmerige Boh s 
nungen fannt benfen Ia[fen — oon Breglau wirb bag augbriicflich 
angegeben —, ja, bie eine gweigimmerige Bohnung fdjon für oiele 
nnerfdjminglich machen unb bie bringenb eine Berbifligung er* 
beifefeen, etwa burch Befchränfung jeglichen Bauaufwanbeg, ber 
über bie rein gcfunbheitlichen Slnforberungen hinauggeht. 

der Bangel an geeigneten Strbeitermohnungen [teilt ftd) aller* 
ortg feeraug. den früheren SKegiftrirungen in biefeu Blättern fügen 

*) Ueberfidjt über bic Vobnoerl)ältuiffc ber ftäbtifcfjcii Slrbetter, fo* 
wie über bie Bobmiugs* unb x.'cücn$imltclprci|c in beu gröberen Stabten 
deutftfjlanbg. Strafeliurg 189s. (Sllg Banuffript gebrueft.) 


wir einige neue hi n S u - Stäbten hat neuerbingg Bül* 

häufen t. E. ben Bau oon Slrbeiterwohnungen unb bie Aufnahme 
einer Anleihe oon 200 000 t f( gu biefem $ roe cf befchloffen. der 
©ewerberath dritting gu dangig fteHt in feinen wefiprtufeifchen 
Sabrifinfpeftiongberichten feit mehreren Sahren biefen Bangel an 
Srbeiterwohnungen feft unb fteh* barin eine Erfchwerung ber Sln- 
fiebelung neuer Snöuftriegweige. Sluf Betreiben oon drilling ift 
bie ©rünbung oon Baugenoffenfcbaften begonnen. 3n Qftpreufeen 
befafet fich fa* 1893 e f ne ^ommlffion oon höhnen Beamten mit 
ber Sinberung ber Slrbeiterwofmunggnoth. 3n Elbing fcheiterte 
bie ©rünbung einer Baugenoffenfdjaft, bie im Üftooember oon Arbeit* 
gebern unb *nehmern befprochen würbe, oorläufig hauptfächlich in 
Solge ber Slugfühtungen beg Qberbürgenneifterg Elbitt, bafe feine 
Bohnunggnoth befiele. 3n dangig erfannte felbft ber $aug* 
befifeeroerein ben Bangel an fleinen Bohnungen (Stube unb Küche) 
an. — Sluf Anregung beg Bürgermeifter» droje in Einbecf würbe 
am 13. degember bie ©rünbung einer ©enoffenfdjaft für ben Bau 
oon Slrbeiterwohnhäufern in bie Bege geleitet, der Bangel an 
fleinen Bohnungen in ©örlifc hat gur ©rünbung eineg ©örlifcer 
Bau* unb Sparoereing in einer Berfammluna unter Leitung beg 
Stabtoerorbneteuoorfteherg Bethe geführt, in oer nameng ber cor* 
bereitenben tfommiffion diafonug 9iithacf*Stahn über bie thatfäch* 
lieh fchlechten Bohnunggoerhältniffe berichtete. Ebenfo ift in $eu- 
ftabt i. b. $falg eine Baugenoffenfchaft errichtet. — Erfreulich ift 
ber Sortgang ber Sütforge, bie manche Sabrifen ber Unterbringung 
ber ärbetter wibmen. die Schucfertfchen Eleftrigitätgmerfe in 5Rürn* 
bera wollen einen dheil beg fürglid; für gwei Billionen Barf er- 
fauften ©elänbeg gum Bau weiterer Slrbeiterbäufer oerwenben. die 
Begrünber ber 3 e i&ftiftung in 3tna (oergl. Sahtg. VI Sp. 660), 
Brofeffor Slbbe unb Dr. Schott, haben ber Baugenoffenfchaft für 
fleine Bohnungen 20 000 dt gefchenft unb 20 000 dt auf 15 3ahre 
unfünbbar gu 3% geliehen. 

dag Sluglanb ift auf biefem ©ebiete nicht untätig, eg geht 
fogar über bie Qklt hiaaug, bie unfere Erbauer oon Slrbetter- 
Wohnungen fid| meift fteefen. dänemarf leiftet auf biefem ©ebiete 
Slufeerorbentlicheg. 3« Kopenhagen fenb jefet 3 806 Bohnftätten 
oon gwei ober brei 3iotmern mit Küche unb SUfooen, wel^e ber 
Staat, ©efeüfd^aften ober prioate unter gang befonberg günftigen 
Bebingungeit für Arbeiter eingerichtet haben, der Bietfjpreig be¬ 
trägt monatlich gwifdfeen 6 big 10 Kronen (bie Krone = 1,12 dt), 
nach jehnjähriger Bieth^geü tritt Ermäfeigung ein, nach 20jähriger 
Biethggeit wohnt ber Arbeiter meift gänglich frei, derartige Boh¬ 
nungen errichtet x. B. ber Berein Foreningen for Alderdomsboliger. 
der 1865 gegriinoete Slrbeiterbauoerein (Arbejdernes Byggeferening) 
fteflt Ein* unb 3roeifamilienhäufer her, bie unter bcn Bitgliebern 
oerloft werben, die Königlichen Berften haben Sreiwohnunaen 
für ihre Arbeiter, die „Classenske Boliger“ finb auf Koften beg 
Elaffenfchen Siöeifominife errid)tete Slrbeiterhäuferanlagen, bie billige 
Bohnungen für 1600 Benfdjen bieten, die „^eimftätten beg 
Slergteoereing" finb fchon im Efeolerajahre 1853 für arme Arbeiter 
geftiftet. dagu fommen bie Slfple für inoalibe Arbeiter unb Arbeiter» 
wittwen. die Stiftung Alderströst (droft beg Sllterg) giebt feinen 
448 Bewohnern freie Bohnung, Neigung, Sicht, freien Slrgt, freie 
Stpotfeefe u. f. w. unb jährlich 50 Kronen baar. Eine ähnliche 
Stiftung befiehl für alte Kleinhanbwerfer. Sür bie ber Slrmen* 
pflege anheimgefallenen Sßerfonen beftehen natürlich baneben gleich* 8 
fallg Slfple, .fwfpitäler 2 c. 

Sörberung Oou Slrbeitertoohttnngeu burch bie Berjtdjenmgg* 
anfitalt Schlegwig • £olftein. der Borftanb ber 3aoalibitätg* unb 
Slliergoerficherungganftalt Sdjlegwig * .s^olftein hat allgemeine 
©runbfäfee über bie ©ewäbrung oon dariehen gur Sörberung 
gemeinnüfeiger, auf bie .fSerftettung geeigneter Slrbeiterwohnungen 
unb Slrbeiter-Bohlfahrtgeinrichtungen gerichteter Beftrebungen aug- 
gearbeitet (ogl. ben Berwaltunggoericht 1897, VII. 3ahrg., Kiel, 
druef ber „Worb*Qftfee*3eituug" 1898). danach werben eingelnen 
Slrbeitgebern unb Slrbeitnehmern, fowie prioaten Unternehmern 
feine dariehen gewährt, fonbent nur ©emeinben, Korporationen, 
ntilbeit Stiftungen mit Kouporationgrechten, gemeinnüfeigen Bau* 
gefcltfdjaften, fowie öffentlichen Sparfaffen beg Begirfg unb gwar 
auch nur, wenn bie Ergietung pefuniären 9?cbengcwinneg augae* 
fchloffen ift unb bie Einrichtung in erfter Beihe bem Bohle 
beg oerficherunggpflichtigen ober *bcrechtigten Slrbeiterftanbeg 
bient, die gu erricfjtenbe Bohnung ntufe, um bei heranwachfenben 
Kinbern bie ang fittlicfeen ©riiubcn gebotene drennung ber ©e* 
fchlccfeter oornehmen gu fönnen, aufeer gwei Stuben oon aug- 
reichenber ©röfee, minbefteng noch e ^ ne mit einem Senfter 
oerfeheue Kammer mit gut oerfchalter unb oerpufeter 
dad)feite enthalten. Stuf bie Beräufecruttg ber beliehenen 



849 


Soziale ^rajis. Eentralblatt für Sozialpolitif. 9lr. 18. 


350 


EJrunbftücfe unb bie §öf)e ber SJUet^Sprcifc behält fid) bic 3lnftalt 
eine Einroirfung oor. Die BeleihungSgrenze ift auf 2 /a be3 Sau« 
unb $lahmerthe3, für ©etnetnben unter Uniftänbeu auf 3 /4 bemeffen. 
Die Berzinfung ift in ber Siegel 3% jährlidj, bie 91morh|irung 
41 / 2 % (einfchltefzlid) ber 3% Stofen), jebod) finb I)öf)ere Beträge 
geftattet. Der Sicherung ber Slnftalt bienen nod) SSorf^jriften über 
bie Snftanbljaltung, S^reöBericf)te ber DarlehnScmpfättger u.f.m. 

Befeitigmtg ber SSohmtttgönoth iit Dredben Ijat ber 
3lügemeine Bciethberoohneroerein beim Stabtrath beantragt: 

Befdjlemtigte geftftellmig ber Bebauungspläne unb grögtmoglidjc 
Begünftignug, ttad) Befinben Erzwingung bei* alsbalbigcu Bauianb* 
parjeüinuig mtb ftcrftellung ber neuen 2tränen, Befchräufimg ber 
übermägigen ?ltisnubitng beS Grimb unb Bobctts. Sdjuellerc Erlebiguug 
ber Baugenehmtgungsgefudje. Sh'iditocrnugcruug non ftäbtifcfjcm ober 
Stiftuitgs=Arcal au bie Spefulation, otelmchr ntöglicbftc Bcrmcbntug 
unb eigene Bebauung bcffclben. Bau weiterer Käufer für bie non ber 
•Stabt befdiäftigtcu Arbeiter unb bie [täbtifdjcu Beamten ber unteren 
Gehaltsflaffen. görbevmtg gemeinnü^iger Bauoercine bttrdi Betbctltguug 
an beitfelbeit, birette Subuentton :c. 2:itrdjfüfjrung unb weiterer 3lus= 
bau ber Sobuimgsorbitung; perioMfrfjc, eiugebenbe geftftclluug ber 
Sobuungsuerhältniffc, insbefonberc ber Biiethpreifc ber Sobnungcu ber 
unteren Bcoölferungsflaffen im Bcrgleidj 51t beut Eittfomuteit berfelbett. 
Bcrmehruug uttb Berbüliguitg bes BorortucrfchrS. 


(Erjietjmtg mtb fiitöitttg. 

Die 3tt^drrrfc^aft ber bolfSthümlidjeu $otbf(^tilfitrfe in Berlin; (Sin 
uou ^rof. Dr. 8cf)moller unb Hel). Cber=Bcgierungsrath '}> 0 ft er* 
ftatteter berief)! giebt nähere BJittbcilungen über bie ^ufantmenfebnug 
ber ^uf)örerfd)aft bet bem erften HurfuS ber oolfslbümlidjctt .ftodjftfjul* 
oorträge in Berlin, Die ©efannntjabl ber Befudicr ber fedjö Bor* 
Iragsfurfe betntg 2030; oott ihnen mürben 1686 ?lusfnnftszettel ab* 
gegeben unb ^mar 1252 »ott mämtlidjen unb 434 oou mciblidjeu $u* 
hörern, 344 ^rageblätter blieben unbeantmortet. 3iarf) ber erhaltenen 
3fusfunft maren unter ben männlichen Befudjeru 40, * o/ 0 ^abrif= 
arbeiter, Gefellen, Gehiilfen u. f. m., 17, 6 ü / 0 Banblmtgsgehülfeu, 
12,6 °/o ftaatliche ober fommunale Subaltcrubeamte, 5 /7 ^riuat* 
beamte, 4,8 °/ 0 ^olföfcBulIeBver unb 2,3 % felbftftänbige .Bartbtoerfer 
oertreten, inSgefantmt 83,1 %. Xiefeu flehen gegenüber 9, s % ber 
liberalen Berufe, 2,3 °/p felbftänbige Haufleute, 3, 2 % Gijinnafiafteu 
unb Stubentcn unb je 0, ö % gabrifauteu unb Rentier», ins* 
gefamntt 16, 9 %. Die Angaben ber tpeiblidten Befudjer futb oielfad) 
lügenhaft unb laffen ben Beruf bes Ehemannes, bezto. bes Baters 
häufig nid^t erfennen. Unter ben tueiblidtcn Sbcünehmertt haben 
06,7 u /o feinen Beruf, oou ben übrigen 43, 3 % finb 13, 6 % 3lr* 
beiterimten ober grauen oon Arbeitern unb ^anbmerfern, 24, < % «ehre* 1 
rinnen, Sdjriftftellerinnen, Bettlerinnen mtb 5,3 "/„ Beamtinnen unb 
faiifmätmifd)e Gchülfimten. — Xrci oott ben fcdjs Dozenten liegen oor 
beginn bes erften BortrageS oon ihnen oerfante ^eifaben au bie .'obrer 
oertheüett. Xiefelbett gaben eine fuqc Xaritclluitg beet ,pt behanbclitbcii 
•Stoffes unb enthielten am Schlun ein ^cr.güdmin ber hierher gehörigen 
l’ittcrntur mtb einen .'oimocis barauf, baf; bie angeführten ^iidter in 
ben brei öffentlidien Ücf eh allen Berlins, in ber 3?f 0 h reit ft ra fjc 41, 
^laoeiteftrafje unb 9Jeueu SdjönhauferftratV 13, cin^iifeljen feien. $>ie 
Elidier ftnb, fomeit fic nicht itt bett l'cfehalleu oorhattben maren, auf 
eine uottt Momitc* auvgcfprodjettc 'Sitte bercitmiQigft augefdjafft morbett. 
'Mus 3Kittheilungeu, bie oon ben i'orfteberu ber ^efehallen gemadjt finb, 
geht hcroor, baf; fdjott mährettb ber Xaucr ber Murfc bie betreffeubett 
Bücher oerlaugt mttrbeu. 2)an bie .'obrer allgemein bas größte ^utereffe 
betoiefett haben, beftäügen übereiiiftimtncnb bie '^eridjte ber Xo^cuten. 
9111c SBortragenbett rühmen bie lebhafte iMntheiluahme unb bic gefpatutte 
31ufmerffamfeit, bie and) bei fdjmierigerett ^etradjtuugcu uidit uadilicfj, 
unb h e ücn bie Xanfbarfeit hcroor, bie oiclfad) utüiibliiheti 'Husbrucf 
fattb. Sehr betoährt hat fiA bie Einrichtung bes ^ragefaftetts, moburd) 
bert .sobrertt ermöglidtt muroe, Vluffläruttg ju erbitten, ohne baf; fic 
öffentlich hcroor^utreten braudtteit. Xie Sdjmierigfeit, oolfsthütitlid) 
oorjutragett, mürbe oott beit To^entett ttidjt unterfdjdpt, ift aber mohl 
überall in ausgezeichneter 'Seife übermuubcu morbett. ^tc Vorträgen beit 
felbft finb oott bem Ergebttifj ihrer Bemühungen fehl* z»trieben geftellt I 
unb haben ben Einbrucf befommeti, bafj biefe Aturfe, in ber ridttigen 
Seife gehalten, aufjerorbentlid) fegenSreid) toirfett fbmteu. Sir fbniteu 
bem Berichte nur beiftimmen, toenn er fhreibt: „^ebenfalls erfchcint 
bas Bebürfnifj für foldte .Sturfe burd) bie bisherige Erfahrung gcuügenb 
ieftgcfteHt, uttb ?4;ittt)cilnngcn aus 91 rbeiterfreifet 1 laffen crmartctt, bag 
ber Befndh ber ^mciteit Serie oon .Sturfen im Januar unb Februar oou 
jener Seite ttod) größer fein mirb." 


©eoitrbegeridjtc. (Einigungsömter. Sd)icb$gerid)tc. 

®inigng0i»ifcr hei eitgltfdjett ^anMdUmmttn> 9luf Snitiatioe 
beS „London Labour Conciliation and Arbitration Board“ ber 
Üonboner §anbel§fammer fattb fürzlid) itt biefer .soattbelSfammer 


eine SSerfatttmlung oott ©eroerfoereinS* uttb Uitteruehmcrbelegirteit 
ftatt, um über Die Mittel jitr SluSbchititttg beS EittigungStoefettS 
burd) bic Manbelsfatnuterit zu beratl)cn. Xer 3Sorfi(jenbe Boultott 
mie3 auf bie namhaften Erfolge beS EinigungSamteS ber £onbotter 
.s^artbelsfatumer hin, bas feit ad)t 3ah«n beftcht uttb ffizjirte bie 
einfehlägige Elefehgebttttg, ttameutlid) in 5)leufeelanb. Xie Bcr= 
fauttnlung nahm eine SRefolution an, bttreh toeldhe fomohl Ejemerf* 
oeceine als .£)anbelsfammcrn aufgeforbert merbett, nach .Straften für 
bie Erridjtung freimilliger Einigungsänttcr unb 8d)icbsgerid)te ein* 
Zutreten; bctSglcidjen mirb bic ^ottbotter itantttier aufgeforbert, auf 
einen meitereti SluSbatt ber bczüglidjett Elcfehgebmig hitt 3 iuDirfett. 
Ein Antrag, bem jitfolge bie bittbeitbe llrtheiisfraft ber Schiebs* 
gerichte gefeblith ftatuirt merbett möge, mttrbe mit großer Majorität 
abgelehnt. 


ßitcrttrtfdie ^njetgen. 

I. Bücher unb Brofdjürett. 

Sdjriftcn bes BcrbatibeS beutidjer 2lrbeitSuad)meife. 9ir. I. 
SaS föntten bic '^IrbeitSnachmeife baju beitragen, ber 9anbmirtb* 
fdtaft ^Irbeitsfräfte jn erhalten unb jujuführen? — Slrbeitsitad)* 
mcisftatiftif. — Empfiehlt fid) bie Eebührenfreihcit bei ber 31 r* 
beitsoermittelung? — Berhanblmtgen ber erften Berbattbs* 
oerfammlmtg unb 3lrbeitSiiad)meiSfonferettj am 27. September 
1898 tu aWündhett. 

Sir machen barauf aufmetffam, bah bie ben obigen 2itel tragenbeu, 
itt golge eines Ueberetttfommeus mit ber BerlagSbuchhanblnng beit 
3lbomtcitteu ber „Sozialen ^rariö" als Gratisbeilage (zu 3tr. io Der 
„Sozialen Sßraris") überfattbten ftenographifd)eu ^rotofolle ber Biiindiencr 
Berbnitbluitgeu tu Earl ^epmanttS Berlag, Berlin W., SRäticr* 
ftrabe 44, erfd)ienctt futb. 

•Sirufe, ^rof. S. lieber beit Eittfluft bes ftäbtifcheu Gebens auf bte 
Bolfsgefunbheit. Bortrag, gehalten auf bem III. Xeutfdjcu Mott* 
greft für BolfS* unb 3w0enofptelc. Bonn 1898, Emil Straufj, 
79 S. 

-St rufe, Sßrof. S. sßl)t)ftfchc Degeneration uttb SehrfähigFcit bei eure* 
päifchett Böllern. Bortrag, gehalten auf ber Baturforfd)er= 
oerfammlmtg z» Diiffelborf. Bonn 1898, Emil Strang. 17 S. 
9ed)lcr, s ]5attl. Dev erfte Sdjritt zur nationalen Sohuuugsrefonn. 

Bortrag. Berlin 1899, Ernft .^offntatm & Eo. 28 S. 
9tcumaiTit*$>ofcr, Dr. 91 b01f. Die Entioideluitg ber Sojialbemofratie 
bei beit Saljlctt 51tm Deutschen Beidjstagc. Statiftifd) bargeftellt. 
v 3meitc Ausgabe. Berlin 1898, Eonrab Sfopttif. 75 S. 

31 ft er, Sol). Bapt. 3 ur Gefchiditc unb Statiftif ber freien 9lr^tioalil 
itt Berlin. Berlin 1899, Siemeurotl) & 2rofd)d. 157 S. 

5b. v>. Betters Tabellen zur fchneüen uttD i*id)tigcu Berechnung ber ^infett 
aus 1 bis 50 (XM) j(. Kapital oou 1 bis 365 Jagen zu 1, 3, 3 W 2 , 
'1*1*1 -t % 4 x fz, 4 Vs, 4 3 /4, 5, 5 1 4, 5 l li, ö 3 /* uttb6°o. 3cebft 
^citberedjnuitgs*, 3itis= unb 3Rüiizrebuftioiis*Dabellcn. 5. 3luflage. 
Srciburg i. B., .Berber*fdje Berlagshattblung. 

Der Streif uttb bte 3lusfpcrrung ber ^iunuerer Btagbeburgs lsns. 
Denffdirift mit 3lnlagen uttb bie 31bred)mmgett. Berausgegcbeu 
oou ber yobufomntiiflon ber Zimmerer SDlagbeburgs utto Um* 
gegettb. Eh*ob=Cttcrslebcii b. Biagbebnrg 1898, griebrich Beffc. 
64 S. 

II. Dmcffflchett mm Berttmltuugttt, Berehien ?c. 

Elrunbfähe für bie Drbnuttg ber Dieuft* unb EittfommettSoerhältuiffe 
ber ftäbtifdjen 3lrbeiter in Karlsruhe i. B. ('Hrbeitcrftatutl. 
Bericht bes Berbattbcs ber Genoffeufd)aftS*HraiiFeufaf fett Sietts 
lammt ber Statiftif bei* Berbaubsfaffett für bas gal)r 1897. 

Das fojiale Bcrfidjeruitgstoefeu im Grogherjogthum Babctt in beit 
fahren 1897 unb 1898. Biitgetheilt uottt Grogh. Statiftifdjeu 
9attbeSamt itt Karlsruhe. 

Getuerbltd)c uttb . 3lrbcitcrorgaiiifationcu, fotoie Einrirfjtungcti für 31 r* 
beitsnaihioeis im Grogl). Baben uadj beut Staub 00111 Eube 
185)6. Biitgctheilt oottt Grogl). Statiftifdicn 9aubcsamt tu 
Karlsruhe. 

Statiftifdje Bc ouatsfdjrift. Berausgcgebctt oou ber f. f. Statiüi* 
Hhett Ectttralfommiffiou. 9feue golge. III. gahrgaug. CHoher- 
Beft. Stett 1898, 3llfreb Bülbcr. 

Stettin, Bcrid)t über bie Berioaltnug ber Gemetubc^Hugelegettheiteu 
ber Stabt Stettin pro 1. 3lpril 1897/9S. 

.Hölit, Die Beoölfcruug ber Stabt Höltt. Sotiberabbrucf aus ber gefr* 
fd)vift für bie .Bauptoerfammluug bes Deutfdjeit Bereut# für 
öffctttlid)c Gefnnbhcitspflcgc. 

—, Statiftif Der mährettb bes gahrcs 1897/98 in offener Armenpflege 
Unterftüjjteii (Sotiberabbrucf aus bem Beridjt über bie Ber 
maltuug bes 'Mrmemoefeits ber Stabt HölttI. 


2)crantroonltd) füc bte ^tcbaflion: Dr. (Srnft 3 ra,l <fc t» Scrlüt W., öai)teutf)crftrafjc 




3.M 3oktale ^rarto. Gcntralblatt für 2ogialpolitif. Kr. 13. 3.V2 


■Tie ,,$otiaI« flravie“ erfdfcelnt an jebein ©omteTßtag unb ift butd) alle S8u<$battblunflcn unb gloftämter ($oft 3 citung«nummet 7072) gu beziehen. ©et $5teu' 
für baß SSicrtctja^r ift 2N. 2,50. Sebe Kummet Toftet 30 $f. ©er Slnaeigenpreiß iit (>0 $f. für bie breigefpaltene Spetitjeile. 


Bm ^ttfjce im Sei gtmjfot & Umnßlof in Seidig erdientn 


JUtfyanblnnpen, Saat*- nnb n$Hterre 4 |Mid|e: !: 

2?anb II. §eft 1: Tie 0elbftoerroaltung in politifdjer 
unb juriftifrfjer SBegichung. SBon SulinS $atfd)el. 

5 SK. 60 $f. 

^farMi, H. Tie (Introicfeluug bc£ ArmemoefenS j 
in dnglanb feit bent Qahre 1885. 1 SK. 40 $f. 

| gielefrU», «Mt*, Giitc neue Ära englifd)er 0ocial* j 
gefefcgebnng. 2 SK. 20 

i f*rftynn0*n, flaut*- unb focialwiffenfdjaft- 
lidje: 

i XV. 4. Tie bou^inbuftricflen Arbeiterinnen in ber 
t berliner 93lufen*, llnterrocf*, 0d)ürgen» unb Xrtcot* 

< !onfc!tioit. Don Berirab Tifbrenfurtb, 2 TI. 80 ^f. 

XVI 1. 3 roe i Dörfer ber babifdjen Dheinebene unter 
befonbercr 93eritcfficf)tigiing ihrer Attmenboerhält* 
niffe. Don ($mU SrattnageL 2 SK. 20 $f. 

XVI. 2. 0tatiftifd)c 0tubicn gur (SutroitfelungSgefchichte 
ber berliner Snbuftric oon 1720 bis 1890. Don 
Otto SBiebfefot. 9 SK. 60 $f. 

XVI. 3. Tao Diainger 0chiffergcrocrbc in ben lefeten brei 
^ahrhunberten be£ fturftaateä. Don dhrtfttatt 
Grfert. 3 SK 80 Df- 

XVI. 4. Tie Deid)£=Derficherungogcfebgebiing. Don 
, $. Döbüer. 1 Di. 60 Df- 

$Ulh< {ttbtulg. Ta§ SKictredjt nach bem bürgerlichen 
©efebbud) für ba§ Teutfd)c Deid). 0i)jtcmatifch bar* 
gcfteflt. ©eb. in firob. 5 SK. 40 ’ißf. 

gja0tiflan0c, 3llfreb, SiibbeutfdiC'? Saiternlebcn im J 
'Mittelalter. ft SK. 60 $f- 

fjnlU, CEtrttfl w*n, Tic Dcbentimg beo Sceoerfebro j 
‘ für Tentfdjlanb. 60 Df. 

geifert*. Tic Deform beS bentfdjcu @3elbmcfcii$? 
nach ber (^rünbung be3 Deid)0. 2 Dbe. 22 SK. 

I $*tfferi*, 3ur Erneuerung bco beutfdjen Dattf* j 

gcfcbc£. 3 Di. 

§nber, P-, $k Staateufucceffioii. Dölferredjtlichc unb 1 
ftaatorcdüliche ^rari‘3 im 19. 3ahi'b- 7 Di. 20 Dt- 

fnama-$terne00, $. «an, xmtfdie *urt= 

f(haft‘5gefd)ichte. III. Daitb, erftc Hälfte. 12 Di. 

gtappeintnnn, .vmnbbndi für prenfiifdje 2par* 

taffen. 0)eb. in Vmb. 3 Di. 60 Df- 

fUetf, piiUjclm, xic 3d)iuinbfucf)t im £id)tc ber j 
0tatiftif unb 0oeialpoütif. 2 Di. 40 Sßf. 2 


feffler, |. 9., £eben$* unb fiohnoerhältniffc inbuftrieOer 
Arbeiterinnen in 0tocfbolm. 2 SK. 

|*ttnar, D^Uipp, Tie Freiheit ber ÜöerufSmabl. 

1 SK. 

$tt*eraliitv 0 , ^ofa, Tie inbuftrielle ßntmicflung 
Polens. 2 SK. 20 Sß\. 

peietr, ®rn^ «an, |)annooerfche Serfaffungö* unb 
Sermaltung^gefchichte 1680—1866. (Srfter 33anb. 

11 SK. 60 $f. 

(^eridjt, (Berichts^err, SSerteibigung. 80 $f. 

$df«iottjer, (Onftav, lieber einige ©runbfragen ber 
Socialpolitif unb ber SSotfomirtfchaftSlehre. 6 SK. 40 ^f. 

$ 4 tn«Uev, «Sn^a», ilmriffe unb Unterfudhungen gur 
SerfaffungS*, SSerroaltungg* unb SSirtfdbaft§gefchid)te 
befonberö bee^ $reu&ifchen 0taate0 im 17. unb 18. Saljr* 
hunbert. 13 SK. 

$df triften Pe« Sentfd^en Herein* fnr Jlrnten- 
pfle0e nnb P*^lty«ti0lteit: 

34. 17. 3ab«^crfammlung in Äiel. 3 Di. 40 $f. 

35. Ta3 au^länbifche Armenroefen. 1 SK. 60 $f. 

36. ^rocmgötnabregeln gegen nährpflichtige Singehörige. 

2 Di. 

37. .Jnlfe in auBerorbentlichen Kotftänben. 1 Di. 80 $f. | 

38. Tic rocchfelfeitige Unterftübung uon Sieich^* | 

ungehörigen in ben eingelncn ^unbeöftaaten. 2 SK. | 

39. 3 u P uc h^ftötten für roeiblidje s $erfonen. — %ifteng* 

minintum in ber Armenpflege. — Anrechnung ber j 

^eiftungen ber ^riuatmohlthätigfeit unb Snualiben* i 

renten. 3 Di. 20 $f. ! 

Triften bes H^^ein« fnr farialpaiitib: ! 

75. ^ßcrfonaltrebit be‘3 Iänblidjen SUeingrunbbefifceä in | 

Tefterreich- 8 Di. 80 $f. j 

76. ©encralnerfammlung in £öln 1897. 10 S 1K. | 

77. .Jaufiergemerbe in Teutfchlanb. I. 11 Di. j 

78. .Jauficrgcroerbe in Teutfchlanb. II. 5 Di. 60 ^f. | 

illtridj, franj, 0taat^eifenbahnen, 0taat§mafferftrahcn i 

unb bie bentfehe SBirtfchaft^politif. 1 Di. I 

Herntaitnn0*berid|t beo Datheo ber 0tabt ^eipgig 1 

für ba* oafjr 1896. Web. 10 'JK. 1 

Paenti0, Heinrid), OJeroerblidje SKittelftanbdpolitif. j 

9 SK. 60 'ßf. | 

Peid)*-b$lan, |riebrit^ $reil;err jn, ®ie 

Srotfrage unb ifjre l'öfung. 2 Sit. 20 $f. I 


S.ramiotmiid) für r^c ?ltueiflcu: €>«DmuiIi Olcibcl. Veipiin. - 2?frkg uou luiitfcr & ^imiblot, Stiiuifl. — (Sebrucft bei ^uliu« Sittcnfclb, Serlüt. 








VIEL gdpgitag. 


©erlitt, ben 5.3<muor 1899. 


itnmmrr 14. 


Soziale prayte. 

{g^nhrafßfatt für ^>ogict£po£ifiü 

mit ber 2Ronttt«betlage: 

Vas (Bewevbegericht. 

(Organ bes Perbattbes beutfdjer <Sen?«rbegericfyte. 

©cuc golge bcr „Blätter für fogtale ^rayt«" unb bc« „Soglalpoltttfchen Eentralblatt«". 

(Frfticiitt an jebem Somtetflat. ^)CCQU§gc6er! Aretß bicrteliiljrlidj X SR. 50 Bf. 

föebaftton: Berlin W., Baljreutherftra&e 29. Dp« (Etttß <#PCtHdt£* ©erlag bon ©under & $umblot, Cetpgtg. 


3 noalibitätß* unb ftranfenöct* 
tietjerung. Bon Dr. jur Sfttdjatb 
<yreunb, Botfifcenbem b<r3nbalibt» 
tätd« unb AlteTßOeTfidjerungßanitaü 
'Berlin.253 

©ie beutfd&e ©oaialbcmoftntie 
im 3aljre 1898. 1. 256 

«Ulf «weise ©osial* unb tötetpfdjafte* 
Holitif.3C0 

©er Bertragflbrudj beß ©e* 
finbeß. Bon Dr. S. 0rulb, Bedjtß* 
anmalt, SRainj. 

©er jebnte eüanflelifdj*foaiaIe Äongreft. 

3nternationaIerfoaialftatiftif^er3)ienft. 

Staatßunierftüfcung für bie BwbufttP* 
genoftenfeftaft ber ^>o()lglaSperIen» 
erjeuger in Stforbbölmten. 

ßrnei ricbterlicbe ©ntfefteibungen über 
Arbeiterfragen in Englanb; Be» 
febränfung beß tfoalitionßredjteß unb 
Stieifpoften. 

ftewwsssle titofttelMIttt_363 

©aß ftfibtifd&e Arbeiterfefreta* 
riat in Ulm. 

tfonferena foainlbemolrat. ©emeinbe* 
oertreter ber B^wa Bronbenburg. 

©emeinbltfbe ©oatalpolitif in §ronf* 
iurt a. ÜJt. 

Benfion für ftäbtifdje Arbeitet in 
tfarlßrulje. 

•ir*«ttecbe*«fnnfi.365 

©ine ©emetff djaftßgrünbung 
in Hamburg; Ätonfum*, Bau* unb 
Sparoerein „Brobuftton". 

©ie Sobnbemegung unter ben Söebcrn 
in Ärefelb. 

Bon ber Bergarbeiter*Bemegung. 


©eutftber SWetallatbeiteroerbanb. 
©entraloerbanb ber £anbelß», Stanß* 
port* unb Ber!ebrß«Arbeiter ©eutfdj« 
IanbS. 

Böcferbemegung in Beilin. 

©er Außftanb ber Bartfer £anbelß* 
gebilfen. 

tttbetterf*tt*.368 

©ine autbentifebe 3«t« l P re tntion ber 
iüngften 3t c fl e ^ e tüexorbnunfl. 
Äonferena ber ©emcrbeauffidjtßbeamten 
in Bteßlau. * 

©in gletdjniäftiger unb früherer 
©djluft ber fiabengeftbüfte. 

3um ©<bufc ber Arbeiterinnen. 

3ebn Befdjmerbebuteauß für Arbeite* 
rinnen. 

©er Aibtftunbentag für bie ftäbtifdften 
Äanalarbeiter in Bari®* 

tStoftnsnflfwefes.370 

Botiaeioerorbnung über 
BZietbßmobnungenunbScblaf* 
ftellenmefen in einigen St&bten 
SRoib »£annoöerß. 

Bau oon Arbeitermob nmtgen mit 
4?ilfe ber 3noalibitdtß»Berficberungß* 
anftalten. 

©in ©ang bur<b 3 ammeT unb 9Jotb 
in Btüntben. 

©egen baß Söoftnungßelenb in Straft* 
bürg i. ©. 

9otf1e CJtjgiene.. 373 

Betriebßunfäüe im 5fterTeicbifcfjenftlein* 
gemerbe. 

©entralifation beß Berliner Bettungß* 
mefenß. 

ttftttcasctf«« ttsaetaes.374 

3nbalt beß ©eroerbegeriebtß 9tr. 4. 


3ttl)aU. 


Beilage} „©aß ©ttojerbeflertdü" 9tr. 4. 


AtiDrud fömmtlicber Artifel ift Bettungen unb S^itfc^xiften geftattet, jeboeb nut 
mit ooüer ^Quellenangabe. 


unb ßranknttierftdjermig. 


9(1« ich auf ber Mannten 9iooentber*£onfereng int ©eid)«amt 
be« Snnern bie (Einrichtung non lofalen 9lrbeiteroerfi<herung«* 
ämtern in ©orfd)lag brachte, führte id) au«, 1 ) bajj bie Schaffung 
einer uoHfomutenen lofalen Drganifatton für einen 3 roe i0 ber 
Arbeiteroerfidjerung 31 t foftfpielig fei, bafc baher bie Arbeiter* 
oerficherung«ämter al« lofale Drganifation für bie gefatnmte 


Slrbeiteroerftcherung bienen müßten. 3 n«befonbere ftrebte ich bie 
oöEtcje ©erfchmelgung oon 3 uoaübität 8 * unb Traufen* 
oerftcherung an, ba ja gerabe bie gu fdjaffenben neuen lofalen 
SHemter bie 3 uoalibität«oerfichcrung in ben Stanb fefcen, bie $)urch* 
führung ber Shranfenoerficherwtg gu übernehmen. $)ie (Einbringung 
ber $ooeUe gum 3noalibität«oerficherung8gcfefe fteht unmittelbar 
beoor, bie 9fooeüe hat im ^rinjip bie lofale Drganifation ber 
9lrbeiteroerficherung«ämter acceptirt, ba fcheint e« mir benn ge* 
boten, noch einmal für bie oon mir feit 3 &h ren verlangte 23er* 
fchmeljung beiber ©erücherungen einguireten unb alle biejenigen 
©rünbe jufammen^uftellen, welche in geroichtigfter ©3eife für biefc 
©erfd)mel 3 ung fprechen unb auf bie ich in ben oerfchiebenjten 
^ublifationen hingeroiefen h^ e - 

3unöd)ft bie inneren ©rünbe: 

Snoalibitat«- unb Eranfenoerficherung gehören nach 
innerften ^Befen untrennbar jufammen. 3 noalibität ift bcr 9lb* 
fchlufe einer längeren ober fürgeren ©Tfranfung, bie Stammgäfte 
ber Äranfenfaffen finb bie Slmoärter für bie 3 noalibenrente. S)ie 
3 noalibität«oerficherung hot ba« größte Sntereffe an einer mög* 
lichft ooHfommenen tonfenfürforge, ba« größte Sntereffe baran, 
bafe jebe ^rfranfung grünblich unb ooEfommen geheilt wirb, bamit 
fte nicht ben Äeim giir künftigen Snoalibiftrung legt. 5)ie« 3 nter* 
effe fommt nicht minber ben ©erftcherten al« ber 3 noalibität«* 
oerftcherung gu ©ute unb roa« ift ba natürlicher al« bie« 
3 ntereffe in ben ©ienft ber $ranfenfürforge gu ftetten? 
^)ie oorbeugenbe Ätanfenfürforge, toelche gegenwärtig oon ber 
3 noalibität«oerfichening mit Energie unb ©ifer betrieben wirb, 
geigt fo recht beutlich, wie uothwenbig bie ©ereiitigung beiber ©er* 
ftcherungen ift. S)enn bei beut größten Xheil ber 3 ötte, welche 
hier gur ©ognition ber 3 uoalibität«oerftcherung gelangen, fommt 
bie oorbeugenbe Xhätigfeit gu fpät, bie .firanfheit hot fchon fo 
grofee gortfehritte gemacht, bafe eine SBieberherfteHung entweber 
gar nicht möglich °o cr nur mit größten Soften gu ergieien ift. gür 
oie 3 uoalibität«oerficherung ift e« aber oon ©Serth, fo frühseitig 
wie möglich (Einfluß auf bie $ranfenfürforge gu erhalten b. h- 
alfo bei ©eginn ber (Erfraitfung, unb btefe« ©toment führt 
nothgebrungen gur ©erfchmelgung betber ©erficherungen. 3 o bem 
jeht oon ber 3 noalibität«uerficherung aufgenomtnenen 
Äampf gegen bie Xuberfulofe fteht unb fällt ber (Er* 
folg mit ber ©erfchmelgung beiber ©erficherungen. $)enn 
nur ein energifche« Eingreifen in ben allererften Anfängen 
ber fiungenerfranfung wirb e« möglich machen, Erfolge gu 
ergieien, unb für biefe« Eingreifen ift gegenwärtig nicht bie 3n* 
oalibität«oerftcherung, fonbern bic ilranfenoerftcherung guftäitbig. 

3 ebe 9lu«gabe für .tranfenfürforge fommt ber 3 n= 
oalibität«oerficherung gu ©ute; in bic fern 6 a hc er* 
fchöpfen fich alle inneren ©rünbe für bie ©erfchmelgung. 

3 n engem 3 ufatnmenhange hiermit fteht bie Höfling einer 
anberen ©rage, auf bie id^ fd)on oor langer 3 clt hiugewiefen 
habe: 2)ie Einführung ber geitlich unbegrengteit MraitFeii* 
fürforge. 2 ) 2 )ergegenwärtige 3 uftanb,wonad)beüängcrer, ( rh*aiifl)eit«= 


M Bgl. „©ie Bcrcinfadptng bcr Arbettcrocriidjerung", ©erlag oon 
Hermann Saüfjcr, Berlin 1896.' 6. 6. 


s ) ©gl. „Soginlc ©rari# IV, 34 unb „Armenpflege unb Arbeiter* 
ocrfidjermig". Bering oon ©mufer & ^ltuiMot, Vetpgig 1^95. S. 92. 
















355 


Soziale Brajis. Gentralblatt für Sozialpolüif. Rr. 14. 


356 


bauer eine Unterbrechung'in ber fozialpolitifchen fjürforge entfielt, ift 
unhaltbar: Die Äranfenfürforge muß folange bauern, 
als fie nach ärztlich ent Ermeffen notßroenbig unb zroeef* 
mäßig ift, unb baS Enbrefultat ift entroeber tnögticßfte 
©ieberßerftellung ober Snoalibifirung. 3e länger bie 
Sfranfßeit bauert, befto mehr fommt bie gantilie beS erfranften 
Berficßerten zurücf, befto bebürftiger roirb fie; es ift ein §oßn auf 
unfere fozialpolitifcße ©efeßgebung, baß gerabe in biefer 
fritifeßen 3 ei* ber Berficßerte ßülfloS bem Elenb übertaffen roirb. 
Die bisherige Beftimmung, wonach bie SuoalibitätSoerficßerung 
nad) 52roöcßiger SfranfßeitSbauer eintritt, ift gänzlich unzulänglich, 
unb auch bie in ber RooeHe enthaltene Berbefferung, roonad) feßou 
nach 26roöcßiger Dauer bie SuoalibitätSoerficßerung einzutreten 
hat, roirb oöllige Abhilfe nicht fßaffen. ES barf eben überhaupt 
feine Unterbrechung in ber Sfürforge eintreten, unb bieS roirb man 
am ooÖfommenften bureß bie Berfcßmelzung beiber Berfißerungen 
erreichen. Schon jeßt tritt bie SuoalibitätSoerficßerung in ben ge* 
eigneten Säßen mit ihrer oorbeugenben gürforge nach Ablauf Der 
^ranfenoerficßerungSleiftung ein; aber biefe 3roeitßeilung ber giir- 
forgepflicßt ift oom Uebel, fie fchafft in Solge ber Boroerhanb- 
lungen einen 3roifcßenraum unb oerhinbert ein planmäßiges 
energifßeS Eingreifen ber SuüatibitätSöerficßerung oom beginn ber 
^ranfßeit ab. 

Die Berfcßmelzung beiber Berficßerungen ift aber auch ge* 
eignet, fernere BUßftänbe in ber bisherigen Drganifation ber 
$ranfenoerfißerung z u fcefeitigen. 3u ben Drganen ber 
Äranfenoerficßerung oerfügen bie Arbeiter über 2 /b ber Stimmen, 
bie Arbeitgeber nur über ‘/b- $üefe Bertßeilung ift fozialpolitifch 
unbebingt z u oerroerfen. 8 ) Der unfern neuen fozialpolitifchen 
Drganifationen z u ©ninbe liegenbe ©ebanfe, bie Beziehungen 
Zroifcßen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer bureß ihre gemeinfd)aftlicf>e 
Dßätigfeit bei ber Durchführung ber fozialpolitifchen Aufgaben 
inniger zu geftalien, bie leiber fich oielfach feinblich gegenüber* 
fteßenben ©nippen einanber näher z« bringen, ift ein burdjauS 
gefunber unb richtiger. Das ungleiche Stimmenoerhältniß zroifcßen 
Arbeitgebern unb Arbeitnehmern bringt aber bie oöllige Ohnmacht 
ber Arbeitgeber mit fich, !?at iu beffen oielfach zu fdjroeren 
^oufliften innerhalb ber Berroaltung geführt, öfters mit bem 
gänzlichen Rücftritt ber Arbeitgeber oon ber Berroaltung geenbet 
unb fo bie beftebenben ©egenfäße zroifchen Arbeitgeber unb Arbeit* 
nehmer noch mehr oerfcßärft Eine Drganifation, in welcher 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gemeinfam erfolgreich 
roirfen follert, in roelcher biefeS gemeinfame ©irfen zu* 
gleich einen oerföhuenben Einfluß ausüben foll, fann 
nur auf ber BafiS ber ©leicßbeit beS Stimmenoerhält* 
niffeS unb beS oermittelnben BorfißeS eines Un* 
parteüfdjen begrünbet roerben. Die auf biefem Brinzip be* 
ruhenbe Drganifation ber ©eroerbegerießte unb ArbeitSnacß weife 
hat fich benn auch ooüfommen beroährt. Es ift pfydjologifcß fo 
leicht erflärlicß, baß bie Arbeiter in biefer einzigen Drganifation, 
in roelcßer fie bie unbebingte Sjerrfcßaft hüben, bie Berroaltung 
auch ganz iu ihrem Sinne führen unb oielfach, roenn auch iu 
burchauS roohlnteinenber Abficht, aus boftrinären Erwägungen 
Maßregeln zur Durchführung bringen, roelche unzroedmäßig ftnb 
unb eine gebcihlicße Durchführung ber ^ranfenoerfießerung hinbern. 
Borgänge wie in Remfcßcib roären bei einer paritätifeßeu Drgani- 
fation uitbenfbar geroefen. ©ir flehen aber hier erft im Anfänge 
ber Scßroierigfeiten, bie fich f° fteigern roerben, baß man zu einer 
Aenberung in ber Drganifation nothgebrungen roirb fommen 
miiffen. 

Die Einführung ber paritätifcß organifirten Arbeiter* 
oerficherungSämter roeift oon felbft auf bie 3uroeifung 
ber ftranfenoerfießerung an bie SnoalibitätSoerficßerung. 
Die Aemter, benen bie lofaie Durchführung ber Sfranfenoerfißerung 
obliegen würbe, würben bann auch meßr 3ußalt befommen, mau 
würbe in ber Sage fein, eine burcßauS oollfommenc Drganifation 
ins £eben zu rufen. Sungirett bie ArbeiteroerficherungSämter nur 
für bie SuoalibitätSoerficherung allein, fo ift bas feßon oielfach 
geäußerte Bebeufen ber Eoftfpieligfeit nicht unbegrünbet; biefeS 
Bebeufen feßrt fid) aber in baS gerabe ©egentbeil, 
wenn mau ben Acmtern aud) bie Stranfenoerficßeritug 
iibcriocift. Rtit biefer Bereinigung ift gleichzeitig bie Srage 
ber Eentralifation bev Stranfenocrficßcrung in ooli* 
fommen ft er ©eifc gclöft. And) nod) eine anbere Srage, bie 

3 > Bgl. meiite flcirfilaittcitbe Ausführung iu ,Dtc Bercinfnißimg 
brr Arbeitcrocriidienuiii** S. V. 


immer brennettber roirb, nämlich bie Aerztefrage roirb herbei 
ißre Döfung finben. 

Es ift meine unerfcßütterlicße Ueberzeugung, baß wir zu biefer 
DrganifationSreform roerben fommen müffen. ©iberftänbe finb 
nur oon ben befolbeten ^affenbeamten zu erwarten, bie überfeßen, 
baß fie zunt großen Dßeil unter roeit günftigeren Bebingungen 
in ber neuen Drganifation roerben fortroirfen fönnen. Als icß 
fürjlicß bei ©elegenßeit ber EtatSberatßung im AuSfcßuffe ber Sn- 
oalibitäts* unb AlterSoerftcßerungSanftalt Berlin in öolge einer 
Snterpeßation bie hier erörterte Reform befürroortete, ba fanb icß 
bei Arbeitnehmern unb Arbeitgebern ungeteilte 3uftimmung. 
Der Reichstag roirb nicht umhin fönnen, bei ©elegenßeit ber Be¬ 
ratungen über bie Sonette zuut Snoalibitäts* unb Alters* 
oerficßerungSgefeß bie Srage ber Berfcßmelzung oon Suoaübitäts- 
unb Iranfenoerficßerung in eingeßenbfte Erwägung z u zi c ^ cn * 
ES ift bur<ßauS erroünfeßt/ baß bie Borlage, foroeit fie bie 
ArbeiteroerficßerungSämter betrifft, zur Annahme gelangt; es ift 
aber ebenfo erroünfeßt, baß ber $eidjStag gleichzeitig in einer 
Sftefolution bie oerbünbeten Regierungen aufforbert, unoerzüglicß 
eine weitere Borlage, betreffenb bie Anglieberun^ ber ^ranfen* 
oerfießerung an bie neu gefeßaffenen ArbeiteroerticßerungSämter, 
auszuarbeiten. 

Dr. jur. Ricßarb Sreunb. 


Sie ieutfdje Sojialbeniokrotie im 3oljrt 1898. 


i. 

gür bie Situation ber fozialbemofratifcßen Partei am Anfang 
beS foeben abgefdjloffenen SaßreS waren, wie bereits in ber Artifel- 
reiße „SSanblungen in ber Sozialbemofratie" 1 ) näßer bargelegt 
würbe, folgenbe Dßatfacßen cßarafteriftifcß/ bie beutlicß ben llm- 
feßroung in ber Beurteilung ber praftifcß-politifcßen Sragen 
wie ben ©anbei ber tßeoretifcßen Anfd)auungen innerhalb ber 
Partei offenbarten: 

Die Srage ber Beteiligung an ben preußifeßen Sanbtags- 
roaßlen roar auf bem Hamburger Parteitag troß langer Debatten 
nießt zum Austrag gelangt, ba am Schluß eine ziemlich finnlofe 
Refolution angenommen worben roar, über beren Auslegung er¬ 
neute heftige Disfuffionen entbrannten, oßne baß es ber gepriefenen 
fßarteibiSziplin gelungen wäre, eine Einigung ßerzuftellen. ©eiter- 
ßin hatten bie feßertfeßen Aeußernngen beS Red)tSanroaItS .fpeine, 
ber eine opportuniftifeße itompenfationspolitif („Kanonen für Bolfs» 
reeßte") empfohlen hatte, feßarfe Angriffe oeranlaßt, bie aber feine 
Berliner ©äßler nießt ßinberten, an feiner ftanbibatur fcftzußalten. 

Sn teoretifeßer §infitt hatten bie Auffäße oon E. Bernftein 
unb Dr. Eonrab Scßmibt ben reoolutionären BtaryiSmuS als ge- 
fcßloffeneS Spftem fo gut wie ooüftänbig aufgegeben, oßne babei 
auf einmütßigen ©iberfprutß in ber s $arteipreffe zu ftoßen. Rur 
wenige Drgane traten ißren Anficßten entgegen; in erfter Reiße 
ftanb babei bie „Säcßfifdje Arbeiterzeitung" in DreSben unter 
ißrem Eßefrebafteur BarouS, hinter welchem ^feubonpm ßd) ein 
ruffifeßer Saurnalift, ber oor kurzem aus Sacßfen auSgeroicfene 
Dr. §elpßonb, oerbarg. 

Die bureß alle biefe Differenzen oeranlaßten Disfuffionen 
ßatten im April ißren §ößepunft erreicht, z°9 cn fich aber bis in 
ben Btai hinein fort, roo ißnen bie immer ftärfer roerbenbe 
Agitation für bie ReicßStaaSroahlen ein Enbe machte. 

Sm ©aßlfampf trat Diesmal, — barin ftimmen faft alle Be¬ 
obachter überein — bie Sozialbemofratie roefentließ nur als rabi* 
fale Reformpartei auf. Bon einer energifeßen' ^ropaganba ber 
reoolutionären Enbziele roar feine Rebe; fie rourben im ©egentßeil, 
wie baS aueß in bem z u Dftern oeröffentlicßten ©ablaufruf ber 
fozialbemofratifcßen ReicßStagSfraftion gefeßah, gefliffentlid) in ben 

t intergnmb gebrängt. Der Ausfall ber ©aßl ift befannt. Die 
ozialbemofratie blieb, roic bisßer, naeß ber 3aßl ber abgegebenen 
Stimmen bie größte Partei. Sie erlangte 2107 000 Stimmen, 
gleich 27,2 % aller abgegebenen Stimmen unb gleid) J 8,:, % aller 
©aßlbcrecßtigten. Dieäunaßme gegen 1893 betrug 320000 Stimmen. 

lleberbaupt ßat fiß bie Bartei bei ben ReicßStagSioahlcn feit 
bem Sabre 1881, bas ben Diefpuuft ber fozialiftifcßen Bewegung 
unter ber Einroirfnng beS SozialiftengefcßeS bezeichnet, folgenber- 
maßen eutmicfelt: 


Bergt „Soziale ^rariv" VII, Ar. 2 5, 2'J. 



8f>7 


oktale prarig. (ScntralDIatt für ©ozialpolitif. Nr. 14. 


35s 




© t i nt nt e it z u ro a d) g 


Slbfolute 

©timmenzahl. 

oott Wahl 

Zu Wahl 

oott Wahl 

Zit Wal)l 

pro 3abr 

abfolute 


abfolute 



Sahlen. 

in Prozent. 

3 ahlen. 

1881 

312 000 } 

238 000 

i 

76,, o/o 

80000 

1884 

550 000 l 

213 100 

j 38,8 * 

70000 

1887 

763 100 ! 

664 200 

87* » 

220000 

1890 

1 427 300 { 


120000 

1893 

1 786 700 / 

359 400 

25,i * 

1898 

2 107 000 } 

320 300 

17,!) * 

! 

64000 


£rofc ber bebeutenben abfolutcn 3 unal & mc bat fub alfo, roic 
bag ©infen bcr 3iffer bcr prozentualen Vermehrung unb oor 
SMetn bcr ftarlc Nüdfgang beg burcbfcbnittlicbcn jäbrlidjen ©timmen* 
auroacbfeg anzeigt, bag Sempo bcr fozialbemofratifdjen Veroegung 
feit 1890 beftänbig oerlangfamt. $er burdjfdjnittlicbe jährliche 
©timmenzuroachg ift zwifchen 1893 unb 1898 bcbcutcnb geringer 
etoefen alg je zuoor. ©elbfi in bcr 3eit bcr ftrengen $anbbabung 
cst ©ozialiftengefebe« oon 1881 big 1887 rourben jährlich mehr 
SRefruten oon bcr ©ozialbemofratie geroonnen alg jefct, trofc ber 
feitbem eingetretenen ftarfen SSolf^z unal & mc * 

©eroifj ift eg ein ungeheurer (Erfolg ber ©ozialbemofratie, 
bafe mehr als ein Viertel aller Wähler, beinah ein fünftel aller 
^Wahlberechtigten ihr angehört. Slber für eine Partei, beren 3iel 
bisher bie reoolutionöre llmgeftaltung ber ganzen ©efeKfchaft unb 
bie Nieberroerfmtg aller bürgerlichen Parteien mar, fann biefeg 
^rozentoerhältnife burchaug nicht alg fonberlich ermuthigenb gelten, 
Zumal wenn fid) bamit, roie gezeigt, eine Verlangfamung beg 
Sernpog ber ganzen Veroegung oerbinbet. 

Noch roeniger günftig für bie Hoffnung ber ©ozialbemofratie 
auf einen balbigen ©ieg hat fich ber SlugfaU ber Wahl hinfichtlith 
ber Eroberung oon Wanbaten geftaltet. SlUerbingg ift bic 3 a hl 
ber fozialbemofratifchen Neicbgtaggabgeorbneten oon 43 im Sah 1 ’ 6 
1893 jefct auf 56 geftiegen. S5o<h befafe bie Partei fchon am (Snbe 
ber oorigen öegiglaturperiobe 48 ©ifce, ba fte fünf Wanbate in 
ben Nachwahlen oon 1893 big 1898 erobert hatte, jo bafj fich ber 
faftifche ©eroinn ber Wablberoegung für fie nur auf acht Wanbate 
{teilt. Ueberbieg hat bie ©ozialbemofratie im er{ten Wablgang 
nur 32 Wanbate erobert, roährenb fie bic übrigen 24 erft in ben 
©tichroahlen unb zwar, — trofc aller ihrer Slbleugnungen — 
burchroeg nur mit Hülfe eineg ^heileg ber bürgerlichen Parteien 
erlangt hat. 2)ie 3 a hl ib^et feften ©ifce ift alfo fet)r gering, unb 
felbft biefe finb gröfttentheilg nur mit geringen Majoritäten er* 
obert. Slig abfolut ficher fönnen auch oon ben im erften Wahl* 
aang eroberten 32 Wablfreifen nur toenige gelten, ba bie ©ozial* 
oemofratie, roie eine Sufammenftellung oon Dr. Neumann*Hofer 
((Sntroicfelung ber ©ozialbemofratie ©. 60) zeigt nur in Sntei 
Wablfreifen (Altona unb £eipzig*£attb) bie abfolute Mehrheit ber 
Wahlberechtigten unb zwar auch nur mit 50,8 % unb 50, 3 % erk¬ 
langt hat. Sn oier Wablfreifen haben 45 big 50 % ber Wahl* 
berechtigten fozialbemofratifch geftimmt; in 11 Wahlfreifen bagegen 
bleibt bie fozialbemofratifche ©timmenzahl unter 40 % unb in 
weiteren 15 unter 45 u /o ber Wahlberechtigten. S)iefe 3 a h^ en 
geigen, roie felbft ber „Vorroärtg" zugiebt, beutlich genug, roie ge* 
fährbet unter Umftänben fogar ein im erften Wahlgang gewonnener 
Shretg noch immer fein fann. 

Nun haben freilich bie liberalen Parteien noch roeniger fefte 
©ifce alg bie ©ozialbemofratie. ©ie befinben fich aber bafür auch 
nicht in ber Pofttioit einer reoolutionären ^Sartei, bie jeber 3eit 
mit ber Wöqlicbfeit einer Koalition aller ihrer ©egner rechnen 
mu&. (Sine foldje Koalition roürbe unfehlbar zufammen mit einer 
weit ftärferen Wahlbetheiligung eintreten, fobalb bie fozial* 
bemofratifche Veroegung einen roirflich bebrobUcben ©barafter an* 
nehmen follte. (Sine fchroere Nieberlage ber Partei, ähnlich roie 
1887, roäre in biefem Salle ficher. öiir bie ©ozialbemofratie ift 
eg aber nicht nur wichtig, eine Koalition ihrer (Gegner zu uer* 
hinbern, fie hat in noch höherem Wa&e ein Sntereffe baran, bie 
pofitioe linterftüfcung roenigfteg eineg ^hcileö ber bürgerlichen 
Parteien bei ben ©tichroahlen zu erhalten, ©iefe Unterftüßung ift 
ihr 1898 auch faft überall z u 2 heil geworben. Unter "ben 
98 ©tichmahlen, an benen bie ©ozialbemofratie betheiligt war, 
biirften nur ganz wenige fein, in benen fie nicht einen Xbeil ber 


bürgerlichen ©timmen erhalten hat, unb oon ihren 24 ©iegeu hat 
Tie roohl feinen oollftänbig aug eigener Straft erfochten. 

Vei ben Wahlen oon 1887 war bie Partei an 18 (Stichwahlen 
betheiligt, oon benen fie 5 gewann, 1890 an 57, bie xi)v 15 Wan* 
bäte einbrachten; 1893 enbeten oon 83 ©tichroahlen 20 unb 1898, 
roie erwähnt, oon 98 ©tichroahlen 24 für fie fiegreid). 5>er Slug* 
fall ber ©tichroahlen roirb immer wichtiger für bie ©tärfe ber 
parlamentarifdjen Vertretung ber Partei unb bamit roirb fie immer 
mehr zu $Rücffid)ten auf bie anberen Parteien gebrängt, bereit ©tid)* 
roahlhülfc fie nicht entrathen fann. 2>ie Klagen ihrer rabifalen 
Elemente über bie „forrumpirenben Wirfungen ber ©tidfjroablen" 
Zeigen, bah fie fich über bie baburd) erreichte Verftärfung ber op* 
portuniftifeben ©trömung burchaug flar fmb. 

Vefonberg unangenehm ift eg für biefe rabifalen (Elemente, 
bafe ber ©ozialbemofratie bei ber biegjährigen Wahl ber Nimbug 
ber Unbefiegbarfeit ooUftänbig genommen roorbett ift. ©chon im 
erften Wahlgang hat fie 3 ihrer bigherigen SJtanbate, ©trafeburg, 
Neicbenbad)—Neurobe unb Wütroeiba, oerloren; 16 ihrer früheren 
Wanbate hatte fie in ber ©ticfjroahl Z u oertheibigen, oon benen eg 
ihr nur 6 zu behaupten gelang (Verlin III, Vreglau*0ft, Vraun* 
fdjroeig, Halle, Seltoro—Veegforo—©barlottenburg, Walbenburg), 
roährenb 10 oon biefen Streifen oerloren gingen (Verlin Ilfunb V, 
Vranbenburg, 2)ortmunb, §öchft, Stiel, München J, flauen, ©o* 
lingen unb (Stettin). Unter ben 13 oerlorenen Wahlfreifen be* 
finben fich foldje, bie zum alten Vefifcftanbe ber Partei gehörten 
unb 1893 fchon im erften Wahlgang erobert roorben roaren. Sluch 
unter ben 21 neu (3 in ber §auptroahl, 18 in ben ©tichroahlen) 
eroberten Wahlfreifen ftnb 7 berettg früher (zwei fogar roieberholt) 
fozialbemofratifch oertreten geroefen, fobah oottftänbig neu nur 
14 Wanbate geroonnen rourben, benen 13 Verlufte gegenüberftehen. 
Snggefammt giebt eg 19 Wahlfreife, bie früher einmal fozialbeuto* 
fratifch oertreten roaren unb eg jejjt nicht mehr fiitb; auher ben 
13 fd;on genannten nod) ^)uigburg (fozialbemofratifch 1807), 
Sreiberg (1867, 1874, 1878, 1881), pön-©egeberg (1874), 
Cennep* s Utettmann (1867, 1893), Wainz (1890, 1893) unb Vremen 
(1890). ileberbaupt einmal fozialbemofratifch oertreten waren fdjon 
75 Wahlfreife (19 ü /o atter 397), oon benen bie ©ozialbemofratie 
aber J /4 uicht zu behaupten oermocht hat. 

5)ie fozialbemofratifche Partei hat eine fReihe burchaug inbu* 
ftrieller Wahlfreife oerloren. ©elbft in ben Wittelpunften ihrer Ve* 
wegung hat fie fich nicht alg unbefiegbar gezeigt. Sn 120 Wahl* 
freifen ift nach $Reumann*§>ofer eine abfolute unb relatioe ,Vcr* 
minberung ber fozialbemofratifchen ©timmen eingetreteu. S)ar* 
unter befinben fidh 28 Wahlfreife, in benen bie ©ozialbemofratie 
fchon mehr alg 20% ber Wähler hinter fich hatte. 50 Wahlfreife 
fmb 1898 fogar hinter ber ©timmenzahl oon 1890 zurücfgeblicben. 

2)ie Vermehrung ber für bie ©ozialbemofratie inggefammt 
abgegebenen ©timmen um 320 000 ift in erfter Öinie auf bie 
natürliche Veoölferunggzunahme, bie hauptfächlifh ber Snbuftrie z» 
©ute gefommen ift, zuriidfzuführen. SReue größere Vefrutiruugg* 
gebiete hat fich bie fozialbemofratifche Slgitation nur in Dftprenfeeu 
unb in Dberfdjlefteit erfchloffen. Namentlich über bie oberfchlcfifchen 
(Erfolge befehle anfänglich großer Subei; fte finb aber fpäter (in 
ber „Neuen 3 6 it") non betn polttifchen ©ozialbentofraten ißloc^ocfi 
fel)r oiel fühler beurteilt roorben, inbent er fte roeniger auf bie 
Wirfung ber fozialiftifchen ^ßropaganba, alg auf eine momentane 
Urifig im oberfchlefifchen (Eentrutn zurüefführt. 

Unter biefen Umftänben ift eg nicht oerrounberlid), baff man 
trojj beg offiziellen ©iegegjubelg in weiten Streifen ber Partei mit 
bem Wahlaugfaü fehr unzufrieben war. Namentlich in Verliit 
hatten bie Nieberlagen in ben ©tichroahlen gerabezu nieber* 
fchmetternb geroirft. ©g roieberholte fich, nur nod) im bebeutenb 
oerftärften Nfafee, bie ©rfcheinung, bie fd^on 1893 nach ^ en Wahlen 
heroorgetreten war: 3Nan rourbe ftch immer mehr über ben tliat* 
fächlichen Umfang ber fozialbemofratifchen N^acht flar. £ie 
nüdjternen Wahlztffetn brachten bie bettfenbeit Stopfe ber Partei 
immer mehr oon allen d^iliaftifdjeit Hoffnungen ^urücf. 
3ntmer zahlreicher rourben aud& bie ©timmen, toeldje bie ©ozial* 
bemofratie oor ber bigher üblichen lleberfchätuing ihrer v Diad)t, oor 
einem gefährlichen ©röfeetiroahn warnten, roic er am fdiärfftcn in 
ber ©ngelgfdjen Prophezeiung, baf? bie ©ozialbemofratie im Sabre 
1898 fiegeu roerbe, zum Slugbrucf gefommen roar. 

_ ÜJÜt ber ©rfenntnife, ba& bcr Slugbehnung ber fozialbemo* 
fratifd)en Partei ©renzen gefteeft finb, bie in abfehbarer 3eit eine 
reoolutionöre Umwälzung oöllig unittöglid) ntadjen, roar uatur* 

g emäß eine weitere ©tärfung ber reformerifdjen Nidjtuug oer* 
unben, bie anbererfeitg oon ben Vertretern ber frijärfereit Tonart 
oielfad) für bett Wnblaugfall ocrantroortlid) gemadtt rourbe. 



359 


Soziale prariS. C5ciitratOCatt für 3 ogialp olitif. Dr. 14. 


360 


Wart) beit Deid)StagSroahlcn roanbte fich bie Partei roieberum 
ber $ragc ber Vetheiligung an beit preufeifdjen ßanbtagS* 
wählen gu. ©er Decf)tSanroalt §eine fafete alle Griinbe für bic 
Vetheiligung in einer Vrofdjüre „©ählen ober Dichtroählen" gu* 
fammen, bie ooit ber gegnerif<hen Seite heftig befämpft rourbe. 
(Sine Ginigfeit rourbe jefet ebenforoenig roie im grühiaht ergidt. 
Sluf ^Betreiben oon ßebebour erhärten fi<h bie Sogialbemofraten in 
Berlin unb itmgegenb für ©ahlenthaltung, oerftinnnt über beit 
Sieg beS greifinnS in ben Deid)StagSftidjroahlen. 3n anberen 
Drten roar man theils für, theils gegen bie ©al)l, unb auch über 
bie 2lrt ber Vetheiligung (?luffteEung eigener ©ahlmänner ober 
birefteS Eintreten für ben Qreifinn) roaren bie Hnfidjten in ben 
einzelnen ©ahlfreifeit getljeilt. GS ^errfcfjte eine ooEftänbige Ver* 
roirrung in ber Partei, unb eS blieb gulefet bem Stuttgarter Partei* 
tag nichts roeiter übrig als einfad) ben einzelnen ©ahlfreifen bie 
Gntfcheibung auch formell gu überlaffen, bie fie faftifd) bod) fd)on 
an fid) geriffen hatten. 3 lim erften Vtale roar & ber fogialbemo* 
fratifdjen Partei bei einer großen unb wichtigen Srage nid)t ge* 
hingen, ein einheitliches Vorgehen gu ergielen. 

©aneben ging ber Streit über bie tljeoretifchen Grunb* 
fäfee ber Partei roeiter. ©ie „Sächfifche Slrbeitergehung" fefete 
ben $ampf gegen Vernftein äufeerft hifcig fort, unb ihr fefunbirte 
Fräulein l)r. Sofa ßujemburg in ber „ßeipgiger VolfSgeiiung". 
Vernftein liefe fnh nicht beirren, fonbern oeröffentlichte in ber 
„Deuen 3 c it" einen roeiteren fritifefeen Slrtifel über „baS realiftifche 
unb ibeologifche ©oment im SogialiSmuS", ber fich gegen bie 
Uebertreibungen unb Giufeitigfeiten in ber ©heorie beS fogenannten 
l)iftorifd;en Materialismus roenbet. 

Gharafteriftifch für ben ©anbei aEer $tuf<hauungen ift auch 
bie oerfefeiebene Veurtheilung, bie Sürft ViSmarcf in ben 
Defrologen ber fogialbemofratifdjen SBIätter fanb. ©er „Vorwärts" 
erfannte offen bie Vebeutuug ber burch ihn gefchaffenen Arbeiter* 
oerftdjerung an unb erhärte, bafe ein biftorifcfeeS Urtfeeil über 
ViSmarcf erft nach Sahrsetjnten möglich fein roerbe; bis bahin 
fchroanfe fein Gljarafterbilb in ber Gefd)id)te, oon ber Parteien 
§afe unb Guuft oerroirrt. ©aburch fanb [i<h ©ehring in ber 
„Deuen 3 e it" oeranlafet, ben in ber Sogialbemofratie bisher I 
üblichen abfolut feinbfeligen StanbpunFt roicber einmal mit aller \ 
Gntf<f)iebeuheit gum SluSbrucf gu bringen. 

Anfang September h^lt ber Äaifer in 0epnhäufen bie 
befannte ©ifdjrebe, bie ber Sogialbemofratie Gelegenheit gab, eine 
äufeerft rührige Agitation für baS nach ihrer 2lnfi<ht bebrohte 
itoalitionSrecht gu entfallen. Vei aEer fachlichen Schärfe unter* 
fdjieb fich biefe Agitation in ihrem ©one hoch fetjr oon ben 
Sdjimpfereien, mit benen bie Sogialbemofratie, oorait ber „Vor* 
roärtS", 1895 baS ?lnbenfen ber nationalen Ghrentage oon 1870/71 
gu oerunglimpfen gefudjt hohe. 

Unter biefen Umftänben burfte man mit Stecht auf ben Ver* 
lauf beS Stuttgarter Parteitags gefpannt fein. 

©ie SSerhanblungen ftanben unter bem Ginbrucf ber beiben 
roichtigen ©hatfachen beS ©aljlauSfallS unb ber Depnhäufer 
Sfaiferrebe. ©aS ©ahlrefultat fanb auch auf bem Parteitage 
roie oorfeer in ber preffe unb in ben Verfammlungen oerfchiebene 
Veurtheilung. ©ie Gemäfeigten, Sluer, PeuS, §eine, VoEmar 2 C., 
roaren mit bem Grgebnife relatio gufrieben, ba fie oon oornherein 
feine überfdjroenghchen Hoffnungen gehegt hohen. ©ie reoo* 
lutionären Elemente, Stabthagen, Vebel, grau 3ethn, Sröulein 
ßurentburg u. a. mufeten oon ihrem Stanbpunft aus oon bem 
©ahlrefultat äufeerft enttäufd)t fein, unb fie benufeten theilroeife bie 
Gelegenheit, bie Scfjulb an bem unbefriebigenben SluSgang ber 
reformerifdjen Dichtung aufgubürben. Stamentlich gegen Heine unb 
iBernftein rourbeu bie heftigften Singriffe gerichtet. 

Sluf ber anbern Seite roaren bie ^Reformer angefidbtS ber 
£et)nl)äufer ftaiferrebe in eine fchroierige ßage gerathen, bie ihnen bie 
euergif<he Vertretung beS StefonngebanfenS äufeerft erfdjroerte. 
©iefe Siebe mufete bie Hoffnung auf bie ©eiterführung ber Sogial* 
reform oorläufig als auSfidjtslos cifdjcincn laffen; fie nahm bamit 
bem Gegcnfafe groifdjen ber reoolutionären unb ber reformerifchen 
Stid)tnng in ber Partei für ben Slugenblicf jebe praftifefee Vebeutung, 
ja fie mufete im Gegeutheil angeficfetS ber brohenben Gefahr gur 
Ginigfcit nöthigen. ©enn a6er trofebem nur in ber SteEnng* 
nähme gegen bie Vebrohung beS 5toalitionSred)tS, gegen bie fich 
eine cinflimmig angenommene, übrigens burdjauS auf bem Voben 
ber heutigen GefeEfdjaftSorbnung ftehenbe Stefolution roaitbtc, ooEe 
Ginmütljigfeit hcrrfd)te, roeuit im llebrigen ber Gegenfafe ber 
beiben Strömungen in ber Partei mit bisher Faum bageroefener 
Sdiärfe unb perföulidjnn Hoffe gum SluSbrncf fam, fo bcrocift I 


baS, roie feht ber 9teformgebanfen an Vobeit geroonnen 
haben mufe. 

Vor einem näheren Gingehen auf bie Verhanblungen beS 
Parteitags finb einige grunbfäfeliche Vemerfungen über bie Ve* 
beutung beS GegenfafeeS ber beiben Dichtungen am plafee, ba es 
biSroeilen fo bargeftellt roirb, als ob es fich lebiglich um bie 
0ragc ber ©ethobe ber Agitation, um bie Örage ber ©afel* 
taftif houbele, als ob fich ber gange Gegenfafe in bem Unter* 
fchieb einer fchärferen unb einer müberen ©onart crfchöpfe. GS 
mufe gugegebett roerben, bafe in ber ©hat für einen ©heil ber 
Sogialbemofratie ber gange Gegcnfafc fi<h auf bie Örage ber 
Slgitationsmethobe befchränft. 3m SlEgemeinen aber hat ber 
Gegenfafe hoch eine roeit tiefere Vebeutuna, bie auch &en 
flareren ilöpfen ber Partei burchauS gum Veroufetfein gefommen ift. 

Gs hanbelt fich um bie pringipieEe 3frage: „©ie foff bie 
fogialbemofratifche Partei ihre gange ©hätigfeit einrichten ? SoE fie 
banach trachten, burch immer erneute Agitation bie 3 a ht ih r ^i' 
Anhänger immer roeiter gu oermehren, um fo fdjUefelich bie 
Majorität beS VolfeS gu gewinnen unb im ©ege ber Deuo* 
lution bie politifche ©acht gu erobern, bie fie gur Umgeftaltung 
ber gangen GefeEfd)aft bebarf? Dber foE pe ih^ Hauptaufgabe 
nicht in ber Slgitation, fonbern in ber praftifchen Politif fu^en, 
um ihren fthon oorhanbenen Gin flu fe in jeber ©eife im Sntereffe 
unb gur H e ^ un 9 Slrbeiterflaffe auf bem ©ege ber Deformen 
gu benufeen? 

©er an bie ©öglichfeit eines balbigen Sieges ber Arbeiter* 
flaffe glaubt, roirb allen Dachbrud auf bie VluSbehnnng bcr 
Agitation unb auf bie rüdffidjtslofe Propaganba ber fogialiftifdjen 
Gnbgiele legen, um bic reoolutionäre Groberung ber politifdjen 
©ad^t oorgubereiten. ©er bagegen ffeptifdjer über bie 3afunftS* 
ausfiefeten beS SogialiSmuS unb über bie DoEe beS Proletariats 
als ©entiurgen einer neuen ©eit* unb GefeüfchaftSorbnung benft, 
roirb fich prunbfäfelich für bie reformerifche ©aftif entfeheiben. 
3ür ihn roirb bie Grlangung praftifdjer Grfolge gur H a uptfad)e; 
er roirb fich auf GrreichbareS fongentriren unb auch bie ©ithülfe 
auberer Parteien nicht oerfd)mähen. ©a er einfieht, bafe er in ab* 
fehbarer 3eit ben Vobeu ber beftehenben Staats* unb GefeEfd)aftS* 
l orbnuna nicht oerlaffen fann, fo roirb er fich beroufet auf biefen 
Voben (teilen. Gr roirb oon ber blöbeu Degation aEeS Veftehenben 
gurüdfommeit, ba fie ihm nur als h°h^ c ©eflamation, als leere 
©emonftration unb fomit als nufelofe Verpuffung beS GinfluffeS 
ber Slrbeiterflaffe erfcheinen mufe; er roirb gum Paftiren mit ben 
gegenwärtigen ftaatlidjen unb gefeEfdjaftUchen Saftoren gebrängt 
roerben, b. h- 3« einer Politif, roie fie Voflmar 1891 gang aEae* 
mein unb neuerbingS H c i ne Fonfreter Slmoenbung auf bie 
©ilitärfrage proflamirt |at. (Sdjlufe folgt.) 


Allgemeine Sojial- unb lüirtljf^aft^politih. 


©er VertragSbnuh beS GefinbeS« 

©ie Hoffnung, bafe bie ßanbeSgefefegebungen fich Solge 
beS SnfrafitretenS beS Vürgerlidjen Gefefebud)S oeranlafet feljen 
würben, ihre burch baS GitiführungSgefefe gu biefem Giefefebud) 
leiber gum gröfeten ©heil aufrecht erhaltenen Gefinbeorbnungen 
einer burchgreifenben ?lenberung unter bem GefuhtSpunfte ber 
heutigen DedjtSaufchauungen gu untergiehen, hat fich nicht erfüEt. 
3n ben roenigften VunbeSftaaten ift baS Gefmberecht gum Geaen* 
ftanb einer neuen gefefegeberifchen Vehanblung gemacht roorben, 
unb unoergeihlicher Optimismus roäre es, annehmen gu rooEen, 
bafe in bem 3al)r/ baS uns noch oon bem Snfrafttreten trennt, 
bas Verfäumte roerbe nad)geholt roerben. ©ie wenigen Gefmbe* 
gefefee, bie feit Grlafe beS Viirgerlichen GefefebudjS gu Stanbe ge* 
fommen finb, fönnen auch befefeeibene fogialpolitifche Slnfprüche 
nicht befriebigen, unb ber befte VetoeiS hierfür mag aus ber ©hat* 
fache entnommen roerben, bafe unlängft in Hamburg eine Straf* 
oorfdjrift bie 3nftimmung ber gefefegebenben Saftoren erlangt hat, 
bie ben Vertragsbruch beS GefiubeS mit fcharfen ^reiheitsftrafen 
bebroljt. ©ie Dücfftäubigfeit ber hanibnrgifcheu Gefefegebuug bei 
aEen mit fogialpolilifchen Gebanfen gufammenhäugenbeu ^fragen 
ift ja befanitt genug, unb wer fnh herüber im Unflaten befanb, 
mufete burch bie Slufrechterhaltung beS äahlpfänbungSredjtS in 
auSreidjenbcm ©afee belehrt roerben. ©ie Veftrafung beS Ver* 
tragSbrucfeS beS GefiubeS mit längeren greiheitsftrafen bilbet hierzu 
ein nnirbigcS Seitcnftücf! 

©ährenb bas inoberne Dedjt bie ftrafrechtlid)e Grgroingung 
I ber GrfüEuug eines 9lrbeitS* unb ©ienftoertrageS burdjauS oer* 



861 


Soziale Bra;ri*. ©entralblatt für Soztalpolitif. Ar. 14. 


862 


wirft, währen b es ber in bcm Bürgerlichen ©efefcbudh enthaltenen 
Anfchauuna burchauS tüiberfpridf)t, bie Erfüllung eines folgen 
Beitrags burdfj anbere als cioilred^tlid^c SRittel ^erbcx^ufü^rcn, 
wirb auch nach bem beginn beS 20. Sahrhunberts in weitaus 
t>ent größten ©heile beS Reichs ber BertragSbrucf} beS ©eftnbeS 
ftrafrechtlich oerfolat werben, ja noch wehr, ber polizeiliche 3wang 
Zur ©rfüllung wirb auch unter ber ^errfcfjaft beS neuen bürger¬ 
lichen Utechts oon Seiten beS ©ienftherrn angerufen werben fönnen. 
^ontraftirte fchoit bisher baS ©efinberecf)t wit bew bürgerlichen 
Siecht, fo wirb bieS oon 1900 an noch ungleich intenfioer ber ?fall 
fein. ©S ift bereits oon anberer Seite in biefen Blättern barauf 
hingewiefen worben, z» welchen praftifchen fjolgeit bie Aufrecfjt- 
haltung ber Sirafbarfeit beS BertragSbruchS beS ©efinbeS führt, 
wie inSbefonbere in wandten ©ebieten beS BeicheS ber ©ienftbote, 
ber ben ®ienft oerläbt, weil ber ©ienftherr bie ihm burcf) § 618 
beS Bürgerlichen ©efefcbuchs auferlegten fjürforgepflichten abficht- 
lieh Übertritt, ber Beflrafung oerfällt.*) ©s ift gerabezu unglaublich 
unb hoch wahr, bafj bie Borfchriften beS 9teid)SrechtS infoweit 
hinter ben lanbeSgefefelichen ©efinbeoorfchriften zurüefftehen müffen; 
wenn bie Unhaltbarfeit ber Beftrafung beS BertragSbruchS nid^t 
fchon ohnehin als feftftehenb zu betrachten wäre, fo müfcte fte hier¬ 
aus heraorgehen. 

©in Bebürfnife z u & er frimineHen BerfoIguHg beS BertragS¬ 
bruchS ift auch bezüglich beS ©eftnbeS mit nieten nadjzuweifen; 
wenn ßänber wie Öranrreidj unb bie Bereinigten Staaten oon 
Amerifa ohne bie ftrafrechtliche Bebrohung beS ©efinbeoertragS- 
bruch§ auSfommen, wenn auch in ®eutfdf)Ianb Bundesgebiete be- 
ftehen, in benen ber polizeiliche unb ftrafrechtliche ©rfiilliuigSzwang 
beS ©efinbeoertragS unbefannt ift, ohne bafe behauptet’ werben 
fönnte, bie ©efinbeoerhältniffe feien bort minber befriebigenb als 
in ben ©heilen beS Reichs, in benen an ber Beftrafung beS Ber¬ 
tragSbruchS feftgehalten wirb, fo ift es wahrlich für bie ©efejj- 
gebung fein befonbereS Söagnifc, in biefer Beziehung baS ©efinbe- 
redfjt mit bcm heutigen ArbeifSrecht in Uebereinftimmung zu 
bringen. ©S wäre intereffant, an ber jpanb einer ^uöcrläffigen 
6tatiftif bie Sftage zu prüfen, ob im Berbältnifc ber BertragS- 
brud) beS ©eftnoeS in ©lfaf$-£othringen häufiger ift als in Alt* 
preuften? ©ine folche 6tatiftif bürfte zur 3eit faum oorhanben 
fein, bie ©ahrfcheinlichfeit fpricht aber bafür, ba& bie oerneinenbe 
Antwort bie richtige wäre. 

©S fann bahin geftellt bleiben, ob überhaupt zu irgenb einer 
3eit bie Bönalifirung beS ArbeitSoertragSbruchS im Allgemeinen 
unb beS ©efinbeoertragSbruchS im Befonberen mit ©rünben ge¬ 
rechtfertigt werben fonnte, bie auch DOr bem Sorum ber heutigen 
Sfritif beftehen fönnen. And) zugegeben, baf; bieS ber $aH ift, fo 
fehlt es hoch heute an jeber Berechtigung, bie ©rfüllung eines 
AequioalenzoertrageS mit öffentlicher Strafe zu bebroijen, nachbetu 
bie SRedhtScntroicfelung bahin geführt hat bie ©rfüllung aller 
©üteranStaufchoerträge als Sache beS ©ioilrecf)tS unb ber cioilrecht- 
lichen ©jefution zu betrachten, ©er hiftorifdje AuSgangSpmift ber 
Beftrafung beS BertragSbruchS war ber Stanbpunft beS älteren 
Stedjts, wonach in biefem bie Berlefeung eines ©reuocrhältniffes 
unb ber barauS entfpringenben ©ienftgewalt beS Arbeitgebers unb 
in Qfolge beffen auch eine Auflehnung gegen bie Cbrigfeit unb bie 
ftaatlidje Autorität m erblicfen fei. ©iefer Stanbpunft mochte 
immerhin auf bcm Boben einer ©ienftbotenorganifation oertheibigt 
werben fönnen, fraft beren ber ©ienftbote bie ©ewipeit befafc, bei 
gutem Betragen fein ganzes £eben in bemfelben §aufe zuzubringen 
unb bort and) in fchlechten ©agen oerforgt zu werben. So lange 
ber BatriarchaliSmuS lebenbige Alraft befaft unb ber ©ienftbote 
fich bemgemäft wirflich als mit ber Familie beS ©ienftgeberS feft 
oerbunbeneS ©lieb fühlte, fonnte bie Beftrafung beS BertragS- 
brucf)3 auch uon benjenigen befürwortet werben, welche einer ein- 
feitigen Berücffichtigung ber Sntereffen beS ©ienftgeberS in bem 
©efinberecht wiberftrebten. ©ie ehemalige Drganifation ift aber 
bahin unb wirb trofc aller ©aloanifincngSoerfuche nicht wieber 
auferftehen, bie früheren BorauSfefcungen ber Beftrafung beS ©c- 
finbeoertragSbruchS finb bamit beseitigt uitb fo erroe’ift fich bi* 
Sortbauer ber Beftrafung auch im neuen Sohrhunbert als eine jener 
©inriebtungen, oon welchen Shcrina fo treffenb gefagt hat, bag 
ihr le^tcr ©runb nur in bem foziafen llebergewicht zu fuchen ift, 
bas eine klaffe oon ^erfonen auf Soften einer anberen klaffe er¬ 
langt. ©S ift wahrhaftig fein ^Ruhmestitel ber bentfcfjen ©efefe- 
gebuug, bafc auch im neuen Sohrhunbert baS pofitioe Bedjt foldje 
ileberfdeibfel ber juriftifchen Steinzeit fennt! 

Biainz* £ it b w i g 7y n I b. 

*) Bgl. oaftrow „-Soziale "prariö", Bb. VI Sp. I2r4 l‘2r,7. 


©er zehnte etHmgelifch s foziale fotigfel wirb in Stiel tagen. 
Als ©h em ata für biefe Sfongrefeoerfammlung werben in AuSficht 
genommen: a) ©ie Stellung ber lutherifdhen Kirche zu ben allge¬ 
meinen fozialen Aufgaben; Referent Brofeffor Kaftan - Berlin, 
b) BBanblungen beS BilbungSibealS in ihrem 3ufammenhange mit 
ber fozialen ©ntwicflung; biefeS Beferat foH B^ofeffor Baulfen- 
Berlin übernehmen, c) Als eoentuetteS britteS ©h e wa erflärt fich 
£anbcSöfonomierath ^obbe bereit, etwa zu behanbeln: ©ie neuefte 
©ntwicflung ber Sozialbemofratie. 5ür baS 3ah^ 1900 bleiben 
folgenbe ©h^mata näherer Befcblufefaffung oorbehalten: 1. ©ie 
©efettfehaftsorbnung nach bem 3ufammenmirfen ihrer materiellen 
unb fittlichen Sfaftoren. 2. ©ie SBohuungSfrage. 3. BSelche SRittel 
würben zur Befeitigung ber äufeerften fozialen 9fothftänbe erforber- 
lich fein? 3u einem Auffafc ber „3Rittheilungen beS eoaugelifch- 
fozialen $ongreffeS" erörterte ber Borfifeenbe §>err 9Jobbe bie Auf¬ 
gaben beS ftongreffeS in folgenben SBorten: 

©r will ein hochrageitbeS SBahrzetchen für alle fein, bte ftch barüber 
oerflänbigen wollen, wie bem zuneljmenben Abfall weiter BolfSfreifc 
oon Siraje unb Staat im eoangelifd^en ©eifte unb Sinne entgegen- 
gewirft werben fönne, bic es unferem Bolfe immer wieber ins ©ebädjt- 
nifc rufen wollen, bafs es im lebten ©runb bod) bie Äraft eoangelifcher 
©cfinnung unb Anfdjauuug gewefen fei, aus ber ber moberne Staat 
mit feinen fozialen Bitten unb Aufgaben herauSgewachfen ift/ unb 
bie es enblich unterer Äirdje aufs ©ewiffen legen wollen, bafe fic als 
Berfünbexln beS ©laubenS an 3ffuä ben ^eilanb auch bie Bflicht habe, 
wiber alle ftinberniffe unb Hemmungen biefeS ©laubenS, oor Allem 
alfo wiber bie mancherlei fogiale Aotb unb Berwahrlofung ihre Stimme 
ZU erheben, ber weite BoIfSfreife auSgefeht ftnb unb bie eine unerträg¬ 
liche Begleiterfcheinung unfereS mobemen ©rwerbslebens bilbet. Aber 
nicht nur bie fozialen Aufgaben ber Sfirdbe unb ihrer Craane will ber 
Jfongrefc erörtern; feine AJitglieber, bie ja grofeentheilS werftljätige 
2 aien finb, wollen oielmchr alle, bie fittlidje traft unb ©efunbheit 
unfereS Bolfes berührenben fozialen ©r|djeinungcn unb 3^itfragen in 
ben trets ihrer Befpredjungen ziehen — nur ba& fie bas nic^t im 
Sinne irgenb welcher BarteifteUung, fonbem oom StanbpunFte coangeli- 
fcher, auf ben ©runbfäjjen ber Aadhftenliebe unb ber fittlichen 33erth s 
fdjäpung ber ©inzelperfönlidifeit beruhenbeu ©efinnuug aus tl)un wollen. 
^Jarnit entfpridjt ber tongrefj, wie er glaubt unb weih, einem Bebürf- 
niffe weiter Bilbungsfreifc unferrs BolfcS unb wirb baber “feine oiel 
augefeinbete, aber barum nicht minber bebeutungSootle unb aufflärenbe 
2 :hätigfeit, unbeirrt um bie ©unft ober Ungunft ber oberen unb unteren 
treife, forlfehen. — 9Sie fönnte er auch anbers? 3ft bod) ber fittlichen 
unb fozialen Aoth in unferem Sanbe noch immer übergenug oorhanben 
unb ift hoch ber tiefe Spalt, ber burd) baS gefellfdjaftlid)e, firdilidjc 
unb inteüeftuelle lieben unfereS Bolfes geljt, bisher weber ausgcfüllt, 
nod^ überbrüeft worben! 

3fnternotiona(ev foziölftatiftifcher ©tenft ©ie auf bie ©rrichtung 
eines internationalen fozialftatijtifchen ©ienftes abzielenben Be- 
fhrebitngen hoben befanntlich in ©efterreich einen günftigen Boben 
gefunben. BHe bie „Soziale B™fi£" bereits getnelbet hot, fanb 
eine hierauf bezügliche SRefolution beS Abgeorbneten Dr. £echer im 
AuSgIeid)SauSfd)uffc beS AbgeorbnetenhaufeS, nach einer bem An¬ 
träge fpmpathifd)eu ©rflärung beS ?)anbelSminifterS Sreiherrit 
o. ©ipauli, einfiimmige Annahme. Nunmehr hot auch baS.Blenum 
beS §oofeS, obwohl bie Borlagen beS AuSgleid)SauSfchuffeS noch 
nicht in Berljanblung gezogen würben, ben Antrag £e<herS (oergl. 
„Soziale BrafiS" Sp. 88) einftimmig einem neuen fozialpolitifcheu 
Ausfchuffe zur weiteren fachlichen Behanblnng zugewiefen. 

StaatSunterftü^nng für bie Brotafttadenoffenfrfjaft ber $of)U 
glasperldt-©rzenger in worbböhnten. 3m öfterreichifchen Staats- 
ooranfd)lag für 1899 ift unter bem ©itcl „3ur Sörberuug ber 
©lasinbuftrie im ©abtonz-©annmalber Bezirf" ein Boftcn oon 
12 000 fl. in baS auherorbentlicf)e ©rforbernih eingeftellt unb in 
folgenber Söeife begrünbet: 

2)te in ber Seit oom 2. bis r>. ^uli 189 H oon ber $anbels- unb 
©ewerbefammer in Acicfjenberg abgehaltenc ©nquete über bie Ber- 
Ijältniffe ber ©ablonzer Snbuftrie hat als praftifches ©rgebnig bic 
©riinbung einer Brobuftiogeuoffenfdjaft ber $>oblglaSperlcn-©rzeugcr bcs? 
politifdicu BezirfeS ©ablonz ergeben, ©iefc ©enoffenfdjnft ift berufen, 
bem befiebenben Xrucf auf bic Breife unb iföhne in biefer Brandje ent- 
gegenzuwirfen fotoie auf bic Qualität ber B?aarcn einen ©inflnf) zu 
nehmen unb fonad) in biefem gegenwärtig am härteften betroffenen 
Sweigc ber ©ablonzer ^nbnftrie, bei bcm etwa 1 <><h> qualifizirte unb 
r>< m> anbere Arbeiter befdjäftigt finb, eine Berbeffcrung ber Vage herbei- 
Zuführen, ©a bie ©enoffenfdiaft, bie bereits oou einer Ijeroorragenben 
Unternehmung bcs Bczirfes ein zuitädift unoerziuslidies Darlehen oou 
1(M)oou fl. erhalten hat, einer AÖrberung and) oon 3eite bes Staates 
mi'trbtg ift, würbe in Ausfidjt genommen, ihr eine 2ubocntion zuuädift 
für ein 3ahr im Betrage oon 12 um fl., wcldje ungefähr ber r teuer für 
bas oon ben Arbeitern biefer Braudie bei ihrer Brabuftiou jährlidi 
oerbraudite B^iroleum cutfpridit, zu gewähren. 





©oginlc ^raria. ISentralblatt für 3ogialpolttif. Nr. 14. 


864 


lieber biefe Brobuftiogenoffenfdjaft ßot Dr. SW. oon ©apentßal 
in Neichenberg ausführliche Nttttßeilungen in ber „Sozialen ^rcqris" 
Soßrg. VIII Nr. 10 unb 11 gemacht. 

3tnei richterliche Etttfdjeilmitgett über Arbeiterfragen in <$*g* 
lanb; Bcfcßranfstifj beS IbalitionSredfjteS nnb ©tTctfpoftcn. Sei 

einem ©ireif in ber Norb*£onboner ©traßenbaßn hatte bie ©ireftion 
Arbeiter gemaßregelt, roeil fie Ntitglieber ober Beamte einer ©eroerf* 
fc^aft gemefen roaren. ©ie ®ireftion beftritt bieS, ba aber ber 
Bertrag bes ©rafjthaftSratßcS mit ber ©efeUfchaft auöbrncftich 
unter ©elbftrafe oerbietet, baS KoalitionSretfjt ihrer Arbeiter gu 
befdjränfen, nahm ber ©raffcßaftSratl) Anlaß, bie Angelegenheit 
bem Corb 3onleS of §ereforb gur fchiebSgeridjtlichen Entfärbung 
gu übertragen, tiefer ßot nad) Berßör aller befunben, 

baß bie ©traßenbaßngcfellfchaft in fünf SäHen fc^ulbig ift, An* 
gefteüte toegen Angeßörigfeit gu einer ©eroerffeßaft entlaffen gu 
haben, unb fie oerurtßeilt, für jeben biefer <5äHe bem ©raffcßaftS* 
ratß 50 $funb, inSgefanimt 250 ^ßfunb ©elbbuße gu gaßlen. 

Eine anberc Entfcßeibung erregt großes Auffehen: ©aS Au«* 
[teilen oou ©treifpoften ift nach einem Uriheil beS AppeffqericßtS 
in einem beftimmten $alle für ftrafbar erflärt roorben. 3n Bonbon 
hatten 1896 bie Arbeiter einer Sabrif für feine £eberroaaren bie 
Arbeit eingefteHt. Es mürben ©treifpoften auSgeftellt, roie bie 
©treifenben behaupten, „Iebiglidj um Nachrichten gu erhalten ober 
mitgutheilen", roaS bie fiebente tlaufcl ber Conspiracy and Pro¬ 
tection of Property-Act oon 1875 als ertaubt feftfteÜt, roöhrenb 
„Beroadjen unb Befeßen eines £>aufeS ober BlaßeS" roährenb eines 
Streifes in ber Abficht, einen 3 roaT1 9 auSguüben, unter ©träfe 
iteht. ©ie 'girma flagte ge^en ben Beamten beS ©erocrfoereinS 
ber Vyeinleberarbeiter unb ergielte jeßt in gmei Snftangen eine Ser* 
urtheilung ber Arbeiter. ©ie ©eroerffeßaften meffeit natürlich btefer 
Entfdjcibung bie größte Bebeutung bei; fie haben feßon bie bis 
jeßt aufgelaufenen ©eridjtsfoften oon 800 Bfunb ©terling getragen 
unb molleit nun bie ©ad)e an baS §auS ber £orbS als höchftc 
3»ftang bringen, beffen NecßtSfcnnmer oor einigen fahren einen 
ben ©eroerffeßaften günftigeren ©pruch gefällt hot. 


kommunale Sozialpolitik. 


©a$ ftö&tifdje Arbeiterfefretariat in lUuu 

AuS Ulm roirb uns gefchrieben: 3n bie Seihe ber noch 
uid}t gerabe gabireichen ^ommunaloerroaltungen im ©eutfeßen 
Seid), bie gum 3o>etf ber Beratßung ßauptfäcßlicß ber arbeitenben 
Mlaffeu auf allen möglichen (Gebieten beS öffentlichen unb Sßrioat* 
rechts Einrichtungen getroffen hoben, ift nun auch bie ©tabt Ulm 
eingetreten. ?iir baS Arbeiterfefretariat mürbe ein oon §errn Dber* 
bürgermeifter Tagner ausgearbeitetes ©tatut aufgeftellt, baS bie 
einftimmige Annahme ber ftäbtifeßen BertretungSförper gefunben 
hat. 3 ur Begriinbung biefer Einrichtung mürbe aiiSgefüßrt: ©o 
jelbftoerftäiiblid) eS auch gu ben pflkßtmäßigen Aufgaben ber ein* 
gelueit ftäbtifeben Acmter gehört, bem Bublifum in auen ihr Neffort 
betreffenben fragen mit AuSfunft unb Natß an bie £>aitb gu 
gehen, fo finb einerfeitS bie Aentter roegen ©efcßäftsüberßäufung 
unb ans an bereit EJrünbeit nicht immer in ber Sage, bem hierauf 
geridjtcteii Begehr beS BubltfumS auSreichenb gu entfprecheit. An» 
bererfeits trägt oft baS Bublifutn eine eigene ©eßeu, fich bei Be* 
börbeit Natß gu erholen unb babei alle möglichen prioaten, ßöuS* 
lid)eit uub roirthfcßaftlicßen Berßältniffc aufgubeefen. ©agu fommt, 
baß bem ^ublifum mcit mehr gebient ift, menn es feine AuSfünfte 
bei einer ©teile erlangen fann.: Weiterhin ift eS bie Ausbeutung 
beS Sublifums, bas fid) aus pcfmtiärcn Niicfficßten ineift an feinen 
redjtsfutibigen Auroalt menben fann, burch fogenannteNecßtSagenten 
unb BMnfelaboofaten, toelche bie ©djaffuitg einer oon pefuttiären 
vsntereiieit nicht geleiteten, momöglich in ben §aitben ber ©emeiitbe* 
ocrmaltuug ruhenbeit Einrichtung gur Beratfjung ber arbeitenben 
M laßen crßcifdjt. Eublich unb nicht gmn Bktiigften ift eS an* 
gezeigt, für biejenigen eilten treten, melche aus irgenb einem EI runbe 
baooit abfeßen, fid) bei Beamten, fei eS ftaatlichen ober fotnmu* 
italen, bei NcdjtSfiiitbigcii — ober Agenten Natß gu erholen, toeil 
fie biird) berartige Außerachtlaffuug unb Preisgabe ihrer Sntereffcn 
oft etnpfinblid)eit ©djabett erleibett. Serben biefe Elrüttbe in 
^etradit gegogen, fo ergiebt fid) and) ber ^erfoitcitfreis, für beit 
bie ©djaffuug beS ArbciierfefretariatS irtS Auge gu faßen ift. 

©as ©tatut gel)t baoon aus, baß bas Arbeiterfefretariat feinen | 
3 weif am Steiften burd) ÜBcrbiubung mit bem fchoit im fahret S95 
gegriinbeten ftäbtifdjeu Arbeite* unb ^ohunugSuermittelungsaint | 


gu erfüllen oermag. ©o mürbe lehterem baS Arbeiterfefretariat 
angegliebert unb ber Beamte beS ArbeitS* k. Amts hot bemnadh 
auch bie ©efchäfte beS ArbeiterfefretariatS gu beforgen.* ©)ie oielen 
Arbeitgeber unb Arbeiter, SBohnuitgSinßaber unb *©uchenben, bie 
fich 5 um 3roed! ber SSohuungS* uub ArbeitSoermittelung an baS 
Arbeitsamt menben, roerben biefe Elelegenhcit benufcen, um über 
irgenb melche fragen fich Sfoth unb Belehrung gu holen. 

®ie Aufgabe beS ArbeiterfefretariatS ift nach bem ©tatut: 
Sebermann, inSbefonbere Unbemittelten, Arbeitern, ©>ienftboten, 

t anbroerfern, §änblern, Unternehmern, Sebienfteten 2 C. Natt) unb 
uSfunft gu geroähren, namentlich in ©ad)en ber fogialpolitifchen 
©efeßgebung, in ©teuer*, ©chul*, Stilitär*, UnterftiißungS*, SSor* 
munbfehafts», Erbfd)aftS* u. bergl. Stagen, foroie auch ©chriftftücfe, 
Eingaben 2 c. angufertigen. 3u gmeifelhaften ©atf)en mirb im All* 
gemeinen feine AuSfunft unb fein Nath gegeben unb roerben auch 
feine ©chriftfäße angefertigt; bagegen bleibt eS bem oernünftigen 
Ermeffen beS E)efd)äftSführerS anheimgeftellt, in bagu geeigneten 
hätten feine Ntitmirfung nicht gu oerfaaen. 

©er £reis ber Aufgaben ift alfo feßr roeit gegogen, menn ins 
Auge gefaßt mirb, melden umfangreichen ©toff allein fchon bie 
fogialpolitifdjen ©efeße. in fich fchließen. AnbererfeitS erfdjeint bie 
3iehung einer beftimmten ©renglinie für baS 33ethätiaungSgebiet beS 
ArbeiterfefretariatS feßr gmeefmäßig. ES märe für oen betreffenben 
Beamten gerabegu eine Unmöglichfeit, mit ben in ©efeßgebung, 
SBermaltung, ^ßrioat* unb öffentlichem Nedjt roeit oergroei^ten ©e* 
bieten gleidjermaßen oertraut unb barin heimifd) gu fein. Ein 
Arbeiterfefretariat, baS auf allen ©ebieten gleichmäßig gutreffenben 
Nath unb AuSfunft erteilen rooHte, müßte mit mehreren auf bem 
©ebiete ber ©taatSroiffenfdjaften, beS NecßtS nnb bes ©teuerroefens 
gefdjulten unb erfahrenen ^Beamten befeßt fein. 3n biefem roeit* 
geßenben Ntaße ließe fid) aber unter ben bermaligen Serhältniffen 
mohl foum ein Arbeiterfefretariat oermirflichen. 

©amit im 3ufammenhang ift unfereS Erachtens mit oollem 
Necßt bie Seftimmung aufgenommen, baß in gmeifelhaften ©adjen 
feine AuSfunft unb fein Nath gegeben mirb unb auch feine ©<hrift* 
fäße angefertigt roerben. SSirb in betracht gegogen, oon melch oer* 
micfelter Natur auch auf bem oben bargelegten ArbeitSfelb Stagen 
aller Art finb unb baß eS für benSBeamten bcS ArbeiterfefretariatS 
unmögtid) ift, fich mit ber bem berufsmäßig für ein beftimmteS 
Arbeitsgebiet eingefdjnlten Sachmann gu ©ebote fteßenben Eingel* 
fenntniß in alle gmeifelhaften, bebenflichen Stagen einguarbeiten, 
fo ift eS geroiß oerftänblidj, menn bie AuSfuuftSertheilung ihre 
©rengen in obiger 5Befchränfung finbet. ©enn lieber feine als 
eine nicht gutreffenbe AuSfunft. Um übrigens auch, foroeit möglich, 
in groeifelhaften Sragen bem s ^ublifum Nath unb AuSfunft gu geben, 
ift beftimmt, baß fich ber Beamte bes ArbeiterfefretariatS mit bem $or* 
fißenbcu ber SBerroaltungSfommiffion beS ArbeitS* unb s BohnungS* 
oermittelungSamtS unb beS ArbeiterfefretariatS (befteljenb aus einem 
afabemifchen Beamten nnb je gmei Arbeitgebern unb *Nehmern) ins 
Beneßnien gu feßen hot. 

Um roirflich fegeusreich roirfen gu fönnen unb für biejenigen, 
für toelche baS Arbeiterfefretariat beftimmt ift, auch jebergeit ohne 
Bebenfen gugänglid) gu fein, roirb nur für ©cßriftfäße für bie ©eite 
eine ©ebiißr oon 10 /i&, im Uebrigen aber für bie Beratßung unb 
tniinblidjc AuSfunft Nichts erhoben, ©ie erfterc ©ebüßr fann 
geroiß nicht unbillig gefunben roerben: ©ie fott einmal ein roenn 
aueß mäßiges Entgelt für bie burch bie Sättigung eines ©cßrift* 
faßeS an fieß gegebene längere Qnanfpruchnaßme beS Arbeiter* 
fefretariats unb fobann einen Erfaß für baare Auslagen bilben. 
©ie ©ebüßren fließen in bie ©tabtfaffe. ©er Beamte bes Arbeiter* 
fefretariats begießt feitenS ber ©efucßfteHer feinerlei ©ebüßren. 

©aS Arbeiterfefretariat ift ber Dberaufficßt ber ©emetnbe* 
beßörbe (Elemeitiberath) unterfteHt, roäßrenb bie unmittelbare lieber* 
roadjung nnb Leitung beS ©efcßäftsbetriebcs ber oorgenannten Ber* 
roaltuugSfotnmiffion übertragen ift. Eine Einroirfuna auf bie Art 
unb üöeife ber Erlebignng ber eingelnen Elefcßäfte fteßt nur bem 
Borfißenben ber Mommiffion, begto. bem ©tabtoorftaub (Dberbüraer* 
meifter) gu. ©iefe ©lieberung ber Auffid)t bietet ©eroäßr bafur, 
baß fid) bie ©ßätigfeit beS ArbeiterfefretariatS in georbneten 
Bahnen beroegt, in groeefmäßiger, gufriebenftcllenber BJeife geführt 
roirb unb etroaige Niißftänbe unb Mlagen rafd) ißre Befeitigung 
unb Erlebigung finben. 2Beitcrl)in roirb babureß unguläffigen Ein* 
flüffen auf bie ©ßätigfeit be^ ArbeiterfefretariatS oon britter ©eite 
oon oorußerein bie ©piße abgebrod)en. 

©ie ©efd)äftsftunben finb fo eingetßeilt, baß es allen inter* 
effirteu .Streifen möglid) ift, irgenb eine 3 ^ ooui ©ag h era o^ s 
gufiitbcii, gu rocldjer fie fiel) in ißren Angelegenheiten an baS Ar* 
beiterfefretariat menben fönnen. Ts-iir biejenigen, roeld)c in ber 



Soziale Brnris. Eentrnlblatt für Sogtalpolitif. 9Jr. 14. 


865 


866 


B3oche feine 3«* ober Gelegenheit haben, ift eine GefchäftSftunbe 
am Sonntag eröffnet. 

$ie fämmtlichen Koften beS HrbeiterfefretariatS roerben ab¬ 
züglich ber oben genannten (Sinnahmen oon ber Stabtfaffe getragen, 
unb bieS mit SRedjt. 3n BHrflichfeit hanbelt eS ftch nur um gang 
unbebeutenbe Ausgaben, welche bie Errichtung unb Xhätigfeit beS 
RrbeiterfefretariatS oerurfachen roirb; fobann fommt biefe Ein« 
richtung fogialpolitifcher Ratur einem erheblichen Bruchteil ber 
Einroohnerf^afi ber Stabt (ben öfonomifch am roeniaften fieiftungS* 
fähigen) roieber zugute. 2)ie Ueberroeifung ber Sofien auf bie 
Staotfaffe erfcheint aber auch beShalb berechtigt, weil bie Ein¬ 
richtung nur bann ihren 3roecf erfüllen fann, wenn fte für ben 
Rath unb HuSfunft Begehrenben, foroeit möglich, (einerlei Koften 
oerurfacht. 

$aS Slrbeiterfcfretariat hat mit betn 1. Januar 1899 feine 
^hätigfeit aufgenommen. &ir roerben oielleicht fpäter Hnlafc 
haben, auf feine Jnanfpruchnahme oon Seiten beS PublifumS, 
bie Hrt unb ben Umfang ber ©efdjäfte unb auf feine ßeiftungen 
unb Erfolge gu fprechen gu fommen. 


Konferenz fogtalbemofratifdjer Gemeinbeoertretcr ber Prooing 
©ranbenfmrg. 91m 27. £>egember einigten ruh in Berlin bie fogial* 
bemofratifchen Gemeinbeuertreter ber Prooing Branbenburg — 
46 roaren gugegen — über ein gemeittfatneS Komntunalroablpro* 
gramm, baS im SSefentlichem bem berliner Programm (oergl. 
m. 11, Sp. 277) entfpricht. Unter ben Schulfragen rourbe baS 
Verbot jeber Erroerbsthätigfcit fchulpflichtiger Kittber fcharf in ben 
Borbergrunb gefteÜt, bei ber Hrbeiterfiirforge fehlte bie 2forberung 
ber Penfion roie ber §interbliebenenoerforgung nicht. 

Gemeinbliche Sogialpolitif in granffntt i, 9t HuS ber SRebe, 
mit ber jiingft in einer Stabtoerorbnetenfipung Dberbürgermeifter 
HbicfeS ben 1899 er StabthauShalt oorlegte, erfehen bie Snhänger 
ber fommuxtalen Sogialreform mit Genugtuung, bafj ber Jranf* 
furter SRagiftrat entfchloffen ift, auch im neuen Sahre ben fogialen 
Reformen innerhalb beS Gebietes ber Gemeinbeoerroaltung fein 
Hugenmerf guguroenben. &ec SDberbürgemteifter führte nach ber 
„Öranffurter 3ütung" aus, bafs bie Gemeinden in fokaler gur« 
forge oiel Ieiften fönnen, namentlich roenn ber S t a a t feine fo¬ 
gialen Pflichten nicht fo erfüllt, roie es roünfchenSroerth roäre. 
Gerabe bie Greife, bie in biefer Richtung ein SRehr oom Staate 
forbern, foHten, foroeit fte EinfTufc in ber Gemeinbe haben, barauf 
hinroirfen, bafe bie fommitnale fogialpoliüfche Jürforge gesteigert 
roerben fann. $>er Dberbürgermeifter gog als Beifpiel geeigneter 
BethätigungSfelber bie BSohnungSpolitif, bie 3?ür[orge für bie 
ftäbtifcfjen Arbeiter unb bie Unterftüpung ber gemeinnützigen unb 
fogialreformatorifchen Bereine heran. 

Penfion für ftäbtifche Arbeiter in Karlsruhe. 2lm 21. Negern* 
ber hat bie Karlsruher Stabtoerroaltung befcploffen (oergl. Rr. 9 
Sp. 222), ben ftäbtifchen Arbeitern nach zehnjähriger ununter¬ 
brochener Befdjäfügung Hnfprucp auf bauernbe Hnftellung unb 
Ruhegehalt gu oerleihen, &ie jährliche SRehrbelaftung beS Stabt« 
hauSpalteS pierburch roirb einftrocilen auf burdjfcfjnittlich 25000 J(, 
• angenommen. 


JUbettetberaeguttg. 


Eine GeroerffchaftSgrnnbttng in $atnbnrg; Konfnm-, Ban- nnb 
Sparoerein „Probnftfa". 

Rach ^jähriger Borberatpung haben bie Borftänbe unb 
T)elegirten ber Geroerffchaften oon |>amburg*2lItona unb 
Bäanbsbecf in mehreren Berfamntlungen, bie unter bem Borfip 
beS ReicpStagSabgeorbneten o. Elm ftattfanbeu, eine Refolution 
angenommen, in ber fie fiep mit ber Grünbung eines Konfum-, 
Bau* unb SparoereinS einoerftanben erflärten, zu Gunften beS 
ProjeftS eine eifrige Agitation in ben Geroerffchaften empfahlen 
unb bie burch bie erfte Propaganba erroaepfenben Koften auf bie 
GeroerffcpaftSfarteHe übernahmen. 

3roecf beS Unternehmens, bei bem möglichft frühzeitig auf 
Eigenprobuftion gefehen roerben foll, ift nach bem Statut: 

1 . probuftion, Bearbeitung nnb gcmetufdjaftlidjcr Einfauf non 
Gebens« unb Gcnufnnittelu u. f. ro. für £musrotrtl)fcbaft unb Gctuerbe 
Zum ?lblan an bie 9??itglicbcr gegen Baarjablung. 

2 . Errichtung unb Betrieb non Berfehrs* unb .ftanbels «Unter« 
uehmungen unb einer Spar taffe. 

8 . SlbicfjluB non Berträgeu mit Geinerbctreibeuben unb ftnuficutett 
Ztnects Erlangung eines Rabatts für ben Berein, mie bav ja bei allen 
Aionfumoeretnen llfns ift. 


4. Errichtung unb Betrieb eines BereinS* unb EefeUfchaftShaufcs 
unb einer Eentralberberge. 

5. Errichtung, Erroerb unb Berroaltung gefunber, preiSroürbiger 
3Sol)nungen, foroie Erroerb unb Berroaltung non ©runb unb Soben 
ju biefent 3a>ecf, roie ju lanbroirthfehaftlichem Betriebe, Bttetfjung non 
SBohnungen behufs SBiebernermiethung unb fßacht oon 2anb jroeefs 
Beroirthfchaftung. 

3)ie §öhe ber GenoffenfchaftSantheile ift auf 30 c //( feftgefept, 
bie in wöchentlichen Raten roäf>renb eines 3^itraumeS oon brei 3af)«n 
eingezahlt roerben biirfen. — 2luS Hamburg roirb uns baju ge« 
fchrieben: „Diefer Befchlub ift nicht ber erfte Berfuch, bie h.am« 
burgifchen Geroerffchaften gu nupbringenber Xhätigfeit auf roirth« 
fchaftlichem Gebiete gu oeranlaffen, bodh lag es bisher im 3ntereffe 
ber fosia!bemofratif(f)en Parteileitung, ben Begebungen, pofttioe 
Refultate auf bem Boben ber fapitaliftifchen GefellfchaftSorbitung 
ZU fchaffen, im füllen entgegenzuroirfen unb Anläufe z« r Bilbung 
oon Probufüogenoffenfdjaften im Keime ga erftidfen. Rach 
geringen, in ben Berfammlungen erhobenen Söiberfpruch gu ur« 
theilen, ber ftch auch nicht in prinzipieller 2Seifc äußerte, fonbern 
ein langfames, oorfichtigeS Borgehen unter Anlehnung an ben 
Konfumoerein oon 1856, bem zahlreiche SRitglieber ber fogialbemo- 
fratifchen Partei angehören, anempfahl, fcheint jept eine anbere Rn« 
fcfjauungSroeife Boben gu getoinnen, bie einen Rücfhalt an ben 
großen Erfolgen ber englifcpen Genoffenfchaften finbet, oon benen 
ein Parteimitglieb mit unoerhohlenetn EnthitTtaSmuS fprach- s Birb 
baher ber Einflnfj oon Geroerffchaftsführern, bie gleichzeitig eine 
angefehene Stellung in ber fogialbemofratifchen Partei haben, gu 
Gunften ber Grünbung ber „Probuftion" in bie Söaage geworfen, 
fo fann fein 3 roe if c l an bem Gelingen beS Unternehmens auf« 
fommen, bem Gelbmittel in hia^ichenbem Rtape gur Berfügung 
ftehen, fei es burch 3 c i^ nun 9 oon ^ntheilen feitenS ber roof)l s 
habenberen Arbeiter Hamburgs, fei eS burch Borfchufj oon Kapitalien 
feitenS einiger reichen Genoffen, bie ftch einen Einfluß auf bie 
fachliche ßeitung ber Gefchäfte ftchern wollen." — BemerfenSroerth 
bleibt eS inbeffen, mit welcher Schärfe baS fogialbemofraüfche 
Parteiorgan in Hamburg bie neue Grünbung oon ber Partei fort« 
weift. 2>aS „Echo" fchreibt nämlich: 

Bon einer neuen „fogialbemofratifchen Olntnbung" rotffen htefige 
Blätter gu berichten. Es hanbelt ftth habet um ein GrimbungSprojeft 
einer 9lngahl üieroerffchaftsmitgliebcr, bie einen Konfunt», Spar* unb 
Bauoereiu „Probuttion" ins 2eben rufen wollen. $5ie Sogialbemo« 
fratie hat felbftoerftänblich mit biefer Grünbung nicht bas Biiubefte gu 
thun, was wir oon oomheretti fonftatiren wollen, um einer 2cgenben« 
bilbung oorgubeugen. S)ie Grünbung oon Spar* unb Kottfumoeretnen 
fann unb roirb niemals als bie Hufgabe ber Sogialbemofratic betrachtet 
roerben, fonbern mufj S)enjenigen itberlaffen bleiben, bie ba glauben, 
mit folgen Grünbungen bie ^atereffen ber Hrbeiter forbern gu fönueu. 
^ie Sogialbemofraüe hat alfo, roie gejagt, mit ber geplanten Grünbung 
gar nichts gu tl)un. 

$>afe ber Bater beS planes, §err o. Elm, fogialbemofratifcher 
Reich^tagSabgeorbneter ift, haben roir fchon bemerft. Er pläbirte 
in feinem Referate mit großer Söärme für bie roirthfchaftliche 
Selbftl)ülfe neben ber Staatshülfe. (3ür bie Errichtung einer 
Konfutngenoffenfchaft hat fid>, roie bie „J5teie Preffe" mittheilt, 
auch hie GeroerffdhaftSfommiffion oon Elberfelb-Barmen prin« 
gipiell erflärt.) 2)ie alten Gegenfäpe groifchen Geroerffchaft unb 
Partei regen ftch roieber! 

2>te £ohnbetoegmtg unter ben fKtebent in Krcfelb hat oon 

Steuern einen bebrohlichen Eharafter angenommen. SBährenb in 
ben Stoffroebereien eine oorläufige Ruhe eingetreten ift uttb bie 
eingefepte gemixte Kommiffion bie Grunblage für eine bauernbe 
Bereinbarung groifchen ben ^abrifanten unb Arbeitern oorgubereiten 
fucht, ift in ber Sammetbranche ein ßohnfampf ausgebrochen, 
ber eine größere HuSbehnung angunehmen broht. ©ie Sammet« 
fabrifanten haben auf SBunfch ber Arbeiter eine gemeinfame Sohn* 
lifte unb eine für ben Arbeiter erfennbare Trennung ber Ber* 
gütung für Borbereitungsarbeiten (Hnbrehen :c.) oon ben 32ebe* 
föhnen aufgefept, bie am 15. Januar eingeführt roerben foll. Sie 
behaupten, bamit eine Erhöhung ber Söhne $u gewähren. S£)ie 
Arbeiter befchroerett fich aber barüber, ba§ in biefer £obnliftc neue 
Grunblöhne eingeführt feien, bie fich burchroeg niebriger {teilten 
als bie alten öohnfäpe, unb bafc ber Ausfall auch nicht burch hie 
befonbere Bcrgiitung für Borbereitungsarbeiten auSgcglicfieu roerbe. 
§öchftenS als Rtinimal-Sohnlifte fömtte bie neue Vohnlifte atter« 
fannt roerben. ^a bie fabrifanten an ihrer Öifte fefthalten, haben 
bie Arbeiter in gehn Jyabrifeit geftinbigt, bie in brei weiteren Be¬ 
trieben folgen wollen, fobaft am 15. Januar ein allgemeiner HuS# 
ftanb erfolgt. ®ie Krefelber Ortsgruppe bcs 1500 Ptitglicber gäh* 
Ienbett Rieberrheinifd)en BcrbanbeS djriftlicfjor Textilarbeiter hat in 



mi 


©ogiale t'rari*. (Scntralblaü für ©ogialpulitif. Ar. 14. 


3^s 


einer Skrfamtnluttg oom 30. Tegember eine SRefoIutioit angenommen, 
in ber eS Reifet: 1. Tie ©ammetroeber beS Sheberrbeinifcbeit Ser* 
banbeS cbriftlicber Textilarbeiter roünfcfjen feinen AuSftanb. 2. ©ie 
fönnen aber and) bie neue öobttlifte, roie fte jeftt oorliegt, nid(jt an* 
nehmen. 3. Tie ©ammetmeber beantragen, ba& etne gentifd)te 
Kontntiffton in ber ©ammetbrandje gebilbet roerbe ttad) Art ber ge* 
mifebten Kommtffion in ber ©toffbranebe, roclcbe eine Prüfung ber 
neuen fioljnlifte oontebmen fotte. Tiefe Sefolution mürbe foroobl 
ber ftäbtifeben Kommiffioit als auch beit gabrifanten überreicht. 
Söäbrettb ftd) aber bie orgaitifirten d)riftlid)en Textilarbeiter gu einer 
frieblidjen Beilegung beS ©treiteS bereit erflären, ffeinen baS Kre* 
felber ©eroerffd)aftSfartett unb ber beulfcfje Tcxtilarbciter*Serbanb, 
Filiale Krcfelb, foroie ber nieberrbeinifd)e Söeberoerbanb, giliale 
Krefelb, es auf eine Kraftprobe anfommett Iaffen gu rootten. Tar* 
auf beutet etn oom 30. Tegember batirter „Aufruf an alle Arbeiter 
unb Arbeiterinnen Tcutfd)lanbS" I)in, in beut mitgeibeilt roirb, bafe 
bie ©ammetroeber einen noef) bartnäefigeren Kampf burebgn festen 
hätten als bie ©toffroeber, bafe bereite 500 ftreifteit unb ba& es in 
einigen Tagen 2000—2500 fein mürben. (Ss roirb um Unter* 
ftüfcung gebeten, ba bie eigenen Kräfte burd) bie oorbergegangenen 
Kämpfe erfeböpft feien. — 3ft bteS ber Satt, bann märe eS boeb 
roabrlicb am Sta&e, einen frieblicben AuSgleid) gu erftreben, anftatt 
mit mtgulän glichen Mitteln einen AuSftanb gu beginnen, beffett 
(Sttbe faum groeifelbaft fein fann. Tie fogiale Komntiffion, bereit 
SHrfcn fict) bei beut ©treit in ber ©toffbranebe fo erfolgreich er* 
roiefen bat, roirb geroifc aud) eine beiberfeitige Vereinbarung über 
bie Sobnlifte erroirfen fönnen. 

Sou ber Vergarbeittrbctoegnng. Ter Telegirtentag ber Serg* 
arbeiter beS u!)rreoierS bat nach einer Sefanntmadjung bes 
alten 33erg* unb £>üttenarbeiter*VerbanbeS nicht oor Söeibnacbten 
ftattfinben fönnen unb bat nunmehr gu Neujahr in Socbuttt getagt. 
Tie TageSorbnung lautete: 1. Unfere ßobnforberang unb bie Ant* 
roort ber VergroerfSbefifcer, 2. ber innere Ausbau bcS VerbanbeS. 
Tie Serfamutluttg roar oon 113 Telegirtett befebieft. Ter Vor* 
fifceitbe tbeilte mit, ba& oon ben 3e£bcnoerroaltungen auch nicht eine 
eiitgige auf bie Arbeiterforbcrungen geautroortet habe. Tiefe ftitt* 
ftbroeigenbe Ablebnung, in ber eine 9?id)tad)tiing ber Arbeiter er* 
blieft mürbe, rief eine tiefe Verftiminnng beroor. Tro^bem erflärte 
ber Referent, £nie*©elfeitfird)en, unter beit gegenroärtigen Verhält* 
niffett fei an einen AuSftanb nicht gu benfen; ber Vorftanb beS 
VerbanbcS ratbe gattg entfd)iebeit baoon ab. (Sine einftimntig an* 
genommene Vefolulion roenbet fich in fdjärfften TBorteu gegen bie 
©rubenbefiper: ©otttcit in ber Solge Tiffercngett groifdjen Kapital unb 
Arbeit itn Vcrgbau entfteben, bann fei bas Kapital ocrantioortlicb für 
alle ©ebäben, bie nach ber ^Richtung bin ber beutfdjen VolfSioirtbfdjaft 
gugefitgt roerbett. — Vegüglid) beS inneren Ausbaues bcS VerbaubeS, 
ber ie(jt 25 000 Vtitglieber gäblen foll, rourbe eine Vcfdjluftfaffung 
oerftboben. — lieber bie gu Vkibnacbten abgebaltetten Kongreffe 
ber frangöfifeben unb belgifcbett Vergarbeiter liegen uns noch 
feine erfdjöpfenben Verübte oor. Ter frangöftfdfje Kongreß, ber in 
ber Arbeitsbörfe oon ©t. (Stiemte tagte unb bettt auch bie ^ar* 
IamentSabgeorbneten Vaslt) unb £amenbie beiroobnten, erneuerte 
bie früheren gorberungen auf Einführung ber Acbtftunbenfdpcbt 
((Sin* unb Auffahrt einbegriffen) unb auf SReoifton bes (^efefee^ 
über bie ©rubeninfpeftion bureb Telegirte ber Arbeiter. — Ter 
belgifcbe Kongreß in (Sbarleroi, ber ftcb als eine 5ortfe(jung bc§ 
Anfang Dftobcr o. Q. in Sramerie^ abgebaltetten ebarafterifirte, 
bat xu ©atttmlungen aufgeforbert, ba roegen Serroeigerung ber 
geforderten Sobnerböbung feitenS ber Koblengrubenoerroaltungen 
ntöglicberroeife ein allgemeiner AuSftanb beoorftebe. 

Tctttfdier SRetattarbeitemrbanb» Ter nädjfte Tag be£ grofeen 
beutfdben s DtetalIarbciteroerbanbe^ roirb ficb roieber mit ber (Sin* 
fübruug ber Arbeüslof eitunterftübung gu befaffett haben, ©ie 
biirfte diesmal befcbloffen toerben, ba in "ber lebten 3eit innerhalb 
be£ Serbanbeö eine rege Agitation für biefe Unterftiibungäform 
entroicfelt toorben ift unb |id) eine SWeibe größerer Gruppen be0 
Scrbaubc^, u. A. bie berliner, für bie (Siitfiibrnng erflärt haben. 
— Tie Weroerffcbaftcn finb iteuerbittgS überhaupt beftrebt, burd) 
Ausbau beö ilnterftübungöioefen^ ihren Erganifationeit mehr 
'IBcrbefraft uitb iseftigfeit gu geben. 

Ter (£etitraltierbanb ber $attbel8*, Transport- unb SerfebrS* 
arbeiter Tentfiblaabd, ber trofe feines faum groeijäbrigen SeftebcnS 
bereits gegen GOOO gablenbe icitglieber aufroeifen foll, bat gu 
SBeibnacbten in .Staffel feine Oieneraloerfammlimg abgebalteit, bie 
oon 3(5 Telegirten aus 33 Orten befmbt roar. (Ss gehören beut 
Serbanbe an 2051 Mausbiener unb $acfer, 4200 Kutfd)cr, 1 22S 
Kohlenfpebitiousarbciter, 328 SüiöbcltranSportarbeiter, 83 Serfebrs* 


angeftellte unb 162 Sierfabrer. Ter höchfte Sohn, ber gegablt 
roirb, ift 36 , //, ber niebrigfte 10 J(, pro SBocbe. Tie Arbeite* 
geit ift meift lang, bis 18 ©tunben. 35on neun ©treifS rourben 
fed)S geroonnett, brei oerloren. Tie ArbeitSlofenunter» 
ft üfeung bat ficb gut beroäbrt, ebenfo ber SRecbtefcbufc. 3 U Aftern 
fott entroeber in SBerlin ober Seipgig ein dinigungSfongrefj gur 33er* 
einigung ber (Sentraliften unb Öofaliften ftattfinben. ©ib beS 
(Sentraloorftanbe« ift 33erlitt. 

Särferberoertung in Serlim Tie berliner Säcfergefeilen haben 
befanntlid) befdjloffen, nach bem Seifpiel ber Hamburger Sädferei* 
arbeiter mit folgenben Sforberungen an bie SJletfter berangutreten: 

„1. Abfcbaffung oon Koft unb 2ogiS tut .fraufe beS 3)ieifterS; 

a) hierfür eine (Sntfdiäbigitng pro 3)?ann unb Sodje oon 12 .//; 

b) SDfinimallolm oott 21 .✓/; Segaljlitug oon gcfetiltdien Ueberftunben 
a f>0 4. 2. ©trifte Turdjfühnntg ber Sunbesrathsuerorbnungeit, be* 
treffenb bie Arbeitögeit. 3. Regelung bes Arbeitenachroeties auf uupar* 
teiifher Glrunblagc. 4. Gteroäbrung je eines freien Tages an bett bret 
holjen Afften." 

Tabei fott itt erfter Öinie bie Abfcbaffung oon Koft unbßogis, 
foroie (Srridjtuttg eines unparteiifd)en ArbeitSnacbroeifeS betont 
roerbett. 3 ur Üeberrcid^ung biefer 5o r ^ cr n n 9 en an bie ttfieiftcr 
ftnb bie ©efettenauSfd)üf}e ber beibett ^Berliner Säcfer * Snnungen 
„(Germania" uttb „Konforbia" beauftragt roorben. Tie ©efellen* 
auSfcbüffe haben in einer gemeinfcbaftlicben ©ifeuna befcbloffen, 
gleich nach Neujahr mit ben Sorberungen an bie ttJfeifter heran* 
gntreteu unb mit ihnen gu oerbanbeltt. Qngroifcben haben bie ©e* 
hülfen KontrottburcauS errichtet, in betten oorläufig ©treiffonbs* 
Beiträge gefammelt toerben. Anfdieittenb finb bie 9Reifter nicht 

bereit, bie ^orberung ber Abfcbaffung oon Koft unb ©obnung 
bet ben Stöeiftern gu berotfligen, bagegen fotten fte ftcb in bett 
anberen fünften entaegenfontmenb oerbalten. ©o fotten g. 33. 
beibe Innungen ein Kotnite in ber ArbeitSnadhroeiSfrage nieber* 
gefegt haben. Um ber Ausbeutung ber ©efetten bur^ prtoite 

ArbeitSoermittler oorgubeugen, fott oon inttuitgSroegen noch eine 
3abt roeiterer „©pred)ämter" neben ben beiben bereite beftebenben 
errichtet unb jeber 3nnungSmeifter oerpflichtet toerben, nur aus 
folgen ©predjämtertt ©efetten gu entnehmen. Tie Olefetten fotten 
auf biefe Arbeiteitacbroeife burdj bie ®efettenauSfd)üffe dinflufe baBett. 
$ür ihre §auptforberung machen bie ©efetten befonberS geltenb, ba& 
baS Koft* unb VogiSroefen bie ©efetten gur ©belafigfeit oerurtbeile. 

Ter AuSftanb ber Steifer ^attblnngSgebäifett ift nodh nicht 
beigelegt, unb noch ift nicht 3U erlernten, auf melier ©eite ber 

befinitioe ©ieg bleiben roirb. Anfcbeinenb roirb er mit 3ageftänb* 

niffen auf beibett ©eiten enbigen. Tie AuSftänbigen bürften 
übrigens auch an 3abl launt mehr gugenomuten haben. Tie 
©tretfleitung gibt ficb icboch alle erbenflichen SÜhiben, bie Unter* 
nebtner aus Der ftummett Sßaffioität berauSgutreiben. ©ie hält 
ficb in ber ArbeitSbörfe ftänbig gur TiSpofition, fenbet ferner 
Telegatiotteit nach ben Totnigilen ber Unternehmer unb oeratt* 
ftaltet in oerfebiebenen ©tabttbeilen öffentliche 9?erfammluttgeu, gu 
beneit fte bie Unternehmer auSbriicflidj) einlabet. Auf biefe SBeife 
rourben bis jefet über 100 ©efehäfte iitbioibuctt geioottttett. 3» 
einer pringipietteit AuSfprad)e ber ©cfammtbeit ber Unternehmer 
ift eS jebod) noch nicht gefomtneit. 23enterfeiiStocrtb ift, ba& bie 
Korporation ber ©ebülfctt, toelcbe bie 33eroeguttg in £)äitbcn hält, 
nunmehr bett Keinen ©efdjäften ibre Unterftübung gegen bie fort* 
roäbrenb gunebmenbe AuSbebtiuttg ber gtoei ober Drei gro&cit 
Zimten oerfpriebt, bie mit ihrem Silialfpftem bie gattge brauche 
att ficb gu reifen brobert. 


Ärbrtterfd)«^ 


©ine antbentifdje Interpretation ber jüngften 3i^(itiPerorb* 
nnng finben roir in ber foeben erfcbienenett 15. Auflage ber bc* 
fannten, bureb 23ott)täubigleit, ^rägiftoit unb Klarheit auSgegeicb* 
uetcit Ausgabe ber ©eroerbeorbnung oott Dr. 3Mbeltni, 0)el)eimem 
£berrcgierungSratb im SReidjSamt bes Innern. Ta biefe ÜSunbcS* 
ratbSoerorbnung oerfebiebene Auffaffuttgen gefunbeu bat (ogl. 
©p. 116 nnb 255 ber „©ogialett ^raxiS"), fo tbetlen roir biefen 
als mahgebcub gu betraebtenben Kommentar hier im Wortlaute mit: 

(Si'laffcn auf (»Inutb beS ij. 139a ber Gleioerbcorbnimg treten bie 
uerftebciiöeii 'Beirimiiiungen oom l.gattuar 1^99 ab au bie ©teile ber 
bisher gcltcubcn 'Befauntmadumg ootn 27. April lf^ (AcidjS^efe^blatt 
©. 14 s). 

Tie Amoeubbarfeit ber ^onriirnten auf bie (Sbauiottcfabrifen ift 
mtmucbr au^briidlidj au^gcfprocljcii. 



3G9 


Soziale prari*. ©cutralblatt für Sozialpolitik Ar. 14. 


370 


3m Uebrigen haben bie Diö^ertgcn Beftimmungcn in folgcnbcn 
fünften Berf djärf ungen erfahren: 

1. Unter bie für Arbeiterinnen uitb gugeublicße oerboteneu Arbeiten 
finb neu aufgenommeu bie ©ewinnung unb ber Transport bes ehtge* 
fumpften Lehms, fowie ber Transport geformter (and; getrodneter unb 
gebrannter) Steine, foweit bie (Steine in Sd)iebfarreu ober ähnlichen 
Transportmitteln beförbert werben unb hierbei ein feftgelegteS ©leis 
ober eine barte ebene gaßrbaßn nid^t benufet wirb. ferner ift für bie 
golge bei ber §anbfornterei ber Steine mit Ausnahme oon Tacßziegelit 
(Tadjpfaniten) unb oon BimSfanbfteinen (Sdjwemmftcinen) nicht nur 
bie Berwenbung oon Arbeiterinnen, fonberu aud) biejenige oon gugenb* 
lieben unterlagt. 

2. Ten Kampagneziegeleicn ift in 3ufunft ebenfo toie ben gabrifett 
oerboten, Beginn unb ©nbe ber täglichen Arbeitzeit unb ber Raufen 
ohne oorberige Anzeige bei ber OrtSpoIizeibeßörbe abjuänbem. $n 
golge beffen ift bie in 3iffer IH 2 ber bisherigen Beftimmuugen oor* 
gefeßriebene Tabelle, in welcße ber Arbeitgeber bie ohne oorberige An¬ 
zeige bei ber Beßorbe oorgenotnmenen Aeubcrungen ber regelmäßigen 
Arbeitszeit einzutragen hatte, in SBegfall gefontmen unb es bebält fo* 
nach fein Bewenben bei ben im §. 188 Abfaß 2 ber ©ewerbeorbnung 
oorgefdjrieberten Angaben über Beginn unb ©nbe ber Arbeitszeit unb 
ber Raufen ber jugenblicßen Arbeiter. 

3. Tem größten Tßeil ber Kampagneziegeleien ift bie ißnen bisher 

gewährte Befugniß zur Befcßäftigung oon Arbeiterinnen unb gugenb* 
ließen auf bie Toner oon 12 Stunben täglicß unb 66 Stunben inner* 
halb einer Söocße entzogen, inbem bie loeitauS iibenoiegenbe 3aßl ber 
Kampagneziegeleien Arbeiterinnen über bie gefeßließ Arbeits* 

Zeit ßinauS überhaupt nicht meßr, gugenblirße aber nur eine Stunbe 
länger als bie gefeßlitfj gnlaffige Arbeitszeit befcßäftigen barf. 

©rjeißterungeit enthalten bie neuen Beftimmungen nur in 
folgenbet .frinfießt: 

J. Bon bem Berbot ber Berwenbmtg oon Arbeiterinnen unb 
gugenblidjen zu Arbeiten in ben Ccfcn unb zum Befeuern ber Cefen 
ift baS Süden unb ©ntleeren ber in einzelnen ©egenben beS BeidjS 
oorfontmenben oben offenen Scßmaudjöfen ausgenommen worben, weil 
bei biefen Cefen nidjt wie bei anberen Cefett eine ©efäßrbung ber ©e* 
funbheit bureß übermäßige £uße zu befürchten ift. 

2. Tie wöcßentlicße £>öcßftarbeitszeit für bie gelbbränbe unb bie* 
jenigen 3i c 0 e l e im, bie als ftänbige Anlage nur einen Ofen beftßert, be* 
trägt, ba bie* bie Befcßäftigung oon Arbeiterinnen unb gugenblidjen 
auf bie Tauer oon 12 Stunben mit Ausnahme ber Sonnabenbe unb 
Borabenbe oon gefttagen zugeiaffen ift, ftatt bisher 66, nunmehr 
70 Stunben. 

AOgefcben oon ber geringen 3 a ßl biefer Betriebe fommt hierbei 
jeboeß in Betracßt, baß biefelben wegen ber ©infliiffe ber Witterung bie 
Arbeitszeit häufig nießt auSnüßen tonnen. 

Konferenz ber ©etoerbeaufftcßiSbeaintfn in BreSltn. Am 

23. Dezember fanb, wie alljährlich, eine Konferenz ber ©ewerbe* 
auffießtsbeamten beS SRegierungSbezirfS Breslau ftatt, toelcßer ber 
SRegierungSpräfibent Dr. o. £>et)bebranb unb ber ßafa beirooßnte. ©er 
SRegierungSpräfibent wies barauf ßin, toie bas feßwierige Amt 
eines ©ewerbeauffießtsbeamten ganz Befonberen Taft erforbere, 
wenn es zu einem für Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gleich fegenS* 
reießen BHrfeit werben fode, unb roie es nießt bie Aufgabe ber 
Beamten fei, bie gewerbliche Tßätigfeit zu erfeßweren, fonbern bureß 
Umficßt unb richtiges Berftänbniß in ber §anbßabung ber geltenben 
Beftimmungen fieß eine BertrauenSftellung in gleicher Seife bei 
Arbeitgebern wie bei Arbeitnehmern zu feßaffen. ©ie Konferenzen 
feien etn wichtiges Mittel, um bie forrefte unb gleichmäßige |>anb* 
ßabung ber Beftimmungen ber ©ewerbeorbnung z u forbern, ben 
Beamten neue ©cfid)tspunfte zu eröffnen unb fie oor Anforberungen 
an bie ©ewerbetreibenben zu bewaßren, welcße unzweefmäßig finb 
unb welcße ber ©efeßgeber nießt gewollt ßat. (UnfereS ©racßtenS finb 
bie ©ewerbeinfpeftoren in erfter ßinie zum ©cßuß ber Arbeiter 
ba, nießt aber zum ©cßuß ber Unternehmer, ©ie 9tebaftion ber 
„Sozialen Praxis".) hierauf würbe in bie TageSorbnung ein* 
getreten, ©ie Befprecßung galt ben ©rßebungen über bie Be* 
fcßäftigung oerßeiraißeter grauen in gabrifen, ber neuen giegelei* 
oerorbnung, ben AcettjIengaSanlagen, beu BleioergiftungSfällen in 
ber Tßoninbuftrie, ber Befcßäftigung oon Arbeiterinnen in 3ucfer* 
fabrifen. 

©in gleichmäßiger nnb früherer ©cßln| ber Sabengefcßäfte 

wirb abermals in oerfeßiebenen ©täbten angeftrebt, fo in maitcßen 
Kreifen oon ©efcßäftsinßabern Berlins, in ©ßarlottenburg, nament* 
ließ in ber Kolonialmaarenbraitcße, in Dsnabrücf, in Braunfcßweig. 
SReift ßanbelt es fid) um Bereinbarungen zu gleidjmäßigem Öaben* 
feßluß um 9 ilßr Abenbs. ©ie ^anbelsfammer in Braunfcßweig 
unterftüßt biefe Beftrebungen fräftig unb rießtet gleichzeitig an 
baS faufettbe Bublifum baS ©rfueßen, feine ©infäufe nießt noeß 
über bie neunte Abenbftunbe ßinauS auSzubeßnen. —. ©iefe Be* 
ftrebungen beweifen, baß aueß oon feßr oielen Briuzipulen unb 
nießt nur oon ben ©eßülfen eine früßere Beeubigung ber ©e* 


fcßäftSzcit bringenb gewünfd)t wirb, ©a aber bie ©rfaßrung 
gezeigt ßat, baß biefe freiwilligen Bereinbarungen immer wieber 
oon ©inzelnen bureßbroeßen unb babureß hinfällig werben, ift ber 
allgemeine gefeßließe ßabenfeßluß z ü einer beftiminten 
©tunbe zu forbern. 2Sie früßer feßon mitgetßeilt worben ift, foll 
oon einer folcßen Beftimmung in ber zu erwartenben SRegierungS* 
oorlage „nießt ganz Abftanb" genommen werben. 

3m» Scßitß ber Arbctteritmeik grau SanitätSratß Sd)iocrin in 
Berlin, bie Borftßcnbe ber Äommifßon beS BunbeS für weiblicße gabrif* 
infpeftion, erfueßt bie Telegirtcn ber BunbeSoeretne, ißre 3uftimmung 
ZU geben, baß bie Kommi|fioit für weiblidje ©cioerbe*3nfpeftion er* 
weitert werbe z u einer Kommifjion für Arbeiterinnenfßuß. — gn ber 
Begrünbung wirb ßeroorgehoben, baß nur in ber gorm für ©infüßrung 
ber weiblißen ©ewerbe*gnfpeftion bis jeßt im Bunbe eine Arbeit für 
ben Arbeiterinncnfcßuß befteht, wäßrenb auf biefem Arbeitsgebiete für 
bie beiben Arten bes Schußes: ber SelbftßilfeCrganifatiou nnb Staats* 
hilfe*©efeßgebung nocß ntdjts getßan ift. 

3eßtt BefcßttierbebttreattS für Arbeiterhmeit finb zum 9teujaßr über 
ganz Berlin feitcnS ber fozialbemofratifcßen Seiterinnen ber grauen* 
Bewegung erridjtet. git einem Aufruf werben bie Arbeiterinnen auf* 
geforbert, fämnttüiße Ücbertretungen ber Sdmßbeftimmungen für weib* 
ließe Arbeitnehmer bei ben angegebenen Bertrauensperfonen anzugeben. 
Ten Bcfcßwerbeführcrinncn wirb ©ehcinthaltung ber tarnen garantirt. 
©er Acßtftnnbeiitag für bie ftübtifeßett äauatifationSarbeüer in 

f ariS. ©er ©emeiitberatß oon BuriS ßat befcßloffett, bei ben 
analifationSarbeitern ber ©tabtoerwaltung ben Acßtftunbentag 
oerfucßSweife in Anwenbung zu bringen, ©ie gniatioe zu biefer 
Neuerung geßt aus oon bem ©ewerfoerein ber betreffenben 
Arbeiterfategorie, bie feßon feit 1893 beftänbig barum petitioniren. 
Sßr Bedangen ftüßten ßauptfäcßlicß auf bie befonbere Statur 
ißrer Arbeit unb beriefen fitß, ba man ißnen ftets entgcgenßielt, 
man fönne für fie feine fpezicUe 9teglementation erlaffen, auf bas 
$erfonal ber 0ftroi*©rßebung unb beS BolizeibienfteS, bem man 
längft befonbere SReglementation unb ben A^tftunbentag gewäßrt 
ßabe. ©otß war eS ßauptfäcßlicß ber Koftenpunft, welker bie 
©emeinbeoerwaltung beftimmte, bie Petitionen zurüefzuweifen. SRacß 
ben oorliegenben Beredjnungen würbe bei ©infüßrung aeßfftünbiger 
Arbeitszeit eine äßeßrauSgabe oon 400 000 grcS. erwaeßfen. ©er 
©ewerfoerein berechnet biefelbe allerbingS bloß auf ein 3*ß» te ^ 
biefer ©umme. Um nießt in ©efaßr zu großer finanzieller Dpfer 
Zu laufen, bie um fo fießerer zu erwarten finb, als eine ftarfe Ber* 
meßrung ber Arbeiterjaßl nötßig fein wirb, bewilligte ber ©emeinbe* 
ratß zunäcßft nur einen ©rgänzungSfrebit oon 10 000 grcS., um 
bie Bteßrfoften ber befcßloffenen oerfucßSweifen Anwenbung bes 
AcßtftunbentagS z u berfen. ©ie befinitioe ©ntfeßeibung wirb fieß 
auf ben Bericßt grünben, ben bie Berwaltung hierüber bis 20. ge* 
bruar einzuliefern ßat. _ 




PoltZetoerorbtmttg über 9KiethStoohtmngeii nnb 6ißkffteÜnttoefeti 
tu einigen ©täbten 9forb*$annoberS. 

gn bem gaßreSbericßte für 1897 ßatte ber für bie SftegierungS* 
bezirfe öilbesßeint unb fiüneburg fungirenbe erfte gabrifanfRcßtS* 
beamte SRegierungS* unb ©ewerberatß ©rünewalb über bie bureß* 
aus ungünftigen TöoßnungSoerßältniffe in Marburg unb in anbereu 
inbuftricH fid) entwicfelnben ©täbten unb Drtfcßaften feines Be* 
ZirfeS berießtet, bie einen feßr nacßtßeiligen ©influß auf bie gefunb* 
Zeitlichen Berßältniffe ber Arbeiter ausüben, ©s ßeißt in bem 
Bericßte: 

„Abgcfeßen baoon, baß bie Öoßnbezügc im Bcrßältniß zu bei* 
tßeuren Lebenshaltung in Marburg niebrig fein füllen unb fräftige 
Koft nießt geftatten, üben aud) bie traurigen 9öohuungSoerhältniffc einen 
nacßtheiligen ©influß aus. 9?ad) ben ©rmittelungen bes ©enterbe* 
infpeftors ift in golge bes fortwährenbeit 3«ZugeS trember Arbeiter in 
Marburg eine lleberfüKung ber SSoßnungen eingetreten unb es mad)t 
fidj ein berartiger Biangel an geeigneten unb billigen SBoßnungen fühl 3 
bar, baß ber SRagiftrat entgegen ben Beftimmungen ber bortigeu 
Baupolizeiorbnung bereits in ben Ment ber ftäbtifdjen Sdjul* 
gebäube ßat Arbeiterfamilien unterbringen müffen." 

Aeßnlicße 3«ftänbe würben aus SRisburg, £eßrte, Lüneburg :c. 
berießtet. 

5Runmeßr ßat ber SReaierunaSpräfibent zu fiüneburg mit 3 ll? 
ftimmung beS BezirfSauSfcßuffes fiir bie ©täbte Lüneburg, Marburg, 
©ede, ßeßtte, bie ©efantmtgemeinbe SSilßelmSburg unb bic ©cuicinbe 
Anberten eine Polizcioerorbtiung über 9)tietßSwoßnungen nnb 
©cßlaffteHenwefen erlaffen, ©anaeß muß jebe BtietßSwoßmuig 
einen eigenen, bureß feine frentben SLoßnräume fiißrenbeu oerfcßlicß* 
baren gngang unb eine eigene Kocßftcüe haben: fie barf nid)t ber* 




372 


371 ^oAinlc "pranS. Eeutralblatt fiir ^ogialpolitif. 9fr. 14. 


artig feitet fein, baß fie gefimbpeitSfchäblid) für bie 93eroopner ift, 
fic barf nicpt baulich oerroaprloft fein unb rnufj fo oiel 9taum 
bieten, bafe auf jebeS $inb unter 14 Saprcn roenigftenS 8 cbm 
Luftraum unb 3 qm 93obenfläcf)e, auf jebe ältere ^erfoit roenigftenS 
15 cbm ßuftrannt unb 6 qm 23obenflädpe fommen. Ter Sufi* 
hoben ber Bohnungen mufc qebielt ober mit einem 2?elag aus 
feftem, unburcpläffigem 3Jtatenal oerfepen fein. Tadproopnungen 
muffen oöttig oerpupte ober mit £>olg oerfleibete Bänbe paben. 
Bohnungen, beren Su&boben mepr als 50 cm unter beut um* 
liegenben Terrain liegt, finb unterfagt, jebod) fönnen 2luSnaptnen 
geftattet roerben, fo lange nacp Sage ber örtlichen 23erpältniffe bie 
Senupung berartiger Bohnungen nocp nicpt gu entbehren ift, unb 
infofern in bem betreffenben 2? a ß e folcper 23enupung erpeblicpe 
gefunbpeitlidpe 23ebenfen nid)t entgegenftepen. Enblidp tnufc jeber 
Bopn* unb Scplafraum minbeftenS ein ins ßfreie füprenbeS unb 
ginn SDeffnen eingerichtetes genfter paben; inbeffen finb aucp pier* 
non SluSnapmen guläffig, wenn gu ber betreffenben Bohnung fonft 
noc§ eiitroanbfreie 9täume gehören, roeltpe ben 23eroopttern beit 
erforberlicpen Luftraum geroäpren. Tie DrtSpoligeibepörben finb 
befugt, bet SßietpSroopnungen, beren 5öefd>affen^eit int Biberfprud) 
gtt ben gcftellten Hnforberungen ftept, bie 5XbftelIung ber betreffenben 
9Jii&ftänbe oon bem 23ermietper gu oerlangen unb eoentuell bie 
Räumung ber Bohnung gu oerlangen. Tie 23erorbnung über baS 
SdplaffteUemoefen ift ber befannten für ben SDüffelborfer 23egirf 
erlaffenen, bie fepon oielfacp als Bufter gebient bat, naepgebilbet. 

Tropbem bie Serorbnung fepr titüb genannt toerbett tituft — 
fte enthält g. 23. nicpt einmal eine 23orfd)rift über bie Binimalpöpe 
ber Bopnräume — begegnet fie bod) lebhaftem Biberfprud) in ben 
Greifen ber giauSbefiper, bie es nicht begreifen fönnen, bafe ber 
23ortpcil, ben fie oon bem 23ermietpen ber SteHerroopn ungen unb 
oon bettt 3 u f am menpfercbett ber Bietper in licht« unb luftlofen 
Staunten in fjolge ber inbuftrieHen Entroicfelung ber lebten 3 a h rc 
gehabt haben, fein bauernber bleiben fott. 3« Marburg finb 
350 ßellerroopnungen mit 1500 Snfaffen oorhanben — bei jept 
oielleicht 45000 Eimoopnern, alfo mehr als 3%! 23on bem 
AabrifaufficptSbeamten toirb auSbrücflich feftgeftedt, bap bie 
fcplecpten BohuungSoerhältniffe bie gefunbpeitlidpen 23erpältniffe fo 
beeinfluffen, bap barunter auch bie ilranfenfaffen gu leiben haben. 
Unb tropbem toagen bie Qntereffenten, nämlich bie £>auSbefiper in 
arburg, eine grope 2lngapl oon Ausnahmen oon biefer neuen 
erorbttung gu beanfprudpen; es foll mit bem Verbote ber Heller* 
mohnungen fehr oorfichtig oorgegangen unb auch oon ber 23eftim* 
mung, bap jeber Bopn* unb Scplafraum ein ins greie füprenbes 
Senfter haben mup, füllen SluSnapmen im meiteften Umfange gu** 
gelaffen roerben. 2ludj in £üneburg roerben biefelben gorberungen 
geftellt, unb in beiben gälten roirb bieS bamit begrüntet, bap bie 
§ausbcfipcr, roenn fie biefe alten, bie ©efunbpeit gefäprbenben unb 
ben gerittgjten Slnforberuttgen ntenfchlicher ÖebenSroeife nicht ent* 
fpredpenbeu Bohnungen nicht mehr oermiethen bürfeti, ihre 
$>ppotpefenginfen nicht mehr begaplen fönnten unb in Vermögens* 
oerfall fänten. 

Soldpe 23ei*pältniff« geigen, roie bringenb nothroenbig ein 
BopnungSgefep ift. 23eftänbe ein folcpes fdjon, fo hätten fich 
folche peiüofen 3nftänbe nicht erft einfreffen fönnen ober roenn 
oorübergefjenb SRipftanbe, bie ben 23ermietpern 23ortpeile brachten 
in gorm erhöhter Bietljen, eingetreten roären, fo hätten bie 23er* 
miether roenigftenS baS ©efiipl gehabt, bap es fich babei um etroaS 
2$orübcrgepenbcS banbeit, roährenb fie jept bie äufrecpterpaltung 
ber Bibftänbe, foroeit ihre alten fehleren Bohnungen in betracht 
fommen, als ihr gutes SRedjt betrachten. 


San oon ttrbeitertoopmmgen mit .fjölfe ber dfntmfibitätS* 
oerfichrrnngSanflalten. ©rfreulicherroeife nimmt bie 23erroenbung 
beträchtlicher Summen aus bem 2lnjtaltSoermöaen ber Snoalibitäts* 
unb 2UterSoerficherung gnr Unter)tü(jung beS SüaueS oon Arbeiter* 
roohnungen in neuerer 3cit immer mehr gu. So hat bie 2(nftalt 
in 23reSlait befchloffeit, jährlich eine Summe bis gur $öf;e einer 
halben Billion gu biefem 3^rcfe auSgufefeen, bie als 2)arlehn gu 
ermäfeigtem 3i nö f u 6 angemeffener Hmortifation hergegeben 
roerben foH. — (Sine SSerfauimlung iit ^3ofen befd^log bie 
©riinbung einer Sau* unb Spargenoffenfdjaft gur Errichtung oon 
2lrbeiterroohnungen. ES feilen guiiädjft etroa 100 fold)er Bohnungen 
gerabe für bie’ ärmften ^Irbeiterflaffen (gu etroa 120 <M. 3af)reS* 
iniethe) errichtet roerben, bamit roenigftenS bie fdjlimmften Äotl)** 
ftäiibc befeitigt roerben fönnen. £ie ^ofencr Alters* unb Sitoa* 
IibitätSoerfid)erungSanftalt roill bis gu einer halben Billion Barf 
(gu 2 ! /j % } ) ^ergeben. 2lud) bie Stabtoerroaltung bringt beut 


Unternehmen baS roärmfte Sntereffe entgegen. — Bie ferner mitge* 
theilt roirb, hat bie 23erfid)erungSanftaft ttt Speper bem Anträge 
beS StabtratheS unb ber (^emeutbcoerfammluug oon ÄaiferSlautent 
behufs ©eroährung eines SlnleljenS ftattgegeben. 2)ie 23erficheruitgS* 
gefellfchaft roirb 150 000 gu 3 % gur Erbauung oon Arbeiter* 
roohnungen ber Stabt überlaffen. 

Ein Eang bnrdh dfammer nnb 9loth in Sfiimhen« 5)a bie 

oom Bagiftrat oorgefchlagene BohnuitgSenquete in Bündjen leiber 
nicht gu Staube gefoutmen ift, hat fürgltd) bie fatholifche organijlrte 
Slrbeiterfdhaft Erhebungen über bie Bohuoerhältniffe ber fleinen öeute 
unb Arbeiter angefteflt. Es rourbett gragebogen auSgegeben nnb 
überbieS burdj perfönlichen Slugenfchein bie Slntroorten fontrolirt. 
2>aS Ergebnis ber Unterfuchung fott ber CeffentUchfeit übergeben 
roerben. $>och roirb fchon jejjt in ber „9f. Saper. ^tg.^ ein Silb 
oon ben BohuungSoerhältniffen in einem #aufe ber inneren Stabt, 
nahe am 23iftualienmarft, auf Erunb ber Sufgeichnungen berBoh* 
nungsfontroleure mitgetheilt. Bir entnehmen ber 6d)ilberung 
folgenbe Eingelheiten: 

(SS ift ein oterftödtgeS, mit bem S)achgefcho6 fünfftöcfigeS ®e* 
bäube mit bunflem Treppenhaus, bunflen Eängen unb Bohnungen, 
bas rotr betreten, ^n biefer BiethSfaferne roobnen 115 Benfcpen. 
Behr als ber brüte Tljeil baoon, bie Ernten unb ?lerm[ten, roohnen 
im Tachgefdjofj bicht gebrängt gufammen. Urfpriinglich für oicr 2Boh* 
nungett berechnet, bient nun biefer abgetheilte Tadjraum 6 gamüien 
mit 17 Hinbem unter 4 gapren unb 5 Stfjlafgängern, gufammen 
41 ^erfonen als Bohnung. Tie erfte Bohnung hat ein lungcnfüdjtiger, 
tobtfranfer Baurer mit feiner adjtfopfigen gamilie inne. Tie Bohnung 
roar aufgeräumt unb reinlid); fie befiel)! aus 3 Zimmern unb X Äfücpe. 
Ter erfte 45,7 cbm grobe Sftaurn bilbet baS Bohnginunpr foroie bas 
Scplafgimmer für ben franfen Bann, bie Srau unb 2 tfinber unter 
14 fahren. Ein 93ctt unb ein „Tioan" bilben bie Scplaffrätte für bie 
23ier. TaS groeite ^ünmer mit bem 3 u gang burep ben oorgenannten 
2iaum ift 13,7 cbm grob nnb an einen 3munerberrn für monatlich 5 jl 
aboermiethet. 3n beut brüten glntmer, 14,2 cbm grofb fdilafeit bie 
beiben Söpne, roäprenb 2 ^inber, auch noch ‘unter 14 Sohren, in ber 
Äücpe, bie 12,3 cbm grob Ub näd^tigen mnffen. Tie gange 85, 9 cbm 
grobe Bohnung foftet 26 JL monatl., oor 1 ‘/a fahren roar ber Bieth s 
preis 18 JC Tie groeite fontrollirte Bohnung nebenan, oon einem 
Sdjmiebgebülfen geuiiethct, befteht aus 3 3immern, 1 Kammer unb Äüchc. 
Cbroohl bie 10 Ä^öpfe ftarfe gantilie, Eltern, 7 iitnbcr unter 14 fahren 
bie Bohnung bidjt genug belegen fönnten, fo finb bod) ein ßümner, 5 i e 
Kammer unb bie tfiidie au eine niedere gamüic aboermiethet. Tte Ur= 
fad)e htcroon ift baS geringe Einfommett. Ter Sdjmieb oerbient näm* 
lief) 75 Jt. burd)fd)nittlich int Bonat, roährenb bie grau etroa 10 M. 
beibringt. Tie Bohnung allein aber foftet 40 JL\ ein gerabegu honreu* 
ber ^reis, ba oben unterm Tad), ohne Bafferleitung nnb Mlofet, bei 
einer Olröbe oon 125,7 cbm 2ufträum. Ter Baun aber muhte fte 
nehmen, roeil man ihn mit feinen 7 ßinbern nicht leidjt anberSroo 
hineinläht. Um ft<h unb bie Setnigen ernähren unb bie Biethe er* 
fchroittgen gu fönnen, muh & T lc h jeboch anf ^ 3intmer befdjräitfeu. 
Tiefe finb 92,e cbm groh unb bienen nicht nur ben 10, gur gamilie ge* 
hörigen ^erfonen, fonbern auch n °d) - Sdjlafgängern als Boljn*, 
Äod)* unb Schlafraum, gür bie 12^3erfonen finb 7 23etten, ein Sfinber* 
beit mitgerechuct, oorhanben. Ein Schlafgänger fdjläft auf einem Stroh* 
faef am 23oben, roährenb ber artbere ein 23ett mit einem Sftnbe theüt. 
Turd) baS 2lboennicthcn beS einen T heiles ber Bohnung roerben 
18 m. oerbient, roährenb bie Sdjlafgättger gufammen 9 .JC monatlich 
begahlen, fo bap fich bie Bietlie auf 13 je im Bonat oerringert. — 
gür fantintliche 41 $erfonen ift ein ?(bort oorhanben, 2lntheil oon 
Heller, Speid)er ober BafrfihauS hat feine ber Parteien. Ter Bicth* 
preis fämmtlidier Bohnungen macht 124 Jt monatlich, roährenb ber 
23erbtenft ber fammtlichen Biether 392 jl beträgt. — EtroaS beffer fmb 
bie 23erljältniffe im oierten Stocfe beS gleichen Kaufes. Ter Biethpreis 
aber ift merfroitrbiger Bctfe für biefes Stodioerf um 4 M. billiger als 
ber ber Bohnungen Mnter bem Tache. Er beträgt gufammen 120 J *. $in* 
gegen ift, cntfpredjenb ber geringeren ^al)l ber 23eioohncr, ber Serbien ft 
berfelbcn roeniger unb beträgt nur 321 Jl. burdifchnütlid) im Bonat. 
TaS 23frl)ältnih beS Einfommens gur BohuuugSmiethe ift ht cr alfo 
tiodi fd)lcd)ter. Tiefes abnorme Serhältnth hat fid) erft feit etroa 
1 Vs Saliren h erai, Sflcroadjfen. Seit biefer 3cit i|t mit bem Bcdjfel beS 
2?efipcrs eine fortroährenbe, bei einzelnen Bohnungen 40% betrageubc 
Steigerung oor fid) gegangen. ?lud) fmb bie Bohnungen feljr oernaep* 
läffigt unb pcnintergcfommcn. 

@ege» baS SBohtmugSelenb in Stragbnrg t. E» geht bie oom 
EJemeinberatp eingefepte, 2)Htglieber aus allen berufen unb $ar* 
teien nmfaffenbe BohnungSfommiffion, über beren Tpätigfeit roir 
in tiefen 23lättern roieberpolt bcrid)tet pabeit, energifcp oor. $>n 
ber lepteit Sipung oom 21. Tegetnber rourbe abermals eine $eipe 
oon fällen mitgetpeilt, roo auf Eittfdjreitcn ber Äomntiffioii in 
gefnubheitsroibrige, überfüllte Bohnungen 2lbfiülfc ber fdplimmften 
ilcipftänbe getroffen ift. Ein gerabegu fdjeufjlidjer Tyall ift folgenber: 

Sn ben beiben Käufern ÜRarbwgäfjchcu 5 unb 7 roohnen 16 oer* 
fdiiebcnc Parteien. 55 'perfonen bruüpcu gufammen einen ?lbort. Tie 



373 


oktale BrajriS. (Scntralblatt für ©ojialpulitif. Rr. 14. 


374 


beiben Raufer finb total verroaprloft. Der (Sigentbümer fümmert fich 
um bas |>au$ niefjt im ©eringften. Die Reparaturen, roeljhe ber ©igen- 
thümer auf Gängen ber Kommtffioit machen lieft, repräfentiren einen 
SBcrtl) oon 60 Pf (Siitselne SLoljnungen in biefen Käufern finb burd)» 
ans überfüllt. (Sin ginnner ftat fein Lid)t. Die 2ftiir ift mit einem 
Btnbfaben angebunben. gn einem beroohnten gimmer befinbet fieft 
alte§ ©erümpel. Das in bent Zimmer befinblidje Bett ift jur $älftc 
mit alten ©ieftfannen :c. gugebeeft. 3m Meller fab es gerabeju feftauber* 
baft aus. (SS finb feine 28änbe, fortbem nur Brettcrverfdjläge vor» 
ftanben. Sin ben Bretteroerfd)lägen finben fid) Ripen non einer (Prüfte, 
baft man mit ben $änbcn binburdjfahren fann. geber Cuabratmeter 
ift ausgenüpt. Keine gamilic oerfügt über eine Küche ober einen 
©peidjerantfjeil. Die beiben Käufer finb non bem ©igenthümer um 
7000 JC getauft, er ftat fte für 700 Ul. an eine grau uermiethet, bie 
burdj Slfterntietbe aber 2 200 M. jährlich aus bem £>aufc jieljt. 

Der Eintrag bes UnterauSfcftufieS, baft bie 3Softnungeit ge* 
fdjloffen tnerben follen, rourbe einftimmig angenommen. — Daft 
bie Kommifftoit aber nicht bloft auf bie Räumung ober Berbeffe« 
rung fcftle^ter Böohnungen, fonbern auch auf bie ©rrid)tung oon 
aefunben unb billigen Bebaufungen bebaeftt ift, hoben mir ebenfalls 
fefjon ermähnt, ©s finb oerfdjiebenc ^rojefte in 9fuSfid)t genommen. 


Soziale 4)i)gtene. 


Betriebsunfälle im df^rrreic^ifc^en Kleittgeiverbe. Der eben er« 
fdjienene 93ericfjt beS BerbanbeS ber ®enoffenfd)aftSfranfenfaffen 
SöienS für baS gabr 1897 beftbäftigt [ich eingebetib mit ber grage 
ber Betriebsunfälle im Kleingeroerbe. ©S mirb fonftatirt, baft bie 
Betriebsunfälle einen ftets machfenben Raum unter ben (Sr* 
Jranfungen einnehmen. 0ie betrugen im Maffenoerbanb, in Brogenten 
ber Kranfbeitsfälle: 

1893 .... 5,7 % 

1894 ... . 8,3% 

1895 .... 8,8% 

1896 .... 10,4% 

1897 .... 10,8% 

(Sine fpe^ieH ausgearbeitete Tabelle beS Berichtes meift bie 
©efahrenqueKen auf. melcbe Betriebsunfälle im Kleingeroerbe oer« 
urfachten. Der Beroanb ift feit fahren bemüht, ben Rachmeis ju 
erbringen, baft es fidj oorroiegenb h^r um Gefahren hobelt, bie 
ber Ratur beS £>anbroerfs entfprechen. (Ss h^ßt in bem Bericht: 

Sluch int gahrc 1897 geigt fid) ein Borroiegen biefer fleingeroerb« 
Iidjen ©efabrenqueßen. gn erfter Linie finben mir roieber Betriebsunfälle, 
bte burdj ben OJebramh oon ^anbroerfSjeug unb einfachen ©erätben 
oerurfacht roorben finb. (SS roaren bies über ein drittel aller Unfälle, 
mobei ^ier eine Steigerung um 194 Unfälle eingetreten ift. Vln jroeiter 
©teile folgen bie Unfälle Durch 3ufammenbrudj, £>erab» uitb Umfallen 
oon ©egenftänben; fjto beträgt bie Steigerung 103 gälte. Bei 2luf» 
unb Hblabett, $eben unb fragen ift eine Steigerung um 65 gäfle gu 
fonftatiren. 

Bon Betriebsunfällen, bie ber ©roftinbuftrie oorroiegenb eigen ftttb, 
finben roir bei unferen Kaffen nur feftr roenige, inSgefammt bürften es 
38, alfo etroa 1 °;o aller Betriebsunfälle im galjre 1897 geroefen fein. 
Bon Betriebsunfällen biefer Slrt finb oorgefontmen bei ben Bädern 2, 
bei bett Bucftbrurfern 1, bei ben Drechslern I, bei ben geinseugirfjmieben 5, 
bei ben ©ieftern 1, bei ben Mteibermadjern 1, bei ben Kupfcrfdjmieben 1, 
bei ben Lithographen 1, ben Bflafterem 1, ben Bofanteutirern 2, ben 
©djloffern 6, ben ©eibenfärbem 6, ben ©penglern 1, ben Difcf)lern 3, 
ben 3i mnier l eu ten 3 Betriebsunfälle. Slucft bet biefen Unfällen finb eS 
aber nicht feiten (Srcigniffe, bie feinesroegs burdj Bekräftigungen herbei» 
geführt roorben finb, roie fte nur ber ©roftinbuftrie eigentümlich finb. 

Durch feuergefährliche, giftige, fjcifjc unb äpenbe Stoffe, burd) ©afe 
unb Dämpfe :c. rourben bie meifien Unfälle bei ben (Wienern, ©eiben» 
färbern, SScbroaarenjuriditern unb 3udcrbädern beroirft. ©oldje Unfälle 
finb aber auch bei ben Bädern, Klcibermadjcru unb ©chloffern häufig 
oorgefontmen. 3ufamntcnbrudj, £>erab« unb Umfallen oott ©egenftänben 
bat am häufig fiten Betriebsunfälle herbeigeführt bei ben gaftbinbem, 
Bflafterem unb 3immerleuten. Relatio häufig roaren fic and) noch bet 
ben Dacftbedem, fmf» unb Sagenfchmieben, Lithographen, ©chloffern, 
Difchlern. Durd) ben galt oon Leitern, OJeritftcn, ©tiegen, in Ber» 


tiefungen 2 c. finb befonbers häufig Unfälle bei ben Dachbedem, 3iotnter= 
leuten, a 6 er audi bei bett Bädern, (Sinfpämtem, gärbeni unb ©chloffern 
oorgelommen. Der (Mtraudj oott ^anbroerfsjeug unb einfachen Oie« 
rätben hat bie häufigftc Okfahrenqnclle bei ben meiften Äfaffcn gebilbet. 
3nt Borbergrunbe ftc'hen ba bie Waffen ber Bäder, Bucftbinber, Drechsler, 
geinjeugfdjmiebe, grifeure, ^uffeftmiebe, Ä^Ieibcrmacher, ©chloffer, ©eftuh 3 
maefter unb Difdjler. 

Die Rusbebnung ber llnfalloerficherung auf höii&roe*!smäftige 
Betriebe erfcfjeitit bemgemäft als bringenbeS OJebot. 

(Seutralifattim beS Berliner RettnngSmefenS. Die Berliner ©tabt« 
oerorbneten bcfchloffen am 29. Dezember auf ben Bericht ber ©onber« 
fomtniffton bie Uebernahme ber 'Hufficht über bas gelammte Rettung*« 
roefen Berlins auf bie ©tabt. Die Deputation für bas vereinigte Ber« 
liner Rcttungsrocfeu, ber biefe ?luf)id)t übertragen toirb, beftebt aus 
jroei R?agiftratsmitgliebern, brei ©tnbtoerorbneteu, einem Bcrtrcter beS 
Boliseipräfibiums, je jroei Deputirtcn ber ©anitätSroad)cn, ber Unfall« 
ftationen unb ber RettungSgcfellfdjaft, unter Borftft eines ber BfagiftratS« 
mitglieber. Die beftehenben 'Jlnftaltcn fepen ihre Dhätigfeit fori. 
SBeiterc Söadjcn fönnen nur unter 3uftinunung ber ftäbtifdjen Deputa« 
tion errichtet roerben. Die Deputation hat aud) bariiber 311 cntfdjeiben, 
ob beftehenbe Aachen aufgelöft cocntueQ nad) anbernt ©tabtgegeuben 
oerlegt roerben foüen. Die etatSiuäftigen 3uffhüffe ber ©tabt tür biefe 
(Sinrid)tungcu, über beren Bertheilung bie Deputation ihr Gutachten 
abgiebt, rourben zugleich oon 40 000 auf 65 000 ji erhöht. 


£ttetatifd)e JUtjelgeit. 


Der Oluttcntag’fchc Berlag in Berlin bringt foebcit in feiner 
battblidjen ©amntlttttg Deutfdjer Rcidjsgcfc^e folgenbe $iuei 
Bänbchctt jur Berfettbung: 

ReichS«©eroerbcorbnung nebft SluSführmtgsbeftimmungen unter bc« 
fonberer Berüdfidjtigung ber Beftimmungcn über ben Arbeiter« 
fd)ttft, bie Drgaitifation bes £>attbrocrfs unb bas LehrlingSroefeu. 
Bon D. Bh- Berger, gortgeführtoon Dr. 2Silhelmt, ©eh- Ober« 
RegicnutgSrath. günfjehutc Auflage. (Dajchettformat, fartonniri 
Breis 2,80 M.) 

Der Berfaffcr, oortragenber Ratl) itn Reichsamt beS gnnern, bat 
in furj 3 nfamntcugcbrängter gorm bas Btaterial in einer Bollftänbig» 
feit geboten, roie cs feine sroeite Ausgabe aufsuroeifen hat. Der trip 
bcS Umfanges (661 ©eiten) niebrige B™* ermöglicht bie ftnfdjaffung 
jebettt ©croerbetreibenben. (Sin Budj, bas tu 15. Auflage crfchciui, 
empfiehlt ftch oon felbft. 

Reichsgefeft, betreffenb bie ©crocrbegeridjte. Bott L. SRugbait, 
©tabtrath- Bierte vermehrte Auflage, h^ausgegebeit von (Sntto, 
©tabtrath unb ftellvertret. Borftpcnber bes oieroerbegerichts in 
Königsberg t. Br- B^*^ 1 /bo •//. 

Diefe Ausgabe ift ein fidlerer gi'thrcr burd) bas ©efep. ^tUc in 
ber 3cit oottt ©rfcheinen ber lepten Auflage erlaffeneu ©efepe, Ber« 
orbnntigen unb ©ntfeheibungen haben Beachtung gefimben. Das Bänb* 
dhen ift fo bearbeitet, baft es aud) nad) bem 1. Januar 1900, bem 3<ü* s 
punft beS gnfrafttretens ber neuen bürgerli^en ©cfepgebutig bem 
Sntereffenten ein roerthoolIcS ^aubbuch bleibt. 

Btaier, ©uftao. ©osialc Berocgungcn unb Dheoricn bis 3 nr mobernen 
Hrbeiterberoegung. Leipjig 1898, B. ©. Deubcr. 172 ©. B r iüs 
geb. 1,15 ^ 

Rapports annuels de l’inspection du travail (Royaume de Belgicjue. 
Ministere de l’Industrie et du Travail. Office du travail et ad- 
ministration des mines). 3 e Anuee 1897 Bruxelles 1898, 
J. Lebegue et Cie. 

Travail du dimanche (Royaume de Belgique. Office du Travail). Vol. IV. 
Consultation des conseils de Pindustrie et du travail. Euquote 
dans les grands magasins. Consultation de Passociation pour le 
repos du dimanche en Belgique. — Bruxelles 1898, J. Lebegue 
et Cie. 

^alberftabt. Bericht über bie Berroaltuitg unb bett ©taub ber ©e= 
meinbeangelegeufjeiten pro 1. ?lpril 1897/98. 

Düffelborf. Beridit über ben ©tanb unb bie Berroaltuitg ber ©e« 
mcinbcaugelcgcnl)citeu pro 1. ?lpril 1897/98. 

Barmen. Bericht ber ftäbtifchen Rnnenvcnvaltung unb bes (Seittral» 
SBaifcnrathc* ju Barmen pro 1897 nebft ^lrmcn=(5lat pro 1. ?lpril 
1898/99. 


Die gleichseitig hiennit ausgegebene Rr. 4 ber SRonatSfchrift 

„DaS <$euerbegcrtd)t" enthält: 

Die Bör^i e n unb baS ®eroerbegerid)t. Bott ©tabtrath 
Dr. glefch, granffurt a. 5DL — 3 lir re^tiiehen ©tcHuiig ber §cim* 
arbeitet. II. Bon S DL v. ©d)ul, 3 , Borfipcitbem beS ©eroerbcgeridjts 
Berlin. — Berfaffuttg uitb Berfal)ren: Bürgerlid)eS GJefcp* 
bud) unb (Üeroerbeorbnung. — Auslegung bcS §. 29 bc* ('»ieroerbe« 


gerichtSgefepeS. — Redhtfprechung: Riittheilungett auS beit Ontt« 
feheibungen ber ®eroerbecjerichtc Berlin, Hamburg, Miel, eines Oie* 
roerbegerichtS in ©übbcuffchlanb uitb ber Lanbgendjte Berlin I uitb 
Miel. — (SiiugnitijSämter: Die (Srgebitiffe ber englifdjen Ber» 
föhnuitgSafte; ' (Simgungsämter bei engli|M)cn Manbelsfatnmeni: 
Reform ber Conseils de Prud’hommes in graitfreidi. — Literatu|r: 
Dr. 21. Blöd), Das (^erocrbcgcricht. — giiljaltsaiigabe ber „©oktalen 
BrariS". 


Scvantroortltc^ für btc Schafs ton: Dr. (int ft grentefe tu i’evliu W., 25>u)rcutlicrüraf;c i?.i. 








In Soziale (Seutralblatt für ©ogtalpolütf. 92r. 14. 376 

erfdjeint an jebem 2)onnerötag unb ift burdj alle SBudjbanblungett unb SPoftämter (ipofacitungSnuinmer 7072) ju bejtefjcn. S)er iprei* 
für baö Sßierteliabr ift 3tt. 2,50. Sebe SRumnter foftet 30 $Pf. $)et SKnactgenpretS ift 60 $?. für bie breigefpalteite ^etitjdle. 



Im lape 18 $$ h\ Sanier & iumßlof in £ei$tg er dienen: 


^b^anblungen, Öaats- ittib »älh er red) tlidje: 

Söanb II. §eftl: Die ©elbftuerroaltung in politifdjer 
unb juriftifcf)cr Segiehung. SSon SulinS «^atjdjet. 

5 232. 60 <ßf. 

3M™tt, g. Die (Snttmcfclung bcs ArntenroefenS 

in ßnglanb feit bent Satyre 1885. 1 232. 40 $f. 

gielefetb, ©ttu, (Eine neue Ära citglifdjcr ©ocial* 
gefefegebung. 2 2)2. 20 $f. 

^orfdjungen, ftnat*- unb focinln>if)rcnf^üft- 
lidfe: 

XV. 4. Die hauSinbuftriclIen Arbeiterinnen in ber 
berliner Sölufett*, Uitterrocf*, ©d)ürgen* unb Dricot* 
fonfettion. $on <3ertnib $tyJyrenf!iYt$. 2 23£. 80 $ßf- 

XVI. 1. 3roei Dörfer ber babifd)en Stfjeinebene unter 

befonbercr Söenuffid^tigung if>rer Allmenboerhält* 
niffe. 33ott (3ml ©ramtagel. 2 232. 20 $f. 

XVI. 2. ©tatiftifche ©tubien gur GhitroicfelungSgefihichte 
ber berliner Slibuftrie noit 1720 bis 1890. 3$on 
Otto SBicbfelbt. 9 3». 60 $f. 

XVI. 3. Das 2)2aingcr ©chiffergerocrbc tn beit lefeten brei 
3obrI)unberten beS MurftaateS. 2>ou Qfynjtim 
(Eifert. 3 2)7 80 $f. 

XVI. 4. Die 97eid)S=2krfid)eruitgSgefebgebung. SBon 
S. 8öbifcr. 1 2)2. 60 <ßf. 

Jfttlb, ftthtbig, Das 2)2ietred)t nadj bent ^Bürgerlichen 
©efcfcbud) für baS Deutle 97ei<h. ©tiftcutatifd) bar* 
geftettt. ©eb. in Srob. 5 2)2. 40 $ßf. 

gjagelßange, JUfreb, i£iibbeutfd)ee Sönueritleben im 
SRittelalter. 6 2R. 60 <ßf. 

gjaU t, ®« ift tratt, Die 2?ebentnitg beS ©ceoerfehrS 
für Deutfd)laitb. 60 $ßf. 

gelferty, £., Die Reform beS beutfehen ©elbrocfenS 
nad) ber ©rünbuitg beS 97eidjS. 2 2Jbe. 22 232. 

geifertdr, 3ur Gnteucrung beS beutfd)en 33ant* 
gefefceS. 3 237. 

guter, m > Die ©taatenfucceffiou. 2$ötferred)tlid)e unb 
ftaat3rcd)tlid)e ^ßraris im 19. Sahrl). 7 937. 20 $f. 

|nama-$terttrgg, ft. trau, ©cutföe ssirt= 

fdjaftSgefdjidjte. III. Söanb, erfte .vSälfte. 12 232. 

ftappeltttantt, £anbbnd) für preuftifdjc 0par* 

taffen. 0)eb. in Siub. 3 2)i. 60 $f. 

|Uen, pu^dm, 0ic 2d)aitnbfud)t im l'idjte ber 
©tatiftif unb ©ocialpolitit. 2 s Ut. 40 ^f. \ 


«efler, %. fiebenS* unb £ot)nüert)äItniffc inbuftrieller j 
Arbeiterinnen iit ©tocffjolm. 2 237. 

fotmar, $tytHpp, 2)ie Freiheit ber 33erufSrca^l. j 

1 9». 

fitietttbttrg, gefii, Die inbuftrictle Gtitroicflung | 

^ßoteuS. 2 237. 20 $f. 

pder, ©rng van t §annoucrfd)e 33crfaffungS* unb | 
25ermaItungSgefd)i(5te 1680—1866. (Srfter Söanb. 

11 2)2. 60 $f. 

©eridjt, (^eridftS^err, SSerteibigung. 80 $f. 

$4tttoller, ^agatt, Heber einige ©runbfragen ber j 

©ocialpolitif unb ber SSolfSroirtfdjaftSte^re. 6 232. 40 $f. 

^(^maller, ®«ga», Umriffe unb Unterfudjungen gur 
SSerfaffungS*, SSerroaltungS* unb 2Sirtfd)aftSgefc^id)te 
befonbers bcs Sßreufgifchen Staates im 17. unb 18. Scdjr* 
fjunbert. 13 2)2. 

§djriftnt l»ce Peutfd^en Vereins für ^rmsu- 
|r|ftege unb Pal)ltl}attgkeit: 

34. 17. SabreSoerfammlung in £iel. 3 232. 40 $f. 

35. DaS auSlänbifd^c Armenroefen. 1 232. 60 ^ßf. 

36. ^romtöäma&regeln g C g en nä^rpflic^tige Angehörige. 

2 232. 

37. £>ilfe in aufeerorbeittlidjeit 22otftänben. 1 2)7. 80 Sßf. 

38. Die roechfelfeitige Unterftüöung non 9teid)S* 

aitgehörigen in ben eingelnen 23unbeSftaaten. 2 2)2. 

39. 3uffad)t3ftcittcn für meibliche ^ßerfonen. — @£ifteng* 

ntinimum in ber Armenpflege. — Anrechnung ber 
Seiftungen ber ^ßrioatroohlthätigfeit unb Qnnaliben* 
renten. 3 2)2. 20 ^f. 

$dptften be« herein« für §orial|tolittb: 

75. ^ßerfonalfrebit beS länblidjeit MeingrunbbcfiheS in 

Oefterreid). 8 232. 80 $f. 

76. ©eneralüerfammlung in ^ötn 1897. 10 232. ; 

77. §>aufiergen)erbe in Deutfdjlanb. I. 11 232. | 

78. §aufiergemerbe in Deutfchlanb. II. 5 2)2.60 ^ßf. j 

|Urid|, frouf, ©taatSeifcnbahnen, ©taatStuafferftrafjen 1 

unb bie beutfehe 28irtfchaftSpolitif. 1 2J2. | 

^criuoliuugöberi^t beS 9tathcS ber ©labt Seipgig j 
für bas 3al)r 1896. ®eb. 10 232. | 

Paetitig, ^duridj, Olemcrblidje 232ittelftanbSpolitif. | 

9 232. 60 $f. | 

£rirbridj ^trei^err ju, ®ie : 

Srotfrage unb ihre Söfuitg. 2 232. 20 s $f. j 


Scramroortlicfi für blc l’lnjetgen: ^eümuth (Deibel, Seipjig. — Verlag oon Xunrfcr & Cmniblot, Setpjtg. - ©ebrueft bei 3uliu* eittenfelb, Serlln. 






vm. ftejprgnng. 


©erlitt, ben 12. Januar 1899. 


Ilmnmrr 15. 


Soziale ptajte. 

{§enfraf 6 £att för ^ojiafpofifili 

mit bcr SRonatS&etlage: 

Vas ©ewerbegcricht. 

©rgan bes Derbanbes beutfdjer (Betrterbegeridjte. 

iReue golge bcr „Slätter für fojiale sprayt*" unb be* „Sojtalpolittfdjen Eentral&IattS". 

ffrf#efi»t IM je»e* %**%&$*$, Jerau* geben *xti» *Urleli**tli<* 2 WL 50 9f. 

SRebaftton: »ertin W., Sahreutherftrafje 29. Dp. Cfttft «fttttufet* Verlag toon S)uncfer & ©umbtot, ßclpitg. 


3 nljalt 


©ic beutfefce ©oaialbemoftatU | 
im 3a^te 1898. II. (©$lu&). 377 

«lgmetec©«iUl* Mb tttetWMft* 
»»Itttt. 384 ! 

©ic Sojtalrefotm in ©eutfeb* ; 
laitb im 3>aljte 1898. 

©ic ©ojialreform unb bie National- 
liberale Partei im JRe!dj«tage. 
©efteuerung. auflünbif^et Arbeiter 
in granfreicb. 

©in Mus4e social in ben Stieberlanben. 

ft*w«»a*le .... 387 

©ie ftäbtifebe ©erficberungßfaffe gegen 
Arbeitßlofigleit in jlbln unb baß 
©elücrffcbaftßfattell. 

©erüdfid)tigung Älcingemerbetreiben» 
bei bei ftäbtifdjen ©ubmiffiotten in 
granffurt a. 3R. 

©tabtifäe Söerfftötten für Arbeiter* 
inbaliben in PaTiß. 

©täbtifdje äRißceUen. 

©iabtifebe SRinbeftlöljne in Belgien. 

ttrbcttgeberfcerbftiibe. 388 , 

Arbeitgeber ©etbanb Hamburg»Altona. ! 
©ereinbatungen ber beutfehen flamm« | 
garnf pinnet. 

©ojialpolitiftbe ©eftrebungen bet 
parifet ©auunternehmer. 

Hrbctterbcfectmtg.38^ 

ein allgemeiner SBeberftreif in fliefelb. 
©er beutftbe ©auarbeiterfoiigrefc. 

Proteft fatljolifcber Atbeitetöereine in 
©erlin gegen ©erfebärfung ber ©e* 
ftxafung non ©keiloergeben. 

©er Plan einer f$f5beratioii ber 2rabe 
Union*. 

ein flongrefc ber eioilarbeiter beß 
SRilitäxequippementß in gran'reicb. ! 


mttutmm .. 391 

©ermehrang beß©ergaufficbtßperfonalß 
in. Preufcen. 

©ie SBabl non gabrifinfpeftoren in 
grtanfreicb. 

ftrbeHeckediaeni««. *|itrtaffcK 391 

©er ©tanb ber Unfall« unb ber 3n« 
nalibitätft« unb Altetßöerfiebening in 
©eutfdjlanb 1897. 

Penfionßfaffe für Arbeiter in babifdjen 
Staatsbetrieben. 

©aß Arbeiter-UnfaUoerfuberungßaefeb 
in ©änemarf. 

. 393 

©tftbtifcber ArbeitSnacbftciß ju SRainj. 

öabifebe Eentralanftalten für Arbeit*« 
nacbroelß. 

ArbeitSnacbtoeiß unb SanbbePÖlfetung 
in labern. 

f8»blfabrttetinrt<|tiinani ... 394 

Arbeiterftiftnng ber flruppfeben SBerle. 

©er ßentralnerein für ba« SGBobl ber 
arbeitenben fllaffen 1898. 

erfrifcbungSraume in ben Poftbienft« 
lofalen. 

<Bt|ieb*na unb Oilbmn.395 

©ollßthüinlidje flurfe non ^Berliner 
^o<bf<bullebrern. 

$außbaltung*fcbulen in ©oben. i 

©cbulfinber in ben ©traben non ! 
Sonbon. i 

©0|taie $t)gienc. 396 ! 

Sur SBefampfung ber Suberfulofe in | 
©eutfhlanb. j 

öetoerbefletidjte. •intfwif*ji«t«r. ! 
©«leoßgertaite. 397 1 

Aocbmalß ber ©todfarbeiter«Außftanb j 
nor bem Einigungßamt beß ©e* 1 
loeibegeridjtß ^Berlin. I 

flfagftgctt. 398 | 


Abbrud fämmtlicbtt Artüel tft S^ttnugen unb ßeitfduften geftattet, jeboeb nur 
mit noüer Quellenangabe. 


Bie ieutfitje dojlalbetnobratie int 3aljre 1898. 


Xer tiefe ©egettfap jwtfchen ber rerolutionärert unb ber 
reformerifdjen Stiftung, mit bem aKerbing* bie Srage ber 
%itation£metf)Dbe eng jitfammen^ängt, lag aud) ben Debatten be* 
Stuttgarter Parteitage* über bie S^age Der ^taftif 311 ©runbe. 
3 unä(|ft fefete bie &i*fu|fion lebigli^ mit ber ^e^aublung ber 
2 lgitation*frage ein, wobei Stabt^agen ben öemä&igten oorroarf, 
„bie X^atfraft unb $ampfe*freubigfeit gelähmt 311 


gegen proteftirte .Jeine entfliehen, roaS er mit um fo größerem 
me^t fonnte, al* er allein in ben ^Berliner Stid^roa^len geroäblt 
roorben mar. 3m llebrigen beljanbelte er gleichfalls bie gange 
Sfrage 00 m agitatorifchen Stanbpunft au*, inbem er bie mehr 
ober weniger ftarfe Betonung bes dnbgiel* für eine blo&e S^age 
be* XemperamentS erflärte unb oor phrafenhafter Agitation warnte. 

®ie ganje Schärfe beS uorhanbenen ©egenfape* !am erft in 
ber SRebe ber grau 3 c ^ n S um SluSbrucf, ber Dr. Spontan! unb 
SRofa Öuyemburg affiftirten. Sie forberten bie offene Serurtheilung 
be* PoffibiliSmuS, ber Jeine’fch^n „^ompenfationSpolitif", ber 
„Schacherpolitif mit bem fapitaliftifchen Staat". Sßatt bürfe nie* 
mals über ba* Gnbgiel ber Eroberung ber politifchen 3)?acht einen 
3weifel laffen. 9tofa Öuyemburg fühlte (ich auch oeranlafjt, bie 
Parifer ©ommunarb* al* Jeroen ^u oerherrlidjen. Jierauf ertheilte 
nunmehr Kollmar bem ganzen 9teoolutionari*mu* bie benfbar 
fchärffte §lbfage, wobei er nd) ganj offen unter lebhafter 3»ftims 
mung gegen bie in ber Sosialbemofratie bisher übliche SSerherr* 
lithung ber reoolutionären Parifer (Kommune wanbte: „Schlechter 
würben bie frangöfifchen Arbeiter ihrer Sache auch rtid^t gebient 
haben, wenn fte bamal* gefchlafen hätten." 2ll*bann heifet e*: 

jräulein Suyembnrg fdieint nuf bem Stanbpunlt 311 ftehen, bah 
©ewaltftreiche ftet* einen fojialtftifchen ©horolter haben muffen. SRun, 
anber* ift Dtc Äeu&erung Doch nicht 511 oerftehen: bah mir jept in einer 
Seit leben, wo jeben Augenblid etwa* Unerwartete* gefchel)en fönne unb 
wo bie Sojialbemofraten plöplich jur 2Rad)t fomnten fonnen unb alfo 
oorbereitet fein miiffen, fte- au*juübeu. ©a* ift aber nicht eine Xheorie 
ber beutfehen Sojialbemofratie, fonbern bie Anftd)t be* Slanqui*mu* 
(lebhafte Suftimmung). 

2Benn in ber beutfehen Sojialbemofratie je wer auf biefem 3tanb= 
punlt geftanben h at , fo ift biefe 3^tt glüdlicherweife längft hinter un*. 
3ch fage im (üegenfafc ju gräulein Suremburg: c* formte ber bcutfdjeu 
Sojialbemofratie gamidjt* llnglücffeligere* paffirert, al* baji 
wir oorjeitig in bie öage fämen, bie politifdje SRadjt ju 
übernehmen, benn wir würben nicht befähigt fein, fie er* 
fprichlich ju gebrauchen unb fie feftjuhalten. Jvräulein Öureitt= 
bürg hat in ihren Artüeln ben Untcrfd)ieb jwifchcn „Reoolutionären" 
unb „f^emäfügten" bahin befinirt: bie Steoolutionäre feien bie, welche 
thätig finb im Jinblicf auf bie Ergreifung ber politifchen SRadit, 
währenb bie Wemähigten thätig feien mit ber Sntentiou, bie Arbeiter* 
flaffc ju heben unb bie fdjrittweifc Erweiterung ber gefellfd)aftli(hen 
Kontrolle herbeijuführcit. parteigenoffen, wenn ba* nicht auf ben 3Man= 
quißmn* hinau*läuft, bann ift e* nicht* al* eine Jaarfpalteret, für 
welche mir febe* i*crftänbnib fehlt. 

X)te ftch an Kollmar* 9tebe anfchliefeenben oorfichtigen unb 
farblofen Ausführungen Jeine* oeranlafeten feine ©egner, 3 etf in, 
ßuyemburg unb ben ©enoffen Parou* (Dr. Jelphonb), ben eigeut* 
liehen Streitpunft nochmal* mit aller Schärfe ju präjifiren. par# 
ouS erflärte: 

Jeinc* Außlaffungen über bie do ut des-poütif machen ja einen 
hamtlofen Einbmcf, weil in biefem Augenblirt ein Eutgegeufommeu bn 
Regierung einfach unbenfbar ift unb eine fo!d)e Politif al* utopifch er* 
fcfjeinen miife. ©iefe* brutale Verhalten bcr Regierung tritt aber uirfu 
in jebem fapitaliftifdjen Staate ju ©agc: A>ir fehen "in Euglanb eine 
anbere Xaftif, unb in bem iöiomcnh wo man and) in Xeiitidilnnb \n 
ber Einfidjt fomntt, bah man bie fojialbemofrntifdic Pewegitug iiidu 
mit 3 U{ hthau*mittelu berämpfen fann, baf; man e* hiermit einem pro* 
buft ber öfonomifdnm Entwirfelinig jit tlmu hat, in bem AVoment wirb 













Si^iale prariS. CSentralDIatt für Sogialpolitif. Dr. 15. 


ü79 


oS<) 


bie £>eine'fdjc 2 >bcc gefährlich- Sie ©ntwicfeluug wirb bagu 
führen, baf? man ein parlamcntarifd)eS SluSFomnten mit ber 
3ojialbemofratie [udjt, unb bann werben bic 3 becn, bie 
&einc jefct fdjürfjtern ausfpricht, prafttfdj werben. 

Dofa Suyemburg erflärtc jroar bie Slnwenbuitg oon ©ewalts* 
mittein 3 U oerwerfen, fuhr bann aber fort: 

Älipp unb flar tnitffcn mir fagen wie ber alte (Sato: „3in Itebrigen 
bin idfj ber Meinung, baf$ btefer Staat serftört werben utufe." Sic 
Eroberung ber politifdjen STOacht bleibt bas ©nbgtel, unb bas Gnbjiel 
bleibt bie Seele beS MampfeS. 

©aburd) fab fi<h nun oudj $eine oerattlafet, runb beraub gu 
crflären: 

©aS td) gefagt Ijabe, ift befannt unb idi nehme nidjt* baoon 
^uriief. ^dj weife, bafe eS nur gwei 9WögÜd)feiten giebt, bie SWadjt beS 
Proletariats 311 begrünben. ©ntroeber man fefet ben berrfdjenben 
Klaffen bie piftole beS VewilligungSrcdjteS im Parlament 
auf bie 93 ruft ober — bie mirflicfec piftole. Safe mir auf ben 
3 weiten ©cg ocrjidjtcu muffen, bat noch ber alte ©ngelsfurgoor 
ieinem Sobe auSeinanbcrgefefet. Shnt ftimnic td) bei. SBleibt alfo 
nur ber anbere ©eg. trennt ibn Scfeadjerpolitif, ober wie ^fer wollt, 
aber oerlangt nicht, bafe idj ifen wegwerfe, efec ^fer einen britten gezeigt 
habt. Solange bic Dichtung ber „Sädjfifdjen 9lrbciter*3ritmtg" feinen 
anbern ©eg nennt, aber gegen ben ooit mir empfohlenen proteftirt, fo 
lange mufe fie ftd) gefallen laffert, bafe Kollmar iljr VlanquiSmuS 
oorwirft. ©eprebigt feat gräulein Sujemburg jwar bic (Gewalt ntdjt, 
aber bie Sogt! Iäfet ihr feine anbere S D?öglidjfeit übrig. 

Schon oorfjer featte Vebel eine ausführliche ©rflärung oon 
Vernftein oerlefen, bie bie gröfete 23ead)tung oerbient, weil fte 
alle feine Argumente gegen ben DeooIutionariSnuiS gufammenfafet 
unb als tfjeoretifcfje ©runbleguug beS DeforutgebanfeitS angefefeen 
werben tnufe. ©S feeifet barin: 

3 ch bin ber Hnfdjauung entgegengetreten, bafe wir oor einem in 
Salbe 311 erwartenben ^ufammenbrud; ber bürgerlichen ©efeHfdjajt ftel)en 
unb bafe bie Sojialbemofratie iljre £aftif burd) bie ?(u 8 fidjt auf eine 
folcbe beoorftebenbe grofee fogialc Mataftropbe beftimmen, bgro. oon ifer 
abljängig machen foD. ias halte idj in oollcnt Umfange aufrecht. 

Vernftein betont bann, bafe fidj bie ©ntwicfelung weber in 
wirthfchaftlidjer noch in fojialer ^inficht fo geftaltet fyabt, wie eS 
bie Sogialbemofratie bisher angenommen, ©egen bic auSbeute* 
rifdjen Senbengen beS Kapitals f) a & e in allen oorcjefdjrittenen 
Räubern eine gefeUfdjaftliche ©egenaftion etngefefet, bte Iangfame 
Aortfdjritte mache. ©r fragt bann: 

Reifet aber bic (Eroberung ber politifcfeen 3J2ad)t burd) baS prolc* 
tartat blofe bie (Eroberung biefer D?adit burd) eine politifdjc Matafirophe? 
Reifet es bie ausfdjlicfelidjc Sefifeergreifnng unb Sennfeung ber Staats* 
ntadjt burd) bas Proletariat gegen bie gange nidjtproletarifdjc ©eit? 

©er bieS bejahe, ber fei an bie oon ©ngels (aus militärifchen 
unb oermaltungStechnifchen ©rünben) nachgewiefene Unmöglidjfeit 
einer gemaltfamen SReoolution erinnert. SSer aber bie Unmöglich* 
feit einer SReoolution einfefee, fönne auch 

oeruüuftigerweife baran feinen Hnftofe nehmen, wenn erflärt wirb, was 
bie Sojialbcmofratie itod) auf lauge hinaus 3 U tbun habe, fei, ftattauf 
ben grofecn ^ufammenbrudj 31 t fpefuliren, bie ?lrbeitcrflaffc politifch 3 U 
organifiren nnb 31 er $emofratie auS 3 nbilbcn, unb für alle 9tcformen 
im Staate 31 c fämpfen, loeldje geeignet finb, bie Sflrbeiterflaffe 311 beben 
unb bas Staatswefen im Sinne ber 2:emofratie umsugeftaltcu. 
2 )emofratie aber heifet iljtn: 

jebesmal fooiel $errfdjaft ber 9lrbeiterflaffc, als biefc nad) ihrer in* 
telleftucüen 9teife unb beut •'pöbegrab ber wirtbfdjaftlidicn ISutjoicfluug 
überhaupt aus 3 uüben fäljig ift. 

'I'Jeil er eine Stoolution für unmöglich l)alte, lege er auf bic Slitf* 
gaben ber ©egcitwart, 

auf ben Mampf um bas politifdie 9led)t ber Arbeiter, auf bic politifdje 
'■^etbätiguug ber Arbeiter in Staat unb ©emeinbe für bie ^ntereffen 
ihrer 5tlaffc, fowic auf bas 9s?crf ber wirtbfdjaftlidicn Crganifation ber 
Arbeiter ben allergröfeteu 9^ert. 

Unb er fchliefet mit ben Porten: 

Sie widitigftc Arage ber Saftif fdjeint mir bie nad) bem heften ^Beg 
ber iS-rweiterung ber politifdjeit unb gewerblichen kerbte 
ber beutfdjen Arbeiter 311 fein. Cbue bafe auf biefc Jvrage eine 
befriebigeube Antwort gefunbeu wirb, würbe bie Betonung ber anbern 
ictiliefelidj nur Seflamatiou fein. 

91 11 S ber logifd) unanfechtbaren ^eruftein’fihen (Srflärung er* 
bellt mit hinreiefjenber ^eutlidifeit, bafe es fidi bei bem liegenfafee 
ber heiben Dichtungen in ber Partei nidit nur tun Differenzen 
über bie Jvrngc ber Saftif ober gar ber blofeeit Vlgitationsmethobe, 
fonbern oor 5111cm um einen prinzipiellen ©egenfafe in ben 9ln* 
fifeammgen über bas ;,iel ber So 3 ialbemofratie, um bie ^rage: 
Deoolutiou ober Deform baubelt. SBie fdion oorher Dofa 
Vnremburg Meine gegenüber, fo gaben jefet and) Mautsfn uttb 
Viebfnecfjt itt ihren Debet! gegen ^ernftein auf biefe Tvrage feine 
tlate Antwort. Mautsfij betonte juuächft, bafe ^Peruftein fich ein 


ganj falfcheS Söilb oott ber Partei gemacht ^aBe. ßr glaubt, bafe 
wir S 3 Iaiiqnifteix finb, bie auf einen 3 ttfomwenftofe mit ber be* 
waffneten Dtacht fpefuliren 2 c. 3th glaube, eS giebt feinen 
Parteigenoffen, ber baran benft." 3)amt aber fefete er aus* 
einattber, bafe bie Perhältniffe auf bem Kontinent anberS als in 
©ugiaub lägen unb fuhr wörtlich fort: 

3ch gebe 31 t, bafe ber 3Beg, ben bas englifche Proletariat gebt, 
beffer ift, weniger Opfer erforbert, unb bafe wir wünfdjen müffen, ben* 
felben Seg geben 31 t föttiteit; aber ber ®ang ber ©efdjidjte wirb nidjt 
oon frontmen 3iJünfd)en beftimmt, fonbern oon Sbatfadjcn, unb biefc 
fagen uns, bafe ber ©eg <5nglanbs für uns ungangbar ift, bafe 
ber ©eg ber Semofratic nur burd) ben Sieg beS Proletariats er* 
folgen fann. 

QlauBt aber einer, bafe biefer Sieg möglid) ift ohne 
Mataftroptjc? 3 <h wünfdje es, aber ich glaube es nicht. . . (5s ift 
ein gorbifcher Mnoten, unb bafe biefer auf einem anberen ©eg gelüft 
werben fann, wie jener alte, glaube id) nicht. 

Unb er fdjlofe mit ber SBenterfung, bafe eS um ßeute, bie in Jolge 
ber 23ernftein’fchen Hrtifel ber Sojialbemofratie ben Dücfett feferten, 
nicht fchabe wäre, im ©egentheil, „wie fönnen froh fein, bafe es 
fefeon jefet gefchicht, ftatt bei einer Äataftrophe, wo wir jeben 
9ttann brauchen." 

©benfo meinte fiiebfnecht: 

Unb £eutfchlanb — wer will behaupten, bafe angefidjts ber ;jud)t* 
hauSoorlagc eine frieblichc Gntwtcfclnng bei uns gepchert fei? ©er 
will ba fagen, bafe bie 3 eü politifdjcr Mataftrophen, gewalt* 
fanter Kämpfe oorüber ift? ©ir wollen fie nidjt, wahr* 
Ijaftig nicht ... Äataftrophen werben oon uns 311 oermeiben gefucht, 
aber oon nnferen geinbeu oorbereitet. 

®er 9Btberfpruch in biefen Deben ift hö»hgreiflich: ÄautSftj 
unb ßiebfnecht wollen feine Deoolution, glauben aber, iljre 3 ielc 
nicht oljne Dcoolution erreichen 3 U fönnen. Dicfer 9Öiberfpruch, 
ber fitf) überhaupt burch faft alle Deben ber Dabifalen hinburch* 
gieht, ift logifd) faurn gu oerftehen; er erflärt fich aber leidjt 
pftjthologifch, wenn man bebenft, bafe ocrfchiebene Antriebe, bic 
trabitiouelle reoolutionäre ©efinnung einerfeits unb bie flare (5r* 
fenntnife ber Unmöglichkeit ber Deoolution anbererfeitS, baS fogial* 
bentofratifdjc teufen auSeinanbeqerren. s Bährenb fich ein ftets 
wachfenbcr Xhcil ber Partei aus ben alten reoolutionären Debeln 
gur flaren ©inficht in bie Dothweubigfeit ber Deform herausringt, 
befinben fich ^i e in ben reoolutionären Slnfd^amingeu beharreitbeu 
Steife in einer ooEftänbigen 93cnüirrung, bie nod) burch bie Sorge 
oor angeblich geplanten Staatsftreidjen oergröfeert wirb. Qn 
neroöfer llnflarheit betonen bie Dabifaleit halb ihre friebfertige, 
halb ihre unentwegt reoolutionäre ©efinnung. Salb finb fie burd) 
bie SBahlrefultate niebergefdjmettert, balb wieber oon phantaftifchen 
Hoffnungen aufgebläht, ^urch wilbeS SlriegSgeheul fuchen fie fidj 
über bie relatioe Schmäche ihrer pofition gu täufdjcn unb ben 
©egner gu erfdjredfen, ohne gu bebenfen, bafe gerabe ihr unauf* 
hörlicheS Spielen mit ber Deoolution leicht gur moralifdjen Decht* 
fertiguna eines ©taatsftreichs werben fönnte. 9lnberer[eitS be* 
greifen fie wieber nidjt, bafe baS ^Betonen ihrer friebfertigen ©e* 
finnung jebenfalls nid)t geeignet ift, bie reoolutionäre ©nergie ber 
HJfaffen gu entflammen. 

£>ie oorljatibene Verwirrung wirb burch bie Unflarheit ber 
wichtigsten ^Begriffe, mit benen man unaufhörlich operirt, noch ge* 
fteiaert. 2)aS SBJort Deoolution ift feiner htftorifchen Vebeutung 
entrlcibet worben unb wirb im 3>oppeIfinn einer frieblicf)en nnb einer 
gewaltsamen llmwälgung gebraudjt. Statt oon ber Deoolution 
fpracheu aufeerbem Üiebfuedht unb 5?autSfn ineiftenS oon beoor* 
ftehenben ilataftrophen, woburch bie Streitfrage gwifchen ihnen 
unb Vcrnftein and) noch in anberer Min ficht oerfchoben würbe. 

Vcrnftcin Ijatte in ber „Denen 3eit" bie Diar^ßngelS'fdjc 
Dufidjt gurüefgewiefen, bafe bie immanenten ©efefee ber fapitalifti* 
fdjen 9i'irtf)frt)aftSorbniing (ber angebliche VJiberfprudj gwifdjen 
probuftion nnb ilonfutniion) mit DotljweubigFeit auf einen 3 l|s 
fammenbruch ber gangen bürgerlichen ©efcllfdjaft in einer mtge* 
heuren £rifis, auf eine Mataftropbe fjinbrängten. ©S fonnte nun 
3111 * Mläruug bei Dufdjauungen jebenfalls nidjt beitragen, weint 
Mautsfn unb Viebfnecfjt bie in Spanien, Defteneidj, Sranfreidi :c. 
angeblich bcoorjteheuben politifchen lliuwälguiigeu Mataftropbcn 311 
nennen beliebten, obwohl ber 3 ufawmcul)aug bes fpanifdj*amcri* 
fanifdien Miicges, ber böbmifcheii Spradjocrorbititngcn unb bes 
3 )reijfuSpro 3 effes mit bem Mlaffenfampf gwifdjen Vourgeoiiie unb 
Proletariat nnb ber fogialiftifdien Mrifen* unb Mataftrophcntbeorie 
nidjt ohne Weiteres erfenubar ift. Vci ber T'iirftigfeit unb bem 
fraffen '©ibeifpruch ber fadjlidjen Argumente wirb mau ben 
momentanen ©rfolg, beu bie bleubeube Dhctorif bes alten i/ieb* 
fnedit unb MautsfpS bei einem grofeen Sbeil ber Selegirteu er* 
rang, nidjt foubcrlid) bodi gu ocraufdjlagen braudjeit. 



882 


881 


Soziale Brarig. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Sh*. 15. 


Bie gering feine t^atfädjlic^e Bebeutung war, geigte ficb fd)on 
beim nädfjften ©egenftanbe ber Berbanbluitgen, bem Bericht über 
bie parlamentarifdje ^^ätigfeit, wo ber ©egenfaß groifeben 
ber reformerifchen unb revolutionären Stiftung roieber gunt Aug* 
Bruch fam. ®er Berichterstatter Burm erflärte ficb entfehieben 
gegen bie §einef<he Kompeufationgpolitif unb für bag SÄiligfßftem 
jowie gegen jebe Kolonialpolitif. Xer Slbgeorbnete Dr. ©chön* 
lauf, ber 1895 in Breglau bie pringipien beg ©ogialignutg revi- 
biren wollte, b)ielt eine fulminante Siebe, in ber eine „rüefficbtglofe, 
rabifale Xaftif", ben „Kampf big gum Sleußerften gegen bie lieber* 
feepolitif, gegen bie §ungerpoIitif, gegen ben Blarutigmug unb 
SÄilitarigtnug" empfahl, ©r I^atte aber mit biefer oratorifefjen 
Seiftung auf bem Parteitage nicht viel mehr ©lücf alg mit feinen 
Xeflantationen gegen bag Slottengefe^ im Steidjgtage: Ulrich 
fpottete unter großer Weiterleit unb Beifall über bie „rrrrevolu* 
tionäreu Pbrafen", peug erflärte, feine Siebe für einer Bolfgoer* 
fammlung angemeffen, unb Dr. Xavib warnte vor „unnötiger 
Slervofität"; gerabe jefet gelte eg bie größte Slube gu bewahren, 
um nicht ber Siegierung bag gewünfd)te SÄaterial gu liefern. Sluf 
bie ^einefebe Kompenfationgpolitif eiitgugebn, b^lt er für ungeit* 
gemäß, ba fie gegenwärtig bie reine „Xoftorfrage" fei. 

Slacb Schneller ©rlebignng ber Swagen beg Koalitiongredbteg, 
ber Betbeiligung an ben preußißhen Saubtaggwableit unb beg 
33ergarbeitericbubcg maubten fid) bie Berbattblungen ber beutfeben 
3oll* unb .^anbelgpolitif gu. Sluf bem Hamburger Partei* 
tag halte ©cbippel erhärt, für ihn fönne bie Snternatioualität 
nid)t fo weit geben, baß er fid) einem f<bubgöllnerifd)en Sluglanb 
gegenüber, ohne Slücfficbt auf bie Sntereffen ber bentfeben Snbuftrie, 
auf ben ©tanbpunft beg abfoluten greibanbelg ftefle; er ^atte 
ficb babureb b c fÜ9 e Angriffe gugegogen, ba ber abfolute gfreibanbel 
bigljer ein fogialbemofratifcbeg Xogma geroefeit mar. 3eßt aber 
ging ©Nippel in feinem Referat bem Xogrna vom greibanbel 
äußerft energifcb gu Seibe. ©r miberlegte bie alten Slnfcbauuttgen, 
baß ber gretbanbel eine Slrt Bölferoerbriiberung fei, er feierte bie 
revolutionäre Birfung beg ©cbußgollg, ber bigber faft ftetg 
bag fortfd)rittlid)e Element im wirtbfdjaftlicben Seben ber Bölfer 
bargeftellt habe. & proflamirte eineSntereffengemeinfcbaftgmifcben 
Unternebmern unb Arbeitern in ben fragen ber Wanbelgpolitif, 
roie fie bigber im SJlunbe eineg ©ogialbemofraten unerhört toar. 

SBer ftnb benn bie Shcbtg* wie Konfumentcn? Xie Beamten, bie 
heineren Seutc aug ben SJhttelftanb. — . . Xte freifinnigen ©pieß* 
Bürger finb bie Äerntruppen beg greib^belg bei ung. Xie Arbeiter 
aber finb nicht reine Äonfumenten, fie finb gewiffermaßen 
SDlitantbeilgbaber an jeber wenn gmtäcbft auch fünftlicß beförberten 
©rweiterung ber ©roßprobuftion. 

Xag ©nögiel, bie höhere ©ntwicfelung unferer gnbuftrie, 
ift ung Sllleg. Xag Bigd>en preigbemegung unb Preis¬ 
erhöhung fann für ung nidjtg bebeuten. Sllfo nicht alg Äon* 
fumenten haben bie Arbeiter barüber gu urtbeilen, fonbern alg &l)eil s 
nebmer an bem brotigen Probuttiongorganigmug. 

©r Schließt bann mit ben Borten: „3<h hoffe 3bnen gegeigt 
gu haben, baß bie grage ©cbufegoll ober greibanbel niemals 
Klaffenfrage ber Arbeiter werben fann. 3e nach bem ©tanbpunft 
[mb bie Arbeiter in ben eingelnen fiänbern fcbubgöllnerifcb ober 
freibänblerifcb unb fie tl;un recht baran." 

SDer Korreferent Äautgfp trat pringipielt für unbebingten Srei* 
banbel ein, beffen ^)urd)fübrung er aber für unmöglich hielt; audf) 
lie& er ficb gu ber Kougcffion an bie Prayig b e ^bei, für geroiffe 
beutfehe Snbuftrien bie Siotbmenbigfeit eineg ©cbubgollg gugugeben. 
3m Uebrigen befämpfte er ben ©chubgoU mefentlicb mit politifdfjen 
Argumenten. 3n mirtbfchaftlicber |)inficht roanbte er gegen ihn 
ein, bafe ber ©chubsod bie Kartelürung ber Snbuftrie erleichtere 
unb bamit ber Slrbeiterberoegung übennächtige ©cgner febaffe. 
©ing feiner roicbtiafteit Argumente mar aud) noch ber .^inroeig auf 
bie ßanbtoirtbfchaFt, bie beg ©chubgollg eher benötbige alg bie 
3nbuftrie; wenn man ber £anbn?irtbfcbaft feinen ©chubgoll gu* 
billige, fönne man ihn auch nid)t ber 3»buftrie geben. ®ag oer* 
anlaßte in ber Debatte SSolImar, gegen bie Sluffaffung gu pro* 
teftiren, bafe bag ©ebeibeit ber fiaubmirtbfehaft ber ©ogialbemo* 
fratie gleichgültig fein fönne; er mar umgefebrt ber Sin ficht, bafj 
man bie Koufequengen beg ©djippel’fdjen ©tanbpuiifteg auch ber 
Sanbroirtbfchaft gegenüber giebeu foüe, womit ficb auch ©cbippel 
in feinem ©eblußroort eiuoerftanbeu erflärte. 

2)ie übrigen puufte ber Xagegorbnuug, ©teffungnabmc gutn 
Slbrüftunggoorfcblag beg 3areit, Proteft gegen bie gruftifigirung 
beg ©enfer 93leud)clmorbeg zc., foroie bie perfönlicben 3änfereieit 
unb bie gefchäftlicbeu Slngelegeiibeitcn mürben fcbnell erlebigt unb 
bieten gu befonberen iöemerfungeu feine SSeraulaffung. 


$>er ©tuttgarter Parteitag tnu§ alg einer ber michtigften 
S)larffteine in ber ©efebiebte ber fogialbcmofratifcben Partei be¬ 
gegnet werben, ©tärfer alg je guoor ift auf ihm bie opportu* 
niftifche unb reformerifebe Stiftung b eroor Ö € brcten, trob aller 
augenblicflich auf fogialpolitifchem ©ebiet b^f^ßaben reaftionären 
Xenbcngen. ©g fd^ien in ©tuttgart bereite, alg ob ficb beibcit 
Shcbtunaen unter ben Xeleairten bie SBaage hielten. Xa ficb i e & c 
Partei oen ©ieg gufchrieb, fo mufete ber Parteitag in beiben Sägern 
eine oerfebiebene S3eurtbeilung finben; bod) trat bei ben Slabifalen 
mebrfadb eine grofec llngufriebenbeit mit feinem Verlauf beroor. 

lieber bie eigentlichen ©treüfragen, bie 23etbeiligung an ben 
preufcifeben Sanbtaggwablen, bie Xaftif, bie Xifferengen in ben 
theoretischen Slnfchauungen zc. batte ber Parteitag feine binbenbeit 
23efchlüffe gefaxt. Xegbalb festen ficb bit Xigfuffionen nad) feiner 
Peenbignng in ber Preffe unb in ben SSerfammlungen mit großer 
©eftigfeit fort. Sin ben ilrwablen gum Sanbtag am 27. Oftober 
betbeiligte ficb bie ©ogialbemofratie gum erften SÄal in einer Sleibe 
von preubifcheit 9ßablfreifen, unb gwar überall mit unerwartet 
günftigem ©rfolge. ^3o fie felbftänbia oorging unb eigene v Babl* 
männer aufftellte, wie in Slltona, Sinben bei £>anuouer, Sranben* 
bürg, ^Breglau unb .fSalle a. ©., erlangte fie refpeftable SJlinoritäten, 
wo fie ooit oornberein für ben greifinn eintrat, wie in granf* 
furt a. SÄ., ©örlife, §agnt zc., führte fie feinen ©ieg befrei- 
SlugfaH ber ^abl gab Den Anhängern ber 33etbeiligung red)t unb 
oeranlafete einen gewiffen ©tiinmunggwecbfel in ber Partei. 33ebel 
oerfünbete bereite, bafe bei ber näcbfteit Sanbtaggwafjl bie gefammtc 
©ogialbemofratie in Preußen wählen werbe. Slnbererfeitg würbe 
natürlich bag Sief ultat von ben ©egnern ber Söablbetbeiligung alg 
oöDig ungünftig bargeftellt. Xiefe Xifferengen führten gu erneuten 
heftigen Slugeinanberfebungen in ben Berliner Söabloereinen, bei 
benen Sluer alg Anhänger nnb Siebfnecht alg ©egner ber Betbeili* 
gung in erfter Sinie ftanben. 

Slutb über bie £>einefcbe Kompenfationgpolitif unb bie ©cbippel* 
f<ben Sleu|erungen gur SlrtiHerieoorlage erbifeten ficb bie ©emütber 
immer wieber oon Sleuem. hierbei oertrat Sluer alg gefebiefter 
^Diplomat in ber Stolle beg griebenftifterg bie reformerifchen g^eeii. 
©r oerböbnt bie „neue SÄobe", bie fogialbemofratifcbe Bewegung 
alg „proletarifch*reoolutionäre" gu begeiebnen, unb fuebte bie Korn* 
penfationgpolitif unter Berufung auf frühere ©ngelgfcbe Borfcbläge 
gu rechtfertigen, wag ihm eine Sleibe heftiger Angriffe, namentlich 
in ber „Seipgiger Bolfggeitung", eintrug. Xabei beruhigte er eine 
Berliner Berfammlung wieber wegen ber ©efabren ber Kompen* 
fationgpolitif in giemlich eigenartiger SSeife. Borläufig fei in 
biefer Stiftung ni^tg gu befürchten: 

benn eg tritt eöen fein Berfudjer an ung b crait - feilte ucrfudjt 
man ung nur mit plöbenfee unb bem guebtbaug, unb fo lange bag 
bergall ift, brauchen bie ©enoffen feine Slngft gu haben, baß ber ©ine 
ober Slnbere augrutfd;t. 

SJlit ber Konipenfationgpolitif b^ngt bie ©tellung ber ©ogial* 
bemofratie gu ben miiitärifchen gragen überhaupt aufg ©ngfte gu* 
fammen. Unb auch & ar i n bahnt ficb augenfeheiniieh ein Söanbel 
an. ©djon auf bem ©tuttgarter Parteitag war ein Slntrag ange¬ 
nommen worben, ftatt beg SÄiligfpftemg vorläufig bie §erabfeßung 
ber Xienftgeit auf ein 3^ S u forbent, wag „leichter gu begrünben" 
fei. 3nt Slovember erfchien bann unter bem Xitel „Bkr griebrich 
©ngelg miliggläubifch" ein Sluffaß von „3fegrim" in ben „©ogia* 
liftifchen Btonatgbeften", beffen Berfaffcr nadb Slnaabe fogialbcmo* 
fratifcher Blätter ein febr b^oorragenber Parteiführer fein foll, 
ber bie SÄiligibee in ber benfbar frfjärfften SBeife verhöhnte: 

3n ihrer allgemeinen Sluffaffung beg „SÄilttarigmug" bat bie 
©ogialbemofratie noch immer febr viel Stebnlicbfeit mit jenen fonber* 
baren ©djwäruiern, bie mit einem 9)lale entbedt haben, baß an ©teile 
beg verrobenben gleifrfjgenuffeg bie gaßme vegetabüifdjc Breinahrung 
ben SRenfd;en vercbeln ntüffe - ober bie alle mebiginifdjen ©reuel unb 
©djeuel in enblog riefelubem ©affer gu erfäufen trachten. . . . £*>ici* 
wie bort biefelbe oerblüffenbe Äritülofigfeit, berfelbc heilige ©ifer, halb* 
wahre unb balbuerbaute ©d;lagworte gu einem ©ijftem auggubaiten, 
bag alle s Babrt)cit umfäjließt, unb gegen bag nur Barbaren unb ©djmadj* 
föpfe anfämpreu fönuen. . . . ©elbft ber Xon, in bem bie neue Stuf* 
läge beg alten Bürgergarbiftenibealg vorn militärifdjen ^adimann fpridit, 
fann gewöbnlid) faum Überboten werben burdj bie SÄifdniug-uoii gnä= 
biger moralifdier $crablaffung unb oernichtenber geijtigcr lleberlegcnbeit, 
mit ber ber ©affcrapojtel bag fiuftcre ©djeufal von ärgtlidjcm Aadniiaun 
in bie ©oljgfdjludjt Ijtnabfdjleubert. 

©r geigt bann an einer Sleibe von ©itaten, baß ©ngelg, ber 
militärifd)e ©ielebrte ber ©ogialbemofratie, eine Berfiirgung ber 
Xienftgeit auf Vk—2 gab^e für bag eingig SJiöglidic erflärt unb 
fieß über bag iÄiligftjftem mehrfach giemlid; ffeptifd) geäußert hat. 
Xer Slrtifel fdjließt mit ben 'Borten: 




SWS 


Sostale SprartsS. (<entraI6fatt für •«ojtafpolitif. Ar. U>. 


SW4 


9Wan baf; fid) Gugeln bic „Gleichung jur allgemeinen ©ehr* 
bafttgfeit" gan$ aitberg bad)tc, als bic milijgläubifdjcit ©affcrbciligcn 
unb HRchlbäppapoftel. Soch auch für bic Partei wirb cg fd)IieBltc^ wie 
im Siegfrieb beigen: 

Sort mit bem Sret — ich brauch’ Ujtt nidjt! 

Aug Sappe fdjmieb’ ich feilt Schwert! 

tiefer formell wie inhaltlich unerhörte Angriff auf eine ber 
Ttud)tigfien fojialbemofratifdjen Sorberungen veranlage natürlich 
eine Sluth ber f)eftigften Antworten. S>ah er aber überhaupt ge* 
wagt werben fonnte, geigt, bah eg aud) in Setreff beg Siili^fpftemg 
in ber Sojialbemofratie nicht lauter ©laubige, fonbern fchon saht* 
reiche 3 roeifler giebt, an bie fid) übrigeng „ 3 fegrim" augbrüeflid) 
wen bet. 

Aach ber SReidjgtaggeröffnuncj präfentirten bie S 03 MI* 
bemofraten, abmeid)enb oon ihrem begierigen Braud), für bie 
Soften beg einen Siceprafibenten unb eineg ©djriftfiiljrerg il)re 
«anbibaten, bie jebodj nicht gewählt würben. S)ie iiblidjc Ablel)* 
itung beg Gtatg begriinbete Soßmar mit ber feinblicheu Stefiung 
ber Regierung gegenüber ber fogialbemofratifchen Sorberung einer 
(Einleitung ber Abrüfhtng bur<h öerabfefeung ber Süenftseit, mäh* 
renb Bebel eine $Reif)c ooit Bcfd)merben über bie Sosiaipolitif ber 
Regierung uorbrad)te unb erflärte, folange biefe 3 uftäitbe e^iftirten, 
würben fte ftetg bem ©tat ein Aein entgegenftellen. Beibe s lRoti* 
ointngen finb nicf)t unwichtig, wenn man bebenft, bah Bebel 1894 
in Sranffurt bie Bubgetoermeigerung Soßmar gegenüber für eine 
Srinjipienfrage erflärte, ba bie ©o^ialbemofratie bem „ klaffen ftaat" 
bie Mittel jur Sortfüljrung feiner (Sriftenj unbebingt oerweigern 
müffe. 

Hinfuhtlicf) ber tf)eorctif<hen Streitfragen ift augenblicftid) 
ein gewiffer Stiflftanb eingetreten. Bernftein unb £autgfp haben 
bie Seröffentlid)ung ihrer Anfichten in Buchform angefünbigt. 
lieber beibe Schriften wirb fpäter hier 311 berieten fein. 

Ueberblicft man bie Gntmicflung ber Sogialbemofratie im oer* 
floffenen 3aljr, fo fieht man, bah oer Umwanblunggprojefe ihrer 
©ebanfenmelt weitere erhebliche Sortf dritte gemalt bot. Gg giebt 
faum einen Sunbamentalfafe ihrer Sf) e orie, faunt eine willige 
praftifdje Sorberung, bie nidjt ber fdjärfften «ritif unterworfen 
worben wäre. Gg ift intereffant 311 fefjen, mit welchem Staunen 
bie Partei 3 af)lreid)e Probleme neu entbecfi, bie fie längft crlebigt 
glaubte, weil fie gewöhnt war, fie mit einigen Acbcngarten absu* 
tt>un. S>erfclben fdjarfen, erbarmnngglofen «ritif, bie fie bisher 
augfd)IieHlicb an ihren ©egnern unb ber hcrrfrfjenben Staatg* unb 
©efeflfdjaftgorbnmtg geübt hat unterwirft fte jefet ihre eigenen 
Theorien unb Sorberungen, rücffidjtglog bemüht, bag für falfd) Gr* 
fannte eingureifsen unb aug bem ©ege 31 t räumen. Gg ift feine 
«leinigfeit für eine gartet, fid) aug ben Sorfteßitngen unb Sbeen, 
bic fie ein s lRenfrf)enalter biuburd) beljerrfcht haben, herau$ 3 uarbeiten 
unb an ihre Stefle neue Anfdjauungen feien. S>ag ift ein Sroseh, 
ber fich unuiöglid) oon heute auf morgen abfpielen fann, ber 3 U 
feiner Grlebigüng 3af)re beaitfprudjt. ©er bie Gntmicflung ber 
So 3 ialbemofratie feit bem $aß beg So 3 iaIiftcngefcfceg unbefangenen 
Blicfeg iiberfdjaut, fann fich ber Grfeniitnih beg ungeheuren ©an* 
belg, ber fid) ooÜ 3 ogen hat, nicht oerfdjliefjen, mag bie S 03 MI* 
bemofratie felbft aud) immer wieber behaupten, fie fei bie alte ge* 
blieben. Gin ftetg wachfenber St)eil ber Partei hot fich oug ben 
früheren reoolutionären Anfdjauungen 3 ur flaren Ginfidjt in bie 
^othwenbigfeit ber fogialeu Reform burchgerungen; eg ift nament* 
lid) bag junge gebilbete Gleuient, bag bie reformerifcheu Qbeen 
oertritt. §lber aud) bie fliigercn Möpfe unter benen, bie in ber 
•Ssauptfache noch auf bem reoolutionären Soben }tel)en, hoben fid) 
oon rollcnwibrigen Seiteitfprüngeu (Agrarfrage, Sanbtaggwahlcn) 
nid)t freigel)fllten. Unentwegt 3 ur alten Sah llc ftanben oon be* 
fannten Leuten charafteriftifd)er ©eife ftetg nur ber alte SRcoolutio* 
när oon 1848, ©ill)elm ^iebfnedjt, bic früheren bemofraten 
Diehring unb fiebebour unb einige boftrinäre unb fanatifd)e ©eiber, 
wie bie 3 <dfin unb Üufcmburg. 

ber Augfaß ber Seid)giaggwal)len unb bag immer ftärferc 
.s^eroortreteu ber reformerifd)en Dichtung in ber Partei hoben ge* 
geigt, bah eine ernftc rcoolutionäre ©efaljr nid)t befiel)!, ©ie man 
in*ber Sosialbemofratie oon phantaftifdjeu Hoffnungen mehr 
unb mehr guriicffotnmt, fo füllte man and) in ber Regierung unb 
in ben biirgcrlidjeu Parteien oon pl)antaftifd)en Sefürdjtungeu 
3 urürffommen. Seit aller Gntfchiebeuheit aber fei betont, bah mit bem 
Sd)ioinben bee^ reoolutionären Gharafterg ber So^ialbemofratic aud) 
jebe Augnahmegeiehgebuug ihre innere Scredüiguug ocrliert. (ig ift 
bag Sed)t unb bie '^flidjt beg Staatg, eine rcoolutionäre Bewegung 
mit aßen Siitteln 311 befämpfen. Gg fann aber uiemalg bie Auf* 
gäbe ber Staatggemalt fein, einer reformerifcheu Arbeiterbewegung 


entgegcu 3 utreten unb bie ungeheuren ftaatlid)eu Sfachtmittel 311 
©uuften ber ©rohinbuftrießen gegen bie Arbeiter ein 3 ufehen. ©er 
fich ober etwa einbilbet, eg fei ber So 3 iaIbemofratie mit ihrer Ilm* 
wanblung nicht Gruft, wer glaubt, eine grofce Partei fönne eine 
Solitif bemühter Heu^elei treiben, oerfennt bie elementarftcn Se* 
bingungen aßeg politifd)cn l ? ebcng. 

Sür bag praftifdje Verhalten ber So 3 ialbemofratie wirb 
jebenfaßg bie ©eftaltung ber inneren Solitif oon entfeheibenber 
Sebeutung fein. Sfit aßer nur wünfcbeugwertt)en ©eutlichfeit hot bag 
ber Abgeorbnetc 0 . Soßmar am Sdjluh feiner Gtatgrebe augge* 
fprodjen: „Unfer gan 3 eg politifd)eg Sorgehen liegt fef)r oiel in 
Shrer £onb, un ^ roenn begwegen glauben, Aniah 3 u «lagen 
3 u hoben, fo flogen Sie nicht uug, fonbern fid) felbft an." Süßte 
halb, um mit Sdjmoßer 3 U reben, auf bag ©eßenthal ber fo^ial' 
politifchen SReaftion ber ©eßenberg beg Sortfdjrittg folgen, fo 
werben, wie bag Saroug unb Sebebour gau 3 rid)tig ooraugfehen, 
bie Heinefcheu Sheen aufhören, blohc ,,^)oftorfragen" 3 U fein, unb 
praftifd) werben. Db bann bie ganse fo 3 ialbemofratifd)e Partei 
ben Umfchwung mitmachen, ober ob eine Spaltung eintreten wirb, 
läfct fich natiirlid) noch in feiner ©eife ooraugfehen. Alg gan 3 
fichcr aber barf eg unfereg Grachteng gelten, bah eine neue Aera 
fo 3 ialpolitifd)er Sfefonnen nid)t biefelbe unocrföhnlidje Haltung ber 
So^ialbemofratie oorfinben würbe, wie 1890, wo ihr reuolutionärer 
©röhenwahn nod) in ooßer Sliithe ftanb. ^)ie bantalg oon Soß* 
mar proflamirte ^olitif: „ 2 )em guten ©illen bic offene 
Hanb" würbe jept ficherlich, wenn nicht in ber gan 3 eu, fo hoch in 
einem fehr groben Xfjctl ber Partei beifäßige Aufnahme fiuben. 


Allgemeine Sozial- und SBirtljfd)olitik. 


2>ie So^ialreform in ^eutfchlanb im 3of)re 1898. 

„So fteril wie im lebten Sahre ift bie beutfehe So 3 ialreform 
fchon lange nicht mehr gewefen", hotte biefer Sage bie „Sraitf* 
furter 3 «itong" gefd)rieben, „nicht ein ein^igeö ihrer Spezialgebiete 
ift gepflegt worben, Anfang unb Auggang beg 3ol)reg fanben bie 
beutfdhe So 3 ialpolitif auf bemfelben fünfte — foweit pofitioeg 
Sd)affen in Betracht fommt". Sie amtlid)c „Serl. ilorrefp." will 
biefen Sorwurf uid)t gelten taffen; fic jählt ein langcg Segifter 
oon „Aufgaben" auf, „bie im oerflof|enen 3«hre ooi^uggweife 
burch bie Arbeiten beg $Reid)gamteg beg Sonern geförbe'rt unb 
thcilweife 3 uut Abfchluh gebrad)t worben finb," unb ift ber ftol^en 
Üeber 3 eugunq, bamit „bie oößige §altlofigfeit" ber «ritif beg 
Sranffurter Slatteg 3 U erweifen. Sehen wir ung biefe fiifte ein* 
mal an: 

ber üRoucfle 3111’ Snoalibcuocrfuhcniug ift eine ftattlidjc Acihc 
oon fünften oorgcfcl)cn, bic unmittelbar unb wcfcntlidj bie l'age ber 
Ser fid) orten künftiger gepalten. . . . Xic Abfidit, ber arbritenbcii Sc= 
nölferung biejenigen Sortljeilc 3U3uwenbeii, weldie iu ber isno bem 
iMeid)gtng oorgclegten, bainalg aber nidjt 311 0taitbe gefommenen Ao* 
uclle 311 ben Unfaüoerfidjeruiigggefepeu in Augfidjt geuoinmeii waren, 
befteljt and) beute nod). . . Xic Gube ist»? eiugeleitete Grbebnug über 
bic gewerbliche Ätinberarbeit ift im oerfloffcuen 3 obr 3ur Augfiihruug 
gelaugt. . . Sie mit ber Scfdjäftigung oerheiratheter Srauen in Sa= 
brifen 3ufamiuenl)äugenbeu a ragen follcu einer Grörterung untcr3ogeu 
werben. . . Sic Ginbringung eine* ©efel^ntwurfeg, weld/er eine Se'ffe* 
rung ber Arbeitgoerbältnilfe in ber «leiber* unb ©äfdjcFbnfeftion unb 
ben 0 d)iip ber Angeftellten in offenen ifnben oor Gefahren für ( 4 efuub* 
beit unb Sittlidjfeit be3wecft f ftebt beoor. . . Sie umfangreid)cn Ar* 
beiten 3itr Aeoifiou ber Smnaiuioorbmmg finb foweit geförbert, bah 
bic Augarbeituug einer auf arbciterfrcuub'lidjeiit Soben ftcbciiben Sor* 
läge uabe3ii abgcfdjloffcu ift... Gin Gntwurf 3ur ’ 9 Mil 3 branb* 
befäinpfung in ber Xbierbaaviubuftrte wirb ooraugfiditlid) in aller 
Miir3e 3111* Sefdjlufjfaffiuig gelangen... Gntwnrfe für Sbomagfdjlacfcii* 
ntüblen unb ^infbiitten werben benmäd)[t bem Snnbcgratb 3ngeben. 
Sorfdjriftcn für ©nmmifabrifen finb in Sorbercitung. . . 3 d)liehlid) 
wirb nod) ber Grbebnngen ber «ontmiffion für Arbciterflatifiif über 
bie Arbeitguerbältniffe in c^etreibemüblen fowic im Glafiwirtbggcwerbc 
gcbad)t. 

Sieg Aßeg finb So rb er ei tun gen unb glätte für bie 3u* 
fitnft, an beiten im 3al)rc 1898 gearbeitet worben ift, aber 31 t 
wirflid)eii Siahnahmen, 311 erfolgreichen Shateit ift big jept baoon 
itid)tg gebiehen. _ 3'nfofcrn bat bag fübbeutfdie Blatt leiber Acd)t, 
wenn eg bag oerfloffeue 3ol)r fteril an pofitioem Schaffen nennt. 
Aßcrbiiigg bat ber Bunbegratb ein paar Scrorbnungcn auf bem ©e* 
biete, beg Arbeiterfdwpeg erlaffen: bie 3i c gdeiocrorbituttg ift mit 
einigen, nicht burdjweg arbciterfreunblidjeii Seräiiberungcn verlängert 
worben, 3 m* Serbiitung oon Bleioergiftnugen in Affumulatoren* 
fabrifen ift eine Befaniitmadjuug erfolgt. Sag ift aber and) Alleg, 



Soziale ^rartS. Gcntralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 15. 


3S6 


3S5 


roaS oon AmtSroegen an pofitioen dßafenaljmen aufgegäfelt roirb. Unb 
felbft einDptimift roirb gugeben,bafe bieS ein ungemein mageres GrgeB* 
nife eines gangen langen F^hreS ift. Söenn jefet ein neuer Anlauf gur 
Fortführung ber ©ogiafreform genommen roirb, fo fann man fic^ 
ja über bie guten 5lbficf)ten freuen. GIeidferoohl ift einige 3 ur ücf* 
fealtung gerechtfertigt, benn es fommt hoch in erfter Lime auf bie 
Ausführung an. Senn g. V. bie Regierung oor groei Fahren feft 
geblieben roäre, fo roäre bie wichtige Rooede gur Unfadoerfidjerung 
jefet feit längerer 3eit fefjon in Kraft. Der ReicfeStagroar in feiner 
Mehrheit fief) über tiefen Gnirourf einig, aber bie Regierung liefe 
ihn faden, roeil fie oor bem aufeerparlamentarifchen Ginflufe grofe* 
inbitftrieder Fntereffen gurücfroid). 

Die amtliche Lifte ber s $läne aber hat auch eine Lücfe. Ver* 
aeffen finb bie Vorbereitungen für bie Aufteilung einer Streik 
ftatiftif nach poligeilidfeen unb frimineden Gefid)tSpunften, oer* 
geffen ift ber geheime ©treiferlafe beS ©taatSfefretärS, oer* 
aeffen ift bie Ausarbeitung beS GefefeentrourfeS gum Schüfe ber 
ArbeitSroidigen. Damit ift roofel inbireft gugeftanben, bafe biefe 
Sßläne nicht auf arbeiterfreunblicbem Voben ftefeen unb niä)t ber 
Fortführung ber ©ogialrefortn, fonbern ber Rcpreffion bienen. 
Die fleinen Vorfcferiften beS ArbeiterfcfeufeeS aber, bie ber VunbeS* 
rath 1898 erlaffen hat, faden fannt ins Gewicht, roeitn man ba* 
gegen hält, bafe ber VunbeSrath bie Vefd)lüffe beS Reichstages gu 
Gunften ber Arbeiterberufsoereine runbroeg abgelehnt hat. Unb 
hoch fteeft gerabe hierin im Augenblicf ber Kernpunft ber gangen 
©ogialpolittf. Dfene bie Grfüdung biefer gerechten Forberungen 
roerben ade Gingelmafenahmen, mögen fie an fidf) noch fo oerbienft* 
lieh unb nüfelich fein, ©tücfroerf bleiben, bas nur erfennen läfet, 
roie uitenblidj oiel noch auf bem Gebiete ber ©ogialrefortn geleitet 
roerben mufe. „©eines FleifeeS barf fidf) jeher rühmen," fagt 
Leffing; geroife, auch baS Reichsamt beS Fnnern mag bieS tl)un. 
Aber mit bem Fleife adein, mit (Erhebungen unb Gntroiirfen, mit 
Vorfäfeen unb Abfichten ift in ber harten Seit ber Dhatfadfeen Blut* 
wenig erreicht. Das Fahl' 1898 ift unb bleibt ein in ber ©ogial* 
politif beS beutfehen Reiches mit Unfruchtbarfeit gefcblageneS. ©od 
es 1899 beffer roerben, fo roerben ade Anhänger einer fräftigen 
unb gefunben ©ogialreform fich barüher aufrichtig freuen. Aber 
fie rooden enblicfe Dfeaten feheit, ber Sorte finb genug geroechfelt, unb 
fie glauben auch nicht au beit burefegreifenben Rufeen ber fleinen 
Mittel für bie Arbeiterroelt, fonbern fie oerlangen eine roirfliehe 
Dfeat: Die oolle Durchführung ber Koalitionsfreiheit! 

Die ©ogialreform nnb bie Rationalliberale Partei im Reichs« 
tage. Fn einem 52eitarüfel ber „Dentfdfeen Fnbuftriegeitung" 
(Fahrg. 18 Rr. 1) befpricht £>err §. A. Vuecf, ber Generalfefretär 
beS GentraloerbanbeS beutfeher Fnbuftrieder, bie ©ogialpolitif in 
ber erften Lefung beS ReicbSbauSfealtSetatS für 1899. Den mich* 
tigften s $Iafe nimmt in feinen Ausführungen bie (Erörterung beS 
fogialpolitifchen Programms ein, baS Abgeorbneter Vaffermann 
als Rebner ber nationalliberalcit Fraftion entroicfelt hat unb baS 
roir felbft in ber Rr. 12 ber „Sozialen ^ra^is" als baS Greignife 
ber Vubgetbebatte begcicfjuct haben. $err Vuecf, ber befanutlid) 
bis oor Kurgem ber nationalliberaleu Fraftion beS preufeifdjen 
AbgeorbnetenfeaufeS angehört h fl t, erfennt ebenfalls bie grofec 
Dragroeite biefer Kunbgebung au, inbetn er fdfereibi: 

„gn ber nationallibcralcu fraftion bcs Acidistages 
fiat fid) uiioerfenubar hinfidjtlidj ber f ogialpo litifcfecn 
fragen eine ftarfe ©djrocufitng oollgogcn. Diejenigen (Elemente 
ber Partei, bie burd; ihre genaue Äenntnife ber ArbciteruerijäUmffe unb 
ber Grunbbcbiitgungen für bas roirthfdjaftlidjc Gcbcihcu bie graftion 
bisher gu einer htafeuollcn Haftung oeranlafet hatten, jdieincu au bic 
SSatib gebrütft gu fein unb aitbcre Männer bie Rührung übernommen 
gu haben. (Es ift roohl augunehuicn, bafe biefe ©cferocufuug ber Partei 
oon bem Smtfdic biftirt mürben ift, fiel} hinfort mel)r auf bie SDZaffen 
gu fti'ifeen unb biefen bafeer, int Scttberoerb mit ben atiberen Parteien, 
möglicfejt oiel gu bieten. Die nationalliberale Partei hat gemifie Grunb* 
pringipiett, bie fie uidit verleugnen fann, loeuu fie fidi nidjt felbft gang* 
liefe aufgeben roid. (ES crfdjetnt grocifclhnft, ob es ihr, bei Aufredjfc 
erhaltuug biefer, gelingen roirb, bie ber rabifalcrcn Gejammthaltung 
ftets mehr gugencigtcu Ruiffen burdj ihre rabifalc Haltung in ber ©o= 
gialpolttif au fid) gu gicfeeit. Riefet gu begmcifeln biirfte cS aber fein, 
bafe bic natiouaüibernle fraftion burd) biefe Haltung roeiterc .Streife 
ifercr bisherigen Anhänger abftofeen roirb, biejeuigeti .Streife, bie in ber 
ungeftort ’fortfdireitcnbeit Arbeit, in ber müglidift auSgebefenten unb gu* 
nefemeuben 6)ntcrcrgeuguug eine ber roefentlidjficn Wruiiblagcn beS 
roirthfdfeaftltdjcn C^cbcihens, bcs S^ohlergehcuS ber Arbeitnehmer roie 
ber Arbeitgeber, ttub bamit unferes gefanunteu ©taatsrocfeiis erfauut 
feabcu. Dodi bic Partei hat über ihr ©djirffal felbft gu oerfiigeit." 

Die alfo oerroarttten Rationallibcralcn roerben biefe Venter* 
fungen fdferoerlidh ftidfcfetoeigettb cinftecfen. VMr hoffen, bafe bie 
Antroort ebenfo ettifefeieben toie bie Rebe beS Abgeorbueten Vaffer* 


mann bahin lauten roirb, eine burdfegreifenbe ©ogialrcfortn liege 
gleidfeermafeen im Rufeen beS gefammten VaterlanbeS roie im roaferett 
Rufeen ber Fnbuftrie, unb bie oon £>errn Vuecf oertretene Anficfet, 
bie er als ©eneralfefretär eines VerbanbeS ber ©rofeiubuftrie ja 
auSfpredfeen mufe, fei eben nichts weiter als bie Verfünbiguug ein* 
feitigfter Unternehmerintereffen, für bie eine bem iBofele beS ©äugen 
bienenbe Partei fidf) nicht einfpannen laffen fann. Dem ©inne 
nadfe fefer beutlidfe, roettn auch oerbinblidfe in ber Form, erflärt bieS 
jefet fdfeon bie „Rat.*3l9-"/ wenn fte fdfereibt (Rr. 12): 

Cfeae „Waffen" fann mau roofel in Unterttchnter*Verbänben Vefdjliiffe 
faffen, aber uidit bei ben SSahlen (Erfolge erlangen unb bafeer auefe ntefet 
auf bie ©efefegehnitg (Einflufe auSübeu. SSill bic Fnbuftrie, roill bcrjctiige 
Dfeeil berfelheii, roelcfeer im (Ecutralucrbanb beutfefeer Fubuftrieder oertrctcu 
tft, auf bic Vetheiliguug an ber politif Vcrgidjt (elften? Docfe roohl faunt. 
sfeenttaber uidit, bann muffen bie Unternehmer ftd) flarbariiber roerb.n, bafe 
eine ^olttif, roeldie ausfchliefelicfe llnternehmer*Fntereffeu, 
unb roärett es bie bcredjtigtften, roahruehntcit roollte, in einem 
Saitbc mit allgemeinem 0 tint nt re djt burcfeauS unmöglich roäre, 
©ie muffen fid) alfo einer politif anfcfeliefecn ober, roenn fie bisher 
fefeott biefe uuterftüfeten, bei einer ^oliiif ausfearrert, tocldje im Rafemcn 
ber allgemeinen nationalen Fntercffen bie ungrocifelfeaft überaus roidjtigen 
unb berechtigten ber(fU*ofeiubuftrie roafert... 3a beit allgemeinen nationalen 
Fntereffcn aber gehört aud) bic admäligc (Einorbnuttg ber Arbeiter* 
Bewegung in bas Ringen glcicfebcreditigter gaftoren auf gefefeHcfecm 
©oben um bic Ausgeftaltung bei* ftaatlicfeen (Einrid)tungen . . . (Eine 
berartige politif biirfte oon bem (üebaufen ausgefeen, bafe gerabe aus 
einer politifefeen Auffaffuug, roeldje bie Rothroenbigfeit unb Rüfelicfefcit 
ber heutigen gönnen beS (i)rofebctriebS auerfeunt unb gegen rüctfdferitt« 
lid;e Veftrebungen oertritt, fid) ber Antrieb gitr Rcrbefferung ber 
Lebenslage ber roeiteu Rolfsfreifc ergeben mufe, bie biefem 
Orofebetrieb bienen unb ifen crntöglidjcn. 

Sefleaentttg auSlünbifcher Arbeiter tu Ftettfräd). Der fran* 
göftfehen Depuhrtenfammer liegen oerfdfeiebene Anträge, betreffenb 
bie Vefteuerttng auSlänbifcfeer Arbeiter in Franfreich oor. Der 
Antrag §oIfe forbert eine Kopffteuer oon 52 begro. 72 FrcS. im 
Fahr für jeben auSlänbifcfecn Arbeiter, je uaefebem ob er in einer 
©tabt oon lOOOOO (Einwohnern ober bariiber befdfeäftigt ift; bie 
3afelung ber ©teuer obliegt bem Unternehmer, hoch fann fie 
auf Verlangen einer Olemeinbe für ihr ©tabtgebiet zeitweilig auf* 
gehoben roerben, was oorgugSroeife 'fiir bie (Erntearbeiten im Rorben 
unb Dften FronfreicfeS gelten fod. — Der Antrag Rtagniaube 
forbert, bafe jeher Arbeitgeber, ber AuSlänber befdjäftigt, fei es im 
£>anbel, Fnbuftrie ober Öanbroirthfdfeaft ober fonftroie, pro Dag 
unb Kopf ber befdfeäftigten AuSlänber 50 Centimes gu gafelen hat; 
bie einlaufenben Veträge foden ber frangöfifcfeen AlterSoerforgungS* 
faffe gufliefeen. — Der Antrag Vrice & GhapuiS roid bie ©teuer 
ben Arbeitern felbft auferlegen unb groar in ber .frohe oon 5 FrcS. 
monatlich für Riänner unb oon 2 FrcS. für Frauen, bod) 
wären bie Arbeitgeber für bie Ginbringung ber ©teuer haftbar. — 
Der Antrag Gontant roid ©teueriiberroälgutigen baburefe oerhüten, 
bafe ber Arbeitgeber gegtoungen fein fod, bem AuSlänber ben 
gleichen Lohn roie ben nationalen Arbeitern gu gaf)len unb groar auf 
Ürunb ber oon ben ©tjnbifaten feftgefefeten Darifc; überbieS bürfe 
fein Unternehmer mehr als 10% auslänbifche Arbeiter Befehäftigen. 

Gin „Musee social“ in ben Rieberlanben. Aus Amfterbam 
roirb uns gefefeneben: Die grofeartige Stiftung beS (Grafen oon 
Ghambrun in VariS hal in ben Rieberlanben Radfefolge gefunben. 
Rad) einem Aufruf oon Di. F- Gringarb in Delft famcit 
in ber oergangenen V^odfee in Utred)t mehr als fedfegig s ^erfoneit 
gufainmen, um einen Verein gu ftifteu. Gs waren Vertreter ooit 
Vereinen unb Vrroatperfonen anroefenb, Riitglieber oder politi* 
fchen Parteien, oom fatholifcfeen (EJeiftlicfeen bis gum ©ogial* 
bemofraten. Der neue Verein roirb alfo politifcfe gang neutral 
fein, ©ein Ginfommen roirb aus ben regelmäfeigett unb ben frei* 
willigen Veiträgen ber Rlitglicber, foroie aus ben fronoraren für 
©utadfeten fliefeen. V3ie baS „Musee social“ in $ariS h fl l ber 
Verein ein breifacfeeS 3^ 1- Febern, ber Riafenafenten gur Ver* 
befferung ber Lage ber Arbeiter treffen roid, unb ben Arbeitern 
felbft Gutachten gu geben, bie oon bem in Amfterbam unter ber 
Leitung eines Befolbeten ©efretärS gu erridfetenben Vureau, oon 
bem Vorjitanb beS Vereins ober ben oon biPfetn beigegogenen 
©ad)oerftänbigen ausgearbeitet roerben; 2. ©ogiale unb ö!onomifd)e 
llnterfudfeungen gu oeröffentlicfeen unb 3. eine öffentliche fogial* 
roiffeufchaftlicfec Vibliotfeef gu ftiften, bie noch nirgenbs iit .fSoüaub 
in geuügcnber Söeife befteht. Diefe 3id e b a * bie Verfammluug in 
lltrecfet bereits feftgeftedt. Um bie ©tatuteu feftgufteden, ift eine 
Kommiffion ernannt, in bie aud) ein Klerifalcr unb ein ©ogial* 
bemofrat geroäfelt finb. Später roirb eine groeite Verfammlnug 
ftattfinben unb bann roirb ber Verein feine Arbeit beginnen. 


3*7 


Soziale $ra£tS- Ecntralblatt für Sozialpolitik 9?r. 15. 


388 


ftommmtale Sozialpolitik. 


2)ie ftäbrtfdje VerftdjernngSfaffe gqjen ArbeitSfoftgfcit in Äöln 
uttb ba$ (GetotrffdjaftSfartett. 3 m Aufrufe an ben ftäbtifdjert 
ArbeitSnadjtueiS errichtete im 3af)re 1896 bie Stabt $öln a./Alj- 
eine VerficherungSfaffe gegen Arbeüslofigfeit, roeldjer jeher Arbeiter 
nach zweijährigem Aufenthalte in ber Stabt beitreten fonute. 3 U 
bem (GrunbfonbS fteuerte bie Stabt $öln 25 000 ( // bei; aus 
prioaien Mitteln mürbe eine ftattliche Summe aufgebracht. 2>ie 
finanzielle (Grunblage biefer „ftabt*fölnifd)en VerficherungSfaffe gegen 
ArbeitSlofigfeit" mar fomit gefiebert, unb bur<h ben Anfdjlug an 
ben ftäbtifd)en ArbeitSnadjroeiS mürben bie Einrichtung#* unb Ver* 
roaltungSfoften fehr geringe, Brögbern ftanben bie Arbeiter bis 
oor kurzem biefer $affe mit SRifctrauen gegenüber, meil fie burch 
bas Statut oon ber Vtitteitung ber klaffe auSgefdjloffen roarett unb 
burd) bie Verquicfung ber VerficherungSfaffe mit bem ArbeitS* 
nachmeiS bie Vefürdjtung h e Qten, bafe ArbeitSlofe als Streifbrecher 
herangezogen merben fönnten. 2 )ie 9)2itglieberzahl blieb in Jolge 
beffen in ben erften beiben (Gefihäftsjaljren eine geringe. 2>a ent* 
fchlofe fich bie Stabt $öln zu einem neuen Statut, beffen leitenber 
(Gebanfe ber mar, ben Arbeitern unb Vetfidjerten entgegenzufommen. 
2)er Inhalt biefeS neuen Statutes, baS am 9. Vcärz 1898 oon 
ber Regierung beftätigt mürbe, ift f. 3t- in ber „Sozialen VrajiS" 
mitgetheilt roorben (oergl. 3al)rg. VII Sp. 658). $un befc|lof$ 
auch &aS (GeroerffchaftSfarteß in Üöln feinen Beitritt znr $affe. 

8erürfp#flgung Äfetngefoerbtrei&enber bei ftäbtifdjen Sub* 
mifftonen in JJranffurt a. 2W. Vei ben ftäbtifchen Veroingungen 
in jranffnrt a.9J2. fotten fünftig burch 3^Iegung bazu geeigneter Auf* 
träge, Erleichterung unb Verbilligung ber Veroerbung, jortfaß ber 
Kaution bei fleineren Aufträgen, oertragSmä&ige Vetheiligung 
Heiner bur<h größere Unternehmer, bie Hcinen (Geroerbetreibenben 
mehr betheiligt merben. 9Kit bem (Grunbfafc beS 3 u fd)lageS an 
ben ßJHnbeftforbernben fott gebrochen, bei jreihanboergebungen ein 
gcroiffer Turnus ber eingefeffenen gianbrocrfer roie in einigen 
anberen Stabten beliebt merben. Statt ber Sfonocntionalftrafe foß 
bei Verfpätung nur ber mirfliche Schaben gebüßt merben. 3n bie 
Vebingni&beftc merben Älaufelit über bie Haftung für gefchulbete 
Löhne unb VerfidjerungSprämien aufgenommen. 2üe Streitigfeiten 
merben fchiebSgerid)tli<h ausgetragen. 

Siäbttfdje Söcrfftätteu für ArBeiteriMmliben in $ariS. 2 )er 
(Generalratl) beS Seinebepartements befchloffen, in einem ar* 
beiterreichen Stabtoiertel eine Sßerfftätte 311 errichten, in benen oer* 
nnglücfte Arbeiter mit befd)ränfter LeiftungSfähigfeit (Gelegenheit 
Zu einem ihren Kräften entfpredjenben Verbienfte finben foßen. ES 
hanbelt fich herbei um ben erften Stritt znr Ausführung eines 
großen planes (fiehe „Soziale $ra£iS" Wr. 1 Spalte 10 b. 3-)- 
2 )er in bem zn errichtenben Etabliffement gemährte Sohn mirb im 
VJinimum 1,25 3?rcS. betragen. 

Stäbtifdje SRiScetteit. 2ic Amuenbuug ber (Gruubfäbc zur Sidjcr* 
ftclliuig ber Veantten auf bie [täbtifdjen Arbeiter macht weitere gort* 
•fdjrittc. git Stainz hat bie Sonberfonmtiffion für Ausarbeitung einer 
Arbeiterfiirforgc ber Viirgermcifterei einen Entwurf unterbreitet, rooitadj 
ben bei ber Stabt befd)äftigtcu ftänbigcu Arbeitern bei 2icufnmtauglid)* 
feit nad) zehnjähriger Xienftzcit ein 9ted)t auf 20 % beS lebten burcbfqiiiitt* 
liehen Xicufteiufominciis gemährt merben, jährlid) fteigenb um 1 % 
bis zum £>ücbftbetrag non 40 %, jebod) miubefteus 240 .//. 2ie 2Gitt* 
menpenfiou foü 25 u /o bes ^icufteinfcnnmcnS bes 9)?amieS, jebodj min* 
bcftcnS 180 unb bas 9s5aifengelb füll 10 % bis zum uollcnbcten 
16. Lebensjahre betragen. 2er SSorfdjIag ift aut 80. Xezember uon ben 
3tabtuerorbnetenangenommen morben. (Sin ähnliches Statut(ugl.3p.222) 
ift in S\ arlsruhc am 14.2ezember mit grofjerSliehrbeit befchloffen morben. 
— in Verliit ift auch in (iharlottenburg bie Ausbehnung ber 
Mranfeitucrfidierung auf bie in Zfommunalbienften befdjäftigten 
^erfonen befchloffen. — 2ie Einführung ber Stabtuerorbnetenmahlen 
nad) Verufsflaffen (ugl. 9?r. 11 Sp. 277) in Ehcmuip ift uon ber 
fäd)fifd)cn Regierung genehmigt. — $u $renzlau ift ber praf* 
tifd)e Arzt Dr.Aiemer zum ftonigtidicn CrtSfdjuüufpeftor (Sdjnlarzt) 
für bie bortige fatholifchc Sdjule ernannt morben. — ^it ^-rei* 
berg in Sachfen mirb uont .sireisuerein zu Xrcsben eine lanb* 
mirtl)-fd)aftlid)c .^aushaltnngsfdfiile gegriinbet. Ein Xheil ber 
Mittel mirb burd) eine Anleihe uon looijo Jt befdiafft. — OJcgcu bie 
Einführung bcs .&aushaltungSuntcrridjts in ben E hnrlottcn* 
bürg er Volts^bcäbdfeufdfulen hatten bie Sleftorcn eine Petition beim 
^linifter cingercidit. Aad) einer Zeitteilung in ber Stabtucrorbnctcn* 
uerfammlung uom 21. Dezember fmt aber bie Regierung bieje Vebetifen 
nidjt getheiit. --- ’jnni Spielplap für Miuber hat ber SKagiftrat 
bcrfclben Stabt einen Sdnilhof freigegeben. 9Kan nimmt an, bap halb 
bie Freigabe meitercr geeigneter Sdiulhofc für ben gleidjen 3metf er* 
folgen mirb. — 3 l, r uorläufigen Zegelnng ber ZZüllabfubr nnb .fSer= 
beiführnng einer bnlbigen enbgiltigen Entfcbeibnng über bie >srage ber 


SKüübefeitigung forbert ber Verltitcr SKagiftrat einen Ärebit uon 
100 000 JL 2ic grage ift burch bie neuerliche SRegterungSüerfiigung 
über baS Ablaben uon berliner SWitll außerhalb beS berliner 5Beich= 
bilbeS brennenb getuorben. — 2ie Hamburger Vürgcrfdjaft hat eilten 
Antrag auf Einführung einer Umfafcfteuer für Söaarenhäufer unb 
.^onfumuereiite abgelehnt. 2ie Stabt 2re§ben miß megeti ber erhöhten 
LebenSmittclprcife unb 5D2iethen ben inualibcit unb älteren ftäbtifchen 
Arbeitern einen bauentben 3uf<h ,l 6 S« ber Alters* unb gnualiben* 
reute zahlen. — AuS Z?ainz unb 9)2au 11 ljeint mirb baS gort* 
fdjrciten ber gürforge für [täbtifdje ütualibe unb alte Arbeiter ge* 
melbct. — 2ic itaffelcr Stabtuerorbueten ftimmteu am 6. gauuar ber 
Erridftmtg einer ftäbtifchen ArbeitSnadhmeiSfteßc auf ftäbtifdic Äofteit zu. 

— 2ic gentifdftc Momntiffion, bie tu öalle bie Errichtung eines 
Eleftrizitätsmerfes uorberäth, eutfehieb fich am 31. 2czcniber ßir ben 
Vau unb Vetrieb in ftäbtifcher 91egie. — 2ie iit Veuthen 6c* 
frfjloffene SBaareuhauSfonberfteuer fanb bie minifterieße (Genehmigung. 

— gn ZJühlhaufen i. 2h- mürbe ber Antrag auf AnfteUimg uon 
Sdjulärzteu uon ben Stabtuerorbueten am 4. gannar abgclehnt. 
Vei ber ftarfeit gnbuftriebeuölferung unb reidjlidjcr Miuberarbeit bafelbft 
ift ber Vefdfluft hoppelt bcbaueruSmerth. 

Stäbtifdje SWinbeftlühne in Belgien. 2)er Vrüffeler Elemeinbe* 
rath hat für bie Vergebung ftäbtifcher Arbeiten im 3ah*e 1899 
baS bereits im Vorjahre geltenbc Arbeiterfchuhreglement ange* 
nommen unb bie zu z a hi en hen 9)2inbeftlöhne in gleicher £)öh e fifirt, 
nachbent bagegen meber feitenS ber Unternehmer* nod) ber Arbeiter* 
fpnbifate eine Weflamation beim (Gemeiuberathe eingelaufen ift. — 
SDie fozialiftifche ©ruppe beS (GemeinberatheS oon ©ent hat einen 
Antrag eingebracht, z^eefs Erhöhung ber ßßinbeftlöhne ber 
ftäbtif^en Arbeiter, foroeit jene niebriger finb, bis auf 3 grancS 
für ben 2ag unb einer lOprozentigen Steigerung ber 3 tüifcf)en 3 
unb 4 Spanes fich beroegenben Sohnfähe. 


^beUgebemerbanke. 

SlTheitgebernerbanb $am(nrg*A(tona. ®cr 3 ahrcsbcrid)t für 
1898 beginnt mit ber Vemerfung, auch 1898 fei baS Ermerbslebeu 
§amburg*AltonaS nicht oon Störungen burd) Streifs ober Vop* 
fottS oerfchont geblieben. Es mirb ba z un üchft bie AuSftanöS* 
beroegung im |)olzgeroerbe genannt. 2>er AuSgangSpunft mar ein 
oon Der "Xifcfflerimiung gefaxter Vefd)luh, prooiforifd) bie neun* 
ftänbige Arbeitszeit einznfiihren. 2)er Arbcitgeberoerbanb aber 
bemog bie Snnung, biefen „ruinöfen" Entfchluh micber aufzuheben. 
2 )er Väderftreif mirb lebiglid) auf fozialbcmofratifche Agitation 
Zuriidgeführt: „nach einigem ^ßuften unb Jauchen gelang es, bie 
Jlamnte ber Unzufriebenheit ein roenig anzufa^en." 2)er Arbeit* 
geberoerbanb, nach Anficht (GemerffdjaftSfarteß unb Sozial* 

bemofratie zufanimengehören „mie Stic!* unb Sauerftoff in ber 
£uft", trat für baS bebrohte Väcferhaubraerf ein. Vefanntlich 
haben fich bei biefem AuSftanb beibe Parteien ben Sieg zugefd)ricben. 
„ 3 n mehreren Jäßen" — h e ifei & meiier — „fonnten bie ohne 
Anbrohung oon Streifs gefteßten Jorberungcn auf Lohnerhöhung 
Zum 2heil bemilligt merben." Uebcr ben ArbeiiSnadjroeiS mirb 
efagt: „2)ie oielfad) unberechtigten Strcifbemegungen beS oer* 
offenen Saf^S zeigen u. A., mie begrünbet unb zeitgemäß bie Veftre* 
bungen beS VcrbanbeS finb, ben ArbeitSnachmciS Den Arbeitgebern 
Zu erhalten ober zu erobern unb bamit neben anberen Vortheilen 
einer planooß geleiteten ArbeitSoennittelung möglichft iiberaß ein 
mirffaineS Abmehrmittel gegen nnbered)tigte Streifs roie gegen ben 
VUftbraud) beS ^oalitionSrechteS zu fchaffeit". V?ie man fid) er* 
innert, ift bie Leipziger Arbeitsnadjmeisfonferenz auch oon .f^arn* 
bürg aus angeregt roorben: „9Bahrlidj ein Ergebnis oon meiiefter 
Vebeuiung," ruft ber 3ahreSbcrid)t AngcfiditS biefer Konferenz aus. 
2>ie EntmicfelungSauSfichten beS VerbanbeS, bem z we i ueue Ver* 
eine beigetreten finb, merben als burchauS günftig bezeichnet. — 
2)ie „gefunben Hamburger gbeen", für bie ber Arbcitgeberoerbanb 
roirfen miß, finb nichts meiter als bie V r °Hamirung einer geroerb* 
liehen Jeubalität, bie bie gefehlte (Gleichberechtigung oon Unter* 
nehmer nnb Arbeiter im ArbeitSoertragc in ber $rajiS rücfFjaltlo^ 
oermirft. 

Vereinbarungen ber bcutf^cn ftammgarnfpinncr« 2>ie oer* 
einigten ^ammgarufpinuer haben ihrer gefammteu Äunbfdjaft ein 
Vunbfdireiben mitgetheilt, roonach ber fid) oerfd)lechternbc (Gefd)äftS* 
gang fie beftimmt, eine Eiitfdjränfitng ber Erzeugung um 20%, 
Zunädjft bis Enbc guni 1899 oorzunel)inen. Jür Abfchliiffe gelten als 
! äufzerfte Abnahntcfrift, foferu eine fiirzero nid)t oereinbari mürbe, 

1 fcdjS Vionatc bei rohmcifecu, smölf Monate bei bunten (Garnen. 

| Jur jebcit halben Zi'onat fpätcrer als nrfpriiuglid) oereinbarler 
I Abnahme mirb bem Abnehmer % % 3iufen beredniet. 



380 


©oginle ©raris. Gentralblatt für ©ogialpoliitf. Ar. 15. 


300 


SoguifywfiHfihe ©eftrebungen bet ©arifer ©auunlernehmcr. 

Ter erfolgreiche AuSftanb ber Erbarbeiter im Dftober lebten gahreS 
hat bic Unternehmer beS ©arifer ©augewerbeS gxir ©eranftaltung 
eines Kongreßes angeregt, ber fürglich ftattfanb. Es ^errfd^te ein 
unerwartet reger fogialpolitifd)er ©eift in ben ©erhatiblungeit. ©Jan 
berieth außer ben oerfdjiebenen ©laßnahmen gitr Nahrung ber 
gntereffen gegenüber ben Auftraggebern, namentlich ben öffentlichen 
©ehörben, ^auptfädhlid) über bie ©effergcftaltung ber ©egiehungen 
gu ben Arbeitern, ©o roiinfeht man, baß bie Uttternehmeroereme 
©littel finben mögen, um in llebereinftimmung mit ben ©ewerf* 
fdjaften bic AuSftänbe gu oermeiben. Tie grage ber ©ewinnbethei* 
tigung ber Arbeiter in ©erbinbung mit ©ettfioitS* unb Kranfenfaffen 
fou genauer ftnbirt werben. Tie Unternehmeroereine foHen ferner 
fich beim gnfrafttreten beS neuen Unfafluerfid)eruiigSgefebe§ als 
SöerufSgenoffenfchaft organifiren, in ©erbinbung mit ben ©emeinben 
unb ©ewerf f(haften bie berufsmäßige AuSbilbung ber Arbeiter oer* 
ooHfommnen, fich über bie allmälige Einführung ber ©onntagS* 
ruße oerftänbigen, um bereu gefeßliihe Einführung überflüffig gu 
machen. Ter Kongreß, ber erfte feiner Art unb nur bie ©arifer 
Region umfaffenb, wirb im nächfien gahr erneuert werben unb 
ft<h 1900 gu einem nationalen erweitern. 


Xlrbeitarbetnesttitg. 

©tu allgemeiner ©Sefrerftreif tu Krcfelb wirb in einer längeren 
3ufdjrift aus Krefelb an beit „Vorwärts" für ben 16. b. ©I. fig* 
nalifirt. Unter ben Arbeitern herrfche Einftimmigfeit barüber, baß 
burch bie oon ben ©ammtfabrifanien ohne 3 ll S' e ^ung ber Arbeiter 
aufgefteÜte einheitliche fiohnlifte bie Arbeiter, befonberS bie beffer 
begabten, erhebliche &ohnetnbiißen (15—20%) erleiben würben. 
Eine ©erftänbigung würbe fich 3 löac vielleicht ltod) ergielen laffen, 
wenn bie gabrifanien aemeinfchaftlicb mit ben Arbeitern eine anbere 
fiohnlifte aufftellen wollten; aber attfcfjeinenb fomme es ben Unter* 
nehmern auf eine Kraftprobe unb auf einen ©orftoß gegen bie 
mißliebigen Arbeitcrorganifationen an. ©kttn es ben Krefelber 
Arbeitern nicht an ber nötigen Unterftüßnng feitenS ber gefammten 
beutfd)en Arbeiterfchaft fehle, hoffen fie gu jiegen. Ta burch einen 
©treif ober eine AuSfperrung ber ©ammtmeber auch anbere Ar* 
beiterfategorien in ©litleibenßhaft gegogen würben, würbe bie 3ahl 
ber feiemben Arbeiter in einigen s Bodf)en halb auf 7—8000 an* 
wachfen. ©oit anberer ©eite, befonberS oon ben ©littelSperfonen, 
bic in bem leßten Krefelber ©toffweberftreif oermittelten, wirb 
weniger optimiftifch gcurtheilt. ®iefe oerweifen auf bie ben Ar* 
beitem wenig günftige ©efchäftsfonjunftur unb auf bie großen 
©orräthe ber gabrifanten. Tie organifirten <hriftlid) s fogialen 
Textilarbeiter finb gwar auch gegen bie neue ßoßnlifie, wiinfehen 
aber friebliche ^Beilegung beS ©treiteS burch eine gemifchte Korn* 
miffion, gegen bie fich aber bisher bie Unternehmcrfoalition fträubt. 
Am 8. b. ©I. befchloß eine oon 2000 ©erfonen, Gebern, Bürgern, 
Arbeitern, bcfuchte ©crfammlung, bas ©emerbegerid)t als EinigungS* 
amt in bem ßoßnftreite angurufett. Taitad) fcheint hoch noch ritt 
frieblicher Ausgleich möglich- 

Ter beutfehe ©auarbeiterfongreß, ben bie in Hamburg bomi* 
cilirenbe Kommiffton für ©auarbeiterfd)uß einbernft, fott am 20. 
unb 21. ©lärg b. gS. in Berlin ftattfinben. Tic TageSorbnung 
ift wie folgt feftgefeßt: 1. Ter ©außhwinbel, baS ©ubmiffionS* 
wefen, ihre Urfachen unb SBirfungen. 2. Tie Unfallgefahr unb 
©lißftänbe in fanitärer ©egießung im ©augemerbe. 3. Anträge. — 
Tie Kongreßbelegirten foieit in öffentlichen ©erfautmlungeu ge* 
wählt werben unb gwar als Vertreter ber Angehörigen eines ©e* 
rufeS ober ber gefammten ©auarbetterfdjaft eines DrteS, niemals 
als Vertreter irgenb eines ©ereinS. 

©rotefi fatljolifdjer Arbeitervereine tu Serlin gegen Serfdjar* 
fug ber ©eftrafnug von ©treifvergeßen. Eine ©erfamntlnng ber 
fatholifchen ^Berliner Arbeitervereine nahm in Anwefenheit ber 
ReicßStagSabgeorbneten £>ille unb ©<hmibt *2Sarburg folgenbe 
Refolutioit an: 

„Tie ©erfammlung erfrört fich gegen bie in Aiisftdjt geftcllte ©er* 
fdjärfung oon ©trafen für fogeuanntc ©treifoergeben. ^nsbefonbere ift 
bie Anmcnbimg ber entebrenben ^uddhausftrafc entfdjicbeu gnriicfgu* 
weifen, weil bäburrf) bic ftk'griifnße unter beit Arbeitern oerfdiärft unb 
eines ber wid)tigften Oted)tc bcs Golfes, bic Koalitionsfreiheit, beben* 
tungslos würbe. Tcsljnlb erwarten bie organifirten chriftlidjen Arbeiter 
oou aßen Abgeorbneten beS Teutfdjen Aeichstages, weldie auf bem 
Aobert ber djriftlidien fogialeu Acform fieben, eine entfdiiebene Ableb* 
nung jeber 'Bcfdiränfnug ber beftebenbeu Aedjte bes arbeitenben Aolfe?." 

Ttr ^lan einer Sföberation ber Trabe Unions, ber in einem 
©pegialfongreß am 21. Januar in s Wanchefter beratheu werben foll, 


begegnet in ben Greifen ber alten, großen EJemerffdjaften ftarfen 
©ebenfen. Ter „Trabe Unionift" (Ar. 4) hat einige ©encralfefretäre 
um ihre Anfichten befragt. Ta ift gunächft .Jierr Aobert Knight, 
feit 28 Sahren Ebeneralfefretär beS mnb 44 000 Acitglieber gähien* 
ben ©ereinS ber Keffeltnacher; er ift ©orfißenber beS befonberen 
AuSfchuffeS für ben ©ereinigungSplan, aber er ift nicht befonberS 
fanguinifch in feinen Erwartungen: „Tie befte SKethobe ber $öbe* 
ratton ift bie ©erbinbung ber Arbeiter oerwanbter (bewerbe gu 
einer (Gruppe," wie bieS $. ©. im ©chiffSbau unb im ©tafchinen* 
bau ber 5att ift. Auch bie ©rünbung beS UntemehmeroerbanbeS 
fann ihn nid)t baoon übergeugen, baß nun färnrntlidje ©ewer!* 
fchaften in einer einheitlichen Aiefenorganifation gufammengefaßt 
werben müffen: 

„HReinc eigene Erfahrung, fo erflörtc er, geht bahin, baß bie Sftehr* 
gahl ber Arbeitgeber nach Aed)t unb ©illigfeit mit ihren Arbeitern 
haubein wollen. Tic ©elbftfud)t beS eingelnen Unternehmers hier unb 
bort ift bie Urfachc ber weiften Reibereien, ^d) habe aber lieber mit 
einem ftarfen Uuternehmcroerbanb gu thun als mit bem eingelnen Arbeit* 
geber, weit in einem ©erbanb ber Egoismus bes Eingelnen feinen ^lap 
Ijat. ... Tie wahren ^reimbe ber ®ewerffd)afteu wiffen, baß Atanches 
oon ben SDritgliebcrn gcthait wirb, was nicht gu billigen ift. deines 
Erachtens muß bas ©ewußtfciit, einer ftarfen Drganifation bes Kapitals 
gegeniibergufteben, einen wohlthätigen Einfluß auf bie unoorfichtigen 
©(itglieber ausüben. SKas bie Unternehmer betrifft, fo ift ber Eewintt 
für fie enorm. Eine ©ereinigung fdjüßt gute Arbeitgeber gegen ©elbft* 
fud)t unb Kurgfidjtigfeit ber fdiled)teu, mit Venen-ße gu fonfurriren haben, 
unb bie ©Urfuttg ift eine größere ©tetigfeit im ©efdiäft. Ein Arbeit* 
geber oom Tijne fagte fiirgiid; gu mir: §err Knight, wir müffen ben 
Trabe Unions banfbar fein, ©ie haben uns gelehrt, wie man ftd) 
organiftren muß. — Trabe UnionS finb meines EradjtenS ebenfo noth s 
wenbig unb werthooß für bie Unternehmer wie für bie Arbeiter." 

Ter ®eneral[efretär ber ©ereinigten ©efellfchaft ber 3i m mer* 
leuie, §err 5. Ehanbler, meint, man fömie bie ©emühungen für 
bie göberation füglich als ein ©flügeit im ©anbe begeidjiten. Aach 
feiner ©Meinung ift baS ©erlangen nach einem nationalen ©erbanb 
ein 3ei<hen beS ©Mangels wirffamer Drganifation in ben ©ewerben, 
bie am fiauteften bauach riefen. Tie großen Tejtil* unb ©erg* 
arbeitergewerffdjaften, bie oorgüglich organifirt finb, geigten feinerlei 
Eifer. TieS wirb betätigt burch Aeußerungen oon |)emt ©3. ©trafer 
oon ben AorthnuiberIanb*©crglenteu: Efje wir btc Trabe UnionS 
in einem ©erbanbe oereinigen, müffen wir bie Arbeiter ber eingelnen 
©ewerbe fantmeln. Tie am Ungeftümften nach ber Söbcration 
oerlangen, finb bie ©d)mä<hften, weil fte feine Drganifation in 
ihren eigenen Reihen haben. „Eine göberation als Kampfmacht 
würbe nichts taugen; wir fönnten nie bie ©Uttel, bie Drganifation 
unb bie TiSgiplin aufbringen, um ben ©kttfampf mit ber ©lacht 
gu wagen, bie man gegen uns ins Treffen führen würbe." Er ift 
ebenfo wie Knight ein Anhänger beS „gewerblichen griebenS", ob* 
wohl, ober beffer: weil fie giihrer mad)toolIer ©ewerfoereine finb. 
biefen Streifen, in beiten ber alte Trabe*UnioniStnuS fräftia lebt, ftrebt 
man nach Kräftigung ber eingelnen Arbeiteroereine unb ©erbinbung 
ber ©ewerffdjaften oerwanbter ©ewerbe, wie bieS unläitgft in biefen 
©lättern (3al;rg. VIII ©p. 86) auch °on |>errn g. 2Ö. ©alton 
nachbrüdflich oertreten worben ift, unb hält ben ©ebanfen einer 
göberatiou aller Trabe UnionS für eine Utopie ober eine ©efahr. 
©lau fann gefpannt fein, ob biefe Richtung ber Arbeiterbewegung 
auf bem unmittelbar beoorftehenben Kongreß oon ©?ancf)efter ben 
©ieg baoontragen wirb. 

©itt Kongreß ber ©tvifarbetter VeS SRtHtäreqnippemetitS in 
granfreid) fanb fürgliih in ©ariS ftatt. ©ertreten waren burch 
24 Telegirte alle bebeutenberen ©efchäftScentrcn unb bie brei §aupt* 
brauchen bcS ©ewerbeS: ©efleibnng, gußbefleibung unb ©attlerei. 
Tie TagcSorbnung beS KongreffeS umfaßte folgenbe ©unfte: 
1. ©Icidjtnäßigere ©erthcilung ber Aufträge an bie Eioilntanu* 
fafturen; 2. ©ereinheitlichmtg ber Tarife für baS gange £anb auf 
ber ©afiS bes ©linimaltarifs oon ©aris; 3. ©erbot ber ©etheili* 
gung ber RcgimentSwerfftätlen an ben ©ubmiffionen; 4. ©efeiti* 
gung ber ©lafcftinenarbeit in ben ©chuhmanufafturen. — ©kS bic 
gleidhmäßigere ©ertheilung ber Aufträge betrifft, fo flicht man gu 
erreichen, baß jebeS AnueeforpS feinen ©ebarf in feiner eigenen 
Region beeft unb fo bie lofale gnbuftrie förbert. — Tie ©ercinfjeit* 
lichung ber Tarife forbert man, weil unter bem beftchenbcn ©nfteuic 
ber freien Konfurreitg ber Unternehmer bei beit ©ubmiffionen ber 
Arbeitslohn mehr unb mehr erttiebrigt wirb. ES fei barnin uöthig, 
in ben ©nbmiffionsbebinguugcu einen ©liitimalfohn fefigufeßen, 
unter welchen ber fid) bewerbenbe Uittentchmer nidit herabgelieu 
fömteit. — Tie Regiinentswcrfftätteit füllen, wenn nidit nbgefdiaffi, 
fo bodj oon ben ©ulnnilfioiini für neue l # iefmiugeu iiiisgefdilofien 
unb auf bic Reparaturarbeit bofdiräuft werben, ©ie finb es, ba 



392 


891 Soziale Braris. (Scntralblatt für Sosinlpolitif. Ar. 15. 


ftc unter gans hefonberS giinftirjen Bedingungen fonfurriren, haupt» 
fädjlid), welche bie greife unb Löhne brüefen. ©te begaben beit 
in ihnen befd)äftiglen ©olbaten be£ aftioen ©tanbeS faunt 15 GtS. 
pro Tag, oerfügen über auägegeidjncteS 9)?afd)tnentnaterial, nttb 
oergeben iiberbieS, wenn fie suoiel Lieferungen übernommen hoben, 
bie eigenen Aufträge nid)t feiten an Afteritnternebmcr, natürlich 
unter meiterer ^erabbrüefung ber greife. — Tie Btafdhinenarbeit 
in ber ©chuhfabrifation hot für ben Arbeiter mannigfache Bad)» 
theile. (?) ©ie oergröfjcre bie ©efahr be§ BüferathenS einzelner ©tiiefe, 
roeldje gans auf ben Arbeiter suriidfällt, ba er für bie Bialfa^onS 
anf^ufommen hot. ©obann liefere fie nur eine ©aare, bie bei 
Weitem fd>Ied)ter fei als bie honbgearbeüete unb auf bie Tauer 
bem ©taate hoch theurer fomme als bie Lefctere. ©an$ abaefehen 
baoort, merbeit bei ber weiteren AuSbehnung beS ©ebraudjs ber 
Bfafchinen ca. 75—80% beS ArbeitSperfonalS oerbrängt. — Ter 
Shmgrefe fanbte, um ber Ausführung feiner Anträge näher 511 
fommen, Rapporte an bie Teputirten ber intereffirten ^e^irfe unb 
bemüht [xd), bie bireften Eingriffe beS ^riegSminifteriumS ju er» 
wirfen. 


3lrbetttrrd)u|. 


Bcrmchrttng be$ BergauffidjiSpcrfottalS in $reuf?cn. ©ie oor 

längerer Jeit mitgetheilt, hot bie Regierung int oerfloffcnen 
©omtner firf) eingeljenb mit ber AuSgeftaltung bcS bergpolijeilichen 
AuffidjtSbienfteS befdjäftigt, ber bie ©idjerheit ber Baue, beS 
Lebens unb ber ©efunbheit ber Bergarbeiter gu fontroliren hot. 
9Bit biefer unmittelbaren ©taatSanfficht fittb gegenwärtig 65 Berg» 
reoierbeamte betraut; biefen gebachte bie ©ewerbeoerwaltung 
Beoierunterbeamte beijugeben, bie im praftifchen Tienfte erprobt 
fittb. Dffijiöfer Reibung nach finb in bem nädjftjährigen ©taats» 
hauShaltSetat 50 foldjer Beamtenftellen ^unt erften BRal auSge» 
bracht. 

Tie Söahl bon JföBrifinfpeftoreu in Jfranfreid)» Ter Kammer 
liegt ein Antrag beS Teputirten 3«ooeS oor, bemjufolge bie Jobrif» 
iufpeftoren oort ben Arbeitern gewählt werben foflett unb gwar auf 
bie Tauer oou brei Jahren. 3ur ©äfjlbarfeit wäre bie Ablegung 
einer Prüfung oor einer ©pecialfomntiffion nothwenbig, bie aus 
einem Btitgliebe ber ntebijinifchen Jafultät, ber aeademie des 
Sciences, einem Telegirtcn bcS ÖefuubheitSratheS, swei Beififccrn 
ber ©ewerbegeridjte unb oier ®elegirtcn ber Arbeiterfpnbifatc be» 
ftehen füllte. ®iefe Momtniffiou hotte gleichseitig über bie Turd)» 
fiihruttg ber Arbciterfdjubgefefcc su wachen ttub (Gutachten in Jrageit 
fosialpolitifcher Batur absugeben. 


3lrbettcmrfldjeirmig. äpatkafteti. 


Tct ©fattb ber Unfall» unb ber JiwalibttäfS» itnb AlterSoerfuherung 
iu Teutfdjlaub 1897. Tie bem Beid)Stag oorgclcgtc Badjwctfuug ber 
gefamntten BcdimtngS=(5rgehmffc ber BeriifSgcnoffciifdiaftcii :c. für bas 
Bedpuutgsjahr 1S97 beste!)t fid) auf bic breiselfme Bcdntungsprriobe 
feit bem Be ft eben ber gcfcplidjcit Unfa l lue rfi eher ung. Tie 
118 Beriifsgcnoffcnfdjnftcn mit 919 ©eftioucn, 1 lM23jiitglicbcrn 
ber Olcnoffcufdjajtsuorftän&c, 5 254 Bcitgliebern ber ©eftumsuor» 
ftätibc, 25 458 Bcrtrauerusmämtcru, 214 augeftellten Beauftragten 
(Beuifionsiitgeuicuren :t\), 1010 ©chicbsgcridjteu unb 4188 Arhcttcrucr» 
treteru, haben 5 097 547 Betriebe mit 17 281 889 oerfidjerten Berfouen 
umfagt. £ucrsu treten bei ben 4()4 Aitsführuugsbehörbcn mit 408 ©djicbs» 
gcridjtcu unb 2 109 Arbeiteroertretern sufammen 7L7 75S Berfidjcrte, fo 
bafj im Jahre 1897 bei ben Bcrufsgcuoffenfdjaftcu unb Ausführung«!* 
behörbett sHfommcn 17 94 7 44 7 Berfouen gegen bie Jolgcu oou 
Betriebsunfällen uerfidiert gcioefen finb. Jtt ber leiden Jal)I biirfteu 
allcrbiugs au 1 Va Bcillioneu Berfouen hoppelt erfdjeiueu, bic gleich» 
Seitig in gewerblichen unb in laubwirthfdjaftlidieu Betrieben bcfdjäftigt 
unb uerfidjert finb. Tic i'lefammtfumme ber (5-n t f d) ä b i g u ug v- b e trä g c 
(Beuten :c.j belief fidi im Jahre 1897 auf Jt* 88 978 547 ,77 (gegen 
M. 57 154 897,™ int Borjahre). Tie Aus« hl ber neuen Unfälle, 
für ioeld)c im Jahre 1897 (äntfd)äbigungen feftgeftellt würben, belief fidj 
auf 92 828 (gegen 88 408 im Borjahre). .piernon malen Unfälle mit 
töbtlidicm Ausgange 7 418 (gegen 7 lol im Borjahre), Unfälle mit 
muthmafdid) baueruber wolliger’ (irmerbcamfähigfeit 1507 (gegen 1547 
im Borjahre). Tie 5 > a h 1 ber oou ben getöbteten Ber Ionen hinter» 
la firnen entidjäbiguugc'beredjtigtcu Berfouen beträgt 14 844 (gegen 
18 958 im Borjahre). Taruuter befinbtn fidj 4 802 B2ittmeu (4 505), 
9 575 Miuber (9 194) unb 287 Aijeubeutcn (254). Tie Anzahl nimmt» 
lidjer sur Aumelbung gelaugten Unfälle beträgt 8s*j 807 (gegen 851 789 
im Borjahre). Jm 'Allgemeinen wirb and] jetu uod) bie Jabl ber ge» 
melbeteu Unfälle geringer fein, als bie o>rfammtsal]l aller Unfälle, 
meldie eine Arbeitsuufähigfcit oou mehr als 8 !7agen sur Jolge hatten. 
Tie Erhöhung biefer ; fahlen lägt im BJef ent lieben eine belfere ö'rfiilluug 


ber Anseigepflidjt erfennen; ©d)lüffe auf Zunahme ber Unfälle überhaupt 
fömtcu hieraus nid)t gesogen werben. 

Tie Summe ber anrechuuugSfähegen Söhne, bic fid), wie 
heroorgehoben wirb, mit ben wirflid) oerbienten Söhnen uid)t berft, ftcllt 
fid) bei ben 85 gewerblidicu Berufsgenoffenfchaften auf JJ . 4 253 820 oni,.,.j 
(gegen M. 3 922 998 388,5t im Borjahre), bei einer 3af)l Uün 8 042 611 
oerfidjerten Berfouen (gegen 5 734 6so int Borjahre). fes entfallen alfo 
auf einen Berfidierten an anredmitugsfähigent Sohn int Turdjfdjnitt 
Jj. 704 gegen JC 684 im Borjahre, unb es ift bie ;JaI)l ber oerftcherten 
Berfouen' um 807 938, ber Betrag ber anreehnungsfähigen Söhne um 
& 330 624 215,40 geftiegen. Jitr bie laubiuirthfd)aftlidieu Bcrufsgenoffen» 
fdjaften haben fid], wie and) früher, wegen bcs nbweidjenben Bered]» 
nungsoerrahrens Sohnbeträge, weldjc für bie Beiiragsbercdtmmg 311 
(Brmtbe gelegt werben, in bie Aadjweifuttg ttid]t aufnehmen laffen. 

Tic Olefantmtausgaben beliefen fid) bei ben gewerblichen Be» 
rnfSgenoffenfdjaftcn auf .//. 52 444 031,^; (gegen .//. 50 888 364,20 101 
Borjahre) ttub bei ben Ianbwirtt)fd]aftlid)cn Bcrufsgcnoffenfdjaften auf 
Jt. 18 182 155,sr» (gegen 18 072 388,tu int Borjahre), was auf einen 
Berfidierten bei beü gewerblidjeu Bcrufsgeuoffcnfd)afteu M. 8,«w (8 ,st), 
bei ben Ianbwirthfdjaftlidien M. 1,1.2 (1,44) aitsmad)t. Tie lanfenben 
Bcrwaltungsfoften betragen bei ben gewerblidjeu BerufSgeuoffen» 
fdjafteu M. 5 35S 747,r»o (gegen J/. 5 070 273,52 im Borjahre), bei ben 
laubwirthfd)rtftlid)cn Bentfsgeuoffenfdjafteu JC. 2 058 926,u» (gegen 
JL 1 944 670,55 im Borjahre). Taoon entfallen auf einen Berfidierten 
bei ben gewerblichen Berufsgenofienfdjaften JL 0,s9 (0,ss), bei ben lanb» 
wirthfdjaftliihcu X 0,1* (0,17). Tic .^öhe ber lanfenben Berwaltungs* 
füften ift bei ben etnjclucu Beritfsgeuoffcufdjaften tefjr oerfchieben; ftc 
hängt ab oon ber 3 fl lH ber oerfidierungspflichtigeu Berfouen, ber 3 fl ld 
ber "Betriebe, ber größeren ober geringeren UufaUgcbühr :c. Tie Be» 
ftättbe ber Aefcrocfoitbs ber Berufsgenoffenfchaften betrugen ruttb 

135 l / 3 Biillionett. 

B?aS nun bic Jnoalibitäts» unb AIterSocrficherttng be» 
trifft, fo finb für bie fämmtlidien 31 BerftdjeritngSanftaltcu mit ins» 
gefatnmt 154 Borftaubsmiigltcbcru, 36 .fäül sarbeitent ber Borftänbe 
610 Aiisfdntftmitgliebcrn, 66 328 Bcrtrauensmäuncrn, 333 .Hontrol* 
beamten, 495 ©diicbsgeriditeu, 9 113 befonbereu Warfetiücrfaufsftellen, 
5 324 mit ber (äinsicliimg ber Beiträge betrauten .(fraufeitfaffcn unb 
2 936 in gleicher Bietfe utitwirfeuben (ylemeiubcbehörben unb fonftigen 
oou ber Sanbes»Gentralbehörbe brseidjneteu ©teilen, an (i-ntfd)äbi = 
guuasbeträgen 16 299 831 ,<52 M. für Altersrentett u. 1 5071 560, 09 X 
für Jnuaübcnreuten, sufammen 31 371 391,71 M. gesal)lt worben. 
Tie JalU ber im Acdjmtugsjahr bewilligten Altersrenten betrug 
21 688, bie ber Juoalibcnrcntcn 71 733. An Berwaltungsfofteu 
fittb aufgewenbet worben 6 542 37^,24 „//., was für beit Üopf ber Ber» 
fieberten eine Ausgabe oou etwa 0,oi M. ergiebt ober 5,4- % ber (^e= 
fammteimmhüte an Beiträgen ausmadit. Tie Okfantmteinnahme aus 
Beiträgen belief fid) mit (iiitfdilufr ber Beiträge für ©celeute auf 
104 666 528,71 M. 

Ter Atitheil ber BcrfidjcrmtgSanftalten an ben bts juin ©djluffc 
bcs Jahres 1897 cubgitltig oertheilten Beuten ergiebt bei 818 798 6-tusel» 
fällen au Altersrenten unb 295 544 (Siuselfällett an Juoalibenrentcu, 
Sitfatumeu 614 342 (Stuaelfäflcn, einen Jahresbetrag oon 23 574 093,99 Ul. 
für Altersrenten unb 19 387 572,18 ut für Jitoalibenrenteu, sufammen 
42 961 666,1.7 Jf . Tiefe Beutenbelaftung ftcllt einen «apitalwerth oon 

136 087 541 M für Altersrenten unb i71902 989 M für Jitoalibeit» 
reuten, ^ufamtitcu 307 990 530 .U bar. Bis stmt ©djluffe bes Jahres 
1897 finb 115 726 Altersrenten unb so 299 Juoalibcureuten, sttfontmen 
205 025 Beuten mit einem auf bie Bcrfidjcrungsanftaltcn entfallenben 
Jahresbetrage oou s 315 375,43 .tt für Altersrenten mit» 5 703 478,19 M 
für Jnoalibenrenteu, sttfctiuitteu 14 018 s53,62 Ji in Wegfall gefommen; 
eS oerbleiben beutnadi am ©djluffe bes Jahres ttod] 203 072 Alters» 
reuten mit einem absiiglid) bes Beidjssufdjuffes fidj beredmeuben Jahres» 
betrage oou 15 258 718,56 M unb 206 245 Juoalibenreuten mit einem 
entfprcdjeub beredjueteu Jahresbetrage oou 13 684 093,99 M. 

Ten sogelaffetien befonbereu Maffeueiurichtuugen (l5ifeithahn= unb 
.Mnappfriiaftspcnfiousfaffeu) finb aus beit bis sittn ©chlufjc bes JaI)rcS 
1897 oertheilten reidjsgcfrbltdien Beuten sur ifaft gelegt: 6624 Alters» 
rentcuantheilc mit 654 733,49 M Jahresrente unb 20 148 Jitoalibeit» 
reuteuautheile mit 1 365 510,48 .// Jahresrente. Bon biefen waren 
bis Cnibe 1897 2248 Altcrsrentciiantheile mit 227 283,66 M Beute unb 
6919 Jnoalibcurentenantheile mit 452 388,71 je Beute bereits wieber 
in Wegfall gefommen, fo ba 15 ein Bcftaub oon 4376 Altersrenten» 
anthcilen mit 427 449,88 Jl Jahresrente unb 13 229 Juoalibenrentcu» 
autheilcu mit 913 121,77 .// Jahresrente oerblieben ift. 

Ter Ber möge ns bcftaub ber Berf idjerun g sein ft alten ein» 
frijlieülidi bes Berthes ber Jnoeutarieu belief fid) bei Ablauf bes Jahres 
1897 auf 53s 964 526,71 Jl, uuwou bis bahin 53 562 668,44 JC bem 
Befcroefoubs überwiefeu worben finb. Tie burdifdinittlidje Bersinfuug ber 
.Kapitalanlagen erfolgt mit 3,49%, gegenüber oou 3,53 % im Borjahre. 

Ter Turdifdiuittsfap ber Altersrente, meid)er für bic im Jahre 
1891 begonnen 123,57 JC. betrug, hat fid) für bie im Jahre 1897 be» 
ginuenbeu auf 137,ss Jl gehoben: bic Turdifdjnittshöhc ber Jnonlibcn» 
reute, welche fidi für bie int Jahre 1891 beginiteubeit Beuten auf 
113,39 .// belief, hat für für bic im Jahre 1897 begtitucnbcn Beuten 
ben Betrag uou 127,89 JC erreicht. Au Beitragserftattuugcn 
würben oou ben 31 Bcrfidieruugsaufialtcu fe ft gef ein: 99si6 i5rftattungen 
in aüIIcu 001t Berbeirathuug im Betrage oou 2 (ils 472,54 JC unb 
20 116 t5ntattungeu in SobcsfälJeu int Betrage oou 712 970,75 Jl. 




393 


«Soziale VrajiS. (EeutralE»Iatt für ^ojialpolitif. 9cr. 15. 394 


Vimmt man nod) bie C^rgc&ntffc bcr K ran feit ucrfid)crung f)tn« 
3 U, fo scigt fidi, baf? für bte 3 l ^erfc bcr Arbcüerucr jirfjcru ng in 
Seutfd)lanb täglidj runb eine Million 3Jlarf aufgewenbet 
werben, baß in £ en galjren 1885 bis 1896 im (Garden 
31 486 243 ^erfonen (Entfdjäbigungcn im (Gefantmtbetrage 
oon na^eju l 3 /4 3J?illarben V?ar! bezogen uitb hierbei bie 
Arbeiter über % VHlIiarbe 2)?ar! mehr an (Entfdjäbigungcn 
erhalten, als an Beiträgen gejault b^ben.*) 

$cnfum$faffe für Arbeiter tu babtfehett Staatsbetrieben. Sieben ber 
Kaffcnabtljeilung A , einer befonbertt nont VuubeSratl) anerfannten 
&a|lcneinridjtung, wcld)c als Verficherungsanftalt bcr ^r. Staatsbahnen 
unb bcr ^r. Salineiwcrwaltung bient, l)at bie Kaffcuabthcilung H „für 
tf)re VZüglieber unb bereu ^unterbliebene burd) (Gewährung nun Stenten« 
&ufchüffrn, Ausnahmereuten, Wittwen« unb Waifeugelbern, fowie non 
Sterbegelb eine weitere bcfoitberc giirforgc p treffen.“ (Eiutrittsgelb ift 
1,50 jtf, bie Beiträge ftitfcrt firf) ttad) 5 ^obit-Ätlaffcn unb frijwaufcn 
bei beit Männern non 28 bis 76 &f t bei ben grauen noit 10 bis 28 Jf 
tnödjentlid), bie hälftig non bcr Verwaltung beftritten werben. Als be« 
fonbere ^lunenbung an biefe Kaffeitabtbctlung B finb bie (Erübrigungcn 
ber betheiligtcn Verwaltungen an ben jur (Gewährung non llntcrftüßungcu 
an nid)t ctatsmäßige Veamtc fowie au Arbeiter unb Hinterbliebene 
fnlcbe bubgetmägig bewilligte Viittel (1895: 30 950 ^, 1896: 27 266 M) 
uorgefchcit. tiefer Abteilung B gehörten 1895: 3028, 1896: 4065 
‘2J?üglieber an, ber britte 3:1)eil ber Vtitglieber in ber Abteilung A. 
Sie Vt'ebrcinnaljmcit, bie ben Stcfernefonb bilbeit, betrugen 1896 fdjon 
636 462 M. Sie 3al)l ber (Empfänger non Vejügcn aus biejer (Ein« 
indjtung ift nod) fleht, cs waren 1896 10 (Empfänger non faßuugs« 
mäßigen Slenten, 24 non Hintcrbliebenenbc^ügcn uub 2 non Sterbcgclb. 

Sa$ Arbeiter = UnfafloerfubernngSgcfc^ in Sänemarf tritt am 
15. ganuar in Straft. Sic „Soziale $rajiS" hat im galjrg. VII 
6 p. 509 -511 eine erfdEjöpfenbe Sarftellung biefeS (Gefeßes aus 
ber geber beS (Geheimen WegierungSratheS Dr. 3 at b cr ueröffettt* 
liebt, auf bie wir t)ier oerweifen. SaS (Gefeg erinnert in feinen 
(Grunbaügen uielfach an bie englifdje Workmens Compensation 
Bill, bte feit bent 1. guli 1898 in Straft ift. 


3Ubdte»ndjttieisi. 

Stabtifdjcr IrbeitSitadjtoeil $u 2W§ln$. Am 6 . Vtai 1897 
trat als neuer 3weig ber ftäbtifdjen Verwaltung in Viainj baS 
ftäbtiftbe Arbeitsamt in Wirffamfeit. Ser foeben veröffentlichte 
erfte SabreSbcricbt fagt barüber: 

„Wenn cS auch norerft non ben beiben in Vetracfjt foutmenben 
gntereffenteugritppcn ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer nod) nicht bie ge« 
wiinfebte allfeitige Unterftüpung fanb unb bie (ientralifatiou beS ge« 
fantmten ArbeitSnachweifeS norläufig nod) Stücfmerf bleiben muß, finb 
gleicbwol)l bie bis jeßt gewonnenen (Erfahrungen nur günftige ju nennen 
unb ermuntern ju weiterem gortf(breiten auf ber gegebenen Val)n. 
(Erwägt man namentlich, baß fold) eine neue gnfthution mit Vor« 
urtbeiieu aller Art, mit ber Vtacßt ber (Gewohnheit, bie au bent Her« 
gebrachten fefthält, mit Unfenntitiß unb nicht junt (Geringften mit bent oielge« 
ftaltigen Wettbewerb ber bereits oorhanbeuen Aadj weife in ihren oerf chicbcneit 
gormen ju fnntpfen hat, — es fei nur erinnert an bie Aachweife ber 
oerfd)iebeitcn Innungen, 2J?ei|tcr« unb gabrifattteiwerbänbe, an jene ber 
3 al)lreid)cn Arbeiterfachoercinc, an bie fonfeffionellen, prioaten uub Ver« 
einSttad)weife — jiel)t man bteS Alles in Vetracht, fo ftub bie tro^bem 
erhielten (Ergebniffe um fo f)öl)er an 3 ufd)lagen." 

Ser centralifirte Arbeitsnad)weis in ber gorm beS gemeinb* 
liehen Arbeitsamts, bei beffett Verwaltung Vertreter ber Arbeitgeber 
unb Arbeiter in gleicher 3aljl betheiligt ftub, f )abe fiel), fo helfet c 0 
weiter, im Olrofjen unb (^anjett, foweit oorerft erreid)bar, als eine 
überaus ^weefmäbige (Einrichtung gur raf^eften Vefriebigung oon 
Arbeitsangebot unb «Aadjfrage bewährt. Sie Aachfrage nach 
ArbeitSfräften unb baS Angebot oon folgen fötttte eben auf biefe 
Vkife fo paffenb unb fd>neU als möglich in Vejief)ung 51 t einanber 
gefegt werben: „(Es ift ju hoffen unb 31 t wtinfehen, ba§ bent cen« 
tralifirten unentgeltlichen ArbeiiSttadjweife im Sntereffe einer platt« 
mäßigen Vefämpfung ber ArbeitSlofigfeit uub einer 3 wecfmä 6 igen 
Ausgleichung oon Arbeitsangebot unb «Aachfrage ein immer 
größeres WirftttigSfelb erfchloffen wirb, bafe fich Arbeitgeber unb 
Arbeitsnehmer oertrauenSooH betn Arbeitsamte 3 umenben, bets, 
lebiglidh bie ArbeitSoermittelung im Auge, über ben Parteien 

*) Wir benuhen biefen Atilaf), um abermals auf ben oortrefflidjen, 
oont Aeid)Soerftcherungsamt ^ufammengeftcllten „X eit fabelt 31t r Ar« 
beitcroerfid)eruug beS Scutfdjcu Acidtes" l)iu3uwcifcu. (Verlag 
oon A. Afher u. (io., Verliit, Vrci* Vf-) tiefes Viuhletit giebt auf 
nur jwet Xrudbogett iu übcrfidjtlidjer gönn bie (yutfteliuug uub ben 
wcfentlid)ett gtihalt nuferer gelammten Arbeiteroerfid)erungvgefepe — 
.Uranien«, Unfall«, Snoalibitäis« unb Altrtmterfid)crimg — unb aut 
einigen tafeln einen llebcrblicf über bie ftnangellen Wtrfimgen nnb bie 
(irjolge biefer öefehgebung. 


ftchcnb, ohne jegliche Aebeuintereffen mit oööiger llneittaeltlichfeit 
waltettb, eine ibeale gorm ber ArbeitSoermittelung barftellt." 

gut ®ati 3 en würben itt ber männlichen Abteilung 3636 ©efuchc 
oon Arbeitgebern unb 5554 ®efud)c oon Arbeitern eingetragen, sufamtitett 
9190. Ätellcnbefeputtgcn erfolgten 2026. 2;ie ©efammtjahl ber befriebigtett 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer beträgt bemttach 4052. Von ben Olcfudjeit ber 
Arbeitgeber würben 55,73 °;o, oon benjenigen ber Arbeitfud)enbeit 86.43 °/o 
befriebigt. Arbeilsauweifungen würben tm (^ait^eit 5364 ausgcfteHt. 
Hieroott waren erfolgreich, b. I). führten 3 ur (Eiuftcllung 2026 — 37,77 °/o. 
§tt ber weiblicheit Abtheilung würben 688 ©efttche oon Xienftl)err« 
fd)aften unb Arbeitgebern unb 473 ©cfud)c oon ^ienftboten ttttb 
Arbeiterinnen eingetragen, 3 ufaittmen 1156. 6tellenbefebungeu erfolgten 
98. Vott ben ©efucheii bcr Arbeitgeber würben mithin 14,35 0 /<», oon 
benjenigen ber Arbcitfuchenben 20 , 73 % befriebigt. ArbeitSanweifungcn 
würben tut Hansen 417 ausgcftellt. Hieroon toarert erfolgrcid), b. h- 
führten 3 ur (Einftellung 98 = 23 , 50 %. ^te föefammtsahl ber tnt Veridjts« 
jat)vc eingetragenen VerntittelungSgcfudjc beträgt hi crn 6ch 10 846. 
Aufcerbent haben noch eine große Ait3al)I oon Xurdjreifcnbcn, weldie 
beS fursen Aufenthaltes wegen feinen Acgiftcreiutrag oerlaugteu, bas 
Amt in Aufprudj genommen. 

Vabtfche ^eittralauftalte» für ÄrteitSwaihtoeiS. 2)aS ftatiftifdjc gal)r« 
bud) für bas Olrohberaogthum Vabeit, 29. gahrg. (1897/98) bringt 
wie iu früheren fahren (oergl. „ 603 . gahrg- VII, 3p. 364) u. A. 
eine Ueberfid)t über bie ^hätigfeit unb finanziellen Verhältniffc ber 
(Eentralanftatten für ArbeitsnadnoeiS unb bteS Vtal für bie gal)re 1895 
uub 1896. Von biefen Anftalten, bie in Karlsruhe, greiburg, Vcanu« 
heim, 3d)opfl)eim, Vö^lietm, ^obr, lüörradj, Mouftau 3 , Offenburg, 
Heibelberg uub Walbsljut ihren Siß habeir, finb neben Jcialir and) 
Offenburg unb Hribclberg (^emeinbecinnd)tuugen, alle werben oon 0)c= 
mcinbeu unb Streifen fulwentiouirt, unb mit Ausnahme oon Walbsljut, 
ber bisherigen gilialc oon gretburg, gehören fir alle bent „Verbanb 
ber Anftalten für Arbeitsnachweis tut ©roBh f *7>ogthuut Vabeit" an, für 
beit 1896 unb 1897 je 10 000 M ftaatlicfjcr gufdjüffe etatifirt waren. 
93^it ber greiburger uub Sfonftaitser Auftalt ftub Viag beherbergen ocr« 
Imitbcn, tu biefer fuditen 71, in jener 1895: 572, 1896: 838 Viabd)cu 
Unterfunjt unb 3 d)ufc. 3d)opfheim unterhält eine Aaturaloerpflegungs« 
ftation armer Wanbercr. 2)ic ftäbtifdjen ArbeitSnachweisauftalteu i?ahr 
unb Offcnburg weifen and) Wohnungen unb ftoftftcllen für unoer« 
heiratl)ete Arbeiter unb Arbeiterinnen nad). S)ic Uttetttgeltlichheit ber 
Veitubung hat ebenfalls gortfdjritte gemacht. 5:er gefantmte Arbeits« 
nadjweis erfolgt uuentgcltlid), außer in greiburg, wo nur bie Arbeiter 
biefe Vergünftiguitg genießen uub iu Monftau 3 , wo bie Arbeitgeber für 
iicnftboteu nod) eine (Gebühr im Vcridjtjaljr 189$ zahlten. Tic mit« 
getheilten 3 a hl en über bie Vermittlungsthätigfeit ergeben fein richtiges 
Vilb, weil bei ber Viehr^aljl ber Anftalten bie ©efudje 11 m Arbeit nur 
batttt eingetragen würben, wenn fofort Arbeit nachgewiefen werben 
fonnte, ober bcr (Eintrag aitSbriicflid) oerlattgt würbe. 

$(rbettSnad)lociS uub BaubhePdlfcruug itt Valent. Sas 

VHuifterium beS Qnnern hat an bie ÄreiSregierungcn einen (Erlaß 
gerichtet, in bent u. A. auSgefü^rt wirb, bafe bie ßaiibgemeitibe« 
behörben fegr ungeniigenb, theilweife gar nicht an ben Arbeits* 
nachweis, wie er burd) (Eentralifirung ber Arbeitsämter gewähr« 
leiftet wirb, mitwirfen; fie foKen bal)er 3 ur 9Kitwirhtng Deranlafet 
werben. Wach wie oor foll auf bie Vcbürfniffe ber Sanbwirthfdjaft 
beim ArbeitSuad;weiS Wüdficht genommen, ber 3»S»9 non Arbeitern 
nad) ben grofjeu 6 täbten über ben Vebarf eingefdjränft, oon ber 
(Einteilung auswärtiger ArbeitSfräfte am 6 ifee ber Arbeitsämter 
in bcr Wegei abgefeljen unb bie auswärts wohneitbeti Arbeiter 
meift wieber an auswärtigen Orten untergebrad)t werben. Sen 
betheiligten 6 tabtoerwaltungen ift burch befonbere <$utfcf)liefeimg 
auempfohlen worben, thunlichft ber fianbwirtl)fchaft geeignete Kräfte 
3 U 3 uweifen uub baoon bem OaubwirthfdjaftSratf) nnb ben lanb« 
wirthfd)aftlid)eu ^rciSauSfd)üffen 3 U geeigneter SWitwirfung ft'enntitiß 
31 t geben. 

Äoljlfaljrt^einrldjtungen. 

Arbciterftiftung bcr &rupp’fd)ett 9Serfe. 5- A. Slrupp h^t für 
bie 1897 aus Aulafe beS * hunbertjät)rigen (Geburtstages Etaifer 
Wilhelms mit 1 000 000 J{, begriinbete Qnoalibenftiftung, welche 
bie Unterftüfcung bei (ErwerbSnnfähigfeit in Solge Alters unb 3n* 
oalibität in benjenigen gälten be 3 wecft, in beiten eine (Ergänzung 
ber ftaatlichen gürforge für ben einzelnen Arbeiter uub bcffeit 
gamilie nothwenbig ift, ein weiteres .Kapital oon 500 000 ^ft . aus« 
gefept, fo ba& baS gefamtttle Kapital ber gnoalibcuftiftung nun« 
mehr 1 500 0(X) t //L beträgt. 3 u 9totf) er heftimmt, baß bas 
6 tiftungSfapital in baS (Eigentt)um ber Krupp’fchen Arbciterftiftung 
übergeführt wirb. 

(EeittralHereitt für bctS Woljl bcr nrbcitcnbcii Klaffen 1898. gn hii iom 

alt oft en ber für bte Wo!) (tan ber Arbeiter wirfeubeu Vereine jgecrriiiibei 
ls 44 ) erftattete am 9 . re^entber ber Vonipenbe ^taa^e-ie!;e’air a. T. 
Dr. Herzog ben gabre^beriiht ls98. Sauadi gel)orten beit 1 <>71 




396 


39.) Sugiale SßrajiS. Eentralblatt für Sogtalpoltiif. Ar. 15. 


glicbertt 213 Beworben, Hörperfdiaften, Söcrciuc :c., 175 Aftieit* ttttb 
attbcre ©cfcllfdiaftcn imb 688 pcrföitlidic AHtglieber. £as BerciitS* 
organ, bei* „Arbeitcrfrcuub" trat in feinen 25. gaüi*gang unter bei* 
AcbaFtion bes ©et). Aeg. Aat ^rof. Dr. Böhmcrt in Treiben. $ic 
Beftrebungen für bic Berebcluttg bcs? Btlbungs* unb Erholungsbebürf* 
nijjeS ber weniger bemittelten BeoölfcrungsFlaffert würben burdj ©c* 
Währung ooit Beihilfen gur Einrichtung non gwecfcntjprcdjeubcn Ber* 
anftaltiutgcn mtb Unterftüßungcn an bereite befteljenbc gwccfbieulicbc 
Eiuridttungcn geförbert. (Sin befonberer Ausfdjuß batte bic Entwicfluug 
unb ben Fortgang ber Einführung beS Haushaltuugsdlnterridjts in bic 
Bolfsfchule 51 t bcobad)tcn. 2de Antworten auf (Eingaben au bic Acffort* 
ntiniftcr geigen, baß im 25?cfcntlirf;cii nur nodj fdiultcd)nifd)c Sdjwierig* 
feiten gur aUgemeinen Einführung bes Hausl)altung3*Uutcrrid)tS gu 
übcrmtubcit finb. Um ber Hräftcgerfplittcrung auf beut Berciitsgcbiete 
bei* BSoblthntigFcit entgegen arbeiten, trat ber Ectttralucrcin bent im 
Söfai gcfdjlofjencn Bcrhnnbe beutfdjer BJohlfahrtsocrcine bei unb unter* 
ftiißte mit feinen Bütteln bic Beftanbsaufnahinc ber gcmcinnüßtgcu mtb 
BSohlfahrtsucrciuc in ben ^rootngett unb' gwat* giiuächft ber ^rouittg 
Hau noucr. 

ErfrifdjimgSräiime in ben ^oftbienftlofafen. $aS Aeid)S*Boftaint 
bat beftimmt, baß bei BcrfehrSäintcrn mit atiftrengcnbcnt Aarf)tbicnft 
ben Beamten ttttb lluterbcamtcn ©elcgenfjeit gegeben werbe, fidj währenb 
bei* Aachtbicnftgeit in ben ^oftbienfiräumeu an geeigneter 'Stelle warme 
©eträitfe felbft ^u^ubcreitcu. &ic erforberlidteu Eiuridjtuugcn fallen für 
Acrfjuuug ber ^oftfaffe getroffen werben. 


Clrjieliutig tmHi fiilbung. 

Surfe bim Berliner Hodjfdjttlleljrern. gut S^nuar 
unb Februar fittbet bie zweite Serie uon 6 BortragSFurfcit ftatt; jeber 
Hurfus wirb wieber fcdjö Abettbe oon je 1 '/sftüubtger Sauer uutfaffen. 
Sic Burträge beginnen um 8 l /a Ubr abenbs unb finb für SKäituer unb 
grauen gugänglitf). Programm: 1. Btontags: $rof. Dr. Marburg, 
„über ansgewählte Älapitel ber SBännelehrc " 1 im ^bpfifalifc^en gnftitut, 
Aeid)Stagö Ufer 7/8, beginnt am 16. ganuar. 2. Montags: Dr. gifdjer, 
„über .Hupfer, ^ütf unb attberc tecfinijrf) wichtige Metalle" in ber Lanb* 
wirtbfdjaftlidjen .^odjfc^ule, gnualtbcnftraßc 42, beginnt am 16. ganuar. 
3. dienstags: $rof. Dr. Earl SD?iiHer, „über nufere pflanzlichen Aah* 
rungsmitiel mit befonberer Üöerücffidjtigung beS täglichen Brotes" in 
ber Lanbwtrthfchaftltdjen Hadjfdjule, gnoalibenffraße 42, beginnt am 
17. gattuar. 4. BJittwodjS: $rof. Dr. E. grei), „über Aapfjael unb 
B?id)elangelo" im £>örfaal 26 bei* 5fgl. Unioerfitat, beginnt an 18. ga* 
uuar. 5. Sonnentags: ^rof. Dr. gretherr non Sobcn, „über ^alä* 
ftina unb feine ©ejchichtc" in ber Aula beS grtebrid) Berberfdjen ©pm* 
uafiunts, Sorothecnftraße 13/14, beginnt am 19. gattuar, unb 6 . Sonn* 
abenbs: $rof. Dr. 2£. Söebbing „Einführung itt bie (S-ledjtrotcdjnif 
mit Experimenten" im $örfaal 141 ber $cdjmfd)en §od)ftbule in Eljar* 
lottenburg, hat bereits am 7. ganuar begonnen. 

itt Baben. Sas ftatiftifd^e gahrbudj für bas 
©roßhergogthmu Baben (XXIX. gahrgang 1897 unb 1898. Karlsruhe. 
9)fadflofnd)e Srurferei 1898; 558 S. gr. 8 °) giebt einen Uebcrbliif über 
bie rcidje ©elegenbeit für babifd>e SPicibdjen, fid) in ben notbwenbigften 
Zweigen bes Haushaltes ju oeroollfommucn. N 2 lbgefehen oon ben jur 
9luSbilbung ber nötigen Lehrerinnen beftiunnten adjt Malsruher ?lnftalten 
mit 74 Lehrerinnen, 20 Lehrern unb 1997 Sdjülerinnen fowie bett 24 
fonftigeu SHuftaltcn beftanben oon lieranftaltuugen öffentlichen ober 
gemeiunübigeu (SharafterS 10 grauenarbeitsfdtulen, 7 §ausbaltungg= 
fdjulen, eine gabrifabenbfdntle mit glirffurfus, 2 Schulen für wciblid^e 
Sicnftboten, eine ÄHnbcrlchrertnnenanftalt, aber oor allem: Hochfurfc 
itt 35 (^euteitibeu, bireft für gabrifarbeiterinnen beftimmt, in 33ounborf, 
greiburg, Honftattj, 3)iainj, ferner ein Hodj= unb ^iigelfurfus für ga= 
brifarbeiteriunen in Lörradt, Hoch 3 unb HauShaltuugSfurfc in 2)tiill* 
heim, in 59 ©emeiuben glieffurfe unb 4lbettbe unb jwar in ber 
Hauptfadjc für gabrifarbeiterinnen in ©mmeubingen, Haufen i. S&., 
.Vtirdjheim, Äouftaujj, äRüljlburg, Sdtopfheitn, Stocfad); in 14 ©emeinben 
gltrf* unb 9iä()furfe. Sa^tt fotmucu ttodi Spitmfurfe, 9fäh=, lUigel*, 
Sticf*, Hanbarbcits*, gnbuftric* unb H ail!? h a Üugsfurfe, Mrbeitsabenbe 
in etwa 30 (Memeirtben, fowie Cbftbau* unb Olartcubau*, iUeuen^udit», 
Samariter* unb Atraufenpflegcrinuetifurfe. 3Lie fdjon aus ben “^ejeidj* 
mtngen hft'üorgeht, legen bie Sfehrjahl biefer babifdtett ^erauftaltungen 
fein ©ewidit barauf, perfefte Sdjnciberiutten unb .Hödjiuneu anSsnbilbeu, 
fonbent bas Siotmenbige für ben fleiiteu Haushalt 31 t lehren. Sem 
oweef bienen auch bie Sföanberfochlehrerinnen, oott ben im ^Berichtsjahr 
fünf ausgebübet würben. 

Schulfinber in ben ^tragen bon Sonbon* Söas ^onboncr 
Schulamt f)at an bie ^oli^ci* unb ©emeittbebchörbe eine ©tngabe 
gerichtet, in ber auf ben Uebelftanb bingemiefeit wirb, bah ftd) 
Kinbcr mcif)renb bei* Schulzeit oft in ben Stragett h^umtreiben. 
S)ie Äiitber werben oft non ber SJ^oligei aufgegriffen unb währenb 
ber fchmebenbeu llnterfuchitngeii ins Arbeitshaus gebracht. SaS 
Schulamt ift ber Anfidjt, bag bie ^oli^ei bie Auffidht ber Schul* 
beljörbe wirffamer unterftügcu fönnte, falls fic ihre Organe ba^u 
nerljalten würbe, bie Aamett folchcr Minber, bie fie währenb ber 
Schulzeit in ben Stragen finbeu, nufsiifdjreibcit unb regelmäßig 


ber Schulbehörbe gur ^enntnife 311 bringen, wie es in ben $rooiiß* 
ftäbten gumeift geübt wirb. ®ie Schulbehörbe regt bie (Einberufung 
einer Sämfereng in biefer Srage an. 


$D}iaie 4)i)gtm. 

©efän^fung ber Suberfulofe in Sn Gegen¬ 

wart ber Äaiferin hielt am 9. Sanuar bas S)eutfche (Eentralfomite 
gur (Erricfttung oon .^cilftätten für SungenfranFe im Calais beS 
SReich^FanglerS gu Berlin feine britte Generaloerfammlung ab. 

S)ent. Gef^äftSbericht, ben ber GeneralfeFretär, Stabsargt 
Dr. ^Jannwih, oorlegte, ift gu entnehmen, bafc fich gur 3*ü in 
S)eutfchlanb mit bent betrieb ober ber Einrichtung oon ßungen* 
heilftätteu 33 Bereinigungen befchäftiaen, währenb an brei weiteren 
Orten neue Anfäbe gur BereinSbitbung oorhanben finb. Acht 
biefer Bereine, barunter ber BoIfSheiIftätten*Berein uom Dothen 
£reu 3 in Berlin, h a &en eigene Anftalten in Betrieb. &en Bau 
berartiger Anftalten werben oorauSfid)tlich int Öaufe beS Sah^eS 
1899 fertig ftellett 10 Bereine, barunter ber Berlin-Branben* 
burgifche §eilftätten*Bereiu; 12 Bereine finb mit ber Sammlung 
oon Gelbmitteln unb ber B r oieFtirung oon Heilftättcn befafet. 3ur 
Aufnahme oon SungenFranFett gu einem billigen XageSpflegefafo 
flehen gur 3 eit in S)eutfchlanb einfd^lie^licfj eingelncr B^nntanftalten 
bereits 20 Heilftätten bereit. Heroorragenb mitgetoirFt hnben auf 
bem Gebiete ber Heilftättenbemegung bie SnoalibitätS* unb Alters* 
oerficherungsanftalten, bie bereits brei eigene Anftalten in Betrieb 
unb brei weitere in Bau hohen. ^rojeFttrt finb gmei weitere ber* 
artige §>cilftätten oott BerfidjerungSanftalten. SDie Grofeirtbuftric 
ift allerorts ebenfalls ftchtbar bemüht, ber Sache ber planmäßigen 
SchminbfudjtSbeFämpfung bie BJege gu ebnen. Auch öie Beifpiele, 
baß bie Gcmeinbett bireft ber Errichtung oon §)eilftätten näher* 
treten, haben fich i * 1 erfreulicher SBeife oennehrt. “Sie Anftalt beS 
^reiS*^ommunaloerbanbeS Altena ift bereits ihrer Beftimmung 
übergeben, bie BFündjener Anftalt faft ooflenbet. Stettin hat ein 
rößercS £egat für Heilftättengwecfe beftimmt, ber ÜreiS Saar* 
rüden unb bie Stabt Aachen haben fich Präger Bezüglicher 
Unternehmungen gemacht, £öln hat entfprechenbe Berhanblungen 
eingeleitet; atibere Greife unb Stäbte haben fich S u beftimmten 
haften oerpflichtet ober burch unentgeltliche H er 9 a be paffenber 
Terrains ihr Sutereffe beFunbet. Au^ ber Staat hat mehrfach 
biefeS Sutereffe betätigt. 3n Preußen ift bieS fowoßl feitenS ber 
lanbwirthfdjaftlichen unb ber BFebiginaloermaltung, wie auch 
nainentlid^ feitenS beS £riegSminifteriumS aefchehen, baS bie 9le* 
FonoaleScentenhäufer, bie in ben AnneeForpS bereits befteßen 
ober in ber Einrichtung begriffen finb, bem Bebarf enlfprechenb 
auch m tt befonberett Stationen für bie hw^ifdi * biätetifche Be* 
haitblung SuberFulofer oerfeßen hat. Ein gweiteS Arbeitsgebiet war 
bie Sorge für bie Angehörigen ber Heilftättcnpfleglinge. §eroor* 
ragenb pat fich auf biefem Gebiete bie £)amengruppe beS BolFs* 
heilftättenoereinS uom 9totl)en Üreug bethätigt. Auch bie Ber* 
ficherungSanftalten finb gur Bewilligung mäßiger Beiträge für 
biefen 3 l0CC t bereit gewefen. ^)ie britte ArbeitSrichtung bei ber 
Heilftättenfiirforge, bte ArbeüSoermittelung für H^ilftättenentlaffene, 
beßnbet ftd) nod) in ben Anfängen. 8 h r erfolgreicher Ausbau 
hängt oon ber wohlroollenben BtitwirFung ber Arbeitgeber ab. 
Aud) ber Befchäftigung ber fteilftättenpfleglinge in ben Anftalten 
felbft wirb immer größere Sorgfalt gemibtnet. — $)etn Ecntral* 
Fomite finb bie Bertreter oon 45 Stäbten neu beigetreten. ®ie 
Gefammtgahl ber Btitglieber hat fich auf 466 erhöht. SDer Ber* 
mögcnSftaub betrug am Schluß beS Saljre# 1898 runb 250 000 
9Rarf, bisher finb bereits 224 500 Jt. an 3ufd)tiffen für $eil* 
ftättcnunterncf)mungen bewilligt, 70 000 dt finb an folcßen Qu* 
fd)üffen in Ausfid)t gefleÜt. 

$)er Bräfibent beS 9teichS*BcrfidjerungSamtS Gäbel berichtete 
fobann über bie Abänberung ber Statuten, mit beren Annahme 
fich bie £hätigFeit beS EeutralfomiteS infofern erweitern wirb, als 
nunmehr auch alle an ber Errid)tung oott ßungenljeilftätten an* 
fd)ließenbeit Maßnahmen Gcgenftaub ber 3:hätigfeit fein follen. 
§. 1 ber Saßungen lautet jept wie folgt: 

,,^as bcutfdjc Ecnlralfomitö gur Erndjtuitg 0011 $»cilftättcti für 
Lungcnfranfc ocrfolgt beit gtoeef, im Gebiete bcs Aeidjs bie für bie 
BcFäutpitutg bei* Üubcrfulofc al# BolfSFvanfbeit geeigneten Aiaßnaltmett 
nuguregen unb gu förbcnt, insbefoubere auf bie Errichtung oott Heil* 
ftätten für unbemittelte unb miuberbemitteltc LungenFranfc liiuguwtrfeu 
unb erforberlid)eufalls bie Erridttuug fold)er Heiiüntteu burd) ©ewäl)= 
ruug oon ;gufdjüffcti gu ben Haften bei* Begrünbutig gu unterftüpeu. 
3 » ben Höften ber Unterhaltung ber Heilftätteu werben ^ufdjüffc tu ber 



397 


Soziale ^raris. Cfentralblatt für Sozialpolttif. 9fr. 15. 


39s 


Hegel nicht gemährt; vielmehr ift es erforbcrlidj, baß btc hierzu notfj* 
roeitbigen Soften in anbercr Söcifc (burdj Lofaloereine, Vereine oont 
Hotljen Kreuz, Kommunaloerbänbe, BerficherungSanftalten, Armenoer* 
bättbe, Erhebung oon billigen BcrpflcgungSgelbern) gebeeft roerben. 
XaS Ecntralfomite roirb es fidj angelegen fein laffen, bie non iljm 
unterftüfctcn .'pcilftättcn im Kriegsfälle zur unentgeltlidjcn Aufnahme 
litngcitfranfer Militärperfonen, foroeit möglich, jugänglicf) jn machen. 
XaS Eentralfomite bat feinen Stfe in Berlin." 

Qk neuaufgeftettten Safcungcn fanben einftimmige Aunahme. 
Hläbann nahm ber .^ergog non SRatibor baS fBort, utn auf ben 
unter feinem Borfifc für bie ^fingftroocfje nach Berlin einberufenen 
Kongreß ^in^uroeifen, ber bas Sßefen ber £uberhi!ofe, ihre ©e* 
fahren unb bie gur 3*ü oorljanbenen EKtttel z” ihrer Befämpfung 
roeiteften Greifen tror Augen führen fott. EDJan motte babei zugleich 
@inheitlid)feit in bie Beftrebungen bringen. Auch bas AuSlanb 
fotte zu biefem Kongreß eingelaben roerben, unb man hoffe, bap 
ber Einlabung gern £?oIge geleiftet roerben roerbe, ba man aller* 
ortS bie führenbe Stellung 3>eutfchIanbS auf biefem ©ebiet an* 
erfenne. Heber bie fpe$ietten Aufgaben beS ÄongreffeS oerbreitete 
fi(h ber ©eheinte Statt) ^rofeffor Dr. oon fiepbeit. Er roieS babei 
zugleich auf bie Erfolge ber ,f>eilftättenbehanblung hin. SDer Äon* 
grefc felbft roerbe fünf fragen behanbeltt unb J)abt für jebe biefer 
§ragen eine befonbere Abteilung mit groei SBorfifcenben eingefebt. 
Xcr lebte Eßunft ber XageSorbnung lautete: „3Bte ftetten fidj bie 
©emeinben jur £>eilftättenfrage?" $er erfte Referent, Dberbürger* 
nteifter oon Borfcbt=i>cünchen, be^eirfjnete es für bie nächfte 3 u ^nft 
als eine ber roidfjtigften Hufgaben ber ©emeinben, burd) Errichtung 
oon §eilftätten mit einzutreten in ben energifeben Kampf gegen bie 
Zungen fdjroinbfudjt. 2)er Korreferent, fianbrath 93afe*3aarbriicfen, 
oerbreüete fich zum Schluß über bie Stellung ber Heineren Stabt* 
unh ßanbgemeinben, bie fich in biefer Örage in ber §anptfad)e 
auf bie Äreife gu ftüben haben roerben. 

Gkroerbegeridjte. fciuigunosftmtcr. #d)tel>£gcrtd)te. 


HodjittalS ber 0todarbetter*AiiSflattb oor bem EinigtragSanst beS 
©etoerbegeruhtö Berlin. gn ber „Soz* $rayis" 9fr. 11 Sp. 293 fjnt 
.EScrr £. Steigert einen Bericht über bie Beilegung eines Streifs oor 
bem ©crocrbcgeridft Berlin als Eiiiiguugsamt veröffentlicht, Bon £>erru 
&. Ebcling gebt uns hierzu eine (Entgegnung ju, bie foroobl bie Nichtig* 
feit ber erfte” I'arftellung als bie Berechtigung ber oon fterm Steigert 
gegen biegübrer in jenem Streif unb bie Leiter bes ©eioerffchaftsfartellS 
erhobenen Borroürfe beftreitet. ^unädßt roirb ber Ausbruch bes Streifs 
folgeuberntaßcu gefdjilbert: Ja bem 6. Lubioig’fdjeu Betrieb mären in j 
einem Haum fünf Auffcßer befdjäfttgi, roooou bie Arbeiter Deubel unb I 
giftet fidj ben übrigen gegenüber unfottegialifd) oerhielten, jebes B$ort I 
bcmEhef Ijiuterbrachten unb baburch eine feiubfcligc Stimmung heroor* 
riefen. SDfitte Cftober hörte Deubel auf. $rci 2Lod)eu nachher rourbe 
grä&borf mitgetheilt, bah er roegen Arbeitsntaugcl eutlaffen roerben 
müßte, dagegen rourbe B^enbel roieber eingeftellt. 2Bcil nun grähborf 
bisher beftreht geroefen bie ncunftüubige Arbeitszeit einjuhaltcu unb 
Lohnabzüge abjuwehren, erblicften bie auberu Kollegen itt fträftborfS 
Gntlaffuug eine Maßregelung, legten bie Hrbeit nieber unb [teilten bie 
Aorberuug: B^enbcl z” eutlaffen unb gräßborf roieber einjuftellen. j 
hierauf rourbe oon Seiten ber Crganifation oerfu^t bie Angelegenheit | 
mit ben Herren A. Lubroig & (So. z” regeln. Sie roiefeit aber jebe | 
(Einigung zuriief. tiefes briisfc Berhalten hatte jur ^olgc, bafj aud) bie 
Arbeiter oon Hidjarb Lubroig (^roifdienmeifter oon Ä. Lubroig) bie 
Arbeit einftcQten. (Ein nochmaliger UnterhanbIungS s Berfudj rourbe 
roieber abgeleljut. Später aber roaubten fidj bod) bie §crrcn A. Lubroig 
cL (So. an ben Berbanb ber Sdhinninbuftrierieu unb fdjließttd) an 
bas (finigungsamtS bes Berliner Wetoerbegcridüs, bei beut ber Streif 
betgelegt rourbe. — Ses Breiteren roirb bie Mittheilung bes .fternt B?eigert, 
baß bie SdjnapSflafchc bcftänbtg roähretib ber Arbeit gefreift habe, ent* 
fdiiebcn jurüefgetoiefen; nur einmal fei cs oorgefontmen, baß ber Arbeiter 
B>eubel einen' als nüdjtemeu Mcnfcheti befannten .Stoliegen jur .Htteipc 
geführt unb betrunfeu gentadtt habe, roas bie (Entlaffung bes Lcbtereu 
Zur Jyolgc gehabt habe. — (Gegenüber ben oott .'oerru BJcigert gegen bie ' 
Rührer im Streif erhobenen Borroürfe oerroeift Cierr (Ebelittg auf bie 
BJorte bes ©eroerbegcricfttsoorfibenben an bie Herren A. Lnbroig & (Eo.: ! 
„3h”f” f a 9 c id), bah Sie einen großen £beil Sdntlb haben; es möge 
ohnen eine Lehre fein, baß Sic es roegen einer fo geringfügigen 3ad)c 
nicht roieber zu foldtem Streif fontmen laffen." ^um Schluß ber ; ) ) it= ! 
fdjrift erflart .^err (Ebelittg, fie mürben and) ferner ihren Arbeitsgenoffen { 
„in ihren Kämpfen mit Hath unb 2hat Z"^ «fitf ftchen." - BMr j 
hielten uns für oerpfliditet, and) biete Anfiriit Z” BJort fotitttten Z” htffnt, 
um fo mehr als mir felbft nidtt im Staube finb ]u etitfdtcibcu, roeldtc 
T a rite litt 11 g beS Falles ben Jhatfftdieu entfpridjt. Auf (Erfuubiguug att 
Zuftänbiger Stelle erfahren mir allerbittgs, baß bie Auffaffung ber Ar* 
beiter oott ber (Eittftehung bes Streifs nicht burdjrocg in ben Berhaub= 
inugen oor bem (9eroerbegericht als |tttreffeub betuiefen roorbett ift. 


Uttetutifdi* 3Lttjcigeo. 

I. ttnb Brofdjürett. 

Jahrbuch für ©efehgehung, Berroaltuitg unb BolfSrotrth = 
fchaft int ^eutfehen 9teich- 23. 3”h r 9- -fc>erauSgegeben oott 

Euftao Schmoller. ErfteS ^>eft. Leipzig 1899, 2)uncfer& .^umblot. 

Unter ben größeren Auffähen biefes fehr reichhaltigen unb 
roerthoollen ^efteS fteljt an erfter Stelle eine Stubic oon Brof. Sdimoiler 
über bie Urgefchichie ber Familie, Mutterrecht unb ©eutiloerfaffung. 
E. Münfterberg fc^t feine auS bem 9tadjlaffe bes ftrcifjerrn o. Heihenftein 
BerauSgegebenen unb ergänzten Beiträge z”*-’ ©efchichte unb Theorie 
6e0 ArmenroefettS fort. Freiherr 0 . Bklcf veröffentlicht einen Auffah 
über baS gabriffdntlroefen im Königreich Sachfen. o. Jvranfenberg 
erörtert bie rcidjsgeicfclidjc ^amilicnoerfidjerung. Banfbircftor Ströll 
hat bie erfte Hälfte eines AuffaheS über bas bcutfdhc Eelbrocfett im 
Kriegsfälle beigeftcuert. Ueber bie Heorganifation ber franjopf^en 
ffonbsbörfen äufjert fidj A. Sapous. K. Bretjfig führt ben Lefer in 
eine Sdjilberung oon Staat unb Stäuben in ^ranfreich toähreub bes 
^ahrhunberts ber Bürgerfriegc (1550—1660). Ein intereffantes $ro* 
blem, baS Berhältniß bes BerbraudjeS ber Maffen z” bem Kottfunt ber 
SBohlhabenben, befpriefjt K. E. Map; er fornntt auf GJrunb feiner 
ftatiftifchen Beredjnungen zu Sdjlüffett, bie ber Maryiftifdjen Xoftritt 
roiberfpredjen. St. Hiebt giebt eine Darlegung ber gabrifgefehgebung 
in Hcu*SeeIanb. Ö. o. SSihlebcn tritt an bie Borfdjläge Z”r Heform 
beS Snoaübengefefces heran. Literarifdje Anzeigen machen ben Befchlufc 
beS ^efteS. 

Hehbadh, Dr. Anton, $ie §anbroerfer unb bie Krebitgenoffeufdjaften. 
Ein Beitrag z”r $anbroerferorganifation (Stubien aus (EoIIegium 
Sapientiae zu greiburg i. Br. 2. Bb.). greiburg i. Br. 1899, 
gn Komntiffion ber ©cfchäftsftelle bes „(EharitaSoerbanbes für 
baS fatljol. ^cutfchlanb^. 132 S. 

Blanc, Louis, Drgauifation ber Arbeit. Hach ber neunten um* 
gearbeiteten unb burd) ein Kapitel oermehrten Ausgabe bes 
Originals, überfefct oon Hobert Präger. Berlin 1899, H. L. Brager. 
328 S. SßreiS brofeh- 2 Jt. 

HeicheSberg, $rof. Dr. jur. H., $ic Soziologie, bie foziale grage 
unb ber fogenannte HechtSfozialiSmuS. Eine AuScinanberfepung 
mit ®erm ^rof. Dr. Lubro. Stein, Berfaffcr beS BudheS „X\c 
foziale grage im Lid)te ber ^hilofophie*. Bern 1899, Steigeret Eo. 
129 S. 

^ie beutfehe $anbe iS* Stati ft if nach ihren gegenroartigeu Ein* 
ridjtungen unb Leitungen. (9am*Eiitfuhr unb »Ausfuhr in ben 
gahrett 1889 bis 1897. Ergänzungsheft Z” ben Bicrteljahrs* 
heften zur Statifti! bes £eutfdjen Heichs, Jahrgang 1898, §eft IV. 
$erauSgegeben oont Kaiferl. Statiftifdjen Amt. Berlin 189s. 
Buttfammer & Mühlbredjt. s Preis 1 Jt. 
.hagcnbach s Burdharbt, $rof. Dr. E. 2)ie Krippen unb ihre 
bugienifebe Bebeutung. geua 1899, Ohtftau gifdjer. 35 3 . 
^reiS 75 &f. 

Ser Bäcfcrftreif oon Hamburg * Altona * SLattbsbef. Bleiche 
Lehre zieht*” roir aus biefem Kampfe? Hamburg 1898, £. 
mann. 63 S. ^reis 20 ?{. 

II. ^rmffmhen oott Berttmlhtttgett, Beremett 2c. 

StatiftifdjeS galjrbudj ber Stabt Berlin. 23. galjrg. Statiftif bes 
galjres 1896 nebft ben weiteren Ergebniffett ber beibeit Bolfs* 
Zählungen ootrt Jahre 1895. Jm Aufträge bes Magiftrats 
herausgegeben oon H. Böcff), ^ireftor beS Statiftifchen Amts 
ber Stabt Berlin. Berlin 1898, Stanfieroicz. 

2 )a§ überaus reichhaltige Buch ift int Laufe ber Jahre ein itncut* 
behrlicheS gülfsmittcl getoorbett für geben, ber ftd) mit bett Berhältuiffen 
Berlins eiugehenb bcfdjäftigcn roill. 

Bericht über bie Berbaitblutigen ber Arbcitsuachroeis*Konfercn| 
Zu Leipzig 00 m 5. September 1898. $>erauSgegebeit oom Ar* 
beitgeber=Berbaub .&amlmrg*Altona. Hamburg 1898, Berlags* 
anftalt unb Xruiferci A.=01. (oorntals J- g. Hidjter). 107 S.' 
Statistisch Jaarboek der Gemeente Amsterdam, uitgegeven door het Bureau 
van Statistiek der Gemeente. 2. Jahrgang 1896. 6. Deel: Geblieke 
Diensten, handel en scheepvaart. Prijs f. 0,35. 

9Bicshaben. Beridjt über bie Berioaltung ber ©emeinbcangclegciihciteu 
pro 1897/98. 

©örlijj- Bericht über bie Berioaltung unb beit Staub ber Glcmeinbr* 
angclegeuheiteu ber Stabt (ilörliß pro ls97 9 s. 

- Jaljresabidilttß ber Stabt=.v>aiipttaffe zu (')örlip pro 1 s97,9h. 
Statiftifdjes Jahrbud) für bas ('Iroßlierzogtbmit Baben. 29. Jahrgang 
1897 unb 1898. Karlsruher Marflot'idic Xrueferci. 

Mainz. Berioaltuitgs^ Hedienfdiaft ber ('»rof;b. Bürgermciuerri bir 
Bvoo.-vauptftabt Mainz pro 1. April 1^97 9^. 

— Hedtcnfdiafts = Beridtt bes Sräbtiidieu ^uisuß'-rtes zu Main', pro 

1S 97 '9s. 

— B er to a 11 ut t g s=9i e di ei 1 i cha i t ber Stübliüöen Armni-Teputatioit nitb 
ber StäMiidteit voipizien * Teputatiott Z” Mainz pro 1. 'Aon! 


1 S 97 / 9 S. 

i ? cranl»DovtIld) für btc Sicbaftinn: Dr. (intft grauetc tu Öerlitt W v ^ai}ieiithciffraf;i 






•199 Soziale Sßrajiß. Gentralblatt für ©ozialpolitif. 9?r. 15. 400 

®ie „Vitale fivarl*" erfc^cint an jebeni ©onnerßtag unb ift burcf> alle SBudjbanblungen unb Sßoftamter (^oitjeitungSnummer 7072 ) ju beziehen. ©er $rei 8 
für baS 33 ierteljaf)r ift $Di. 2 , 50 . 3 *bc Kummer foftet 30 $ßf. ©er AitzcißcupretS ift 60 $f. für bie breigefpaltene s J$etit3eüe. 


^erfag Der 3 . <5. goHa’fcfjett ^udjljanMutig 
^ödjfofgrr in Stuttgart. 

Soeben erfcfjicncn! 

Pümtj etter ^oUrsujirtfrljaftlidjc ^tnJtien. 

£>eraußgegeben uoit 

©ujo Brentano unb palUjer <©o$. 

21 d] t u ii b 3 m a u 3 i g ft c $ 5 1 ii cf: 

fas §d)lnfftrllriuucfen 
in kn bentfdjcn frojpMcn 
unb feint |efnrnt 

mit btfonberrr ^rrü^fu^tigiing brr §labt fflöndien. 

Son 

©mit C* a b tt, 

$reiß gelj. 3 9)farf. 

©ie ftrage beß ©cßlaffteHenroefenß mirb Ijter 
jum erftcmnal of)nc ©lerbinbung mit affen anberen 
©eilen ber 'Bofjmtngßfragc beljanbelt. ©ie 
fonalen unb mirtfdjaftlidjen ^uftänbe 
unb ©Sirfungen, foioie bie jur Reform beß 
©djlafftellenmefcns uorgenominenen $Jaß* 1 
nannten non Seiten beß Staate, ber ©efell* 1 
fdfjaft unb ber Arbeitgeber im ©eutfefjen j 
Jteidjc unb im Außlanbe merben cinge^enb be* 
fprodjcu unb Anregung jur weiteren pofitiuen 
©bätigfeit bctyufß SBefeitiguug ber 3>?iß = 
ftäitbe be* ©djlafftettenmefeuß gegeben. 

3u besiedelt bitrrij btc meiften JBudjfjattbluttgen. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel, Berlin W. 


Arbeiter-Versicherung 

im Auslande. 

Bearbeitet von 

Dr. Zacher, 

Geh. lieg.-Rat im Reichs-VorsJchemngsamt. 

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Die Arbeiter-Versicherung in Dänemark. 

Heft ll/lll. 

Die Arbeiter-Versicherung in Schweden 
und Norwegen. 


Um beit neutjinjugetretenen Abonnenten 
! unferer SSodjcufdfjrift ben ÜBezug ber älteren 
^öljrgängc zu erleichtern, Iaffen mir bie folgcnbc 

Zeitweilige JircißlKrabfemntg eintreten: 

©o lange ber nur noch geringe Vorrat 
au ooUftänbigen @jemplaren reicht, merben 

Me erfteit feebs 3al]rgättge 


ber Sozialen prayis , t>. &. 

©ad ^ojiatyolitifdje <£entral= 
blatt Jahrgang I—Illföanuar 1892 
biß ©eptember 1894), unb baran au* 
fdjließenb 

©ie Soziale 3a&rgaitg 

IV—YI (Oftober 1894 biß ©eptember 
1897) 

junt ermäßigten ©efauitbarprcife uon 
nur 36 SMarf für bad DoUftättbigc 
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2eipjig, 1899. 


Bitttther & §umblot. 


Die Arbeiter-Versicherung in Frankreich. 


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H. Bechhold Verlag , Frankfurt a. M., Krame 21. 

^ Den neuen (III.) Jahrgang 

j&Z ■ beginnt am 1. Januar 1899 

tn bedeutend vermehrtem Umfang 

{ Mm ) DIE UMSCHAU 

V /'■ / Übersicht über die Fortschritte 

w / r^l und Bewegungen auf dem Gesamt* 

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Mitarbeiter sind u. a.: Prof. Arrhenius, Leo Berg, Dr. du Bois-Reymond, 
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Brinkmann, Prof. M. Büchner, Felix Dahn, Prof. Dürre, Geh. Rat Ebstein, 
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S. Günther, W. Huggins, Kurd Lasswitz, Justin Mc. Carthy, Meier-Gräle, 
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Jährlich 53 Numme 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und die Post. 


Otto LiieUmanii, Verlagsbuchhandlung, lierlin W. 35 . 

Deutsche Juristen-Zeitung. 

Herausgegeben von Dr. Laband, Dr. Stenglein, Dr. Staub. 

Erscheint am 1. und 15. jeden Monats. M. 3,50 vierteljähr¬ 
lich. I.—III. Jahrgang (1896/98) geb. ä M. 16,—. 

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lusbesondere auch alle interessanten juristischen Tagesfragen von hervor¬ 
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— Am i. Januar begann ein neuer Jahrgang. — 


©olangc ber nur nod) geringe Vorrat au noll* 
ftänbigen ©jemplarctt reicht unb biefe zeitweilige ^hreid* 
bcrabfcfmng nidjt aufgehoben ift, merben bie 

Glätte für Soziale ptafis, 

Saßrgöitg I, II unb III. Saljrgang, erfted 
C.navtnl (jufammen 117 Hummern) (4. Januar 1893 
biß 28. 3Ttärs 1895) 

Zunt ermäßigten ©efanttbarpreife ooit 13 50 

für baß üollftäubigc (Sjemplar (ftatt bißljer 22 2)?f. 50 if?f.) 
abgegeben, lieferbar Leipzig. 

3u btefen 93ebingungen fanu jebe beffere ©ortimeutß* 
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' c,pi ‘ 0 ' l899 ‘ Sumher & Ijnmblot. 


Re vue d’Economie 
Polit/que. 

Hgg. von Cauwös, Gide, Sch vwiediand und ViUey m 

Kedactionssecretäre: Jay und Kouchon. Diese Monatsschrift brachte 
bisher u. A. Beiträge von Beauregnrd, y. Böhui-Bnwerk, Brentano, 
Bücher, Clark, Cossa f, Foxweil, Issajev, v. Körösi, Laveleye f, 
Levassenr, Loria, Macleod, Mataja, du Maronssem, Menger, 
v. Miaskowski, Munro, y. Philippoyich, Fiernas, Pigeonueau f, 
Rabbeno f, Sanzet, Sclnnoller, Wal ras, Webb, Wester gaard. 
Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs. 

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4<crantroortli(tj für hte ftuictgcu: vcUuiutli tüetbeh iicippfl. — Verlag non Xunctev & (puinblot, Seipiig. — öebrueft bet ^uliu« «itteteelD, Berlin. 













VUL fajpgtag. 


Serlin, ben 19. Januar 1899. 


Itnmmri 16. 


Soziale ptajte. 

{$enfrafMaft für 

mit 5er SftonatSbetlage: 

Pas dtewetbeamch*» 

©rejan fces Derbanöes beutfcfyer ©etperbegeridjte. 

Acue golge bcr glätter für fogtale sprayt#* unb bc# „©ogialpolittfdfjen (SentralblattS*. 

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3nl)alt 


Ungleiches ©tafe! Con Dr. ©rnft 


Stande, ©erlin.401 

«MoemetneCoataf« uub Wtrtpfftaf«*» 
pofMI.405 


Berein für (soafalpolttif. 

S)ie preufclfcpe Spronrebe. 

Annahme ber 3nbaltbitäiSoerfic|e* 
lungS.Aodefle im ©unbeäraip. 
©efepentwutf betreffenb bie ein» 
getragenen ©erufSdereine. 

2)1e ©etoegung im beutfepen ©mp* 
btuef gern erbe. 

ftomntal« .... 407 

Arbelterfürforge in Köln. 

Hinflug ber ArbeiterderflcpeTung auf 
bie ßffenttiepe Armenpflege in OS» 
nabrfid. 

Keine ArbeiterauSfcpüffe für ftÖbtifcpc 
Arbeiter in ßelpaig. 
ArbeiiSIofenffitforge in ©ern. 

fitielf ßnftänbe ;.408 

Sopnberpältniffe unb 3n* 
datibenoerfiepetung. ©on $. 
£oin f ©erlin. 

©eue J&auSinbuftrie als grauen« 
ermeTb. 

Kinberarbeit in ©nglanb. 

©ie ölaSpfitte bon Albi. 

©er Acptftunbentag in ben ©larine» 
. betrieben in Amertfa. 

AfNttecOcluctsuf.411 

©om jtoeiten beutfepen ©ee* 
mannSfongxep in Hamburg, 
©in atlgemeinet beutlet ©ewerf* 
fcpaftöfongrep. 

©er Krefelber Söeberftreif. 
©rganifation ber Arbeitet in ftübti» 
fepen ©etrieben. 

©emerfoerein cprfftUcper ©ergarbeiter 
SDeutfdjlanbS. 

©treifS in Qeutfcplanb toSprenb beS 
©esemberS. 

8mashing Trade Unionisro. 

©er Kongreß englifcper ©ergarbeiter. 
©et nationale Kongtejj bet fran» 
gbfiftpen ©ergarbeiter. 


©et AuSftanb bet JpanblungSgepfilfen 
ber Kolonialmaarenbrancpe in ©ariS. 
AuS ber ametilanifcpen ©ewerfflpaftS* 
betoegung. 

ttrtrf*#na<*toeil.418 

©entraloerein für Arbeitsnachweis in 
Serlin; Organifation bon paritü» 
ttfepen gacp»Ärbeitßnacptoeifen. 
ArbeitSnacpweiS*Antrag im ©etcpStag. 
fflereiitS.ArbeiiSnacbtoeiS in ßeipjig. 
©ermeprung ber gemeinblitpen ArbetiS» 
naepmeife in ©apern. 

©aS ftfibtif(be Arbeitsamt ©tündjen 
1898. 

ArbeitSmarft im ©ejember 1898. 

©ie ArbeitSbermittelung in Defter* 
teicb. 

f9ob*MUfl#»cfe*.420 

©obenpreife in ©rftffel. ©on 
K. b. ©iangolbi. 

©orarbeiten für ein SRelcpSwopngefep. 
SBopnungSderp&ltniffe ber ©ifen» 
bapnet in ©apem. 
SBopnungScnquete in ©öttingen. 
©rfinbung eines gemeinnüpigen ©au» 
bereinS in ©ocp. 

©au bon Arbeiterwopnungen in 
©reSben. 

©er ßübeefet ©auoerein. 

©au» unb ©parberein in ©uSfircpen. 

©o*Uie ©tigiene.422 

Offene ©erpflegungSftatlonen für 
Sungenfranfe. 

©ie Söurmfranfpeit unter ben ©erg» 
leuten beS ftuprgebietS. 

Krippen. 

©etoerbeflertebte. ©inienitaSämier. 

6dliet#qerid)te.423 

©in ©eitrag aur Kompetena« 
ermeiternng ber ©emerbe» 
geriebte. ©on 3Jt. b. 6cpula, 
©orfipenbem beS ©emerbegericptS 
©erlin. 

Petitionen ber ©emerfdereine um 
©erbefferung beS ©eroerbegericptS» 
gefepeS. 

©ine ©ntgegnung. 

Ütttrrorlfdie tto§g*g*8.430 


Abbrucf fflmmtlicper Artttel ift ßeitungen unb ßettfcprtften geftattet, Jebocp nur 
mit boUer {Quellenangabe. 


UnqUU)t$ Ma$l 


S)ic beutfd^e Gefefegebung über bie Regelung ber gewerblichen 
Arbeit#oerhältniffe ruht auf bem Grunbfafc ber Freiheit oe# 
ArbeiiSoertrage#. Dabei wirb bie ©Iei<f)bere(§tigung ber beiben 


SSertragf^Iiefeenben, ber Unternehmer unb ber Arbeiter, oorauS* 
gefegt: 4)er ^ontraft !ommt gu ©tanbe, menn beibe Sheile au# 
freiem (Sntfdjluffe fid) über bie ßeiftnng unb ©egenleiftung einigen, 
unb er bleibt fo lange in Straft, bi# Stünbiguna erfolgt; Sbänbe* 
rungen be# Verträge# fönnen roährenb feine# ©efteben# nur mit 
beiberfeitiger dintniHigung getroffen roerben, eine einfeitige 9)tobi* 
fifation bebeutet einen ©ertrag#bruif). 3)a# ift geltenbe# ©emerbe* 
recht. 3« Söirflicbfeit aber beftebt an ftd) roeber bie Freiheit noch 
bie ©leicbberecbtigung be# Arbeiter# beim ©ertrag#fcblu( 3 . (Sr ift 
arm unb bie Arbeit ift ba# einzige Mittel, ihn unb bie 6einen 
ju ernähren, folglich ift er in oer Siegel gegroungen, bie ©e* 
oingungen angunehmen, bie ber Unternehmer aufftellt. Unb bie 
Arbeit ift untrennbar mit feiner ^erfönlidjfeit oerfnüpft, bamit er* 
langt ber Arbeitgeber ein ^errfchaft#oerhältniB über ihn. ^Srin- 
gipieU erfennt auch ^efehgebung bie 9toth* unb 3*oöng#lage 
be# Arbeiter# an. S)er Arbeiterfchufe unb bie Arbeiteroerficherung 
finb biefer ©rfenntnife entfprungen. ©or Allem aber h&t ^ c r 
6 taat bie Koalitionsfreiheit gugeftanben, fo bafe bie Arbeiter felbft 
burch Bereinigung unb Drganifation bie ihnen geioährleifteten 
Rechte bei Abfchlufj unb Durchführung be# Arbeit#oertrage# in 
©irflichfeit umfefeen fönnen. 

Dreifeig Qafere befteht nun biefe gefehlte Regelung be# 
Arbeit#oerhältniffe# im ©eroerbe. Aber mir finb weit baoon ent* 
fernt, gegentoärtig meiter al# jemal# toährenb biefer 3«t, bafe alle 
Organe be# 6taateS, bie Sötehrgahl ber Unternehmer unb weite 
Kretfe oon „Befife unb Bilbuna" biefe gefefclichen Anfprüche ber 
gewerblichen Arbeiter auf Gleichberechtigung im ArbeitSoerljältniffe 
auch praftifch anerfennen. Der 0taat felbft ift e# gewefen, ber bie 
anberen BerufSftänbe organifirt h^t: £>anbel#fammern oertreten bie 
Sntereffen ber Kaufleute unb ber Snbuftriellen, in Qnnungen, Ge* 
werbe* unb§anbmerf#fammern finbet fich ba# Kleingewerbegufammen, 
bie ßanbwirthe hoben ebenfall# ihre Kammern. Die Arbeiter al# 
folche hoben feinerlei ftaatiieh organifirte ©ertretung. 3So fxe fich 
aber gu freien ©ereinen gur SBahrung ihrer Berufsangelegenheiten 
xufammenfchliefeen, ba ftofeen fie an allen Gcfen unb Kanten an 
bie Beftimmungen be# ©erein#* unb ©erfammlung#recht#.*) Söieber» 
holt ift ber ©eid)#tag für eine Befeitigung biefer 6chranfen ein* 
getreten, ber Bunbc#rath aber hot e# bi# jefet ftet# abgelehnt, 
biefen Befchlüffen Sfolge gu leiften. Ungehinbert jeboch mehren fidp 
uub wachfen bie Unternehmeroerbänbe; Kartelle, Druft#, 6pnbifate 
gehen auf Haltung Iohnenber ©reife, grofee ©ereilte treten gur 
Erörterung wirthfchaftlicher unb fontmergieller Angelegenheiten oon 
eminenter politifcher Tragweite gufammen, Arbeitaeberoerbänbe 
faffen Befchlüffe gu 0(hufe unb Drufe. Keine ©erwaftung#behörbe 
ftört fie in ihrem Beginnen. Ueber bie Arbeiierberufsoereiite aber 
wacht bie^oligei mit taufenb Augen. Sfere Beftrebungen gelten felbft 
bann oft al# politifcfe, wenn fie nur Bernfsintereffert ber Arbeiter 
oertreten, ba# ©erbinbung#oerbot für ©ereilte ift feit 3af;ren nur 
auf fie angewanbt worben, bie gewerffchaftlichen Blätter wiffen 
genug oon ben 0{f)wierigfeiten gu berichten, bie ben ©erfatnitt* 
hingen bereitet werben. 


*) ©ergl. „Sogtalc ^rari#" VII Ar. s bnt Artifd: Paragraph s 
be# preufetfehett ©ercin#gcfepe# uttb bie' Arbcitcr o ©cruf#üereine. 

















403 


Sogialc ^rariS. ©entrnlDlatt für Sogtalpolilif. Ar. 16. 


404 


®ic Arbeiterbewegung aber wirb audj oor bem Rid)ter mit 
anberem 9J?ape geme)fen, als bie Vertretung ber Unternehmer* 
intereffen. ©in im Dienfte eines mäcptigen BubuftrieoerbanbeS 
ftepenbeS Drgan pat bieS unlängft burep ben Hinweis auf ben 
acfeplicpen Sinn ber Arbeitgeber beftritten, ber eben ben ©ericpten 
feinen Anlap gitm ©inf<preiten gebe. Die amtliche Statiftif rebet 
auf bem ©ebiete ber Verfehlungen gegen bie ©ewerbeorbnung 
inbeffen eine anbere Sprache. 3n ber jüngften Veröffentlichung 
(4. VierteljaprSpeft gur Siat. b. Deutfcpen Reiches) finben mir auf* 
gegäplt für 1897 an Beftrafunaen aus §. 146 ber ©ewerbeorbnung 
(Vorfdjriften über Söpnung ber Arbeiter) 99, ebenfalls §. 146 
(Vorfdjriften über Befestigung non Arbeiterinnen unb Bugenb* 
licken) 944, §. 146 a (SonntagSrupe) 7823, unb §. 147 (M'ongeffionS* 
Pflicht unb Anorbnungen über SicperpeitSoorricptungen in gewerb* 
liehen Anlagen) 10585 Bäde. 3nß e 9cben, bap hierunter recht oiele 
rein formale ober geringfügige uno läplicpe 3i ll ^i^rhanblungen 
finb, fo geht auf ber anberen Seite bocp aus ben SapreSbcricpten 
ber ©eroerbeauffiehtsbeamten immer roieber umoiberleglid) peroor, 
bap auch fcpwere Vergehen, bie ©efunbheit, ßeben uno Sittlicpfeit 
ber Arbeiter bebrohen, oor ©ericht gumeift einer fepr milben Be* 
urtpeilung begegnen. Auch bie lepten Bericpte*) finb ood fokper 
Beftftedungen: Vfandje Arbeitgeber, Uagt ber Beamte für baS 
Dberelfap, fegen auch ben befepeibenften Anfpriicpen im ^titereffe 
ber Arbeiter SBiberftanb entgegen. AuS aBeftpreupeit wirb mit* 
etpeilt, Pap für Vergehen gegen bie Arbeiterfcpupbeftimmungen 
ie ©eriehte in ber Regel fo niebrige Strafen oerhängen, bap'fie 
nicht als aitgemeffene Sühne angefepen werben fönnen. DaS 
©leiche melben Branffurt a/D. unb Arnsberg, ebenfo Gaffel. Die 
„unmenfcplicpe AuSnupung jugendlicher Arbeiter in einer Mabel* 
fabrif" pat iui Duisburger ^tuffiifjtsbe^irf eine fo ntilbe Strafe 
erfahren, bop fie „wenig geeignet erfcheint, gewiffenlofe Unternehmer 
oor ber Vegehung gleich fernerer ©efepeSoerlepungen gurücf* 
guf cp reden". Der ©ewerbeinfpeftor für Saarbrücfen erflärt: „So 
lange bie gerichtlichen Strafen für Uebertretungen ber Arbeiter* 
fepupgefepe fo niebrig bleiben, ift wenig AuSficpt oorhanben, Pap 
biefe ©efepe überall genau befolgt werben." Auf Bericpt beS Auf* 
fieptsbeamten in Düffelborf pat ber bortige RegierungSpräfibent 
bie ©rften Staatsanwälte erfudjt, bie AmtSanwäUe bahin angu* 
weifen, ,,bap fie bei Verhängung adgu niebriger ©elbftrafen feitenS 
ber Schöffengerichte in jebem Bade Berufung einlegen". Dies be* 
weift hoch Har bie $äufigfeit geringfügiger Strafen für 3uwiber* 
hanblungen gegen ben Arbeiterfcpup. 

Unb mit biefer milben $rafis ber ©eriehte gegen biejenigen 
Unternehmer, bie im ©egeufap gu ber gropen Rfeprgapl ihrer 
Pflicht* unb gefepeStreuen Bodegen aus ©igennup unb ©ewinn* 
fuept bie ©ewerbeorbnung übertreten, oergletcpe man bie Urtpeile 
gegen Arbeiter, bie fid^ bei AnSftänben Vergehen**) gu Scpulben 
fonimcn laffen! 2Sir greifen aufs ©craberoopl ein paar Bäde aus 
unferem Material perauS: 3 roe i Monate ©efängnip erhielt ein 
Arbeiter in ßübeef, weil er bei einem Streif einen anberen Arbeiter 
mit Drohungen cingefcpücptert hatte. Vier ©oipen ©efängnip 
würben oom ©eriept in Vtüncpen oerhängt, weil ein Schuhmacher 
burep Befcpimpfungen einen ArbeitSfodegen gur Dpeilnapme an 
einem AuSftanbe gu bejtimmen fuepte. Das Itanbgericpt 'I Berlin 
pat gmei Viaurer, bie gwei anbere Vfaurer burch Drohungen 
nötigen wodten, SBocpenbeiträge gur Streiffaffe gu gaplen, wegen 
©rpreffung gu 4 konnten begw. 2 SSocpen ©efängnip oerurtpeilt, 
ba fie in ber Abfiept gepanbeit hätten, einem Dritten einen redjts* 
wibrigen VermögenSoortpeil gu oerfepaffen. SBegen £>auSfriebeuS* 
brueps unb Bebropung erpielt ein itfaurer in VotSDam einen Sßonat 
©efängnip, weil er wäprenb eines Streifs auf einen Bau gefommen 
war unb einem Arbeiter gugefept patte, in benAuSftanb gu treten. 
SBegen Rötpigung finb gwei 3iaunergefeden in Stettin gu 4 Mo¬ 
naten ©efängnip oerurtpeilt worben; fie patten oon einem gu* 
gereiften Mollegen unter Drohungen oerlangt, er fode Vereins* 
mitglieb werben. Das £anbgericpt BlenSburg oerurtpeilte einen 
3immermann, ber oom Schöffengericht freigefproepen war, gu gwei 
Rtouaten ©efängnip, weil er Arbeitswilligen gefagt patte: „Ceute, 
pier ift Streif, BP* feib noep jung unb wipt nid)t, was Bpr tput, 
aber piitet (5ucp!" Die ^oligei patte auSbrütflicp bie „rupige unb 
befonnene s Beife" beS VJanneS begeugt. ©in Vlaurer erpielt oom 
fianbgeriept Berlin II einen Vtonat ©efängnip gubiftirt — wegen 
oerfuepter 9fötpigung — weil er einem Bodegen gefagt patte: 


*) Amtlicpe Sttittbeilungert aus ben BaprcSberichteit ber (bewerbe* 
auffiditsbeaniteh für 1897 S. 15, 52, 53, 108. 

**) 2)tc Stntiftif weift für ^uwibcrhanMungcii gegen $. 153 ber 
©ciocrbcorbnung im Bahre 1897: 254 Be [traf urigen auf. 


„2Benn Du nidjt in ben Verbanb cintrittft, bann giebt’S was 
raus". Drei Vtaurcr in §>ade a/S- erhielten 9 refp. 7 Vlmtate 
©efängnip wegen Vergehen gegen §. 153 ber ©ewerbeorbnung, 
Beleibigung unb Slörperoerlepung. Das Sanbgericpt ©rfurt pat 
wegen Befcpimpfungen unb Dpätlicpfeiten gegen einen ArbeitS* 
willigen einen Arbeiter gu einem Bapr ©efängnip oerurtpeilt. 
SBegen ©rpreffung oerpängte baS Sanbgericpt DreSben 6 Vtonate 
©efängnip unb 3 Bapre ©proerluft über einen Arbeiter, ber 
bei ßopnbifferengen betn Unternehmer gebropt patte, er würbe bafür 
forgen, bap bie näcpften oier SSocpen fein Vtaurer auf ben Bau 
fornmen fode. 

DaS Bilb wäre inbeffen unoodftänbig, wenn wir gu erwähnen 
oergäpen, bap auep Unternehmer wegen VtipbraucpS beS £oalitionS* 
rechts gur gerichtlichen Verantwortung gegoaen werben. AderbincjS 
fmb uns nur ein paar Bäde befannt. 3u Vfüncpen feprieb ein 
Vfeifter wäprenb eines Döpferftreifs einem abtrünnig geworbenen 
Bodegen einen Brief ood gröbfter Befcpimpfungen wegen feiner 
„Bubastpat", bie er nur burep Beitritt gum Arbeitgeberoerbanb 
wieber gut maepen fönne; baS Schöffengericht fpraep ipn frei. 3u 
©ifena^ bagegen finb Vorfipenber unb Sdjriftfüprer ber Vlaurer* 
unb 3immererinnung 5« 1 ©cfängnip oerurtpeilt worben, 
weil fie einen Vlaurermeifter, ber bie Bor& er un 9 cn feiner Arbeiter 
bewidigt patte, mit $enngeid)nung feiner ^erfönlicpfeit unb §anb* 
lungSweife oor ber Deffentlicpfeit bebropten. DaS ift AdeS! Dap 
aber auep auf ber Unternehmer feite reept häufig DerroriSmuS geübt 
unb manep ArbeitSwidiger an ber Arbeit oerpinbert wirb, bafür 
geben bie Statuten mancher Arbeitgeber* unb Babrifantenoerbänbe 
ben Beweis. Strafen, ftpwarge Giften, BopfottS unb AuSfperrungen 
fmb an ber DageSorbnung. VHr paben jüngft pier Vhttpeilungen 
aus ben Sapungeit beS DapetenfabrifantenoereinS gemacht, bie 
ade Vegifter ber Scprecf* unb Strafmittel giepen; Arbeiter, bie gwar 
orbnungSmäpig, aber gemeinfam fünbigten, foden minbeftenS brei 
Vtonate lang bei feinem VerbanbSmitglieb Arbeit erhalten. Btt 
Duttlingen ift biefer Dage in einer Scpupfabrif eine Arbeiterin 
wegen UngeporfamS entlaffen worben; brei Söfonate lang bleibt fie 
nad) bem Statut beS Vereins bei aden VereinSmitgliebern aus* 
gefperrt. $acp ber ArbeitSorbnung ber „Adgemeinen Acetylen* 
gefedfepaft B^metpeuS" in Seipgig ift.©runb gu fofortiger ©nt* 
Iaffung bie Vfitgtiebfcpaft beim s Dtetadarbeiteroerbanbe unb bie An» 
wefenpeit in einer feiner Verfammlungen. Der Bu^nHnfpeftor für 
Vpein* unb Oberpeffen berichtet 1897, bap ein groper Dpeil ber 
Unternehmer jeben Arbeiter entläpt, oon bem fie oermutpen, bap er 
IRitglieb einer Drganifation geworben ift. Derartige gärten finb 
niept bie Vegel, aber fie finb leiber auep niept feltene AuSnapmen. 
Viag fein, bap fie naep bem ©efep niept ftrafbar fmb, aber ipre 
fittlnpen, fogialen unb materieden VHrfmtgen fmb unfereS ©racptenS 
minbeftenS ebenfo gefäprlicp als bie AuSfcpreitungen oon Streifen* 
ben gegen Arbeitswillige. 

©S liegt uns fepr fern, wegen beS ungleichen dJlapeS in ber 
Bepanblung oon Unternehmern unb Arbeitern bei Blagen beS 
ArbeitSoerpältniffeS unferen Vicpterftanb ber bewupten ^arteilicpfeit 
u geipen. Das Uebel liegt im ©eift ber $ät\ ©S entfpringt ber* 
eiben Auffaffung, bie päufig genug ben Streif als einen Aft ber 
„Unbotmäpigfeit" auffapt, bie es gar niept begreifen fann, bap 
Arbeiter ebenfo wie Arbeitgeber bie ^onjunftur gur Verbefferung 
iprer ßage benupen. Bft nid^t begeiepnenb, bap ber Bunb ber 
BaugewerfSinnungen, ber auf härtere Beftrafung ber ÄoalitionS* 
oergepen pinbrängt, gleicpgeitig eine SDlilberung ber eoentued bie 
Baumeifter bebropenben Beftimmungen anftrebt, bie ben burep 
Baprläffigfeit bewirften Dob eines Vtenfcpen beftrafen? 3öir fepen 
oft genug, bap offenfunbige Regierungsblätter gang naio Partei* 
funbgebungen ber Unternehmer als ipre eigene Sacpe oertreten, 
aber bap bie “ißoligei* unb VermaltungSbepörben bei einem Aus* 
ftanb mit ipren Sgmpatpieen ober gar mit iprer £>ülfe auf 
Seite ber Arbeiter ftänben, ift uns, abgefepen oon ber Bewegung 
ber ÄonfeftionSarbeiter im 3&P*e 1896, niept befannt, wopl aber 
eflatante Bäde oom ©egentpeil (o. ^uttfamerfeper Streiferlap). 
©S wäre nur menfcplicp, wenn auep bie Ricpter oon biefer 3 e il* 
ftrömung erfapt werben. Dpatfacpe ift es jebenfads, bap feit B^P* 
unb Dag, feit ben Maiferreben in Bielefelb unb De^npaufcn baS 
gange feparfe unb umfangrekpe Rüftgeug beS StrafgefepbucpS gegen 
Streifoerbrecper in Bewegung gefept unb ader Sdjarffinn, ade 
Den tu ngSfunft ber 3»nften auf geboten ift, um bie Sünber gu 
faffen, fofern fie Arbeiter finb, wogegen B^u DpemiS bei Unter* 
nepmern in Sacpen beS gewerblichen ArbeitSoerpältniffeS meift nur 
mit bem Biuger bropt. $raftifcp ftedt peutgutage ber §. 153 ber 

*) „Sogiale ^raris VILI 3p. 33s. 




40o 


Soziale ^rariS. (Sentralbfatt für Sogialpolitif. Rr. 16. 


406 


©eroerbeorbnung lebiglicfe ein AuSnafemegefefe gegen Arbeiter 
bar. Unb trofebem roiH man feine Veftiminungen no<fe oerfefeärfen! 
greilicfe mirb ja aucfe gur Verufeigung gemelbet, bie Unternehmer 
moHe man ebenfalls treffen. Aber wer oerbürgt, felbft wenn Bier 
ßüden ausgefüllt merben fällten, bafe bann aucB banaefe gefeanbelt 
mirb? S)ie Recfetfpreifeung ber lefeten QaBre geroife nicBt, unb 
bann mürbe baS Rtofe, mit bem Arbeiter unb llnterneBmer gemeffen 
werben, noefe ungleicher. ©ine tiefe Äluft reifet biefeS „ungleiche 
SJtofe" in unfer Volf, unb bie grofee Aufgabe, „ben Staat im 
VolfSberoufetfein gu oollenben", mie2>afelmann fagt, fefeeint unfern 
Staatsmännern, Beamten, Ricfetern, gefefemeige benn ben „oberen 
Sefentaufenb" feBr fent 311 liegen. 

Rein! Riefet nur Strafbefttmmungen ftnb es, bie notB tBun. Uns 
ift fein gall befannt, mo ein TO&brautfe beS ÄoalitionSrecfets — ift 
bieS boefe fefeon ein feBr beutungSfäBiger 23eariff! — bei Arbeitern 
unbeftraft geblieben märe. $>as Regifter ber Paragraphen beS 
StrafgefefebucfeS, baS ber Ricfeter gur Verfügung Bat unb oft mit 
fcBier beängftigenber Shmft Banbfeabt, ift feBr grofe, unb roenn es 
Süden Batte, fo mürbe ber oielberufene „©robe Unfug" aucB auf 
Streifpoften, Vopfotte unb Söarnungen oor Sagug angemenbet. 
Rotfemenbig ift bagegen gleirfjeS 9)?afe unb aleicfeeS ©eroiefet bei 
allen Urteilen in Sacfeen beS gewerblichen ArbeitSocrfeältniffeS. 
2 >er filrbeiter, ber bei einer Vertretung feiner Sntereffen mit bem 
©efefee in $onf!ift fommt, foH niefet Bärter faBren als ber Unter* 
neBmer, ber biefelben Vkge roanbclt. Unb mie baS Kapital bie 
oofie ftoalitionSfreifeeit in umfaffenbfter SSeife für feine Ve* 
ftrebungen auSnufet, fo mufe aucB bi* Arbeit aleidje Sifecfjte erhalten. 
$)arum fort mit ben Scferanfen, bie bie VeroegungSfreifeeit ber 
ArbeüerberufSoereine in iBrer legitimen Sphäre etticngen! Starfe 
UnterneBmerorganifationen liegen im 3 u $ e ber 3eit, aber ftarfe 
Arbeiterorganifationen ftnb bie notBmenbige ©rgängung. Veiben 
mufe ber Staat, bie Vermaltung mie bie 3uftig, mit ooHer Un* 
parteilicfefeit unb Unabfeängigfeit gegenüberfteBen. Sn ©nglanb ift 
Dies jefet unoerbrücfelicfeer ©runbfafe, ber nacB Bartem Gingen fieg* 
reicB burefegebrungen ift. Au<fe mir müffen betreiben Vteg geben. 
Um uns aber Kämpfe gu erfparen, müffen ArbeiteraiiSKfeüffe, ©e* 
merbegeriefete, ©inigungS* unb Scfeiebsämter, Arbeiterfamntern in 
ben SDienft beS fneblicfeen Ausgleichs bei ArbeitSftreitigfeiten ge* 
ftellt werben. ©iefe Snftitutionen fittb fämmtlicB Vterfe ber fogialen 
©erecfeügfeit. SBenn ber ©eneralfefretär eines mächtigen Unter* 
neBmeroerbanbeS im September 1890 auSrief: Niemals merben 
beutfefee Arbeitgeber ftch bereit finben, mit Vertretern oon Arbeiter* 
organifaiionen auf bem gu&e ber ©Ieicfeberecfetigung gu oerBan* 
bem,*) fo Balten mir iBm baS ftaifermort 00 m 4. Februar 1890 
entgegen: „güt bie pflege beS griebenS groifefeen Arbeitgebern unb 
Arbeitnehmern finb gefefelicfee Veftimmnngen über bie Sonnen in 
AuSficfet gu neBmen, in benen bie Arbeiter burefe Vertreter, melche 
iBr Vertrauen befifeen, an ber Regelung gemeinfamer Angelegen* 
Beiten unb gur SBafernefemung iBrer Sntereffen bei Verfeanblungen 
mit ben Arbeitgebern unb ben Drganen meiner Regierung befähigt 
merben!" ' 

Verlin. ©.grau de. 


äUgettteine Sojial- traft Äirtfjfdjaftspolitih. 


Verein für Sogialpolitif. $>er AuSfchufe beS Vereins für 
Sogialpolitif Bat nebft mehreren feiner UnterauSfcfeüffe am 2 . unb 

3. Sanuar in Verlin getagt. ©S murbe fcftgcftellt, bafe oon ben 
im ©ange befinblichen Arbeiten beS Vereins 1 . bie Vättbe 3, 4 
unb 6 über baS £>aufirergemerbe bis 1. April, bie Vänbe 5 
unb 7 bis 1. Auguft; 2. bie Vänbe über bie JpauSinbuftrie 
ebenfalls bis bahin fertig merben, roährenb bie Unterfucfeungen 
über bie beutfehen VSafferftrafeen niefet oor etroa groei Saferen 
geliefert merben fönnen, biejenigen über bie Arbeiter ber Ver* 
feferSgeroerbe gunäefeft megen ber ablefenenben Spaltung ber 
preufeiftfeen ©ifenbafenbefeörbe oertagt mürben. 

$)ie ©eneraloerfammlung beS Vereins foH ©nbe Sep* 
tember in VreSlau mit folgeitber £ageSorbnung ftattfinben: 
1. bie .£>auSinbuftrie, ifere gegenroärtige fiage unb bie Sdjufe* 
gefefegebung für ifere Arbeiter; 2. baS ^aufirergemerbe unb 
bie ©ntmidelungStenbengen im SHeinfeanbei (Vagare, ^onfum* 
oereine 2 c.), mobei über bie gtoei ©lieber biefeS XfeemaS je ge* 
fonbert für ftefe oerfeattbelt merben foü. 2 )ie Referenten ftnb noefe 
nicht befinitio beftimmt. 


*) Scferiften beS Vereins für Sogialpolitif Vb. 47 3. 11. 


8 ür eine fünftige Verfeanblung, betreffenb bie SSofenungS* 
frage, mürbe befcfeloffen, in einem Sammelbanb baS gefammte 
oorfeanbene beffriptioe unb legiSlatorifcfee Material burefe eine 
Reifee oon Referenten furg unb gufammenfaffenb befeanbeln gu 
laffen. 

®it prcitfeifdje ^feronrebf, mit ber am 16. Saniiar er ft e 
Seffton beS fianbtages naefe ben Reumafelen gum Abgeorbneten* 
feaufe eröffnet roorben ift, fünbigt auf fogialpolitifcfeem ©ebiete bie 
Reuregelung ber ©eBaltSoerfeältniffe eingelner klaffen oott Unter* 
beamten an, fomie bie anbermeite Drbnung ber SBittmen* unb 
SBaifenoerforgung ber VolfSfchuIleferer. Aucfe mirb bie gefefelicfee 
Regelung ber Verfeältniffe ber itomtnunalbeamien für notfemenbig 
ertlärt. Auf bem ©ebiete beS ©emeinbe-SSafelrechtS mirb ein Aus¬ 
gleich gegen bie oon ber Steuerreform oeranlafeten Verfcfeiebungen 
oerfeeifeett. Aucfe ein ©efefeentmurf über bie fommunale Vefteue* 
rung ber grofeen Söaarenfeäufer ift in AuSficfet genommen. ®icfe 
gefefegeberifefeen Aftioncn roaren bereits befannt. dagegen entfeält 
bie ^ferotirebe fein üöort über bie f)erangiefeung oon praftifefe er* 
probten ^ülfsbeamten gur Vergroerhnfpeftion, ote oermutfelicfe im 
©tatSgefefee geforbert mirb. ©benfomettig erfährt man über bie 
Abfidjten ber Regierung bezüglich beS VereinSgefefeeS. ®a ber 
Antrag, bitrcfe ReicfeSgefefe baS lattbeSgefehlicfee Verbot beS Sn* 
oerbiubunatretcnS poliiifcfeer Vereine aiifgufeebcn, mieber im Reicfes* 
tage eingebraefet ift, fo mirb man möglicfeermeife bei biefem Anlafe 
autfeentifefee AuSfunft erfealten. ^)ie Xferonrebe fcfeliefet mit folgen* 
ben 2 öorten: 

$>te toirthichaftlicBen unb politifcfeen ©egenfäbe, oon benen unfere 
3rit erfüllt ift, legen ber Verwaltung unb ©efefegebung in befonberem 
äftafee bie VfKdjt auf unbeirrt oon bem Streite beS 2agcS, bie ftaat* 
Iicfeen ©iurichtungen im pinlcreffc aller klaffen ber Veoölferung gu 
fidjern unb auSgübauen. 2)ic ©ruitblagen unfereS Staats- unb 
VolfslebenS finb gefunb unb feftgefügt. ernftem Streben 
mirb an ber ©ntfaltung ber geiftigeu unb fittlidjen Äräfte beS Volfes 
gearbeitet. Auf mirthfcfeaftlicfecm ©ebiete geigt ficfe gefteigerte Schaffens* 
freubigfeit unb ftetige ©ntmicfelung; ber SBofelftanb beS Sanbes ift 
ficfetHch im S^acfefen. SDUt 3aoerfid)t blide id; beSfealb in 
bie 3ufunft. 

2 )ie in fo feierlicher Sonn fonftatirten, ebenfo erfreulichen 
mie unbefireitbaren Sfeatfacfeen enthalten inbireft eine berebte Siir* 
fpraefee, ja gerabegu eine Aufforberung, fräftige Sogialpolitif itn 
Sntereffe ber fcfemäcfeercn klaffen gu treiben. 

Attnafeme ber SnnalibenberflihernngS-Robelle im VunbeSratfe» 

Sn feiner ^ßlenarfifeung ootn 16. San. feat ber VunbeSratfe bem 
©ntrourf einer Abänberuna beS SnonlibitätS* unb AlterSoerfid)crnngS* 
©efefees naefe ben AuSIcfeufebericfeten feine 3 u ffanmung ertfeeilt. 
Sicfeer mirb bie Vorlage nun ungefäutnt an ben Reichstag ge* 
langen. 

©efeferntwurf betreffenb bie eingetragenen VernfSberetne. Snt 

Reichstage ift ber in ooriger Saifoit niefet erlebigte ©efefeentmurf, 
betreffenb bie eingetragenen VerufSoereine, oon ber freifinnigen unb 
[übbeutfefeen Volfspartei aufs Reue eingebraefet morben. §. I be* 
ftimmt: „©in Verein, melcfeer bie V3aferung unb görberung ber 
VerufSintereffen unb bie Ünterftüfeung feiner Rtitglieber begmeeft, 
ermirbt bie Red)te eines „eingetragenen VerufsocreinS" nad^ 9Äafe* 
gäbe biefeS ©efefeeS." ^)ie RecfetSfäfeigfeit erlangt ein folcfeer 
Verein burefe ©intraaung in baS VereittSregifter beS guftänbigen 
Amtsgerichts. Söer 3*o c£ f c ineS VerufsocreinS fann insbefonbere 
burefe folgenbe ©inriefetungeu erftrebt merben: 1 Vkfernefemung 
unb Vertretung ber Reefete unb Sntereffen ber Riitglicbcr, mit 
©infefelufe ber ©inroirfung auf bie ©efefegebung unb Vermaltung, 
©rörterung unb Vefcfelufefaffung über alle ben Veruf ber Rtit* 
glieber betreffenben Angelegenheiten; 2 . ©rriefetung oon Scfeicbs* 
unb ©inigungSämtern; 3. Drganifatioit beS ArbeitSnacferoeifeS; 

4. ©emäferung oon llntcrftüfeungen bei Reifen, ArbeitSlofigfeit, 
ArbeitSauSftänben, ArbeitSauSfd)lüffen, fomie in gälten ber Rotfe; 

5. ©rriefetung oon UnterftiipungS*, Äranfcn* unb VerfidjerungS* 
faffen: 6 . AuSbilbung ber Riitglieber burefe Vorträge unb Unter* 
riefetsfurfe, insbefonbere görberung ber förperlidfeen, teefertifefeen, 
geiftigen unb fittlic^en AuSbilbung ber ßeferlinge unb jugcnblidjen 
Arbeiter. SDie Unterftüfeungen unb ©iuriefetungen fönnen auf bie 
gamitienangefeörigen ber RUtglieber auSgebefent merben. Rtitglieber 
eines VerufSoereinS fönnen aucfe grauen fein. 

$ie Vetoegitttg tm beutfefeen Vucfebruifgewerbe. ^as oereintc 
Vorgehen ber Vringipale unb ©efeülfen ift niefet ofene erfreuliriie 
V^irfungen geblieben. 5)aS ^arifamt ber Vucfebrucfcr ^eutfcfelanbs 
feat ein Vergeicfenife berjenigen Vud)brucferfirmen gufammengeftellt, 
bie am Scfeluffc beS Safei'c^ 1898 ben allgemeinen Vucfebrncfer* 



407 


Soziale $rct£iS. EcntralBIatt für Sozialpolitif. Rr. 16. 


40S 


tarif anerFannten unb ihre Geholfen banadf) entlohnten. AuS bem 
Rerzeicbniffe qef)t heroor, baß im oergangenen 3alp fidf) nod) eine 
große 3 af)l girmen entfdiloffen haben, beit £arif anjnerlennen. 
Rom Rtoi bis jum Schluffe bes oerfloffenen 3al)reS flieg bie 3al)l 
ber ben Xarif anerfennettben Sinnen in Seutfd)(anb oon 2030 auf 
2674, bie fid) auf 647 beziehentlich 871 Drte oertheilten unb 
22 468 beziehentlich 25 132 Gehiilfen befchäftigten. Sa 539 Sinnen 
bie ©ehülfenzahl nicht angegeben haben, fo ift anzunehmen, baß 
bie 3ahl ber z u tarifmäßigen Rebingungeit arbeitenben Geljülfen 
noch um einige Saufenb höher S u bemeffen ift unb brei Viertel 
aller Gehülfen bei oöflig tarifmäßiger Bezahlung unb Arbeitszeit 
befchäftigt fein roerben. Am 28. 3anuar foQ abermals eine Seit* 
ftellung ber Sarifoerljältniffe im BudjbrucFgewerbe in ganz $>eutfch* 
lanb mittels gragebogen fiattfinben. 


fionttmtttnlr öojialpoiitib. 


ArBetterförfom in Solu. Ra<h bem Kölner BermaltunaS* 
bericht 1897 beftehen neben ben oon einigen (Großbetrieben für 
ihre Arbeiter errichteten UnterftüpungSFaffen 2 C. für bie Unter* 
ftüpung ber ftäbtifdjen ftänbigen Arbeiter bei SienftunfäpigFeit 
folgenbe Grunbfäpe: Eine llnteirftüpung toirb bei Arbeitern erft 
nach 20 jähriger Sienftzeit unb zwar in Höh e oon 0,35 bis zum 
$öchftbetrage oon 0 ,,; 5 beS burchfd)nittlichen 3ah*eSlohneS. $>ie ge* 
fammte Snoaübitäts* unb Altersrente toirb abgezogen. Sei Saifon* 
arbeitern gilt nur bie Hälfte beS SahoeSlohneS. Sie BerfidtjerungS* 
faffe gegen ArbeitSlofigfeit im Sinter zeigte bisher geringe Er* 
folge, toohl wegen ber BFilbe beS Sinters. Bon 324 Serficherungen 
blieben bezugsberechtigt 236 (73 0 / 0 ), 151 baoon (= 64o/ 0 ) melbeten 
fich als arbeitslos, 43 baoon erhielten burch bie Allgemeine 
ArbeitSnadjweiSanftalt bauernbe Befestigung. Sen übrigen 108 
mit 4843 arbcitslofen SerFtagen mürbe oorübergeljenb für 2646 
Sage Befthaftiaung zugewiefen. Es Famen fonach für 2197 Sage 
3485 <ji(. zur Auszahlung, mährenb bie Berfidjerten 2213 „// bet* 
getragen Ratten, immerhin ift gegen bas Borjapr ein Fleiner 
Sortfd^ritt oorhanben. Siefelbe Erfdjeinung roeift bie Allgemeine 
ArbeitSnachmeiSanftalt auf, bie bei 17 898 gefuchten unb 19111 
offenen Stellen 14 080 beferen Fonnte. — Um bie Befferung ber 
SohnungSoerhältniffe mühten fich einige Großinbuftrielle für ihr 
eigenes Rerfonal unb mehrere Bereine, roie bie zwei 3 ahoe alte 
Rippefer Sau* unb Spargettoffenfchaft bereits 22 3weifamilien* 
Häufer errichtete; biefe gehen allmählich in ben Befip ber Au* 
miether über. Sie Stabt erließ bie StraßenbauFoften (20000 dt). 
Sie ArbeitSnachmeiSanftalt, oon ber Stabt fnboentionirt, roieS audj 
Sohnungen nach- SaS ift banFenSmerth, benn bie SohnungS* 
bichtigFeit h at zugenommen oon 3,is Haushaltungen unb 14 ,03 
Bewohnern 1890 auf 3, 4 g Haushaltungen unb 14,r 0 Bewohnern 
1897 (bei Ausfluß ber Anftalten unb Hotels). Um ben Arbeitern 
unb Arbeiterinnen ohne gamilienanfd)luß Foftenfreie (Gelegenheit 
Zit belehrenber unb unterhaltenber ShätigFeit zu geben, finb zwei 
Bereine weiblicher Angeftedten gegrünbet, ift bie ftäbtifche BolFS* 
Iefehalle oon 3 bis 8 Uhr Sonntags, 6 bis 9 Uhr Alltags ge* 
öffnet, Ebenfo finb bie ftäbtifchen Bhifeett an Sonntag*Rach* 
ntittagen z u befichtigen. — SJFan fteht, es ift in $öln fchon ein 
hübfcher Anfang in ber Arbeiterfürforge gemacht, ber ausbaufähige 
Meinte enthält. 

Ginfluf? ber ArBeikrberfifhermtg auf bie öffentliche Artneu* 
pflege in DSnaBrücf. Ser BerwaltungSberidjt ber Stabt DSnabrücf 
für 1897/98 berichtet hierüber SolgenbeS: 

Sie Äranfenuerftcherung ift infofern oon nicht unerheblicher ©in* 
roirfung auf bic Armenpflege geroefeit, als manchen Rerfonen aus Traufen* 
taffen Unterftüpung z u 2heil geioorbcn ift, melche ohne baS ÄranFen* 
oerficherungsgefep ber Armenpflege anheimgefaflen mären, bann auch, 
meil bic Armenpflege häufig nur ergänzenb einzutreten braudjte. 

git golge ber Unfalloerfichcrung ift nur in bcfdiränftent R?aße 
eine ©ntlaftung beS Haushaltsplanes ber Armenoermaltung eingetreten. 

dahingegen ift ber Einfluß ber Alters* unb gnoaltbenoer» 
fidjerung auf bie Höhe ber öffentlichen Annenlaft ein fortbauemb 
fteigenber. So befanben fiel] feit bem 1. Januar 1890, bem Sage bes 
gnfrafttrctenS bes ©efepe*, 50 unter ben 403 Rentenempfängern in 
hiefiger Stabt, meldic aus öffentlidieu Armenmitteln unterftüpt mürben. 
Ron biefen tonnten nad) unb nach als fie in ben Genuß ber Reute 
traten, aus ber Armenpflege entlaffeu merben. gu ben 30 übrigen 
VväQrii braud)te bie Anneupflege nur ergänzenb einzutreten, itibetit bie 
Rente zur Bestreitung bes notproenbigen Lebensunterhalts für ben ©m* 
pfänger unb beffen gamilieuangchörigen nicht Ijinreidjtc. 


Auf bie Bermtnberung ber 3 fl hl ber Armen gegen baS Rorjahr 
bürfte jept auch mieber bie Arbeiteroerficherung z«m Speil oon Einfluß 
gemefen fein. 

die Armenpflege brauchte in nur menigen gällcn oorläußg, an 
Stelle ber Arbeiteroerfuherung, einzutreten. tfranfe, melche nach Ae» 
enbiguna ber tfranfenfürforge ber ranFenfaffen nod) nicht geheilt waren, 
mußten oeS Cet'tercn in Armenpflege übernommen roerben. 

^n hdußgen gälten ßelen Angehörige oon ©rfranFten, bie in An¬ 
ftalten oerpflegt mürben, ber Armenpflege anheim, inbem bie ben ga* 
müien-Angehörigen znftehenbe Hälfte beS Traufen gelbes zum Unterhalte 
berfelbcn nicht genügte. Audj Famen oerfdpebene gälte oor, baß ©m* 
pfänger oon Un|all*, Alters» ober ^nonlibenrenten außerbent aus öffent¬ 
lichen Armenmitteln uuterftüpt mürben, meil ber Retrag ber Rente auch 
hier zur Reftreitung beS Unterhalts für biefelben unb beren gantilien* 
angehörigett nicht auSreidjte. die Armenpflege mürbe oor Rcginn eines 
Rentcitbezugeö unb gegen fpätere ©rftattung ber Äoften Seitens ber 
RerufSgenoffenfdjafteu unb RerftcherungS*Anftalten nur in oereinzelten 
gällen in Anfpruch genommen. 

^eine ArBeiterauSfdhüffe für ftäbtifche Arbeiter in Leipzig. 

Ser Aath ber Stabt Leipzig hat befdjloffen, oon Einführung oon 
ArbeiterauSfchüffen für ftäbtifdje betriebe abzufehen. 3ur Segrün* 
bung roirb barauf htugeroiefen, baß für bie Einführung berartiger 
Ausfdjüffe nur fabriFmäßiae Retriebe in Retracf)t Fommeit. Ron 
ben ftäbtifchen Schrieben fallen herunter nur ein Stcinbruch unb 
bie (GaSanftalten. Eine SRothwenbigFeit z ur Errichtung eines 
ArbeiterauSfchuffeS liege nicht oor. Surdh bie beputirten SlathS* 
mitglieber fei ben in biefen Retrieben befchäftigten Arbeitern hiu* 
reidhenb Gelegenheit gegeben, ihre ©ünfdje gegebenen gaUeS un* 
mittelbar zu Gehör oeS AatheS zu bringen. 

ArBeitSiofenfürforge in öertt. Sie RerwaltungsFommiffion ber 
RerfidheruitgsFaffe gegen ArbeitsloftgFeit oeranftaltete am 9. Sanuar 
eine Rerfammlung jur Refprechung oon SWaßnahmen gegen bie 
ArbeitslofigFeit. Sie Rerfammlung befd)loß, fich mit anberen 
ftäbtifdhen unb gemeinnüpigen Snftituten in Rerbinbung zu fepen 
unb biefe zur £f)eilnabme an einer größeren Rerfammlung eingu* 
laben, in ber bie weiteren RorFebrungen (Sammlung oon HauS 
Zu Haus, Erhöhung beS GemeinbebeitragS oon 7000 auf 10 000 
grancS 2 c.) beraten werben folleit. Stabtpräftbent ßinbt erFlärte, 
baß z^ar Feine außerorbentlichen Rauarbeiten auf bem Rubget 
ftehen, baß es aber möglich fein werbe, eine befchränFte Anjahl 
oon Arbeitslofen mit ^ieSauShub, Straßenreinigen, Straßenarbeiten, 
Erb* unb Rahnarbeiten z u befcf)äftigen. Gegenwärtig fmb noch 
350 RFann mit über 600 Angehörigen, bie ber tfaffe angehören, 
unbefchäftigt. Ser ArbeitSlofenFaffe ftanbeit für biefen Söinter 
14 418 grcS. zur Rerfügung; baoon finb inbeffen bereits 8387 grcS. 
oerbraudjt. Sie freiwilligen Reiträge haben oon galjr zu Sahr 
abgenommen; für biefeS 3ah^ finb bloß noch 618 grcS. einge* 
gangen. „Es ift fomit bringenb geboten, einerfeits fo oiel als 
möglich ben fieuten für Refdjäfttgung z u forgen, anbererfeits 
weitere Gelbmittel aufzubringen," bemerFt bazu ber „Runb". Am 
12 . Sanuar fanb bann eine größere öffentliche Rerfammlung ftatt, 
in ber befdjloffen würbe, alle Arbeitslofen, ohne AüdFficht auf bic 
3ugebörigFeit zur ArbeitSlofenFaffe zu unterftüpen. 


Soziale 3u(tänbe. 


üohnPerhältitiffe unb 3u^alibenPerftcherung. 

3u oerfthiebenen früheren ArtiFeln habe ich fd^on barauf hin* 
lewiefen, baß man aus ben 9?achweifungen ber SuoalibitätS* unb 
teerSocrficherungSanftalten über bie gezahlten ©odjenbeiträge einen 
ewiffen Schluß barauf ziehen Fönne, ob bie Söhne geftiegen finb, 
eziehungSweife ob bie Arbeitsgelegenheit fich oermehrt hat; benn 
ber oermehrten 3 a hl non RJodjenbeiträgen Fann man es nicht ohne 
SßeitereS anfehen, ob baran eine größere ober geringere 3aht oon 
Arbeitern Sßcil hatte. 2öenn man bie beiben erften 3ab*e ber 
Snoalibenoerficheruna außer Rechnung läßt — unb baS ift bei 
Rcrgleichen nothwenoig, weil in ben beiben 3al)ren noch mancherlei 
gehigriffe in ber Remeffnng ber Reiträge u.f.w. oorFamen — unb 
baS 3ah^ 1893, in welchem auch oiele RerficherungSanftalten mit 
ihren ^ontrolmaßregeln nachbrücflich einfepten, als erfteS normales 
3 ahr betrachtet, bann ergiebt fich, abgefehen oon ben befonberen 
Maiieneinrid)tungen, für Die 31 SanbeSoerficherungSanftalteii im 
3ahre 1894 eine Steigerung ber RBodjeitbciträge gegen 1893 um 
3,to 0 . Hv e i ne Steigerung ber Gelbeinnahmen um 3,m 0 . H-i 
babei hätten aber einzelne Anftalten, namentlich brei oon ben acht 




409 


Soziale $ra£is. ©entralblatt für Sogialpolitif. 9tr. 16. 


410 


BagerifcBen SHnbereinnaBmen oon 5*/2 Bis 10 o. fr. gu uer** 
geid)nen. 

3m 3a*) rc 1895 ftieg im SerBältnifj gurn 3<*Bre 1894 bie 
3afjl ber SkcBenbeiträge um 2,56 o. fr., bcr Setrag ber ©elbein* 
nahmen um 2,83 £>•; barauS folgt, ba& au<B tBeilroeife eine Ser* 

roenbung oon Starfen ber Beeren Seitragsflaffe ftattgefunben 
Baben mufc. 2ln bem SReBr ftnb alle SerfidjerungSanftalten mit 
Ausnahme ber oon Skftpreußen, S°romern, S°fen unb ber DBer* 
pfalg Beteiligt, oon benen bie lebten Beiben eine Sttinbereinnafjme 
oon 4,18 BegieBitngSroeife 4,77 0 . fr. geigten. 

©ine gang allgemeine «Steigerung ergab fidE) im guBre 1896; 
gegenüber 1895 ftieg bie & er 2Bod)enbeiträge um 5 , 80 0 . §>., 
bie Summe ber Baaren ©innaBmen um 6 , 5 g 0 . fr. in golge einer 
ftärferen Serroenbuna ber ÜDtarfen britter unb oierter ßoBnHaffe 
unter SlbnaBme ber Serroenbung ber Starfcn ber Beiben unterften 
SoBnflaffcn. 2ln ben SJteBreinnaBmen finb fämmtlicBe SerfidjerungS* 
anftalten BetBeüigt, felBft Sofen mit einem 2ReBr oon l,u 0 . fr., 
obgleicB es bamit nod) nid^i ben Stanb oon 1894 roieber erreichte, 
ben es übrigens au(B 1897 nocB nid)t roieber erreicht Bat. 3m 
UeBrigen Betrug bie Steigerung ber ©innaBmen oon 1,49 0 . fr. (in 
SRecHenburg) BtS 11 ,46 v. fr. (m Skftfalen) unb groar groifcBen Bis 
5 0 . fr. in Dftpreufjen, ©eftpreufcen, SdjIeSroig - £>olftein, lieber* 
Bauern unb ben §anfaftäbten, groifcBen 5 unb 6 0 . fr. in Sranben* 
Burg, Sommern, ScBlefien, $rooing SacBfen, DBerpfalg, DBer* 
fraufen, Unterfranfcn unb SraunfcBroeig, groifcBen 6 unb 7 0 . fr. 
in £>annooer, groifcBen 7 unb 8 0 . fr. in §effen*SRaffau, SBeinlanb, 
DBerbapern, $Mg, Hönigreidf) «SacBfen, Württemberg, Saben, 
@rof$BergogtBum Reffen, DBüringen, DIbenBurg unb ©Ifaß* 
SotBringen, über 8 0 . fr. in Serlin ( 8 , S i o. §>.), SRittelfranfen 
(10,io o. fr.), ScBroaBen (10 ,30 0 . fr.) unb Wefifalen ( 11 , 4Ö o. fr.). 

Der roirtBfdjaftlidje 21ufftBroung B<*t aud) im Qaljre 1897 nodj 
angeBalten, fo bafc im ©angen für alle SerficfjerungSanftalten nocB 
ein 9ReBr an WocBenbeiträgen unb an ©elb ficB ergeben roirb, 
tro^bem in eingelnen Segirfen ficB f<Bon ein Heiner SRücfaang Be* 
merfbar gemacht B a *- @3 liegen mir bie SericBte aus Sdjlefien, 
Srooiitg SacBfen, &effen*$Raffau, ÜRieberbapern, ScBroaben, Äönig* 
reich SacBfen unb Württemberg nocB nicBt oor. Wenn in biefen 
Segirfen ber Stanb oon 1896 aufrecBt erBalten ift — in ben 
metften roirb er aber üBcrtroffen fein — bann ergicbt ficB für alle 
31 SerficBernngSanftalten eine 5ReBreinnaBme um etroa 4 Bis4 l /4 o.|). 
Sei einigermaßen günftigem Ausfall in ben nod) unbefannten Se* 
girfen fann bie Steigerung ficB fogar Bis auf 7 o. fr. Belaufen. 
®ie 31BnaBme ift, foroeit ber ©elbBetrag in SetracBt fommt, nur 
eine feBr geringe: in Dftpreufjen 1,06, in 9RecflenBurg 0 , 52 , in Weft* 
preufcen 0, 23 , in <ßofen nur 0,o6 0 . fr.) etroaS großer ift bie 21B* 
naBme in ben Betreffenben Segirfeit Begüglid) ber SRarfengaljl, 
nämlid) in Dftpreu&en 1, 83 0 . fr., in Weftpreufcen 0,79 0 . fr., ein 
Seroeis, bajg bie Abnahme bie unterften SoBuHaffeu trifft. Die 
3aBreSberid)te ber Serfid)erungSauftalten Sofen unb 5Recflenburg 
enthalten feine Eingaben über bic 3 a Bl Ber ocrfauftcn SeitragS* 
rnarfcn, fonbern oergeicBncu nur ben oereinnaBmtcn ©elbBetrag. 

Die 3nnaBnte an (SinnaBmen ftcüt ficB Bei ben 24 Anftalten, 
bereit Senate mir oorliegen, oon 0, 3 > 0 . fr. in DIbenBurg Bis auf 
6,85 ü- in Stittelfranfen; fie Beträgt in ben £>anfeftäoten 6 ,? 8 , 
in Dberbatjeru 6 , 42 , in DBerfranfeit 5 /ß o, in Sabeit 5, 24 , in (51)oft* 
fiotBringen 5, 0 i, in SRBeinlanb 4, 83 , in Unlerfranfen 4 ,73, in Serlin 
3,92 nno in Weftfalen 3,79 0 . fr. gegenüber bem Stanb oon 1896, 
ber ein feBr hoher roar. 

Scbauerlid) ift, ba& bie Seridjte nicBt alle gleid)mäj$ig ge* 
arbeitet finb, baft fie gutn großen 2 Beile nur allgemeine 3 a Blen 
geben, nicBt aber bie Serfjältniffe in ben eingelnen llntcrbegirfen 
barftellen. s Bo folcBe 2)arftelluug ber ©ingeloerBältniffc, rocmt aucB 
nur im geringen Umfange oorBanbcn ift, ba geigen fid) oft über* 
rafcBenbe ßrgebniffe, bie man bei ber s Jteuorbnung ber 3noaliben* 
oerficBerung rooBl BcacBten foKte (5s ergiebt ficB s S- für bie 
SerfidjerungSanftalt Sommern, bafr im ('langen 1897 gegen 1896 
nocB eine ÜJteBreinnaBmc Än l,r,7 0. fr. crgielt roorben ift, bafe 
aber im SHcgiernngsbegirf Hö^lin bie (SinnaBmen einen abfolutcn 
9tücfgang gegeigt Baben, ber nur burd) bie (SinnaBmeftcigcrung in 
ben Beiben SttegieruugSbegirfcu Stettin unb Stralfnnb ausgeglicBen 
roirb. 3n SSeftpreufeen geigt es fid), bafj bie meiftcn üanbfreife 
im 3oB re 1897 crBeblid) roenigcr au Beiträgen aufgcbradjt' fmben, 
als ber Hapitalroertl) ber in biefen Hreifen BeioiHigten Leuten 
auSmad)t; nur bie Ä'cBreinnaBmen aus beit ftäbtifcijen Segtrfen 
Rangig, ©Ibing, SBont 2 c. fteflen baS ('Heid)geroid)t roieber Bcr. 

Sefoitbers intereffant ift bie Serfdiicbenartigfeit ber SerBäU* 
niffe, bie in S>eftfalen fid) feftfteHen läßt, roobei bie Seraarbeiter 
als gur HitappfcBaftSfaffe gehörig, gar nicBt in SetracBt fotnmen. 


5)er gange SRegierungSbegirf fünfter mit SluSnaBme beS HreifeS 
SRecflingSBaufen, ber gange SRegierungSbegirf ÜRinben, mit SluS* 
naBme beS Stabt* unb £anbfreifeS Sielefelb B^ben burdjauS einen 
rein IanbroirtBfd|aftIic§en ©B a rafter; eS überroiegen in allen Hreifen, 
aufeer ben genannten, bie erfte unb groeüe CoBnHaffe, roie etroa in 
Sommern unb SranbenBurg. SluS bem feBr ftarf inbuftriellen 
9iegierungSBegirf Arnsberg geBören gu ben lanbroirtBfcBaftlicBen 
Segirfcit nocB Bie Hreife Srilon, ßippftabt, 9RefcBebe, Soeft unb 
Sßittgenftein. 3n SocBum unb ©ortmunb entfallen auf bie Bödjfte 
ßoBnflaffe 55 BegieBungSroeife 61 0 . fr. aller Seiträge, roäBrenb 
in ben Greifen Secfum, Skrenborf, fiübbecfe, SBarBurg no^ nicBt 
2 0 . fr. aller Seitrage in bie oierte fioBnflaffe fallen. $ie Ser* 
fcBiebenartigfeit geigt ficB i n folgenber UeberficBt nocB gang beutlicB- 
©S entfielen 1897 auf bie 


SRünfter .... 18,32 v. fr. 45,09 0 . fr. 29,37 u. fr. 6,42 u. 

Sfttnben .... 17,56 w 52,03 w 22 ,06 „ 8,35 „ 

HmSberg .... 2,41 „ 26,44 „ 40 ,71 „ 20,44 „ 

$rooinj SBeftjalen . 8,82 „ 35,63 „ 34,3» „ 21,is ^ 

STucB bie SericBte oon SSürttemBerg — ber für 1897 ift nocB 
nicBt erfdjienen, ber 00 m 3aB*e 1896 ift aber eine roaBre Qfunb* 
grübe gur ©rforfcBung oon ©ingelBeiten unb um fo roertBooüer, 
als er überall einen SergleicB mit ben anbern SerfuBerungSanftalten 
ermöglicBt —, Saben, fjeffen, SRBeinlanb, ScBleSroig*feolftem, Serlin, 
ber BanfeatifcBen $Inftalt Bieten mancBen roertBoouen Seitrag gur 
Statiftif ber SnoalibenoerficBerung, bagegen finb bie Bapenfdjett 
Serid)te burcBauS mangelBaft, unb aucB bie SericBte aus Sofen, 
Dftprenfeen unb DIbenBurg fönnten oottftänbiger fein. 

SielleicBt legt man Bei ber Seratßung Der SRooeHe gur 3n* 
oalibenoerfi^erung im SReicBStage ben ßanbeSregierungen es ans 
£>erj, ba& fie bie eingelnen SerftcBerungSanftalten gur emgeBenberen 
Seridjterftattung anBalten. 

Serlin. fr. frovn. 


SReite #attStnbttftric als fyraaeucrtoerB. S)er Serliner „£ette* 
Serein" BeabruBügt, 00 m 3TpriI an UnterricBt in ben SecBnifen 
beS ScBicBt* unb SilbroebenS gu eröffnen, roie fie in ÜRorroegen 
geübt roerben. 2>er UnterricBt ift nicBt für Dilettanten Beftimmt, 
fonbern foll einen neuen ©rroerbSgroeig, ber in erfter Öinie als 
©auSinbuftrie für grauen geeignet ift, ins Seben rufen. Der 
£ette*Serein B«t 3 U biefem 3mccfe mit ber „$orbif<Ben Hunft* 
roeberei, ©. m. B. fr“ ein Slbfommen getroffen, roonacB fi<B Biefe 
oertraglicB oerpflic|tet, bie ScBülerinnen nacB Ablauf ber fecBs* 
monatlicBen ÖeBrgeit roäBrenb eines 3<*BreS in Slfforb gu Be* 
fd)äftigen unb BefoitberS Befähigte ScBülerinnen in ber Hunft* 
roebfcBule gu Beftf)äftigen. S3äl)renb ber gleicBen 3eit barf bie 
Sd)iilerin Bei einer Honoentionalftrafe oon 150 dt- für feinen 
anberen ©eroerbebetrieb gleite Arbeiten anfertigen. Das fieBrgelb 
foll 100 c M. Betragen, für einen 2BeBftul)l finb 50 Jt gu entricBten, 
25 J/. Haution finb für in ber fieBrgeit gu oerbraucBenbeS 
Material gu entricBten. Der anfänglicBe DageSoerbienft Bei einer 
ungefäBr acBtftiinbigen SlrbeitSgeit roirb auf 2 Bis 3 di BerecBnet, 
ber ficB Bei guneBmenber ScBnelligfeit aufeerorbentlicB fteigere. 3 ur 
SBiebereinfüBrung ber fünftlerifc^en §)anbroebtecBnif fmb m Sfan* 
binaoien unb aucB Bereits in DeutfcBlanb gacBfcBulen erricBtet. 
hoffentlich Bleibt bie neue |muSinbuftrie oon ben ^luSroücBfen 
oerfcBont, bie ficB fonft Ieicfjt Bei £>auSinbuftrien eimüften. 

HittberarBeit iit ©ttglattb* Der HuSbeutung ber Hinberarbeit 
in ©nglanb ift nacB ber bort BefteBenben gaBrifSgefefegeBung ein 
recBt roeiter Spielraum gelaffen. Dürfen bocB Hnaben oon über 
groölf gtiB^en in ©rgbergroerfen Bis gu 54 Stunben pro SSodje 
Befd)äftigt roerben unb in gabrifen unb SSerfftätten bürfen bie 
,.Half-Timers l< (.Jalbgeitler), fo genannt, roeil fie entroeber nur am 
Sormittag ober am &ad)mittag Befdjäftigt roerben bürfen, fogar 
fd)on oon elf SoB^en an BefcBäfhgt roerben. gür oerfcBiebcne ©eroerbe 
(g. S. bie Säcferei) finb nocB StuSnaBmebeftimmungen getroffen. 
Die fogialiftifcf)en ©ruppen, oor allem bie „SogialbemofratifcBc 
göberation", einige ©eroerfoereine unb bie organifirten Sd)ulIeBrcr, 
fämpfcn fcBon lange gegen baS §albgeitlerfi)ftem. 3n nädjfter 3eit 
roirb, roie bie „Justice 4 * mittBeilt, in s DZand)cfter baS ..Half Time- 
Comite“ gufammentreten, um über baS fernere Sorgel)en gu Bc* 
rat()en; iBm gel)ören aud) eine 2lngal)l gabrifanten an. ©S füll 
eine fofortige .perauffetjnng beS Filters auf groölf g^Brc uub iu 
brei gaBren auf 13 gab re für bie 3i*toiiuii8 oon ,.Half-Timers‘* 
erftrebt roerben. Der ©Bef s gabnfeiiifpettor fprid)t fid) iu feinem 
leßten Serid)t in entfd)iebeuer Steife gegen bie Hinberarbeit aus. 
Son ben 120 000 „Half-Timers a , bie in ©nglanb uub SkleS je(>t 



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Soziale ^raytS. ©entralblatt für Sozialpolitif. Rr. 16. 


412 


befcßäftigt werben, fielen etwa 65 OOO außerhalb ber gabrtfSgefcße, 
ber Reft unter ber gabrifStnfpeftion. ® er größte beiber 

Kategorien wirb in ber Sejtilinbuftrie oon ßancafßire befdßäftigt. 
3m 3afae 1893 betrug bie 3°^ ber in Sabrifen bcfdjäftigten 
Kinber mxß 173 000; bis baßm war e£ fogar geftattet, Kinber 
fcßoit oom geinten Sebenöja^re an als „Hall-Timer“ zu befdjäftigeit. 

Tie ®fa$(jtttte öon Aftö, baS bcfannte fojialiftifdje Aftienunter* 
neunten, bas anfänglidj wegen ber an feine ©riinbung qcfmipftcn Hoff* 
nungen linb nachher bureß feine finanziellen Berlegenheiten, bic bis! ju 
ftarfen Soßnrücfßaltungen führten, oon fieß reben machte, ftfjcint nun* 
mcßr etwa« beffcre ©cfdjäftc ju madjen. ©enigftcns bat fidj ber lange 
Iagembe Borratß fertiger ^robufte nad) beu Berichten ber in Arbeiter* 
{reifen gebilbeten „Bcrteibigungsliga" ftarf oerminbcrt. gmmerhin muß 
beamtet werben, baß bic ©laößütte noch fortwäbrenb Untcrftüßungen 
nötig hat unb auch wirflid) in bcträrfjtlid^cin SRaßftabe aus Arbeiter* 
foKcften begießt. Kürzlich hat fie fogar ein ©efdjcnf aus öffentlichen 
Mitteln erbalten. Tie oon bem fogialiftifchcn ©eweinberat oon Albi 
bewilligten 12 (XX) grcS. aus ber ©emeiubefaffe erhielten jnnt großen 
Scßrecfen liberaler ^olitifer bie ©eneßmigung ber Staateregierung. 
Scßon im Vorjahre hatte bie ©emeinbeoerwaltung 25 000 grcS. für ben 
nämlicben 3wecf ootirt; boeb oerfagte baS Damalige SRinifterium BZeline 
feine guftimmung. Tie ©lasßütte oon Albi fann fid) fo über gouocr* 
nementaleS ©ohlwoflen faitnt beflagen. Scßon bei ihrer ©riittbung 
geflattcte baS K abinet Bourgeois zur Aufbringung ber ©elbmittel bie 
AuSfcßrcibung einer Sottcrie, welche bem ©efeße nach in granfreid) nur 
für ©oßltßätigfeitezwecfc erlaubt finb. 

Ter Atfjtfhmbeutög in ben SRartaebetriebett in Slmerifa. (Sine 
Kommiffion ber „American gfeberation of £abor" würbe Anfang 
Rooember 1898 bei bem SDtarinefefretär oorftcllig unb erfudjte 
biefen, einen Befeßl zu erlaffen, wonach bie Arbeitsftunben, bie 
über ben Arbeitstag oon acht 6 tunben ßinauSgeßcrt, mit bem ein* 
etnßalbfacßen Betrage be§ geroößnlicßett StunbcnloßneS entfcßäbigt 
werben fotten. Ter Bfarinefefretär fagte zu, biefen Bhtnfcß 311 be* 
rücfficßtigen unb fanbte bem ^räftbenten beS ArbeiteroerbanbeS auf 
beffen Anfrage folgenbeS Schreiben: 

„gn Beantwortung gßres Schreibens oom 12 . Rooemher, worin 
Sie um eine Abfcßrift beS angefünbigten Befehle in Betreff ber Arbeite* 
jeit in ben KricgShäfen erfudjen, ift es mir ein Bcrgitügen, gßncit baS 
golgenbe 31 t fenben: 

Artifel 1574, §. 2 , Abtheilung A, lautet wie folgt: 

gür Arbeit, welche aus bringenben ©rünben zwifeßen 6 Uhr 
Borgens unb 8 Uhr AbcnbS über bie acßtftünbige Arbeitszeit oer* 
richtet würbe, fott berfelbe fioßnfaß wie bei ber achtftüubigen Arbeite* 
3 eit zugeftanben werben. 

Abtheilung C lautet: 

Arbeiter welche ben Tag über befcfiäftigt waren unb welche aite 
bringenben ©rünben angewiefen weroen, über acht Stunbcn zu 
arbeiten, füllen für foIch e befonbere Arbeit, welche na<ß 8 Uhr Abcnbs 
unb oor 6 Uhr SRorgcnS oerrießtet würbe, nad) bcmfclben Sohufaße 
bie Stnnbe bezahlt werben, wie für Tagesarbeit mit einem 3ufdjlagc 
oon 2 M 

geh habe ein Runbfcßreibcn mit folgenben Abänberungeit erlaffen: 

Artifel 1574, §. 2 . Tie Abtheilungen A unb C ftnb zu ftreidjen 
unb für Abtheilung 0 tritt folgenbe ©rgätizuug in straft: 

A. gür Arbeit, welche aus außergewöhnlichen ©rünben 

über acht Stunbcn täglich »errichtet wirb, füll ber gewöbulidje 

ÜJohiifajj mit einem 3 ufd)lagc oon 2 M zugeftanben werben." 


^tbeiterbctuegirag. 


Bom 2. beutfehen SeematmSfmtgreg Itt Hamburg» 

Am 9., 10 . u. 11. Januar tagte in Hamburg ber 2 . beutfehe See* 
mannsfongreß. Bertrcten waren bic Secftäbte Hamburg, Bremen, 
Bremerhafen, glctteburg, Kiel, S^übecf unb Stettin bnrd) 14 2)clegirtc. 
Außerbcm hatten bie .Hafenarbeiter, btc Sdnitezintmcrcr, bie Biafdjiniften 
unb Heizer Aborbnungen cutfanbt. Bott Seite ber fozialbemofratifrßen 
9teid)tagsfraftion waren zwei Bütglicber, für bie Wencralfommiffton ber 
Ok'werffihaften eines crfdjicncn. And) einige ©äße waren ber ©inlabung 
gefolgt. Tie Jagesorbuung beS Kongreßes war folgenbe: 1. Tie ü?age 
ber Seeleute au Borb unb am Vaub. 2 . Tie Semannsorbnuug. 

Tas KoalitiouSredjt. 4. Ter Arbeitsnadjweis ber Seeleute. 5. Ter 
©crichteftnub ber Seeleute. (J. Tie Arbeiterfdiußgefeßc. 7. Tas Ber* 
langen ber Sdiiffsleute nad) einer reidjSgefcplidien Kontrolle bes Sd)ißs* 
baues unb ber Schiffe. 8 . Tie Bemannung ber Sdßffe. 9. Tic guter* 
uationalität ber Seeleute. - lieber bic Bcrhanbluugen unb Befdßüffe 
bes Kongreßes wirb uns oon einem Ihcilnehmcr folgcuber Bericht 
gefaubt: 

Tie Umwälzung, bie fid) in ben Icßteu 20 gaßren im SchiffSwefen 
ooflzogeu hat, bat and) ben Beruf ber Seeleute ftarf getroffen. Au Stelle 
bes Segclfihiffes tritt immer mehr bas Tampffdßff. 3i?ähreub früher burd)* 
weg nur bic KüftcuOeoölferuug fid) bem Scebieuß wibmete, werben jept 
oieie teilte aus bem gnlanbc berangezogen. gaft jeber Tampfer hat 
bei Antritt einer neuen Bcifc, eine Anzahl unbefahrener teilte au Borb. 


Hieraus refultirt, wie fdjon oft bewiefen, baß im gatte ber Stfotß bie 
Rettungsboote nicht genügenb mit bootsfunbigen Seuten bemannt 
werben fönnen. Speziell bei bem SWafchinenperfonai wirb fein 2Berth 
barauf gelegt, baß fie ben Bootsbienfi fennen. SSelcße Oiefaßr hifrburch 
namentlich für große ^affagierfdjiße h^aufbefchworen wirb, ift ein* 
leudjtenb. Welcher BeßanMung ferner bie unteren B?annfd)aften oft 
auSgefeßt ftnb, wirb bureß zahlreiche ©erichteoerßanbluugen, fowie bureß 
bie oielen Selbßmorbe auf See, befonbers unter bem Hcizcrpfrional, be* 
wiefen. Auch mit ben Rotßarbciten an Borb, felbft im Hafen, wirb 
oft ein wahrer Unfug getrieben. Ter § 31 ber Seemannsorbnunq be* 
ftintmt für im Hafen liegenbe Schiße eine zehnftünbige tägliche Arbeits¬ 
zeit. Tod) wirb biefe oft nidjt innegeßalten, ba ber SBacßtDienft nießt 
als Arbeitszeit gered^net wirb. TaS ftnb SKißftänbc, bie fieß leicßt 
bureß eine gut bureßgefüßrte Kontrolle befeitigen ließen. 3TOit biefer 
Kontrolle liegt es aber feßr im argen. Racfi bem § 47 ber Seemanns* 
orbttung ift im AuSlanbe ber Konful mit Der Unterfucßung oon Bfiß* 
ftänben z« beauftragen, gn maneßen gatten ift ber Konful aber gleich* 
Zeitig Agent ber Rßeberei bes zu unterfudjenben Sdjißes. @S müßte 
ßier bic Beftimmuug getroßen werben, baß auch einige oon ber ScßißS» 
mannfdjaft bei ber Unterfucßung herangezogen werben. Leiter müßte 
in ber Seernannsorbnung feftgelegt werben, wie groß bie 3 a ßl ber 
unbefahrenen teilte auf einem Sd)iß fein barf. B5ie ja bei bem 
feemännifeßen Beruf fel 6 ftoerftänblicß ift, ift eine Scßißsmannfchaft 
oft aus ben oerfditebcnftcn Rationen z u fammengefept. Hifr müßte 
bie Bcftimmung getroßen werben, baß geber bie gegebenen Kom* 
maubos üerfteßen muß. 3 ar Sicherheit im Scßißsbctricbc finb ftrenge 
Borfdiriften nöthig. Senn ein Schiß beit Hafen oerläßt, muß 
auf Seetüd)tigfcit, Bclabung, ©üte bcS BfOffantS, beS Saffers u. f. w. 
eine ftrenge Kontrolle auSgeübt werben. (Sbenfo muß bic TiSziplinar* 
gcwalt ber Sdjißsfüßrer oon ©runb aus reformirt werben. Tas 
Sijftem ber Strafgelber muß befeitigt werben, ba eS oft zu Ungerecßtig* 
feiten füßrt. Tic Rotßwcnbigfeit einer Reoifion ber Seemanns* 
orbnnng ift oon allen Seiten anerfamtt, unb ber Kongreß bcfcßloß, 
bie Regierung zu erfueßen, „bem ReidjStage noch wäßrenb ber gegen* 
wärtigeu Tagung eine hierauf bezüglidje Borlage z» unterbreiten". 
TcS Weiteren würbe fowoßl tut gntereffe ber Seeleute wie ber ge* 
famntten Sdjißfaßrt geforbert: „ 1 . Tie beutfdjen Rßebereien werben 
nad) einer burd) bie Reid)Sregierung zu beftimmenben BemanuungS* 
Sfala oerpflidjtet, ihre Sdjißc zu bemannen. 2 . Tic ‘Seemannsämter 
werben burd) ein Rcicßsgcfep angewiefen, biejettigen Auslänber oon ber 
Anntufterung guritef zu weifen, welche ber beutfdjen Sprache nießt foweit 
mäd)tig finb, baß fte bie gegebenen KomtnanboS pünftlicß ausfüßren 
fönnen." 

3ur grage beS KoalitionSrecßtcS würbe naeß einem Referat 
bes Rciihstagsabg. o. ©Im eine Refolution angenommen, bie „bie nach* 
träglußc ©infiigung ber in ber Seernannsorbnung 3 . 3- uitßl aus* 
briütlid) benannten Sidjerftellung beS KoalitionSrccßte" forbert. Außer* 
bem würbe gegen eine Berfd)led)terung bes KoalitionSrecßtS proteftirt unb 
oiclmehr bepeu Ausbau oerlangt, „mit ben Arbeitern bic 9)iögltd)feit zu 
gewähren, ihre fulturnothwenbigen Beftrebungen zur fitllicßen, getftigen 
unb wirthfdjaftlicßcn Hebung ber oielen Taufenbe bes Seemannsberufes 
erfüllen z u fönnen." 

3u oielen Bcfcßwerben gab ber „©ericßtsftanb ber Seeleute" 
Beraulaffitng. Bei allen gäüen, bie oor bem Seemannsamt zur ©nt* 
feßeibung fomnten, befteßt baS ©erid)t aus einer $erfott, bem SSaßer» 
fdjout. Tagegen befteßt bei ben Seeleuten ein tiefes unb großen TßeilS 
bered)tigtes Biißtraucn. Blirb ein Seemann wegen eines BcrgeßenS in 
baS Sci)ißjournal eingetragen, fo ift bie golge, baß er bei ber Ab* 
mufterung oor ben BSafferfcßout zitirt unb oon biefem beftraft wirb. 
Siegt bic Sadje aber umgefeßrt, baß ber Seemann Beftßmerbe gegen 
Borgcfeßtc füßrt, fo wirb er in ben meiften gätlcu auf beu 2Bcg gerießt* 
lidjer Klage oer wiefen. Ter § 29 ber Seernannsorbnung oerpflidjtet nur 
beu Seemann, aber uidjt ben Rßebcr ober Scßiffer. Ten ©eg ber ©ioil* 
flage zu bcfdjreiten, unterläßt ber Seemann aber meift, ba bic Sacße zu 
langwierig wirb unb er babureß in feinem ©rtoerb beeinträchtigt wirb. 
Tie ©iinfdjc ber Seeleute in biefem Bmift formulirte ber Kongreß in 
ber Refolution: Ter Reichstag möge bei ber Beratßung einer neuen 
Scmannsorbnung „ben Anträgen auf reidjsgefeplidje ©infüßruitg oon, 
aus einem jnrifiifrficn Borfißenben, unb aus beu Kreifen ber Seeleute 
gewählten Beifißern (analog b. ©cwerbcgeridjtcn) zufarnmengefeßten 
2 ecfdjöffetigeridjteit unb auf Scßaßung eines CbcrfcemanttSamteS feine 
3 uftimmuug geben." 

Tie Arbcitsoermittclung ßat in beu lejjtcn gaßren wiebcrßolt 
bic treffe befdjäftigt. Aber obgleich bie^ft feßr fraffeu 2Äißftänbe oor 
aller Ceffeutlicßfeit flar gelegt werben, hat fieß in bem ©efen ber 
Arbeitsocrmittelung bei ben Seeleuten nur wenig geäubert. gn Haut* 
bürg haben einige ©roßrljebereien Hcuerbureaus ins Nebelt gerufen. 
Aneij eriftirt ein joldjcs oott Seiten bes „Bereites Hamburger Rßcber", 
bod) entfprechen and) biefe beu Auforberuugeu nicht. Tic Bcrwaltung 
ift nämlid) eine oÖIlig einteilige; bie Seeleute haben „uir to ieggen". 
grüher gab es in bett fleincrcu Hafenpläpen feine Bcrmittcluug ber 
Arbeit burd) einen Tritten; ber Seemann ging au Borb, um fid) mit 
bem Kapitän perfönlüh in Bcrbinbung 311 feßen. geßt aber hat in 
golge bes Umidjwungcs in bei* Schifffahrt jeber Hafenort einen ober 
mehrere Heuerbaafe, biefen ift ber Seemann auf ©nabe unb llugnabe 
preisgcgcbcti, ba er nur bureß ihre Bcrmittcluug augeheuert werben 
famt.' ©s würben auf bem Kongreß eine große’ Anzahl Bcmcife für 



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©oktale PtaftS. ©cntralblatt für Sogialpolitif. Br. 16. 


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bic Ungercdjtigfett biefeS SpftemS erbra<ßt. $a$ emsige Mittel, hierin 
Abßülfe su fdjaffeit, fießt ber Kongreß barin, baß ,f>euerbureauS burrfj 
^cirf;ßgefe^ eingefiißrt unb unter gleichmäßige Berwaltuug non Arbeit¬ 
gebern nnb Arbeitnehmern geftcllt werben. 

? n J )cl * Erfüllung biefer gorberung liegt ein Stücf Arbcttcrfdjnß 
für bie Seeleute, bie oßneßin irn Allgemeinen bei ben Arbeiterfehuß- 
gefe^en su fürs gefonmtert finb. Aber and) bei ber Arbeiteroerficberung 
fjat fteß ein Mißftanb für fie ergeben, nämltcß bei ber Stentenberctfjnung 
für Unfälle. Bei einem Reiser fontmen 50 M, bei einem Matrofen 
45 .✓/ 2oßit pro Monat in Anrechnung. #iergu werben noeß 18 M 
für Befähigung in Anredjnung gebraut, BeibeS jeborf? nur für neun 
2Konate. Sie Bollrente würbe bentnacß für einen feiger 408 M , für 
einen Matrofen 378 .M pro gaßr betragen, Ser Kongreß forberte ba- 
ber, baf? „bei ber geftlegung ber Unterlagen sur Bentcnberecßnung bie 
in 2SirfIid)feit oerbiente £>euer, etnfdjließlid) Äoftgclb nnb Uebcrftunben- 
gelb, s»r Anrechnung fommen" [oU. gern er füllen fdjärfere unb prägifere 
UnfallocrbütungSoorfcßriften oon ber Beidjsregierung erlaffen unb oon 
Beidßsinfpcftoren fontrolirt werben. Aucß bie Mißftänbc in ber tfranfen- 
fürforge würben in ber Debatte geftreift. 

Betreffs ber „gnternationalität ber Seeleute" befd)loß ber 
Äfongrefj, bie internationalen Begießungen gu pflegen unb weiter aus* 
gubauen. $ie Bßeber Ratten fid) international organifirt, um il)re 
Sutereffen gu wafjren, biefem Beifpiel würben bie Seeleute folgen, fo 
lautete bic Motiotrung biefeS BcßßluffeS. 


allgemeiner ßnttfdjer ©etorrffcßoftSfongref? foff itn 3ttai 
biefeS Saftes in granffurt a. 2R. ftattfinben. Ser Sag foH fich 
n. A. mit ber gegenfeitigen Unterftüßung ber ©ewerffeßaften be- 
fdßäftigen. 

Ser fhrcfelber Böeberftreif ift nun bodß in ooHetn Umfange ent¬ 
brannt. Sn fämmtlidßen medßanifchen ©ammetroebereien, auch in 
benen mit eintägiger EünbigungSfrift, ift bic Eiinbigung erfolgt. 
Auch bie Söeber oeS nieberrheinifeßen BerbanbeS cßriftlicßer Textil¬ 
arbeiter haben befdßloffen, troß ber ißnen oon ben Borfteßent oor- 
efteHten AuSficßtSlofigfeit beS AuSftanbeS unb troß ber mangeln- 
en (Selber gur Unterftüßung, bennoeß in ben AuSftanb eingutreten 
unb lieber oorläufia auf Unterftübungen gu oergießten. Sie neue 
ßoßnlifte, fo fagen fie, enthalte, namentlich für bie Sßeber einiger 
bebeutenberen gabrifen, gu große Bad)tßeile. Badß ber „ßölnifdßen 
Botfsgeitung" ift in einer Berfammlung ber dßriftlicßen Tejtil- 
arbeiter auch ber SBorfc^lag eines giißrerS, bie neue ßoßnlifte 

probeweife angutteßmen, ingwifdjen weiter gu oerßanbeln unb ben 
fioßnoerluft aus ber BerbanbSfaffe gu oergüten, abgelehnt worben. 
Sn ben gewerffihaftlid)en Greifen SeutfcßlanbS wirb ingroifeßett für 
bie Slrefelber AuSftänbigen, beren 3 a W fl n 2000 beträgt, ge- 

fammeit. Ser ©ewerfoerein d^riftlicfjer Bergleute im Bußrreoier 
hat 1000 J(. gur Verfügung geftefft. Anfcßeinenb benfen bie 
gabnfattten oorläufig nicht ans Badßgeben. Ser Erfolg ber 

©treifenben bürfte oon Umfang unb Sauer ber Unterftüßung 
feitenS ber gefammten Arbeiterfdßaft abhängen, ba fte felbft über 
feine Mittel oerfügen. (Ss wirb auch barauf anfommen, ob ber 

Slusftanb allgemetn wirb unb auch auf anbere Ortfchaften über¬ 
greift. — UnfereS Trachtens liegt ber 5aÜ gerabegu tppifch für ein 
©inigungSoerfahren; beibe Parteien ftreiten fich über bie üohnlifte, 
wer Stecpt hui, baS ift nur im 2öege ber SSerhanblung burd) einen 
unparteiifdjen Sritten feftgufteHen. SSefanntlid) hu^^n bie Arbeiter 
ruf) an bas ©ewerbegericht gewenbet, aber bie Arbeitgeber hüben 
es abgelehnt, ben gleichen ©chritt gu thun. 

Orgauifatiouen ber Arbeiter in ftäbtifdjen betrieben. Sem 

SahreSbericht beS SSerbanbeS ber Arbeiter in OJaSanftalten unb in 
allen anberen ftäbtifchen ^Betrieben für baS C^efchäftSjahr 1897/98 
ift gu entnehmen, ba& am @nbe beS ©efd)äftSjahreS 21 Filialen 
mit 1601 SDtitgliebern oorhanben waren, gegen 10 Silialen mit 
924 2ftitgliebern im oorhergehenben ©efchäftsjahr. Siefe gort- 
fchritte feien um fo bemerfenSmerther, als bie Bewegung unter Ma߬ 
regelungen unb (Shifunen gu leiben hübe. Surchgängig fehe man 
es fehr ungern, wenn ©emetnbearbeiter fich organifirten. 5ÖefonberS 
bie unteren ober mittleren Beamten wollten bie SSeretnigung ber 
Arbeiter nicht bulben, überfd)ritten nicht feiten ihre Diadjtbcfugiüffe 
unb bie oerantwortlidjen ©emeinbebehörben fäl)en biefem Sreiben 
oft mit großer ©chabenfreube gu. hätten bann bie Sifferengen 
einen ernften Gharafter angenommen, bann erfläre man fdjließlid), 
bie Uebergriffe ber unteren Drgane nicht billigen gu fönnen unb 
fd^affe mtbermißig 9iemebur. Ser ®efd)äftsbericht führt weiter 
$lage, baß bie Bewegung ber ftäbtifchen Arbeiter, oon ocreingelten 
Ausnahmen abgefcheit, oon ben örtlichen 03ewerffd)aftSfarieIlen in 
Berfeununa ber Bebeutung einer folgen Bewegung fo gut wie gar 
nicht unterftüßt werbe. Srofcbem gehe es oorwärts, namentlich in 
Berlin, wofelbft feßt gilialen ber ©aS* uub ÄanalifationSarbeiter, 


SöafferwerfSarbeiter, SeSinfeftionS- unb 3Rarfthuffcnarbeiter, ber 
Saternenangünber unb beS 6<hlad)t- unb BiehhofeS beftänben. 
Slußerbem feien in ben Berliner Bororten Segel, griebrid)Shagen 
unb £icf)tenberg, wo fich befanntlich Berliner Sßafferwerfe befinben, 
neue BerwaltungSftellen gegrünbet worben, ©äntmilichen gilialen 
haben ftch bureßgängig bie Mehrheit ber BerufSgenoffen anae- 
fcßloffen; in einigen feien 75 bis 80% oon ißnen organifirt. @3 
feien auch bie Berliner Arbeiter ber ^analifation unb BSafferwerfe, 
ber Btarfthallen unb beS ©cßlacht- unb BießhofeS fowie bie 
Satemenangünber in eine noch nießt abaefchloffene Öohnbewegung 
eingetreten. Sie Arbeiter forberten Erhöhung ber ^ößne, Ber- 
fürgung ber SlrbeitSgeit, SlrbeiterauSfd)üffe, SlrbeitSorbnungen :c. 
Sen ÄanalifationSarbeitern feien auch bereits einige 3u9eftänbniffe 
gemacht worben, was auch bei ben anberen Arbeitern gu erwarten 
fei. — 2ln Umfang unb Bebeutung fann fieß bie Drganifation ber 
beutfeßen ftäötifcßen Arbeiter mit ber ber englifcßen auch nießt ent¬ 
fernt oergleicßen; immerhin oerbient bie junge Bewegung in 
Seutfdjlanb Beacßtung, gumal in ftäbtifchen ©emeinmefen meift 
reicßlicßere Mittel gur Surcßfüßrung einer oerfößnenben Hrbeiter- 
politif oorßanben finb als bei Brioatunterneßmern. ©3 fann gar 
nicht feßaben, wenn bie Sfommunen auch oon unten ßer oeranlaßt 
werben, meßr ©ogialreform gu treiben. 

©ewerfuerein cßriplicßer Bergarbeiter Seutfcßlaubs. Sie am 
8. b. 9J?tS. in ©ffen abgeßaltene oierte ©eneraloerfammlung beS 
©ewerfoereinS dhriftlicßer Bergarbeiter SeutfcßlanbS ßat folgenbe 
Befcßlüffe gefaßt: 

„1. Sa bie eigentlidjen §auerlößne troß ber Steigerung ber leßtcn 
Sabre noeß nießt bie auf unferem Sclegirtentage gu Bocßum oom Sußre 
1897 geforberte ®öße erreicht ßaben, erwarten bie Bergleute eine weitere 
Slufbefferuitg ber Öößnc, weldje bie Sage bei? ÄioßlenmarfteS un- 
gweifelßaft geftnttet; 2. bie Bergleute forbeni weiterhin eine Bef je re 
Bertßeilung berSößne gang BejouberS baßin, baß bie 9ieparatur- 
ßauer unb aubere ältere gelernte Bergleute, welcße im ©cßidßtloßn ar¬ 
beiten, befjer als bisßer gelößnt werben; 3. Befanntgebung ber Soßn- 
ftatiftifen nießt nur für gange Begirfe, fonbertt aud) für bic eingclncn 
gecßcit; 4. wünfd)eit wir gur Siegelung ter ©ebingc unb ©d)idjtIoßn* 
feiße Äommiffionen, befteßenb aus Slrbeitgebern unb Slrbcitneßmern; 
5. bie ©eneraloerfammlung fprießt aud) ißre Mißbilligung aus über 
bas bei oielcu Bergleuten übließe feiern am Montag unb wünfd)t, baß 
ben feiemben Slrbeitern feine Ueberfcßidjten meßr geftattet werben. 

Begüglicß ber öerangießung ber Arbeiter gur ©ruben-Sitfpeftion 
würbe golgenbeS oefcßloffen: 

„Sie ©eneraloerfammlung fteßt nadß wie oor auf bem ©tanbpunft, 
baß bie Bergwcrfsinfpeftion unter Mitßülfe frei gewählter Slroeiter* 
bclegirten ausgefüßrt werben foHte, bie ißre gunftionen im Siebenanttc 
auSgttüben hätten, unb fprießt ißr Bebauern barüber aus, baß bic 
Beforat ber BergwerfSinfpeftionen ßeute nodß nießt in biefem ©inne 
ßerbeigefiißrt ift." 

Ser ©entraloorftanb foH biefe BBünfcße in einer ©ingabe bem 
Berein für bergbauliche Sntereffen im DberbergamtSbegirf Sort- 
munb übermitteln. Ser ©eniraloorftanb würbe außerbem beauf¬ 
tragt, tßuniicßft halb bureß Petitionen an bie gefeßgebenben gaf- 
toren gu erftreben: 

1. bie ©rweiteruna ber ftompeteng ber ©ewerbegerießte als 
©inijjungsämter unb ^nlaffung oon ?lrbeiteroertretern als Beeßts» 
beiftanbe an ben ©ewerbegeridjten; 2. bie Slbänberung beS Unfall- 
ocrfid)erungsgefeßes im Sinne ber im Saßrc 1897 an ben BeicßS- 
tag gerichteten Petition beS ©ewerfoereinS, insbefonbere ©rßößung ber 
Renten; 3. bic Sfbänberung beS preußifeßen SerggefcßeS im 
Sinne ber oorjäßrigen Petition bes BorftanbeS an ben preußifeßen 
Sanbtag; 4. ein ©efeß, betr. bic eingefdjricbenen Arbeiter-Berufs- 
oereine unb Bcrleißung oon ÄorporationSrecßten an leßtere; 5. ein 
©efeß, betr. bie (Srrießtung oon Arbeiterfammern. 

Badß bem 9tecßenf<ßaft3beri<ßt beträgt bie Biitgliebergaßl jeßt 
27 983 unb ber Ä'affenbeftanb 16 771 , //. Ser monatliche Beitrag 
fott fünftig 20 4 betragen (bisher ^Jahresbeitrag nur 1 di.). Sas 
BereinSorgan fofi oom 1. April er. ab wöchentlich, ftatt wie bisher 
oiergeßntägig, erfdßeinen. 3n Betreff ber geplanten föranfengelb- 
gufdßußfaffe würbe mitgetljeilt, baß bie Statuten bereits Anfang 
Auguft 1897 eingereießt worben feien, baß aber bis jeßt baS 9JH- 
nifterium beS gnnern fte weber genehmigt nodß überhaupt einen 
Befdßeib barüber erteilt habe, lieber bie Bergögeruttg würbe 
lebhaft geflaqt, unb ber Borftanb beauftragt, beim Ütiiiifterium 
fofort oorfteilig gu werben, gerner würbe befcßloffen, alsbalb 
eine Spar- unb ©terbefaffe beS ©ewerfoereinS eingurießten. 

Streifs tu Seutfcßlanb toäßrenb beS ^cgemberS gäßlt ber „Arbeits- 
ntarft" als neu begonnen nur 19 auf, wäßreitb im Aooembcr 40 oer- 
geid)itct würben. 2>ie größte 3aßl batte bieöiital bic Metallinbuftrie (6), 
oaim folgt bic 2cytiliubuftric (H), bas Baugewerbe bat nur einen 
cingigcn Streif. Sde Ausfiänbe finb fänimtlid) oon geringem Umfange, 
nur ber Öoßufatnpf ber Hrefclbcr B5cber ift oon großer Bebeutung. 



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Sogiale $ra£t£. ©entralölatt für Sogialpolitif. 9?r. 16. 


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Smashing Trade Unionism? Sie „Bailroat) SReoiero", baS 
Crgan ber „bereinigten ©efeßfcpaft ber ©ifenbapuer", inacpt einige 
angeblich aus gnoerläffiger Cueße gefepöpfte 9Rittpeilungen über einen 
in ber Bilbung begriffenen großen englifdjen Unternepmeroerbanb, 
ber fiep hinter ber BtaSfe beS „barlamentarifdjen Unternehmers 
ftomiteS" oerbergen foß. (Seit einigen üRonaten fepon pabe btt 
291 Firmen umfafienbe Biafcßinenbau*Unternepmeroerbanb bieS 
brojeft ins 2Serf gefegt, bamit afle ©eroerbe, roelcße mit „hjrannifdjen 
Srabe*UnionS" Sdjioierigfeiten haben, bie ©runbfäpe bes Btafcpinen* 
bau*UnternepmeroerbanbeS annehmen unb eine bie Unternehmer 
aßer ©eroerbe umfaffenbe Föberation gebilbet roerbe, mit bem 
3roecf, bie Srabe UnionS gu gertrümmern. ©inftroeilen habe man 
groar nur ben „^arlantentarifthen UnternepmerauSfcßuß" eingefept, 
aber man roarte nur auf bas ©rgebniß beS Srabe Union4longreffeS 
in SRancßefier, ber am 24. Qanuar beginnt, um bett großen 
Unternehmeroerbanb ins Leben gu rufen. (Sine große Firma, bie 
Kriegsmaterial fabrigire (Slrmftrong), habe bereits 35 000 Sßfunb 
für bie ^ropaganba gegeichnet. (Sogar bie Statuten roeiß baS 
©ifenbapner*Blatt fchon mitgutheilen, danach roill ber Berbanb 
„abfolute Freiheit beS KontraftcS groifeßen Unternehmer unb 
Arbeiter" unter Slbroeifung jeber ©inmifd)ung oon ©eroerfoercitten. 
Bei einem Streif erhält baS BerbanbSmitglieb oolle ©ntfcßäbigung 
für feine Berlufte. Keine 3irma barf in einem Streite fclbftftänbig 
mit Srabe UnionS unterhanbeln, bieS SRecßt hat nur ber Berbanb. 
— 2Sir begnügen uns einftroeileit mit biefem furgen fnnroeis, weil 
mir trop aßer Berficßerungen ihrer 3uoerläffigfeit ben Btittpeilungen 
ber „SRailroat) SReoiero" mit großem S^eifel gegeniiberftepen. Be* 
fonberS macht uns bie Behauptung nüßtrauifcp, baß ber Unter* 
nehmeroerbanb bann inS Leben treten foße, mentt bie Srabe Union* 
fonfereng in SRancßefter eine Bereinigung ber ©eroerffeßaften nid)t 
befeßließen follte. Logifcp märe eigentlich baS ©egentpeil. SSir 
fönnen uns ber Bermutpung nicht ermehren, baß bie BMbung ein 
SRanöoer ber rabifalen Anhänger ber ©eroerffcßaftsföberation ift, 
baS nage ^rofefte eingelner Unternehmer als Sd>recfmittel für bie 
Sagung in SRancßefter benupen miß 2Bir haben mieberholt (ogl. 
Sp. 389) barauf pingeroiefen, baß bie alten großen Srabe UnionS 
bem ^Blatt eines allgemeinen BerbattbeS fehr fühl gegenüberftehen 
ober ihn offen befämpfen. 

$er Hmtgreß ber ettglifcpett Bergarbeiter, melier am 10. Sanuar 
in ©binburg eröffnet mürbe, führte gur Einigung ber malififchen 
unb englijeßen Bergarbeiter in bem aßgemeinen Bergarbeiterbunbe. 
©S maren oertreten: South 2BaleS unb Btonmoutpfpire, £)orffpire, 
Lancafßire, bie fchottifche Feberation, Serbtjfpire, iRottingparnfpire, 
bie Bttblanb geberation, SRortp 28aIeS, ©leoelanb, ©umberlanb, 
Leicefterfpire, Briftol, Somerfet, South Serbijfpire, im ©angen 
408 651 Bergarbeiter burch 55 Selegirte. ©rfter ©egenftanb ber 
Sagesorbnung mar bie Slufnaptne ber malifer Bergleute in ben 
großen Berbanb. Sie JDrganifation in BkleS umfaßt jept oon 
100 000 Arbeitern etroa 60 000; eine bem ©binburger Kongreß 
oorhergegangene Berfammlung in ©arbiff hatte befdjloffen, in allen 
fünften mit ber ÜRinerS’ Seberation gu gehen, ausgenommen in 
Lopnfragen. ©ine längere 2lnfpracße beS Bräfibenten Bicfarb roieS 
mit großer ©enugtpuung auf bie Erfolge bes BerbanbeS hin unb 
betonte namentlich bie Bebeutung ber unlängft erfolgten gütlichen 
Bereinbarung groifeßen ©rubenbefipern unb Bergleuten, bie bis 
1901 in Kraft bleiben foll. Srop ber geftiegenen Lößne ber 
Arbeiter fei bie Lage beS englifdjen KoplenmarfteS fehr günftig. 
Biifarb befürraortete aufs SReue bie Agitation für ben gefehlten 
Slcßtftunbentag im Bergbau. Sehr fcf>arf fritifirte er baS Unfaß* 
©ntfdjäbigungSgefep. Bon einer Bereinigung aßer Srabe UnionS 
miß er oorläufig nichts miffeit. Öiir bie SSaplen betonte er bie 
SRotproenbigfeit eines felbftftänbigen BorgehenS; man roerbe bie 
liberalen nur bann unterftüfeen, menn fie Bemeife ihrer Arbeiter* 
freu n blich feit burch entliehene Steßungnahme für bie noth* 
menbigen fogialen Dtefonncn gegeben. — SDer Eongrefe befchloh 
eine Befolution, melche bie ?luSbehnung ber Unfaß*(!ntfd)äbigung 
auf aße ©emerbe unb Befeitigung oerfchiebener BUßftänbe, natnent* 
lieh beS fogenannten Contracting out, forbert. SRadj Berid)ten aus 
aßen ^'triften befteht baS Berlangett nad) einer Lohnerhöhung 
oon 7V 2 %; ber Sefretär bes BergarbeiteroerbanbeS foll fief) beS* 
halb mit bem Sefretär beS ©rubenbefiperoerbanbes ins Benehmen 
fefcen, bamit gemeinfame Berhanblungeit über biefe gorbernng ein* 
geleitet roerben. 

$er nationale Kongreß ber frangöfifd)en Bergarbeiter taub, mie 
fdjon furg gemelbet, oom 22.-24. (Tegember in St. (Sticmie im 
Loire*Baffin ftatt. 9luS Baris mirb uns bartiber jept bes Näheren 
gefchrieben: BtangelS einer feiten baS gange Laub uuifaffenben 


Drganifation, läpt bie Befcpidfung ber ^ongreffe ftets gu roünfchen 
übrig. Sntmerhin finb bie ©eroerffchaften unb ©eroerffchaftSoer* 
bänbe, in meldjen bie Belegfchaft ber eingeluen großen Bergbau* 
reoiere regional oereinigt finb, regelmäßig oertreten. Sluch bie 
Heineren ifolirten Bergbaubegirfe pflegen meiftenS 25elegirte gu 
fenben. 2lm bicSjährigen Kongreß Ratten fich folgenbe Sbeparte* 
mentS betheiligt, bie bei ben 3lbftimmungen mit ber beigefepteu 
Stimmengahl proportional ber 3al)l if^rcr 3lrbeiterfchaft figurirten: 
Slßier 10, Sloepron 11, ©arb 4, £>erault 3, 3ffrß 3, B^fo^alais 
46, §aute* Loire 3, Loire 34, $orb 22, Sarn 6, SRhone 2. ^)ie 
Berhanblungen begogen fich auf bie Sfrage beS ?ld)tftunbentagS, 
bie B?obißfation ber ©efepe über bie BergmerfSinfpcftoren unb bie 
^nappfepaftsfaffen unb Einrichtung oon BergmcrfSgerichten. 2)ie 
Debatten über ben 9Icht)tunbcntag führten gu beträchtlid)en 
BteinungSoerfchiebenheiten groifepen ben gemäßigteren Bertretern beS 
5RorbenS unb ber extremen 5Rid)tung, bie mepr im Süben einge* 
bürgert ift. £)er ®elegirte BaSlp, S)elegirter beS BaS*be*GalatS, 
braute feinen fepon lange in ber 2)eputirtenfammer lagernben ©e* 
fepentrourf aud) als Eintrag auf bem Kongreß ein. darnach märe 
ber gefeplicpe ^ichtftunbentag nur für bie Untertagarbeit oon ©in* 
bis VluSfaprt gu forbern. ©aloigune, ^eleairter beS Sarn, oer* 
langte SluSbepnung beS 5lcptftnnbentageS auf aße Betriebe, bie ber 
Bergaufficht unterließen, alfo auch für bk £agarbeit unb bie 
Steinbrücpe. ®ie Mäßigung BaSlpS entfpringt ben ©rmägungen, 
baß man ©efapr laufe, gar nidjts gu erteilen, menn man auf 
einmal gu oiel forbere. ^>er Kongreß napni fcpließlich eine SRe* 
folution an, bie fiep auSfpricpt für „gefeplicpe ^leglementation beS 
5lcptitunbentagS oon ber ©in* bis gur SluSfaprt unb für bie affi* 
milirten Arbeiten an ber Cberfläcpe". — $>ie beantragten 3Robi* 
fifationen beS BergaufficptSgefepeS begießen fup auf groei 
Bunfte: ©inmal auf bie SBaßl ber Slrbeiterbelegirten. Unter bem 
heutigen ÜRobuS glaubt man gegen Btoßlbeeinfluffungen niept fieper 
m fein. ®arum fei baS ifolirte ©aßlfabinet eingufüpren unb 
oie 3^1)1 ber Unternehmerroaplfommiffare auf gmei ßerabgufepen. 
5)ie meiter beantragte Btobififation beS ©iefepeS ßat gum 3ro e d e / 
bem Slrbeiterbelegirten größere Selbftänbigfeit gu geben unb feine 
Hompeteng etmaS gu erroeitern. Sein iHufficptSrecßt foß auf bie 
über &ag Uegenben BetriebSftätten auSgebepnt roerben. Leiter 
foß bie 3aßl feiner obligatorifcpen Bifitationen auf 24 im Blonat 
erpöpt roerben. Bei 5lbänberungen ber SBaßlbegirfe ift ber ©in* 
fluß ber Unternehmer gu eiiminiren. gerner roerben noep einige 
Slbänberungen in ben Beftimmungen über bie Begüge ber Slrbeiter* 
belegirten beantragt. — 2£aS bie Hbänberung beS SllterS* 
rentengefepeS betrifft, fo fuept man größere materieße Borlßetle 
für bie Arbeiter gu geroinnen. ^ie Beiträge ber Unternehmer 
mären gu biefem 3roecfe oon 4 auf 6 % ber Löpne gu erpöpen, 
unb oon biefen erpöpten B^ämien foßen 2 °/o für bie ton* 
ftituirung ber BJihoenrenten benupt roerben. Breiter roünfcpt man 
eine ßRinbeftrente oon 2 <5rcS. pro Sag unb Eintritt beS BeguaS* 
recpiS naep 25 SDienftjapren anftatt im 55. LebenSfapre. — Dpne 
roeitere Berpanblungen fpraep ftep ber tongreß für ein ipm oor* 
gelegtes Brofeft gur ©rrieptung befonberer ©eroerbegeriepte 
tm Bergbau aus, bie nach ^er beftepenben ©eroerbegerid)te 
gu organifiren mären. — Ser näcpftiäprige toitgreß roirb in 
Senain ftattßnben. 

Ser tlnSftaiib ber $attblmtg$gef)älfen ber toloutalmaaren« 
Braiupe in Baris, oon bem roir meprfaep berußtet paben, ift lang* 
fam abgeebbt, naepbetn er einige ©rfolge ergielt patte. Bon einem 
oößigen Siege fann jeboep nidjt bie SRebe fein. Sen ©cpülfen 
ift es oor 3luem niept gelungen, bie Unternehmer gu einer foßef* 
tioen Slftion gu oerantaffen. Sie öffentlichen Berfammlungen, 
roeld)e fie gum Qn jede freier 9luSfpracße arrangirt patten, mürben 
nur fpärlicp oon ben Unternehmern befudjt. ©S giebt in B ar ^ 
5137 tolonialroaarcngefd)äfle, oon roekpen 1337 auSfcpließlicp 
Familienbetriebe barfteßen. Ser Beft oon 3S00 befdjäftigt unge* 
fäpr 12 000 Llugefteßte. Bon biefen paben etroa 400 Unternehmer, 
meift Heinere mit 5lrbeiterfunbfcpaft, baS Streifprogramm aner* 
fannt. Sarauf rebugirt fid) ber gange ©rfofg, roenn roir baoon 
abfepen, baß auep einzelne große ©efd)äfte nod) oor SluSbrucp beS 
?luSftanbeS bie SlrbeitSgeit um eine Stunbe perabgefept patten. 
Ser ©eroerfoerein ber $anblungSgchütfen benupt bie burep bie 
Speilerfolge crgielte giinftige Stimmung, um bie Crganifation ber 
©epiilfen meiter gu entroicfeln unb für gufünftige LXftionen gu 
ftärfen. 

2luS ber amerifamfepen ©erocrffcpaftSbetoegung* 3« fre” Ber* 
einigten Staaten finb naeß bem American Federationist 4, runb 
eine Biißion Arbeiter in ©eroerffepaften oereinigt. §icroon finb 



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Soziale BrariS. Eentralblatt für Sogialpolitif. 9?r. 16. 


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60 % in bcm ©efammtoerbanbe ber , American Federation of 
Labor 4 , 10°/o in ben Berbänben ber ©ifenbaljnangeftellten, 10% 
in totalen Bauarbeiterorganifationen unb 20% in anberen, unter 
lief) Bereinigten Drgantfationen, bie gum $h e il ben Gittern ber 
Arbeit (Knights of Labor) angeboren. Sn manchen ©ewerben ift 
bie Drgatiifation oollftänbig ooÜgogen, in wenigen nabegu boU* 
ftänbig, unb in einem (bewerbe nach bem anberen beginnen bie 
©ewerffd)aften einen entfe^eibenben Einfluh *u gewinnen. Ein 
großer Sb e il ber S^icf)torganifirten ift ben Berbinbungen wohl* 
geneigt unb gebt bis gu einem gewiffen ©rabe mit ihnen. Sie 
Art unb Bkife ber Berbinbung in ben Betriebenen bewerben 
richtet ftd) nad) beit Berbältniffen, wirb aber in ber .frmuptfache Bon 
bem gleichen ©runbfafce geleitet. Als eine $Trt ber Berbinbung nehme 
man g. B. biejenige bes Bud)brucfergemerbeS. gn ber Union befinben 
ficb mehr als 300 Berbänbe oon Schern unb ftorreftorett, in jeber 
großen Stabt ein Berbanb beS ©ewerbeS. Siefe finb gu einem 
internationalen Berbänbe, mit bem §auptiibe in gnbianapoliS, 
Bereinigt. 9?acb biefem Bfittelpunfte fenben bie Betriebenen DrtS* 
Berbänbe ifjre Berichte, unb bann taufeben fte ihre Arbeiterfarten 
gegenfeitig aus, wobureb ein Arbeiter, welcher in einer Stabt wohnt, 
ficb feinen Sfamcraben in einer anberen anfcblie&en fann. Sie 
Biitgliebergabl biefer DrtSoerbänbe ift fehr oerf(f)ieben. Einige 
haben 10 Bittglieber, einige 100, einige wenige 500 bis 1000, unb 
ber Berbanb m 9iem*?)orf b a * über 5000 Biitglieber. Sie 5Jiit* 
glieber ftimmen bei wichtigen fragen in ben Betriebenen SSerfftatt* 
oerbänben, genannt töapeften, ab, wobureb übereilte Btahnahmen 
oerhinbert werben. Sn gleicher Söeife wirb bei bem ^Internationalen 
Sppographifr* n Berbänbe bie Berichterftattung unb bie Aufteilung 
Bon Sorberungen gefjanbbabt, wobureb fämmtlidje Biitglieber bie 
&bätigfeit beS 9£ationaIoerbanbeS fontroliren unb wichtige gragen 
unb beabfichtigte BJahregeln, welche guerft allen DrtSoerbänben gur 
Sefprecbung Borgelegt werben, entleiben. ®iefe Art ber Ber* 
binbung, wie fie ber £t)pograpbifcbe Berbanb h<*h biente als 
SSorbilb bem Eigarrenmacher*, bem Sofomotioführer* unb ßofo* 
motinheigeroerbanbe unb eigentlich auch ber Diehrgahl aller National* 
Berbänbe. Sie „American Federation of Labor“ ift eine Serbin* 
bung, nicht eine Berfrmelgung ber meiften 9?ationalgewerffcbaften, 
fowohl ber (Zentral* wie ber DrtSoerbänbe. Sie hölt eine aHge* 
meine 3 n f auunen ^ ul, ff non Abgeorbneten einmal im gahre nb. 
2Tuf biefer 3 u f amln enfunft werben bie eingufcblagenben Bkge unb 
bie Arbeit bes BerbanbeS für bas fommenbe gahr befdjloffen unb 
fte bient als Mittel, bie Bemühungen Silier in Uebereinftimmung 
gu bringen. Sie meiften ©ewerffraften haben UnterftiifcungSfaffen, 
unb bebeutenbe (Summen gehen bei ihnen für biefen 3mecf non 
£>anb gu £anb. Auherbetn finb bie alten unb franfen Bcitglieber 
Bon ber 3al)lnng Bon Beiträgen unb ©ebühren befreit, unb freie 
Betten werben fiir bie Blitglieber in ben Betriebenen öofpitälern 
unterhalten. Slucb bie ftapellen haben Unterftübungsfaffen. $ach 
niebriger Schälung oerauSgabt ber 9£ewporfcr ippographifebe 
Berbanb über 200 000 JL jährlich allein für Hnterftü(jungen unb 
Beiträge. Sie örtliche unb internationale ©efammtauSgabe für 
wohlthätige 3roecfe beträgt bei ben Bereinigungen ber Topographen 
jährlich 1 200 000 JL bis 1 400 000 JL Ser gnternationale 
Berbanb ber Gigarrenmacber gewährt Slranfenunterftüfcung oon 
wöchentlich 20 ,/tl, Unterftübung bei Begräbniffen Bon 200 JL 
bis 2 000 unb im gal)re 1893 gur 3^it beS allgemeinen ©efräftS* 
niebergangeS BerauSgabte ber Berbanb 356 000 JL gur Unter* 
ftüfcung ArbeitSlofer. Sie ©efamtntfumme für Sariehen, Beiträge, 
Begräbniffe unb für Unterftühung ArbeitSlofer unb Hranfer beträgt 
mehr wie 1 000 000 JL jährlich- Sie Sofomotioführer gahlten 
währenb ber lebten 15 Sabre burcbfcbnittlicb jährlich 700 000 c 4t 
für Unterftühung bei Todesfällen, unb bie feiger 600 000 <K.. jähr* 
lieb- Siefe Bier Berbänbe, welche wahrscheinlich 120 000 BUtglieber 
gählert, geben jährlich ben Betrag Bon 4 000 000 JC ben Bebürf* 
tigen. Bei ben mittclloferen Berbänben ift ber Betrag ungewiß, 
aber ber Bericht ber Behörbe für Slrbeiterftatiftif beS Staates 
SRemporf für 1894 geigt, bah &i e ncrfdjiebenen Berbänbe beS 
Staates in biefem Sabre 2 044 000 JL für gegenfeitige Unter* 
ftühung auSgaben. 9tad) biefem Sa^e würben bte jährlich in biefer 
Sßeife non ber BHllion organifirter Arbeiter ausgegebenen Beträge 
gwifchen 12 bis 16 BUHionen BJarf ausmachen, ^en Oiewerf* 
febaften ift es gu banfen, bah bie Behörbe für Mrbeiterftatiftif unb 
bie für Sabrifinfpeftoren, fomie auch bie SchiebSgerichte geraffen 
würben. Biel ift uon ihnen für bie Berbcfferung ber Bierfitätten 
unb gur Unterbrücfung ber Kinberarbeit getrau. Sie (^efepe ginn 
Schuhe ber Arbeiter unb bie famtaren (iinridjtungcn ber Betriebe 
finb in ben Begirfen weit beffer, in welchen bie Arbeiter organifirt 
finb, als in beneit, wo es an Drganifation mangelt. SaS 2ld)t* 


ffunbencjefeb für bei ber Regierung befd)äftigte ^erfonen, u. ?l. 
für Briefträaer, baS ©efeh über wöd)entli<he fiohngahlung, bie 
Slbfchaffung ber (Üefängniharbeit als ^ottfurreug ber freien Arbeit, 
ber geregelte Arbeitstag unb halbe geiertag am Sonnabenb finb 
in erfter Üinie ber Shätigfeit ber Oiewerffdjaften gu Berbanfen. Sie 
92ewporfer Behörbe für Arbeiterftatiftif fagte in ben Berichten für 
bie Sahre 1885 bis 1893, bah währenb biefer 3eit mehr wie 
17 000 AuSitäube, betreffenb 24 567 Betriebe, Bon Grfolg waren, 
5707 waren ohne Erfolg unb 1860 waren theilweife erfolgreich 
ober es fanb eine Berftänbigung ftatt. Sie Sftationalarbeiterbehörbe 
führte Statiftif über bie Angahl ber Arbeiter, welche oon 1881 bis 
einfchliehlich 1894 an AuSftänben betheiligt waren, unb fteüte bie 
3ahl uon 3 700 000 feft. Bon biefen hatten bei ben AuSftänben 
oon 1881 bis 1887 47 % unb Bon 1888 bis 1894 41 % Bollen 
Erfolg. Biele ber AuSftänbe waren nicht organifirt. SBürben 
nur bie organifirten berechnet werben, fo bürfte ftch ergeben, bah 
girfa 75o/ 0 biefer AuSftänbe erfolgreich waren. Sie Berichte 
fteHen feft, bah &ic 3 a hl ^er AuSftänbe fid) oerringert. Sie Ber* 
minbert fich mit ber wachfenbeit Stärfe ber ©emer ff «haften. An* 
genommen, biefe haben in ben Sahren ihres Beftehens bahin ge* 
wirft, bah kie Söhne ber BiiHion organifirter Arbeiter um 8 
wöchentlich gewachfen finb, fo hätten bamit biefe Arbeiter fich jähr* 
lieh 400 000 000 Jt mehr non bem ©efammtertrage ber Arbeit 
gefiebert. — So baS amerifanifche ©ewerffd)aftsblatt. 


(SentralPereitt für ArbettSncuhmeiS in ^erlitt; Organifation 
Po« paritättfehen i|a^arbettSnachtorifen. Ser ©efammtoorftanb 
hielt unlängft eine fehr bebentfame Si^ung ab. 3 un äd)ft berichtete 
ber Borfi(jenbe Dr. greunb über bie BetriebSrefultate bes ArbeitS* 
nachweifeS im Sahre 1898. hiernach melbeten fnh 38 000 ArbeitS* 
lofe, oon benen 24 000 in Stellungen gebracht würben; bie 3ah* 
ber Bon Arbeitgebern Berlangten betrug 25 000. Als eingiger 
©egenftanb ftanb auf ber SageSorbnung bie wichtige grage ber 
Drganifirung Bon paritätifchen gacharbeitSnachweifeit. 
Sie anwefenben Bertreter ber Arbeitnehmer gaben auf bie Auf* 
forberung bes Borfipenben, ihren Stanbpunft in biefer grage flar 
bargulegen, fotgenbe für bie dntwicfelung ber Arbeitsnachweisfrage 
in Berlin — ja man fann fagen pringipiell für gang Seutfchlanb 
— h°<hu)i<htige ©rflärung ab: Surd) ihren Eintritt in ben 
Borftanb beS ©entralnereinS für Arbeitsnachweis, über beffen gort* 
gang fie fich non nornherein flar gewefen feien, hätten bie Arbeiter 
bereits ihre Stellungnahme in biefer grage feftgelegt. Sie Arbeiter 
ftänben auf bem Boben ber Beftrebungen beS (SentraloereinS, 
welche auf bie Drganifirung non paritätifchen gad)* 
arbeitSnachweifen hingielen. Sie Arbeiter feien fofort 
bereit, gu ©unften biefer ArbeitSnachweife ihre eigenen 
ArbeitSnachweife aufgulöfen, BorauSgefefet natürlich, 
bah bie Arbeitgeber auch gur Auflöfung ihrer ArbeitS* 
nadjweife bereit finb. Ser Borftanb nahm hierauf einftimmig 
folgenbe Befolution an: 

,,^er ©efammtoorftanb beS SentraloereinS für Arbeitsnachweis ift 
ber Üebergeugung, bah gacharbeitsnadjweife unter gleichseitiger 3)Ut= 
wirfung uon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern unter bem Borfipc eines 
Unparteilichen bie eingige berechtigte unb erfirebenswerthe ^orm in 
ber Crganifation ber jad^arbeitsnachwcifc barftcflen unb befdjlicht, mit 
aller Energie auf bie Errichtung berartiger gad)arbcüsnachweife I;in= 
gu wirten.'' 

$achbent noch ber Borftheitbe feftftellen fonnte, bah man in 
weiten Greifen ber Arbeitgeber biefen Beftrebungen beS BeretnS 
fehr fpmpathifch gegenüberftünbe, würbe gunächft eine fiebengüebrige 
Sfomntiffton gur Ausarbeitung eines S^ormalftatuts für gach* 
arbeitsnachweife eingefe(jt. SaS $ormalftatut foH Iebiglich bie 
©runblage bilben für bie Ausarbeitung oon Spegialftatuten, bie 
ben Berljältniffen ber eingelnen ©ewerbe angepaht unb oon ben 
ben betreffenben ©ewerben angchörigen Bertretern ber Arbeit* 
geber unb Arbeitnehmer in jebent eingelnen galle befchloffcu 
werben müffen. 

ArbettS«achtoeiS*A«tirag im MetehStag. Ser gnitiatiuautrag $arfi* 
nicfe=91öftde, ber bcfanntlich bie gefepliche Errichtung uou ArbeitC'iind)# 
weifen uerlangt, au bereit Berwaltung Arbeitgeber unb Arbeitnehmer 
glciiherweiie betheiligt fein follen, hat aus ber uationallibernlcu ^raftiou 
*20 Unterfdjriftcn gefunben Tic Abgeorbneteu, bie bem Anträge aus 
eigener oititiattue fich augeidiloiieu haben, iiub Batfermauu, Bert, 
Boeruer, Bolg, Büfitig, Bring 3diöuaidi = t5arclatb, Teiuharb, Tn rmiteit, 
Jvrangius, Wrahmauu, lieber, .gilbet, u. .Kaufmann, Mettner, .straemer, 
Btauier, Biiiller, Dr. Baai'dje, Cueutin, Aintpau. 





419 


Soziale PrajiS. dentralDIait für Sogialpolitit. 5Jh\ 16. 


420 


Verein3*&rbeü3nadj[ftct$ tu Seipgtg. Die ©emeinnüpige ©efefl* 
fc^aft plant unter VHtwirfung beS Stolpes bcr Stabt öeipgig einen 
Arbeitsnachweis mit unparteiifdjer Leitung unb §erangiehung oon 
Unternehmern unb Arbeitern gu grünben. Dabei foll es fid) gu* 
nädjft um bie ArbeitSoermittelung fiir ungelernte Arbeiter, Dienft* 
Boten, Miner unb §anblungSgchiilfen h^ibeln. 

Sermefomg ber geindnblidjetf ArbeitSnachtoetfc in labern. Das 
in ooriger mtmrner erwähnte Vuitbfchreiben beS VHnifteriumS beS 
Snnern an bie ad)t ÄreiSregicrungen fonftatirt, baß bie nach ber 
Vtinifterialentfd)Heßung oom 1. Vtai 1898 („Soziale präzis" VII 
6 p. 956) „organifirte Eentralifirung beS Arbeit3nad)weifeS fich 
gut Bewährt hat unb baß gu einer Aenberuttg feinerlei Anlaß Be* 
fteht". Es folat bann Die auSgugSweife Bereite mitgetheilte 
( 6 p. 394) Aufforderung, baß bie länblichen ©emeinben beu ArbeitS* 
nacpweiS wirffanter unterftüpen. „ÜSieberbolt (heißt eS gum Schluß) 
ift fchon Darauf hi n 9 e «>iefen morben, mie bie ArbeitSoermitttung 
immer erfolgreidjer unb erfprießlicher fid) geftalten wirb, wenn bie 
3ahl ber Arbeitsämter iitSbefonbere in ben größeren inbuftrie* 
unb gern erbereichen Stäbten wächft unb gwifdjen biefen unb ben 
Zentralen ein intenfioer Vertehr fich herauSbilbet. Es ift baher 
neuerbingS bie Errichtung oon gemeinblichen ArbeitS* 
ämtern an hi er 3 u geeigneten Drten nadjbrücflichft unb 
unter Hinweis auf bie hohe oolf3wirthfd)öftIiä)e Ve* 
Deutung einer gut organifirten ArbeitSoermittlung an* 
guregen." 

Da3 ftabttfdje Arbeitsamt 2Wündjett 1898. 3*n aBgelaufenen 
3ahre hat DaS Amt eine immer fteigenbe Zunahme ber ©efdjäftS* 
thätigfeit foroohl Bei ben 6 tellcnaugeBoten unb Stellenaefucben, 
als auch Bei ben Befefcten Stellen gu oergeidjnen. Es mürben oon 
Arbeitgebern unb Dienftberrfchaften 23 393 männliche unb 15 598 
weibliche, im ©angen 38 991 6 tcüen angeBoten (im 3ah*e 1897: 
20 572 männliche, 13 880 weibliche, gufammen 34 452). Von 
Arbeitfuchenben würben ©efudje um 3aweifung oon Arbeit einge* 
fchriebeit : in ber männlichen Abteilung: 36151, in ber weiblichen 
18 843, im ©angen 54 994 (im 3ah*e 1897: 25 540 männliche, 
15 462 weibliche, gufammen 41002). SteUen würben befept: 
20 439 männliche, 11 897 weibliche, im ©angen 32 336. (3m 
3ahre 1897: 18 186 männliche, 10 669 wetbliche, gufammen 

28 855; — im 3öh re 1896: 15 653 männliche, 9933 weibliche, 
gufammen 25 585.) 3m interlofalen (auswärtigen) Verfehr h at 
fich Bie Srequeng im 3ahre 1898 gegenüber ben Vorjahren in 
Solge ber ftaatlicf) organifirten Eentralifirung beS ArbeitSnad)* 
weifeS in Vapern fehr Bebeutenb gehoben. Von auswärts 
wohnenben Arbeitgebern unb Dienftberrfchaften würben 3597 
männliche, 1494 weibliche, gufammen 5091 Arbeitskräfte gefucht 
(im 3at)re 1897: 2623 männliche, 1047 weibliche, gufammen 3670; 
— im 3&b re 1896: 1926 männliche, 910 weibliche, gufammen 
2836). Auswärtige (Steden würben befeßt i 2889 männliche, 980 
weibliche, im ©angen 3869. (3nt 3afwe 1897: 2245 männliche, 
641 weibliche, 2886 gufammen; im 3afjre 1896: 1715 männliche, 
546 weibliche, gufammen 2261.) 


Der ArbeitSmarft im Degember 1898. Es bleibt für bie 
Elprafteriftif beS ArbeitSmarMeS im 3ah^e 1898 bemerfenSwertb, 
baß ber leßte Vfonat beS 3ab re 3 weit günftiger abfcfjließt als ber 
cntfprechenbe Viortat beS l 3ah^eS 1897, wiewohl Angcicpen finlenber 
©linft nidjt fehlen. Der „ArbeitSmarft" berichtet barüber: Von 
67 ArbeitSnacpweifen, bereu Veridüc red)tgeitig bei uns eingegangen, 
geigen 55 oergleichbare Daten. Von biefen weifen im Vergleid) 
g::m Degember 1897 34 (-b 1 auslänbifcpcr) eine Abnahme unb 
18 (+ 2 auSlänbifd)e) eine 3unabme beS AnbrangeS auf. $a<b 
Vkglaffutig ber auSlänbifcben bleiben gur Vergleichung ber Summen* 
gahlen 52 Orte be$ Deutfcpen Reiches übrig, aus beiten im Degember 
oergleichbare ®aten gemelbet würben, unb gwar inSgefammt: 


Safir 

Offene Stellen 
männl.j wetblJ guf. 

Slrbettfiichenbe 
männlJ wetbl. | guf. 

Sluf 10 

tarnen 

männl. 

0 offene Stellen 
Slrbeitfuchcnbe 
weibl. 1 guf. 

1897 

1898 

11048 4 967 16 015 
14 102| 5 673 19 775 

19 736 4 820^ 24 556 
21 822 5 257j 27 079 

178,6 

154,9 

97,2 

92,7 

16 3,3 
143,0 


SDemgegenüber ift e§ unerheblich, bafj im Vergleich gum uu* 
mittelbar oorangegangeiien s Jlionat ber Tegcmber eine Meine 3 lls 
nähme beS Slnbrangcs geigte, tiefer hat an 28 (-f 2 ait»= 
länbifd)en) Orten gugcitommen unb an 26 (f 3 auslänbifdjeu) 
Orten abgenommen. 

$ie ^IrbeitSOermittelung iu Deftcrreidj. 3” ber $lenarfipung 
bes SfrbeitSbeiratheS oom 14. 9?0Dember 1898 (oergl. „Oogiale 


^rafiS" 6 p. 189) würbe ein SluSfchuft mit ber Veftimmung ein* 
gefept, ben oom Slrbeitsftatiftifchen 2 lmt ausgearbeiteten ©efeh* 
entwurf über bie Slrbeitsoennittlung fowie bie gur Organifirung 
einer fortlaufenben SlrbeitSocrmittlung unb SlrbeitSmarftftatiftif oon 
beut genannten 5lmt oorgefchlagenen SKafenahmen einer Vor* 
Beratung gu untergiehen. tiefer SluSfchuö hat bie Aufgabe in 
feinen 6 i(jungen am 3. unb 4. b. nahegu gelöft. Vtan acceptirte 
im OTgemeinen bie ©runbpringipien Des Entwurfs, Denen gufolge 
bte prioaten SDienft* unb 6 teüenoermittlungSbureauy bie Äon* 
geffionspflicht, bie Veftimmungen ber ©ewerbeorbnung über bie 
genoffen|d)aftliche SlrbeitSoermittlung Durch Äreirung eigener Orga* 
nifationSformen reicheren 3ahalt erhalten, bie Vereine, weld^e bie 
Slrbeitsoermittlung nicht gewerbsmäßig pflegen, oon ber Äon* 
geffionspflicht ausgenommen unb enblid; bie ©emeinben, wenn auch 
gunäd)ft bloß in beftimmter Slngahl, oon ©efefeeSwegen oerpflichtet 
werben foden, eigene Slnftalten gur SlrbeüSoermittlung gu grünben. 
&ie oorgefchlagene Organifation biefer fommunalen Slnftalten 
charafterifirt fich oor eitlem baburch, baß ihre Oeitung unb Veauf* 
fichtigung einer VerwalturtgSfomntiffion mit paritätifeper Vertretung 
ber Unternehmer unb Slrbeiterfreife überlaffen wirb, Die inSbefonbere 
auch in ÖäQen oon 6 treÜS unb Slusfperrungen über Sortfe^ung 
ober Einteilung ber VermittlungSthätigfeit ber Slnftalten gu ent* 
feßeiben hätte. 3)ie Veififeer aus ber llnternehmerfurie foHen oon 
ben fianbels* unb ©ewerbefammern, unb gwar je gur §älfte aus 
ben ©roßinbuftriellen unb ben Äleingewerbetreibenben ernannt, bie 
Veififeer ber Sürbeiterfurie hingegen oon ben Slrbeiterbeififcern Der 
©ewerbegeridl)te gewählt werben. Sieben ber rein fommunalen 
SlrbeitSoermittlung wirb weiter noch e * ne f°^ c Ber Vegirfe ge* 
plant, wobei Das gange 6 t)ftem oon öffentlidhen SlrbeitSoermitt* 
IungSanftalten beS äteicheS feinen Oberbau in einer §Reid)Scentrale 
in Söien finben foll. .J)infichtlich ber Organifirung einer fort* 
Iaufenben SlrbeitSoermittlungS* unb SlrbeitSmarftftatiftif würbe bie 
Durchführung einer E^pcrtife oon ben hier in Vetrad)t fommenbeit 
Saftoren, als ©enoffenfehaften, ©ewerffchaften unb anberen Ver* 
einen, SiaturaloerpflegungSftationen, fommunalen SlrbeitSoermitt* 
lungs* unb anberen gemeinnüfoigen VermittlungSanftalten, fowie 
enbiieh oon Vertretern ber fongeffionirten Dienftoermittler einge* 
leitet. 3am Verichterftatter beS SluSfchuffeS für baS Plenum beS 
SlrbeitSbeiratheS würbe ^ßrofeffor Dr. Viifchler (©rag) befteEt. 


ttoi^nung^iuefen. 

Vobenpreife in Vrüffel. 

Es ift fchon oft Darauf hingewiefen worben, baß baS Meine 
§auS bie greife für ftäbtifcfieS Vaulanb niebrig hält, währenb bie 
Vtiethfaferne fie fteigert. Vobenpreife in ber S>äh e / wie fie fich 
nuferen großen unb mittleren 6 täbten entwicfelt haben, ftnb eben 
nicht eine SJaturnothwenbigfeit, wie oft oon intereffirter ober nicht 
einfichtiger Seite behauptet wirb, fonbern baS Ergeugniß beftimmter, 
mehr ober ntinber abänberungSfähigen fogialer Verhälhtiffe, unter 
Denen baS ViiethSfafemenfpfteni eine henwrragenbe Stoße fpielt. 
Einen neuen Veleg für biefe 2lnfthauung liefern uns bie Voben* 
preife, wie wir fie in Vrüffel beobachten fönnen. Vrüffel bilbet 
mit feinen, oerwaltungSredjtlich aHerbingS felbftftänbigen Vorftäbten 
ein eng gufammenbängenbes ©angeS oon etwa 5—600 000 Ein* 
wohnern, befipt alfo gewiß eine ©röße, bei ber man nach unferen 
Verhältniffen auf fef)r i)oi)t Vobenpreife fchließen Dürfte. 

Demgegenüber finben wir in Dem lepten, aus Dem 3ah*e ^898 
batirenben Sah>rcSberid)te einer gemeinnüpigen Vaugefe£l[chaft in 
ber Vorftabt Etterbecf in Vrüffel folgenbe Angaben über bie greife, 
bie bei Slnfäufen oon ©ebänben gegaplt wuroen. 3tn 3ah« 1897 
würben Vaupläpe an oerfchiebenen Steden gur Erbauung oon 
23 Käufern, inSgefammt 2918 qw, mit Durchfdjnittlich nur 8,9 8 ?rc 0 . 
pro Cuabratmeter be^a^lt. Der höchfte $reis war 26, s 3rcS., ber 
niebrigftc 2,5 3*cS. p r o £uabratmeter. Dabei liegen bie VaufteHen 
gwar an ber Peripherie ber 6 tabt, aber feineSwegS abgelegen, gum 
Dpeil Dem eigeutlidjen 6 tabtferne fogar giemlich nahe, ferner 
foftete nach bemfelben 3ah*eSberid)te bei ben 2lnfäufen im 3ah*e 
1892 ein Cuabratmeter burdjfchnittlich 5, s 3rcS., 1893 5 , 8 3rcS., 
1894 5,o 3rcS., 1895 7 , 2 3rcS., 1896 6,7 3rcS. ES mag allerbingS 
fein, baß bei biefen 3ahlen eine Slttgahl in ben Vororten außerhalb 
beS eigentlichen 6 tabtbereicheS belegene ©ebäubeftücfe miteinbegogen 
finb, wäprenb biefe bei ben 3ahlcn für 1897 auSgefchieben würben, 
^lußcrbcut finb bie hier angeführten Preife nod) ohne bie Äoften 
für bie .'ocrftellung Der Straße, ber kanalifation u. bgl. gu oer* 
flehen, wäßrenb wahrfcheinlich bie Äoften für baS gur 6 traße er* 
forberlidje Öanb bereits mit in ben preifen enthalten finb. 




421 


©ogiale $ra£tö. Öentralblatt für ©ogialp olitiF. 9?r. 16. 


422 


SemerlenSwerth firtb ferner bie Sfcittbeilungen, bie in einer 
©emeinberathSfifeung ber Srüffeler Sorftaot ©djaerbecF im leßten 
$pril ein §err oan ben Sßutte machte. ©r feilte bie ©elänbepreife 
mit, bie in ben leßten 3 Sauren Bei Verläufen in ©dßaerbeef erhielt 
worben feien. 2 hi<h biefe greife fmb, roie e£ fdßeint, gu oerftehen 
ohne bie £erfteHungSFoften ber ©traße, jeboch mit ben ®runb** 
erroerbsfoften beS ©traßenlanbeS; inbeS ift ba$ nicht gang Har. 
©ie überfteigen, mit gwei Ausnahmen, 14,^ 3rcS. für ben Duabrat* 
meter nid>t unb bewegen fid) für ba$ innerhalb ober in unmittel«* 
barem SUnfchluß an bie feßon bebauten ^^eile Iieaenbe ©ebäube 
etwa oon 3 bis 4 für ben Duabratmeter, für baö etwas 
weiter außen gelegene meift unterhalb 3 grcS. bis herunter gu 
O .70 SrcS. für ben 0uabratmeter. Unb babei bilbet ©cßaerbedf mit 
Ärüffet ein äußerlich nic^t gu unterfcßeibenbeS ©angeS! Unter 
biefen Umftänben ift es oerftänblicß, wenn fterr oan ben $utte 
weiter wörtlich in ber ©ißung fagte: „Die|e 3nßfen beweifen 
3 ßn*n, baß es nicht nöthig ift, ftd) fehr weit oon ben bewohnten 
3RitteIpunften gu entfernen, um ©ebaube gu paffenben greifen gu 
finben. 3nnt greife oon 10 grcS. für ben Duabratmeter finben 
wir ©ebäube in einer auSgegeicßneten £aae unb in ber $äße ber 
jefeigen VeoöIferungSanfantmlung, welche fuß, wie ©ie wiffen, febeS 
3ahr fehr fchneU auSbeßnt." 

®iefe greife ftehen gewaltig ab oon ben um baS brei*, oier* 
ober gehnfa^e höheren greifen für entfpredßenb gelegenes Saulanb 
in unferen großen ©täbten. Vton wirb aber barin feinen 3 u fall 
erblicfen bürfeit, fonbern ben ©influß ber gang anberen Srüffeler 
Sauweife. Sn Trüffel henrfdßt mit geringen Ausnahmen baS Heine 

? ?auS mit parterre unb 1 bis 2 ©tagen oor, großenteils baS ©in* 
amilienhauS, unb barauf oor allem wirb man wohl bie fo oiel 
billigeren Sobenpreife gurüefführen muffen. ©S ift bort eben nicht 
möglich, aus einem ©tücf ßanb fo oiel flftiethsertrag wie bet 
unferen 3KiethSfafernen herauSgugtehen nnb in jFolge beffen ift auch 
ber Kaufpreis weit geringer. — UebrigenS finb biefe niebrigen 
Sobenpreife unter bem ©influß beS überhaupt in Selgien herr* 
fchenben Heilten Kaufes offenbar nicht auf Srüffel befchränft. 3 um 
Seweife biene eine ©teile aus bem Sranbtsfchen Sluffaße über bie 
neueren Seftrebungen in ber Wohnungsfrage in Selgien unb 
Sranfreich, wo eS in Segua auf Setgien heißt: „©elbft in ben 
©täbten foftet ein SlrbeiterhauS burtfehnittlich nur 2500 3?rcS. 
Der ©runb unb Soben ift erheblich billiger als in unferen 
©täbten. Sn ©ent foftet g. S. ber Cuabratmeter Saugrunb für 
ein SlrbeiterhauS nicht mehr wie 4—5 Frrcfc." 

$. o. Wangolbt. 


Vorarbeiten für ein föeühStowbngefeb. Sorftanb unb Slrbeits** 
auSfchuß beS SereinS „SHeichSwohnungSgefeß" hatten fürglich in 
Sranffurt a. 3R. eine Vefprecßung über bte im Sntereffe ber ©adße 
beim SunbeSrath unb im Reichstag bemnächft gu uniernehtnenben 
©chritte. Son einer Slngahl einaelabener VeichstagSnbgeorbneten 
hatten Saffermann** Mannheim, Vlan!enhorn*Vfüflheim (Saben), 
©ahenSlpsßimburg, Löffel«*SuchSweiler, ßeinemeber**Virmafens, 
9Jhiller*$ürnberg, SWüIIer^SuIba, DrioIa**SübeSheim, 9iiff*©traß* 
bürg, ©chmibt**granffurt unb ©cbmitt*2)taing teils ihren Seitritt 
gum Serein, teils ihre wärrnften ©pmpathien erflärt. Reichs* 
tagSabg. ßucfe^aterShaufen begrüßte bei ber Vefpredßung bie 
SereinSbeftrebungen als ein ÜKittel, bem gur 3^it fdßwerften fogialen 
Uebelftanb, ber Wohnungsnot, in burchgreifenber Weife abgu* 
helfen, unb äußerte fuß ferner bahin, baß, neben weiterer Ser** 
tretung ber SereinSgiele bur<ß ©triften unb greife, jeßt bei ben 
SReicßSämtem, bei SunbeStag unb VeicßStag, bie gur Durchführung 
geeignetften ©<ßritte unoergüglicß gu tun feien. 3 ßni guftimmenb, 
einigte man fieß naeß ber „Sranff. 3 * 9 -" baßin, baß perfönlicße 
^üeffpraeße unb birefte Serhanblungen beS SorftanbeS mit ben 
genannten förperfeßaften ben ßutfe feßen Sorfcßlägen am meiften 
entfpreeßen würben. 

WoßnmtfiSUerhiittitiffe ber ötfetibößtter in Saßem Der banrifchc 
öifenbaßneroerbanb bat bcfanntlicß örßebimgcit über bic Wohnung** 
frage unter feinen SUtgliebern oeranftaltct Das örgebniß btefer (Sr* 
ßebungen fofl in einer DcnFfcßrift bem Öanbtag unterbreitet werben. 
Sei ber Önqucte würben oon 13 <XK) ausgegebenen Fragebogen nur 
4056 auSgefüüt bem SerbanbsfcFretär übermittelt. Son biefen 4056 öifen* 
baßnern fmb 544 Scftßer eines eigenen ^äuScßenS, 8 Sefißer einer 
Verberge, 349 fmb im Öen uff e einer 'Dicnftwoßmmg, 2638 wohnen bei 
ben £>ausbefißern in SDlietße, 25 fmb ^Iftermietber, 227 finb ginnner* 
ßerren, 265 wohnen bei ben (Sltcrn ober Öcfdjwifteru. Der „(Stfcu* 
baßner" o er ö ff entließ tc in einer Steiße oon Summern bie Crrgebniffc ber 
Unterfitcßimg unb fornmt gu bem ©djlufie: ein Siertel ber befragten 
öifenbaßner lebt in guten Serßältniffen, ein weiteres Siertel in ge* 
uügeuben, gwei Siertel leben in äußer ft gefunbßeitsfdjäblidien uüb 


ftttengefäßrbenben Serßältniffen. Hm ?lbßülic gu feßaffen, wirb oerlangt, 
baß ©ummen gum Sau oon Dienft* unb ?lrbehcrmoßnungen einen 
[tänbigen Sßoften im Subget hüben. Daneben fönten bie (Sifenbaßner 
oen Weg ber ©elbftßülfe benußen, inbem fie Saugenoffenfcßaften grünben, 
benen bie SlrbeiterpenfionSlaffe ber batjrifcßen ©taatsbaßnen Darleßen 
gu niebrigem 3 in!g f lJ ß gewähren foHte. 

WoßnungSeitquSte ttt ©öttmgeu. SlngeftcßtS ber Dßatfadße/ baß in 
Ööttingen ?lrbeiterwoßnungen in ungenügenber 3aßl unb gum Dßeil in 
feßr fcßlecßtem ^uftanbe oorßanben fmb, ßaben bie ftäbtifeßen Seßörben 
befcßloffen, eine önquete gu oeranftalten. Das fo gewonnene Statcrial 
foä als s ^luSgangSpunft für Sfaßnaßmen gur Serbefferung ber WoßnungS* 
oerßältniffe ber Arbeiter bienen. 

©rüitbmtfl eines gemeinnüßtgen SamiereittS in ©od). HuS Öocß, 
9. S^nuar wirb uns gefeßrteben: §eute fanb ßier unter bemSorßßbeS 
SürgermeifterS Wagner eine feßr gaßlreicß befudßte Serfammlung gur 
Öriinbung eines gemeiunüßigen SauoereinS ftatt. Der ÖefcßäftSfitßrer 
beS Stßeinifcßen SereinS gur görberuttg beS ^IrbeiterwoßnungSwefenS, 
Öreßfdjel aus Diiffelborf, ßielt einen Sortrag über bie Wohnungsfrage 
unb bie Stittel gur Sefferung ber WoßnungSoerßältniffe. 3 n ber DiS* 
fufßon würbe faft allfeitig bie Öriinbung einer gemeinnitßigen Sau* 
genoffenfeßaft befürwortet unb barauf ßingewiefen, baß es nur einer foldßen 
möglich fei, fo billigen ftrebit gu erßalteu, baß babureß eine Serbilligung 
ber Siietßen ergielt werben fönne. Die Slbftimmung ergab eine große 
Stajorität für Örünbung ber Öenoffenfcßaft, es würbe barauf fofort baS 
©tatut beratßen unb in ber gaffuttg beS oom Stßeinifdßen Serein gur 
görberung beS SlrbeiterwoßnungSwefenS ßerausgegebenen StufterftatutS 
angenommen, öine Slngaßl ber Hnwefeitben erflärten ißren fofortigen 
Sntritt. 

Die WoßnungSoerßältniffe in öoeß fmb allerbingS feineSmegS 
giinftig unb eine gefeßUcß leiber noeß nießt mögliche planmäßige Woß* 
nungSinfpeftion würbe gweifelloS gaßlreicße Stißftänbe gu Dage förbern. 
öS leßrt bieS feßon ein ©ang burd) bte alten ©traßen; bort giebt eS 
eine Slngaßl Käufer, bie weber SMler noeß §of ßaben, ja in meßreren 
ift nießt einmal ein $bort oorßanben. Dabei finb bie Woßnungen 
feueßt unb bumpf unb beSßalb ber ©efunbßeit feßr nacßtßeilig. Das 
Seftreben beS SürgermeifterS Wagner unb einiger anberen Herren, ßierin 
Wanbel gu feßaffen, oerbient beSßalb oolle Hnerfennuug. 

Sau tum Srbeitertooßiiimgett in DreSbeu. 3 11 « 1 336U billiger Woß* 
nungen für ftäbtefeße Arbeiter will bie ©tabt DrcSben aus ben lieber* 
feßüffen ber ©parfaffc 100 000 ^ oerwenben. 

Der fiübetfer Sauberetir, ber in ben gcßn ^aßren feines SefteßenS 
bisßer noeß ßcrglicß wenig erreidjt ßat, fonntc unter feinem neuen Sor* 
fißenben, öß. öoleman, im leßten ßalben Saßrc eine reeßt fegenSreieße 
Dßätigfeit entfalten. öS gelangten meßrere Käufer gur Örbauung, in 
benen ben Stitgliebern beS SauoereinS für billige Stietße feßöne, gefunbe 
9täunte als Woßnungen geboten werben, öolcman ßat jeßt ein großes 
Kreal läufli^ erworben, auf weldjem ©infamüienßäufer erbaut werben 
foHen, bie bie SDlitglieber fäufließ erwerben föntten. 

Sau* imb ©paroerem itt ©ttSHrißett. Der im »prü 1898 ge- 
grünbete Serein ßat jeßt feßon 14 Slrbciterßäufer erbaut. &uf örunb 
beS ißm oon ber Serficßerungsanftalt 9tßeinprooing eröffneten förebits 
ßofft er, baS nä^fte Fahr feine Dßätigfeit noeß erweitern gu fönnen. 
Die Hrbeiterwoßnungsoerßältniffe ber Fnbuftrieftabt öuSfireßen werben 
als feßr fdjleeßt ge|cßilbert. Die F^cßwerfßüttcn ßerrfeßen oor. Da 
fantt man Woßngimmer oon 1,75 m £>öße, in benen man faunt aufreeßt 
fteßen Fann, unb Woßugimmerfenftcr oon 55 : 72cm antreffen; bie'3immer* 
ßöße oon Fnapp 2 m ift etwas ÖewößnließcS. ©eßlafgimmer mit 6 bis 
7 cbm fiuft für jeben örwaeßfenen, bie noeß burdi bie barinfteßenben 
Setten oerminberi wirb, finb nießt feiten. Son UnterFellcrung ift nir* 
genbS eine ©pur gu entbeefen. Die Folgen foleßer 3uftänbe, wie Sleidß* 
fudjt, DuberFulofc, »tßeumatiSmuS, bleiben nießt aus. Unb bei allebem 
müffen bie Scietßprcije oon burcßfcßnittlid) 9 M. im Stonat als feßr 
ßod) bcgeidjnet werben, wenn man ben Dureßfdinittsloßn oon 2 M. für 
ben Dag berücfficßtigt. Derartige örmittelungcn laßen erlernten, wie 
notßwenbig eine beßörblidje WoßnungSinfpeltion ift. 


Siojiale §i)gienc. 


OfFene ^erpfle^itttgSftationen für fiitttgettfrattfe. Die Snoalibi* 
tätS* unb SHterSoertichcruugSanftalt ©cßleSwig*§i)lftein*) ßat gtoci 
gwei offene SerpflegungSftationen an ber $orbfee, ©t. ^eter für 
Stänner) unb Süfum (für Stauen) ins £eben gerufen. Die 
Uranien werben bort in je einem für fie gemieteten £)aufe unter* 
gebracht unb burch bie Sefißer (©aftwirtße) gegen einen tägließen 
SerpflegungSfaß oon 2, 2 o Jf, begw. 2 < (L oerpflegt unb finb 
eigentlid) nur an bie Seobacßtnng einer oon ber 3lnftalt erlaffeiten 
£muSorbnung gebunben. SluSgewä'hlt würben für biefe Stationen 
ftetS nießt bettlägerige STranFe, oon benen ooranSgefeßt werben Fonntc, 
baß fie offne tägliche ärgttieße ?litffid)t bei guter fräfliger Verpflegung 


*) Sgl. bett Serwaltintgsbcrißt für bas Faßr lsi>7. Mid. Drmf 
ber „9?orti*Dftfce*3eitiuig" 1 sus. 



423 


Sogtale Prajtö. Eentralblatt für Sogialpoütif. Br. 16. 


4 24 


unb guter fiuft ihre ©efunbheit fräffigen roürben. Das Sohanuiter» 
hoSpttal in Plön hat für biefe Pfleglinge oielfach als Durchgangs* 
ftation gebient. Auch ber Hranfenljäufer roirb in biefem 3ufammen* 
hang Iobenb gebaut. Bach bem BerroaltungSbericht finb ntit ben 
Ergebniffen ber offenen BerpflegungSftationen bie Anftalt roie bie 
Berficherten gufrieben. Es roirb mitgetheilt, 

«bah baS Vertrauen, roepes bie Anftalt in bie in Sürforge Heber* 
nommenen fe^te, fte mürben aus eigenem Antriebe unb in eigenem 
Sntereffe ba$ burch roenig groattg beengte unb oerfjältmhmähig freie 
£eben nicht mthbraudjen, in ber altergröpen Bfehrgal)! ber gälte nicht 
getäupt morben ift. Dah in etngelnen wenigen gälten bie Selbftgud)t 
nicht auSrepte unb ber Einfluh ber oerftänbigen SWehrgafjl nicfjt ftarf 
genug mar, um Dh or heitett gu oerhtnbern, !ann faum Söunber nehmen 
bei fieuten, roeldje [p roentg ober oiellept nur in ben erften Soeben 
franf fühlen, fpäter aber [ich im Vollgefühl ber roachfenben Kräfte einer 
SJhifje unb greiheit gegenüber befinben, roie fte ihnen ihr arbeitsreiches 
VerufSleben bisher niemals gemährt ljat. Verproiegen foll cnblich 
nicht merbeu, bah in gäüen grober Verftöhe gegen bie $auSorbnung, 
Ungchorfams gegen ben Leiter ber Anftalt unb bcfonberS aujrcijcnber 
Hritif ber gürforgeeinrichtungen in oercingclten gälten fofortige Ent* 
laffung erfolgte unb baß in feinem biefer gäüe eine nochmalige lieber» 
nähme beS ^peiloerfahrenS gugelaffen mürbe. Der Verführer mar meift 
leicht oon ben Verführten gu untcrfcheiben unb es mürbe in folgen bie 
©elegenhcit benufct, einbringtich bargulegen, bah bie £eilfiirforge nicht 
bie Pflicht, fonbern nur bas Becht ber Anftalt fei unb bah bie Auf* 
faffung, bie Vcrfperten lebten für „ihr ©elb" in ben £>eilanftalteu, 
falfct) fei, mit bem $inmeis, bah oietmehr bie ©cfammtheit beS beutpen 
VolfeS grohe Dpfer bringe gur Durchführung ber £eiluir[orge." 

Die Söurmfranfheit unter ben Bergleuten beS fHuhrgebtetS. 

Der Sanitätsbericht bes Allgemeinen Hnappfd)aftSoereinS fonftatirt, 
bah bie ©efafjren ber Verbreitung ber Söurmfranfheit burch Ein* 
fchleppung oon ©eiten frember Arbeiter gemachfen finb: 

Leiber hat ber große Arbcitermangel manche 3ed)en oeranlaht, 
öherrcpip c ungaripe Bergarbeiter in großer 3af)l berangugiehen, mo= 
burch bie Gefahren ber SSeiteroerbreitung ber tfranHjeit unberechenbar 
oermehrt ftnb. Stuf einer 3 Cf be, melche aus Anlaß biefes ^ugugs 
reoibirt mürbe, fanben fp fieben mit ber 2SurmfranU)cit behaftete, aus 

£efterrep*Uitgarn gugegogene Arbeiter.Die betreffeuben ©ruben 

finb nun einmal infigirt, unb es mirb beS gröhten Aufroaitbes oon 
fanitären VZahuahmen bebiirfen, um fie oon ben eingefchteppten 
HranHjeitSfeimen gu befreien. 

ftrtppett» Ein ©runb ber hohen Hinbcrfterblidjfcit in ben rtrbei* 
tenben Älaffen liegt in bem SJfangel geeigneter pflcgc*Einrid)timgeit für 
bie unmünbigen Hinber, beren BHitter ber Arbeit außerhalb bes Kaufes 
nachgehen muffen. (Sine biefer Einrptungcn mürbe in ben Strippen 
gefehen, infiniten für Unterbringung gefunber Stinber oont erften Säug* 
lingsaltcr bis etroa gum britten Sebensjahre mäfjrenb bes Dagcs. Die 
erftc Strippe in Dentfchlanb mürbe gmar fdjon 1802 burch bie gürftiu 
pauline oon £ippe*DctmoIb errichtet, trofybcm fant ihre 3«hl über 70 
faum hinaus (15 in preuheu) unb cs mürbe ihnen noch neuerbiugS 
oon ärgtlpen Autoritäten grofje Bcortalität ber Stinber nadjgcfagt. A'un 
utadjt fich ber profeffor ber Stinberheilfunbc in Bafel, Dr. E. .£>agcnbach* 
Burifh^’bt (Die Strippen unb ihre hijgicnipe Bebeutuug. ^cna. Ber* 
lag oon Ohiftao gifdjer. 1899.) an eine Ehrenrettung ber Strippen. Er 
giebt eine Ucberfpt über bie Strippenbcmeguug in ben Sfnlturlänbern 
unb oermeift iufouberheit auf bie oorbüblpett frangöjipnt unb 
parifer creches. An bem ihm gu (Gebote ftehenben Btateriale geigt er, 
mie bie Sterblpfcit ber Strippenfinber unter bem Durdmhmtt ber 
Sterblidjfeit in ber gangen Stabt geftanben hat, erfurfjt unt meiterc Bo* 
obad)titugen unb fommt gu beut Schluffe, baß gut geleitete unb ein» 
geridjtete, für eine flcinere Augahl oon Siinberu beftimmtc Strippen, bie 
ftaatlid) beauffidjtigt merbeu, bie Biorbibität unb Bfortalität bes erften 
StinbesaltcrS mefeutlid) oermiuberu. „gu großer 3a 1)1 erririjtet, hßg^ s 
nifch ausgeftattet, merbeu fie als prophßlaftiidje Anftaltcn in großen 
Stäbten fegensreid) gu mirfen unb bie foftfpieligcn Säuglingsfpitäler 
eingitfdjränfcn im Staube fein, prophßlare ift gerabe auf nuferem We* 
biete gemiß erfreutidjer unb mirffamer als notljbürftigcs glitten unb 
vedjt oielc gefimbc Stinber gefuub gu erhalten, ift oon jebem Staubpunft 
aus, bem hßgteuifdfeu, bem fogialeu unb bem liatioualöfouoinifehen 
höher gn achten, als St raufe h^'ausgupäppelu." Born ethifdjeu 
Staubpiuifte aus finb bie Strippen ähnlichen gnftituten, mo aber bie 
Trennung oon SMutter unb Stiub oollftnubig ift, ober mo bie SJfutter 
fiel) faimnt bem Stiubc oon ihrem .Jmusmcfcu trennen muß, uulcbingt 
oorctu gu ftellcn. 


(geaierbegctidjte. (Einiguugsömter. Qdjnb^geridjte. 

din Beitrag ^ur ^ompeten^ertoeiteritttg ber Ekmerbegendjte* 

llnlängft ift tit einer Arbeitnehmeroerfammlung gu Berlin 
nad) einem hauptfächlich ber Stritif ber 9techtfpred)ung beS ©eroerbe* 
geridjls btenenben Referat eines (^emerbeqcriditSbeifißerS folqeuber 
Befd)Iuß gefaßt morben: 

„Die Berfammlung nimmt mit Bebauern baoon Steiintniß, bafj bie 
Kammer VI bes OJcmerbcgeridjts fid) bes Ccftcreu als uriguftänbig er* i 


Härte in gemerblidjen Streitfällen, bie aber gum ©lücf oom Sanbgericht 
forrigirt mürben. Dte Berfammlung fprpt ben SBunfd) aus, bah ba» 
demerbegericht nicht ohne ©runb unb Urfadje feine 3uftänbigfeit 
befdjränfe unb feine Selbftftänbigfett aufgebe buip §erangiehung oon 
Entpeibungen ber orbentlidjen Öeridjte, meldje in beu meiften gällen 
bem ©eifte ber ©emcrbegeridite als £aicngrrid)te miberfpretheu. Des 
gerneren hofft bie Berfammlung, bah in ^ufunft bei Erlebigung ooti 
Streitfällen in ber Hammer Vl ein etmns fchnellcres lentpo plah greife, 
bamit gälte, roie g. B. bie Sache c/a B>.. gur llnmöglidifcit merben. 
DeSgleidjen roihipcn bie Bcrfammelten, baß bie ©emerfpaften etmas 
mehr Aufmerffamfeit ben oon ihnen als Beiftper gemählton StoHegen in 
ber 3 u ^ un ft penfen." 

*Dte SHefoIution ift bem ©enjerbegertchte oon bem Seiter ber 
Berfammlung gur Sfennhtihnabme überfanbt morben. 23ir h a ^ en 
oon ber theilmeife eigenartigen gönn beS BefchluffeS abgefehen 
unb unS mit bemfelben befchaftigt. Das Ergebnih biefer Be* 
fchäftigung rooüen mir in nadjftehenben 3 c ü en befannt geben. 
BorauSgujchicfen ift, bah mir eine gefunbe unb grünbliche Hritif 
rid)terlid)er dntfdheibungen für buipauS erfpriehiief) galten unb 
gebmebem baS 9ted)t gugeft^h^n, etroaige Btängel biefer Ent* 
fdjeibmtgen aufgubeefen. Bei ben Belehrungen ber ©eroerbe* 
treibenben über ergangene Urtheile, roie fie oon 3 e i* 3 U 3 C ^ .i? 1 
Arbeitnehmeroerfammlungen ftattfinben, roirb auherbem eine ^ritif 
häufig unoermeiblich fein. SebenfallS muh aber oon bem Hxitifer 
oerlangt roerben, bah fein Bericht, auf ben er fich ftiifct, ooU* 
ftänbig unb ben Dhatfad)cn entfprechenb ift. ©oitft Hart ber Bor* 
trag baS betheiliate publifum ttid)t auf unb roirb fogar pählich 
roirfen, ba burc^ beitfelbcri beit 3nt)örern ein falfpeS Bilb oon 
ber Bedjtfprechung beS ©eroerbegeridits entrollt roirb. Unter ben 
progehfadjen muh überbicS gum Bcrid)t in Berfantmlungen oor* 
fptige AuSlefe gehalten roerben. Es bürfte fdjon einem Quriften 
fchroer fallen, roemt nicht gar nitmöglid) fein, bie ftreüigen fragen 
über bie 3n|tänbigfeit ber ©eroerbegerichte einer größeren £aien* 
ocrfammlung oerftanblich gu machen. ©aS biefem jeboef) nid)t ge* 
lingt, roirb ein Beiftfcer noch roeniger fertig bringen. Die in ber 
Arbeitnehmeroerfammlung gemadjten Ausfuhrungen bes BeiftprS 
über bie 3 u ftänbigfeit Der ©eroerbegerichte roären baher beffer 
unterblieben, gang abgefehen baoon, bah roir es an unb für fich 
für bcbenflid) holten, roenn eine abfällige Hritif über bie Bed)t* 
fprepußg einer beftimmten $qmmci: oon einem Beifi^er gerabe 
biefer Hammer geübt roirb. 

Die gegen bie geroerbegerichtliche 9?edjtfprecf)ung gerichtete 
Berid)terftattung ift nur gu geeignet, baS Aufcljen bes ©eroerbe* 
gerid)ts gu fchmälern unb baS Bcrtrauen in baffelbe gu erfcfjiittern. 
Es ift bieS um fo mehr jn beflageu, als man fid) jefet roieber 
rührt unb nach StampfeSnutteln gegen bie ©erocrbeqerid)te auf ber 
Suche ift. x ) Diefc Sachlage oeranlaht uns, bie Befolution auf 
ihren Söerth unb Qnhalt hin einer Prüfung gu untergichen. Auf 
bie Befchroerben roegen ber Progeßfache $. c/a bie gubent als 
ungerechtfertigte gu erad)ten finb, eiiigugehen, ift hier nid)t ber 
Drt. Der Auffafc ift lebiglid) beftimmt, bie Angriffe auf bie 
Besprechung beS ©eroerbegerichtS abguroehren itnb hierburd) gu* 
gleid) Anregung gur Hompetengenoeiterung ber ©crocrbegeridjte gu 
geben. 

3unäd)ft bemerfen roir, bah &ie BerufungSinftang beS ©eroerbe* 
gerpts bislang nur in einer eingigen Progehfache ber 
Hammer VI begüglp ber S^age ber 3uftänbigfeit fi^ auf einen 
anberen Staubpunft roie genannte Hammer geftcllt hat. Bon uns 
finb nur nod) groei fernere Entfd)eibuugen beS £aubgerichtS I gu 
Berlin ermittelt roorben, burd) bie entgegen ber oon anberen 
Hämmern bes ©eroerbegerichte oertretenen" Anficht bie 3nftänbigfeit 
berfelben auSaefprodjen ift. s Bir oermuthen, bah biefe beiben 
lebten Entfd)eiointgen in ber Berichterstattung jenes BeifiprS nidjt 


l ) Siehe hierüber 9)?. u. Sd)iilg, lieber Mc Acdjtfprcdjung bcS ©e= 
merbegeridjts gu Berlin. Ar. 12 biefer % ^citfrf)rift, Sp. 322, unb bie 
„Deutidic Boltsroirtlnpaftlidie EorrcfponbenV' oom 10. Januar b. o- 
Abenbs. biefem Blatte roirb behauptet, baß bie „Bieinmtq ftarf oer* 
breitet ift, bei ben ©eioerbeqeridi tcit mürben bie Arbeitnehmer 
in einteiliger Bi eite beo orgug t." Der „Oßittmirthsqehilte'' oom 
12. Januar b. geidjnet bageqen in feinem Artifcl: „Der ©eroerbc* 
gcrid]tv«»VOifanus fpuft h f rnm" bas Berliner ('»emerbegeridjt als 
ein gu U n g int ft eu ber Arbeitnehmer einteiliges. 

Es fei übrigens glctdi hier heroorgeboben, baß ein Unheil bes 
©emerbegertdits in einer Sa die, gu bereit Emtcheibiing es nidjt guftäubig 
mar, uidit als Urtheil eines ©eridits airgiidint ift. (Ecciits bei ©ritdjoi 
Bb. 36 S. 142>. Bei Anlningigmerbeu berieiben Sadic bei bem orbent* 
lidien ©cridit märe besmegen ber Eiuioanb ber Bed)tshäugigfcit begiu. 
j Aledi tC'fraft nidjt begrün bet, io baß, meint bie orbeutlidieit ©crtditc 
bie Bettimmimgcii anbers aiislegnt als bie ©eroerbegerichte, uuait» 
I genehme H omplifationen cutfreheii fömten. 




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Soziöle Gentralblatt für Sozialpolitik Ar. 16. 


426 


©rwähnung gefunben haben. dennoch fallen, bcr Bottftänbigfeit 
wegen unb utn zu zeigen, baß bie Angriffe, benen baS ©ewerbe* 
geriet in ber Berfaminlung' auSgefeßt war, an zweifelhafter ©üte 
oen befannten Eingriffen gegen bie Unparteilichfeit ber ©ewerbe* 
geriefte nicht n ad) flehen, bie Drei Urteile beS ©ewerbegeridjts unb 
beS ßanbcjeruhtS fym wiebergegeben werben. 3wei non ihnen 
finb überbteS noch oon befonberetn Sntereffe für größere Betriebe. 


3>n ber erften Sache nmr eine Braueret-Aftiengefefffdjaft oerflagt. 
Beflagte engagirte Klägerin als Äodjfrau Btitte Cftober 1897 für ihre 
in ihrer Brauerei eingerichtete Kantine, in welcher ben Arbeitern ber 
Brauerei Belüftigung oerabreicht wirb, gegen einen oerein barten 2J?onatS* 
gebalt unb freie Äoft unb unter ber Abrebe einer otermörfjigen 
Äünbigimgsfrift. Am 15. April o. 3- würbe Klägerin ohne Äünbigung 
entlaffcn. Sie oerlangte Deshalb eine ben BertragSbebingungen ent* 
fpredjenbe Gntfdjäbigung. Beflagte bat um Abmctfung, ittbent fie ben 
Ghtwanb ber Unzuftänbigfeit beS ©ewerbeaerichts madjte. die Äantine 
fei ausfchließlidj für bie Bebürfniffe ber Arbeiter beftimmt. der 3 «tritt 
Zur Äantine fei in baS freie Belieben bcr Arbeiter geftefft worben. 
Gitten Berbienft höbe Beflagte burdj ben Betrieb ber Äantine nicht er¬ 
hielt, oielmehr feien noch erhebliche Aufmenbungen ißrerfeitS für bie¬ 
felbe erforberlich gewefen. die Äantine fei lebiglich eine äBohlfafjrtS* 
ein rieh tung. 

&a 8 ©ewerbegericht hat fich für unzuftdnbig erflärt, ba nach ben 
oon ber Beflagten oorgebradjten dfjatfachen ber Streit fein gewerblicher 
fei. das Berufungsgericht fam in feinen ©rünben zu bem umgefehrten 
Grgebniß. 

SSenn bie Arbeit ber Klägerin bei ber Beflagten auch nicht technifche 
Berridjtungen im Brauereigewerbe unmittelbar betraf, fo ^ätte biefe 
dfjätigfeit bodj, führt baS £anbgerichi aus, im engen 3ufammenhange 
mit bem Brauereibetriebe geftanben. die Äantine foffe ben in ber 
Brauerei befchäftigten Arbeitern, unb zwar nur ihnen, Gelegenheit zu 
guter unb bequemer Beföftigung geben. 3ufofern biene fie ben 3wecfen 
beS Brauereibetriebes. Sie fei baher nicht als eine oon bem übrigen 
Betriebe loSgelöfte felbftftänbige Ginrichtung zu betrachten, fonbern 
muffe, als ben ©efammtbetrieb förbernb, als ein ben oerfchiebencn 
©efd)Ölzweigen biefeS Betriebes gleichgeftellter dheil beffelbeu gelten, 
da alfo bie Äantine ein felbftftänbiger ©ewerbebetrieb nicht fei, fo 
fäme es nicht barauf an, baß biefelbe finanzielle lleberfchüffe nicht ab* 
warf unb auch nicht erzielen foflte. GS genüge, baß fie bem fonftigen 
Betriebe fxd) einfügte unb baß bei biefem in feiner ©efammtheit auf 
Außen geregnet werbe. Gin Arbeitgeber höbe übrigens audj Bortheil, 
wenn er feinen Arbeitern eine billige unb gute Nahrung ermögliche, 
weil er hterburdj ihre Seiftungsfähigfeit erhöhe. Biellcidjt gelinge es 
ihm ferner bur<h biefe ben Arbeitern gebotene Annehmlidjfeit ArbeitS» 
fräfte unter für ihn günftigeren Bebingungen zu erlangen, als bieS 
fonft ber gaff fein würbe. Schließlich wäre bur<h bie Beföftigung ber 
Arbeiter an JDrt unb Stelle eine 3 eiterfparniß unb fjircburdj größere 
AuSnußung ber Arbeitsfraft nicht auSgefdjloffen. Somit ftelle fich bas 
oon ber Älägerin mit ber Beflagten eingegangene ArbeitSoerljältniß als 
ein mit Bezug auf ben ©ewerbebetrieb Der lederen gefdjIoffeneS bar. 


* * 

• 

2 für unfer dhewa erübrigt eS ftch, alle ©inzelßeiten ber lanb* 
gerichtlichen debuftionen zu erörtern. 0b biefelben, wie baS 
ßanDgertcßt in feinen ©rünben meint, ungezwungen finb, fann 
füglich ebenfo bahingefteüt bleiben. Aadj bem Urtijeile beS ßanb* 
geridjts würbe, für Den Sali, baß ein ©roßinbuftrieHer etwa feine 
im 6ißen thätigen Arbeiter zur ©rßaltung ihrer ©efunbheit unter 
ßeitung eines gegen Gntgelt angenommenen durnlefjrerS täglich 
Freiübungen machen läßt, biefer Sehr er ein gewerblicher Arbeiter 
beS Unternehmers fein, daffelbe träfe zu, wenn ein Arbeitgeber 
für feine Arbeiter eine große Babeanftalt erbaute unb biefe einem 
Babemeifter unterteilte. 1 ) 

BSährenb berart baS ßanbgeridjt im ©egenfaß zu feinen 
früheren ©ntfeßeibungen 42 ) bemüht ift, ben Begriff beS gewerblichen 
Arbeiters auSzubehnen, entzieht es wieberum Durch biefelbe ©nt* 
ftheibung eine nicht geringe s JRenge oon Arbeitern ber Surisbiftion 


*) Siehe auch llrtheil bes ©ewerbegerichts in Sadjen 9t. contra B. 
(9t. 222 de 93 Ä 7), nach welchem ber Arbeitgeber aus Arbeitern feiner 
girma einen Bläferdjor gebilbet hat unb biefen Durch einen Äöntg* 
liehen SJiufifbiref tor gegen Gntgelt leiten läßt. die Arbeiter muffen 
fich oerpflichten, miitbeftens 3 galjre nach Gintritt in ben Bläferdjor 
forooßl bei ber girtna in Stellung zu bleiben, als auch bem Bläferdjor 
anzugehören, giir ben Blasunterridjt zahlt ber Arbeiter ber girrna 
100 M. unb zwar in Aaten oon wöchentlich 1 M. Xi cf er Betrag, 
welcher auf ber Sparfaffe angelegt wirb, wirb nach Ablauf bcr Drei» 
jährigen dienftzeit als Prämie bem Arbeiter Durch Ausbänbigung beS 
Sparfaffenbucßs zurürfgemäfjrt. die Bebingungen, oon bereit Grfüllung 
bie 3 ur ücfocrgütung abljängt, finb hier nicht oon gntereffe. 

3 ) 3 - iu ber §eimarbeiterjrage. Siehe Bt. o. SdjulZ/ die 
Stellung ber Heimarbeiter im deutfdjen ©ewerbereeßt (in Brauns Arrfjio, 
Bb. X S. 721 ff.). 


beS ©ewerhegerichtS. ©S ftnb bieS bie in Aeparaturwerfftätten 
ber ©ifenbahnen befdjäftigten Arbeiter. Augenblicflich entfeheibet 
baS Berliner ©ewcrbegericht, baß bie ©ifenbahnunternehmung 
als Qnhaberin ber SReparaturwerfftätten in eintägigen Rechts* 
ftreitigfeiten mit ihren Arbeitern oor bem ©ewerbegerießt stecht 
ZU nehmen hat. X)enn infoweit liege ein ©ewerbebetrieb oor, 
welcher mit ber Unternehmung als BerfeßrSanftalt bireft nichts 
gemein habe. 2)aß ein folcher ©ewerbebetrieb') für bie ©ifen* 
babnunternehmung arbeite, föune nicht in Betracht fommen. 
diejenigen Sßerfonen aber, welche bei bem ©ifenbahnbetrieb 
im engeren Sinne befchäftigt feien unb mit ihren Stiftungen 
unmittelbar für bie BerfehrSanfialt wirfen, fönnten fich in Bezug 
auf bie Regelung ihrer rechtlichen Beziehungen zu ber Arbeitgeberin 
auf bie Borfdjriften ber ©emerbeorbnung nidht berufen unb ben 
Apparat beS ©ewerhegerichtS nicht für ftd) in Anfpruch nehmen. 
Sßnen biete ber §. 6 ber ©emerbeorbnung eine Sdjranfe. 2 ) 

Btnn baS ©ewerbegericht ftch ^ cr SanbgerichtSentfcheibung 
jeboch anfchließen wirb, fo würben in 3nlunft auch ^ 1C in Söerf* 
ftätten einer ©ifenbaßn befchäftigten Arbeiter nicht mehr als ge* 
werbliche Arbeiter anzitfeßen fein. ©S ift bann ber Anficht oon 
Haas 3 ) beizupflichten, welcher erflärt, baß, wenn eine ©ifenbahn* 
oermaltung eine SKafchinenreparaturwerfftatt, BSaggonfabrif :c. 
lebiglich fn r ^ 1C Sorberung ihres ©ifenbahnunternehmenS ein* 
gerichtet habe unb betreibe, fte Damit nicht ein oon ihrem ©ifen* 
bahnunternehmen getrenntes, befonbereS ©emerbe ausübe. diefe 
gewerbliche Xhätigfeit trete nur oorbereitenb zu bem Betriebe ber 
©ifenbahnunternehmung hiuj u / fte fteh^ immerhin in Deren dienften 
unb fei nur ein dheil berfelben. das ©ewerbegericht müßte fich 
banad) bei Älagen biefer Arbeiter ftets für unzuftänbig erflären. 

BHr möchten erfahren, wie biefe Schwenfung beS Berliner 
©ewerbegerichtS in Den betheiligten Äreifen aufgenommen werben 
würbe. 

Nunmehr fommen wir z« ber zweiten ©ntfdßeibung beS ©e* 
werbegerichtS. 

* * 

* 

SnljaltS ber Älage fjat Beflagte Durch bie in ihren ^abrifräumen 
auShängenbe Befanntmad^ung oom 19. Auguft 1886 oerfprodjen, 
für ihre Arbeiter, Deren bnrdjfdjnittlicher B?odjcnoerbicnfl bie Summe 
oon 20 M. nid;t erreicht, unter gewiffen Bebingungen Sparfaffenbüdjer 
anzulegen unb fortlaufenbc Spareinlagen zu machen. XieS Berfprechen 
ift abgegeben worben, um, wie eS im Gtngange ber Befanntmadjung 
heißt, ben treuen unb fleißigen Arbeitern eine Anerfennung z« Soßen 
unb ihnen ben Beweis zu liefern, baß bem Arbeitgeber ein gutes Gin* 
oemehmen mit ihnen, welches nur burdj gegenfeitige 3 ufrieoenheit er* 
Zielt werben fönne, am Herren liege. Xie Spareinlagen (offen „eine 
Brämic zum Arbeitslohn" bilben. Bei Arbeitern, bereu Säochenoerbienft 
Die Summe oon 20 Jt. überfteigt, wie beim Äläger, ift eS bem Gr* 
meffen beS Arbeitgebers burdj bie Befanntmadjung oorbeljalten worben, 
fie in gleicher ober ähnlidjer 2 Beife zu betheiligen, dem Äläger finb 
bie SBoljItljöten ber Befanntmadjung gewährt; für ihn ift etu Spar* 
faffenbudj angelegt worben. Gr forbert, nachbem am 23. April 1898 
fein ArbeitSoerljältniß in frieblicher Bkife auf gehoben worben ift, bie 
Herausgabe Des feiner 3 e it noch über eine Summe oon etwa 37 ,»9 M . 
Iautenben SparfaffenbudjS. Gr forbert ferner bie 3aljlung oon 423,® 
weil Beflagte feit Anfang 1889 bie Ginzafjlungett eingestellt höhe unb 
bie burdj bie Befanntmadjung oerfprodjcucn 3aljlungen, wenn pe erfolgt 
wären, nebft SmfeSzinfen 423,® M auSntadjen würben. 

XaS ©ewerbegeridjt Ijnt feine Unzuftänbigfeit angenommen, der 
Anfpruch auf Herausgabe bes SparfaffenbudjS fjöbe feinen BechtSgrunb 
in bem befferen Aedjt zum Befiß, nicht aber im ArbeitSoertrage. AIS- 
bann fei bei foldjen Arbeitern, Deren SBochenocrbienft bie Summe oon 
20 M . überfteige, bie oerfprodjettc Prämie, weil bie ©ewäljrung ber¬ 
felben bem Grmeffen beS Arbeitgebers 'Vorbehalten worben, nicht ein 
Gntgelt für bie Arbeit, fonbern ein neben biefem bargebotenes be* 
fonbercs ©efchenf. Auch lji e r Ijanbele cs fich Demnach nidjt um eine 
^orberung ans bem ArbeitSoertrage, fonbern um eine folche auS bem 
SdjenfungSoerfpredjen. dagegen entfdjieb baS Sanbgcridjt folgenber* 
maßen: 

die Sledjte unb Bflidjten aus bem ArbeitSoerljältniß würben nicht 
allein aus ben mit bem einzelnen Arbeiter auSbrücflidj getroffenen Ber» 
einbarungen, Dem ArbeitSoertrage im engeren Sinne, beftimmt. Biel* 
ineljr fiube biefer Arbeitsoertrag feine Grgänzung burdj eine etwa be* 
fteljcnbe gefeßmäßig ober freiwillig erlaffene Arbeüsorbnung ober burdj 


*) 3 o ber $rozeßfadje ber Brauerei fam nicht einmal ein ge= 
werblicher Betrieb in Srage, fonbern eine BSoljlföhrtSeinridjtung, wcldjc 
eher entbehrlich ift. 

*) Unger, Gntfdjeibungen beS Berliner ©ewerbegeridjtS S. 193ß*. 
unb s Billjclmi u. gürft, Äontmentarzum ©emerbcgeridjtsgcfeß S. 2 s 3 
u. 284. 

3 ) Äommentar zum ©ewerbegeridjtsgefcß S.22; ogl. auch Appeli 11 s, 
©emerbeorbnung S. 11. dagegen Badjrm, Äommentar z»m ©ewerbe* 
gcridjtSgefeß S. 33. 



<s>mtnle «rnriS. ßentralblatt für SoxialDoIitif. Ar. löf 


428 



eine Vefanntmadjung ber oorliegenben Art, reelle gegenüber ber ©e« 
fammtbeit ber Arbeiter gu beren ©unften eine Verpflidjtung beS Arbeit* 
geberS feftftelle. ®iefe werbe non bem einzelnen Arbeiter mit bem ©in* 
tritt in beit Setrieb angenommen. Aus bloßer greigebigfeit mürben bie 
Spareinlagen nicht oerfprocben, fonbern oielmeljr als Velolmung für 
treue uub fleifeige Arbeit, foroie beShalb, weil ber Arbeitgeber ein roefent* 
lidjeS ^ntereffe baran habe, fid) gufriebene unb arbeitsfrcubige Arbeiter 
gu erbalten. Aacfjbcm bie Vetheilignng beS Kläger», roelcber mehr mie 
20 M. 2otw empfing, erfolgt fei. fei fein Aed)tSuerl)ältmfe gu beurtbeilen 
mie baSjenige ber geringer befolbeten Arbeiter. Ser Arbeiter rechne 
bei Veginn ober ftortfefeuug feines ArbeitSoerhältniffeS mit ben roirth* 
fdjaftlicben Vorteilen, roeldje ihm burd) 28obIfal)rtSeinrid)tungen beS 
VetriebeS, in ben er ehitritt, ermadifcn. Steje Veucfigien feien eine (Sr* 
aäugung gu bem auSbebungenen Stüd* uub S^lolm. (SS gebe baS 
fdjon barauS heroor, bafe fie als „Vrämie gura Arbeitslohn" begeidjnet 
finb. Sie (Srfüüung ber burd) bie Vefanntmacfeung beS Veflagten über» 
nommenen Verpflichtung fei mithin eine „Stiftung aus bem ArbeitS* 
oerbältnife", fo bafe ber Streit über biefe Seifiung nach §• 3 giffer 2 
beS ©efefeeS oom 29. guli 1890 gur ^uftänbigfeit beS ©emerbegerichts 
gehöre. Senn es liege fein auSreicbenber ©runb oor, unter ben Sei* 
ftungen beS Arbeitgebers aus bem ArbeitSoerbältnife etma nur bie 93er* 
aütung gu oerftehen, bie er unmittelbar bem Arbeiter gugefagt habe. 
Ser begeidmete §. 8 fei gmar im SSefentlichen gleidjlautenb bem früheren, 
bie gemerblid)en 3cfeiebSgerid)te betreffenben §. 120a ber ©emerbeorb* 
nung 7 ) unb fei begüglid) beS Icfeteren in ber (Sntjd)eibung beS AeicfeS* 
gericfetS Vb. 13 S. 842 bie Aothroenbigfeit einer möglidjft ftriften Suter* 
pretation heroorgefeoben. Siefe Aothroenbigfeit fei aber nid)t an* 
guerfennen. 8 ) 

3Wit bem Anträge auf Verausgabe beS SparfaffenbuchS begehre 
Kläger eine Vertragserfüllung infofern, als er aus einem perfönlidjen 
Scfeulboerhältnife gegenüber Dem Veflagten bas ftorberungSrecht be* 
giiglid) ber Spareinlage geltenb mache. Veftebe biefeS ftorberungsrecfet, 
jo erftrecfe fich ber Anfprud) auf Vertragserfüllung, alfo auf Sieiftung, 
audj auf baS Sparfaffenbud), benn baS Sparfaffenbud) fei fein Inhaber* 
papier, fonbern ein fogenanntes Segitimationspapier; 9 ) eS fei ein $u* 
behör ber ^orberung.* 0 ) Kläger mürbe, menn fein oertragSmäfeigeS 
ftorberungSredjt begiiglich ber Spareinlage feftgefteKt märe, gugleidj bie 
Verausgabe beS SparfaffenbuchS oerlangen fönnen. ^nforoeit umfaffe 
ber perfönlidje Anfpruch auf bie oertragSmäfeige Seiftung bie Voraus* 
gäbe beS SparfaffenbuchS. Ser Vegriff ber Seiftung erftrecfe fich auf 
Die Vertragserfüllung im Allgemeinen. '*) 

V?it bem 3al)lungsanfprud] tu Vöhe oon 428,23 M. forbere Kläger 
eine ©ntfriiäbigung megeit Aicbtcrfüllung beS Vertrages. Sa biefer 
Vertrag als Sheif beS ArbcitSoertrageS gu betrachten fei, fo leite fich 
ber ©ntfdjäbigungsanfprud) aus bem ArbeitSoerbältnife l)er. 


Vicrgn rooHen mir einigen wenigen Vemerfungen ^lafe geben: 

§n ber „Vefannimachung" fino bie Sparfaffeneinlagen als 
„Prämie gum Arbeitslohn" begeidhnet. Sonach erfefjeint auch bie 
Auffaffung guläffig, bafe bie grämte als ehoaS neben bem ArbeitS* 
lohn StehenoeS, über i§n ^>inau§Qel)enbeö fein fülle. S)ieS ift aber 
neben fachlich. 38enn, mie in concreto, bie 3 u ro cn bung in tie reine 
2SiHfür beS Arbeitgebers gefteHt ift, fo fann es fich nicht um einen 
Arbeitslohn Begm. einen Sljeil beffelben hanbeln; es ift bann oiel* 
mehr ein 0chenfungSoerfpre<hen oorhanben. S)iefeS fann aber 
nicht baburch iu einem £feeil beS ArbeitSoertrageS roerben, bafe es 
äußerlich bie formen eines Arbeitsoertrages annimmt ober auch 
mit biefem in einen Vertrag gufammengefd)tüeifet mirb. S)er 
Vertrag enthält bann eben grnei innerlich burdjauS ooit einanber 
oerfchiebene Verträge, mie etroa auch eine einheitliche Urfunbe, in 
ber man Semattbem 100 Jf borgt unb ihm aufeerbent für 100 M 
feine Uhr abfauft, nicht ein biofeer $aufoertrag ober ein biofeer 
S)arIehnSoertrag ift, fonbern fid) aus V ei bem gufammenfefet. Ve» 
fteht bann für bie gmei fo' oerfchmolgenen Verträge je ein oer* 
fdiiebeneS auSfchliefelidjieS gorum, fo fann biefeS nicht für ben 
einen ber beiben Verträge baburch befeitigt merben, bafe für beibe 
nur eine eingige Urfunbe aufgenommen ift. SkSroegen fann ein 
SehenfungSoertrag roohl äufeerlich mit bem ArbeitSoertrage in 
3ufammenhang gebracht merben unb ihn gur Vorausfefeung haben; 
er fann aber nicht ein Sheil beS ArbeitSoertrageS fein. 

VSäre Kläger auf ©runb ber „Vefamitmachuug" befugt ge* 
roefen, bie Prämie gu forbern, fo läge bie Sache anberS; bann 
fönnte man bie VriJmie a [g c i ne ^ ur( ^ ^ohloerhalten bebingte 
£ohngulage anfeljen. 

7 ) 9?ote 1 auf S. 26 OrS Kommentars oon VSilbelmi mib fjiirft. 

8 ) Vgl. V?ill)elmi imb ürft a. a. 0. S. 28 >ftote 6 unO ©bertu, 
©cmerbegertdjt imb ©iniguugSamt S. 34. 

9 ) Vgl. ^örfter»©cc!iiS, ‘preufe. ^rioatredit, 6. Aufl. Vb. 1 S.370 
Aote 11. 

lü ) ©ntfefeetb. beS 9lcid)Sgerid)ts Vb. 21 S. 364. 

ll ) a örftcr=©cciuS a. a. 0. Vb. I S. 380 $. 65. 


S)ur<h bie Ausführungen beS SanbgerichtS ift oielleicht bas 
©eroerbegericht in ber ©rage beS SparfaffenbucheS miberlegt, aber 
auch ba nur infomeit, als baS Sparfaffenbuch nid^t anberS be* 
hanbelt roerben barf als bie übrigen petita ber $lage. 

* * 

* 

V3ir reihen hier ben britten ^rogefe als 0<hlufe an: 

3n biefem mar eine ©ntfdjäbigung eingeflagt roegett Ver* 
gögerung ber AuShänbtgung eines gehörigen 3eugniffeS. Sas ©emerbe* 
geriet hat nicht materiell erfannt, meil es nur für einen ©nifdiäbtgungs* 
anfprud) aus bem eigentlichen ArbeitSocrhältiiiffe guftänbig fei. Ab* 
meichenb oon bem Urtheil hat baS yanbgeridjt bie ^itftänbigfett beS 
©emerbegerichts für ben ©ntfd)äbigungSanfprud) toegen Voreuthaltung 
eines fachgemäßen ^eugnt||cs auf ©runb beS §. 3 Abfafe 2 beS ©emerbe* 
gerichtsgefcfces angenommen, ba bie ©ntfehäbigung aus bem ArbeitS* 
oerhältnife oerlangt roerbe uub biefer Anfpruch in feinem ©ntftehungS* 
grunbe in bem Arbeitsuerbältnife murgele. 

VBir führen bemgegenüber an, bafe baS ©eroerbegericht in lefeter 
3eit, abgefehen oon einigen Ausnahmen, ftets ft<h für ©treitigfeiten 
über ©ntfchäbigungSanfprüche roegen oergögerter (begro. oerroei* 
gerter) AuShänbigung beS 3 eu 9 nt ff e ^ f“ r unguftänbig erflärt hat. 
©rünbe: §. 3 9ßr. 1 beS ©eroerbegerichtSaefebeS überroeift ber 3u* 
ftänbigfeit ber ©eroerbegerichte auSfdhliefelich bie ©treitigfeiten über 
bie AuShänbigung unb ben Qnhalt beS 3^ugniffeS, nicht auch ü& er 
bie ©ntfd)äbigungSanfprüche, bie aus ber Voreuthaltung beS 
niffeS fid) ergeben. AIS ein ©ntfchäbigungSanfpruch aus bem 
ArbeitSoerhältnife im Sinne ber $r. 2 beS §. 3 fann ein berartiger 
Anfpruch aber nicht erflärt roerben, roeil bie Pflicht gur 3 eu 9 m & 5 ll 
ertheilitng im ©efefe fclbft (§. 113 ©.0).), nicht im ArbeitSoertrage 
ihre Ved)tSgrunblage hat unb roeil biefe Pflicht ihrer Statur nach 
erft nach Veenbigung beS ArbeitSoerbältniffeS gu erfüllen 
ift. $>ementfprechenb hanbelt es fich barum, einen erft nach biefem 
3eitpunfte entftehenben Schaben auSgugleichen. 12 ) 

* * 

* 

AuS ben brei oon uns gegebenen UrtheilSprobeti erhettt, bafe 
baS ©eroerbegericht es fich ^och nicht fo leicht mit ber ©ntfefeeibung 
über feine Unguftänbigfeit roerben läfet, roie ber Veiftfeer gu benfen 
fcheint. 3u ermitteln, ob baS ßanbgericht mit feinen „glüdflichen 
^orrefturen" ftänbig bgS Nichtige getroffen hat, bürfte auf Schwierig* 
feiten ftofeen. ©S ift baher mehr roie geroagt, gu behaupten, bafe 
baS ©eroerbegericht „ohne ©runb unb Urfadje feine 3 u ftänbigfeit 
befchränfe". 2öir finb im 3meifel, ob man fich beroufet geworben 
ift, bafe bie bem ©eroerbegericht gu Unrecht natfjgefaate VanblungS* 
roeife eine grobe ^ßflichtroibrigfeit roäre. 2)er Vefchlufe ber Ver* 
fammlung belegt baS ©eroerbegericht mit bem beleibigenben Vor* 
rourfe ber fdjranfenlofcn SSiüfür unb bamit ber Ved)tSoerIefeung. 
©igenthümlid) berührt eS, bafe mit biefem Vorrourfc gugleich bie 
Aufforberung an bie ©eroerffhaften ergeht, „etwas mehr Aufmerf* 
famfeit ben oon ihnen als Veififeer gewählten Kollegen in 3 u ^nnft 
ju fhenfen". S)er 23unfh fhimmert fidfetlich hi cr burch, 
oafe bie Veififeer gufünftig nicht nach ber burch bie Verathung ge* 
roonnenen Uebergeugung, fonbern nach e i ncr i& ncn bereits oorper 
ertheilten Snftruftion urteilen foüen. 13 ) Söir rooüen an biefer 
Stelle roieberholen, roaS ©|uno 14 ) 1895, als bamalS eine Angabi 
Arbeitgeber bie Unparteilichfeit ber ©eroerbegerichte in Sfrage fteüte, 
fhrieb: „28er will überhaupt AngefichtS ber mangelhaften juriftifch* 
teefenifhen SJurchbilbung ber auf ben geroerblichen ArbeitSoertrag 
begüglidfeen gefefelidjen Veftimmungen unb ber ftiefmiitterlicben Ve* 
hanblung biefeS SRed)tSgebietes in ber Sßiffenfhaft fid) erfübnen, 
autoritatio gu entfheiben, ob ein Urtheil eine $Hecht£oerlefeung bar* 
fteHe? $ie Arbeitgeber bürften hoch nicht bie geeignete Snftang für 
biefe ©ntfheibung fein. S)ie ftreng juriftifhe Auslegung mancher 
Veftimmungen ber ©eroerbeorbnung führt gu Sfefultaten, bie balb 
bie Arbeitgeber, balb bie Arbeitnehmer nicht beliebigen fönnen, 
roeil fie bem praftifdjen Vebürfnife nid)t angupaffen finb." 

ia ) Unger a. a. 0. S. 233 Ar. 201 unb Anmcrfung bafelbft. 
Siehe aud) bas „©eroerbegeridjt" oorn 3. Sftärg o. JS. Sp. 63, ^aftroro, 
bie ©rfahrungen in beu bcuti'djen 01eroerbcgerid)ten, in ben ^aHrbiichern 
für Aationalöfonomien uub Statiftif, britte ftolge Vb. XIV (LX1X) 
3. 343, enblidi Urtheil bcs Verliner ©eioerbegerid)ts in 3ad)cn 
I. contra 2. 989,98 ll. 

7 

,s ) ^u oerfhiebeueu Arbeituehmeroerfammlungcn ift jebe Vecin* 
fluffung ber Veififerr in ihrer rid)terlid)cu Jljätigfeit als eine oerroerf* 
Iidje ftreng oerpönt toorbeu. Vgl. ©eroerbegericht oom 3. XII. 1896; 
3p. 25 u. 26, oom 3. II. 1898 3p. 51 unb 6. X. 1898 3p. 3 u. 4; 
cublid) 3 a ftr o ro a. a. 0 . 3. 365 ff. 

14 ) ^sn beit Vlätteru für fogtalc Gravis Ar. 115 oom 14. Vlärg 1895 

3p. 206. 


429 


Soziale fragte. (SentralDIatt für Sogialpolitif. S?r. 16. 


460 


Vegüglitp beg (5)eiücrbegcrid>t^gcfebcö mup bag ©efagte gleirf;** 
fallg gelten. Unter biefen llmftänben pat bie Agitation gegen bag 
©ewerbegeriept gunädpft nur ben drfolg, bap bett ©egitern ber ©e« 
werbegertepte $reube bereitet wirb über bag Verhalten berjenigen, 
roelcpe in erfter ßinie berufen ftnb, bie ©ewerbegeridpte oor Sin« 
feinbungen gu bewahren. SBir wollen aßerbingg nicht oerfennen, 
bap unter ber üblen §üüe beg Vefcpluffeg ber Arbeitnehtneroer* 
fömmlung ftcf> ein gefunber flern birgt, dg ift bieg bag iitftinftioe 
ftiflfcpweigenbe Verlangen natp flompetengerweiterung beg ©eroerbe* 
gerieptg. Auf ©runb ber mehrjährigen geroerbegericptlichen dr* 
faprungen wirb oon ung imnterbar bie oorberung auf drweite« 
rang ber 3 u ftänbig!eit ber ©eroerbegeriepte vertreten. VBir haben 
babei im Auge, nicht bloß dntfdjäbigungganfprüche wegen oer« 
gögerter AugfteHung oon 3e»gniffen, fonbent oornebmitcb auch 
€>treitigfeiten über $erauggabe oon §anbwerfggeug, Snoaltbitätg* 
farte, flranfenfaffenbuef), fowie ber beim Eintritt beg lebten Arbeitg« 
oerbältniffeg oom Arbeiter etwa überreichten Arbeitsbücher, früheren 
3cugniffe ober fotiftigen früheren Arbeitgbefcheinigungen. dr* 
ftrebengwertb hotten wir fobann bie drweiterung ber flompeteng 
ber ©ewerbegeridpte auf dntfcpäbigungganfprüdpe aug falfcher Slug« 
ftellung oon 3eugntffen. Vtit Stecht wunbern fiep bie Arbeiter, — 
eg ift bieg ung oft auggefproeben worben — baff fie aug bem 
Slrbeitgoertrage oor bem ©ewerbegeriebte Stecht gu fudpen, im 
Uebrigen aber wegen ber 3 e ugniffe :c. ben Arbeitgeber oor bem 
orbentlidpen Stifter in Anfprudp gu nehmen haben, drforberlicp 
bürfte eg nach ben oon ung ooraetragenen Urtpeilen ferner fein, 
bap alle biejenigen Sßerfonen, welche, wenn fie auch nur im lofen 
3ufammenhange mit bem eigentlichen ^Betriebe bem Unternehmer 
in einem arbeitgähnlidpen Verhältnis bienen, bem ©ewerbe« 
geriept unterteilt werben, dg würbe ebenfo ber Sachlage ent« 
fpreepen, wenn über fämtntlicpe Verträge, welche bie Arbeit» 
nepmer mit Arbeitgebern fdpliepett, bie ©ewerbegeriebte gu urtheilen 
in ben Stanb gefept werben. 3 U münfehen wäre eg enblicb, bap 
bie Arbeiter ber difenbapnen, mögen fie auf ber Strecfe ober in 
ben SBerfftätten thätig fein, ihre flogen oor bem ©ewerbegeriebte 
anbringen fönnten.. 

$ie Verpanblungen in pnferen ©eridptäfälen geigen täglich, 
— wir haben bieg in bem Verroaltunggberidjt beg ©ewerbegerichtg 
pro 1897/98 befonberg betont — bap bie Stotproenbigfeit ber 
Erweiterung ber f ompeteng immer fdpärfer unb groingen« 
ber wirb. „3n unferem Stocpbarftaate Defterreitp ift mit bem 
1. 3uli 1898 ein ©efep (oom 27. Stooember 1896) über bie ditv 
füprung oon ©eroerbegeriepten unb über bie ©erieptgbarfeit in 
©treitigfeiten aug bem gewerblichen Arbeitg«, £epr« unb ßopn« 
uerpältniffe in flraft getreten, bag, wie in ben SHotioen peroör« 
gehoben wirb, bag beutfepe ©efep gum Vorpilb * genommen unb 
unfere drfaprungen fiefj gu Stupe gemadpt hat. dg hat nicht nur 
gum Speil eingeführt, wag wir noch erftreben, fonbern eg ift nach 
anberer Stidptung noch weit barüber pinauggegangen. 3m §. 4, 
welcher bie fachliche 3uftänbigfeit orbnet, wirb nämlich augbrücflitp 
beftimmt, bap bie ©ewerbegeritpte auep guftänbig finb für dnt» 
febäbigungganfprüebe bei nicht rechtzeitiger Aughänbigung beg 
Arbeitgbucheg, wegen Verweigerung ber oorfcpriftginäpigen din« 
tragungen unb wegen unguläfftger Eintragungen unb Anmerfungen. 
3)eggleidpen gehören oor bie öfterreiepifepen ©ewerbegeriebte ©trei« 
tigfeiten wegen ber fünbigung, ber Stäumung unb beg SJtietpg*: 
ginfeg oon SBopnungen in Arbeiternpäufern, bereu Venupung oom 
Arbeitgeber bem Arbeiter mit ober ohne dntgelt gewährt wirb, 
tiefer Veftimmung möchten wir dingang in unfere ©efepgebung 
oerfRaffen, ba SBopn« unb ßopnfrage bei oielen Arbeitgoerpält« 
ntffen oft eng oerbunben finb." Slnftatt bie Stecptfprecpung beg 
©ewerbegerichtg gu bemängeln, wäre eg gewinnreicher gewefen, 
wenn ber Vefcplup ber Arbeitnebmeroerfammlung ung in unferen 
foeben ffiggirten Veftrebungen bureb 3aftimmung unterftüpt hätte. 15 ) 

hoffen wir aber, bap trop allebem ber Vefcplup ben 
©efepgeber gur balbigen dntfcpliepung brängen hilft, bie f ompeteng 
ber ©ewerbegerichte innerhalb ber angebeuteten ©rengen gu er« 
weitern. Algbann wirb ber Steferent ber Slrbeitnehmeroerfammlung 
gewürbigt werben alg „ein £peil uon jener flraft, bie — ftetg bag 
©ute fepafft". 

Verlin. _ SJt. o. ©chulg. 

spetitüra ber ©etoerfbereine nttt iBerbeffcrnug beg ©etoerbegeridjtg« 
gefepeg ®er dentralratb ber beutfeben ©ewerfoereine (^irfcb«iunc!er) 

15 ) SBir behalten utts für fpäter oor, über bte f ompetengbeftim« 
mungen beg ©ewerbegcricbtggeiepeg nocbmalg unb erfdjöpfenber ung 
auggulaffen. 


hat in Abführung beg einftiuimig gefaxten Vcfcbluffeg beg 13. Verbanbg* 
tageg gu SWagbeburg, 2. ^uni 1898, bem Steidjgtag eine Petition über* 
geben, in ber geforbert wirb: 1. ©ewerbegeriebte foüen für alle ©emeinben 
begw. Vegirfc mit entwicfeltem ©ewerbebetrieb obligatorifäj cingefiibrt 
werben; 2. bag SBablrecht unb bie SBäplbarfcit gu ben ©ewerbegerichten 
füllen auf bie weiblichen Arbeitgeber unb Arbeiter erftreeft werben; 
3. bie ©ewerbegerichte [ollen verpflichtet werben, auf Anrufuug auch 
nur ein eg Speileg alg dinigunggamt thätig gu fein, unb bag Siecht 
erhalten, auch ohne Anrufung ©djritte gur Verhütung ober Veilegung 
oon Slrbeitgftreitigfciten gu tpun. 

dlne dtttgegnuitg auf bie 3uf<b*ift beg §erm D. ßbeling betr. ben 
„Stoctarbeite^Augftanb oor bem dinigungg-Amte beg ©ewerbegerichtg 
Verlin" («palte 397) fenbet ung &err £. SB ei g er t in Siacbftebenbem: 

mache meine Berichte über bie oor bem dinigungg*Atnte beg 
berliner ©ewerbegerichtg ftattfinbenben Verhanblungen ftetg auf ©runb 
beg amtlichen ©tenögrammg unb habe biefe Vorfidjt auch bei bem 
in Siebe ftebenben Augftanb befolgt, darnach ift feftgeftellt worben, 
bap ber Augftanb genau in ber oon mir gefchilberten SBeife fiep ab« 
efpielt hat. ^a für bie £ eff entlieh feit nur bag ^ntereffe hat, wag oor 
em ftorum beg ßinigunggamtg fiep abfpielte, fo ift bie dntgegnung 
beg .&errn £. dbeling gegenftanbglog. ®a jperr 0. dbcling gegen bie 
Sticptigfeit unb ^Berechtigung meiner Augfüprungen nieptg aiiguführen 
oermag, wag gu bereu ßntfväftuug unb SBiberlcgung führen fönnte, 
nimmt er gu bem billigen SRittel ber Verdächtigung feine ^aflucpt. ®ieg 
foll miep jeboep nicht pinbern, auep in 3al»nft in unentwegter SBeife 
für eine unparteiifche Prüfung ber gwifcfjen Slrbeitgebern unb beren 
Arbeiter fcpwebenben ©treitigfeiten eingutreten unb biejenigen Uwi 
aepörigteiten öffentlich gu rügen, bie im 2aufe ber Vcrhanblungen gu 
5age treten. — SBenn icp in jiingfter ^eit, fowopl in biefem alg auep 
im ©olbleiftcnarbeiter*Augftaub Veranlaffung nahm, bie ©ewerffepaftg» 
leitung angugreifen, fo war unb bin icp noep heute ber Anficpt, bap in 
Jfolgc meiner Stellung, bie icp jebergeit gu ©unften berechtigter ^or* 
berungen ber Arbeiter eingenommen pabe, icp auep berechtigt bin, 
öjrfentiirf) biejenigen Jfepler gu rügen, bie bie ffüprer in biefen Aug* 
ftänben gemaept paben unb bie wopl geeignet finb, bie Arbeiter fcpwer 
gu fcpäbigen. SBenn bie Beiter ber ©ewertfepaft eine in facpüdjer SBeife 
geübte ftritif niept oertragen fönnen, bann beweifen pe baburep bap pe 
ftep Vlöpen gegeben haben. SBenn abtr .t>err ßbeling pep gum werfe 
ber Vcweigfupnwg gegen meine Slugfüpmngen, auf ben ^errn Vor* 
fipenben beg ßinigunggamteg beruft unb iput bie Slcuperung an bie 
Arbeitgeber in ben SWunb.legt: 

„Ehrten fage id), bap Sic einen gropen Jpeil ber Sdiulb paben: 
eg möge 3hnen eine Bcbre fein, bap Sie cg wegen einer fo gering« 
fügigen Sacpe niept wieber gu fölcpem' Streif fommen laffen" — 

bann mangelt eg mir an einem parlamentarifdjeu Augbrurfe, um 
bie Vhantafic beg £errn ßbeling, bie er bei Monftruirung biefer 
Aeuperung cutwirfelt hat, gu tenngeiepnen. S5ie oorftepenbe Vepauptung 
beg ^errn ßbcrling ift einfach unwahr. $>er ^>err Vorppcnbc hat nadj 
Scplup beg Vergleicpeg, anhtiipfenb an eine oon mir wäprenb ber Ver* 
panblung gemachte Vemerfnng an bie Arbeitgeber ber augftänbigen Ar¬ 
beiter, lebigüd) geäupert: 

„bap ber Augftanb waptfcpeinlicp oermieben worben wate, wenn 
bie Arbeiter unter [laubiger Auffiept geftanben patten, unb bap feineg 
ßraepteng ber Mangel einer Auffiept bie Scpulb au ben Vorgängen trage." 

Alg SKitglieb beg ßinigunggamteg mup icp für miep unb meinen 
Kollegen ^e-rrn Ingenieur ß Vernparb, Verwahrung bagegen einlegen, 
bap burdj bie Verbreitung berartig unqualipgirter Aeuperungeu ber 
burep feine Unparteilicpfeit befannte Voifipenbe beg ©ewerbegerichtg 
angegriffen unb bag An [eben beg ßinigunggamteg beg ©ewerbcgeridjtg 
Verlin perabgefept werbe!" 

SBir fcpliepen hiermit bie Sitten über biefen ftall, beffeit Vebeutung 
für bie Ceffentlicpfeit jept erfepöpft ift. Aeb. b. Sog. 


eittrarifdie Änjrtgen. 

Revue politique et pariementaire. ^erauggeber SKorcel 5*>urnier. 

Aug bem iegemberpeft gitiren wir folgenbe Artifel fogialpolUtfcpen 
^itpaltg: Yves Guyot, l’association corporative et l’association contr^c- 
tuelle; Sorel, la crise du Socialisme; Spire, la vie syndicale en pro- 
vince etc. 

^eutfepe Sleoue. ßine SÄonatgfcprift. ©erauggegeben oon Stich, 
gleifcper. 24. Jahrgang. Januar 1899. Stuttgart, ®eutfcpe 
Verlagg*Anftalt. $reig oiertelj. 6 Jt. 

Äöln. Veridjt über ben Stanb unb bie Verwaltung ber ©emeinbe* 
Angelegenheiten ber Stabt flöht pro 1897. 

Stcue SJcutfcpe Stunbfcpau. .^eft 1. 1899. X. ^oprgang. Verlin, 
S. ftifeper. $reig beg .fpefteg l,so .//. 

^ahrbiieper für Statioualöfonontie unb Statiftif. ©egriinbet 
oon Vruno §ilbebranb. .fperauggegeben oon ^vo[. Dr. 3. ßourab 
in Verbinbung mit ^rof. Dr. Boening unb Vrof. Dr. SB. Berig. 
III. f^olge. 16. Vanb. 6. Joeft. ^ena 1898, (^ufiao fyifdier. 
Vionatlicp erfepeint ein.'Dcft, Grefte bilbcn einen Vb. ^?reig beg 
Vanbeg 15 beg eingeluen .^efteg 3 jr. 


Cerattlioortlf^ für bie »rbaftion: Dr. CSrnft grantfe ln »etlin W., »mjreut^erftraöe 29. 



soziale $rajri§. Sentral&Iatt für Sojialpolittf. Dtr. 16. 


©ie ,,^o?taU firarie“ erfdjcint an jebem ©onnerötcig unb ift bur$ olle 23ud}banblungcn unb gJoftämtcr (ißoftaeitunfl«nummet 7072) au beaie^en. ©er $rei8 
für baö SSiertelja^r ift 9Jt. 2,50. Sebe Kummet foftet 30 $f. ©et SlnjetgenpreiS ift 60 $f. für bie breigefpoltene Sßetitjeile. 


Im Zusammenhänge mit den einschlägigen Verhandlungen des Reichs- | i 
tages sei allen Interessenten wiederholt empfohlen: I I ®ntt0nt00, Qerla^sbui^iianblling, <P.mli.g. 

| ßctlin SW.48 t «Hlljclmdr. U9/I20. 

Die hausindustriellen Arbeiterinnen 

in der 

Berliner Blusen-, Unterroek-, Schürzen- und Trieotkonfektion. 

Von 

Gertrud Dylirenfiirtli. 

- 1898. Preis 2 Mk. 80 Pf. —- 

In Conrad» „Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik“ 
berichtet J. C. über das Buch: 

„Die Schrift ist in den staatswissenschaftlichen Forschungen Schmollers 
erschienen und kann einen ehrenvollen Platz in dieser Sammlung beanspruchen. 

Die Verfasserin hat die Arbeiterverhältnisse mit ebensoviel Umsicht wie Gründ¬ 
lichkeit studiert. Die Verarbeitung des zum grossen Teil persönlich, sonst 
durch Helferinnen eingesammelten Materials ist methodisch vortrefflich. Die 
Beurteilung der Verhältnisse ist mit Kritik, Sachkenntnis und sorgfältiger Ob¬ 
jektivität durchgeführt. Die Darstellung ist klar und trotz des oft spröden 
Stoffes fliessend und angenehm zu lesen. 

Wir sind der Verfasserin besonderen Dank für die Arbeit schuldig, die 
in solcher Weise nur von einer Frau durchgeführt werden konnte, und aus 
welcher auch der viel Belelitung zu schöpfen vermag, der sich mit den Arbeiter¬ 
verhältnissen näher beschäftigt hat. 

. . . Mit Recht fordert die Verfasserin die Ausdehnung der Schutz¬ 
gesetzgebung auf die Hausindustrie, weil die Befreiung der Beschränkungen in 
einzelnen Branchen notwendig die Schädlichkeiten in diese hineintreibt. Dagegen 
hält sie die Beseitigung der Heimarbeit überhaupt nicht für thunlich, da sie für 
viele Häuslichkeiten zur Ausnutzung latenter Arbeitskraft sehr wünschenswert 
ist. Sie macht eine Anzahl Vorschläge, wie die Gesetzgebung schützend ein- 
greifen kann, die uns sehr der Beachtung wert erscheinen. 

Möchte die Schrift viele Leser und die Verfasserin viele Nachfolger 
auf dem weiten Forschungsgebiete finden.“ J. C. 


3« uöHig neuer SBear&etiung erfdjicn: 

Das Heidjsgepfe, 

betreffenb bie 

(Beroerßegertcike. 

®om 29. Suli 1890. 

Jejt=?(u3gabe mit'Änmerfungen u. @ad)regifter 
Dort 

Cto ülitgbnn. 

Vierte Permcljrte %tif(qfle, 

bearbeitet mm 

(Kuno, ©tabtratlj 

unb ftenocrtrcfeiibem Borfifrenben be8 ©eroerbegerlcfjt« 
ju Äöniggbcrg t. Br. 

(Eafdjenformat, fartonniert 
- SßretS 1 2Rf. 80 $f. - 

3u be^icfjcit burdj jebe »wtjfjanMuttg, fotoic 
bireft Pott ber gerfagobudjfjaitbhutg. 

Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 


Arbeiter-Versicherung 

im Auslande. 

Bearbeitet von 

I)r. Zacher, 

Kais. Geb. Reg.-Rat im Reichs-Versichernngsarat. 

Heft V. 


Oie Arbeller-Versicluriing in England. 

•• — Preis 2 Mark. HZ 




Die Lage der Arbeiterinnen 

in der Berliner Papierwaren-Industrie. 

Eine sociale Studie von 

Klisabctli Gnauck-Kühne. 

- Preis 60 Pf. —- 


H. Bechhold Verlag, Frankfurt a. M., Krame 21 . 


® Den neuen (III.) Jahrgang 
beginnt am 1. Januar 1899 
in bedeutend vermehrtem Umfang 

DIE UMSCHAU 

Übersicht über die Fortschritte 
und Bewegungen auf dem Gesamt¬ 
gebiet der Wissenschaft, Technik, 
Litteratur und Kunst. 

Jährlich 52 Nummern. Illustriert. Preis vierteljährlich M. 2.50. 

Mitarbeiter sind u. a.: Prof. Arrhenius, Leo Berg, Dr. du Bois-Reymond, 
Geh. Rat v. Brandt, Gesandter a. D., Prof. Braun (Strassburg), Prof. 
Brinkmann, Prof. M. Büchner, Felix Dahn, Prof. Dürre, Geh. Rat Ebstein, 
Geh. Rat Eulenburg, Prof. Furtwängler, Prof. Goette, Curt Grottewitz, Prof. 
S. Günther, W. Huggins, Kurd Lasswitz, Justin Mc. Carthy, Meier-Gräfe, 
Prof. Meili, Prof. Muther, Prof. v. Oettingen, Geh. Rat Orth, Geh. Rat 
Pelman, Prof. Ratzel, Dr. H. Riemann, Prof. Schneegans, Prof. A. Schultz, 
Prof. Schweinfurth, Prof. Sombart, Prof. v. Stengel, Prof. Verworn, Prof. 
Weber (Zürich), Prof. Wiedemann, Prof. Werner, Dr. A. Wirth, Prof. 
Wislicenus, Dr. O. Zacharias, Prof. Zickler. 

Probenummern gratis und franco, ssrgsss 

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und die Post. 


Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35. 

^ - ----*------ 

Die soziale Lage der 

arbeitenden Klassen in Berlin. 

Von Dr. E. Hirschberg, 

Assistenten am Statist. Amt der Stadt Berlin. 

Nebst mehreren graphischen Darstellungen. 

--— 1897. JVlark 5,50. --— 

Das Buch enthält eine, auf genauem statistischen Material fussende 
Darstellung der sozialen Lage der gesamten arbeitenden Klassen in Berlin 
unter Vergleichung mit auderen Städten. 

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen sowie direkt vom Verlage. 


Soeben erfdjienen: 

Jnljrliiid) für f fjrfegrkiig, JJcriunitung unb yalksnitdfd)nft 

im fPoutfction lUidj. 

SerauSgegcbcit nou (ttuftaU Sdjmotfer. 

ileue £o!ge. XXIII. laljrgnng. üBrflesi geft. Vttis 9 £*t. 20 ?>f. 
^nfjalt: ©je Urgefdjidjte ber ftamtlte, 93?utterred)t unb ©entilberfaffung. 33on 
(4L «SdjmoHer. — ^Beiträge jur ©efd)id)te unb ©tieorie bcS ÜlTinenmefenS. 33on 
ü. Dteityenftein u. Sfliinfterberg. II.«rtifeL —©a* ftabriffäultttefcn im %r. eueren. 
93on t>. SÖelcf. — ©ie retd)8gefefclid)e (yamilienberfidjerung. 93on o. ftranfeitbtTg. 
— ©ie redjtS* unb ftaatöroiffcnfchaftlic^e ftafultät. 33on 2ö. ,£>a§bad). — Ueber 
baö beutfd)c ©elbmcfen im iitiegofaU. I. S3on 3Jt. @tr5H. — ©ie Dteorganifation 
ber fran 3 Öfifd)cn $onb«börfen. Süon «. ©. <Sal}ou«. — ©taat u. ©tänbe ^ranfreicb« 
im Satjrtmnbert ber Söurgerfriege (1550—1660). 33on St. Sörebfig. — ©aS iBer- 
bältniS bcö 2ßerbraiid)eS ber DRaffen ju bemjenigen ber „fleinen Seute", ber 
2Sof)U)flbenben unb Gleichen unb bie SJtarjiftifdje ©oftrin. SBon 31. ©. DJtaij. — 
©ine öorgefebriitene ftabrifgefefcgebung. 58on Dt. Dtiebl. — ©ie SBorfdjläge jur 
Dteform ber Snöalibität«. u. Wlterßöerfidjerung. SSonb. SBtfeleben. — filtterotur. 


Berantroortlid) für bie ülnjeigcn: ^eflmutl) ©eibel, Eeipjtg. - Serlag mm »uiicfer & $mnblot, fieipiig. — ©ebrmft bet gultu« Sittenfelb, Scrltn. 








VIII golpgaiig. 


Serlm, ben 26. Januar 1899. 


Stummer 17. 


Soziale pvayis. 

@entratttatt für gogiatpoKfift 

mit 6cr SRonatdbctlage: 

Das (ßewetrbegertcht* 

(Organ t>es Derbanbes beiitfdjer (Setnerbegericßte. 

9lcuc golge ber „Siatter für fojtale unb be8 „©ojinlpolttifcijcn ffimtroIBIottS'. 


«rfflciitt m ifkciH «mutcdteg. 
Rebaftion: ©erltn W., ©ahreutberftrafje 29. 


£>ccau«gcber: 


Drei* »tcrUlMrtii* Z 01. 60 0f. 


Dp. Ccn|l ^rattifee. 


©erlag Don Jumfer & Jmmblot, Setpglg. 


3 nt)olt. 


©ünftigt Hnjti(b(tt?.433 

©tatetial jut F la fl e ber ^eran« 
Siebung non Arbeitern §ur 
fid&etßettdpolijeincßenöeciuf* 
jicßtlgung ber ©rubenarbeit. 
©on Dr. %xtjxn. öon ©erlepfcb, 
©taaWmintfteT, ©cebacß .436 

Mfltaartnc 0»stel* «nb ®Ötrtbfc*aft*< 

polttl!..443 

Arbeiter unb ©egierenbe in 
Ftanfteicß. ©on F* ©cßott* 
boefer, ©orig. 

«#S««It a»ft*nbe .. 444 

©etition um Regelung ber Landarbeit 
in ber (SigaTreninbuftrie ©eutfcßlanbd. 
Soßnatbeit fcßuIpjllcßHget £fstber in 
©roßft übten unb Snbuftrieorten 
©eiitfcßlonbd. 

Äinber* unb Frauenarbeit in Franf« 
reich. 

©egen bie ©efteuerung frember 8lr* 
beiter in Fwnfrdcß. 
amfterbamer SUbeltdlofenftatiftif. 

tlvbcUgebcrbcrbänbe.446 

©orfeßriften bed SBaljbraßtfpnblfatä 
Statutenmäßige Sludfpeming wegen 
Ungeborfamd. 

Unternehmer unb «rbeiterfoatition. 

«c§ftterbft»ftnnfl.447 

Soßn« unb ©treifbewegung ber SWe* 
tatlarbeiter 1898. 

®k oierte ©eneralüerfammlung bed 
©ewerfüereind ber 3* e Ö Ict in Sippe, 
ßut ©ergarbeiterbewegung im £5ntg* 
reiche Sacßfen. 

Xßäiigfeit bed ©olfdbureaud in 2Jtün* 
eben. 

©alijlfcßet ©etoerffcßaftdfongreß. 

2>ie englifcßen ©ettetfoereine im 3<*tjw 
1897. 

Ärbeitdfämpfe in ©nglanb 1S98. 
Seßmafcßinen unb ©ueßbtuder in 
©nglanb. 

Leimarbeit ber Qiamantarbetter in 
amfterbam. 


©in außetorbentiieber Kongreß ber 
franjbfifcßen ©ifenbaßiiarbeiter. 

tCYbetterf«**.451 

©ermebrung ber ©emerbeauffteßtd* 
beamten in ©reußen. 

©ewerbeauffießt unb weibliche SWitteld* 
perfonen in ©eilin. 

9(nweiiung ffirbieÖemerb«.3nipcftoi«i» 
in ©apern. 

Schuß für ©auarbeiter in Äugdburg. 
©efeßlicbe ©infübrung bed elfftünbigen 
9Äajimal*9lrbeit4tagcä in Franfeeicß. 
©efonberer gefeßlicßer Schuß bei 
tfellner in Fmnfreich 
Krbeitfr»frn«mtnf. ©»«rfaffc« 453 
örtdfranlenfaffen, Äaffenoor* 
ftönbe unbScßiebdgericßte. ©on 
©ß. L«*8*®UU8 ( Fa^t^ant in 
Franffurt a. 3J?. 

Unfalloerbütung in Qefterreicß. 
©opfottixung oon 9(potbe!en bureb 
Arbeiterfranfenfaffen in fßien. 


9tr*ettdna*t»cid.455 

Der Ärbeitdnacßweid ber 
©rauereien in ©erlin unb 
feine ©efeßießte. 

«ntehsn« «n» 8iiS in<-.456 


lieber ©olfdßaudßaltunnd« 
faulen, ©on F*<m ©ebeimratl) 
Sötte Sßinbfcßetb, Scipgig. 

®ad F™ ue nf1ubium int Sieicßfltage. 

«OtUi* hSflieitr .459 

Stäbtifdjed Seben unb ©olfdgef unb beit. 
®ad erftc ©enefungdbeim in Saben. 

©ewerbeaevifhte. Öinl nadämter. 

«Ate. «qertdttc.460 

3t»bredbericht bed ©ereind bet Vlrbeit» 
gebet * ©eifißer bed ©ewerbegerießtd 
©etlin 1898. 

&aufmönnifcßed ©ebiebdgeriebt in 
Ddnabrücf. 

©ie ©infübrung obligatorifcßer ©inl« 
gungdämter in F r <mfreicß. 


SltterartfAc Onset«e».461 

$mcffeßler*©erlcbtlgttng.462 


«bbruef fämmtUcßer Ortifel ift gettuitgen unb gdtfeßrifien geftaitet, feboch nur 
mit öottet Quellenangabe. 


künftige 3Cnjeid)en? 

Schon bei ber erften Ccfung beS 9teicböf)aii0baÜöetat3 ift 
bic 0o,^ialpolitif im SSorbergrunb geftanben. s Bir Baben bamalö 
ben ©iitbnuf ber Debatte tur^ babin aufaminengefcifti, ba& im 
9?eicb^tag eine große 3Jtebrf)eit für bie entfdjloffene Fortführung 


ber ©ojialteform, nicht aber für eine BiepreffionSpolitif oorbanbeit 
fei. tiefer ©inbruef ift burd) bie Skrbanbtungen ber lebten Xage 
beftätigt unb oertieft roorben. ©eroobnbcitgmäbig ift ja ber ©tat 
be3 SReicb^amt be8 3anern ber Drt, too eine grunbfä&licBe 2lu8* 
einanberfefeung jmiftBen ben Parteien unb ber Regierung gehalten 
roirb. Slber über aüe ©rioartungen Biaauö ging in biefem 3aB^ 
bie ©ntfcBiebenBeit, mit ber alle reformfreunblicBen Parteien gum 
23ormarf(B brängten, unb hinter allen ©rioartungen jurücf blieb nach 
Umfang unb $raft ber Biberftanb ber SRepreffion^fanatifcr. 3m 
9teirf)$tag roenioiten« ünb bic» STnhänper ber ©o^ialreform mit 
fliegenben Sahnen unb flingenbem <8piet oorgerüeft, bie ©egner 
aber ftehen in ber $>efen[toe. @elbft ein ©latt, wie bie „Smnffurter 
3eitung", bie bie „Soziale $rayi^" noch jüngft beS grunblofen 0ptt- 
miömuö gieh, weil mir in ben Debatten ber erften ©ubgetlefung 
ÜÄorgenluft gu fpürett meinten, fchreibt jefet: ^©jd fcheint nun 
roirfhd) fo, bafe ein neuer, langentbehrter 3 U 9 in bie 
Sache fommt!" 

©in Bochcnblatt oermag nicht, ein in allen ©ingelbeiten er* 
febopfenbeg ©ilb lang auögefponnener fReich^tagdoerhanblungen 
gu geben; gubeni ift auch in bem Slugenblicfe, too bie ,,@ogiaIe 
©rag-iö" in bie ©reffe geht, bieS)ebatte noch gar nicht abgefchloffen. 
Bir müffen un8 baper barauf befchränfen, bie begeichnenbften 
Momente gu betonen. 21 üe bie gasreichen Sorberungen, bie feit 
bem 18. 3anuar, too über bie ©etoerbegerichte gefprochen mürbe, 
erörtert roorben finb, foHen ja ohnehin noch einmal eingeltt gur 
©erhanblung unb ©efchlufefaffuttg fomnten. |)ier unb heute gilt e8 
baher nur, ben allgemeinen 3nfammenhang, bie Dichtung be^ par* 
lamentarifchen Billen« fomie bie Haltung ber Regierung gu unter- 
fucheit. Unb ba fcl)en mir im 4)iittelpunft ber gangen Debatten 
bie Maiferlichen Äunbaebungen oout 4. gebrnar 1890! 
©« gab eine 3eit — unb fie liegt nicht roeit gurücf —, ba mürbe 
in leicht oerftänblidjer Hbficht bie ©otfdjaft taifer Bilhelm« l. oout 
17. 9?oücmber 1881 oorgefchoben, um bie gleichmerthigen unb er* 
gängenben Slrbeitererlaffe be« regierenbeit Staifer« gu oerbunfeln. 
0o fehr mir in ber ©erfid)erung«gefehgebung eine Shihmefcthat ber 
beutfehen Sogialpolitif erblicfen, fo thut un« heute hoch oor allen 
Gingen bie Slnerfennung ber 6ogialreform auf bem ©oben ber 
ftabinetdorbre« 00 m 4. gebruar 1890 noth- Unb ba« ift im 
9teich«tag jefet mieber gefthehen. 2We bürgerlichen Parteien unb 
ebenfo btc ©ertretung ber oerbünbeten Regierungen haben fleh auf« 
Reue gu biefem Programm befannt. 3a, fogar burch bie Reben 
ber Sogialbetnofraten Hingt e« leife unb hoch oernehmlich, bafe fte 
gur Rtitarbeit oießeicht bereit finb. 

2lber freilich liegen gmifchen ben Slnfcfjauungen im ©ingelnen 
mahre 2lbgrünbe oon ©erfchiebenheiten! Freiherr oon 6tumm ift 
2(nl)änger ber ©rlaffe, roeil er fie für audgeführt unb crlebigt 
hält; jeber Schritt meiter ift ihm ein ©reuel, ber unmittelbar in« 
©erberben führt. Seine platonifdje £iebe für bie ©rlaffe finbet 
ihr Seitenftücf in ber Sogialbemofratie, bie gegen aüe arbeiter* 
freunblichett ©efefee gefthmnt hat, meil fie ihr nid^t ba« ©Minimum 
be« Rothmcnbigen gu bieten fdiciueu, bie aber gleichmolü aT« 
cifrigfte .f>iiteriu ber erlaffencit Sdjuhbcftimmungen auftrilt. Reit 
großem Rachbrncf ccrlangcn 2(u«bau unb gorlführung bcr Sojial* 
refornt ba« ©entrinn, bie Rationalliberalen unb bie liberale Sinfe 















435 


©ogiale Braute. (Eentralblatt für ©ogialpolitif. 9h*. 17. 


436 


$ie Debatte würbe eröffnet burt eine oortrefflite Bebe beg Ab* 
georbneten Boeftcfe, ber mit großer ©ärme unb weitem, burd) bie 
Brayig geftärftem SBIicf auf bie Ungleitbeü ber Beurteilung 
non Arbeitgebern unb Arbeitern f)imoie§; er ftlofe mit ben frönen 
©orten, „oafe eg fidj nitt banbeln barf lebiglit um bie gorber* 
ungen ber Sntereffen unb Vorteile ber oberen 3tntaufenb, fonbern 
aller Beoölferunggflaffen unb inSbefonbere um ben ©tufe ber 
©troaten! 3 U biefen © troaten unb ©troätften rechne id) aut 
beute not bie arbeitenben klaffen, unb befebalb ift eg bie Bflit* 
ber Regierung unb beg Beit^tagg, auf biefem ©ebiete gu einer 
Befferung ber Berbältniffe beigutragen, foroeit bieg nur immer 

möglich ift!" 

©rofeen (Einbrucf matte eg, bafe ber nationalliberale Ab* 
georbnete greiberr $egl oon Herngbeim, ebenfo roie $err Boefidfe 
ein ^eroorragenber Unternehmer, mit ooller (Entfdjiebenbeit bag 
fogialpolitifte Programm, bag Abgeorbneter Baffermann in ber 
erften (Etatglefuna oertreten batte, für feine Partei in Anfprut 
nahm unb ftarf bie Angriffe beg ©eneralfefretärg beg (Zentral* 
oerbanbeg beutfter SnbuftrieDer, bie bag ftärffte Büfefallen ber 
graftion erregt batten, abtoieg. (Eg ift biefer ^altung gegenüber 
oon geringerem Gelang, bafe ein anberer nationalliberaler Ab* 
georbneter einfeitig für ben ©tufe ber Unternebmerintereffen 
pläbirte. gär bag Zentrum fprat Abgeorbneter |)ifee mit ber 
alten ©arme unb Uebergeugunggtreue, bie biefen erprobten Kämpfer 
für bie Fortführung einer arbeiterfreunbliten Bolitif auggeüfenet; 
er forberte namentlit bie gefefelite Oraanifation ber Arbeiter. 
(Energifter alg roobl fonft traten aut bie ©ortfübrer ber frei* 
finnigen Bereinigung unb ber Bolfgpartei für Beformmaferegeln ein. 

All biefe Parteien betonen, bafe bie Kaifererlaffe oom 
4. gebruar 1890 not feinegroegg gur Augfübrung unb BoHenbung 
aefommen feien. (Eg ift oiel über bie richtige Auglegung biefer 
Kabinetgorbreg geftritten roorben; Abgeorbneter Boeficfe bat fofort 
einige gang oerfebrte Behauptungen beg greiberrn oon Stumm 
über ben früheren $>anbe[$mtniftcr greiberrn von Bcrlepft gu* 
treffenb toiberlegt. Unfereg (Eracfeteng mufe man an fogialpolitifcfeer 
^Iinbbctt leiben, wenn man leugnet, ba& groar Bieleg ing ©erf gefegt 
iborben ift, mag jeneg Programm oerbeifet, bafe aber nod) febr grofee 
Aufgaben ber Erfüllung harren. $>ag erfennen aut bie oerbün* 
beten Begierungen offen an. $)er ©taatgfefretär beg gnnerit bat 
aufg Beue febr natbrüeflit betont, in einem Kulturftaate fönne bie 
©ogialreform gar nitt ftifle fteben: „©ir roerben in ber Arbeit 
gum Beften ber arbeitenben klaffen nicht ruhen!" rief er aug. (Er 
bat auf bie bem ^aufe angefünbigten Borlagen, auf bie bereite 
im ©ange befinbliten Borarbeiten unb auf weitere BJafenafemen, 
namentlit gegen geioerblite Augbeutung ber ©tulfinber unb 
gegen Büfeftänbe in ber Hauginbuftrie, bingeroiefen. Aber er bat 
aut DOr Ueberftürgung, oor neroöfem ^ilettantigmug geroamt, ber 
am grünen Xift Probleme augflügle, roäferenb bie Begierung fit 
an bie grafte beg ßebeng halten müffe. ©ifeen — fo fragen mir 
bagegen — bie ©rofeinbuftriellen Boeficfe unb Freiherr o. .^cpl, bie 
Saufenbe oon Arbeitern beftäftigen, am grünen $ift? ©inb fie 
nitt gerabe bie Braftifer? Bteift futt man bot ben grünen 
£ift gang roo anberg, g. B. in ben Bureaug, roo bem gleife ber 
Beamten bie ©tubierlampe leuttet. Ober ift man nur bann ^raftifer, 
roenn man bem ©tiflftanb ober bem ©tneefentempo bag ©ort 
rebet, unb Dilettant, roenn man Anträge auf (Errittung eineg 
Beitgarbeitgamteg foroie oon ©emeinbe* unb paritätifefeen Arbeitg* 
natroeifen, auf gortf übrung beg Arbeiterft ufeeg unb Kontrolle ber 
Sauginbuftrie fteüt? 3)inge, bie in anberen ßänbern befteben unb 
befriebigenb funftioniren. 

gnbeffen über Btofe unb ©angart ber ©ogialreform fann man 
aüerbingg oerfefeiebener Bteinung fein. Unbeftreitbar ift aber, bafe 
im Beitrag bie arbeiterfreunbhte ©timmung im ©atfefen ift unb 
bafe in immer weiteren Greifen bie llebergeugung gum SDurcfebrut 
fommt, nat ©tumm’ft en Begepten laffe fit in SDeutfcfelanb nitt 
regieren! Aut am Bunbegratbgtift e ft e *nt biefe (Empfinbitna im 
(Srftarfen gu fein. Bielleitt gefeilt fid) bagu aud) biefe (Einficbt in 
bag ©efen ber Arbeiterbewegung, bafj man fie nidjt unterbriiefen fann, 
fonbern nu^bar maten mufe für bie Aufgaben beg ©taateg. (Eg giebt 
feinen anberen roirffamen ©djufe gegen ben 2:errorigmug fogialbemo* 
fratifter Drgauifationen alg bie Unterftüfeuna ber nittfogial* 
bemofratiften Arbeiter ibrerfeitg burt Drganifation in Berufg* 
oereinen. (Eg giebt fein ftärfereg Kampfmittel gegen reoolutionäre 
Umfturggeliifte alg bie Befeitigung oon Btifeftänben unb bie An* 
erfennung geretter Befdjioerben unb Sorberungen. (Eg giebt fein 
Heilmittel roiber bie ©taatgoerbroffenbeit alg bie ^Durchführung 
ber ooDen gefe^liten ©leitbcredjtiguug aut in ber $rapg. 5\ig 


ift bag A unb D aller ©ogialreform, roäbrenb bie eingelnen ©afc* 
nahmen nat ib^ r 3mecfmä6igfeit gu beurteilen finb. 

2>ie „©ogiale Brayig" wirb fit »on biefem ©tanbpunft burt 
Angriffe, oon weiter ©eite fie aut fomrnen mögen, nitt ab* 
brängen laffen. (Ein offigiöfeg Blatt bat ung biefer £age in 
einem Artifel beftulbigt, „©affenträger ber ©ogialbemofratie" gu 
fein, ©enn ber roeltfrembe Berfaffer jeneg Auffafceg eine Ahnung 
baoon hätte, roie bie leitenben Kreife ber ©ogialbemofratie über bie 
,,©og. ^rayig" benfen, hätte er fit jener tböritien Behauptung roobl 
geftämt. Auf eine ©Verlegung brauten roir nitt eingugeben, 
ba ber Artifel nur ftroülftige Bebengarten, aber feine Beroeife 
bringt. Bur (Eineg wollen roir bemerfen: Bitt biejenigen tragen 
ben Ungufriebenen ©affen gu, bie auf BJifeftänbe bmmeifen, um 
gur Befeitigung mitgubelfen, fonbern bag ©intern ber Unterbrücfuna 
unb Bertuftung nährt bie Bti&ftimmung unb bie Berbitterung! 
©er nitt oom grünen £ift ober burt bk Brille beg Borurtbeilg 
bie biftorifte ^ntroitfeluna betrattet, fann b^e flar nitt mehr 
im 3meifel fein, bafe bie biofeen Angeiten, eine neue 3^t kräftiger 
©ogialreform fönne anbreten, jefet fton ihre ©irfung üben. 
Biemalg roar bie Haltung ber fogialbemofratiften graftion in 
Parlament unb ^reffe, trofe alleg i?ärmeng, matter alg im Augen* 
blkfe, roo eigentlich nur not S^b- o. ©tumm unb bag Häuflein 
ber ©einen mit ben ftumpfen ©affen ber ©eroalipolitif ben 
gortftritt ber ©ogialreform leibenfdjaftiit unb oerftoeft befämpfen. 
Bot mirb mant b e i6cr ©treit auggefoebten roerben müffen, aber 
roenn alle greunbe ber Beförm tapfer augbalten, fo wirb ung 
ftliefelit ber ©ieg bot gufatten! (S. g. 


ülaterial jur rfroge ber fjerattjiefyung oon Är- 
britern }itr fid)rrl)eit$pi>li|eUid)en Oeouffidjtigung 
ber Grubenarbeit. 


Batbem ber H erc ©inifter für Hanbel unb ©eroerbe in ber 
©ifeung beg preufeiften Abgeorbnetenbaufeg oom 24. gebruar 
o. 3^. anerfannt bat, „bafe fid) für bie im 3ntereffe ber ©iterbeit 
beg fiebeng unb ber ©efunbbeit ber Bergarbeiter gu oerlangenbe 
häufigere Beoifion ber Bergroerfgbetriebe bie ©taffung eineg Unter¬ 
baueg oon Auffittgorganen empfiehlt, burt ba jefeige Apparat 
ber Bergpoligei erweitert unb ihre Augfübrung erleittert wirb", 1 ) 
natbem er ber b^r geäufeerten Abfitt weitere golgen gegeben 
bat in einem an bie Oberbergämter geröteten (Erlafe oom 5. BJärg 
o. 3g., 2 ) in bem eine Aeufeerung über bie Auggeftaltung einer 
(Einritlung erforbert roirb, roelte Biirgftaft für erhöhte ©iter* 
beit ber Bergarbeiter leiftet, fei eg burt Anftellung einer gröfeeren 
3abl oon Unterbeamten alg Affiftenten ber Beoierbeamten, fei eg 
burt Uebertragung bebörblid^er gunftionen unter Auffett ber 
Beoierbeamten an auggeroäblte Arbeiter, natbem er enblit eine 
Kommiffton fatoerftänbiger Bergbeamten in biejenigen fremben 
©taaten geftieft bat, bie burt ihre ©efefegebung bie guiefet an¬ 
geführte EBaferegel ober äbnlite eingefübrt haben, um an Ort unb 
©teile beren ©irfungen gu ftubiren, geben nunmehr bem ßanbtage 
Borftläge ber Begierung gu, bie eine Berftärfung ber poliget* 
liten Auffid;t in ben Bergroerfen gum 3me(f haben. 

I. 

Unter biefen Umftänben bürfte eg nitt überflüfftg fein, einigeg 
Biaterial gur Beurteilung ber ftmierigen grage beigubringen, 
namentlit aug granfreid) unb Belgien. 2)ie engliften (Einrit* 
tungen bürften für ung weniger in grage fommen. SDag englifte 
©efefe (coal mioes regulation Act 1887) oerleibt ben Arbeitern 
einer ©rube bag Bett, groei ober mehrere Berfonen aug ihrer 
Bütte gu beauftragen, bie ©rube auf ihre eigenen Koften gu in* 
fpigiren, bie roenigfteng einmal im Btonat alle Stbeile ber ©rube 
befuten bürfen. 3)en Beritt über bie oorgenommene BeritlißwoQ 
tragen fie in ein But ein, roelteg auf ber ©rube gu halten ift. 
Konftatirt bie ©trift bag Borljanbenfein einer ©efabr, fo bat bie 
©rubenoerroaltuna eine genaue Abftrift baoon bem fönigüten 
Snfpeftor beg 2)iftriftg eingufenben. (Eg fteint, bafe bie ©ruben* 
arbeiter nur febr tbeilroeife oon biefer Befugnife ©ebraut gematt 
haben. 


l ) 3tcn. Bericht «• ^63, 934. 

3 ) Abgebrudt in ber ^eitfdjrift „Hanbel unb Werocrbe" Br. 32 oon 
1898 3. 456 ff. 



437 


Sogiale $ra£t$. ©entralblatt für Sogialpolttit Br. 17. 


438 


3n ÖranFreid) wirb bie ftaatlidje Beaufpdjtigung bcr ©ruben 
oon 15 ingenieurs öd chef, 34 ingenieurs ordinaires unb 117 con¬ 
troleurs auSgeübt. 8 ) ©rftere haben bie Ausführung ber ©efepe 
unb BerwaltungSoorphriften gu überwachen, ihre ©pätigFeit djaraF* 
terifirt pd) aber, was ben Arbeiterphup anlangt, mehr als eine 
Dberauffidjt über ber ©pätigfeit ber Ingenieure, bie fte burcp 3n* 
fpeFtionSreifen auSüben. ©ie eigentliche unb laufenbe Beaufpcp* 
tigung ber ©rubenarbeit liegt bei ben ingenieurs ordinaires, 
poperen Bergbeamten unb ihren ©ebülfen, ben controleurs, bie 
aus Beamten unb Dberfteigern non ©ruben, BSerFmeiftern non 
gabrifen unb Schülern non Bergfchulen auSgefucht inerben. Sefetere 
müffen eine Prüfung beftanben haben uub bürfen nicht weniger 
als 21 unb nicht mehr als 30 3apre alt fein. 3 4 ) ©iefe gufamtnen 
151 Aufpd)tSbeamten haben runb 140 200 Bergleute über unb 
unter Stage in 294 SFoplenbergwerFen, unb 12 000 Bergleute in 
anberen BergwerFen gu überwachen, 5 ) wobei gu bemerFen ift, bap 
ihnen auper ihrer bergpoligeilicpcn ©pätigFeit auch bie Beoifion 
ber ®ampffeffcl, mit Ausnahme ber Sd)tßSbampfFeffel unb ber 
©ifenbapn-ßoFomotioFeffel, obliegt, ©ine erhebliche 3apt in " 
enieurs ordinaires unb controleurs ift auperbem mit Aufgaben 
er Beaufficptigung ber ©ifenbapnbetriebe betraut. 

3ur BerftärFuna ber AufficptSorgane unb gur ©rpöhung ber 
(Sicherheit ber Bergbaubetriebe ift nun in granFreidp bas ©efep 
nom 8. 3uli 1890 sur les delegues ä la securite des ouvriers 
mineurs erlaffen. ©er wefenthehe 3npalt biefeS ©efepeS ift 
folgenber: 

©ie ®elegirten haben bie Aufgabe, bie unterirbifchen Arbeiten 
in ben ©ruben gu infpigiren, gu bem auSphliepHcpen 3 roc rf/ bie 
(Sicherheit ber Arbeiter gu prüfen unb bie Urfadpen gu unterfuchen, 
welche einen UnglüdfSfaß herBeigeführt haben. 

©er unterirbifche 3nfpeFtionSbegirF jebeS ©elegirten unb feines 
(Stellvertreters wirb burd) Befcplup beS Bräfeften feftgefteßt nach 
Anhörung beS Unternehmers, ©ine Anweifung beS SRinifterS 
giebt bie allgemeinen Regeln hierfür, wie für bie ben ©elegirten 
gu gewährenbe ©ntppäbigung. 

©in SnfpeFtionSbegirF umfapt fo viel oon bemfelben Unter* 
nehrner betriebene Schächte, Stredfen unb Arbeitspläne, als in 
fechS ©aaen infpigirt werben Fönnen. ©röpere Söerfe gerfaüen in 
mehrere SnfpeFtionSbegirFe. ©er BräfeFt Fann, wenn Aenberunaen 
in bem Betriebe eingetreten ftnb, bie Begirfe nach Anhörung beS 
Unternehmers anberS abgrengen. (Art. 1.) 

Seber ©elegirte hat monatlich gweimal jeben Schacht, Strecfe 
unb ArbeitSftätte fowie bie ©inrieptungen, welche gum Transport 
ber Bergleute bienen, gu infpigiren. Sobalb ein ©reignip oor* 
geFotnmen ift, welches ben ©ob ober fchwere Berlepungen oon Ar* 
beitern herbeigeführt hat ober bie Sicherheit ber Arbeiter gefährben 
Fann, hat er ben betreffenben Drt fofort gu befid)tigen. ©er Unter* 
nehmet hat ihm oon jebem folgen UnglüdSfaß fofort Bachricht 
gu geben. 

Bei feinen Betätigungen hat er barauf gu achten, ob alle 
gur Nahrung ber Drbnung unb Sicherheit ber Arbeit getroffenen 
Beftimmungen eingehalten werben. (Art. 2.) 

©ie Bewertungen, bie er gu machen hat, trägt er in ein oont 
Unternehmer gu paltenbeS Begifter am ©age beS Befudjä ober am 
folgenben ein. ©aS Begifter liegt gur ©inficht burd) bie Arbeiter 
offen, ©er ©elegirte oermerFt ui bem Begifter Anfangs* unb 
©nbpunFt feiner Befi cp tigung fowie ben Bkg, ben er genommen 
hat. ©er Unternehmer ift befugt, feine Bewertungen gu benen beS 
©elegirten in bem Begifter gu machen. Beibe fino alsbalb an ben 
BräfeFten gu fdpiefen, ber fie bem Bergreoierbeamten mittheilt, 
©eigentlich ihrer ©rubenbefaprungen, bei benen fie fich oon bem 
©elegirten begleiten laffen Fönnen, follen Ingenieure unb $on* 
troleure baS Begifter einfehen. (Art. 3.) 

©ie ©elegirten unb ihre Steßoertreter werben nach bem ßifien* 
SFrutinium gewählt. (Art. 4.) 

Wählbar finb bie Arbeiter unter ©age, welche 

1. Qrangofen pnb unb beren politifcpe Bedjte haben; 

2. auf ber lepten ßopnlifte beS SnfpeFtionSbegirFs oergeiepnet 
pnb, welche oor bem bie 3nfammenrufung ber fcäpler 
beftimmenben Befcplup aufgefteilt würbe. (Art. 5.) 

Wählbar ftnb in jebem SnfpeFtionSbegirF, bie ßefenS unb 
Schreibens Funbigen, nicht wegen BergepenS gegen bie bergpoligei* 
liehen ©efepe beftraften, 


3 ) Annuaire du Ministere des travaux publics 1898. 

4 j 9R. Blorf, Dictionnaire de 1’administration franyaise 1898. S. 1 '»72. 

5 ) ©ie BergwerFS- unb .^ütteninbuitrie ftranfreid)3 unb Algiers im 
Jahre 1896. 3eitf^rift für Berg*, Jütten* unb Salinenwefeit. 


1. oorbegeichneten SBähler, bie 25 Qahr alt ftnb unb wenig* 
ftenS feit fünf fahren im SufpeFtionSbegirF ober in einem 
benachbarten, oon bemfelben Unternehmer abhängenben 
SnfpeFtionSbegirF arbeiten; 

2. alten Arbeiter, bie in ben ©emeinben wohnen, unter 
beren ©rengen ftd) ber 3nfpeFtionSbegirF auSbebnt, bie 

u 1. erwähnten Bebingungen erfüllt haben unb feit nicht 
änger als gehn fahren aufgehört haben, im 3tofpeFtionS* 
begirF ober im benachbarten als Arbeiter unter ©age ober 
als ©elegirter ober als Steßoertreter thätig gu fein. Sie 
Fönnen nur in einem SnfpeFtionSbegirF gewählt werben. 
(Art. 6.) 

©ie ©ählerlifte wirb oom Unternehmer aufgefteßt unb in 
brei ©jemplaren bem Borfteher jeber ©emeittbe gugefanbt, unter 
beren ©rengen fich ber SnfpeFtionSbegirF erftreeft; ber ©emeinbe* 
oorfteljer fchlägt fie öffentlich an. ©ie ©infpru<h$frift währt fünf 
©age. Ueber erhobene ©infprüche entfeheibet ber SriebenSrichter 
enbgültig. (Art. 7.) 

©ie Wähler werben burdh Befchlup beS $räfeFten 14 ©age 
oorher gur SSahl eingelaben, bie ftetS Sonntags ftattfinbet. (Art. 8.) 

©aS Bkhlbureau befiehl aus bem ©emeinbeoorfte|er als 
Borph^nben, bem älteften unb bem jüngften ber bei Beginn ber 
ÜSaht anwefenben SBähler als Beipfcern. 

Seber Wähler fefet xwei Barnen auf ben 28ahlg*ttel, je einen 
für ben ©elegirten unb oen Steßoertreter. 3 ur SBahl ifi abfolute 
Majorität ber ©ählenben erforberlich unb minbeftenS ein Biertel 
ber Stimmen ber eingetragenen Wähler. 

Beim gmeiten Bkthlganae genügt relatioe SRajorität. (Art. 9.) 

Art. 10 beftimmt Strafen für bie Beeinfluffung ber Söahlen. 

©ie ©ahlen erfolgen auf brei 3ah^- (Art. 13.) 

3n ben oom ©efefc beftimmten gaßen, inSbefonbere wegen 
grober BacpläffigFeit ober ÜRipbraud) feines Amtes Fann ber ©eie* 
airte auf liöchftenS brei Btonate oom ^räfeFten fuSpenbirt werben, 
©er begiigliche Befcplup ift innerhalb 14 ©agen bem SRinifter ber 
öffentlichen Arbeiten oorgulegen, welcher bie ©uSpenpon aufheben 
ober einfchränFen unb, wenn bie Umfiänbe banach liegen, bie Ab* 
fepung beS ©elegirten auSfprechen Fann. ©ie abgefehten ©elegirten 
Fönnen nicht oor Ablauf oon brei Saften wiebergewählt werben. 
(Art. 15.) 

©ie oom ©efefe oorgefchriebenen Bepchtigungen werben oom 
Staat als Arbeitstage begahlt. 3tn ©egember jeben 3abi*8. fefet 
ber B^äfeFt für bas folgenbe Saht wub für jeben 3nfpeFtionS* 
begirF bie SRafimalgahl oer BepchtigunaStage unb bie für jeben 
©ag gu gewährenbe ©ntfehäbigung feft. ÄeinenfaßS Fann bie 
monatliche ©ntfdjäbigung weniger betragen als ber ßohn oon gehn 
Arbeitstagen. 

©ie oom Staat oorgefchoffenen foften werben oom Unter* 
nehrner erftattet. (Art. 16.) 

3u bem ©efefe pnb AuSführungSoerorbnungen ergangen: 3 ur 
Bilbung ber 3nfpeFtionSbegirFe uno 2feftfehung ber ©runblagen 
für bie an bie ©elegirten ber Arbeiter gu gablenben ©ntfd)äbigungen 
oom 9. 3uli 1890, Circulaire Br. 17; gur Söahlhanblung oom 
19. 3«H 1890, Circulaire Br. 18; gur Amtsführung ber ©elegirten 
oom 19. Auguft 1890, Circulaire Br. 23; gur Begelung beS Ber* 
hältniffeS gwifchen ben Bergreoierbeamten unb £ontroleuren einer* 
feits, ben ©elegirten ber Arbeiter anbererfeitS oom 17. gdbruar 
1891, fämmtlich abgebrudt im Amtsblatt beS 9RinifteriumS ber 
ößentlichen Arbeiten. 

©ie beiben Iefcteren bürften \)itt aßein oon Sntereffe fein. 
Bach bem Circulaire oom 19. Auguft 1890 hat pch ber ©elegirte 
lebiglid) mit ben technifchen, bie Sicherheit ber Arbeiter betreffenben 
fragen gu befd)äftigen. ©S ift ihm nicht geftattet, bireFte Bor* 
fteßungeu an bie Arbeiter ober bie Beamten ber ©rube gu richten, 
©r hat nicht baS Bedjt, einen Arbeiter oon feiner ArbeitSfteße ab* 
gurufen, um ihn bei feinen 3nfpeFtionen gu begleiten, er Fann aber 
jeber 3 c 'i ®an bem Unternehmer ober feinem Bertreter bie Beglei* 
tung eines Beamten oerlangen. Bei feinen SnfpeFtionen hat er 
fich an aße Borphriften gu halten, bie gur Aufrechterhaltung ber 
Drbnung unb ber Sicherheit erlaffen pnb. ©r mup biefe Bor* 
fchriften Fennen. 

©er ©hefingenieur beS BegirFs prüft, ob bie in baS Begifter 
eingetragenen BemerFungen beS ©elegirten unb bie ©egenbemer* 
Fungen beS Unternehmers Anlap gu weiteren ßRapregeln geben. 

3n bem Circulaire oom 17. J^bruar 1891 wirb bcfonberS 
heroorgepoben, bap bie ©elegirten ber Arbeiter nid>t öffentliche 
Beamte pnb, bap pe nicht ben ftaatlid)en Bergbeamten unterfteßt 
unb gehalten pnb, oon biefen JnftruFtionen für bie Ausübung 
ihres ©ienfteS eioguholeu. 3h re Aufgabe ift lebiglicp eine be* 



489 


Sogtale ^rajris. Eentralblatl für Sogialpolittf. $r. 17. 


440 


obacßtenbe, bie Befultate ißrer Beobachtung haben fie in baS Be* 

B *"tr eingutragen, fic finb nur „visiteurs-mpporteurs“, unb eS 
t im Ermejfen bcr StaatSoermaltung, aus bicfcn Eintragungen 
gu machen, was ftc für angegeigt hält, ohne baß bic ftaatlicßen 
Beamten genötßigt finb, ßieroon bem ©elegirten Bftttßeilung gu 
machen. Anbererfeits follen bic Bergbeamten gwar bei ihren Sn* 
fpeftionen (Gelegenheit nehmen, fidj bei bem ©elegirten über alle, 
bie Sicherheit ber Arbeit berührenben ©hatfaeßen gu unterrichten, 
ihm auch nützliche Slufflarunaen geben, ftc haben aber nach feiner 
Dichtung baS Specht, bem ©elegirten Anorbnungen für bie Aus* 
Übung feines ©ienfteS gu geben. Sie haben fi<h auf baS ©e* 
roiffenhaftefte jeber Slrt beS BerfefjrS mit ben ©eleairten, welche 
biefe glauben machen fönnte, fie feien Untergebene ber Beamten, 
gu enthalten. ©irefter fcßriftlicßer Berfeßr finbet groifchen ihnen 
nicht ftatt, biefer geht nur burch bie §>anb beS ^räfeften. 

* * 

* 

Sn Belgien ift bie Drganifation beS ftaatlichen AufficßtS* 
bienfteS über bie ©ruben burch einen fönigl. Erlaß oom 21. Sep* 
tember 1894 neu georbnet roorben. ©aS ^ßerfonal biefer Beßörben 
befteht banach auS 1 directeur general, 2 inspecteurs genßraux. 
8 inuenieurs en chef directeurs, 10 ingenieurs principaux unb 
29 ingenieurs, ihm liegt ob, barüber gu machen, baß bie ©efeße 
unb BermaltungSoorfcßriften in ben Bergwerfeit auSgefüßrt werben, 
außerbem ber wefentlichfte ©ßeil ber ©ampffeffelreoifionen. ©ie 
regelmäßige Beaufficßtigung ber ©ruben wirb nur oon ben 29 ©i* 
ftriftSingenieuren geführt, bie im Sabre 1897 bnrcbfchnittlich je 
65 ©rubenbefaßrungen nornahmen. 3m Sabre 1896 würben im 
©angen im belgifchen Steinfohlenbergbau runb 120 000 Arbeiter 
befchäftigt in 262 Sörberanlagen. ©er fonftige Bergbau, Erg* 
bergbau, ift unerheblich- 6 ) 

©aS ©efeß, welches in Belgien ©elegirte ber Arbeiter gur 
Beaufficßtigung ber ©ruben einfü^rte (loi instituant des delegues 
ä l’inspection des mines), batirt oom 11. April 1897. ES enthält 
im Söefentlicßen folgenbe Beftimmungen: 

Sille brei Sabre fragen bie Seftionen ber Snbuftrie* unb 
SlrbeitSfammern, welche bie Snbuftrie ber Kohlengruben oertreten, 
bem SJlinifter Kanbibaten für baS Slmt oon ©elegirten ber Arbeiter 
für bie Snfpeftion ber Arbeiten unter ©age in ben Kohlengruben 
oor. (Art. I.) 7 ) 

©ie 3abt, bie AuSbefjnuna unb bie ©rengen ber Begirfe, 
innerhalb beren bie ©elegirten ihr Slmt auSüben, werben alle brei 
Sabre oom Könige feftgefeßt. (Art. 2.) 

3für jebeS Slmt eines ©elegirten finb wenigftenS gmei Kanbi* 
baten oorgufcßlageit. 

Seber Kanbibat wirb in geheimer Slbftimmung gewählt, ©ie 
SSaßl ift nur gültig, wenn wenigftenS bie Hälfte ber SRitglieber 
ber Seftion an ihr tbeilgcnommen hat unb Der Kanbibat bie ab* 
folute Mehrheit ber Stimmen auf ftdj oereinigt. (Slrt. 5.) 

Söählbar ift jeber Belgier, welcher 30 Sabre alt ift, feit 
wenigftenS gehn Sahren als Slrbeiter ober Sluffeher in bem 3n* 
fpeftionSbegirf ober in benachbarten unter ©age eine SIrbeit oer* 
richtet hat, welche eine ßeßrgeit erforbert, lefen, fchreiben unb 
rechnen fann, einen ©rubenplan gu lefen oerfteßt, unbefcßolten unb 
unbeftraft ift. (Slrt. 6.) 8 ) 

©er 9Rinifter ernennt einen ber oorgefcßlagenen Kanbibaten 
gutn ©elegirten. Sinb nicht wenigftenS gwei gültige Borfchläge 
erfolgt, fo fann ber SRinifter ben ©elegirten aus ber 3ahl ber 
Slrbeiter beS BegirfS ernennen, weld)e bie gefehlten Erforberniffe 
gur ©ültigfeit ber Söaßl erfüllen. (Slrt. 7.) 

©ie ©elegirten werben für brei Sah« ernannt. (Slrt. 8.) 

©ie ©elegirten haben bie Slufgabe: 

1. bie ©cfunbheit unb Sicherheit ber SIrbeit unter ©age gu 
prüfen; 


6 ) 3eitfch«ft für Berg*, Jütten* unb Snlineuwcfm. XLV. 

1 ) Snbuftrie* unb SlrbeitSfammern finb nach bem belgifchen ©efeß 
oom 16. Auguft 1887 (loi instituant Ie conseil de l’industrie et du travail) 
an affen Crtcn errichtet, wo ein Bebürfniß bagu befteht. Sie haben 
bie Slufgabe, über bie gemeinfanten Sntereffcn ber Slrbeitgcber unb Sir* 
beiter gu beratbeit, Streitig feiten gwifrfjen ihnen oorgubeugeti unb ein* 
tretenben JyaüS fie ausuiglcicheu. Sie gerfaffen in fooicl Seftionen, als? 
an bem betreffenben Crt ocrfdjicbcne Subuftricn gu oertreten finb. Jebe 
Seftion befteht aus einer gleidjen gabt oon Slrbeitgcbern unb Arbeitern, 
unb gäfjlt wenigftenS fccijS,' hodjftenS ’iuölf Sßiiglicbcr. Ein fönigl. 
Erlaß oom 10. 3Rarg 1898 regelt bie Auc-uibrung beS ©cfrßcv. 

8 ) Bor ihrer Stnftcffung haben bie kanbibaten gimt Slmte eines? 
©elegirten ein Eramett gu beftehen. 


2. bei ber geflftellung ber UnglüdtefäHe unb ihrer Urfachcn 
mitguwirfen; 

3. Berftöße gegen* bie bie SIrbeit unter ©age regelnbeit 
©efeße unb Borfcßriften, beren Ausführung bie ©iftriftS* 
ingenieure gu überwachen haben, angugeigen, 

Bei Ausübung ihres Amtes haben fie fleh an bie ihnen oon 
ben Ießteren gegebenen Borfchriften gu halten. (Art. 10.) 

Seber ©elegirte hat in feinem Begirf monatlich wenigftenS 
18 Snfpeftionen ber Slrbeiten unter ©age oorgunehmen. 

Bei ber Ausfahrt trägt er in ein oon ber ftaatlichen Ber* 
maltung geliefertes, gur Einficht ber ©rubenbireftion unb ber Ar* 
beiter offen liegenbes Begifter ein: 

1. baS ©atum ber Snfpeftion; 

2. bie Stunben, innerhalb beren fie ftattgefunben hat; 

3. ben oerfolgten Bteg; 

4. bie oon ihm bemerken wefentlichen ©hatfachen. 

©er © ruben bireftor hat baS Becßt, in baffelbe Begifter ©egen* 
bemerfungen gu machen. 

©er ©elegirte fenbet ohne Bergug Abfchrift ber Bemerfungen 
unb ©egenbemerfungen an ben Sngenteur. (Art. 11.) 

©ie ©elegirten fönnen einen Begleiter bei ihren Snfpeftionen 
unter ©age forbern. Sie bftrfen einen Begleiter nicht ablehnen, 
fönnen aber oerlangen, baß biefer fich geitmeife oon ihnen entfernt, 
bamit Arbeiter ftch nngeftört mit ihnen unterhalten fönnen. Sie 
haben fich an bie bergpoligeilichen Borfchriften gu halten. (Art. 12.) 

©er 3Rinifter hat baS Becht, ©elegirte, welche ihren ©ienft 
nicht mehr oerrichten fönnen, fowie foId)e, welche fid) einer fdjweren 
©ienftoerleßung fchulbig machen ober nicht mehr unbefcholten unb 
unbeftraft finb, abguberufen. (Art. 13.) 

SBeber bie ©elegirten, noch ih« Eltern unb nahen Berwanbten, 
welche mit ihnen gufantmen wohnen, bürfeit ein ©efchäft betreiben. 
(Art. 15.) 

©ie ©elegirten erhalten auf Koften beS Staates eine jährliche 
Entfchäbigung unb Beifefoften, welche burch fönigl. ©efret feit* 
geftellt werben. (Slrt. 16.) 

3ur SluSführung beS ©efeßeS, inSbefonbere beS Art. 2 beS* 
felben, ift bann burd) fönigl. ©efret oom 18. SRooember 1897 bie 
3aßl ber Snfpeftionsbegirfe auf 38 feftgefteUt. Ein fönigl. ©efret 
oom 12. ©egember 1897 feßt bie ben ©elegirten gu gemäß* 
renbe Entf^äoigung auf jährlich 1800 grS. = 1440 JL fe|t unb 
beftimmt bie §öhe ber Beifefoften*Entfchäbigung. 

Bon befonberer Bebeutung für bie £>anbhabung unb baS Ber* 
ftänbniß beS ©efeßeS ift ein Eirfular beS ffRinifterS für Snbuftrie 
unb Arbeit an bie Ehefingenieure oom 24. gebruar 1898. 3^ 

laffe einige bebeutfame Steilen beffelben in wörtlicher Ueberfeßung 
folgen: 

,,©aS ©efeß oom 11. April 1897 hat wefentlicß eine Ber* 
ftärfung ber Beaufüchtigung bcr Kohlengruben gum ©egenftanbe. 
©egenüber ben ber Arbeit unter ©age eigentümlichen ©efaßren 
unb gegenüber ber einer oerhältnißmäßtg geringen 3 a hl m>n 
Snaenieuren, bie noch öagu häufig burd) anberc BPi^ten iit 
Slnfpruch genommen ftnb, entftehenben Scßwierigfeit für eine 
ßinreießenbe, wieberßoite Snfpeftion ber ©ruben unb ArbeitS* 
punfte, erfeßien es wünfcßenSwertß, eine gewiffe 3aßl oon Ar* 
beitern unter ©age gur ffRitmirfung bei Der Snfpeftion heran* 
gugießen. 3Ran ging babei oon ber BorauSfeßung aus, baß bie 
tn einer langen BrayiS gewonnene Erfahrung ber Arbeiter ben 
ftaatlichen Beamten eine erfolgreiche $ülfe gewähren würbe. 

Bon ben ©elegirten barf meber ein auSbrücflicßer Befehl, 
noeß c in Auftrag an bie Beamten ber ©rubenbireftion ober an 
bie Arbeiter gerichtet werben." 

Sn Begug auf bie ©ßätigfeit ber ©elegirten bei ©ruben* 
Unfällen wirb ben Eßefingenieuren gur Sßflicßt gemacht, bie Unter* 
neßmer aufguforbem, oon jebem ©rubenunfall Dem ©elegirten gur 
gleichen 3«it/ wie bem Sngenieur, Kenntniß gu geben. 

„Sie (bie Eßefiitgenieure) werben biefe Aufforberung mit 
bem Umftanb begriinben, baß fraft beS ©efeßeS, wie baS weiter 
unten auSeinanbergefeßt werben wirb, ber ©elegirte ^ülfSbeamte 
beS SngenieurS ift. 

©er fo auf bas Scßleunigfte benachrichtigte ©elegirte wirb 
feine ilttterfud)itng fofort unb oßne bie Anfunft beS SngenieurS 
abguwarten beginnen fönnen. Er wirb ben örtlichen.^©ßat* 
beftanb aufnehmen, bic erften Erflärungen ber Dpf^r fammein 2 C. 
Slber feine Aufgabe geßt nießt barüber hinaus, ©er ©ireftor 
ber ©rube unb bann ber Sngenieur finb allein guftänbig, ein* 



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442 


^ogialc ^raris. ©entralblat 

tretenben SattS bie AettungSarBeiten 311 leiten unb bie s D?afu*egelu I 
gu ergreifen, bie geeignet finb neuen ©efaßren oorgubeugen." 
gn Begug auf bie Pflicht ber £>elegirten, Berftöße gegen 
Arbeiterfcßußgefeße unb Borfcßriften bei ben gngenicuien gur An« 
^eige gu bringen, wirb auSbrütflicß betont: 

„gu feinem Satte ift eS ben ®elegirfen geftattet, in biefen 
Angelegenheiten bie ©ericßte bireft ln Anfprucß gu nehmen." j 
Unb begüglid) ihrer Stellung im.Allgemeinen wirb gejagt: | 

„Bei Erfüllung ihrer Aufgabe haben fie [ich an bie gn« 1 
ftruftionen gu halten, welche ihnen bie Ingenieure geben roerben. ] 
$)iefe Borfcßrift hat ben %md, bie ©inßeitlidjfett ber ab* j 
miniftratioen £ßätigfeit gu fiebern. ©S mürbe nicht genügen, I 
baß bie Ingenieure jeber 3 e i* bie Biilroirfung ber 3)elegirten ! 
oerlangen fönnen. SDiefe werben an ber Beauffidjtigung ber 
©ruben nur bann in einer wirflicß nüßlicßen unb praftifdjen 
BSetfe mitarbeiten fönnen, wenn fie fid) bei ber ©rfüttuttg ihrer 
Aufgabe an bie oon ber Verwaltung feftgefeßten Regeln unb an 
bie gnftruftionen ber Ingenieure hatten. 

2)aS ©efeß macht bie ^etegirten gu wirflicßen £mlfs« 
beamten ber Verwaltung; fte fotten finge Beobachter unb gc« 
wiffenhafter Berichterftatter fein." 

* * 

* ! 
Aus oorftehenber $>arftettung ergiebt fid), baß in granfreich j 
wie in Belgien bie Arbeiterbetegirten feinerlei Bedjt gu eigener ; 
gnitiattoe, gum ©infeßreiten gegen wahrgenommene Biißftänbe 
haben. Sie finb in beiben ßänbern nur gnfpigieuteu unb Bericht« 
erftatter, fie fotten mit offenen Augen feheit unb gewiffenhaft über 
baS BBaßrgenommene berichten, gm Uebrigen beftehen gwifchen 
beiben ©tnridjtungen mefentücße Unterfeßiebe, oor Aüem in ber j 
Art ihrer Beftettung unb in ihrer Stellung gur Staatsbcßörbe. j 
gn granfreieß wirb ber $>elegirte oon ber Arbeitcrfcßaft beS Be« ! 
girfS gewählt, in Belgien oon bem Dttnifter auf Borfcßlag beS | 
conseil de l’industrie et du travail ernannt, einer unpaiteiifcßen 1 
©teile, bie in gleicher 3ahl tnit Unternehmern unb Arbeitern befeßt ! 
ift. gn granfreich fönnen auch ehemalige Arbeiter gewählt werben 
ohne Sttücfficßt barauf, welches ©ewerbe fie betreiben, ob fie 3. B. 
Scßanfwirtße ober Jlleinßänblcr finb, ber Nachweis einer befonberen 
Befähigung über fiefen unb Schreiben hinaus wirb oon ihnen 
nidjt oerlangt; in Belgien fönnen nur aftioe Bergarbeiter unter 
Sage oorgefcßlagen werben, bie weber felbft, noch burch ihre An« 
gehörigen ein ©efdjäft betreiben bürfen; fie miiffen nicht nur ©le« 
mentar«Schulfenntniffe haben, fonbern auch bit gum Berftänbntß 
eines ©rubenplaneS nöthigen elementaren Mennhülfe befißen, worüber 
fie fich burch ein oor ber BerwaltungSbeßörbe abgulcgenbeS ©ganten 
auSguweifen haben. Sie frangöfifeße (Einrichtung legt ©ewießt 
barauf, baß bie Selegirten oöttig unabhängig oon ben Staats« 
beamten finb; fie finb nicht gehalten, gnflruftionen oon biefen ein« 
guholen, wie bie Staatsbeamten nicht baS Aecßt haben, ißnen foldje 
gu erteilen, ja erftere werben barauf ßingewtefen, fid) auf baS 
©ewiffenhaftefte jeber Art beS BerfehrS mit ben Selegirten gu ent« 
halten, welche btefe glauben machen fönnte, fie feien Untergebene 
ber Beamten. 3m ©egenfaß ßiergu nrirb in Belgien ber Selegirte 
als ^ülfsbeamter beS Staatsbeamten begeidjnet, er hat fich an bie j 
oon biefem gu ertheilenben gnftruftionen gu halten, fie fotten Beibe j 
in engem unb fortgefeßten Berfeßr ftehen. Btan fielet, ber Unter« j 
feßieb ift bebeutenb. ©S gewinnt ben Anfd)ein, als habe man in j 
granfreich bei ©rlaß beS ©efeßeS oom 8. guli 1890 mehr bie ©r« 
füttung eines BBunfcßeS ber Arbeiterschaft im Auge gehabt, als bie 
größere Sicherheit beS Betriebes, mährenb man in Belgien ficht« 
lieh bemüht aewefen ift, nur BJaßregeln gu ergreifen, metd)c einen 
erhöhten Schuh ber Arbeiter oor ben ©efaßren ihres Berufs 
herbeiführen fönnen; bie beim Bergbau fo befonberS wichtige ©in« 
ßeitlicßfeit bebörblicßer Anorbnungen fott gegen birefte unb in« 
birefte ©inflüfje ge[icßert werben. 

* * 

* 

SBirft man nun bie grage auf, wie biefe beiben fo ocrfd)ic« 
benen ©inrießtungen gewirft haben, fo ift es ferner, für Belgien 
überhaupt wohl noch nicht möglich, eine guoerläffige Antwort gu 
geben. 2)aS belgifcße ©c»eß ift oom 11. April 1897 batirt unb 
erft fed)S Bionate nach feiner Veröffentlichung in Straft getreten, 
oon ©rfaßrungen wirb man alfo nid)t oiel reben fönnen, nur fann 
feftgeftettt werben, baß nad) ber Anficht beS oberften belgifdjen 
Bergbeamten baS Verhältnis gwifchen ben Staatsbergbeanitcn unb 
ben $)elegirten ber Arbeiter fid) günftig gcftaltct hat unb baß 
plagen ber Unternehmer über festere nicht laut geworben finb. 


für Sügialpolttif. Ar. IT. 


lieber bie BMrffamfeit ber fraitgöfifcßen ©iurießtung, bie ja 
fd)on eine 9feiße oon gaßren in ©eltung ift, wirb man ein flares 
Bilb nur gewinnen fönnen, wenn man fie an Drt unb Stelle 
ftubirt. 3)aS ift feitenS ber oon bem $errn ^anbelSminifter nach 
granfreich entfanbten Äommiffare gesehen, ihr Bericht, beffen 
gnhalt hoffentlich halb befannt werben wirb, fann alfo Auffcßluß 
geben. BefonberS wirb es barauf anfommen, gu erfahren, wie 
fich kaS Verhältnis ber 2)elegirten gu ben ftaatlichen Beamten, gu 
ber ©rubenoermaltung unb beren Beamten unb gu ben Arbeitern 
geftaltet, ob fie fich als nach allen Seiten unabhängig, weber oom 
patrou, noch oon ^arteirüeffießten beeinflußt unb als facßfunbtg 
unb gewiffenhaft gegeigt haben. 3n leßterer Begießung wirb gu 
beachten fein, welker Art bie Bemerfungen finb, bie fie nach oor« 
genommener Qttfpeftion in bas Aegifter eintragen, in wieoiel 
gätten benfelben feitenS ber Bergbeßörben golge gegeben würbe. 
Auch bie Statiftif ber UnglücfSfätte in ©ruben oor unb nach ©in« 
fiißrung ber ®elegirten wirb einigen Auffcßluß barüber geben, ob 
bie ©inrießtung günftig gewirft ßat, wenn fie forgfältig ftubirt 
unb gefießtet wirb. ßefctereS wirb feßon beSßalb notßwenbig, weil 
ein eingigeS größeres ©rubenunglücf baS ©efammtbilb oöttig oer« 
feßieben fann. 

©ine offizielle Aeußerung ber frangöfifeßen Regierung ober 
maßgebenber Beßörben über bie Söirffamfeit ber delegues mineurs 
habe id) nießt ermitteln fönnen. SDie gaßreSbericßte ber ingenieurs 
en chef des mines, bie oom Btinifterium in ben rapports sur 
l’application pendant l’annee 1896 des lois reglementaut le travail 
oeröffentlicß finb, enthalten feine Bemerfungen über jene, fßrioate 
BZittßeilungen, bie mir mäßrenb eines Aufenthalts in SßariS münb« 
ließ gemaeßt finb, laffen barauf fcßließeti, baß man in ben Streifen 
ber ßößeren Beamten ber ©entralftette über ben BlobuS ber SBaßl 
ber Arbeiterbelegirten fein giinftigeS Urtßeil ßat. 

Seebad). Dr. grß. oon Berlepfcß. 

(Scf>lu6 folgt.) 

* * 

* 

^)er Boranfcßlag beS preußifeßen Staatshaushaltes, ber in« 
gwijdjen befannt geworben ift, bringt im ©tat ber Berg«, .fnitten« 
unb Salinen«Berwaltung bie erfte ©rtoeiterung ber Aufficßts« 
organifation. ©S werben 50 Stetten oon Beoier*Auf|lchtSbeamteii 
in ber Ülaffe ber oberen Bkrfbeamten unb gwar 33 erfter Hlaffe 
mit 2000 bis 3400 c /!(. unb 17 gweiter Älaffe mit 1800 bis 
2800 c u ©eßalt neu gefeßaffen. ®iefe untern Aufficßtsbcamten 
fotten ben Veoierbeamten in ben Steinfoßlenbegirfen gn bem 3*oecfe 
beigegeben werben, um fortgefeßt bie eingelneu tßatfäcßlichen Ber« 
hältniffe, inSbefonbere ben SicßerßeitSguftanb ber ©ruben gu er« 
funben unb feftguftetten, unb bamit gugteieß bie Beoicrbeamten in 
ihrem oerantwortungSreicßen Amte mirfjam gu unterftiißen unb gu 
entlüften. Bon biefen 50 Aeoier«Auffid)tSbeamteu finb 11 für ben 
Breslauer, 34 für ben ^)ortmunber unb 5 für ben Bonner Dber« 
BergamtSbegirf beftimmt. ginangminifter Dr. 0. Dfiquel gab ba« 
gu in feiner ©tatSrebe folgenbe ©rläuterung: 

00teine Herren, es ift erwogen worben, ob gegenüber ben Klagen, 
bag ber Bcrgwerfsbetrieb iteuerbings mehr Ungliidsfälle oernrfaeßte als 
früher — was aber int wcfentlidien an bem gefteigerten unb oermehrten 
Bcrgwerfsbetricbc wohl and) liegen wirb —, cs nidjt gcratßen fei, eine 
fdjärferc Auffid)t über ben ^uftanb ber Bergwerfe gu üben als bisher, 
©s finb ba gwei B*cgc oorgefdilagen: ©iufeßung oon Arbeiter=Ans« 
jdjiiffen, weldje biefe itontrole felbftänbig führen fotten, wie folcße in 
©uglaub, /vranfreid), Belgien eingeridjtct finb, ober bie fdntrfere Auf« 
fießt burd) gang objcftiuc, mibetheiligte Staatsbeamte. ©S hat ber .{icit 
•I paiibelsminifter in biefer Begichung in ©nglaitb, vranfreid] unb Belgien 
genaue ©rmiltelungcn auftcUeu taffen über bie Sirffamfeit ber Arbeiter« 
Ausfdniffe, unb ber SJiinifter hat barauS bie Anfüßt geidiöpft, baß im 
grogen (Maugen fie fid) in biefen Sänbern nidjt bewährt haben. Ami 
wollten wir ftatt beren gu biefem Beßitfe, fo wenig fnmpathifdj bie 
ftäubig iortgehenbe Bermchrung ber Beamten ift, ben Aeoierbeamtcu 
foldjc ^ilfsbcamtc geben, bie nun ftäubig unb eingchenb bie Bergwerfe 
foutroliren unb ihren Borgefeßten berichten, bie ihrerfeits eben niefjt 
bie 3eit haben, in fo furgen 3 c dperiobeu bie Beräuberungeu, bic buch 
in foldjcn Bergbetrieben ftets oorfommen, geiiiigenb gu beobadjteu. Tie 
Herren werben ja über bas ^ringip, weidjes biefer gangen Ara ge gu 
(Mruube Hegt, unb über bie jwecfuiäßigtcit ber Borfdiläge bemnädift 
eingeheub bcratßen fönnen. 

Bian wirb erwarten bürfen, baß biefen furgen Aubeiituugeu 
uod) weitere Ausführungen beS .vSerrn .sJanbelSuiiuifters folgen. 






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Soziale VrnriS. Contra Iblatt fitr Sozialpolitif. Ar. IT. 


Allgemeine öojtal- null RltrtljfdjflftspoUtlU. j 

Arbeiter unb fKegierenbe in JJ-ranfreich. 

Unter ber ileberfcßrift „(Geroerfoereine unb Minifter in (Snglaub" 
brachte bie „Soziale $rajriS" in Ar. 12, mit HinroeiS auf bie 3«* 
ftänbe in S'eutfcßlaub, einen 53eric^t über bie zuoorfommenbe Art, 
mit roelcßer engltfcße SJlinifter einige petitionirenbe Arbeiter* 
belegationen empfangen haben. GS ift nidfjt ferner, in pfranfreieß 
ähnliche Veifpiele $u finben. $)ie bemofratifeße Verfaffung beS j 
ßanbeS, bie Abhängigfeit ber Regierung non ber öffentlichen j 
Meinung läfet aHerbingS einen bireften Vergleich mit ben bciitfd>en I 
Verßältniffen nur bebittgt 31 t. V$aS in Verlin freier Gntfcßiuß 
bi£ljer unerfeßütterter (Geroalten ift, fönnte bei ben Machthabern in 
SßariS nur politifchc Methobe madjiaoeüiftifdjen Stempeln fein, 
obroohl ber bemofratifeße Staatsmann mit bemfelben Accßte roie 
ber monareßiftifeße bie Anerfennung feines guten (Glaubens forbern 
barf. 3n Vezug auf bie Arbeiterpolitif allein rebujirt fid) ber 
Unterfchieb in ben Verfaffungeit ber beiben i'änöer jeboeß auf ein 
kleines. 3 n bem fleiitbürgerlicßen, norroiegenb agrartfdjcn 3 ra uf= 
reich ift bie Arbeiterpartei faum ftürfer an bireftem Ginfluß, 
namentlich bei gemäßigten Kabinetten, als bei uns. GS finb gerabe 
bie Minifterien mit auSgefprochen arttireoolutionärem Programm, 
bie am längfteit leben. Aicßtsbeftoroeniger finben mir in ben 
Greifen beS hohen BeamtenthumS bie größte £iebenSroürbigfeit, 
mo fie in perförtliche Berührung mit Arbeitern fotnmen. Sic 
merben mit Arbeitcrbelegationen nie anberS als im Sone oölliger 
Gbenbürtigfeit oerhanbeltt. Um nur einige Veifpiele aus ber un¬ 
mittelbaren Vergangenheit ju ermähnen: 

Vor bem Ansbruch mißglücken Gifenbabnarbeiterftreifs 
hatte ber auSgefprochen reoohitionär-fozialiftifdje (GeroerffcßaftS- 
oerbanb fich an ben Minifter ber öffentlidjen Arbeiten gemanbt, ber 
ben SDireftor ber StautSeifcnbahncn fofort ben potenten ( ^ur $is- 
pofition ftellte, um über ihre Vefcßroerbcn facßlid) zu fouferiren. 
Söährenb beS AuSftanbeS ber ^arifer Grbarbeiter im Dftober leßten 
Jahres empfingen ber Miniftcrpräfibent unb ber vmubelSminifter 
Aborbnungert Der Streifenben, meldje ein (Eingreifen ber Staats- 
gemalt zu ißren (fünften forberten. 2)ie Arbeiter forberten 31 t oiel, 
mehr als fie bered)tigt marett. &roßbem Ratten bie beiben Minifter 
feine runbe Abfage für fie. Sie bisfntirten mit ben 2>elegirten, 
legten ihnen bie Motioe ihres Verhaltens bar, oerfprad)en ihren 
Veiftanb, fomeit bas (Gefeß ihnen baju Aaiim gäbe, pit feiner 
Vkife mirften fie mit bem bloßen (Getuidjte ihrer Autorität. pier 
mag auch baran erinnert merben, mic feßr bie Stabtoerroaltnng 
oon $ariS, einfcßließlicß beS Seinepräfeften, fich mäßrenb biefes 
AuSftanbeS ber Sache ber Grbarbeiter roibmete, fomeit fie be- 
reeßtigt mar. 

Vknn Arbeiterbelegationen ber StaatSmanufafturen zur Vcr- 
tretung unb Vtoßrung ihrer rein roirthfdjaftlicßcn 3ntereffen, alfo 
ohne jeglichen politifd)eu pintergrunb ntib mit ganz genau 
formulirten Anträgen in ben Aitbienjfälen erfcheinen, ift ihnen 
großes Gntgegcnfomnten ficher. GS laßen fid) Veifpielc anführen, 
in beneit ben geteilten Anträgen in rafeßefter V3eife ßolgc gegeben 
mürbe. V5o es nicht gefd)ieht, ba fällt bie Sd)ulb oielleidjt mehr 
auf ben „(Gel)cimratl)" ViSmarcfS, auf bie Schmerfällig feit beS 
bureaufratifcßeit Apparates, ohne ben ber Minifter uid)ts oermag. 
-Die Urbanität beS hohen VeamtenthnmS äußert fid) auch in Aften 
oon prin 3 ipiellcr Vebcutung. 2>ie zahlreichen fozialiftifd) bureß- 
hauchten Munizipalitäten, beren fid) öranfreid) erfreut, geben ihnen 
reichlich (Gelegenheit bazn. £ic oon ihnen feßr gerne bereinigten 
Streifunterftüßungen aitS (Gemeiiibemittcht erhalten in ber Siegel 
bie (Genehmigung ber Aegienmg. ^od) molleit mir bie giirtftige 
paltung ber Verroaltungsbehörbe in folgen Säfleu uid)t zu hoqj 
anfchlagen; biefe Streifuuterftüßungen merben erft nad) Veenbigung 
beS AuSftanbeS oert()eilt unb gelten fo in geroiffem Sinne als 
AotßftanbSalniofcn. Viel wichtiger erfcheinen bie Vereinigungen 
oon munizipalen (Gelbem für reine (Gemcrffdjaftszroecfc, mie für 
Vefitcß unb Veranftaltung oon Kongreßen :c\, bie fid) unter bem 
mohlmoüenben Auge ber Aegierung mehr unb mehr cinbürgcrn. 
Vor Kurzem erlebten mir fogar, baß ein fo gemäßigt gefinnter 
Minifter beS Innern mic ber gegenmärtige einer (Gemeinbc erlaubt, 
ganz käftig ein prioateS Unternehmen, bie (Glashütte oon Albi, 
Zu unterftüßen, melcße bas reoolutionärßozialifttfiße Proletariat als 
ein eigenstes V5crf proflamirt unb mit beträdjtlidien Cpfern oor 
bem finanziellen ^ufammenbriitf) bemahrt. 

Man bleibt in biefer Aicßtung, in bie man ebeufo Ieidjt bloß 
aus einem feinen (Gefühle oon pöflid)feit cinlcnfeu formte, itidjt 
bei ben äußern formen ober einzelnen panblungett ließen, bie mit 


Verfonen nnb Situationen med)feln. $ie (Gefinnung ber Aegierenbcn 
felbft mirb bemofratifd), nicht nur bie UntgattgSfornt. Man fießt 
int tüchtigen Arbeiter ben Gbenbürtigen, beffen Sd)roielen an ben 
pänbeit ben Vkrtß feiner Sntelligcnz nießt beeinträchtigen. Sn 
biefer oorurtßeilslofen Anerfennung unb Aii(jbarmacßung ber 
Arbeiterintelligenz, bie mir in granfreid) beobachten, liegt ein 
enormer pfortßßntt. $)er obeijte ArbeitSratß, eine aus Öacßfreifen 
ernannte Konfultatiobehörbe, ^Aitfaßt unter feinen MUgliebern eine 
ganze Anzahl Arbeiter unb zur Seit fpielt einer oon ihnen eine 
heroorragetibe Sfofle in ben Verßanblungen ber Körperfcßaft. Sm 
Arbeitsamt fißt ein Vcamter, ber in fientfd)lanb Minifterialrath 
titulirt mürbe, ber felbft §anbarbeiter mar. ^in meiteres Veifpiel 
ber gleichen (Gebanfcnricßtung giebt ber gegenmärtige ^räfibent ber 
Abgeorbnetenfammer, ®cfcßancl, ein gemäßigter liberaler. 

Veiläufig fei bemerft, baß baS Kammerpräfibium neben ber 
Präfibentfcfjaft ber SHepubüf, beS MinifteriumS unb beS Senats 
eine ber ßöcßften unb eßrenoolliten $ofitionen ift, melcße graitfreicß 
heute zu oergeben hat. ^er augenblicflicßc Snßaber biefeS Amtes 
pflegt zaßkeieße Dejeuners zu geben, bei bcneti er alle parlamen- 
tarifeßen unb außcrparlamentarifcßen (Größen, AitSlänbcr nid)t aus* 
gefcßloffen, oereiuigt. Gr beginnt nun, auch bie (Elite ber Arbeiter- 
feßaft zu biefen Gelegenheiten heranzuziehen. So hatte er fürzlicß, 
an einem Sonntag, bie Vcrfönlicßfeiten eingelaben, bie fuß in ben 
(Genoffenfdjaften ausgezeid)nct haben, z u gleicher Seit mit bem 
Minifterpräfibenten, namhaften Sozialpolitifern, Afabemifern k. 
3iSie es feßeint, ift baS Grperiment ermuthigenb ausgefallen. 

^er SSertß berartiger Vermifd)ung oerfchiebeitartiger Glementc 
foll getoiß nid)t ü&crfdjäßt merben. Söcnit barin rceiter nießts 
läge als eine halb platouifdie, z» nid)ts oerpflicßtcnbe Anerfennung 
oon mirflicßen Vcrbienften, fo märe cs genug. Vielleicht ift auch ber 
größere Außen auf Seiten ber geiftig .fmberfteßenben z u fueßen, 
auf Seiten ber Acgiercnbeu, bie bie Regierten fo aus uäd)fter 
Aäße fennen lernen nnb oon bereu Sadjfcnntniß in Ginzelfragen 
profitiren. Aber ganz fießer ergeben fieß oon biefem Sailen aller 
Sdiranfeit auch nad) unten ßin auSglcicßenbc Sirfungcn. GS märe 
fd)on Lohnes ejeuug, meint aus biefen häufigen Verüßrungen eine 
größere Vemcgungsfidierßeit unb Selbftoertrauen, oielleidjt aueß 
Vertrauen z 11 ben füßrenben Sdiicßtcn naeß ben unteren ßin ab- 
ficferteii. Sduoerer miegcitb erfcßeiut, baß babureß aueß bie 
Arbciterintelligcnz att bie richtigen Stellen geleitet mirb unb zu 
Giufluß foinnit. Aur mo fie alle Vkge oerfdjloffen finbet, ftautfie fuß 
Zur reoolutiouäreit Slutß. Gs ßanbelt fid) babei geroiß nießt um 
bas maßllofe Sulaffen ber großen Maßen, fonbentumbie mirflicßen 
Sntelligenzen, bie fich burtß $ldß unb Talent über baS Aioeau 
erheben, um „Vilbung unb Arbeit", roentt biefes Analogon z u 
„Vilbung unb Vcfiß" erlaubt ift. 

$aris. J. Scßottßoefer. 


Sojiale 3u|lönbc. 

Petition um Regelung ber ^auSavbeit in ber Gigarreninbufiric. 

®ie §anbelsfamnier zu Minben in V^eftfalen ßat an ben Staats- 
fefretär beS Snnerii bie Vitte gerichtet, Grßebungen über bie ae* 
famtnte Gigarreninbuftrie im Aeicße zu oerfügen unb barauf oie 
Hausarbeit in biefer Snbuftrie einheitlich rcicßsgefeßlich zu regeln. 
§n ben Kreifen Minben, Üübbecfe, .perforb finb zur 3 e k etroa 
25 OOO Verfonen in ber Gigarreninbuftrie befdjäftigt; bie Gigarren¬ 
inbuftrie ift an bie Stelle ber ßeinenroeberei getreten. £>ie H au ^ s 
arbeit ßat ficß feßr halb eiugefüßrt, meil fie für bie Unternehmer 
roie für ben Arbeiter oortßeilßaft unb bequem ift. Aueß baS Ver- 
j bot ber Kinbcrarbeit in Sabrifcn (1891) ßat, ba bie Gigarren- 
arbeitet z u allerlei .piilfsleiftungen gern Kinber oerroenben, bazu 
| beigetragen, bie pausinbuftric mit Kinberarbeit zu förbern. ßeiber 
finb bie' hngieuifcßeii Verßältniffe ber Aäume, über bie bie Arbeiter 
oerfügen, nid)t bie roünicßeuSroertbcn, aud) entzieht ficß bie pauS- 
! arbeit ber Kontrole beS Arbeitgebers, oerleitet ben Arbeiter zu Ver- 
j nntreunugen, oeranlaßt miuberjährige ^erfonen, fid) felbftftänbig 
Zu maeßeu, unb bergleicßen mehr. £ic Miubener Vorfdjläge geßen 
nun im Vkfentlkßen baßin: Selbftftäubige pauSarbeit foH nur 
j oon großjährigen pci'fonen ausgeiibt merben; ^erfoneti mit an- 

| C5in man Seputirteu Xntreii; in ber Kammer riugebratßtcr 

! Antrag gebt babin, fülle im .'oaiibelsmtnifteriiim ein eigenes llnter= 

I fetvetarial für Arbeitsangelegenbeiteu eingeridjtet merben, ba ber Conseil 
j Supt’n.ur du Travail ber drleb'giuig feiner Agenben nidit mehr gc= 
unußfeti erfeßeine. Sie Arbciterjipibifatc haben fid) bereits öfters itt 
I biefem Sinne geäußert. 



445 


Soziale $r<t£i$. ©entralblatt für Sozialpolitik Ar. 17. 


446 


ftetfenben Ehranfheiten u. f. ro. ßinb auSgefthloßen; bcr ArbeitSrautn 
muft oom BJohnraum getrennt fein, BentiIationSeinrid)tung muft 
oor|anben fein u. bgl. m ; befonberer Trocfenraum nid)t erforber* 
lieh, Trocfnen über bem Dfen oerboten; bie §auSarbeiter bebiirfen 
polizeilicher ©enehmignng unb merben bcr ©croerbe *3nfpeftion 
unterteilt; für bereits beftehenbe §auSbetriebe fott eine UebergangS* 
jeit uon fünf Sauren gelten. 

Lohnarbeit fdjulpfHdjtiger EUnber in ©roftfitäbtrit nnb ^nbnftrie« 
orten Tcuifd)laiibS. Ter Berliner Örauenoerein befeftäftigte fief) am 
14. 3anuar mit biefer Frage an ber §>anb eired lehrreichen Bor«* 
trageS beS um bie ©rforfchung biefer Aachtfciten nnfereS BolfS* 
lebenS ftothoerbienten Lehrers Agaf)b*Aijborf. Auf ©runb ber 
(Erhebungen oon beutfehen Lehrern theilte ber Bortrageube mit, 
baß eS ber beutfehen Arbeitergefeftgebung nicht gelungen fei, bie 
Lohnarbeit erheblich Z n bekrönten, ©eitn auch bie 3 a hl ber * n 
Fabrifen befdjäftigten Etinber feit bem Snfrafttreten beS ©efefteS 
nicht erheblich angeroachfen ift, fo fei hoch eine große üon 
Etinbern in bie $au$inbuftrie gebrängt morben, in ber ihnen jeber 
Schuft fehlt. 3n Tentfcftlanb feien etroa 50001)0 Etinber mit Lohn« 
arbeit befchäftigt, roaS um fo mehr zu beflogen fei, als nad) ber lebten 
©eroerbezählung h un berttanfenbe erroad^ene Btänner arbeitslos 
roaren. TaS feien höchft bebaucrlidje Büftftänbe, unb man müffe 
2Bege z ur Befeitignng ber Lohnarbeit ber Etinber fuchen, ba biefe 
mit gefunbbeitlidjen, fittlichen unb intelleftiiellen ©efahren für bie 
Äinber oerbunben fei. Born oolfSroirtbfchaftlichen unb päbagogt* 
fthen Stanbpunft fei eS oetroerflich, raenn Etinber zur Aadjtzeit auf 
ber Strafte ihren Befdjäftigungen nadjgehen, toenn fie oor bem 
Schulunterricht achtzig bis tfunbert kreppen fteigen muffen, um 
Frühßücf ober 3 ei iuncjen auszutragen, ober menn fie nach ber 
Schule oiele Stunben im .fmnfe mit Llnfeitiguttg oon Ghriftbaum* 
fehmuef unb begleichen befeftäftigt merben. 3 a hlreiche Etinber 
merben burch Betätigung in Tingel*Tangeht, (Eirfußen, Etegel* 
bahnen 2C. fittlich unb förperlich getdjäbigt. BemerfenSruerth ift, 
baft §>err A. feftgeftellt hat, baft bie Etinber oon ben fremben 
Arbeitgebern mehr auSgenuftt merben als oon ben (Eltern. Lille 
EUaffen unb Parteien füllten mitmirfen, um auf biefem (Gebiete 
Hbhülfe zu feftaffen unb bem Etinbe bie Etinbheit zu erhalten. TaS 
laffe fich nur burch Berbot bcr Lohnarbeit oon Etinbern erreichen. 
Ter ergreifenbe Bortrag rief eine lebhafte (Erörterung heroor. TaS 
(Ergebnift mar bie Einnahme einer Aefolution, bie fid) auf ben 
Boben ber Be[chlüffe ber Breslauer Lehreroerfammlung ftcllt. Sie 
tritt im Prinzip für bie oollftänbige Befeitigung ber Lohnarbeit 
fdjulpflichtiaer Etinber ein. So lange bie fozialen Bcrhältniße 
eine Turchführnng biefeS BrinzipS unmöglich machen, foll roenig* 
ftenS eine energifche (5infd)ränfung ber Etinberarbeit angeftrebt 
merben. (Es mürbe ferner befdßoßen, einen Antrag au ben Stabte* 
tag zu richten unb biefen zur Beratung beS Themas aufzuforbern. 
(Enblid) mürbe eine Et'ommiffion aus ben Bütgliebern beS BereinS 
gemählt, roelche bie Frage ber Lohnarbeit oon EUnbern meiter 
Hären unb oerarbeiten foll. 

ftinber" unb Frauenarbeit in Tie Commission 

superieure du Travail hat eben ihren Bericht über bie Anroenbung 
beS ©efefteS oom 2. Aooember 1892, betr. bie Bcfcftäftigung oon 
Etinbern unb Frauen in Fabrifen, für 1897 erftattet. Tetn ©c= 
fefte unterftanben 290 305 Betriebe mit 2 591 288 Arbeitern, barunter 
223 285 Knaben oon roeniger als 18 Sohlen, 210 182 Diäbdjeit 
oon roeniger als 18 3al)ren, 600 408 minberjährige s JJtöbd)en unb 
Fraueu unb 1 557 313 Biänner oon über IS Fahren. Tie Oie* 
roerbe*3nfpeHoren haben 125 775 (EtabliffementS befucht. Ber* 
hältniftmäftig am ftärfften ift bie Befchäftigung oon Etinbern unb 
jugendlichen Berfonen in ben TepartcmentS, roo bie Seibeninbnftrie 
betrieben mirb; in ben TepartcmentS ber Scoennen, Arbedje, 
£>aute*Loire unb ©arb beträgt ber Bi'o^cntfaö über 50%, bod) 
beträgt er auch ™ anberen TepartementS manchmal mehr als 
300/^ Folge beS ©efefteS oon 1892 hat, bem Beridjte zufolge, 
bie tägliche Arbeitszeit faft überall eine Aebuftion erfahren, bie in 
manchen Fnbuftriezmeigen zwei Stunben beträgt; im Allgemeinen 
mirb berichtet, fdjeint fich ber (Elfftuubentag überall einzubürgern, 
ohne baft bie ArbeitSleiftung babureft oerringert morben ift: „3u 
AmienS, Aoubaif, Tourcoing haben bie Fubnftriellen ben Fti* 
fpeftoren erflärt, baft bie Brobuftion bcr Fabrifen feineSmegS 
Zurücfgegatigen ift." 

©egen bie Beteuerung frember Arbeiter in F™nfreith, 

fie oon ftarf fchuftzöHtierijcheu unb nationaliftifdj*antifemitifchen 
Teputirten angeregt mürbe (fiefte „Soziale B^is" biefes 3ah^ s 
gangS Sp. 249 unb Sp. 386), menbet fid) ein Antrag ber 
fozialiftifchen Abgeorbnetengruppc. Dh Iie bie Abfid)ten bcr ('•legen* 


anträge bisfrebitiren zu moKen, erlenn^n bie fozialiftifchen Antrag* 
fteHer in ber einfachen B r °hibition burch erhebliche Steuern einen 
nur ungenügenben Schuft ber heimifch^u Arbeiter unb ein Ber* 
fennen ber Sachlage. 2öaS ben fremben Arbeiter bem Unternehmer 
in Franfreicft fo roerthooll mache, baS fei ber niebrige Lohn, ben 
er forbert, ber auch ben Lohn für bie gefammte Arbeiterfcftafl 
nieberhält. T)aS Bemebium liege barum im gefeftlicften Berbot, 
I ben fremben Arbeiter billiger zu eitgagiren als ben einheimifeften. 
Als EDtaftftab follen bie ortsüblichen Tagelöhne unb bie oon ben 
©eroerffdjaften anerfannten Tarife genommen merben. Um aber 
mit biefer gefeftlid)en ©arantie eines fyöfytrtn BtinbeftlohncS ben 
fremben 3uzug nicht noch z u oerftärfen unb fo baS Uebel zu oer* 
gröfterit, müffe ber B r °zentfaft ber fremben Arbeiter, bie jeber 
Unternehmer engagiren barf, auf 10 limitirt merben. 3n ihrem 
eiugereid)ten ©e|eftentmurfe fehen bie fozialiftifchen Abgeorbneten 
©elbbuften oon 200 bis 1000 FrcS. oor. 

Amfterbamer ArbcitSlofenftatiftil. 2Bie im 3ahrgang VII ber 
„Sozialen BrayiS", 9?r. 26, Sp. 677, mitgetheilt ift, enthalten 
bie ftatiftifchen Btonatshefte ber Stabt Amfterbam feit Anfang 1898 
eine Arbcitslofenftatiftif ber 3i mtn erleute, ber Topographen, ber 
Tiamantarbeiter unb ber Schiffsbauer. 3eftt oeroffentlidit bas 
ftatiftifd)e Amt eine 3ahreSüberfid)t über bie ArbcitSlofigteit in 
jeber Eßodie, mit einer Tabelle über bie SSirffamfeit ber ArbeitS* 
börfe. Tie Statijtif bezieht fid) nur auf bie orgauifirten Arbeiter; 
Anfangs mürben auch bie unorganifirten 3iuimerleute unb Tppo* 
graphen bead)tet (bie Drganifation ber Tiamantarbeiter umfaftt 
90% aller anroefenben), aber bei einer genauen Kontrolle im 3uni 
ergab fich, baft oiele arbcitslofe 3inimerleute fich nicht bem Bor* 
ftanb beS ArbeiteroereinS gemelbet hatten unb anbererfeitS, baft 
oiele, bie nicht mehr arbeitslos maren, bieS ebenfalls zu melben 
unterlaßen hatten, ©ine regelmäßige Beobachtung ber ArbeitS* 
Iofigfeit unorganifirier Arbeiter hat fich alfo mieber einmal als 
unthunlid) erroiefen. 

Tie oerößen tlichten 3 a h^u betreffen etma 1000 3'uimerleute, 
160 Sd)ißsbauer, runb 7500 Tiamantarbeiter unb 1750 Tppo* 
graphen, zufammen 10 400 Arbeiter. Am geringften mar bie 
ArbcitSlofigteit bei ben Topographen, beren Btayimum auf 

ben 17. September ßel. Tie ArbcitSlofigteit bei ben 3iunnerleuten 
fd)manftc zmifeften 1,<» % im Aoocmber unb 19,7 °/o am 19. Februar, 
mobei zu bemerfen ift, baft oom 25. 3uni bis zum 13. Auguft ein 
qrofter Streif ftattgefunben unb baft bie ElrönungSfeier aud) einen 
©influft auSgeübt hat. TaS Btafimum ber ArbeitSlofigfeit bei ben 
Schiffsbauern mar am 8. 3anuar (17,5%); am 2. 3uli gab es 
gar feinen ArbeitSlofen in biefem ©emerbc. Tie ArbeitSlofigfeit 
ber Tiamantarbeiter, beren Betrieb feftr unregelmäßig ift, erreichte 
im Bfai ih^eit .?>öhepunft (18, s %), roaS mit beni fpanifch* 
amerifanifcheu Elrieg in Bcrbinbuug fteht, am geringften mar fie 
am 12. Aooember (1,3%). 3^u Allgemeinen ift alfo baS 3aft* 

1898 nicht ungünftig gemefen. Außer ben 3i m merleuten haben 
bie ArbeitSlofen oon ben Arbcitsbörfen nur fel)r geringen ©ebraueft 
gemacht. 


2Crlicilgrbcrticcbäii2ic. 

Borfdjriften beS aBalzbrafjtfftnbifatS. Tie „Elölnifche BolfS* 
Zeitung" macht aus bem Statut biefeS UntcrnehmeroerbanbeS 
einige Btittheilungcn, bie bemeifen, mit meldjen Bütteln bie Käufer 
oom Sijnbifate in Botmäftigfcit gehalten merben. So mirb u. A. 
FolgenbcS uorgefihriebcn: 

,,3)fit einem .Häuf uerpflidjten Sie fid;, im v 'siilaubc gezogene 
Trähte nid)t unter einem greife ju oerfaufen, ber für Trakte oon 
0,8 mm unb biefer minbefteus K) JL bie Jonuc Höher ift als ber jemeüige 
5r 4 alzbral)tprei?. Tie Feftitcllung oon lleberpreifen für bünncrc Träl)tc 
bleibt einem Sijnbifat für gezogene Trabte oorbeftalteu, beßen ;ßiftaube* 
fommen mir mit allen niiv zu Wcbote [tebenbeu Bütteln fbrbcrn merben. 
Sie übernehmen meiter bie Berpflidjtung, ben in ber Beilage genannten 
Firmen, bie fid) mcigern, bem Berbanbe bcutfdjcr Trabtitiftfabrifeu bei* 
zutreten, meber mittelbar uodj unmittelbar Trabt ober Trabtmaaren zu 
liefern, unb mollen Sie uns obre auvbriirflidje Fuftiuimuug hierzu ge= 
fälügft zugehen laßen. Für jebc Berleimug biefer Berpfliditung haben 
Sie eine Bertragsfirafc oon lo J(, auf jebc Tonne bcr Abfdjliifjmenge 
Zu zahlen; aufterbem geht uns für biefen Fall bas Aerfit zu, meitere 
Lieferungen gdnzlidi einzuftelleu, alfo ben Aiiefftanb ans ben mit obucu 
abgefdiloßeneu Lieferungsoerbinblidifeiten zu ftreidien." 

Tein Stiftenfpnbifat gegenüber ift aber ber Mäufer ocrpflid)tet, 
Trahtitifte nur oon B>crfcn zu beziehen, bie bem Berbanbe beutfd)er 
Trahtftiftfabrifanten angehören. Bei Bezug oon Trabtftiftcu oon 
Aidjtöcrbattbömerfcu hat bei* Abnehmer für bas auf ben laufenben 



Soziale $rari$. Gentralblatt für Sojialpolitif. Ar. 17. 


448 


447 


Abfcßluß Bezogene Duantujn eine Konoentionalftrafe von 3 . // . 
für je 100 k# ju jaulen. 3)em Verbanbe fteßt eS frei, ben oer* 
bleibenben Scßlußreft zu annuüiren. Aucß bjierburd^ wirb roitber 
bargetßan, baß Säße oorfommen, wo bie Arbeiter nicßt arbeiten 
fönnen, meil ißrern Arbeitgeber ber SRo^ftoff üorentßalten roirb, 
roenn er nicßt bem 3u>uuge ft<ß fügen miß, einem Verbanbe beizu* 
treten, beffen Vebingungen er nicßt fic^ unterroerfen gu fönnen glaubt. 

@iatatcmnäf|ige AnSfpcrrung toegen ttttgefjorfamS AuS XuiU 
fingen roirb berichtet: (Sine Arbeiterin erhielt biefer £age ibre 
Entlaffung, unb bie übrigen Scßußfabrifanten erhielten zu gleicher 
3eit nacßfolgenbe „Anzeige": 

Anzeige, od) tßeile bierbureß höflicßft mit, baß bic.wegen 

Wcborfamsomoctgernng cntlaffen roerben mußte unb bemnadj <> ltub 7 

nuferer Soßungen ifjr gegenüber in Kraft treten. 

9)?ecfjaiüfdjc Schuhfabrif. 

■ ^ie §§. 6 unb 7 lauten, baß bie betroffene Arbeiterin roäbrenb 
breier Monate oon feinem Sabrifanten beS AiugS meßr befefjäftigt 
toerben barf. 

Unternehmer nnb Arbeitcrfoalition. 2öie bie „Leipziger VolfS* 
Zeitung" mittßeilt, bat bie „Aßgenteine Acett)len*©efeßfcßaft Vro* 
metßeuS, ©efeflfcßaft mit befrfjr. Haftung" zu Leipzig in ihrer 
ArbeitSorbnung, bie oom Aatß ber Stabt Leipzig gepnift unb für 
Zuläffig befunben mürbe, unter §. 10 folgenbe Veftiinmung: 

„Außer ben gefeßlicß uorgcftfjnebenen Entlaffuugsgrüubeu tft für 
iuts§ itorf) ©runb jur fofortigen Entlaffung: Sie Mitglicbfcfjaft beim 
Mctaflarbeiterocrbanbe unb bie Veiroohnung einer Versammlung t>eö= 
felben." 

S)iefe ArbeitSorbnung ift mit bem 1. Aooember 1898 in Straft 
getreten. $)aß bie angeführte Veftiinmung oom Aatße ber Stabt 
Leipzig genehmigt roerben fonnte, bemeift nur auf* Aeue fdjlagenb, 
mit meid) ungleichemMaßeUnternehmer unb Arbeiter gemeffen merben. 


^rbriterbrrorgung. 


Loßn- nnb Streifbctoegiutg ber ÜRetaffarbciter 1898 . giir bie i 
Metallarbeiter ift baS oerfloffeite 3aßr ein Kampfjaßr gemefett, ba ! 
nicht roeniger benn 183 Kouflifte mit Unternehmern oorfamen, | 
barunter 59 Streite, 28 Lobnbcroeguitgcn, 10 Aitsfpernittgeu, 
12 Sperren k. (Sin in bem Crgait bes Metaßarbeiter-Verbanbos, 
ber „i)cutfcßen Metaßarbeiter*3citung", üeröffentlicßter Bericht führt 
bie gegen baS Vorjahr zahlreicheren Konflifie auf bie fortbauentbe 1 
Prosperität zurüdf. S>ie Arbeiter gingen in einer foldjen 3 C ^ 
häufiger in eigener Qnitiatioe oor unb mehrten fich außerbem auf 
ber ganzen Linie gegen VerfcßledjterungSgelüfte ber Unternehmer, 
vsn 25 Säßen ßabe es fich um Loßnrebuftionen, in 31 Süllen um 
Maßregelung organifirter Arbeiter, in ben übrigen Süllen um 
Lohnerhöhung, ArbeitSzeituerfürzung, Abfcßaffung Der Afforbarbeit 
2C. geßaubelt. VcfoitberS benierfenSroertß finbet bet* Bericht bie 
häufigen Loßnrebuftionen. Senn bas beim jeßigen giinitigen ©e* 
fcßäftsgang paffire, roaS folle bann beim Ausbrud; einer ©efdjäfts* 
frifiS ge|d)ehen? beinahe bie £mlftc ber Konflifte fei burd) Unter* 
nehmet heroorgerufeu morben. Mandje Sortfdjritte in Vezug auf 
ArbeitSzeitoerfiirzung unb Lohnerhöhung feien erzielt, in mandjen 
Süßen fei bie 10*, 9 l J^ unb 9ftünbige Arbeitszeit erreicht morben. 
Vei ben Konfliften feien faft aße Sfheile SDeutfcßlanbS betheiligt 
gemefen. 

Sie feierte ©eneralfeerfammlung be$ ©emerffeeremö ber Bicflkr 
in Lippe tagte am 12. Qanuar in Setmolb. Anrocfenb mären 
außer über 200 Mitgliebern mit berntßcnber Stimme 52 gcmähÜe 
ftimmberechtigte Vertreter oon 30 üöezirfsoereinen (33 aus Lippe, 
je einer aus ©eftfalen, ^rouinz .^aitnooer, Thüringen), (is 
nahmen an ben üBerhanblungen Sl)cil ber lippifd)e Staatsminifler 
o. Miefitfchccf, iliegierungsrath 43öhmer*Setntolb als Steßocrtrcter ber 
fürftlidt)en Regierung, Sfegicrungs* nnb ülemerberath Stüther aus 
Minben, Olemerbeinfpeftor Müller aus Linbcu. 3ü’glcr (fßerfaiup 
aus Lage, ®efd)äftsfiihrer beS ©croerfoereinS, führte ben 3>orfiß 
unb cröffnetc bie ^erfammluug mit einem §od) auf Maifer unb 
Slegent. Sem 3>ereinsberid)t ift SolgenbeS z u entnehmen: Sic 
3al;l ber Mitglieber flieg oon 2023 auf 3210, bie ber '^ezirfs* 
oereine oon 71 auf 78. Sin Oiebiet ber Unterelbe ift bie oom 
herein erreichte >5erab|efeung ber täglidien Arbeitszeit oon täglid) 
IG Stuuben lohne bie Raufen) auf 11 Stuuben in biefer Oam = 
pagne nidjt nur aufredit erhalten, fonberit es mirb für bie uddiite 
(Campagne eine meitere .'oerabfcpnng burd) Verlängerung ber 
Mittagspaufe um eine halbe Stunöe unter (Erhöhung ber Accorb* 
preife um G % mit oorausfidjtlidjem (Srfolg angeftrebt. (Großen 


Erfolg hat ber oom Verein gemährte StechtSfchuß gehabt bei Ve* 
feßmerben, Älagefadjeit u. bgl. 41 iöe|d)merben megeit ungenügenber 
9BohuungSoerhältniffe mürben faft bnreßgeheubs mit Erfolg ben 
93el)örben übermittelt. Veflagt mirb, baß bie oon ber lippifchen 
Regierung befürmorteten Anträge an ben VunbeSrath um meitere 
Ansbehnung beS ArbeiterfchußeS für jugenbliche unb 
Srauenarbett auf 3icgeleien bei ©rlaß ber neuen VunbeS* 
rathSoerorbnung nur rcemg Üöeriicffidjtigung gefunben hätten. AuS 
! ben Verhanblungen ift nad) bem „tjann. (fonr." SolgenbeS her* 

| oorzuheben: 9?ad> eingeßenben Referaten über nothmenbige Ver* 
befferungen in Vezug auf bie Arbeitsbebingungen mürben für bie 
! oerfdjiebenen 3iegeleigcbiete Slommiffionen oon Vertrauensmännern 
1 eingefeßt mit folgenben Vefugniffeu: Acßthabung auf Snneßaltung 
| ber Arbeiterfd)ußgefeße, 3ufammetifchluß ber Meijter znr Erreichung 
künftiger Siontraftabfcßlüffe für bie Eampagne, Vefämpfung un* 
lauterer, bas ganze Okmerbe fdiäbigenber äoufurrenz bei Vemcrbung 
um bie Meifterfteßen, roobureß am meiften ber Loßn gebrüeft roirb; 
insbefonbere foßen bie für Stßeinlanb eingefeßten ^ommiffionett 
Scßritte tßun, baß bie überaß zahlreichen, ja faft allgemeinen 
Uebertretungen ber Arbeiterfd)ußgefeße in Vezug auf 
Sonntagsruhe, Sraueit* unb ^inberarbeit u. bgl. feitenS ber 
bortigeu hoßänbifcßen unb belgifdjen Segler zur Anzeige gebracht 
roerben, meil bie aßgemein iibfidje Sßuorirung ber (Sefeße feitenS 
ber ftoflänber unb Vclgier bie beutfdjcn 3j c ß^ er gurfiefbrängt. Ve* 
j merfeuSmcrtß ift and) bie Annahme beS folgenben VefcßluffeS: „Sn 
J Anbetracht beffen, baß ber VunbcSratb ber Petition beS Oleroerf* 
oereins um ein Verbot ber zu ben fdjroerftcn, fittlicßen Vebcnfen Anlaß 
gebenben meiblißen V3anbcrarbeit auf 3tegeleien bei Erlaß ber neuen 
Verordnung nid)t cittfprod)en hat, befdjlicßt ber Olcmerfoereiit, baß 
bie bem Verein angeßörenben Mciftcr im Sntereffc ber Sittlicßfeit 
9Banberarbcitcrinncn fortan nicht befdjäftigen. 2)ie roid)tigften 
Verßanblungen betrafen bie Errid)tung eines ArbeitSnacß* 
meifeS, morüber Vaftor 3 c ife aus Sißmalenberg baS Referat 
hielt. Sür baS 3i r n^rgemerbe ift bie Siegelung ber Steßenoer* 
mittelung unb beS ÄrbeitsnacßroeifeS nod) bringenber als für anbere 
Snbuftrien, meil Arbeitgeber unb Arbeitnehmer ortlid] oon ein* 
auber getrennt fmb: bie jeßige Vermittelung ber Meifterfteßen bureß 
Agenten giebt oiclfacß zu fißroeren Mißftäuben unb Klagen Anlaß; 
Vcfißcr unb Arbeiter leiben unter bem Mangel eines geordneten 
Aideitsnadnoeifes; feßr z» bebauern fei, baß ber Verfucß beS ©e* 
merfocreins, ein 3ufammengcßen ber Drganifation ber 3tfgdei s 
befißer nrib berjenigen ber 3ieglcr z u oeranlaffen, oorläufig ge- 
feßeitert ift. Es mürbe bie Errichtung eines ÄrbeitsnacßroeifeS 
mit ber Eentralfteße in Lippe unb Silialeit in Lippe, Reffen u. f. m. 
befcßloffcn, aueß ein Statutenentrourf für ben 9iacßmeiS angenommen 
unb eine Äommiffioit eingefeßt mit ber Vefugniß, ben ArbeitSnacß* 
meiS noeß ux biefem hinter zu eröffnen. 

3«r Vergarbetterbcmegung im Königreiche Shdifen. Am 

15. Januar fanb in 3n3icfa’u eine große Versammlung beS 3toicfauer 
SReoierS ftatt, in ber ber güßrer ber Vergarbeiter, SietchStagS- 
abgeorbneter Hermann Sadjfe, über baS Xßema referirte: „S)ie 
Lobnbcioegitng in ben Stoßlenreoieren, unb mie fteflen fieß bie 
ßiefigen Vergiente bazu?" Eßarafteriftifd) für biefe Verfammlung 
unb bie Stellung ber giißrcr mar oor Aßem, mie uns gefd)riebcn 
mirb, bie Ablehnung jebeS ©ebanfenS an einen Streif; 
bazu fei bie Crganifation nnb bie Kaffe oiel zu feßmaeß. Man 
muffe besßalb llnbefonncnheiten zu oerhiiten fueßen: ,,^)ie §iß!öpfe 
tooflen mir ganz gehörig bei ben Dßrcn neßmen, roenn fte über 
ben Strang fcßlagen rnoßeit." 3m 3ufatnmcnßange bamit ftanb 
eine feßarfe Verurthcilung beS VergarbeiterftreifS oom Sommer 1898. 
3» biefent Sinne fprad) fid) uid)t nur ber SRefercnt, fonbern aße 
Vebncr ohne Ausnahme aus. Vidjtsbeftomenigcr ßat man einige 
Tvorberungeu formulirt, bie man auf frieblidjem VJcge zu erreichen 
hofft; eine Lohnerhöhung oon minbeftenS 10% int Sd)id)tloßn 
mie im ©ebingc, |ehiiftünbige Arbeitszeit (bie 3ioiifauer Verglcute 
arbeiten troß bes 1889er Streifs aße mieber ^tuölf Stunben), 
ßortfaß aller lleberftuubeu mtb SonntagSfd)idjten, mo fie nießt 
liubebiitgt erforberlid) finb, Einführung oon Vabecinricßtungeit 
(troßbem bas Köuiglidie Dberbergamt bie Einridjtuug folcßer feßon 
oor längerer 3°it empfohlen ßat, befteljen fie nuferes VJiffeuS nur 
bei einem Vierte im Veuier). Eine brcigliebrigc Mommiffion foß 
biefe mudernngen zur Kcuutniß ber Unternehmer unb bes König* 
lieben Cberbergamtes bringen. 

^Ijättflfcit bcS Volfsburcnuö in Mmtd)C». Sav uou ben fatßolifcijeit 

Arbciteroercinen gegnmbete Vollsbnreau, ber „Amoalt bes fleinen 
-Viannes" in Mündjeu, hat im nerfloffenen V \alive 11 s:‘»3 münblidje unb 
14 14 fdiriftlidje Ausfiinfte erthcilt, zaiammen al|o 13 277 Ausfünfte 
gegen s 3sn im Vorjahre, ein ^»cidien, baß immer meitere .streife oon ben 





449 


Soziale $raji$. ©entral6Iatt für Sogialpolitif. 9h*. 17. 


450 


Vortfjeilen biefcr ©inrtrfjtung ©ebraud) machen. ©tngaben, Vittgefuche, 
Veichroerben unb fonfttge Schriftftücfe rourben 2793 gefertigt, 3Bie be* 
fannt, ertbcilt baS VolfSbureait Auffdjlüffe nur an SWitglieber, borf) ift 
ber jährliche $?itglieb$beitrag fo gering angefe&t (auf 50 4, bie fidj 
jeboch bei Vereinen, bie in corpore beitreten, je nach ber STOitgliebergaljl 
biö auf 10 4 pro 3öb* unb SKitglieb ermäßigen), ba& auch ber 3J?inbeft- 
bemittelte biefen Beitrag noch Ieiften fann. 

©aligifcher ©ctoerffchnftSfongrcfi. Sn ber erften Sönuarroodje 
tagte in Krafau eine Konfereng ber’gaiigifchen ©eroerffchöften, auf 
bent ein näherer Anfchlufe an bie öfterreichifche Arbeiterorganifation 
befchloffen rourbe. Me ©eroerffchaften finb banad) oerpflichtet, 
binnen fürgefter $dt ben gefammtöfterreichifchen Verbättben bei* 
gutreten, um ben Vtitgliebern eine Äeife* uttb ArbeitSlofen4lnter* 
ftüfcung gu geroähren. $)ie Adgemeinen ©eroerffchaftsoereiue finb 
gehalten, ihre Vtitglieber in ben betreffenbeit Verbäitben gu oer* 
fithern. 3« (stamSlau, ^rgempöl, Semberg, Krafau roerben ßofal* 
oerbänbe gebilbet. Sn allen Drtfchaften finb Vertrauensmänner gu 
beftimmen. $ie ©entral * ©eroerffchaftsfommiffion in VMen roirb 
aufgeforbert, im ©innernehmen mit ber £anbeSfommiffion ©alijienS ' 
unb Schlefiens ein monatliches ©eroertfchaftsblatt in polntfcher 
«Sprache h^öuSgugeben. ro | r ^ obligatorift^ non allen 

©eroerffchaften für alle SRitglieber abonnirt. 

$ic cnglifchen ©ctuerfDereine im Saljre 1897. $aS ArbeitS* 
amt beS Board cf Trade oeröffcntli^t einen Verist über bie 
©eroerfoereine im Söhre 1897.*) Vkr geglaubt höt, bafe bie 
mannigfachen VHberroärtigfeiten, bie ben ;£rabe UnionS in ben 
lebten Söhren gugefto&en finb, einen Aücfqang ber Veroegung gur 
3 folge höben roüroe, |öt ftch getäufcht. &ie amtliche ^ublifation 
geigt nielmehr, ba& ein gorifchritt auf ber gangen Sinie ftattge* 
funben §at. AflerbingS hat bie 3 a hl ber ©eroerfoereine, bie ©nbe 
1897 mit 1787 angegeben roirb, ftch um 21 int Söhre 1897 ner* 
minbert, hoch ift Die Urfache hieroon in ben meiften Säßen bie 
Verfchmelgung groeier ober mehrerer Vereine gu einem, dagegen 
ift bie 3ahl ber Vfitglieber im Saufe beS SöhreS DOn 1491007 
auf 1609 909 geftiegen; baoon roarett 1 490 134 (93 °/ 0 ) Vtänner 
unb 119 775 (7°,n) Srauen, biefe lefcteren gehören faft ansfd)ließ* 
lieh ber Vaumrooflinbuftrie an. Aa<h einem UeDerfcfjlag gehören 
etroa 7 000 000 erroachfette Arbeiter unb 1000 000 erroacfjfene 
Arbeiterinnen ben ©eroerbett an, aus benen fich bas ©eroerfoereinS* 
roefen refrutirt. $aoon ftnb 24o/ 0 ber männlichen unb 12 % ber 
weiblichen Arbeiter organifirt in ©eroerfoereinen. Vebenft man 
aber, bafe babei über 1 000 000 lanbroirtfjfchaftlicher Arbeiter unb 
Sifther, oon benen nur 0,3 o / 0 organifirt finb, eingerechnet finb, [0 
ftettt ftch für bie inbuftrieue Arbeiterbeoölferung baS Verhältnis 
noch günftiger, nämlich bafe ein oolleS Vtertel ber mäitnlichen 
Arbeiter ben Strabe UnionS angehört. $as SBachSthum ber ©e» 
roerfoereine ift am ftärfften in ber ©ruppe ber Vtafchinen* uttb 
Schiffsbauer*— alfo gerabe ber Snbuftrie mit bem fchärfften 
Kampfe — im Vaugeroerbe unb bei beit ©ifenbahnern. Von ben 
$)ocfarbeitern roerben 81000, allgemeine Arbeiter 200 000 als 
©eroerfoereinler aufgeführt, dagegen finb bie organifirten lanb* 
roirthfchaftlichen Arbeiter oon 37 000 im Söhre 1892 auf 4000 
©nbe 1897 gefunfen. Ungefähr 693 000 Vtttgliebcr ber £rabe 
UnionS gehören ,,©eroerbe*Verbänben" (Trade Councils) an; biefe 
Drganifationett, beren es 151 giebt, finb aus Sofaloereinen unb 
Vrandjengruppen gebilbet, ihr Sife finb tneift bie großen Stäbte 
unb Snbuftnecentren. dagegen gehören 781 719 Vtitglieber gleich* j 
falls gu ben 124 Verbänben oott ©eroerfoereinen, bie faft aue erft 
feit 1888 entflanben ftnb. 5 mtf 58erbänbe ejiftiren ferner, bie 
aus oerfchiebenen „©eroerbe*Verbänben" beftehen. ®ie ©ntroicfelung 
geigt, bajj bie Sühlung ber eingelnen £rabe UnionS mit cinanber, 
bie Longentration ber Kräfte immer roeitere gortfehritte machte. — 
©ine Ueberfidjt ber ginangett aller ©eroerfoereine roirb nicht mit* 
geteilt, roohl aber genaue Angaben über ©infommen, Ausgaben 
unb Vermögen bei 100 ber größten, bie gufammen über eine 
5Kiflion dRitglieber gählen. $>ie folgenbe fleitte Tabelle giebt über 
bie finangielle Vofition biefer 100 $rabe UnionS oon 1892 1897 
AuffdjluS. 


3ahr 

©itt nahmen 
£ 

Ausgaben 

£ 

Ver»tögeii*}tnnb 

£ 

.IVitglieberg 

1892 . 

. 1 455 885 

1 418 311 

1 61S 790 

. 1 1 - 

903 9*1 

1893 . 

. 1 614 379 

1 848 159 

1 3*5 01 0 

910 119 

1S94 . 

. 1 629 550 

1 433 S67 

1 5*0 693 

924 5*4 

1*95 . 

1 557 667 

1 390 717 

1 747 643 

914 76tl 

1896 . 

. 1 673 571 

1 233 494 

2 1*7 720 

961 026 

1897 . 

. 1 981 971 

1 SU6 072 

2 273 619 

1 059 609 


*) Report on Trade Unions in 1897. wit 1» compurutive slutislics 
ior 1892. Vrcis? 1 sh 4 1 /-* d. 


2öaS bie Ausgaben betrifft, fo trifft baoon nur ein oerljältuiiV 
mäfcig fleiner Sheil auf Streiffoften. SßeitauS bie grobe Viaffe 
ber ätittel roirb für UitterftühungSgroede, für franfe, oerlebtc, 
arbeitslofe, alte Vtitglieber, für Vegräbttibgelber, für VHttroen* 
unb ©aifenhülfe oerroenbet. Natürlich erforbert auch ber grobe 
VerroaltungSapparat oiele iloften. Sn roelcher SBeife fich biefe 
brei Voftcn oertheilen, erhellt aus folgenben Angaben über jene 
100 £rabe UnionS, bie fich öuf bie 6 Söh« oon 1892—1897 


begiehen: 

Ausgaben: oirfamnttbetrag in T: ^rogemual. 

Stretfgeloei* . . . . 2 171 271 23 1 (S 

llnterftüjjungen. . . 5 46C 903 5‘) '/•_> 

Verroaltmtgsfüften. . 1 582 446 17 

9 220 620 100 


Von ben 9 V 4 VUHionen Vfunb finb alfo roäbrenb ber fed)| 
Sahre, bie groei ber geroaltigften Streifs ($ohlenarbeiter 1893 unb 
Viafchinenbauer 1897) gebracht höben, runb ö 1 /^ VUfliottcn 
(= 110 Vtiüionen Vtarf) für Unterftüfcung ber VUtglieber auS= 
gegeben toorben. V3er bie ^rabe UnionS „ÄichtS=alSsStreifoereine" 
nennt, beroeift alfo nur, bab er roenig oon ihnen roeib- S)ie3Kit* 
liebSbeüräae ber eingelneu ©eroerfoereine finb febr oerfd}iebcn, 
er ^urchfepnitt beträgt im Söhf 32 < (f, baS Vermögen pro Mopf 
43 , 1f. — Seit 1897 h fl t bie ©eroerffchaftsberoegung roeitere 
Sortfchritte gemacht, fo bab ber Vtitglieberftanb heute, nach Auf* 
nähme ber SBalifer Vergleute in bie Miners’ Federation, runb 
1% SKißionen betragen mag. — So fteßt bie Drganifatioit ber 
Arbeiter in ©nglanb heute eine V?a<ht bar, bie in ihrer ©efatnmte 
heit nicht mehr gu erfchiittern ift. 

Arbeitöfämpfe in ©nglanb 1898. iBie bie fiage 1897 burd) 
ben groben Vfafthmenbauerfampf beherrf^t rourbe, fo im Söhre 
1898 burch ben langen AuSftanb im SBalifer Kohlenbergbau. Von 
ben 674 neuen Arbeitsftreitigfeiten mit 246 540 Arbeitern unb 
14 564 000 oerlorenen Sagrocrfen roar im Sönuar 1898 noch ber 
Vtafchinenbauerftreif in Vetracht gu giehen, ber burch ben ^riebens* 
fchlufe 00 m 28. Sönuar beenbet rourbe. Sfebruar unb Vtärg roaren 
oerhältnibmäbia ruhig, aber geitig im April begann ber Streif 
oon 100 000 ^Bergleuten in Süb*V3aleS unb Vtonmouthfhire, ber 
bis gum September bauerte. Auf ihn allein fotnmen 10 900 0:40 
Sagroerf an oerlorener ArbeitSlciftung, breimal fo oiel als auf 
alle anberen Streifs unb AuSfperrungen gufammen. Aur groei 
AuSftänbe finb aufjer ihm noch bemerfenSroerth, ber oon 24 000 
Vergleuten in Sdjottlanb unb ber oon 6100 Vauinrooßarbeitern 
in 4)erbpfhire, beibe aber bauerten nur je brei Sage. Von beit 
übrigen 671 Arbeitsfämpfen betrafen nicht roeniger als 434 roeniger 
als je 100 Arbeiter. „Sonach erheflt — fo bemerft ber amtliche 
Vericht beS .g»atibels* unb ©croerbeminifteriuntS — bafe bie große 
Aiehrgahl ber ArbeitSfämpfe im 3öh r ^ 1898, roie gewöhnlich, fehr 
geringfügig roar." ^)ie 3obl ber im ^?aufe beS Söh^S in ArbeitS* 
fämpfe oerflochtenen V c ^fonen betrug roeniger als 5 % ber ge* 
fammten in ben betreffen ben 3»buftriert bcfchäftiijtcu Arbeiter. 
AderbingS ftieg im Kohlenbergbau ber ^rogeutfab bis auf 21, im 
Vaugeroerbe, in ber Vietall* unb ber Xertilinbuftrie roar er bagegen 
nur 2 %, in ber VefleibungS*, £>olg*, ©las*, Ühoit* uttb djemifcheu 
Snbuftrie fanf er auf V 2 0 /o- 553 öS bie Urfadjen ber Streifs be= 
trifft, fo roaren es in 87 gälten unter je 100 Sohnfragen, nid)t 
gang 3 famett auf bie Arbeitsgeit. Aad) ber 3°hl ber Sä Ile be= 
rechnet, roar ber AuSgang in gleich oiel fällen bett Arbeitgebern 
roie ben Arbeitern güuftig, nach ber 3 a h)I ber Streifenben aber 
unterlagen bie Arbeiter mit 56, r> % unb fiegten nur mit 24 /} () o 
Vergleiche rourben itt 30, 0 % aller ^äde gefchloffen, fie betrafen 
15,8% öder ftreifenben Arbeiter. 

Schmafthiuen itnb Vmhbrucfer in ©nglanb. Sn Angelegenheit 
ber ©infiihruttg oon Sebutafdiinen höben bie organifirten Vnri)= 
bruefer in ©ttglanb einen entfd)icbcnen ©rfolg errungen. Sm Xc= 
gentber fattt auf einer gu Vtoucftefter abgchaltcnen Konfcreitg gtoifdiett 
ber „Linotype Users’ Association of Great Britain u uttb ber 
.,Tvpoprapliical Association“ folgenbe auf ©nglanb uttb Sd)OtU 
lanb fich begiehenbe Abmadjuug guftaitbc: Arbeiter an ber Seßi 
ntafcfjtne erhalten 12 1 /-j °/ n höhere als bie itt ber bctrcüenben Stabt 
geltcnben Sejjerlöhue. L Sie Arbeitsgeit ber Viafdiinenfeocr beträgt 
48 Stunben in ber Viodje bei 2ages=, 11 Stunbeu bei Aad)tarbeit. 
An Sebmafchtncn biirfett ausfd)licßlid) Aiitglieber ber Vudibriufer* 
organifation bcfdjäftigt roerben. Lehrlinge foüert nidtt länger als 
brei Vionate bei ben Sepmafdjiitcit befdiäftigt roerben, bod) lies 
gu ben geroöhnlid)cn ^otnifäpeu: bagegeit barf immer mir ein 
Lehrling auf brei Viafdiinen entfallen ober 100 nur eine 2 er, 
mcifd)iite ftcl)t, barf ber Vcbrliug bloß ben britten Shell ber Au 
beitsgeit bei* Viafdjittc biefe bebietteu. 






451 


Soziale VrariS. dentralblatt für So 3 talpolittf. Br. 17. 


452 


Heimarbeit ber $iauiautarbeitcr in Arofterbam. Bton febreibt 
un§: Schon feit langer 3eit bemüht fief) ber ‘Siamantarbeiteroerein 
in Atnfteibam ber Heimarbeit, bie befonbers non ben Stein* 
febneibern, barunter nieten jungen Bcäbdjen, getrieben mirb, ein 
dnbe 311 machen, benn bie Heimarbeiter, bie fidi jeber SfrmtroÜirung 
ber ArbcitSgeit eutgieben, finb eben biejenigen, roeldje nicht Btit* 
glieber beS 90% ber ^iamantarbeiter itmfaffcnben BereinS roerben 
motten, binberit aud) bie Ausführung bes oon bem Diamant* 
arbeiterfongreffc gefaßten BcfcbluffcS, bie Lehrlinge aus bem Be* 
triebe gu entfernen (ogt. „Soziale ^rayis", 3af)rg. VII, Sp. 148). 
^ie Arbeitgeber geben ben Biäbcbcn gern Arbeit, ba fie fid) oon 
ihren Keinen Brübertt unb Sdimefteru tjelfen taffen unb einen 
nichtigeren Lohn oertangen, als bie anberen Arbeiter, fomic außer* 
bem bie 3 a ^. kr Arbeiter unoerbältnißmäßig ocrmetjren burd) baS 
Herangehen ihrer Familie. SDer Arbeiterocrein oertangt baber, 
baß bie Arbeitgeber bie Steine nur in Sßerfftätten fcfjneibcn taffen 
unb mar mit ihnen barüber in Berbanblungen getreten. 2 >er 
Arbeitgeberoerein t)at jebod) jeßt einftimmig fcefd)töffen, bie Auf* 
tjebung ber H c .iniarbeit nid)t förbern 311 motten, unb fo ftebt 
mieber ein Streit in ber $>iamantinbuftrie 311 ermarten. 

din außerorbentlirfjer Kongreß frangöfffdjer difcnbafjnarkitcr 

fanb am 20 . unb 21 . Fanuar in Baris ftatt. BMe befannt, trat 
biefe Tagung oon 2)elegirten bcS großen ©eroerffdjaftSocrbanbeS 
-Syndicat National des travailleurs des chemins de fer de France 
et des Colonies 1 * nur gufammen, um über bie burd) ben miß* 
lungenen AuSftanbSoerfud) 00 m Oftober 0 . geraffene Situation 
3 U beratben. 2)er bisherige BcrroaItungSauSfd)uß unb ber ©eneral* 
fefretär, bie auf bem testen regelmäßigen Föbresfongrcß im April 
0 . 3- bie Bollmacbt erbalten bitten, ben Streif 3 U organifiren, 
batten nad) feinem Feb 4 <hfogen ihre dntlaffung eingereidjt. ^cr 
Kongreß gab inbeffen mit allen gegen 3 Stimmen ber bisherigen 
BerbanbSldtinig ein Bertranensootum unb mät)tte, um ben difen* 
babngefetlfcbaften eines ber H^uptargumente für ihre Berroeigerung 
jcglidjer lluterbanblung mit bem ©eroerffcbaftSucrbanb 3 U nehmen, 
nur Angehörige beS mirflidjen ^ienfteS in beit BermaltuiigSauS* 
fchußjoie in bie Slontrolfommiffion. Aus bem oötligen Biißerfolg 
bes StreifoerfucbeS mar eine innere drfebütterung beS BerbanbeS 
gurücfgcbltekit. Bam entlieh bie ^etegirteu oon ben Staatseifen* 
bahnen fuebten fitf) eine 00 m deutralocrbanbe unabhängige AftionS* 
fpbäre 311 fidjern, um fclbftänbig unb unmittelbar mit ber Sircftion 
ber Staatsbabneu oerbanbeln 311 fönnen. tiefem Bedangen gegen* 
über fpracb fid) ber Kongreß jebod) für eine Aufredjtedjaltung' ber ! 
alten Organifation aus. 3 u feiner Sdjlußrefolution betonte ber 
Kongreß, baß bie dreigniffe ber jüngften Vergangenheit bie Sage I 
bcS ©erocrffdjaftSocrbanbeS nid)t oeränbern fonnten unb beauftragte 
ben neuen AuSfdjuß, fid) in erftcr Linie mit ber Lohnerhöhung 
ber fteinen Bebienfteten unb ber BenfionSfrage 311 kräftigen. 


^rbnterfrijub. 


Vermehrung ber ©ftoerkauffidjtSkamten in Brcußeiu And) 
bem dtat ber HanbelS* unb ©eroerkoerroaltung für 1899 füllen 
bie (^emerbe*3nfpeftorft_etten um fieben oermebrt merben. Sed)S 
baoon finb _ beftimmt für bisher nur auftragSmcife befd)äftigte 
©eroerk*3nfpeftoren unb eine für einen bem Begierungs* unb 
^eroerberathe in Berlin bci 3 ugebenben befonberen gemerbetedjnifchen 
HülfSarbeiter. £er Fon Ns sur Bemuncrirmig ber nidjt feft ange* 
ftettteu Beamten ber ©crocrk*3ufpeftiou ift tim 36 000,// erhöbt 
morben. 3% ben Begienuigskgideit Bksbam, Breslau, Licgriip, 
HilbeSheim, Stabe, Bfinbcu unb Jrier fotl je eine neue onipeftion 
eingerichtet, im ^öe^irf Arnsberg bie Fntpdlionokgide 3ferlobn, 
Hagen 1111 b Bodjum h je 3 mei Jnfpeftioneu gcrlegt merben. Sie 
t')erocrbe*3nfpeftion Stettin II folt einem befonberen 3ufpeftor 
nnterftcllt merben. 

©ctterkaufftrfjt unb toet&Hdje 9JbittcISperfoncn in ©erlin. lieber 
bieSl)ätigfeit ber Berliner Biittelsperfonen groifdjeii Arbeiterinnen unb 
Sabrifinfpeftion bringt bie Arbeiterinnen*3eituug „Sie OHeidibeit" 
einen bie 3 eit oon Vcitte OJt'ai bis (fnbe Sepenibel 0 . 3 - umfaßen* 
ben Veridjjt. Sie ^öiittetsperfouen, ad)t an ber ,1a 1)1, fnngiren feit 
Atittc OJtai 1898 (nidjt feit 1. v sanuar b. 3^- erit, mie es fiii^Iid) 
irrtbümlid) in biefen Vlättern f)i°H) in ben ocrfd)icbeueu Stabt* 
ttjcilen VedinS. Sie liaben eigene Spredjftuubcn emgerid)tet, in 
benen ebcnfo^ mie im (kmerffdjaftsbnrean ber berliner (>lemerf* 
fdjaftsfouunifiion Vefcbmcrben ber Arbeiterinnen entgegen genommen 
unb ber 7yabrifi 11 fp»efti 011 übermittelt merben. S'ie Viftänbigen Oie* 
merbe* 3 n|peftoreu haben fid) bereit erflärt, über jebe oon Mittels* 


perfonen ihnen übergebene ©efchmerbe Unterfu^ungen an^uftetlen 
unb, fooiel in ihren Htäften liegt, bie Uebelftänbe befeitigen 3 U 
helfen, dagegen lehnen fie es ab, ber Hebermittterin ber ©e* 
fchmerbe AuSfunft über bie ftattgebabte SReoifion 3 U geben, ba eine 
fotche s jDiittbeiIuncj über ihre Vefugniffe hinauSgelje. 2)ie Mittels* 
perfonen miiffen tid) atfo megen ber Abtjülfe feibft erfunbigen. 3n 
bem oben angegebenen 3 e itraum finb bei ben 3)titteISperfonen im 
Olafen 31 Vefcbmerben, gumeift über fcbled)te fanitäre Vefchaffen* 
heit ber Arbeitsräume, angebracht morben. dS mirb in bem Vericht 
heroorgeboben, ba| bie Arbeiterinnen über ihre SRedjte faft gar 
nicht unterrichtet feien unb bafe fie aus furcht oor dntlaffnng Ve* 
fdjrocrben fdjeuten. Um bie Arbeiterinnen über bie ihnen aus ben 
Arbeiterfdjubgefeßen 3 uilehenben SRechte auf 3 uflären, mollen bie 
3JfitteIsperfonen Flugblätter ertaffen. — SDie „feuggtg." (9?r. 36) 
erflärt, bas dntgegenfornmen ber ©emerbeaufüd)tsbeamten liege 
groeifelloS mit in ihrer Aufgabe. ÜRur fei 3 U bebauern, bafe biefer 
VermittcIungSbicnft in bie Haube ber Sogialbemofratie falle: „ds 
märe 311 münfehen, bafe man auch ' m bürgerlichen Greifen fid) in 
ähnlicher SBeife ber Arbeiterinnen annäbnte unb ficb beren Vcr* 
trauen 311 ermerben fudfjte. O^ncbicö ift bie dinfefcung meiblicher 
©emerbe*Auffid)tSbeamten bereits angeregt unb in Siibbeutfchlanb 
fchon oerein 3 elt eingefübrt; eS fönnte alfo garnid[)tS fchaben, menn 
fid) auf biefe Vkife ein freimilliger meiblicher Auffichtsbienft heraus* 
bilbete." 

Attmrtfung für bie ©etocrbeinfpeftorcit in ©at| ct1l ‘ 

nifterium hat ben £reiSreaierungen eine dntfchliefeung gugehen 
laffen, roonach bie $hätigfeit ber ©emerbeaufficht auf folgenbe 
fünfte gelenft mirb: ^er SBerfehr ber Beamten mit Arbeitgebern 
unb Arbeitern ift roeiter 311 pflegen, namentlid) foU auch ben Ar* 
beiterinnen ©elegenheit gegeben merben, ©üttfehe unb Vefdjioerben 
ben rceiblichen Hülfobcamten ber ©emerbcaufficht Dorgutragen. ^ie 
jährliche SReoifion bat minbeftcnS bie Hälfte ber fabrifmäßigen unb 
ber über 5 Arbeiter befdjäftigenben banbmerfmäßigen betriebe 311 
umfaßen: in ben Aufficbtsbegirfen mit aufeergemöhnlid) gablreichen 
banbmerfmäßigen betrieben ift jährlich minbeftcnS bie Hälfte ber 
mit ÜRotoren arbeitenben gu oifitiren. $)ie beibeit roeiblichen 
HülfSbeamten, benen als Hauptaufgabe bie SReoifion ber betriebe 
mit auSfdjlicßlicb ober oormiegenb meiblicher Arbeiterfd)aft gu* 
gemiefen ift, merben fiinftig and) 3 ur ^eoiiton anberer betriebe, 
in benen Arbeiterinnen in geringerer 3 a hl unb jugenblidje Arbeiter 
befdjäftigt merben, unb gur Beobachtung unb drhebung ber Ber* 
öältniffc in ber HauSinbuftrie herangegogen, foroie bei ben im 
lanfcnbcn 3abre oorguneljmenben drmittclungen über bie Befcbäfti* 
gung ber Frauen in ansgebebntem Btaße oerroenbet. 2)er lieber* 
madjimg ber Bcfcbäftigung oon Stinbcrn unb ber Bcfeitigung ber 
fid) hierbei geigenbeu IRißftänbe ift fortgefefcte Aufmerffamfcit gu* 
gumenben, namentlich ift auf bie italienifcbcn jugenblid)eu Arbeiter 
in 3iegeleieit befonbcreS Augenmerf gu ridjten. Für bas 3al) r 1899 
finb bie Spegiafcrfjebungen für baS Sibmiebebanbroerf gu pflegen. 
Für eine mirffamere Haitbljabung ber Sdjußoorfdjriften im Bau* 
geroerbe ift Sorge gu tragen. Alle auf Bcfchaffung groerfmäßiger 
unb biüiger Arbeitermobnnugen gerichteten Befircbuitgen füllen 
auf’s ilräftigfte nuterftiißt merben. 

Schuh für Bauarbeiter in Augsburg. 3)er Augsburger 
IRagiftrat ift oon ber ^Regierung oon Sdjmabeu auf Reifung bcS 
bai)erifd)en BtinifteriumS bes 3unern I)iit aufgeforbert morben, 
ortspoligeilidje Borfdiriften gu erlaffen, gum 3 l uecf ber Unfall* 
oerhütuug bei Bauten unter Bcfeitigung oon Btißftänbcn im Bau* 
geroerbe, ©cforbert mürben Borfcbriften barüber, baß bei AuS* 
fübruiig oon Arbeiten im 3ancrn eines AcubaueS gur SiuterSgeit 
2:büren unb Fcnfteröffiuiugen menigfteuS prooiforifch oerfd)loffeit 
merben miiffeu, ferner, baß in Siämncn, in benen offene Roljlcn* 
ober doafsfeuer flohen, nidjt gearbeitet merben bürfe, baß fotefte 
Bäume oon anberen Bäumen, in benen gearbeitet mirb, abge* 
fdjloffen fein nuiffeu unb nur oon perfonen, bie bie Finnig 
bebicucn, betreten merben biirfen: fdjließlid) mirb geforbert, baß bet 
Bauten Aborte für beibe ©efdjleditcr unb lluterfunftSräume an* 
gebradjt merben. £cr Bia g ift rat bat inbeffen biefer Aufforberung 
bes BiiiiifteriumS nirf)t in oollem Umfange entfprodien. 

©cfcülidjc Einführung beS elfftünbigeu SWajimal-ArbeitStageS 
in Jyrnnfreich mirb burd) einen Antrag ber 2)eputirten Loper unb 
Bogeg ©egenftanb parlamcutarifdjer Berbanbliiugett merben. Qi e 
Antragfteller erflären fid) im ^ringip für baS 3 ’ebnftünbtge gefeb* 
lidjc Biarimum unb befürmorteu baS elfftüubigc nur als lieber* 
gangsmaßregel. _^er erftrebte gcfeßlidie Sd)iiß foU allen Arbeitern, 

| and) beit ermadifenen mätinlidien, 311 Ibcil merben. Bcmerft mag 
i merben, baß ein Xefret ber prooiforifdjen Begicrnng oon 1848, 






4r>:> 


baS meßr als 3 wölfftünbige Befcßäftigung oerbietet, nodj in 
Geltung fteßt. 

Befonbercr gefeßfitßer Stßuß ber icKner itt SJrattfretd) wirb 
bur<ß eineft oon fogialiftifdjen 2 lbgeorbneten geteilten Antrag in 
ber ‘beputirtcnfammer angeftrebt. S)er Antrag ftellt ficf> bar als 
ein birefteS Ergebniß ber Bewegung unter ben ^Sartfer HeHnern, 
oon ber wir in „ 0 O 3 iale BraftS" 9fr. 7 Sp. 173 b. 33. berichtet 
l)aben. $>er Antrag, ber übrigens auch in ber Ießten Degislatur- 
periobe einen Vorgänger batte, ©erbietet einfad^ jebe Abgabe ber 
Kellner an ben Unternebmer, unter welchem Xitel unb welcher Be- 
grünbung fie in ben ArbeitSocrtrag eingefüßrt werben mag ober 
tonnte, unb fefet 0trafen bis 311 200 3rcS. auf Hontraoentionen. 


^rbcUcmrrndjernng. öpathaflen. 

OrtSfranfeufaffcn, ftaffettOorffönbc unb SdpebSgericßtf* 

2 Bir erhalten aus Sranffurt a. Bf. oon einem angefeßeneu 
Sabrifanten, $)errn BÖ- $er 3 - s DfillS, Borftanb ber fyranffurter 
Scßuhfabrif 21-©. norm. Otto §er^ & (So., eine 3ufcßrift, ber wir 
mit ber Erflärung Baum geben, baß unfer ÜBIatt auch einer Er* 
mibernng offen ftebt. $>er Einfenber, ber feit 2 l /2 Sabren beut 
Borftanbe ber Allgemeinen DrtSfranfenfaffe angebört, fchreibt uns 
golgenbeS: 

$ie Ausführungen beS Borfißenben ber Snoalibitäts- unb 
AlterSoerficberungSanftalt Berlin über bie Berfcßme^ung oon 
Hranfen- unb SaoalibitätSoerficßerung (ogl. 9fr. 14 ber „Sozialen 
BnpriS") haben in allen beteiligten Greifen berechtigtes Auffeßeit 
ßeroorgerufen. $er Xabel, ber barin über bie feitberige Drgani- 
fation ber Hranfenfaffen auSgcfprochen wirb, ift allerbings oon 
einer großen politifcßen 3 e ü un 9 (ber „Öranffnrter 3 e üung") miß* 
billigt worben.*) 3a ber ^auptfaeße ftüßt fich aber ber Artifel 
biefeS Blattes auf bie lofalen Berhältniffe, fo baß ein Unein¬ 
geweihter bie Qfranffurter DrtSfranfenfaffe als leuchtenbes Beifpiel 
ber Drganifation biafteKen fönnte. (iS bürfte baber intereffant 
fein, barauf biasuweifen, baß bie Qranffurter DrtSfranfenfaffe 
feßwere Kämpfe bureßgemaeßt bat, ehe fie 31 t ihrer gegenwärtigen 
Entroicfelnng gelangt ift. 0o lange bie organifirten Arbeiter ber 
DrtSfranfenfaffe unfputpathifcß gegeniiberftanben, war bie Ber- 
waltung 1)kt eine nabe 3 U rein perfönlicße, unb 3 war beS Bor¬ 
fißenben. $)ie übrigen BorftanbSmitglieber, gleichviel ob Arbeit¬ 
geber ober Arbeitnehmer, fcßloffen fich m ©roßen unb ©an^en ben 
Borfcßlägen beS Borfißenben an, ber 3 war mit großem-<5leißc unb 
mit Dpferwilligftit, jeboeß Ieiber ohne finanzielle (Erfolge bie ©e- 
febäfte leitete. 3m 3<*h rc 1895 farn auch bei ber Sranffurter DrtS¬ 
franfenfaffe bie „Sturm- unb $)rang 3 eit". $aS fozialbemofratifche 
©ewerffcßaftSfartell, unterftüßt burch bie außerordentlich ungünftige 
ginan 3 lage ber Haffe, unternahm einen regelrechten Anlauf gegen 
bie Berwaltung unb erlangte bie Bfajorität im Borftanb burch 
gwölf Haffemnitglieber, bie alle ber fo 3 ialbcmofratifcßsgerocrffd)aft- 
Iicßen Drganifation angebörten, wäbrenb bie fed)S 2lrbeitgeber unter 
ben fchwterigften Bcrbältniffen ihres Amtes walteten. 

Als im $erbfte 1896 gelegentlich ber Stabtocrorbnctenwaßl 
eine 9 foti 3 burch bie Blätter ging, wonach bie Einführung ber 
freien A^iwaßl unb anbere organifatorifche Berbefferungen mit 
bem Hinweis auf ben ausschließlich fo 3 ialbemofratifcßen 
Eßarafter ber Berwaltung fommentirt würben, entftanb unter ben 
Arbeitgebermitgliebern teS BorftaubeS eine berechtigte Entrüftnng, 
bie nach vielen unb heftigen Erörterungen 3 um enbgültigen 21 us- 
feßeiben ber Arbeitgeber aus bem Borftanb bergranf- 
furter DrtSfra nfenf affe führte. Sed)S BJocßen laig bauerte 
biefer 3 uftanb. 3)a oerfammelten fich abermals bie Arbeitgeber, 
unb es gelang ihnen, feeßs Betbeiligte 3 U oeranlaffen, in bem Bor- 
ftanbe ber DrtSfranfenfaffe Blaß 3 U nehmen. Es fann nun allerbings 
nid)t beftritten werben, baß bie 2 lrbeitgeber wäbrenb eines 3 eit- 
raumS oon 2 l /-2 3ab ren troß ihrer Minorität einen maß- 
gebenben Einfluß auf bie Haffengefcßäfte gehabt haben, 
unb eine Bfajorifirung burch bie gewerffd)aftlid) organifirten 
Haffenmitglieber nid)t oorgefommen ift. Beibc Xf)eile haben es 
oeritanben, burch gegenfeitigeS BSoßlwoIIeu praftifche Erfolge 311 
erzielen. 00 oerbanfen wir biefer BerwaltungSperiobc neben ber 
Abschaffung beS HlebefpftemS bie 2luSbebnung ber Hranfenunter- 
ftüöung auf 60% beS burchfchnittlichcn XageSoerbietifteS wäbrenb 

*) Dr. ^rcunb hat in ber ran filtrier äeitung" 9?r. 17 eine Etü 
wibernng oeröffentlichh bie feine früher in ben „^renfvtfrfjen ^ahr* 
büdhern" unb jept in ber „Skalen ^raris" publi^irten Anlichten nodj- 
malö furz jufammenfaht unb erläutert. 2ic Acbaftioji. 


ir.l 


26 Blochen, bie Berminberung ber Harer^eit oon 3 auf 2 Sage, 
bie Ermäßigung ber Beiträge oon 3 1 /-.» auf 3 74 %, ein obligatori- 
fcbeS Sterbegelb für grauen unb Hinber beS Berficherten, unb 
enblich bie Einführung beS proportionalen BkihlfpftemS für bie 
EleneraloerfammlungSoertreter. 

Aus biefem oereinselten BerwaltungSfall jeboch allgemeine 
Schlußfolgerungen 3 U 3 tehen, bürfte nicht angehen; im ©ro|en unb 
©an 3 en ift bie feitberige Drganifation ber Mranfenfaffe 
(% 2lrbeitnehmer, V 3 Arbeitgeber) unbebingt fozialpolitifch 
311 oerwerfen. 3roar werben bie Arbeiter felbft bis aufs Aeußerfte 
fämpfen unb gerne ben hoppelten Antheil an ber Hranfenoerfiche- 
rung tragen, nur um bie Btajorität in ber Berwaltung 5 U behalten. 
AnbererfeitS bürften geliube barüber entitehen, ob bie 

Arbeitgeber ohne Breiteres in eine gleiche Steilung ber Beiträge 
willigen fönnten, ba an unb für fich gerabe bie Hranfenoerficherung 
bie erheblichften Saften für bie Unternehmer unb eine auf Rarität 
ber Beiträge berußenbe Erhöhung berfelben bei oielen 3nbuftrieen 
immerhin eine ©efährbung ber Monfurrenjfähigteit gegen¬ 
über bem 2luSlanb mit fich bringt. Bei ber Hranfenoerficherung 
hat ber Unternehmer einen mehrfachen Schaben; er jahlt bem ge- 
funben 2 lrbetter einen Xh^ü ber Berfidjcrung, oerltert aber bei 
eintreteuber Hranfheit oftmals eine geübte unb leistungsfähige 
Hraft unb muß folcße bei längerer HranfheitSbauer burch eine un- 
gefdjulte ArbeitSfraft erfeßen, bie ihm abermals einen Beitrag sur 
Hranfenoerfichernng foftet; im 3noalibitätSfade hingegen fteht bent 
Unternehmer bie 2lrbeitSfraft fo wie fo nicht 3 ur Berfügung, unb 
er hat mithin weber mit einem 2lusfall noch mit einem Erfaß ber 
betreffenben 2lrbeitSfraft 3 U redhnen. 

4)er ©ebanfe, ben Borfiß ber Berwaltung burch eine un- 
pa_rteiifd)e $crfott befeßen 3 U laffen, bürfte in ben Greifen ber 
Haffenmitglieber befonberS unfpmpathifch berühren, ©egenwärtig 
ift es Sacße ber 2luffichtSbehörbe, ben jeweiligen Sißungen beS 
BorftaubeS an 3 uwof)nen unb etwaigen Ungefeßlichfeiten in ben Be- 
fcßlüffen entgegen 3 uwir!en; im Uebrigen aber bleibt bie Selbft- 
oerwaltung unb barnit auch ArbeitSfreubc ber Haffenoorftänbe 
beftehen. 

Bun aber haben bie SRemfd^eiber Borgänge gezeigt, baß es 
3 wifd)eu Aer 3 ten unb ben Haffenoorftänbcn 3 U Monfhften fommeu 
faitn, welche bie Auffid;tsbehörbe mangels geeigneter gefeßlidjer 
Bestimmungen nicht 3 U fdjlicßten oermag. Es bleibe bapingeftellt, 
ob bie Bemfd)eiber Aeqte bureß if>re SolibaritätSerflärung unb 
ben Streif ihrem Stanbe eine befonbere SSohltßat erwies'en haben, 
ba fcßließlid) biefes Borgehen recht wohl mit einem Streif gewerb¬ 
licher Arbeiter oerglichen werben fann. Smtnerßin ift es ißflicßt 
ber ©efeßgebung, bie flergte gegen unoerbiente Bfaßregelung 
ber Haffeitoorftänbe 3 U fü)üßen. s Dtan mag erwibern, baß ein 
Haffenoorftanb nicht leichten §er 3 enS einen berufenen Berlreter ber 
2Siffenfchaft auSftößt; allein bie Bebenfen, welche bie 9temfcheiber 
Borgärtgc in allen betheiligten Streifen, wie aud) jüngft bei bem 
königlich Säihfifdjen Bteb^inalfollegium h e raorgerufen haben, 
müffen über fui ‘3 ober lang boeß 3 u einer S^eoifloit beS Hranfen- 
oerfidjcruugSgefeßeS führen. Ee* ließe fid) fyin oielleicßt auf bem 
B5cge eines Scßiebsgerichts, welches paritätifcß aus Haffcnmit- 
gliebern, Arbeitgebern unb Aerzten 3 ufammengcfeßt ift unb oon 
einem dichter präfibirt ift, eine ernfte Streitfrage in gleicher BJeife 
löfen, wie bieS bei Xifferenzen 3 wifchen gewerblichen Arbeitern unb 
Unternehmern gefeßieht. 

Aud) bie Beamten erstreben eine größere Unabhängigfeit oon 
ben Majoritäten ber Haffenoorftänbe. ^er Beweis bürfte nidht 
feßwer 3 U erbringen Sein, baß gerabe bie Beamten am meisten unter 
ben gegenwärtigen BerwaltungSoerhältniffen 3 U leiben haben, ob¬ 
wohl aueß bas Seitherige Spftem geniigenb Bcifpiele aufweift, um 
mand)e Bebenfen ber .siaffeubcamten 311 wiberlegen. So ift 3 . B. 
bei ber Jvranffurter Crtsfranfcnfaffe Borfcßrift, baß fein Beamter 
mit einer längeren HiinbigungSfrift als brei Bfonate angeftettt 
wirb, unb boeß ßat fuß auf biefe Bkife ber Bureauoorfteher troß 
ber oielen Btetamorpßofen ber Berwaltung bas Bertrauen ber 
f äm m 11id) en feit 13 Salden amtirenben St a f f e n o 0 r ftä n b e 311 
erhalten oerftanben. 3 mmerßin aber lehrt bie i^rapis, baß für bie 
'Beamten ber Drtsfranfenfaffen gleichfalls gcfeßlidie Bestimmungen 
notmenbig werben, bie bei ernsteren Monfliften eine frieblicße Üöfiuig 
ber Differenzen herbei 3 iifüßren oermögen. Aucß bafxir mag ber 
©ebanfe eines ScßiebSgcricßts in Erwägung 311 ziehen fein. 

Aranffurt a. Bf. B b. v» e r 3 - Bi i 11 *. 

Unfattüerßütnitß in Dcfterreicß. 3Me öiterreidiifdje Regierung 
ßat eine fpe 3 tellc Unfallocrhütungs-Moinmifiiou gefcßaffcii, in ber 
nidjt bloß BerwaltungSbeamte unb Xedjnifcr, fouberu aud) ilnter- 


riv>iale Braris. Eentmlülatt fiir r o.üalpolitif. 2fr. 17. 



4'.:» Soginle $vayi$. deiifralhlatt fiir Soginlpolitif. Ar. 17. 4T.r» 


nehnter unb Arbeiter Siß unb Stimme erhalten füllen. Siefe 
Kommiffion foll namentlich bei ber in Vorbereitung befinblicßen 
Reform beS llnfaEfoerficßerungSgefeßcS gur Mitarbeiterfcßaft heran* 
gegogeit roerbcit, inbem bie bei ber llnfaHoerhütung gemalten dr* 
faßrungen fobifigirt roerbeu füllen. 

Vopfottirong toan Apotßcfer tmrd> Arbeitcrfranfenfaffen. Seit 
langer ^eit bereite führen bie Miener Traufenfaffen Klage über bie 
hülfen greife, bie fie ben Apotßefen für Mebifamente gaßlen muffen. 
Sa aber nunmehr bie Apotßefen bie ben Staffen gewährten Ve* 
güuftigungcn gum Sßeil nod; eingefeßränft fabelt, ift ber Verbanb 
ber gcno|fenfdhaftlid)eu tfranfenfaffen mit einer Vopfottirung ber 
betreffenben Apotßefen — eS finb bieS meßr als bie Hälfte ber 
in Mien beftchcuben 105 Apotßefen — oorgegangen. liefen Apo* 
tßefen ging feiteuS beS VerbanbeS bie Verftänbigung 311 , baß auf 
Vedjtiung beS VerbanbeS gelieferte Mebifamente üon ber VerbanbS* 
faffc nid)t meßr ßonorirt merben. 


^rbcitsnadjniete. 

Ser ArbeitSttacßroeiS ber Vrauereien in Berlin unb feine ©efcßidjte. 

dine Verfammlung beS berliner VraugeroerbeS, roie fie in ber 
©efcßidjte ber Arbeiterberoegung eingig bafteßt, fanb am 15. Sannau 
in bem großen Saale ber Vrauerei ßriebricßsßain ftatt. Saufenbe oon 
Vrauereiarbeitern ftanben Kopf an Kopf gebrängt, mährenb am 
VorftanbStifcße Vertreter ber oerfeßiebenen Vrauereien Vlaß ge* 
nommen Ratten. ds ßanbeltc fid) «m Vefcßlußfaffung über 
Aenberung beS Statuts beS ArbeitSnacßroeifeS, roelcßer befanntlidj 
beim Abfcßluß beS großen VierfrtegeS dnbe 1894 begrünbet mürbe. 
Sen Vorfiß in ber Verfammlung führte ber Dbmaun bes Kura* 
toriumS Dr. jur. 5' re unb. dr erläuterte bie Aenberungen ber 
Saßnngen, roelcße 3 ur Vefeitignng ein 3 elner Mißftänbe beitragen 
unb bie bisher bureß ben auf gleichmäßiger ©runblage 
organifirten ArbeitSnacßmeiS gefeftigten guten Ve* 
Ziehungen groifeßen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer noch 
meiter ftärfen mürben. 9?adj fur^er Vefprechung erfolgte bie 
Annahme fämmtlicßer Aenberungen in Vaufcß unb Vogen unter 
lautem Veifatl. hierauf erhob fich Kornmergienratß Aoeficfe unb 
brüefte feine Vefriebigung über ben Verlauf ber Verfammlung aus; 
bie Aenberungen gereichten ben Arbeitern gum Vortheil, aber auch 
ben Arbeitgebern nidjt jum Vacßtßeil. Auf beiben Seiten fei mau 
fich entgegengefommen, unb nur burd) folcßeS dntgegenfomuien 
fönnten Kämpfe oermieben merben. So merbe ber ArbeitS* 
nadjroeis ein £>ort beS griebens fein. 3 u *n Schluß banfte 
Herr Aoeficfe bem Dbntann, H errn Dr. Sreunb, für feine laug* 
jährige ßingebungSooüe Sßätigfeit unb forberte bie Verfammlung 
auf, fich 311 m 3 c id) en bcS SanfeS oort ben Päßen S u erheben. 
Ser Verlauf ber Verfammlung gab ein glän^ettbeS 3eugniß oon 
ben mohlthätigen Mirfungen beS 3”f^^enarbeitcuS oon Arbeit* 
gebern uitb Arbeitnehmern in ben parüätifcß organifirten ArbeitS* 
nachroeifen. 

So ein Vcricht in ber SageSpreffe, hoffen Vicßtigfeit uns gu* 
ftänbigerfeits betätigt mirb. Ser ohnehin bebeutfame Vorgang 
erhält aber noch ein befonbcreS ©epräge, menn mir bie Vor* 
gefcßidjte betrad)ten. Schon feit 1890 hat ein ähnlicher Arbeite 
uadjroeis für baS Verliner Vraugeroerbe beftanbeit. 9?ach 23 e* 
enbigung beS bamaligcn Streifs unb Vopfotts mar unter 
AocfirfeS Leitung ein entfprecßenbeS Statut mit ben Arbeitern oer* 
einbart rcorben,* baS unmittelbar barauf in Kraft trat, aber an 
bem Mangel litt, baß an ber Spiße beS ben ArbeitSnacßmeiS 
iibermachenbcn Kuratoriums fein Unparteiifcßer ftanb. Sie 
Kämpfe um ben Vorfiß unb bie über baS berechtigte 9Jtaß hinaus* 
gehenben Jorberungcn unb Srohungen ber Arbeiter oeranlaßten 
ben Verein ber Vrauereien im 3^h re 1892, baS Statut felbftänbig 
ab. 3 uänbern unb für fieß nidjt nur ben Vorfiß, fonbern auch beffen 
Stcfloertretung in Atifprud) 3 U nehmen. Vci Veginn beS großen 
Vopfotte im S^hve 1894 (15. Viai) mürbe biefer bis baßin be* 
ftanbene, immerhin nod) auf paritätifeßer (9runbtage infofern 
bernbenbe Arbeitsnacßrocis, als ebenfooici Arbeiter roie Arbeitgeber 
im Kuratorium faßen, aufgelöft, 11 m eine Viaffe in bem begonnenen 
Kampf itt Rauben 31 t haben. Als itad) fiebenmonatlidjer Sauer 
biefes Kampfes auf beiben Seiten baS Vebiirfniß nad) ^rieben fid) 
gcltenb maeßte, nercinbarte ber Verein ber Vrauereien mit Selegirteu 
beS nidjtfo^ialbemofratifdieit Verliner Vrauergcfellen*VereiuS ein 
neues ArbeitSnacßroeiSftatut, melcßeS als (Kruublage fiir bie benor* 
ftebenben m*iebenSoerhanblungen benußt merben füllte. Veoor 
biefe ihren Anfang nahmen, oerfidjerten fid) bie Vertreter ber 


Arbeitgeber beS VeiftanbeS beS Dr. Sreunb, ber auf Anfrage fid) 
bereit erflärte, als unparteiifcher Dbmann beS Kuratoriums 3 U 
fungiren. Am 24. Se 3 ember 1894 fam ber griebenSfcßluß gu 
Staube; ber erfte ißunft ber Vereinbarung betraf be« ArbeitS* 
naeßroeis, ber feßon am 1. Sanuar inS Seben treten foHte. Aber 
es beburfte tnaneßer biplomatifcßer Vlittel, um bie beiben Parteien 
gur 9tatißfation beS neuen Statuts gu bemegen. Sie Arbeitgeber 
ftanben bem ArbeitSnacßmeiS in feiner neuen ©eftalt mit Veforgniß 
gegenüber, roeil fie ein SRacßtmittel aus ber £>anb gu geben 
füreßteten. Sie Arbeiter ßatten ißn groar guoor angeftrebt, hielten 
ißn aber jeßt für ungenügenb unb ißnen abträglicß. Auf beiben 
Seiten gelang es nur mit Vtüße, baS Mißtrauen foroeit gu be* 
fiegen, oaß ber ArbeitSnacßmeiS auf ber neuen ©runblage — 
paritätifcß mit unparteiifeßem Dbmann — ins Seben trat. 

Unb nun oergleicße man mit biefen Vorgängen bie obige 
Scßitberung! Dßne dinmirfung oon Außen ßaben jeßt bie Arbeit* 
geber mit allen gegen eine Stimme bie Aenberungen beS Statuts 
bemilligt, mit £>urraß haben bie Arbeiter gugeftimmt. Ser Scßlüffel 
ßiergu liegt in ber Sßatfacße, baß eben beibe Sßeile in ben oer* 
floffenen oier Saßren an fieß erfahren ßaben, mie gut fie fieß bei 
biefer dinrießtung fteßen. Sic ©ef^id^te beS ArbeitSnacßroeifeS 
für baS Vraugemerbe in Verlin beroeift unroiberleglicß, baß gerabe 
bie Snftitution beS ArbeitSnacßroeifeS fieß immer oon feuern als 
ein gmeifcßneibigeS Kampf* unb Machtmittel, aber gualeicß aueß als 
ein fegenSreicßeS 2öer!geug für ben fogialen grieben_ be* 
roäßren fann — je naeßbem ber ArbeitSnacßmeiS auSgeftaltet 
unb geßanbßabt mirb. öoffentlicß ßnben biefe Vorgänge im 
AeicßStag bei Veratßung beS Antrages auf gefeßlicße drrießtung 
gemeinbfießer ArbeiiSnacßroeife bei ben Abgeorbneten unb am 
VunbeSratßStifcß bie gebüßrenbe Veacßtung. 


€tjicl)ung trab ßtlbtrag. 


Hebet VolfSßanSßaltntigSffßnlen. 

diner ber roießtigften ßortfeßritte auf bem ©ebiete ber Önmen* 
ergießung ift bie drrießtung oon |>auSßaltungSfcßulen für bie 
$öd)ter ber ärmeren Klaffen. AHermärtS in Seutfcßlanb ßat fieß 
bie llebergeugung Vaßn gebroeßen, baß eS nießt nur ein Vebürfniß, 
fonbern eine groingenbe ^otßroenbigfeit geroorben ift, ßauSmirtß* 
fcßaftlicßen Unterricht gu ertßeilen: man miü beffere Hausfrauen, 
tücßtigere Sienftboten babureß ftßaffen. Vor allen Singen miü 
man aber bie ßäuSlicßen Verßältniffe ber Arbeiter oerbeffern, inbem 
ißnen Hausfrauen ergogen merben, bie mit befeßränften Mitteln 
gute unb fräftige Aaßrung bereiten !önnen, bie gelernt ßaben mit 
©elb unb ©ut fparfam umgugeßen! bie ißre Hausfrauenarbeit gern 
oerrießten, roeil fie fie oerfteßen unb bem Manne AbenbS, menn er 
mübe oon ber Arbeit ßeimlommt, ein freunblicßeS ©efießt geigen 
merben, nid)t niebergebrüeft oon einer ArbeitSlaft, ber fie fieß nießt 
aeroaeßfen fiißlen. Sie merben, menn fie für ißren Veruf auSge* 
bilbet finb, im Haufe gern eine geroiffe Veßaglicßfeit oerbreiten, bie 
eine 5rau, aueß in flemen Verßältniiieu, ergielen !ann bureß Sorg- 
famfeit unb Verftänbitiß für bie drforberniffe beS HauSßaltS. dS 
unterliegt feinem 3 rce if c ^ ^ a ß ein ßößerer Öoßn bie Sage ber Ar* 
beiter nur bann gu heben oermag, meint ini H fl ufe baS einge* 
nommene ©elb aueß richtig oermertßet mirb. Seiber ift bieS aber, 
roie Seber meiß, ber fieß mit Armenangelegenßeiten befcßäftiat ßat, 
nießt ßäufig ber 3faH; meiftenS feßlt ber 3rau oollftänbig bie lieber* 
fid)t über $reis unb ©iite ber ÜBaare, aueß bie Kenntniß beS 
AäßrmertßeS ber Speifen. Sie folgt ber alten Srabition: baS gu 
bereiten, maS am bequemften ift, roie Kartoffeln, H er iug, Kaffee, 
Vutterbrob. Mer bie Kontrole über eine HauSßaltungSfcßule gu 
füßren ßat, meiß gang genau, mit raelcß altoäterifcßen Anfcßauunaen 
bie Mäbcßen gur Änftalt fommen, roie feßmierig eS ift, ißre Ve* 
riffe über bie Micßtigfeit ber drnäßruna gu Hären. Unb boeß ift 
aS förperlicße ©ebeißen oon Mann uno Kinb in bie Hanb ber 
grau gelegt; bem 3uföü bleibt eS meift überlaffen, ob fie biefen 
Artfprücßen genügt. 

Soll ba »©anbei gefeßaffen merben, fo miiffen bie Mäbcßen 
frjftematifcßen Unterricht in ber MirtßfcßaftSfüßrung erßalten. dine 
Aeiße oon Seßrfurfen finb in Seutfdßlanb gu biefem 3 roe ^ e iu s 
gerichtet morben; aber über ißre befte AuSgeftaitung, über bie 
möglidjft praftifeße drreid)ung beS oorgefeßten 3^ e§ / 9 ?ßen bie 
Meinuiigcu naeß oerfdiiebeneit Seiten auSeinanber. Mäßrenb bie 
Anhänger ber einen Änficßt ben rcirtßfcßaftlid)en Unterricht in bie 
Volfsfcßulc oerlegcn rooüeu, feßen bie Vertreter ber anberen Mei* 
nung ben eingig richtigen Meg in ber drrießtung folcßer felbft* 
ftäubiger HauShaltungSfcßulen, melcße bie Mäbcßen naeß abge* 


457 


@osiale ^rajte. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 1". 


458 


laufener ©tulgeit aufnehmen, fic bafür aber in aßen 3meigen ber 
Haushaltung unterweift. ©eben wir gu, weite non beiben ©in* 
rid)tungen baS 3 ^ tüchtige Räbchen auSgubilben, am grünblid)ften 
erreicht, unb bei weiter auch ber ibeefle duften eines ergiebigen 
©influffeS auf Äopf unb £>erg am ftärfften ift. 

Vielfach finb bie Neftoren ber Bolfsfdjulen um ihre Slnfitt 
in biefer ©adje befragt worben; bie Berftiebenheit ihres Urteils 
hat wohl ihren ©runb barin, bah fie niej^t bie guftänbige Autorität 
gur Beantwortung ber Srage finb: ob bie ©rwerbung wirthftaft* 
lieber Äenntniffe einmal wöchentlich, oerbunben mit praftifter 
Uebung, oon ©tulfinbern geleiftet werben fann. ®iefe fragen 
fönnen hoch nur tüchtige Hausfrauen beantworten, welche eine er** 
fahrungSmäfcige lleberficht über bie Äenntniffe auf hau^roirthfc^aft* 
tichem ©ebiete haben, eine Ueberfitt, welche ben SNännern ooß* 
ftänbig fremb ift. S)ie Neftoren fönnen hoch nur im ©tanbe 
fein gu beurteilen, welche UnterrichtSgegenftänbe eingufchränfen 
finb gu ©unften ber $otftnle, benn felbft bie Beauffittigung ber 
Sehrerinnen ift für fie eine Unmöglichfeit. 

$)er hauSwirlhftaftlite Unterricht ber ©djulftnber ift natur* 
gernäfi ein an 3eit unb Sehrftoff befchränfter, er wirb entweber 
(wie in Gaffel, ©hemnifc) wöchentlich einmal Vormittags, unter 
Äürgung beS 3eitnen* unb §>anbarbettöunterridhts, ober an gmei 
ftulfreien Nachmittagen (Karlsruhe, 3micfau) einer Slngahl oon 
©chiilerinnen ertheilt. $>aS einzige, ihm gefteefte Sehrgiel ift baS 
Wochen, oerbunben mit theorettfdjer Unterweifung; S)ie ©dhul* 
finber lernen währenb eines 3ahreS, in 40—80 ©tulftunben, 
©uppen, wie auch einfache ©emüfe mitgleifch foten; fiebefommen 
©inficht in bie theoretifchen Sfenntniffe unb in bie Bereitung unb ben 
Nährwerth ber ©peifen: aber fie lernen weber baS Söafihen 
noch baS Vlatten ber B$äfte, noch baS fo wichtige SluSbeffern 
gebrauchter BSäfte unb Kleiber, ebenfowenig werben fie im Neinigen 
ber 3immer unterwiefen. 3n aßen biefen Sehrgegenftänben ift 
weber 3 e it noch auSreithenbe ftörperfraft ber ©cfiulfinber oor* 
hanben, fie ftehen in ben beiben oberften klaffen ber BolfSftule 
in bem wichtigsten ©tabium ihrer geiftigen unb förperliten ©nt* 
wicflung, in bem naturgemäß ihre Seiftungsfähigfeit h^abgefe^t 
wirb, oft bis gur ©chlatfheit. Slufierbem finb fie burch ben fton* 
firmationSunterricht ftarf in Slnfpruch genommen unb baS mit 
ooßem Nett: benn er foß ihnen für bas gange Seben eine Sorbe* 
rung ihrer HergenSbilbung unb ifireS religiöfen ©inneS geben. 

©efien wir uns nun ben Unterricht in einer, nur für ftul* 
entlaffene 9Räbtf)en eingerichteten HauShaltungSfchule an, wie fie 
u. a. in Seipgig befteht. 2>ie Ntäbten finb bort fünf £age in ber 
SBoche täglich oier bis fünf ©tunben beschäftigt; fie lernen ungefähr 
60 einfache ©eriefite fochen, beren Bereitungsweife fie in ein Buch 
eintragen nebft Angabe ber ftoften für bie 3nthaten. ©ie müffen 
ferner ©peifegettel für mehrere SBochen anfertigen, wobei baS aus* 
jugebenbe ©elb nicht überfchritten werben barf; fie lernen alfo nach 
ben Berhältniffen fich einrichten, lernen berechnen, wie bie theurern 
©peifen fich am ©nbe ber 28ote mit ben bißigeren auSgleiten. 
©ie lernen, oont Seuermaten an, aße ©eftäfte, welche bie Be* 
forgung ber Stüte mit fit bringt unb werben gur größten ©auber* 
feit im Neinhalten ber ©efäße unb beS gußbobenS angehalten. 
Sußerbetn müffen fie waften, plätten (aut ©lärfwäfte, wie ©ar* 
binen unb Borfiembten) unb bie 3imraer ber Sehrerinnen reinigen. 
©S wirb ferner großes ©ewitt gelegt auf bie im Haushalt fo 
wittige föenntniß beS ©rßaltenS oon Btöfte unb ÄleibungSftücfen; 
bie SRäbten lernen beshalb grünblit baS ©topfen unb ^liefen 
an alten, gebrautten ©tüdfen, wie baS gu einer fparfamen HauS* 
frau gehört. 

BSenn wir nun nat biefer Xarfteßung ber beiben ©pfteme 
beS bauSwirtbftaftlit cn Unterritts eine Hausfrau fragen, oon 
weiter ©attung oon ©tülerinnen fie einen $)ienftboten entnehmen 
mötte: auS bem BoIfSftulunterricht, in bem bie ÄHnber an gwei 
Natmittagen wötentlit, unb nur im $fr>ten unterrittet werben, 
ober aus Der Sehranftalt für ftulentlaffene NRäbten, bie währenb 
eines halben SahreS in fünf ©tunben täglit, mit aßen 3meicjen 
ber HauSwirthftaft befannt unb oertraut gemacht würben unb ihr 
ganges Sntereffe unoerfürgt burt anbere Slnfprüte bem Unterritt 
ooß guwenben fonnten? ©S wirb wohl Niemaub zweifelhaft fein, 
wie bie Antwort ber Hausfrau auf biefe Stage ausfaßen wirb; 
fie wirb baS beffer ausgebilbete Ntäbten oorgiehen. 

©in praftifteS Nefultat hat alfo bie Verlegung bes roirth* 
ftaftliten Unterritts in bie BolfSftule nitt gu oergeitnen, benn es 
wirb baburt ber 3me<f nitt erreicht, bie Götter für ben H a uS* 
frauenberuf oollfommen ausgubilbeu. — B$ie fiefit es nun mit bem 
ibeeßen ©rfolg auS, bem ergiehlit en ©influß, ben jebe S»genb* 
bilbung aufweifen muß, aut menn fie praftifihen ^^ielen bient? 


Söährenb in ber ©tulgeit ber öinfiufi auf bie Äinber burt ben 
wirthftaftlit^u Sehrftoff feine Steigerung erfahren wirb, ift ber* 
felbe in ber Slnftalt ein fehr ftarfer. ®enn bie SBirthftaftSftuIe 
ergieht ihre 3äglinge burt bie praftifte Xhätigfeit gur Vfiitl^cue 
aut im kleinen, ba jebe Unattfamfeit unb Natläffigfeit fofort 
fit burt üble ^folgen rätt- tiefer ©influfi wirft um fo nat* 
haltiger, als er burt bie Sehrerinnen täglich ausgeübt wirb unb 
in einem Sllter, in bem bie SNäbten not f c h r cinbruefsfähig unb 
bot feine $inber mehr finb. 

$)er einzige Nu|en beS Unterritts in ber BolfSftule liegt 
barin, baft er obligatorift ift unb baburt oielen gu ©ute fommt. 
^Iber aut biefer Bortheil ift nur ein fteinbarer; ober foßte eS 
mirflit ein Borgug fein, oielen SUnbern eine ungureitenbe 2luS* 
bilbung gu geben, weil bie 3eit für eine grünblite nitt auSreitt? 
Söir meinen, nein! baS oerführt gur Halbheit bes SBiffenS unb gur 
©elbftüberftäfcung: bie ftinber glauben, fertige Sttenftboten ju fein 
unb in einen $)ienft treten gu fönnen; babei werben ©efinbe unb 
Herrftaften aeftabigt. ©0 ift bie Trennung oon ©tulunterritt 
unb Berufsbildung bei ben Ntäbten, wie bei ben Knaben, bot ^°S 
Nittige. 2)enn wenn bie 3ahl ber ©tunben für ben wirthftaft* 
Uten Sehrftoff eine auSreitenbe fein foß, mufi ber wiffenftaftliche 
Unterritt ftarf oerfürgt werben; es ift aber ein grofieS Unrett, 
ben armen SNäbcben ihre fargen BilbungSqueßen not W be* 
ftränfen, während eS ihnen in ihrem fpäteren Seben faum mög* 
iit ift, baS Berfäumte natguholen! 0ft fäßt ber S^tnemmter* 
rid)t gum Dpfer, unb baS ift eine ungerette Berfürgung, benn er 
förbert, aufier ber fehr wünftenSwerthen Sförberung ber H fl nb* 
eftieflitfeit, ben ibeeßen ©influfi eines belferen BerftänbniffeS 
eS ©tönen, baS oon früh an 3ebem gugänglit gematt werben 
foßte. können Unterrid)tSftunben entbehrt werben, wie es nat 
bem' Urteil einiger Neftoren ben Sin ft ein hat, fo gewähre man 
ben $inbern lieber 3eit gu förperliten Uebungen ober gum Sefen 
guter ©triften, weite aufflärenb unb erweitemb auf bie Begriffs* 
weit ber töinber wirfen. 

Bor aßen Gingen aber inufi baS ^ringip anerfannt werben, 
bafi bie Ntäbten baffelbe Nett auf eine tütrtge BerufSbilbung 
haben, wie bie £naben, unb gwar ebenfaßs nad) beenbigter ©tul* 
geit. ©0 wenig eS einem Neftor ber Änabenftule in ben ©inn 
fommen würbe, einen Steil beS Schrftoffes gu beftränfen, um 
bafür ben Unterritt im ©tneibern unb ©tuftern an bie ©tefie 
gu fefeen, foßte man aut ben ßftäbchen bie SluSnüfcung ihrer ©tul* 
unb. Äinbergeit gönnen, wie fit ia iefet überaß baS Beftreben 
geltenb matt, bie Sfinberarbeit gu beftränfen. ©enn bagegen ein* 
gewenbet wirb, bafi ber N?ann fit für feinen Beruf oiel grünb* 
fiter oorbereiten müffe, weil auf ihm fpäter bie ©rhaltung ber 
gamilie lafte, fo überfieht man, bafi, wenn bie 3rau nitt gelernt 
hat, bem Hausftanb gut oorguftehen, mit bem ©elbe auSjufommen, 
in weifer ©parfamfeit baS ©rworbene gu erhalten, fie Den SNann 
an ber gwecfmäfiigen SebenShaltung ber gamilie hmbert, ftatt ihm 
gu helfen, ©in Seber oon uns, ber fit um baS BolfSmohl 
fümmert, weifi, wie nur gu oft bie Unfähigfeit ber 3frau, einen 
Haushalt fparfam gu führen, ben häuSliten grieben in ©efahr 
bringt. Xrofe ber wichtigen ©teßung, weite bie 2frau im wirth- 
ftaftliten Seben einnimmt, befteht not oielfat bei ben Ntännern 
ber ©laube, ber Beruf einer Örau liege fit fo nebenher, gelegent* 
lit, erwerben, fei eS als Hausfrau ober als $>ienenbe. ®aS mag 
früher gegolten haben, bagu ift aber unfer heutiges Seben oiel gu 
fompligirt geworben. H e nt mufi Seber, 9Rann ober grau, mit 
^enntniffen wohl auSgerüftet, an feiner ©teße ftehen, ben Stampf 
mit bem $)afein aufgunefimen. ©erabe biejenigen, bie fit gegen 
bie oergröfierte ©rwerbsthätigfcü ber Öniuen wenben, foßten mit 
aßer straft auf eine grünblite ©rgiehuna fürs H ou ^ eintreten. 
Sluf aßen ©ebieten bes ©rwerbs wirb geflagt, bafi bie 0frauen bie 
Vreife brüefen: fie werben aber nicht ftledfier begahlt, weil fie 
§rauen finb, fonbern weil meiftentheilS ihre Arbeit minberwerthiger 
ift, als bie ber ßRänner; unb fie ift minberwerthiger, weil fie in 
gu furger Sehrgeit erlernt werben mufcte. 

©in fernerer Natteil für bie jungen Ntäbten entfteht, wenn 
ber fo wittige HauShaltungSunterritt gum Slnhängfel ber Bolfs* 
ftule gemaebt wirb, baburt, bafc fie gu früh, 9^t nat ber 
©tule, in baS Berufsleben eintreten; wie oiele Shnber finb aber 
in biefem Sllter geiftig unb förperlit not S u nnreif, gu unent* 
wicfelt, um ben Nnfprüt^n einer H err fth a ft genügen gu fönnen! 
3a, fie ftäbigen fit häufig für baS gange Seben burt ftmere 
Arbeit, bie in ben Safireu ©ift für ben weiblit?n Körper i|t. ©s 
foßte, umgefehrt, auf bie Biütter belehrenb eiitgewirft werben, bamit 
bie ©rwerbsthätigfeit ber Xotter uid)t in ein gu frühes s JUter oei^ 
legt wirb, wo ber Körper not Stonung oerlangt, fonbern biefe 



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460 


<SostaIc prägt«. ©entralblatt für Sogialpolttif. Rr. 17. 


Satyre lieber gum ßeruen oerroenbet werben, (litt Satyr, felbft ein 
tyalbe« Satyr wirttyfctyaftlictyer STtyätigfeit wirb, bei guter Staft, fräf* 
tigenb unb ftärfenb auf bie tyalberroattyfeneu $inber wirfen. 

Ractybem wir alle bie Unguträglictyfeiten, ja, Sctyäblictyfeiten in« 
Auge gefaxt tyabeu, welctye bic Verquicfung gwifctyen Sctyul* unb 
Verufabtlbung in ficty trägt, eutftetyt bie grage, wo ift bie rictytige 
/glätte für bie ©rltyeilung wirttyfctyaftlidjen Ünterrictyte« ? $)iefe 
Stätte ift einzig itnb allein bie gortbilbungSfctyule. Sie letyrt 
bic tyauptfäctylütyften ©rwerbagweige bergrau; unbegreiflictyer 2öeife 
ift aber bi« jetyt ba« wirttyfdjaftlictye ©ebict, troty feiner großen 
Vcbeutung unb Ausbetyuung, baoon auSgefctyloffen. 2)ie jetyigen, 
mcift au« ^rioatwotylttyätigfeit gegrünbeten £>auStyaltung«fctyülen 
finb nictyt au«retctyenb; fie finb nur Pioniere auf biefem gelbe ber 
VolfSergietyung, um welctye ficty ba« ©nbe unfere« Satyrtyunbcrt« fo 
gro&e Verbienfte erworben tyat. §offentücty fotntnen bie ©rfatyrungen, 
welctye biefe prioatanftalten gefatnmelt tyaben, halb einem Unter« 
riebt gu ©ute, eingefügt in ben £etyrplan ber gortbilbungSfctyule, 
geleitet unb beauffictytigt oon guten ßetyrerinneit unb Hausfrauen. 
Sft bann biefer llnterrictyt obligatorifcty unb bie Verbreitung wirtty* 
fctyaftlictyer Kenntniffe eine allgemeine, bann.werben aHntätylicty bie 
Klagen über gunetymenbe ©ntwerttyuug be« gatnilienlebenS ner* 
ftutnmen; gern wirb ber Arbeiter im aut geleiteten Haufe ben 
Abenb oerleben, wo aucty bie §au«frau frötyluty ift, weil fie bie 
ut erlernte Arbeit leictyt unb nictyt au« Unfenntnife mütyfelig noA* 
ractyt tyat. 

• Stn ©inoerftänbnity mit nieten tüctyrtgen Hausfrauen wenben 
wir un« be&tyalb an bie Ieitenben Greife, nor Allem an bie ftäbti* 
fetyen Sctyulbctyörben unb an ben fo tyeroorrageub werfttyätigen 
„Verein für ba« beutfdje gortbilbnngSfctyuImefen" mit ber bringen« 
ben Vitte, biefer Seite ber VJäbctyenergietyung ityre rege Aufnterf* 
famfeit gu fetyenfen, bie fie burcty ityre Söidjtigfeit im Staat«Ieben 
nollauf oerbient. $)enn e« ift eine Sactye non tiefgetyenbem ©in» 
flufe auf bie SRation, bafe bie gufünftigen SRütter für ityren §au«« 
frauenberuf burcty grünblictye Untenneifung gefetyieft aemactyt werben 
unb nictyt burcty tyalbe Vtaferegetn gur g>albtyeit unb feberfläctylictyfeit 
be« SBiffen« gefütyrt werben, wie ba« burcty ben faft fpielenben, 
gang ungutänglictyen Unterrictyt wätyrenb ber Sctyutgeit gefctyietyt. 

Rur bann werben wir ba« gamilienrootyl be« Volte« wirffam 
forbern, wenn wir itym gu oerbefferten ßotynnertyältniffen aucty 
$öctyter unb £>au«frauen au«bilben, bic btefen Öotyn rictytig gu ner® 
werttyen wiffen. 

£eipgig. grau ßottc VHitbfctyeib. 


$«S granenftabimn im ReutySta|r. Vei ber gweiten ßefung 
be« ©tat« tut ReictyStage fnüpften an bie Vefprectyung ber Aufgaben 
be« ReictySamtS be« Snnern eine Reitye non Rebnern ber ner« 
fetyiebenften ^Parteien bie grauenforberungeit an, wie bie toeiblictye 
gabrifinfpeftion, wetblittye Aergte, Veffcrftellung ber Xeleptyoniftinnen 
u. f. w. $)er $ofpitant ber nationalliberalen Partei, Vring H^u™*) 
oon Sctyoenaicty«©aroIatty, ber ficty neben bem freifinnigen Slbgeorb« 
neten Sctyraber am eingetyenbften in biefe grogen nertiefte unb 
neben ber Vorbilbung ber grau für ben Veruf im Haufe burcty 
ffocty*, $au«tyaltung«fctyulen :c. bie Rottywenbigfcit betonte, ben 
grauen ben 3 u 9 a ng sum Stubium gu erleichtern, rief bie ©r« 
flärung be« StaatSfefretärS ©rafen non PofabowSfp tyernor, bie 
grage ber 3ulaffung non grauen gum ärgtlictyen, gatynärgtlictyen 
unb ptyarmageutifetyen Stubium ftetye bictyt nor einer 0öfung. ©« 
fei eine Vereinbarung ber oerbünbeten Regierungen auf biefem 
©ebiete erfolgt, welctye mit möglictyfter Vefctyleunigung burcty einen 
Vefctylufj be« Vunbe«rattye« bemnäetyft ©eftalt gewinnen werbe. 


Soziale t)i)girne. 


StäbtifctycS Sehen unb Volfsgefnnbtyeit. $en ©influft be« 
ftäbtifctyen Öeben« auf bie Volf«gefunbtyeit unterfuctyt ber ^ßrofeffor 
ber £)t)giene an ber Unioerfität Vomt*) unb fommt babei gu 
folgenben für bie ©ewerbetypgiene unb Sogialpolitif wictytigen 
Sctylüffen: 1. Snt Säugling«« unb $inbe«alter (bi« junt getynten 
Satyre) entfctyeiben barnacty bie >;>ötye ber Sterblictyfeü weit metyr 
lanbfctyaftlictye ©inflüffc al« ber ©egenfaty gwifctyen Stabt unb itanb. 
^)er Cften ^reutyen« ift im ©angen genommen bem Vkften gegen« 
über im Stactyttyeil. 2. 2)a« ftäbtifctye £eben ertyötyt bie Sterblicty® 

■ : ) lieber ben ISiitfhin be« ftäbtifcficu Nebelt« auf bie Volf«gebuib« 
beit. Vortrag, gehalten auf bem III. £entid)cu Aiongrcfj für VolK-= unb 
ougenbfpiele'. Voiui, 1HU8. Separatabbrucf au« bem o'entralblatt für 
allgemeine 01efuubbeit«pftege. XVII. oabrg. Verlag noit Ümtl 2traun. 


feit ber erwactyfenen SRänner (nom 25. 3oty r « on) um ein 83e« 
beutenbe«, aber nur bie Slrt unb SSeife ber Vefctyäftigung ift tyier 
bie Urfactye. 3m Dften ^reufeen« ift bie länblictye Venölferung 
gegenüber ber be« SBeften« im Vorttyeil, bie ftäbtifctye im Ractyttyeil. 
3. SBeitau« am työctyften ift bie Sterblictyfeit ber Vtanrter in ben 
Vegirfen ber ©ifen« unb fotyleninbuftrie. 4. $>ie Sterblictyfeit ber 
grauen ift wenig oerfetyieben in Stabt unb fianb. §arte lanb« 
wirttyfctyaftlictye Arbeiten, g. V. in ben SSeinbaugegenben, nermetyren 
bie Sterbegefatyr. ®ie grauen be« 0ften« finb qünftiger al« bie 
be« Sßeften« gefteüt. 5. SDie Sterblictyfeit«nertyältmfie tyaben ftety in 
ben Iejjten Sotyrgetynten gwar gebeffert, ber ©egenfaty gwifctyen 
Stabt unb fianb beftetyt aber unnenninbert weiter. 6. 2)ie etyelictye 
gructytbarfeit ift in bta Stäbten geringer al« auf bem ßanbe, bocty 
fallen bie Ianbfctyaftlictyen Verfctyiebentyeiten baneben ftarf in« ©e« 
mictyt. 7. Von einer förperlictyen ©ntartung ber ftäbtifctyen Ve® 
nölferung fann nictyt gefproctyen werben. 8. $!ie gebilbete Sugcnb 
ift gwar nictyt al« forperlicty tninberwerttyig gu betractyten, ftetyt 
aber aucty nictyt auf ber $ötye förperlictyer 3lu«bilbung, bie ityr 
natty SJta&gabe ityrer günftigen fieben«bebitigungen gufommen müfete. 

!^a« erfite ©enrfung«ty(tin in Vabett für Hugefteflte unb Arbeiter 
au« .f>anbrl, gnbuftrie unb Sctyifffabrt, ba« ber Verein „Wettefung«* 
fürforge" auf ber ©nntblage ber gubtläumSfpenbe für ben ©rofobergog 
gu beffen 70. ©eburt«tag en”id)tete, ift in biefen Üageit eröffnet worben. 
IS« liegt in einem großen ©arten unb Varf im 2)orfe Robrbacb bei 
.^eibclberg nitb ift au« einem ehemaligen furpfälgifctycn Sctylöfictyen tyer* 
gefteüt. Seine 2 age, bic baulictyc unb fonftige (Sinrid)tung ift berart 
nnb bie bpgienifctyc ^ürforge fo getroffen, ba& man e« al« eine Vhiftcr« 
anftalt begeictynen fann. Qic ftnftalt nimmt nur männlictyc 
Pfleglinge auf unb ift für 30 eingerichtet. $ie ©ebütyren finb pro Jag 
l,5n, 1,70 uitb 2 Jt. Jie niebrigftc ©ebübr ift für Atranfenfaffcn« 
ntitglieber. 9Wan nimmt an, bab in ber Regel Atranfenfaffen, Veruf«* 
genoffenfdjaften unb Atommunaloerbänbe bie Äoften tragen, unb bafj 
auch bie ^nnalibität«nerfutyerung«anftalt für Pfleglinge bie (Gebühren* 
gatylmtg übernimmt, aber e« ift aud) bie Vtaglidjfeit non freier Ver* 
pflegmig norgefeben. 'Jer Vorftanb wiü fogar uodj gürforge für bie 
gantilieu im gntereffe be« guten Verlaufe« ber pflege unb ber au«* 
reictyenbeu Jauer berfelben, foweit e« in feinen Kräften ftebt, oeran* 
laffen. — ®cnn ibm bie« gelingt, fo fann aucty ba« al« SWufter für 
attbere 9lnftalten itnb Vereine gelten. 


©ewrtbegertdjtf. (Einigungsämtec. «d)ieb?gerid}tr. 


Satyre«beriftyt be« Verein« ber Arbeitgeber * Veifi«er be« ©etoerbe* 
gerictyt« Verlitt 1898. Auf ber ©eneralnerfammlung be« Verein« 
ber Arbeitgeber*Veifityer be« ©ewerbegeridit« Verlin würbe mitgettyeilt, 
baty bie Jtyätigfcit ber Arbeitgeber * Veifiper beim ©inigungS* 
amt wiebertyolt in Anfpnidi genommen worben unb baty e« tn aflen 
gäüen gelungen fei, ben Au«ftaub burcty Vergleich beigulegen. SDabei 
würbe gef lagt, baty nictyt alle ©eroerffctyaft«leiter al« Arbeiteroertreter 
ficty be« Solibarität«gefütyI« foweit erwebren fönneu, um gu objeftioen 
Urttyeilen gu fommen. 2)en ©eift ber Verfötynlictyfeit hätten bie Ver* 
Ihter ©ewerffetyaften bei Au«ftänben ber ©olbleiften* unb ber Stocf- 

arbeiter nenniffen laffen (ogl. Rr. 11 , 15, 16.). — Jie Reuwatyl non 

70 Arbeitgebern gum ©ewerbegeridjt tyabe — gunt erften 9Kal feit Ve* 
ftetyen ber ©inridjtung — gur Verbräitgung non fünf fogialbemofratifctyen 
Arbeitgeber*Veifi^ern gefütyrt. ©egen gwei anbere fdjweben protefte 
wegen Abgabe nieler nach Anfidjt be« Verein« nictyt gültiger Stimmen. 
Rad) bem berliner Crt«ftatut nämlicty wirb gur ©intragung in bie 
©ätylerlifte für Arbeitgeber gebet* gugelaffen, ber ben Radjwei« führt, 
baty er ein ©ewerbc angemelbet bat ober ©emerbefteuer gatylt. J)er 
Verein nertritt aber ben Stanbpunft, baty Arbeitgeber im Sinne be« 

©efefce« nur ber ift, ber Arbeit giebt, b. ty. Arbeiter im Sinne be« ©e* 

fefee« befd)äftigt; baty nom ©ewerbegerictyt«inablrectyt alfo aüe bie ©e* 
werbetreibenben au«gufd)lietyen feien, bie faum jeuial« ©ewerbegetyülfen 
befctyäftigen ober Setyrlinge au«bilbeit, wie fliegctibe Dbfttyänbler, gering«* 
bänbler, Noblen* unb ©emüfebäitbler, ©infdufer non alten Afleibem, 
Öumpen, Änoctyen, Papier u. f. w. $iefe ©ewerbetreibenben tyaben 
weber ein eigene« gntereffe an ber ©ntfctyeibung non Streitigfeiten 
gwifctyen Arbeitgebern unb *netymern, nocty eine Afeuntnity ber einfetylä* 
aigeu Vcrbältniffe au« eigener ©rfabrung. J)cr Verein wiü uöttyigen 
gaüe« bie grage beim 0 bernerwaItuug«gerictyt gunt Austrag bringen. — 
£er Verein entfanbte in ba« Kuratorium für ben paritätifetyen 
©eutral*Arbeit«uactywei« VZitglicber, uactybent beffen Sapuugen 
babin abgeäubert worben waren, baf 3 biefe Arbeitgeber unb ebenfo 
bie Arbeitnehmer aud) ftimmbereitytigte Vtitglieber be« Vorftartbe« fein 
würben. Jic Xelcgirten ber Arbeiter batten f. 3 . erflärt, baty fie auf 
bem Vobett ber Veftrebungen be« ©entvalnerein« ftänben, welctye auf bie 
Drganifirung oon pnritätifdjen gacty=Arbcit«nactyweifen bingielten. 2)ie 
Arbeiter feien fofort bereit, gu ©unfteu biefer Arbeit«nad)wcife ihre eiae* 
neu aufgiilöfcn, norau«gefeiü uatürlid), baty bie Arbeitgeber baffelbe 
tbim würben. So founte beim jiingft einftimmig in bei* Vorftanb«* 
fitnuig be« ©eutraI*ArbcttSnadiwcife« ber Vefdiluty gefatyt worben, ben 
bie „Sogialc prari«" in ihrer lepteii Rümmer (Sp. 418) bereit« mit* 


461 


462 


Soziale prajis. ©entralblatt für ©ogialpoütif. Rr. 17. 


geteilt — Sei ber AuSbebnurtg ber Kranfenoerficberung auf 
bie .£> au Sinbuftri eilen b a * Ber Serliner SWagiftrat befanntlidj be* 
fdjloffen, bie Seitrage nur oott ben unmittelbaren Arbeitgebern, ben 
3mifd)enmeifteru unb ben 3wifcf)enunternef)inern (ftatt non ben Äon* 
feftioüäreit unb Verlegern) gu ergeben, ©egen bie $)urrf)fübruttg biefeS 
bie Rentabilität ber Krattfenfaffen gefäljrbenben Sefd)luffeS finb ein* 
ftimmig VorfteHungen bei ben guftänbigen Sebörben befcbloffen. 
©ine Petition an ben Reichstag mirb ausgearbeitet. — ©nblidj mürbe 
befdjloffen, für bie ©rroeiterung ber 3 u f*änbig!eit ber ©e* 
mcrbegertdjte, bereu obligatorifdje ©rricbtung unb bie ebenfalls obli* 
gatorifcbe Anrufung ber ©inigungSätnter bei AuSftänben eingutreten. 

Kattfin«imiftb*S ©ibtebSgeHdjt üt DSnabrücf. ^n ihrer ©ifcung notn 
13. Januar nahm bie ,&anbelsfammer einftimmig einen Antrag an, ber 
bie ©inridjtung eines ©cbiebsgerid)ts gur <Sd^Ud^tung non ©treitigf#ten 
gmifeben ©efdjäftsinbabern unb AngefteHten begmedt. $5er ©ifc 
oiefeS ©d)iebSgerid)tS foll bie ©tabt DSnabrüd fein, bo<b fotten ibm 
eoentuell auch Streitfälle aus fonftigen Orten beS KammerbegirfS gur 
©ntfdjeibung gugeroiefen merben fönnen. 

$te GHufübrnttg obligatorifdjer ^inignngSämter in granfreidj 
mirb burdb einen non ben liberalen Abgeorbneten Vooier-ßapierre- 
gern) in ber £>eputirtenfainmer gefteuten Antrag aufs Reue in 
Anregung gebracht. $>er norliegenbe Antrag ftellt nur bie ©ieber* 
aufnabtne einer in ber lebten fiegislaturperiobe eingeleiteten Reform 
bar, bie bamalS febon bis gur KomtnifftonSberatbung oorgef(brüten 
mar unb einen günftigen Rapport ber ArbeitSfommiffion erhielt 
batte. $>ie Snitiatioc gu biefer Rßobififation beS heute mirffamen 
(GefefceS über ©inigungSämter unb ©chiebSgerichte oom 27. $>e* 
gember 1892 mar oon ber Regierung felbft ausgegangen. 2>er 
rabüale ^anbelSminifter Rtefureur h fl tte im Sanuar 1896 ein 
Projeft oorgelegt, baS an ©teile beS fafultatioen ©inigungSamteS 
ben obligatorifd^en ©iniaungSoerfuch mit Anroenbung oon (Gelb* 
bufeen emfübrte. gn Der KommifftonSberathung fanb biefe Re* 
gierungSoorlage nur geringfügige Aenberungen unb es ift genau 
ber oon jener Kommiffion oorgefcblagene £e;rt, ber jefct als neuer 
Antrag in bie gegenroärtige fiegislaturpcriobe eingefü^rt mirb. 
danach märe baS geltenbe (Gefefc gänglicb gu befeitigen unb bureb 
ein neues gu erfefcen, melcbeS jebod) baS oom alten aboptirte Ver¬ 
fahren beibehält. $)ie pringipielle Reuerung beftebt in bem 3mang 
ur Vilbung eines ©inigungSamteS bei Ausbruch oon Kolleftiö* 
treitigfeiten groifeben Unternebmern, Arbeitern unb AngefteHten. 
$)a$ ©inigungSamt felbft mirb oon bem griebenSricbter präfibirt, 
in beffen f>änoe auch bie Konftituirung beffelben gelegt mirb. ©o* 
halb ein ©treit auSbrid^t, reicht bie reflamirenbe Partei fcbriftlicb 
ihre Veftbroerben ein mtt gleichzeitiger Vegetebnung ihrer SDelegirten, 
beren fünf nicht überfebreiten fann, unb ber Perfonen, mit 
benen fie in $>ifferengen geratben ift. $)er griebenSrichter benadb* 
riebtigt bie (Gegenpartei unb forbert fte gur Vilbung beS ©inigungS* 
amteS auf. 2)er gefefelicbe 3mang bürfte nad) bem in Rebe fteben* 
ben Projefte jebod) oielfacb roirfutigSloS bleiben, ba für bie 
Steigerung nur (Gelbbufjen bis gum £>öd)ftbetrage oon 15 grcS. 
guaelaffen merben follen. $ie (Gelbbu&en merben getragen ent* 
roeoer oom Unternehmer ober, rnenn bie Kontraoenhon auf ber 
©eite ber Arbeiter liegt, oon jenen Perfonen, melcbe im gegebenen 
(Streitfälle irgenbmie ein Rtanbat ber Arbeiter angenommen halten, 
gm Uebrigen folgt ber (Gefefcentrourf genau bem (Gefefce oon 1892 
unb läfjt bie Vilbung oon ©cbiebSgericbten im gatie einer Riebt* 
oerftänbiaung oor bem ©inigungSamte oöHig fafultatio. Auch 
mochten oie Vefürroorter ber Reform feineSmeaS bie greibeit ber 
Arbeit ober baS AuSftanbSrecbt antaften. AUeS, maS man er¬ 
reichen miß, ift nur ber Verfud) einer frieblicben Einigung, fei 
es oor ober nach ©infteHung ber Arbeit. $)arum roünfcbt man 
gefehlte Verpflichtung ber Parteien. VHe in ben Riotioen an* 
gegeben mirb, ergiebt ftd) bie Rotbroenbigfeit, ben ©inigungS* 
oerfueb obligatorif^ gu machen, aus ben fcbmachen ©rfolgen beS 
©efeheS oon 1892. $5er freiroillige RefurS gu bem oon biefent 
inftituirten ©inigungSoerfabren fano 1893 nur in 17,i 9 o/ 0f 1894 
in 25,83 % unb 1895 in 20,74 °/o uUtt ©treitigfeiten ftatt. 


filterorifd)* ^ttjeigen. 


I. Säcbet mtb Srofdjürett. 

„®ie Agrarfrage", ©ine Ueberftdht über bie Üenbengen ber mobemeit 
fianbroirtbfebaft unb bie Agrarpolitif ber ©ogtalbemofratie ooit 
Äarl ^autsfp. VIII unb 452 ©eiten gr. Cftao. Srofdjirt 5 M. 
©tuttgart, 3. §. SJ. S)iefe Rad)f. 

Aus bem 3»balt beS Sud)eS tbeilen mir bie naebftebenben Kapitel* 
Ueberfcbriften mit, bie einen Ueberblid geben über bas, maS ber Autor 


in feinem Sudje bebanbelt. I. 2)ie ©ntmidlung ber Sanbmirtbfchaft 
in ber fapitaliftifdjen ©efeßfebaft. 5)er Sauer unb bie 3nbuftrie. — 
Xie Saubroirthfdjaft ber geubalgeit. — 5)ie moberne öaubmirtbfdjaft. 

— 2)er fapitaliftifdje ©barafter ber mobernen 2anbmirtbffbaft. — ©ro&* 
betrieb unb Kleinbetrieb. — $>ie ©ebranfen ber fapitaliftifdjen Sanb- 
mirtbfebaft. — $>ie Sroletariftrung ber Säuern. — $ic machfenben 
©(hmicrigfeiten ber SBaarcn probugirenben Sanbmirtbfcbaft. — S)ie 
überfecifdje SebenSmittelfonfurreng unb bie Snbuftrialifirung ber 2anb* 
mirtbfebaft. — AuSblid in bie 3 u funft. II. ©ogialbemofratifcbe 
Agrarpolitif. Sraudjt bie ©ogialbemofratie ein Agrarprogramm? — 
$)er ©chufe beS iänblicben Proletariats. — 5)er ©ebup ber Sanbmirtb* 
febaft. — 2)er ©djufc ber Sanbbeoölferung. — 2)ie fogiale Reoolution 
unb bie ©ypropriirung ber ©runbbeftfcer. 

Blondei, Georges. L’e.ssor industriel et commercial dupeuple 
allemand. Bibliotheque du Musee Social. 2. oermebrte 
Auflage, paris. Sarofe. 1899. 

SBenige SRonate nach ©rfebeinen ber erften Auflage ift bereits eine 
gmeite nöt$ig gemorben, unb, mie mir hören, bereitet ber Verlag febon 
eine britte oor. $em beutfdjen Publifum ift ber Serfaffer febon ge* 
nügenb befannt. ©eine febriftfteHerifcben Cualitäten bebürfen faum noeb 
befonberer Seleuebtung. 3« ^on mie in Auffaffuna ftebt fein Sueb 
meit über ber befannten englifeben ©ebrift unb über oem ©ebmob’feben 
danger allemand, bie beibe benfelben ©egenftanb bebanbeln. SBährenb 
eines erneuten ?lufenthalteS in $)eutfeblanb, mohht er im Aufträge beS 
Musee Social gegangen mar, um SRaterialien für ein befoitbereS SBerf 
über bie beujebe Arbeiterbeoölferung gu fammeln, I^atte ber Serfaffer 
©elegenbeit, für biefe gmeite Auflage frifdje SRaterialien unb ©tnbrüde 
m fammeln. ©ie erfeb.cint fo, burdj ein Kapitel über bie paläfüha* 
Reife beS KaiferS oermehrt, bur<b gortfübrung ber ftatiftifdjen Angaben 
auf bem Öaufenben gehalten unb im (Singeinen umgearbeitet, gegenüber 
ber erften Auflage faft mie ein oöttig neues Sud). 

Paul de Rousiers, les industries roonopolisees (trusts) aux Etats- 
Unis. Bibliotheque du Musee Social. Colin & Cie. Paris 1898. 
$aS oorliegenbe Such tft baS probuft einer Rltffion beS Musöe 
Social oom 3ahr c l" 6 - Serfaffer, beffen früheres Vio americaiue 
oon ber Afabemie preisgefrönt mürbe, ift ein h^orragenber Kenner 
angelfäcbfifcben Sehens, ©r giebt gunäcbft Monographien über bie 
großen £rufts in ber Petroleum*, 3o^r*f ©tahh Anthracit*, SSh^öfei)* 
inbuftrie unb betrachtet bann biefe mobernen Kapitalsfongentrationen in 
ihren Regierungen gum politifeben unb roirtt)fcbaftlicben fieben. 3h^e 
politifebe ©efal)r fchäfet er §ö^cr als bie öfonomiftbe, unb bie öfonomifebe 
eyiftirt nur ba, roo ber 2ruft auf fünftlicben unb nicht natiirlidien 
©runblagen beruht. AIS fiinftlicbe ©runblagen begetebnet er bie tarif* 
politifebe Mitroirfung ber ©ifetibahnen ober bas patent, ©olange bie 
SruftS baS Refultat einer ©ntmicflung ber betreffenben 3nbuftrie auf 
ihren natürlichen Sebingungen bilben, bleiben fie nach RoujterS feine 
©ebranfe für bie freie Kon&rreng. 

©timmen aus Maria-Saacb- KathoUfcbe Slätter. 3ahr8- 1899. 

1. $eft. ^reiburg i. S., §erberfcbe Serlagshanblung. 

Seroitt, Dr. raed., ©efunbheitSbucb für baS Sudjbrudgeroerbe. Serlin 
1899, ©arl ©eqmannS Verlag. 67 ©. preis Jt. 0,eo. 25 ©jpl. 
Ui 12,50, 100 ©jpl. Ui . 40. 

Drthmann, Dr. med., ©. $., ©efunbheitSbucb für bie Kleineifen*3n* 
buftrie mit befonberer Serüdftcbtigung ber §auSinbuftrie unb 
beS ©cbleifergemerbeS. Serlin 1899, ©arl §et)tnanns Verlag. 
64 ©. preis JL 0,60, 25 ©£pl. „C 12,50, 100 ©£pl. Ji. 40,oo. 
Mobe, Dr. med. Alfreb, ©efunbheitSbucb für baS $anbfdjubnta<ber* 
gemerbe, Serlin 1899, ©arl ^epmanns Verlag. 48 ©. preis 
Jt. 0,60, 25 ©rpl. Ui. 12,50, 100 ©rpl. Ut. 40. 

Kunmalb,Dr.Submig,$ie Arntengefehgebung imRieberöfterreicbifcben 
Sanbtage. Riebt für ben Su%hc*nbel beftimmter ©onber-Abbrud 
aus bem 12. ($egember*) $efte beS XVIII. Sahrgö. ber „$)eutfdjen 
SBarte". SBien 1898, Verlag ber „$eutfd)en SBorte" (©. perner* 
ftorfer). 19 ©. 

II. ^>ru(ffa<^ett pott Venoalhtttgett, Vereutett jc. 

©otha. 5)aS Armenmefen ber ©tabt ©otha im 3«hve 1897. 
Mittbeilungen beS ©tatiftifeben Amtes ber ©tabt Mündjeu. 
XV. Sanb. 1. unb 2. peft. 2. 2hetl. ©emerbegählung uttb ©r* 
mittelung ber lanbmirthfcbaftlicben Setriebe oom 14. 3uiti 1895. 
München 1898, 2inbauerfdje Sucbhunblung (©d)öpptng). 
Samten. Sericbt über bie Vermaltung unb ben ©taub ber ©enteittbe* 
angelegenbeiten pro 1897. 

— ftaupt* unb ©pegial*©tats ber ©tabt Samten für 1898/99. 




3n betn Auffa^e beS ^errn Dr.K. o. Maugolbt über „Sobenprcife 
in Srüffel", ben mir in ber lebten Rümmer oerö ff entlieht haben, ift 
ein ärgerlidjer $rucffebler, ben mir gu berichtigen bitten. Ju ©palte 
420 muh eS in ber fechften 3 e ik oon unten /( ©elättbeftücfe" beiben, 
nicht „©ebäubeftitefe". ©benfo auf ©palte 421 in ber 18. fomie 20. 3cile 
oon oben muß eS bfißfu „©elättbe" ftatt „©cbäitbc". 


eecanlnorUttp für bie Kebofilon: Dr. örnft grantfe tn öerlin W v Bagreut^erftrage 29. 



Bojiale Sßra£t8. Eentralblatt fitr Bojialpoütif. Sfrr. 17. 


464 


©ie »»$*itaU RDraei*" erfc^eint an jebem ©onnerStag unb ift burdj alle ©ud&banblungen unb Boftämter (Boitjeitmigflnmumer 7072) ju bcjieljcn. ©er Br-’iS 
fftr ba» Siateljabi ift 3R. 2,50. Jebe Kummer foftet 30 Bf- ©et önjetgenprciö ift 60 Br- für bie breigefpaltene gJetitjeife. 


gering non gmuhtr & gnmblot in ^rtpjifl: 


^ur (Erneuerung 

bcs 

bewtfcljen Sattf^efe^es. 

Bon 

ftavl «eifertet- 


(gr. 8°, XI, 136 S.) 189». Preis 3 111. 


<£rfter ©eil. ©ie Entroicfelung beS bcutfdjeu Sfrotcn* 
roefenS unter bem BattfgefeO oon 1875. I. Elefdjidjte 
unb Jnljalt bes beutfdjen BautgcfcfeeS ootit 14. Sfrärj 1875. 
II. ©ie Etttroidehmg ber beutfepen Banfoerfaffung feit bem 
Erla& bcS BanfgefefceS. III. ©ie bisherige SMrffanrfeit ber 
BeidjSbanf. 

3*eiter ©eit ©ie beoorftehenbe Erneuerung bes 
beutfdjen BantgefefceS. I. Aenberungen in ben Ctfrunb* 
lagen ber beftehenben Banfoerfaffung. II. Reformen im 
bahnten ber Beftefjenben Banfoerfaffung. III. fragen ber 
BattfprajiS. — Schlug. 


Zu beziehen durch alle Sortimentsbuchhandlungen: 

Die hausindustriellen Arbeiterinnen 

in der Berliner Blusen«, Unterrock-, Schürzen- 
und Tricotkonfection. Von Gertrud Dyhren- 

firrtli. Preis 2 M. 8o Pfg. 


$ckanntmtiftjH«g. 

Seim Ijieftgen 9Dfragiftrat foH ein jttttfttfcfpe? 0ftlf$a*fcetter 
(9DfragifiratS*Affeffor) angeftettt roerben. 

Sin ®el)alt foH roäljrenb beS erften ^ienftjaljreS, bas als 
Bro&ejaljr gilt, 3500 90fr., nom jroeiten Bis fieBenten Jahre 4800 3)1. 
gemährt roerben. 

©rforbernifj ift bie Dualififotion jum 9frid)teramt. Herren, 
roeldje bereits im Armenroefen ober in geroerbegeridjtlichen ©achett 
gearbeitet fyobtw, erhalten ben Sorpg. 

Seroerbungen ftnb unter Angabe ber perfönlidjen Berhältniffe 
unb Beifügung oon bi® 3«m 8. gebruar b. an bie 

©tabtfaitglei etngureid)en. 

ftranffurt a. 9Dfr., 26. Januar 1899. 

fp*r plagijlrat 

AbtcfeS. 


©Uff fitfctnatnt, |trlg;shd)^«^lni$, ferlfn W. 35. 


Deutsche ]uri$tcn-Zcitung. 

£>erausgcgcbcit oon 

Dr. iabanfc, Dr. ftengbin, Dr. $t«nb, 

Brofeffor. Wel^«gfrtd)t«rat a. S>. 3uftt|rat. 

Erfdjeint feit 1. Januar 1896 am 1. unb 15. jeben HfronaiS. 
Sfr. 3,50 oierteljäbrlid). ©ic erfdjienencn Cuartalc a 9frf. 3,50, bie 
Jahrgänge 1896/98 geB. k Sfr. 16,—. 

== jlm I. Januar ei« «euer £a|rft««g. ===== 

Btobcnummcm foroie JnbaltSuerjcichniffe gratis u. franfo. 
tBefüttttsttgeit: Bucbbanbltntgen, ^oftanftalten, Berlag. 

©ie erfteu Stummem beS IV. Jahrganges roerben an größeren 
Auffäfcen u. a. enthalten: 

©ie neue ©iuilproje&orbnuug. Bon B*°f- Dr. fiötfn? ©atffett. 

— ©ie Auslieferung roegen anar<hiftif<her ©erbrechen. Bon Broj. 

Dr. Santmafd}. — AbelSrecf)t unb framenSrecfit. Bon ©eh- frofrat 
Brof. Dr. Sob«t. — dichter unb 9üchteramt nach bem 1. Januar 1900. 
Bon Amtsrichter Dr. ©djettbaS. — ©ie Haftung beS Erben nach 
bem B©B. Bon Brof. Dr. RBlaffaf. — ©üel unb CrbettSucr* 
leibungen an 9tichter. Boit Briuatboj. Dr. Attfdjäg. — -Sie neue 
ftonfurSorbntmg. Bon Brof. Dr. Detter. — Begriff unb Be* 
meffungsgrunblage beS gemeinen Wertes im Binne be^ prcugifchcn 
ErgänjungSfteitergefepes. Bon 3enatspräftbent beS Cberoerroal- 
tungsgerid)ts — ©ie StooeHe jum Jnoalibitäts» unb 

Altersoerfidjennigsgefep. Bon C6eroerroaltungsgerid)tSrat ^offmairo. 

— ©ie „guten Bitten" int 9ted)te. Bon Benatspräftbcnt, ehern, 
öfterr. Jinanjminifter Dr. ©. BtemBa<b. — 3^r Sieform beS Ur* 
hebcrredjteS. Bon Dr. A. Ofitetrietlj. — Berjährung uott Anfprücheu 
nach bem B@B. roährettb ber UebergangSjeit. Bon Aeidjsgeridjts» 
rat 3rörtfih* — ^ie Behanblung ber -^anbelsfadjen im Beidisgcfep 
über bie freiwillige Weriditsbarfeit. Bon CBerIanbeSgertd)tSrat 
Dr. ©ürmger. — AmerifanifcheS Bekleben. Bon B^of Dr. ftrcuiib. 

— ^uläfftgfeit ber Berufung gegen Urteile ber (Heroerbegeridjte. 
Bon BtaiUrat (SU» u. a. nt. 

Staubige Stitfcifett: 

Juftijrat, Juriftifche Stunbfchau. Jfrülfdjtts, 
f erriite unb efelirthöften. peue Iferorbnuugctt u. bgt. 

Jpredjfaal. f erfonnlUu. Jtritiken. $itteraturberid)t. Sfrit» 
geteilt oon Bthulg, Br°f*/ Bibliothefar beim Bcidisgeridit. — ©ic 
Beilage (3pruchpräzis) bringt Etttfdicibungcn bcs AeidjSgerichtS, 
'Aeid)S=Berfid)erungSamts,^amincrgerid)ts / BreuhXbcroerroältungS* 
geridits, Bat)erifd;e, Siirttembergifdie, 3äd)ii[dK/ Babifdje, §effifdjc, 
Ifredlenbitrg'Bdjtueriner, Olbenburgifdje, Braunfdiroeigifche, ^>an* 
fcatifdhe, Elfa^^othringifche, auslänbifchc Entfdjeibitngen, Entfd). 
b. CBcrlanbcsgerithts Jena it. f. tu. Beridjterftattcr: bie BenatS» 
präfibenten ^uiftiug, Elrofihuffr t>. ©taubtuger, Blomeper, bie SteichS» 
gerichtiSräteBlanrf n. Btettgldtt, CberocrroaltungSgcridjisratBchttltjett* 
kein, yanbgeridjtspräf. ©ebefiub, bie CBerlanbeSgeridjtSräte Bfeer, 
©tänfner, Äefler, Altimte?, Bot|« ? BHttelfüeüt, ©oemlhtg, Btabtrat 
b. ^rattteuberg, (s)cl). Juftijrat ©rüttctonlb, Begicruugsrat BogtS, 
Stedjtsanroalt ^utbS u. f. ro. 


II erfdiieneu: 

Mrltd) fit §tft|ittani, Stwritwio tmb Sglf5#itffd|«ft 

im ©ettifUtjen iteiUj. 

.'perattSgcgeben oon 

(ittßatt §d)tttffUrr. 


iteue XX11I. Jahrgang, «rflr« #eft. gr. 8°. #rci* 9 p. 20 |)f. 


Jnhalt: ©ic Urgefd)id)te ber Familie, 9fruttemdjt unb öentiloerfaffititg. Bon 0). Bdjmoüer. 
— Beiträge jür Olcfchidite unb ©heorie bcs Arntemoefens. Bon o. Aeipenjteiit it. fünfter» 
herg. II. Artifel. — ©as Aahnffdjithoefert im Möttigreid) Badjfctt. Bott o. B?eld. — ©ie 
veid)sgefctUid)e Jamtlienoerfidjcrung. Bott o. ^ranfctiberg. — ©ie redjts* unb ftaats» 
rotffehfd>aftlid)e Aahiltät. Bon 3B.' /pasbad). — lieber bas beutfdie Olelbtoefen im Kriegs» 
fall. I. Bon 3fr. BtröII. — ©ie Aeorganifation ber franjöfifchen ^onbsbörfen. Bon 
A. E. Bapoits. — 3taat unb Btätibc "^ranfrcidis im Jalirhiuibcrt ber Bürgerfriege 
( 1550— 1660). Bon ft. Brenfig. — ©ns Berhältuis bcs Berbraudics ber 9fraffcu ju beut» 
jeiligen ber „fleineni^eutc", ber 'Bohlhabenbcn unb Beiden unb bie Btarriftifdie ©oftriit. 
Bott 9t. E. .Ifratj. — Eine uorgefchrittene Aabrifgefepgebung. Bon 91. 9IiebI. - ©ie Bor* 
Idiläge jur 9leform ber Jnoalib’itäts- u. Altevsuerfidienmg. Bon u. ^tpleben. — ^itteratur. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 


Das Streitverfahren 

in den 

Heiehsvepsieherangsgesetzeo. 


Systematisch dargestellt 

von 

H. Seelmann. 


Preis 1.20 Mark. 


Die 

Reichs -VersicherengsgesetzgebHig. 

Von T. BiV«liker. 1 Mk. 60 Pfg. 


^crantiDortltrt) für Die »u;ciocn: öcümutl) (»cthci. Vc;wsi.i. - vcu ini'tta \ 4>a:.#ii't, ifctpji.]. - GcMucft Ict SultuD Stttfitfclb, öftlitt. 


BpiofT^rtt ri> hteiVr ^?nnmr<*r ein Brnfoe ft 


her Berlaasfmddianhfima fi. Flmeker. Betr. Bdiit tole, 










vm. gaJjrgflug. 


®etlin, beit 2. Februar 1899. 


Itummec 18. 


Sozial« ptrajte. 

^enfrafßfaff für ^ogictlpofifiA 

mit ber 2Ronat8Öellage: 

Das 

©rgatt i)es Derban&es beutfcfyec <5et»erbegerid)te. 

9?eitc golge bcr „Blätter für fokale sprayte unb bed „©ozialpolttifdfjen (Sentralblattd*. 

Grffteittt an Jcbcm $pnwerp«a. £ crau§ Q c & er: ©w« DierteliHrtl* 2 ». 50 ff. 

SRebaftton: Berlin W., Bapveutherftra&e 29. Dr* /tattlfce» Berlag Don ©uncfer & ©urnblot, ßelpztg. 


3ni)itlt 


Material $ur grage ber ^eran* 
Ziehung oon Slrbeitern aur 
fid)erljeit8poli;|dlid)en©eaui* 
fitfetigung ber ©tubenarbeit. 
Son Dr. gr^rn. bon ©etlepftfc, 
©taatSniraifter, Seebad). II. . . 465 
©ad Snöalibenöetfi^etungS« 
gefefe. Son Dr. jur. IRidjatb 
Örreuiib, Sorfifeenbem ber Snoali* 
bitätd* unb SliterdDerfidjeTungd*Sln* 

ftalt ©erlin.470 

fUflCHietiicCasiai* unb 
>Sli«f .474 

Sojialpolttifcpe Debatten im 
IRetchßtage. 

©ie SBofenungdfrage unb Slinifter bon 
SRiquel. 

©chufe ber Slngeftellten in Saben* 
gefd)äften. 

Ä«WR8»I«1| ©o&tolpoltttf .... 476 

Breiter preufeifdjer Stäbtetag. 

Stibeiteraudfd)iiffe unb Strbeitfiorbnung 
in ben ftäbtifc^en ßanalifationdwerfen 
in Berlin. 

Stabtratp unb Slrbeiterfammer in 
Sörid). 

Stäbtifdje SRidceHen. 
4UI(tttrb(i»<|nng.478 

©er neueÖewerfDereindbunb in 
©nglanb. Son ©rneft Sloed, 
Sonbon. 

©ad ftoalitiondrecpt ber beutfdjen 
Arbeiter in ©beorie unb ©rajtd. 

Bewegung im Sdjneibergewcrbc. 

©er Sludftanb ber Ärefelber Sammet» 
Weber. 

Setein „S(rbeiterfdjufe M . 

Sefeeritrcif unb ©opfott bed „Sofat* 
Slnjeigcrd" in ©ertin. 

©Atlicpe Sereinbarung awtfcpen Steiftet 
unb ©epülfen im ©actergewerbe 
©erlind. 


©prung eined ©ewerloereindfelretörd 
burdj Slrbeltgebit unb Slrbeitcr in 
©nglanb. 

S(*fccite«»rrftd)etima. ©D«rfaff tu 482 

Äonferenj bon Sorftänben ber 3>n» 
balibitätd<Serfid)erungdanftalten. 

©rgebniffc bed gnbalibitcitß* unb 
SÜterdDerficperungdgefefeed. 

81 erzte* Streif bei ber DrtdfranfenTaffe 
ßolmar t. (Slf. 

©ie ©opfottirung ber SBienet Sipo* 
tbeton. 

ttrbettdnadüoet*.483 

Slrdjib unb ©iblfotbef bed Serbanbed 
beutfdjer Slrbeitdnadjweife in ©erlin. 

Slrbeitdnacbweid für Ianbrnirtpfcfjaft* 
Iicpe Slrbeiter in Hamburg. 

Singemeine SIrbeitänad. Weid • Slnftalt 

Äöln. 

©ie Söfung ber ©reidfrage Aber bie 
Strbeitdbermittelung in ber Schuh* 
unb Seberinbuftrie. 

©enofTcitfi5aft5t»ef(it.484 

©rtrag unb ©efteuerung ber 
einfommenfteuerpflicbtigen 
©efellfdjaften unb ©enoffen» 
fdjaften in ©reufeen. Son 
Dr. ©. ^ i r f (b b e r g, ©ireft.*Slffift. am 
Statut. Slmt b. Stabt ©etlin, (Spar* 
I Ottenburg. 

©ie ©egrunbung bed Äonfum*Bau* 
unb Spar*Seretnd „©robudion", 
©. ©. m. b. in Hamburg. 

fBa5mtKg«»cfeit.486 

Slud ber ftübtffdjen SBobnungdfom* 
miffion in Strafeburg i. ©If. 

Slrbeiterwobnungen in Stulbaufen i 6. 

©ogiMe ©tigicnc.486 

©er ©uberfnlofefongrefe. 

ÜtitevartfSc Mnseifen.486 


Inhalt bed ©ewerbegeriditd Sr. 5. 


Beilage* »©ad ©ewetbegetidü" 9ir, S, 


ilbbrurf fämmtUcber Slrtifel ift Bettungen unb ßeitftbrtften geftattet, [ebocb nur 
mit Doller tuueUenangabe. 


Material jur «frage ber tteranjielprag non Är- 
beitern |ur ftifeerbeitapolijeUiibea 6rauffid)ttgung 
ber (Grubenarbeit. 


ii. 1 ) 

Bknn nun bie grage aufgeroorfen roirb, unb bad ift oon 
fompetentefter @teHe burd) ben ßeiter bed SBergmefend in ^reufeen 

‘) ©er Sluffap ift uor Seröffentlidjmtg bed preu&ifcf)en ©tatd, ber 
bie Serftärhuig ber Slufftc^t in ©ergmerfeit beantragt, oerfaftt. ©.9t. 


gefcBeBen, ob unb roie eine SSerftärfung ber ftaatlidjen SeauffidE)** 
tigung bed Bergbaubetriebes hier beroirft nierben fott, fo mu& man 

jitnäcbft oergegenroärtigen, roie jur biefe BeauffidE)tigung 
beroirft roirb. 

9?ad) Anlage 8 im Slnljang 3 U ben Safjredbericbten ber ^önigl. 
Breufe. 9iegierungds unb ©eroerberätlje unb Bergbebörben für 1897 
beträgt bie ber Bergreoiere, bie oon je einem Bergreoier* 
beamten oerroaltet roerben 67; biefe hoben indgefammt 2215 be* 
triebene ©erfe mit einer ©efammtbelegfcbaft oon 417 071 Stopfen 
$u beaufrichtigen. ©)ie SSirffamfeit biefer an fich nicht großen 3 «^ 
oon Beamten in Be^ug auf bie ®id)erung bcr Arbeiter in ben 
©ruben oor Unfällen roirb noch abgefthroädpt burch Slufgaben, bie 
bem SReoierbeamten auf anberen Oiebieten gefteHt finb. @r ift 
junädjft felbftftänbiger BerroaUer ber örtlichen Bergpoli^ei, fobann 
Stommiffar bed Cberbergamted in ben beffen tompetenj unter* 
ftehenben ©efchäftd^roeigen, roie Berleihung, ©runbabtretung, Huf* 
fidht über bie Berroaltung ber Änappfchaftdoereine, Hnnahme oon 
SRuthungen 2 C. ; er ift ferner gmlfdbeamtcr ber Staatdanroaltfchaft, 
unteren Berroaltungdbehörbe unb Drtdpoli^eibehörbe in Unfall* 
oerfidjcningdangelegcnbeiten, bedgleichen fiir bie unter Hufficht ber 
Bergbehörbe ftehenben Betriebe jur Hudfühung bed §. 155 Hbf. 2 
ber ©eroerbeorbnung, er roirb im Bcbiirfni|falle mit ber 2Bahr» 
nehmung ber Hichungd* unb ®tcmpelungdgefchäfte ber im Berg* 
roerfdbetriebe sur Hnroenbung fommcnben SRafee unb ÜRa&roerf* 
jeuge für 3 D?ineraIprobufte beauftragt; er höt in ber Siegel bie 
Unterfud)iing unb Prüfung ber ©ampffeffel in ben ber Hufficht 
ber Bergbefjörben unterftehenben Betrieben gu beroirfen, er ift 
oielfach Borfifeenber ober ®teHoertreter bed Borfiftenben bei ben 
Berggeroerbegerichten :c. ©d leuchtet ein, ba§ ed bei größter 
^Pflichttreue unb ooqüglicher Befähigung, beren fich bie &eoier* 
beamten rühmen bürfen, biefen nicht möglich ift, bie zahlreichen unb 
Zum ©heil fehr audgebehnten Bergroerfdbetriebe fo oft unb grünb* 
lieh S u rcoibiren, roie ed an fich rounfcheitdroerth unb nothroenbig ift. 

©5enn ber Bergbau gehört, road bie 3oh^ ber Unfälle anlangt, 
ZU ben gefährlichsten inbuftrieHen Befchäftigungen. 2 ) 3n ©eutfd)* 
lanb fotnmen bei ihm nicht nur üerhältmfemäfjig roeit mehr Itn* 
fälle überhaupt, fonoern auch mehr entfchäbigungdpflichtige unb 
unter biefen mehr töbtlidje Unfälle oor, ald im ©)urchfchnitt bei 
fämmtlichen ©eroerbebetrieben (einfchliefelich bed Bergbaues). Beim 
Bergroerfdbetriebe famen in ber B^riobe 1883—1892 

oon burchfchnittlich 313 479 jährlich befchäftigten Hrbeitern 738 zu 
©obe, auf je 1000 Hrbeiter 2 , 354 , barunter burch «pereinbredjen bed 
©efteind 2 c. 288 unb pro 1000 Hrbeiter 0 , 919 . Huf lefctere Ber* 
unglüefungen entfielen hi er uach in Brennen 39% aller töbtlidjen 
Unfälle, roährenb bie burch fchlagenbe ^Setter oerurfachten ©obed* 
fälle nur 0 , 3 h, pro taufenb Hrbeiter betrugen, ©ie hö^f* e Ber* 
unglüefungdziffer roied ber ®teinfohlenbergbau auf; roährenb in 


a ) gn biefer ©arfteöung folge id) 311111 ©heil roörtlid) beit Hn* 
gaben bed SSerfed: ©eroerbehngtene ©h-Spezielle ©erocrbcbngiciie 
Hbfcbn. 1; .fnjgiene ber Berg*, ©unnel* itub .^üttruarbciter oon Aluller, 
BReifener unb Saeger, 1895 ; eined ©n'rfed, beffen Stubium gebem zu 
empfehlen ift, ber fid) unter Hnberem über bie ^rage bcr Sdjuiunafi* 
nahmen gegen bie ©cfahreu bc^ Bergroerfdbetricbcd für bie Arbeiter 
un terrid) teu 10 iH. 












467 


Sogiale PrartS. Eentralblatt für Sogialpolittf. Ar. 18. 


468 


Preußen nur 67 % aller Bergarbeiter auf biefen entfielen, fo wies 
er 80 o/ 0 aller töbtlidgen Unfälle beim Bergbau auf. BefonberS 
beatgtenSwertg für bie oorliegenbe Qfrage ift eS aber, baß in ben 
legten Sagrgegnten bie Berunglütfungen beim Steinfoglenbergbau 
in Belgien, granfreieg unb ©roßbritannien ergeblidß gefunfen, in 
Preußen bebeutenb geftiepen ift, wägrenb früher baS umgefegrte 
Bergältniß beftanb. Ste Aufstellungen ber oon mir benußten 
Cuelle 3 ) reichen nur big 1890, inbeffen fc^eint fieg auch in neuefter 
3eit bieg ungünftige Bergältniß nießt geänbert zu gaben. Aadß 
ben Aacgricgten über bie BergwerfS* unb §ütteninbuftric 0fran!« 
reiegs unb Belgiens im 3’agre 1896 unb über bie Berunglütfungen 
mit töbtlicgem AuSgange beim Bergwerfsbetriebe Preußens im Sagre 

1897 famen im Steinfoglenbergbau UnplücfSfälle mit töbtlicgem 
Ausgange auf 1000 Arbeiter oor in Belgien t,u, in Stonfreicg 1 , 3 , 
in Preußen 2 , 353 . 4 ) 

Sie llrfacgen biefer bebauerlitgen Sßatfatge merben tßeils in 
allgemeinen ungünftigen natürlichen Bergältniffen unfereS Stein* 
foglenbergbaueS gefuegt, tßeils barin, baß bie Steinfoßlenberp* 
werfe, um ber Iebgaften Nachfrage naeg Voglen genügen unb bie 
günftige ftonjunftur auSnußen gu fönnen, bie Abbauarbeiten, bei 
benen bie ©efaßr beS Stein* unb EtoßlenfaHeS naturgemäß am 
größten ift, gu Ungunften ber AuSricgtungS* unb BorritgtungS- 
arbeiten oerftärften, baß überhaupt unfere ^oßlenförberung eine 
ungewöhnlich ftarfe (Entwicfelung erfahren ßat, ergeblidß ftärfer 
als in ben anberen Stoßlenbergbau treibenben Säubern, unb baß 
biefe rapibe Entwicfelung bagu führte, oiele mit bem Bergbau 
gänglicg unoertraute Arbeiter ßerangießen. 3<g bin ber Meinung, 
baß ber legtere ©runb ber auSfdßlaggebenbe ift. 

Sem fei aber, roie ißnt wolle, bie Sßatfacßen genügen jeben* 
falls bie (Erfdßehtung gu erflären, baß bie Bergarbeiter laut eine 
Berfcßärfung ber Auffitgt in ben ©ruben oertangen unb baß bie 
Regierung bie Berechtigung biefer Qforberung anerfennt unb in (Er* 
roägung nimmt, wie tgre Erfüllung am erfolgreichen, b. g. mit 
bem Erfolge, baß bie ÜnglücfsfäHe beim ©rubenbetriebe auf baS 
möglicgft geringe 9Jiaß gcrabgentinbert merben, 311 beroirfen ift. 
Ser |>err |>anbelSmini)ter gat giergu oorläufig bie Schaffung eines 
unteren AuffidßtSapparateS ins Auge gefaßt, enimeber burtg An* 
ftellung ftaatlicger Unterbeamten aus bem Steiger- ober Arbeiter* 
itanbe ober burtg §erangießung auSgewäßlter Arbeiteroertreter, 
beren beßörblidße ^unftionen unter ber Auffid)t ber Beoierbeamten 
anguoertrauen waren. Seine befinitioe Entfdjließung gat er fitg 
oorbegallen bis naeg Eingang ber oon ben Dberbergämtern er* 
forberten Berichte unb natg Abfcgluß ber im AuSlanbe angeorb* 
neten (Ergebungen. 

3nt Allgemeinen gaben bie Abficgten beS §errn BlinifterS in 
ber preffe unb im Parlament 3uftimtnung gefunben. Sie Aätgft* 
betgeiligten, Bergarbeiter einerfeits unb bie ßeiter unb Berwalter 
ber ©ruben anbererfeits ftnb oerftgiebener Anfitgl. ©äßrenb oon 
ben erfteren wogl fajt allgemein, foweit fic fug überhaupt aus* 
aefproegen gaben, bie $erangießung oon Arbeitern, bie oon ben 
Belepfcßaften gewäglt werben, gur Beaufficgtigung ber ©ruben* 
arbeit oerlangt wirb, fpreegen fttg legtere gegen bie Stgaffung 
eines unteren AufficßtsapparatcS überhaupt, inSbefonbere gegen bie 
Bermenbung oon Arbeiterbclegirten aus. Bcbenfeit' finben 

fieg in ber Senffcgrift gufammengefaßt, weltge ber Borftanb beS 
BereinS für bie bergbaulichen Sntereffen im Dberbergamtsbegirf 
Sorttnunb an ben § crrn SwnbelSminifter unter bem 8. Auguft 

1898 geriegtet gat, 5 ) fic ftnb tßeils teegnifeger, tgeils politifeger 
Statur. Sie legteren gier gur erörtern, erfcgeiitt mir nitgt am Blaß; 
bas Blaterial, meltgcS itg gur Beurtgeilung ber $rage ber «s>ran* 
gießung oon Arbeitern gur Auffitgt in ben ©ruben beibringen 
möcßte, würbe_ gierbitrcg uiegt bereitgert werben, weil ber prinzipielle 
©egenfaß gwiftgen benen, wclcge in ber Betrauung ber Arbeiter 
mit einer obrigfcitlicßcn JJunftion in ber Betgtfpretgung ober in 
ber Berwaltuitg, im ©ewerbegeriegt ober bei ber ©rubeniufpeftibn, 
eine Stärfung ber Sozialbemofratie fegen, unb benen, bie 00 m 
©egentgeil überzeugt finb, flar zu Sage liegt unb allgemein be* 
fannt ift. 

^ 3m oorliegenben 3 a ^ e göt ancg bie Staatsregierung bereits 
Stellung ju ber Aragc genommen. Ser §err $anbelsminifter gat 
in bem (Erlaß an bie Dbcrbergämter oom 5. 33tarz ü. 3$. ben 5Beg, 
auSgewäglteu Arbeiteroertretern begörblitge 3mnftionen unter Auf* 
liegt ber Beoierbeamten z^ übertragen, z ur Erörterung gefteflt, er 
fantt alfo fein prinzipieller ©egner beffelben fein. 

3 ) a. a. C. 2. ‘J37 unb bie labefle 2 . ‘ 26 s. 

4 ) ^eitftgrift für Bcrg=, Jütten* unb Saliuenwrfeu. 

5 ) Xeutfcgc ^ubuftne-^eitung, 'sabrg. XVII Ar. 16. 


Bei ber (Erörterung ber tetgnifegen Bebenfen gegt bie er¬ 
wähnte Senffcgrift baoon aus, baß ber Bergbau burtg feinerlei 
BcrmaltunaSmaßnagmen je oöllig gefahrlos gematgt werben fönne, 
baß man fttg ftetS würbe barauf beftgränfen tttüffen, zu ueran- 
laffen, baß alle natg 2Biffenftgaft unb Erfahrung befannten HRittel 
Zur Bergütung oon Unfällen tgatfätglitg zur Anmenbmtg gelangen. 
Sie ©rünbe lägen oomegmlicg in ber bem Bergbau eigentgüm* 
liegen, oon jebem anberen ©roßbetriebe abmeidbenben Sorm ber 
ifolirten Befcgäftigung beS Einzelnen unb in oer größeren Ab¬ 
gängigfeit oon elementaren ©reigttiffen. Sas fantt man als zu* 
treffenb anerfennen, aueg baß eine wirtfame 3Jtaßnagme gur lln* 
faÖoerminberung barin liegt, baß baS Bewußtfein ber Beantwort* 
iitgfeit in jebem Arbeiter unb ©rubeitbeamten geioetft unb gefräftigt 
werbe. Saß aber biefeS BerantmortlicgfeitS * Bemußtfeitt bisger 
nitgt gingereitgt gat, bie UitglütfefäHe gcrabzuminbern, baß oiel* 
megr trog Auwenbung beS Btittels, Arbeiter erft natg längerer 
BorbereitungSzeit gu |>auerarbeitcit zugulaffen, weltgeS 3KitteI, wie 
bie Senffcgrift erwägnt, im Sortmunber Begirf üblitg ift, bie 
UngliicfSfäÜe nitgt ab* fonbern gugenommen gaben, beweifen bie 
Sgatfatgen. 3guen gegenüber wirb man nitgt abmarten fönnen, 
bis biefeS BerantwortlitgfeitSaefügl genüpettb erftarft ift, man 
wirb oielmcgr oerlangen ntüffen, baß bie Beaufficgtigung ber 
©rubenarbeit fo organifirt wirb, baß womöglich jebes Angeicgen 
einer ©efagr bemerft unb an ber gur Abgülfe geeigneten Stelle 
mitgetgeilt, baß jeber Berftoß gegen bie gur Siegerung ber Arbeiter 
oor ©efagren erlaffenen Borfdjriften gur Berantwortung gezogen 
wirb, ©erabe bie in ber Senfjcgrift erwägnten Eigentgümlicgfeiten 
beS Bergbaus, bie ifolirte Befcgäftigung beS Einzelnen unb bie 
große Abgängigfeit oon elementaren Ereigniffen tnatgen eine Auf* 
fügt erforberlicg, bie weit eingegettber unb häufiger fein muß, als 
bei anberen ©roßbetrieben. Saß bie 3teoierbcamten biefe Auffugt 
niegt ausüben fönnen, felbft wenn igre 3 a ^/ maS itg in 
mäßigen ©rengett für wünftgenSwertg gälte, oerftärft wirb, baß 
aueg ber Berpflid)tung beS Staates, eine Bürgf^aft für ben 
SicgergeitSguftanb ber feiner Auffitgt unterteilten Bergwerfe gu 
übernehmen, niegt genügt wirb, wenn bie 3 a ^ & cr ©tuben* 
beamten, beren pflichttreue unb Befähigung nad) jeber Dichtung 
gin anerfannt werben foll, oermegrt wirb, bas liegt auf ber 
£>aitb. 

Es bleibt alfo nur eine fegr ergeblitgc Bermcgrung beS ftaat* 
liegen AufficgtSperfonalS bureg llnterbeamte — etwa wie bie con- 
troleurs in ^ranfreieg — ober burtg ^erangiegung oon Arbeitern 
übrig. Unb bas fießtere würbe itg für baS Beffere galten, wenn 
es gelingt, Äautelen bafür gu finben, baß nur faegfunbige, guoer* 
läffige, unbeeinflußte perfonen gerangegogen werben. SKtr fegeint, 
baß baS legtere oorgugiegen ift aus bem allgemeinen ©raube, baß 
bie Arbeiterfcgaft an ben Maßregeln gur Bergütung oon ilngliitfS* 
i fällen am meiften intereffirt ift, baß igre §erangiegung gu ftaat- 
liegen gfunftionen eine Hebung beS ArbeiterftanbeS bebeutet, beren 
anberc BerufSftänbe fug auf anberen ©ebieten erfreuen; aus bem 
fpegieflen ©runbe, baß fo in größerer 3agl, als es burtg Beamten 
möglitg wäre, Perfoneit gur Auffitgt gewonnen werben fönnten, 
beren langjährige praftifege (Erfahrungen ein niegt goeg genug gu 
fcgäßetibcS Element bilben. Saß burtg eine fohge Einrid^tung bie 
Autorität ber ©rubenbeamten gefd)wäcgt würbe, baß bie Arbeiter* 
belegirten Anorbnungen ergegen laffen fönnten, bie in ©egenfaß 
gu benen ber ©rubenbeamten treten, wie bie Senfftgrift befürdgtet, 
fann nitgt gugegeben werben, wenn baran feftgegalten wirb — 
was itg unbebingt befürworten würbe — baß fie, wie in Belgien, 
Iebiglid) als 3nfpigicnten unb Bericgterftatter unb unter ber 
Autorität ber Sleoierbeantten fungiren. Senn bei ber ungemein 
großen ©cfägrlitgfeit beS BergmerfSbetriebeS muß aderbingS jebe 
3wiefpältigfeit ber Anorbnungen unbebingt oermieben werben. 

Aueg baS fann nid)t gugegeben werben, baß ßdg unter ben 
Arbeitern einer ©rube niegt perfonen finben würben, bie ber ignen 
übertragenen Berantwortlicgfeit gewaegfen finb, bie nötgige Be* 
fägigung gaben, bie ignen gu übertragenben Junftionen auSguüben. 
ES ift wogt rid)tig, baß ben Arbeitern bie Efenntniß ber pggß* 
faliftgen unb djemifdgen ©efeße, bie gur Prüfung ber SSetterfügrung 
erforberlicg ift, feglt, baß fie bie für bie Beurtgeilung ber Be¬ 
wegung unb Bertgeilung ber ©etter notgwenbigeit Bleffungen unb 
Berechnungen nitgt oornegmen fönnen, barauf fomtnt eS aber bei 
ben ignen gu übertragenben amtlitgen Aufgaben nidgt an. Abge* 
fegen baoon, ob niegt bod) aud) in ntanegen fällen praftifege Er¬ 
fahrung gur Erfennung einer Elefagr bureg fcglagenbe ©etter gin* 
reiefjt, worüber id) als 2ak niegt urtgeilcn wtü, fo ift fie botg 
gegenüber ben burtg anbere llrfacgen oeraulaßten ÜngliicfSfällen 
Zweifellos oon ©ertg. llnb biefe finb bie gaglreitgeren. Beim 



469 


©ogtale ^ra£tS. ©entralblatt für ©ogialpolittf. Br. 18. 


470 


Bergwerfsbetrtebe BreußenS fanten in bcn Saßoen 1883—1892 
burcßfeßnittlidß gu £obe auf je 1000 Arbeiter: 
bureß $ereinbrecßen non ©cfteinS*, Äoßlen*, ©rg* :c. SK affen 0,919 

jr.i__v cn_ 2 r._ />_ 


in ©cßäcßten unb Bremsbergen. 0,501 

bureß feßlagetibe SSetter. 0,319 

bei bei* Sprengarbeit. 0,ios 

bei bec ©treefenförberung.0,099 

bureß anbere Urfaeßen unter 2agc. 0,157 

bureß Mafcßinen über ober unter Sage.0,o4i 

bureß fonftige Urfaeßen über Jage. 0 , 220 . 


$ie Berunglütfungen bureß ©lein* unb Koßlenfall waren 
audp im 3a$ rc 1897 m Preußen, wie in anberen Säubern bei 
Weitem bie gaßlreießften, fie trafen non je 1000 Arbeitern 0 , 788 , 
roäbrenb in bemfelben Sab** buriß feßlagenbe Bßetter non 1000 
Arbeitern 0,154 oerunglüeften. Man foHte meinen, baß bie genaue 
Kenuhtiß ber Berßältniffe einer ©rube, bie langjährige Arbeit mit 
ftd) bringen muß, ein recht nüßließer Saftor gur Berßütung biefer 
itnglütfsfälle, foweit fte überhaupt mögließ ift, märe. 

£)te gorberung muß aKerbingS oorangefteHt werben, baß bie 
gu Auffeßern auSgewäßlten Arbeiter ben ©rab ber örtlichen unb 
allgemeinen ©aeßfunbe ßaben, ben ein Arbeiter überhaupt erreichen 
fann, b. ß. ft* müffen in ber ©rube, für bie fte befteüt werben, 
einige Sabre als |>äuer gearbeitet höben unb im ©tanbe fein, bie 
gur ©ießerung ber Arbeiter erlaffenen Beftimmungen richtig gu 
Iefen unb gu oerfteßen unb fachgemäße Angeigen gu erftatten. 
muß ferner oerlangt werben, baß fte guoerläffig, in moralifcher 
§inficßt oöUig unbefeßolten unb im ©tanbe ftnb, allen außerhalb 
ber ©aeße hegenben ©inflüffen gu wiberfteßen, mögen fie oon 
©eiten ber Arbeitgeber ober oon ©eiten ber Mitarbeiter fommen. 
@8 ift hierbei gu beachten, baß ißre AuffießtStßätigfeit fteß nießt 
nur auf ben ©ießerßeitSguftanb ber ©rube, fonbern aueß auf bie 
Sßätigfeit unb baS Berßaiten ber Bergleute wirb rießten müffen 
unb ßaß fie Berfiöße berfelben gegen bie ©icßerßeitSoorfeßriften, 
bie fie waßmeßmen, uunacßficßtlicß gur Angeige gu bringen haben 
werben, &enn ber £ßeil ber UngliiefSfäHe, ber bureß baS 33er** 
fcßulben ber Arbeiter ßerbeigefüßrt wirb, ift ein reeßt erßeblicßer, 
man wirb ißn mit einem Viertel nießt gu ßoeß oeranfeßlagen. 3 U 
meinem Bebauern fteßt mir eine 3ufammenfteIIung ber Berfeßul* 
billigen für Preußen nießt gur Verfügung, bagegen bin itß in ber 
Sage, aus einer Arbeit, bie für bie belgxfeßen Kohlengruben äuge* 
fertigt worben ift, folgenbe BerfeßuIbungSprogente bei ben oorge* 
fontmenen UnglücfSfällen angugebeit: 

Unoorfießiigfett beS Berunglüefteu.26,6% 

Unoorficßtigfeit anberer Arbeiter.3,i * 

©cßulb ber ©rubenleitung ober ihrer Beamten . 7,8 * 

Itnoorfießtigfeit beS Berunglücften unb anberer 

Arbeiter. 6,1 = 

Itnoorfießtigfeit bes Berunglücften unb ©cßulb ber ! 

©rubeniettung ober ißrer Beamten . ... 12,5 * ■ 

Unoorfußtigfeit oeS Berunglüefteu unb anberer 

Arbeiter unb ©cßulb ber ©rubenleitung ober 

ißrer Beamten. 1,6 * 

Itnoorfießtigfeit anberer Arbeiter unb ©cßulb ber 

©rubeuleitung ober ißrer Beamten .... 1,6 = 

3 ufaH.35,9 = i 

nießt ermittelte Itrfaeßen._._7,8 = I 

100 % | 

®tefe Angaben laffett einen ©eßluß auf bie Berßältniffe in 
beu preußifeßen Bergwerfen baßin gu, baß ber£ßeil ber UnglücfS* * 
fälle, ber bureß ©cßulb ber Arbeiter ßerbeigefüßrt wirb, oerßältniß* 
mäßig ber größte ift. $>er Arbeiterauffeßer wirb baßer nießt baoon 
bispenftrt werben fönnen, aueß hierauf fein Augenmerf gu rießten, 1 
unb ba8 feßt ein ßoßeS Maß oon Unabßängigfeit oorauS, offen® 1 
bar ein ßößereS, als feine £ßätigfeit naeß anberer Bießtung er« 
forbert. 

Bacß oorfteßenbett Ausführungen bürfte baran feftgußalten fein, 
baß ©aeßfunbe, 3 UDer löffigfeit unb Unabßängigfeit bie 
©igenfeßaften finb, bereu Befiß als Borbebittgung ber Aufteilung 
als Arbeiterauffeßer angufeßen ift. S<ß smeifle feinen Augenblick 
baß eine große 3°ßl ÜOn Bergleuten oorßanben ift, bie biefe Bor* 
bebinguitg erfüllen, bin aber ebenfo überzeugt, baß bie SSaßt bureß 
bie Belegschaften allein nießt ber rießtige B3eg ift, um fie ßerauS* 
gufinbeit. Namentlich auf großen ©ruben fennen ficß bie Bergleute 
ber Belegt eßafteu untereinanber nießt fo, baß fie in ber Sage 
wären, bie ©eeignetften gu wäßlen; perfönließe Begießungen, Biicl* 
ficßt auf bie BarteifteUung, ber 3ufaE ber Majorität werben bei ber 
Saßl ißre Bolle fpielen, furg, bie geßeime, freie B?aßl bureß bie 
Belegfeßaft, wie fie bie an bas AbgeorbuetenßauS gerießtete Petition 
bes ©ewerfoereinS cßriftlicßer Bergarbeiter ^eutfeßlanbs oorfeßlägt, j 


giebt nießt bie Bürgfeßaften für bie ©igenfeßaften ber Arbeiter* 
auffeßer, an benen oor Allem im Sntereffe ber ©ießerßeit 
ber Arbeiter oor Unfällen feftgeßalten werben muß. 
2)aS füßlt aueß ber Berein eßriftließer Bergarbeiter; er oertangte 
feßr oeiftänbig, baß bie Bergbeßöroe prüft, ob ber gewählte Ar* 
beiter bie nötßige Befähigung ßat, unb baß fte ißn anfteüt. Unb 
bamit fommt man auf ben richtigen Sßeg, ben ber Anstellung 
bureß bie ©taatsbeßörbe auf Borfeßlag ober naeß Anhörung ber 
Arbeiter unb, wie ieß ßingufüge, ber Arbeitgeber. $>ie ©ereeßtig* 
feit unb bie 3 roe<fmäßigfett forbert, baß biefe nießt übergangen 
werben. 

Borfäufig feßeint mir, baß baS belgifeße ©efeß ben rieß* 
tigen, unter Mobififationen, bie anbere Berßältniffe erforbern, aueß 
auf bie AuffießtSoerßältniffe ber preußifeßen Bergwerfe anwenb« 
baren BSeg gewählt ßat. ®te belgifeße Negierung ßat ftdß bie 
Örage geftellt: Sft ©runb oorßanben, baS SBiffen unb bie ©r* 
faßrung ber ftaatließen AuffießtSbeamten bureß bie ©rfaßrungen 
oon auSgewäßlten Arbeitern gu ergängen? ©ie ßat biefe S^ge 
mit Sa beantwortet unb bemnäeßft oerfueßt, im ©efeß Sürforge gu 
treffen, baß aueß mögließft befähigte Arbeiter als delSgues mineurs 
angefteHt werben. Db unb inwieweit ißr btes gelungen ift, wirb 
aus bem Berießt entnommen werben fönnen, ben bie Kommiffare 
beS $errn .fianbefSminifterS erftattet ßaben unb beffen Snßalt 
ßoffentließ reeßt halb befannt werben wirb. @r wirb jebenfalls 
aueß ftarfen ©mfluß auf bie ©ntfeßließungen ßaben über bie Art, 
wie bie Arbeiter unb Arbeitgeber bei ber AuSwaßl ber Arbeiter* 
auffeßer in ^reußen gu betßeiligen ftnb. 

2 )ie belgifeße Begierung war ber Anfteßt, baß bie Aufteilung 
oon Arbeiterauffeßern fdßwerlicß gu einer Berminberung ber großen 
llngliicfSfäHe füßren wirb, inSbefonbere nießt berer, weleße ber all* 
gemeinen Anlage unb Berwaltung ber ©rube gugufeßreiben finb, 
woßl aber, baß fie ber3ößl unb Bebeutung ber inbioibueden Un* 
fälle würbe fteuern fönnen, aber nur unter ber BorauSfeßung, baß 
bie Art ber AuSwaßl ber Arbeiter fteßere Bürgfeßaft für ißre 
Säßigfeit, ©rfaßrung unb 3 uoerläffigfeit bietet unb baß eine £ßei* 
lung ber Berantwortließfeit nidßt ftattfinbet. 2)aßer ber enge 3« s 
fammenßang, in ben fte Arbeiter, Auffeßer unb Beoierbeamte ge* 
braeßt ßat. 6 ) Aueß in biefer Begießung wirb man ißr in Preußen 
folgen fönnen. S)ie Berantwortließfeit unferer Beoierbeamten für 
bie ©ießerßeit ber ißnen unterteilten ©ruben barf nießt gunt Xßeil 
auf anbere ©eßultem gelegt werben, bie 3 a ßl iß l ' er Snfpeftionen 
barf nießt oemtinbert, fie müßte oielmeßr oermeßrt werben; follen 
fie aber biefer Berantwortließfeit, fomeit bas überhaupt mögließ ift, 
gereeßt werben, fo müffen ißnen fooiel .f)ülfSfräfte unterteilt werben, 
Daß fie gur wirffamen Ausübung ber Auffießt ßinreitßen; fie müffen 
ißren Anweifungen gu folgen ßaben unb ber Beoierbeamte muß 
fitß auf fie oerlaffen fönnen. 

^aS befinitioe Urtßeit über bie wichtige Öraae ber Berftärfung 
ber ftöötließen Auffießt über bie Baugewerfsbetriebe unb ber §eran* 
3 ießung oon Arbeitern ßiergu wirb fieß S^ber, ber fieß mit ißr be* 
feßäftigt, wie aueß ieß, bis baßin oorbeßalten wollen, bis bie 
Anfeßauung ber preußtfeßen Bergbeßörbe unb ißreS obersten SeiterS 
fowie beren Begrünbung befannt geworben fein wirb. 

©eebaeß. Dr. 3*ßr- oon Berlepfcß. 


Da? 3noallbemiecfli^entitg$gefe|. 


®er ©ntwurf eines SnoalibenoerfießerungSgefeßeS ift nunnteßr 
bem BeießStage gur oerfaffungSmäßiaen Befeßlußfaffung gugegangen. 
Bor furger 3^it ßabe ieß bereits in biefer 3^itfcßrift (oergl. „©ogtale 
Sßra^is" Saßrg. VIII Br. 4) gmei wi^tige Aenberungen ber Booelle 
befprotßen; naeßbem jeßt ber autßentifcße S^ert unb alle ©ingelßeiten 
ber betreffenben Beftimmungen oorliegeit, erfeßeint es notßwenbig, 
noeßmals auf biefe Aenberungen gurüefgufontmen. 

1. Als örtließe Drgane ber BerfießerungSanftalten follen 
Bentenftellen eingerießtet werben, befteßenb aus einem ftänbigen 
Borfißenben unb ber gleießen Angaßl Arbeitgeber unb Berfießerter 
als Beifißer. Sm ©egenfaß gu beut urfprünglidßen ©ntwurf, wie 
er bem BunbeSratß gugegangen war, foll ben Bentenftellen nießt 
bie ©ntfeßeibuug über bie Bentenanträge, fonbern nur bie © 11 t* 

B ennaßme ber Anträge unb bie Begutaeßtung berfelben gu* 
en. $)ie ©ntfebeibung über bie 3ubiHigung ber Bente bleibt 
naeß wie oor bei ben Borftänben ber BerfießerungSanftalten. 3e* 


6 ) Les delegues ouvriers k Tinspection des mines Bruxelles 1*65. 
Berfaffer ift .^crr ©m. -^avge, ber oberftc Bergbcamtc Belgieiu'. 
















471 


Sogiale Brajtg. Eentralblatt für Sogialpoütil. Ar. 18. 


472 


bodß ift bic feßr bebcutfamc Aenberung getroffen, baß bie Ab¬ 
lehnung non SRentenanträgen — fei eg Die gänglidße ober tßeil* 
roeife — meßt, wie bigßer, im 2öege ber einfachen Verfügung 
burdß bie beamteten Borftanbgmitglieber erfolgen barf, fottbern baß 
hier bie bem Borftanbe angeßörigen Vertreter ber Arbeitgeber unb 
Berficßerten mitwirfen muffen (Bentenfammer). Die gleite obli* 
gatorifdße SRittoirfung oon Arbeitgebern unb Berficßerten finbet 
unter ben gleichen Boraugfeßungen auch bei ben SRentenfieden ftatt. 
Den ßanbegregierungen bleibt eg oorbeßalten, ben SRentenfteden 
ißreg Begirfg aud) Die Entfcßeibung über bie SRentenanträge gu- 
guweifen. Eg banbeit ficb hier offenbar um ein im Bunbegratß 
gu Stanbe gefomrneneg Kompromiß gwifdßen ben Sreunben unb 
(Gegnern ber SRentenfieHen. Auch in ben greifen ber Borftänbe 
ber Berficßerungganftalten batte man gegen bie Uebertragung ber 
Entfcßeibung an bie SRentenfteden mannigfache Bebenfen geäußert, 
unb eg ift meßt gu leugnen, baß ber neue Borfcßlag geeignet ift, 
biefe Bebenfen gum größten Dßeile gu befeitigen. Durch bag neue 
Berfaßren roirb jebenfadg erreicht werben, baß bie Borbereitung 
ber Anträge eine grünblicbere fein wirb, baß in Solge ber 2Rit* 
wirfung ber Arbeitgeber unb Berficßerten im Borbereitungg* unb 
Entfcßeibungg-Berfaßren bie Entfcßeibung oielfad^ eine fachgemäßere 
unb für bie Berficßerten oertrauengwürbigere fein wirb, baß enblicb 
aug allen biefen ©rünben eine Anfechtung ber erftinftanglicf)en Ent* 
febeibung oiel feltener ftattfinben wirb alg bigßer. ®iefe leßte 
Schlußfolgerung legt bie Erwägung nahe, ob bag Snftitut ber 
gweiten Snftang, bie Scßiebggericßte, noch weiter auf* 
recht erhalten werben foII. 

Die SRotioe felbft weifen hierauf hin; wenn bie Aooede aber 
troßbem bie Scßiebggericßte beibehalten will, fo erfeßeinen bie hier¬ 
für beigebrachten ©rünbe in feiner SBeife fticßßaltig. Der ©aupt- . 
grunb ift bie (Gefahr, baß bag beamtete Borftanbgmitglieb oon 
feinen beiben Beifißern, bem Arbeitgeber unb bem Berficßerten, 
üb er ft im mt wirb, baß alfo gegen ben "Bitten beg Beamten bie 
Bente gur geftfeßung gelangen muß. 3unäcßft ift gu benterfen, 
baß bie gleiche ©efaßr auch btn Entfcßeibutigen beg Scßiebg* 
gerießtg oorhanben ift. Dann glaube ich aber auf ©runb meiner 
langjährigen Erfahrungen bie Uebergeugung augfprechen gu fönneu, 
baß eine folcße Üeberftiuimung nur m feltenen fällen oor* 
fommen wirb, baß aber in ben meiften oon biefen feltenen gälten 
bie übereinftimmenbe Anficht ber Beifißer gum SRinbeften feßr gute 
©rünbe haben wirb. Aber wegen biefer möglichen oereingelten 
gätte eine große unb foftfpieligeDrganifation beiguoeßalteii, bafür ocr* 
mag idh bie Aotßroenbigfeit nicht anguerfennen. 9Ran ergreife hoch 
enblicß bie Gelegenheit, um einmal wirflid) gu oereinfaeßen! 
Bill man bureßaug ben Borfißenben beg Borftanbeg bie 9Röglicß* 
feit geben, in befonberg mißlichen fällen SRemebur gu fchaffen, fo 
feße man bie Dßatfadje, baß bie Entfcßeibung gegen ben Bitten 
beg Borfißenben gefällt ift, algSteoifionggrunb feft; ich bin 
licßer, baß bie 3aßl ber hierauf fi<h ftüßenben SReoifionen nur eine 
fehr geringe fein wirb. 

Die feßwerften Bebenfen muß ich 9 e Qea bie gorm ber 
Schaffung ber Bentenftellen unb ihre Einfügung in ben 
©efammtorganigmug ber Snoalibenoerficßerung geltenb 
machen. 

Die Stentenftetten foden örtüdje Drgane ber 23erfiehe* 
rungganftalt fein, bei ber Schaffung biefer ihrer Drgane fteht 
aber ben Anftalten eine entfcßeibenbcSRitwirfung nicht gu, ingbefonbere 
wirb ber leitenbe Beamte, bie wießtigfte ^ßerföiilichfeit, nießt oon 
ber Anftalt, fonbern oon ber Öanbegregieruna beftedt. Damit 
ift oon oornherein ber Keim gu 3wiftigfeiten gelegt, 
welche geeignet fein werben, ein innigeg 3 u famtnen* 
arbeiten ber Anftalt mit ben SRentenftellen wesentlich gu 
erfchweren unb bamit bie fogialpolitifch günftigen Bir* 
fungen ber neuen Einrichtung- wieber gu paralpfircn. 
"JRit ooUftem stecht hatte ber urfprüngliche, bem Bunbegratß gu* 
gegangene Entwurf bie Befiimmung getroffen, baß bie Borfißenben 
ber SRenteuftcden oon ben Anftaltgoorftänben gu befteden finb. 
Daß bie nunmehr bitrcß bett Bunbegratß getroffene Aenberung eine 
Berfcßlecßterung bebeutet, bie ben Bertß ber gangen Sit* 
ftitution in fjrage ftellt, ift nicht gu begmeifelit. Sn ben 

Bunbegfiaaten, in welchen an ber Spiße ber Anftalten Staatg* 
beamte flehen, mag eg nod) angeßen, baß auch Staatgbeamte an 
bic Spiße ber SRentenftellen treten, ©ier fann im Bege ber Dienft* 
auffießt leicßt bie erforberlicße Entente ergielt werben. Aber in 

Preußen, wo burdjgängig ^rooingial- begw. ftommunalbeamte alg 
Leiter ber Anftalten fungiren, würben biefe Beamten ben ftaatluß 
beftedten 2Sorfißenben ber $Rentenfteden gegenüber halb in bie 
fdjwierigfte Stedung fommen, unb bei Aufbietung aden ^afteo I 


würbe eg unmöglich fein, bie fdfjmerften ^ifferengen gü oermeiben. 
3)ie IRücfwirfung auf bie 23eßanblung ber ©efd)äfte ergiebt fieß 
oon felbft. tiefer ^ßunft erfeßeint mir oon ber größten Skbeutung. 
3Ran fodte boeß an ben Erfahrungen, bie mit ben Staaig- 
fommiffareit gemacht worben finb unb bie man jeßt glücflicß be* 
feitigt hat, lernen, ^ier werben aber bie 3 u ftänbe noeß oiel 
fcßlimmer werben, wett ber S3orfißenbe ber Anftalt, ber $rooiitgial- 
begm. ^ommunalbeamte, fieß gegenüber ben ftaatlicß beftedten ^or-. 
fißenben ber SRentenfteden in einem iibergeorbneten S3erßältniß 
befinbet. 23ei ber Drganifation ber SRentenfteden ntüffen bie S3er= 
ficßerungganftalten bie weitgeßenbfte SOUtwirfung erßalten. $)ie 
Anftalten mitffen gunäcßft gang felbftftänbig über bie Abgrettgung 
ber 29egirfe gu entfeßeiben ßabett, ba fie ja bie in 23etrad)t 
fommenben 23erßältniffe am beften fennen. Eg muß ißnen ferner 
bie Ernennung ber 33orfißenben unb bie Seftfeßung ißrer 23egüge 
gufteßen. ©erabe oon ber Augwaßl ber SSorRßcnben ber Stenten* 
fteden, oon ißrer fogialpotitifd)en Befähigung gu biefem Amte wirb 
ber gange Erfolg ber neuen Einrichtung abßängen. Söelcße Be* 
ßörbe fönnte aber geeigneter fein biefe Augwaßl gu treffen, alg 
ber Borftanb ber BerRcßerungganftalt felbft unb welcße ©rünbe 
foQen bafür oorßanben fein, ißm biefeg Stecßt gu nehmen? $>ie 
Söieberßerftedung ber urfprünglicßen Borlage an ben Bunbegratß 
ift in biefem fünfte unerläßlich, bann werben bie SRentenfteden 
bag werben, wag fie fein foden: ein Drgan ber Berficßerungg- 
anftalt, bag in oollftcr ©armonte mit ber Eentraloer* 
wattuna oßue Betonung irgenb welcßer Sottberintereffen 
bag ©efeß gur Durchführung bringt. 

s Dfeine grunbfäßlicße Stedung für bie Stentenfteden ift bebingt 
bureß bie beftimmte Annahme, baß biefeiben ben erften Schritt 
gur Eentralifirung ber gefammten Arbeiteroerficßerung 
büben werben unb foIIen. Sngbefonbere ift bie oöllige Ber* 
fcßmelgung ber Saoalibitätg* unb £ran!cuoerfid)erung 
in ben neuen örtücßen Drgaiten, welcße icß fürglicß in biefer 3eit- 
fd;rift augfüßrlicß erörtert habe,*) unoermeiblicß unb eg wäre feßr 
gu wünfeßen, baß in biefer Begießung ber Steid)gtag feßon jeßt eine 
beftimmte Stedung einnehmen würbe. iRan fodte aueß begwegen 
bie Begeicßnung „Stenteuftedeu" oermeiben unb ftatt beffen bie oon 
mir gebrauchte Begeicßnung „Arbeiteroerficßerunggämter" 
wählen, um bamit bic künftige Stedung biefer Drgane im ©e* 
fammtorganigmug ber Arbeiteroerficßerung gu cßarafterifiren. 

II. ©caen bie iit ber 9?ooede oorgefdßlagene anberweite Ber* 
tßeiluug Der Stentenlaft habe icß bereitg meinen BHberfprucß 
geltenb gemaeßt, unb icß fann biefen BMberfprucß nur auf bag 
Entfcßiebenfte wieberßolen. 

Eine anberweite Bertßeilung ber Stentenlaft ift berechtigt, foweh 
eg fidß um einen oeruünftigenAuggleicß in ber Bentenbelaftung ßanbelt, 
wie fie bei eingelnen Berficßeniugganftalten burd; ißrer Einmirfung 
nidßt unterliegenbe Berßältniffe gefdjaffen ift. B3id man aber barüber 
ßinaug eingelnen Anftalten aufcSi ofteu ber „reichen" Anftalten ungerecht* 
fertigte Bermögengoortßeile guwenben, fo ift biefe Abfidjt mit ber 
größten Entfdjiebenßeit gu befämpfen. Einen oernünftigen Augaleid) 
würbe icß in ber bereitg friißer oon mir ooraeftßlagenen Bertßeilung 
beg ©runbbetrageg ber SRenten auf fämmtlicße Anftalten 
naeß Maßgabe ber in ißren Begirfen o'orßaitbenen oer- 
fidßerunggpflicßtigen Berfoneu feßen, eine ungerechtfertigte 
3uwenbung oon Bermögengoortheilen feße id) in ber Borlage ber 
oerbünbeten Siegierungeit. Die Bertßeilung beg ©runbbetrageg 
würbe gweifetlog bie ©efunbung ber gegenwärtig notßleibenben unb 
efäßrbeten Anftalten gur $olge ßaben, einen weiteren 3 roef f 
arf aber unb foll bie ^Reform nicßt ßaben. 2öeun eingelnc 
Anftalten große Kapitalien anfammeln, fo fteßen biefen An* 
fammlungeit aueß feßr große Belüftungen gegenüber, unb erft bie 
fernere 3ufunft wirb getgen, ob wirflid) ber lleberfdjnß ein über¬ 
mäßig ßoßer ift. Scßon früßer habe icß barauf ßingewiefeu, wie 
in ben inbuftrieden Anftaltgbegirfen bie 3 a ß^ ber Snualibenrenten 
fortgefeßt im Steigen ift — wäßrenb fid) in länblkßen Anftaltg¬ 
begirfen feßon ein Biicfgang bemerfbar mad)t —, wie in biefen 
Anftaltgbegirfen friißgeitig Snoalibifirungen ftattfinben, weld)e bic 
Anftalten ftarf belafteit, wie enblicß bie oorbeuaenbe Kranfenfürforge 
fieß in biefen Begirfen gang befonberg notßwenbig erweift unb 
enorme Auggaben oernrfaeßen wirb, ©crabc in biefem leßten Bunftc 
fteßen wir erft in ben Anfängen ber Entwirfelung. Die Ber* 
fidjerungganftalt Berlin giebt jeig t lö< > Ooü , ((. für Kraufenfürforge 
aug, fie baut aber ©eiiitätten*Einriißtungcu für 5—6 Bfidioncn 
SRarf unb wirb naeß Sertigftedung berfelben mit 500—600 000 . if, 
jährlich belaftet fein! Unb biefe URaßnaßmc gefeßießt nießt beö* 

■) Bergt. Sp. o.‘>3. 



473 


«Soziale $ra£is. Eentralblatt für Sogialpolttif. Str. 18. 


474 


wegen, weil bic Anftalt „beibenmäßig" oiel ©elb bat, fonbern weil 
biefe gürforge für bic großftäbtifcßen Arbeiter, welche fich in ißrer 
Slrbeitsfraft fcßneE abnußen unb leidet betn Siechtum anheim* 
fallen, unumgänglich notßwenbig ift. Das, was ber in* 
buftrielle Arbeiter in Solge feiner ungünftigen ArbeitS* 
unb i'ebenSoerbältniffe weniger an Renten befommt, 
foll er als ^ranfenfürforgeleiftung erhalten! Diefer 
©runbfaß ift burehauS berechtigt, er wirb aber nicht in ooEern 
SJtaße gur Durchführung gelangen fönnen, wenn man ben inbu* 
ftriellen Anftalten ihre Einnahmequellen unterbinbet unb ihr 93er* 
mögen oerringert. SJtan hat wohl nicht mit Unrecht barauf hin* 
gemiefen, baß bie nothleibenben Anftalten gu einer ©efunbuna 
leicht burch Erbgang ihrer Veiträge gelangen fönnten. ©ewiß 
wäre es beffer, wenn eine folcße Vtaßnabme oermieben werben fönnte, 
unb fie wirb oermieben, wenn man bie oben erörterte Verkeilung 
bes ©runbbetrages ber Renten einführt. VHe will man es aber 
rechtfertigen, wenn bie StooeEe bie |)erabfeßmtg gerabe berjenigen 
Beiträge oor fieht, welche für bie nothleibenben Hn ft alten 
baupifäcßlicb in betracht fommen? Die $olge baoon ift 
bo<h bie, baß bie Einnahmen biefer Anftalten fich noch mehr oer* 
ringern unb eine Saniruitg aus eigener Äraft gur Unmöglichfeit 
wirb. (Gerabe biefe Vtaßnabme muß ju ben fchwerften 
Vebenfen unb au bem ftärfften Vtißtrauen gegen bie 
Vorfcßläge ber Stooelle führen. 

3<h n)iü mir oerfagen, auf bie fjhweren politifchen Ve* 
benfen eingugeben, welche biefer „VermögenStbeilung" entgegen* 
ftehen. Vtan betritt bamit einen 38eg, welcher gu ben gefährhehften 
$onfequengen führen muß. Die Sogialbemofratie müßte eigentlich 
3U ber geplanten Reform mit ©enugtbuung ihre ooHfte 3uftimmung 
geben, fie wirb es aber nicht thun bürfen, wenn fie fidh nicht mit 
ber gefammten inbuftriellen Arbeiterfdjaft in ben ftärfften Söiber* 
fprueß feßen wiE. 

Die SJtaßnaßme, baß man ftaatlicß anerfannten, behörblich 
organifirteit StecßtSperfönlicßfeiten einen großen Dßeil ihres Eigen* 
ißums entgießt, wenn auch S ur Erfüllung oon Verpflichtungen für 
bie ©efammtheit, ift ohne jeben Vorgang. 3<h warne auf baS 
Dringenbfte, fji er einen ^räcebenjfall su feßaffen! 3)tan 
laffe ben Anftalten ihr Eigenthum, man laffc ihnen bic freie Ver* 
waltung über baffelbe unb befeßränfe fi<h barauf, einen feft be* 
ftimmten ber Stente, ben ©runbbeirag, als gemeinfcßaftliche 
Saft fämmtlicher oerficherungSpflicßtigen Sßerfonen feftgufeßen, fo 
baß bie Stente befiehl: 

a) aus einem 2heü, welchen bas Weich trägt (SteidjSguichuß oon 
50 Je.)', 

b) aus einem Dßeil/ welcher oon fämmtlichen oerficherungs* 
pflichtigen $erfonen gemeinfchaftlich getragen wirb (Wrunb* 
betrag oon 60 M.)’ t 

c) aus ben Stetgerungsbeträgen, welche jebe Anftalt für fich trägt. 

Durch biefe Sftaßnabme wirb ein oerniinfticjer unb wohl* 

berechtigter Ausgleich in ber Stentenbelaftung gefdjaffen, welcher ge* 
eignet ift, im £aufe ber 3*it eine oöEige ©efunbuna ber bebrohten 
Anftalten herbeijuführen, ohne baß irgenbwelche beoenfliche Sieben* 
mirfungen — ©efäßrbung ber Selbftoerwaltung, ©efährbuug einer 
rationeuen fparfamen Vttrthfcßaft u. f. w. — gu befürchten finb. 

hierbei möchte id) mich gleichseitig gegen bie 3orm wenben, 
in welcher bie StooeEe eine Erhöhung ber Stenten oornehmen 
wiE. Der Stentenerhöhung an fich ftehe id) feßr fpmpathifch gegen» 
über. Abgefebeit oon ber wirtbfdjaftlicßen Stotbwenbigfeit wirb biefe 
Erhöhung ber gangen 3nftitution unb bereu Durchführung fehr 
gum Vortheil gereichen, fie wirb baS Sntereffe ber Arbeiter an ber 
Verficßerung wefentlich fteigern unb ihr aud) in ben Streifen ber 
übrigen Veoölferuna mehr öreunbe gufiibren. ^iir burcßauS oer* 
fehlt erachte id) aber ben Söeg, ben bie StooeEe einfehlägt: bie 
Erhöhung bes ©runbbetrages unter gleichseitiger .^erabfeßung ber 
Steigerungsbeträge berart, baß bie Altersrente überhaupt nur aus 
bem ©runbbetrage befteht unb bei ber Snoalibeitrente bie Stenten* 
fteigerung burd) Vtarfen hinter bem ©runbbetrage ooEftänbig 
gurücfbleibt. Diefe Vtafenahme fleht im engften 3ufuntmenhang 
mit ber anberweiten Vertheilnng ber Stentenlaft, burch welche eben 
bie alfo erhöhten ©runbbeträge genteinfame Saft fämmtlicher Au* 
ftalten werben foEen. Die gemeinfame Saft wirb babureb 
berart gefteigert, bafj ihr gegenüber bie Sonberlaft burch 
bie Steigerungsfähe faft gar nidjt mehr in Vetrad)t 
fommt. Die golge baoon ift sunächft bie, bah bie Verftd)erungS* 
anftalten an einer fparfamen Stenieumirthfchaft gnr fein Öntereffe 
mehr hoben, ba{j aber weiter bie Verheerten feloft jebeS Sntereffe 
an ber regelmäßigen fortbauernben Verwenbung ber SJtarfen oer* 
lieren. Daß bieS ber Durchführung ber Verfichtung nid^t jum 


Vortheile gereiet, liegt auf ber £anb. Am gweefmäßigften wirb 
baher bie Wentenerhöhung bur^ Erhöhung ber Steigerungs* 
fäße erjielt; baneben fann man inbeß noch eine mäßige Erhöhung 
beS ©runbbetragS eintreten laffen. 

III. Das Suftitut beS StaatSfommiffarS ift befeitigt 
worben; es entfpricht bieS einem oon aEen Seiten auSgefprochenen 
Verlangen. Statt beffen fieht nun ber Entwurf eine ber* 
artige Vefdjränfung ber Selbftoerwaltung ber VerfichermtgS* 
anftalten oor, baß biefelbeit, oor bie Söahl gefteIXt, feinen Augen* 
blief gögem würben, fich für bie Aufredbterhaltung beS beftehenben 
3uftanbeS ju entfeheiben. Der Staatsfommiffar war mehr läftig 
als gefährlich; bie neuen Veftimmungen beS Entwurfs ftnb aber 
geeignet, bie Selbftoerwaltung Der Anftalten oöllig ju 
oernichten. S^ach bem Entwurf wirb närnlid) baS Stecht ber An* 
ftalt, ihr Vubget felbftftänbig aufjufteflen, aufgehoben unb bem 
weiteren Äommunaloerbanb begw. ber SanbeScentralbehörbe baS 
Stecht gegeben, ben Voranfd)lag nach ihrem Velieben feftgufeßen. 
Welcher Arbeitgeber unb Arbeitnehmer wirb unter foldjen Verhält* 
niffen noch Suft hoben, bei ber Verwaltung ber Anftalt mitgu* 
arbeiten? 3Bie wiE man biefe SJtaßnahmen mit bem bebeutfamen 
3iele unferer Sogialgefeßgebung, bie Arbeitgeber unb Arbeitnehmer 
gu gemeinfamer Arbeit in ber Selbftoerwaltung ber Crganifation 
gu oereinigen, in Einflang bringen? Es erfepeiut gängUch ouS* 
aefchloffen, baß ber SteidjStag, welcher fich bereits bei ber Verathung 
Der erften StooeEe mit EinheEigfeit unb Entfchiebeuhcit gegen jebe 
Vermehrung ber Aufficht unb Vefchränfung ber Selbftoerwaltung 
auSgefprochen hot, biefen Veftimmungen beS Entwurfs feine 3«* 
ftimmung geben wirb. ES ift nur gii Bebauern, baß überhaupt ber* 
artige Vorfcßläge gemacht werben fönnen! Aus bemfelben ©runbe 
finb gwei weitere Veftimmungen gu oerwerfen: baS Stecht beS 
weiteren ÄommunaloerbanbeS begw. ber ßanbeScentralbehörbe gur 
VefteEung eines ÄommiffarS mit berathenber Stimme bei ben Ver* 
hanblungen beS AuSf^uffeS unb baS Stecht beS Vorfißenben ber 
VerftcherungSanftalt gur Veanftanbuna oon Vefchlüffen ber Draane 
ber VerficherungSanftalten. Die erfte Veftimmung ift praftifch 
wirfungSloS unb fdjafft nur Verftimmung, für bie gmeüe Ve* 
ftimmung liegt eine Stothmenbigfeit nicht oor. 

IV. Es ift nid)t auSgefcpIoffen, baß ber SteicßStag bie für 
bie oerbünbeten Stegierungen wichtigften Veftimmungen ber StooeEe 
ablehnt unb bamit bie gange Stooeue gum Scheitern bringt. SoEte 
bieS eintreten, fo wäre es bringenb erwünfeht, baß eine große An* 
gahl oon abänbernben Veftimmungen ber StooeEe, welche gur Ver* 
einfachuna unb Erleichterung bei ber Durchführung beS ©efefceS 
bienen, über bereit 3n>ecfmäßigfeit fein 3n)eifel obliegt, bie anberer* 
feitS bie Vringipieit beS ©efeßeS in feiner 9Seife berühren, ©efeß 
werben. Ein bei ber Verathung ber erften üftooeüe fidß in gleicher 
Stidjtung bewegenber Antrag ber Abgeorbneten Sticfert unb Stoeftcfe 
würbe oon bem bamaligen Staatsfefretär bes Snnern mit ber Ve* 
merfung abgelehnt, „es wäre nicht angängig, bie Stojtnen aus bem 
tuchen gu nehmen". Diefer Stanbpunft ift unhaltbar, unb ich 
habe bie fefte Uebergeugung, baß ber jeßige Staatsfefretär ihn 
nicht acceptiren wirb. Die Sntereffenten beS ©efeßeS, b. h- olfo bie 
gefammte Veoölferung hot ein Stecht barauf, gu oer* 
langen, baß biefe erleichternben Veftimmungen enblich 
in traft treten, unb es ift nicht angängig, biefe Veftim* 
mungen gum ©egenftanbe eines gefeßgeberifchen .fjanbels 
gu machen. 

Verlin. Dr. jur. SHcßarb Sreunb. 


Allgemeine Sojtal- unb mtrttjfdjaft^politth. 

Sogialpolittfihe Debatten im ^Reichstage* 

3m Steichstag hat wie aEfäßrlid) bie Verathung beS Etats 
beS Stei^SamtS Des 3nnern gu einer mehrtägigen aEgemeitien 
fogialpolitifdjen Debatte geführt. An leitenber SteEe ift biefe, fo* 
weit bie großen ©eficßtSpunfte in Vetracßt fommen, bereits in ber 
leßten Stummer gewiirbigt worben. §ier foEen nur einige Eingel* 
beiten nachgeholt werben. Die fogialbemofratifcben Abgeorbneten 
traten bieStnal gang befonberS als fajarfc §üter ber Ausführung ber 
Arbeiterfchußgefeße auf, obgleid) fie früher gegen faft afle biefe 
©efeße geftimmt hoben. Sie geigten fich babei, was ben Vau*, 
tonfeftionS*, ©IaS» unb VorgeEanarbeiterfdjuß unb ben Sd)uß ber 
Seeleute betrifft, gugleich als eifrige Vtaßner unb Dränger, jvrei* 
lieh fonb fieß ber fogialbemofratifche Abgeorbnete Singer and) be* 
wogen, oor einer Ueberfchäßung ber „Vlaufcrung" innerhalb ber 
Sogialbemofratie gu warnen. Die Sogialbemofraten betrachteten 
aEe Reformen nur als „AbfcßlagSgahlungen" unb feien innerhalb 






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©ogiale SßrafiS. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 18. 


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ber heutigen Wirthfchaftsorbnung überhaupt nicht gufrieben gu 
fteßen. 

3tn Eingelnen ift aus ben Serhanblungen gu berieten, baß 
bie feit Saljrcn aitge!iinbigte neue ©eemannSorbnung, bie an 
bie ©teile ber oeralteten, aus bem Anfänge ber 70 er Fahre 
ftammenben treten faß, in biefer ohnehin iiberlafteten ©effton nicht 
mehr oorgelegt, fonbern ber nächften ©effion oorbehalten werben 
füll. An bieReoifion ber Unfalloerficherung foß erft gegangen 
werben, wenn bie jefct bem Reichstage oorliegenbe umfangretdje 
Rooeße gum FnoalibitätS* unb AlterSoerficherungSgefeß erlebigt 
ift. Tie Bäcfereioerorbnung, gegen welche wieber gewaltig 
©turnt gelaufen würbe, foß, fobalb bie Ergebniffe ber auf Anorb* 
nung beS ReichSfanglerS oon ben Eingelftaaten über bie Wirffam* 
feit oer Serorbnung augefteßten Erhebungen ooßftänbig oorüegen, 
einer erneuten Prüfung untergogen unb eoentueß abgeänbert 
werben, bod) wiß babei bas Zentrum, wie ber Abgeorbnete 
Dr. .|)ifce erklärte, oon betn Waße beS bisherigen ©cßußeS ber 
Arbeiter fein Sota abwei^en. Tie Äommiffion für Arbeiter* 
ftatiftif, bie namentlich oon £>errn o. ©tumm wieber angefeinbet 
würbe, aber oon ihren BHtaliebern, ben Abgeorbneten Dr. £>iße unb 
9Mfenbuhr, gefd)icft oertbeibigt würbe, foß bemnädjft mit Er* 

Ö en über bie Arbeitcroerhältniffe in ben ©laSfcßleifereien, 
.d;Ieifereien, ThomaSfd)latfe*Fabrifeu unb Blei* unb 3inl* 
betrieben betraut werben. Auch ber Erweiterung ber tfommiffton 
gu einem Reichsarbeitsamt würbe, wenn auch nur nebenbei, 
baS Wort gerebet. FnBegug auf ben Bauarbeiterfchuß würbe 
oom ©taatsfefretär anerfannt, baß noch große SMßftänbe auf ben 
Sauten beftänben. Tie oon ben ©ogialbemofraten oerlangte 
Unterfteßung ber Sauten unter bie ©ewerbeaufftd)t fei aber unauS* 
führbar. Tie Bauaufficht fönne nur burch lofale Oraane wahr* 
genommen werben. Er habe Enbe 3«ni oorigen Jahres ein 
Runbfdjreiben an bie oerbünbeten Regierungen erlaffen unb in 
biefettt bie Rothwenbiafeit eines oermehrten ©chußeS ber Arbeiter 
auf Sauten betont. Er hohe u. 21. eine Serfdjärfung ber llnfaß* 
oerhütnngSoorfchriften ber Sau*BerufSgenoffenfchaften angeregt, 
ebenfo befferen ©efunbheitsfd)uß ber Sauarbeiter. Er hohe auch 
angeregt, baß bie Sauunternehmer ber Sßoligeibehörbe Arbeiter 
präfentiren möchten, welche bie Äontrole ausübten unb, wenn ber 
polier bie gefetlichen Anfprücße nidE»t erfüße, ber Boligei Renntniß 
geben möchten. — |>eroorguheben wäre noch, baß ber d)riftlich*f ogiale 
Abgeorbnete ©töcfer fehr warm für bie Fortführung ber ©ogial* 
reform eintrat unb oor bem „3u<h*hauSgefeß" unter Hinweis auf 
ben unoerfennbaren WauferungSprogeß innerhalb ber ©ogialbemo* 
fratie warnte. 

Sei ber Serathung bes ooit ben ©ogialbemofraten gefteßten 
Eintrages auf Einführung obIigatorifd|er ©chiebSgerichte, 
Aushebung berfelben auf alle Arbeiter, baS ©efutbe unb baS 
faufmännifdje £>ülfsperfonal, Serleihung beS aftioen unb paffioen 
Wahlrechts auch auf bie grauen unb £>erabfeßung beS Wahlrechts* 
alters auf 20 Fahre, gelangte auch eine Refolution auf Ein* 
führung faufmännifcher ©chiebSgerichte mit gur Se* 
ratfjung. ®er ©taatsfefretär beS ReichsjuftigamteS bemerfte, baß 
bie Serhanbluitgeit über bie faufmännifchen ©chiebSgerichte noch 
nicht gum Abfcßluß gelangt feien. RZeinungSoerfchiebenheiten 
herrfthen inSbefonbere barüber, ob bie ©chiebSgerichte ben Amts* 
geridhten ober ben ©ewerbegerichten angegliebert werben foßten. 
Tie ©ache werbe aber weiter eingeheno unb ernft geprüft. 
Tie Refolution würbe angenommen, bagegen ber fogialbemofratifche 
Eintrag abgelehnt. Tafür würbe folgenber, oom Eentrum ein* 
gebrachte Antrag einer 14gliebrigen ftontmiffion gur Borberatljung 
überwiefeit: Tie oerbünbeten Regierungen gu erfuchen, bem Reichs* 
tage tfjunlicf)ft halb eine Rooeße gu bem ©efeß, betreffenb bie 
©ewerbegerichte, oorgulegen gu bem S^ecf 

a) eine georbnete Aufstellung ber Wäljlerliften wirfiamer gu sichern; 
b) bie Errichtung oon ©ewerbegerirfjten obligatorifcb gu machen, foweit 
nicht bie 2anbcSregierung wegen mangelnbeu Scbürfniife« Ausnahmen 
gcftaltet; c) bie Stompcteng ber ©emerbcgcrichtr als EiuigungSämter 
60 bes OH'fepes, betreffenb bie Weroerbcgcridite) baljiit gu erweitern, 
bnß biefelben auch ohne Anrufen ber frreitenbeit Parteien für bie Sei* 
legititg ber Streitigfeiten wirfeu fonnen. 

Eine fehr glücfliehe Anregung gab Abgeorbneter Roeficfe*Teffau, 
ber überhaupt in bett gangen Tebatten mit ebenfooiel Eifer wie 
©efcfjicf beit Fortfehritt ber ©ogialreform auf aßen ©ebieten oertrat, 
mit bem ©ebanfen ber Errichtung eines BtufcumS für fogiale 
^ rar iS, ber bie bereitwillige 3 u fliwmung beS Eentrums, ber 
Rationalliberalen, ber ©ogialbemofraten unb fogar bes Jvrei^ccrn 
oon ©tumm fanb. Ter ©taatsfefretär meinte, baS fei eine fehr foft* 
fpielige ©adje, was oon ©eiten mehrerer Slbgeorbneter beftritten würbe. 


Tie Wohnungsfrage nnb Dlinifter oon Stignel* Es ift bc* 

fannt, bah Dr. o. Riiquel feit langer fyit ber Wohnungsfrage fein 
lebhaftes Sntereffe guwenbet. 2lis Dberbiirgcrmcifter oon Sranf* 
furt a. hat er fogar oor gehn fahren auf bem SereinStage für 
öffentliche ©efunbheitspflege ein einbritiglicheS ^laboper für ein 
reichSgefehlicheS Sorgehen gur Sefeitigung beS WohnungSelenbs 
gehalten. 3efct hat er feine Slntheilnaljme aufs Reue öffentlich be* 
funbet. 3n ber EtatSbebatte beS preufcifchen 2lbgeorbnetenhaufes 
erflärte er am 23. Qanuar nach bem „ReichS-'2lng.": 

„©laubeit ©ie mir, eine gute Wohnung, eine billige 
Wohnung, eine reinliche Wohnung, gute ©efellfchaft 
giebt gutes Familienleben, gutes Familienleben giebt 
Moralität unb oerftänbtge ©efimtung!" 

TaS finb wahre unb fchöne Worte! 9Röge ber Finangminifter 
bafür forgen, bafe bie Wohnungsfrage nicht nur für bie ftaatlicheit 
Seamten, fonbern auch für bie Rtillionen gelöft wirb, bie je^t in 
menfehenunwürbigen 3 u fßinben häufen miiffen. 

©<h M h ber Augefteßten in Babengefchäften. 3 e il un 9 §na chrichten 
gufolge faß in einer Rooeße gur ©ewerbeorbnung für ©efehäfts* 
angefteßte eine gchnftünbige, ununterbrochene Ruhegeit unb ein* 
ftünbige Tifchgeit, faßs außerhalb beS ©efehäfts gefpeift wirb, oor* 
gefchrieben werben. Ausnahmen werben für Weihnachten, gur 
Qnoentur 2 C. gugelaffen. Faßs gwei Trittei ber ©efehäftsinhaber 
eines CrteS es beantragen, fattn oon ber ©emeinbebeijörbe ein 
obligatorifcher ©efchäftsfchlu^ oon 8 Uhr AbenbS bis 6 llhr 
RforgenS mit bem Rerbot beS ^aufirhanbels währenb biefer 3*ü 
oerfügt werben. 


ftotttmuttale 


Stoeiter |»reu§if(^er ©täbtetag* Auf bem aßgemeinen preufei* 
fcheit ©täbtetage, ber am 23./24. Fanuar unter bem 9$orfib beS 
Dberbürgenneiftere SBecfer*^öln in Berlin tagte, waren 79 ©täbte 
oon 25 000 Einwohnern unb barüber burdj 130 Abgeorbnete oer* 
treten. Tie Herfammlung erflärte ihre 3uftünmung gu ber Ein* 
gäbe beS hanttooerfchen ©täbtetageS an baS ©taatSminifterium, 
bafe bie Ueberweifung ber gefammten Wafferbauoerwaltung an baS 
lanbwirthfchaftliche TOnifterium ben Fntereffen ber ©täbte nicht 
entfpred)e. 

Für bie gefehliche Regelung ber RedjtSoerhältniffe ber ^om* 
munalbeamten (23erid)terfiatter ©tabtrath Rtenhel*33reSlau) beharrte 
ber ©täbtetag im ©rohen unb ©attgen auf ben ©runbfäfeen, bie 
ber erfte preuhifche ©täbtetag oom 29. unb 30. ©eptember 1896 
(ogl. Sahrg. VI ©p. 33) aufgefteßt unb bie fpäteren prooingießen 
©täbtetage im Aßgemeinen gebißigt haben. Tie fefte Anfteßung 
jebes ffommunalbeamten erforbert bemnach eine bie Ernennung 
gunt ^ommunalbeamten enthaltcube fd)rtftlic§€, bem Seamten gu* 
aefteßte Erflärung ber guftänbigeu Sehörbe. Tie lebenslängliche 
Anfteßung foß oon einer fünfjährigen Ticnftgeit in ber ©emeinbe 
unb bem ^)öchftalter oon 35 Fahren abhängig gemacht werben. 
Tie fünbbare Anfteßung foß im ©efejj ausgesprochen werben für: 
a) Seamte, beren 3*it unb Kräfte burch ihnen übertragenen 
©efchäfte nur nebenbei in Anfpruch genommen werben; b) Beamte, 
beren Obliegenheiten im Wefentlidjen in mechanifchen ober unter* 
eorbneten Tienftleiftungen befteheu; c) Beamte, beren Obliegen* 
eiten in technifchen, wiffenfchaftlidjen ober fünftlerifchen Tienft* 
leiftungen beftehen; d) Beamte ber ftäbtifchen Setriebsoermaltungen. 
Auch hi er ift i>ie Benad)theiligung ber „Technifer" unb „Wißen* 
fchaftler" auSgefprocheu, bie fid> burd) unfere gange ©taatSoerwal* 
tung gieht, unb im felben Augenblick, wo eine Reihe ©emeinbeit 
baran gehen, felbft ben ftäbtifchen Arbeitern ^enfionen gu fidjern, 
foßen hier Beamte für bie medjaitifchen unb untergeorbneten Tienft* 
leiftungen, meift hoch gerabe bie fchwädjften Epftcngen, oon ben 
Wohltpaten ber höh ere a Beamten auSgcichloffen fein. Auf baS 
I Entfchiebenfte würbe bemt audj bie Beftimmung beS Regierungs* 
entwurfs oermorfen, wonach bie Auffidjtsbchörbe'"ebenfo befugt wie 
oerpflichtet ift, bie ©emcinben gur Bewißigung angemeffener Be* 
folbungsbeträge anguljalten. Ein Eingriff in bie ©elbftoerwaltung 
liegt h^r oor, baS ift nid)t gu leugnen; es wäre aber bei bem 
Seriellen oieler, unb nicht ber ärmfteu ©emeinbeit gu ber Frage 
ber lebenslänglichen Anfteßung ber BureauhülfSarbeiter :c. nicht 
eben oerwunberlid), wenn bie Regierung an biefer Beftimmung 
feftl)ielte unb bie .Silage, baburch wiirbe bie BeatntenbiSgiplin fchwer 
gefährbet, unberiicffid)tigt ließe. Bei ber Bcnfioniruitg ber Beamten 
woflen bie ©täbte ebenfalls freie £>anb gu befonberen Berein* 
i barungett behalten, oor Aßem nicht gegwungeit fein, bei Benteffung 
! ber $enfion biejenige Tienftgcit gu beritdfichtigen, welche ber 



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Sogiale BrajtS. Sentralblatt für Sogialpolitü. Rr. 18. 


478 


Beamte im Dienfte bes Reiches, beS ©taateS ober eine« anberen 
$ommunaloerbanbeS oerbrad)t habe. Rur Bereinbarungen über 
beit AuSfdjluß ber $enfton^berec^tigung Jollen ber ©enehmigung 
bes BegirfSauSfdjuffeS bebürfen. Erfreulicher ift bie freubige 3«* 
ftimmung gu ber geplanten gefeßlidjen Regelung ber Reliften* 
oerforgung. 

Bei ber Sfrage ber gleifdjoerforgung ber ©täbte fd)loß fid) bie 
Mehrheit ben Erwägungen an, man Dürfe nicht bunt) Betonung 
einfeitiaer ftäbti[cher ©onberintereffen einen ©egenfaß groifcheit 
ftäbtifcper unb länblicher Beoölferung fd^affen, beibe feien auf ein® 
anber anaeroiefeii, unb nahm unter Ablehnung ber toeitergehenben 
'Anträge Des BerichterftatterS, ©tabtraths Dr. 3Leigcrt*Berlin, bie 
Borfchläge ber Bütberid)terftatter Dberbiirgermeifter Delbriicf*Dangig 
unb 5uß4fiel an, bie unter Anerfennung ber Rothroenbigfeit roirf* 
ferner oeterinärpoligeilicher TOafgregeln unb ber einheitlichen Durch* 
führung einer firengett 5lei[ct)fchau für Deutfd)lanb bie ©ernähr* 
leiftung einer ausgiebigen 3leifchoerforgung ber ©täbte forberten, bie 
ben minberbegüterten unb hanbarbeitenben klaffen ben Sleifdjgenuß 
in einem Umfang, einer Art unb gu greifen gemährleiftet, Die ber 
Lebenshaltung unb ben Löhnen biefer BeoölferungSflaffen ent* 
fprecfje. Deswegen möge oon bem Einfnhroerbot nur unter 
möglichfter geitlicper unb örtlicher Befchränfung unb nur gur Hb* 
mehr einer unmittelbaren unb in großem Umfange bebrohlichen 
©euche beS angrengenben AuSlanbeS ©ebrauch gemacht werben. 

Die leßte Berhanblung brebte fich um ben ©djuß bes Sflein* 
gcroerbeS gegen bie Bkarenhäufer. Bton einigte fich fchließlicf) 
einftimmig auf einen Bermittelungsantrag bes ÖberbürgermeifterS 
AbicfeS-granffurt a. 9R.: 

1. ES !ann nicht bie Hufgabe bei: ©efeßgebmtg fein, bie fort* 
fchreitenbe Entioicfelung ber $IeinhanbelS*Eroßbetricbe, foroeit fie bem 
Entroicfeluitgsgange bes gefammten BürthfcbaftSlebenS entfprid)t, mit 
gefeßgeberifdjen SWaßregeln gu befämpfen. 2. dagegen ift eine ber roirtf)* 
fdjaftlidien Bebeutung unb ber LeiftungSfähigfeit ber .'panbelsbetriebe 
cntfprerfjenbe Umgeftaltimg ber geroerblichen Befteuerung als eine Hn* 
forberung ber Billigtet! unb ber ©eredjtigfeit gu begegnen. 8. Die 
Seftfeßung ber EingcHjeiten einer folcbeit Befteuerung muß roegen ber 
örtlichen Berhältniffc ben ©emeinben überlaffen bleiben. Dagu ift jeboch 
erforberlich, baß burd) StaatSgefeß eine aitberroeitc Erunbiage ber ge* 
roerblichen Befteuerung gefefjaffen roerbe. 4. Hußerbent ift es? Sadje beS 
Staates, jebc fteuerliche Beoorgugung ber Eenoffenfchaftcn aufguheben 
unb ber unmittelbaren unb mittelbaren 3örberung großfapitaliftifcßer 
ÄleinhanbelSbetriebe — auch in ben formen ber Eenoffenfchaft — oor» 
gubeugen. 

HrbeiteranSfchüffe tmb HrbeitSartonmg in bett ftäbtifchen HanalifationS* 
werfen gn Berlin. ,Die Arbeiter ber ftäbtifchen HanaÜfation richteten 
im 9Rai beS oorigen 3afjreS an bie guftänbige Deputation ein Eefucß, 
in bem ftc neben einer Erhöhung ber Löhne auch bie Einrichtung oon 
HrbeiterauSfchiiffen unb bie Einführung einer HrbeitSorbnung oerlangten. 
SBährenb man nun einem Sfjeile ber Arbeiter Lohngulagert geroährt 
hat, ift bie Sorberung ber HrbeiterauSfchüffc unb ber HrbeitSorbnung 
oon ber Deputation abaelchnt roorben. HrbeitcrauSjcbüffe foUen fceS* 
halb für bie eingelnen Bumpftationen nicht burchfüßrbar fein, roeil bie 
3aßl ber hier befcßäftigtcn Arbeiter gu Hein ift; für bie gefammten 
11 Bumpftationeu nur einen HuSfcßuß gu errichten, roäre nad) SReinung 
ber Deputation aber nidjt groeefntäßig. Die geroünfehte HrbeitSorbnung 
fönne beSßalb nicht eingeführt roerben, roeil Der Betrieb gu oerfdjieben* 
artig fei. — Die Arbeiter finb nicht gewillt, ftch ntit biefer Hbroeifung 
gufrieben gu geben, ba fie bie angeführten ÖJrünbe feitteSroegS als ftidj* 
haltig betrachten. 

©tabtrath tmb ArBriterfantmer itt äürtdj. @inc lebhafte 
DiSfuffion ß<ü im 3ürc^ e rifd)eit großen ©tabtrath bas ©efuch ber 
Hrbeiterfammer um ein ©uboention oon 2000 ÖrcS. h^roorgerufen. 
3n einer Eingabe hatte ber 3iftch l 'rif(he ©eroerbeoerein eneraifdj 
gegen eine folcfje ©uboention aus ftäbtifchen Mitteln proteftirt, 
roeil bie fogialiftifche Leitung ber Kammer ber N Dteifterfd)aft bie 
Benufeung ber HrbeitSoermittlung burch bie Hammer unmöglich 
mache; im Sfalle ber ©eroährung rourbe als ©eaenrecht eine ähn* 
liehe ©uboention für bie ©tctte'noermittlungsftelle ber Bteifter be* 
anfprucht. 3n ber DiSfuffion beS ©tabtraths griffen eingeltte 
Stebner bie Hrbeiterfammer fdjarf an unb nannten fie ein ber 
^arifer bourse de travail ähnliches BerhehungSinftitut. Dagegen 
rourbe gcltenb gemacht, bafe in ber Hrbeiterfammer nur 38,7% 
©ogialiften feien, unb bafe fie gur Berhiitung oon ©treifs fdjon 
mehrmals gute Dienfte geleiftet habe. BenterfenSroerth ift bas 
©eftänbnis eines ber ©uboention feinblich gefinnten Bauunter* 
nehmerS, bafe nach feinen Erfahrungen mit organifirten 
Hrbeitern roeit beffer gu unterhanbeln fei, als mit un* 
organifirten. Der ©tabtrath bewilligte mit SRehrheit eine ein* 
malige ©uboention oon 2000 JrcS., unb eS rourbe bie ©tabt* 
behörbe eingelaben, gemeinfd)aftlich mit ben SReifter* unb Hrbeiter* 
organifationen bie Örage ber Errichtung einer ftäbtifchen 


HrbeitSoermittlungSftelle gu prüfen unb eine hierauf begügliche 
Borlage auSguarbeiten. 

©täbtifche BliScettctt. Das ftäbttfdhe HrbeüSamt in Stuttgart 
hat bte HuSgahluug ber Unterftühung für bie reifenben SDHtglieber bcS 
3RetaHarbciterüerbaubeS unentgeltlich übernommen. — Das ©rmeinbe* 
follegtum ber batjrifdien Stabt Sürth hat ftdj mit 17 gegen 16 Stimmen 
für ftufcnioeifc Einführung ber Sreigabe oon Lehrmitteln in ber Bolfs* 
fchule ausgefprodien. — Sn Brifc bei Berlin ift ein Sdjulargt ange* 
ftellt roorben. — Dte Sdpilfpnobe in Hamburg hat bei ber Regierung 
bie fog. EinbeitSfchuIe empfohlen, bie Bürgerfcftaft ftd) für bie Ein* 
führung beS fafultatioen unb unentgeltlichen Schwimmunterrichts in 
bett BolfSfchuleu erflärt. — Der neue 18 00Ö Ouabratmeter große Spiel* 
plah in ber 9Ragbeburger Borftabt Su bett bürg ift ber Bettufcmtg 
übergeben. — S» SW an n heim roerben ebenfalls eine Heifje Spiel* 
pläpe für bie Schuljugeub itn Laufe beS Sinters hergeftcOt. — Utttfab* 
ftcucrtt für SLaarcnhäufer tc. roerben in Rorbljaufen unb Söiirgburg 
geforbert. — Der eleftrifche Betrieb fchrettet in feinem SiegeSgug unauf* 
haltfant weiter. Hus Berlin rotrb fogar gemelbet, baß bie ftäbtifdjc 
Berfehrsbeputatiou befchloffett habe, bie neu auSgcfchriebenei! (ober* 
irbifchett) Straßenbahnlinien itt ftäbtifdie iRegie gu nehmen. Der Blau, 
bie eleftrifche $orf)bahn in eine Unterpflafterbafju überguleiteu, hat ber 
3Ragiftrat nach einer SKittheilung an bie Stabtoerorbneten (ö. Januar) 
auf gegeben. — Huf ber Strecfe Berlin—Brifc foll oertragSntäßig bis 
fpäieftenS gum 1. DFtobcr 1900 mit bem eleftrifdjen Betrieb ber 3 c h |l= 
pfenttigtarif eingeführt roerben. — Das Eemeinbefollegium Rüntberg 
lehnte ben Regiebetrieb ber Straßenbahnen ab unb tritt in Unterbattb* 
lungen mit einer Bmmtgefellfcbaft roegen neuer eleftrifcher Straßenbahn* 
littiett. — Die Stabtoerroaltung ©öttingen oeranftaltet eine Umfrage 
unter ber Bürgerfdjaft über bie Bereitroifligfeit gum Hnfdjluß an ein gu 
errichtenbes ftäbtifcheS EleftrigitätSroerf. Der beS abgugebenbett 

Stromes ift auf 6 ?f. pro ^eftoroattftunbe oeranichlagt. Die Brenn* 
ftunbe einer 16 fertigen Elüljlampe foll bettmach nicht über 3^., bie* 
jeniae einer lOfergigett Elühlantpe nicht über 2 pro Stutibe betragen. 
Hu^ bie Hbgabe oon Eleftromotoren feitenS beS SBerfS ift in HuSßdjt 
genommen. — HuS Erfurt unb Sonneberg i. Dh- wirb bie HuS* 
führung neuer eleftrifcher 3 en tralen gemelbet. — Schöneberg bei 
Berlin lehnte bie Uebernahme ber 3Rüttabfuhr tn ftäbtifdje Regie ab. 
— 3n Berlin foll am 1. S^bruar ber erfte oon Büoaten betriebene 
SRüüfchmelgofen eröffnet roerben, ber täglich Eentner 9RÜU be* 
feitigen foll. 


^rbeiterberaegung. 


Der neue ©ewerfoeretnSbmtb itt EngUtib* 

Der gur Berathung ber $iäne eines engen 3ufammenfchluffeS 
ber ©eroerfoereine einberufene ©onberfongreß ber Drabe UnionS 
hat, roie ber Kongreß tn Brtftol befchloffen hatte, oom 24.-26. Sanuar 
in SRanchefter getagt. Hnroefenb waren etroa 280 Delegirte, bie runb 
eine SRillion organifirter Hrbeiter oertraten, ©chon feit einigen 3ahren 
hat bie SRÖglidhfeit eines allgemeinen BunbeS bie ©eroerfoereinS* 
fongreffe beschäftigt, aber oiele ©chroierigfeiten traten ben Stounben 
biefeS BlaneS entgegen unb fein ernftßafter ©chritt xur praftifdhen 
Ausführung ift gemacht roorben, bis im oorigen Sapre in Briftol. 
Die Hoffnung, einen folgen Bunb gn fdjaffen, ift aUerbingS fehr 
alt. Aber eS fdheint, als ob erft ber ©egenbunö beS Kapitals ben 
aenügenben Anftoß hätte geben müffen, um bie oerfdjiebenen 
©eftionen ber Arbeit foroeit gu einigen, baß fie auf einen auSfülp 
baren B^n eingingen. Dbroohl es nun aber nicht gu leugnen ift, 
baß bie Erfahrungen im Btofchinenbauerfampf 1897/98 unb bie 
Erftarfung ber Arbeitgeberoerbänbc bie EinigungSbeftrebungen ber 
©eroerfoereine ftarf geforbert haben, barf man nicht glauben, baß 
ber ©eift bornirter geinbfeligfeit gegen bie Unternehmer bie Be* 
rathungeu ber lefcten 3Bothe in Bianchefter bel;errfcht hätte. Sin 
©egentheil! Sßenn bie 3ufunft beS eben begrünbeten BunbeS ben 
Hoffnungen feiner einflußreichften Anhänger entfpricht, fo roirb ber 
Bunb nicht bem ©treitc, fonbern bem 3rieben bienen. Er roirb 
bagu helfen, übereiltes Borgehen gu hinbem unb bie SRacht ber 
weniger ihrer Berantroortung fich bewußten Beamten unb güßrer 
ber ©eroerfoereine eingufchränfen. Die Errichtung ber neuen 
Hörperfchaft ebnet ben 2Leg gu Berhanbluitgen bei einem ArbeitS* 
ftreit, unb man barf annehmen, baß gerabe in ber Uebergeugung 
oon ber Surchtbarfeit beS HampfeS bie ihrer ©tärfe fidj bewußte 
Drganifation fich als Büttel gur Erhaltung bes SriebeitS erroeifen 
roirb. Die Analogie ber Politiken Borgänge mit ben Snbuftrie* 
oerhältniffen ift nicht gu oerfennen; auch h^ er Qitt baS: Si vis 
pacero-— 

©o bebeutfam nun auch ber Befchluß oon Btanchefter ift, fo 
muß man ftch boch gegenwärtig hatten, baß er gur 3 c tt nur ooit 
einer Berfammluna oon Delegirteit gefaßt roorben ift. Bis jeßt 
hat ber neue Buno, ,.The General Federation of Trade Uuions 4 ', 
noch ^ ne BÜtgliebfchaften in feinen Liften, unb roie einer ber be» 



479 


©ogütlc SßrajrtS. ©entralblatt für ©ojialpolttil. Br. 18. 


480 


fannteften ©ewerfoereinler, ber guglcid^ einer ber fünften An¬ 
hänger beS planes ift, gefagt haben foll: „3ßenit bie Btitglieb* 
fd^aften jaulen füllen, bann werben mir fe^en, wie fiarf ber neue 
Buttb toirflicß ift." £ie ©ntfcheibung, ob fie jaulen wollen, ober 
mit anberen Porten, ob fie bem Bttitbe beitreten wollen, fällt felbft* 
üerftänblicf) erft in ber allgemeinen Abftimmung ber Btitglieber ber 
einjelnen ©ewerfoereine. $)ie Annahme wirb nid^t fehlgehen, baß 
ein beträchtlicher unb wichtiger £f)eil btt großen Vereine bafür 
ftimmen wirb; ebenfo ift aber auch befannt, baß anbere ©emerf* 
tcßaften, g. B. oermutßlich bie Bergleute, abfeits fielen werben. 
Aber ber Xon ber Debatten auf bem Kongreß unb ber ©rab ber 
©iitmüthigfeit, ber oorherrfcfjte, machen eS fo gut wie fiefjer, baß 
ber neue Buttb gleich beim beginn eine febr große 3aßl *on Beit* 
gliebern säbleu wirb. 

$)er AofattgSerfolg beS BunbeS ift in ber £ßat praftifch ge* 
fijhert. $)ie wirfliche $robe aber, bie feiner h arrt unb bw uur 
bie 3eit bringen fann, ift bie Art unb Bkife, in welcher, unb ber 
©rab, bis gu welchem bie Bereinigung bie AftionSfreißeit feiner 
eiuselnen 9Jiitgliebfd)aften befchränfen wirb. Sebermann glaubt 
fein eigene^ ©efchäft am beften su fennen, unb fo glaubt auch jeber 
©etuerfoerein, feine Angelegenheiten am beften su fennen. Ber* 
bänbe oerwanbter ©emerbe finb bisher burchmeg gufammett* 
gebrochen, wenn bie Ungebulb ber einseinen Bereine fid) g f 9 e n bie 
kritif ober bie Ablehnung beS ©efammtoerbanbeS bei ihren $or* 
berungen auflehntc. ®er ©rfolg einer Bereinigung hängt größten* 
theilS oon gegenfettigen 3 u geftänbniffen ab. Unb auch oie 3ufunft 
beS neuen ©ewerfoereittSbuttbeS wirb mehr als oon fonftigen 
Gingen oon bem Umfange abhängen, in bem nach bem ^rinsipe 
beS „©ebenS unb Zehntens" gehanbelt wirb, unb oon ber ©tärfe 
beS allfeitigen BertrauenS in ben leitenben AuSfcßuß, in beffen 
§änbe bie §auptführuug ber©ef<häfte beS BunbeS gelegt werben wirb. 

hierüber fich in Bermuthungen su ergehen, ift unnötig, unb \ 
es würbe ebenfo unangebracht fein, bem neuen Berfucße ber £rabe 
UnionS fchnellen ©cßiPntch su weisfagen, als es unangemeffen ift 
SU meinen, baß ber 353eg su einer großen unb wirffamen Sfonfoli* 
bation aller ArbeitSintereffen nun flar oorgegeießnet ift unb auch 
ficher befchritten wirb, ©in wichtiger Schritt ift gethan worben, 
aber bie 3^it feines SöirfenS ober feines Se$rfc^Iagen§ beginnt erft. 
©egenmärtig fehlt bem Befcßluß noch bie fefte Unterlage, unb baS 
BarlamentSfomite beS £rabe UnionS *$ongreffeS ift bie einsige 
AuSführungSbehÖrbe, bie er befifet. tiefem AuSfcßuß ift eS gur 
3 eit überlaffen, bie nöthigen Btaßnaßmen su ergreifen, um Der 
großen, foeben in SJtancßeftcr gebilligten Organifatioit £eben unb 
©eftalt su geben. 

3öaS nun bie ©inselheiten betrifft, fo lauten bie Befcßlüffe, 
bie meift einftimmig ober hoch mit großer Mehrheit gefaxt worben 
finb, folgenbermaßen: 

2)er $itel Des BunbeS ift The general Federation of Trade Unions, 
©eilte 3werfe finb: 

1 . £as Bcdjt ber Arbeiterorganifatioucn bodjsulmltcn; bie aflge* 
meine 2age ber Arbeiter unb ihre gcfcnfdjafiltcbe Stellung in jeher 
Dichtung Durch Rührung einer ^olitif 311 oerbefferti, bie ihnen bie 
beacht erwirbt, bie öfoiiomifchen unb gefell)tfjaftlid)en Bebiitgungett 31 t 
beftiuunen, unter beiten fie arbeiten 1111 b leben füllen; bieÄonfolibirung 
ber Arbeiterflaffe als ©anges; bie Herftellung einheitlicher Aftioit für 
afle 0011 t Bunb umfdiloffenen ©ewerffdiafteit. 

2 . £ie ftörberung bes fokalen trieben* unb Bcrljinberuug 001 t 

AuSftänben ober ArbeitSfpcrrcn gmifdjcn Arbeitern unb Unternehmern 
unb ©treitigfeiten swifdjen (bewerben unb Crganifationett Durch alle 
Mittel freunbfcfjaftlidhcx* 2d)lidjtitug, wie ©inigung, Bcrmitteliuig, 
©diiebsfprud) ober bie ©rridjtung banernber (©d)iebs-) Acinter; im au Ile 
Ausbruchs oon 2treitigfeiten 311 ihrer Beilegung Durch gerechte, auf 
gleidjem Berfjt bafirtc Btethobeu 31 t wirfen. j 

8 . Bilbuitg eine* AonbS behufs gegenseitiger llutcrftülmug unb j 
für Xurdjführung ber oorerwähnteu 3 werfe. 

3 ebe sur 3 ät beftchenbe Otcwerfidjafi, bie beut Bunbe bettritt, hat 1 
für 90% ihrer Biitgliebcr pro .Stopf ein ©intrittsgclb oon 1 Benin), | 
fowie einen 3 ufd)ufj sunt aufgelaufcnen Bcrmogcnsfüitbs bes Bunbcs , 
Sit sahleu, ber 50 % Dcö Antheils Des? eiuselnen Bunbeemtitgliebcs an ! 
biefem ftonbs eutfpridjt. Tsiir fpätcr gegrüubete Oicwerffdiaften beträgt I 
Die 3ufd)ufiratc nur 25 % Des Bcrmögeiisautheils. ©er regelmäßige ■ 
Beitrag ber Otewerffdiaften ift $ '^eucc ober 6 ^euce bas Bicrtcljaijr 
für jebes Biitglieb, unter gugfuublegnug uon 90 ° |0 bes Bfitglieber** l 
beftanbes. ©i’e llnterftütunigcu betragen im eritereu Salle 2 ©djißing | 
'pcnce, im Icpteren Aallc & Schilling pro SWitglieb, bas in einem, 0011 t 
Veitungsfomito ancrfauutcu Mütiflift ift. Xiefe llnterftüpung, bie nur 
als 3ufdjufj su ber Untcrftüpung gebadjt ift, bie btc ©ewerffdiaften aus 
ihrem eigenen Aonbs ihren SKitgliebent S n hlt, tritt erft für bie sweite 
Biodjc bes betreffenbeu Mimflifts in Straft. A'adi Berlauf uon acht 
Biocßcn, ober früher, hat bas Öeituugsfomite bas Bedjt, su unterfudjen, 
ob Die Berlätigeruttg Des Stampfes irgettb weldjen Bortheil oerfpridit. 


3e nachbem hö^ e $ alsbantt Boflntadjt, Die Unterftühung fo lange 
weiter auSsusahlen, als es Dies für gerechtfertigt hält, ©egen Be* 
fdjlüffe bes iteitungSfomiteS fann Berufung an ben allgemeinen AuS= 
fdiuß eingelegt werben, fteine ©ewerfjchaft ift unterftüiumgsbercchtigt, 
Die nicht ein oolles £sal)r Beiträge an Den Bunb entrichtet hat unb itt 
ber £agc ift, nadjjuwfifen, bafj ftc genug Mittel hat, an 10°/ 0 ihrer 
Btitglieber währeitb ad)t SSodjett Die biefett ftatutengeiitäß suftehenbe 
AuSftanbS=Untcrftühung su jahlett. 

©S ift ber ©runbfafe ber ©entralfontrollc angenommen toorben. 
$5ie einseinen Btitgliebfchaften unb Berbänbe behalten natürlich ihre 
frühere autonome Berantmortlidjfeit; für beit ©ewerffchaftsbunb 
felbft giebt eS feinerlei lofale Berantwortung. 2)ie Leitung foll in ^ 
erfter Snftans in bem ©eneralrath liegen, Der ans 2)elegirten ber 
oerbünbeten Bereine befielt unb swar nach folgenber Berthcilung: 
ein Bertreter oon Bereitten bis su 10 000 Btitgliebern; swei sinn 
Bereinen swifchen 10000 unb 25 000 Biitgliebem; brei oon folgen 
Swifchen 25 000 unb 50 000 Btitgliebcrn mtb oier Bertreter 001 t 
noch größeren Bereinen. ^>ie £>auptgefahr biefer BaftS ber Ber* 
tretnng ift baS allsu ftarfe Uebergerokht ber fleiueren Vereine. ^)ie 
eigcntlidje ©jefntioe foll jebodh einem öeitungSfomite übertragen 
werben, unb eS wirb oielleidjt bie wichtigfte Aufgabe be§ ©eneral* 
ratheS fein, biefe leitenbe £örpcrfd)aft su ernennen. SJtan fann eS 
ruhig fagen: 2>ie ganse 3ufnnft bes neuen BunbeS wirb oon 
ber Auswahl ber Btitglieber biefeS 5ünfsehner*AuSfchuffeS ab* 
hängen, unb wir h°ft’ e u aufridhtig, bafe in ihm ber eben je|jt 

Ö etretene, h 0( hoerbiente ©eneralfefretär ber ^effelfchntiebe* 
fd)aft, S>err Bobert £night, einen einflußreichen Blaß finben 
wirb. Senn feine Kräfte eS Serrit ^night erlauben, wirb ber Bunb 
in ihm gerabe ben 9J2aitn hoben, ber $oth thut: ©in Biann, ber 
gleicher ffeeife baS Bertrauen ber Arbeiter unb ber Arbeitgeber be* 
ftßt, ber ftarf, aufrichtig unb oorfichtig ift. 

Öonbon. ©rneft AoeS. 

2 »aS SoalitionSrccht ber beutfehen Arbeiter in Sbeorie nnb 
^rajtö ift ber £itel einer ^enffchrift, bie im Aufträge ber ©eneral* 
fommiffion ber ©emerffchafteit 2)eutfchlanbS oon £>errit ©. Öegieit 
bearbeitet worben ift. *) $>aS über 200 ©eiten engen $5rucfeS ent* 
haltenbe 23erf bringt 00 m Arbeiterftanbpunft ein febr reiches, oiel* 
fad) afteitmäßigeS Material sur Beurtheilung ber brettnetibcn Orrage 
in ber Abficht bei, nachsuweifcn, „baß in ®eutfd)Ianb baS ^oalitionS* 
recht nur ©cheitt ift." ©S wirb sunächft auf 2Serth unb Bebeutung 
ber ©ewerffd^aften hingewiefen, bann baS $oalitionSrecbt befprochen, 
bie £aftif ber Arbeiter nnb ber Unternehmer im mirtbfebaftlicben 
Kampfe, bie ©treifS unb ©treifoergehen, fowie bie Bergehen ber 
Unternehmer nnb ihre Beftrafung erörtert. $>ie ©chlußfolgerung 
beS BerfafferS geht bahiit, baß eine ©rmeiterung, nicht eine Be* 
fchränfung beS koalitionSredjteS erforberlich fei. Weitaus ben 
größten äßeil beS Buches nimmt baS BeweiSmaterial ein: $)ie 
Behanblung ber ©ewerffchaften nach ben BereinSgcfeßen, ber Ber* 
fudj, bie ©ewerffdjaften als BerficherungSanftalten ber ©taatSauf* 
ficht su unterteilen, bie s 45 oIi 3 eiprajtS gegenüber beit ©ewerffchaften, 
bie Unternehmeroerbänbe unb bie „fchwarsen fiiften", bie Beftim* 
munaen über ©treifs in ben ©tatuten ber ©ewerffchaften, bie 
©telfungnahme ber Arbeiter nnb ber Unternehmer in SDifferensen, 
©treifs unb ©treifoergehen im 3ahre 1898, bie ©ewerffchaften 
unb bie ©treifs oon 1891—1897 bilben bie einseinen Abfcbnitte. 
©elbftoerftänblich ift baS Buch e in Bartei*BIäboper für bie Aroeiter* 
fache. Aber es ift mit fo gewichtigen ©rünben geftiißt, baß es bie 
aflgemeinfte Beachtung oeroient unb ficher in ben beoorftehenben 
parlatnentarifchen Mämpfen auch finben wirb. 3Bir wollen h^nte 
bem Buche nur bie ©tatiftif über ©treifoergehen bis s um 
1. Oftober 1898 entnehmen, bie bie ©eneraloerfammlung auf* 
gefteüt hat. 3m Saßre 1892 famen auf je 1000 att ©treifs be* 
tßeiligte 'ißerfonen 24 ,5 wegen ©treifoergehenS Beftrafte, im Sah^e 
189«: 4,i, 1894: 6 , 4 , 1895: 6 , 6 , 1896: 2, 0 , 1897: 4, 0 , 1898 
(1. Sanuar bis 1 . Oftober): 3,:,. 3n*Sgefammt famen feit 1892 
auf 274 001 an ©treifs beteiligte Berfonen im ©ansen 921 wegen 
©treifoergehenS Beftrafte ober 3,» auf je 1000. Äann man ba im 
©rnft baoon fpredjcn, baß ber ©treifterroriSmuS einen gemein* 
gefährlichen Umfang angenommen habe? — ©s wirb fich noch 
öfter ©elegenheit finben, auf baS Buch snriiefsufommen. 

Bewegung tm ©chneibergewerbe. 3n Hamburg, Btünchen unb 
-eipsig finb in leßter 3 e ^ Berfammlungen oon Arbeitern bcS 
©d)neibergewerbeS abgehalten ober Slugblätter oertljeilt worben, 
bie in Anfnnpfung att beit EonfeftionSarbeiterftreif gu Anfang beS 
3aßreS 1896 namentlich 9 e 9 en bie Heimarbeit nnb für ©inrichtung 


*) Hamburg, Bcrlag ber Wencralfomimffioit. 



481 


©ogiale Praxis. Eentralblait für ©ogialpolitif. Hr. 18. 


482 


oon Betriebgmerfftättten agitiren. Fn einer Serfammlung gu 

J amburg betonte H- ©tüpmer, SRebafteur ber „Facpgeitung für 
cpneiber", baß bag ©cpneibergewerbe unter allen Erwerbggweigen 
alg eineg ber am traurigften beftettten geregnet werben muffe. 
3äple man bie oieten 5Rißftänbe auf, fo muffe gunädpft mit her 
fogenannten „Heimarbeit", ber „Hauginbitftrie", begonnen werben. 
Dieg ©pftem untergrabe niept nur bag Familienleben, cg fei auch 
in hpgientfcper unb fittlicper Begiepung gu oerwerfen. Der Haug* 
arbeiter fei gegwungen, um bie tpeilweife porrenben HRietpefuntmen 
aufgubringen, einen Tpeil feiner Stapnung unb gmar gewöhnlich 
ben beften, an dritte wieber gu oermietben, wäbrenb bie fleinften 
SRäurne in ber SRegel gum Btapnen unb Arbeiten gugleicb benufct 
werben müffen. H lcr in erfter £inie Sl&hülfe gu fcpaffen, eine 
Befeitigung ber Hauginbuftric unb eine Einführung oon gefunben, 
ben 3eitoerbältniffen entfprecpenben Betriebgwerfftätten müffe ge* 
forbert werben. 3 roe i $tage fielen offen, um bieg 3iel S u er* 
reifen. Entweber werbe ein prioateg Hbfomnten mit ben Arbeit* 
gebern getroffen, ober bie ©efeßgebung müffe gum Staple ber 
©efammtpeit eingreifeit. Stalle man ben erften 9Beg einfdjlagen, 
fo müffe man fiep auf bie öffentliche Meinung ftiißen fönnen. Die 
Hauptfadpe fei aber, bie ©cpneiber unb ©cpneiberinnen gu bewegen, 
fiep fammt unb fonberg ihrer Drganifation angufcpließeti. Fn 
Hamburg fei bie 2J2itgIiebergapl, wenn man auf bie leßten Cuar* 
tale gurücfbüdfe, ungefähr biefelbe geblieben, b. p. fie fei niept ge* 
fliegen, wäbrenb in ben lepten 5—6 Fapren im gangen ^cpneiber* 
oerbanb nur etwa 3000 SRitglicber gewonnen würben. Sei bie 
Hauginbuftrie auf bie eine ober anbere Skife befeitigt, bann fönne 
erft baran gebaut werben, an bie Stelle ber ©tüdflöpne einen 
3cit ober ©tunbenlopn eingufüpren. — Ein in München oer* 
breüeteg Flugblatt hebt in erfter Sinie bie lange Hrbeitggeit in 
ber Hauginbuftrie (14 unb 16 ©tunbeu) täglich peroor, bie gumeift 
burdp eine, oft jeher 33ef<hreibuna fpottenbe, fiplecpte Begaplung 
berbeigefübrt werbe. Dann wiro auf bie SRotp unb bag Elenb 
bei mtnbefteng 3roeibritttpeil ber Münchener ©cpneiber pitigemiefen 
unb feftgeftellt, baß nach bem Bericht ber ©cptieiberfranfenfaffe im 
Fahre 1897, 3. unb 4. Quartal, 66% aller ©eftorbenen ber 
©cpminbfucpt erlagen. Enblicb wirb bag ©pftern beg ©ipgefeKen* 
wefeng in $ürje oargelegt unb auf bie pope Hiiftecfungggefapr 
burep bie in folcpen Brutftätten oon tfranfpeiteu aller Hrt, wie 
Stofern, Diphtherie, ©cpminbfucpt 2 c. angefertigten Kleiber auf* 
merffam gemacht, auf biegbegügüdje ärgtlicpe ©utaepten bingewiefen 
unb am ©cpluffe gefagt: 

„Bürger Münchens?! ©chüßt teuere fleinen Sieblinge, febüpt Eucp 
felbft oor Anftecfungggefapr! Den Arbeitern aber im ©cpneibergewerbe 
helft, ihre traurige Bagc 31t oerbeffern; helft ihnen 9 totf) unb Elenb gu 
befeitigen. Etn Theil ber Bfeifter hat nufere Forbentng bewilligt unb 
Bkrfftätten eingerichtet ober bod) iolcpe big gum 1. Btärg uerfprodjen. 
Zwingt bie Uebrigen, SBerfftätten gu erridjteu, inbent Fhr bei Beftellungeu 
oerlangt, baß Euere ©adjen auf ber Skrfftntte angefertigt werben, auf 
Bkrfftätteu, bie ben gefunben unb fanitären Sorfcbriftcn cntfpredjen." 

Dev Knlftanb ber Strefeller Sammetwebet bauert fort. Die 
oon ben Arbeitern angeregte Einlabung gum ©cpiebggerid)tgoerfapren 
ift befanntlid) oon ben Unternehmern abgelehnt worben. Huch bie 
ftäbtifepe fogiale ilommiffion pat Eingreifen bigper nicht für 
angegeigt erachtet. Hug gablreid^en Crteti oeg Fu* unb Huglanbeg 
finb ben ©treifenben ©tjmpatbiefunbgebungen gu Dbeil geworben, 
eg fliepen ihnen auch reichliche llnterftnpungggelber gu, itachbem 
ber Eentraloorftanb beg SSerbanbeg beutfdE)er Deytilarbeiter einen 
Hufruf an bie Hrbeiter Deutfchlanbg gur Unterftüpung ber ©treifen- 
beit erlaffen hat unb bie ©ewerffchaften in ihren .Streifen ebenfalls 
©amntlungen für bie 5trefelber oeranftalten. üRunb 5500 ^erfonen 
follen jept gu nnterftüpeu fein. Der chriftlicfje SSerbanb ber Mre* 
felber Textilarbeiter foll bie ihm oout ©tretffomite übermiefenen 
1000 JC llnterftiipnngggelber abgelehnt hoben. Eine SSerfannnlung 
ber am Hugftanb betpeiligten s l)citglieber beo nieberrheinifchen Skr* 
banbeg dE)riftlid)er Textilarbeiter hat gwar ben SSorfcpIag beg SSor* 
ftanbeg, oerfuepgweife bie neue, oon ben Fabrifanten einfeitig auf* 
eftellte Sohnlifte augunebmen, einftimtnig abgelehnt, aber gugieidp 
efcploffen, mit ben Fabrifanten in eine „Erläuterung" ber neuen 
Sohnlifte unb in Skrhanblungen über bie SBebingungen gur SBiebcr* 
aufnahme ber Hrbeit eingutreten. Eg fomnten hierbei etwa 800 Hr* 
beiter in Frage. Der in ber SSerfamtnlung aitwefettbc Führer beg 
chriftlidjen S3ergarbeiter*S>erbanbeg, 33ruft, mahnte gum Hbfdjlup 
eineg SBaffenftittftanbeg. Die Bergleute erftrebten aud) eine Sohn* 
erhäpung, unterließen aber oorläufig aug Klugheit ben Hugftanb. 

herein Die gewerffcpaftlidje Drganifirung 

ber Hrbeiter in ben öftlidjert ^rooingen Deutfchlanbg bcabfichtigt 
ber berliner cbriftlicbe SSereitt „Hrbeiterfcpup" in bie H a nb gu 


nehmen. Die oorbereitenben Schritte finb tpeilweife fepon gethan, 
fo bap am Sonntag, ben 5. Februar, in einer Stabt ber $rooing 
$ofen berehg bie erfte SSerfammlung gu biefem 3mecf abgehalteit 
unb eine 3ahW e tt c beg berliner 23ereing errieptet werben foll. 

3n ber jüngft abgehaltenen gweiten ©eneraloerfammlung beg 
SSereing, bie im Seo*Hofpig ftattfanb unb ber u. H. SReidbgtagg* 
abgeorbneter Dr. Hife e beiwohnte, würbe fonftatirt, baß oer im 
oorigen Fahre mit 22 SRann gegrünbete herein jept über 700 9Rit* 
glieber gäple unb in fünf ©eftionen (Sau*, Holg*, SRetaüarbeiter, 
©chneiber unb ©chneiberinnen unb Schlächter) gerfaüe. Die 
©eftion ber SRetaH* unb Holgarbeiter hat bie Hrbeitglofen*Unter* 
ftüpung eingeführt. 

Scperftreif unb Stapf oft beg „Sofalangeigerg" in Strltn. Die 

^Berliner ©ogialbemofraten unb ©ewerff^aften haben über ben 
„Serliner Sofalangeiger" ben Sogfott oerhängt, weil ber Seftper 
beg Slatteg, Herr Huguft ©cperl, 24 bei ipm feit Fahren be* 
fcpäftigte Sucpbrucfer wegen ihrer 3ugehörigfeit gum Sucpbrucfer* 
oerbanb entlaßen pat. Den Entlaffenen haben fi<P auperbem 
94 Ä'oliegen angefcploffen unb bie Hrbeit niebergelegt. Durcp ein 
in gangSerlin oerbreiteteg Flugblatt würbe ber Berliner Sewopner* 
fepaft oon ben Sefcplüffen .Stenntnip gegeben, bie eine grope Solfg* 
oerfammlung in biefer ©ad)e gefapt pat. F« biefer S^erfammlung 
würbe H en: ©cperl ber SSerlepung ber Befümmungen beg 152 
ber ©etoerbeorbnung befcpulbigt unb an alle ©ewerffepaften unb 
Hrbeiteroereine erging bie Hufforberung, gegen ben „Berliner 
Sofalangeiger" Stellung gu nehmen, big bie oofie Koalitionsfreiheit 
im Betriebe anerfannt worben ift. Die im „Berliner Sofalangeiger" 
annoncirenben Firmen foÜen alg ©egiter ber Bolfgfacpe angefepen 
werben. Dag Flugblatt fcpliept: „lieber mit bem Derrorigmug 
beg H er rn Huguft ©cperl! Hinaug mit bem „Berliner Sofal* 
angeiger" aug Haug unb Familie!" 

©jUliipe Beveiubarung gwtftpen üetfter unb ©epüffett im 
Bädfergewerbe Berftng. 3 U einem Bäcferaugftanb wirb, eg wapr* 
fcpeinlicp niept fontmen, ba, wie wir fepon früher mittheilten, bie 
2Reifter bereit finb, ben Forberungen ber ©efeHen wenigfteng gum 
Tpeil gu entfpreepen. F» einer Berfammlung ber Bädferinnung 
©ertnania tpeilte Dbermeifter Bernarb mit, bap bie Funung fiep 
entfcploffeu habe, bie gegen früher wefeutlicp ermäßigten Farbe* 
rungen ber ©efeHen etngepenb gu prüfen unb ihnen, fomeü eg 
tpunlicp ift, entgegengufommen. Die „Hbfcpaffung oon Koft unb 
Sogig beim 30?eifter" fei bie Funung mit ber Eiufcpränfung burep* 
jufüpren bereit, bap oerpeiratpeten ©efellen ootte ©elbftänbigfeit 
m biefer Begiepung gewäprt wirb. Die geforberte Freigabe einer 
SRacpt wäprenb ber Feiertage foll gleicpfaflg bewilligt werben. 
Ilm eine Serftänbigung über bie Sopnfrage gu ergielen unb über 
bie Einführung eineg unparteiifepen Hrbeitgna^weifeg gu beratpenF 
I follen bemnäepft oercinigte Bteifter* unb ©efellenoerfammlungen 
ftattpnben. 

Epmng eines ©ewerfkiereingfefretftrg b«rd Hvbcttgebev mtb Htbeiter 
itt Euglanb. Der Leiter ber englifepen .teffeIfcpmiebe*llnion, Hobcrt 
Ünight, ift oon feinem Sßoftcu, ben er 28 Fahre lang innc patte, in 
biefen Tagen guriiefgetreten. Sllg er bie Bettung beg Serbanbeg 
übernahm, gäplte biefer 94 ^weiguereine mit 7000 93iitgliebcrn unb fein 
I Vermögen betrug lsu(XX) \ heute gehören bem Berbänb 40 776 3Rit* 

! glieber in 258 ^weigucreineu an; bie Fonbg belaufen fid) auf über 
35 Millionen 9Äarf. .t>err «night pat bie größten Berbienftc niept nur 
um feinen Wewerfoercin, fonbern and) um Die pflege guter Begicpungen 
gu ben Arbeitgebern. Bei feinem 9Uicftritt haben * Arbeiter unb 
Unternehmer gemeinfaut ihm ein Feftmahl gegeben itnb babei ein 
mrrthuoUf* Okfdicnf fowie einen Ehcd über lucxio M überreidit, um 
ihm, wie e^ in ber BUbtnuug peipt, „einen Beweis gu geben oon ihrer 
Adituug für feine ebleu unb erprobten Eigenfdjafteu als Crgauifator 
unb Führer oon Trabe=Unioug, fowie als Diplomaten in ber Ber* 
piuberung unb Beilegung oon gewerblichen ©treitigfeiten". 


3lrbetterncrnd)enuig. öparbafleu. 

Äonferei| oon Borftänben ber FubalibitätSberfidherungg* 
auftalten. Hitfaitg näcpfter SBocpe wirb in Eifenacp eine Moufereitg 
ber Sorftänbe ber Fuoalibitätgoerficperuugganftalteu ftattfinben, 
bie Stellung gu ber jept bem Dteidjgtage gugegangenen 9tegientngg* 
oorlage nepmen foll. 

Ergeftniffe beg Fntialibitätg* unb H(tergbevfii|erungggefcbcg. And) 
ber im Bcidisoerridperunggamt gefertigten ^ufammenfiellung betrug bie 
JJapl ber feit bem Fufrafttreten bes Faualibitätt- itnb Alters oer* 
ficherHiigggefcpcg oon ben 31 Bcrfidicriiugsauiialten unb beit 9 oor* 
haubeuen «aifeneinriditimgeii bewilligten Fuoalibenreutrn bis gun 
31. Degember I3 ( .)s 3SL 275; baoou finb in Folge Jobes ober Aus- 




483 


Sogiale $ra£t8. CientralBIatt für Sogialpolitü. Ar. 1«. 


484 


wanberung ber Berechtigten, SBtebererlangung ber ErwerbSfäpigfeit, 
BegugS oon UnfaUrenten ober aus anberett ©rünben weggefaHen bis 
put 31. $egember 1898 116 376, fo bap am 1. ganuar 1899 264 899 
^noalibcnrenten liefen. $ie 3aT)l ber bewilligten Altersrenten be* 
tntg bis gum 31. Xejember 1898 337 929; baoon fmb in golge £obeS 
ober Atiswanberung ber berechtigten ober aus anberen ©rünbeit weg* 
gefallen bis gunt 81. Xegember 1898 136 6()0, fo bap am 1. Januar 
1899 201 329 Altersrenten liefen. BeitragSerffattnngen ftnb bc* 
luifligt bis gum 31. &egember 1898 an weibliche Berftcperte, bie in 
bie Ehe getreten ftnb, 293 374, unb an bie Hinterbliebenen oon ber* 
[teerten 67 361, gufammen 360 735. $n ber3apl ber laufenben $noa* 
libenrenten ift wäprenb beS gapreS l 898 loieberum eine giemlicp gleich* 
mäßige, erhebliche Steigerung eingetreten, wäprenb bie 3apl ber laufen* 
ben Altersrenten weiter langfant gurücf gegangen ift. $ie Beitrags* 
erftattungen höben eine nicht unbeträchtliche 3unapme erfahren 

&ergte*Streif bei ber DrtSfroufenfaffe Colmar i. Elf. $5te fämmlUchen 
ftaffenärgte bei ber gemeinfamett Drtsfranfenfaffe Colmar im Elfap 
fteüten am 24. ^auuar ipre gunftionett ein. beranlaffung gu biefem 
Schritte ift, nach bem „BorwärtS", bie Steigerung beS borftanbeS ber 
DrtSfranfenfaffe $olmar*2anb, mit bem borftanb beS Aergte*0pnbifat$ 
wegen ber Abfcpliepung oon berträgeu in berhanblungen eingutreten. 
$ie Aergte ocrlangen eine Erhöhung iprer Honorare, bie oon ber 
Leitung ber genannten ^affe nicht jugeftanben wirb. 

$ie »opfottiriittg oon föiener Apotpefen burep Jfranfenfaffen, oon 
ber wir in ber lefcten Kummer fpradjen (Sp. 455), pat mit einem Aücf* 
guge ber Apotperer geenbet. (Sine Berfammlmtg beS H au PtgreoiiumS 
ber Apotpefer pat am 26. ganuar befchloffen, bem berbanbe ber Oie* 
uoffenfcpafiSfranfcnfaffen Stiens fowie ber Allgemeinen Arbeiterfragen* 
unb Untcrftüpungsfaffe in Stien ben früheren Aacplap oon 20% für 
oerabfolgte AJebifamente unb Heilmittel unb 4 % Sfonto gu bewilligen, 
wenn baS frühere Berpältnip wieber pergefiellt wirb. £ie beiben ge* 
nannten gnftitute finb nicht abgeneigt, biefen Antrag unter Aufrecht* 
crhaltung beS UebereinfommenS oon 1. Januar 1898 gu acceptiren, unb 
es bürfte bentnach in einigen STagen bie Entfcpcibnng fallen, ob bie 
Aufhebung beS BopfottS erfolgt. 


3lrbett£nad)niei£. 

ArdjtO uttb ©ibltotpcf beS BerbanbeS bfurfeper Arbeit#* 
naeptoeife tu Berlin. ®er Berbanb beutfeher Arbeitsnacpweife, 
Borftpenber Dr. B. gfreunb—Berlin, oerfenbet ein für bie weitere 
Entwicfelung ber Arbeiten ach weife bebeutfameS Aunbfcpreiben: 

„$>er Berbanb beutfeher Arbeitsn ach weife pat ein Ardjio ein* 
gerietet, in welchem bie ©efdjäftsberidjte, Statuten, gonnulare unb 
fonftigen ^rucffachen ber beutfepeu ArbeitSnachweife gefämmelt werben, 
beSgleichen eine Bibliotpef, in welcher bie qefammte Literatur über 
Arbeitsnachweis itnb oenoanbte ©egenftänbe r)lrbcitSlofen*Berfid)ermtg, 
Aotpffanbsarbeiten u. f. w.) gur Sammlung gelangt. AHt biefen ©in* 
richtungen ift ein Arbeitszimmer oerbuuben, in welchem bie gntereffenten 
ungeftört bem Stnbiunt beS ArchiocS unb ber Bibliotpef obliegen fönnen. 
Zic neu gefcpaff'eite Einrichtung befinbet fiel) int Xicnftgebäube ber gu* 
oaübitäts* unb AitersoerftcherungS=Auftalt, Berlin C., ttlofterftrape 41, 
2 Zv. 3 uni Archioar ift feitens beS AuSfchuffeS beS Berbanbes ber 
Borfieper L beS Bureaus beS Berliner ©ewerbegeriepts, Aftlifcp, befteüt 
worben." 

3um Befudp unb mt Benupuna biefer Einrichtung werben 
alle Qntereffenten eingelaben, inSbefonbere bie beutfepeu kommunal* 
oerbänbe. Seitens ber beutfehen ^otnmunaloerbänbe, weldhe beab* 
fieptigen, einen Arbeitsnachweis einjuriepten, ergepett nämlicp fortgefept 
gaplreicpe Anfragen über Organisation oon fonununaten unb ge* 
meimtüpigen ArbeitSnacpweifen, über Statuten, Formulare jc. ES 
erfepeint baper gwecftna&ig unb bringenb münfcpenSmertp, baff bie 
Äontmunalocrbänbe einen Bertreter auf einige ^age naep Berlin 
entfenben, bamit er im Arcpio baS oollftänbige Btaterial eittfepen 
unb erfepöpfenbe Informationen gewinnen rann. 3n näcpfter 
9iäpe beS ArcpioS befinbet fiep baS Bureau beS GentraloereinS für 
Arbeitsnachweis unb baS Bureau eines oorgiigliep eingerichteten 
gacp*Arbeitsna(pweifeS, beS Brauer*ArbeitSua(pweifee, fo bap ben 
Bertretern ber M'ommunaloerbänbe gleichzeitig Gelegenheit geboten 
ift, bert Betrieb ber ArbeitSnacpwcife aus eigener Anfcpauung 
feitnen gu lernen. Es ift unleugbar, bap auf biefe Bkife bie 
ftontmunalüerbänbe bie heften Unterlagen für ipre Entfcpliepung, 
hetreffenb bie (iiuridjtung ooit ArbeitSnadjweifen, werben gewinnen 
fönnen. — ÜDJan wirb baper in ber Einrichtung biefeS ArcpioS unb 
ber AuSfunfptelle eine pöcpft banfenSwertpe Btapnaptne gur görbe* 
rung be« paritätifepen ArbeitSnad;weifes erblicfeu föniteit. 

ArbeitönacpuieiS für lanbtoirtpfcpaftltthe Arbeiter tu Hamburg» 
£ie ^ßatriotifdje Gefellfdjaft, eine gemeiunitpige 3nfUtution, wirb 
am 1. Sebruar b. Q. in Hamburg eine foldje ArbeitSnacpweiSftette 
unter Leitung eines fianbwirtpeS eröffnen. SDer Arbeitsnachweis 
foll beit 3u)ecf paben, in ber Stabt überfepüffige ArbeitSfräfte ber 


an Arbeitermangel leibenben Sanbwirtpfcpaft gugufüpren. Es peipt 
in einer Empfehlung beS Arbeitsnachweis: 

2>ie Bermittlung wirb für bic Arbeiter unentgeltlich fein unb fid) 
auf alle klaffen ber in ber ^aubwirtpfepaft unb ben mit ipr gufamnten* 

S eriben Oiewerben befepäftigten ^erfonen erftreefen (männliches unb 
lidjeS Oleftnbe, gelbarbeitcr aller Arten, £agelöpnerfamilien, Ianb= 
wirtpfcpaftlidje Beamte, Äutfcper, Gärtner, Brennerei*, Ziegelei», 3ucfer= 
fabrifarbeiter, Olutspaubwcrfer 2C.). gn Betradjt fommen pauptfächlidi 
^erfonen, bic bereits in einem biefer Berufe tpätig gewefen finb, bodi 
wirb fiep, namentlich wäprenb ber Emtegeit, aitcp für ungelernte 
ftäbtifepe Arbeiter geitweife Befcpäftigung bieten, bie ipnen geftattet, über 
oorübergepenbe ArbeitSloftgfcit pinweggitfommen. 

Angetnetue ArbcitSnaiptoeiS-Attfhirt ftül«. gn ber jüngften BerbanbS* 
ocrfammlung ber Allgemeinen ArbcitSnadjweiS*Anftalt berichtete ber Bor* 
fipenbe, H^rr B. E. Howerlaenber, über beren $pätigfcit l m Söpre 1898. 
^anadj würben in ber männlichen Abtpeilung 11 955 offene Stellen 
gemelbet (gegen 9393 im 3oprc 1897); 16 478 männlicpe ^erfonen 

melbeten fiep als Arbeitfucpenbe (1897 11 874), befept würben 10 802 
Stellen (1897 8867). ®er weiblichen Abteilung würben 10112 offene 
Stellen aufgegeben, barunter 7605 für Xienftmäbcpen. ES melbeten fiep 
5735 weiblidjc Stellenfudjenbe, barunter 8397 Säenftmäbcpen. Befept 
würben 5550 Stellen. 3n ber männlidieit unb weiblichen Abtpeilung 
würben gufamnten 16 352 Stellen burdi bereu Bermittchtng befept (1897 
13 419, 1896 11 405, 1895 8869). Wäprenb banaep bic gapi ber 
Arbeitfucpenben bei ber männlichen Abteilung wefentlid) gröper war, 
wie bie 3 a Pl ber gemelbeten offenen Stellen,' war bei ber weiblichen 
Abteilung gerabe baS ©eaentpeil gu oergeiepnen; pier fehlte es an 
$ienftboten, bcfonberS an Biäbcpen für alle Hausarbeit, ^ap biefe 
burepaus niept ntepr auf bie gewerbsmäfüge Stellenoermittelung an* 
gemiefen finb, beweifen obige 3aplen: 7605 offenen Stellen ftanben nur 
3397 Sienftmäbcpcn gegenüber. 5)ie Bermittelung ber Anftalt ift für 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer foftenfrei. Aad^ Haubwerfem war auch 
im oergaitgcnen ^apre wieber rege Aacpfrage, wäprenb bei ungelernten 
Arbeitern, tagelöhnern, Hausfuecpten unb bergleidjen baS Angebot 
wefentlidj gröper war, als bic Aacpfrage. 

tie Üöfmtg ber Preisfrage über bie ArbeitSoermitteluitg iu ber 
Sipttp* unb fiebertitbufftie. Auf baS oon ber 3 c üf<prift ,,©«pup unb 
Seber" erlaffene BreiSauSfcpreiben (ogl. „Sogiale Brai’iS'', ^aprg. VII, 
Ar. 30, Sp. 795) über bie grage: „B3ie ift bie Arbeitsoermittelung für 
bie Scpup* unb yeberinbuftric gur görberung beS fogialeu griebcus 
gwifepen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer am beften gu organifireu?" 
waren im Gängen 30 Arbeiten eiugegangen. $aS BteiSricpter*ÄolIeguun 
erfannte ben erfien s £rciS (500 M), ber mit bem iWotto: „teilt fogialeu 
griebeit gilt unfer Streben, — ^n ipm erftarft fort unb fort wirtpfepaft* 
lidjeS Seoen!" bcgeid)iieten Arbeit gu. ter gweite ^reiS (300 M) würbe 
ber Arbeit mit bem Ai otto: „Suttner ftrebe guin Gangen unb fanuft tn 
felber fein ©angeS werben, als bienenbeS ©lieb fcpliep’ an ein Ganges 
tiep an!" guerfannt unb ben brüten SßreiS (200 Ji) erhielt bic Arbeit 
mit bem 5Aotto: „Siepe, wie fein uttb lieblicp ift es, wenn Brübcr ein* 
trächtig bei einanber wopnen." Bei ber £)effnung ber Briefuntfdjläge, 
welcpe bie Aanten ber Berfaffer enthielten, würbe feftgeftellt, bap bie 
erfte Arbeit oon H^’» Hermann Ecfert, Berwalter ber ftäbtifcpeu 
ArbeitsuacpweiS*Anftalt greiburg i. B., bic gweite Arbeit oon grau 
Henriette gürtp in granffurt a. A?. unb bie britte Arbeit oon 
Herrn Aobert gapit in tföln*AippcS gefertigt worben ftnb. tie 
prämiirteit Arbeiten, bic in „Sd)itp unb lieber" gur Beröffentlicpung 
gelangen, treten jätnmtlidj für bie Errichtung oon unparteilichen 
ftäbtifcpeu ober genteiunüpigett paritätifepen ArbeitSnacpweifen ein. 


(BenofTettrdtaftettiertn. 


Ertrag unb Befteuenmg ber einfommenfteuer^flt(htigen Eefeflfipaften 
unb Eenoffeufcpaften in fßrenffen» 

Befanntlidp unterliegen in ^reupett auep bie AfticngefeUfdjaften, 
^ommanbitgefetlfcpaften auf Aftien, bie Berggemerffcpafteu, bie* 
jenigen eingetragenen Genoffenfcpaften, beren GcfdjäftSbetrieb über 
ben 9)2itglieberfreis pinauSgept, unb btejenigen Ä'onfmnoereine, 
welcpe einen offenen fiaben unterhalten unb bie Aecpte iuriftifdper 
^ßerfonen paben, ber Ginfommenfteuer. 

Bcftenert wirb als Einfommen ber ElcfcpäftSgewinn im ®urd)* 
fepnitt ber brei testen Sapre, unb als GcfcpäftSgewinit wirb g. B. 
bei Aftiengefeüfcpafteu bic oertpeilte Xioibettbe gerechnet unter Hiu- 
guredjiuntg ber Aufwenbungen für Scpulbentilgilng, Aeferoebilbuitg, 
Gefd)äftSerweiternng unb unter Abrechnung oon 3 % % beS ein* 
gegaplten Aftienfapitals begto. bei Elenoffcnfcpaften ber cingegapltcn 
GefcpäftSantpeile, bei Berggetoerffcpaften beS GrunbfapitalS. 

3n ber Borlage bcs JinangminifterS an baS Abgeorbneteu* 
paus (gulept oont 2. Sanitär 1S99) über bie Einfommenfteuer*Ber= 
anlaguitg befinben fid) nun Angaben über Einfommen, Steuer unb 
Grunbfapital ber genannten Gefellfdjaften, weld;e wir für nadj* 
ftepenbe 3ufcimmenftellung begw. Berechnungen beitupen: 


485 


©oktale BrajiS. ©entralblatt für Sozialpolitik Rr. 18. 


48B 



Aftten* 


Etn* 



[Rach ber ©infchäRung 

gefell* 
fchaften u. 

Berg* 

getra* 

gene 

Ston* 

3h» 

im oafirc 1895 Bi8 1897 

Aftten* 

gewerf* 

©e* 

[um* 

(für 1896/97 bis 1898/99) 

Äomman* 

bit*@efell* 

fchaften 

tt offen* 
fdjaf* 

oereine 

fatnnten 


fchaften 


ten 



&W ©e[ed” f 

haften (J»? 

1353 

1417 

77 

97 

308 

300 

191 

1 187 

1 929 

2 001 

1 517 

104 

313 

190 

2 124 

Eingegahlte Af* / 
tien*begw.©runb* 1 1895 

3 931 683 

297 084 

23 592 

5 363 

4 257 722 

fapitalien begw.{ 1896 

3 972 683 

316 586 

25 667 

5 800 

4 320 736 

©efdiäftSantheile 1897 

4 422 975 

327 548 

22 698 

6 011 

4 779 232 

in iöCK) JC " 






Steuerpflichtiges (1896 
Ein fommen in { 1896 
1000 JC [ 1897 

256 560 

8 778 

2 114 

2 317 

269 767 

291 lil 

11 254 

2 237! 

2 922 

307 525 

368 213 

12 245 

2 373 

3 394 

386 224 

Beranlagte (1895 
Steuern in [ 1896 

lfKX) M { 1897 

6 301 

342 

56' 

75 

6 775 

7 459 

436 

61 

98 

8 054 

9 694 

457 

63' 

113 

10 327 

^ie Steuern finb (1895 
Brogente beS Ein* [ 1896 

2,46 

3,90 

2,65 

3,24 

2,5! 

2,56 

3,8? ! 

2,73 

3,35 

2,63 

fontmeuS {1897 

2,63 

3,73 

2,65 

8,33 

2,67 

$as Eüifommen [ 1SQ{ - 
iftBrogent herein* j 1SQß 
gezahlten $api* | lftq7 
talten l 

6,53 

7.33 

8.33 

2,95 
3,55 
3,74 ! 

j 

8,96 

8,72 

10,45 

43,20 

50,38 

56,46 

6,34 

7,12 

8,08 


3)ie Berechnungen beS BerhältniffeS oon ©efchäftSertrag (©in* 
fommen) unb ©runbfapital ergaben gunäd)ft bie intereffante tfyai* 
fad)e, baR bei Sfonfmnoereinen mit offenem ßaben ber Jahresertrag 
etma bie £älfte ber eingegahlten ©efchäftSantheile aus* 
macht 1895: 43 %, 1896: 50 o/ 0 , 1897: 56 %. Söei ben Aftien* 
gefeüfchaften mar ber ©ewinn 6 72 %, 7 73 % unb 8 7 3 % beS 
eingegahlten AftienfapitalS, bei ben eingetragenen ©enoffenfehaften, 
foroeit fie hier in Betragt fommen, 8,9 %, 8,7 %, 10,5 %, alfo 
burdfjroeg eine Steigerung, wenigftenS im lebten jahre, au<h bei 
ben hohen BrogentfäRen ber Stonfumoereine. 

®ie oeranlagten Steuern waren bei ben ^onfumoereinen etma 
37-2% be§ Ertrages, bei ben übrigen ©enoffenfehaften etwa 2 2 / 3 o/ 0 
unb bei ben AfttengefeUfchaften 272 bis 2 2 / 3 %• 

©burtottenburg. ©. i r ftf) b e r g. 


Die Begrfinbmtg be8 ÄonfmmBau* tmb 6par*BereittS „Bro* 
biicrtoii", ©♦ ©. m. b. in Hamburg, fanb am 24. Januar 
ftatt. Befanntlid) ift bie Anregung bagu oom ©ewerffihaftsfartell 
auSgegangen (ogl. „Sogiale^rajiS" Sp. 365), baS in langwierigen, 
grünblichen Berhanblungen bie ßlngelcgentjeit erwog, bis es bamit 
oor bie C eff entlieh feit trat. Ju ber Berfammlung betonte $Retd)S* 
tagSabgcorbneter oon ©Im, ber fid) um ben $Ian bas größte 
Berbienft erworben, ber zahlreiche Befuch beweifc, baR bem Bor* 
haben, einen folgen ftonfumoerein gu begrünben, in ben Arbeiter* 
freifen lebhafte Sympathie entgegengebracht werbe, freilich fei er 
fid) wohl bewußt, baR bic guftimmung nicht eine allfehige fei, 
aber alles Reue müffe fich erft Bahn brechen, ©s fei fogar mit 
mancherlei Mitteln gegen bie ©rünbung gefämpft worben, bie nicht 
mehr fd)ön gu nennen feien. 3Ran habe auch gefagt, es fei nicht 
richtig, baR bie ©ewerffchaften bie Angelegenheit in bie £>anb 
nähmen. So werbe g. 23. im „Borwärts" ber Vorwurf gemacht, 
baR man in Hamburg oon ber alten bewährten Bahn abgehen 
wolle, hierauf erwibere er, bie Bahn ber ©enoffenfehaften fei 
bisher bte ber ^ioibenbenjägerei gewefen, wenn man baoon ab* 
weiche, fo fönne er bas nur mit greube begrüRen. Auch habe 
man bie Sache fo bargeftellt, als ob baS ©ewerffefjaftsfartett bie 


©rünberin fei. $)ent gegenüber fei gu betonen, baR baS Kartell 
ftch lebiglidh bamit befaffe, ^ropaganba für bie Sache gu machen. 
$)ie Srage, ob eS gwecfmäRig fei, baR baS Kartell fo oorgehe, be* 
antwortete Rebner baburch, baR er eine Reihe englifeher BieinungS* 
äuRerungen über baS 3ufammenwirfen ber ©ewerffchaften mit ben 
©enoffenfehaften citirt, bei benen ein 3ufammenwirfen als noth* 
wenbig erachtet wirb. 2)ie ©rünbung fei ein Mittel *ur Jörberung 
beS StrebenS ber Arbeiter, fich beffere ßebenSbeoingunaen gu 
ft^affen. 9Rit ber ^arteipolitif habe Re nichts gu thun, fonbern Re 
fei ein rein wirthfihaftlicheS Unternehmen. SBenn es gelinge, fo 
RhloR ber Rebner, baS gu erreichen, baR bie Arbeiter auf $)imbenbe 
Bergidjt Ieifteten, fo unterliege eS gar feinem 3meifel, baR baS 
Unternehmen nicht nur gebeihe, fonbern auch üorbilblidfj für bie 
gange ©enoffenfehaftsbewegung in SDentfdhlanb werbe. $>er 
Statutenentwurf würbe meift ohne Debatte angenommen unb ber 
prooiforifche, oon ber ©emerffcbaftSfommifRon gewählte AufRchtS* 
rath unb Borftanb beftätigt. SDie ©enoffenfdjaft wirb nun in baS 
Regifier eingetragen. 


ÄoJjmutgsitielen. 


AuS ber fföbtifdjen StahuttugSfommtfßoit in StraRburg i. ©If. 
Jn ber leRten SiRung (17. Januar) würbe befannt gegeben, baR 
aus ftäbtifchen StiftuugSmitteln bereits im Jrühiahr mit bem 
Bau oon billigen unb gefunben ^Bohnungen begonnen werben 
foll. Jfür bas laufenbe Jahr ift gunächft bie $erfteHung oon 
300 BoIfSwohnungen in AuSficRt genommen. AuRerbem ift bie 
©rünbung einer ©enoffenfehaft im &erfe, bie — wenn nöthig mit 
Rnangieller Beihülfe ber ©emeinbe — ben Umbau alter fchledjter 
unb bie Errichtung neuer SBoRnungen anftrebt. 

Arbciterttnjf>mittgen iu Blülfjattfcit i. ©. 25ic Äommiffioit, bie oom 
Olemcinberatl) gur Prüfung bes Antrages ber beiben fogialiftifchen BJit* 
glteber Bueb unb •'otcfel, auf Bewilligung oon gwei iRtütonen SRarf 
gunt Bau oon Arbeiterwobnmtgen, eittgefeRt würbe, bat befddoffen: 
£te Stabt fiebt oom Bau oon Arbeiterwobnuugeu auf eigene Rechnung 
ab, unterftüRt aber finanziell bic BeftRer oon fcf)led)ten unb ungefunben 
Arbeiterwobnuugeu, wenn fie foldje mnbanen, ober and) biejeitigeu 
Arbeiter, bie eigene Käufer bauen. 


Sojiale fftjgiene. 


$er SuberfttlofefoitgreR, welcher oom $eutfd)en EentralfomitS gur 
Errichtung oon §eüftätten für SungeufranJc für bie Sage oom 24. bis 
27. 2Wai 1«99 nach Berlin einberufen wirb, begweeft, bie Suberfulofe 
als BolfSfranfbeit, ibre (Gefahren unb bte HRütel, fte gu belämpfcn, ben 
weiteften .^reifen oor Augen gu führen ES foHen bie wiffenfchaftlidjen 
©runblagen ber jfenntniffe oon bem 23efen ber 51ranfbeit unb ihrer 
Berbreitung, fowie bie Mittel unb 23ege, welche gur geü für ihre wirf* 
fame Berlnitung unb Bebaubiung gu (Gebote fteben, insbefonbere bie 
Bebeutung befonberer .£>eilftättcn für ^ungenfranfe bargelegt unb einer 
freien £isfuffiott unterbreitet werben. 5)a ber gtongreR retn praftifd^e 
gielc oerfolgt, wirb oon ben Referenten in möglidjfter iftirge unb ^rä* 
gifion baefeuige oorgefübrt werben, was gegenwärtig in ibeorie unb 
BrariS als feftfteljcnb ongufeben ober bod) wenigftcnS burd; bie ^is* 
fuffion fowett geförbert werben bürfte, baR eine praftifd)e Entfcheibung 
gewonnen werben fami. ^ür bie Berbanblungeu finb fünf Abteilungen: 
1 . Ausbreitung, 2. Actiologie, 3. Bropbplajc. 4. Therapie, 5. .peilftätten» 
wefen in AuSficht genommen. RaRerc Ausfunft crtbeilt ber ©encral* 
fefretär bes ÄtongreffeS, Stabsargt Dr. BamtwiR, Berlin W., ’äSiibelms* 
plaR 2. _ 


ßitcrttrifdjc Änjdgen. 


Seclntann, ^anS, ®aS Streitoerfabreit in ben ReidjS*Berficheruugx'= 
gefepeu. Spftematifch bargeftellt. Berlin 1899, Bcrlag ber 
Arbciter*Berforgung (A. ^rofcRel). 54 0. Breis l>2o 
Effen. SabreSbericht ber .^aitbelsfamnter für ben Äreis Effeit. l^os. 
2beil I. 


^)ie gleichzeitig hiennit ausgegebene $lv. 5 ber 9RonatSf<hrift 

#f ^aS ©ewerbegericht" enthält: 

Sfaufmännifche Schiebsgerichte. Bon Dr.Ernft ^ranefe, Berlin.— 
$Reid)3tagS*BerhanbIungen über Berbefferung unb Erweiterung ber 
©eroerbegericRte. — Berfaffung unb Berfahrcn. Bürgerliches 
©efcRbud) unb ©ewerbeorbnung. — 9lechtfprechung. Btittheilungen 
aus ben ©nifcReibungen ber ©ewerbegerid)te Berlin unb SDreSben, 
beS Amtsgerichts Berlin, ber ßanbgericRte Berlin, ^ortmunb unb 


Bresben unb beS OberlanbeSgerichtS £amm. — Allgemeines 
über ©ewerbegerichte unb ArbcitSoertrag. $)er Bericht 
beS Berliner ©ewerbegeritf)ts über baS ©efchäftsjahr 1897/98; 
Seefihöffengerichte. —©inigungSämter. Sdjätigfeit beS 
Btündjener ©ewerbegerichts als Einigungsamt. Beziehungen bes 
©ewerbegerichtS gum ©iniguitgSantt.— BerfchiebeiteS. Bcifipcr* 
Bereinigungen. — BerbanbS * Angelegenheiten. Beitritt gunt 
Berbartb; Eingänge oon Jahresberichten; Anträge. — Brief* 
faften. Reid^nbach i- B. — JnhaltSangabe ber „0ogialen Braris". 


Serantoortlid) für bte Stebaftton: Dr. CSrnft Srnntfe tn SctHn W., Smjreiit^ecftraöc ff. 



487 ©öjtalc $rct£t§. Eentralblatt für So 3 taIpoIüü. Wr. 18. 488 

©ie hpravt»“ etfdjeini an febem ©onnerStag unb ift burd) alle ©ud&hanblungen unb $oftfimter (BoftaeitungSnummer 7072) ju bejieBen. ©et ^tet« 

für bafl ©ircteliabt ift SW. 2,50. 3ebe Wumntet foftet 30 Bf- ©et Anzeigenpreis ift 60 Bf- für bie breigefpaltene Büitaetle. 


3u bejiehen burch alle Sortimentsbuchhanblungen: 

Kaifev IDUfyelut I. 

«o n «rh* Parrft*. 

5 r i t t e, berbcffert« unh vevnteljvtt Auflage, 

Brei* 5 SXf. 40 Bf-, tn feinem ßetnenbb. 7 SRf., tn fcalbfrjbb. 7 SRI 80 Bf- 

3n btefer brüten Auflage ift bie gefamte aeitgenpffifdje Süteratur, alfo BiSmartfS „®ebattfen unb Erinnerungen", bie 
Briefe AbefenS, auch bie beibeit Beröffentlidjungen m. BufcljS, leptere foweit fie Urfunbliches enthalten, berücfjtdjtigt. SBie SWarcfS’ 
Buch oon ber flritif mit feltener Einmütigfeit als bie befte Biographie Äaifer SSifljelmS I. anerfannt morben ift, enthält es in feiner 
neuen ©eftalt bie eingehenbfte unb unbcfangenfte SBürbigung beS großen Staatsmannes, bie jur 3cü cjiftiert. 


$oit bem 




für 


lief (plixi, SttMliiii nk Msiirtfduft 


im Deutfäjen Heicfj, 


begrünbet oon #♦ tistt ff, 

fortgefefet oon $. 9*l%ettbr*rff unb gttf* gvttttfttto, 

herausgegeben non 


P5»ßa» j^maller 


ftnb ooit ben erften 25 Jahrgängen (I—IV unb Weuc $olge I—XXI, 1871—1897), bereit 
öabenpreis jufammen 

■=----^ 581 marf 60 

beträgt, nur itocf) wenige nollftäitbige Ejemplare norhartben, welche, memt auf 
einmal bezogen, bis auf Siberruf 3 U bem fjerabgefcfcten greife oon fe 

400 Warf 

gegen bare Zahlung, lieferbar Seipsig, abgegeben werben. 

So lange ber Borrat reicht unb bie norftebenbe, zeitweilige ^rci&hcrabfct?ung 
oon uns nicht aufgehoben ift, fantt jebe befferc Sortimentsbudjbanblung ju obigen Aus* 
nahntebebingungen liefern. 

Eine Anf<hauung beS reifen unb mannigfachen Jnhalts ber norftebenb be* 
geichneten 25 Jahrgänge gewährt bas oon Dr. Abolf oon 3B en cf ft er n bearbeitete 
<$eitetafregifte*, bas als sweitc £>älfte oon §eft IV beS XXI. Jahrgangs ber neuen 
golge jum greife oon 5 9K. 20 Bt- erfdhienen unb fomit in ber oorftehenb b ejeichiteteit 
Serie mit enthalten ift. ES ift -- auch 3 ur Anficht — burch jebe befferc Sortiments* 
buchhanblurtg ju bejiehen. Eilt bentfeiter Wecenfent begrübt biefes Stegifter im Jntereffe 
ber Wationalöfonomen unb Socialpolitifer als „einen junerläffigett Begweifer burch bas 
Biefengebiet beS „Jahrbuchs". 


5 c i p J i g, 1899. 


Duncfer & ßumblct. 


U.ffiuticntag, Bftlagsh^'sMinj, 

flntin SW. 48 , »llljtlmpr. 119 / 120 . 


Jn oöHig neuer Bearbeitung erfchien: 

Das Keidjsgefe^ 

betreffenb bie 

<Beroerße<jenc0fe. 

SBont 29. 3uli 1890. 

Tejt"?(u«gal)o mit?(nmerfungen u. Sndjrcgifter 

ton 

Cro Jtagfcatt. 

gierte oermehrte Auflage, 


bearbeitet ron 

Cnno, ©tabtratf) 

unb fleDoertietcnbem Borfl&enben beä 0erotrbcgcrid)t$ 
ju ftöitigdberg t. Br. 

Cafcfjenformat, fartonuirt. 
- Breis 1 m. 80 Bf- - 

Jletri) 5 -©emerbe-(i)riittung 

»rbff ^usfährungsbefHiumnugett. 

$ejt»Au8gabe mit Amnerfungen unb Sachregiftet 
oon 

fSIj, ®etger. 

Auf Söunfj) beS £errn BerfafferS fortgeführt 
oon 

Dr, jur. 8 . gBityelini, 

Ralferi. (geheimer Ober*9tcgterung8ratb unb oortrugeuber 
Watt) im Wetti^bamt beä Innern. 

^ftnfielmte, uermclirtr Auflage. 


Unter befonberer ©erücffichtigung 
ber Beftimmungeit über ben Arbeiterfdjufc, 
bie Drganifation beS £anbtoerf8 unb 
baö iiehrlingSwefen. 

Safchenformat, fartonnirt. B«i« 2 W. 80 Bf- 


3» beziehen barch jebe BndjhanMmtg, fomte 
bireft Pott ber BcrlagSbuchhattbluttg. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 

Das Streitverfahren 


bandbucl) der Deutschen Uerfassungen. 

Dir frif»fliigs§tft!jt Irs ftnl^rn fridjts a. frivrtSunbrsftaateB aid) ln $rgriBittign |rfe|tsfult 

bearbeitet unb tjeraubgegebeu oon 

Dr. jtii* $tegi?k, Btofeffor ber Rechte in öreifSwalb. 

@r. 8 °. (IX, 635 @.) 1884 . 

8iS auf ttibermf ber SerUgShanblmig ift Jebe etuWanblititg in ben 6t«ub gefetji, baS ^aubluip ber 
Xeutftyen eerfaffttngcit aum ermä|isten «aarpreife oon 6 jgark (ftatt bisher 12 9Rarf) abattgeben. 

gluttcker Ä gjumMot, Oerlagebuthljanblung, geipiiff* 


Heiehsversiehepcmgsgesetzen. 

Systematiscli dargestellt 

von 

H. Seelmann. 

- Preis 1,20 Mark. -— 


Serantxoortltd) für bte Unjcigen: ^cüimitt) öeibei, teipitg. - Verlag üüu runder & immblut, ifctvjio. — ©ebrudt bet gultuss Sittenfelb, ©:clin. 


CW1 Hi fflutMittoy ni)i Q3»’r-\*n^f+ hör ^novfrtnÄruirfifiai!hfnun T.oounlfl Vq ^ m tTT 1 1amhnrg . fmtr 9inn_i. 






















vm. golprgÄng. 


®erliit, ben 9. gebruar 1899. 


itmnnttc 19. 


Schale prayis. 

{$e«traf 8 faft för ££>ogtctrpofifiü 

mit bet 2Konat«bellage: 

Das <Beu>erbe$etricht. 

©rgan öes Derbanbes bcutfdjer <Sea>erBegeridjte. 

ftcue golge ber „©lätter für fogtale sprayt«* unb be« „©ogiatpotitifeijen ßentralblatt«". 
arffteiitt m jcbm Demter#a§. |)CrOU§geBer: frei« blertetjftlrli* 2 m. 50 ff. 

SRebaftton: ©erlin W., ©apreutherftrafce 29. Dr. Ctltjl £tüttlkt* ©erlag bon Duncfer & Jmmblot, ßetpgig. 




©ocfcmal« £err Dr. ©eumet unb 
bie engltf$en Stabe Union«, 
©on Dr. bon ©Ottenburg, ©onn 
489 

Die ©emerbegertdjte als ©int* 
ftungflämter unb bie getoerl* 
fdjaftlidjen ©eretnigungen bet 
beutf$en Ärbeftcr. ©on 
©r. ©ocrfe$, ©etlin.494 

«Mt»«*» «oaui* mb mmmmm» 

folttif.496 

©eblngte Segnübigmtg in Deutfcblanb. 
Der ©oftetat im 8lei$«tag. 

©egen bie Äu*bebnung be« SHrbeiter* 
fd&ufce«. 

©oaialpolitifäe ©efälüffe bet ©a* 
tionaÜibetalen in ©adjfeu. 

3um getterblid&en grteben in ©nglanb. 
Die (btifilicb-foaiale ©etoegung in 
granfretdj. 

ft*mstt «U ©«sf«l»*ltitl .... 499 
©tübtifd&e ©lettriaitatswerle. 
Äufbebung bet ©djlatbifteuer in 
©xeSlau. 

©t&btifdjer ©opfoit einet ©aßanftalt. 
Die Sobnberbftltniffe bet ftübtiföen 
«rbeiter in ©iüneben. 

Fair Wages in bet ©tobt Slberbeen. 
@emeinbli(be ©tafcnabmen gegen ®r* 
beüöloftgfeit in ©ent. 

•e*k»U Bstlnbe ..501 

Die frbeiterberbaitniffe bei ben preu* 
giften ©taaifibabnen. 

Die &tbeit«aeit in ©nglanb. 

Da« SBerfbauSprinaip in (Snglanb. 
Det intetnationale Sttrmenpflegfcbaft«* 
fongrefe 1900 in ©art«. 

Die 8. ©effion be« obetflen Sftbett«* 
tatbe« in granfrelc&. 

«*5ettetbe*etun§.502 

©om Jbrefelbet SEBeberftrei!. 
ßut ßobnbetoegung bet Setgatbeitet 
in ©a$fen. 

Äaufmönnifcbet unb gewerblicher 
4>ülf8Derein füt weibliche fngefteOte 
in ©etlin. 

Det ©etbanb Deuifdjet ©uchbtuder. 
Dritter Äongrefi bet ©etoetlf(baften 
Deutfdjlanb«. 

Die ©etDeilfdjaften Defterreich« im 
Sabre 1898. 

fcu« bem englifchen ©ewertoerein«» 
leben. 


«rftdiertta*.505 

©unbe«tatb«berotbnung jum ©djufe 
bet Arbeitet in bet Sb^rbaat»Sn« 
bufttie. 

Die Regelung bet flrbeit«aeit in ©e* 
treibem üblen. 

Die „ftommiffion füt Ärbetterinnen* 
fchufc", ©etlin. 

Agitation füt ben 2abenfd)lu&. 
fufigeftaltung bet 5fterreichif<hen @e« 
werbe-ßnfpeftion 

gabriftnfpeftton in ©elgien in 1897. 
Sttegelung bet SlrbeitSOerbäliniffc in 
ben boüfinbiftben SWilttütbüdeteien. 

KfbeHevbetlUbcmm ©mrfiiffe» 507 

Äonfetena bet ©«tretet bet ©et* 
fUberungSanftalten. 

Die 3nbalibität«0erfi<betung8*9tooene 
unb bie ©ro&inbuftriellen. 

Det beutfdje Heraieberein«bunb unb 
ba« ßranfenüeriicberung«gefefe. 
©reufjifche ©patfaffen 1897. 
©ifenbabnfpatlaffen in ©ngtanb. 

ttvtettiitaftwei#.508 

Der $lrbeü«nachwet« füt ©tbauetleute 
in Hamburg. 

©tübtifeber Ärbeit«nachwet« in ©thöne* 
berg. 

©teHenbermittelung im ©aftwirth«* 
getoetbe au ©tuttgort. 

C9#blfahrt«eitt*i4tutt«t» .... 509 
Der SluSfcbufi füt Söoblfabttfipflege 
auf bem Sanbe. 

©euoffeufihaftttdcfeis.510 

©oaialpolitif<be Seiftungen bet 
beutfiben lanbwirthf djaftltchen 
©enoffenfebaften. ©on Dr. ft. 
Sbie§, Offenbacb a. 3tt. 
©(btt»eiaetif<bet ©enoffenfchaftSbuub. 

f&*9mma*»efe«.514 

2Sobnung«notb unb Arbeiter* 
b&ufet in SBien. ©on Heinrich 
9(bler r SBien. 

©efötberung be« ©aue« bon Arbeitet« 
Wohnungen burch ©patfaffen. 
9tb«nifcbet ©erein jur görberung be« 
9rbeitern>obnung«mefen«. 
2ßobnung«notb in ©tuttgart 1898. 
8itte*a*tf4t Maptteu.518 


ttod)itiitl? Dr. ßeuracr nttb bie englifdjen 
ftraibe Union?. 


^err Dr. Scumer ^at in ber $)eaember ^ Kummer 23 ber 
2 $eutfdben Snbuftric^ßitun^ eine ;/ 5lbn)e^r" gegen bie ftritif ner* 
öffentlidgt, roeldfie \d) in ber ^feojialen $rayi«" Sir. 7 unb 8 an feiner 
Auflage gegen ben englif^en Srabe UntoniSmu« außgeübt ^atte. 
SBenn id^ im Solgenben aud& biefe „2lbu>ebt" einer Äritif unter» 
gielje, fo gefd^ie^t ba« lebiglid^ um be«roillen, meil mir baburt^ 
(Gelegenheit geboten mirb, oon feuern bie 2lrgumentaHon8toeife 
be« |>erm Dr. ©eumer gu fenngeithnen. Dr. 33eumer bemängelt 
gunäcf)ft bie oon mir in 23egug genommene gutachtliche ^leufeerung 
be« $errn 6pcnce SSatfon. ^lieber bie guten Seiten ber £rabe 
Union«", fagt^errDr. S3eumer, „hat un« oer ^edhtöanroalt Batfon 
im Q[ah*e 1889, al« mir unfere ©tubienreife in fenglanb machten, 
fcbafcenßroerthe Sluffchlüffe gegeben." S)ann h^ifet e« aber meiter: 
„SSenn er bie @ chatten feiten oamal« nicht fehen mollte unb auch 
heute noch S u fennen fdf)eint, fo erflärt bie« ber Umftanb, 
ba& $err ©pence 3Satfon in erfter Gteihe rabifaler ^Solitifer ift; 
biefe Sßartei ift roefentlid^ auf bie ©timmen ber befferen ftimm* 
berechtigten Arbeiter, alfo ber £rabe Unioniften, angeroiefen." 3Rit 
Segug auf bie englischen Arbeitgeber, melche 1889 §errn Dr. 58eumer 
eine Au«funft bahin ertheilt hatten, ba& bie ©eroerfoereine gum 
fogialen grieben führten, mirb in ber „Abmehr" bie SRothmenoig* 
feit betont, „in eine Prüfung barüber eingutreten, ob benn nicht 
manche« oon englifchen Sabrifanten über bie S^rabe Union« ge* 
fungene ßob oielleid^t lebiglich auf ba« SBeftreben gurücfgu* 
führen fei, auch $eutfdf)lanb mit biefer Snftitution gu beglüdfen 
unb baburch in feiner ©ettbemerb«fähigfeit auf bem Söeltmarfte 
gu fchroächen." $err Dr. S3eumer fpricht alfo ben SSerbacht au«, 
ba& £err SSatfon unb bie betreffenben englifchen Arbeitgeber in 
geroinnfüchtiger Abfidf)t burch (IntfteHung ober Unterbrüdfung 
tpahrer ^hatfachen einen 3n:thum g« erregen oerfudf)t, bafe fie 
fich eine« oerfuebten, menn auch ftrafrechtlich nicht oerfolgbaren 
betrüge« fchulbxg gemacht haben. Auf biefe Snfmuation, 
melcher auch nicht ber ©c|ein einer Segrünbung beigegeben ift, 
antroortet $err Söatfon in einem 33riefe an mich oom 16. Januar 
wie folgt: 

„9Mn oerehrter §err! 

©eit Empfang 3h r ^^ ©chreiben« bin ich fo fe^r befchäftigt 
gemefen, bafe e« mir unmöglid) mar, ba«felbe früher gu beant* 
morten. Sih §abe ben Artifel be« $errn Seumcr burchgelefen*) 
unb bin ni^t menig überragt gemefen. 2Bir haben ein ©prüdfj* 
mort: „SBefd^impfe niemal« ben Anroalt be« tläger«!" 3Kir 
fcheint aber, ba& gerabe bie« ba« Verfahren ift, melchc« §err 
33eumer gemählt h a h unb unter ben gegebenen Umftänben 
bürfte bie« Verfahren fchroerlich al« höflich begeichnet merben 
fonnen. SBäre ein folch’ perfönlidber Angriff, roie er ihn macht, 
in (Smglanb gegen mich gerichtet morben, fo mürbe ich bettfelben 
ficherlich nicht für einer ©eadfjtung merth gehalten haben, ©elbft 
unter meinen fchärfften politifchen (Gegnern giebt e« feinen, bem 


95btu<f fftmmtfUfcer Stttfel ift ßettimgcn unb ßcttfc&riften geftattet, iebo<b nur 
mit Polier Duellenangabe. 


‘) in cnglifchcr Ucbcrfc^uttg. 













491 


Sogiale ^rajig. Eeiitralblatt, für Sogtalpolitif. Br. 19. 


492 


eg auch nur im Traume einfaflen mürbe, etmag über mich gu 
fagen, mag in einem fo lächerlichen ©rabe unroahr ift. Srabe 
Uniong fielen aufjerhalb ber Ipülitif, unb i<h bin ftetg ber An* 
ficht geroefen, bah man ihren Birfunggfreig unb ihre Snnftionen 
nicht mit ber Sßolitif oermengen follte. Sie Sh a tfad)e, bah id) 
in über 60 ernften gemerblichen Streitigfeiten in oerfdjiebenen 
Xtyikn biefeg £anbeg alg alleiniger Referent gemailt morben 
bin unb graar omt ben Arbeitgebern foroohl, alg oon ben 
Arbeitnehmern, bie Shotfadje ferner, bah «h ftänbiger Referent 
in allen gemerblichen Streitigkeiten für mehr alg einen ange* 
fehenen Board of Conciliation and Arbitration bin — fie 
charafterifiren gur ©enüge bie Borftettung, alg ob ich fähig 
märe, irgenb einen Schritt gu thun, um bie (Stimmen oon Srabe 
Unioniften gu geminnen. Fd) barf mit Stolg fagen, bag ift 
nicht bie Art unb Beife, in ber bei ung politische gehben ge* 
führt rcerbeu. Benn meine Erinnerung mich nicht täufdjt, fo 
habe ich in meinen Briefen an Sie augbrücflidj h eröor 9 e hnben, 
bafe eg in bem Srabe Unionigmug, mie in allen tnenfchlichen 
Einrichtungen, gute unb fflechte Seiten cjiebt, fei eg nun, bah 
man bie Arbeiter ober bie Arbeitgeber tn Betracht gieht. Sch 
forbere §erm Beutner auf, in ben Bereinigten Königreichen mir 
guch nur einen eingigen 9Kann gu nennen, meiner auch nur 
einen eingigen Satt gegen mich oorbringen fönnte, in bem ich 
ben Berfndj gemacht hätte, bie Stimmen ber Srabe Unioniften 
gu geminnen baburch, bah i<h irgenbroie bie Wahrheit oerheim* 
licht ober entftettt hätte. 

Eg ift nicht leicht, ben erftaunlichen Berbacht ernfthoft gu 
behanbeln, bem £>err Beumer Augbrucf giebt, inbem er bie 
englifchen Sobrifanten angreift, oon melchen er mährenb feineg 
Aufenthalt in Englanb Informationen erhalten hat- 3<h will 
nicht ben Augbrua gebrauchen, ber allein bie Sbee richtig 
charafterifiren mürbe, bah einige ber bem Srabe Unionigmug 
cjünfiigcn Augfagen, rneldje §>err Beumer offenbar oon biefen 
Fabrikanten gehört hot, auf ben Bunfd) gurücfguführen feien, 
bie Bcttberoerbunggfähigfeit Seutfdjlanbg auf ben Beltmärften 
gu fchmächen, inbem man eg mit ber gebauten Snftitution be* 
lücft. Aber ich holte e & für fehr bebauerlich, bah ein üftann, 
er in biefem Sanbe mit Dffenhergigfeit unb Höflichkeit 
empfangen morben ift, ber hierher fant, um Snformationen gu 
erbitten, unb ber oon ben oerfchiebenen Sßerfönlichkeiten, bie er 
auffuchte, mitSreuben bie atterbeite Augfunft erhielt, bie fie geben 
fonnten, bah biefer Bann fich einen fo unbegreiflich abfurben 
Angriff auf biejenigen erlaubt hot, melche ihr Befteg gethan 
haben, um ihn gu oerpflichten. Eine berartige §anblunggmeife 
ift unebel, uttflug unb unmahr. Eg ift nicht leicht oerftänblid), 
marum Semanb hierher fommt um bie Wahrheit über irgenb 
etroag feftguftetten, roenti er nur bag glauben mitt, mag mit 
feilten oorgefahtcn unb ohne Kenntitih ber Singe gebilbeten 
Borftettungen übereinftimmt." 

„Benn £>err Beumer, fcbreibt §err Batfon roeiter, roirflich 
ber Anficht ift, ich hätte ihm nur über bie guten Seiten beg Srabe 
Unionigmug merthootte Snformationen gegeben, fo erklärt fich bag 
baraug, bah er, ba unfere Unterhaltung bouptfächfich in englifd) 
geführt mürbe, nicht im Stanbe mar, bag gu oerftehen, mag ich 
ihm bei ber in Begug genommenen Gelegenheit gefagt höbe, olg 
er in Gemeinfchaft mit einigen anberen Herren mich befuchte unb 
ootte, genaue unb beftimmte Antmorten auf alle fragen erhielt, 
melche mir geftettt mürben — fo meit ich S u ber Beantmortung 
berfelben im Stanbe mar. . . . Ein anbereg Bai merbe ich folgen 
§erren, mag ich gu fagen höbe, fchriftlich geben." 

3u biefer lebten Aeuherung erlaube ich mir Solgenbeg gu be* 
merfen: 

Sn meinem früheren Auffafc hotte ich gefogt, eg entgöge fich 
meiner Kenntnih, ob £)err Dr. Beumer unb feine Beifegefährten bie 
für bag Stubium ber englifchen Arbeitcroerhältniffe crforberlichen 
Boraugfeiuingen befähen, ob fie ingbefonbere bie englifdje Sprache 
oottftänbig beherrfchten. Benn £>err Dr. Beumer bag einen „per* 
fönlidjen Angriff" nennt, fo bemeift bag nur, bah er meine Argu* 
mentation gar nicht begriffen hot. Sie ^ßerfoit beg §errn 
Dr. Beumer ift mir oötttg gleichgültig, unb bag gilt auch oon 
feinen Beifegefährten. Aber um oen Berth ber Beobachtungen 
feftguftetten, melche bie Herren in Englanb gemacht hoben, ift eg 
aüerbingg oon Bebeutung gu miffeit, in mie fern fie für ihr 
Stubium oorgebilbet mareit. Eg jjonbelt fich alfo um eine burd)* 
aus fachliche Örage. SDah bie Herren bie englifdje Sprache nicht 
hinrcidjenb beljerrfcht hoben, um bie ihnen oon §errn Batfon er* 
theilte Soformation oottftänbig in fich oufguttehmen, ift jefet burch 
bag 3eugnih beg Unteren erroiefen. Senn für mid) ift bie An* 


nähme oöttig auggefd)loffen, bah bie §erren einen Sheil ber Bat* 
fonfehen Snformation abfichtlid) unterbrüeft hoben füllten, um nachher 
biefem $>errn ben Borrourf ber Einfeitigfeit machen gu fönnen. 

|>err Dr. Beumer erklärt in feiner „Abmehr", ber Sinn feiner 
Bebe im Abgeorbnetenhaufe fei im ftenographifchen Berichte in 
Solge eineg oon ihm überfehenen Snterpunftiongfehlerg entftettt 
morben; er höbe nid)t fagen motten, burch feine im Söhre 1889 
in Englanb gefammclten Erfahrungen betrachte er eg alg feft* 
geftettt, bah bie englifchen Srabe Uniong nur noch banad) ftrebten, 
Herren im |>aufe gu fein, fonbern biefe golgerung höbe er aug 
bem lebten Augftanb ber englifchen Bafchinenbauer gegogen. 3<h 
hätte mir alfo, heihi eg in ber Abmehr meiier, meine Augfübrungen 
fparen fönnen. — Bun fcheint mir gunächft bie Erroägung näher 
gu liegen, bah §err Dr. Beumer fich bag lieberfehen beg 3nter* 
punftiongfehlerg in bem ftenographifchen Berichte hätte fparen 
fönnen. Sobeh — felbftrebeno acceptire ich biefe Aufflärung — 
unb groar um fo lieber, alg fie mein Urtheil über bie Beroeig* 
führung Dr. Beumerg nur beftätigt. Eg fteht banach feft, bah 
§err Dr. Beumer feine Behauptung, bie Zx abe Uniong mottten 
Herren im f>aufe fein, lebiglich auf bie in bem Btafchinenbauer* 
ftreif gemachten Erfahrungen ftüfct. ©efefet nun, bie £rabe Union 
ber Bafchinenbauer hätte rairflich Sorberungen geftettt, melche nach 
ber fraglichen Bietung Ijm fonflubent mären, fo gehört hoch ein 
ftarfer ©rab oon £eidjtfertigfeit bagu, um barauf hm bie gange 
Snftitution beg Xx abe Unionigmug gu oerurtljeilen. Sicherlich ift 
biefe Softitution feine Sßanacee, unb alg eine folche ift pe auch oon 
ihren Bertheibigem niemalg beroerthet morben. Keine men gliche 
Snftitution oermag eine abfolute Sicherheit gegen Srähum unb 
böfen Bitten gu gemähren; aber baraug, bah fie oagu unoermögenb 
ift, bah fie alfo m einem eingelnen Solle auch oerfagen fann, barf 
man hoch nicht folgern, bah Tie unbrauchbar ober gar gefährlich 
fei. Sngbefonbere ift ein folcher Schlufj in bem bi^ in Bebe 
ftehenben Solle unerlaubt. 2)ie Blafchinenbauer befanben fich im 
Krieggguftanbe; ihre fieibenfehaften maren erregt, unb biefer Sh aU 
fache muhte ein jeber billig beufenbe Benfch Bechnuna tragen, 
roenn er bag Bemalten ber Blafchinenbauer beurteilt. S^benfattg 
barf man biefeg Berhalten in einer anormalen 3 e it nicht alg 
©runblage nehmen für bie Beurteilung ber gangen Snftitution 
beg Srabe Unionigmug. Bottte man bie englifchen Arbeitnehmer 
nach ber Biicffichtglofigfeit einfdjäfcen, mit ber fie in bem Blafchinen* 
bauerftreif oorgegangen finb, fo mürbe man gegen fie eine ebenfo 
fernere Auflage fonnuliren müffen, mie ,J>err Dr. Beumer eg gegen* 
über ben Arbeitnehmern thut. Snbeh — biefe Ermägungen eyiftiren 
für $errn Dr. Beumer nid)t. 

Beiter aber — hoben bie SJtafcbinenbauer in ber Shat Sor s 
berungen auf geftettt, melche bafür fonflubent mären, ba§ fie bie 
§erren im §aufe merben mottten? §err Dr. Beumer fchreibt- 
„Eg fteht feft, bah bit Srabe Union ber Blafchinenbauer 

1. bie Unternehmer gmingen mottte, erftflaffige HÄafchinenarbeiter 
an STOafchinen gu befdjäftigen, melche ooit jüngeren Leuten 
ober gemötjnliajen Arbeitern bebient merbert fönnen, 

2. oerlangte, bah i^be berartige 9Kaf<bine oon einem Arbeiter 
bebient merben follte, anftatt bah ein Arbeiter grnei ober brei 
folcher SKafdnnen bebient, 

3. oerlangte, bäh eine gleidjuiähige Soljngahlung für gute, mittel* 
mäßige unb fdjled^te Arbeiter. in lebem eingelnen Snbuftrie* 
gmeige ftattfinbe, 

4. oerlangte, bah bie nidjt gur Jrabe Union gehörigen Arbeiter 
entlaßen mürben, 

5. bie Entlaffung ber SBerfmeifter, melche nicht unter ber Kontrole 
ber $rabe Union fteljen, oerlangte unb 

6. forberte, bah gemiffe Sftafchinen nicht big gur oollen Seiftungg* 
fähigfeit in Anfpruch genommen mürben, bamit bie Sohl ber 
Arbeiter oergröfjert merben fönne." 

Bach biefer Augführung möchte ich faft gmeifeln, ob ich &errn 
Dr. Beumer überhaupt noch ernft nehmen barf. Sag gange Bemeig* 
material, melcheg er für ben entfeheibenben Bunft beibringt, ift in 
ben Borten enthalten: „Eg fteht feft." Unb hoch mühte ber ihm 
obliegeube Beraeig fehr leicht gu erbringen fein; eg bebürfte nur 
einer Biebergabe beg Sßrotofottg über bie Sifcung, in melcher bie 
Arbeitnehmer bie ermähnten Sorberungen ben Arbeitgebern nor* 

ß haben fotten. — Qux Bichtigftettuna beg Shatbeftanbeg er* 
ich mir, aug meinem früheren Artifel Solgenbeg gu repro* 
bugiren: 

Sn Birflichfeit liegt bie Sache fo, mie $err ^rofeffor Brentano 
fie in ber Bummer 11 ber „Sogialen $ra£ig", Sohrg. VII, nont 
16. Segeniber 1897 — alfo mehrere Bonate bcoor §err Dr. Beumer 
feine Bebe im Abgeorbnetenhaufe Ij^lt — bargeftettt hot. Ser 
Sührer- ber Arbeitgeber, 9Br. Sper, |ot atterbingg f. 3- bie Anklage 



498 


Sogtale 9*rct£iS. Eentralblatt für SogialpoBtif. Br. 19. 


494 


erhöhen, bie £rabe Union ber BkifchinenBauer beabfidfjtige, bic 
Sßrobuftion gu befdhränfen. AIS aber bcr ©eneralfefretar ber 
Biafhinenbauer, 9Br. BarneS, bieS Beftritt unb ben Söeroeiö ber 
SSaBrijeit oerlangte, finb bie Arbeitgeber biefen fdfjulbig geblieben. 
Später fteßte ber HanbelSminifter OTitcf)ic ein Programm Behufs 
gütlicher Beilegung beS Streife auf, in bem es u. A. B^ifet: ,,©ie 
©eroerfoeretne tocifen jebroebe Abftcht, fid^ in bie Betriebsleitung 
fcer Arbeitgeber eingumifcBen, guriidf," unb bie Arbeitnehmer er* 
Härten fidj fofort gu Berhaitblungen auf biefer ©rnnblage bereit. 
Qm Booember o. Q. fpradf)en fte ficB in einer Befolutton oon 
feuern nochmals baBin aus, bah fie „jebtoebe Abficht, ftch in bie 
Betriebsleitung ber Arbeitgeber gu mifd)en, beftritten". 

Herr Dr. Beumer ^ält mir bann oor, bie englifcBen Arbeiter 
hätten fcBon früher ihren Arbeitgebern bie Einführung neuer 9Ba* 
feinen unterfagt, unb er beruft ficfj bafür auf einen in ben Ber* 
Ijanblungen beS BereinS für Sogialpolitif ermähnten Sali. 3<h 
will gu ©unften beS §errn Dr. Beumer annehmen, ba| er aus 
bem ©ebächtnifj citirt, unb bah biefeS ihn getäufdjt hat; anberS 
mü|te mein Urtheil über feine BeroeiSfiihrung h^r noch ftrenger 
auSfaHen. 2)enn in ben ermähnten Berhanbiungen fteht nichts, 
abfolut nichts oon einer £rabe Union, fonbern nur, baf$ bie Ar* 
beiter eines Betriebes einer Berbefferung oon BJafdhinen SBiber* 
ftanb geleiftet hätten. 3unächft ift nicht gefagt, mie baS gefächen 
ift, uno bodh ift biefer ißunft fehr entfdjeibeno. 2öenn bie Arbeiter 
ftd) beifpielSmeife barauf befchränft haben, Borfteßungen gu machen, 
fo liegt barin noch fein Unrecht, Sobann aber roiberfpricht es 
hoch aller Billigfeit, roenn man für baS Berhalten ber Arbeiter* 
fcfjaft in einem eingelnen Betriebe ohne SBeitereS bie betreffenbe 
£rabe Union oerantroortlich macht. 

3$ Batte behauptet, baS Bilb, baS §txt Dr. Beumer in feinem 
Berichte oon ben £rabe UnionS entworfen habe, leibe an 28iber» 
fprüchen. Um mich gu miberlegen, citirt Herr Dr. Beumer gmei 
Sähe aus biefem Berichte. 3« bem einen h^ifet eS, bie neuefte 
$Bafe beS £rabe UnioniSmuS in Englanb fei unter ber aus* 
gefprocfjenen Abficf)t, bem fogialbemofratifdhen Bringip gum Siege 
u oerhelfen, ins ßeben getreten S)er groeite Sah fuhrt aus, in 
ent ©aSarbeiterftreif hatten fiel) bie Arbeiteroertreter bageaen ge* 
mehrt, bah bem Arbeiter eine ©eroinnbetheiligung an bem Ertrage 
beS ©aSmerfS guaebifligt merbe. SDarnit ift nun allerbingS bar* 
gethan, bah bn Bericht beS $errn Dr. Beumer gmei Sähe enthält, 
melche fich nicht roiberfprechen; in meinen Artifeln aber habe ich 
nirgenbs etroaS gefagt, morauS man fchliefcen bürfte, bah i<h $errn 
Dr. Beumer biefe Anerfennung oerfagte. £>err Dr. Beumer erflärt 
in feinem Berichte, nach feinen eingehenben BkhrneBmungen fcheine 
eine fogialbemofratifche Stenbeng bei ben £rabe UnionS bis jefct 
nicht oorhanben gu fein; er fpricht baoon, „bah ber englifche Arbeiter* 
ftanb fich fonfequent ben fogialbemofratifchen Aufmiegelungen oer* 
fdfjliehe". $>ie Arbeitgeber unb bie Arbeiterfefretäre finb ber gleidfjen 
Auffaffung. ©ann aber heiht es, §err Bumett befunbete, es gebe 
Sogialbemofraten in allen £rabe UnionS; in lehteren fei fthon jeht 
ein gemiffe f>ineigung gur Sogialbemofratie. 3uXe^t gefleht £>err 
Dr. Beumer gu, mie bie alten £rabe UnionS fich fteuen mürben, 
bleibe abgumarten. daraufhin fdjrieb ich in meinem Arlifel: 
„9Ran erfieht nicht, mo bie SSahrheit liegt. Berfchliehen fich bie 
Arbeiter fonfequent ben fogialbemofratifchen Aufmiegelungen? Dber 
gilt baS nur für bie gelernten Arbeiter? Dber mar fchon 1889 
tn allen £rabe UnionS eine gemiffe Hinneigung giir Sogialbemo* 
fratie oorhanben? Dber mar bie Qrage bamalS nicht fpru^reif? 
BergeBlich fucht man nach einer flaren Antroort." Sch möchte 
glauben, bah biefe meine Sfritif nicht burch bie ^hatfache miber* 
legt mirb, bah ber Beumerfche Beriet gmei Sähe enthält, melche 
— baS geftehe idb gerne gu — fich nicht gegenfeitig aufheben. 

©Barafteriftifch ift auch bie meitere Ausführung: „Es fcheint 
banath," fcheibt Dr. Beumer, „für ben ©enannten" — b. f). für 
mich — „nur bann ein richtiges Bilb oon ben englifchen ©emerf* 
oereinen gegeben gu merben, roenn man biefelben ä la Brentano 
unb Sd)ulge*©aeoerttih als gum fogialen grieben füfjrenbe Sn* 
ftitute fritifloS lobt unb in ben Himmel erhebt." Alfo: Bkil ich 
baS oon Herrn Dr. Beumer entmorfene Bilb beS englifchen £rabe 
UnioniSmuS für miberfpruchSooK erachte, fcheine ich nur ein fritif* 
los entroorfeneS Bilb als richtig angufehen. Auf ber gleichen Höhe 
fteht folgenber SpßogiSmuS: „Qn ^eutfchlanb — fo fcheint es faft 
nach ben Ausführungen beS Herrn Dr. oon Bottenburg — muh 
man ein beutfdjer ^rofeffor ober ©eheimrath fein unb fich lange 
Sahre in Englanb aufhalten, um über englifd)e Arbeiteroerhältniffe 
ein Urtheil gu geminnen." Sn SSahrheit ift aus meinen AuSfül)* 
rungen auch nid)t bie Spur einer Unterlage bafür gu entnehmen, 
bah ich albern genug märe, um nur bie Brofefforen unb ©eheim* 


räthe für fompetente Bieter gu erachten. — Bach biefen Stiftungen 
beS Herrn Dr. Beumer fühle i^ felbftrebenb fein Bebürfnih, mich 
gegen feine Bemängelungen meiner Sogi! gu rechfertigen. 

t err Dr. Beumer erflärt baS Bilb, roeldjeS Herr SSatfon oon 
rabe UnioniSmuS giebt, für roiberfprud)Süo£l; nachbem bie 
Ztabt Union*Äongreffe fogialbemofratifche Befdjlüffe gefaxt hätten, 
bürfte man nicht in Abrebe ftellen, bah fogialbemofratifche £en* 
bengen in ihnen ejiftirten. 3Rr. Allan, ein in ber ©efchichte ber 
^rabe UnionS befannter Btann, hat einmal gefagt, bie fogial* 
bemofratifchen Sbcen feien SomttagS*3been, benen man mie fühen 
träumen an ein beffereS Senfeits ftd) ^ingebe, roährenb man an 
SSerftagen fehr opportuniftifh feine ^olitif ben gegebenen Ber* 
hältniffen anpaffe. S)amit ifi meines Erachtens bie Bebeutung ber 
fraglichen Äongrehbefdjlüffe richtig gefenngeichnet. ®iefe ins 
^ßraftifche gu überfein liegt ben Srabe UnionS fehr fern; roenigftenS 
ift baS bie h^rrfhenbe Anficht in Englanb; nur neroenfchmache 
^Serfonen, mie H°rr SSatfon in feinem früheren Briefe bemerft, 
finb burch bie Äongrehbefchlüffe ängftlidj gemacht morben. Snbeh 
ich muh mir oorbcljalten, biefe meine Auffaffung an einem anberen 
Drte näher gu begrünben. Bei meinem heutigen mie bei meinen 
früheren AuSlaffunaeu oerfolge id^ nur bie Abficht, Har gu ftellen, 
in melier ©eife H cn: Dr. Beumer fogialpolitifdje Probleme be* 
hanbelt. 

Bach bem ©efagten fühle ich berechtigt, baS Urtheil, 
meines id^ in ber Br. 8 ber „Sog. Braj iS" über Herrn Dr. Beumer 
gefällt habe, roefentlich $u oerfchärfen. 3h m fehlen nicht nur 
©rünblidtfeit unb Dbjeftioität, fonbern ihm fehlen auch noch anbere 
BorauSfefcunaen, um an ber fiöfung einer ernften fogialpolitifchen 
Srage mitaroeiten gu hülfen.*) 

Bonn, 24. Sanuar. Dr. oon Bottenburg. 


Bie Cßeiuetbegetidite ab CEinigungsätntet: 
nab bie getnerkfdjaftlidjen Bereinigungen ber 
bentfd)en Arbeiter. 

Paragraph 61 beS ©efefecS über bie ©erocrbegerichte befagt 
befanntlicf), bah bie ©emerbegerichte in Säßen oon Streitigleiten, 
bie groifchen Arbeitgebern unb Arbeitern über bie Bebiugungen ber 
Sortfefcung ober feieberaufnähme beS ArbeitSoerhältniffeS ent* 
ftehen, als Einigung Sa int angerufen merben fönneu. 

Bon biefer Bcftimmung haben bie Arbeiter $)eutfdhlanbs in 
ben erften Sahrcn ihres Beftel;enS fo gut mie gar feinen ©ebrauch 
gemacht. $)iefe Sthatfache finbet ihre Erflärung baburch, bah ein* 
mal in biefer 3 c it nur menige gröbere ©ifferengen gmifdjen Arbeit* 
gebern unb Arbeitnehmern oorfamen unb bah anbererfeits audh 
eine grohe Abneigung in ben Greifen ber gemerffhaftlidi organi* 
firten Arbeiter gegen biefe Einridjtung oorhanben mar. Als Dann 
1895 bie ©efchäftslage in $>eutfchlanb fich erheblich oerbefferte unb 
oiele Streifs auSbrad)en, ba riefen bie Arbeiter roieberholt, mehr 
ber Both als bem eigenen Triebe gehorchenb, bie ©emerbegerichte 
in ihrer Eigenfchaft als Einigungsämter an. 

£rofcbem mirb biefe Snftitution auch h c a^ nicht oon 
Seiten ber Arbeiter genügenb geroürbigt unb groar gu ihrem 
eigenen Schaben. 2>urchblättert man g. B. bie Iehhährigen Berichte 
ber Berliner ©eroerffchaftS*5fommiffion, fo finbet man, bah nur in 
einer gang oerfchroinbenb fleinen Angahl oon gäßen baS EinigungS* 
amt angerufen mürbe. SDa nun aber oiele Streifs gu Unaunften 
ber Arbeiter oerliefen, fo liegt roohl bie Srage nahe, ob nicht 

*) Soeben gehen mir gmei SRittheilungen aus Englanb gu. Aus 
ber einen, betreffenb ben lebten Bericht beS Henrn Bumett, Chief 
Laboor Correspondent on the Board of Trade, gebt beroor, bah oon ben 
9V* BZinionen M, roeldje bie huubert bebeutenbften engliidicu Irabe 
llntons fett 1892 oerauSgabt haben, im ©angeit nur 23 % für bie 
Xurdjführuug gemerblidjer Streitigfeiten oertoenbet morben finb, bagegen 
60 % für lluterftü^ungen befdiäftigitugslofer, franfer, inualiber unb 
alterSfdimacher Arbeiter unb bereu Angehörigen. £ic gmeite Biittljeilung 
ift ein Bericht über baS Ausfdiciben bcs ^erru Aobert Muight, be# bc* 
fannten ©eneralfefretärS ber Boilermakers’ Society. Aus betufelbeu er* 
giebt fidj, bah Arbeitnehmer unb Arbeitgeber fterrn Wuight ein 
Banfett gegeben unb ihn mit einem filberueu ^räfentirteller fomic mit 
einem Etjed über lOOOO^f. befcXjenft haben, um ihm „einen Bcmcis gu 
geben oon ihrer Ad)tuug für feine eblen uitb probehaltigcu Eigen- 
fhafteit als Crganifator, AÜhrer oon 5rabe Unions unb Diplomaten 
in ber Berhiuberuug unb Beilegung oon gcmcrblidjen 3trcitigleiten". 
Eine Unge Dhatfadjcn, fagt ein altes cuglifdu'S 3prüd)mort, miegt mehr 
als eine Donnc Theorien. o. 



495 


Sogiale $raji8. Eentralblatt für Sogialpoltttf. Sir. 19. 


496 


bureß bie Anrufung beg Einigunggamteg anbere Slefultate für bie 
Augftänbigen in oielen gäEen ergielt worben wären. 3<ß glaube 
biefe graae bejahen gu miiffen. — Verloren gegangene Streite 
bebeuten für bie unterlegenen Arbeiter nießt nur Scotß unb Elenb, 
fonbern bei ben heutigen Berßältniffen aueß in feßr oielen gälten 
bie 23ernicßtung ißrer Berufgoereinigung unb ein feßroffereg, 
ftrengereg Stegiment feiteng beg Unterneßmertßumg. 2)aßcr fall 
man, eße gum Streif gegriffen wirb, fein SJlittel unoerfucht laffen, 
bag eoentueE eine friebfid^e Beilegung ber 2)ifferengen ^erbeifüfiren 
fönnte. 

Seiber werben in biefer Begießung non Seiten ber Arbeiter 
oft gebier gemacht; eg toirb ber Streif proflamirt, obne baß man 
bie Mittel erfdßöpft ßot, bie gur Beilegung ber Streitpunfte fuhren 
fönnten. Xroßbem ift eg unrichtig, wenn man in folcßen gäEen 
oon frioolen Streite fpricht. 2>ag übereilte £>anbeln fmbet feine 
Erflärung febr oft in bem fchroffen Verhalten ber in grage 
fommenben Unternehmer. ®aburcß, baß fie ben Arbeitern auf 
ihre geäußerten Wünfcße gar feine Antwort gufommen laffen, ober 
bie gewählten Arbeiteroertreter nießt anerfennen wollen, beleibigen 
Tie nicht nur bie Arbeiter aufg Sieffte, fonbern ergeugen auch eine 
Erbitterung, bie gu unüberlegten $anblungen führen muß. 

$>ann fpielen aueß oft nodß anbere 2)inge bei übereilten 
Streite eine SloEe mit. Sie SteEung, welche bie Unternehmer 
unb bie ßcrrfdßenben (Gewalten gegenüber ben ArbeiterJoalitionen 
leiber einneßmen, legt einer gewerffcßaftlicßen Bewegung, bie ruhig, 
feßrittweife oorgeßt, gang bebeutenbe ^inberniffe in ben 2Beg, 
ja macht fte oft gur Unmöglichfeit. |>aß unb finfterer ©roE 
gegen bag Untemebmertbum fammelt fieß baßer in ben Greifen 
ber Arbeiter unbewußt an unb bei einer oielleicßt gang unter* 
aeorbneten Sadhe fommt er gum AugBrucß. SDie Arbeiter werben 
ficb plößließ ißreg jahrelang erlittenen ttnreeßteg bewußt unb oer* 
fallen fcßließlicß in bie geßler ißrer ©eaner. ERit ©ewalt foE 
nun mit einem Schlage AEeg anberg werben, unb ba fte glauben, 
bureß einen Streif bieg erreichen gu fönnen, fo wirb ber Augftanb 
oßne lange Ueberlegung proflamirt. 

3ft alfo in leßter Snftang oielfacß bie eigentliche Scßulb nießt 
auf bie Arbeiter gurüefgufüßren, fo ftnb boeß anbererfeitg bie ©e* 
werffcßaftgleiter, aug reinem gntereffe für ißre Berufgoereinigungen, 
oerpflicßtet, möglicßjt berartige übereilte §anblmtgen unmöglich gu 
maeßen. $>iefeg fann babureß gefeßebett, baß jeßon in griebeng* 
geiten auf bie ©ewerbegerießte alg Einigunggämter ßingewiefen 
wirb, bie unbebingt eineg ber beften Mittel ftnb, bie gur frieb* 
ließen ßöfung ber Streitpunfte füßren fönnen. 

SRun wirb man erwibern, baß bie Unternehmer ber Anrufung 
biefer gnfiihition nur feiten golge Ieiften unb fuß nießt auf Ber* 
ßanblungen einlaffen werben. 2)ag mag in einer gangen Steiße oon 
gäEen xutreffen, ficßerlicß nießt aber in auen. Unb bann: Würben nießt 
bie Aroeiter ein oorgüglicßeg ERaterial in bie §änbe befommen, 
wenn bie Unternehmer bag Einigunggamt wieberßolt ablehnten?! 
$)ann würben fte fcßlagenb naeßweifen fönnen, baß bie Unternehmer 
eg finb, welcße oft ben grieben nießt woEen. 

ERan begweifelt ferner bie Unparteilichfeit ber Einigungämter 
unb glaubt, baß bie Borfißenben, bie anberen ©efefifcßaftgflaffen 
angeßören, fteß ftetg auf bie Seite ber Unternehmer ftellen werben. 
®iefe Annahme ift ungerechtfertigt. $)ie ©ewerbegerießte haben 
fieß betreffs ißrer fonftigen Xßätigfeit eine giemlicß große Sympatßie 
in Arbciterfreifen erworben. Sott Seiten ber Unternehmer ßat man 
wieberßolt behauptet, baß fie für bie Arbeiter Bartei ergreifen. 
Wenn biefeg aueß nießt gutrifft, fo fatttt boeß amß feinegwegg bag 
©ecjentßeil gefagt werben. 253arum foEen ttutt biefe fclbett ©eroerbe* 
gerußte in ißrer Eigenfcßaft alg Einigunggämter anberg oerfaßren? 
Wenn aEerbingg Arbeiter auf bem Einigunggamt erfeßeinen, wie 
eg üorgefontmeit ift, g. 3?. einen Stunbenloßn oon 50 4 forbern 
unb bei beit Berßanbhntgen aueß nießt um V 2 4 ßerabgeßen unb 
abfolut nidht ttaeßgeben, bann ift eg aEerbingg fein Wunoer, wenn 
fcßließlicß ber Borfißenbe fieß tnißbiEigettb über ein berartigeg 23er* 
halten augfprießt. $>ie betreffenben Arbeiter oerfennen einmal 00 E* 
ftänbig bag Wefen beg Einigunggamteg, unb anbererfeitg fragt eg 
fieß, ob eine folcßc ©algftarrigfeit überhaupt in ihrem gntereffe liegt. 
3<ß bezweifle bag Scßtcre febr ftarf. ©elingt cg ißnen felbft bureß 
einen Streif, ißre gorberungeu ben Unternehmern aufgugmingen, 
fo werben biefe bei ber erfieit giinftigen ©elegenßeit bie 3ngeftanb* 
niffe wieber rücfgängig maeßen. Eine Bereinbarung bagegen, bie 
auf ©runb gegen feitiger 3 ll 9 e ftänbniffe gu Stanbe fam, berußt auf 
einer gang anberen Bafig unb wirb aueß oiel eßer inncgeßalten 
werben alg eine gewaltfam aufgegwungene. 


Wenn oielleitßt Bei Einigpnggoerbanblungen bie SCrbeiter nidßt 
foteße Erfolge ergielten wie gehofft würbe, fo liegt, bag oielfadß an 
gang anberen Gingen alg man annimmt. 2)er §. 62 beg ©ewerbe* 
gericßtg*©efeßeg Befagt, baß alg Vertreter ber Arbeiter oor bem 
Einigunggamt nur Beteiligte BefteEt werben bürfen. Unter ben 
Beteiligten gieBt eg nun in ber Siegel wenig ober gar feine $er* 
fonenen, bie ißre Sacße rießtig gu oerfeeßten oerfteßen. ®er Unter* 
neßmer, bem nießt nur eine Beffere Scßulbilbung gur Seite fteßt, 
fonbern ber aueß im täglicßen SeBen mit SSerbanblungen oertraut 
ift, operirt baßer oor bem Einigunggamt meift oiel cjefcßidfter unb 
biplomatifdßer alg ber Arbeiter, tiefer fteßt folcßen gingen gänglicß 
fremb gegenüber, wobureß fieß feine $ofition wefentließ oerfcßlecßtert. 
®aßer wirb eg ftetg gut fein, wenn bie Slrbeiter oon bem 2. Slbfaß 
beg §. 63 ©ebraueß maeßen, ber Befagt, baß bag Einigunggamt 
fuß bureß 3ugießung oon 23ertrauengmännern ber Arbeitgeber 
unb Arbeiter ergangen fann unb baßer hierauf Begüglicße Anträge 
fteEen. Eine tücßtige 23ertrauengperfon wirb bureß gefcßidfte $$rage« 
ftellung gang erßeolicß bie Eßancen ber Arbeiter oerbeffern. Aueß 
fönnen naeß §.64 Augfunftgperfonen gur Aufflärung oer- 
nommen werben. 5)er ©ewerffcßaftglciter, ber auf Antrag ber Ar* 
beiter alg Augfunftgperfon oorgelaben, wirb feßr oft oiel gefeßiefter 
bie Streitpunfte barfteEen alg bie Setßeiligten. S3on biefen ©e* 
ftimmungen ift feiteng ber Arbeiter gu ißrem eigenen Scßaben öfterg 
fein ©ebraueß gemaeßt worben, unb bie ©ewerffcßaftgleiter werben 
gut tßun, wenn fie für bie nötßige begüglicße Sefeßrung Sorge 
tragen. 

3£un wiE icß feinegwegg mit meinen Augfüßrungen fagen, baß 
unbebingt bei jeber ©iffereng bie Einigunggämter angerufen werben 
müffen unb bureß fie aEe Streitigfeiten gwifeßen Arbeitern unb 
Unternehmern aug ber SBelt gu feßaffen wären. §errfcßt g. 23. bei 
oorbanbenen $)ifferengen auf beiben Seiten genügenbe Einficßt, fo 
werben fieß biefe bureß gegenfeitigeg SSerßanbeln oft beffer befeitiaen 
laffen, alg bureß bie Einigunggämter ber ©ewerbegerießte, ba ben 
leßteren bie beruflicß*tecßnifeßen ^enntniffe abgeßen. Aueß werben 
anberfeitg beim beften Söiflen oiele Streite fieß unter ben heutigen 
SBerßältniffen nießt oermeiben laffen. Unbebingt fteßt cg aber aueß 
feft, baß eine gange Steiße Augftänbe in ben lefcten Saßten nießt 
gu Ungunften ber Arbeiter unb gum Scßaben beiber Parteien oer* 
laufen wären, wenn man tneßr oon ben Einiganggämtern ber ©e* 
werbegerießte, möglicßft feßon oor Augbrucß ber Streite, ©ebraueß 
gemaeßt hätte. 

SBcrlin. 23r. Sßoerfcß. 


Äügemetne Sojlal- nnb Iftrtljltljoflsipolitik. 

Billigte Beguabigung ist ^etttfcßlanb. Um gu oerßüten, baß 
©elegenßeitgoerbrecßer ©ewoßnßeitgoerbrecßer werben, finb in oer* 
fcßiebeiien £ulturftaaten bie bebinate 23erurtßeilung, bie Augfeßung 
ober Unterbrechung ber StrafooEftrecfung mit Augficßt auf fpätere 
23egnabigutig unb äßnlicße Verfahren eingefüßrt. Stacß ber bem 
$)eutfcßen Sleicßgtag 00 m Staatgfefretär im Sleicßgjuftigamt über* 
reichten ,,3ufammenfteflung, betreffenb bie in ben größeren 23unbeg* 
floaten für bie bebingte 23egnabiguna geltenben 23orfcßriften unb 
bie Ergebniffe ber bisherigen Anwenoung biefer 23orf<ßriften, // ift 
big gum 1. $egcmber 1898 in Preußen, Bayern, Sacßfen, 
253ürttemberg, Baben, ©effen, SRecflenburq, Clbenburg unb Elfaß* 
Sotßrinaen eine Augfeßung ber Strafooflftrecfung mit Augficßt auf 
fpätere Begnabigung gufammen in 15 063 gäEen bewiEigt worben. 
2)ie 23ergünftigung ift in Baben augfeßließließ, in ben übriaen 
Bunbegftaaten regelmäßig auf 3ugenbließe befeßränft. 3n Baoen 
foEen nur erftmalig 23erurtßeilte berüeffießtiat werben, in Bayern 
unb SBiirttemberg ift eg bie Siegel, in Preußen foE eg oorneßmlicß 
gefeßeßen. 2Bäßrenb in Bayern unb Elfaß*ßotßringen bie ftraf* 
bare ,f)anblung oorwiegenb ein gorftfreoel ober eine Uebertretung 
war, überwogen fonft bie Bergeßen ($)iebftaßl, Unterfcßlagung, 
^örperoerleßung). &ie ^)auer ber Bewäßrunggfrift ßat in Bauern 
in ber Siegel nießt weniger alg ein Saßr unb nießt über fünf 
Saßrc betragen, in Sftecflenburg brei begm. eineinhalb 3«ßre, in 
Reffen fünf §aßre, in Sacßfen meifteng brei 3oßte, in Preußen 
in ber £)älfte ber gäEe meßr alg gwei 3oßre, fonft gwei Qdbxt 
unb barunter. Bei ber Sugenb ber Einrichtung läßt fieß leiber 
noeß nießt fießer erfennen, in wie weit fie fieß bewährt, ©enauere 
Stacßricßten liegen nur aug Bayern, Württemberg, DIbenburg unb 
Elfaß*Sotßringen oor. Eg betrug bie 3 a ßl SöEe ber be* 
bingten Augfeßung beg StrafooEgugeg, welcße enbgültig erlebigt 
würben: 



497 


oginlc $ra£is. Centralblcitt für ©ogialpoliitf. Br. 19. 


498 


in 

überhaupt 

Bcgimbi* 

gnng 

Itltb gw 

% 

ar burd) 

9£ibcrruf 

ober 

(iiulcitiuig 

ber 

©trnfuoll* 

ftrccfmig 

% 

Batjern. 

1006 

785 

78 

221 

22 

SBürttcmberg . . . 

245 

154 

66 

91 

87 

Clbenbürg .... 

20 

15 

75 ! 

• r) 

25 

(Slfaß-^othringcn . . 

286 

198 

69 

SS 

81 

3ufnntmcn . . . 

1557 

1152 

74 

405 

26 


§iernacß ßat fuß alfo bie Biaßregel in etwa % ber Sälle be¬ 
währt. 3« ^ßrcii^cn finb bei 1421 Begnabiaungen innerhalb ber Be- 
wäßrungSfrift 607 BSiberrufe erfolgt; es fehlen aber bie Bad) weifungen 
barüber, in wie oielen oon ben 10 075 Sällen bes bewilligten be* 
bingten ©trafauffdjubeS bie BewäßrungSfrift ttocß nidjt abgelaufen 
begw. bie Begnadigung nießt befürwortet, oielmeßr zur ©trafooH* 
ftrecfung gefcßritten ift. Aud) bie 3ußlen öuS ben anderen BunbeS* 
ftaaten geftatten feine fixeren ©cßliiffe. 

Der ^oftetat im 9iei^tag giebt feit Saß^n Beranlaffung gu 
lebhaften unb auSgebeßnten ©ogtaliftenbebatten. Diesmal ging eS 
befonbers ßeiß h e r. Eröffnet würbe baS Seuer ootn Abgeorbneten 
©inger, ber mit einer giutß oon Borwürfen wegen Bebrürfuttg unb 
Blaßregelung oon Unterbeamten ben ©taatsfefretär beS SHeicfj^poft** 
amts überfcßüttete. tiefer antwortete nid)t minber fcßarf, baß er 
DiSgiptin mit eiferner §anb aufrecht holten unb feinen ©ogialbemo- 
fraten in feinem Beffort bulben werbe. Dem Abgeorbneten o. Kar* 
borff war baS noch nicht genug; er gab bem Söunfcße ber Rechten 
nach BöieberßerfteHnng beS „burcß einen 3ufall" abgelehnten ©o- 
gialiftengefeßeS AuSbrucf, baS wieberfontmen werbe, barauf fönne 
man fid) oerlaffen. ©raf Klincfowftroem unterftüfete feinen Kollegen 
oon ber BeicßSpartei. 3hnen erwibertc Abgeorbncter Bebel mit 
einer feiner befannten Sieben, in benen er ben balbigen ©ieg ber 
©ogialbemofratie gu feiern pflegt. Born (Zentrum erflärte fich 
Dr. Sieber gegen bie „©efinnungSriecßeret" in ber BeicßSoerwal- 
tung; es genügt, wenn bie Beamten fich jeher politifchcn Agitation 
enthielten. Ungefähr auf benfelben Boben ftellte fid) Abaeorbneter 
Baffermann oon ben Bationalliberalen, während bie freifinnige 
BoifSpartei eine Sange für bie Freiheit ber 3citung$agitation bracß. 
©o nothwenbig felbftoerftänblid) eine ftraffe DiSgiplitt in ber $oft* 
oerwaltung ift, fo wenig politifdje Agitationen ber Beamten ge* 
bulbet werben fönnen, fo gewinnt man hoch aus ben Berßanbluttgen 
ben ©inbrucf, als ob die Borgefeßten ßie unb ba nur gu leid)t geneigt 
finb, jebe Aeußeruttg ber Ungufriebenheit, auch ber berechtigten Kritif, 
unb jcben Dadel für „fogialbetnofratifd)" gu erflären unb nid)t nur 
baS Dßutt, fonbern aud) bie ©efiitnnng argwößnifcß gu betrachten. 
Mißgriffe in biefer .£>infi<ßt lönnen mehr ©chaben anridßten, als alles 
BJaßlwollen und alle Siirforge für bie Beamten auf anderen ©e* 
bieten gu nüßen oermögen. 

©egen bie AnSbeßnnng bc£ ArbciierfrffußeS proteftirt ber 
(Sentraloerbanb beutfcßer Snbuftrieller. Der Bericht über bie leßte 
©ißung beS DireftoriumS melbet: 

Auf Antrag bes BcretitS beutfcßer gabrtfen feuerfefter ^robuftc 
habe ber (Sentralocrbanb in einer Eingabe an ben 9t ei cßsf angier bie 
Bitte gerid)tet, bie (in ber leßtcn ^tegelcioerorbnung enthaltene) Be* 
ftinunung aufgußeben, bie ben (Sßamottefabrifeu unterlagt, Arbeiterinnen 
unb jugenblidje Arbeiter gum ©treicßeit uon Gßamottcgiegcln gu oer* 
wenben. Diefe Angelegenheit hotte bas Direftoriitm bereits in feiner 
leßten ©ißung befdjäftigt, wobei ber Bcfdjluß gefaxt worben war, aDe 
Bcfdjwerben ber Btitglicbcr über Beftimmungen bcgüglicß bes ©cßußeS 
ber Arbeiter, bie natf; (irfahrung unb prafti|cßem Grincffcn, wie in bent 
oorliegeubent rvalle, über baS tßatfäd)Iid)e Bcbitrfniß ßinaitsgcßcn, bei 
ben maßgebenden ©teilen energifcß git luitcrftüßeu. Das Direttorium 
war babei oon ber Anficht geleitet worben, baß ber bereits in oer* 
fchiebenen fällen über bas Bcbiirfuiß auSgebehnte ©cßitß 
ber Arbeiter biefe felbft in oielen Begießungen fcßäbige unb beren 
i*age ocrfd)led)tere, gang abgefeßen oon den bein (bewerbe baburdi be* 
reiteten Aadjlljeileu. deswegen eradjtet fieß baS £ireftoriuni für oer* 
pflidjtct, berartige gatte immer wicbcr ben maßgebcubeu ©teilen gu 
unterbreiten, um baburd) bod) oielfcidjt allmälig einer nicßr oon 
praftifeßen (^efidjSpuuften ausgeßenbeu Bcurtbeiluug ber 
ßier in 9tebc fteßenben Berßältuiffe Eingang git uerfdjaffen. 

SDer ©taatsfefretär bes 3nnerit ßat für beit Onfer bes „neroöfen 
Dilettantismus" in ber ©ogialrefornt im SfteicßStag jiingft fefjarfe 
BSorte gehabt. Söirb er jefet gegen bie „^raftifer", bie bie Ber* 
minberuitg beS Arbeiterfd)upeS erftreben, ebenfalls feine warnenbe 


unb mahuenbe ©timtne erheben? Unb werben jene bienfteifrigen 
offigiöfen Sebent, bie fid) nießt ßaftia unb fpiß genug gegen bie 
©ogiaireformer wenben fönnen, nun eoenfo befliffen fteß gegen bie 
©ogialrcaftionäre feßren? 

©ogial^olittfche Befcßlüffe ber ftattonattiberaleit in ©aefifen. 

3n ©heutnth ßut am 29. 3anuar eine Berfammlung ber Ber- 
trauenSmänncr ber nationalliberalen Bartei im Königreiche ©aeßfen 
ftattgefunben. 9fad) bem Berichte beS w ©h c mnißer DageblatteS" 
waren gegen 400 BertrauenSmänner aus 45 fäd)ftfd)en ©täbten 
anwefenb, barunter befonberS oiele Bertreter ber Snbuftrie. lieber 
bie görberung ber Arbeiterfürforge ßat ftdß bie Berfammlung nach 
einer Bebe beS Abgeorbneten Baffermann in einem Befcßlußantrage 
u. A. wie folgt auSgefprocßen: 

3m feßarfen Wegcnfaß gu ber fogiatreoolutionäreu Bewegung, wie 
gu ber Irreleitung ber SKaffen burdß bemagogifcßeS B ar tntreiben, be* 
tonen wir aufs 9teue baS ftarfe Bebiirfuiß beS inneren griebenS. 3 U 
beffen ©egnungett muß cs aueß gehören, baß 3?ber bie ihm gebotene 
ArDcitSgciegenßeit nach freier eigener (£ntfd)ließung waßrneßmen ober 
ausfeßlagen fanit. Die naeß ber erhabenen Botfdjait unfercS unoergeß- 
lidjcn MaifcrS S^ilßclnt I. getroß’cne Arbeiterfürforge ift oorbilblicß für 
alle SBclt geworben. . . . 2Kit ber 9teicßstagSfraftion oertreten wir bie 
llcbergeuguug, baß bie SBoßlfaßrtSpoliti! bes 9teidjeS in biefer $inftcßt 
auf forgfam oorbereiteten SBegett fortfdireiten füll. 3nSbefoitbere wäre 
es wüufdjcuSwertß, organifatorifeße (5inricßtungen auf lofaler ©ruttb* 
läge entfteßen gu feßen, bie beit Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gur 
Bflegc gemcinfanter berufUtßer gntereffen in georbneter Berbhtbung 
halten, unb der ©eßßaftigfeit der Arbeiterbeoölferung, wie ißrem 
.^eimathSgefüßl neuen Antrieb oerleißen fönnten. 

3»nt gewerblichen griebett in ©nglanb» Am Borabenb beS 
KongreffeS tn Biandjefter, wo bie Delegirten ber Drabe-UnionS 
ben neuen ©ewerfoereinSbunb ßefcßloffen ßaben, bringt ber ,,Drabe* 
Unionift" einen Artifel gum gewerblichen grteben. dr beginnt mit 
ben Porten: „(Sinficßtiae ©ewerfoereiuSleute ftnb feit langer 3 c ü 
ber Uebergeugung, daß ©treifs unb AuSfperrungen barbarifeße 
Bietßoben gur Austragung eines ©treites find." Btcßt im ©efüßle 
ber eigenen ©dßwäcßc wurgle biefe Uebergeugung, für fte feien bie* 
felbett ©rüube maßgebenb, bie in ber ©pßäre der internationalen 
Bolitif für bie (5rßaltung beS griebenS fpräcßeit: „©ewerblicße 
Kriege finb jeßt ein folcßeS ilnglücf, baß inftinftio gerabe ißr Um¬ 
fang unb ißre ©cßredlicßfeit baßin brängten, fte gu oerßüten." 
Au<ß bie waeßfenbe Konfurreng ßeifeße gebieterifiß ben Stieben in 
ben B$erfftätten QsnglanbS. Dies aßnten unb fSüßlten Alle, aber 
biefe Anftdjt muffe eine beftimmte ©eftalt gewinnen unb gur Dßat 
werben — auf beiben ©eiten, bei ben Arbettern wie bei ben Unter* 
neßmern. AllerbingS würbe es immer Differengen gwifeßen Beiben 
eben, aber es fei nießt notßwenbig, baß bis gu ißrem AuStrag 
ie Arbeit ruße — wenigftenS nießt bis jebeS oerfügbare Blittel 
bes Ausgleichs erfeßöpft fei. ©cßiebSgericßte unb (SintgungSämter 
mit 3mangSgewalt feien freilich ein Unbing. Aber freubtge 3“* 
ftimmintg oerbiene bie Anregung beS £>anbelSminifterS, Konferengett 
gwifeßen Arbeitgebern unb Arbeitern abgußalten, in benen bei 
©treitigfeiten ein allgemeines B.riiWP für bie Berftänbigung er* 
mittelt werben fönnte, unb fo itt jeder großen Snduftrie ober in 
jeher ©ruppe fleinerer ©ewerbe bafür geeignete Aemter gu er* 
rießten. Der Barlantentarifcße AuSfcßuß beS ©ewerffcßaftSfongreffeS 
ßabe biefeu ©ebanfen fofort unterftüßt. ,,0rganifirte Arbeiter 
hätten Alles gu gewinnen unb BicßtS gu oerlieren oon allgemeinen 
BerfößnuttgSämtem in allen 3nduftrien ober Diftriften." Das 
Becßt ber Koalition ntüffe babei auf beiben ©eiten anerfannt unb 
gemaßrt bleiben, inbeß mit bem £>inbüc! auf Kolleftio-Bcrtretung. 
Kapital unb Arbeit hätten gewiß jebeS für fteß ©onberintereffeit, 
aber fte hätten aueß mamßeS gemeittfam: Beibe brauchten ©elegen* 
ßeiten, ißr ©ewerbe oorwärts gu bringen, unb ©efeße, um ihnen 
den ©dßuß beS SriebenS gu fießern. Das eine ßänge oom anberett 
ab unb baS ©etneinmoßi beruße auf beiben. „Aue Bemühungen, 
baS Kapital gum Diener anftatt gum Bleifter aller Arbeiter mit 
§anb unb £>irn gu maeßen, oerbienen Unterftüßung, aber fte werben 
meßr burd) aegeitfeitige Berftänbigung geförbert, als wenn man 
fieß an bie ©urgel fäßrt." — Der „Drabe-Uniottift" ift ein Organ 
ber alten Bidjtung in ben ©emerfoereitten; ob biefe in ben neuen 
göberatiousbeftrebungen bie Dberßanb beßalten, muß matt ab* 
warten. Die Berßanblungen in Blancßefter wiberfpreeßen folcßen 
SriebettSplänen, wie bie eben ffiggirten, au fieß nießt. Anbererfeits 
ßat oon bem in ©p. 415 ber ,,©og. Brayis" geriießtweife er¬ 
wähnten, aber fofort angegweifeiten ^ßrojeft eines gewaltigen Arbeü- 
geberoerbanbeS, ber ben 3^ecf ßaben füllte, bie ©ewerfoereitte gu 
gertrüntmern, nießts weiter oerlautet, als baß ber ünterneßmer- 
oerein im Biafcßinenbaugewerbe berartige Abficßten, Buitbfcßreibcn 
unb ©tatuten energifcß bementirt ßat. 







499 


(Soziale $raji§. Ecutralblatt für ©ogial politif. Nr. 19. 


2>ie Vewegung in grnöfreidj. Aus $aris 

wirb uns getrieben: 2)ie Eiicyclica rerum novarum oom 3ah re 
1891 hat in ber fatholifcheit 2Belt granfreidjS lebhaften VMeberhatl 
gefunben. ©ie traf in biefen Greifen aüerbingS fdjon giemlid) ftar! 
entwicfelte fokale Neformbeftrebungen an. 3« einem Lanbe, in bem 
bie Armenpflege unb 2ßohlthätigfeit fo fehr unter religiöfem Einfluffe 
fteht, ergab fich oon felbft, bie gürforge auch auf bie nid)t unmittel* 
bar |)iilfsbebürftigen auSgnbehnen, namentlich bie Bemühungen gur 
fittlidjeit §ebnng ber Aroeiterflaffen in fircpdje Bahnen gu lenfen. 
2)aS bemerfenSwerthefte Sßrobuft biefer auSgefprodjen fatholifchen 
fogialen VeftreBungen finb bie ©efeHenoereine unb bie Arbeiter* 
girfel. Mit bem Erfcheinen ber Enctjclka erhielt bie gange Ve* 
wegung einen neuen Anftofj. 2>ie allgemeinen Katholifentage 
fingen an, fid) näher mit ben fogialen Aufgaben gu befdpäftigen 
unb erhoben bamit bie fatholifdje ©ogialpolitif granfreidjs gu 
einem meiteren ©efichtsfreis. 3n golge ber nod) immer tief tour* 
gelnben Hnterfd^iebe großen ben fonferoatioen unb ben bemofrati* 
fd)en ©(bitten !am es bis jefct noch nicht gu einer einheitlichen 
3ufammenfaffung aller Kräfte. AIS einen erften ©chritt nad) biefem 
yiele mag oielleicht bie Slonfereng ber Leiter fogialpolitifker 3eit* 
ichriften betrautet werben, bie fürglich gum gmeiten Male ftattfanb. 
25er 3roecf biefer Konfereng ift, ficb über ein gemeinfameS $ro* 
gramm praftifeber ©ogialpolitif gu oerftänbigen. 2)ie Äonfereng, 
bie übrigens beim lebten 3ufammentritt fchon eine ftänbige Korn* 
miffton mit bem ©ifce in $aris ernannt hat, fod ficb alljährlich 
oereinigen unb baS Programm für bas fotnmenbe 3ahr feftfefeen, 
bas fo ftets nur fünfte oon aftueüftem Sntcreffe enthalten unb 
im ©angen bem ©ange ber allgemeinen ©ogialpolitif bes Laubes 
folgen wirb. 2>aS Programm für 1899 befebränft fid) auf brei 
fünfte: 

1. ArbettSbcbtngungcu bei öffentltdjen Arbeiten. Nadj 
ber Anficht ber Kortfereng ftnb bie Vorfdjlägc bes oberften ArbeitSratbS 
gnr Regelung biefer (frage bahin gu ergangen, bafg ber oorgefebriebene 
wöchentlidje Aubctag anf einen ©onntag feftgefe^t, bah bie gijirung 
ber ortsüblichen 2agelöf)ne, fotoie bie Angafjl ber gugelaffenen fremben 
Arbeiter in bie $änbe ber VerufSforporatioucu unb nicht bie ber 23er* 
lualtungsbebörben gelegt wirb. 

2. Abänberung bes KoalitionSgcfejjcS oon 1884. Aus* 
behnung ber Vergiinftigungcn biefeS ©cfcpcS auf alte Korporationen 
unb Erweiterung ber Eioilrecbte ber ©ewerffdjaften, namentlich gur 
Erwerbung oon gmmobtlien unb gur gerichtlichen Verfolgung oon 
fontraftbrüchigen Unternehmern ober Uuternel)nicrforporationeu, mit 
benen fie ein KoHeftioabfommen getroffen I)aben. Auch foll ben Vcrufs* 
oereinigungen eine obligatorifche Mitarbeit an ber ©cfefcgebung auf-- 
erlegt werben. 

3. Vefämpfung ber Ausbeutung im ©elfte ber fdholafrifcfjcn 
^htlafophie. ES werben hierfür gmei $ringipien aufgefteHt: Man |oll 
aus feinem ©ute Nupcn jiel^en fönnen, wenn mau bariiber nicht ein 
dominium mit ben (Gefahren unb Pflichten bewahrt, weldje ber djrift* 
liehe Eigentpumsbegriff mit fidj bringt. 2>3citcr foll bie Verkeilung beS 
NupenS fiep nad) ber Kaufalität ber ^robuftion ridjtcn, alfo bem 
Arbeiter bas Nedjt auf ben oollen Arbeitsertrag gefidjert werben. 

©ie Seitfchriften. welche ftch an ^ cr erwähnten ^onfereng be* 
theiligen, ftnb folgenoe: Association catholique; Sociologie catho- 
lique; XX 6 siede; Revue de la jennesse catholique; Le Sillon; 
La Quinzaine; La Democratie chretienne; La Corporation; La 
Justice sociale; La chronique du Sud-Est; A la Voile; Bulletin 
de la ligue du coio de terre et du foyer; Echo des Oeuvres de 
Sl. Antoine de Padoue. 


fiommmtole Sozialpolitik. 


©täbtifdje EleffrigttfttStoerfe. 2aS Wiener ©tabtbauamt ift mit 
ber Ausarbeitung einer Vorlage für bie Errichtung ftäbtifcher eleftrifdjer 
Kraftwerfe beauftragt worben, bereit balötge lleberrcidjuug angefünbigt 
wirb. 2aS geplante ftäbtifdje Elcftrigitätswerf foll auf eine ^ciftung 
oon 12 000 ^ferbefräften ocranlagt werben. 2er ©trom, wafjrfdjeinlidj 
©leid)* tttib 2i?ed)jclftrom, foll niefjt blofe für VcrfehrSgwccfe, fouberu 
aud) an inbuftrielle Uutcruehmnugcn abgegeben werben. '2ie Kabel, bie 
eine ©efammtlänge oon 100 Kilometer haben werben, füllen gur Ver* 
mexbung einer neucrlidjeit ©trafieiiumwälguiig in ©infdjnitte längs ber 
£>äufcrfiud)t gelegt werben. 2ie Koftcu werben mit runb 10 Millionen 
(Bulben ocranfd/lagt, bie burd) eine Anleihe beftritteu werben müfgten. 
2ic (S*rage, ob bie Oienteinbe ben Veirieb fclbft übernehmen ober für 
eine Steifte non 3aljren uerpadjtcn foll, ift bisher uodj nidjt cntfd)icben. 
Aad) bem neuen 2ramwai)überetnfommeu ift im Salle ber ©rridjtung 
ftäbtifd)er Kraftwerfe bie Vau* unb VetricbsgcfcHfdjaft für bie elcftnfdjen 
©tvafjcubahneu ocrpflidjtet, if)ren eleftrifdieu ©trom gum Valjubetriebe 


oon ber ©emeinbe gu begiehen. — 3» Vcrlin hat ber UntcrauSfdjuf? 
ber Verfchrsfomntiffion fich bafiir ausgefprochen, bie neuen ©tragen* 
Bahnlinien in ftäbiifchc Aegte gu übernehmen. Leiber ftat fie fich bie 
Ergeuguitg ber Eleftrigität nicht in ähnlicher 2&ei[e wie 2Sieit oor* 
behalten unb audj ben ©trahenbahnoertrag mit ben ©trahenbahngefeH* 
fchaften fchon erneuert. — 2ie ©tabtoerorbneten oon |>alle geneh* 
migten am 1. (frbruar mit 34 gegen 9 ©timmen ben MagiftratSantrag, 
eine eleftrifdje Zentrale anf Koftcn ber ©tabt gu erbauen unb gu be* 
treiben. 

Aufhebung ber ©rihtadjtßener in IBreSlau. 2ie 3leifd)theueruug hat 
anfdjcinenb bie Mehrheit im (finangauSfchuh gu einem Ve)d)luh.bewogen, 
ber bie Aufhebung ber ©d)lad)tfteuer — gur £älfte gum 1. April 
biefeS, gur Hälfte gum 1. April fommenben 3af)^eS — oorfieht. 
^aQS baS Plenum ber ©tabtoerorbneten guftimmt, fd^Xiefet ftch her 
Magiftrat, wie Dberbürgermeifter Venber erflärt, gfeid)faHS bem An* 
trage au. 

©täbtifriher IBohfitt einer ©aSanftaXL 25er Atagiftrat oon 
Snowraglaw oeröffentlicht golgenbeS: 

^2ic ftäbtifd;en Vcl)ürbeit haben befcf)Ioffen, bie Erfüllung beS 
Vertrages mit bem ©asanftaltsbefi^er £>errn Dr. Müller wegen feines 
bauernbett fontraftwibrigen Verhaltens gu oerweigern unb insbefonbere 
bie Annahme unb Vegahlung ber ©asbcleuditung abguleftnen. giir eine 
anberweite prooiforifdjc ©trahenbeleiichtuug wirb in möglidjfter Kürge 
geforgt werben, (für bie Swifchengeit ridjten wir an untere Vürger* 
fd)aft bie ergebenfte Vitte, uns in unterem Vorgehen baburd) gu unter* 
fluten, baf; ftc für bie Veleuchtung ber ©tragen burch Erhellung ber 
ffenfter unb Aushängen oon Saternen ©orge trägt." 

2)iefer Vorgang ift ein fleiner Veitrag bafür, in welche 
©chwierigfetten etne ©tabt burch Ablehnung ber Aegie*33erwaltung 
für fo allgemeinen Sntereffen ber Vürgerfcftaft btenenber betriebe 
fommen !ann. 

2ie fiuhwhethllÄlffe Ber ftabtifdjen Arbeiter in München. 3m ©e* 

meinbc-Kollegium ift beantragt worben, bie üohnoerhältniffe ber ftäbtifdjen 
Arbeiter einer burebgreifenben Neuregelung gu untergiehen unb gwar in 
ber SBeife, bah 1. für fämmtliche ftäbtifdje Arbeiter ein ^ohufnftem mit 
allgemeinen VorrücfungSfriften unb geitgemäfjer Erhöhung ber Minimal* 
löhne feftgeiept werbe. 2. 2ie fänuutlichcu ftabtifdjen Arbeiter nadj 
gehnfähriger 2ienftleiftung als ftatuSmähige unb bamit auch penfionS* 
berechtigte Vebienftete anfgenommen werben. 

Fair Wa^es in Slberbeeit. 2>er ©tabtrath oon Aberbeen hat 
befdjloffcn, bah btc Ausführung ber ftäbtifdjen 2)ru cf arbeiten nur 
foldjcn ginnen übertragen werben barf, bie bie oom ©ewerf* 
oerein feftgefetjten Söhne begahlen. 3 ur Bewerbung finb alle biefe 
ginnen gugelaffen, hoch werben bie Lieferungen nur jener girnta 
gugewiefen, oon ber berichtet wirb, bah hie ArbeitSbcbingungen in 
ihrem betriebe am meiften „baS fogiale, moralifd^e, getftige unb 
phpfifch* ber Arbeiter" förbern. 

©etsteinbHdje äRahnahmeu gegen 9rBeitB(o{tgfett in £Bem. 

3n ©rgäitgung früherer Mittheilungen („©ogiale $rayiS" ©p. 408) 
wirb uns aus ber ©chweig gcfchrieben: 3n Vern herrfcht in golge 
ber ©infteüung ber Vauthätigfeit in erheblichem 2Rahe Arbeits* 
lofigfeit. Nach ben neuften Erhebungen giebt eS ruttb 500 
ArbeitSlofe. 2)iefe gogen lefcthin oor baS ©täbtifd)e AathhauS 
unb oerlangten Arbeit. ES fanb barauf eine gröbere Verfammlung 
ftatt gur SDrganifation ber §ülfeleiftung. Eine genügte Kommiffion 
würbe beftellt gur ©ammluitg oon Beiträgen. VereitS ift ein 
Aufruf erlaffen worben, auch t) Q t ber ©tabtrath eingelne Vau* unb 
©trabenarbeiten oornehmen laffen unb fo wenigftenS einem 2heil 
ber ArbeüSlofen Vefcftäftigung gewährt. 2)ie oiel befprod)cne 
ArbeitSlofenoerficherung hat in biefem gaHe nur wenig 
helfen fönnen. Eine wirtliche VerficherungStaffe ift fie in 
VSirflichfeit nie gewefen, fonbern ein blofje .^üifsfaffe, beren 
Mittel meiftenS oon gemeinmibigen Leuten aufgebracht würben, ja 
man fann fagen, fie habe in fofern eher nachtheilig gemirft, als 
fie fubfiftenglofe ^ßerfonen nach ber VunbeSftabt gog. ^öffentlich 
wirb aus ben heutigen Erfahrungen bie red)te Lel;re gegogen unb 
bie K'affe rcorganifirt, wobei bann aüerbingS baS Dbligatorium 
faum gu umgehen fein wirb, eben fo wenig aber aud) eine richtige 
Drganifation ber ArbeitSoermittlung. 2)iefe ift nod) immer baS 
©chmergenSfinb. 2)enn es ift bod^ merfwürbia, bah w Vent Ve* 
rufSarbeiter arbeitslos finb unb in Aagau g. V. oon ben Meiftern 
geflagt wirb, fie fänben feine ©cfellen meftr. AüerbingS ift auch 
bie 3ald ber ,J)anblanger unter ben ArbeitSlofen berart beträdjt* 
lidj, bah f^ e Sum Nachbenfcn aufforbert unb ber Vermuthung 
Aaum giebt, es laffe bie gewerblidj*berufliche AuSbilbung, nament* 
lieh im Vaugcwerbe, noch Manches gu wünfehen übrig. 



50 J 


©oktale VrajiS. (Ecntralblatt für ©ozialpolitif. Nr. 19. 


502 


Stofiale Jttftöttbe. 


$te ArBetteroerßälimffe Bei beit |irett^ifc^iett ©iaatsbaßuen. 

$)as (Eifenbaßnminifterium giebt trüber folgenbe lleberfid^t: 

^en (9el)ülfeu im mittleren 5Dienft, hülfsfräjten im unteren $ienft, 
föanbmerfern nnb Arbeitern ftnb nach ber tabeHarifcßcn Aufteilung im 
$urdjf<bnitt an Vergütungen ober ööljnen gezahlt roorbeit im gafjr 
1897/98 für ein Sagemerf 2,48 M gegen 2,4i int lebten unb 2,39 im oor- 
lebten 3aßre. Vei beit SScrfftättenbanbmerfern betrug ber Sageloljn 
3,15 JC ( 3 , 14 ; 2 , 99 ), ber ©tütflofjn 4 ,05 ( 3 , 99 ; 3 , 95 ); bei ben ßanbroerfs- 
mäßig gebilbeten Serfftättcnbanbarbeitern ber Sageloßn 2,51 (2,5s; 2,44), 
ber ©tücf lohn 3,56 ( 8 , 53 ; 3 , 49 ); bei ben fonftigeu Akrfftättenhanbarbeitem 
einfcßließlid) ber NJafcßinenarbeiter ber Sageloßn 2,43 (2,41; 2 , 33 ), ber 
©tücf lohn 3,33 ( 3 , 30 ; 3, 32 ). $ie tägliche datier beS planmäßigen SDienfteä 
betrug im £>erbft 1898, bei 34 732 Beamten bis 8 ©tunben einfcßließ- 
lieb, bei 33 500 meßr als 8 bis 9 ©tunben, bei 95 031 meßr als 9 bis 
10 ©tunben, bei 67 084 meßr als 10 bis 11 ©tunben, bei 68 714 meßr 
als 11 bis 12 ©tunben, bei 11403 mehr als 12 bis 13 ©tunben, bei 
7473 mehr als 13 bis 14 ©tunben, bei 3032 meßr als 14 bis 15 ©tunben, 
bei 2295 mehr als 15 bis 16 ©tunben. $)ie Ausbeutung ber Arbeit 
über 11 ©tunben betrifft ßauptfadjUcß bas ^ugbegleitungSperfonal unb 
baS Sofomotioperfonal, Me Valjmoärter, Vkicfjenftcllerunb bie ©tntions- 
beamten. (SS roirb jebodj bin^ugefiigt, baß bie tägliche $>ienftbauer 
für jeben Vebienfteten beS 3 u 9&egleitung- unb SofomotiuperfonalS im 
monatlichen Xurchfdjnitt borf)ftens 11 ©tunben betrage. ®urdj biefc 
Veftimmung merbe uerbütet, baß ftdj längere Süenftidjidjten oft rnieber- 
boleit. Zn bie oberen 3 a b^ en ftnb längere in bie planmäßige 3)ienfi- 
bauer fallenbe Nuljepaufen, bie bei biefetn Verfonal ßäußg uorfommen 
unb bis 6 ©tunben umfaffen, eingerechnet. Auch ßabe ein großer 2ßeil 
beS 3 u gperfonaIs fließt jeben Stag einen $ienft oon ber nämlichen 
$auer. AuS einer meiteren Nacßroetfung über bie Ruhetage beS 
'perfottals gebt ßeroor, baß oon 210 851 Veamten u. f. m. monatlich 

1 Nußetag 19 184, 1 l j 3 Nußetage 21378, 2 Ruhetage 53 169, mehr als 

2 Nußetage 117 135 erhalten. $ie oerbältnißmäßig geringfte 3 a ßl »on 
Ruhetagen betrifft bie Vabmuärter, SBeidjenfteHer, ©tationSbeamten, bie 
VaßnßofSarbeiter, Nlafdßnenpußer unb ©üterbobeuarbeiter. 

AuS biefen Nacßroeifungen ergiebt fi<ß, baß immer noch 
Arbeitszeiten bei einer Steiße non (Eifenbahnbeamten oorfommen, 
roelcbe gerabe für ben befonberS oerantmortlicben SDienft zu lang 
erfeßeinen. (ES märe feßr zu roünfcßen, baß hier noch meitere Ver¬ 
fügungen eintreten. gmmerßin ift feft^u[teilen, baß im 2)urcß- 
febnitt foroobl bei ben £ößnen roie bei ben Arbeitszeiten Ver- 
befferungen eingetreten ftnb. greilicß hat iebe ©tatiftif, bie nur 
mit SDurcßfcßnittSzahlen rechnet, etmaS re<ßt Mißliches unb ©cßiefeS. 

$te XrBeitö^eit in üaglanb. $>er tmrläußgen 3ufammen- 
ftellung beS Labour Department zufolge hat bie Arbeitszeit in 
(Englanb im leßtoerfloffenen gaßre menig Aenberungen erlitten. 
SSorjüglich maren es bie Arbeiter int Vaugemerbe, bie für 
19 306 Arbeiter eine möchentliche Nebufßon ber Arbeitszeit um 
IV 2 ©tunben bureßfeßten; in ber SNafcßinen- unb Ntetallinbuftrie 
fonnten 5286 Arbeiter ihre möchentliche Arbeitszeit um 2 3 / 4 ©tunben 
rebuziren unb 2500 Arbeiter in ber fdjottifcßen ©cßuhinbuftrie 
feßten eine möchentliche Arbeitszcitoerringerung oon 2 ©tunben 
burch- VemerfenSmerther SBeife errangen etroa 1500 Vrauereiarbciter 
ben Achtftunbentag, maS eine Nebuftion ihrer Arbeitszeit um 
6 ©tunben roöcßentlicß bebeutet. gnSaefammt mürbe bie ArbeitS- 
Zeit für 36 000 Arbeiter um burchfcßnittlicß 274 ©tunbe pro $opf 
unb SBocße ßerabgefeßt. 

$aS SBerfßauSprmztp ttt (Englanb. ©eit ber Reform oon 
1834 mirb bas SBerfßauSprinzip tn (Englanb oielfach ftrift an* 
gemenbet unb bilbet feit langen gaßren ben ©egenftanb lebßaftefter 
Erörterungen über feine Vorzüge unb SNänael. S)er neuefte Ve* 
rießt ber fe^itecfjapcl Union, eines ber ärmften unb elenbeften Ve* 
Zirfe SonbonS, enthält auch über biefen ißunft roieber intereffante 
Angaben. $)er Leiter ber Armenpflege bort ift Vallance, ein feßr 
erfahrener Armenpfleger, ber aud) litterarifch roieberholt h^or* 
getreten ift unb immer lebhaft für baS 2BerfhauSprin3ip eingetreten 
ift. 2)aS Prinzip h fl l 3 ur 0olgc, baß mit geringen, ganz 
ftimmten Ausnahmen bebürftige V e rfonen nur Durch Aufnahme in 
eine gefcßloffene Anftalt unterftüßt merben (indoor paupers), mobei 
ber ©efuht^punft leitenb ift, baß ber (Eintritt in bie Anftalt ben 
VemeiS für bie oorhartbene Vebürftigfeit liefere. Ausnahmen 
merben nur zugriaffen für ^ranfe, (Gebrechliche unb oorübergehenb 
auch für SSittroen mit ^inbern. 2öie in mehreren aitberen eng* 
lifchen Vezirfen geigt fich auch in betn oon SÖhüechapel, baß bie 
ftrenge ^Durchführung beS Prinzips roefentlich z ur ^erabminberung 
ber äfoften ber Armenpflege geführt h<*t- AüerbingS h a i ^S ohne 
3meifel auch feßr erhebliche gärten xur 3olge, bie nur burd) eine 
meiter auSgebehnte $rioatmohlthätigfeit ausgeglichen merben fönnen. 
Am beften geigt fich ber (Erfolg ber ftriften Aumenbung beS 


Prinzips in ber tabellarifchen Ueberßcht über ben ©tanb ber offenen 
unb gefchloffenen Armenpflege in bem Vezir! in ben leßten 
30 Sahnen: 



Unter- 
ftüßt in 
ge* 

fcßloßc* 

ner 

Wege 

Unter¬ 

ftüßt 

in 

offener 

pflege 

©efantmt- 
jaljl ber 
Unter* 
fti'ißten 
mit AuS* 
fcßluß ber 
OleifteS* 
franfen 

gn Prozenten 

«« 

W 

)ften ber offenen 
?ge (in ©clb unb 
Naturalien) 

@e» 

fölof* 

feite 

Wege 

Dffene 

pflege 


für 

eine SBodje 

£ 1 s | d 

für bas 
3aßr 

£ 

1870 

1410 

5 339 

6 758 

21,0 

79,o 

168 

17 

4 

6 685 

1871 

1219 

2 568 

3 787 

32,2 

67,8 

120 

14 

3 

6 073 

1872 

1000 

1568 

2 568 

38,9 

61,i 

75 

18 

7 

4 730 

1873 

1 163 

845 

2 008 

57,9 

42,i 

50 

4 

5 

2 654 

1874 

1154 

609 

1763 

65,5 

34,5 

36 

11 

1 

2114 

1875 

1 170 

346 

1 516 

77,2 

22,8 

22 

9 

0 

1406 

1880 

1 464 

128 

1 592 

92,o 

8,0 

9 

7 

7 

546 

1885 

1 370 

74 

1444 

94,9 

5,i 

4 

8 

1 

309 

1890 

1 258 

52 

1310 

96,o 

4,o 

1 

16 

3 

84 

1895 

1 815 

29 

1844 

98,4 

1,6 

0 

10 

3 

41 

1898 

1413 

24 

1437 

98,3 

1,7 

0 

9 

11 1 

24 


(ES fpringt in bie Augen, mie fehr fich bie 3 a hi ber Vebürf* 
tigen oerringert hot unb feineSmegs nun eb.enfooiele in bie Anftalt 
eingetreten ftnb, als oorßer in offener pflege unterftüßt mürben, 
freilich bleibt immer groeifelhaft, ob unb inroieroeit babureß nur 
foldje zurücfgehalten mürben, bie bie Armenpflege oßne ©runb in 
Anfprucß nahmen, ober auch folche, bie, obrooßl bebürftig, hoch 
burch bie gorm ber gebotenen llnterftüßung abgefchredt mürben. 

$er internationale ArmenpflegfcbaftSfongreß 1900 in $ari$. 

2)ie mit ben Vorbereitungen betraute Äommiffion h^i fürglich bas 
beßnitioe Programm ausgearbeitet. 3)er Kongreß mirb fuh bem* 
nach m nier ©eftionen theilen, bie ßth im (Einzelnen mit ber Ver* 
forgung ber Äinber, ber allgemeinen nnb ber befonberen Armen* 
pßege unb ber llnterftüßung burch Arbeit z u befchäftigen haben, 
gür bie brei erften ©eftionen hat bie Slommifßon aud) bereits bie 
©pezialthemata beftimmt unb Vericßterftatter ernannt. 2)ie erfte 
©eftion mirb fo eingeßenb über bie Unterbringung oon Armen- 
Jinbertt beßaitbeln, melcße auS irgenb einer moralifcßen Urfacße 
nicht in gamilienpflege gegeben merben fönnen. $)ie zmcite ©eftion 
erörtert baS Problem ber Artnenpßege im Domizil, namentlich bie 
Vezießungen zroifeßen ben öffentlichen ArmenpflegfcßaftSorganen unb 
ber prioaten SBoßltßätigfeit. ^)er britten ©eftion ßat man bie 
Aufgabe z« 9 cmiefen, bie grage ber Verforgung ber tuberfulofen 
Armen za unterfueßen. 2)er oierten ©eftion mürbe greißeit in ber 
Vkßl ißrer Arbeit gelaffen. 

$ie achte ©efßon beS oberften ArbcitSratßeS in granfreieß 

fanb im Dezember unter bem Vorfiße beS £>anbeISminifterS in 
$ariS ftatt. 3a beßßäftigen hatte fieß biefe fonfultatioe Körper- 
feßaft in ber oerßoffenen Tagung mit ber bureß eine lebhafte 
Agitation oon ©eiten ber Arbeiter feßr afut getoorbenen grage ber 
gefeßlidjen Vefeitigung ber fogenannten „Vtarcßanbagc". gn fernen 
Zmei ©ißungen fam ber ArbeitSratß za folgenben ©djlüffen: (Es 
ergiebt fid) nießt bie Sfcotßroenbigfeit, bie gültige ©efeßgebung über 
bie VJarcßanbage za mobißziren. ®aS ^)efret ber prooiforifeßen 
Regierung oom 2. bis 4. VJärz 1848 in feiner Auslegung burch 
ben ßöcßften Gerichtshof bietet genügenben ©cßuß, ba es für jebe 
unerlaubte ÜDtarcßanbage ben 9ted)tSmeg eröffnet, darnach ßnb alfo 
bie ßößne ber oon ©ruppenfüßrern unb ©ubunterneßmern be» 
fcßäftigtcn Arbeiter oom ^auptunterneßmer garantirt, unb ber Ar¬ 
beiter, ber oon biefer 91cd)tslagc proßtiren roiH, ßat nur ben 
.^auptunterneßmer rechtzeitig z» benachrichtigen. Anfcßließenb baran 
fpraeß ber ArbeitSratß noeß ben SBunfcß aus, baß für alle bem 
ArbeitSoertrage entfpringenben ißrogeffe ein möglicßft billiges Ver¬ 
fahren angemenbet merben möge. 


SCrbettetbeitiegttJtg. 


Vom Irefeller SBeBerftreil ift za berießten, baß bie oon ben 
organifirten cßriftlicßen Arbeitern eingeleiteten Verßanblungen mit 
ben gabrifanten bisßcr zmar ergebnißloS geblieben ßnb, aber fort- 
gefeßt merben foÜcn. gn einem Aufruf bes ©treiffomiteeS beS 
d)riftUd)en SBeberoerbanbcS au bie d)riftlidjc Arbcitcrfdjaft ilrcfelbs, 
beS gefamntten 9UeberrßcinS nnb ganz ^entßßlanbs um llnter¬ 
ftüßung ßeißt cS u. A., baß bis jepi aueß nidjt bie flciufte Acnbc- 



503 


Soziale ^rajrig. Gcntrnlblatt für Sogialpolüif. Rr. 10. 


504 


rung ber ßohnlifte gugeftanben worben fei, obfZon ber ^riftlidje 
Berbanb jebcr^cit gu vernünftigen Berhanblungen bereit gewefen 
fei. Hug bem Aufruf ift erftdülicf), baß 000 bem (^riftlic^en Ber* 
banb angehörige Arbeiter ant Streif betljeiligt finb. Retterbingg 
ift von ben Streifenben in einer Berfatntttlung eg entf^ieben oer* 
urteilt roorben, baß einzelne Bcrbätibc mit ben Sabrifanten oer* 
I)anbelten. $)er Koalition ber Sabrifattten müßten and) bie 
Streifenben gefcbloffen gegenüberfte|en. ßg rourbe eine Rontmiffion 
gewählt, bie SKitglieber oer brei in $rage fommenben Arbeiters 
oerbättbe umfaßt unb eoentneH mit ben Sabrifanten in Unter* 
hanblung treten fott. Hm 31. Sanuar überreizten bie ftreifenben 
SSeber ben gabrifanten eine ©enffc^rift, in ber bie RaZZeile ber 
neuen £ohn!ifte beleuchtet roerben unb ihre einfeitige Hufftellung 
burZ bie Sabrifanten alg ein gehler beflagt roirb. $E>ie ‘Benf* 
fZrift behauptet, baß brei Biertel aller SSebcr ben angebliZen 
S)urZfZnittgIobn von 24 JL in ber 2£oZe mä)t erretZten. $>ie 
gabrifanten ftnb naZ mie vor gu einer Hbänberung ber £o!jnüfte 
niZt geneigt. 

3ur Soljn&etofgnng ber Bergarbeiter in SaZfen. Huf bie 

fürgltZ auZ ung (ut 448) mitgetheilte Eingabe ber Berg¬ 
leute an bag RöttigliZe Bergamt bat biefeg nunmehr, gugleiZ int 
tarnen ber Berginfpeftionen 3 ,0 tcfau 1 unb II geantwortet, baß 
eg wegen ber Eingabe befonbere BorfteÜiingen an bie bctrcffeitben 
Serie niZt riZten werbe, unb baß bie 25auer ber ScZfelfZtZleit 
unb bie ßrriZtung oon BtannfZaftgbäbern fZon feit längerer 
3eit, unb gwar mit fortfZreitenbem Erfolge, ©egenftanb oon ßr* 
örterungen unb Berbanblungeit mit ben Bkrfbefißertt fei. — (Sine 
Stellungnahme ber Serfbefifcer gu ben Sorberungen ber Arbeiter 
ift, wie man hört, big jeßt noZ niZt erfolgt. 

AanfmännifZer unb getoerbUZer ^ftlfguerein für weibltZe Hn* 
geftelte tu Berlin. Hm 6. Februar 1889 rourbe bie erfte Hnregung 
gur ©rünbuttg biefeg Bereing gegeben; bie fonftituirenöe Ber* 
fammlung fanb am 2. ßuli 1889 ftatt. Hug ben paar Rimberten, 
bie bamalg beitraten, finb im Saufe oon gehn fahren jeßt 11000 
Sßitglieber geworben. 2)er Berein gewährt ReZtgßilfe, Rath unb 
Hugfunft, ber StellennaZiveig hat mehr alg 10000 fcfte Stellungen 
naZgewiefen. Hn bem UnterriZt ber gortbilbungganftalt nehmen 
halbjäßrliZ burZfZaittUZ 300 SZüIeriuneu tljeil; eine Bibliotßcf 
oon 4000 Bänben unb gutbefuZte Borträge unterjtiißen weiter biefe 
Bilbunggbeftrebungen. ßin eigeneg Bereingorgan ift mit RaZbrucf 
unb ßrfolg für ben Berein thätig. 

$er Berbanb Sentfdjer BuZbrutfer hat mit ber Drganifation 
ber Bringipale ein Hbfommen getroffen, wonaZ ben Hrbeitern be* 
jiigliZ ihrer 3«öehöriQfeit gu ber oon ben ^ßringipalen erriZtcten 
unterftiißunggfaffe bag freie ßntfZIießunggrcZt gewahrt werben 
foll. 2)ie Bercinbaruttg, bie bereits oon ben ©auoorftäitben beg 
©ehilfen*Berbanbcg gutgeheißen ift, hat folgenbctt Sortlaut: 

„3tt beiberfeitigem ^ntereffe wirb cg alg rnthfam craZtct, baß 
weber ber Berbanb auf ber einen Seite feinen Stfitglicbcrn oerbictet, 
ben ^riitgipalgfaffen angugcbörcii, noZ auf ber anberen Seite ber 
$)cutfZc BuZbructcroerein feine BRtglicbcr aufforbent foll, (Mjilfen nur 
gu befZäftigcn, wenn fie gu feinen Raffen fteuern, fonbern baß auf beibcu 
Seiten ben eingeliten Bfitglirbern beiber Rorporationcn ifjr ooüeg freies 
(^ntfcßließungsrccht gewahrt bleiben foll." 

$)amit ift abermalg ein Httlaß gu Reibereien unb Streitigfeiten 
burZ friebliZe Berhanblung gwifZen ben Drganifationen ber Unter* 
nehrner unb ber ©eßilfen aug bem BScge gefZafft. 

dritter tstgrc§ ber ©ewerffZaften fcettifZlanbg. 3n Örattf* 
furt a. 9R. ftnbet oom 8. 2Kai an mit ber ooraugfiZtliZ^» Raiter 
oon fünf Xagen ber britte ©emerffZaftgfongrefe ftatt. Hlg Xageg* 
orbnung ift vorläufig oorgefeheu: ReZenfZaftgberiZt ber ©encral* 
fommiffion unb Bcrathung ber Hnträge, betreffenb Hgitatiou, ßr* 
Weiterung ber ^Ijätigleit ber ©enerallommiffion, Streifunterftühung 
unb Streifftatiftif, „ßorrefponbcngblatt". ^ag ÄoalationgreZt ber 
beutfZen Hrbeiter. 2)ie OJeiocrbeinfpeftion. Tarife unb iarif* 
gemeinfZaften im geroerffZaftliZen Kampfe. ^)ie Hrbeitgoermittlung. 
^ie Hrbeiterfcfretariate. S)ie Stellung ber ÖewerffZaftgfartelle in 
ber ©ewerffZaftgorganifation £)eut[Zlanbg. 3 ur ^Xhcilnahmc finb 
naZ frent BefZluffe beg gweiten ©ewcrffZaftglongreffcg (Hnfang 
Btai 1896 in Berlin) fäinmtliZe 3 en i r alorganifattoncrt unb foIZe 
Sofalorgauifationeu bcrcZtigt, welZe oerhinbert finb, fiZ gentral 
gu organtfiren. HuggefZloffen oon ber SCheilnahme an ben Ron* 
greffen finb alle OewerffZaften, roelZc ohne gemigenbe (SntfZuIbigung 
mit brei Cuartalgbeiträgen im Rücfftanbe finb. 2)ie ©eioerffZaften 
finb bereZtigt, für je 3000 Btitglieber einen ^)elcgirteu gu wählen. 
Rlcinere ©ewerffZaften wählen einen 2)elegirteu. 


2)ic ©ctoerffZafteit OefterrctZ® ' OT 31898. ^ie öfter* 
reiZifZ^ ©eroerffZaftgfommiffion oeröffentliZtc in ihrem Organ 
,,^ie ©cwcrffZaft" eine gebrängte UebcrfiZt über bie ßntwicflung 
ber geroerffZaftliZen Organifationen unb ihre eigene Xhätigfeit im 
3al)re 1898. ßg wirb faft allgemein ein <5ortfrf)i*itt ber Bewegung 
fonftatirt. Befonbcrg heroorgehoben wirb biefeg ßortfZrcitcn im 
graphifZen ©ewerbe, bei ben ßifen* unb Bcetallarbeitern unb ben 
Bergarbeitern. SDie ßifenbahner, beren erfte Organifation burZ bie 
Regierung anfgelöft wnrbc, haben eine neue Drganifation gegriinbet. 
2)ie .giutuiaZer haben ihre alte 5orm ber gaZoercine ben tnobernen 
HnfpriiZen ber ©eroerffZaftgorganifation entfpreZenb untgeänbert; 
befonberg heroorgithebcn ift bie Hrbeitgoermittlung, bie oollftänbig 
in ben §>anben beg Berbattbeg liegt. ^)ag gleite Berhältnife ift 
bei ben £>anbfZuhntaZern ber gall. S)ie Organifation ber SOeytit* 
arbeiter, einer ber größten 3'nbuftrien Ocfterreichg, ift in gar feinem 
Berhältniffe barnadf) auggeftaltet, ben ^ampf, ber fiZ in öolge ber 
ßinführung beg 3n)eiftuhlft)ftemg entwicfclt, gu ©unften ber ^ejtil* 
arbeiter nur foweit gu führen, bafc burZ bie Reueinführung bie 
BefZäftigten oor Riehrlciftungcn unb fZlcZlerer Begahlung bewahrt 
bleiben. $>ie Hnfänge einer ßentralorganifation für bie in ber 
ZemifZen Snbuftrie be[Zäftigten Hrbeiter finb roieber oerflogen, 
ßinen Riicfgang weift bie Drganifation ber Hrbeiter in ber £ebeng* 
mittelbranZe auf. ^>ie ©ewerffZaftgfommiffton hatte oom 1. Samtar 
big 31. 2>egember 1898 eine ßiunahmc oon fl. 24111,40 unb eine 
Huggabe oon fl. 23130,65 unb verfügte am SahregfZlufj über einen 
Raffenbeftanb oon fl. 980,75. Qm 4)urZfZnittc haben in biefetn 
3al;re 105 855 Btitgliebcr ihre ÜKonatgbeiträge geleiftet, bag finb 
7662 Rtitglieber mehr alg im Borjahre. $)er ©ewerffZaftg* 
fommiffion gelang eg oielfaZ, bei Streifg erfolgreich gu inter* 
oeniren. 5Sie Bereitg früher erwähnt, finb gwei Rtitglieber ber 
©ewerffZaftgfommiffion in ben Beirath beg arbeitgftatiftifZenHmteg 
berufen worben. 

Httg bem ettglifZett ©ewerfoerettiglebett. llnfer Sonboner 
E. A.*5lorrefponbent fZreibt: ^>ie ©eroerffZaften, bie bie fZledjieften 
finb, fZreien immer am lauteften, bafe bag ©ewerfocrcingwefcii in 
©efahr fei, währenb nur ihre eigene Xhorhcit biefetn Ruf feine 
Bebeutung giebt. 2)ie „Bereinigten ßifenbahner" haben gulcfet biefen 
£on angefZlagen, unb ber Hrtifel ihres Drgang „Railwap Reoiero" 
über „Zertrümmerung ber ^rabc llniong" ift in biefen Blättern 
bereitg erwähnt worben (Sp. 415). Hbcr niZt bag ©ewerfoereittg* 
wefen ift in ©efahr; eg ift niZt wahrfZeinliZ, baß felbft bie 
friegerifZften ©efellfZaften bebroht finb, unb bie erftmtnliZc ©e* 
funbunggfraft ber großen Drganifationen wirb aufg Reue burZ 
bie jiingft erfolgte RHttheilung begeugt, bafe bie „Bereinigten 
BZafZinenbauer" niZt nur alle "BorfZfiffe, bie ihnen währenb beg 
grofeen Rampfeg 1897/98 gemaZt worben finb, gurücfgegahlt haben, 
fonbern bafj pc fogar in ihrer Raffe mnb 200 000 ^ß)\\wb gur 
Berfügung haben. Rein, bie ©efahr liegt nicht baritt, baß bie 
©ewerfoereiite „gertriimmert" werben, fonbern oieltnehr baritt, baß 
ein Berljalten wie bag ber ßifenbahner im BMttter 1897/98, alg 
fie unvernünftige Sorbcrnngett anffteUten unb mit Drohungen 
burZbrüifett wollten, unb auZ jeßt, wo ihre Qriißrer beftänbig für 
eine aUgenteine Hngriffgpolitif ber ©ewerfoereine agitiren, bag 
Bringip ber gewerbliZcn Hffogiation ettoag in Rtifefrebit bringt. 
Seiner Jyeinbe finb nicht wenig; eg ift für eine unb bie anbere 
oercingelte RörperfZaft in ihren Reihen fo IeiZt, eine oerhängtti^* 
volle Rolle gu fpielen, bafe man eg nur aufrichtig bebauertt fann, 
wenn ein fZrillcr Rrieggruf bie öffentliZe Meinung erregt ober 
ein falfZer Hlarm in ber Brcffe ertönt. RoZ bebauerliZer ift eg, 
wenn eine ntäZtige ©etoerffZaft einen SZritt thut, ber mit ReZt 
niZt nur oom großen Sßublifntn, fonbern auZ non beit ihrer Ber* 
antwortung fiZ beroufeten ©cwerffZaftgführern mißbittiegt wirb. 
SolZen Stfjritt hat jiingft ber „Bau*Stitdfarbeiter*Berein" gethan; 
er hat nämliZ feine Rtitglicbcr aug brei i^onboner ©efZäftcn ab* 
berufen, bereit B'crfführet bem Berein nicht angel)örcn unb auZ 
niZt bei treten wollen. Zwang biefer Hrt gu üben, ift bie BerfuZung 
jeher ftarfcit Drganifation, aber felbft wenn er ßrfolg hat, ift eg 
gtoeifclhaft, ob eg weife ift, ihn angutoenben. 3n bettt befonberen 
5aH, oott bem hier bie Rebe ift, wirb wahrfZeinliZt niZt einmal 
ein geitweiliger ßrfolg errungen werben. ^)ettn obwohl bie fiinftige 
Bolitif ber Stuefarbeiter noZ ungewiß ift, ba fie oon ber Hbftim* 
tttung ber Biitglieber abhängt, fo finb boZ HngeiZen ba, ba^ matt oon 
einer Bofition guriicfwciZen wirb, bie auf allgemeine Berurthcilung, 
auZ unter ben ©ewerfoereitten felbft, flößt. SngwifZen hat ber 
Hrbeitgeberoerbanb biefeg ©ewerbeg gur ©ettüge funbgethan, wie 
er fiZ verhalten wirb: B>ettit bie-/yvrbernngett ber Hrbeiter aufreZt 
erhalten bleiben, fo werben fie von ben Unternehmern runbroeg ab* 
gelehnt werben unb eine mnfaugrciZc Hugfperruttg wirb bie §o!ge 




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©ogialc fragt#. Eentralblatt für ©ogtalpolttif. Br. 19. 


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fein, bie in ißrer Sauer oiele Störungen int Baugewerbe, große 
finangielle Berlufte unb oiele ßeiben mit fuß bringen muß. Sie 
ßeroorragenbften güßrer ber Arbeiterbewegung, namentlich aucß 
3oßn BurnS, warnen oor übereilten Stritten unb ratzen gu einem 
Berglcicß mit ben Arbeitgebern, ba im $alle eines allgemeinen 
Kampfes auf ber gangen Sinie bie Arbeiter wegen ber mangelnben 
Spmpatßien beS f ubüfumS unfehlbar beit bürgeren gieren würben. 


ÄrbcUcrfd)u|. 


föegclmtg ber Arfrettsgeit iw ©etreibemüljlfit. 3n näcßfter 3ät 
wirb bem BunbeSratß eine Berorbnung über bie Regelung ber 
Arbeitzeit im Btüllereigemerbe gugeßen. Sie ©runblage hierfür 
bilben bie Erhebungen ber Kommiffion für Arbeiterftatiftif. BHe 
bie „Berl. fol. Bacßr." ßören, wirb man bie ßeftfeßung non 
Btirtimalrußegeiten oorfcßreiben. Sie Borfcßläge ber Beferenten in 
ber Kommiffion, erftattet am 28. 3uni 1898, gingen im Söefent* 
ließen auf eine gufammenßängenbe Bfinitnalraßegeit oon acßt 
Stunben täglich unb Beteiligung ber Bacßtarbeit für junge ßeute 
unter 16 3aß**n. 

BunbeSratßSberorbmmg gum Sdjuß ber Arbeiter in ber 2ßier* 
ßaar-gnbuftrie. Bach mehrjährigen Borbereitungen hat ber BunbeS» 
rath unterin 28. 3an«ao auf ©runb ber §§. 120 e unb 139 a ber 
©ewerbeorbnung eine Berorbnung erlaffen, betreffenb bie Einrieß* 
tung unb ben Betrieb ber Boßßaarfpinnereien, £aar* unb Borften* 
gnricßtereien, fowie ber Bürften* unb finfelmacßereien. Anlaß 
bagu boten bie wieberßolt oorfommenben Salle oon Erfranfung 
ober Sob in Solge oon Btilgbranbübertragung. Sie Berorbnung 
tritt am 1. 3oli 1899 in Kraft unb finbet Anwenbung auf alle 
Anlagen, wo fferbe* ober Binberßaare, ScßweinSborften ober 
ScßweinSwoOe guaericßtet ober gu KroUßaaren oerfponnen werben, 
ober wo unter Berwenbung folcher Btaterialien Bürften, Befen 
ober f infei ßergeftellt werben. An erfter Stelle wirb oorgefcßrieben: 
„Sie aus bem AuSlanbe ftammenben fferbe* unb Binberßaare, 
ScßweinSborften unb ScßweinSwolIe bürfen erft in Bearbeitung 
genommen werben, nacßbent fie beSinfigirt finb." giir bie 
SeSinfeftion werben brei Arten beS BerfaßrenS angegeben; außer* 
bem fann ber BeicßSfangler noch anbere Verfahren gulaffen. Sie 
höhere BerwaltungSbeßörbe fann Ausnahmen oon ber Borfchrift 
ber SeSinfeftion unter befonberen Bebingungen gulaffen. SBit ben 
beSinfeftionSpflficßtigen SBaterialien bürfen oor Ausführung ber 
oorfcßriftsmäßigen SeSinfeftion nur jolcße Berrichtungen oor® 
genommen werben, welche gur Prüfung ber Befchaffenheit ber 
Btaterialien, gur Berhütung ihres BerberbcnS fowie $ur Bor® 
bereitung unb Ausführung ber SeSinfeftion unerläßlich ftnb. 3 ur 
Ausführung ber Sesinfeftton bürfen jugenbliche Arbeiter (oorläufig 
bis 1. Apru 1909) nicht oerwenbet werben. Auch Arbeiter mit 
wunbcn fmutftellen, inSbefonbere an £>als, ©eficßt unb §>änben, 
[ollen bagu nicht oerwenbet werben. Sie Borrätße an nicht beS* 
infigirtem Btaterial finb in befonberen, unter Berfcßluß gu halten* 
ben, bichten Behältern ober Bäumen aufgubewaßren. Ser Arbeit* 
geber ift oerpflichtet, barüber Buch S u führen. — Siefe Borfchriften 
gelten für alle Betriebe. $ür größere Betriebe finb außerbem 
noch fofgenbe Beftimmungen oorgefeßen: 

3n Betrieben, in benen tn ber Begel mtnbcftcn# gehn Arbeiter be* 
fcßäftigt werben, ntüffen bie ArbeitSräumc mit einem feften unb bitten 
Jvußboben ücrfcfjen fein. $>ic 23änbe unb SDccfen miiffen, foweit fic 
nidjt mit abwapßbarer Befleibung ober mit einem £elfarbenanftri(h 
oeriehen fmb, minbeftens einmal' jährlich mit Kalf frifcf; angcftricheu 
werben. Bei Errirfjtung neuer unb Erweiterung befteßenber Anlagen 
ift bafiir Sorge gu tragen, baß in ben Arbeitsräumen auf jebc f erfon 
minbeftens fünfgeßn Kubifmcter Suftraum entfallen. ®ie Arbeitsräume 
fuib täglich gweiuml minbeftens eine halbe Stuubc lang, unb gwar 
wäßrenb ber Btittagspaufe uitb nach Becnbigung ober oor Sieber* 
beginn ber Arbeit, grünblich gu lüften. $)ie ft’ußböbeit ftnb täglich 
minbeftens einmal, bie ArbeüStifcße minbeftens gweimal wöchentlich 
burch Abwafchcn ober feudjtes Abrcibcn oom Staube gu reinigen. 
UcberbicS werben gegen Staubcntwicfclung noch befonbere Borfehrungen 
oorgefihricbeu. £er Arbeitgeber hat allen bei ber Borbcrcituug unb 
Ausführung ber ^eoinfeftiou befchäftigten Arbeitern ArbeitSnngüge nebft 
Btüfceu gur Berfügung gu ftellen. ^er Arbeitgeber hat bafitr Sorge gu 
tragen, baß bie Arbeit-?flciber nur oon benjenigeu Arbeitern bciiu^t 
werben, benen fte gugewiefen fiitb, unb baß fic minbeftens einmal 
wöchentlich beSinfigiri werben. BiinbeftenS gweimal wöchentlich ift l^c* 
legenheit gu warnten Bäbertt gu geben, ^sn einem ftaubfreieu Iß^üe 
ber Anlage muß für bie Arbeiter ein BJajeß* uitb Aufleiberaunt unb 
getrennt bauott, foweit hierfür ein Bebürfuiß oorliegt, ein Spcifcraum 
oorhanben fein. Scr Arbeitgeber l;at für bie mit ber Bearbeitung ber 


Stoffe befchäftigten Arbeiter u. A. gu ocrorbnen: $ie Arbeiter bürfen 
Baßrungsmittel nicht in bie Arbeitsräume mitnehmen. 25ie Arbeiter 
bürfen erft bann Sttaßlgeiten cinnehnten ober bie Anlage oerlaffen, wenn 
fte guoor bie Arbeitsfleiber abgelegt fowie Ocficß*, £>als, .&änbc unb 
Arme forgfältig gewafeßen haben. 3n ben Borfchriften ift oorgufcheit, 
baß Arbeiter, bie trofc wiebcrholter Tarnung bcti Beftimmungen gu* 
wiberßatibeln, oßne Auffünbigung entlaffen werben fönneu. — Alle 
biefe Borfcßriften finb bnreß Aushang befaunt gu machen. 

Sofern burch oeterinär * poligeilicße Borfcßriften unb feueßen* 
aefeßlicße Beftimmungen genügenb Borforge getroffen ift, baß auch 
oaS Btaterial an Sßierßaaren auS bem Snlanbe oon ÄranfßeitS* 
trägem befreit gur Berarbeitung fommt, wirb man in biefer Ber* 
orbnung eine ber fleinen, boeß immerhin banfenSwertßen unb 
oerbienftlicßen Maßnahmen gum Schüße ber Arbeiter einer nießt 
ungefährlichen Snbuftrie begrüßen Dürfen. SBir fcßließen baran 
ben SBunfcß, baß ben gaßireießen Arbeitern in anberen Betrieben, 
beren ©efaßren an ßeib unb fieben minbeftens ebenfo groß ftnb, 
ebenfalls in Bälbe ein gleicher Schuß gu Sßeil werben möge. 

Sie fStxliutt ,^omnttfftott für Arbeiterlmtetifdiuß^, beS BuubcS 
Seutfcßcr ^rauenoereine (Borfißeubc: Jrau 3cannette Schwerin) tßeilt 
itnS, begugnehntenb auf bie Btittßeilung in Br. 17 unfercs Blattes, mit, 
baß einige Iheiluehmerinnen ber Wurfe gur AuSbilbung oon weiblichen 
©cwerbeauffidjtsbeamten jeben Bfontag Abcnb oon 7-9 llßr im 
Arbeiterinnenheim, Brücfenftr. 8, Befcßwerben oon Arbeiterinnen ent* 
gegenneßmen, um fie ben ®cwerbeinfpeftoren gu übermitteln. 

Agitation für ben £abenfcßltt§* B3ie feßon erwäßnt, foH ber 
gum Scßuß ber AngefteHten in offenen ßabengefcßäften oorbereitete 
©efeßentwurf audß ben obligatorifcßen &abenfcßluß gu einer be* 
ftimmten Abenbftunbe (8 Ußr) in AuSfußt nehmen, wenn % ber 
ortsanfäffiaen £abenbeftßer ihn wünfeßen. 3nt Anfcßluß baran 
will ber „Seutfcßnationale §>anblungSgehüIfenoerbanb" eine große 
Agitation ins 28erf feßen unb fammelt beSßalb Unterfcßriften gu 
einer Petition an ben BunbeSratß, 

balbigft einen ©efeßentwurf oorlegen gu wollen gur rcitßsgcfcßlidjen 
Einführung einer einßcitlidjen 2abenfd)lußftunbe für offene BcrfaufS* 
ftellen mit ber Beftimmung, baß burch OrtSftatut bie Scßlußftuube 
ßerabgefeßt werben fann unb bie untere Berwaltungsbehörbc Aus* 
naßmen an Borfefttagen unb 14 Sage oor BScißuachtcu anguorbnen in 
ber Öaae ift, bagegen bie Bcfcßäftigung oon £anbelsangeftclltcu naeß 
ber Scßlnßftimbc unb ber ©ewerbebetrieb im Unthergtehen u. f. w. oer* 
boten ßnb. 

Ausgestaltung ber öfterrei(ßtfcheii @etoerbe®3nfpc!tion» Bom 

1. Sebruar l. 3- ab würbe eine Beueintßeilung ber @ewerbe*3n* 
fpeftionSbegirfe in Defterreicß oerfügt, bie eine Bcrmeßrung ber 
3aßl ber 3nfpeftoren bebingt. Aus ben bisherigen 17 AuffußtS* 
begirfeit werben burd) Sßeilung unb Arronbirung 20 AufficßtS* 
begirfe gebilbet. Sie wießtigfte unb gugleicß notßwenbigfte Ber* 
änberung ift in ©aligien oorgenommen worben. SiefeS £anb, bas 
um ein Srittel größer ift als Bößmen, bübete bis gum 3aßre 1898 
mit ber Bufowina einen AufficßtSbegirf, wäßrenb Bößmen in feeßs 
AufficßtSbegirfe eingetßeilt war. Surcß bie neue Berorbnung wirb 
©aligien in gwei AufficßtSbegirfe — Hemberg für Dftgaligien unb 
£rafau für Bkftgaligieu — getßeilt unb bie Bufowina gu einem 
eigenen AufficßtSbegirf erhoben, ferner wirb in Bößmen ein 
neuer AufficßtSbegirf mit bem Siß in Setfcßeu bureß AuSfdjeibung 
mehrerer Begirfspauptmanufcßaften aus ben fed)S alten AufficßtS* 
begirfen gebilbet, fo baß Bößmen oon nun an in fieben AufficßtS* 
begirfe getßeilt ift. 

^abrifinfpeftion in Belgien im 1897* Sie Berichte ber 
belgifcßen gabrifinfpeftoren liegen nunmeßr für bas britte 3aß* 
ißrer Sßätigfeit oor, unb wieberum finb ißnen, wie es in ber 
SDrbnung ift, bie Bericßte ber SKineninfpeftoren angefügt. 3m 
©angen würben wäßrenb biefeS 3aß*^ oon ben Öabriftnfpef* 
toren 8648 Betriebe mit 210 767 Arbeitern befueßt, baoon 1173 
Betriebe ineßr als einmal. B3ie ber Bericßt behauptet, wären baS 
fo giemlicß alle Betriebe mit folcßen Arbeitern, bie unter bie bisher 
oorßanbenen Scßußgefeße fallen. Eine Angaßl oon ©roßbetricben, 
in benen bei früheren Befucßcn überhaupt feine personnes pro- 
teg6es angutreffen waren, ßat man in biefem 3aß** oon ber 3» 5 
fpeftion gänglicß auSf^ließen gu bürfen geglaubt, bagegen ßat man 
bie Äontrole über bie Kleinbetriebe noeß auSgebeßnt. Qu Den 
^erfonen, für welcße nach bem ©efeß oom 13. Segembcr 1889 
Scßußbeftimmungen oorßanben finb, finb nur bie ntännlid)cn Arbeiter 
oon unter 16 3aß**n unb bie weiblicßen oon unter 21 3aß**« V 1 
reeßnen. 3 U biefeit beiben Klaffen gehörten in ben befucßteit Be* 
trieben 42 073 ^erfonen. Sie 3 a ßl ber 3oan^o oon über 
21 Saßren 19 365. 3m ©angen madjte bie 3 ll ßl ber Arbeiter 
weiblicßen ©cfcßled)tS 21 /8l 0/ 0 oon jenen 210 767 Arbeitern aus. 
Ser Bericßt giebt fobann genaue Bcittßeiliingeu über bie Aitgabl 



Soziale fragte. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 19. 


r>( >7 


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üon minberjährigen Arbeitern unb grauen in beit einzelnen 3dt* 
buftrien bes £anbe&. 2Ba§ nun bie Befolgung ber 0cfjufc* 
beftimmungen betrifft, fo roirb barin groar eine fortfdjreitenbe 
Befferung fonftatirt, boef) finb bie Uebertretungcn noch immer feljr 
häufig, oorgüglich in ber ^leininbuftrie. Ant menigften befriebiaenb 
ift bie fiage in beit 3* e 9 c ^i cn / roo noch immer in größerer 
ftinber non unter 12 fahren (•) angetroffen merben unb auch im 
Sommer nodj nielfach bie NtagimalarbeitSgeit nicht innegehalten 
mirb. 3>m (Sanken mürbe eine gefeftroibrig lange Arbeitzeit bei 
366 non ben befuchten betrieben fonftatirt unb ferner eine unae* 
nügenbe Beobachtung ber Nufjepaufen in 84 Betrieben. Sie Be* 
ftimmungen über bie Nachtarbeit geigten fich in größerem ilmfange 
nur noch in &er ©laSinbuftrie nicht beachtet, obgleich ber Conseil 
superieur du travail ba$ Filter, non bem an bie Nadjtarbeit ge» 
ftattet ift, für biefc Jnbuftrie bereits auf 13 3(ahre ^erabfefet hat. 
Sie Nuhe am fiebcnten Sage mirb für bie personnes protegees 
allgemein innegehalten. GrroähnenSroerth ift ein Bcrfuch ber Sn*» 
buftrieHen beS ^ennegau, ben Sonntag burch ben Somterftag gu 
erfefcen, meil am Sonntag bie Berleitung gu AuSfchroeifungen am 
größten fei unb bie NtontagSarbeit barunter leibe. Necljt arge 
Nhftftänbc ^errfd^en noch in .j&infi<ht auf bie nom ©efefc norge* 
fd)riebcnen Sürbeitöfarten ber ÜKinberjährigen. Selbft bie DrtS* 
behörben liefern öfter folthe harten an $inber non unter 12 fahren 
aus. — Sie Berichte ber NHneninfpeftoren lauten im Allge* 
meinen befriebigenb. 3n ben ^oljlenbergroerfen ift man auf 
ftinber non unter 12 fahren nur noch in einem JfaHe geftoften. 
Aud) bie 3ahl ber unterirbifd} befchäftigten grauen nimmt fcfjnell 
ab unb nom 1. Januar 1899 foH es bafelbft feine non unter 
21 Salären mehr geben, häufigere Uebertretunaen mürben nodj in 
ben Steinbriidjen fonftatirt. Nicht roeniger als 13 non 81 be* 
fuchtelt Betrieben biefer Art hatten eine ungefehlich lange ArbeitS* 
geit, unb auch bie Beftimmungen über baS Anfragen ber ©efefce 
unb bie Arbeitslosen ber Nlinberfährigen merben hier noch fehlest 
befolgt. 

fRegelnttß ber ArBettSfcerljSfttttffe in ben fjott<toBif<htn TOitür* 
BSdfereicn. Ser hoüänbifche ÄriegSminifter hat folgenbe Bor* 
fchriften, betreffenb ben Betrieb ber SNüitärbäcfereien, erlaffen: Sie 
Arbeit barf nicht früher als 4 Uhr Borgens beginnen unb bie 
täglidjc ArbcitSgeit barf 10 Stunbcu nicht uberfdjreiten; 
tnüffen Ueberftnnbeii gearbeitet merben, fo rnuft ber Bruchteil einer 
Stunbe als gange ArbeitSftunbe gegahlt merben; Solbaten bürfen 
in ben Niilitärbäcfercien nidjt befdjäftigt merben. — Öür bie 
©egiter ber Bäcfereiucrorbnnng in Seutfchlanb, bie nidjt tnübe 
merben, Sturm gu laufen, enthält biefe Niittljeilung eine feljr nach* 
brücfliche Mahnung! 


^tbettemecfldjentng. SjmrhafJcn. 


Strafen»* ber Berireter ber BerfWjtrungSanftaltfit. Sie in 

Gifenach oerfammelteit Bcrtreter beutfeher BerfidjerungSanftalten 
haben fi<h bezüglich ber in ber Nooelle gum SnoalibenoerfidjerungS* 
gefeft oorgefdjlagcnen attbermeitigen Bertheilung ber Nentenlaft für 
bie Bilbung euteS ©emetn* unb SonberDermögenS unter einer 
Neihe oou BorauSfefjiingen auSgefprochen, roeldje in erheblichen 
fünften oon ber NegierungSoorlage abroeidjen. SnSbefonbere mirb 
ber oorgefdfjlagene Umfang ber ©emeinlaft abgelehnt unb oerlangt, 
baft nicht mehr als ©etneinoermögen auSgefonbert roirb, als maS 
gur Serfung bcS ^apitalroertfjeS ber bisher entftanbenen Nenten* 
antheile thatfächlich erforberlidj ift. Somit mürbe ftdj baS auSgu* 
fonbernbe ©emeinoermögen auf circa 35°/p (gegen 60% ber Bor* 
tage) bcS BcrmögenS ber Anftalten ermäßigen. Sie in ber Nooelle 
oorgefdjlageite Ginridjtung oon örtlichen Nentenftellen mürbe als 
nicht annehmbar erflärt; nur bei einer 3 u fammenlegung ber ge* 
fammten Arbeiteroerficherung lönnte nadj Nieinung ber Berfamnt* 
iuitg bie Grridjtung oon Neiitenfteüen möglidjerroeife mit AuSficht 
auf Grfolg in örage fomntett. 

Sie 3nbalibitätöoerft<herangS - Nooelle mtb bie Ghrofttttbtt« 
firieflen. Sie groftcit mirthfdjaftlichen Bereine NljeiulanbS 
unb BoeftfaleuS merben ben neuen ©efefcentrourf, betreffenb bie 
Jiinalibitäts* unb ?lltersoerfidjerung, einer gemcinfanten Beratljung 
untergieljeit. 3 11 biefetn 3 tuc ^e ift ein GonbcranSfchufe am 
6. Februar iti Süffclborf gur erfteit Berathung gufammengetreten. 
Sen Beridjt I;at ber ^Ibgeorbuete Dr. Beutner erftattet. — SaS am 
3. Tvebruar in Berlin oerfammclte Sireftorimn bcS Gentraloer* 
baubes beutfeher Snbuftrieller bat auf ben 28. Jebruar eine Ber* 
fammlung bes ^lusfdjiiffes ber Selcgirlctt einberufen, um über bie 


Nooelle gu berathen. 0chon jefct gab baS Sireftorium feinem 
Befremben barüber Slusbrucf, „bafe ber Gittrourf mit fo überaus 
jahlreichen Umfteßuugen unb rebaftioneHen 5(enberungen bepaeft 
ift, bie burchauS überflüfftg erfcheinen, aber Sebent, ber mit ber 
Blaterie nicht fehr oertraut fei, bie ileberficf)t unb baS Berftänbnifj 
ber roirflich bebeutungSooHen Slenberungcn ungemein erfdjmere." 

Ser beitifche 9lergteoereinSBttnb unb baS SfranfenoerftchcmnjS* 
gefeh. Hn ben Neichstag ift eine Petition beS ©efchäftSauSfdju||eS 
beS SlergteoereinSbunbcS gelangt, in ber bie freie Slergteroahl oer* 
langt mirb. GS Ijeifet gutn ^djtuffe ber Gingabe: 

Sie Söoljlthaten beS ÄTanfcnfaffengcfebcS merben erft bann ooö* 
ftäubtg heraortreten, meitn bte Mitarbeit einem jebcit Birgte, ber firfj 
baran bctbeiligeit miü, erntögltdit ift, bemt bie freie B?ahl ber Mergle 
entfpridjt nicht blofi ben berechtigten Jvurberungcu mtferes Staubes, 
fonbern aud) ben Sntereffcn ber tiaffciimitglicbcr unb ben Aufgaben ber 
Waffen, tote bie Berhaitbluugeu unb BefdtUiffe bei* $lergtdage oon Sei* 
mar 1891 unb Gifcnadi 1895 gegeigt haben ©egen ctmaigc finanzielle 
©chäbigitng ber haften burdi' bie freie Hrgtmabl laffeit j'idi ltnfdimcr 
0ch ll fe nin hregeln treffen, mie bas audi ba, mo üe beftebt, burchgcführt 
ift. 2£ir meinen banad), baf) es att ber ^cit unb ein cirforbentifg beS 
öffentlichen SLtaljleS ift, bei bett Stranfcnfaffcii gcfeblid) beit ©nnibfaft 
ber freien ^Irgtioaljl cinjufüljren unb bierburdi bie mitlfürlidie ^ulaffung 
„beftinnnter" borgte uttb bie 9(u*fdjliefiung gnljllofer anberer aiifgubeben. 
Sen hohe» Neidjcdag bitten mir, bas? ©efep in biefeiit Sinne gu äubertt. 

lret*§if^e @par!affru 1897. ©in ©rnbntcffer für bie Bcffcrutig 
ber GrmerbSücrbältniffe in ben mittleren unb unteren BeoölfertmgS* 
fdjidjten ift bas Berljalten ber Spareinlagen. Siefe finb tutn tiadi ber 
amtlidjen „Statiftifchen Worrefponbettg" 1897 unb 1897/98 bebeutenb er* 
t)öf)t. Sic ©parfaffeubüdjer haben fid) um 381951 3tiic! üerntehrt, 
baS bebcutet gegen 1883 eine Bcrboppclung. ?lnf 100 GinmoBuer ent* 
fielen 28, 4 Büdjcr. ?luf bie fleinen (Guthaben (bis 3 (h> jc) entfallen 
58,07%, auf bie mittleren (3<H) bis 3000 je) 38,04%, auf bie graften 
©utbabeit nur 8,39%. Sic Iepteren ftub befonbers in 'Keftfalen, 2rf)IcS= 
roig*£mlfteiit uttb ^aittiüücr gu finben. Sann folgen Nbcinlattb, ©adifeit 
unb £effen=Naffau. Sagu trägt mcfcntlidi ber lluiftanb bei, bafg eine 
Neitje ooti ©cmeinbnt bie Ijinhfte ©renge beS ©efammtgutbabens eines 
GittlegerS meit unter 10 000 ^ feftfepcu, g. B. Berlin auf KKW, Breslau 
1200, Gaffel 1000, Grfurt 30(K), iMegnip 1500 M. u. f. m. — Sic 
Gtnlagett haben am ©diluffe bes Jahres 4987,0 STOillioueu SWarf be= 
tragen, fo baft auf ein ^parfaffcitbud) im Snrdifdinitt 849,97 M. cut* 
fielen, ^ugmifdtcn mirb bie fünfte BtiHiarbc motjl bereits überfdn'ittcn fein. 
Bott bent Giulagcbctrage fommt fretlidj ein nidjt unbcträdjtlidfjcr 2bcil 
auf bie 3000 m. überi‘teigenben „groften Oüttliabeit“. Gs finb 1250,9t 
BMlUottett Btarf neu eingelegt nnb 127,23 Biillioiieit Bfarf an 3ütfen 
giitgcfdjncbcn, bagegett 1082,99 SNtHioucit SWarf abgehoben morben. 
Blitljin fjat eine Bcrmehruttg um 315,1:, Bcillionett B?arf ftattgefunbcii. 
Siefer 3umarf)S ift befonbers güuftig, ba nur bas Jahr 1895 begm. 
1895/98 mit 345,91 Biiüioiicit Btarf eine höhere Bmttehnmg ber Gilt* 
lagen gegeigt hat. Sie oinfcit, bie beit ©parent gutgcfdjrieben finb, 
betragen beinahe fo ütcl mie bie gefammtc Ginfommenfteuer, bie in 
^teuften (mit Ausnahme ooit .^ohengoderu uttb ©clgolanb) für 1897 98 
auf ruttb 135 Biilliotictt B?arf rcranlagt ift. Bott beit Gilt lagen ent* 
fallen auf ftäbtifdje ©parfaffeit 48,o 3 0 /„ (im Borjahr 48, 12 %), bie 2anb* 
gcmcittbefparfaffeit 5,52 % (5,g‘j°/o), bie itrciSfparfaficii29,94%(-9 /8 2 <) /o), bie 
Broüingialfparfaffeit 8,93% (3,7«°/o) unb bie ^rioatiparfaffeu 12,33° 0 
(12,67%). Sie Ginlngcu ucrtijcileit fidj auf bie oftelbiidjcn Oicbictc 
(Cft* unb Bieftpreufteu, Berlin, Brattbenburg, Bontutmt, unb 

©chlefien) mit nur », 33 ° 0, auf bie meft* uttb norbelbifdjeii mit 89,6«%. 
Jnt 2lUgemeitteit mcifeit bic ^roüittgcn mit bett hödjfteit Giitlagett amfj 
ben hödjften 3umadjs auf, hoch ift, abgesehen oou Heineren Bcrfdjie* 
Bungen, B^eftfaleu gegenüber ber Nheinprooittg, ©djlesmig^oljteitt 
gegenüber Brattbenburg unb ©djleficn, fomic Oftprcufgcn gegenüber 
Seftpreuftcit unb $ofen gurücfgebliebett. 

Gifcitbafjttfparfriffett in Gttglanb. Gin fürglidj erfdjiettener amtlidjer 
Bericht giebt bic ©ebat)rungsmcife für bie 18 in Gnglaitb beftehenben 
GifeuBahnfparfaffcn im Jahre 1897: Sic ©efanuntgahf ber Gittlcger bc= 
trug 40 397 gegen 37 087 in 1898, imb ihr gelammtes Guthaben belief 
ftdj auf 3 431 eis? £ ober burdjfdmittlid) 85 £ per .Hopf. 


^rhdtsnöd)ititl5. 

Ser 9lrBeitSnachmetS für ©thauerlente in ^amBurg ift, rote 
mieberholt fdjon in biefcit Blättern betnerft (ngl. g. B. ©p. 316), 
bei üielen Arbeitern auf Bitberftaub geftoften, meil fie in biefer Qn* 
ftitution — uttb gmar nidjt mit Unrcdjt — nidjt bloft einen Ber* 
fuefj geregelter ^IrbcitSnenuittelung, fonbern ein Niadjt* unb 3roangS* 
mittel ber Arbeitgeber befiirdjtcit. Ser oon ben Nljcbern unb bem 
Arbeitgebcrocrbaub uiiterftüftte „Berein ber ©tauer oon Hamburg* 
Altona" hat biefer Sage baS Statut ucröffcutlidjt, beffen haupt* 
fächlidje Beftimmungen mir fdjon früher mitgctheilt haben. Ser 
ArbeitSnadjmeiS ift foftcnlos, er giebt für bie oerfdjicbencn itatcgorieit 



509 


Sogiale $rn£tS. (Scntralbfati für Sogialpolitif. 9h\ 19. 


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ber 8d)auerleute (ftänbige, £>ilfs* unb EelegeuheitSarbeiter) harten 
aus, nur mit Marten nerfetjene Arbeiter werben befcßäftigt, bie 
Stauer oerpflichten fich, nur Arbeiter gu neunten, bie oom SRachweiS* 
burean »ermittelt werben. Um baS Warten auf offener Straße 
ober in WirthShäufern gu befeittgen, ftnb brei Wartehallen als 
9?athweiSfteßen in ber .frafenaegenb eingerichtet. ^)ie ßohngai)lung 
finbet an ber ArbeitSftellc felbft ober im Vureau beS Stauers ftatt. 
— Es ift burchauS angnerfennen, baß bie Qnftitution an fid) ge* 
eignet wäre, fernere Mißftänbe gu befeitigen. Aber fie begegnet 
betn fdjärfften Mißtrauen ber Arbeiter, weil fie oon ber Verwaltung 
oöllig auSgefchloffeu finb; nur in ber Vefchwerbefommiffxon ftßen 
brei Arbeiter neben brei Arbeitgebern, bie Leitung, Auffi<f)t unb 
Verwaltung beS ArbeitSnachweifeS fteljt allein ben Unternehmern 
gu — bie ßeitung führt ber Staueroerein, ber auch bie Veamten 
anfteßt, bie Dberauffidjt ift in ben §änbem einer Mommiffion, ber 
je ein Vertreter ber SHfjeber, ber SchiffSmafler unb ber Stauer an* 
aehört. Wenn man gugiebt, baß in ber Vefchwerbefommtffion 
Arbeitgeber unb Arbeiter paritätifd) oertreten finb, fo wäre eg nur 
logifd), bie Arbeiter auch an ber unteren Snftang ber Verwaltung gu 
betheiligen. Aber bie Arbeitgeber in Hamburg wollen grunbfäßlich, 
wie baS auf ber befannten ßeipgiger Verfammlung oom 5. Sep* 
tember 1898 flxpp unb flar gefagt würbe, in bem Arbeitsnachweis 
ein 3n>angS* unb Mampfmittel gegen bie Arbeiter hohen. 3u einer 
Verfammlung ber Schaucrleute am 29. 3anuar würbe nun mit 
952 gegen 29 Stimmen befchloffen, oon biefem Arbeitsnachweis, 
ber nichts anbereS als ein Maßregelungsbureau fei, feinen Gebrauch 
gu machen. Snfolgebeffen hot bie Drgauifation ber Schauerleute 
am 1. Sebruar an ben 3 u gängen ber brei VureauS $often aufge* 
fteßt, um bie Arbeiter abguhalten, fich Marten gu löfen. $)od) um* 
faßt bie Drganifation nur einen oerhältnißmäßicj fleinen %ty\\ ber 
Arbeiter — bie Schauerleute im §afen gä|len oxelleicht 12000 bis 
14000 Mann. Es wirb auch berichtet, baß otele Arbeiter burch 
Einfenbung oon Mranfenfaffenbüehern unb SnoalibitätSfarten fich 
ArbeitSfarten oom $achweisbureau oerfchaffen. Wie bie $>inge 
laufen, wirb man erft nach hem 20. Jyebruar, an welchem £age 
ber ArbeitSnad)weiS offiziell in Wirffamfeit tritt, erfennen Fönnen. 
So gerechtfertigt baS Verlangen ber Arbeiter ift, an ber Verwaltung 
einer Einrichtung betheiligt gu fein, bie über ihr Wohl unb Wehe 
entfeheibet, fo glauben wir nicht, baß gegenwärtig bie Schauerleute 
auf anberem Wege als bem einer frieblicfjen Vereinbarung gur Er* 
füßung ihrer gforberung fommen fönnen. $ach ber fchweren lieber* 
läge im 3ah*e 1897 muß jeber oernünftige greunb ber Arbeiter* 
bemegung oor einer Mraftprobe bringenb abrathen. Vielleicht fommt 
auch in Hamburg einmal bie Seit, wo an Steße beS Unternehmer* 
feubaliSmuS bie Anerfennung oer gefefelid}en Veredjtigung ber Ar* 
beiter tritt, an ber geftfeßimg ber Arbeüsbebingungen auf gleichem 
3?uße mit ben Arbeitgebern mitguwirfen. — Eine oon 2000 $erfonen 
befuchte Verfammlung ber Schauerleute befchloß am 5. gebruar 
gegen jebe Maßregelung wegen 9Hd)tbenußung beS Arbeitsnachweis 
fofort energifche Eegenmaßregelit gu treffen. 

StabtifAei: Arbeitsnachweis In Sdjotie&crg. $er Magistrat oon 
Schöneberg bei Berlin hat ben Stabtoerorbneten eine Vorlage gur Er* 
rtdjtung eines ftäbtifchen ArbeitSuatf)weifeS, ähnlich bem Eharlotten* 
burger, gemadjt. 

Stcßtubermittelung im ©aftmirthSgcmerbe gu Stuttgart, 3)er 
Stuttgarter WirthSoerexn hot nach einem Veferat, baS bie bei ber 
prioaten Steßenoermittelung gu Sage getretenen gasreichen Miß* 
ftänbe beleuchtete, fich für eilten Anfchluß an baS Stäbtifche ArbeitS* 
amt auSgefprochen. Von jeßt ab foß bas im Wirtf)fd)aftSbetrieb 
erforberlicße Verfonal ausnahmslos burch Vermittelung beS Stäbti* 
fchen Arbeitsamts eingefteßt werben. $)agu bemerft bie fogial* 
bemofratifche „Tagwacht": 

tiefes Vorgehen beS WirtljSoercinS ift nur gu begrüßen, beim baß 
gerabe auf biefem Ecbietc guftänbe herrschen, bie bringenb oer Ab hülfe 
bebürfeit, ift and) außerhalb beS WirtfjSgewerbeS gur (Genüge befannt. 
Mögen mm .bie Wirtbe burd) einmütbigeS ^lifammenhalten bafiir 
forgen, hier cnbgültig Wanbel gu frfxaffen, unb fid) nicht burd) unan* 
gebrachte Aiicffichten oon ber £urd)fül)rung biefcS VejdjluffeS abhaltcn 
laffen. $as Stäötifdjc Arbeitsamt wirb es fid) fidjerltd) angelegen fein 
laßen, ben 28ünfd)en ber Wirtlje, foweit cS fein imparteiifcher Eharatter 
guläßt, Aetfjnung gu tragen. 


Äoljlfaljrtednrid) tungen. 

$et Ausfluß für Wohlfahrtspflege auf bem £aube (Vor* 
ftßenber: Minifteriälbireftor Dr. Schiel) beabfid)tigt am 15. Februar, 
Vormittags 10 Uhr, im großen Saale beS MlubS ber itanbwirthe, 


Verliu S.W., 3i m oterftr. 90/91, feine britte £>auptoerfammImig ab* 

Ö alten, wogu nicht nur bie Mitglieber, fonbern auch aße gfreunbe 
.er Veftrebungen bringenb eingelaben werben. Sagesorbmmg: 
1. Jahresbericht, erftattet burd) ben Eeßhäftsführer .ftcinrich Sohn* 
rcp*Verlin. 2. 3öohlfahrtSeinrid)tungen im Mreife $t)riß (Vibliotl)cf, 
9?ähftunbe, Mochftunbe, llnterhaltungSabenbe). Verichterftatter Witter* 
gutsbefißer ^>anS oon Sd)oening=Saßentin bei EoUin. 3. Unfer Ee* 
meittbel)auS. Verichterftatter Pfarrer Eeiar*2Bicfentl)al (Ahön). 4. a) 
^ic MreiSwanberbüdjerci im Untcrlahnfreifc. b) 2)te 9Jäl)* unb ArbeitS* 
ichulc in Valbuinftein. Verichterftatter ber königliche Öanbrath Johannes* 
®icg a. üahn. 5. ®ie Mängel auf bem ©ebietc beS gewerbsmäßigen 
StenenoermittelungSwefenS unb Abl)ülfemittel. Veritfjtcrftattcr Affejfor 
Dr. 3reuter*$ane a. S., Veamtcr ber fianbroirthidiaftsfammer für bie 
^rooitig Sad)fen. 6. Veranftaltungen gur länbltd)en Wohlfahrtspflege 
(EieroerwcrthungS*Eenoffenfd)aft u. a.) in einigen $etbe* unb Eeeft* 
gegenben. Veri^terftatter SSinterfd)ulbircFtor 3°üil°f ers: ^iff c lhöoebe. 


®eno)7enfdjafteroe|en. 

Sogialpolttifche £eifhmgen ber bentfehen lanbwtrthfchaftltcheu 
Seuoffenfchnftem 

^ Sn 13 biefeS VlatteS giebt §r. Dr. Wiebfelbt eine iutereffante 
Schilberung ber fogialeit Shätigfeit ber lanbwirthfchaftlichen Sun* 
bifate in Sranfreich- Er meint gitm Schluß, baß bie länblichen 
Eenoffenfchaften in 3)eutfchlanb biefen ßeiftungen nicht oiel an bie 
Sette gu fteßen hotten. S)ieS Urtljeil hot wohl ber Wunfch gc* 
boren, bie weitere AuS^eftaltung ber fogialen ^hotigfeit unferer 
Eenoffenfchaften, bie gewiß gu erftreben ift, unb für bie Dr. Wieb* 
felbt im Mönigreid) Sadjfen erfolgreich arbeitet, als möglid)ft 
bringlid) erfcheinen gu laffen. Man fann bagegen aber fehr wohl 
bie Meinung »erfechten, baß bie fogialpotittfdjen ßeiftungen beS 
bentfehen länblichen EenoffenfchaftSwefenS, wenngleich fie gunt ^heil 
in anberer Dichtung liegen, hoch ntinbeftenS ebenfo intereffant unb 
bebeutenb finb wie bie frangöfifchen. 3ft boch unfer ganges länb* 
UcheS EenoffenfchaftSwefen bem fogialen Eebanfen entfproffen unb 
gehen feine bebeutenbften Führer unb görberer bis heute oon ge* 
meinnüßiacn EefidjtSpunften aus! Eerabe bie 3üh^r ber fran* 
göfifdjen länblichen Ecnoffenfchaften geben auch jebergeit gu, baß fte 
oon ®eutfcf)Ianb barin am meiften gelernt hoben. 

5)ie bentfehen Eenoffenfchaften hoben fich oon aßem Anfang 
an nie enghergig auf rein wirthfd)aftliche ^^ätigfeit befchränft. 
Sie haben erfannt, baß „gur Sförberung beS Erwerbs unb ber 
Wirtschaft ihrer Mitglieber", ihrem gefeßlidjen 3oiecf, nicht nur 
rein wirtschaftliche Maßnahmen, fonbern auch baS Eintreten ber 
aemeinfamen EefdjäftSfteße für gemeinnüßise, wohlthötige, 
VilbungS* unb äl)nlid)e Veftrebungen bienlich uno nothwenbig fein 
fann. S<hulge*©elißf(h unb fein Verbanb hoben ftets ben größten 
Werth barauf gelegt, baß U)re Eenoffenfchaften burch regelmäßige Auf* 
wenbungen für gemeinniißiße 3 ro cde fich biefe fyötyxe Auffaffung 
oon ihrer ^holißfeit eoibent halten. 

3n bem auf 3r. W. VaiffeifenS 3been aufgebauten 
Mufterftahit für bie länblichen $)arlehnSfaffen beS Sfeuwieber Ver* 
banbeS heißt es unter „3niecf ber Eenoffenfchaft": 

„Vei ber gefammten Einrichtung unb Wir!)'amfeit ber ©euoffeiifd)aft 
foß nicht foroofjl baS Streben nach ©ewinn, als oielme^r bie Hebung 
ber wirtbfjhaftlid) Schwachen unb unb neben bem Streben nach ma* 
terieller görberuttg ber Mitglieber hauptfäd)Uch bie Audficßt auf bie 
geiftige unb fittlid)e Hebung berfelben maßgebeub fein." 

Solche irabitionen finb bei nuferen länblichen Eenoffeitfdjaftcn 
ftets lebenbig geblieben. 1896 hat ber 12. Aßgemeine Vereinstag 
ber bentfehen lanbwirthfchaftlichen Eenoffenfchaften gu Stetten gu 
Anfang feiner Verathnngen eine Vefolution befdjloffen, tu ber 
es h^ißt: 

*2)te etßifche uitb bte wirtl)fd)aftlid)e Aufgabe beS EenoffcnfchaftS* 
wefens ßabeit beibe gleiche Berechtigung. 2ic Vcoorgugiuig ber einen 
anf Moften ber anberen ift eine Verirrung, bie ben Eenoffenfchaften gum 
Schaben gereicht. $)nrdj gcnoffenfdjaftliche Arbeit aubere als bie gleid)* 
berechtigten etljifdKn unb wirtl))d)aftlichcn 3ieü’ »erfolgen, heißt nidjts 
anbereS, als mit einem ber ebclflcn nnb beften Mittel, bie Wohlfahrt 
unfereS Voltes unb VaterlattbeS gu förbein, groben Mißbrand) treiben." 

$>iefe ^urchbringung wirthfchaftlicher Shätigfeit mit ett)ifd)en 
Erunbfäßen ift für fogiale Erfolge ber frudjtbarfte Vobetr, unb 
thatfächlich fehlen auch biefe in feiner Vichtung. 

2)ie weitaus glängenbfte Entwicfluitg unter ben Iänblirfjoii 
Eenoffenfd)aften hot in 5Deutfd)Ianb bie Eruppe genommen, bie 
nid)t bie lanbwirthfchoflid)eti Unternehmer als foiche gnfainmen* 
fehltest, fonbern.bie prinzipiell unb thatfächlich alle Mreife ber 
ßaubbeoölferung als Mitglieber unb Ecfchäftsbetfjeiligte einfd)ließt, 



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©ogiale $rajis. Ecntralblatt für ©ogialpoliüf. 9?r. 19. 


bie „länblid)cn Spar* nub XarleljnsfaffenEs beftanben 
in Xeutfchlaub am 1. Quli: 

1890 1891 1892 1893 1894 1S95 1896 1897 1898 

a) lanbwirtfdjaftliche Eenoffenfrfjajteu überhaupt: 

3 006 8 625 4 374 4 979 6 031 7 170 8 986 10 669 11 854 

b) barmitcr läublidie Spar» linb XarleljnSfaffeu: 

1 729 2 134 2 647 3 040 3 810 4 872 6 391 7 612 8 451 

„£)ie Btitgliebfchaft fönnen erwerben alle Berfonen, welche fic§ 
burd) Verträge oerpflidjteit fönnen unb ihren 2öol)nfiß in . . . . 
haben," heifet eS im Offenbarer Btufterftatut ber XarlehnSfaffen; 
gang ähnlich bei ben anderen Bcrbänden. (Sine allgemeine Statiftif 
über bie Beteiligung ber einzelnen Schichten ber Xorfbcoölferuna 
liegt leiber gur 3«t nid^t oor. Bei 223 länblidjcn ©par* und 
XarlefjnSfaffcn in B°fen finb nach einer neuen ©tatiftif unter 
11132 Btitgliebcru 7656 ober 69% Lanbwirthe, 1011 ober 9% 
Hanbwerfer, 665 ober 6% Cyleifttid^e, Beamte unb Lehrer unb 
1800 ober 16% Maufleute, Arbeiter unb Singehörige anderer Be» 
rnfsftänbe. 3» Bauern waren Enbe 1896 in 1153 XarlehnS* 
faßen 72 929 BiitglieSer; barunter nur 55 460 ober 76% Lanb* 
wirthe. SJtach einer älteren ©tatiftif beS h e ffift en lanbwirtf)* 
fdjaftlichen ©enoffenfchaftSoerbanbeS waren in 75 £>arlehnSfaffen 
1885: 


2 attb* 

wirthe 

in Reffen 2719 
in fiaiiau 283 

in B$e|tfalcn 293 

.ftanb* 

werter 

2 138 

127 

197 

Mauf* 

leute 

210 

92 

9 

Beamte 

unb 

Arbeiter 

589 

19 

26 

lieber* 
haupt 
BJitglieber 
5 656 
521 
525 

gufamnten 3 295 

2 462 

311 

634 

6 702. 


£)abei ift freilid) gu beachten, baß gu jener 3 c *t ™ Reffen 
hnuptfächlich bie größeren inbuftrieburchfeßten Drtfchaften genoffen* 
fdjaftlich organifirt waren unb baß bie meiften Lanbbewoljner, 
inöbefonbere bie Hanbwerfer, gleichzeitig and) Lanbwirtfje finb, ja 
baß auch Lanbleute, bie etwa 9 /i 0 ihres EinfommcnS aus ber 
Lanbwirthfchaft unb Vio aus bem Hanbwerf begiehen, fich nach 
bem Hanbwerf begeidjnen werben, um bie Munbeit angugieheit unb 
weil bas fie oon ben Nachbarn uuterfcheibet. 

Sind) ohne befonbere ©tatiftif ift leicht gu erfennen, baß bie 
föichtlanbwirthe, insbefonberc bie Arbeiter, regelmäßig in bieSöirf* 
famfeit ber XarleljnSf affen einbegogeit werben. (Sin Bergleich ber 
BUtgüeber* unb ber (Sinwohuergaljleit ergiebt oieler Orten, baß bie 
gange Bcoölfcruug gur Maffe gehört. 3n Snbuftricgegenben finbet 
man Arbeiter nicht feiten im Borftanb unb itt ber Verwaltung ber 
kaffen tätig, gur ©ollen Sufnebenljeit ber Bfttglieber unb mit 
beftern Erfolg für ihre eigene Lebenslage. £)enn bie Bewährung 
in ber ©enolfenfchaftsoerwaltung wirft auch auf ihr SlrbeitSoer* 
hältniß günftig ein. ©ie werben mit Borliebe für bie Borarbeiter* 
unb Sluffeherftellcn auSaewäfjlt. Sn bett Einrichtungen ber ©e* 
noffeufchaftcn wirb auf bie Slrbeiter Biicfficht genommen. SBo bie 
XarlchnSfaffeu bie Eingahlung erheblicher ©efd)äftSguthabcn (bis 
300 ober 500 <AL) oorfchreiben, ba finden wir allgemein auch bie 
Einridjtung, baß bie SSenigbemittelten iljr ©nthaben burd) fleine 
unb fleinfte, wöchentlich ober monatlid) gu erfparenbe Einlagen 
anfammeln fönnen. Bor adern aber paßt fich &aS ^pargefchäft 
ben Berhältniffen ber Slrbeiterbeoölferung an. 

SDaS ©pargefchäft wirb oon ben länblichen ©par* unb 
X>arIeßnSfaffen im Xitel unb ©tatut bem XarlehnSgefchäft gleich* 
geftellt. X)aS ift feine Bh r afe. 3m Saßre 1896 würben in 
1785 bcutfdjen ©par* unb XarleljnSfaffcn über 2S /8 Btid. Biarf 
(bie Eingaben finb nicht oollftänbig eingegangen) eingelegt. Enbe 
beS SafjrcS betrug bie ©efammteinlage über 64, 5 Bfifl. Biar! (pro 
Maffe 44943, pro BJitglieb 585 Ji). Sm Saß« 1897 famen 
weitere 40,7 Btid. Btarf ©pareinlagen bei einer größer geworbenen 
3ahl oon Xarleljnsfaffeit hinzu; 12 926 <M pro Maffe, 185 ,///. 
pro ©enoffe. Enbe 1897 war ber ©efammtbetrag 99, 2 BHd. 
BJarf. Unb gwar wirb allgemein beobachtet, baß in ©egettben 
mit Sobuftrie unb in Mleiubefißgegenben bie ©pareinlagen am 
reid)lid)ften fließen — bie größeren Befißer benußen für ihre 
Einlagen bic laufenbe Bedjitung — unb baß bie Slrbeiter 
bie heften Sparer finb. Um auch bie fleinften Beträge für 
bie Maffe herangugieljen, finb oielfach bie „©parfarten" eingeführt, 
Biüets auf 10, 20, 50 a% auf 1 bis 5 jft lantenb, bie 
oon einem befouberen guuftionär an ben Lohntagen in ben 
gabrifen ober am Sonntag in ben .päufern oerfanft, unb beren 
Betrag am erften Sonntag jebeS CuartalS, bem „Martentag", in 
ben Sparbiidjern gutgefdjrieben wirb. Xurch biefe Spareinrichtungen 


werben feljr wesentliche Summen, bic fonft ginSloS balagcu, ben 
Arbeitern nufebar gemadjt, nod) mehr ihnen erhalten, bie Biangels 
ber feften unb bequemen Slnlage unb gar ber faft gwingenb 
wirfenbeit Abholung gu günftiafter 3 c ü nnter ben Slugen ber 
foltben Mitarbeiter ober ber Familie fonft unnüfe ausgegeben 
würben. SllS Stichprobe liegt eine ©tatiftif pro 1895 für 
bie 22 ©par* unb X)arlehnSfaffen beS ftreifes Dffcnbach oor. 
danach waren bei 39 110 Bewohnern ber 22 Drtfchaften 7000 ©par* 
einleger (alfo wohh ba auch nod) brei Mommunalfparfaffen mit 
erheblid)en Einlagen aus ben Lanborten im Begirf finb, faft in 
jeber öamilie ein Sparfaffenbuch) oorhanben, bie am Soh^Wnß 
2 077 891 J (, im Xurdjfchnitt 296 t 1t Einlage hotten. 9Ud)t 
weniger als 5246 Verfonen — in jenen Drten wohnen rneift 
Arbeiter — hatten ©parfarten gelöft unb gwar für 347 103 J(, 
burd)f<hnittlich pro Beofon unb Saho 66 JL (in jeber föodje 

1,27 ttt). 

£)ie Berginfung ber ©pareinlagen beträgt in ber Siegel 3 bis 
4 %, bet ben Offenbacher Beifpielen burdjweg 3 % %. 9lid)t feiten 
ift bie Einrichtung getroffen, baß Einlagen ber Xienftboten begw. 
beS ©efinbeS einen erhöhten, bem XarlehnSginSfuß ber Maffe gleich* 
fommenben 3inS erhalten, fo baß biefe Einlagen gang umfonft 
oerwaltet werben unb gu ben BerwaltungSfoften nichts beitragen. 

Xer großen Blehrgahl ber Arbeiter liegt naturgemäß nichts 
baran, bei ber X>arlehnSfaffe einen Mrebit gu erhalten, fonbern nur 
an einer guten, oortheilhaften unb bequemen Spargelegenheit. 
Bei ber $ähe ber Slnlageftelle unb ben gmeefntäßigen ©efchäftS* 
einrichtungen — einige EtefchäftSftunben werben erforberlichen 
SadeS am Slbenb, in ben greiftunben ber Arbeiter eingerichtet — 
fann baS ©parfonto wie eine laufenbe Rechnung benufct werben. 
XeShalb gieheit es bie Arbeiter — ebenfo wie Maufleute :c. — 
oielfach 00r / ohne BUtglieber gu werben unb eine Haftpflicht gu 
übernehmen, bie Einridjtungen ber Maffen nur als Sparer gu be* 
nußen. 

X)ie ©par* unb XarlehnSfaffen finb, wo fie fthon etwas 
länger beftehen, wie für bie Laubwirthe fo auch für bie Arbeiter 
oon burchgreifettber Bcbeutung gur Befferung ihrer Lage geworben. 
Sn ben engen börflidjcit Bertjältniffen wirft inSbefoitbere bie ein* 
mal bitrchgeführte ©parfartcueinridjtuug ohne äußere Beeiuflujfung, 
adein burch ben Xrucf ber öffentlichen Bleinuitg, halb wie ein 
©pargwang, nantentlid) für bie jungen Arbeiter betber ©efd)lcd)ter, 
bie relatio — im Bergleich gu ihrem Bebarf — aut meiften gu oer* 
bienen pflegen. Xiefern 3*oang wagt fich fo leicht Biemanb im 
Xorfe gu entgiehen, ber irgenbtoie Slnfprud) auf ?ldjtung feitenS 
ber OrtSgenoffen macht, ©o fontmt es, baß bei ben meiften 
Slrbeiterehen in biefen Drten beibe Ehegatten mit Erfparniffcn in 
bie Ehe treten, bie ihnen ben Erwerb eines HänSchenS mit ©arten* 
lanb (bei ben Snbufiriearbeitern), ben Erwerb oon §auS unb 
etwas Lanb (bei Landarbeitern) crmöglid)t. Eoentued räumt bie 
XarlehttSfaffe, bic fte in jahrelangem ©efdjäftSoerfehr als fpar* 
fatn unb orbentlich feitnen gelernt hat, ihnen gern auf ihre perfön* 
ließe Mrebitwürbigfeit hin einen ergäitgenben «Sirebit ein. Sn 
hcffifchett Dörfern haben mir bie Leiter länblidjer XarlehnSfaffen 
mit Stolg gange Straßen gegeigt, bie auf biefe Bkifc mit betn 
©elb ber Maffcn gebaut finb. 2öo bie Bobenbefißoerhältniffe baS 
Selbftftänbigwerbcn oon Lanbarbcitern überhaupt ermöglichen, ba 
wirb biefer Boogeß burch bie ©par* unb ErgiehungSthätigfeit ber 
X)arIehnSfaffeu außerorbentlich begünftigt. 

Xie BermaltnngSthätigfeit in ben XarlehnSfaffen wirb 
gum größeren Xheil unentgeltlich, gum fleineren gegen geringe, wirth* 
fchaftlich nicht cntfpredjcnbe Entfd)äbigung ausgeübt. Xaß burd) 
biefe oielfache, nach unb nad) in jebetit bcutfdjen Xorfe einqefüljrtc, 
hochgeachtete unb befriebigenbe ehrenamtliche Xhätigfeit im Sntereffe 
ber Xorfgenoffen Neigung unb gähigfeit and) für anbere gemein* 
nüßige llnternehmungcu geweeft unb geftärft wirb, liegt auf ber 
Hanb unb ift oftmals beobachtet worben. 28o in Lanoorten frei* 
willig Mranfenfchweftern angeftedt, HauShaltungSfchulen eingerichtet, 
Bibliothefen aufgeftedt, ©chulljäufcr unb llntcrridjtSgegenftänbe 
oerbeffert würben n. a., ba gedieht baS aderbingS bis jeßt nur 
in felteitcn gäden offigied burd) bie Spar* unb XarlchnSfaffcn aus 
bereit Betricbsübcrfcbüffen — in Heffeu geben bie lanbwirtljfihaftlichen 
©enoffenfdjaftcn jährlich 12—20 000 , f( für biefe Xingc aus —, 
aber in beit meiften gäden finben wir als Urheber berartiger 
Beranftaltungeit bie uämlidjeu Bcänuer wieber, bie in ben ©enoffen* 
fdjaften Neigung unb ©efdjicf für gemeinniißige Xljätigfeit erlangt 
unb bas Bertrauen ihrer DrtSgenoifen erworben haben. 

Xer Einfluß ber ©euoffenfdjafts* auf bie Staats* unb ©e* 
meinbeoerwaltung beginnt fich erft admäljlich gu äußern. Er wirb 
aber immer adgetneiner werben unb immer meljr erftarlen. 3« 





518 


Soziale $raji$. Eentralblatt für ^ogialpoltitf. Sftr. 19. 


514 


öeffen, too bic ©enoffenftaften burdßftnittlicf) ant älteften finb, 
ift wohl jeher jüngere ßanbbürgermeifter unb fonftige länblidje 
Sunftionär burt bie ©tule ber ©enoffenftaftSoermaltung gelaufen. 
Keine ©aßl gu wirt^fd)aftlid^en unb fAließlit aut gu politifcßen 
Körperhaften !ann bort auf bent Sanbe ftattfinben, wo man nid)t 
als erfte Stage Ijört: ©aS ift ber Kanbibat bei feiner Kaffe? ©ie 
arbeitet bte? —* Es muß einleucßten, oon toie großer fogialpolitifter 
Vebeutung es ift, wenn in biefer ©eife immer meßr Männer in 
ben Vorbergrunb beS öffentlichen ßebenS gehoben toerben, bie bie 
in ben ©enoffenftaften ertoorbenen wirtßftaftliten Erfahrungen 
unb Kenntniffe mit bem regen ©emeinfinn oerbinben, ber fte in 
bie ©enoffenftaftSoermaltung geführt hat. 

Tie übrigen lanbwirthftaftliten ©enoffenftaften beftränfen 
ftch naturgemäß in ber Vauptfacße auf bie lanbwirthftaftliten 
Unternehmer. Siur toer felbftänbig probugirt, !ann oon bem ge» 
meinfamen Verlauf ober Verarbeitung ber Vrobufte Vortheil haben, 
ebenfo oom genoffenftaftlüßen Einfauf ber Stoßftoffe, oon 3utl s 
unb Vtaftinengenoffenftaften. aber innerhalb ber lanbmirthfdjaft* 
liehen Unternehmer nehmen alle Greife an ben ©enoffenftaften 
theil. ©enn im |)anbioerf ein ©eßülfe fit felbftänbig macht, fo 

e er fofort in ben alterfchärfften Konfurrengfampf. Tein 
rben unb bem ©utsfäufer, bem lanbwirthftaftliten Arbeiter, 
ber felbftänbig gu probugiren anfängt, ob er als Kolonift im Dften 
eine bäuerliche ©irtßftaft gu betreiben beginnt, ob er auf *u* 
fammengefauften ßanbftüdften im ©üben unb ©eften ©emüfe ober 
Dbft ober ©ein ober Tabaf ober Vopfen 2C. baut, ober ob er als 
Arbeiter in ©ewinnung oon SRilth, Eiern, ©eflügel, Vonig 2C. 
einen Siebenoerbienft fucht, überall, toohin bas ©enoffenftaftswefen 
gebrungen ift, ftredfen ihm bie organifirten VerufSgenoffen wiuig 
bie ßeifenbe |>anb entgegen unb gewähren ihm an allen geftäft- 
liehen Vorteilen ber ©enoffenftaften oolten antßeil. 

Tiefe Vülfsbereitftaft befaßt auch ©enoffenftaft gu ©e* 
noffenfehaft. ©elbft bie Sßolfereien geben gern ihren Verbanbs* 
beitrag, ber großenteils bem 3toecfe bient, neue ©enoffenfehaften 
bei ber ©rünoung unb Einrichtung gu unterftüßen. Tie Vebenfen 
toegen ber neuen Konfurreng, bie bei SMfereien fehr ernft finb, 
ba baS abfaßfelb für Vutter fchon befeßt ift, bie neuen SMfereien 
fleh bie neueften, beften SJtaftinen artfehaffen fönnen unb ihre ©e* 
noffen begüglit ber greife noch befteibener gewöhnt finb, treten 
überall gegenüber ber lebhaft empfunbenen Pflicht, allen VerufS¬ 
genoffen bie ©egnungen ber ©enoffenfehaften gugängig gu machen, 
gurücf. 

Snnerßalb ber ©enoffenfehaft gilt Seber gleich. Tas VeidbS- 
©enoffenftaftSgefeß oon 1889 beftinunt, baß nur bie $erfon, nicht 
baS äßaß ber geftäftliten Vetßeiligung in ber Verwaltung maß* 
gebenb ift: „Seber ©enoffe hat eine ©timme." Vei ber SMferei* 
genoffenfehaft hat ber ©roßgrunbbefißer mit einigen ßunbert Küßen 
genau baS gleiche ©timmrecht wie ber Tagelöhner, ber bie 3Ril<h 
einer Kuß, g. Th- für ben eigenen Vebarj, oerarbeiten läßt. Sn 
ben 80 er Saßren beftanb noch mehrfach bie SCbftufung bes ©timm» 
rechts nach ber 3aßl ber Küße. 

«iS baS ©efeß oon 1889 ftrift bie abftimmung nach Köpfen 
forberte, ba würbe bie aenberung, bie baS ©eßwergewitt tßatfät* 
Xich in ben Kleinbefiß legt, in zahlreichen Säßen anftanbslos burt* 
geführt. ©eher bies ©efeß, noch bie Einführung ber bequemen 
§orm ber „©efeflftaft mit befeßränfter Haftung", nach ber wohl 
faum ein Tußenb SMfereien eingerichtet würbe, |at bie glängenbe 
Entmicfelung ber SMfereigenoffenfchaften, bie im ©egentheil auf 
ihre auf ©feitheit ber ©enoffen berußenbe Drganifation ftolg finb, 
gu unterbrechen oermott. Es gab in Teutftlanb eingetragene 
VtoKereigenoffenfchaften: 

1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 

639 731 869 1003 1145 1222 1397 1574 1716 

Sieben ihnen treten bie nicht eingetragenen, freien SMfereigenoffen- 
fchaften je länger ie mehr gurücf. 

Ebenfo liegt bie ©adfje bei aßen anberen Ein- unb Verlaufs* 
genoffenftaften (1898: 1040 Einlaufs- unb 649 fonftige ©enoffen- 
fchaften). ©elbft bei ben großen Unternehmungen ber £ornhäufer 
hat man nicht baran gebaut, burdf) SSaßl eines anberen Organi- 
fationSpringipS bem am meiften Iiefernbeti ©roßgrunbbefiß einen 
erhöhten Einfluß gugugeftehen. Es liegt auf ber £>anb, baß in 
aßen Organifationen, bie ©roß- unb £leinbefiß oerbinben, ber 
Vortheil für ben leßteren relatio größer, baS Vebürfniß für ihn 
bringenber ift. Tie Vegetung beS ©timmrechts forgt bafür, baß 
ihm fein Vortheil ungefchmälert zufließt. TaS trirft g. V. für 
^ornhäufer, 3o^r- unb ©tärfefabrifen, Vferbeguchtgenoffenftaften, 
bie meiften ßßolfereien, ViehoerlaufS- unb ©chlächtereigenoffen- 
ftaften 2 c. gu. 


anbere Sormen ber ©enoffenfehaftsbilbung wirfen aus ft ließ* 
lieh für ben Kleinbetrieb unb fidjern einer Verbmbung oon Heineren 
Vefißern bie geftäftlite Vafition, bie ber große Veftßer oon felber 
hat: g. V. bie flehten baperiften ^ornhäufer, bie fleinen füb- unb 
weftbeutften V^olfereien, ©tweine* 2C. 3 ut hi0 cn °ffenftaften, Selb* 
baf>n-, Treftmaftinengenoffenftaften 2 c. Stot anbere ©enoffen* 
ftaften pflegen befonberS bie Verarbeitung unb ben abfaß oon 
oorwiegenb im Kleinbetrieb gewonnenen Ergeugniffen, wie ©ein, 
Tabaf, $onig, Eiern, Dbft, ©emüfe. 

©enn bte ©enoffenftaften betreffenb Unterritt, arbeitSnat- 
weis, Verfiterung u. a. nicht baS ©leite leiften wie bie frangö- 
fifeßen ©pnbifate, fo liegt baS einfat baran, baß biefe aufgaben 
bei uns bem blüßenben lanbwirthftaftliten VereinSwefeit gu» 
faßen, oon bem fie theilweife recht befriebigenb gelöft werben. 

Tie ©enoffenftaften beftränfen fit barauf, in Ergängung 
ber VereinSthätigfeit oon ben lanbwirthftaftliten angelegenheiten 
nur bie mit bem ©enoffenftaftswefen eng gufammeithängenben gu 
bearbeiten, auf biefem engeren ©ebiet haben fie für auSbreitung 
wirthftaftliter Kenntniffe unb guter ßiteratur oiel gethan. #ier 
haben fie aut umfaffenbe Verfiterung (^enfionS-, ©ittwen-, 
©terbe-, Kranfenfaffe] für ihre VorftanbSmitglieber unb (ca. 12 000) 
Veamten geftaffen, bie Seßteren annähernb bie fogiale Verfolgung 
gewährt, wie fie bie ©taatsbeamten haben. Tie Verfiterung wirb 
tn Verbinbung mit ber einffußreiten Tßätigfeit ber Veamten eine 
neue wirthftaftlidbe Kategorie ftaffen, bie größtentheils neu ge¬ 
ftaffen ift, bie aber aut i n & en felteneren Säßen, wo fie an 
©teße oon eingelnen lebensunfähigen ^anbwerfern (g. V. Väcfer* 
meiftern) unb Kleinhänblem tritt, in weit wünfdjenSwertherer 
fogialer ßage ift, als bie Seute, bie fie erfeßt. 

Dffenbat a. Vt. K. Tßieß. 


Gfadmtffyx ©enoffenftaftsbrnib« Ter prooiforifte Vor* 
ftanb beS ftweigeriftcn ©enoffenftaftSbunbeS, beffen ©rünbung 
eine große Telegirtenoerfammlung oon ©enoffenftaften am 20.2ßärg 
1898 in 3ürit beftloß, erläßt einen aufruf an aße ©irthftafts- 
genoffenftaften ber ©eßweig, in bem er befannt giebt, baß er fit 
feiner aufgabe, ein VunbeSftatut gu entwerfen, untergogen habe 
unb biefeS ©tatut bem auf ben 19. Sebmar nad; dten einberufenen 
fonftituirenben 1. ©enoffenftaftsfongreß gur Veratßung oorlegen 
werbe. Vat bem ©tatutenentwurf begweeft ber ftroeiger. ©enoffen* 
ftaftsbunb bie ©ammlung unb JDrganifation aßer ftioeiger. ©irth- 
ftaftSgenoffenftaften „gur Sörberung ber ©ohlfahrt beS ©troeiger- 
oolfeS unb gur fortftreitenben ©eftaltung feines wirthftaftliten 
ßebenS nat ben ©runbfäßen ber ©ahrhaftigfeit, ©parfamfeit unb 
fogialen ©erettigfeit". Sa^befonbere foß er bie Vecßte ber oer- 
bunbenen ©enoffenftaften in Vegug auf ©efeßgebung, Verwaltung 
unb Stettfpretung oertreten unb fortbilben, unb richtige genoffen* 
ftaftlite ©rutibfäße oerbreiten. Tie VunbeSgwecfe foßen erreitt 
werben burt einen jäßrlit abgußaltenben ©enoffenftaftsfongreß 
unb bie Vieberfeßung eines VunbeSoorftanbS, burt Verausgabe 
eines ©enoffenftaftSblatteS, burt ^en Vetrieb einer ©enoffen* 
ftaftsbanf 2 c. SRitglieber bes VunbeS fönnen fowoßl eingelne 
©irtßftaftsgenoffenftaften, als aut bie Verbänbe folxßcr werben. 
Ta ber Verbanb ©eßweiger Konfumocreine mit einigen 90 ©e* 
noßenftaften unb ca. 70 000 TOitglieöern unb ber Verbanb oft» 
fttoeiger. lanbwirtßftaftliter ©enoffenftaften mit 130 Ver¬ 
einigungen unb 10 000 VUtgliebern entfcßloffen finb, fofort bem 
©enoffenftaftSbunbe beigutreten, jo unterliegt beffen 3 u flanbe- 
fommen feinem Sjoeifel. Vermutblit werben nt aber bem Vunbe 
not eine große Steiße einxelner Konfum-, Vau-, Ärebit», Verßte* 
rungS- unb anberer ©enoffenftaften anfcßließen. 


ttotinitttpfoefett. 


©oßimttgStiiith unb arbeiterßäufer in ©ien. 

Vor Kurgem würbe an biefer ©teße ber flägliten ©oßnungS- 
oerßältniffe ßonbonS*) unb VtuntenS*) aebatt. SJtinbeftenS 
leit ftlimme, wenn fton nicht oiel ärgere 3uftänbe ßerrften in 
iefer Vlnßtl aut ln ©ien, nur baß biefe Uebereinfümmung 
©ienS mit ben großen ©täbten ©efteuropaS in einem gleich 
mittigen fünfte feßlt, in ber 3 ro edniäßigfeit ber abhiilfemaß- 
regeln. Sn ©ien oerfügt man nitt wie in ßonbon über ein 
©efeß „über baS ©oßnen ber arbeitenben Klaffen", unb aut nicht 
über ©oßnungS-Snfpeftorate, wie in eingelnen ©taaten unb 


*) Sh*. 13, ©p. 345 unb 9?i\ 14, 0p. 372 ber „©ogtaleit ^rnrixj". 



515 


©ogiale SßrajiS. ©entralblatt für ©ogtalpoliiif. Sr. 19. 


516 


Stäbten DeutfcfelanbS. Die Berbefferungsbeftrebungen befcferänfen 
fid^ auf einzelne ungureidfeenbe, roenn aucfe gang aut gemeinte An* 
laufe ber prioaten Btofeltbätigfeit. Sadfe ben ©rgebniffen ber lefeten 
BolfSgäfelung im Safere 1890, lebte mefer als ein drittel ber 
Beoölferung SöienS in Btofenumjen, bie, abgefefeen oon Rüdfee (ober 
Borraum), nur aus einem Btofenraum beftanben. 3n 12 435 
Btofenungen (aus 3i mtner o&er Ratnmer ober Rüdfee beftefeenb) 
mürben Damals 90 331 Beroofener ober oier ober nocfe oiefer Be* 
roofener pro ©in*Saum*28ofenung angetroffen. Die eienbeften 95er* 
feältniffe feerrfefeen in beit peripfeerifefeen Begirfen, fo fefer beren 
grofee, no<b unoerbaute Släcfeen unb bie ^erftellung gafelreidfeer 
neuer Dram* unb Stabtbafenlinien bie ©oaeuirung ber ärmeren 
Beoölferung in neue, billigere Btofenfeäufer groecfniäfeiger Anlage 
geftatten mürbe. 

Unter ber für BtofeltfeätigfeitSaKe günftigeren Stimmung beS 
SubiläumSjafereS bemühte man fi(b nun allerbingS, audfe bem 
Btofenelenb SBienS abgubelfen. Slit oerfeältuifemäfeig grofeen 
Mitteln mürbe bie fogenannte „Raifer Örang 3ofef I.*3ubiläumS* 
Stiftung für BolfSroofenungen unb BtofelfafertSeinridfetungen" ins 
Beben gerufen. Slit ben oott ifer nach bem Blufter ber Peabody* 
Käufer aufgufübrenben Btofenfeäufent foH bie Anregung gum Sau 
fepgienifdfe befferer Arbeiterfeänfer geboten, es fott bamit beroiefen 
merben, bafe amb foiefee Slietfesfeäufer bei guter Berroaltung ein 
gang genügenbeS ©rträgnife abroerfen. Die Berroaltung ber 
Stiftung bat feiergu einen gang bebeutenben Baugrunb — mehr 
als 49 000 qm — in gefunber unb groeefmäfeiger Sage, nädfeft ber 
Söiener Stabtbafenftation Dttafring, gu bittigftem greife — baS 
Ouabratmeter um 17 c 4L — erroorben. Dort follen nun Siietfes* 
feäufer gu brei Stocfroerfen, mit brei bis oier gamilienroofenungen 
in jebem StodPmerfe, in ©ruppen aufgefübrt merben. Die ©ruppen* 
anlage foK in ben gufammenftofeenben «^ofräumen bie Bilbung oon 
§auSgärten ermöglichen. 3 ur Stormeibung. ber nidfet blofe aus 
npgienifdfeen ©rünben fdfeäbltcfeen Ueberfiittung ber Btofenungen fott 
Den Blietfeem bie Annafeme oon Sdfelafburfdfeen unb fonftigen 
Aftermietfeern unterfagt merben. Sür baS Btofenbebürfnife lebiger 
Arbeiter unb Arbeiterinnen fott oielmefer burdfe „ßebigenfeeime" 
oorgeforgt merben. Die £>anSanlage mirb in fünf Baugruppen 
burefegefüfert merben. 3n ber ©efammtanlage fotten 6 500—7 000 
$erfonen Saum finben. 3n ber gunätbft geplanten Baugruppe 
mirb Unterfunft für 130 Familien (650 Sßerfonen) geboten. 3m 
„Bebigenfeeim" fotten Rabinete oerfdfeiebener ©röfee, für 1, 2 ober 
3 ^erfonen eingerichtet merben, roobei auf bie oöttige Trennung 
naefe ©efdjlecfetcrn geachtet merben mirb. 

Dafe biefe Subiläumsaftion manchen Bortbeil mit ftdb bringen 
mirb, unterliegt feinem 3roeifel, aber ein roeiter mirfenber ©rfolg 
ift ihr mobf oon oortifeerein oerfagt. Unb fo fann man eS nur 
Bebauern, bafe biefeS grofee 9Rafj an Arbeit unb Agitation nicht 
lieber in ben Dienft fpftematifefeer Sefornt beS BtofenungSroefenS 
geftettt mürbe. 3n 2Sien ift bafür ja noch Alles gu leiften, bort 
ift man über gemiffe oereingelte unb beSbalb fragroürbige, menn 
auch recht gut gemeinte Serfudfje noch immer nicht feinauSgerücft. 
Begeidfenenb in biefer Sichtung ift es, maS ber unlängft auSge- 
gebene DfeätigfeitSberidfet beS Wiener StabtpfepfifateS*), einer 
gemife objeftio benfenben AmtSftette, über baS Wiener Btofenelenb 
fagt: ,,©S bemobnen nicht nur gamilien mit gabireichen Rinbern 
eine nur aus Rüdfee unb 3totmer ober Rüche unb Rabinet be« 
ftebenbe Btofenung, fonbern oft merben Rabinete, ja fogar Rüche 
allein an Familien in Aftermiete abgegeben. Dagu fommen noch 
bie gasreichen Beitgeber, bie oft mit berfelben gamilie in bem* 
felben Saume fefetafen. Bebenft man ferner, bafe häufig in bem* 
felben Saume auch noch gefocht unb geroafdfeen ober irgenb ein 
©eroerbe auSgeübt mirb, bafe babei Die Btofenräume befonberS 
im hinter faft gar nicht gelüftet merben, fo nimmt es nicht 
SSunber, menn bie ©efunbbeitSoerbältniffe ber Seroofener un* 
günftige finb." 

Begüglicfe ber Bauart ber Käufer mirb groar anerfannt, bafe 
bie Seubauten begüglicfe §öfee ber Säume, fomie betreffs ber Öicfet* 
unb fiuftgufufer gegenüber bert alten ©ebäuben einen gortfeferitt 
bebeuten, anbererfeits mirb mit Secfet auf bie oiel gu geringe AuS* 
befenung ber.^öfe im Berfeältnife gur ©ebänbefeöbe, auf bie oft gu meit* 
gefeenbe AuSnufeung beS Saumes, auf baS gu frühe Segiepen ber 
Neubauten („Srocfemoofener") feingeroiefen, unb befeufs ^intanfeal* 

:; 'i Beriefet beS Steuer StabtpfeijfifatcS über feine Aintstfeätigfcit 
imb über bie (^cfinibfeeitSoerbältniffe ber f. f. SeicfeSfeaupt* unb Se|ibeng= 
ftabt BJicu in ben Jafereu 1894- 1896. Aufträge beS ©emeinbe- 
ratfeeö erfmttct oon bem 0Ber = StabtpfepfifuS Dr. Cimil Rammcrer, 
©tabtpfepftfuS Dr. ©regor Scfemib unb StabtpfenfifuS Dr. Abolf 
Löffler. SSien 1898. 


tung biefer fanüären ©efaferen bas 3ufrafttreten einer neuen Bau* 
orbnung bringenb oerlangt. „Sefer ungünjtig gelegen ftnb meift 
bie §auSmeifter*93obnungen, ebenfo beftefeen nodfe oiele feudfete 
Souterrain*9Bofenungen, unb audfe anbere 9Bofenräume merben 
bur<f) ben Aufenthalt gafelreidfeer Stonfcfeen, burefe baS Rodfeen unb 
58afcfeen in ben s Bobnräumen bei mangelhafter ßüftung leicfet 
feucht." ®aS Stabtpfepfifat meift barauf fein, bafe bie folgen 
biefer SSofenungSmifeftänbe fidfe am ftJufften bei ben Rinbern äufeern, 
in allen Berichten roerbe bie fo grofee ,Angafel ber ^uberfulofe*, 
Sfropfeulofe* unb Sfeachitisfälle’bei ben Rinbern ber armen 
Beoölferuncj gunächft biefen Umftänbeit gugefeferieben unb feeroor* 
gefeoben, roie fefer biefe teueren gur rafefeen Berbreitung oon 3u* 
feftionSfranffeeiten beitragen, ©efcfeäbigt burdfe jene Ungunft 
ber 9öofenoerfeältniffe mürben aber auch bie ©rmaefefenen in tferer 
©efunbfeeit unb befonberS bie ^uberfulofe geige in ihrer Ber* 
breitung auf baS ©eutlicfefte ben ©influfe ber fogiaten Berfeältniffe, 
ba fee am ftärfften gerabe in ben oon ber armen Beoölferung be* 
roofenten Begirfen anftrete. 

^aS Wiener Stabtpfepfifat empfiehlt als Siafenafemen gegen 
biefe Uebelftänbe: Strengfte ^anbfeabung ber gegenmärtigen, aller* 
bingS fefer oeralteten Bau orbnung unb balbigfteS 3nfrafttreten 
ber neuen Bauorbnung. ©egen bie Ueberfüttung ber Stofenungen 
fei mit ber ©rridfetung billiger unb bodfe gefunber Arbeiterroofenungen 
oorgugefeen. Aucfe mirb bie nädfetlicfee Rontrole ber ©ofenungen 
unb bie Berbefferung beS poligeiliefeen StelberoefenS oorgefcfelagen. 
Rünftig feätte ber „g>auSmeifter" aucfe alle Scfelafburfcfeen („Bett* 
gefeer") in ©oibeng gu halten, unb in ben poligeiliefeen Sielbegetteln 
märe aucfe bie StofenungSgröfee unb bie genaue Angafel ber 
©ofenungSgenoffen erfidfetlicfe gu machen. 

So gmeefmäfeig unb gut gemeint biefe Borfcfeläge finb, fte 
merben immer mirfungSloS bleiben, fo lange nicht eine mobern 
gebaute Bau* unb SSofenungSorbnung audfe für Defterreidfe 
©eltung erlangt feaben mirb. $)ie Anftrengungen gu ©unften 
einer neuen Bauorbnung finb in 9Bien bislang freilich nodfe immer 
efdfeeitert unb merben roofel aucfe nodfe roeiterfein baran fdfeeitern, 
afe in ben barüber gur ©ntfefeeibung berufenen Rörperfdfeaften ber 
§auSbefife oiel mafegebenber unb einflufereid)er ift, als bie grofee 
Blaffe ber „Keinen" Stietfeer. ^er .^auSbefife füfelt fid) aber burefe 
jebe fealbmegS ftrengere, oom ©eifte ber ©efunbfeeits* unb Arbeiter* 
fcfeufepolitif burefebrungene Bauorbnung in ber fjortbauer feiner 
feofeen ©runbrente gefäferbet unb beSfealb mürbe unb mirb ber ©r* 
lafe neuer Bau* unb BtofenungSoorfcferiften gerabe in SRen, mo 
bie madfefenbe Anfammlung einer fo grofeen Arbeiterbeoölferung 
auf oerfeältnifemäfeig Keinem Saume noefe mefer als anberSroo 
gur 9SobnungSüberfüttung oerleitet, immer mieber feintertrieben, 
fo nötfeig fie gerabe bort märe, ©egen biefe ÜDlifeftänbe roirb man 
nur berart gu Selbe giefeen !önnen, bafe bie gefefetiefee Segelung 
beS Bau* unb BtofenungSroefenS, oor Allem in ben grofeen Stäbten, 
bem SeidfeSratfee übertragen mirb, ba nur bort auf baS nötfeige 
Stofe oon Dbjeftioität fealbmegS gu reefenen ift. 3ft bieS ergielt, 
bann mirb aucfe bie Agitation für ein 3<>nen*©£propriationSgefefe, 
für ftäbtifefee SSofenungSorbnungen, für ©inridfetung oon SSofenungS* 
infpeftoraten, oon ftäbtifcheit SBofenungSnacferoeiSämtern unb 
5BobnungS!omtniffionen niefet mefer fo oeraeblid) fein mie bisher. 
Slit bem ©intritte biefer Sefornten uno ihrer oerftänbnifeoott 
ftrammen Durchführung mirb bann aber aucfe ber gröfete Dfeeil 
beS SBiener Stofenelenbis befeoben fein. B3iirbe bie Agitation in 
biefe Sicfetung einleitfen, bann märe bamit gemife mefer unb in 
roeiterem Rreife geholfen, als bieS oon gemiffeit Dorfogefefeen unb 
*StoferegeIn, roie bem ©efefee über bie Steuerbegünstigung oon 
Arbeiterfeäufern, unb oottenbs oon ber SBiener 3ubiläumS*Stiftung 
gu erroarten ift. 

2öien. |>einricfe Abler. 

Befürbentng beS Baues oon Arbeitenoofenungeu burefe Spar« 
fßffen. Die 3nuaübitätS* unb AlterSoerficfeerungSanftalt ßannooer 
empfiehlt in ihren „Amtlidjen Sacferidjtcn" oom 18. Öanuar ben 
Bau oon Arbeitenoofettuitgen, befonberS lättblidfeer, begm. bie 
©rünbung oon Abbauerftellen in ber Steife gu förbern, bafe bie 
Berfid)erungSanftalten ben Sparfaffen ©elbcr übermeifen, roelcfee 
biefe als Selbftfd)ulbner oermalteit unb bei ber ifenen inneroofenenben 
0rtS* unb Berfonenfeuntuife mit ©rfolg gu biefen 3roecfen aus« 
leifeen fönnten. Die oerfuefete Bilbung oon Baugenoffenfcfeaften 
auf bem ßanbe fei ofene ©rfolg geblieben. Die Sparfaffen merben 
gu einem Serfucfe aufgeforbert. Sicfet mit Unrecht fefereibt bie 
Anftalt: 

„Der otclfad) unb-mit Sccfet beflagtcn ©tituölfcrimg ber länblicfecu 
Begtrlc oon Arbeitern, Fann niefet beffer oorgebcitgt ruerben, als burefe 



617 


Sogiale $rct£t§. ©eutralblatt für Sogialpolitif. Vr. 19. 


619 


Sefthaftmacbung lästiger unb ftrebfamer Arbeiterfamilien in gefunben 
SBobnungen auf einem ©igenthum, beffen Vewirthfcftaftung bie Haus¬ 
haltung erleichtert unb ihnen mit ber SBerttjfdjäfcung bes felbft errungenen 
VefifteS gugleich bie Öiebe gur Heimath ftärft, bie fte in ber §eimatfj 
erhält." 

$>ie Anftalt hat 31 Vaugenoffenfdjaften, Vaugefellfthaften 2 c. 
®arlc^fn gum Sau non Arbeiterwohnung-en gur Verfügung gefteüt. 
SiS gum 31. SDegember 1898 I)at bie Anftalt gum Sau oon 
Arbeiterwohnungen unb ähnlichen, oorwiegenb ber SHaffe ber Set* 
fieberten gu ©ute fommenben Einrichtungen, fowie gur Sefriebigung 
beS lanbmirthfchaftlidjen KrebitBebürfniffeS 8 800380 Ji au£ 
eigenen Mitteln |ergegebeit Stte Anftalt oerbreitet. gugleich glug* 
blätter über bie ©rünbung, ben 3^ecf unb Shtfcen non Sau* 
genoffenfehaften mit befdjränfter Haftpflicht. 

Verein gur gürberung beö ArbeitertoohnungSttJcfenS. 

3m lejjten Vierteljahre mürben, mie in einer Siftung beS Vorftanbes 
in £üffelborf unlängft mitgetheüt worben ift, unter ber HJHtroirfung 
bes Vereint brei Saunereine gegrünbet; bie ©rünbung breier weiterer 
fleht beoor. Aus allen 2h ei fcn ber 9thfinprocing ftnb gasreiche, baS 
ArbeiterwohnungSwefeu betreffenbe Anfragen etngelaufeo, ebenfo aus 
anbereu Sheilen bes Reiches, fomie aus bem AuSlanb (Schweig, Cefter* 
reich, Selgien). 3ur Prüfung einer Reform ber ©ebäubefteuer, ins* 
befonbere in ber Dichtung, bie Steuer für Käufer mit (leinen VJohuungen 
gu oerminbem, mürbe eine Komntiffton gewählt. 3 ur geftftellung non 
Entwürfen gu Kauf* unb Stiethoerträgen mürbe gleichfalls eineKontmiffion 
ernannt. 

gBohtmngSnotf) in Stuttgart 1898« $)a3 Stuttgarter ftatiftifdje 
Amt. befprieftt in feinem Sonemberbericht Har unb entfd^ieben bie 
fogialen Vfiftftänbe beS Stuttgarter V*of)nungSmefenS. Am 3ahrc3* 
enbe ift bie 3af)l Ber eingimmerigett SBopnungen weiter non 10 
auf eine eingige, bie ber groetgimmeriejen non 26 auf 18 gurücf- 
aegangen. ©ine Stabt non 170 000 Etnwohnern hotte fonach gu 
Anfang beS VäinterS nur eine SBobnung mit 1 3iwmer unb nur 
18 mit 2 3immern frei, unb baS bei einem 3«gug, ^ er M SNonat 
für Stonat auf $)ufcenbe beläuft. 9JHt nottem Se<ht weift baS 
Amt auf ben fdjroeren fogialen unb auch fittlichen Staben hin, 
ber ber gugiehenoen gamilie bureb Aufnöthigung größerer unb 
theurerer ^Bohnungen, als ihren Serhältuiffen entfpridjt, non oont* 
herein gugefügt wirb. Schon nor SahreSfrift habe BaS &tnt au f 
Biefe Sdjäben hingemiefen. ©leichwohl hot bie prinate Vautfjätig* 
feit feine Abhülfe gefchaffen. £)ie Neubauten hoben gum Sorrath 
eingimmeriger unbefeftter Vßohnungett gar feine unb gu bem groei* 
gimmeriger SBohnungen nur fünf beigetragen. 2)iefe VSohnungS* 
noth berührt nicht bloft bie „Arbeiterfrage", fonbern gugletdj bie 
Hanbroerferfrage. gür bie SBohnungen mit gewerblichen Säumen 
trifft nämlidh ber gleiche Hebetftanb gu. Unter anberen wirb bie 
Errichtung non oerfchiebenen fBerfftätten unter einem $)a<be, mit 
gemeiufamer Venitftimg oon Stotoren unb fonftiger mafdjineller 
|>ülfSmitteI oorgefdjlagen. ©ine Seffcrung ift nötigen big. ,Mtnn 
ein Heiner ^anowerfer nur in Ausnahmefällen nicht minoeftenS 
6—700 Jf A für SBohnung unb Vkrfftatt 3>af)r um Sohr er* 
fchmingen muft, fo ift er bamit oon oornherein an eine Ausgabe 
gebunben, bie ihm jebe SewegungSfreiheit nimmt, bie auf Soften 
bes Setriebsfapitals einaefpart wirb unb feine Sfonfurreng* unb 
fieiftungSfähigfeit nachhaltig fdjwächt. §och pnb auch bie Stiethen 
für reine.fBohnräume, befonberS in ben Neubauten. 2)ie Seu* 
bauten werben ihrer fogialen Aufgabe, burch Erweiterung beS 
©ohnungSmarfteS bie greife gu oerbitiigen, nicht geregt. Sür 
ein* unb gweigimmerige Söohnungen in Neubauten würben bie 
„horrenben" greife oon 280 begiehungSweife 534 J(. geforbert. 
Unb hi e r berührt baS Amt eine 0rage, bie nachgerabe in allen 
großen Stäbten brennenb wirb, ben unberechtigten ßuyuS in Heinften 
feohnungen. 2)aS Amt fd>reibt; 

5)te Säume ftnb ohne 3meifel biefen greifen entfprechenb aus- 
geftatiet. Aber fte legen ben gamtlien, bte auf berartige fleine 
SBohnungen angeroiefen ftnb, einen einfeittgen SujuS auf, ber nur burch 
©infpareu an anberen nothmenbigen Ausgaben ermöglicht werben fann, 
bamit baS ©leichgewicht beS ^amilienbubgets bauernb ncrfchiebt unb 
tm günftigften 3afle gum Schlafgängermefen unb gur Ueberfüllung führt. 
2 )amit hört meift aber audh bie enttpredjenbe pflege ber Wohnung auf, 
bie um fo foftfpieliger unb geitraubenber J ) wirb, je beffer bie SSopnung 
ift; eS entfielt Schmufc, fchlechtc Stiftung unb geud^tigleit, unb in ber 

J ) ^>ie neuerbingS felbft in ben Heinften SSohnungcn eingeführten 
Aientenböben g. S., bie gur Schanbluttg gett unb Spähne oerlangen, 
ftnb bitnhoiiS ungeeignet für Sohuungen gering bemittelter Seute. An 
ihre Stelle müßte ein allerbittgS fo feft wie möglich gefügter Aufwafdj* 
hoben treten, ber nur SBaffer unb Sattb gitr Steinigung verlangt unb 
ber ©auSfrau, bie reinlich fein möchte, weiter (eine «often oerurfacht. 


nach Strafte, Selicfttung unb 3immergröfte ^iigiertifdh mufterhaft an* 
gelegten SBoftnung wirb fcftiieftlich ungefunb gewohnt, weil baö erftc 
fogiale ©rforbemift für gefunbeS SBoftnen, baS billige SBohtten, oon 
Anfang an nicht gegeben war. 

gn Stuttgart ift baS ftäbtifefte fBohuhouS bie Domäne bes 
©ewerbSmanneS uttb Heinen Rentiers (86 °/o ber §auSbeftfter 
haben nur ein £>guS), währenb ber ©roftgrunbbeftfter nur in ge* 
rtnaem ^rogentfaft oertreten ift (ogl. Sulibericht). 2)aS erfdhmert 
in hohem ©rabe bie fiofung ber SSohnungsfrage in erfprieftlid) 
fogialem Sinne. __ 

£itentttfd)e Än|dgen. 

©rtl, Dr. SKorift unb Dr. Stephan Sidht, baS Ianbwirthfdhaftlijhe 
©enoffenfehaftswefen in ^eutfchlanb: 3n feinen gefammten ©in* 
richtungen unb DrganifationSformen auf ©runblage perfönlicher 
SBahrnehntungen fi)ftematifch bargefteUt unb als §anbbuch für 
bie genoffenfdjafHiebe beftimmt. Bien 1899, aftang’fdje 

§of*SerIagS= unb Unioerf(tätS*Suchhanblung. 332 unb 657 S'. 

Auf 332 Seiten h«t Dr. ßicht bie gettoffenfchaftliche Drganifaüon 
beS länbHchcn ^erfonalfrebitS, auf 657 Seiten Dr. ©rtl bie An* unb 
Serfaufsgenoffenfchaften behanbelt. Seibe entrollen ein treues unb 
reichhaltiges Vilb oon bem gegenwärtigen Stanbe ber gefammten ge* 
noffcnfchaftlidjen Drganifationen in ©eutfdjlaub, baS aßen Verbänben 
unb ©efchäftsgentralen, allen oielfeitig arbeitenben ^h^oretifern unb 
$raftifcrn bes ©enoffenfdjaftSwefenS ein wertljooIIeS ^ülfSmittcl werben 
muft. &aS oielfeitige Material, bas in ben Alten unb ©rueffadjen ber 33er* 
bänbe unb ©enoffenfehaften im Jahrbuch unb in ber „©enoffenf^aftSpreffe" 
bes Allgemeinen VerbanbeS, in VerhanblungSbertchten, infonftigengadjgeü- 
fchriften unb in SageSgeitungen gerftreut fieft finbet, ift gefammelt unb 
georbnet unb als ©runblage fpftematifcher S)arftellung benujjt worben, 
©igene gorfeftungen ber Verfaffer haben bas SÄaterial ergängt. &aS 
werthoolle äBer! oerbient bie wärmfte ©mpfehlung. 

3eitfdhrift für VolISwirthfchaft, Sogialpolittf unb Ver* 
waltung. 

9J7it bem bemnädhft beginnenben VIII. Vatfbe (Sahrgang 1899) 
geht ber Vertag biefer auSgegeichneten, bon ©ugen oon Vöhm*Sawerf, 
Äarl 5lh e oBor oon 3nama*3ternegg unb ©rnft oon wiener heraus* 
gegebenen 3eitfchrtft an bie girma SBtlhelm Vraumütfer, faiferlicft unb 
fönigliche §of* unb Unioerfitätsbuchhänbler, SBten unb Seipgig, über. 
Von nun an werben bie Vänbe in fechs heften — ftatt oier, wie bis* 
her — erteilten. $)ie 3 f itfchrift für Volfswirthfchaft, Sogialpolitif 
unb Verwaltung ift Organ ber ©efcüfcbaft öfterreichifcher VoIfSwirthe 
unb erfreut ftd) tn golge ihrer oortrefflidjen Aebaftion unb bes ge* 
wählten Stabes hrcooreageuber VHtarbeiter einer aufterorbentiieft groften 
Verbreitung. S)aS in türge erfdjeinenbe erfte §eft bes VIII. VanbeS 
bringt u. a. einen bebeutfamen Veitrag oon Vr°Mfo r ©ugen oon 
^hilippooich öber Organifation ber VerufSintereffen, einen Auffaft oon 
Dr. Aobert Vteper: 2)ie erften ©rgebniffe ber $erfonaI*©in!ommenfteuer 
in Oefterreich- ®aS ^eft (ann Durch jebe beffere Vuchhanblung, wie 
auch oon bem Verleger gur Anftcht begogen werben. 

Simff)owttf<b, SBlabimir ©r., ®ie gelbgemeinfchaft in Vuftlanb. 
©in Veitrag gur Sogialgefdjithte unb gur Äenntnift ber gegen¬ 
wärtigen mirthfcbaftlidjen Sage beS rufftfehen VauernftanoeS. 
3ena 1898, ©uftao gifcher. 399 S. 10 

SÖalter, Dr. grang, Sogialpolitif unb SKoral. ©ine 2)arfteHungihres 
VerhältniffeS mit befonberer Vegugnahme auf bie oon $rof. 
SBerner Sombart neueftenS geforberte Unabhängigfeit ber Sogiat* 
politif oon ber SRoral. gretburg t. V., ®eroer’f<he VerlagS- 
buchhanblung. 346 0. $reiS JC 3,eo. 

3eitfdbrift für bie gefammte StaatSmiffenfchaft. 3« Verbin* 
Dung mit bem Oberbürgermeifter g. AbicfeS*granffurt a. SW., 
^räftbent A. Vuchenberger-^arlSrutje, $rof. Dr. Äarl Vüifter* 
öeipgig, Vrof. Dr. ©. ©ohn*©öttingen unb A. h^auSgegeben 
oon Dr. A. Scftäffle, f. f. SWinifter a. 2). 65. 3ah^9- 1. § c ft. 

Tübingen 1899, §. Saupp’fdje Vu^hanblung. 192 S. 

Annals of the American Academy of political and social Science. Vol.XIII. 
No. 1. Philadelphia: American Academy of political and social 
Science; England: P. S. King & Son. Price per Year $6,oo, 
per Number $ J,oo 

Statistische Alededeelingen uitgegewen door het Bureau Yan Statistiek 
der Gemeente Amsterdam. No. 3. De Werklooscheid in eenige 
Yakvereenigingen te Amsterdam in het jaar 1898. Amsterdam 
1899) in comniss. bij Johannes Müller. Prijs fl. O f i&. 

Stiel. Verübt ber $ranfenbauS*ftommiffton über bie Verwaltung unb 
ben Vetrieb ber ftäbtifchen Armen* unb ftranfen-Anftalt unb 
^eSinfeftionSanftalt pro 1897/98. 

Königsberg i. Veridjt über bie Verwaltung unb ben Stanb ber 
©emeinbe=Angetegenheiten pro 1. April 1897/98. 

— £>aupt*Ueberficbt über bie ber Stabt*§auptfaffe in Königsberg i. V- 
gugewiefeuen VerwaltungSgwetge pro 1. April 1897/98. 
Nürnberg. Voranfcblag für ben ©emeinbe*§auShalt ber Stabt Aiirn* 
berg pro 1899. 


BerQntroortafö für bJe »ebafttoti: Dr. örnft brande tn CerUn W., Bagreutfftrftta&c 29 . 


519 ©ojiale Sßraytß. (SentralBIatt für ©osialpolitif. 9?r. 19. 520 

»*5»*ltaU Vravl*" erfdjeint an jcbem ©onnerStag unb ift burdj alle SBudjtjanblungen unb tßoftümter (ißoftjeitungSnunimcr 7072) ju belieben. ©et s ^reiS 
für bafi S3ierteliaf)t ift ÜJ?. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 ißf. ©er Anzeigenpreis ift 60 f)f. für bie breigefpaltene Sßetitjeile. 


Wilhelm Braumüller in Wien und Leipzig. 

K. u. K. Hof- u. Universitäts-Buchhandlung. 


Aus dem Verlage F. Tempsky ist in den meinen übergegangen und erscheint demnächst: 

das erste Heft vom VIII. Bande, 1899, der 

Zeitsch r ift 

für 

Volkswirtschaft, Socialpolitik und Verwaltung*. 

Organ der Gesellschaft österreichischer Volkswirte. 

Herausgegeben von 

Eugen v. Böhm-Bawerk, Karl Theodor v. Inama-Sternegg, Ernst v. Plener. 

-~ Preis per Jahrgang (Band) 20 Mark. ---- 

Von der „Zeitschrift für Volkswirtschaft, Socialpolitik und Verwaltung“ erscheint jährlich ein Band von ca. 40 Druckbogen 
Lex.-8 Ü Umfang, der von nun an in 6 Heften (statt wie bisher 4) zur Ausgabe gelangt. Alle zwei Monate erscheint ein Heft. 

MTi Jede Buchhandlung ist in der Lage, ein Probeheft vorzulegen und nimmt Abonnementsanmeldungen entgegen. 

Wien, Februar 1899. Wilhelm Braumüller. 


H. Bechhold Verlag , Frankfurt a. M., Krame 21. 


Den neuen (III.) Jahrgang 
beginnt am 1 . Januar 1899 

/ tn bedeutend vermehrtem Umfang 

M&Sfft )) DIE UMSCHAU 

' / Übersicht Ober die Fortschritte 
und Bewegungen auf dem Gesamt* 
gebiet der Wissenschaft, Technik, 
Litteratur und Kunst. 

Jährlich 5a Nummern. Illustriert. Preis vierteljährlich M. a.50. 

Mitarbeiter sind u. a.: Prof. Arrhenius, Leo Berg, Dr. du Bois-Reymond, 
Geh. Rat v. Brandt, Gesandter a. D., Prof. Braun (Strasaburgh Prof. 
Brinkmann, Prof. M. Büchner, Felix Dahn, Prof. Dürre, Geh. Rat Ebstein, 
Geh. Rat Eulenburg, Prof. Furtwängler, Prof. Goette, Curt Grottewitz, Prof. 
S. Günther, W. Huggins, Kurd Lasswitz, Justin Mc. Carthv, Meier-Grafe, 
Prof. Meili, Prof. Muther, Prof. v. Oettinfen, Geh. Rat tfrth, Geh. Rat 
Pelman, Prof. Ratzel, Dr. H. Riemann, Prof. Schneegans, Prof. A. Schultz, 
Prof. Schweinfurth, Prof. Sombart, Prof. v. Stengel, Prof. Verworn, Prof. 
Weber (Zürich), Prof. Wiedemann, Prof. Werner, Dr. A. Wirth, Prof 
Wislicenus, Dr. O. Zacharias, Prof. Zickler. 

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Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und die Post. 


Das Ucrhältnis 

— 6t g 

Ucrbraudm der ma$$en 

3 U demjenigen her „meinen ücure“, 
her Di>oljlljaljcnben unb ficidjcn 


.^onberabörum 

auf 

&«niolirr0 
•Jahrbucfj für 
<bef(t3Qrbung je. 


Preig: i «Uliatft. 


marxistische Doktrin. 


R. e. may. 

Xeipji®, 

Oerlag hon ©unditr & ßumblot. 

1899. 


Verlag der Arbeiter - Versorgung. 
A. Troschel in Berlin W. 


Entwurf 

eines 

Invalidenversicherungsgesetzes 

nach den Beschlüssen des Bundesraths. 

Mit Hervorhebung der Abweichungen von dem in Kraft 
befindlichen 

Invaliditäts- und 
Alters - Versicherungsgesetze. 


'Durdi alle Sortimentsbud^anblungen 511 bejte^en: 


TftiUX hon Adolf m Olenckstem. preis 5 in. 20 pf. 
Karl Hl (HX Sitte Stuöic non 6 U$t 3 V 6 r 0 $$. 

Preis 1 m. 80 Pf 



fhn 9. Sebmar 1899 erfefjeint bei S)uncfer & ,f)umbIot in Üeipsig: 

Schriften 5 >es bcutfcbeit Dereins für Hnncnpflegc unb 

40. ®eft: 

Steno^vapfytfcfyev Setricfyt 


58 c r \) rt n b l « n g e n her n rlj i ^ c I) 11 1 c 11 ^ n I) r c ^ 0 c rf n nun I 11 u ü 

des (fmtfrfim Ueceins für jRtmpnpfTrge und JOoliMiätigfteit am 29. uad 30. SeplnnGet 1898 in Jliirnöetg. 

3nl;alt: SBeridjt über bie neuere Gntroicftung bc3 JirmeitroefenS im 3Iu«Ianb. — .fulfe in außerorbcntlidjen iRotftänben. — 3roang». 

maßregeln gegen näf)rpfli<f)tige 9(ngef)örige. — 3>ie roedifelfeitige Unteritii(jung non Dieicfiäangebcngcn in ben cmjelnet 
SBunbeäftaaten. — Gjijtenj-Diinimum in ber ?trmenpflege. — Stnredjnung ber Stiftungen ber 'Prioatroobltptiafeit unb 
Snoalibenrenten. — 3uflu<f)b?ftätten für roeibtidfje f)5erfonen. ?rei* 3 W. 60 $f. 


t tt « Ö 


öerantTDortltcl) fiir Die «lucißrn: pdlmml) Weibel, fceipjiij. — Merlan mm S5uiicfev & Öimiblut, Seipng. 


k'brucfr bet ^ultuS Bittcnfelb. öerliu 




















VUL la^tpaö. 


©erlin, Ben IC. Februar 1899* 


Itnmmer 2Ö. 


Soziale prajts. 

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mit ber 2Ronat«5ellage: 

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©ie ©oaialpolitif in bet Bubgetbebatte 
bet ftanaöftfäen abgeorbnetenfammer. 
©in nationale« Berföbnungßamt in 
englanb. 

©ojialpolitifdje« au« Belgien. 

toftla!* 3 b&2s»c ;.533 

©et läitblid&e arbeitermangel in 

^heufeen. 

Kinberarbeit in fiangenbielau. 
BetriebßWerfftätten im ©ebneiberge* 
werbe. 

Unternehmer unb Arbeitet in bet 
„Übernfe • eifenmetf« unb «Schiffsbau* 
HefeHfdjaft" au Sonbon. 

Fair Wages in englanb. 

tt**tttc«bc»ct«iig.536 

ßur Bewegung untet ben £afen* 
aibeitern in Hamburg. 

©emeinfame eingabe bet tartftreuen 
©tinaipale unb ©ehilfen bet Bu$* 
btudeteien in Reffen. 

Born Jhefelbct «Sammetweberfireif. 
3lu« bet englifeben arbeiterbeweguug. 
©ie ©ewerfneteinß&etbönbe in ©ng« 
lanb. 

Beilegung eine« ©treif« in bet 
@<hweia. 

©mente Borbereitungen a«m ©encral* 
ftteil in granfreidj. 

««»etterf*»*.538 

©ie ^a^reSbeTic^te bet ga» 
btffen* unb ©ewerbe*3nfpef* 
toten Bahern« föt 1898. 

©ie Organifation unterer auffitbtß* 
beamten in ben preujjiföen Berg* 
werfen. 

Betorbnung übet bie Befdjäftigung 
frembfprad)lid)er arbeitet im ©ort* 
munbet BetgamtSbeaitf. 


Söeiblid&e afpftena bei bet ©ewerbe* 
auffitbt in SBürttemberg. 
©ifenbahnarbeiterfthub in Defterreidj. 

ttrbetterbetfUbenuta. ©parfalt eit 542 
©ie Beratung bet SnoalibitötSoer* 
fuhetungSnooelle im SReidjßtage. 

©ie Befcblöffe bet Bettreter bet 
beutfeben Berfuberungßanftalten a u 
bet Sntmlibitötßnooefle. 

Befölüffe bet rheinifd) • wefifölifdjen 
©ro&lnbuftrietten a uT SnöaiibitätS* 
öerfi<berung«noöelle. 
Ätanfenoerfitberung bet ftäbtifchen 
arbeitet in Berlin. 

©a« aitet«betfotgung«gefeb in SReu* 
feelanb. 

9trbet*«isftdM»eif.544 

außfdjufefifcung be« Betbanbe« beut* 
febet arbeit«na<bweife. 

©treif*Klaufel bet ßüritber Rltheit«* 
bötfe. 

Kommunaler arbeitßnaebwei« in 
Sonbon. 

KSoblfnbtffeitttidÜnngai .... 545 
Sftedjtßftbubbureau für Unbemittelte in 
Berlin. 

©penben ber beutfäen aftiengefett* 
fünften föt arbeitet. 
4?elferfommiffion bet Kieler ©efett* 
f<baft freiwilliget armenfteunbe 1873 
bl« 1898. 

SRaturalüerpflegungßwefen in bet 
©tbroeia. 

©ettofTenfdjaftßWefe*.547 

©et Konfum*, Ban* unb ©patbereln 
„Sßrobuftion" in Hamburg. 

©ie ftatfe ßunabme ber lanbwittb* 
f (baftlicben ©enoffenf<haften in ©eutfdj* 
ianb. 

©in ©enoffenf(baft«reftaurant in ©ifon. 


.547 

©obnung«notb in £örbe. 

©rbauung oon Kleinwohnungen föt 
Subwigöhafen a. 8th. 

©atUle $bg(cne ...548 


©^Gelegenheit für Betföufetinnen in 
Sabengefcböften. 

aifoboli«mu« unb ©tetblicbfeit. 
Befcbranfung ber £elrat«föb»flfcit in 
amerifa. 

©Mtattipfttlf©« fftaftnaftisttt Im ©«• 


Ufttitotltu .549 

arbeiteraüge in ßonbon. 

8ttt(mif4|e 9ta§cttcii.549 


abbtud ffimmtlicber artifel ift Qeitun%m unb ßeitftbriften geftattet, jeboeb nur 
mit oottet Quellenangabe. 


IBEltmad)tpolitik unb Sojialrtforra. 


i. 

®em ©cfd^i^teforfc^cr bcr öer ftrf) mit ben gro|ert 

Strömungen im $)eutfd)lanb be« 19. Sa^r^unbert« befdfäftigt, wirb 
ftd^ eine Söeobad)tung Har barftellen unb al« etwa« S&aturnotf)* 
roenbige« erffeinen, roelcf)e mir Ijeute nielfad^ al« ein ^robuft be« 
Slugenblicf« anfe^en unb ba^er in i^ren magren Urfadjen ner* 
fennen. 

©rft feit 1833 fann überhaupt non einem 2)eutfd§lanb at« 
nationalöfonomif(f)en SBegrtff gefprod)en merben. S)er QoVl* 
nerein fcfiuf bie nationalmirtbfcbaftiicbe ©infjeit, beren bisherige« 
Seelen Sriebrirf) £ift mit bem Bilbe be« „menf<f)lidjen Körper«" 
nerglid^, „bem jebe« ©lieb unterbunben mirb, bamit ba« Blut ja 
nid)t in ein anbere« überfliege." 

Sn ben 40 er folgt gunad^ft ein Streben na<$ äufeerer 

Entfaltung im fosial* unb mirt^f^aft«politif(^en 3ntereffe. Slu«- 
manberung«oereine, 8rtottengrünbung«ptäne, Kolonialtraume ent¬ 
fielen, bleiben aber oljne Erfolg, roeil bie politifdfe Einheit fe^lt. 
S)a« 3a^r 1848 fud)t lefetere unb glei^jeitig bie ©runblagen gu 
äußeren Borftöfeen gu fc^affen, e« ftrebt nad) einer innerpolitifd^en 
Sfceuoerfaffung mit foiialer Bto<|)tüerfif)iebung. 

®a« S(|eitent ber organifatorif^ auf unnötigen Borau«- 
feftungen berubenben Bemegung bringt eine unglüdltdEje ge^njä^rige 
Stocfung. 2)ie 60er Sobre gehören rnieber oer äußeren ^oliti^ 
bie non bem 2lu«bau be« inneren Berfaffung«leben« bei ber 
©rünbung be« Bunbe« unb SReid^e« abgelöft mirb. 3m nunmehr 
roiribfcbaftiiib unb politifib gufammengefafjten SReid^ regt ptb erft 
fdjüdbtern bie Sogialreform, beren Segel ber ftarfe SBinb be« neuen 
mirtpfcbaft«politif(ben Kurfe« gegen 1880 mit gu blähen beginnt. 

Eine aoermalige Stagnation gegen Enbe ber 80 er 3u^ c mürbe 
t>iel!eid)t beffer bureb eine ba« innere Berfaffung«leben au«bauenbe 
Sßeriobe erfefet roorben fein, beren Q?el)len au« ber ST^atfad^e ber 
übermiegenben ©eifte«!raft Bi«mardP« unb be« mangelnben Ber- 
ftänbniffe« bei ben eingelnen Parteien gmar erflärt, aber barum 
bod(j noc^ auf längere 3^1 ul« ßücfe empfunben merben mirb. 
$)ann abermal« eine fräftige fogialreformatorifd)e Slera gu Slnfang, 
Su«bau ber ^>anbel«polittf gegen BHtte ber 90er 3^* unb 
neuerbing« fdE)he&li(f) rnieber entfdjiebenere« Betonen ber Erforber- 
niffe einer ermeiterten Biad^tpolitif nai^ au&en. 

2)iefer 2öedE)fel groifc^en bem jemeiligen 3^ be« Slugenblid« 
ift nidjt nur ®eutfdt)Ianb eigentpmlid), fonbem in äljniidjer SBeife 
audb in ben anberen Staaten, oor 5lllem bem aufftrebenben Eng- 
lano unb Amerifa, in biefem 3u^l)unbert ma^rnebmbar gemefen. 
23o e« oorgeftern ^iefe: mir müffen unfer Berfaffung«leben au«- 
bauen! I)ief 3 e« geftern: mir müffen gielberou&te Sßirtbfd)aft«poIilif 
treiben: |eute ftefjt bie Biacbtpolitif im Borbergrunbe unb morgen 
gilt e« ber SogialpolitÜ! 3u einem gefunben Staate ift e« eben 
erforberlid), bafe alle biefe 5 r U9 e u eine entfpreebenbe Bcrtretung 
unb jemeilige Berüdffid^tigung finben, mag fidj bie Agitation in bie 
formen Hetben, ba| ber Bkltpotitifer erflärt: bie 3eit ber äufeeren 
Biad^tpolitif ift ooriiber, bie 3ufunft gehört ber B3irtbfibaft«politif! 
ober mag ber Sogialreformer fagen, bie 2Birtl)id)aft«politif fömte 

















524 


523 ©imnlc PrartS. ©cntralblatt für Sogialpolitit. 9?r. 2(). 


nur noß unter bem ©efißtSpunkte ber Sogialpolitik betrieben 
roerben; ober mag man ben SSerfaffungöpolitifer bureß fogiale unb 
roirtßfßaftliße Sntereffenoertreter erfeßen rooHen, — für ben Staat 
als ©angeS kommt eS barauf an, baß jebe ber oerfcßiebenen 
Stiftungen in längeren Perioben entfpreßenbe 93erüefficßtigungen 
finbet. 

Snt Kampfe, ber ftß um ^Reformen auf ben oerfßiebenen 
©ebieten abfpielt, roerfen bann bie Vertreter ber eingelnen Stanb* 
punfte fiß gegenfettig mit Vorliebe oor, baß fte bes nötigen faß* 
lißen ©rnftes ermangeln unb g. 93. 9BirtßfßaftSpolitikcr aus 
brutalem ©goiSmuS, 93erfaffungSreß tler aus Doktrinarismus, So* 
gialpolitiker aus Koketterie ober S&eologie, Maßtpolitiker aus 
Kolonialfßroärmerei, als MarinefportSleute ober müitariftifße 
fiiebebiener feien. 

Die SpannungSoerßältniffe, ber ßoße Druck in ber Sltmo* 
fpßäre, unter roelß em fi(ß ber große ökonomifß*politifße Progeß 
ber Einigung eines Pfeils ber in Mitteleuropa angefiebelten 
germanifßen ©ruppen erft oor Bürgern oollgogen §at, ßaben noß 
tmmer bie Steigung gu mannigfaltiger ©erottterbilbung befielen 
laffen. ©ine SluSgleißung ber (Strömungen ift noß teineSroegS 
erfolgt. Unb namentliß ßinftßtliß gtoeter fragen, Sogialpolitik 
unb äußere Maßtpolitik, ßäufen fiß noß bie bem 2luSgleiß roiber* 
ftrebenben ©letnente um groei oerfßiebeite Pole: 

9luS ben Klaffen, roelße ein Sntereffe baran ßaben, ber 
Sogialreform entgegengutreten, gruppirt fiß ein erheblicher Dßeil 
um baS 93anner ber Maßtpolitik naß außen Die |>auptinter* 
effenten an einer energifßen Sogialreform, nämliß bie Arbeiter, 
geriren fiß umgekeßrt als Ungläubige gegenüber benjenigen, bie 
oon ber SRotßroenbigkeit einer größeren äußeren Staatspolitik auf 
oom Stanbpunkt ber fogialen prajis aus reben. 

3u ©unften ber ©efammtßeit beS 93olkes empfiehlt eS fiß, 
auf biellrfaßen ßierfür kritifß näßer eingugeßen, um aisbann bie 
93ereßtigung ber oerfdjiebenen Stellungnaßmen unb bie Kon* 
fequengen für bie ©efammtßeit klarer überfeßen gu können. 

Die ©egner ber Sogialreform fißen im agrarifßen unb im 
großinbuftriellen Säger foroie bei einem Dßeil ber ©roßfinangierS, 
in geroiffen klaffen beS fogenannteu liberalen 93ürgertßuntS unb 
in einigen ©ruppen ber Sureautratie. Die ©roßinbuftrieden unb 
Slgrarier, fomeit fie gu ben ©egnern geßören, fßeinen angitneßmen, 
baß eS fieß für fte empfiehlt, nißt jenem 93eifpiel ber euglifeßen 
©ntroickelung naßguaßmeit, roo in ben 30er bis 50er Saßren 
gnbuftrie unb 2lckerbau fiß gegenfeitig im Parlament geroiffe 
roirtßfßaftliße unb fogialpolitijße ©efeße auferlegten, bie bem 
anbern Dßeil unerroünfßt kamen, roenngleiß fie bas ©efaimnt* 
rooßl förberten. $ier feßeint man gu glauben, baß ein gegen« 
fcitigeS §änbemafcßen bureß roirtßfßaftliße unb fogialpolitifße 
Kongeffionen untereinanber geeignet fein wirb, unerfreuliche Maß* 
naßmen auf beiben Seiten ßintanguß alten. Daß eS für ben Staat 
als ©efammtßeit ßeutigen DageS eine fßroere Sßäbigung be* 
beuten mürbe, menn biefe ober jene Snter effenten klaffe eine ißrer 
ßeutigen fogialen Stellung unb Stotßmenbigkeit nießt entfpreeßenbe 
fortgefeßte Sörberung erfüßre, baS glaubt man nißt unb roill man 
nießt feßen, roäßrenb man für bie maßgebenbe Stelle biefe Seite beS 
SSerßaltenS bureß bie Setonung eines befonberen Patriotismus gu 
oerßüllen fueßt — ein,Patriotismus, ber bann natürließ fieß als ben 
päcßter ber ftaatSerßaltenben unb ftaatsförbernben 3been gegen« 
über anberen Slnfißten unb gntereffen ßerauSguftreicßen fueßt. 
Man mill bie Slnfeßaumtg oerbreiten, baß bie 3utunft bes Staates 
auf feinen anberen klaffen berußen kann als benjenigen ber ©roß* 
probugenten. 

$aß ber erften Stiftung foK ßieriit teineSroegS ein Dabei liegen. 
©S roiberfprißt ber ßeutigen Huffaffung oom 2£e)en beS Staats, oon 
einer Rlaffe gu oerlangen, baß fie fieß mit feinen 3medten ibentißgiren 
foll, menn fie ißr übermiegenb gum 9iacßtßeil gereifen. Qm ßeutigen, 
für bie ©efammtßeit gleicßmäßig befteßenben ©emeinmefen allgemeiner 
9iecßte unb Pflicßten muß Seber baS ßöcßfte s JÜc'aß oon perfönlicßen 
unb Älaffenoortßeilen erftreben bürfen, bie er ohne Scßäbigung ber 
©efammtßeit erringen kann. SlnberS liegt es ßinfid)tlidj ber Betonung 
auSfcßließlicßer Staatstreue, bie befanntlid) uidjt nur gegen folcße, 
bie an ber ßerrfeßenben Staats* unb ©efellftßaftsform irgeub etmaS 
auSgufeßen finben, einen 93anuftraßl gu fd)lenbern fud)t, fonbern 
feßou gegen Sfbmeidjungen oon ber als politifcß«ortßobo;r an* 
erkannten Sluffaffung im ©ingelneit. So ift bem Sanbmirtß bereits 
ber ©roßfinangier unb eigentlich au<ß ber ©roßinbuftrielle fein 
gang oollmertßiger SunbeSgenoffe, felbft menn biefe faft alle i^eßr* 
fäße feines poiitifeßen ©laubenSbefenntniffeS unterfeßreiben. SDer 
©roßfinangier feinerfeit» aber fteßt aus benfelben ©rünben ßeute 
meßr gu biefen SRacßbarn als früßer. perfönlitß ift ißm bie 


Sogialreform unb bie ©ntmitfelung ber Diaffen iubifferent. ^)ie 
fogialiftifeßen Angriffe aber laffen ißn gelegentlicß natß einem Scßuß 
bei jenen Parteien fließen, benen er aus feinem mancßefterlicßen 
9lnfd)auungSfreife ßerauS grunbfäßließ ebenfo ableßnenb gegenüber 
fteßt, mie fie ißm. ©r geßört eben ber fogenannteu liberalen 
Scßule an, bie fonft oielfacß baS mittlere 93iirgertßum beßerrfeßt, 
unb glaubt mit ißr, baß ber Staat bie fogialen Aufgaben eben* 
forooßl bureß eine 93efcßränfung beS ©ebanfcnfreifeS auf ben 
ßeutigen ^ag beliebigen fann, mie bem einzelnen Kaufmann feine 
Unterneßmungen im fleineit Greife am beften glüefen, menn er nießt 
gu meit ßinauSbenft. 3n ber 93ureaufratic feßließließ giebt es einen 
großen SUigel, meleßer für biefe felbft mie für bie meitere ©nt* 
roicfelung beS fianbeS barum eine nennenSroertße ©efaßr bebeutet, 
meil er fieß bamit begnügt, Selbftgroeef gu fein unb oor 9lHem 
barauf benft, jeben ©ingriff in ißre „füßrenbe" Stellung fern gu 
ßalten, oßnc barum an einer Umformung beS HnfcßauungS* unb 
ÄufgabenfreifcS gu arbeiten. 

9llle biefe leßteren ©ruppen fteHen ßeute meßr ober roeuiger 
autmillig ein Kontingent für bie Stiißung beS Staates in ber 
ätießtung ber äußeren Sftacßtpolitif, bur^aus nießt immer aus ber 
Uebergeugung ßerauS, baß fie bamit baS Sftecßte moHen, fonbern 
um fidj fo anbere unbequeme $>inge oom Öeibe gu ßalten. 

9kur eingefprengte Petrefakte ber fogenannteu extrem frei* 
finnigen ©ruppe fmb gleichseitig erflärte ©egner oon Sogialreform 
unb s JO?acßtpolitik. Db eS namentlich geroiffen 3n?eigen ber 93ureau* 
fratie, bie noeß ber älteren Scßule entflammen, mit ber Hinneigung 
gu ben neuen 3i e lcn ber Staatspolitik ernft ift, ober in mie meit 
fie bureß inneren unb paffioen 9£iberftanb fieß betßätigen uitb 
nur bem feßarfen oon oben meßeitben 9Binb, fomeit notßrocnbig, 
naeßgeben, mag baßingeftellt bleiben. SDaß fieß bie mirfließe lieber* 
i geugung oon ber unabmeisbaren 9?otßmenbigfeit beS „neuen KurfeS 
j naeß außen" auf ©runblage klarer ©rfenntniß ber Xßatfaeßeti gu 
oerbreiten beginnt, ift erft ein ©reiguiß ber jüngften 5Bergangenßeit. 

©S fott keineSmegS gefagt merben, baß eS lebigließ perfönlidje 
Sntereffen fmb, bie biefe ober jene ©ruppe ben Slnßängem ber 
9D2adßtpolitik ober ben ©egnern ber Sogialpolitik gugetrieben haben. 

©S giebt ^eute, bereu Intellekt nießt auSreießt, bie llnmögließ* 
keit ber Politik beS ©eßenlaffenS im ©ebiet ber Sogialpolitik ein* 
gufeßen, unb es ift umgekehrt geroiß nidjt nur Sntereffenpolitif, bie 
mie in anberen i^änbern fo in SDeutfcßlanb eine „imperialiftifeße" 
SRicßtung befürroortet. 3m ©egentßeil giebt es breite Scßießten, bei 
melden baS ©efüßl oon ber SRotßroenbigkeit eines foleßen s ^BorgeßenS 
aud) aus anberen ©rünben, als benen beS perfönlicßen Klaffen* 
in tintereff eS entftanb, bei benen mirkliß ftaatSmännifße unb nationale 
©rmägungen oorroiegen. 9kur roirb eine eingeßenbe Prüfung in 
ber Sl’egef gu ber ©rfenntniß füßren, baß bie mirkliß im ©efammt* 
intereffe patriotifß benkenben ßeute auß bem Ausbau ber inneren 
©efellfßaftSorbnung in einer ben ©rforberniffen ber ©efammtßeit 
entfprcdjenben 3öeife guftreben. 

2)er anbere Pol, ber Mittelpunkt ber auSgefproeßenen ©egner 
einer äußeren Maßtpolitif, fammelt neben ben bereits ermäßnten 
©genannten ©|tremliberalen ober 93olkSparteileru oor allem bie 
Sogialbemokratie. 

93ei ben ©ytremliberalen ßat fiß bie Sßatfaße ja allgemein 
gegeigt, baß fie ßeute, naßbein ein großer Sßcil ber gorberungen 
ißrer Slltoorbern erfüllt ift, oielfad) unfäßig finb, fieß unb ißr 
Senken in neue 93aßnen ber gortentmiefelung ßineingufügen. Mit 
Steßt ßat ißre politifße 93ertrctung ben 9©men Sörtfßrittspartei 
abgelegt uitb ein neues Sßilb auSgeßängt, roeldjeS auf bie geiftige 
SBerrocnibtfßaft mit ben gleißgefinntcn ©lementen bes SübmeftenS 
ßinroeift. ^>ie Sluffaffung beiber ift bie ©enkmeife ber Demokraten 
gut 3 e ^ ^eutfßen ^unbeStageS. ßäge bie ©ntfßeibung bei 
ißnen, fo mürbe überall baS $Hab ber ©ntroieflung abgeftoppt unb 
bie 9Mt für alle 3«it in einen politifßen unb mirtßfd^aftlielien 3» s 
ftanb ßineingebraßt, ber ben Sntereffen unb Qbealen ber liberalen 
Deutfßen, ©ngläuber unb Srangofen ber oiergiaer unb fünfziger 
3aßre entfpraß. ©S ift ßößft begeidjneiib für bie ©ntmieklungS* 
ftufe beS englifßen gegenüber bem beutfßen politifd)en ßebeu, baß 
in elfterem ßanbe burß ben offigiellen SHiieftritt 9SiÜiam §nrcourts 
unb Soßn MorleqS oon ber politifrf)cn ßeitnng fid) ber liberalen 
Partei §emmniffe freimiHig aus bem 9öege räumen, melße ißr 
fonft ein SSicberaufleben unmögliß gemaßt ßätten. Der politifeße 
Sinn ift bort genügenb entroicfelt, um benjenigen, ber fiß einer 
neueren nidjt meßr gemaßfen fiißlt, als eine notßmenbige Kon* 
fequeng ben freimifligen 9tücftritt aufguerlegcn. Qu Deutfeßlanb 
aber ift bas pfaßlbürgertßum an meßreren SteHeu noß mäeßtig 
genug, menn auß nur mit Hilfe anberer Parteien, eine 93er« 
tretung gu fdjaffen, ber bie 9iotßmenbigkeit neuer 3been erfpart bleibt. 





(Soziale $raj:tS. ©cntralblatt für Sogtalpolitil. Dr. 20. 


526 


2 )ie Sogialbemofratic anbererfeits ftebt tyute ja im ©angen 
noch anfebeinenb oollfommen ablebnenb gegenüber ber ©eltmacbt* 
politif. tinb bat fie fief) baS ©ort „Sogialreform" aud) nott)* 
gebrungen allmählich aneignen unb ftärfer in ben SBorbergrunb 
fteHen müffen, fo ift einer ifjrer gliigel ihr auf biefem ©ege boeb 
nur ^ödjft ungern gefolgt. ©S !ann eingehender SBeacbtung nid^t 
entgegen, baß in ben älteren fogialbcmofratifcben X^eoretifern unb 
^olitifern ein gut X^eil Laisser-faire*Apoftel fteefte unb in einer 
ißrer gütigen roiffenfcbaftlicben Dichtungen noch fteeft. $ie Datur- 
notbroenbigfeit, mit melier bie Heiteren ben „großen Stlabberabatfd)" 
berannaben faben, mar im ©ruttbe eine aus bem phpfiofratifeben 
gbeenfreife unb auch aus ber englifdßen Auffaffung ber 40er unb 
50er Sa^re entlehnte Anfcbauung oon ber Unoermeiblicbfeit ber 
©ntroicfelung unb bemgemäß oon ber Dicßtigfeit beS ©ebenlaffenS. 
(SS lag mof)l auch baS ©efüßl ber eigenen Ungulänglicbfeit in ber 
Dichtung praftifeben ©ingreifenS mit unter. 

3#rer innern Datur nach maren bieS gleit!) oeranlagte 'perfön* 
lidfjfeiten roie bie fogenannten alten gortfcbrittsleute, fie haben 
eine ähnliche geiftige Struftur, nur eine anbere gbealoorftellung 
binficbtlidf) beS 3iete ber ©ntroicfelung. $)aß man bureb eine 
roirffame Politif etroae erreichen fönne, ja, baß eine Deilje oon 
fachgemäßen, politifeben SRaßnabmen, fonfequent burefogefübrt, bie 
£euoengen ber ©ntroicfelung beeinfluffen ober fogar ablenfen fann, 
ebemifebe ©irfungert im fokalen ©ntroicfelungSprogeß gu erzeugen 
oertnag, oermögen beibe 2l)eile nicf)t eingufeben. Sie haben jene 
burdbauS meebanifebe ©eltanfcbauung beS fogenannten AufflärungS* 
geitalterS; oon ben Anfcbauitngen, roeldje ©nglanb burctjtränften 
unb auch einen Dicarbo im liberalen £ager erhielten, nabmen $arl 
Dtarr unb feine Anhänger unberoußt jene Steile mit hinüber, bie 
fitb auf bie ^Ü?öglicf)feit unb bie Setbätigung politifeber unb fiaat* 
ltd)er Eingriffe flogen. $)ie ©inen fagten: „5Ran foE nitbt ein* 
greifen", unb bie Anberen: „3Ran fann nicht eingreifen." $)aS 
Defultat mar baffelbe. 

Hber bieS ift bodb nur ber eine glügel in ber fogialbemo* 
fratifeben Partei. ©ie bereits mehrfach in biefen SBIättem auSge* 
führt, ift bie roaebfenbe ©ruppe ber jüngeren auf bem ©eg 311 
praftifeberem SSorgeben. 

$er Dicberbrudj rcicbtigfter unb gruublegenber SBeftanbtbeile 
beS marfiftifeben SpftemS — natürlich mirb jeher niebergebroebene 
£beil gunäcbft oon ben Dabeftebenben für etmaS HnroefentlicbeS 
erflärt — ift eine unroiberrnflicbe STbatfacbe, unb bie ©rfenntniß 
bieroon, bie Slritif an ber Stritif, f(breitet fort. 2>aS eherne &obn* 
gefeß, bie Theorie 00 m inneren 'IRarfte, bie SSerelenbungStbeorie, 
bie Stäbe beS großen SflabberabatfdjeS, alles ift bereite oon ben 
maßgebenben perfönlirfjfeiten aufgegeben, neuerbings noch bat'JRai) 
bie marriftifebe &b cor i c üon frer ^ertbeilung oon SolfSeinfommen 
unb Sfonfumtion roiberlegt. 3 ur 3 e it, als Ießtere auSgefprocben 
mürbe, mag fie ber ©arirbeit näher gefommen fein, als b eu te. 
2)ie gortentroicfelung beS roirthfcbaftlicben pro^effeö aber bat eben 
in anberer Dichtung ftattgefunben, als man ermartete, unb bie 
©infommenSptjramioe fidf) nicht oerfpißt, fonbern abgeftumpft. 

5Die praftifeben Defultate ber bisher burebgefübrten £beile ber 
Sogialreform unb ihre ©irfung auf bie Dtoffen haben ebenfo 
roirffam in ber 0tiEe gearbeitet, mie bie äufeere ^ritif unb baS 
$)enfen ber benffähigen vlnljänger, um bie ablebnenbe öaltung gegen 
praftifebe ^beilnabme au SRefornteu auf Politikern 2£ege fcbmäcber 
roerben 3 U laffen. Dbue am 'Bebftubl 3 U arbeiten unb feine £>anb* 
babung 3 U fennen, fann man auch bem (Seift ber neuen 3eit fein 
(Seroanb meben — baS ift baS Sacit, baS eine mehr als 30jährige 
politifebe Xbätigfcit ber Partei bie jüngeren Rubrer gelehrt unb in 
ihnen eine fyöfycvc Sl^tung oor ber polttif er 3 eugt bab als man in 
jener früheren (fpocfjc b e 9 * e - Sontbart bat oor sroei fahren 
barauf biu 0 cmiefeu, baß man beseiebnenber Seife Sab^ebnte lang 
fein fiebrbuch ber politif gefdbaffen, ihr 2 tubium oernaebläffigt 
habe. ^)ie TOglicbfeiten ber politif fteüten ficb eben ben Hugen 
ber 3 e it als oerbältnißmäfeig gering unb unbebeutenb bar. 

SaS im Snnern bereits ftärfer 3U Sage tritt, ift f)iniicfjtlid^ 
beS 3leu6eren in ber beutfeben 0O3ialbetnofratie nod) rubiineutärer. 
0o3ialreformatorifcb ift fie bereits euergifdjer 3iir Mitarbeit be* 
reit, als 3U praftifeber ITnterftiifeung äußeren J^orgelienS. 0ie 
ftebt barin abennalS hinter ben cnglifdjen Aabicrn um ein 
(SrbeblicbeS 3urücf unb felbft bie jiingften SluSfübrungen beS 
rabifalften englifcbett 0o3ialiften $ tj n b m a n im „S^ormärtS" 
(5. Sannar) jeugen oon einem meitereu Tvortfcbritt ber l*rfenntni{j 
äußerer politifeber Vlufgaben unb 3iele innerhalb ber cugliken, 
ai* fie bei ben f03iaIbem0fratifd;eu Scrtretent ber bentfdjeu 
Hrbeiterfcfjaft 31t fiuben finb. 


Steuere SluSfübtungen einjelner Sübrer über ben inneren 
SRarft, bie $anbelSpolitif, bas SÄilijroefen, bie überfeeifebe politif 
laffen aber gleichfalls einen fortfebreitenben SBanbel erfennen. 
9)tan beginnt bie Gefahren für ben beutfehen Arbeiter,. baS ganje 
SSolf gu ermeffen, bie barin liegen, menn bi er uerfaumt mürbe, 
maS anbere Sänber in gunebmenoen 9)tabe t|un. 

©teilen mir uns bie Srage, mie immer mir motten, rein 
tbeoretifdj ober praftifch, es mirb immer flar merben müffen, baß 
bie 0 trömungen, bie hier unb ba als ©egenfäjjlicbfeiten fidf) 
gegenüber treten, unocrmeiblid^e Korrelate für einen gebeiblicben 
tjortfebritt ber ©efammtbeit bebeuten. 3 n ber blutigen 3 e tt, in 
ber fiage S)eutfdf)lanbS — unb ohne geitliche unb räumliche 
Elemente fann man feinerlei menfdblichen Gingen gu Seibe geben 
— finb bie ^Fortführung ber 0 ogialreform unb bie ener* 
gifdbe Setretung ber »ahnen ber 3 $eltmad)tpolitif un* 
gertrennlidfje gunftionen ein unb beffelben gaftorS ber 
©ntmicfelung. 3 nt nationalen SSettftreit muß ^>eutfdblanb fuh 
in beiben Dichtungen betbätigen ober es oerliert bie SRöglicbfeit 
beS gleicbmertbigen gortfcbreitenS mit ben Hnbern. ©elingt es 
nicht, beibe in eine bösere ©inbeit gu oerfdbmelgen unb auf 
beiben 0 eiten ©rfolge gu ergielen, fp mirb beim beutfeben SSolfe 
in ber 3 l ^ u aft nicht mehr baS Dedbt ber 0elb}tbeftimmung 
feiner inneren unb äußeren Politif liegen, fonbern biefe mirb oon 
anberen internationalen gaftoren biftirt merben, oon unmiber* 
fteblicben ©inflüffen, fei eS oon Sßeften, fei eS oon Dften her, 
benen aber gemiß unfer SBobl unb uitfere Slrt nicht bie hoffte 
0 orge fein mirb. 

Serlin. ©rnft oon §alle. 


$tiUfta»b unb nfidtrdjrm In ber «fürforge für 
Arbeite- nnb ®bbad)Iorc. 


2 )er roürttembergifcbe Amtsrichter Dr. Sertfcb feßrieb oor 
einigen gabren in feiner trefflichen Abbanblung über Sanbftreicberei 
unb iöcttcO (£ # aupp*$iibingeit) im Anfcbluß an eine 0 cbiIberung 
beS umfaffenben unb tiefgreifenben gürforgefpftemS für arbeitslofe 
Söanbcrer, roie es in ben SSerbänben ber Verbergen gur ^eimatf)/ 
SerpflegungSftationen unb Arbeiterfolonien ®eutfdf)lanbS b er auS* 
gearbeitet unb größtentbcilS als gmeefmäßig unb erfolgreich erprobt 
morben mar: SRan fießt, mie ©roßeS bie greiroilligfeit feßon ge* 
leiftet bat; man fießt aber auch, baß fie bie ©renge ihrer fieiftungs* 
fäbigfeit erreicht, ja, gum £beil kon überfeßritten bat, inbem fie 
mohlberecbtigte unb moblüberlegte Drbnungen unb ©inriebtungen 
in fo großem 0 tile febuf, baß bie öffentliche Decbtsorbnung allein 
im 0 tanbe ift, bie Aufrecbterbaltung unb gielfnhere SDurcbfübrung 
beS gangen 0pftemS gu erreichen. $>ic SSorpoftentruppen haben 
ihre 0 d)uIbigfeit oollauf getban; jeßt muß ber ©efeßgeber ein* 
greifen, bie Hauptmacht ber öffentlichen ©oßlfahrt, @taat unb 
Deich, um bie 0ad)e gu ©nbe gu führen. 

Als im preußifd)en Abgeorbnelenbaufe am 1.3wli 1895 ber, 
oom fonferoatioen SRinifter Girafen ©ulenburg oor feinem AuSfdbeiben 
aus bem 5>ienfte nod) fertig ausgearbeitete ©ntmurf eines ©efeßeS 
über SSerpflegungSftationen am Söiberftanb hauptfäd)licb ber Decßten 
feßeiterte, obgleich bie ^ommiffion ißn beren 2 $ünf<bcn möglicbft 
angepaßt unb mit 18 gegen 3 (Stimmen feine Annahme befiirroortet 
batte, urtbeilte eine frangöfifebe gaebgeitfebrift in einer SBefprecßung 
ber betreffenben SSerbanblungen unb ber nun brobenben ©efabr 
beS 3 u fammenbrucbS ber freiroilligen gürforgeanftalten: ,,©S märe 
febr gu beflagen, menn biefer erfte ernftlicbe SSerfucb, ber bis jeßt 
überhaupt in ©uropa unternommen morben ift, um burd) Arbeite* 
hülfe (assistance par le travail) baS ©lenb ber ^anberbettelei aus 
ber ©eit gu fchaffen, roirflicb febeitern foUte. ^)aS .f>aaS brennt 
ab, roäbrcnb bie geuermebrlcute barüber ftreiten, aus melcbem 
Srunneu baS ©affer gum ßöfdjen geholt merben fofl." — Seßtere 
iöemerfung galt bem bamaligen 0treit über bie Aufbringung ber 
tfoften: ob aus $reis*, ^rooingial* ober Staatsmitteln, unb ber 
Skrroeigerung eines Staatsbeitrages oon Seiten beS, übrigens bie 
©efeßeSoorlage felbft roarat befürmortenben ginangminifterS 
oon SRicjuel. 

^)aß ber Dotljftanb ber ©anberei ArbeitSlofer fortbeftebt troß 
ber im ©angen außcrorbentlicb günftigen £agc beS ArbeitSmarfteS, 
ergiebt fid) aus oerfd)iebenen »erid;ten: ber 3:icfpunft ber Arbeite* 
Iojtgfeit feßeint im gaßre 1 K 97 erreicht gu fein, 1898 ift in ©ei> 
falen unb in ber Scßroeig bie 3 a bl ber in ben Stationen ocr* 
pflegten mittellofen ©anberer unb bie Summe ber Moften roieber 
geftiegen. Aber gegen bie geil oor 15 bi* 20 oobren, and) gegen 



527 


Soziale VrajiS. Heniralblait für Sogialpolitif. 9tr. 20 . 


528 


bic oon 1892/93, ift bie Sßlage feine brüdfenbe mehr, unb infolge» 
beffen lägt man bie „«Stationen" otelfadh eingehen ober fc^Iicgt fte 
währenb ber befferen ^aljreögcit, unbefiimmert barum, was nun 
aus ben mittellofen Vkttbcrern werben foH. Am ärgften ift ber 
Sßiebergang in ber Vrooing Vranbenburg, mo man in einfeitig* 
bnreaufrahftber Vkife, oorfcfjnett unb opite genügenben Unterbau 
bie VerpflegungSftationen organifirt hatte. ©ort halten R<h bie* 
felben anfdjeinenb nur noch ba, roo fte in guten Verbergen „gur 
$eimath" untergebracht finb, was ja als |!aupterforberm& oon 
Anfang an, namentlich feitens praftifcher VerwaltungSbeamten, 
betont worben mar, weil nur fo eine forgfame .«panbbabung beS 
Arbeitsnachweis unb ber fogenannten „StationSarbeit", ber 
SSanberorbnung unb VSanberfontrole, unb eine Rttüch-förbernbe 
Hinroirfung auf bie Verpflegten gu erreichen fei. 

3m 9Kän 1898 erflärte ber jefcige Vtinifter beS Snnertt auf 
eine Anfrage Des Abgeorbneten oon Vappenheim im Abgeorbneten* 
häufe, bie StaatSregterung fei geneigt, einen neuen ©efefcentwurf 
einjubringen, wenn fte auf eine günftige Aufnahme beffeiben mit 
einiger Sidjerheit rechnen fönnte. — ©in neuer Hntwurf mürbe 
oorauSficfjtlith, ber oont Abgeorbnetenfjaufe in feinem Vefdhlufj oom 
1 . 3uÜ 1895 gegebenen Anregung folgenb, ben Arbeitsnachweis 
in bett Vorbergrunb ftellen müffen; unb in biefer Vidfjtung: Reform 
ber VerpflegungSftationen in Verbinbung mit einer Regelung beS 
Arbeitsnachweis — ift man ingwifthen im AuSlanbe (Vöhmen 
unb Schweig) bereits ernftlicb tljätig. 

©er unermüblicbe Vahnbredhet auf biefem ©ebiete, Vaftor 
oon Vobelfcbmingb, hat ingwifchen einen neuen Anlauf ge* 
nommen, um bie VHrffamfeit ber jegigcn Arbeiterfolonien gu 
ergangen burcb befonbere, recbtgeitige Vorfehrungen für bie 3 C ^ 
wirtbfcbaftiiibett ^Überganges. Hnterftüfct oon beut VegierungS» 
unb gorftrath ©ecfert in $»amtooer, h<*t er im Greife Sulingen 
eine §ocbmoorfläcbe oon gunächft 2000 borgen angefauft, um bort 
eine 3weigfolonie oon VMlhelntSborf angulegen, eine VothftanbS* 
folonie, welcher er ben tarnen „greiftatt" beilegen miß. Htwa 
50 000 t/ft. finb ibm für biefen 3wecf bereits beigefteuert morben; 
mehr als bas doppelte ift für ben Anlauf unb bie erfte fleine 
VeRebelung mit jugenblicben, einer SKadfjergiehung bebiirfenben 
Arbeitern erforberlidf). 

©er offizielle Stiflftanb hat ingwifchen auch fcboit einen pofi* 
tioen Vücffd)ritt gur golge gehabt. Als folcber ift groeifelloS 
bas neuerbingS in mehreren großen Stabten beliebte Vorgeben mit 
ber Hinrichtung oon „Afplen für Dbbadfjlofe" gu betrachten. 
— Stuf ben erften Vlicf erfcbeint eS ja febr ntenfcbenfreunblicb unb 
febr gwedfmä&ig, für bie bebauernSroertben 9Kitmenfchen, welche bie 
unentbebrlicbfte LebenSnothburft: ein Dbbacb unb ein Lager für 
bie Stacht, namentlich in ber falten 3af)reSgeit, unb bie emfacbfte 
Stabrung oon beute auf morgen aus eigenen SJtitteln ficfc nicht gu 
oerfdjaffen oermögen, berartige 3uftod)tSbäufer im Söege Der SSohl* 
tbätigfeit ober aus öffentlichen Mitteln einguricbten. Als befonberS 
human mirb eS oon ben Vegrünbern biefer Afple gerühmt, baf$ 
Sebem, ber fontmt, Aufnahme unb Vfl e 9 e gu ©h c rf roirb, auch 
Körperpflege mit Väbern u. bergl., ohne gu fragen: mer, warum 
obbacbloS, woher, wohin? — ber ^od>gepriefene ©runbfafc ber 
„Anonymität". ©aS Unglüdf allein, unb baS Hnglüdf an unb für 
ficb, einerlei ob oerfcbulbet ober uitoerfcbulbet, gilt als genügenbe 
Legitimation gutn Hmpfang ber Vtohlthat. 

Leiber entfpricbt biefem Sbealbilbe bie VMrflidhfeit fo wenig, 
bafj baS Urtbeil gerechtfertigt ift: biefe oermeintlidbe Söohltljat ift 
eine Hebetthat; ber VliRbraudf) überwiegt ben rechten ©ebrauch fo 
[ehr, baf$ bie Hinrichtung an ftd) als ein fogialeS Hebel, ein Hebel 
in mirtbfchaftlidfier unb Rttlidfjer §infi<ht, befäinpft werben mufj. 
HS ift ein 3arüdfRnfen in bie mittelalterlich * flöfterliche Sonn ber 
Armenpflege, beten Söirfungen fattfam befannt fein bürften. Hs 
ift bie Verleugnung beS oberften ©runbfabeS ber oerniinftigen 
neuzeitlichen Armenpflege: Sobioibualifirung, Prüfung beS Hingei* 
fatteS unb ber Hingelperfon auf ihre SÖürbigfeit unb Vebürftigfeit, 
Anpaffung ber Unterftiigung nach ihrer Art, ihrem ©rabe unb 
ihrer ©auer an baS befonbere VeoürfniR. Sticht eine Söohlthärtg* 
feit, fonbern eine Vanferotterflärung ber SSohlthätigfeit finb biefe 
Afyle. ©enn ber 3 roe ^/ ^ er i a au( h angegeben wirb, biefe 
traurigen ©eftalten wenipftenS aus ben Augen unb oon ber 
Strafe weggubrtngen, weil man eben fonft nichts mit ihnen an* 
gufangen weih, ba ja bie armenredhtliche gürforgepflidf)t ber DrtS» 
unb Lanbannenrerbänbe ihnen gegenüber ebenfo oerfagt, wie bie 
poligeirechtUche Abwehrpflicht gegen ben Vettel — biefer 3^^ ift 
ein egoiftifdher utib fann nur bem als relatio berechtigt gelten, ber 
jebe Sftöglichfeü für auSgefjhloffen hütt, biefen Hiementen eine 
rationelle Sürforge gu 3Tfjeil werben gu laffen. Stun aber beweift 


baS Veifpiel ber Arbeiterfolonien unb Söanberarbeitsftätten, ba& 
eine foldhe oemünftiae gürforge feht wohl möglich ift. Söec 
heute no^ Afple für TDbbathlofe mit ber gefdhilberten VetriebSweife 
entrichtet, ber begeht einen unoergeihüchcn Anachronismus unb 
wirft ben mit unenblidhen SJtühen unb Dpfertt in biefem Sürforge* 
gebiet in ben legten Sahrgehnten erfämpften gortfchritt über ben 
Raufen. 

SRan fudht ja bem SJHhbraudh burdh gewiffe befdhränfenbe 
Vorfdbriften gu wehren: ^ö^ftenS gwei ober brei Städte hinter* 
einanber, ober hödhftenS brei SKal im SJtonat wirb Aufnahme ge* 
währt. — ©ang irrationelle VerlegenheitSoorfdhriften finb baS; für 
ben Hinen ift f<hon eine einmalige Aufnahme guoiel, für ben 
Anbern eine breimalige gu wenig. HS ift eine SRaffenbehartblung, 
eine Kurpfufdherei im fogialen ©ebiet, bie mit ber mebiginifthen 
Kurpfufdherei eines Schäfers Aft unb anberer „berühmter" VolfS* 
ärgte auf gleicher Linie fteht. ^)en Hnglüdflidhen wirb nicht ge* 
holfen, aber bte Hnholbe werben anaegogen, unb aus Hnglüdflidhen 
werben Hnholbe exogen. $)em aroettsfdheuen Hmhertretben wirb 
Vorfdhub geleiftet. „©eriffene Kitttben" giehen in Verlin oon 
einem Afpl ins anbere, oon einer Söärmehaüe unb VolfSfüdhe in 
bie anbere, fedhten ober „hauftren" nebenher, beoölfern bie fcbledhten 
Spelunfen, belaftigen bagwifdhen auch bie befferen VolfSheime, wie 
bie £>erbergen gur ©eimath, oerfdhaffen fuh mit leichter SKühe ein 
ArbettSbemühungS*3eugnih unb friften auf biefe Söeifc ein fläg* 
licheS Schmarofeerbafein am VoIfSleibe. S)eu Hnglii(fliehen, 
für welche bie Afple beftimmt fmb, nehmen biefe Hnholbe ben 
VIah barin weg. Vom Lanbe gugereifte Arbeitfudhenbe, ungelernte 
ober fonft „halbe" Kräfte, jugenblidhe, IeiftungS* unb wiberftanbS* 
unfähige Hiemente, bie fonft fehr balb bie 3n)ecfIongfeit ihres Auf¬ 
enthaltes in ber ©ro&ftabt einfehen unb ihr ben Stücfen lehren 
würben, werben burdh biefe Afple gutn ©ableiben oerleitet unb in 
bie ©eheimniffe beS SdhmaroherthumS fo lange eingeweiht, bis fte 
aus ArbeitSfdfjwadhen unb Arbeitstofen gu ArbeitSf«heuen geworben 
unb nur mehr für baS 3 roan 9^ ar tieitshanS gu gebrauchen finb, 
welches in ben weiften gälten ihren fittli^en Stuin beftegelt. 
Hin Spftem ber „Abfchüttelung", ebenfo traurig unb oerberblid), 
wie baS Spftem ber „Abfchiebung" ben SBanberarmen gegenüber, 
wie eS eS oor Kurgern bei ber ^auptoerfammlung beS beutfeh* 
iSraelitifdhen ©emeinbebunbeS in Verlin wieber einmal fo flar in 
feiner Ohnmacht unb Verwerflich feit dharafterifirt worben ift. ©ort 
fchlug man ja bie Hrridjtung oon fünf jübifchen Arbeiterfolonien 
oor: gwei an ber polnifd^galigifdhen ©renge, je eine bei Verlin, 
bei granffurt a. SK. unb bet Vochum. — ©ang recht!*) 

©aburdh allein, bafe man grunbfafcüdh nicht mit Vaargelb, 
fonbern ftatt beffen mit Staturatpemabruna oon Dbbacb unb S2ah* 
rung unterftüfct, wirb ber SKtRbrauch feineSwegS ferngehalten. 
©aS eingig wirffame ^Sräfungg*, SdljeibungS* unb Abwehnnittet 
ift unb bleibt bie ©arbietung oon Arbeitsgelegenheit, in erfter 
Linie burdh geregelten Arbeitsnachweis, in gweiter burdh Arbeits* 
ftätten unb Arbeiterfolonien; bagu ein obligatorifcheS Ausweis* 
unb KontroÜpapier. Vflege unb Schuh für bie fo als würbig, 
b. h- arbeitSwittig ermittelten, 3 uc ht unb Strafe für biejenigen, 
welche bie Arbeitsgelegenheit nicht fudhen, fonbern fliehen unb ber 
Kontrolle fid) entgtehen. — ©en fo angelegten, fogial-wohlthätigen 
gürforgeanftalten wirb natürlich ber Voben entgegen unb ber 
Lebensnero burdjfdhnitten, wenn neben ihnen jette Afple ohne 
Vrüfuna unb ©egenleiftung ihre „SBohlthat" 3ebem anbteten unb 
ben Steft fittlidher Kraft in ben Hnterftüpten baburdh abftumpfen 
unb aufgehren, bafc Re ihnen ein untätiges ©afein, ein faules 


*) $ie iSraelitifdjen ©emeinbett, auch int Innern ©eutfchlanbs, 
werben befonberS burch SBanberbettler („Schnorrer") aus Aufftfch s ^oIeit 
unb ©altgiett beläfttgt; man lauft ihnen Hifenbal)nfahrfarten unb fegiebt 
fie mit einem flcinen ^ehrgelb weiter. Anftatt beffen wiU ber Aeferent 
auf bem ©enteinbetage, .soerr Hugen Aofenfticl attS Verlin, fte gleich an 
ber ©renge in gwei Arbeitsstätten fcftgehalten wiffen, au ben .'paupt* 
Hinbruchsftellen, eine gwücfjen SKentel unb 2l)orn, eine gwifdien Katto* 
wih unb Vettthen. — VefanntÜd) finb in Aufjlanb felbft auf Anregung 
unb unter ber Vroteftion ber Kaiferin in ben lebten ^fthrett gahlreidjc 
berartige ArbeitSftätten (dom trudolobia, Käufer ber Arbeitsliebe) ein* 
gerichtet worben; bie ruffifefjen Vebörbcn würben es oertnuthlid) gerne 
fehen, wenn in 9tnffifd)*Voleu felbft einige iSraclitifche ArbeitSftätten er* 
richtet würben; bahiu tonnten bann bie in bett beutfehen ©rengfolonien 
angefammeltcn ritffifdjcn ^ubett abgefchoben werben. — £cr oon ben 
Verlitter V’uai Vritl)=^ogett oor brei ^ahnm begrüubete ArbeitSnad)= 
weis für jiibifdje ©laubcnsgcnoffcit hat 1898 in neun Vionaten 
1150 teilte itt Stellung gebracht; „täglidj wädjft bas gelb unfercr 
Xhätigfcit unb täglich machfett bie Hrfolge", fagt ber Vericht. 2BaS in 
Verlin möglich war, wirb tu granffurt a". 5TO., Leipzig, Nürnberg u.f. w. 
and) möglid) fein. 



Sogtale BrajiS. ©entralblatt für Sogialpolitif. Br. 20. 


530 


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Stmarofeerthum auf ftofteit ihrer arbeitenben Bhtmenften erwog* 
liefen. 

BtÖge bas oon ber $reufjif<f)en Staatsregierung ins Auge 
gefaxte ©efefe halb oorgelegt, bem Stittftanb abgeholfen, beut 
Büdtftritt oorgebeugt werben! 

Bettel bet Bielefelb. $arl Sftörd&en. 


Mgemetne öojlnl- uttb HHrtljfdjaftspolitih. 


©raf ^am(rnit f ber Stifter beS Musee Social in ^ßariS *h 

Am 8. Sfebruar ift ©raf ©hambran itn Filter oon 78 Sauren 
geftorben. ©er £obte war ein fogialer Braftifer aufeergewöhnliter 
Art, unb bie „Sogiale BrariS" rann fit barunt nid)t oerfagen, 
entgegen ihrer bent rein Satlit en gewibtneten ©rabition, biefer 
^ßerfÖnlid)!eit bie ©hren gu erweifen, bie ihr tnit Bett gebührten 
unb bie tl»r aut bie frangöfifte Nation in ooUftem ttJtafee gu ©h c ü 
werben liefe, inbem fte ihre berufenften Vertreter gu ben Begräbnife- 
feierlic^feiten entfanbte. ©raf ©hambrun war ein veritable ami 
du peuple, wie ber BHnifterpräfibent ©harleS ©upug in feiner 
©rabreoe fagte, unb würbig, neben 3uleS Simon unb ßeon Sap 
genannt gu werben, weite feine Qreunbe unb Berater bei ber 
©rünbung beS SogialmufeumS waren. 

©raf ©hambrun entftpmmte einer alten Abelsfamilie. Bat 
Beenbigung beS BettSfiubiumS trat er Anfangs ber fünfziger 
3ahre in bie BerwaltungSfarriere ein, bie er jeboef) fdjon als 
Bräfeft beS 3ura=©epartementS itn Sabre 1854 oerliefe, um fit an 
bem parlamentariften fieben gu beteiligen, in bent er bis gunt 
Sabre 1879 eine bemerfenSwertbe Stolle fpielte. Sit ftets grofee 
Unabfeängigfeit toaljrenb, fc^Iofe er fit praftift bod) ber oon 
Stiers geführten liberalen ©ruppe an, welche bie AuSbilbung unb 
geftigung beS parlamentariften BegimeS in granfreit anftrebte. 
©urd) gabireite ©elegenbeitsftriften fud^te er bie Sbeenbewegung 
feiner 3 e ü lebhaft in biefent Sinne gu förbern. Sieben feiner 
politifefeen ©hätigfeit entfaltete ©raf ©hambrun eine grofebergige 
Söirtfamleit als Pfleger ber Shtnft unb als Bbüantbrop. Batbern 
er burt £>eiratf> £muptbefifeer ber grofeen ©IaSwerfe oon Baccarat 
in ben Bogefen geworben war, würbe feine Aufmerffamfeit un- 
mittelbar auf bie praftifdje Sogialpoüti! gelenft, ber er feine lefeten 
ßebenSjabre unb feinen grofeen Beittbum faft auSftliefelit 
wibmete. ©ie 2Bofeifaf)rtSeinricf)tungen für bie Arbeiter oon 
Baccarat werben in granfreit als muftergültig genannt. 
Sit tiefer mit wiffenftaftliten Stubien beftäftigeub, füllte 
fit ber gabrifberr gebrängt, feinen arbeiterfreunbliten Anfitten 
unb feinen fogialpolitiften ©rfabrungen eine allgemeinere ©rag- 
weite gu oerftaffen. Bknu er aut m tt felbft rein wiffenfcfjaftlit 
arbeitete, fo würbe er burt feine grofeen Stenfungen an bie oer- 
ftiebeiten tförperfdbaften, wie bie fogialöfonomifte ©efettftaft, bie 
Bereinigung für bie Ausbreitung ber ©eminnbetfeeüigung, beS 
BerbanbeS gur ©rrittung bittiger Arbeiterwohnungen, ber gäbe* 
ration ber BolfSbanfen 2 c. bot 3 U einem rett wefentliten gör- 
berer ber neueren fogialpolitiften 3been. ©urt bie ©rünbung 
ber fogialwiffenftaftliten £ehrftühle an ber Sorbonne, an ber 
Becfjtäfafultät unb an ber Stole für poliüfte 253iffenfcf>aften in 
Baris fiterte er ÜJtännern wie ©fpinaS, ©harleS ©ibe unb ©mile 
©Ijepffon ein weites gelb fruchtbarer ©bätigfeit. 

©ie $rone feines aufgeflärten pbilantbropifdjen BHrfenS bilbetc 
bann baS Musee Social, an beffen Äongeption unb Drganifation 
er einen feeroorragenben geiftigen unb rein materiellen Anteil bat, 
baS nunmehr, nat feinem £obe, not oiel gröfeeren Aufftmung 
gu nehmen im Staube ift, ba er es gunt Unioerfalerben feines fefjr 
grofeen BermögenS einfefete. 3«t Anftlofe an bie Xptigfeit beS 
BhtfeumS feat ©raf ©^ambrun in ben lefeten Sauren not fünfzig 
ßebenSrenten oon je 200 grcS. an oerbienftoolle Arbeiter oertl^eilen 
Iaffen, unb gulefet ftiftete er not 9 r °fe c Summen gur ©rünbung 
oon ^ülfSoereinen unter ben Arbeiterinnen, bie tm ber Berfaffer 
ber Ouvriere, 3uleS Simon, einft ^alb fdjergenb legirt l)at. So 
Blieb eS nitt ein blofeeS SBortfpiel, wenn ©raf ©bambrun einmal 
ftricb: Tout ce que j’ai vient du travail, tout ce que j’ai doit 
|ui revenir! 


ttngartfte Sogialpolitif. 

Am 1. gebruar trat ber neuerrittete ungarifdje ßanbeS* 
3nbuftrieratb in Bubapeft gu feiner erften Sifeung gufammen. S)ie 
ungarifte Regierung bat in biefen Beiratfe mehrere Abgeorbnete, 


fowie Bertreter ber .^anbels* unb ©emerbe!amtnern 2 C. berufen. 
^)en Arbeitern ift bagegen feine Bertretung eingeräumt, eine 
Unterlaffung, bie AngefubtS beS weiten, aut auf fogialpolitifte 
^fragen auSgebebnten SSirfungSfreifeS beS neuen Beirat^ 
befremblit wirfen mufe. 3)aS fogialpolitifte B^ogramm beS 3n* 
buftrierateS fott nämlit nmfaffen: S)ie Arbeiterftatiftif, bie 
Arbeiteroerfitcrung gegen Unfälle, 3ooalibität unb Alter, bie 
Regelung ber grauen* unb ^inberarbeit, fowie bie SReoifion beS 
©efefeeS über Arbeiterfranfenfaffen. ^er SanbeS*3«buftrierat fott 

S atten biefen fragen Stellung nehmen, ohne bafe bie Arbeiter* 
aft in ihm — etwa wie beim öfterreitift en Beiratbe für 
Arbeiterftatiftif ober ber bort neu gu bilbenben Äommiffion für 
ilnfattoerhütung — gleitntäfeig mit bem Unternebmerftanbe oer* 
treten wäre. St°u baS fönnte genügen, um eine gang einfeitige 
Behanblung ber BerhanblungSgegenftänbe oorauSfehen gu iaffen. 
$hatfätlit f^ on ^ er cr ^ e ^erljanblungStag beS ßanbeS* 
3nbuftrieratheS gegeigt, weffen man fit oon ihm gu oerfehen hat. 

Als erfter Bunft ber £ageSorbnung fam bie Srage ber 
„ArbeitSpaufen" gur Berhanblung. $er Beferent, SeftionS* 
rath Sgterenpi, führte aus, bafe bie Beftimmung beS geltenben 
©emerbegefefeeS, wonat ben ÖabrifSarbeitem Bor* unb 9lat* 
mittags eine Baufe oon je einer halben Stunbe gu gewähren fei, 
gu häufigen Klagen Anlafe gegeben habe, feit bie ©ewerbesSufpc^ 
toren über bie ©iubaltung oiefer Beftimmung ftrenger gu waten 
begonnen haben (!). ©S fei unmöglich, fie butftäblit einguhalten. 
3n ber lefeten 3 e ü hatten fit .fogar bie Arbeiter barüber beflagt, 
ba fte in ber Afforbarbeit baburt geftäbigt werben unb ba oiele 
Arbeitgeber bie ArbeitSgeit um eine halbe Stunbe oerlängern. 
(SDiefe Argumentation ift fton an fet föftlit 9 e uua, um hier feft* 
gehalten werben gu follen.) $)ie minifteriette Äommiffion für 
Arbeiterwefen unb ber ÖanbeS*©ewerberath hätten fit nun für bie 
Abänberung ber ©efefebeftimmung in bem Sinne entftieben, bafe 
bie fragliche „Baufen"*beftimmung „in ber BrafiS nitt gu ftroff" 
angetoenbet werben fotte. tiefer Borftlag würbe einftimmig an¬ 
genommen. 3tn Uebrigen würbe ber SBunft nat gweefmäfeiger, 
bie Arbeiter nitt ftäbigenber ©intheilung ber Baufen unb nat 
Brüfung ber Arbeiterbeft werben burt &i e ©ewerbe-Sufpeftoren 
auSgebrüdft. 

©er SanbeS-Snbuftrierath nahm fobann bie Drganifation 
ber ArbeitSoermittlung in Berathung. ©ie folgenben An¬ 
träge würben mit unwefentliten Abänberungen genehmigt, ©anat 
fott ber SBirfungSfreis ber Anftalten für Bermittlung gewerbliter 
Arbeit fit auf alle, bei irgenb einer gewerbliten Arbeit Be- 
ftäftigten, aut auf bie £>anbeiSangeftettten, BergwerfS- unb 
Hüttenarbeiter :c. ohne Unterftieb oon Alter unb ©eftlett er- 
ftreefen. ©ie Anftalt ift mit ftaatliter unb fommunaler Unter- 
ftüfeung, fowie mit llnterftüfeung feitenS ber Haubelsfammern unb 
anberer intereffirter Äörperftaften unter ftaatliter Auffitt, aber 
nitt mit ftaatlitem ©harafter gu erritten. ©ie ©entrale ift im 
engen 3afatnmenhange mit ber Bubapefter Haabelsfammer, mit 
bem ungariften HanbelSinbuftrieoerein 2 c., aber unabhängig oon 
biefen gu erritten, welt^ Bnngip aut auf bie B r aoinganftalten 
anguwenben ift. Bor Allem aber foU bie ©entrale erratet werben, 
weite bann bie Drganifation ber ^ßrouinsinftitute in bie ,f>anb 
nehmen wirb. Bei jeher Anftalt fott ein Ausftufe bie ©efdjäfte 
leiten, ber gu je einem ©rittet aus ber Aeihe ber Arbeitgeber, ber 
Arbeiter unb oon biefen unabhängigen SRännern jufammengufefeen ift. 
3m Ausftuffc ber ©entrale müffen aber überbteS aut bit §aupt s 
ftabt Bubapeft unb bie bortige HattbelS- unb ©ewerbefammer 
oertreten fein, ©ie Bermittluna ift oorläufig unentgeltlich gebatt. 
3n Satten oon Streifs unb fioefouts fottett bie Anftalten ihre 
Shätigfeit fortfefeen. Heber alle Anftalten fott ber ungarifte 
HanbelSminifter baS AuffittSrett führen. 3n fpäterer 3 e ^ fott 
aut an eine Art BerbanbSorganifation geftritten werben. Hiergu 
füllen gunätft bie gu ftaffenben Snftitute mit ben fton beftehenben 
Anftalten in Berbinbung treten. Aut fott gwifd)en ber ©entrale 
unb ben B^ooinginftituten eine organifte Berbinbung feergeftettt 
werben, aut finb für bie BermittlungSthätigfeit einheitute Bonnen 
geplant, ©benfo fott aut c i nc Berbinbung mit allen bie laijb- 
wirthftaftlite Arbeit oermittelnben Anftalt hergeftettt werben. 

©ie befonbere Betonung, bafe bie Anftalten bei Streifs unb 
ßoefouts bie BermittlungSthätigfeit fortgufefeen haben, ift be¬ 
reit nenb genug für bie Art, wie biefe ArbeitSuatmcife fuuftionircit 
Dürften, ©anat braudbt man wohl aut nirfit mehr gefpannt gu 
fein, weiter Bittung bie „unabhängigen" Berfönlid)feitett ange¬ 
hören werben, bie ein ©rittel beS Anftaltsauftuffcs bilben fotten. ©ies 
unb bie Berfügung, bafe bei ber Bubapefter ©entrale aut bk 
Stabtoerwaltung BubapeftS unb bie Bubapefter Haitbelsfammer 



531 Sogialc $ragt3 Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 20. o32 


burcf) Telegirte oertreteu fein füllen, läßt im Voraus erfeimeu, 
meid) geringes Rtaß non Neutralität bie neue (Einrichtung auf* 
weifen roirb. 

28ien. $einrtcß Nbler. 


$aS Itrtßeil in bent Vaufraftatt Von S86tan. Rlit tiefer (Er* 
feßütterung haben mir baS Urteil beS ScßwurgerkßtS in Bresben 
über bic Urheber eines robeit ärawaEs in £öbtau gelefen. $)aS 
(Gerid)t hat bie Deffentlicßfeit ber Verhanblung auSgefdjloffen mit 
ber Vegrünbung, baß eine Cfinfd^iidEjterung ber Saugen bei offene 
lieber Veratßung gu befürchten fei. (Es ift baßer ferner, ficf) oon 
ber Scßulb ber Verurteilten ein flareS S3ilb gu machen. So oiel 
feßeint iitbeffen feftgufteßen, baß ein $aufe Arbeiter, bie auf einem 
Vau ein Ridjtfcft unter reichlichem (Genuß oon Spiritnofen gefeiert 
hatten, in einen aitbern Vau einbrang, mo noch nach ber aUgenteiit 
feftgefeßten Qtit in Ueberftunben gearbeitet mürbe. (Es fam gu einer 
Prügelei, mehrere Öeute mürben oerleßt, ber Soßu beS Vauuuter* 
nehmerS, ber — aus Notßroeßr ober gur (Einfcßücßterung — gwei 
Scßüife aus einem blinbgelabenen Reooloer abfeuerte, mürbe ent* 
feßlidj mißbanbeit, fo baß er längere 3 e it franf lag. 
Nnflage ging gegen neun Arbeiter auf fianbfriebenSbrucß, Verfucß 
beS £obfcßlageS, ftörperoerleßung unb Verfehlung gegen §. 153 
ber (Geroerbcorbnung. S£)ie (Gefcßroorenen, bie ftd) aus Zentnern, 
(GutSbefißern, Veamtcn, ^auflenten, Npotßefern gufammenfeßten, 
bejahten bie Sdjulbfrageit ohne 3 u dißi9 u ng milbernber llmftänbe 
unb baS (Bericht oerurtheilte 7 Arbeiter gu 3ud)thauSftrafen uon 
10 bis 6 fahren unter Nberfennung ber bürgerlichen (Ehrenrechte 
unb 2 Arbeiter gu je 4 Söhren (Gefängniß; 2 Nngeflagte mürben 
freigefprochen. 3m (langen mürben oerßänat 53 Söhre 3u<ßthauS 
unb 8 Söhre (Gefängniß fomie 70 Söhre (Eßrocrluft. 

$)aS ift furchtbar, ßerggerreißenb! 2>ie ißat trunfener Roßb^t 
erforberte 0ül)ne; bie Nngeflagten hötten fi<ß fchmer oergangen, fie 
mußten harter 6trafc gemärtig fein, baS erforberte bie (berechtig* 
feit. Nber biefe Strafe überfchreitet hoch roeit jebeS guläffige 
R?aß; fie fönnte nießt fchlimmer fein, roenn ieber oon ben Ver* 
urtheilten ein im 3arn oernidjtetes ENenfcßenleben auf bem (Geroiffen 
hätte — ja wie oft roirb ein STobftßlag milber beftraft! 9Ran fagt, 
bie Arbeiter, faft alle gamilienuäter, oorher meift unbeftraft, feien 
bie Verführten, bie wahre Scßulb trage bie Sogialbemofratie mit 
ihren haßerfüllten Nufreiguugen. $)a bie Verhanblung hinter ge* 
fcßloffenen ihnren oor fich ging, roiffen mir nicht, ob unb welche 
thatfächlicheu Momente in oiefer Ridjtung erbracht roorben finb; 
bodj wirb beftritten, baß fogialbemofratifcße ober gewerffcßaftlidje 
Riotioe bei bem (Efceß mitgefpielt haben. Nber mir fönnen eS 
oerfteßen, baß umgefeßrt in ber Nrbeiterwelt baS SDreSbener 
Urtheil bie llebergeugung beftärft, bie öerrfc^enbeit klaffen hatten 
ben Nnlaß benußt, ein Stempel brafonifeßer Strenge gu ftaiuiren. 
^ßatfaeße ift, baß bie (Erregung nicht nur in fogialbemofratifcßen, 
fonbern in allen Nrbeiterfreifen fehr tief geht. Sofort ift eine 
Agitation in (Gang gebracht, um ben Santilien ber Verurteilten 
Unterftüßung gu gewähren; bie fogialbemofratifcße Reichstags* 
fraftion hat gu biefem 3mecf einen Aufruf erlaffen, ber bie er* 
bitterte Stimmung beutlid) gum NuSbntcf bringt. Sind) in 
ber bürgerlichen Vreffe finbet baS llrthcil nur ba 3 u lümmung, 
mo matt überhaupt jebe (Gewaltmaßregel gegen Arbeiter billigt. 
£aß gerabe in Sacßfen bie (Gegcnfäße gwifchen Viirgertßuin unb 
Nrbeiterberoegung befonberS fd)arf finb, ift befannt; ein Urtheil 
wie baS über ben l'öbtauer VaufraroaE geigt bie (Gefaßr biefer 
3erflüftung eines VolfeS in bebroßlicßem Richte. — Nadjträglicß 
erhalten mir Äenntniß oon einer offigiöfett ^arfteHung beS $ro* 
geffeS im „S)resbener Sournal"; mir haben inbeß feine Veranlagung, 
au unferer Nuffaffung etwas gu ättbern. 

$ie 'Mumnhmq ber ftottfurrengf laufe!. Riit Sn f rafttreten beS 
feeßsten Titels beS erften VucßS beS ESanbelSgefeßbiußS oont 
10. RJai 1897 ergab fich bie für gabireiche in uugefünbigter 
Stellung befinblicf)c £)aublungSgcf)üIfeu fo überaus midjtige Srage, 
ob bie ältern, b. h- oor beut 1. Sanuar 1898 abgefd)loffcuen 
Verträge ttad) bem älteren ober nad) bem neueren Redit gu be* 
nrtheilcn feien? Sn ber Literatur ift gumeift bie Icßtere Nnfidjt 
oertretcu unb auf bert 3mangSd)arafter ber betreffeuben Veftitn* 
ntungeu beS neuen (MefeßbudjeS geftiißt worben. V$äl)veub bie 
Red)tfpred)uug ber Öaub* unb DberlaubeSgeridjte fdjwaufte, T)at 
fich baS Reid)sgerid)t in mehreren (Srfenntniffeit, guleßt in einem 
Urtheil oont 18. Nooember, auf beti Voben ber elfteren Nlternatioe 
geiteilt unb bie fortbauernbe Oieltnng beS bis gitm 1. Sanuar 1898 
gelteubett Red)ts für bie unter feiner .perrfdjajt oereinbarteu Ver* 


träge angenommen. T'ie red)tlicf)eit ©riittbc, welche ber oberftc 
(Gerichtshof für feine Nuffaffnng annimmt, cittgiehen fich an biefer 
Stelle ber Nachprüfung. ^>ie praftifd)C Tragweite biefer Recht* 
[pred)ung ift eine fehr bebeutfamc, ba einerfettS baS ältere Recht 
inforoeit feinem gangen Umfang nach für anroenbbar erflärt roirb, 
anbererfeits beffen ©eltung auch nicht mit bem Snfrafttreten beS 
Vürgerlichcit (GefeßbuchS ihr @nbe erreicht, ^onfurrengflaufeln, 
welche nach ber in bem neuen Recht gur Nnerfennung gefotnmcneit 
RechtSiibergeugung bie 6rmerbSfreil)eit ber 2lrt befdjranfett, baß fie 
oor bent Sorum einer geläuterten Sittlichfeit nidjt befteheit fönnen, 
müffen hiernach, troß ber (Geltung biefcS neuen RecßtS, als wirf* 
fam betrachtet werben, unb ber Richter ift gegtoungen, bie ftaat* 
lidje Rlacht gunt 3mecfe ihrer 2>urd)führung au% gegen ben VHIIen 
beS Verpflichteten gur Verfügung gu ftellen. ^<aß biefe $er* 
petuirung beS ältern Rechts ben Nbfidjten entfpricht, oon welchen 
bei (Erlaß beS neuen bie (Gefeßgebung geleitet würbe, barf troß ber 
juriftifdjen Slutorität beS ReidjSgerichtS begroeifelt werben. 

^ie Sogtalpolltif in ber Vnbgetbebatte ber frangäfifihen Wb* 
eorbnetenfammer. SluS $aris wirb uns gefdjrieben: SDie Debatte 
es VubgetS beS SRinifteriumS für .f)aitoel unb Snbuftrie gab 
Veranlaffung, bie meiften ber fdjmebenbcn fogialpolitifcßen XageS* 
fragen gu berühren. Sn erfter Sinie lenfte fie ßch auf bie länge 
Vergögerung ber 2luSführungSoerorbnungen gum Unfall* 
oerfid)erungSgefeß, baS bereits am 1. Sanuar in ^raft treten 
foEte. $>er $anbelsminifter fonnte fich in Sfolge ber oerfchiebenen 
^abinetSroechfel feit (Erlaß beS ©efcßeS fließt oerantroortlich fühlen, 
fteQte aber bie balbige Sertigftelluug beS ©efrets, baS oon einer 
befonberen ilommiffion beim $anbelsmiuifterium unb oom Staats* 
raiße ausgearbeitet wirb, in SluSfidjt. 2)aS (Gefeß roirb beinnach 
halb in wraft treten. — £)er 9lbgeorbnete SDutreir, felbft 3n* 
buftrieUer, beflagte ft^, baß bie Scßußgefeße für §rauen unb 
$ in ber in ber $rayis wenig beachtet roürben unb baß ben 3a* 
brifinfpeftoren häufig bie größten Scßroierigfeiten in ber Ausübung 
ißreS. SlmteS entgegengefeßt werben, worauf ber Nfiitifter bat, ihm 
folcße SpegialfäUe gu fignalifiren, um eingehenbe (Engueten machen 
gu fönnen. — 2)er Rbgeorbnete üJlotte, (Großiubuftrieeller von 
Roubaif, regte an, eine internationale Verftänbigung beßufS 
Slbfcßaffung ber Nachtarbeit in ber Xeytiliubuftrie herbei* 
gufübrett. Von Seiten ber Regierung ßrclt man biefe Anregung 
infofern gurücf, als man oerfpraeß, bie internationalen $ongreffe 
mäßrenb ber "BeltauSftettung gu benüßen, um oielleicßt gu wirf- 
fameren Vefcßlüffen gu fommen, als es bie üblichen platonifcßen 
Refolutionen berartiger Verfammlungen gu fein pflegen. — Veim 
Kapitel ber „(Ehrungen für alte Arbeiter", für welches 
41000 grcS. oorgefeßen finb, fcßlug ber ?lbbe Samire, einer ber 
§>auptoertreter ber chriftlid)*fogialen Veroegung, oor, bie SKebaillen 
an alle Arbeiter gu oerteilen, bie fich dreißigjähriger ^ienft* 
leiftung auSgegeidjnet haben, namentlich auch in folcßen SäEen, in 
benen Tie ohne eigenes Verfcßulben bie Stellung mecßfeln mußten 
unb fo ben Veftimmungen über ben (Erwerb ber RlebaiEen nicht 
nad)fommen fonnten. 4)er RUnifter antwortete, baß in ber Nb* 
fchäßuttg ber Verbicnftc ber ausgugeichitenben Nrbeiter immer weite 
(Geftdjtspunfte maßgebenb finb. — Nn bie VeroiOigung beS ÄrebitS 
oon 15000 3rcS. für ben Dberften NrbeitSratß fniipfte fieß 
ein Nntrag, bie 15 Nrbeitermitgliebcr bitreß freie V?ahl ftatt bureß 
Regierungsernennung gu beftintmen, bem jeboeß nießt 3-olge gegeben 
würbe, roäßrenb bie Kammer atterbings in einer Refoluhon bie 
Regierung einlub, ben NrbeitSratß gur «Hälfte aus SBahlmitaliebern 
gufammengufeßen unb bie Vkißl berfelben entroeber beit VerufS* 
oercinigungen ober bem aEgenteinen Stimmrecßt ber Verufsange* 
hörigen gu überlaffen. — Nnläßlid) ber NuSgaben für bie 3abrif* 
infpeftion beflagen fich die Sogialiften über bie mangelhafte 
Nnffidjt, bie fi^ g. V. 1897 auf nur 42% ber Vetriebe erftreefte. 
Sie beriefen fieß babei auf bic Rapporte ber Snfpeftoren felbft, 
bic ißrerfeits fieß in ähnlichem Sinne auSfprecßen unb befonberS 
auf baS geringe (Sntgegeiifommen ßinmeifen, meldieS fie bei Nngeigen 
oon iloutraoentionen bei ber Staatsaumaltfcßaft finben. Sie halten 
aud) für nad)teilig, baß bie gericßtlicß erfannten ©elbbußen in ber 
Regel fo niebrig angefeßt werben, baß bie (Gcfahrbeftimmungen 
faft roirfnngslos bleiben. £ie oott ben Sogialiften oorgefcßlagene 
Remebur, bie Rcorganifation unb Vermehrung beS NuffidßtS* 
perfonalS mit Refmtirung bureß V}af)l ber Arbeiter, würbe jeboeß 
bem uatiirlidjeu (Gang ber parlameutarifcßeii (Gefd;äfte überwiefen, 
in ben fie fd)oit lauge als befonberer Nutrag cingeleitet ift. — 
^>ie aüjährliiß im Vubget figurireube Suboention oon 165000 JJrcS. 
gur Vertheilung an bie Nrbeiterpobuftiogenoffenfcßaften 
mürbe naeß NuStaufcß cingelner Vemerfungen über ben RepartitionS* 
mobuS wieberum bewilligt. 



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533 Sogiale Praxis. Eentralblatt für Sogialpolttif. Nr. 20. 534 


(Bin nationales BnfföbmtiöSamt itt ©»glaub« 2)er englifd>e 
£anbelSminifter Nitcbie pat unlängft eine lange Unterrebung mit 
bem Abgeorbneten SatnSBoob, bemSefretär beS parlamentartfcben 
Komitees beS ©ewerfoereinSfongreffeS, gehabt. Bon beiben Seiten 
wirb gwar baS Ergebnis biefer Befpretbung als oertraulidb be* 
banbeit. 2)o<b glaubt „$)ailt) ©^ronicle" Anbeutungen über bie 
Pläne beS ßRinifterS machen gu fönnen. danach legt £err SRitcbic 
bei feinen Bemühungen um ben gewerblichen grieben ben größten 
SBertb barauf, bie Vertreter bes organiftrten Kapitals unb ber 
organifirten Arbeit gufamtnengubringen. 3^ei Sförperfdjaften 
eignen ficb bagu: baS parlamentarifd)e Komitee beS Arbeitgeber* 
oerbanbeS unb baS parlamentarifdhe Komitee beS ©ewerfoereinS* 
fongreffeS. $)er Ntinifter bat Beratungen mit beiben AuSfcbüffen 
gepflogen unb bie Angeiiben fpretben bafür, ba& er fic beibe gu 
einer Art oon ftänbigem nationalen BerföbnungSamt unter Auf* 
fubt beS Board of Trade gu fonftituiren wünfdbt. 2)aS Blatt 
glaubt, bafe auf beiben Seiten Neigung beftebt, Öiefen plan gu | 
forbern: „‘iter 2Bea gu gegenteiliger Berftänbigung liegt nicht in 
ber Abrüftung unb Entwaffnung, fonbern in einem wohlüberlegten 
Stiftern ber Berföbnung unb beS Scbiebsfprudjes unter Ber* 
mittelung bes Staates," fügt baS ber Arbeiterbewegung freunblicb 
gefinnte „&ailp Ebronicle" ^ingu, „ber Berfud), bie ©ewerfoereiite 
gu gerfebmettern, ift BSahnftmt!" 

SogiölpolttifdjeS aus Belgien. Aus Brüffel wirb uns ge* 
febrieben: Es ift hinlänglich befannt, wie wenig ber gortftritt auf 
fogialpolitifcbem ©ebiet mit bem großen Auffdbwung ber gnbuftrie 
in Belgien gleichen Schritt gehalten bat. gaft alle bie großen 
fogialen Reformen, bie fi<b tn ben weiften übrigen europäifdjen 
Staaten in ben lebten beiben 3abrgebnten burdhgufefcen begonnen 
haben, barten in Belgien noch ber Ausführung. $>er Arbeiter* 
febufc ift noch immer etn minimaler, an bie Einführung einer wirf* 
famen Sonntagsruhe bat bie Regierung bisher nicht gebaebt unb 
gegen bie Einleitung einer obligatorifcben Arbeiteroerficberung nach 
beutfebem Borbilbe ift bie Dppofition nod; immer aufeerorbentlicb 
ftarf unb einflufereid). Ein wirklicher Erfolg ber fogialpolitifcben 
3beeen war bie Errichtung eines befonberen SKinifteriums für 
Snbuftrie unb Arbeit im Qahre 1895. $)er erfte belgifcbe ArbeitS* 
minifter, ber fiöwener Profeffor NtfffenS, ber im Sattuar gum 
Nüdftritt gegwungen würbe, war nichts weniger als ein ftürmifeber 
fogialpolitifdjer Reformer. Aber als gewiffenbafter, tüchtiger unb 
oorurtheilslofer 2Rann bat er bodj im Eingelnen manches ©ute 
aeleiftet; wir erwähnen nur bie Reform bes gabrifinfpeftorats. 
gebt, wo er nun gerabe im Begriff war, mit einem wichtigen 
©efefc über bie Reform beS ArbeitsoertrageS*) unb oor allem mit 
bem Entwurf einer obligatorifcben Unfalloerficberung oor ber 
Kammer gu erfebeinen, ift ber SKinifter unter erheblicher 3)?itwirfung 
oon ©rofcinbuftrieflen, benen er in feinen Nefonnbeftrebungen febon 
gu weit ging, aus bem Amte gebrängt worben. Sein Nachfolger 
Eooretnan gat fleh mit fogialpolitifcben gragen bisher wenig be* 
febäftigt, boeb bat er erflärt, bafj er in ben SSegen feines Bor* 
gängerS oerbleiben werbe. 3mmerbin gilt es beretts als fo gut 
wie auSgefcbloffen, bafj/bie beiben eben erwähnten fogialpolitifcben 
©efefce nod) in biefer Seffion bes Parlaments gur Berbanblung 
fommen fonnten. Außerhalb ber eigentlichen Arbeiterf reife hat 
man für bie fogialen gragen in Belgien letber noch immer ein 
febr geringes Sntereffe, gang im ©egeufafc gum benachbarten 
§oIIanb, wo in ben lejjten Sap^n hierin eine bebeutenbe Befferung 
eingetreten ift. $ie ©auptf^ulb an biefer bebauerlitben Sntereffe* 
lofigfeit trifft bie Preffe beS SanbeS, welche bie fogialen Probleme 
für ju troefen unb langweilig hält/ um ihnen auch nur einen 
irgendwie genügenben piafc etnguräumen. 


SojiaU JnftänÖt. 

- ! 

$er lünblifbe Arbeitermangel in Prenfien. 2>ie Berbanblungen | 
beS prenpifeben AbgeorbnetenhaufeS über' bie lanbwirthfcbaftltcbe 
Seutenotl) ooin 9. bis 11. gebruar, bie fid> wte im Borjahrc au 
eine Snterpellation beS fcblefifcben EentrumSabgeorbneten Sgmula 
fnüpfteit, gewannen bieSmal ein feftereS ©erippe burd) bie Anträge 
ber greifortferoatioen (©amp unb ©enoffen) unb ber ^onferoatioen 
(Arenbt*ßabiau unb ©enoffen), bie in Berbinbuug mit ber guter* 
peüation beratben würben. Sie machen Borfdjläge, bereit Be* 

a ung nicht bloft ben länblicben, fonbern aud) ben inbuftrielleu 
eitSmarft wefentlicb umgeftaltcn unb in bie fogialen mtb Bil* ! 

'+) Bgl. „Sogtale piari#* oom 15. Scgembei l^ ( J s . 


bungSoerbälhtiffe ber Arbeiter tief etngreifen würben. 2Bäl)renb 
es bem gnterpetlanten in erfter £inie um bie erweiterte 3ulaffung 
flaoifcbcr, polnifcber unb galigifd)er Arbeiter gu tpun war, faben 
bie foitferoatioen Anträge bie Mittel gur SRinberung ber ßeutenotb 
in ber Ausführung folgenber Borfcbläge: 

1. bie Einführung ber $ongeffion8pflicht für baSEewerbe ber 
Ecfinbeoermietbcr unb Stellenoermittlcr unb bas Berbot bes 
Betriebes biefeS Eewcrbes im Umhergiehen; 2. bie Scrfdiärfung ber Äon* 
trole ber Eefiubeoermiether unb Stcncnücrmittler htnfichtlicb ber Buch® 
fübrung,bcr Bermittlungstarife, ber 3urücfbehaltung oon^egitimationspa* 
tcren, ber Beherbergung ber Stcncnfudjcnben u.bgl., fowiebie Bcftrafung 
er Eefinbeoermiether imb Stellenoermittlcr bei Berleitung gunt 
JÜontraftbruch; 3. bie Erschwerung bes Äontraftbrucbs fowohl 
bureb Beftrafung beffelben als bureb Einführung einer Erfap* 
Pflicht, wobei and) ber Arbeitgeber als ftrafbar unb erfafcpflicbtig 
gelten foü, falls er wiffentlidj fontraftbrüdjige Arbeiter annimmt; 4. bie 
anberweite fycftftcllung ber Scbulgciten auf bem platten 
^attbe unter ooller Aufrechthaltung ber /Jietc beS BolfSfcbuIunterricbtS 
(.^albtagunterricht, ^ispenfation oon ber Sommerfdjulc) u. bgl.; 

5. bie möglicbfte Bernteibung ber Befdjäftigung oon Arbeitern 
feitens ber Staatsbetriebe währertb ber Erntegeit, fowie bie 
nothwenbige Beriicffid)tigung ber lanbwirthfcbaftlichen Arbeiternoth bei 
ben oom Staate aitsguführenben Bauten; 6. bie Einfcbränfung 
bes bisherigen BerfahreuS, beit ArbeitSmarft bureb Eewährung oon 
Ertragiigcn unb befonberen Xarifoerbilligungen gu Eunften 
bev Erobftäbte unb ^ubuftricccntren auf weite Entfernungen unb 
gum Nadjtheil ber £aubmirtbfcbaft tünftUd) gu oerfebieben; 7. ben 
fcbleunigen Abfcblujg ber oon ber föniglichen StaatSregieruna am 
20 . Aprtl 1898 in AuSftcbt gefteßten Erwägung, betreffenb bie Befeiti* 
gung oon Auswi’tdjfen bes Nerfjts auf ffreigügigfeit, wobei auf 
eine entfprecheitbe Befcbränfung ber greigitgigfeit minber* 
jähriger perfonen unter 18 Rubren Nüdfid)t gu nehmen ift; 

8 . bie Aenberung bes EefebeS über ben UntcrfiübungSwohufib gur Er* 
leicbtcrung ber Berpflidjtungen ber SSohnfibgemeinbc, bie Aenberung ber 
Armengefcpgebung bergeftalt, bap bie B?ittwen* unb BSaifenfürforge 
größeren Berbänbeit übertragen wirb; 9. bie planmäßige Auficbcluttg 
oon mittleren unb fletneren ^anbwirthen fowie oon lanbwirtl)fä)aft* 
lieben Arbeitern unter Aufwenbung oon Staatsmitteln in bagu geeigneten 
Begirlcn; 10. bie tbunlicbfte Erweiterung ber 3»luffung anslänbifeber 
Arbeiter, fo lange bies erforberlicb ift unb foweit es bie nationalen 
Nücffidjteit irgenb geftatten, inSbcfonbcre audj gum Eeftnbebieitft in nicht 
gcmifcbtfpracblicben Begirfen. 

5)ie eingelnen fonferoatioen unb Eentrumsrebner interpretirten 
biefe gorberungen. So Benuhte ber EentrumSabgeorbnete S>oh s 
eifei bie ©elegenbeit, über ben BHffenSbattaft, befonberS in ben 
matbematifeben unb naturwiffenfcbaftlidjen gädjern, ben bie $)orf* * 

fcbulen ben ^inbern brächten, fo ftarf gu fcbelten, bafj ber Btini* 
fterialbireftor Dr. $ügler fidh gu einer ettergifdjen Bertbeibigung 
beS BolfsfcbulwefenS oeranla|t fab, unb ber fonfero. Aba. Äorn 
empfahl fogar bie P rüg elftraf e gegen bie Berrobung ber 3ugenb. 

^)er Bigepräfibent bcS StaatSminifteriumS Dr. o. 2Riquel unb ber 
ÖanbwirthfcbciftSminifter grhr. o. ^ammerftein erfannten ben Notb* 
ftanb an, begeicbiteten ihn als golge ber fultureflen Entwicfelung, 
fpradhen für eine Stärfung ber elterlicfjen unb oormunbfcbaftlicben 
©ewalt, jagten ein gewiffeS Entgegcnfommcn in ber Regelung ber 
Schulpflicht gu, oerwiefen bie grage ber ÄongeffionSpflicbt ber ©e* 
finbeoermietber an ben Reichstag, wieberholten baS oorjährige Ber* 
fpreeben einer möglicbften Erweiterung ber 3ulaffung fremblänbi^ 
fdher Arbeiter, betonten aber ftarf ben nationalen ©efidjispunft, 
oon bem aus eine unbefebränfte ileberflutbung Preußens mit 
fremblänbifcben Arbeitern nicht guläffig fei, warnten, bie allgemeinen 
fogialpolitifcben Bortheile ber Arbeiterfahrfarten gu unterfcbäfcen, 
unb forberten cnblicb gu einer oermehrten BSoblfahrtSpflege auf 
bem Üanbc, infonberheit gum Bau oon Arbciterwohuunaen auf, 
bereu Nuhen gur Sefebflftmacbung ber Arbeiter inSbefonoere ber 
nationalliberale £anbmirth Seer aus feiner langjährigen Erfahrung 
beroorhob. 2)ie Nebner beS EentrumS, ber Natioualliberalen unb 
ber freifinnigen Parteien oerwahrten fidf) gegen jebe Befdjränfung 
ber greigiigigfeit, bie friminelle Beftrafung beS SlontraftbrucbeS 
unb bie Nücffcbraubung ber Berfebrsentwicfelung. ^ie Nebiter 
ber ßinfen oerf praßen fidh einen wirf famen Erfolg nur oon ber 
©ewährung gröberer greibeit an baS länblirfje ©efinbe unb bie 
Arbeiter burd) bie Arbeitgeber unb bie Negierung unb oon ber 
Ermöglichung ber Erwerbung felbftftänbigen ©runbbefipeS. Eine 
Sonberfommiffton oon 21 s S?itgliebern wirb bie Anträge burd)* 
beratben. 

ftinbetrarbeit itt £attgtnbiel*m $>er größte B3ebcrort im fd)Iefifdien 
©ebirge bat recht beflagcnSwcrthes Niatcrial gu biefer ginge ge* 
liefert. 3 ro a r waren oon beit oorbanbetteit Bolfsfdjuleu nur gu 
gwei -Drittel bie Angaben eiugegaugeu, aber biefe ;>ahlen genügen 
leiber fdjou mehr als nolhwenbig, gu bemeifeu, was bie „Sog. pr." 



535 


Soziale Vrarig. dcntralblatt für Soxialpoltttf. Ar. 20 . 



wieberholt behauptet hat auf Grunb umfangreicher Hebungen: 
bic Einberarbeit ift oon ber 3-abriE auf bag H au ^ übertragen, Gr* 
freulich ift eg, bah jüngere Einber weniger herange 3 ogen würben. 
Von 2104. waren 1130, b. fj- 53 %, erwerbgtbätig. An ben ein* 
jeinen Sdjulen gwifd^en 63 unb 51 % fdjwanfeno, erreicht er in 
Den ^ö^eren Eiaffen 88 big 90 nont §unbert. Gg waren alg 
Spuler tbätig 842, mithin faft 75% fömmtlidjer Einber, 34 alg 
Eammftricfcr, Siicherfnüpfer, ^afpler. Ser Sohn alg Spuler be* 
trägt wödjentlid) 30 big 180 4, beim Sücherfnüpfen 50 /$. 
Uefeerbanpt beträgt ber Surdjfehnittguerbienft ber inbuftrieH be* 
fdjäftigten 65 4 . tiefem ftet)t gegenüber ein Verbienft in lanb* 
wirthfchaftlichen Arbeiten non 1 , 50 , //. unb barüber. Vom SReft 
ber Eieinen (108 = 9 s /4 %) würben mehrere gwei* unb mehrfach, 
biefe gegen — 33ier, anbere gegen Eleibung, britte gegen Gffen 
befdjäftigt. beginnt bie Slrbeitgjett auch bei ben meiften um 1 Uhr 
Mittag, fo futben wir bocf) 100 non V 26 ober 6 Uhr, 44 non 
5 Uhr unb 1 non 4 Uhr morgeitg jebeit Sag ber 5öo<he arbeitenb. 
Natürlich finben wir wieber Anmerfungen, big V->3 Uhr morgeng, 
nach 10 Uhr abenbg. Vkldjeit Segen bie Sonntaggruhe für bie 
Einber bebeutet, gebt baraug heroor, bah 993 nur 6 Sage arbeiten, 
78 bagegen 7. Vefchäftigt finb 329 wöchentlich 37 big 40, 
76 wöchentlich 40 big 50, unb 18 wöchentlich 50 big 60 Stunben. 
Aur bei 72 Einbern war bie Aothwenbiafeit in Abrebe geftellt, für 
637 war ber Aothftanb bie alleinige Urfache. Sasu erfahren wir, 
bah bisweilen 50% ber Schüler unnerfefet bleiben, woju natürlich 
aud) anbere Umftänbe beitragen. Eommen hoch auf einen ßehrer 
126 big 140 Schüler! Gin Lehrer fchreibt, bah bie „eben er* 
munterten Einber immer wieber in fidj gnfammenfinfen". 

Vetmbgfterfftätteis im Sdjncibergetoerbe* 3» gemein famer 
Sifcung oon Vertretern ber Schneibermeifter unb ber Sohnfommiffion 
ber Arbeiter in Vtündjcn bat man bie grage ber Vetriebswerf* 
ftätten beraten unb eine Aefolution angenommen, in ber eg helfet: 

„Sie Vertreter ber Schneibermeifter Mncbeng erlernten bie gorbc* 
ruitg nach Errichtung oon Vetriebgwerfftätten alg berechtigt an. Sic 
oerpflichten fid) 3 unnd)jt, bei beit Angehörigen ter Innung barauf hin* 
Suiptrfen, bah in ihren C^efchäfteu Vctricbgmcrfftätteu errichtet unb bie 
fdjon beftehenben VetriebSwerfftätten tbunUrijft beit SBitttfchen ber Ar* 
beiter cntfpredjrnb au^gefiattet werben. Sc* Weiteren oerpfliditen ftd) 
beibe $hetlc, mit allen ihnen 31 t (Gebote fteheitbctt Mitteln barauf Tun* 
suwtrfen, bab tut ganzen Verufe, bauptfächlich ober bei ber Eonfcftioit 
unb in ben ber Eonfcftioit ähttlidjen AcHantcgcfdjäfteit, Vetricbgioerf* 
ftätten errichtet werben muffen.'' 

Unternehmer unb Arbeiter in ber »Sfjemfe’&ifenmerf* unb 
8d)tffgbatt*Gefellfchaft" an Bonbon. Vei einem 3afp*gfeft ber Ar* 
beiter biefeg SRiefeuetaolifementg h^U beffen Sircftor £ullg eine 
bemerfengwerthe Anfprache: dr beglücfroünfd)te bie Arbeiter basu, 
bab fie ein erfolgreidjcg 3 af)t’ W) hätten; auch fei bic Söerft 
für bie näcfeften brei 3ah re befchäftigt. Vor fiebcu 3ahx*n 
hätte bag ©er! eine acht^ehnmona'Iidje Streifperiobe bitrd)gcmad)t, 
aber bie Arbeiter hätten burch ben Streif felbft nidfjtg gewonnen, 
Aach ber Veertbigung beg Streifeg feabe er ben Vefdjluh gefafet, 
bie „Shemfe=difenwerfe" 311 einer Vfufteranftalt ju tnad)en. 3 n 
biefer Abfidjt habe er ben Arbeitern eine Gewinnbetheiligiutg 
aewähi't. So würben 1892 Sftr. 4804 an Sioibenbe an bie Ar* 
oeiter oertbeilt, im 3ah^e 1898 betrug biefe Arbeiter-Sioibenbe 
Sftr. 15 390, unb in fämmtlidjen 7 Salden belief fie fich auf Sftr. 
12 519. Jebeit biefer Sioibenbe bezogen bie Arbeiter aber auch 
bie höchften Söhne, welche in biefem (Bewerbejweige befahlt 
werben, unb aufterbem hätten fie ben Achtftunbentag feit 1894. 
Söährenb bie Söhne fich 1893 auf Sftr. 99,066 beliefen, hätten fie 
1898 Sftr. 242,336 betragen, in lieben 3ah rcn fei alfo bie Summe 
ber Söhne um 1.45 prosent geftiegen, wag ein fefer betnerfeng* 
wertheg 3engnifj für ben Adjtftunbentag fei unb beweife, bah bie 
achtftünbige Arbeit fich befahlt mache. dr hübe bie Eoften jeber 
Sonne ber fünf englifchen Erieggfchiffe, bie oor dinführung beg 
Achtftunbentageg gebaut würben, unb cbenfo ber beibeit japanifchen 
Schlachtfchiffe unb beg englifchen Ereujerg, bie er ttad) dinführung 
beg Achtftunbentageg gebaut habe, beredetet, utib ba habe er ge* 
funben, baft bie letzteren Schiffe 17 big 18 ^grojent per Sonne 
weniger gefoftet hätten, alg bie erfteren. 3 aglcid) hätten au^ 
bie „Shcmfe*difenwerfe" in ben Icpten jtoei Vfonatcn in offener 
Snbmiffion 31 t bett niebrigften greifen, weld)e geftellt worben finb, 
Aufträge befommen. Sie Arbeit fei berart gcwadjfen, bah ntau 
auf betit auberen Ufer ber Shemfe eine 3 wcite ^erft erridjtet habe, 
unb auf biefe fofle bie Sahne beg Adfftunbentageg hituibergetragen 
werben. Ser Ad) tftu rt ben tag habe Allen nur Segen ge* , 
bradjt. dr fei gnt fiir bie Arbeiter, gut für bie Arbeit ! 
u u b gut für bie A f ti 0 u äre. diu glänjeubeg Vcifpiel für i 


bie Wahrheit beg Safceg, ba& bie fo^iale SReform unb wirthfd)aft* 
liehe gfortfehritt ftdfe gegenfeitig bebingen! 

FairWagres in dnglonb. 3u ber Stjjung beg öottboner County 
Council oont 31. Sanuar b. 3- beantragte ein Eomite bie Annahme einer 
Offerte ber girma Sanfg & do., betreffenb bie Lieferung oon oter 
Sampffeffeln. Auf ©runb einer Vefchwerbe beg deroerfoereing ber 
Eeffclfdjmiebe würbe mit Aücfftdjt barauf, bah bte girma nicht bte 
öJewerfoerciitglöbne be^afjle, beantragt ben Augfdjuh mit nochmaliger 
llnterfudjmtg utto Verichterftattung 3 U oeauftragen, wag in namentlicher 
Abftimmung mit 45 gegen 36 Stimmen angenommen würbe. 


^rbeitetberaegung. 

3«r Vetoeguug unter ben Hafenarbeitern tu Hamburg wirb 
uug 0011 bort aug dewerffchaftgfreifen getrieben: 3 ^fet haben 
3 um „Arbeitgnachweig für Stauereibetrieb", ber allerbingg nur 
auf bie Schauerleute Ve 3 ug hat, bie fämmtlichen Vfitgliebfchaften 
beg „Verbanbeg ber Hafenarbeiter Seutfchlanbg", in H am ^ ur 9 
alfo dwerführer, Eaftenfchiffer, Speid)erarbeiter, Duatarbeiter, 
Eohfeitarbeitet, Vagaerer, Sd)iffgntaler unb Schiffgreiniger, Stellung 
genommen. 3« allen Verfamnilungen würbe befcfeloffen, ben 
Sdjauerleuten mit allen gefetjlichen VHtteln 3 ur Seite 3 U fielen. 
Sie Sd)auerleute werben, wenn bie Stauer (Arbeitgeber) ihre 
$)rohung wahrmachen, bah alle biejenigen, bie am 21 . gebruar 
nicht im VeRh einer Earte oont Arbeitgnachmeigbureau fmb, feine 
Arbeit erhalten unb alfo auggefperrt werben, fofort in ben Aug* 
ftanb ein treten. Sie Sorberung ber Sd)auerlcute, in ber Auffichtg* 
fommiffion in gleicher Stärfe wie bie Arbeitgeber oertreten 31 t fein, 
ift in ber „So 3 ialen Vra^ig" fehon wieberholt bcfprochen. din 
anberer Vunft, ber für bie Sdjauerleute oon großer Vebeutung 
ift, ift ber §.11 beg Statutg für ben Arbeitgnachweig, ber befagt: 

Arbeitern, weld;e 001 t ben Stauern nidit mehr tu Arbeit genommen 
werben, ober fid) au ben Arbettgnacbwetgficücn nid)t einftttbett, ober 
unter aüerhanb Augrebett feine, ober höchft feiten Arbeit anneljmeii, 
wirb bte Earte ent 3 ogett. Solche Earte muh oon bem Inhaber flurücf» 
geliefert werben, defchicht bag nidjt, fo wirb burd) Auttbfchreibcn 
allen Stauern mitgetheilt, bah' bic betreffenbe Earte atther V?irf|amfeit 
gefegt worben ift. 

Sie Schauerleute feljen in biefer Veftimmung bie Srohung 
mit Vtahregelungen „mihliebiger" Arbeiter burch bie Stauer. Siefe 
föntten ja aüerbingg auch ol & nc biefen ißaffug in ihrem eigenen 
Vetrieb Vtahregelungen oornehtnen. Aber bic Augfchliehung ein* 
3 elner Arbeiter erhält burch biefen ftatuiarifd) feftgelegten Sap eine 
aewiffe allgemeine Sanftion. 3ft ber Arbeiter für ben ereilten 
Vetrieb oon ber Arbeit auggefdjloffen, fo foH ihm gleichseitig burd) 
bie 3 u*ücfgabe ^ er ^ ar ^ e ‘ 5 i e ^ßöglichfeit genommen werben, in 
anberen Vetriebcn Vefchäftigutta 3 U finben. Sah bie Stauer bamit 
bie Polle Vfacht über ihre Arbeiter in §änben haben wollen, ift 
einleudjtenb. Sie Vefeitigung biefeg Paragraphen forbern jefet bie 
Schauerleute. Sa aber grunbfählidjc Aenberuttgen ber Statuten 
nur mit Genehmigung beg Senatg möglid) finb, fo hat ftd) ber 
Vorftanb ber „Vhtgliebfchaft ber Schauerleute" au ben Senator 
D’Smalb, ben Vorfifecitbeit ber „Senatgfommiffion für bie 
Prüfung ber Arbeitgoerhältniffe im §afen", gewanbt unb beantragt, 
eine gemeinfdjaftliche Sigung oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern 
mit ber Senatgfommiffion, um auf biefe Vßeife bie ftreitigen Punfte 
3 U erlebigcn. Sie Arbeiter liefern fo ben Vcweig, bah fie Atteg 
oerfud)en wollen, um auf frieblidiem SBegc attg o u gelangen. 
3eigen bie Arbeitgeber nur halb fo oiel guten SSillen, fo wirb ber 
Augftanb oermieben! 

Gemetttfaute dittgabe ber tariftrenen Vrtustpale unb Gehilfen 
ber Vwbbrucfcreien in Hcjfen* An ben feeffifchen ßanbtag unb bie 
heffifche ^Regierung haben bie tariftreuen Prin 3 ipale unb Gehilfen 
ber Vud)brucfereien (76 Gefdjäftc, mehr alg bie Hälfte fämmt* 
lieber Srucfereien im Grohhersogthum, sahlen ben oereinbarten 
^ohntarif) eine augführlich begrünbete dingabe gerichtet, bie unter 
Hinweig auf bie Vebeutung ber Abmachungen in biefem Gewerbe 
für ben fosialett grieben unb auf bie uugefunbe Eonfurrcits ber 
nidhttariftreuen prin^ipale unb Gehilfen bie Vitte augfpricht, „ftaat* 
lid)e Vud)brucfarbeiten irgenbweldier Art nur folgen prin 3 ipalen 
Suwenben 31 t wollen, bie ben beutfdicn Vud)brucfertarif burch 
fcferiftlicfje difläntttg bei bem Sarifamte nid)t nur atierfannt haben, 
fonbertt ihn auch allen feinen Veftimmuugen innehaltcn". §i\\* 
sugefiigt wirb, bah bie Vehörbett im Eöttigreid) Sad)[en unb ber 
babifdje ßanbtag einem gleichen Anfudjen bereite entfprochen unb 
bemgemäh Verfügungen erlaffen haben. 




537 


Sogiale sßrajiS. ©entralblatt fiir Sogialpolitif. Rr. 20. 


538 


Sow ftrefelber Sammettoeberftreif ift gu berieten, ba& nun* 
mehr'bie ftäbtifdje fogiale Komntiffion einen BermitielungSoerfuch 
unternehmen miß. 3n ber Sfrbeiterpreffe, befonberS in ber fogial* 
bemofratifchen, werben bie AuSfid)ten ber Streifenben als „recht 
aünftige" begeichnet, faßs bic Arbeiter einig blieben. Bei ber 
©igenartigfeit ber Krefelber Sammetinbuftrie fei bie ©infteßung non 
Streifbretfjern ein Ting ber Umnögli<hfeit, aufcerbem erroiefen fich 
bie ^agerbeftänbe ber Öabrifanten lange nicht als fo bebeutenb, 
wie bie $abrifanten gur Befchwidjtigung ihrer Kunbfci)aft unb gur 
©infchiidjterung ber Arbeiter glauben machen woßten. TieQrabrifanten 
mürben nicht umhin fönnen, halb mit ber Streif*©ommiffion in 
Berhanblungen gu treten, öefctere höt iteuerbingS bie Bieber unb 
oerwanbten BerufSgenoffen in ber Umgebung oon Krefelb (Kempen, 
Rhepbt, Bi.*©labbath :c.) ermahnt, wäprenb Der Malier beS Krefelber 
AuSftanbeS jeben Kleinfrieg gu oermeiben. Tie Sonberoerhanb* 
lungeit ber führenben organifierten chriftlichen Textilarbeiter höben 
bisher auch noch gu einem ©rgebnifc geführt. Ta bie Samtn* 
hingen für bie Krefelber in ber gefammten beutfchen Arbeiterfchaft 
ihren Fortgang nehmen, fcheint eS ben Streifenben an Bütteln 
nicht gu fehlen. 

Aus ber englifdjett Arbeiterbewegung; bie Stufatur*Arbeiter 
unb bie ^inucr. 3n bem Streif ber Stufatur*@ewerFfchaften mit 
bem Berbanbe ber Bauunternehmer (oergl. Sog.^rajis 8 p. 504) 
fommt eS oermuthlich gu einem Ausgleiche. Terßonboner 3meigoerein 
ber ©ipfer hat über bie grage, ob Bkrfführer bem ©ewerfoerein an* 
gehören müffen, eine namentliche Abstimmung oornehmen laffen. 
Ter Bunft bilbete befanntlich bie llrfachc beS jüngfteit Streifs. 
Tie befonnenen Mahnungen ber Arbeiterführer unb baS einftimmige 
BerbainmungSnrtheil ber B*effe fcheinen hoch auf bie fampfluftigen 
Bauhanbtoerfcr ©inbrudf gemacht gu höben, ©ine übermältigenbe 
3Mjrbeit höt bafür geftimmt, bie gforbernna faden gu laffen. Ta 
auch bie Baumeifter auf ihrer lebten Berfammlung in Brabforb 
bie fchärfften Sorberungen ihres Ultimatums höben faßen laffen, 
mirb es möhl nicht gu einem Arbeitsfampf fontmen. — Am 
6 . gebruar fanb gu Bhindjefter eine Konfereng gmifchen Arbeitern 
unb Söbrifanten ber Baummolleninbuftrie ftatt. ©rftcre 
waren mit ihrer Sorbernng einer Lohnerhöhung oon 5 pl£t. auf 3 p©t.gu* 
rüdfgegangen, aber bie Arbeitgeber lehnten trofcbem ab. Tie Arbeiter 
laffen nun überaß Tiftriftoerfammlnngen abhalten, um bie An« 
Fichten ber Bütglieber gu oernehmen. So Uten biefe für bie gor* 
berungeu^fein unb bieS auf ber Teleairtcn*Konfereng berichtet werben, 
fo würben bie ßeiter eine aßgemeine Abftimmung auSfchreiben, ob man 
bie Arbeit nieberlegen foß. Tie Arbeitgeber bieten eine 3eit oon fechS 
SRonaten an, um bie weitere ©ntwitfelung ber Snbuftrie abgu* 
warten, fie foßen eo. auch einem SchiebSgericht nicht abgeneigt fein. 
So hofft man immer noch auf eine gütliche Beilegung. Auch oer* 
fchiebene Sührer ber organifirten Spinner unb Btebcr glauben 
nicht, bafe eS gu einem Streif fomrnen wirb 

Tie ©cwerföemuSOcrbäube in ©ttglaub. Büt Rüdfficht auf 
bie Befchlüffe beS ©nbe Sönuar in Btandjefter abgehaltenen Kon* 
greffeS, betreffenb bie nationale göberation ber englifchen Trabe 
UnionS finb bie im jüngften Berichte Buruetfs enthaltenen Taten 
über bie bisherige Aushebung ber gfeberationen unter ben ©ewerf* 
oereinen oon 3ntereffe. Sik 1897 werben folgenbe Taten bieS* 
begüglich mitgetheilt; eS beftanben 


im 

©ewcrfoercins* 

oerbänbe 

SDZitglieber 

Baugewerbe . . . 

88 

92 162 

Bergbau .... 

12 

361 182 

SWetallinbuftrie . . 

16 

212 416 

Tei’tUtnbuftrte. . . 

20 

269 198 

Iränsportgewerbc . 

6 

73 924 

Xrucfgcwerbe . . . 

8 

34 318 

.Jwlgtnbuftrie . . . 

13 

17 804 

Anbere (Bewerbe. . 

11 

31 372 


124 

i 092 376 


Tie ©efammtgahl ber föberirten BÜtglieber rebugirt fief) aßer* 
bingS auf 781719, wenn man in Rechnung gieht, ba| oiele 
©ewerfoereine oerfchiebenen Berbänben angehören. — Tie meifteu 
Berbänbe finb noch feine gehn 3oh*e ölt: 104 finb im 3 e itraum 
oon 1889—1897 gegrünbet worben. 

Beilegung eines Streifs in ber Schweig» 3Ran fcfjreibt uns 
aus Aarau: Bor einigen Tagen legten bie gegen 1000 Bfann 
gählenben Arbeiter ber deftrifdjen Bkrfftätte ber Sirma Brown, 
Booeri & ©ie. in Baben bie Arbeit itieber, unb gwar nicht wegen 
irgenbwelcher Artftänbe begüglich #°h n ober ArbeitSgeit, foubern 
wegen KonfliftS mit einem Bkrfmeifter. Ter Borftanb beS lofalen 
©emerfoereinS f)ötte nämlich einen Bkrfmcifter, ben bie Arbeiter , 


grober Behanblung befcbulbigten, oor fleh gur Rechtfertigung citirt. 
Ter Söerhneifter gab ber ©inlabuna feine Solge, fonbern geigte 
ben Brief mit ber ©itation ber Dberleitung beS BkrFeS, welche 
bie fofortige ©ntlaffung beS SefretärS beS ©ewerfoereinS oerfügte, 
weil ber Brief oon ihm gefchrieben war. Tarauf erflärten flcf) bie 
Arbeiter mit bem ©ntlaffenen folibarifcfj unb traten, nadjbem bie 
Sirma bie SSieberanfteßung beS ©ntlaffenen oermeigerte, in ben 
AuSftanb. ©ine Bennittelung beS StabtrathS fchlug fehl unb erft 
ber 3nteroention beS aargauifdjen RegierungSpräfibenten gelang 
eS, ben Stieben wieber h^criguführen, unb gwar unter ber Be« 
bingung, bafj bie ©ntlaffung aufrecht erhalten bleibt, bie Sirma 
bagegen bem Betroffenen 200 ©ntf^äbigung - auSgahlt, bie 
©emerffchaft refpeftirt, begüglich ber Befdjwerbe gegen ben Sßerf* 
meifter unparteiifche Untersuchung unter Begug einer AmtSperfon 
gufichert unb ferner einen ArbeiterauSfdjufj auffteßt, ber gur $älfte 
oon ben Arbeitern gewählt wirb unb an ben fünftig Anftänbe 
gwifchen Arbeiter unb SSerfmeifter gu weifen finb. 

©mente Borberettnngen ^nm ©eneralftreif tu ^ranfreich trifft 
bie oon ber Confecieration generale du Travail eingefefete Äom* 
mifrion gur B^opagation beS aßgemeinen AuSftanbeS als eines 
Büttels gur ©mangipation ber arbeitenben klaffen. Aus B?^^ 
wirb uns bagu gefchrieben: Sicherlich würbe biefe ft'ommiffion 
fchon gang aus eigenem Antriebe mit aßer Rührigfeit fidj ihres 
Auftrages erlebigett. 3h^e Thätigfeit wirb jeboch auch ftimulirt 
burch bie reaftionären Beftrebungen im Börlament, bie erworbene 
Koalitionsfreiheit gang ernftlich eingufchranfen. 2Bie bie „Sogiale 
BrajiS" (Sp. 1056 3öhf0* fchon berichtete, liegt ber Tepu« 
tirtenfammer ein oom Senat auSgehenber ©efehentwurf oor, wo* 
nach bie Strafbeftimmungen ber §§. 414 u. 415 beS Strafgefefe* 
bucheS, betr. gemeinfame ArbeitSnieberlegung, fehr oerfchärft werben 
foßen; bieBorlagc wirb halb gur Beratung fommen. ©egen biefe 
bie Streiffreiheit gängUcf) unterbinbenben Abfichten richtet fich bie 
lebte Btonifeftation ber ©eneralftreiffoinmifrion. 3 n ihrem foeben 
an aße Arbeiterforporationen oerfanbten Runbf^reiben fteßt fie 
für baS nächfte griihiahr eine ArbeitSnieberlegung in AuSficht, bie 
an Umfang bem lebten AuSftanbc im Börifer Baugewerbe gleid)* 
fomme. Tiefer AuSftanO würbe gang fidler ausbrechen, wenn bie 
Teputirtenfammer bem reaftionären ©efebentwurfe beS Senates 
ihre 3 wftimmung gebe. 3 n einem angefügten Sragebogen erfucht 
bie ©eneralftreiffommiffion bit Arbeiterforporationen, fich balbigft 
barüber auSgufprechen, ob [xt geneigt feien, in ihren Stabten unb 
Begirfen Untcrfommiffionen für bie B^opaganba gu errichten, ben 
fünfprogentigen Abgug oon aßen, für SonberftreiFS beftimmten 
©elbern an bie ©entralfommiffion abguführen, unb enbtich, ob Tie 
mit ber Teflaration beS ©eneralftreifs einoerftanben wären, wenn 
baS Börlament bie beftehenbe gefeblich^ Koalitionsfreiheit ber Ar* 
beiter 'ernftlich antafte. 


^cbeiterfd)tt|. 

Tie 3öhteSberichte ber f abrifest« unb ©ewerbe*3«f^cftoreu BoperuS 
für 1898. 

TieSmal fmb bie baperifchen Berichte*) bie erften, bie auf bem 
Blane erfcheinen. Sie bringen wieber eine oon bem 3nfpeftor 
für Dberbapern öerrn Bocßöth in Btünchen, oerfafete, auf ben 
(Singelberichten fu§enbe Einleitung an ber Spifee ber ©rörterung. 
BHr entnehmen biefer Tarlegung fJfolgenbeS: 

3ur 3^t finb in Bapern 8031 gabrifen unb 92 987 ^anb* 
werfSbetriebe mit 433 247 männlichen unb 90 855 weiblichen, 
gufammen 524 102 Arbeitern ber ©ewerbeaufficf)t unterließt. Tie* 
Bertheilung ber Arbeiterfategorien itacb Alter unb ©efchlecfjt im 
Bergleiche gur ©cfammtarbeitergahl ift folgenbe: 3n Öen ^abrifen war 
ber B r ogentfah ber jugeitblichen Arbeiter 7 , 5 (im Borjahre 7,g), 
ber weiblichen Arbeiter über 16 3öhte 20 , 3 (im Borjahre 21 , 5 ), 
ber männlichen Arbeiter über 16 3öh^ 7 1/8 (im Borjahre 70,7). 
3 n ben £>anbmerfsbetrieben betrug bie 3 a h( öer jugenblidöen 
Arbeiter 15 ,7 (im Borjahre 16, 0 ), jene ber Arbeiterinnen über 
16 3ahre 7 , 2 (im Borjahre 7, 0 ) unb jene ber Arbeiter über 16 3 al)rc 
77,4 (im Borjahre 77 ;0 ) B^ogent ber ©efammtarbeiterfchaft. Ber* 
gleicht man bte Arbeitergahlen beS Berichtsjahres mit beneti bcs 
BorjahreS, fo ergiebt fich hei einer AuSfcheibung midi Alter unb 
©ef<hled)t SolgenbeS: 3n ben ^fabrifen höben bie jugenblirfjcu 
Arbeiter um 5, 7 o/ (l/ bie männlichen Arbeiter über 16 3öbre bagegeu 


0 iPtiimpen, Verlag von ilieobor '.’ldminmii. 





539 


Soziale $rari§. Eentralblatt für 6ojiaIpoIitif. Ar. 20 . 


540 


um 9 , 3 % unb bte meiblichen Arbeiter über 16 3 uh rc nur um 
1 / 2 % jugenommeit. 3 m §anbrocr!c betragen bte entfprechenben 
3ablen 0 , 5 , 3^ unb 3,8%. Das gegenseitige Berhälhtifj ber 
3 a^I ber männlichen unb roeiblidjen, ber jugenblichen unb er* 
roachfenen Arbeiter ift im ©anzeit genommen, unb abgefehen oon 
Schroanfungen innerhalb einzelner (leroerbegruppen, ziemlich gleich 
geblieben. 

2BaS bie SReoifionSthätigfeü ber (^eroerbeauffuhtsbeamten an* 
langt, fo mürben in 8830 Anlagen 9134 SReoifionen oorgenomtnen 
unb insbefonbere 58,7 % bezro. 64,2 % ber gabrifen mit jugettb* 
liehen bezro. meiblichen Arbeitern alfo bebeutenb mehr als bie 
Hälfte biefer Betriebe infpigirt. 

(Sin Vergleich biefer SReoiftonSthätigfeü mit jener in früheren 
3ah r en ergiebt eine ftetige 3unahme. So mürben oon 100 ber 
«uffidjt unterteilten gabriren 1896: 40,7 %, 1897: 45 , 8 % unb 
1898: 50,9%, bann oon 100 betrieben mit über 5 Arbeitern 
1896: 32,7%, 1897: 36, t % unb 1898: 38, 3 % infp^irt. Wad) 
einem SRücfblicfe auf bie Entroicfelung beS in Bapern nun 20 3uh™ 
beftehenben Suftituts ber Eero erbein fpeftion aus brei 3 ufpeftoraten 
mit je einem Beamten 311 acht Auffichtsbezirfen mit einem Ee* 
fammtperfonalftanbe oon nun 19 Beamten, bringt bie (Anleitung 
folgenden Ueberblicf über bie mit ber Berfonaloernehmung ju* 
fammenhängenben 3unahnte ber Betriebsreoifionen. Es fanben 
ftatt: 

oom Sabre 1H79 bis 1885 burd)[<hmttlich 1173 SteoiftonctT, 

* = 1886 * 1891 * 1994 

* * 1892 * 1897 * 6562 

1898 — 9134 

Eilt befonberer Abfchnitt ber Einleitung beljanbelt bie SS er* 
menbung zweier roeiblicher §ülf 0 !r*äfte im Eeroerbe*Auf* 
fidjtsbienfte, beren je eine feit 1. Dftober 1898 ben Sufpeftoren in 
München unb in Nürnberg unterftellt ift. Wad) ben bisherigen 
Beobachtungen mar bie Aufnahme ber meiblichen SReoifionSbeamten 
foroohl feitenS ber Arbeitgeber mie ber Arbeiterinnen eine be* 
friebigettbe. SSenn auch bte gemalten Erfahrungen noch fein ab* 
fchliefeenbeS Urteil über bie Beroährung ber meiblichen §>ülf 8 fraft 
julaffen, fo ift immerhin beren bisherige ^hütigfeit eine jitfriebett* 
ftellenbe gu nennen, künftig merben bie Öunftionärinnen, bie 
nunmehr in ihre Dhätigfeit oöüig eingeführt ftnb, unbefchabet ihrer 
Hauptaufgabe foroohl $ur SReoi'fion anberer Betriebe, itt benen 
Arbeiterinnen in geringerer 3 Q l)l unb jugenblidje befchäftigt 
roerbett, als mr Beobad)tung unb Erhebung ber Berhältniffe tn 
ber HuuSinbuftrie herattgejogen. Auch fotten bei ben im 3ah« 
1899 über bie Befdjäfttgung oerheiratheter grauen in Qabrifen 
ooraunehmenben Ermittelungen in auSgebehntem Bta&e Bermettbung 
fittben. 

3m Berichtsjahre haben bie Auf fichtsbeamten auch einigemale 
eine Bermittlung in ber Arbeiterbemeguttg h^beigeführt. Die 
3ahl ber AuSftänbe beziffert fich auf 49, bie 3ahl ber betheiligten 
Arbeiter auf etroa 6000, bie 3af>l ber Streiftage auf runb 180 000. 
44 Arbeitseinteilungen ftrebten bie Berbefferung ber Arbeits* 
bebingttngen an, 5 be^roeeften Hüüanhaltung einer Berfchlechtcrung 
biefer Berhältniffe. 11 Arbeitseinteilungen mit 10,8% ber be* 
heiligten Arbeiter hatten für biefe oouen Erfolg, 26 mit 73% 
ber Arbeiter theilmeifen, enblich 12 mit 16, 2 % ber Arbeiter feinen 
Erfolg. Stimmt man einen burchfchnittlidjen DageSoerbienft oon 
2,50 dt an, fo läfct fich ber EefammtlohnauSfall in Solge ber 
Ausftanbsbcmegung beiläufig auf ibOQOOJi oeranfchlagen. 2BaS 
befonberS ittS Auge fällt, ftitb bie gortfchritte ber Arbeiter* 
organifationen. 

®ie Arbeitszeit ift nach mie oor in ben ffabrifen oormiegenb 
eine 10 bis llftünbige, in ben $anbmerfsbetrieben eine 11 bis 
12 ftünbige. Die roirtbfd)aftlid) günftige Sage hat mieberum oiel* 
fad) — befonberS in ber 3Rafd)ineninbuftrie — ju Ueberarbeiteit 
Beranlajfuug gegeben. ®ie 3ahl ber Berftöße gegen bie Arbeiter* 
fd)ubbctimmuugen ift größer als im Borjahre.' Die Borfdjriften 
über bie Sonntagsruhe, bann über bie Einridjtung unb ben Be* 
trieb ber Buchbrucfereien unb Schriftgießereien, fotoie über bie 
Arbeitszeit in ben Bätferetcn finbeu oicifad) noch nicht genügenbe 
Beadjtnng. B3ie im Borjahre beftanb auch im Berichtsjahre eine 
Ziniefnitcube Neigung, bie .Slünbiguugsfrifteit gänjlid) auSzufchließcn, 
roas feitenS ber Arbeitgeber mitunter mit ber ftontraftbriidjigfeit 
ber Arbeiter begrünbet toirb. Auf bem (Gebiete ber llnfalloer* 
hiitung ift tt ad) zahlreich oorliegeubcn Aeujjerungeu auf eine 
Beffcrnng zu fdjließeu, fo unter Auberem l)iufid)tlid) ber Ban* | 
foutrole, ber Ausftattuug neu errichteter Anlagen mit ©djntmor* , 
rid)tuugen, bes AnSfd)IuffcS jugeiiMicher unb weiblicher Arbeiter 
oon gefährlichen Bcfd)äftiguugeu n. bgl.; bodj zeigt ein Blirf auf bie 


gro&e 3ahl non Unfallanzeigen (12 169, barunter 139 DobeSfälle), 
mie gro& unb ernft bie Aufgaben finb, bie hier noch i^rer Söfung 
harren. Bott einer BerooIIfommmtng ber Sd)uboorrid)tuitgen uno 
iitSbefonbere oon einer forgfältigeren Arbeitseintheilung, Arbeits* 
überroachung unb AuSmahl ber ArbeitSfräfte mirb eine Befferung 
biefer Berhältniffe erroartet. Ceiber läßt baS Berhalten ber Arbeit* 
geber unb ber Arbeiter gegenüber ben Anforberungen ber Unfall* 
oerhütung noch immer oiel ju münfehen übrig 3 ur Berbefferung 
ber hh 0 tcnifd)en Berhältniffe finb gelegentlich ber Betriebs* 
reoiftonen 2496 Anorbnungen getroffen roorben. Ein befonbereS 
Augenmerf mürbe ben gefunbhettüchen 3 u ftänben in ben Bäcfereien 
unb Sfonbitoreien zugemenbet. 

gür bie Beurteilung ber mirthfchaftlichen Berhältniffe ber 
Arbeiterbeoölferung fommt in erfter fiinie bie günftige Sage beS 
ArbeitSmarfteS in Betracht. Saft aus allen Auffichtsbezirfen mirb 
über einen roenigftenS theilmeifen Mangel an ArbeitSfräften in ein* 
Zeinen 3nbuftriezmeigen, bagegen über eigentliche ArbeitSlofigfeit 
nur oereinzelt geflagt. Bon ber roeiteren Entmicflung beS fefjon 
bisher mohlthätig mirfenben ArbeitSnachmeifeS toirb ein für 3n* 
buftrie unb Arbeiter gleich oortheilhafter Ausgleich oon Arbeits* 
angebot unb *9?achfrage auf roeitere Entfernungen erroartet. 5)ie 
Söhne hüben fi<h im Allgemeinen jum BHnbeftcn auf. ber bisherigen 
Höhe erhalten, hoch finb auch otelfadi Sohnftcigerungen größeren 
ober fleiiteren Umfanges, in einigen Bezirfeu auerbingS nur aus* 
nahutSmeife ober unter bem 3 roan 0 e ^ cr Arbeiterbemeguttg oorge* 
fommen. $ur in oerhälinifjmäfeig menig Süllen finb, tneifienS in 
Solge oerfchledjterteit ©efchäftSgangeS, Sohnfiirzungen eingetreten. 
S)ie SebenSmittelpreife finb in einigen Auffichtsbezirfen entroeber 
Ziemlid) unoeränbert geblieben, ober fte hoben nur eine oorüber* 
gebeitbe unb nicht empfinbliche Steigerung erlitten, roährenb aus 
Öberbapertt, Bfalz unb Unterlaufen über eine zum X|eil erheb* 
liehe BreiSfteigerung berichtet mirb. H' ernac b bütte ftch bie SebenS* 
haltutig ber Arbeiterbeoölferung ziemlich oerfchieben geftaltet, theils 
oerfchlechtert, theils oerbeffert, theils märe pe gegenüber bem Bor* 
jahre unoeränbert geblieben. HtnWIüb beS BßohnungSioefenS 
roerben manche erfreuliche Seiftungen feitenS einzelner Arbeitgeber, 
gemeiitnübiger Bcreine unb Eemeinbeoermaltungeu mitgetheilt. 
wach ben im Berichtsjahre burd) bie ©cmerbe*Aufjid}tSbeamten ge* 
pflogcnnt umfaffeubcu Erhebungen über beit Staub ber Arbeiter* 
roobnunaen finb oon Arbeitgebern 11655 Arbeiterfamilieitroohnungen 
hergefteflt roorben, in benen 10 928 Somilien mit 53 274 Be^ ff 
fonen untergebrad)t finb. Aufeerbem mürben oon acht Bau* 
genoffenfehaften 106 Hüufer mit 419 SBohnuttgcn, beroohnt oon 
419 Satnilien, errichtet. Ettblid) gehören hf^b er ^ 
meinmijjigen ©efeHfchafteu errichtete Hüufer mit 489 ÜRieth* 
mohmtngen, bemohnt oon 520 Somilien. Aus fämmtlicheu Auf* 
fichtsbezirfen liegen ferner BUttheilungen oor über oerfd)iebene oon 
Arbeitgebern auSgehenbe Beranftaltungen unb Seiftunaen (Somtlien* 
franfenoerficberung, UnterftühungS*, BenfionS*, Sparfaffen u.f.m.), 
roelche ben 3mecf oerfolgen, ben Arbeitern in befonberen SebenS* 
fällen eine Beihülfe zu geroähren. WeuerbingS merben oerfchiebene 
Einrichtungen ooit Arbeitgebern mitgetheilt, roelche bahin zielen, 
burch Sürforge für bie Arbeiterfinber ober in fonftiger feeife bem 
Satnilienleben ber Arbeiter Sörbcrung angebeil)ett zu laffen. 

^)er Einleitung fchliefet fich n °ü) jufammenfaffenbe Be* 
fprechung ber Erhebungen über baS Schneibergemerbe an, roelche 
Zu bem Ergebniffc gelangen, bafe bie ^Regelung ber Sohnoerhältniffe 
unb ber Arbeitszeiten, bte SRefornt beS SehriingSrocfenS unb bie 
Herftelluitg oon Betriebsroerfftätten behufs' Berbefferung ber 
Arbeiteroerhältniffe im Schneibergemerbe oor Allen Berücfftchtigung 
oerlaitgen. ^ie Einleitung fchlieftt mit ben .Porten: 

„ 3 m (Ganzen genommen, roeift alfo baS abgelaufene 3 uh^ 
feinen Stiflftanb in ber H e ^uug ber arbeitenben klaffe auf. 
BtancheS ift in btefer H^ufidjl erreidjt morbett, oieleS bleibt notf) 
Zu thun übrig. Auf biefer Erfeitntnifj, in melier ftch wit ben 
unmittelbar betheiligten Arbeitern alle ftaatSert)altenben Elemente 
begegnen, beruht bie Wotbroenbigfeit ber 5Seiterführung 
f 03 ialer Reformen!" 

Die Orgatiifafion unterer AuffidjtSbcamten iu ben prettfif(|(tt 
Bergtoerfen, bie itt bem neuen Etat oorgefehen ift, fam in ber 
Sibung ber Bubgetfontmiffion bes AbgcorbnetenhaufeS am 13. bs. 
Zur Sprad)e. Bon Seiten ber Regierung mürbe — nach 3 e üungS* 
berichten — erflärt, baß bie Schaffung einer unteren WeoiftonS* 
orgatiifation uotbmcnbig fei. Die 3 a hl ber Unfälle habe zuge* 
uommeit; cs laffc fid) bas zum Dl)eÜ aus einer Bermchnmg ber 
Belegfdmftcn bmih bie große 3ul)l jüngerer Sentc erflären, mehr 
als bie Jg>ülflc ber Unfälle fei burd) Unoorfichtigfeit uttb Berlefcung 



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Sogiale präzis. Eentralblatt für Sogialpolttü. Br. 20. 


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fcergpolig'eilicfjer Borfchriften ^erbcigefüljrt. 3u ben ©ruhen fehle 
e£ art einer bauernben Beauffid)ttgttng. 25agu feien untere Drgane 
nothroenbig. 3ro lefcteit 3ah rc feien &ie Unfälle roieber fehr ge- 
ftiegen: 1897 714 Sobte, 1898 928 dobte in allen Bergroetfe- 
betrieben PreuhenS. Sie in anbere Sänber mit I^ernorragenbeit 
Bergbaubetrieben entfanbten ^ommiffionen hätten ihre Beriete er- 
ftattet. 25er Miitifter für |>anbel unb ©eroerbe gab nähere AuS- 
fünft über bie belgifdjen Einrichtungen; bort bildeten nicht roirf- 
licf)e Arbeiterbelegirte, fonbern oom (Staate aus ben Arbeiterfreifen 
entnommene Perfonen bie unteren AufftchtSorgatte. Sie Erfahrungen 
genügten aber noch nid^t, um fich ein fidjereS Urteil bilben gu 
rönnen. tteberbieS fei es [ehr fdjroer, bie geeigneten Arbeiter 311 
finben. Sie Erfahrungen in granf reich miefen barauf hi«/ ba§ 
bie Selegirten nach beiben Seifen hin unabhängig fein müßten. 
3unäd)ft miiffe man fu<hen, bie Aufgabe mit unteren AuffichtS- 
beamten burchguführen; fpäter fönne man bann oielleicht einmal 
gu Arbeiterbelegirten übergehen. Auf ben Wunfdj, ben Bericht ber 
abgefanbten ftommifftonen bem Abgeorbnetenljaufe oorgulegen, er- 
flärte ber Minifier, biefem Wunfche ftehe an [ich nichts entgegen; 
ber Bericht beziehe ftch aber nicht auf ben jefcigen BeaierungS- 
oorfchlag. Er fei bereit, ber Bubgetfommiffion einige Ejemplare 
beS Berichtes gu übergeben. Bon einer Seite mürbe betont, bah 
im Allgemeinen gerabe jefct bei ben fteigenben ßöhnen auf 
Stärfung ber SiSgiplin hingcroirft roerben müffe, ftatt nach Popu¬ 
larität gu ftreben; bie 3uftänbe Ratten fich bei ben Bergmerfen 
fehr oerfchlechtert, bie Montagbummelei fei fehr ftarf eingeriffen. 
Bon bcrfelben Stelle mürbe empfohlen, ber $ommiffion eine Senf- 
fchrift über bie neue Einrichtung gu übergeben. — BegierunaSfeitig 
erfolgte hierauf nähere Aus fünft über bie fünftig aufguftellenben 
unteren Auffichtsbeamten; biefe mürben in ber &hat faft ohne 
Ausnahme aus ben Streifen ber Arbeiter heroorgehen. — Eine 
Befolution, bei ber oorgefdjlagenen erheblichen Erhöhung beS 
Etats ber unteren Auffichtsorgane gleichgeitig bie Äoften ber 
höheren Aufficht au oermehren, mürbe oom Bertreter beS ginang- 
minifterS befämpft unb fchliefgUch mit 15 gegen 3 Stimmen abge¬ 
lehnt. Ser ditel, um ben es fich hielte, mürbe unoeränbert 
genehmigt. 

Bcrorbtraig über bie Belüftigung frembfprachluher Arbeiter 
tut Sortmuitber BergamtSbegirf. 3ui Sntereffe ber BetriebSficher- 
heit hat baS Cber-Bergamt tn ©ortmunb nunmehr bie bereits an- 
gefünbigte Beifügung erlaffen, roonach frembfprachliche Arbeiter in 
Bergmerfen unb ben bagu gehörigen Aufbereitungsanftalten unb 
Brifettfabrifen nur bann befchäftigt merben bürfen, menn fie ge* 
nügenb Seutfcb oerftehen, um münbliche Anroeifung ihrer Bor- 
gefeiten unb Mitteilungen ihrer Mitarbeiter richtig auffaffen gu 
rönnen. Als Auffeher, Mafd^inenführer, Pumpen- unb fteffel- 
märter, Schiefemeifter, Wettermänner, DrtSältefte, Schacht-Beparatur* 
hauer, Anfehläger, Abnehmer unb Bremfer an Schächten, BremS- 
fchächten unb Bremsbergen, als 3 u gführer, Bahnmärter, Weichen¬ 
steller unb Bangirer bei Eifenbahnen über Sage bürfen fremb¬ 
fprachliche Arbeiter nur befchäftigt roerben, menn fie beutfch fomohl 
fpredjen mie Iefen fönnen. lieber bie befestigten frembfpradhlidjen 
Arbeiter ift eine ßifte gu führen, aus ber gu erfennen fein muh, 
ob biefelben ben geftellten Bebingungen entfpredjen. gür 3 nroiber- 
hanblungen ift eine ©elbbuhe bis gu 300 < 4 (. oorgefehen. gremb* 
fprachlithe Arbeiter, bie fchon am Sage ber Befanntmachung ber 
Berorbnung, bie fofort in Äraft tritt, auf Bergmerfen befchäftigt 
finb, unterliegen ben Beftimmungen erft nach Ablauf oon fechS 
Monaten. 3u einer Begrünbung ber burchauS gu billigenben Ber¬ 
orbnung mirb ausgeführt, bah bie 3®hl ber fremben ArbeitSfräfte 
im rheinifdh-meftfälifchcn Sbhlenreoier oon 3 uhr 3 u Saht gunimmt. 
Siefer 3«ftanb erfcheine oom fnherheitspoligeilichen Stanbpunfte 
als bebenflich, gumal oom Shun unb ßaffen beS eingelnen im 
Bergbau nicht allein feine Sicherheit, fonbern auch bie ber Mit¬ 
arbeiter abhänge. 

SBeiMidje Vfßfteug bei ber ©etoer&eauffidjt in Württemberg. Audi 
Württemberg tritt jefct in bie Steife beutfdjer (Singelftaaten ein, bie 
weibliche ftilfsbeamte für bie ©eroerbeinfpeftiou heraiigichen. Ser neue 
EtatSooranfdjlag fieljt bie AnfteUung einer Affiftenttn oor. 

Eifenbaljnarbeiterftb u <? tu Oefierretdj* 3n einer Si^ung bes 
parlamentarifchen EifenbahnauSfchuffes theilte ber öfterreidjifche 
Eifenbahnminifter o. Wittef 9leformpläne mit, bie noch im Öaufe 
biefes SahteS burchgefiihrt merben foKen. 3 unächft foüen ©e- 
haltserhöhungen ber llnterbeamten, Siener, Siurniften, Weichen- 
unb Blocfroäditer oorgenommen merben. 3ür bie in Solge oon 
$lter ober Äranfheit bienftunfähig gemorbeuen nieberen Hngeftetlten 
unb Arbeiter fomie beren §interbltebene foll eine beffere Regelung 


ber ©nabengaben ftattfinben. 2lud) mirb eine Beform ber SllterS- 
oerforgungSinftitute im Sinne meiterer Berbefferungen beabfichtigt. 
Sie gut Erlangung beS BerforgnngSanfprucheS erforberlicfjc Sauer 
ber Sheitnahme an bem Sufttiut foll oon gehn auf fünf 
Sahre für jene Bebienfteten h^rabgefe^t merben, bie in Solge 
^ranfheit ober einer nicht abfichtlicf) h e tbeigeführten förperlichen 
Befchäbigung bienftunfähig gemorben finb. ferner erflärte ber 
Minifter, bah fi(h bie StaatSeifenbahnoerroaltung beffen bemüht fei, 
bafe bie SlngefichtS ber namhaften Berthenerung ber SebenSoerhält- 
niffe oom Perfonal angeftrebte Erhöhung feines bienftlichcn Ein- 
fommenS nur burch eine allgemeine, grunbfäfclich alle brei $ate- 
orien bes Perfonais umfaffeitbe SReguIirung ber ftehenben Begüge 
emerffteHigt roerben fann. 2SaS ben Slrbeiterfchuh beim Eifen- 
bahnbau anlangt, foüen bie Arbeiter oertragSmähig gegenüber ben 
Bauunternehmern gefiebert merben. Ser 2hiSfdjuh befdjloh, bie be- 

Ö liehen fogialbemofratifchen Anträge roegen ber Slrbeiterfthufe- 
immungen ber Bebingnihhefte einem Beferenten guguroeifen, ber 
beauftragt mürbe, ben betreffenden ©efefcentrourf innerhalb ber oom 
Parlament befchloffenen »an acht Wochen, bie Mitte gebruar 
abläuft, auSguarbeiten unb oorgulegen. 


3lrbcUenirrpiJjermig. öparfeaffen. 

Sir Beratung ber ^BalibttütSUerftiherun^SnooeUe im 
tage h ui öui 13. b. MtS. begonnen unb ift bei sihluh ber Bebaftion 
biefer Bummer noch nicht beenbet. Wir merben baher erft in 
ber nächften SluSgabe eine gufanimenfaffenbe Ueberftcht ber Sebatte 
geben fönnen. 

Sie Befdjlüjfe ber Bertreter ber beutfiheu BerftchernnaS- 
anftalteu gu ber SufttlibitütSuauette, beren mir fchon furg in bel¬ 
iebten Bummer gebacht hu&eu, oerbienen eine eingehenbere Wieber- 
aabe. Seiber oerbietet uns ber Baum, ben oolfen Wortlaut ber 
Eifenacher Befolutionen miebergugeben, mir müffen uns auf einen 
erfcfjöpfenben SluSgug befchränfen. 

3n Begug auf „fiaftenoertheilung" mürbe bas Bebürfnifj burdj 
2lcuberung ber jebigen (^efepci'bcftimmungen über bie SSertbeiliuig ber 
Bentenlafi ben in ber Vermögenslage ber Präger ber Önualibttätsj- 
unb SHtcrSDerfidjerung beftehenben Berfchiebenbciten Bcchnuug gu tragen, 
anerfannt. desgleichen mürbe bas oon bem ©cfe&entmurfc angenom¬ 
mene Softem, monac| eine Scheibung ber ben fämmtlichen Berfichernnge* 
anftalten nnb Äaffeneinrichtungen ermachfenben haften in eine ©emein* 
lafi nnb Sonberlaften unb eine dbeilung ber oorhanbenen BerntögenS- 
maffen in einen gur dragung ber ©emeiulaft unb einen gur dragung 
ber Sonberlaften beftimmten Sfieil als geeignet angefeljen, als ©runb- 
lage für eine meitgebenbe Ausgleichung ber oerfchieoen hohen Beladung 
gu bienen, jeboch unter einer Beihc oon Boraimfepungen. der Bor- 
fcfjlag bes ©efe^eutmurfs, ber oon ber Bentenlafi ben Äapitalmertl) ber 
gangen Altersrenten unb ber gangen ©runbbeträge ber ^nualibeitrentcu 
als ©emeiulaft, bagegen als Sonberlaft nur ben .Mapitalmertb ber febr 
niebrigen SteigerungSbeträge ber ^noalibenrcnten bebanbclt fehen miß, 
entfpricht ber Jorberutig nicht, monach ber dljcil ber Beuteulaft, ber 
bem Sonberocrntögeu obliegt, fo bemeffen merben muh, bah bas 3u= 
tereffe an einer forgfamen Bcrmaltung in auSreichenbcnt Mähe oerblcibt. 
die Ucbcrtragung ber Eutfcficibung über Bcntenanträge an folchc Stellen, 
bie ohne tereffe au ber deeftntg ber ermachfenben Saften finb, mie 
bie im Entmurf oorgefebenen Bentenfteßen, ift mit bem angenommenen 
Spftem ber Saftenoerthcilung unoerträglich. 3» bas müffen aus- 
reichenbe Beftimmungen über ben Umfang ber Berpflichtung ber ©a- 
rantie-Bcrbänbc gur Haftung für bie Berbinblichfciteu ber Anftalt 
(.taffeucinrichtung) unb ben 3 e üpuuft, mo tu Wirffamfeit tritt, auf¬ 
genommen merben. die im Entmurf oorgefctilageuc ^rabfepung ber 
Beiträge für bie 1. unb 2. Sohnflaffc ift gu oermerfen, ba baburch btc 
Seiftungsfähigfeit ber bislang befonbes fchmer belüfteten Anftalteu 
noch oerringert merben biirfte. das j;e&t geltcnbc ^apitalbectungSocr-- 
fahren unb bie Bcfugnih ber BerfichcrnngSanftalten gitr Bilbuttg oon 
Büdoerficherungsoerbänben ift Bctgubeljaltcn. 

die Bcrfantmlung erflärte fiefj gegen bie Einrichtung oon Beuten- 
fteUen, meil fie fel)r theuer, nicht uöthig unb ungmeefmähtg fmb. die 
Steigerung ber Bcrmaltungsfoften, bie" baburch oebiugt ift, mirb eine 
auherorbentlich ftarfe fein, unb ba bie Beutenftellen gmar „Crganc ber 
Berfichcrungsanftalten" genannt merben, in Wahrheit feborf) lebigliri) 
Organe ber SanbeS-Eentralbehörben finb, fo mirb baburch ber Äcim gu 
differengeu gmifd^cn ben Berfidieruugsauftaltcn unb Bcnteiiftcflcn gelegt. 

3urB ea uf f t dj ti gu 11 g berBerf t d;eru ug San ft a 11 eu eradjtete mau 
es nicht für angemeffen, beit Saubes-Eeutralbehörben eine fo meitgeheube 
Machtoollfommcnheit einguräumen, mie fie ber Entmurf namciitlid) he= 
treffs ber BentenftcHeu unb Eingugsfteßen oorficht. 

die Berfammluiig hielt bie Steigerung ber ©runbbeträge 
für bie eingelnen Marteuflaffen an fid) für gmeefmähig, ftimmte iubefien 
ber Art ber Ausführung Deshalb nidit gu, meil 1. bie oorgeiehnieu 
1 Abfiufungen für bie eingelnen Marlcnflaifen gu erheblid) finb unb einen 




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® 03 ialc 5ßraji3- Ecntralblatt für ©O 3 ialpolitif. 9fr. 20. 


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gcrcdjten Ausgleich bco ^crtiälliiiffce 3wifd)cn bcu dienten* linb ^Beitrags* 
iciftnngcn md)t bewirten, lucit 2. bet Verfidicrnngcn in oerfd)tcbcncn 
2 ol)nHaffen ober bei ber Anrechnung oon Hranfl)eits= ober Militär« 
bienft^citcn fogar ^äflc cintrctcn fönnen, in beiten fid) ber dienten** 
aitfpruch eineö Zerflederten in B*oIgc Verfcjjung in eine nteberc Sohn* 
flaffe burd) bie fernere (Entrichtung non VeitragSmarfcn ftetig oerringert, 
unb weil 3 . ber (Entwurf feine dtütffidjt barauf nimmt, ob bie Beitrags* 
letftung ununterbrochen erfolgte ober nidjt. Enblid) einigte man ftdj 
nod) bal)in, einen größeren Aufmanb 311m 3 wecfe ber 3 n ^ im 9 »ott 
Altersrenten auch jept nicht für jnläffig 3U erflären. 

Der 5 . ^uuft ber DageSorbnung betraf „dRarf enoerwerihung 
unb ©ültigfcitsbauer ber £uittungSfarten". 1 . Die (Ein* 
fiiljrnng oon Sftarfenftütfcu für längere 3 c iträumc ift geeignet, bie Vei* 
tragsletftung 311 erleichtern; bod) finb gegen llnreblidjfeiten geeignete 
Maßnahmen 311 treffen. 2. dtebeit ber Anorbnung einer obligatorifdten 
(Entwertlunig, menigftenS ber für längere 3 eit geltenben üliarfen, ift eine 
länger bemeffene ftrift beijubefjalten, nach beren Ablauf bie nicht 311m 
Umtanfdj eingereiditen £uittungsfartcn ihre ©ültigfeit oerlteren, ba 
fonft bie luidjtigften ftriftbeftimmungen ihre Vebeutung 3utn grof3en 
Dljeile einbiiHen. B. 93 Senn es bislang fchott bebenfUch mar, baß bie 
A^etge bes VerluftcS einer £nittungsfarte 3ur llebertragung bcS nad)** 
gemiefenen Inhalts ber Harte in bie erneuerte Harte führt, fo mirb 
bies oöllig unsuläffia, raenn ber Harteninhalt in 3 ll f un f* einen SBerth 
oon GO M. unb mehr erreichen fann. — 4 . Die neuen Veftintmungeit 
bes (Entwurfs über bas (Ein^iefjungSoerfahreu laffett beujenigen (Einfluß 
ber 58 erfi<heruugsanftalten auf ihre (Sinnahmen unb Ausgaben ocr* 
miffen, ohne ben ftc bie Verantwortung für bie Durchführung bcrVer* 
ftcherung nicht tragen fönnen. 

3um lebten fünfte, „lieb erg an gS b e ft im m ungen" betreffend 
fprad) fidt bie Vcrfnmmlung bahin aus: 1 . (Es erfdjeint nicht angängig, 
bie Vemeffutig beS ©runbbetrages ber 3 noaliben* unb Altersrenten für 
foldje $erfonett, bie bem Vcrfid)cruugS3mange neu unterteilt merben, 
in ben erften fahren nach ^ufrafttreteu beS betr. ©cfc^cs aus) d) lieblich 
oon ber $ölje nur weniger bcigebradjter Warfen abhängig 311 machen, 
um fo meniger, als bie feafjl biejer Warfen bem belieben beS Ver* 
fidjerten anheimgefteHt ift. (Eine ähnliche Veftimnumg, mie fie ber feit* 
herige §. 159 für bie Altersrente enthält, mirb für bie dienten nicht 
entbehrt merben fönnen. 2. Die Veftimmungen über bie Erfüllung ber 
2Barte3eit fönnen im allgemeinen als eine Verbefferung ber feitherigen 
dtetfjtslaae augefehen merben, bebürfeit aber einer beftimmteren unb 
flareren Raffung. 3 . (Sbeufo geben bie Vefiimmungcn über bas 3 nfraft* 
treten beS (ÜefepeS unb feine Anmenbung auf fdjmebenbe dtentenanfprücf)e 
311 3 rueifcln Anlaß. 4 . (SS ift münfchenSmerth, bie UetergangSbeftim* 
muugen unb bie Vcftimmimgcit über dtentenI)Öht’ unb 5Mnrte3eit fofort 1 
mit ber Verfüubiguug beS ©efefces in Hraft treten 311 laffett. 

(Enblich mürbe ein Ausflug mit bem Auftrag gebilbet, für 
ben Satt beS 9 hcht 3 uftanbefommenS beS VorfdjIagS einer anber* 
weiten Verkeilung beS Vermögens unb ber dtentenlaft in biefer 
©effion bie Qrage 3 U prüfen, „ob unb in welcher döeife ein foldjer 
Ausgleich burd) bie Vilbung eines $Rücfoerfid)erungS* 
o erb an b es 3 U erreichen ift." 

Vefdjlüffe ber rhrimfdj-toeftfftlifdjeit ©roftinbnfirietlen jur $n* 
oalibeuücrftdjerungSnoueflc. 3u bem Entwurf eines 3noalibitätS* 
unb AlterSoetfidjerungSgefeheS hat ein oon ben wirthfchaftlichen 
Vereinen in S^^cinlanb unb fBeftfalen eingefefcter AuSfchufc am 
6 . gebrnar in Diiffelborf bie folgenben Vefcfjliiffe angenommen: 

1. (Sntfpredjeub ben Vefdjliiffen 311 bem 1897 oorgelegten Entwurf 
hält bie Snbuftric bie 3ufammenlegung ber Snoalibitats* unb Alters* 
oerfichcruitg mit anbereu 3 ,lu 'igcn ber Arbciterüerfidjeruug unb bemge* 
mäfj «udj bie ^erfdjmel^ung ber Hranfen*, Unfall* unb Snoalibenoer* 
fichcruug in eine biefc brei 3mcige ber $krficberuug in fidj oereinigeube 
£rganifation für unausführbar. 

2 . 5 Dtehrere ^eftimmungcu beS neuen Entwurfs finb geeignet, eine 
dleihe oon SWißftäubeu 311 befeitigen, bie bei ber Durchführung bes 
Olcfehes heroorgetreteu finb. 3u biefeu Seftimmungen fönnen aber bie 
oon ben iUtotioen fo warm empfohlenen örtlidien Aentenftellcn nid)t ge* 
redjnet merben, gegen bereu ISiuriditung fid) bie ^nbuftrie mit aller 
(Sntfd)iebeuhcit erflären muß. Sie befürchtet oon ber (Siurichtuug ber* 
felben eine 3 i mahmc ber fojialbemofratrifchen Agitation, eine ßr* 
fcfjütterung ber (Sinheitlidjfeit in ber ^rayis ber Aentenbemilligung unb 
eine £ueüc oon Honfliften 3mifdjen ben dientenfteücn unb ben SJcr* 
fidjerungsanftalten. 

3 . Die be3iiglid) bcS 3 )larfenfi)ftemS unb ber (Srhebuug ber 53 ei* 
träge oorgefdjlageucu neuen ^eftininumgeu merben für geeignet er* 
adjtet, baS Verfahren 31t erleidjtern unb bie Erhebung ber Beiträge 
mehr nl* bisher ficher 311 ftellen, unb es mirb anerfaniit, baj) bis auf 
Weiteres bie Äenteubemeffung nad) Arbeitsbauer unb Lohnhöhe unb in 
SSerbinbung bamit and) ba^ iOlarfenfijftem bei3ubehalteu fei. 

4 . Die in s i>orfdilag gebrad)te anbermcitige s D'crtfjciliing ber dienten* 
laft unb bie bamit oerbnnbene Auftheilung bei? Vermögens fann uidjt 
als gcredjtfertigt anerfanut merben. 2i$cnu bei einzelnen 33 erfid)eruugs* 
anftalten bas oielleidjt mir oorübergebenb heroorgetretene 'licifmerhältnifj 
3mifd;cn bem erforbcrlidjeu Dccfungsfapital unb bem oorhanbeneu 58 er* 
mögen überhaupt ein bauerubeS merben füllte, fo barf beuifelbeu burd) 
bie Honfisfation eines DheileS bes angefammelten Vermögens günftiger 


fituirter Anftalten fdjou um beSmilleu nid)t abgeholfen merben, meil 
barin eine fdjmere 3 ?eeiuträd)tigung ber oerftdierteu Arbeiter liegen 
mürbe. And) betritt bas oorgefd)Iagcne Verfahren ben Bcg einer 
)03ialiftifd)en Auftheilung bcS .Kapitals, ber 311 ben bebcnflidjften Hoitfe* 
guen3eu führen fann unb tnSbefonbere 31t einer oerhäugnihooHen Gr* 
lahmung beS 3 ntereffeS an einer meitern 5 ßermögensbilbnng ber ein* 
feinen l^erficheningSanftalten 3meifelloS beitragen mürbe. §eitc SRife* 
ftänbe merben aud) heute noch burd) oeränberte ©ruppirung ober 
3 ufammenlegung ber ^crficherungSanftalten innerhalb ber in ^rage 
fontmenben 5 BunbeSftaatcn ober burd) (Errichtung einer AeidjSauftalt 
befeitigt merben fönnen, bei ber bas augefamnielte Vermögen ben An* 
ftaltcn 3U beiaffen unb bie 33 cttragShöt)c beisubehaiten, aber mit einer 
neuen Decfungsfapitalbübung für baS gefantmtc dleich 311 beginnen märe. 

5 . ©egen bie im (Entmurf oorgefchlagenc mefentliche (Erhöhung ber 
©ruubbeträge ber ^snoalibenrcnte unb bie bcmentfpredjcnbe SRtnbcrung 
ber Stetgerungsfäpe muß ©infpruch v erhoben merben, ba einerfeits 
SiHigfeitSgriinbc in feiner Söeife für biefc 2 Raßnal)me angeführt merben 
fönnen, anbererfeits mit ber nur ber „©emeinlaft" 3ufaüenben (Er* 
höhung iufofern eine grofee ©efahr oerbunben ift, als fie bas ^"tereffe 
ber einjeluen 33 erfid)emngSanftaIten an einer weiteren Vermögens* 
bilbung hintanhält. 

6. (>Jegen bie Seftimntung bes (Entwurfs, nach welcher bie 2 anbeS* 
fontrolbehörbe befugt fein fofi, gegen ben oon bem AuSfdjuh ber Ser* 
fid)eruugSanftalten aufgeftellten (Entwurf beS SoranfdjlagS Anftänbe 31t 
erheben, utib wenn biefe nid)t befeitigt werben, ben 00m AuSfdjnffc 
feftgcftellten ^lait eutfpredhenb 3U äitbern, muh gefien baS $rin3ip ber 
©elbftocrroaltung oerftohenb, Verwahrung eingelegt werben. 

ftranfenüerfidjerung ber ftäbtifcheu Arbeiter in Wzvtin. Die 

Oemeinbebehörben haben burdh ein neues DrtSftatnt beftintmt, baft 
oom 1. April b. 3- ab alle bisher nicht franfenoerficherungS* 
pflichtigen, in Hommunalbetrieben unb im $onununaibienft oe^ 
fd)äftigten V^fonen ber UranfenoerficherungSpflicht unterliegen 
follen, foweit fie nicht Seamteugualififation befiben. Da baS DrtS* 
ftatut über bie 3orm ber SSerficherung feine SÖeftimmung enthält, 
hat ftd) neuerbingS bie ©ewerbebeputation beS dJtagiftratS mit 
biefer Srage befaßt unb befdhloffen, eine neue BetriebSfranfenfaffe 
3 U errichten. Der ^efdblufe bebarf ber Seftätigung burch 3J?agi)trat 
unb @tabtoerorbneten*3$erfammlung. 

DaS AtterSUerforgungSgefeh tu 9leitfeelanb ift nun ein Sahf 
in $raft, unb, foweit ferne feirfung ftth überfehen läfet, ift man 
bamit äufrieben. 3^adf) bem ©efefce hat jeber dRanti unb jebe 5*au, 
bie über 65 3^h re alt finb unb nicht 680 J(, (Einfommen im 3ahre 
haben, ein Anrecht auf eine Sßenfion oon 6 sh. unb 11p. wöchentlich 
ober 360 c // im Sahre. 2Benn fie aber mehr als 680 fi 3ah*eS* 
einfommen haben, fo wirb bie Venfion um je 20. -// für20,.y/ Ueber* 
fhuh oerminbert. §at jetnanb aber im Qahre 1080 ^ Ginfoinmen, 
fo wirb feine ^enfion me ^ r heiahlt. ßefetere Seftimmung bezieht fich 
nicht auf ein (Ehepaar. Alte (Eheleute, bie 3 ufammen wohnen, muffen ein 
(Einfommen oon 40 JL bie SBodhe haben, ehe eine Skrfüqititg ber 
ißenfion eintritt. AuSgefhloffeu finb Verbrecher, bie über ein 3ahr 
©träfe erhalten haben, unb ©ewohnheitsfäufer, bie in Anftalten 
unter 3 ubringen finb. 3m Salle, bafe eine alte ^erfon baS erhaltene 
©elb oerfchwenbet ober burch ©eifteSfdjwäche unb bergletchen 3 Utf 
ftänbe ihre gamilienmitglieber behinbert, ift ber DrtSgeiftliche, 
SriebenSrichter ober eine oom dichter eingefehte VertrauenSperfon 
ber (Empfänger unb Verteiler ber 5ßenfion. ©an 3 auSgefchloffen 
finb aEe fogenannten Afiaten, befonberS (El)inefen unb ERalaien, 
oon ben SBohlthaten beS ©efe^eS. Die (Eingeborenen oeS VanbeS, 
bie Vtaori, haben bagegen genau bie gleid)en Ved)te wie bie döeifeen. 
Die burd) baS ©efefe oerurfachten Ausgaben belaufen ftd) auf 
jährlid) 2 dRiHionen dJiarf, bie aus ben oorhanbenen Mitteln, ohne 
neue befonbere ©teuer auS 3 ulegen finb. Das ©efejj wirb nun noch 
faft brei 3af)re in ©ültiafeit bleiben, bann aber wohl, wie eine 
&orrefponbeit 3 ber „$at.*3tg." aus Aucflanb meint, ohne Weiteres 
oerlängert werben. 




AuSfd)itf?ft^itng beS VerbanbeS beutfdfer ArbeitSnachwcife. Am 

11 . b. ®t. traten 001t ben Vtitgliebern beS AuSfchuffeS bie §erren 
Dr. Sfreunb, Vorfijjenber, Verlin, ©efd)äftsführcr ArnolbS*Düffel* 
borf, ©tabtratf) 3lef<h*Sranffurt, Domoifar ©roü*3Riinfter, dted)tS* 
rath 3 Wen 3 iiigcr* s itünd&en, dfath diaumann*.J)amburg, ©emeittberath 
©tocfmai)cr*©tuttgart, unter Dheilnahtne mehrerer ftatiftifcher ©ach* 
oerftänbiger, 311 einer ©ihuitg jufautmen. Die wtd)tigften fünfte 
ber Dagesorbnung waren: 1. dRahnahmen bes VerbanbeS besüglidh 
ber Vcrforgung ber £anbwirthfchaft mit Arbeitern unb 2 . Vtafe* 
nahmen bes VerbanbeS be 3 Üglid^ ber Einführung einer einheitlichen 
ArbeitSnadjmeiSftatiftif. 



Soziale $rayt3. ©entralblatt für Sogialpolitif. Rr. 20. 


546 


545 


$He Verßanblung über ben erften ©egenftanb rief ehte lange unb 
eingebenbe $>i$fufftoit ßeroor; eg mürbe befcßloffen, im Augfdjluffe an 
ben auf ber Verbanbgoerfammlung in Rtündjen angenommenen Antrag 
3lefdj*@rott an fämmtlicße Arbeitenacßwetfe beg Verbaitbeg ein 3irfular 
gu fenbeit, worin biefc erfaßt werben, ben lofalen Verbältniffen ent* 
fpredjenb bie Vermittlung oon Arbeitefräften für bie Öanbwirtbfcßaft 
möglichft gu beförbero unb bie im £aufe beg fich ergcbenben 

©rfaßrungen ber ©entralftelle mitgutßeilen. Auf ber nächfieti Verbanbg* 
oerfammlung foll fobann, an ber §anb biefeä Rfoterialg, ber ©egen* 
ftanb nocßmaIg oerßanbelt werben. 3 n Setreff beg gwetten Sßunfteg 
ber SageSorbnung war man oon oornßerein übergeugt, baß eine ftreng 
einheitliche Arbeügnacbweigftatiftif gur 3 e it nicht burdjgefüfjrt werben 
fönne — audfj nicht als reine ©efchäftgftatiftif. $te bem Verbanbe 
angeßörenben Arbeitenacßwetfe finb in ihrer ©inrießtung [ehr oerfdjiebeit; 
ber Umfang ihrer $bätigfeit fteigt oon einigen §unbert auf mehr alg 
.ftunberttauienb, bag Vitblifum befteht hier faft aitefcßließlirfj au« unge* 
lernten, bort gum wefentlichen Stheil aug gelernten Arbeitern, ber eine 
Vach weis oermittelt oorwiegenb £age§arbeii, ber anbere bauernbe Arbeit; 
halb werben ^affanten in bie Öiften eingetragen, halb nicht, in ber einen 
Stabt werben nur männlichen Arbeitnehmern Stellen oermittelt, in oer 
anberen auch weiblichen; bie Vermerfunggfrift fdjwanft oon 1 £ag bis 
gu 90 Sagen u. f. w. 3nt $tnbltcf auf biefe Verßältniffe würbe be* 
fchloffen, bie Verbanbg*Arbeitenacbwetfe gu erfaßen, bie folgenben 
fünfte in ihrer ©efßäftefabrung 3 U BeriicCftchtigen: 1. oor Allem ben 
©runbfaß angugeben, wonach fie ihre Statiftif auffteHen, 2. männliche 
unb weibliche Arbeitnehmer aetrennt in ben Siften xu führen, 3. ^affanten, 
t'elbft wenn fie nicht in bie Öften eingetragen werben, wenigftenö famma* 
rifch angugeben, 4. ihren ©efßäfteberißt an bie Verbanbgfßrift „Arbeite* 
rnarft", möglttfjft eingehenb abgufaffen unb bie ©rürtbe für etwaige auf* 
fällige plöfelidje Aenberungen angugeben, 5. ihrer ©efßäfteführumi bag 
in einigen fünften abgeänberte unb oeretnfaßte Formular ber Schein* 
äJtaimfßen ArbcitSoermittelungäfteflen gu. ©runbe gu legen. 

©nbliß würbe übereinftimmenb betont, baß eg für bie gebeih- 
lidhe ©ntroicfelung ber Arbeitenaßmeife, namentlich im 3ntere|fe ber 
Sanbmirtßfßaft, unerläßlich f e V baß $oft unb Telephon mehr in 
ihren £)ienft gefteHt würben, entweber baburß, baß ben unpartei* 
ifßen Arbeitenaßroeifen ©ebüßrenfreißeit gewährt ober, nach bem 
Vorgang fübbeutfßer Staaten, auch oom preußifßen Staate ein 
entfpreßenbeg ^aufßquantutn an bie eingelnen Arbeitenaßweife 
gegahlt würbe. 

Streiülaufel ber gürißer Arbeitebörfe. SDie Züricher Arbeite* 
borfe hat folgenbe Vcftimmungen für Streiffälle in ihr Reglement 
aufgenommen: 1 . Vei ©intritt eineg Streite ober einer Aug* 
fperrung ftellt ber Arbeitenaßmeig feine Sßätigfeü für ben be* 
treffen ben ©efßäftegmeig ein. 2 . $)ie SSieberaufnaßme beg Arbeite* 
naßweifeg hängt oom Vefßluß eiiteg gu gleichen Sßeüen aug 
Arbeitern unb Unternehmern befießenben ©inigunggratßeg ab. 
3. 3 tot göHe bie Aufnahme beg Arbeitenachmeifeg auf ©cunb eineg 
folgen Vefßluffeg oor Veenbigung beg Streite erfolgt, behält fiß 
bie Arbeitebörfe bag Reßt oor, Arbeitfuchenbe oon ber Anbauer 
beg Streite in Kenntniß gu feßen. 4. Steigern fich bie Arbeit* 
gebet, fich einem ©inigunggoerfahren angufßließen, fo behält fich bie 
Arbeitebörfe bag SRecht oor, nach ©utbünfen im ©inoerftänbniß 
mit bem betheiligten Arbeiteroerbanb oorgugehen. 

Kommunaler Arbeitgnaßweig in Simbott. $)er Jahresbericht beg 
Arbeitönachweifeg ber Sonboner ©entetnbe Vatterfea pro 1898 aiebt an, 
baß fiß Sericfiteiahre 1739 Rtänner unb 174 grauen um Arbeit an 
bag Vureau wanoten; ber größte Sßril entfiel auf ungelernte Arbeiter. 
Vacbgewiefen fonnte Arbeit bloß für 522 Sßänner unb 27 grauen 
werben, begw. würben 34% ber Arbeitfudjenben untergebracht. 


Aeihtefihn^Biireatt für Unbemittelte in Verlim ©inen wichtigen 
Schritt auf fogtalem ©ebiet hat ber berliner Anwaltoerein gethan. 
5)er Verein will ein Vedjtefthufcbureau für Unbemittelte errichten. 
$)ie „Vlätter für Vechtgpflege" theilen über biefen ^lan mit: 

$5er Vechtgfchub foD unentgeltlich für bag $ublifum feiteng ber 
Anwälte erfolgen. £ie ^hätigfeit beg Vureaitg foü gunächft lebiglidh 
in ber Vathertheilung unb in bem ©ntwurfe oon ©ingaben beftehen. 
Selbftoerftänblid) foll ber Schup nur Unbemittelten gewährt werben, 
©g ift ing Auge gefaßt, bag Vureau werftäalidh oon 10 big 2 unb oon 
6 big 10 Uhr geöffnet gu halten, währenb Die Spredjgeit ber beputirten 
Anwälte auf 7% big 9 1 /* Uhr Abenbg in Augfidjt genommen ift. Vom 
Verliner Anwaltoerein foü ein aug fünf ^erfonen beftehenber Vor* 
ftanb gewählt werben, ©g wirb an bie Vedjtganwälte in Verlin unb 
Utngegenb bag ©rfuchen gerichtet, fich alljährlich ntinbeftettg für gwei 
Abenbe im gahre gur Vatherthrilung im Vureau gur Verfügung gu 
[teilen. Schon jefct haben fidj faft hnnbert Vedjtganmätte bereit ertlärt, 
in bem gu errichteuben VechtgfchubBureau thätig gu fein, ja eine nicht 
unerhebliche Angabi hat fich erforberlicben gälte für gwölf Abenbe im 
gahre gur Verfügung geftettt. 


Spettben bet beutfdjen Aftiengefel(f(httftett für Arbeiter. Xie @c* 

fdjäftgabfchlüffe ber beutfd;en inbuftrieüen ©efeüfdjaften geigen bie gur 
Seit auffteigenbe Unternchmunggluft unb giinftige Sage ber beutfepen 
gnbuftrie; fie geigen aber gugleich bie befonberg erfreuliche ©rfdjeinung, 
bab in neuerer Seit häufiger alg bigher ben Veamtcit unb Arbeitern 
ber beutfdjen Aftiengefeüfdjaften tn oerfchiebenen gormen ein Antheil 
am Reingewinn gu 2;h e tl mirb. $>ie Sogial-Äorrefponbeng ftellt eine 
©hrentafel oon 58 Aftiengefeüfcbaften auf, bie nad) ihren ©efchäfte* 
berichten oom 1. 3uli ober 1. Oftober 1898 heuer ber Wohlfahrt unb 
Sufunftgficherung ber bei ihnen wirfenben Veamten unb Arbeiter außer 
ben fontraftmäßigen Tantiemen unb ben ben Arbeitern gefeplidj gugu* 
weifenben Vetvägen für bie Arbeiteroerfidjerimg gufammen bie Summe 
oon 1 975 272 JL überwiefen ober für biefen Smecf in Vorfcßlag ge* 
brad)t haben. Soweit ftd) folcßeg aug ben Angaben mit einigem An* 
halt ermitteln läßt, entfällt hieroon auf ftatutarifdj geregelte ißenßong* 
fonbg ber Vetrag oon 896 600 JC, auf ©ratißfationen, Unterftüßungen, 
gemeinnüßige Anftalten unb fonftige meßr bem freien ©rmeffen ber 5;i* 
reftion gur Verfügung fteßenbe Veträge 978 472 JC, auf ben Vau oon 
Veamten* unb Arbeiternofjnungen 90 200 JC . unb für bie Verufgaug* 
bilbung oon Soßnen ber SBerfgangehörigen 10 000 M. 

elferfommtfflmt ber Äieler ©efeüfchcrft freitotüiger Armenfrettttbe 
1873 big 1898. Um in oorübergeßenben Vorfällen nießt unwürbigeit 
Seuten bigfrete „$ütfe", nicht Armenpflege ober Verforgung, gu bringen, 
würbe in $iel bie „Reifer"fommiffion*) 1873 gegrünbet, bie neben ben 
freiwiÜigen geifern auch amtgmäßige Arbeiterinnen (meift ^iafoniffinnen) 
beschäftigte. 2)ie $eIferfommiffion tritt bei Sdjwädjlichfeit ober Äranf* 
ßeit ber ober beg ©begatten, Wochenbett, Konfirmation, Vrrwahrlofung 
oon Kinbern, gur gorthiilfe im ©efcßäft, bei briiefenben Scpulben, .jpetnt* 
reifen, Arbciteloftgfeit, Vebarf an Schulbüchern, Vejpeifung oon Sdiul» 
finberu u. f. w. ein. Aug bem Scßooße ber Kommifßon famen bie An* 
regungen gut Vorbilbungganftalt für Kinbermabdien, einer Vfeunig* 
fparfaffe, einer Kranfenftube für Kinber, eineg neuen Sombarbg (2eit)= 
amteg), ber Auffidjt über bie Äoftfinber bureß Reifer, eineg Sieben* 
haufeg ober Altenheimeg (Kaifer Söilhelm-Stift), gur Reform ber SBödjne* 
rinnenpflege unb gu einem Söödjnerinnenafijl, einer Augfunftefteüe für 
3Bohltl)ätigfeit, gu bem Verfucß, bie Speifeüberrefte ber lorpebobioifion 
hülfgbebürftigen Sdjulfiubern gu Rtittagginaßlgeiten guguwenben, gur 
Vefcßaffung oon Arbeit, ©rrießtung einer Krippe u. f. w. Rtit biefer 
Kommiffion in Verbinbuna fteßen bie Koutmiffion gur gürforge für 
entlaffene ©efangene, ber Arbeitg*, Voltebibliothefg*, Sontbarb*, Volte* 
bab*, VJartefcßulfoni'miffton, fowic bie Kommiffionen für bie grauen* 
(^cwerbcfcßulc, Voltefilcße, ^erieufolonicn, Kaffeefcßäiife, haugwirthfeßaft* 
lidjen Unterricht unb allgemeine ArbeiteuadjwetefteÜc. $iefe ßat 1897 
3044 ^erfonen gegen 2278 im 3aßw 1896 eingefteüt bei 8453 (8210) 
angebotenen Arbcitefräften, 3890 gu befeßeuben Steüeu unb 2084 Arbeit* 
gebern. 

9latnrateerpflegttnggtoefeit tu ber Scßweh. ^Dent Saßregbericßt 
beg leiteitben Augfcßuffeg beg internationalen Verbanbeg für Rahiral* 
oerpflegnng bebiirftiger Vknberer pro 1897/98 ift gu entnehmen, 
baß im 3aßre 1897 tn ben elf gum Verbanbe geßorenben Kantonen 
im gangen 140701 Verpflegungen gewährt würben, worunter 39189 
Vrittaggoerpflegungen unb 101512 Racßtoerpflegungen. Von ben 
Verpflegten waren 53 /65 % Schweiger, 33 , 0 6 % S)eutfcße, 9,4 % 
Defterreidfjer, l /3 % Italiener unb 2,29 % Angehörige anberer 
Staaten. $>ie ^rogentgaßl ber Scßweiger ßat gegenüber früheren 
Qaßren ftetig etwag abgenommen, biejenige ber 2 )eutfcßen etwag 
gugenommen. 3)ie ©efammtfoften belaufen ftch auf 123 769 Steg., 
wooon 53 732 $rcg. alg Staatebeiträge geleiftet würben, ©ine 
Verpflegung fommt pro Kopf ber Verpflegten auf 87 ,9 Rappen. 
Racßbem in ben leßten gaßren bie 3 aßl ber Unterftüßten beftanbia 
jurii cf gegangen war, fteigt fie wieoer langfant unb gwar entfälfi 
oie oermeßrte 3«qüeng ooUftänbia auf bie Altergftufe oon 20 big 
30 3aßren. Vegüglicß ber Verufe ber Unterftiißten fteßen wie immer 
bie Scßneiber, Väcfer unb Scßloffer mit ben hötßften ^rogentgaßlen 
obenan. $>iefe Verufe finb offenbar überfüllt unb gwar ßaupt* 
fäcßlicß in 3 folge einer ftßranfenlofen ßeßriingggücßterei. 

Von ben elf Kantonen, welche bem Verbanb angeßören, ift in 
oier bie Raturaloerpflegung oerftaatlicßt. SDagu fommt nun nod) 
Vern, wo bie Amte(Vegirte)oerfammlungen bag Dbligatorium ein* 
füßren fönnen. 3 äridß ift ein ©efeßentwurf für ©infitßrung 
ber ftaatlicßen Raturaloerpflegung bereits au gearbeitet, man ftubire 
nur noeß bie Organisation beg Arbcitenacßmeifeg. Vtit biefem fteßt 
eg auch im internationalen Verbanb noeß fcßlimm. Vericßte* 
jaßre ift bie 3aßl ber Arbeitgoermittlungen oon 2 ,»% auf 1 , 37 % 
ßerabgefunfen. ßeßteg gaßr ßat eine gemeinfame Konfereng gwifeßen 
4»elegtrten beg Verbanbgaugfcßuffeg unb ber ©ewerbeoereine ftatt* 
gefunben, welcße befcßloffen ßat, an fämmtlicßen Orten, wo Ratural* 
oerpflegunggftationen befteßen, Arbeitenacßweigbureaug einguriditen, 


*) ©cfellfdjaft freimütiger Armeiifreuube in Miel. Vcridjt ber Mont* 
mtffioncn für bie $cit oom 1. April 1897 biv 31. iWärg 189s. Miel. 
Xrudf oon ©ßr. Donath- 



Soziale fragte. (Scntralßlatt für Sogialpolitif. Ar. 20. 


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roeldhe unter ftd& in Berbtnbung gu treten haben unb an ben fmupt* 
orten Steüenangeiger heniuSgeben füllen, Eine Äommiffion fott 
nun bie näheren Befiimmungen fefifeßen. 3w Aargau toirb baS 
llmfchauoerbot, roeldjeS in |mnbtt>erferfreifen fo otel Erbitterung 
oerurfachte, roieber aufgehoben merben. 


fttnoffmfäaftsimtfm. 


äonfntti*, Bau* unb SparUereitt „fßrobttfttott“ in Ham¬ 
burg, e. ©. nt. b. £., ift ant 3 gebruar in baS ©enoffenfchaftS* 
regijter eingetragen roorben. S)ie Begebungen ber aus bei* orga* 
niftrten Arbeiterfchaft Hamburgs unb Umgebung hentorgegangenen 
©enoffenfehaft finb, roie mir bereite berichtet haben, gunächft barauf 
gerichtet, ben SFonfttm gu oraaniftreit, um bann eoentueH fpäter, 
toenn ber genügende Abfaß gefiebert ift, je nach Bebarf, gur Eigene 
probuFtion übergugehen. ©eplant ift für fpätere 3eit ebenfalls bie 
Errichtung einer SparFaffe foroie ber Bau gefunber Arbeiterrooh* 
nungen. Seber ©eßhäftSantheil beträgt 30 ,4{. f oon benen jährlich 
minbeftenS 10 Jt begabt merben muffen. $)er Anfang beS Unter*» 
nehmend ift, mie ber „£>atnb. $orrefp." melbet, geftegert, ba eine 
genügenbe Angabi ßRitglieber ihren Beitritt erFlärt hat. Sn allen 
Stabttbeilen finb Annahmestellen oon BeitrittSerFläruugen ein* 
gerichtet. — Sir hoffen bemnächft oon guftänbtger ©eite eine ein* 
gehenbe Darlegung ber 3wecFe unb 3iele beS bebeutfanten Unter* 
nehmend oeröffentlichen gu Fönnen. 

%ie ffarfe Bmtalpite ber lattbtotrtfjfdjaftlidjen Eenoffenfchaftett ttt 
$cutfdjl<mb bauert immer noch an. 3m Sahre 1898 hat ftch ihre 3ahl 
um 1085 oermehrt unb ift oon 11 095 aut 12180 geftiegen. Unter 
leßterer Ballt finb 8655 länblidje Spar* unb $arlcI)itSfaffen', 1059 ein* 
getragene AobftoffbegugSuereitte, 1758 3J?olfereten unb 708 fonftige We* 
noffenfdjaften. — Aod) größere gortfehritte als bie 3abl ntadjt jcboch 
bie einheitliche Erganifation ber länblichcit Wenoffettfdjaften im Atlge* 
meinen Bcrbanbe ber beutfehen lanbmirtbfdjafilicben Wenoffettfdjafien 
(gu Cffenbacb), bem fich außer beit neuen nach »»b nad) auch bie älteren 
Wenoffenfdjaften immer gasreicher anfcblteßen. £er Allgemeine Berbattb 
ift im 3ahre 1898 oon 4574 auf 6831 Wett offen f (haften angemadjfett. 
Seine Annahme iibertrifft alfo mit 1757 Wen offen fdjaf teil mett baS ge* 
fammte Autoacbfen ber lanbmtribfdjaftlidien Wenoffcnfchaften um 1085. 
Bcfottbers hat fich ber große Sanbesoerbattb ber batjerifdjen £arlchns* 
faffenoereiitc bem Allgemeinen Berbattbe neu angefdiloffcn. 2)ie ge* 
fantmten Wenoffenfchaftett haben fid) um 9,8%, bie beS Allgemeinen 
BerbattbeS um 38,4 % oermehrt. Am Anfang be§ Saßres 1898 gehörten 
im Bergleid) gur Wefammtgaljl ber Ianbioirthfchaftlidjen ©enoffenfdjaften 
bem Allgemeinen Berbattbe 41 u /o, am Enbe beS ^aljres 52 ü 0 an. 
3unt erfteri Bial ift jeßt eine abfolute Mehrheit ber Iättblidieu Wenoffen* 
fdjafteu in $eutfd)lanb einheitlich organifirt. $>ie Weitoffeufdjaften beS 
Allgemeinen BerbanbeS gerfaHeti in 26 AeoifionSoerbäitbc uttb feßen fich 
gufammett aus 39 Eentralgenoffenfdiaften, 3884 Spar* unb 2)arlehnS* 
taffen, 1287 Ein* unb BerfaufSgenoffenfcbaften (etnfd)Iieß[td) ber freien 
BegttgSoereine), 924 Biolfereteit unb 197 fonftigen Wenoffeitf «haften. 

Eitt ©ettoffettfcbaftSreftaurattt ist $ijmt hat fid) fürglich gebilbet. 
Es? tourbe gegrünbet oon einer Wruppe oon Eifenbahnbebienfteten, nub 
gioar in Sornt einer Wefeüfchaft mit bemeglichem Kapital unb 9Rit* 
gliebergahl. $aS WrünbunaSfapital befteht aus 18 000 ^rcs., bie in 
520 Aftien gu 25 grcS. getpeilt finb. 


Hs^tuittgajütfen. 


SobnuugSiiotb in $örbe« ®ie oou ber $oItgei in ber Stabt 
,v)örbe (Seftfalcn) oorgenommene llnterfuchung ber Arbeiter* 
toohnungen hat nach ber „Sranffurter 3citung" gerabegu fchauber* 
hafte 3 u flänbe gu £age geförbert. Sa mittelgroßen Käufern 
mürben 60—70 hinter gegählt, oiele s $erfonen fcßlafen in Räumen, 
bie nur oon einem Sßebengintmer au^ £id)t unb i3uft erhalten u.f.m. 
3)abei muffen für brei folcger Sftäume 3Jiietljen bi0 gu 210 JL pro 
Sahr gegahlt merben. 2>ie Satte finb übrigens froh, wenn fie 
überhaupt Sühnungen erhalten. £ie Sohnungänoth ift baburch 
herbeigeführt, baß troß beö riefigen Anmachfettö ber 3af)l in* 
buftrieHen Arbeiter, befonberS in ber Eifeninbuftrie, oon 9He* 
manbenx entfprechenb für ben 23au neuer Sohnungen geforgt mürbe. 

Erbauung oon ftleintoohnnngen für £ubtoig£fjafen a« 

Tom Stabtrathe gu Submigöhafen a. 9th- hat ber Sorftanb ber 
Baugcnoffcnfchaft SubmigShafen a. $!)•/ E. W. m. b. (33or* 
fißenber $. Sebettber), eine ®enffd^rift über bie Erbauung oou 


^leinmohnungen unterbreitet. *) Sie oerbient eine erhöhte $Be* 
achtung, weil SBatjern fich noch in ben erften Anfängen einer platt* 
mäßigen Arbeit auf bem ©ebiete ber fogialen Sohnunggpolitif 
befinbet, unb toeil fie in fehr roirfungSooller, fachlicher Seife ihre 
Sitte oertritt, bie Stabt SubroigShafen a. 9?h- wöge für ein 
größeres Darlehen bei ber SSerficherungSanftalt ber s $falg, baS gur 
qemeinnüßigen Erftellung oon Äleinmohnungen beftimmt ift, bie 
iBürgfchaft übernehmen. $)ie ®enffdjrift erläutert bie ^hatfadje, 
baß „für bie Arbeiter nicht gcniigeitb gebaut roirb," unb beren 
©rünbe au ber §anb ber ilnterfuchungen oon Srfjmoller, beS SSor* 
aehenS beS jeßigett ^inaitgmiuifterS Dr. o. SDßiquel auf biefem 
©ebiete unb einiger SohnungSerhebungen. Öeflagt toirb baS noch 
unentroidelte SohnungSbebürfniß ber Arbeiter. Sw ©egenfaß 
pm Eentraloerbanb beutfd;er §auSbeftßeroereine hat ber Ausfluß 
oer pfälgifchen §auSbeftßerocreirte „fonftatirt, baß in einer Steige 
pfälgifcßer Stäbie, in benen gauptfäcglich bie Snbuftrie ftarf ent* 
micfelt ift, ein thatfädjlicher Sangel an gefunben Arbeiterroohnunqen 
befteht", unb hat ftch für eine roohlwoHenbe llnterftüßung ber 
©angenoffenfehaften in folcgen Drten bitreh bie 23ehörben auSge* 
fprocgeit. ®ie Mittel, mie ber SohnungSnoth abguhelfen ift, rotrb 
an ben bisherigen Späten oon ^rioaten, Vereinen unb ©emeinben 
erläutert, beren Streben bie Erftettuitg eines ÜNehrS an fleinen, 
gefunben Sohnungen ift. ES finb bie Stiftungen oon E. Pfeiffer 
tn Stuttgart, be Siagre, SReper unb i5nw ^rofeffor ^affc in 
^eipgig, bie Afttenbaugefellfchaft für fleine Sohnungen in grattf* 
furt a. S., ber Sonboner Peabady-$ruft, bie SiHionenfpenben beS 
Bierbrauers ©uineß, jeßigen SorbS Saeagh in Öonbon unb 
Dublin, ber Suggerei in Augsburg (als Beifpiel aus bem 9Rittel* 
alter), bie BerficherungSanftalt ^annooer, bie üRagiftrate in SRann* 
heim, Sreiburg i. Br., Ulm, £ahr, S^anFfurt a. 5ft., Aachen, 
Straßbnrg, Eberbach, §eibelberg, ©üterSloh, S)uisburg, Becfum i. S. 
unb $ofen. Eine roeitfichtige SohnungSpoliti! nach betn ©runb* 
faß: „$)ie ArbeitermohnungSfraac ift nicht nur eine Srage beS 
^äuferbaueS, fonbern aurf) beS StäbtebaueS," hat SDtannheim be* 
thätigt, baS heute, banF biefer gielberoußteit ^ommunalpolitif, ein 
©elättbe befißt, baS größer als baSjenige oon Berlin ift unb baS 
baburch in bie oortheilgaftefte Sage oerfeßt ift, für immer auf bte 
©eftaliung ber SohnungSoerhältniffe einen entfeheibenben Einfluß 
auSguüben. Es Fann fo — unb groar unter Billiguttg beS Bürger* 
ausfehuffes — beit Bau oon Arbeitermohttnngen burch Erlaß ber 
StraßenFoften unb baneben burch eoeittuellen Erlaß beS gangen 
ober tgeilroeifen ÄauffchillingS für baS ©elänbe fuboentioniren. 
3« ber SohttungSpflege burd) bie Stabt toirb ein Mittel gefehen, 
bie arbeitenben klaffen fittlich, gefunbbeitlid) unb materiell gu 
heben. Sirtoünfchen bei* Baugenoffenfchaft beften Erfolg itttb erhoffen 
ihn um fo eher, als ber Bürgermcifter Ürafft oon ÖubmigShafen 
fchon auf bem erften pfälgifchen Stäbtetag eine SohnmtgSFotitntiffion 
gur Prüfung ber Arbeitermohnung unb eine gute Bauorbnung 
forbert. ^ie SohnuugSpoligei müffe ftreng gehanbhabt merben. 
„^enn in Spelunfen machfen bie StrinFer, bie aus benfelben ins 
lorfenbe StrthShaus getrieben merben, unb bie Franfen ftinber, bie 
fpäter ber öffentlichen Armenpflege gur ßaft faßen." 


Soziale ^tjgiene. 


Sißgelegettbetl für fBttfMfttimm In Sa^engefdiäftett. -Xcr Borftanb 
ber Crtsfranfenfaffe Bamberg rneift in einem Aunbfchretben att bie 
^abcit&efißcr mieber einmal auf einett [ehr oerbreiteten Ucbelfiaub htU/ 
bem mafjrlid) [ehr letdd abguhelfen märe. ES toirb betont, w baß öic 
Berfäu[erinnett unb !2ehnnäbd)cn oielfad) an Blcirfjfudjt unb Blutarmuth, 
an großer Erfchöpfung uttb an Umeiieibs[Un*ungcn, an AttfdjmcIIungen 
ber 1 Aiiße, Mrämpfabcru unb bergleid)eu mehr leiben." Aad) Anftdjt 
ber Aergte [ei hieran in hohem ‘.ßiaße mit ^djulb, baß ftd) bie ®?äbd)cn 
mährcub ber (^e[d)äfts[mnben nid)t [eßen fönnen ober nicht fcßcit bürfett. 
£er Borftanb ber C-rtsfranfcnfaffe regt bei ben fiabeubefißern beshalb 
an, hier Acmebur gu [chaffen, 31tmal barattS faum irgettb melchc 
finanzielle Epfer ober gefchäftlidje Störungen ermad)[ett merben. — 
Eitic [olche Anregung ift nidjt nur in Bamberg am BWß, [ottbern bie 
Einführung oou Sißgelegenljeit für tociblichec ^abettperfottal empfiehlt 
fid) überall. 

AlfoholiSmitS uitb Sterblichfeit. Einer Sonboner mebiginifchen 
3eitfch^ifl zufolge ergeben bie Berechnungen oon EebenSocrftchernngs* 
gefeÜf(haften, baß STentpcrengler bnrcgftgnittlicf) gehn S«hi' e länger 
leben als beut Alfoholgenuß ergebene ^erfonen; oon 100 ^obes* 
fällen im Sah r entfallen 96 auf s $crfoneu, bie ; utchr ober tninber 
Alfoßol Fonfumirtcn. 


; ) Üubioigvhaicu a. :)ib-, Evud oon Bnliu^ BJalbtird) tV Eie. ivm. 
21 Seiten. 



fogiale GrojriS. (SentralDIatl ffir Sogialpolitit. 9Jr. 20. 


550 


549 


Gefdjrftttfuitg ber HetrathSfähigfeit ttt Amerifa. £er (ücfe^gc&uiig 
oon Gcnnftjloanieu liecht ein Entwurf oor, ber bas .^pcirat^cit allen Gerfoitcn 
oerbietet, bic an SnoifiliS, ©ouorrfwe, ©pilepfie, ^runffuc^t, Subcrfulofc 
ober ©eifteSfranffeciten (eiben. $u Sera* befielt Bereite ein HcirathVerbot 
für ©pileptifer, beSgleicfeen in MaffädjufettS, wo aud) Altöl) olifern unb 
an SqpfjiliS ©rfranften bie ©hefdjliefeung oerboten ift. beit Staaten 
Cljio unb Marqlanb fofleu bic gleichen ©hebefehräntungeu wie in $entt* 
fijloanien eingefü^rt loerben. 


$0}!alpolttifd)e JtaßiwIjttKtt tat öerheljrswefeu. 

9r(eit*r$iUje in ßonbon. Gegenwärtig ift in ßonboner ©e- 
werfoereinSfreifen eine Agitation im 3 U 9 C / um bie Galjngefell* 
fefjaften gu einer Aushebung beS ben Anfpriidfjen bec Arbeiterfdjaft 
nidjt mehr genügenben ®icnfteö ber Arbeitergüge gu oeranlaffen. 
SJian befdjmert fid) foroobl über bie ungenügenbe ber Arbeiter* 
güge, über Göaggomnangel unb bie gu hohen gfahrpreife. ®er^eit 
oerfebren täglich bereits 577 Arbeitergüge auf ben Sonboner 
Gähnen, roäbrenb bie 3abl ber -workmens trains“ oor fieben Qabren 
faum mehr als bie Hälfte betrug. 93ifletS für bie Arbeitergüge 
werben in ßonbon — behufs ©rfparung ber Kontrolle — an 
Qebermann auSgeaeben, bodj ift ihre Seitufeung an beftimmte 
SageSgeiien gebunben. $ie ©itp unb South ßonbon Sftailroat) fyat 
für bie Arbeitergüge felbft bie Ausgabe oon 33ittetS abgefefjafft unb 
roirb blofe beim Gafftren beS Sourniquets 1 d (10 4) eingeboben, 
ohne mdm auf bie Sänge ber gabrt, b. b- ber Arbeiter fann 
bie gange Strecfe oon Stocfwell bis an bie Iefete ßonboner Station 
für einen ^Sennp fahren. 

ÜUerattrdje ^njelgcH. 

Bö rterbud) ber G olfswirtbfdjaf t in gwei tauben. Gearbeitet 
oon G r °f. Dr. oon Gclow*Marburg, Grofeffor Dr. M. Giermer* 
©reifSwalb, Grof. Dr. oan ber Gorgf)t*Aacben, $rof. Dr. Karl 
Gücber*Seipgig, ©eh- Aeg.*9iaih Grof. Dr. ^ubwtg ©lfter*Gerlin 
u. A., berauSgegeben oon Grof. Dr. Subwig ©Ifter. gtoeiter Ganb. 
^agb — 3ioangSoottftrecfung. Aadfjträge. Sadjregifter. gena 1898, 
(>hqtao Tyifc^er. 1018 3. G r eis für baS ooftftänbige Bert in 
gwei Gänben brofc^. 20 M., elegant balbfrang geb. 25 M. 

$as Börterbucb ber GoltSwirtbfdmfh oöllig unabhängig oon bem 
in bem gleiten Gerlage erfd) einen ben „Hanbwörtcrbuch ber Staats*' 
miffenfdjaHeu", ift für weitere Greife beftimmt. ©s foH in erfter fiinic 
als brauchbares §anb* unb Sebr&udj bienen unb fo bie i*iicfe auSfüHen 
helfen, bie burch baS fehlen eines nidjt gu umfangreichen oolfsioirth* 
fdjaftlichen ÄompenbiumS oielfach empfunben worben ift, es foü bann ein 
Aathgebcr fein für Alle, bie ben wirtbfrtmftlidjen unb fogtalen großen 
uttferer 3eit mH Sutereffe folgen. $>ie Aothwenbigteit berartiger Aad)* 
fehlagewerfe, welche eine gufammenfaffenbe, überficbtlidjc $arfteUung 
über ben heutigen Stanb ber Golfswirthfchaft geben, ift allgemein an* 
erfannt worben. 2>er Herausgeber bat es uerftanben, für bie etttgelnen 
9Katcriett überall geeignete Gearbeiter gu gewinnen. £ie CSinbeitlidifcit 
ber ^urchführnng beS planes ift baburdj gefid)ert, bafj bie eingelnen 
Mitarbeiter gange (Gruppen oon 9lrti!eln bearbeiteten, erfreulich ift, 
um nur eingelneS hPi'oorguheben, bie entfdjiebenc Stellungnahme gu 
(fünften ber Sogialreform, ber wir in ben mit ber Arbeiterfrage fidj 
befdjäftigenben Artifelu begegnen, ein befonberer Gorgug beS fehr 
überftchtiidj georbneteu Kerfes liegt barin, bafj eS nid)t nur bie wirth ö 
fchaftlidje Okfepgebung XeutfdjlanbS, fonbern audj diejenige aller be* 
beutenben Staaten berüdfid)tigt. es ift gu hoffen, bafj ber fehr billige 
Greis bem gebiegenen Gkrfe eine weite Gerbreitung fefjafft. 

Ged mann, 3ofef, 3BaS ift uns Weib? eine Stubie über bie fapita* 
üftifdjc SSirthf^aft ber CScgenwart. GSieit 1899, g. Gerfmann. 
80 3. G re *S 1 

Hellen, Dr. eb. oon ber, Italiens GolfSmirtljfdjaft. ein Gortrag. 

greiburg i/G. 1899, g. e. G. Mohr. 40 3. 0 /so M. 

Grotofoll über bic Gcrhanblungen ber Äonfereng ber fogialbemofra* 
tifdieu ©emeiubcoertreter ber Grooiug Granbenburg. Gerliu 
1899, erpebition ber Gucbbonblung Gorwärts (II)- ©loctc in 
Gerlin). ^46 3. 

Xie grauenfrage, eine $>iSfuffion gwifchen Gictor ?Jarros unb 
Sarah ©. Holmes. Aus bem ©itglifdjen oon Oleorg Sdjumm. 
Gerlin 1899, G. 3 a ^c SO., Cppelnerftr. 45 t 17 S. G^eis 0,*o JL 
Gollanb, Dr. med. A., Xie 2ungctifd)winbfucht, ihre entftchung, Ger* 
hiitung, Gehanblung unb H e lüing. Tübingen 1898, Cfianberfdje 
GerlagSbuchhanblung (Äarl ftöhier). 141 3. G rf i g *^,80 M. 
Gönne, Dr. med. ©eorg, $>ic Alfoholfrage in ihrer Gcbeutung für 
bie Groris. Tübingen 1899, Cfianberfdje GerlagSbuchhuubluug 
mtl hohler). 47 3. G^eiS 1 M. 

CSolbftein, Dr. gerb, eh^ftenthum unb Sogialbemofratie. 3ürid) 
1899, eaefar Sdjmibt. 191 3. Greis 3 M. 

Seranhoortltc^ für bie ftebaftion: Dr. (Srnft 


2icbc, Dr. med. ©corg, ^irig. Argt berGollSheilftätte SoSlau (Ober* 
fchlef.), Alfoljol unb Xuberfulofe. Gtit befonberer Geritcfficbttgung 
ber grage: Soll in Golfsheilftätten Altohol gegeben werbend 
Tübingen 1899, Dpanberfche GcrlagSbuchhonblung (Äarl Köhler). 
63 3. GreiS 1 JL 

©iinther, Sari, GedjtSanwalt, ^as 9ted;t ber grau auf Arbeit, eine 
fogiologifdje Getradjtung. Gerlin unb Seipgig, ©eorg SBattenbadj. 
14 3. 

Schurke, Dr. ©rnft, ©nglifche Golfsbibliothefen. Gerlin, Gering ber 
»bcgg*3tiftung ber ©efetlfdjaft für Gerbreitung oon GoItSbilbung, 
NW., £iibccferftr. 6 . 32 3. 

i'ipps, 2:hoobor, S^ie et^ifdjeit ©runbfragen. 3^b n Gorträge. $beil s 
weife gehalten im GolfShochfchuloerein gu München. Hontburg 
unb Seipgig 1899, Seopolb Gog. 308 3. 5 ^ 

G?olff, Grof. ©mil, ©qmnafialbireftor, ©ninbrife ber preubif^beutfehen 
fogialpolitifejen unb GolfSwirthf<huftS*©ef^tchte oom ©nbe beS 
breihigjährigen Krieges bis gur ©egenwart (1640 -1898). Gerlin 
1899, GScibmannfche Gu^honblung. 282 3. 

Ardiio für fogiale ©efepgebung unb Statiftif. HcrauSgegeben oon 
Dr. Henrich Graun. XIH. Gb. 3. unb 4. Heft- Gerlin 1899, 
©arl Hamanns Gering. 

Stegemann, Geg.*Gath Dr., Samte unb s 2Sieba. ©efchichte gweier 
Harger Arbeiter »©enoffenfehaften. Graunfdjweiger Gerlag für 
faufmännifdjcS UnterridhtSwefen unb Söirthfdhaftsfnnbe. 158 3. 
Greis 3^o 

StatiftifcbeS gabrbueb beutfeber Stabte, git Gerbinbung mit feinen 
Kollegen Dr. H- Gleicher, ©eh. 91eg.*Gath Grof. Dr. Göcfh/ 
Dr. A. 2>ullo, Cber*Meb.*9iath Dr. M. glinger, Dr. 9*. ©eifeen* 
Berger u. A. herausgegeben oon Dr. M. 9?ecfe, $ireftor beS 
Statiftifcfeen Amts ber Stabt GreSlan. VII. Jahrgang. GreSlau 
1898, G?ilh- ©ottl. Korn. 416 3. GreiS 12 ,40 M . 

The Quartely Journal of Economics. Vol. XIII. 9tr. 2. gan. 1899. 
Bonbon, MacmiHan u. © 0 . 

3eferober, Dr. Heinrich- $)er höhere Öebrerftanb in Greufeen, feine 
Arbeit unb fein Sohn. 9?eue Unterfucbungen, insbefembere über 
bie SterblidhfeitSoerbältniffe ber höheren Sebrer. Kiel unb 
Seipgig 1899, SipfiuS u. 2:if<ber. 94 3. GreiS 1 Jt. 

2)er 3erfall ber fonferoatioen Gortei im Kampfe Greufeens 
gegen ^eutfcblanb. 3üricb 1898, ©aefar Scbmibt. 62 3. GreiS 

80 4 . 

Annalen beS $)eutfdjen GeicjS für ©efefegebung. Gerwaltuitg unb 
Statiftif. Unter Mitwirfung gahlrei^er gadjmänner heraus* 
gegeben oon Dr. ©eorg Hirth unb Dr. Maj 0 . Seqbel. 
München unb Seipgig, ©. Hirth- 32. Jahrgang. 9?r. 1 unb 2 . 
jährlich 12 Hefte. Abonnementspreis: oierteljährlicb 4 M. 

Herfner, Grof. Dr. H- grauenftubium ber 9iationalötonomie. 

Gerlin 1899, ©arl HeqmanuS Gerlag. 55 3. 

Sdjüfec, Dr. Karl. %ie fogiale 9teichSgefefegebung unb ihre fanitäreu 
Goftulate. Gortrag, gehalten am 16. Januar 1899 im „Gcrcin 
für öffentlid;e ©efunbheitSpflegc‘ / in Hamburg. Sena 1899, 
©uftao gifdjer. 31 3. Greis 60 4 . 

Kaff, 3i gm unb. $er H fln blung§gehülfc unb fein 9ted)t. ©in 91ath s 
geber in allen bas ArbeitSoerljältnife ber HanblungSgehülfen be* 
treffenben gragen. 9?ebft einem Anhang: ©in ©efefeeutmurf gum 
Scfeufee ber Honblungsgehülfett. Herausgegeben im Aufträge beS 
GereinS faufmännifdjer Angeftellter in SSien. Wiener Golfsbucb 3 
hanblung Sgnag Granb. 51 3. GreiS 20 Kreuger. 

Duisburg. Gericht über bie Gerwaltung unb ben Stanb ber ©euteinbe« 
Angelegenheiten ber Stabt Duisburg für 1897/98. 

— H 6 UShaltS*©tat für 1898/99. 

Strafeburg i. ©. Gerwaltungsbericht ber Stabt Strafeburg i. ©. pro 
1889/90 bis 1893/94. 

Gremen. ©efefeblatt ber greien H a ”feftabt Gremeu 9tr. 30-43. 

— Mittheilungen beS Senats oom 4. Öftober bis 30. $egember 1898. 

9?ürnbcrg. GerwaItungSberid)t ber Stabt 9türnberg pro 1896. 

©harlottenburg. Gericht über bie Gerwaltung unb ben Stanb ber 

©cmeinbe*Angelegenheiteu pro 1897/98. 

Xortmunb. Gericht ber Gerwaltung beS ArntenwefenS unb ber ntilbeu 
Stiftungen ber Stabt ^ortmunb pro 1 . April 1897/98. 

©iefeen. Gerwaltungsbericht ber ©rofeh- Gitrgermeifterei ber Gi‘oo. s 
Hauptftabt ©iefeen pro 1897/98. 

Siibecf. 3ohveSbericbt beS Stabt* unb SanbantteS für baS GerwaltunqS* 
fahr 1 . April 1897/98. 

— 3uhreSbcrid)t über bie Sljätigfeit beS ©ewerbeauffichtsbeamten für 

ben Auffidjtsbegirf Sitbecf im S^hre 1897. 

— Gerwaltung ber allgemeinen Armenanftalt im 3ohrc 1897/98. 

'BorntS. Gerwaltungsbericht ber ftäbtifchen Armcnoerwaltung pro 

1897/98. 

Gau-feen, Ho uö baltpIan ber Stabt Gaufeen per 1899. 

3eife, Gericht über bie Gerwaltung unb ben Staub ber ©cmcinbe*An* 
gelcgenhcitcn ber Stabt 3 e ife P l ‘° 1. April 1 897,9s. 

Stettin. Gerwaltuugsbcridft ber Stabt Stettin pro 1. April 1897 / 98 . 

Jrantfc tu Scrlin W., »apreut^erftrafee 20. 



r»r> 1 Soziale $rct£tö. dcntralblntt für ©ojialpölitif. 9h*. 20. 552 

©ie *.5j*fi«*l* Vra*i* M erfdjeint an jebem Donnerstag unb Ift burdj alle ©ucbbanblungen unb SpojtÜmter (ißoitarihinßSnummer 7072) ju belieben. Der ^JreiS 
für ba« »terteljatjr ift 3J?. 2,50. %tbe Stummer foftet 30 Hi- ©er ÄnaeigenpreiS ift 60 $f. für bie bretgefpaltene ißetitaeile. 



liebet bie @pdjen ber neueren ®efd)id)te. 

*on 

fropolü mm $attbe. 

|evauö 0 e 0 uhen t ton 211 f r * fc ® cv s>. 

^weiter ©onberahbruef ber „Vorträge", fünfte Auflage. 

150 ©rttcii SHmjal 8°. ^reiö 3 SKarf 60 ^fg., in ycimuanbbanb 4 3Karf 60 ^>jg. 

©er erflc ©otiberabbvucf btefer 9tanfefdjen ©cfjrift ift oergriffen, ©ie HerlagS* 
banblung oeranftaltetc einen jrociten, in größerem gormat unb $tt feefettttid) billigerem 
greife, ©iefe Hör träge 9tanfc£, bie er felbft al$ „eine Hfjapfobte ber ilnioerfalbiftorie" 
bejeid^nete, enthalten in ber fnappften ftornt bie .ftauptfumme feiner £tcbltugätbcen unb 
feine flnfittyten oont 3 ll f ammc of)attge ber lüidjtigften SÖeltbegebenbeiteu. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
A. T roschel in Berlin W. 

Zusammenstellung 

der 

Entschädigungssätze, 

welche das 

Reichs-Versicherungsamt 

bei 

dauernden Unfallschäden 

gewährt hat. 

Zweite Auflage. 


- 1899. Preis 1,20 Mk.- 



Im Juristischen Litteraturblatt berichtet F. Heimberger über Bttdiker, T., 

Die IrbeHemrsiehemig in den Europäischen Staaten, 

(VIII, 352 Seiten, Preis 7 M.): 

Dieses Werk des bisherigen, um die Arbeiterversicherung ungemein verdienten Prä¬ 
sidenten des Reichs-Versieherungsamtes hat gleich bei seinem Erscheinen in allen betheiligten 
Kreisen die wärmste Aufnahme gefunden. Der Zweck, den Budiker mit seinem Buche 
verfolgt, ist, am Schlüsse des ersten Dezenniums der Durchführung der Arbeiter-Versiche¬ 
rung eine Umschau zu halten,* wie die Dinge in den europäischen Staaten sich entwickelt 
haben. So giebt er denn, nachdem er im Vorwort in kurzen, scharfen Zügen die sozial¬ 
politischen Aufgaben der Gegenwart gekennzeichnet hat, eine übersichtliche Darstellung der 
Arbeiterversicherung in den verschiedenen Staaten Europas. Wo eine abgeschlossene Ge¬ 
setzgebung noch nicht vorliegt, erfahrt man, wie weit die Vorarbeiten für die zu erlassen¬ 
den Gesetze gediehen sind. Im Einzelnen wird behandelt die Versicherungsgesetzgebung 
in Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Nieder¬ 
lande, Grossbritannien, Schweden, Norwegen,. Dänemark, Russland und Rumänien. 

In einem Schlusswort sind kurz die Gründe erörtert, welche in einzelnen Ländern 
eine raschere Entwickelung des Versicherungswesens hemmen. Als Haupthindernis sieht 
der Verfasser die Unsicherheit und den häufigen Wechsel der Regierungen an, denen die 
Verhältnisse ein so festes Vorgehen, wie es in Deutschland stattgefunden habe, ausser¬ 
ordentlich erschwerten, wenn nicht unmöglich machten. Gegenüber der ausländischen 
Konkurrenz bedeutet nach Bödiker die Durchführung der Arbeiterversiche¬ 
rung bei uns keine Beschränkung der deutschen Industrie. Die sozialpolitischen 
Lasten, welche der letzteren durch die Versicherungsgesetzgebung auf erlegt 
seien, kämen ihr schliesslich — auch nach ausländischem Zugeständnisse — 
selbst wieder zu gute. 

Sehr dankenswerth ist die am Schlüsse des Werkes gegebene Zusammenstellung der bisher 
im Auslande erschienenen Gesetze und veröffentlichten Gesetzentwürfe über Arbeiterversicherung. 

Die Reichs -Yersicherungsgesetzgebmig. 

Von 

Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. jur. et phil. T. Bödiker. 

58 Seiten 8° mit 1 Tafel. Preis 1 M. 60 Pf. 

Inhalts - Uebersicht: 

I. Die Arbeiterversicherung: Allgemeines. — Die Unfallversiche¬ 

rung. — Vereinfachung der Arbeiterversicherung. — Vorschläge zur 
Vereinfachung [Allgemeines. — Besonderes für die Invaliditäts- und 
Altersversicherung. — Organisatorisches. — Begründung. — Schluss.] 

II. Die Prlvatversichernng: Allgemeines. — Historisches. — Grund¬ 

züge eines Privatversicherungsgesetzes [Besonderes. — Die Reichsauf¬ 
sichtsbehörde (das Reichs-Versicherungsamt). — Die Zulassung zum 
Geschäftsbetriebe. — Geschäftsführung und Auflösung der Versicherungs¬ 
anstalten. — Sonstiges. — Schluss]. 


Verlag von Duncker&Humblot 

in Leipzig. 

Die Arbelterversleherung gemäss 
der heutigen Wirtschaftsordnung. Geschicht¬ 
liche und ökonomische Studien. Von Lujo 
Brentano. 5 Mk. 20 Pf. 

Das englische Arbeiter Versiche¬ 
rungswesen. Geschichte seiner Ent¬ 
wickelung und Gesetzgebung. Von Wilhelm 
Haabaob. 10 Mk. 

Die Arbelterversleherung in 
Frankreieh. Von N. v. d. Osten. 43fk. 

Die Protokolle der internatio¬ 
nalen Arbeiterschulzkonfe- 
renz. In amtlichem Auftrag. 5 Mk. 

Die Arbeiterversieherung nach 
österreichischem Rechte. Mit 

Berücksichtigung des deutschen Reichsrechtes 
systematisch behandelt. Von Adolf Menzel. 

10 Mk. (gebd. 12 Mk.) 

Lehrbuch des deutschen Reichs¬ 
versicherungsrechts. (Kranken-, 
Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherungs¬ 
recht.) Für den akademischen und praktischen 
Gebrauch. Von Richard Weyl. 20 Mk. 

(gebd. 22 Mk. 40 Pf.) 

Zur Arbeitersehutz - Gesetz¬ 
gebung in Russland. Von 

6. i. Re8enberg. 8 Mk. 

Der Arbeitersehutz sonst und jetzt, 
in Deutschland und im Auslande. Von 
W. Killemann. 2 Mk. (Zweite, verkürzte 
Ausgabe 60 Pf., in Partien billiger.) 

Die Reform unserer Sozialver¬ 
sicherung. Von W. Kulemann. 1 Mk. 

Die Carl Zeiss-Stiftnng, ein Versuch 
zur Fortbildung des grossindustriellen Arbeits¬ 
rechts. Von Julius PleretorlT. 1 Mk., 

__ in Partien billiger. 

Die Unfallgesetzgebung 

der 

Europäischen Staaten. 

Von T. Bödiker. 

Tjzrxz z rjz: Preis 4 Mk. rr-r 


t«crantioortlicij für Die «n*eiflen; vcUmutl) Weibel, iieipiij. - l'friuj von Xuntfci & puutblui, SMpjij. — Wctaurfi bei 3ultu$ «tttenfelb, öcrliii. 











VIÜ. falprpttg. 


. SetKn, ben 23. gebmor 1899. 


Hummer 21. 


Soziale ptaps* 

$enf*af 0 fatf för ^ogiafporifiü 

mit ber SKonatSBellage: 

Da« ©ewetbegericht* 

0r<jött &es Perbarifces beutfdjer <5en>erbegericfyte. 

Deue golgc bet „©lätter für fojtole Unb beg „Soziatpoltttfchen Gentralbtattg". 

mw*t «* i tbtm s«mcrft« 0 . Herausgeber: frei« >ierteliH*It* ü BW. 50 ff. 

Dpbaftton: ©erlln W., ©abreutberftrafee 29. Dr. Ctttfl «ftUtldit. ©erlag bo» Wunder & fcum&lot, Seipzig. 


fBeltmad)tpoltftf unb Sozial- 
teform. II. ©on Dr. Ernft öon 
#alle, ©rtoatbojent, ©erltn. . 553 

Kgtmdtitf«auu* mb 

brtittf.559 

Dr. bott 91 Ottenburg unb Dr. 
©eumei. 

Der S<$ufc „SltbettStoiHiget" im ©reu- 
feiföeti fbaeerbnetenbaufe. 

Die Reform bet ©efänßnifearbeit in 
ghranfreidb. 

temIt EojiaIp*ltitf .... 561 
Sunt ptcu|tf<$en Äommunalabgaben* 
ftefefc. 

Söinterltdje ©otbftanbSarbeiten in 
beutfd^en Stötten. 

Sobnregelunq für bie ft&btifc^en Sir* 
beitet in Mannheim. 

©a« unb ©leftrijttöt in ben Stöbten. 
Die Slrbeittffommer bet Stabt ßürid&. 
kommunale Arbeitertuobnnngen in 
Englanb. 

kommunale gfeuerbeiftdjerung in Eng» 
lanb. 

fcbtftnnbentag ffit ©emetnbearbetter 
in 8to<$bale. 

3«ft&nbe ;.563 

Die Sage be« beutfdjen SlrbeitSmarfte«. 
Sdjlimme Sage bet Sltbeiiet am 
Simplontunnel. 

Erhebungen übet bie Sage bet^eim* 
atbeitet in Defterteitb. 

Ätnberarbeit in Sonbon. 

Htbctterbctocfnufl.565 

Die Streifbemegung in Deutfdjlanb. 
©ötferfireif in Siebt füt ©erlin. 
Streif bon @ifenbabn«9tangieratbeifetn 
in Erfurt. 

©in Slrbetterfefretartat in Darmftabt. 
£>efterreid&if<be Streifftatifti! füt 1897. 
eifenbabnetbemegung in gtanfteicb 


567 

@uta$ten bet Äommiffion füt Arbeiter» 
ftatiftif, betteffenb bie [Regelung bet 
fcrbeitSgeit in ©etreibemüblen. 

Die Regelung bet Hrbeitögeit im 
©ädergewerbe. 

Qrabtifinfpeftotinnen in englanb. 
Krbeiitttocrflftermta. Gparfnffes 568 

Der Entmurf eine« ^nbaltben« 
betficherungSgefebe« imbteidh«- 
tag. 

©emegung ffit bie fUerSbetforgung 
in englanb. 

.570 

Der SrbeitSnasbmei« füt Steuerleute 
in Hamburg. 

frbeitönaebtoeife auf pieu^ifc^ett ©aljn* 
böfen. 

Die erriettung eine« ftöbtiföen Sir* 
beit«na<btbeife« für Stettin. 

fBoblfabrtfetnrifttuttge* .... 572 
9Boblfabxt«pflege auf bem Sanbe. 
etgiebungSbeiratb füt fcbulentlaffene 
SBaifen in ©erlin. 

©römlen auf ben Stumm’fcben Jütten* 
tnerfen. 

Sr«t«bmg unb ©Übung.573 

$albtag£fdjulen in ©reufjen. 
©olfötbümlicbe ©orttagöteiben in 
©etlin. 

©etoerbegeriefcte. Einigsma*äntier. 
Mt«»gge*t4te.573 

fu&geftaltung bet ©emerbegerichte; 
fnttage im 9teicb«tage. 
ein ©etterbegeridjt — ein Unbing! 
einigungdämter unb Schiebögertd&te 
in englanb. 

©efefcentmurf, betteffenb Einigung«* 
ömtet in ©enf. 


3 »t)alt. 

mrtritorf«»*# 


fbbtudf ffimmtlidjer fttilel ift Bettungen unb ßeitfdbxiftcn geftattet, jebodb nur 
mit boUet (Quellenangabe. 


Äcltmodjtpolitik unb «ojialrefmntt. 


ii. 

Heber bie grunbfä^Iid^e Dothroenbigfeit ber Sozialreform für 
Arbeiter unb Unternehmer bebarf eg an biefer Stelle nidjt 
alhu oieler ©Borte, ©ajj; einfidjtgootle Unternehmer barin nicht nur 
Erforberniffe ber allgemeinen feohlfahrt unb beg ©efammtnubeng 


fehen, fonbern ebenfo bie Duelle materiellen ©ortheilg für ihre 
Unternehmungen, ift befannt. Unb wenn neuerbingg anfdjeinenb 
bie Schaar gerabe berjenigeit ^raftifer roieber na<hbrücfli<her ba* 
für eintritt, bie bur<h eigene Erfahrung bie ©ortheile beg ©etriebeg 
mit hoAentmicfelten, roohlorganifirten unb roohloerforgten Arbeitern 
!ennt, jo laffen bie finanziellen Ergebniffe gerabe ihrer Unter¬ 
nehmungen feinen S^eifel baran, ba& fxe ium ©rinbeften ebenfo 
einfithtSooEle ©efchäftgleute, mie Sozialpolitifer ftnb. 

S)ie Sflaoenarbeit fonnte nur bie einfachen ©eräthe benufeen. 
Sie fdjroanb nor ber Slonfurrenz ber 2Kaf<f)ine bahin. 2)ie fteigenbe 
nationale unb internationale Sfonfurrenz ftettt immer größere Sin- 
forberungen an bie ßeiftungSfähigfeit beg mobernen Slrbeiterg. 
©ourbeau (Les forces de rindustrie) rneift nach, bafe ber Ueber- 
gang höh erer ^echnif zwar z« einer ©erfunung ber Sfrbeitö^eit 
unb Erleichterung ber Äraftleiftung führt, aber umgefehrt eine 

S er qualifizirte, eine intenfioere Sir beit gleiftung eineg geifteg- 
neroenfraftigeren Slrbeiterg erheifdffi. 3u ähnlichen Ergebniffen 
gelangen H er f ncr > n ®chulze-©aeoernih u. 21. 9Rag eg bur<h 
Unternehmernerbänbe ben Slrbeitgebern gelingen, bie Siothroenbig» 
feit fortgefefcter technifcher ©erbefferuitgen hi cr °& cr ba hintan» 
Zuhalten, ber Sieg im Äoufurrenzfampf mu| both fchlie&licf) ben- 
jenigen oerbleiben, bie bie tedjnifch oollfommenften ißrobuftiong- 
mittel in bie Hmtbe ^ cr leiftunggfähigften Strbeiterfdjaft legen. 

3ür ben Slrbeiterftanb feinerfeitg fann eg nach bem gaHenlaffen 
ber ©erelenbunggtheorie, unb nachbem er erfannt hat, ba& man in 
ben 3ufunftgftaat nur hinein roaifen fönne, fein anbereg Streben 
mehr nach ber materiellen Seite hin geben, alg bie ©ethätigung einer 
energifdjen TOtroirfung an ben anzubahnenben Reformen. SBenn 
felbft ^autgfq z y ni ©udj beg „Sltlanticug", ber eine aHmähli«he 
unb friebliche Enhoicfelung znr Erreichung feiner roohl aufgebauten 
Utopie ooraugfefct, eine empfehlenbe Einleitung fchreibt, fo barf 
roohl erroartet roerben, bafe in abfehbarer 3 cl i ^i^ Kämpfe in 
biefer ©ichtung auf bie richtige ©runblage, b. i. Slugeinanber- 
fehungen über ben Inhalt einjelner ©eformmaferegeln unb bag 
Xempo ihrer Einführung, fich etnfehränfen roerben. Natürlich aber 
hanbelt eg fnh babei nidgt nur um Kampfe für bie äufjeren fiebeng- 
bebingungen unb bie gefeHfchaftUche Drganifation, fonbern audj 
um jene Seiten ber Sozialreform, roie fie bem greifen Sohn 
©ugfin unb feinen Slnhängern oorfchroeben, bie neben bem mate¬ 
riellen auch ben geiftigen ©ebürfni^freig beg Slrbeiterg erweitern 
wollen. 

2)ag Snbioibuum hat zahlreiche anbere 3«)ecfe neben bem» 
jenigen, ©Heb in ber ©robuftiongfette z u fein, ber Staat anbere 
neben feinen roirthfehaftlichen unb rechtlichen. 2)ie Arbeiter müffen 
fich bit Äonfequenzen biefer Slnfcbauunaen z u c i9 en madhen unb 
alg oottroerthige Saftoren in ben Sntereffenfämpfen fidf) bie größte 
erreichbare Summe gefeüfchaftlicher ©ortheile erringen. 

®er Staat alg ©anzeg ift nach allen Dichtungen hin gleich* 
mähig intereffirt. ©ag „alg unabhängige 9Racht rechtlich organi» 
firte ©olf", roie ^reitfehfe ben Staat befinirt, hat roie bag Snbi» 
oibuum bie Stufgabe ber Setbfterhaltung unb ber Fortpflanzung. 
Seine Slufgabe ift, fid) nach innen möglnhft z u fräftigen unb har» 
monifch augzugeftalten, nach aufeen hin feine Stellung zn wahren 











555 


©ogiale $?agi 3 . gentralblait für ©ogialpolüif. Nr. 21. 


556 


unb, rnenn nöthig, gu oerftärfen. 5ür ihn bebcutet bie fort* 
fc^rcitcnbc ©ogialreform im inneren eine 93efeitigung oon NeümngS* 
gefahren unb Hemmungen, einen mirffameren betrieb ber oolrS* 
roirt^fdjaftlidjen 9Nafchinerie gur ©rgielung oergrößerter unb gleich* 
mäßigerer ©rgebniffe. 

3n ber 3 c ü allgemeinen 9ßahlrecf)tS, ber allgemeinen 
Wehrpflicht unb ber Schulpflicht fomie angeftd)ts ber 93eifpiele 
ftammoermanbter Nationen, bie i$re ©taatsibeen auf bie 3ufammen* 
gehörigfeit ber SBegriffe oon 2Kad)t unb 93erantmortli<hfeit, auf baS 
2RitbeftimmungSred)t bei SeiftungSoerpflid)tungen auf gebaut haben, 
muß er nothmenbig bamacf) trachten, für oie Erfüllung feiner 
3toede fidf) ben benfbar größten unb fräftigfteu Nefonangboben 
gu fdjjaffen. ©r !ann nur bann auf einen erfolgreidfjen Politiken 
Wettbemerb mit jenen rechnen, wenn er tfjatfäd&Iid) bie 3uftimmung 
ber großen Waffen für feine Hanblunaen hinter fid) bat; er !ann 
nicht hoffen, fid) jenen gegenüber gu' halten, toenn er baS 93ilb beS 
^aufeg, baS gegen fid) felbft getheilt ift, oerförpert. $>ie Wit* 
mirfung ber breiten klaffen aber ift nur bann gu erregen, toenn 
fte baS ©efüßl fyabtn, als gleidjroerthige ©ruppen in einer an* 
erfannten unb gefidjtrten gefeüfdjaftlitben Stellung neben beit an* 
beren bagufteben, unb menn es ein Wafimum unb momöglicf) ein 
fteigenbeS Wayimum oon Netten ift, für roelcheS fte mit ganger 
Äraft unb unter Hmftänben mit ihrem Seben eintreten foHen. 
ift 3e mehr eS bem ©taat gelingt, feinen Bürgern roertboolle 
©üter materieller unb geiftiger 5lrt gu fc^affen, für bie fie fämpfen 
fönnen, befto fidjerer ift er ihrer nachhaltigen Hnterftüßung, unb 
befto merthooEere Kämpen toerben fie im internationalen Wett* 
betperb fein. SDiefer etmaige £ampf ift nicht nur ein $ampf mili* 
tärifc^er Slrt, fonbem «S ift auch ber toirthfchaftliche Wettbemerb. 
2)er innere Warft allein reicht fcbon bei bem heutigen 93eoölfe* 
rungSftanb unb ben heutigen 93ebürfniffen für bie 93efriebigung 
unferer 93olfSmirthfchaft nic|t aus. ©0 gilt ben Weltmarft regel* 
mäßig eingubegieben. Huch h^r erreicht bie Station bie größten 
SSortheile, melche bie internationalen ©pannungSoerhälhtiffe (Hugo 
SBach) am günftigften für fith gu gestalten meiß, am beften unb 
billigften, am öfonomifchften probugirte ©üter anbietet unb am 
mirfjamften pofitifch unb roirthfdjaftSpolitifdf) auftritt. 

2)ie Staaten müffen burch fortmäßrenbe innere SSerbefferungen 
ihrer IßrobuftionSoerhältniffe, oerbefferte Stecßnif, oerbefferte 51 n* 
orbnung, oerbefferte Seiftungen unb Ausführung ben mitbemer* 
benben 93olfSmirthfd)aften gegenüber bie Ueberlegenbeit mähren; 
nur bann giehen fie fteigenben ©eminn für bie h e iaiifchc 93eoöI* 
ferung heran. $)a biefe ^robuftionSoerbefferung aber nicht ohne 
fortfdjreitenbe ©ogialreform möglich ift (Steuleauy, §obfon, 
^Dper), fo ift leßtere für ben ©taat ein ©ebot toie ber mirtl)* 
fchaftlichen, fo ber politischen ©elbfterhaltung. 

Wie oerhält es fid) nun aber gegenüber ber anerfannten Noth* 
menbigfeit ber ©ogialreform unb ber fommergieEen ©ntroicfelung 
nadh außen mit ber Nothmenbigfeit militärifcher Lüftung unb ©e* 
minnung oon ©ttißpunften fomie Kolonien? 

2>aS Argument oon ber 93elaftung ber Sßrobuftion burch bie 
Heeres* unb 3lottenauSgaben, oon ber Sloftfpieligfeit folonialer 
©£perimente ift an fich ungroeifelljaft beftecf>enb. 93ei näherer 
Prüfung inbeß unb tieferem ©inbringen in ben ©egenftanb fann 
es nicht ©tanb halten. 

©3 ift heute feitenS ber ©achoerftänbigen anerfannt, baß bie 
älteren Sbeen, ber gunehmenbe Weltoerfeßr merbe nothmenbiger* 
meife emigen internationalen ^rieben unb greunbfd)aft anbahnen, 
in ben £hatfadf)en unb ber Stichtung ber ©ntrcicfelung feine ^Be* 
ftätigung finbet. 2)ie§ ift einer ber fünfte, bei benen bie Mritif 
gegen ÄautSfi) a. a. D. einfepen mufe. 

„3m 20. 3ah^hanbert mirb ber roirthf^aftliche Hampf groeifel* 
lo§ eine noch nie bageroefene SBichtigfeit annehmen. SDie ^on* 
furreng um bie SRärfte ber SSelt mufe nothmenbigermeife mit 
ber gunehmenben ©chroierigfeit be§ 2)afein§fampfe§ fid) oerftärfen", 
fchreibt ber englifc^e §anbel^atta<he ©aftrell (Development of 
Commercial, Industrial, Maritime and Traffic Interests in Germany. 
1871 to 1898). Hub groar erflärt fid) bie$, theoretifch betrachtet, 
l au3 ben folgenben öfonomifchen ©efeüen: 

2für bie SBirthfchaftgorbnnng gilt ba£ ©efefe ber abnehmenben 
©rträge in ber £anbmirtl)fd)aft, ba§ ©efeb ber junebmenben ©r* 
träge in ber Snbuftrie. ©rfteres befagt, ba^ „beim liebergang gu 
intenfioeren Sebauungömethoben bie 3unnahme be^ Steincrtrage@ 
geringer ift, al§ bie 3 l,na hme be§ Rohertrages unb bemgemäfe 
jebeö intenfioere ?lcferbauft)ftem nur unter SSorauSfefeung eines 
höheren ^reifes ber f^robufte möglich ift." (SRofdf)er). ^)er lefete 
©djeffel ift ber theuerfte. 2)urch eine fteigenbe ©rhöhu^Ö ber £a* 
pitalanlage in ber £anbroirthfchaft (©elbfapital unb Arbeit) führt 


man feine proportionale, fonbern nur eine fich allmählich uer» 
ringembe Steigerung ber ©rgebniffe herbei. Umgefehrt gilt in 
ber Snbuftrie bag ©efefe ber gunehmenben ©rträge. 3ebe 95er* 
gröfeerung eineg Unternehmens burd) entfprechenbe §)ingufügung 
oon Kapital führt eine 93ergröf}erung ber ^ßrobuftion über baS 
SSerhältniS ber bisher angelegten ©ummen hinaus h^i- 
bergeftalt gunehmenbe ^robuftion geftattet eine ©miebrigung ber 
greife, leitet gu einer Verbilligung beS ^robufteS. 5He lebte ©Ile, 
baS lefete ©rofc finb bie billigften. 

©in britteS in ^Betracht fommenbeS ©efeb begieht ftch auf baS 
9SerhältniS ber 33eoöIferung gur oolfSmirthf<h Q ftIith cn Vrobuftion 
unb befagt, bafe in einem £anb bie 93eoölferung fich rafcher gu 
oermehren oermag als bie Nahrungsmittel (Ntalth«^). ©iefeS 
©efeb 5 a t innerhalb ber lebten Ntenfchenalter nur barum feine 
Sßirfung nicht gegeigt ( roeil burch bie mobernen SSerfehrSmittel unb 
bie oerbefferte S^eihntf bie ©rgeugniffe neuer Sanbftriche ben 33e* 
mohnern ber alten ßänber gur Verfügung geftellt mürben. S)ie 
3cit ber e^tenfioen ©rfchliebung aber geht ihrem ©nbe gu; toährenb 
anbererfeits bie 95ehauptungen unb Hoffnungen, bafe baS in ber 
älteren 3^it empirifch als gütig erfannte NtalthuSfche ©efeb ^ar<h 
bie oerbefferte VrobuftionStechnif unb bie fünftliche HerfteEung oon 
Nahrungsmitteln auf cf)emifd)em Söege für bie 3ufunft merbe auf* 
gehoben merben, nach §lu$fage ber h*nmrragenbften NaturforfAer 
unb ben h^tigen Änfd;auungen über bie ©ntroicfelungSfähigfeit 
ber Söiffenfchaften auf eine 23erroirfli<hung nid^t gu rechnen haben 
(oergl. g.bie ©röffnungSrebe beS ©ir SBiKiam ©roofeS auf 
ber Serfammlung ber British Association gu 93riftol, September 
1898). ©s mirb alfo in abfehbarer 3 u * un ft in ber gangen SBelt 
in ber SBeoöIferungSoermehruna unb ber gleichmäßigeren Stuf* 
füflung ber ©rbe eine fteigenbe Nachfrage nach Slgrifulturprobuften 
eintreten, mährenb ein rapibe fteigenbeS Angebot oon Snbuftrie* 
probuften, in Solge ber fortfchreitenben 3nbuftriealifirung einer 
Neihe oon Sänbern beoorfieht. 

Nun ift jene Hhnatifche ©cheibung oorhanben, bie in ben füb* 
liehen 3° nc n faft alles machfen Iäfet, roaS ber moberne Ntenfch 
für bie 93efnebigung feiner 93ebürfniffe an oraanifchen Stoffen ge* 
braucht, mährenb oie gemäßigte 3one eine Reihe mid)tiger ber* 
artiger Vrobufte gu geüigen nicht geftattet; g. !©. 93aummoHe, ©eibe, 
NeiS, bie aügemein gebräuchlichen ©enufemittel: Kaffee, Xhee, $abaf, 
gahlreiche ©h e mifalien, Strgneiftoffe k. früher §errfchte bie beim 
bamaligen ©tanbe ber ©ntmicfelung begrünbete SJleinung, bie tro* 
pifchen Sänber feien gum 3nbuftriebetrieb ungeeignet, unb baburdjj 
ein emig fruchtbarer STaufch smifch^n ben 3onen gefiebert (ßift). 
Heute ift in biefer Hmficht ein llmfdjmung eingetreten; bie Tropen* 
länber fangen nunmehr an, 3nbuftrie für ben fu'imifchen 93ebarf 
gu treiben unb baneben aEe Slrten oon Naturprobuften gu giehen. 
$)ie gemäßigte 3mte ift bagegen hinfichtlid) ber ißrobuftengeminnung 
bauernb befdjränft. ©o merben ben ^cifeen Säubern gegenüber bie 
gemäßigten in Nadf)theil gerathen, meü fie mit ihrer ftärferen Nach* 
frage nach rclatio foftbarer merbeuben probuften auftreten unb 
mit relatio immer biEiger merbenben ©rgeuaniffen begahlen müffen. 
— Schließlich aber finb bie ftärfer aufgefüEten Sänber auch & er 
gemäßigten 3°ne mit ihrem NahrungSmittelbebarf bereits h^ute 
auf Sieferungen aus bünner befiebelten Sänbern gleichen flirna* 
tifdjen ©harafterS gum 2^h e ^ angemiefen. Nimmt bie 93eoöl!erung 
in biefen leßteren gu, fo müffen "erftere gleichfalls als nad)fragenbe 
Äonfumenten unter gunehmenb ungünftiaeren 93ebingungen auf bem 
953eltnahrungSmarft auftreten. 2)ieS miro fid) in bem 9Biebereintritt 
bauernb anfteigenber ©etreibepreisfuroen groifeßen 1 930 unb 1 950 
geigen (Nleißeu, ©aunan, ©roofeS). 

©S ergiebt fich, ^^6 ber Äampf umS ®afein in 3 u ^ un ft ein 
oerfchärfter merben muß, unb ißn mirb man nicht aus ber 9Belt 
fchaffen, fo lange man nid)t neben ben gebachten aud) bie SEjätfadje 
befeitigen fann, baß „fein Sßolf lebt, melcheS nicht, fofern ber 
5lußenorucf befeitigt mirb, bie gange ©rbe gu beoölfern oermag." 
(Römers, War as a Suggestion of Manifest Destiny.) SeßtereS 
ift roenigftens für bie aufftrebenben Nationen gugugeben. 

23ei bem heutigen ©tanbe ber ÜDtachtoertheilung auf ber ©rbe 
gmifdjen Staaten mirb fich ber gesteigerte SBettbemerb in ben oer* 
feßiebenen Nicßtungen als ein Söettbemerb in politifchen 9Ser* 
einigungen gegeneinanber abgefchloffeiter SSolfSmirthfchaften geigen; 
barum bie gebaeßte Nothrcenbigfeit für bie heimifche VoIfSroirth* 
feßaft, im 3nnern bie ^robuftionSbebingungen möglid)ft günftig 
gu geftalten — barum meiter aber auch bie Nothmenbigfeit, aEe 5liiS* 
rüftungSmütel auch nad) außen Ijin für einen etmaigen 9Bettfampf 
gu befdjaffen. 

2)aß bie großen 9ßeltfätnpfe untS Wafern mit bem Heberleben 
bes ©tärferen enben, ift ebenfomohl eine naturnothmenbige 



«557 


Sogiale $rayt$. Eentralblatt für Sogialpolittf. Str. 21. 


558 


Erfcheinung, wie Borbebhtgung eines SrortfchrittS innerhalb 
ber Wenfchhät gu ^ö^erer Auswahl. 6$ ift nicht nur eine 
brutale £hatfad>e, fonbern auch ein fittlicher ©ebanfe, bafe bem fo 
ift, foferit man richtig erfennt, bafe bie Stärfe nid)t allein in php* 
fifcfeer Sfraftanfammlung befteht, foubern auch in geiftigen unb 
fittlidfjen Eigen fchaften. 

Sfeitt Bolf, baS bie Abftcht höt unb bie Äraft in ft<h fühlt, 
feine Eyifteng gegenüber bem Einbringen Anberer gu magren, !ann 
ftd) bentgemäfe ber Aufgabe entheben, für fich unb feine gasreicheren 
S?ad)fommen nicht nur ebenfo günftige, fonbern womöglich gün* 
[tigere ßebettSbebingnngen gu fiebern. ES mufe entweber* fid) 
felbft ober feine Wachtfphäre über weite (Gebiete auSbehnen. Bon 
jeher höben fid) gufpifeenbe wirthfdjaftliche Kämpfe unweigerlich 
gu politifchen Kämpfen, gu Kriegen geführt, inbem man „burch 
Afte ber ©ewalt oerfuchen mufete, feinen WiEen gu ergwingen" 
(Elaufewife). 

$>ie einzelnen Bölfer ftnb nicht gleich ftörf unb ber Stärfere 
mufe Sted)t behalten. WiE ein Bolf nicht, bafj es oon aufeen 
in feinem ©ebiete unb Wadjtbereid) beeinträchtigt werbe unb nicht, 
bafj anberc ftd) beim Wettbewerb im fianbe britter Söller, auf 
brüten Warften günftigere $onfurrengbebingungen erftreiten als 
cS felbft, fo mufe es feine Borfehrungen entfprechenb treffen. Auf 
ber einen Seite mufe eS feine ©rengen fchüfeen, fo bafe niemanb 
fie in feinblicher Abficht gu betreten oermag; fobann aber, wenn 
eS nicht alles, was es bal)eim bebarf, probugiren fann, nicht alles, 
was eS babeim probugirt, baheitn unterbringen fann, feinen gu* 
nehmenben BeoölferuttgSmeitgen feine hinreichenbe Berforaung in 
gleicher ober fteigenber ©üte gegenüber ber jefeigen gewäferletften 
fann, mufe eS nach auswärtigen Bläfeen fuchen, mo bieS möglich ift. 

^a bie WettbewerbSbebingungen auf ben Wärften anberer 
polüifdher ©emeiitwefen ftetS ungünftiger ober gefährbeter finb 
als auf ben eigenen, fo müffen bie (Staaten fuchen, fich felbft 
Erweiterungen anguglicbern, fei eS burch örtliche AuSbefenung, fei 
cS burch überfeeifche Erwerbungen, unb fte müffen ftd) bie Wacht* 
mittel fdjaffen, ihre ©cfammtmirthfdjöft in ber ^eimatf) unb in ber 
J5rembe mit aEetn Sfadjbrucf gu fdjüfeett. 2)ie Station, bie biefeS 
nicht thut, bietet ben übrigen eine Berlocfung gu Angriffen unb 
bie Wöglichfeit gur Ausbeutung unb Unterbrücfung; benn bie 
Senbengen gehen nach nationaler AuSbehnung unb werben oon 
ben oerfdjiebenen Kultur* unb Spradjgruppen jeweilig mit aEem 
SJacfebrucf für bas eigene ©emeinwefen oerfolgt. 

Wachtmittel gegen brohenbe ©ewalt unb gur eoentueEen 
nothwenbigen Erweiterung beS nationalen ©ebieteS ftüfeen fich nach 
wie oor auf §>eer unb flotte. 

Sraftifche Anweisungen biefer Wahrheiten liegen in ben 
borrenben Lüftungen aEer wettbewerbenben Stationen unferer 3 e it 
oor; ferner in ber mit Staturnothmenbigfeit erfolgten AuSbehnung 
9>tufeIanbS unb ber bereinigten Staaten über bte Stachbargebiete 
hin, in bem Berfuch boppelter AuSbehnung feitenS JrattfreichS in 
bie nahcliegenben afrifanifchett Wittelmeerlänber unb bie ferner 
fiegenben Kolonien DftafrifaS unb 3ttbo*EhinaS, fchliefelid) in ber 
enormen folonialen AuSbehnung Englanbs, baS gwar Qahrgehnte 
lang fortmährenb erflärte, folonial gefättigt gu fein, babei aber 
nie eine ©elegenljeit oorübergehen liefe, neue bedungen unb Stüfe* 
punfte gu anueftiren. 

$>eutfd)lanb hot bisher erft einige Berfud)e in ber Stichtung 
ber AuSbehnung gemacht. Eine tyii lang fd)ien eS burch bie Er* 
folge ber Einigungsära gefättigt. Es gtebt aber feine bauernb 
fatte Station, bie nicht bem Untergang oerfaEen wäre! — $)eutfd)* 
lanb hot heute noch nicht feine natürlichen ©rengen erreicht; weber 
umfchliefet es baS oott feinen Stämmen bewohnte unb oon feiner 
Spradje beljerrfchte ©ebiet — eS ntufe oielmehr ruhig mit anfehen, bafe 
anbere Stationalitäten außerhalb feines WacfetberetchS baoott abgn* 
bröcfclu fuchen — noch befifet eS jene ©rengen, bie nach Öidjte ,,oon 
ber Statur oorgegekhnet unb burch grofeegiüffe, Weere, ungugäng* 
liehe ©ebirge oon ber übrigen Eroe abgefonbert finb". Es h fl t 
ferner fein ©ebiet, baS ihm bie oon bemfelben Slutor für unerläfe* 
ii^ erflärte probuftioe Selbftftänbiafeit unb Selbftgenügfamfeit 
fichert. Seiner fiage nad) fann $>eutf<hlanb ebettfotoenig wie 
Englanb biefe natürlichen ©rengen auf einer ungetrennten Staum* 
fläche erringen, fofern es fich nicht etwa burch gang Sübeuropa 
nach Afrifa unb Afien hin erftrerfen wiE. Es mufe überfeeifche 
Kolonien erwerben unb fich t)i er 3uflufefanäle für feinen fteigenben 
^Bebarf eröffnen unb günftige SerfaufSmärfte fichern. öür bie 
Einfuhren höben fich bereits bie brei grofeen Wacf)tgebiete, Stufe* 
lanb, bie bereinigten Staaten unb granfreich, oon ber Aufeenwelt 
ftarf abgefcfeloffen, fuchen fid) immer unabhängiger oon inbuftrieEen 
Einfuhren gu machen. Englanb hält gwar noch am $ringip ber 


„offenen Xhüren" feft, aber natürlich auch nur fo lange, als es 
hierin überwiegenbe bortheite erblicft unb bie JDeffnung oon 2:hü r cn 
für fich erreichen wiE. SoEte bie Oeffnung oon^hü^u Anbercn 
gum überwiegenben bortheil gereid)en, fo wirb eS gewife ebenfo 
entfchloffen fern, bie £hü**n guguf^liefeen, über bie cs bie Wacht 
hat. Seine Kolonien höben bamit gum Xfytil f<hon begonnen. 

Wit Stecht höt öorb Salisburp barauf hingewiefen, bafe bie 
heutige £enbeng fei, bie ©rofeen gröfeer unb bie kleineren fleiiter 
gu mad^en. 

Stiemanb oermag gu fagen, wie rafch ober wie fangfam fich 
biefer ^rogefe ooEgieht. 5)aS aber ift gewife, bafe $)eutfd)lanb 
gerabe jefet einen wichtigen Augenblicf hat ungeiüifet oorüber* 
gehen laffen müffen, ber ihm hätte ermöglichen lönnen, feinen 
nationalen Wachtbereid) in einer ber nötigen Stiftungen gu 
erweitern, weil es feine maritime AuSriiftuna eine 3ät lang oer* 
nadjläffigt hötte. ^ann eS für bie 3«^öft ftd) feinen grofeen 
Wadjtbereidj ffaffen, in bem bie |>auptgrnnbfage einer nationalen 
Kultur, bie Sprache, beutfeh ift, in bem cS grofee ©etreibe* unb 
anbere ßebenSmittelprobuftionSftätten fontrolirt, unb in welchem 
eS tropifche unb fubtropifefee Agrifiilturprobufte ergeugt, fo wirb 
eS oom Schritthalten mit ben beiben aufwärtsftrebenben Sfompleyen 
Stitfelanb unb ben angelfächfifchen fiänbent, weif letztere an einem 
entfeheibenben Wenbepunft gerabe burf bie Sprachgemeinfchaft 
wieber enger gufammengeführt fmb, auSgeffloffen werben. ^aS 
ift ein ©efiftSpunft, bemgegcuiiber tautSfpS Behauptungen, bie 
Eröffnung oon «Kolonien fei gwedloS, ba mögliferwcife bie Aftaten 
fich fpäter einmal eine Wonroeboftriit „Afieit ben Afiaten" an* 
ffaffen würben, unb bie Afrifaiter ein „Afrifa uns!", weit gurücf* 
treten. Xhun wir’S nicht, fo tfjun’S bie Anbern, unb wir gehen 
unter, weil wir bie beutfdje Kultur nid)t für fortpflanguugSwert 
ehalten, uift nufere phpftfehe unb geiftige BolfSfraft für fie in 
ie Wagffale geworfen höben. 

3>aS beutffe Bolf, fpegieE bie beutffen Arbeiter, werben anbern* 
faES nicht barauf refnen fönnen, bafe bie beutffe BolfSwirthffaft 
entfprefenbe <5ortfd)ritte mit ben anberen macht, unb 3)cutfflanb 
würbe wieber, wie es burf mehrere 3öh*h Utt berte gemefen ift, bie 
AuSbeutungSftätte ftärferer Stationen werben, feine Söhne mit 
weniger günftigen ßebenSbebingungen fif begnügen müffen. 

&>ie grofeen ©Ieifungeit, aus beneit bie internationale Bilang 
befteht, fefcten fif aus oerffiebenen ©Uebern gufantmen. SSirth* 
ffaftlife $oftett, Waftpoften, fulturpoften gufamnten brücfen baS 
„^aben" einer Station aus. Sft bie Summe nicht berjenigen ber 
anbern gleich, fo bleibt ein SDefigit, burch welfeS matt in biefe ober 
jene gorm ber 5lned)tffaft, Sfulbfnefiffaft, politiffe ^iieft» 
ffaft ober ©eifteSfueftfchaft aerathen mufe. ®aS finb aEeS brei 
aber 3öftänbe, in bie man fein Bolf nid)t geraden laffen barf, 
wenn man es mit ihm wohl meint. 

ES ift oben ausgeführt, bafe bie mirthfdjaftlidje $öhc unb 
bie 3öfammenfaffung Der nationalen Kräfte ofetie fortffreitenbe 
Sogialreform nift möglich ift. Stunmehr bürfte aud) gegeigt fein, 
weSfealb fortfdjreitenbe Sogialreform, Aufbefferung unb Sicherung 
ber ßage ber breiten Waffen nicht möglich ift ohne fefte Sicherung 
nach öufeen, ohne eine fräftig gufammenfaffenbe B?eltmad)tpoIitif, 
bie fich ben 3 u äitt gu ben ©ütern unb 0d)äpeit ber Erbe, gu ben 
üppigen ^robuften ber £ropenfonne unb beit CueEen beS S£ohl* 
ftanbeS, bie im Weere ruhen, offen hält unb bie bereit ift gur 
thatfräftigen ^ropaganba für ihre Sprache, ihre Art unb ihre 
©efittmig. 

SBaS wir nicht thun, thuu Anbere auf unfere Soften. 
Solange bie Arbeiterpartei biefe ©efichtSpunfte nicht einfieht nnb 
praftifd) mit gu oerwirflichen ftrebt, fann fie nicht hoffen, als ein 
ooEwerthiger gaftor im politifchen fieben mitgugählen; unb baS ift 
für fte um fo fd)limmer, als in feinem anberen Staat fich &ie 
breiten Arbeitermaffen oeraitlafet gefehen höben, ben Anregungen 
beS internationalen $>oftrinariSmuS eines Wary Staum gu geben. 

Es wäre im hoh^n ©rabe wünfdjenSwertb/wenn gwifdjett beit 
beibett ©ruppen ber Sogialreformatoreit unb Wacptpolitifer baS 
SSort jenes englifdjen WinifterS aufwitchfe: „SöaS totr braud)eit, ift 
ein wenig mehr gegenfeitigeS Berftänbnife." Sc'nr in ber SBechfei* 
wirfung gmifcheit bett Bethätigungen ber beiben Parteien fann baS 
|>eil ber 3 u ^ un ft liegen, ^er 3oEoereitt unb baS ^eutfefee Steid) 
brachten ben aEmählith^n wirtl)fd)aftlichen Auffdjwuttg, beffcit 
2)eutfchlanb burch bie ööljAjunberte batte anberen Bölfern gegen* 
über entbehren müffen. Aur bie SSeltmachtpolitif fann ihn er* 
weitern nnb guttt Segen für baS gange Bolf erhalten. 

SDaS ^cutfche Steid) fomtte, toie BiStttanf mit Stecht erfanute, 
nur baburch feft auf bie Süfee gefteEt werben, bafe cs burd) all* 
gemeine Wehrpflicht unb aEgemcittes Wahlrecht auf bie Schultern 



559 


Sogialc $rci£t3. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Ar. 21. 


560 


beS gangen BolfeS geftii^t mürbe. Das größere Deutfcßlanb 
faitit nur, auf bte Arme unb £>ergen beS ganzen, burcß 
bic ©ogialreform aufs neue ßarmonifcß geglieberten 
BolfeS geftübt, toaeßfen unb gebe 1 1>en! 

Berlin. ©ruft non §alle. 

Sojial* unb IBirtl)frf)aftepolitlk. 


Dr. p. fftottenburg unb Dr. Neunter« 

Sir erhalten folgenbe 3uf<ßrift mit ber Bitte urn Aufnahme: 
©ehr geehrte Aebaftion! 

Öerr Dr. o. Aottenburg hat auf meine in ber „Deutfcßeit 
Snbuftriegeitung" oeröffentlidjte Abtoeßr eine Antwort in ber 
„Sozialen $rayis" oont 9. gebruar bS. 3*- gegeben, bie mir 
erft beute gu ©efießt fornrnt, weil id) auf einer Dienftreife be¬ 
griffen mar. 3<ß merbe tttid) gegen biefe Anttoort in ber 
iiäißften Kummer ber „Deutfcßen ^nbuftriegeitung" oertßeibigen, 
erfueße ©ie jeboeß ergebenft, mir aud) ein paar Sorte ber (Er* I 
miberung in ber „©ogialen BrajiS" geftatten gu moHen. Durd) 
ben Abbrucf eines Briefes beS Ferrit Dr. ©pettce Satfon fueßt 
£>err Dr. o. Aottenburg ben BeroeiS gu führen, baß mir (£>err 
AeicßStagSabgeorbneter Btoeder, ©eneralfefretär Buecf unb id)) 
beS (Englifcßen nicht genug mächtig gemefen feien, um §errn 
Dr. Satfon gu oerfteben, ber „ein anbereS 9M folgen Herren, 
maS er gu fagett höbe, fcßriftlicß geben merbe". 3» biefem 
Briefe menbet ficb £jerr Dr. ©pence Satfon mit fdjmeren An* 

Hagen gegen mich, meil ich behauptet höbe, baß, „menn er bie 

©djattcnfeüen ber Drabc UnionS bamals nießt fehett toodte unb 
auch heute nod) nidjt gu fennen febeine, bieS ber llmftaub er* 
fläre, baß £>err Dr. ©pence Satfon in erfter ßinie rabifaler 
Bolitifer unb biefe Partei mefeitilicß auf bie ©timmen ber Drabe 
Uuioniften angemiefen fei," unb forbert ntid) auf, in ben „Ber* 
einigten Königreichen auch 11ur einen einzigen dRantt gu nennen, 
toelcßer auch nur einen eingigen gad gegen ihn (©pence Satfon) 
oorbringen fönnte, in bem er ben Ber fit d) gemacht hätte, bie 
©timmen ber Drabe Itnioniften baburch gu gern innen, baß er 
irgeitbmte bie Sabrbeit oerbeimlicbt ober entftedt hätte". Sine 

folcße Behauptung höbe id) niemals aufgeftedt; id) höbe lebig* 

ließ gemeint — unb baS meine id) auch heute nod) — baS 
Urtheil über bie Drabe llttionS merbe bei .fierrtt Dr. ©pence 
Satfon burd) feine politifche Anficßt beeinflußt, ba feine 
Partei mefentlich auf bie ©timmen ber Drabe Unioniften an* 
geroiefen fei. Das unterfdjeibet fid) hoch ßiinmelroeit oon ber 
Behauptung, ich hätte £)errn Dr. ©pence Satfon oorgetoorfen, 
er oerheimliche ober entftede bie Saßrßeit, um ©timutenfang gu 
treiben. Das höbe id) nicht gefagt, unb beSßalb höbe ich auch i 
nicht ben BerneiS für eine folcße Behauptung gu liefern. Die 
Anficht aber, baß mir §errn Dr. ©pence Satfon in unferer 
Unterrebung mit ihm nicht oerftanben hätten ober nicht hätten 
oerfteben föniteit, meil mir beS (Englifcßen nicht mächtig mären, 
merbe ich in ber „Deutfcßen Snbuftriegeitung" bnreh mörtlidhen 
Abbrucf beffen miberlegeu, maS mir ben beutfeben 3nbuftrieden 
feiner 3eit in unferen Steifeberichten aus (Ettglanb, bie am Dage 
ber llnterrebung niebergefcfjrieben mürben, mitgetheilt höben, 
tiefer Bericht mirb auch €>errn Dr. ©pence Satfon baoon über* 
geugen, baß er uns nichts fcßriftlicß gu geben brauchte, um hoch 
bis aufs lebte Sort oerftanben gu merben, unb baß mir feiner 
'perfott unb ©tedung ooHe Süroigung höben gu Dßeil merben 
Iaffett. ferner merbe ich in ber „®eutfdE)eit 3jnbuftriegeitung" 
meine Anfid)t, baß eS fid) bei ben Drabe Unioniften neuerer i 
9tid)tung um bie §rage hönble, mer .jperr im §aufe fein folle, 
ber Arbeitgeber ober ber Arbeitnehmer, burd) ben Abbrucf gmeier 
ltnterrebungen als richtig gu erroeifen fuchen, bie mein ocrehrter 
Kollege £). A. Buecf im 3ößre 1890 mit 3)tr. tfeoeft), Direftor 
ber South Metropolitan Gas Works in Bonbon, unb 9Jtr. 
9)2c. ^orntell, Direftor ber Maxim Nordenfeld Gun and 
Ammonition Comp., gehabt höt. 

Dies mirb meine leßte (Entgegnung auf bte Angriffe beS 
.'oerrn Dr. o. Stottenburg fein; beim bie megtoerfenbe Art, mit 
ber er in Begug auf meine g-äßigfeit urtßcilt, au ber Söfung 
einer ernften fogialpoIitifd)en 3rage mitarbeiten gu bürfen, höt 
für mich fein oolfSmirtl)fd)aftlid)eS, fottbern nur noch e in pfpd)o* 
logifd)cS ontereffe, unb eine XiSfttffiott über bas leßtere oerbietet 
fiel) itt ber Ceffcntlidjfeit. 

Berlin SW., 16. Februar. j 

Dr. S. Be um er, , 

Biitglieb bes ^reußifd)en AbgeorbitetenhaufeS. , 


fierr Dr. o. 9tOttenburg, bem mir oon biefer 3 u f4) r lf* 
Ketttttniß gegeben höben, bemerft bagu in einem Briefe au uns 
golgenbeS: 

3d) fann nur mit AriftophöneS fagen: 

„@ern laß td) eS ihm! 

$amt mirb er oon bem, maS er felbft oorbringt, 
iOtir mit grag' unb BemetS unb ©ebanfen ber 3 c *t 
Sie n’em & a g c l oon Pfeilen gtt Boben geftreeft." 

9tur einige menige Bemerfungett gu §errn Dr. BeumerS 
Brief: 

.£>err ©pettce Satfon höt bie Bemerfungen, melche .perr 
Dr. Beumer in ber „Snbuftrie" über ihn gemacht höt, einer 
fdjorfen Kritif untergogen. Nunmehr erläutert ^err Dr. Beumer 
jene Bemerfungen bahnt, er höbe lebiglid) gemeint, „bas Urtheil 
über bie £rabe UttionS merbe bei £>errn Dr. ©pence Satfon 
burd) feine politifche Anficht beeinflußt, ba feine Partei roefent* 
lid) auf bie ©timmen ber £rabe Unioniften angemiefen fei." 
$>ie ©chlußfolgerttng in biefem ©afce reiht fich ebenbürtig ben 
in meinem leßten Auffaße befprocheneit ©pdogiSmen an. 3nbeS — 
abgefehen baoon — biefer Berfuch fi<h S« cjculpiren, ift oöllig 
oerfehlt. § err ® r - beumer höt in ber „3nbuftriegeitung" be* 
hauptet: Als £>err Satfon mir AuSfunft erteilte, mollte er bie 
©^attenfeiten bes Srabe UttioniSmuS ttießt fehett — unb bas 
heißt nichts anberS als: §err Satfon höt mir roiffentlid) eine 
unrichtige AuSfunft erteilt. Senn eS bann in ber genannten 
Leitung roeiter h e ißh falf<he AuSfuuftertheilung erfläre flcf) 
barauS, „baß J9err Satfon in erfter 9teü)e rabifaler ^Solitifer 
fei; biefe Partei fei mefentlich auf bie ©timmen ber £rabe 
Unioniften angemiejett," fo mirb rnoßl fein Unparteiifcher bar* 
über int 3 töe M e l f^ n fönnen, baß ber ©inn biefer Sorte baßin 
geßt, §err Satfon fud)e bie ©tintnten ber £rabe Unioniften gu 
gemimten. Die Kritif Jimm Satfons mag perrn Dr. Beutner 
reeßt unangenehm fein; aber fie ift bureßaus berechtigt. 

3n ber „3ubuftriegeitung" ßöt übrigens §err Dr. Beumer 
gegen bie fämmtlichen englicheit Arbeitgeber, melche ftd) ißtn 
gegenüber gu ©unflett ber Drabe UttionS geäußert ßötten, ben 
Berbacßt auSgefprochen, cS fei bieS in ber Abficht gefeßehen, 
„cud) Deutfchlanb mit biefer Snjtitutiou gu beglücfett uttb^.ba* 
burch in feiner Settbemerbsfäßigfeit auf bem Seltmarft gu 
fd)toäd)en." (Eine (Erläuterung biefer allgemeinen Betnerfung 
feßeint ^eri Dr. Beumer nicht für erforberfid) gu eraeßten. 

£>err Dr. Beumer fünbigt an, er merbe feine Auffaffung, 
„baß es fid) bei ben Drabe Unioniften neuerer 9ticßtuttg um bte 
5rage ßanble, mer ^>err im §aufe fein folle, bureß ben Ab* 
brud gmeier Unterrebungen als richtig „ttaeßgumeifen fueßen", 
rnelcße §err Buecf im 3ößre 1890 mit bem Dtreftor ber South 
Metropolitan Gas Works unb beut Direftor ber Maxim 
Nordenfeld Gun and Ammunition — nießt Ammonition, roie 
§err Dr. Beumer feßreibt ~ Comp, gehabt hat. AIfo auf bie 
AuSfagen biefer beibett Herren ftüßt fteß baS apobiftifeße Urtßeil 
§errn Dr. Beutners! ©ollte baS nießt ben ©läubigften feiner 
Anhänger bie Augen öffnen? Den BeroeiS, baß bie ftreifenben 
dkafcßinettbauer mtrflicß bie Sortierungen geftedt ßaben, rnelcße 
in ber „3nbufiriegeitung" aufgefüßrt merben, ßält £>err 
Dr. Beumer ttaeß mir oor gurücf. 

3nbeS icß mid bie S e ß^ ttunmeßr als abgefcßloffen att* 
feßen, unb icß muß es, eittgebenf ber Sorte beS DeireftaS: 

,,©tid) naß Meißen nießt! 

Den lobten itodimals tobten, melß ! ein §elbenmutl)!" 

Bonn, 18. Sebruar. Dr. o. 9tottenburg. 


Der ©cßuß „Arbettsmittiger'' im preußifdhett Abgeorbneten« 
ßaufe. Am 15. gebruar brachten im preußifeßen Abgeorbneten* 
ßaufe bie fonferoatioett Abgeorbneten 9ting unb S^Iifcß bie ©efdjäftä* 
gebaßrung einer Angaßl oon Arbeiterorganifationen gur ©praeße, 
„bie, unter fogialbemofratifßem Ginfluß fteßenb, baS mirthfeßaft* 
ließe Öeben in uttferetn gefantmten beutfeßen Baterlanb feßroer be* 
broßen". 3nfonberßeit mürbe auf ben Gcntraloerbanb ber Btaurer 
in Deutfcßlanb ejemplißgirt unb beffen Beftreben, ade Bauarbeiter 
gunt Beitritt gu oerattlaffen. ©reife biefe Art audß auf bie länb* 
ließen Arbeiter über, fo fei ber fogialbemofratifcße ©taat bereits 
ba! Die Abgeorbneten Dr. £>irfdj unb ©olbfcßmibt (freiftnttige 
BolfSpartei) foroie 8fmßs (Zentrum) traten für bie Arbeiter* 
oereinigungen ein, inbem fie gegenüber ben Klagen über DerroriS* 
i muS ber Arbeiter naßbriidlicß barauf ßittmiefen, baß oon ben 
Arbeitgebern in umfangreidjem s D?aße DcrroriStitus geübt merbe. 
Der Bcinifter bes 3nttertt erflärte, ißm unb ben Beßörben feien 



561 


Soziale $rajiS. Gentralblati für Sozialpolitik Ar. 21. 


562 


foldjc Vorgänge aus ber fozialbemofratifchen Vewegung, n>ic fie 
bcr Abgeorbnete IRing oorgetragen hd, ja nic^t unbefannt. Aber 
er l)dte cS bodf) für nüfclid), bafj fie auch weiteren Greifen befannt 
werben, barnit bem SSolfe Kar werbe, welche Gefahren non ber 
Sozialbetnofratie zu erwarten feien. @8 ergebe fid) hieraus für 
bie ^Soligei bie feljr ernfte Verpflichtung, gegen biefe Vorgänge 
aufs Sorgfältigfie ein^ufcbreiten, foweit bte gefeilteren Vefug* 
itiffc ib»r baju eine £)anbhabe geben: „Seiber oerfagen manchmal 
biefe Vefugniffe unb wir haben alle Veranlaffung, crnftlicb barüber 
nad) 3 ubenfen, nach welcher S^ic^tung bin eine Verftärfung ber gefefc* 
lieben Vefugniffe, namentlieb z um Schufte ber Arbeitswilligen, er* 
forberlicft ift. 3$ hoffe, baft wir uns in nicht langer 3eit, wenn 
auch in einem anberen Parlament, bamit ju befd^äfttgen haben 
werben." — Gs mu& im bob cn ®rabe auffallen, baft bergeftalt 
ein — wenn aueb inbirefter, fo hoch febr beutlieber Vorftoft oon 
einem preufjifdf)en VHnifter gegen baS AeichSamt beS Jnnern ge- 
rnaebt wirb. 

3>tc Reform ber Gefänauiftarbctt in gftanfreid) gab wie alt* 
jährlich in ber Vubgetbebatte oer Abgeorbnetenlammer Veranlaffuug 
Zu breiten AuSeinanberfeftungen. Schon im Jab re* 1895 ^atte bie 
.uammer bie Regierung erfud^t, ben $errfcbenbeit Acipräuchen ein 
Gnbe ju bereiten unb burcf) eine Verftänbigung unter ben wer* 
febiebenen 9Rinifterien bie Gefängniftarbeit bireft für ben Staat 
ituftbar ju machen. Vis babin fanb fjauptfächHch baS Stjfiem ber 
fogenannten Gntreprife ober Vergebung an prioate Unternehmer 
Anwenbung. ViS ^unt 31. Dftober 1898 war bie oon ber 
Kammer angeregte Transformation in bireften Staatsbetrieb nur 
wenig oorangefd)ritten. Von ben 5501 männlichen Sträflingen 
ber Gentralgefängniffe waren nur 557 unmittelbar für ben Staat 
befebäftigt, währenb ber Aefi oon 4926 nach toie oor in birefte 
Konfurrenz mit ber ^rioatinbuftrie trat, eine Konfurrenz, bie bei 
bem Spftern ber Gntreprife um fo brüefenber wirb. GS fmb 
bauptfäcblicb bie Korbflechterei unb Vürftenbinberei, in ber 
Bretagne auch bie Tifchlerei, bie ftcb über ben fröhlichen 3Bett* 
bewerb ber Gefängniftprobuftion beflagen. Jn ben Debatten ber 
Kammer würbe oon mehreren Abgeorbneten gänzliche Vefeitigung 
bcr gewerblichen Gefangenenbefdjäftigung oerlangt. Ter Abge* 
orbnete Vaillant fdfjlug oor, baft bie Tireftioit ber befangenen* 
anftaltcn ficb mit ben §anbelsfantmern unb ben Gewcrffchaften 
ihres VezirfS ins Benehmen feften, um fo eine Vefchäftigung für 
bie Sträflinge ju finben, bie in feiner 2öeife mit ber freien Arbeit 
fonfurrirt. Setn weiterer Antrag, bie Gefängniftarbeit hauptfädtj® 
lieb in erziehendem Sinne, faft ju einer Art Sachfchule auSzu* j 
bilbeit, fanb fpmpathifche Aufnahme in ber Kammer, bie inbeffen 
aus finanziellen Aücffichten bei ihrer Aefolution oon 1895 oer* 
harren muftte, bie babin geht, bafj nacb unb nach baS fröhliche 
Spftem ber Gntreprife burd) ben Staatsbetrieb erfeftt wirb. 


kommunale öojialpolitih. 

3nm preujnfcbcu Kommmtalabgabengefeft Heber eine Aeitbe* 
rung beS VerfjältniffeS jwifchen Aealfteuern unb Ginfommenfteuer* 
Zufcplägen würbe am 7. Februar im prcuftifcheu Abgeorbneteuhaufe 
oerbanbelt. Säfjrenb bieSmal aber ein Antrag Vßeperbufd) (frei* 
fonferoatio) nur im Allgemeinen eine Aenberung beS Kommunal* 
abgabengefefceS babin forbert, bafc eine Ueberbürbitng ber §auS* 
uno Grunbbeftfter fowie beS Gewerbebetriebes auSgefthloffen ift, 
unb weiter eine Grweiterung ber gemeinblichen Aechte in ber AuS* 
eftaltung ihres Steuerplans (ogl. Jahrg. VI Sp. 345), fpejialifirte 
er Eintrag beS rheinifeben bentrumSabgeorbneten 9RieS biefe 3?or* 
berung. feäbrenb bisher nämlich für jebes Prozent ber ftaatlidb 
oeranfchlagten Slealfteuer, infofern fie 150% iiberfteigen, zwei 
^rozeut ber StaatSeinfommenfteuer erhoben werben fonnten, füllen 
fünftig ^lufwenbungen ber Genteinben, bei beiten ein überwiegenber 
SSortheil nach ber einen ober anberen ^Richtung nicht erfennbar ift, 
bureb gleiche $rozentfäfce ber SRealfteuerit unb binfotnmenfteucr* 
Zufcbläge gebeeft werben. Ter ^inanzminifter Dr. o. Miguel bc* 
[tritt ein Sebiirfniß zu biefen ^lenberungen, ausführlich ben Grunb* 
gebauten ber Kommunalfteuerrefonn barlegenb, ben man hier bur<h* 
löchern wolle. SBoIIe ber Grunbbefib ficb feiner Pflichten, entfprecbenb 
Zu ben Oiemeinbelaften beizutragen, entziehen unb ?UIeS auf bie 
^erfotialfteuern legen, fo müffe auch bie 23eoorredf)tung beS Grunb* 
unb GebäubebefifceS in ber Gemeinbeoertretung aufhören. Gine 
Kommiffion oon 14 Dtitgliebern wirb bem Antrag einen auftänbigen 
Abgang fiebern. 

Winterliche 9?olbÜ<mbSdrbetlcit in beutfebew ©titbten 1894/97. /sii 
Winter 1894/95 würben nach bem Statiftifdjeu Jahrbuch beutfdjcr 


Stabte (VIII. Jahrgang, 1898, Srcslau, Gottlieb Korn) in 14 größeren 
Stabten (Altona, 95raunfebweig, TniSburg, (Srfurt, Gffeit, 
grantfurt a. SW., Hamburg, Königsberg, ßeipzig, SRagbeburg, 
Mannheim, Strasburg, Stuttgart unb 2SieSbaben) Stothftanbs* 
arbeiten eingerichtet; im SBinter 1895/96 in acht biefer Stabte unb 1896/97 in 
95raunf<bweig, Tiiffelborf, Königsberg, Leipzig, aiu 3 , 
SRaitubeim, Stündjen, Strasburg, Stuttgart. Tie vefd)äftigung 
würbe in ben SRonateit oon Cftober bis Hpril gewährt, fie mnfafjtc in 
ber einzelnen Stabt zwei bis fünf SRonate. 9Us 2lrt ber Arbeiten ft»b 
Grb* 1111 b SKegearbeiteii, SDiauerabbriidK/ Sdjnecfdjaufeln unb Strafen* 
reinigung, Stciitfd)lagen unb $olzbacfeti angegeben. Gs fehlt hier alfo 
bie SIü(f|id)tnahiiie auf bte f<bwäcblidjcn Arbeiter unb bie Arbeiter, zu 
beren 9?eruf eine größere |)anbgefdjicfltd)feit gehört. Tiefe hat mau in 
einigen Stabten, befonbers bort, wo Vereine bie StothftanbSarbciten 
leiteten, mit leichteren Arbeiten, wie HuSlefen oon Kaffee unb Gummi, 
Strohflechten, Sdjreibarbeiten :c. (oergl. Jahrgang VII Sp. 88 ) be* 
fchäftigt. Stüdf* unb 2lfforbIohn überwiegt in ben Eingaben, Zeitlohn 
wirb äuS 3?raunfd)weig gemelbet, meiftens fehlen bie Eingaben. Jn 
grantfurt Ijat malt oerfd^iebetie Arbeitsgruppen mit oerfchiebener ^olpt* 
bemeffmtg gefchaffen (oergl. Jahrgang VI Ar. 12 ). Gine ausführliche 
Ueberftdjt über bte „AothftanbSattionen beutfeher Stabte", meuigfteits 
für 1895/96, brauten auf Grunb eigener Grfahrungen biefe 93Iättcr im 
Jahrgang V Sp. 584 bis 589. 

für bie ftübtifcheit Arbeiter tu SRannljeittt. Jtt Sftamt* 
heim haben bie ftäbtifd)en Arbeiter eine £ohnaitfbefferung in AuSfuht; 
ber 95oranfdjlag für 1899 ficht bafür 46 821 Ui oor. Auch ift eine 
neue Arbeits* unb ^ohtizahlungsorbnung aufgeftellt, aus ber wir er* 
wähnen, bah für gefepltdje geiertage ^ohit befahlt wirb uttb bah ein 
Arbeiter, ber fünf Jahre im [täbtifchen Tienft ift, in KranfheitSfäHeu auf 
brei Atoitate ben 2obtt fortgezahlt erhält. Arbeiter, bie miitbeftcits 
Zwei Jaljre im Tienft ber Stabt finb, erhalten and) £ohit währettb 
etwaiger 9Wüitäntbungen itt Aeferoe uttb Sanbtoehr, bod) werben bie 
gefeplidi oom Aetch gezahlten Vergütungen abgezogen. Vei lobesfällen 
follen ben SSittwen uttb Waifen ber Arbeiter, bie wcnigftenS zwei Jahre 
in ftäbtifchem Tiettft waren, ttodj zwei Atonate lang ber l'ohn bes oer* 
ftorbetten Gatten ober Vaters bezahlt werben. 

GaS unb Gleltrizitftt m be« Stübten. Jn ben Vororten Verlitts 
fätnpfen GaS unb Gleftmität heftig um baS Aedjt ber Vcleudjtung. 
TaS Glcltrizitätswerf Cberfpree hat neun Vororte an ihr tfeitungSnejj 
attgefdiloffeit, einzelne bauott, wie Alt = Glienicfe haben audj eleftrifdie 
Strahenbelciuhtuttg. Attbercrfcits werben neue GaSfabrifett gegriutbet 
in Aicberfdjötttücibc, Grün au tt. f. w. Jn .st öp ent cf, Ablershof 
uttb gricbrtd)!?hagcit oerhtitbmt bie ltitoorfichttgeit Verträge mit ber 
pvioateit Gasfabrif bie allgemeine Ginführung ber Gleftrizität ju Zeucht* 
itttb Kraftzwecfeit, ba öffentlidie V>ege unb^ld^e bort nicht mit frembett 
Leitungen belegt werben bürfett. — Tie Verfuche mit GaSautomateu 
in ben Verl in er ftäbtifdjen Atarft hallen toerbett fortgefeht. — Tie 
elcftrifche Vahnftrecfe Veuthen i. £.=Sd)l.—Vobref—Vorfigtoerf- Vis* 
fupih-Sabrzc ift eröffnet. — Tic ftäbtifdjeit Vehörbett oon Ai.=Glab* 
bach unb Ahetjbt haben Verträge mit einer Gleftrizitätsgcfellfdiaft 
, über ben Vau oott Glcftrizitätswerfcn uttb Kleiitbahneit genehmigt. Tie 
| crforberlichen 4 047 (MK) v ä: foücn zunt grohett Jh c ‘l burd; Anleihen aus 
I ber ^rooittz gebeeft werben. Ter $lan für bte Kleinbahnen fleht 
! mehrere Stuten tut Jiutertt bcr beibett Stabte oor, ferner Auhculinieit 
; oon Ai.=Glabbad) nad) .'oarbt unb oon Ahepbt nad) Cbenfirchett. Auf 
! ber Gritttblage biefer 2iniett foü ftch fpäter ein ganzes Acp oon Klein* 
bahnen bttrd) bett At.=Glabbad)*Ahet)btec Vezirf augliebertt. 

Tie ArbeüSfammev ber Stabt 3ürid), eine Anfang 1897 ins 2ebctt 
gerufene Sdiöpfuttg ber beruflidjett Arbciteroercinc, hat nad^träglidj für 
bas Jahr 1898 eine lltiterftübung attS ftäbtifcheit Aüttelit oon 200 grs. 
erhalten. 

Kommunale Alrbeitertoohuuugeu in Gnglanb. Ter Arbeiter* 
wohnungSauSfdhuh beS ßonboner Graffd)aftSratl;eS hat feinen 
Vericht für baS VerwaltungSjahr 1897/98 erftattet. Tie ad)t 
Komplexe für Arbeiterwohnungen ber Kommune inooloirten bis 
Gnbe Atärz 1898 Jnoeftitionen oon 309 567 £; blo& bei z^^i 
Vauten ergab fid) ein Keines Tefizit, währenb alle Arbeiterhäufer 
Zufantnten in ber VeridjtSperiobe einen Aetto*Aeinertrag oon 
1 322 £ ergaben. Tagegen ergaben fid) Verlufte oon 1 891 £ bei 
Vauten, zu beneit fid) ber Graffd)aftSratl) aus bem Grnnbc ge* 
! zwungen fah, weil fiä) feine Käufer für bie Grunbftiicfe fanben. 

Auch in englifchen ^rooinzftäbten wirb bereit feiteuS bcr 
! Gemeinben oicl für bie Vcfdjaffung billiger Arbeitenoohnungen 
geleistet. So hai einigen Tagen in Aberbeen bie Gröffuuug 
| eines neuen fommunalen Arbeiterwohnhaufes mit 252 ^ianaeru 
j unb einem Kranfenfaal ftattgefnnbeu, baS nach bern Diufter bcr 
! £onboner Aowton*.f)äufer emgeridjtet ift. Jm £>auS finben fid) 

| Sefezimmer, 33ibliotf)cf unb AefreatiouSräutne unb es ift burd)* 
toegS eleftrifd) beleuchtet. Tie Vaufoften [teilen [ich auf 10 000 £. 
Gin feparirter Sdjlafrauin für eine Aachl foftet je nad) ber >>ölje 
bcS Siocfwerfs 4, 5 ober 6 $cnce. 

Jn Sdjottlanb ift inan im Allgemeinen bezüglich fomuiiinaler 
V5ohnhäufer ben englifchen Stabten ooraus: (Glasgow hat außer 
einem JamilienhauS fiebeit Arbeiterwohnl)äufer für 2500 ^erfoneu, 



©ogtale $ra£t§. ©entralblatt für ©ogialpolUit. Nr. 21 


568 


564 


auch ßeitp unb^aislet) paben gute gürforge für 9lrbeitcrroobnungen 
getroffen, unb in ©reenocf ift man mit bent Sau oon folgen Be* 
fdpäftigt. ©nglanb pat oor anbern ©täbten namentlich 

Diandpefter fdpöne (Erfolge in „Municipal housing“ aufguroeifen. 
SJäprenb in ßonbon bie Kommunen bloß lOOOO Sßerfonen unter* 
bringen fönnen, pat bie ©emeinbe oon Dtondpefter, baS bloß ben 
neunten Dpeil ber Seoölferung ßonbonS gäplt, Unterfunft für 
24 000 jßerfonen befrf>afft unb groar nid)t bloß SSopnungen in 
großen HäuferblodS, fonbern auch ©ottage*2lnlagen, ju 5 3immer 
baS §äuSdpen, bie gu 7 sh 9 d in ber SBodje oermietpet merben. 

kommunale ^euerberfi^erung in ©nalanb. Der ©tabtratp 
oon ©unberlanb befdpäfligt fiep bergeit mit Dem Sßrojefte ber Ser* 
gemeinblidpitng ber Seueroerficfierung. ©S foK gu biefem S^edP ein 
eigener fommunaler 3 onbS gegrünbet merben; bie ©emeinbe* 
oertretung märe bent ^rojefte gufolge in ber ßage, bie Serfidpe* 
rungSprämien im Serpältniß gu ben oon ben $rioatgefettfhaften 
geforberten ©äßen bebeutenb gu rebugiren. 

Ädjtftunbentög für ©emetitbearfcetter in Nocpbale. $)er ©tabtratp 
oon Nodjbale pat befdjloffen, für bie im $)ienftc ber ©emeinbe, bie oer= 
fdjiebcnc SScrfe betreibt, ftepenben feiger ben Äcptftunbentag (in brei 
$lrbcitsfcbid)ten) eingufi'tpren. $>od) ift babci ber Sßodjeitlopn ber 
Arbeiter um ben aliquoten Speil - 3 sh. 2 d - perabgefept morben. 


Sojiolc 3ttßättfte. 

Die Sage beS beuifdjen NrbeitSmarfteS ift im ©roßgeroerbe nodp 
anpaltenb günftig. ©ine ÄuSnapme machte bie Noblen* unb ©ifen* 
inbujtrie jOberfcplefien, über bie oorübergepenb Sericpte über 
Mangel an Sefdpäftiguna einliefen. Dodp pat fiep gegen ©nbe bes 
Sanuar bas oberfdplefifcpe ©efdpäft mieber erpolt. SefonberS m 
begrüben ift bie in oerfdpiebenen ©egenben gu Dage tretenbe 
Sefferung im Dejrtilgcroerbe; bie Sefdpäftigung nimmt mieber gu, 
bie greife für Jertigfabrifate gieren an. Dpeilroeife pat auch baS 
Hodproaffer nach furger 3 eit großer ©cpäbigung oermeprte ÄrbeitS* 
gelegenst gebraut; bie ®ac^becfer in ©übroeftbeutfcplanb paben 
baburcp plöfelid) unb unoorpergefepeit oiel Arbeit befommen. 
Saugeroerbe, bei Hodp*, Kanal* unb Kleinbapitbauten gebt ber Se* 
trieb Danf ber mtlben SHtterüng flott roeitcr unb madjt fiep roeit* 
bin, felbft auf bie Sefdbäftigung im Saugemerbe, benterfbar. 2£ie 
mir bem „ÄrbeitSmarft" entnehmen, geigen bie ^Ibfcplußgiffern ber 
NrbeitSnacbroeiSnerroaltungen groar nodb immer einen günftigen 
©tanb beS SlrbeitSmarfteS an, aber er oert^eilt ficb nic^t gleich* 
mäßig auf fämmtlidbe ©täbte. Son 58 oergleicbbaren Daten ber 
bericptenbcn ÄrbeitSnacproeife meifen im Sergleid) gunt Sanuar beS 
SorjapreS 36 (+ 2 auSläubifcpe) eine Abnahme unb 19 (-f- 1 
auSlänbifdper) eine 3unabme beS ÄnbrangeS auf. 

_ ©«fjliutme Sage ber Arbeiter am ©implontumtel» 2luS ber 
©d)meig mirb uns geftbrieben: ^aum bnben bie Xmtuelarbeiten 
am ©iutploit begonnen, fo fommen Klagen über bie fcblintmen 
Serbältniffe, in benen bie italienifcben Arbeiter leben. SBie bem 
in Stoilanb erfcbeinenbeu „©ecolo" gefdbrieben mirb, benufcen bie 
Unterafforbanten baS in ber SBinterägeit befonberö ftarfe Arbeite* 
an gebot, um bie Söbtte möglicbft berabgubrüdett. ©o roerbe für 
groölfftüubige Slrbeit im Skfimunt 3 ,50 JrcS. begablt. Siele 2 tr* 
beiter oerbienen aber nur 2, 30 2?rc3., alfo nicht einmal 20 9 *tp. in ber 
©tunbe. Unb bagu giebt eö folcbe mit $adf)tfdbi<bten, bie nicht 
mehr al«g 3 grc£. für gmölf ©tunben begieben. Slucb über bie 
^InöbeutunaSfucbt ber Seoölferung mirb ftarf geflagt. $)ie 
rungömittei haben ficb ftarf oertbeuert, fo bafe bie Arbeiter nichts 
erfparett fönnen. ®a^ S ctr olcum foftet baS hoppelte, baö £>olg 
mufe faft mit ©olb aufgemogen merben unb bie 2 Bobnung£mietbe 
beträgt 25 bi^ 45 im 9ßonat. Unb bie Söobnungen finb 

troßbem fcblecbt unb ungefunb, feuchte 3 intmer gu ebener ©rbe, 
ooU ©taub unb ©cbmuß, in näcbfter faäfyt ber fauche* unb 5DHft* 
gruben. 3n biefen alten Serfcblägen pferd^en fid) bie Qtaliener ein, 
4, 6 , 10, 20 3Kann in einem 3intmer, gu groeien ober breien in 
einem Sett! 

I)ie Xunnelunternel)mer mollen fid) tbeilmeife bamit ent* 
l'cbulbigen, baß man llnterfunftglofale nid)t habe erhalten fönnen, 
bis ber ©implonoertrag perfeft mar. merbe baran gebaut, 

eb en fo an ben Säbern unb ber 2£äfd)erei beim ^unneleingang. 
^ic s JJi au rer erhielten jept 4 /5( , gres. unb ber Sohn merbe noch 
weiter fteigen. Sie 3frbeitögeit überfebreite 9 bi£ 9 1 /-2 ©tunben 
nid)t- ?tad) ben Informationen ber „©uiffe" finb itibeffen bie oom 
„©ecolo^ gebrachten ©ntbüllungen feine»meg^ übertrieben. SBäbrenb 
auf italicnifdjcr ©eite alle Maßregeln getroffen mürben, bae« 
2Sol)lbefiubcn ber Arbeiter uad) Kräften gu fidjern, füll eö in Srig 


auf febmeigedfeber ©eite roirflid) fe^r fcblimm fielen, "^ür Unter* 
funftSräume ift fepr ungenügenb geforgt, für bie gablreicben ?lr* 
beiter ift nur ein 9lrgt angeftellt, unb ber mobnt nid)t einmal bort. 
Sie ßobnoerbältniffe finb noch fdblimmer, als bargeftellt morben. 
9lucb bie §luSbeutungSfucbt ber Seoölferitng mirb betätigt. 

Siefe Nachrichten finb um fo auffaÜenber, als oor Bürgern 
noch gerühmt mürbe, baß bie oon ber Sunnelbaugefettfdjaft für 
baS Söobl ber Arbeiter getroffenen ©innebtungen gerabegu tnnfter* 
ültij feien. S3ir gmeifeln nicht baran, baß bie Sel)örben, falls 
ie Klagen berechtigt finb, auf s ?lbt)ülfe bringen merben. Stittler* 
meile bat in ©enf bereits eine Serfammlung ber Sorftänbe ber 
italienifcben Sereine unb italienifcben Qournaliften auf Anregung 
beS italienifcben Slonfuls ftattgefunben unb befdbloffen, in lieber* 
einftimmung mit ber Negierung oon SkUiS unb ben Sunuclbau* 
Unternehmern Drittel gur Serbefferung ber Sage ber Arbeiter am 
©implontunnel aitguftreben unb gmar burdb ©Raffung oon Si'ob* 
nungen unb billigen {Quartieren, ^onfumgefeUfcbaften u. f. m. Sin 
ber ©pipe beS ntebergefepten ftomiteS ftepen UnioerfitätSprofeffor 
Santaleoni unb ber italienifdbe £oitfuI Saffo. 

©rbebungeit über bie Sage ber Heimarbeiter in Defterreidj. 

^)er Slrbeitsbeiratb bat ficb in feiner ©ipung am 15. Nooember 
oorigen QabreS für bie ©inleitung oon ©rl)ebungen über bie Sage 
ber Heimarbeiter auSgefprocben, bie im SBege einer ©nquete unb 
groar gunäcbft für bie Kleiber* unb föäfcbe!oufe!tion burebgufübren 
mären. 2>er gur Sorbereitung ber ©nquete eingefepte SlnSfdbuß 
trat am 16. Februar im Slrbeitsftatiftifcbeu Slmte gur erften fon* 
ftituirenben ©ipuna gufammen unb roät)lte bi er ^ e i Vr. Hainifd) 
gurn Dbmanne. ©obanu mürben bie oon bem Sorftänbe bes 
5lrbeitsftatiftifcben 9lmteS, Drinifterialratl) Dr. Dlataja, über ben 
Umfang unb Sie Slrt ber Durchführung ber ©nquete foroie über 
ben 3 e dP l! «^ Abhaltung gemad)tcn Sorf^läge in Seratbung 
gegogen. Stau fam babei gu bem ©ebluffe, baß gunäcbft burd) 
eine Umfrage bei ben §anbels* unb ©eroerbefammern bie in Se* 
tradpt fontmenben ©entren ber Kleiber* unb SSäfdpefonfeftion in 
ber Dloitarcbie feftgufteüen unb bei biefem Slulaffe oon ben Kammern 
auch Sorfcbläge in Setreff ber Seftimmung oon ©yperten aller brei 
beim SrobuftionSprogeß betbeiligten Kategorien, als Unternehmer 
(Konfeftionäre), unb Arbeiter, eingupolen mären. 

Die Öifte ber einguoernebmenbeit Serfonen mirb bann burd) ben 
SluSfcbuß felbft bie enbgiltige Raffung gu erhalten haben. Die 
ßeitung ber ©nquete, bie oorläufig nur in SJien abgebalten merben 
foH, mirb im ©inne ber ©efcbäftSorbuung bes NrbeitSbciratbeS 
bureb baS ^IrbeüSftatiftifcbe Slmt auSgeübt merben. Die ©nquete 
foH nur oon befdjränfter Deffeutlicbfeit fein unb es merben bie 
©fperten getrennt nach ben oben angeführten Kategorien oernommen 
merben. Öls 3 dtpunft, in bem bie ©nquete ftattfinben foü, mürbe 
ber Slpril biefes SapreS in NuSfidpt genommen. 

Kinberarbeit tu gonbott. 5luf Sluregung einer Deputation bes 
2lrbeiterinnert*KongreffeS beim ©rgiepungSbepartement pat baS Son* 
boner ©dpulamt burdp bie ßeprer feiner ©dpulen ermitteln laffen, 
meldpe Solfsfcpiiler mepr als 19 ©tunben roöcpentlicb außerhalb 
ber ©cpule ermerbstpätig finb. 3« biefen 112 — oon inSgefammt 
485 —- ©dpulen arbeiten 1143 Kinber roödpenttidp 19 bis 29 ©tunben, 
729 Kinber 30 bis 39 ©tunben unb 285 Kinber 40 ©tunben uttb 
barüber. Son biefen finb 309 Kinber mit §auS* unb Dienft* 
botenarbeit 8309 ©tunben roöcpentlicb befepäftigt unb erhalten gu* 
fammen 21 £ 9 s S 1 l 2 d; burdpfepnittiieb fommen alfo auf ein 
Kinb 27 ©tunben unb l / 2 d bie ©tunbe. 719 Kinber tragen 
3 eitungen unb DJildp in roöcpentlicb 21 662 ©tunben aus unb er* 
palten gufammen 94 £ 1 s 10 d. Durdpfdpnittlicb leiftet alfo jebes 
Kinb 30 ©tunben, bie ©tunbe gu 1 d. — 1065 Kinber finb fiauf* 
burfdpen unb in geroerblicpen ober faufmännifdpen Setrieben be* 

B t unb gmar gufammen 31 923 ©tunben gegen 121 £ 4 s 11 d 
, alfo burcbfdpnittlidp jebeS Kinb 30 ©tunben gu 1 d ftünb* 
lidp. 69 Kinber patten fonftige Sefcpäftigungen unb groar burcp s 
fcpnittlicp modpentlicp 29 ©tunben gu IV 4 Ü. 3« einigen hätten 
fam Serpflegung pingu. ©ine Slnfdpauung uoit ben ©rgebniffeit 
gemäprt folgenbe fleine ^robe: 


Kinb 

Älter 

Arbeit 

mocpentlid) 

©tunben 

3?egap lang 

«■ s £ 

9 

Drilcpjunge 

21 

2 s 6 d 

©. 3. 

18 

©rünfram 

26 

1 s 0 d 

n. sw. 

8 

3eituugSocrfäufcr 

20 

1 s 6 d 

®. ©. 

11 

Ccljunge 

42 V* 

2 s 0 d 

e. ( 5 . 

10 

Di t(rf) junge 

84 

2 s 6 d 

fS- V- 

9 

= 

4s 

1 2 6 d 

A. 

11 

3cituugSjungc 

81 

1 s 6 d 


18 

Di i Id) junge 

51 

2 s 0 d 



565 


©ojtale $rajis* ©entralblatt für ©ojialpolitü. Wr. 21 . 


566 


©in armes 3 ehnjährigeS $irtb hat als ©eßülfe eines ©efcßäfts« 
manneS bas fcßauerliche ©efcßäft, beim AuSmeffen oon Leichnamen 
au Reifen, gegen l /2 d bie ©tunbe. Dr. Bacnamara roeift in feinem 
Bericht über biefe ©rhebungen auf bie AuSfagen ber ©<hulntänner 
bin, bie eine fernere ©efäßrbung ber Aufgaben ber ©djjule burd; 
bie Äinberarbeit erfennen laffen. ©ie armen ftinber ftnb — bie 
©cßu^eit binsugenontmeit — einen bebeuteub längeren ©heil beS 
©ageS befcßäftigt als erroacbfene Arbeiter, unb bcfonberS enigefien 
ihnen bie freien ©onntage unb ©amStag*Wachmittage. ©nergifd) 
werben für Lonbon ähnliche Beftimmungen geforbert, wie fie in 
Birmingham, Lioerpool, Brabforb, §ull, Bancßefter 
unb ©beffielb bie Beßhäftigung non Stinbern regeln. Als baS 
9Rinbefte wirb geforbert, baß Sfinber unter 14 fahren nirgenbmo 
in ber .gauptftabt oor 8 Uhr Borgens ober nach 8 Uhr AbenbS 
befchäftigt werben bürfen, biefelben gorberungen, bie aud) in 
beutfchen ©täbten neuerbingS aufgefteHt finb. 


3Ubeiterbeweguttg. 


©ie Strcifbetoegung tu ©entfdjlanb hat im Sanuar lebhaft 
eingefeßt; es hat fid) bie 3 af)l ber ©treiffätte beinahe oerboppelt. 
©a 3 U fomrnt, baß ber Beberftreif in ^refelb im Sanuar feine 
größte AuSbehnung erteilt hat. ©ie 3 a hl ber ©treifenben bürfte 
2000 betragen haben, ©in Ausgleich fleht jur 3 g k »och nicht in 
AuSficht. 3m ©anjen beträgt bie 3ah* ber AuSftänbe 35 (gegen 
19 im SDe^ember); baoon fallen nach beni „ArbeitSmarft" je 6 auf 
bie Snbuftrie ber Bietalle unb ber ©dßnißftoffe, 5 auf bie Waß« 
rungSmittelgewerbe, je 4 auf bie ©ejtil« unb bie BefleibungS« 
iubuftrie, 2 auf baS Baugewerbe, 1 auf bk Snbuftrie ber ©teme 
unb ©rben unb 7 auf bie übrigen bewerbe. ©ie meiften biefer 
AuSftänbe finb inbeffen oon ziemlich geringem Umfange. Auf« 
fälligerweife ift in $mei günftel ber gäEe |>erabfeßen ber Lößne 
Urfacße ber ArbeitSeinfteEung. 

Bätferßreif in ©tyt für Berlin. ©ie Berhanblungen swifcßen 
ben Bädferinnuttgen unb ben ©efeflenauSfchüfjen finb gefcßeitert. 
©ie gmuptforberung ber ©efeEen, Slbfdjaffung oon $oft unb 
'Bohnung bei ben Wceiftern, würbe oon ben Innungen nur für bie 
oerheiratßetcn ©efeEen jugeftanben. ©ie gorberung eines Wtinimal« 
lohneS oon 21 Jf(, würbe abgelehnt, auch über bie anbermeite ©e« 
ftaltung beS ArbeitSuacßmeifeS fonntc eine ©inigung nicht erhielt 
werben. ©ie SnnungSuorftänbe, bie oon bem ©djeitern ber Ber« 
ßaublungen Wiittßeilung machen, geben zugleich bie ©rflärung ab, 
baß baS ^ublifum bem ©treif ohne Beforgniß entgegenfehen bürfe. 

Streif bon ©ifenbahn-Waugirarbeitent in ©rfurt ©ie Wangir« 
arbeiter auf bem ©üterbaßnßof 311 ©rfurt haben am 15. gebruar bie 
Arbeit niebergelegt. 3 m §>erbft oorigen SaßreS würbe bie breitheilige 
Schilt 311 je acht ©tunben eingeführt. Sefct oerlangt man oon ben 
Arbeitern wieber bie 3 woIfftünbige ©chi^t. ©ie Arbeiter finb nun 
auch erbötig, 3 wölf ©tunben gegen entfprechenbe Loß^ulage 311 
arbeiten. ©aS würbe aber abgelehnt. 3» golge beffen legte bie 
Kolonne, bie am 15. b. ÜW. Abenbs an 3 utreten hatte,' bie Arbeit 
nieber, oon ber am folgenben borgen antretenben ©d)id)t nahmen 
nur einige bie Arbeit auf. ©S wirb auch behauptet, bie 311 leiftenbe 
Arbeit ftehe mit bem gewährten Sohn in gar feinem Berljältniß; 
es würben 2,10 bis für bie ©cßidk befahlt; bafür fei bie ge* 

fährliche Arbeit, u. $1. mit Knüppeln bie rollenben Bagett aufju« 
halten, hoch 311 gering befahlt, .gnnju fomme, baß bie Arbeiter 
währenb ber ©cßicßtbauer eine regelmäßige Sßaufe nicht haben. 

©ht Arbeitcrfefrctariat in ©armfitabt wirb 31 ml 1. April oon ben 
organifirteu Arbeitern erridjtet. ©in Ausfdjitß, beftchenb au* brei ®c« 
wcrtfchaftSmitglicbern, brei 5D?itgliebern ber fo^ialbemofratifiijcii Partei, 
fowie einem 3feitgliebc ber Äreisorgnnifntion bat bie Borbereitungen fo 
weit geforbert, baß bie ©rridjtung gefiebert erfchcüit. ©ie Arbeitgeber 
werben fid) itadj ber 3 tg." finanziell betheitigeu. 

Defkrrcidjifdje Streifftatiftif für 1897. Wad) ben eben oer« 
öffentlichten amtlichen ©aten fanben in jDefterreicß im Qahre 1897 
inSgefamtnt 221 ©treifs ftatt, oon weiten 819 Betriebe mit 
54 333 Arbeitern betroffen würben. Bon leßteren ftreiften 34 835 
ober 64,ii% unb 2621 Arbeiter waren ge 3 wungen 31 t feiern. Bon 
ben ftreifenben Arbeitern nahmen 32 156 bie Arbeit wieber auf, 
2069 würben entlaffen, 610 oerließen ben Betrieb freiwillig, 
1497 Arbeiter würben ftatt ber ©ntlaffenen neu aufgenommen. 
Berglichett mit 1896 3 eigt baS 3aß* 1697 für baS gati 3 C ©iaats* 
gebiet eine Abnahme fomoljl ber An 3 aßl ber AuSftänbe wie ber 
3aljl ber betheiligten Unternehmungen unb Arbeiter, inbem 1896 
294 ©treifs in 1403 Betrieben mit 36114 ©treifenben gewählt 
worben waren. SDicfe Abnahme ift aber feineSwegS für alle Öänber 


gleichmäßig 3 U fonftatiren; fit ift 3 um Beifpiel inSbefonbere in 
^ieberöfterreich bebeutenb, währenb anbere BerwaltungSgebiete, wie 
Oberöfterreith, ^füftenlanb, umgefehrt fogar ein belangreidjeS An« 
wathfett ber AuSftanbSbewegung aufweifen. Unter ben int Sabre 
1897 oon Arbeitseinstellungen betroffenen Unternehmungen waren 
157 fabrifsntäßig unb würbe baS Baugewerbe 34 mal, bie Sn« 
buftrie in §04 unb ©ebnißmaaren unb ftautfehuf unb jene ber 
£eytilinbuftrie je 28 mal, bk 3nbuftrk in Steinen, ©rben, Xbn» 
unb ©las 27 mal unb bie Btetalloerarbeitung 26mal u.f.f. oon Aus« 
ftänben betroffen. 3b*em Beginn nadj fielen 85 ©treifs mit 
19 136 ftreifenben Arbeitern in oaS Örühialjr, 64 mit 9599 ©trek 
fenben in ben ©ommer, 38 mit 2944 AuSftänbigen in ben $>erbft 
unb 34 mit 3156 ftreifenben Arbeitern in ben Binter. £ie längfte 
Arbeitseinteilung währte 211 Sage; bie burd)fchnittliche Sauer 
eines AuSftanbeS betrug 13,2 ^age. Bon fämnttlidjen ©treifs 
waren 18 ,1 % ©ruppenftreifs, b. h- betrafen eine 3 Mjrheit oon 
Betrieben, 81, 9 0/ 0 waren auf ein ein 3 elneS Unternehmen befchränfte 
©in 3 elftreifS. 38 gälte (baS ift 17, 19 % aEer) enbeten mit ooHem 
©rfolge ber Arbeiter, 102 (b. i. 46,i 6 %) ohne ©rfolg, bei 81gätten 
(b. i. 36,65 °/o) mar ein theilweifer ©rfolg 311 oer 3 eichnen, ber fich 
in 71 gäEen (b. i. 32, 13 % aller ©treifs) auf fiohnhöße unb 
ArbeitS 3 eit be 30 g. 5245 Arbeiter, b. i. 15,08% atter AuS|täubigen, 
hatten ootlen ©rfolg, 12 611 ober 36, 2 °/p ootten Bhßerfolg, 16 979 
(b. i. 48,72 °/o) errangen einen theilweifen ©rfolg, ber fich für 
14 052 Arbeiter ober 40 , 34 % ber ©treifenben auf Lohnhöhe ober 
ArbeitS 3 eit be 3 og. 

Bon ben AuSftänben fteEen fich 143 als Angriffs« unb 55 
als AbmehrftreifS bar, ber 9teft ift in biefer Be 3 iehung unbeftimm« 
bar. BaS bie Beranlaffnng 3 um ©treif im ©in 3 elnen betrifft, fo 
war auch im Berichtsjahre bie Un 3 ufriebenhcit mit ben ßöhneit bie 
hänfigfte unb trat bei 106 AuSftänben als Btotio h^roor, 3 unächft 
famen ihr bie Un 3 ufriebenheit mit ber Arbeitsbauer in 44 unb 
bie ©ntlaffung oon Arbeitern in 27 gäEen. S)en Beranlajfungen 
entfprechenb, traten auch bie Sohnfragen unter ben gorberungen 
am meiften h er °o^i ßobnforberungen überhaupt würben 147 mal 
oon 26 504 ftreifenbeu Arbeitern gefteEt. ©er Äampf um bie 
Aufrechthaltung ber beftehenbeu ßöhne würbe 19mal oon 3 ufatnmen 
1010 anSftänbigen Arbeitern, uub swar breimal glürflid), 3 wölfmal 
erfolglos unb oiermal mit theilmeifem ©rfolge geführt, ©iuc 
©rßöhung ber ©aglöhne ober Afforbfäße würbe 123 mal oon 
25 218 AnSftänbigen, unb 3 war 19mal mit ooEem, 48mal mit 
theilmeifem unb 56 mal ohne ©rfola angeftrebt. gorberungen, bie 
ArbeitS 3 eit betreffenb, würben inSgefammt 67 mal oon 13 429 ftrei« 
fenben Arbeitern gefteEt. ©ie Aufrechthaltung ber beftehenben 
Arbeitszeit erfefjeint barunter breimal oon 221 AuSftänbigen ge« 
forbert, unb 3 war 3 weimal mit ooEftänbigem unb einmal ohne 
©rfolg, bie Berfüqung ber täglichen Arbeitszeit 52mal oon 12 162 
©treifenben, unb 3 war 11 mal mit ooEem, 13mal mit theilmeifem unb 
28 mal ohne ©rfolg. Unter ben fonftigen gorberungen treten jene 
am meiften heroor, bie gragett ber ArbeitSorbitung betreffen ober 
bie Bieberaufnahme ©ntlaffener, bie Befeüigung oon Borgefeßten 
ober ben ©cßuß ber ©treifenben gegen ©ntlaffung be 3 wecfen. ©ie 
im Bege oon AuSftänben burdjgcfeßten Lohnerhöhungen oariireit 
jwifchen 2% unb 22 3 / 4 °/ 0 . Bei ber er 3 ielten ^erabfeßung ber 
Arbeitszeit banbeite eS fich oornebmlidß um bie ©rriitgung einer 
neun« bis 3 ebnftünbigen ArbeitS 3 eit. Bon ben ftreifenben 34 835 
Arbeitern gehörten 25 644 bem männlichen unb 9191 bem weib« 
ließen ©efcbledjt an. 

©er Snbuftrie gingen im Sah** 1697 burch ©treifs etwa 
400 000 Arbeitstage oerloren unb ben Arbeitern eine Berbienft« 
fumme oon etwa 300 000 bis 500 000 fl. 34 unter 126 fperieü 
barum befragten größeren ©tabliffements fonnten ihren burch s ßro« 
buftionSauSfall, burch ©djwicrigfeiten in golge BwnalmechfelS 2 c. 
entftanbenen ©(haben burd) ©treifs 3 iffermäßig fehäßen; er mad)t 
3 ufammen etwa 386 000 ©ulben aus. 

Weben ben erwähnten ArbeitSeinfteEungen fanben 1897 :10 Aus« 
fperrungen in 11 Betrieben mit 2937 beschäftigten Arbeitern ftatt. 
©ie betrafen 1544 Arbeiter unb weifen gegen 1896 eine wefeut» 
liehe Abnahme auf, inbem in leßtereni Saßre 10 AuSfperrungeu in 
211 Betrieben mit 5445 auSgcfperrten Arbeitern gc 3 ählt würben. 

©tfctibahnerbetocgnng in granfreith* 2 luS ^aris wirb uns 
‘gefeßrieben: ©ie Wad)wirfungen beS oerunglüdteu ©treifoerfud)S ber 
fran 3 Öfif<hen ©ifenbahnarbeiter, wenigftenS ber im Syndicat national 
des travailleurs des chemins de fer eingeglieberteit, finb ftärfer, 
als man erwartete unb als ber Berwaltungsausfchuß biefe« größten 
©ewcrffchaftSoerbanbcS 3 itgebcn möchte. Auf bem lebten außer« 
orbentlkßen Kongreß (f. ,,© 03 . ^raj-iS'' b. S. ©p. 151) hatten bie 
Wiitglieber ootn ©taatScifenbahnneß fdjou eine LoSlöfuitg 00 m 



667 


©ogiale $raji§. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Ar. 21. 


568 


$auptoerbanbe angeftrebt, ba fie, aebunben an bie ©efammtheit 
ber Eifenbahnarbeiter, ber Einheit oer Aftiou wegen nid^t in ber 
Sage waren, felbftftänbig mit ber ihnen fehr entgeaentommenben 
©ireftion ber ©taat#bahnen gu oerhaubeln unb abgufd)liefeen. ©er 
aufeerorbentliche Äongrefe ftd) nicht für berechtigt, biefe Äon* 
ftitution#frage gu entfc^eiben unb oerfd)ob fie gur Regelung auf 
ben nädjften orbentlidjen Äongrefe, womit bie grage Vorläufig er* 
Icbigt fdjien. gngwifchen nimmt bie ©eceffionSbewegung unter ben 
©taatöbaljnarbeitern immer beutlid>ere formen an. E# girfulirt 
ein Aufruf unter ihnen, ber fie aufforbert, ein eigene# syndicat du 
reseau de TEtat gu bitben, welche# mit ben für jebc übrige Eifen* 
babngefettfchaft feparirt gebübeten ©pnbitaten fich in eine Sanbe#* 
föberation gufamtnenfd)liefeen fott. 3n ber Begrünbung biefer 
Vorfchläge wirb gefagt, ba& fowohl bie gu weit ge^enben Sorbe* 
rungeit be# 9fta;rimalprogrammS ooit 1893 wie bie gegenwärtige 
Verwaltung be# Syndicat national ein grofee# §inberntfe für bie 
aeringften Erfolge bereiten, ©er BerwaItungSau#fc|ufe be# National* 
fpnbifat# arbeitet in feinem Drgan, ber Tribüne de la voie ferree, 
biefen fegeffioniftifchen Bestrebungen, bie gu feinem oöttigen 3 Us 
fammenbrudj führen fönnten, mit aller Straft entgegen. Auf bem 
aufeerorbentlichen Äongrefe würbe ihm f<hon grofee SWäfeigung gur 
Pflicht gemacht. (Sr geht nun fogar fo weit, Annäherung an bie 
gwei anoeren Berbänbe non Eifenbahnbebienfteten gu fucgen, mit 
benett er bi#her ftet# im Ärieg gelegen hatte, mit bem Syndicat 
professionel des mecaniciens et Chauffeurs, in beffen Drganifation 
in golge politifdjer Aeufeerungen feine# Auffuht#rathe# (©uimbert) 
felbft Störungen ejrtftiren, uno mit ber association amicale des 
employes de cherains de fer. gebe biefer brei Vereinigungen, 
bie fchliefelich hoch ein gemeinfame# 3kl hoben, war bisher ihren 
eigenen Vtethoben unb B3egen gefolgt, ©ie Association amicale 
erwartete gu niel non bem biofeen guten ®llen ber Unternehmer* 
gefeUfchaften, beren ©unft fie burch energifcfee# Auftreten nicht oer* 
fchergen wollten. Aufeerbem erlangte biefer Verbanb, al# ber 
ältefte bei ben bisherigen guftonSoerfudhen, ftet# beit bebingung#* 
lofen Eintritt ber anberen in feine Drganifaiion. ©a# Syndicat 
professionel des mecaniciens et Chauffeurs nahm al# Korporation 
ber ho<hfkh e nben Arbeiterfategorien eine fehr partifulariftifcfee §al* 
tung an unb begehrte im guten (Sinoernehmen mit ben Eifenbahn* 
gefeUfchaften laitgfame Reformen auf bem 2Sege ber ©efefegebuug. 
©a# Syndicat national, ber fogialiftifchen Vemegung feljr nape 
ftehenb, welche bie beiben anberen Vereinigungen auSbrücflid) mife* 
billigen, repräfentirte bie eg-tremften gorberungen unb bie fcferofffte 
©aftif, non ber e# nun um ber Annäherung an bie bisherigen 
Äonfurrengfpnbifate mitten fooiel aufgugeben fdgeint. 


Ärbttterfdjut}. 


Gutachten ber Äommifftou für Arbeiterftatiftif, betreffenb bie 
Regelung ber Ar&eitSgett in ©etreibemühlcm Vrit bem in $eft 16 
ber ©rucffachett (Berpanblungen) foebeit neröffentlichten Bericht ber 
Äommiffiou ift bie ihr am 3. gutti 1892 oont Aeid)Sf angier auf¬ 
getragene Vlitwirfung bei ber Erhebung über bie ArbeitSgeit in 
ben ©etretbemüblen nunmehr gu Ettbe geführt. gaft fkben Sohre 
hat bie Erlebigttng biefer Aufgabe beanfprucht. ©ie ©chulb an 
biefer überau# langen ©auer trifft aber nid)t bie Äommiffton, 
fonbern bie Regierung, bie bie Äommiffton nur feiten einberuft, 
hätten wir ein ftänbige# AcicfeSarbeitSamt, wie e# in biefem 
Blatte mieberljolt gefordert unb jefet aud) im Reichstage beantragt 
worben ift, fo würbe eilt rafcherer Abfdjlufe fo!cf)er Erhebungen 
fehr leicht gu ergielen fein. E# würbe bann nermieben, bafe fcfeon 
im ©ommer 1893 Erhebungen über bie ArbcitSgeit in betreibe* 
tnühlen begonnen werben unb erft 4 V 2 Saljre fpäter, Enbe 1897, 
bie Vernehmung non AuSfunftSperfonen ftattgefunben hat. 

©a wir über bie eiitgelnen phafen biefer Erhebung jeweil# 
berichtet haben, fönneu wir un# heute furg auf bie VMebergabe ber 
Ergebniffe befeferänfen, gu benett ba# Gutachten ber Äommiffton 
gelangt. Eittfdjeibenb war bie Beantwortung ber grage, ob bie 
®etreibetnüfelcn gu ben Betrieben gehören, in welchen 
burd) überittäfeige ©auer ber täglichen ArbcitSgeit bie 
©cfunbfjeit ber Arbeiter gefährbet wirb, ©ie übermiegettbe 
Mehrheit ber Äommiffton war barin einig, „bafe bie in einem 
grofeeit 2 heile ber Mfelet! norfonttnenben ArbeitSgeiteit al# über* 
mäfeig aitgufeben feien unb ein Einfehreiten auf ©runb be# 
1 2Öe Abfafe 3 ber ©emerbcorbtuutg rechtfertigten." Ebenfo er* 
fanntc bie Äommiffion an, bafe bnrd) bie feftgefiettten iibermäfeigeit 
Arbeitzeiten bie Öefuubhcit ber Arbeiter gefährbet wirb. ©0 
würbe mit allen gegen eine ©timnte non ber Äomtuiffion feftgeftettt, 


„bafe bie Vorau#fefeungen für bie Anwenbbarfeit be# §. 120e 
Abfafe3 ber ©ewerbeorbnung im norlkgcnben gatte gegeben feien, 
unb bafe eine Regelung ber ArbeitSgeit angegeigt erfcfeeinc." 

SBa# nun bte ©urchführung einer folcfeeit Regelung betrifft, 
fo fchlägt bie Äommiffion nahegu mit Einftimmigteit nor: 

1. gu allen Eetretbemühlcn, bie nidjt lebiglid) SBinbmiihlcu finb, 
ift jebem Arbeiter innerhalb 24 ©tunben eine ununterbrodjenc Auhcgcit 
oem 8 ©tunben gu gewahren. 

giir ben gall, bafe gwifdjen fleinen unb gröfeereu 9?2ü^Icit unter* 
fdjteben werben füll, wäre aufeerbem gu befeimnteu: 

a) gu üblen, bie tninbeften# brei ©itlfSperfonen befdjäftigen, 
wirb bie ^)öd)[tbauer ber täglidjen Arbeit#fchid)t auf 
14 ©tunben feftgefefet. Al# §ülf#pcrfonen gelten nur (^efellcu 
unb Sehrlinge über 16 gafere. Bei wödjentlicbent ©d)icht= 
wecfefel gwifeheu Sag* unb Aadjtarbeit bürfeit bie ben Sag* 
bienft bejorgenben ©ülf#perfoneit 12 ©tunben, bic Aad)t# be* 
fd)äftigteu §uIf#perfonen 16 gufamntenhängenbe ©tunben tag* 
liefe nerwenbet werben. 

b) Ausnahmen non oorftehenben Borfdjriften ftnb an 30 ©agen 
im gahre mit ber Sfeafegabe guläfpa, bafe an biefen 2;ageu 
icbcnt ©efetten nur eine adjtftünbige Aufeegeit gewährt werben 
niufe. ©ie B>abl ber 30 ©age bleibt bem Sfteifter überlaffeu. 
Er ift oerpflidjtet, fie auf einer Äalenbertafel crfidjtlich gu 
madjen. 

2. ©ie Mbleu ftnb an beit ©onntagen, an benett ihnen ber Be* 
trieb geftattet ift, non ber Einhaltung ber Borfcferiften unter Ziffer 1 
infoweit befreit, al# bie# gur Bewirfuttg be# ©chidjtwechfelö erforber* 
lieh ift- 

3. Sange £ eu t c unter 16 gahrett bürfeit in Otetreibemühlen nur itt 
ber 3rit non 5 l /u Uhr borgen# bi# 8 72 Uhr AbettbS befchäftigt werben. 

©ie Regelung ber ArbeitSgeit im Bäcfergetocrbe. Au# ben 
Vertjanblungen ber $etition#fommiffton be# 5tteidj#tage# ift mit* 
gutheilen, bafe eine Petition ber Väcfermcifter VUttelbeutfchlanb# 
um Aufhebung be# 9Jtafimalarbeit#tage# gur Verathung gelangte. 
3n ber fehr lebhaften Verhanblung würbe h e n)orgehobeit, e# fei 
Au#fi<ht norhanbeu, bafe bie Regierung eine Aenberung eiutreten 
laffen werbe, nietteid)t burch geftfefeung einer VHttbeft*Vuhegeit. 
E# würbe befdjloffen, bem Aeich#tage norgufchlagen, bie Petition 
ber Regierung al# Vtaterial gu überweifen. — BMr wollen nicht 
unterfudhen, ob bie fachliche ©iffereng gwifchen 3Jtafimalarbeit#geit 
unb Vtinimalruhegeit fo grofe ift, wie man ftch nielfach einbilbet. 
©a# aber mufe betont werben, bafe nufet nur bie eine Vartei ber 
gntereffenten, bie ©ehiilfett, fefer lebhaft für Veibehaitung ber 
Bäcfereinerorbnung eintreten, fonbern bafe auch oon ben Vteiftern 
niele ihre Au#führbarfeit unb Aüfelid)feit gugeftehen unb bafe nor 
Allem bie unparteiifchen ©titnmen ber &emerbeauffi<ht#beamten 
häufig unb nacfjbrücflicfj fidh ber Verorbnung annehmen. Sebenfatt# 
ift gu wünfdjen, bafe bie Regierung, itad) Abfcfelufe ber im 3a9« 
befinblichcn Erhebungen, enblich einmal mit einem feften unb Haren 
Vefdjlufe biefer ewigen Agitation gegen ben Arbeiterfchufe im Väcfer* 
gewerbe entgegentntt. 

gabrifinfpeftorinnen in Englaub. ©ic äonboner gabrif* 
infpeftorin, Viife Alice ©ecbap, hat eben ihren erften Vericht für 
1898 erftattet. ©ie würbe nor ungefähr fieben Vtonaten angeftettt 
unb hat in biefer 3rit nicht weniger al# 1413 gnfpeftionen ourd)* 
geführt, ©ie fcheint jeboeb nicht blofe fleifeig, fonbern auch eitergifch 
gu fein, ba fie in 85 gälten oorhanbene Uebelftänbe felbft abftetten 
liefe, in 92 gälten bie Unternehmer oerwarnte unb 116 Angeigen 
an ben ©anität#infpeftor erftattete. 


3UbeUemrm*ntttg. #}>atbaf)eti. 


©er Entttmrf eine# 3nOaliben-Verft<herung#gefehe# im Aeich^tag. 

©ie erfte Beratung be# Entwurf# im Aeid)#tag hat mit ber 
Uebermeifuitg an eine Äoinmiffioit oon 28 VHtgliebern geenbet. 
§ier wirb bie Vegierung#oorlage einer eingehenben Befprechuug 
unb Umarbeitung untergogen werben müffeit, nachbem fie im 
Plenum oon allen Parteien al# unannehmbar in ber oorliegenben 
©eftalt begeidjnet worben ift. Aamentlid) über bie beiben grunb* 
leaenbcn Abänberung#oorfdjläge, bie Veutenftetten unb bie Venten* 
Iajt*Bertheilung gingen bie Meinungen fd>arf au#eiitauber, währenb 
bte anberweite Beregnung ber Venten wefentlichen Bebeitfen nicht 
gu begegnen fd)ien. 

Bet ber Erörterung ber totalen Ventenftelten würbe oon 
faft allen ©eiten bie Aothwenbigteit eine# einheitlichen totalen 
Unterbaue# für bie gefatnmte fogiale Verfid)erung betont. Aantent* 
lidj für bie giumltbenoerfichcritng mit ihren oon ber Peripherie 
ihre# Begicfe# weitab in ber Aefibeitg ober ber Viooingial*£>aitpt* 
ftabt liegenben Berficherung#anftalten würbe ba# Bebürfnife für 




569 


Sogtale Praxis. (Eentralblatt für Sogialpoütif. Str. 2J. 


570 


örtliche Organe allgemein anerfannt, bie mit ßiebe uub Sntereffe 
gur Sacße, foroie mit Erfahrung nnb Sacßfenntniß ausgerüstet 
als S3inbeglieb groifcßett BerficherungSanftalten unb Berficßerten 
ober fonftigen Sntereffenten eine- innigere giißlung Betber Bole 
ßerguftellen ßätten unb bamit gleichzeitig eine fcßnellere, bequemere 
unb fachgemäßere Entfcßeibung ber Stentenfacßen foroie eine ein« 
aeßenbere ^ontrole ber SKarrenoerroenbung geroäßrleiften füllten. 
3u ihren (fünften ßob außerbem ber <StaatSfefretär beS Snnern 
noch bie ßoße fogialpolitifcße Bebeutung ßeroor, bie folgen ört* 
litten Einrichtungen babureß innerooßne, baß ßier Organe ber 
StaatSoerroaltuna nicht nur, roie fonft, als Präger oon §oßeitS* 
rechten bem Bolfe gegenüberträten, fonbern fi<h biefem oon ber 
Seite ber SBoßltßätigfeit geigen roürben, roobureß bas Bertrauen 
beS SlrbeiterftanbeS gur Staatsregierung nur geroeeft unb geftärft 
roerben fönnte. 

Sticßtsbeftoroeniger oermoeßte ber Reichstag, roenn ihm auch ber 
©runbaebanfe ber oorgefeßlagenen StentenfteHen fgtnpatßifcß erfeßien, 
bie bafür im Entwurf oorgefehene gorm als annehmbar unb 
groecfentfprecßenb anguerfennen. Bor allem rourbe bemängelt, baß 
bas erforberlicße Beamtenperfonal feßon auS SRangel an bem 
nöthigen Slrbeitsftoff lebiglicß im Nebenamt bei ber Stentenftelle 
roerbe tßätig fein fönnen, baß bamit aber biefen Beßörben bas 
$>auptintereffe unb bie ooHe ScßaffenSfrenbigfeit ber Beamten oer* 
loreit gehen roerbe. 3n Sfolge beffen roürbe ihnen aueß baS 
bringenb roünfcßenSroertße SJiaß oon Erfahrung, ©efeßeSfunbc unb 
ftenntniß ber Stecßtfprecßung ebenfo fehlen, roie es jeßt häufig bei 
ben bie Borarbeiiett beforgenben Beamten ber lofalen BerroaltungS* 
behörben oernüßt roerbe. $)agu fäme bie geroaltige Äoftenlaft, bie 
biefe örtlichen Organe oerurfaeßen roürben, ohne baß eigentlich eine 
bringenbe Stotßroenbigfeit für ihre (Errichtung befteße. 

ES ift nicßt su oerfennen, baß gegenüber biefen (Einroänben 
bie Borgiige ber BentenfteHen in ben §intergrunb treten müffen. 
Den BerficherungSaitftalten bringen fie in ber oorgefeßlagenen ©e* 
ftalt feinen roefentlid)en Bortheil, rooßl aber, unb groar namentlich 
bureß bie entfteßenben Soften, gang erhebliche Stacßtßeile. Born 
Stanbpunfte ber BerficherungSanftalten aus roürben alfo biefe Be* 
ßörben rooßl groeifelloS abguleßuen fein. 

SlitberS aber roirb baS ilrtßeil lauten, roenn man, oon ben 
inbioibueHeit Sntereffen ber Snoalibenoerfießerung gunäcßft abfeßenb, 
mit bem Staatsfefretär beS Snnero in ben StentenfteHen ben 
feint beS Unterbaues für bie gefammte Sogialoerficßerung erblicft. 
Dann roirb man, baS weite, erftrebenSroertße 3iel ber Berfcßmelgung 
aller brei Berfid)eruncjSgroeige ins Singe neßmenb — getreu bem 
Spruch: baS Beffere ift beS lauten geinb — troß ber augcnblicflidj 
ben BerficherungSanftalten entftehenben materiellen Opfer fuß bennoeß 
gn ©unften ber örtlichen StentenfteHen — mutatis mutandis — 
auSfprecßeu müffen. 

liefen Stanbpunft roirb man um fo mehr eingunehmen haben, 
je flarer fieß bie Erfenntniß Baßn brießt, baß bie Bereinigung ber 
fogialpolitifdjen ©efeßqebung fidjerlicß nicßt mit einem Scßlage oer* 
mittels plÖßlicßen ErfaßeS ber befteßenben brei ©efeße bureß eine 
eirtgige f obififatiou erfolgen famt, fonbern, baß baS große Reform* 
roerf nur feßrittroeife fieß gu ooHgießen oermag. 

$5er foftenpunft, ber jeßt fo feßr als ©egengrunb in ben Borber* 
grunb geftellt roirb, fann bann toaßrlicß gegenüber bem großen 
©eficßtSpwtfte einer einheitlichen lofalen Organifation nicßt aus« 
feßlaggebenb ins ©eroießt fallen. biefem Sinne gab aueß ber 
Bertreter ber fogialbemofraiifcßen Bartei, roeltß’ leßtere tn fo matteßer 
OrganifationSfrage uns boeß gum Borbilb bienen foKte, fein Urtßeil 
gu ©unften ber StentenfteHen ab, bie, roenn fie ben Berficßerten 
gum Bortßeile gereichten, rußig ein paar SRillionen foften fönnten. 

§ält man nun aus ben angebeuteten ©eficßtSpunften bie (Ein* 
rießtung lofaler Stellen für geboten, fo ßanbelt es fieß bann nur 
noeß barum, für fie eine gutreffenbe gorm gu finben, bureß bic 
einerfeits feßon bie augenblicfließen Bortßeile ber (Einrichtung er* 
ßößt roerben, roäßrenb anbererfeits erßebließe SJteßrfoften nicßt ent* 
fteßen bürfen. danach roürbe oielleicßt etroa folgenbe Organifation 
ber StentenfteHen fieß als bureßfüßrbar unb groecfentfprecßenb er* 
roeifen fönnen: D>ie Stellen befteßen aus etnem ftänbigen Bor* 
fißeitben unb minbeftenS je oier gu gleichen Dßeifen aus Slrbeit* 
gebern unb Arbeitern geroäßlteu Beifißern, foroie einem Renten* 
feßreiber. tiefer leßtere ßat bie im §. 51a beS (EntrourfS bc* 
geießneteu Aufgaben ((Entgegennahme, Borbereitung ber Aufträge 
u. f. ro.) gu erfüllen. Stad) Slbfdfjluß ber erforberlicßen Ermittelungen 
ßat er bie ißm gtoeifelsfrei unb feiner roeiteren Ergängung be* 
bürftig erfdjeinenben SRentenanträge begro. «Entgießungen mit einer 
gutacßtlüßen Äußerung bem Borftanb ber BerficßerungSanftalt gur 
Befcßlußfaffung gu überfenbeu. Bei ^eutenfaeßen, in benen ißm i 


roegen groeifelßafter bie Berftärfung feines ©utadjtcns burd; 

ßaien roünfcßenSroerth erfeßeint, ift er befugt, nötigenfalls unter 
Borlabung beS RentenfucßerS ober anberer gur Slufflärung beS 
Sacßoerßalts geeigneter B er f°aen bie Beiftßer ßerangugießen. 3n 
biefem Salle ßat er jebotß bie ©rünbe, bureß roelcße bie 3 w 3 i e &wng 
bebingt roorben, aftenfunbig gu macßeti. Erfeßeint troß biefer um* 
faffenben Borbereitung bem Borftanb bie Entfcßeibung an Ort 
unb Stelle geboten, fo ift er berechtigt, eins feiner beamteten Bfit* 
glieber als Borftßenben ber SRentenftelle ßinauSgufcßicfen unb fo 
bureß bie leßtere bie Entfcßeibung gu beroirfen. 

tiefer Borfcßlag bietet einmal ben Bortßeil, baß er bie 3ln* 
ftellnng oon Beamten im Hauptamt (Bentenfcßreiber) ermöglicht, unb 
bamit eine Beßörbe feßafft, bie oertraut mit bem ©efeß unb beffen 
Slnroenbung als Organ ber Slnftalt 3ebermann über BerficßerungS* 
anaelegenßeiten genügenbe SluSfunft gu geben oermag, ferner etne 
fachgemäße Borbereitung unb gutreffenbe Entfcßeibung ber Stenten* 
fachen geroäßrleiftet, unb gleichzeitig bem Slnftaltsoorftanbe gur 
Stnftellung oon Erhebungen an Ort unb Stelle roertßoolle ®ienfte 
Ieiften fann. ®er groeite Bortßeil ber fo geftalteten Stenteuftellen 
liegt in ber ©eringfügigfeü ißrer Soften, ba bie in 3ufunft 
braußen oorguneßmenben Ermittelungen ber BerficßerungSanftalt 
als folcßer erfpart unb fo bei ißr Slrbeitsfräfte entbehrlich 
roerben. Slber aueß in benjenigen Begirfen, roo, begünftigt burd) 
bie ©ießtigfeit ber Beoölferung ober bie BerufSbeamten*Cjualität 
ber unteren BerroaltungSorgane (rßeinifeße Sanbbürgermeifter, 
roeftpßälifcße Slmtmänner 2 c.) biefe Ermittelungen feßon jeßt in 
auSreicßenber unb befriebigenber SBeife erfolgt finb, roerben biefe 
örtlicßen Stellen bett BerficherungSanftalten, Deren eigene Organe 
fie ftnb, manchen Stußen bringen fönnen. 

2)er oielleicßt gegen biefe Organifation gu erßebenbe Ein* 
roanb, bie Befugniß ber örtlicßen StentenfteHe gum Erlaß oon Ent* 
feßeibungen fönne bagu füßren, baß nur roegen einer einzigen Stenten* 
fatße bie Steife beS als Borfißenber fungirenben BorftanbSmitgliebeS 
notßroenbig roerbe, müßte bann aueß für bie jeßigen ScßiebSgericßte 
gelten, gu bereit Terminen BorftanbSmitglieber roegen ^ntereffe nur 
an einem eingigen BerßanblungSgegenftanb aueß feßon jeßt gu er* 
feßeinen bereeßttgt finb.*) 

^ie gegen Die ßaftenoertßeilung beS EntrourfS geltenb ae* 
maeßten Bebenfeu, baß barin eine BermögenSfonfiSfation ber oe* 
mittelten 91nftalten enthalten fei, foltte bod) nicht länger meßr auf* 
reeßt erßalteu roerben, nad)bem felbft bie berufenen Sutereffenoertreter 
ber Slnftalten auf ißrer fürglicß abgeßaltenen ^onfereng in Eifenacß 
biefer StecßtSauffaffung nicßt beigetreten fuib. ®amit aber biirfte 
audß für bie oorgefcßlagene 5lrt ber Bertßeilung ber Stentenlaft 
ein gangbarer 2Beg unfeßroer gu finben fein, fobalb man fieß oer* 
egenroärtigt, baß bie SluSgleitßSfrage unter allen Umftänben jeßt 
er £öfung bebarf. 


Beroegmtg für bie SHterSberforguttg tu Snglanb« s Bcnn oor 
einiger 3eit iro Reichstag oom BunbeSratßStifcße aus bemerft rourbe, 
baS B r ojeft einer SllterSoerficßerung fei fang* unb flangloS fatten 
elaffeti, fo entfprießt bieS nicßt ben £ßatfacßen. Stießt nur, baß 
ie Bewegung in allen fogialreformerifd) gefmnten Greifen immer 
ftärfer roirb, baß aueß roeit oerbreitete Leitungen, roie baS arbeiter* 
freunblicße „Daily Chronicle“ mit großer Energie bafür roirfen — 
aueß im B a *foment ßat jüngft bie liberale Oppofition ttacßbriicflicß 
bie Stegierung an ißre Berßeißung gemaßnt. S^ßt roirb beim and) 
gemelbet, baß es bem SJtinifter Eßamberlain gelungen fei, bie Qu* 
fiimmung feiner Kollegen im fabinet für biefen feinen fogial* 
politifdjen SieblingSplait gu gerointten. Es fott ein SllterSoer* 
ficßerungSgefeß bie große Borlage ber näcßften Seffton roerben, nnb 
groar liegt es in ber Stbficßt, bie ©emeinben gu ben Soften heran* 
gugießen. — Scßott jeßt ift ans bem §anfe eine SUterSoerforgnngS* 
biß eingebradjt, bie groar feine Slnsficßt auf Slnnaßme ßat, aber 
bod) bagu beiträgt, bas 3»tereffe an ber Jyrage roacßgnßalten. 


^theit^nodjmcisf. 

^er ^IrbeitSmiißroeiS für Scßauerleute in Hamburg. Slns 
Hamburg roirb uns oont 18. bS. SR. gefeßrieben: „in au Senator 
O’Sroalb, B r äM ^ cr Deputation für £anbel nnb Sd)iffahrt, feiteuo 


*) $lnö 3 ,lJC dmäßigfeitsgnmbcn roürbe es fieß otc(leid)l cmpiclileii, 
I ben Stcnteufd)rcibcr begiigltdj feiner äußeren Tieniipfltditen u\mie-- 
ßaltung ber Burcauftunbcn, Rührung ber Biidjer, Sieoifion ber ^nub- 
! faffe :c.) einer örtlicßen Muifidit lg. B. burdj ben ^luitSriißler, ben 
1 Bürgmneiftcr, einen Stabtratb, Spegialfommiffar) gu uuterroerfen. 



571 


©ojtale pra|i3. ßentralblatt für ©ostalpolüif. Ar. 21. 


572 


bcr Schauerleute gefteHte Antrag, bie AfeinungSoerfchiebenheiten 
^imfcfjcn ben Stauern unb ben Schau erleiden in Skgug auf dtn* 
rid)tung beS ArbeitSnachmeifeS wenn möglidj gu einem gütlichen 
Huögleidö S u bringen, ift angenommen roorben, unb bic crfte'Sipung 
fjat am 16. gebruar in Anroefenheit oon Vertretern beiber Parteien 
ftattgefunben. Sie oerlief ebenfo roie bie am folgenben Dage 
gan^ refultatlos, infofern bie Stauer, geftüpt burdb ben Arbeitgeber* 
oerbanb, an bem oeröffentlidbten Statut feftljalten gu rooüen er* 
flärten unb nur bie 3 rijt für Abbolen oon Arbeitsorten um ad)t 
Tage oerlängerten, oorauSgefcpt, baß in ber Verfamtnlung beS 
VerbaitbeS ber Schauerleute am 19. Februar befd)loffen mürbe, 
feinen allgemeinen AuSftanb gu proflamiren. Sei ber befannten 
Hartnätfigfeit bcS ^amburgifdjen ArbeitgeberoerbaubeS mar an 
folgern Ürgebuiß roofjl faunt auf Seiten ber Arbeiter gegroeifelt, 
tuenn oielleicbt aud) einzelne im ^inblicf auf bie AuSftchtSlofigteit 
bes Streifs gehofft paben mögen, baß ber präfibireube Senator 
ein Mittel jur Serftänbigung auSfinbig machen fönnte; oon Seiten 
bcr ftreitenben Parteien mar fein Vorfcßlag beS (EntgcgenfommenS 
gu ermarten. ©ir mieberholen, baß bie Arbeitsniederlegung ber 
organifirten Schauerleute ftcher oon EDcißerfolg begleitet märe, ba 
es 3 . 3t. im §afen fehr an Arbeit fehlt unb nicht mehr als 1800 
ftänbige Schauerleute neben höchftenS 1200 Hilfsarbeitern gebraust 
merben. So fdjroer ben Rührern ber Drganifation aud) bie An* 
nähme bes ArbeitSnad)roeifeS fallen laffert muß, oon beffen Ser* 
maltung fie auf abfehbare 3 e ^ auSgefchloffen bleiben, fo fönnte 
hoch feiner oon ihnen im $inbli(f auf bie allgemeine Sage unb 
ber Mangel an Mitteln gur Unterftüpnng ber Arbeitslohn Die Se* 
fdjließuitg eines Streifs anempfehlen. ©enit fich jept bie Schauer* 
ieute bem Statut beS ArbeitSnachmeifeS unter Atterfeitnung feiner 
meifellofen Serhinberung bieder geübter Mißbräuche unterroerfen, 
0 fönnen fie in einigen fahren ihre Drganifation genügend 
fräftigen, um bem fapitalmächtigen Arbeitgeberoerbanb entgegen* 
gutreten, roährenb fyutt ©iberftanb gur Lähmung ber ganzen 
Drganifation führen muß." 

Des ©eiteren mirb uns aus gemerffd»aftlic^en Greifen Hamburgs 
ooni 20. b. Mts. gefchrieben: „Der „ArbeitSuachroeiS für Stauerei* 
betriebe" mürbe am geftrigen Sonntag in einer ftarf befugten Ser* 
fammlung ber Schauerleute in namentlicher Abftimmung an* 
crfaitnt. @S ftimmten bafür 532, bagegen 259. Die in ber 
Serfammlung anroefenben Kohlen arbeiter mußten fich ber Ab* 
ftimmung enthalten. Das ©eroerffchaftsfartcll hatte jebe 
Hülfe bei einer eoentueltcn Arbeitseinteilung abgelehnt. 
Da bei einem Streif etma 5000 Schauerleute in Setradjt fämen, 
fo mürben bie Stiftet ber Hafenarbeiter nid)t auSreidjeit, um burd) 
einen Streif ihre ©ünfehe burdf)gufepen. Die Kopf an Kopf ftehen* 
ben Schauerleute nahmen bie Mittheilungen in büfterem Sdjmeigen 
entgegen." 

DcS ©eiteren mirb gemelbet, baß bie AnffichtS^ommiffton 
bes ArbeitSnachmeifeS ber Stauereibetriebe oon Hamburg-Altona 
burch öffentlichen Anfchlag an ben 3 l| ßängen gum (Eentral-ArbeitS* 
nachrceisbureau am SaumroaH befanittgegebeit hat, baß bie ©ahl 
ber SDelegirten für bie Sefcf)merbc*$omnuffion beS ArbeitSnadjroeifeS 
nicht, mie urfprünglid; beftimmt, am Montag, ben 20. b. Mts., 
jonbern erft am Sonntag, ben 26. ftattfinben foH. 3^hl^i(he 
Schauerleute haben fich jept auf bem Sureau gemelbet. 

ArbeitSuadjtoeife auf prettßifdfeii Sahnhöfen» Die preußifche 
(5ifeubahnbireftton oeröffentlicht im „(Eifenbahn-Aachrichtenblatl" 
folgenbe Sefanntmachung: 

„Sou brr fönigl. (Eifenbahnbircftion in Vrccdau finb auf bcu 
Vabuböfett in VrcSlau, Licgutp unb Olörlip groerfs eines fdnicßeren unb 
leidjtcrcn Ausgteidjs groifdicn Vcbarf unb Angebot oon Arbcitefräftcu 
Arbeitcmarfirocmficflcn errichtet roorben, an bie [ämmtlidjc Vefdiäftigung 
nad)[ud)enben perfonen uermirfen merben, unb beueit btc au ben ge* 
nannten Drtcu oorljanbenen Xicnftfteßcn ben Scharf au Arbeitsfräfieu 
augumclbcn unb bic oerfiigbar merbenben .Strafte behufs etmaiger ©citcr* 
beidiäftigung an anberer 3teile mitgutheilrn haben. Sa fid/ biefe (Ein* 
riditimg gut bewährt bat, empfehle idj ben übrigen fönigt. (vifeubahu* 
bireftioneu, tljunlidift ein glcidics Verfahren cingnfiibrcn. Tie tönigl. 
O'iienbabnbireftion tu Vrcslau mirb angeioiefen, ben (5ifenbabubireftioueu 
über bie Ausgeftaltuug unb ben Tiettitbetrieb ber ArbeitöiiadimeiC'ftellen 
nähere AVittlicilimg 311 madieu." 

Qit (Errichtung eines ftäbttfehen ArbeitSnachmeifeS für Stettin 
ift oon einer mit Der Sorbcrathung beauftragten Mommiffion be* 
fdjloffeit roorben. T/ie Sorfdjriftcit für (Eiuridjtuitg unb Sermaltung 
be ‘3 isiiftituts ioücu bie Aorm eines OlemeinbebefdjluffeS, nicht bie 
eines Drtsftatuts tragen, um es unabhängiger oon ben AuffichtS* 
behörbeit w gcftalteu. £Der 31 t errid^tenbe ArbeitSnachmeis erhält 
11 ad) ben Sorfd)Iagen ber itomtniffion bie Aufgabe, jmifchen Arbeit* 
gebern unb Arbeitnehmern unb 3 toar gemerbiiehett unb lanbmirth 5 


fchaftUchen Arbeitern, tagelöhnern, tienftboten unb Lehrlingen 
beiberiet ©efchledjts Arbeit ju oermitteln, nicht aber etma auch 
jmifchen ben Parteien ArbeitSoerträge abjufchliefeen. t)amit bie 
Sermaltung beS ArbeitSnadjroeifeS unparteiifd) erfolgt, mirb fie ber 
Leitung unb Aufficht eines AuSfd)uffeS oon 7 Sütgliebern unter* 
ftellt, ber auS einem Stagiftratsmitgliebe als Sorfipenben unb je 
3 Arbeitgebern unb Arbeitnehmern befteht. Son beibeit lepteren 
Kategorien merben je 2 oon ben Seifipern beS ®eroerbegerichtS, je 
1 oon ber Stabtoerorbneten*Serfammlung auf brei 3ah^ e gemahlt. 
t)er AuSfd^up erhält bie Stellung, Scd)te unb Pflichten einer ftäb* 
tifchen Deputation (§ 59 ber Stäbte*Drbnung), ftel)t alfo unter 
Aufftdjt beS ÜWagiftratS. Die ©efchäftc beS ArbeitSnachmeifeS 
merben burch Bcfolbete Serfoneu beforgt, bie ootn Sfagiftrat nach 
Anhörung bes AuSfchuffeS angefteUt meroeit. Die ArbeitSoenuittelung 
erfolgt gebührenfrei, jeboch müffen $ortofoften unb fonftige baarc 
Auslagen erfept merben. Die Kofien für bic gange (linrid)tung 
merben alfo ber Stabt gur Laft fallen unb finb auf 6—8000 ÜKarf 
gefchäpt. __ 


BJdlj!föl)rt?clnrirl|timgeii. 


©ohlfahttSp^ege auf bem £<ntbe. Xcr AuSfdjuft bes Scrcius hielt 
am 15. Februar in Serliit unter bem Sorftp bes SRinifteriaNXireftors 
Dr. Xl)tel feine britte Hauptocrfanunlung ab. Xent ^ahreSberidit 311 = 
folge umfapt ber Ausfdmfi 3 . 3t- 532 (finjclmitglieber unb 79 Körper* 
fchaften. ^sm Dfteu ber Dionardiie ift eine rege Ipätig'cit entfaltet 
morbeit. Xer Seridjt tonnte im Sefonbereu htitmeifen auf bic Unter* 
ftüpung bcr (Errichtung oon Solfsbüdicrcteu, auf bie ©rüitbuug oon 
Sdjulfparfaffen, auf bie Aörberuug bes CbftbaucS u. bgl. Liiernrifdi 
ift ber Ausfchuf} lehr crfpricf>lidi tl)ätig gemefen. Xie „Kleine Xorf* 
3 citung" hat baS fünfte Taufeub ihrer Auflage übcrfchritten. 3^ ,ci hcr= 
oorrageitbcu Aufgaben bes Programms fönnte mau im lepten 3«hre 
nähertreten: ber ^örberttng ber inneren Kolonifation unb ber Gin* 
mirfuttg auf bas länbliche Sdmlmcfeu. 3 111 ’ Sörberung ber erften Auf* 
gäbe mirb fich fdjoit in ben naepften Tagen eine befoitbcre Öcfellfd)aft 
mit befdjränttcr Haftung fouftituiren. Olcgcnftanb bcS Unternehmens 
foll bic Sdiaffuug gefunber Xörfer fein. Sö?an miß oor Allem bas 
auSbeuterifd)c Sermittelungsmcfeu bei ^nrgrUirung unb iierfäufeu oon 
Lanbgiiteru befeitigen. Xie Olefdjäftsftclle bcr 61efeßfd)aft foll gugleidj 
eine Ausfuuftsfteßc merben. Xie (iinmirfung auf bas länbliche Sd)Ul= 
mefen foll in ber Aidjtimg erfolgen, baß beim lluterridit mehr auf bie 
länblidjeu s l'crl)älnüffc Aiirffid)t genommen, bie Liehe 3111 * engeren 
Heitnath unb 3111 * Sefihaftigfcit gepflegt unb bamit 3 ugleid) bem Abgug 
00 m Laube entgegengemirft mirb. (Es folgten nunmehr eine Aeihc von 
(iingelmitthcilungeu iiber ©ohlfahrtSetnridjtungen. lieber bie im .streife 
^prip gefdjaffenen (Einrid)tungeu, Aibliothef, Aäbftuubc, Kodiftunbc, 
Unterbaltungsabcubc berichtete Aittergutsbefiper oon Schöuing*Saßcutin, 
über bas in ©iefenthal am Ahön 311 m 5DiitteIpunft ber börflirfien ©ot)l s 
faljrtSpflege gemachte ('iemcinbehaus Pfarrer (Scfar, über bie Kreis* 
mauberbiidjerei im Uuterlahufreifc unb bie Aäl)= unb Arbeitsfdiitle in 
Salbuiufteiu Laubrath Johannes in Xie 3 . Affeffor Dr. Treuter*Hallc 
befprad) bie Mängel bes gcmerblidjcu SteßenoermittelungsmefenS unb 
empfahl als Abhilfe eine Acihe oon Sermaltungsmafn'cgelu \ 31 tr ftänbigcit 
Kontrolle ber Vermittler, fomie bic Drganifation bes Arbeitsnad)mei|cs 
burdi Laubmirthfchaftsfammeru u. bcrgl. (Eitblid) bradjtc bie Tages* 
orbnuitg uod) ein Aeferat beS Xireftors 3 ^Hilöfer*Viffclhöoebc über 
(Eieroermerthuugsgeuoffeiifdjafteu :c. 

^rgiehuttgSbeirath für fchuletttfaffette ©oifen in ©erlitt. (Sine 
Kommiffion beräth 3 itr 3rit bic AuSgeftaltung einer bereits im Vor* 
jahre oeranftalteteu (Enquete über baS Lehrlingsmefcn. (ES foß eilt 
Santmelmerf gefdjaffen merben, meldjes für möglidjft oiele Verufsartcu 
Angaben über bie ba 3 u crforberlidieu förperlidjen unb iuteßcftueßcu 
(Eigcnfdiaften enthält, fomie über bie (Ehaucru, meldjc ber betreffenbe 
Veruf bietet. — Seit Atonalen bcfdjäftigt fich bie Kommiffion bes 
©eiteren cingepenb mit ber (Erörterung ber Aiage, ob unb auf melche 
©cifc bie Untcibringung ber Kräftigung bebiirfeuber Pfleglinge auf 
bem Lanbc oor (Eintritt in Xienft ober Leljrc 31 t ermögltdieu ift. 

Prämien anf ben Stnrnm^djen Hüttentoerfcn. 3» feinem Aeuu* 
fird^ener Hüttenmcrf madjt Srljr. 0 . Stumm ^olgcnbes befanut: „^sit 
A-olge ber ttod) anbaiternbeit giinftigeu Oiefdiäftslage bemißige id) aßen 
Arbeitern, melche mit bem 1. A?är$ b. 3^- miubeficiis feit einem 3af)re 
bei meiner finita in Arbeit flehen, ohne bau fie fich fdimere XU- 3 iolinar* 
ober anbere Vergehen haben 31 t Sdptlben lommen lauen unb ohne bap 
eine Künbiguug oor ber im V?äi *3 [tattfiubeuben Löhnung erfolgt fein 
mirb, folgenbe Prämien: 1 . {vür bie jugeublidjcn Arbeiter unter 19 fahren 
je 25 JJ ; 2 . für bie übrigen minberjährtgeu Arbeiter je 35 .7/; 3. für 
bie großjährigen Arbeiter je 50 Jt Xiefe Prämien fommeu uubefdiabet 
bcr für 10 * nnb 25 jährige Xienftgcit auvgefepten Wratififatioucn fomie 
ber im Dftober fälligen ('luthaben oon 5o be 3 m. 35 M mit ber Jvcbruar* 
löhuung tut Viär 3 b. 5s. 31 m Anzahlung. Xagegeu fomint bic im 
April fällige Prämie oon 5 X für gutes Verhalten in ©egfaß." — 
(ilemiß, höcifift ancrfcmiem-merth! Aber bie Arbeiter rooßen heut 3 ulage 
nidjt ©ohlthateu, fonbern Aedjtc! 




573 


Soziale $ra£i3. Eentralblatt für Sogtalpolitif. 9fr. 21. 


574 


®rjieljong nitb JBUbung. 


#«IHagSf4nfe» itt AuS ßeßrerfreifen wirb un£ ge« 

fcßrieben: Sie „ßeutenotß" auf bcm Sanbe foß befanntlicß u. A. bureß 
bie Einrichtung oon ^albtagSfcßulen gehoben werben. Bßenn biefeS 
HJlittel wirffam wäre, fo würbe {ebenfalls ber Btangel an lanbwirtß* 
fcßaftlicßen Arbeitern fließt meßr befielen, benn bie §aibtagSf<ßule 
ift in ben aKenneiften Xänblidjen ©emeitibett beS 0ftenS Siegel unb 
ber ©angtagSunterricßt fommt nur auSnaßmSweife oor. 3n ben 
meiften ßanbfcßulefl ber öftficßen ^rauinäen werben bie älteren Sdjul* 
finber im Sommer oon 6 bis 8, begw. 9 Ußr unb bie jüngeren Sfittber 
oon 9 bis 12 Ußr unterrichtet. ®iefe Scßulen finb alfo tßaifäcßlich 
fo eingerichtet, wie bie Agrarier es oerlangen. SaS ift felbft in 
folgen (Demeinben ber 0fau, in benen bie 3aßl ber ßeßrfräfte gu 
otbnungSmäßigerBefcßulung berftinber auSreicf)t. Qnoielen größeren 
ßanbgemeinben befiehl aber bie ^albtagSfcßul&aucß beSwegen, weil für 
je gwei klaffen nur eine ßeßrfraft angeftellt ift. 3n fämmtlicßen 
ßanbfcßuten SßreufjenS waren 1896 61 848 Scßülflaffen, aber-'nur 
49 531 ßeßrfräfte oorßanben; 12 317 klaffen entbehrten alfo einer 
befonberen ßeßrfraft. Es waren angeftellt: 

3n Sßeftpreußen..für 8402 klaffen 2787 ßefjrfräfte, 

.«. Braitbenburg.* 6600 * 4144 

* Komment.* 3568 * 2927 

* Bofen.» 4842 * 2887 

* Scblefien ....... » 10278 * 6947 

* Sacßfen ..« 4884 = 3830 

« ©aimooer, ber ^eintath beS bic Schule reformirenben £aitb= 
wirtßfcßaftSmttiifterS . für 6407 klaffen 4482 Seßrfräfte, 

- SBeftfalen.* 5317 * 4341 

* $effen=Baffau.= 3789 = 2874 

im Bßetnlanbe.= 8045 = 7446 

Bur in S(ßleSwig«§olftein, wo für 2739 klaffen 2655 Seßrfräfte 
oorhanben waren, entfpricßt bie 3ahl ber Schulflaffen einigermaßen ber 
Angaßl ber Seßrfräfte. 

3n gahlreichen pofenfcßen unb fcf)leftfdf>en Greifen ift bie 3<*W 
ber Schulflaffen nahegu hoppelt fo groß, als bie 3 a h^ bet Sehr* 
fräfte. Ebenfo fteht es in einer Steiße oon Greifen im BegierungS« 
begirf granffurt a. 0. 3m BeaierungSbegirf BreSlau famen 1896 
burdtfcßnittlicß auf je 100 ßeßrfräfte 166 SHaffen, im Siegnißer 
Begirf 172, im ^ofener 155, im Bromberger 143, im $ranf« 
furter 149. Sie 3aßl ^ er gweiflafftgen Schulen mit einer ßeßrfraft, 
alfo ber eigentlichen f>albtagSfcßulen hat fid) oon 1886 bis 1896 
non 5322 auf 6742 unb bie Angaßl ber breiflaffigen Schulen mit 
nur gwei ßeßrfräften in berfelben 3«t oon 2527 auf 3445 oer« 
meßrt. SSenn man babei in betracht gießt, baß eine ßanbfcßul« 
flaffe im Surcßfcßnitt 56 Äinber gäßlt, fo baß auf einen ßeßrer 
in ben §albtagsfcßulen burcßfcßnittlicß etwa 100 5finber entfallen, 
.im etngelnen Salle bis gu 160 unb 170, fo füllte man meinen, baß 
btefe Art ber unterricßtlicßen Berforgung als bas Aßernotßwenbigfte,- 
was unbebingt geleiftet werben muß, erfcßeinen würbe. 

StalfSthfitttlidje BortragSreißeit itt Berlin. 2)ie BolfShocßfcßule 
$umbolbta!abemie gu Berlin ßat Witte Januar neben ißren bisherigen 
dürfen wieberunt fecßsftünbtge B ortrag Sreißen gu ber geringen £ör« 
gebüßr oon 50 begonnen. 2)ie Borträge wollen in bie Aftronontie 
. (Sogent g. S. Arcßenßolb), bie £pgiene (Dr. $irfcß), ben 2>arwintS= 
ntuS (Brofeßor I)r. St. Scßneiber), bie inbioibueHe unb fogiale Sitten« 
leßre (Dr. 2Jt. SHein), bie 2ogif (Dr. 3R. Älein), bie BoUSwirthfcßaft 
(Dr. St. BurbinSfi), bie Berfaffung unb Berwaltung (Dr. Bt. SSitten« 
Berg), bie ©efdjidjte ber Stabt Berlin (Dr. Bt. $lein) u. f. w. einfüßren. 


(ftnverbrgetidjte. (Etnigun^ämter. Sd)ie&ggerid)te. 


AnSgeftaltung ber ©etoer&egericßte; Anträge im BeidjStage. 

Sie 7. Slommiffion ßat bie Beratßung über bie rinträge gur SluS« 
geftaltuna beS ©efeßeS über bie ©ewerbegericßte begonnen, aber 
noch nicßt beenbigt. 2Bir werben feinergeit über bas (Srgebniß 
ber Berßanblungen berichten. Sngwifcßen ift oom „Berein gfrauen^ 
woßl" in Berlin bem SteichStag eine Eingabe überreicht worben, 
bie „bie ^ßeilnaßme ber weiblichen Berufsangehörigen" fowoßl 
bei ben ©ewerbegerichten wie bei ben faufmännifcßen ScßiebS« 
gerichten oerlangt. 

(Sin ^emerbegertcht — ein Unbttta! Bor einigen Btonaten 
hatte bas Bungfauer ©ewerffcßaftsfarteu ben Btagiftrat um dr« 
ricßtung eines (DewerbegericßteS erfucßt. ?lm 25. Januar lief bann 


beim Borftanb beS (DewerffcßaftSfartellS ein Schreiben ein, baS 
nach ber „BolfSwadßt" folgenben Söortlaut ßat: 

„Stuf bie an ben gfreiSauSfcßuß unb an uns gerichteten Anträge, 
betreffenb Errichtung eines ©ewerbefchicbSgerichteS für alle Berufe inner« 
ßalb ber Stabt Bunglau, tßeilen wir ergebenft mit, baß bie oon uns 
eßörten Arbeitgeber einftimmig ein Urtheü baßin abgegeben ßaben, 
aß bie Errichtung eines @emerbefcf)iebSgerichteS für eingelne Branchen 
— wie ber 5freiSauSfchuß oorfcfjtug: für Äcramif, @laS« unb Eifen* 
inbuftrie — weber ein Bebürfniß noch Ö fl r eine Stotßwenbigfeit fei, baß 
aber bie Erridbtung eines folcßen ©ericßteS für alle in unferer Stabt 
oorßanbenen (Gewerbebetriebe, wie Sßetenten beantragen, als ein Unbing 
abguleßnen fei. Btagiftrat muß naeß eingebenber Prüfung aller Ber« 
ßältniffe biefem Urtßcil fieß anf^ließen unb Ießnt baßer bie Errichtung 
eines EemerbefcßiebSgericßteS ab." 

®aß bie Errichtung eines ©ewerbegerichteS für äße in einer 
Stabt oorßanbenen ©ewerbebetriebe nach ber Anftcht beS Bunglauer 
BiagiftratS ein „Unbing" ift, wirb ben oieten Stäbten, in benen 
©ewerbegerichte bereits fegenSreich wirfen, oon nicßt geringem 
Sntereffe fein. 

©inignngSämter unb ScßiebSgericßte in ©ngfaub* Bei ben 
Beftrebungen, bem frieblicßen Austrag oon ArbeitSftreitigfeiten einen 
breiteren Boben gu oerfeßaffen, oerbienen bie tßatfäd^Ii^ jeßt feßon 
in Englanb ftattfinbenben Berßanblungen oor EinigungSämtern 
unb ScßiebSgericßten befonbere Beachtung. ®ie neuefte Kummer 
ber amtlichen „Labour Gazette“ gäßlt oier folcßer gälle auf. Bor 
allen Gingen ift bemerfenSwertß ber Befcßluß beS EiniaungSamtS 
für bie oereinigten 2)iftrifte beS StoßlenbergbaueS. ©egenftanb 
ber Berßanblung war eine Sorberung ber Arbeiter, bie ßoßne 
füllten um 7 l /2 ü /o crßoßt werben. Am 10. gebruar würbe oon 
Unternehmern unb Arbeitgebern einftimmig befcßloffen, baß oom 
1. April b. 3- ön bie £oßne um 5% unb oom 1. Dftober 1899 
an um weitere 2 l /a% erßoßt werben füllten, aber nur für bie 
Arbeiter unter Sage. — 3n bem 9JUblanb«Amt für Eifen« unb 
Staßlinbuftrie würbe ebenfalls eine ßoßnerßößung für gewiffe 
Arbeiter in gegenfeitiger Bereinbarung, bie für ein Bierteljaßr 
Sauer haben foll, befcßloffen. — Ein Enbe Segember in ben Erg« 
bergwerfen in Egremont auSgebrocßener Streif würbe oon Unter« 
neßmern unb Arbeitern einem Scßiebsricßter gur Schlichtung über« 
tragen. Ser Spruch ging baßin, baß ber ßoßn ber Bergleute 
nicßt unter einen Surcßfcßnitt oon öy 2 SßiHing täglich finfen 
bürfe. — 3eßn Btonate ßatte ein Streif in ber SRöbeltifcßierei 
in Scßottlanb gebauert; ßauptfacßlicß ßanbelte es fitß um bie gfrage 
ber Afforb« ober 3citlößne. Bunmeßr ift gwifeßen ben Oraani« 
fationen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter ein Bergleicß geftßloffen 
worben, ber eine genaue Siegelung ber ArbeitSbebingungen entßält. 
Sen Unternehmern bleibt es überlaffen, bei ©egenftänben ber 
Btaffenfabrifation Stücf« ober 3eüioßn eingufübren. Sagegen ift 
ben Arbeitern ein Btinimatioßn gugeßeßert, anoere Beftimmungen 
betreffen Uebergeit« unb griertagSarbeit, baS Srucffpftem u. f. w. 
Enblicß ift gur Bermeibung fünftiger Streitigfeiten eine Drbnung 
friebli^er Berßanblungen oorgefeßen, wäßrenb welcßer bie Arbeit 
nicßt niebergelegt unb eine AuSfperrung nicßt ooraenommen werben 
barf. SaS Abfommen begießt fitß auf bie Blöbeltifcßlerei in faft 
allen größeren Stäbten Scßottlanbs, mit AuSnaßme oon Ebinburg, 
baS oon bem AuSftanbe nicßt betroffen war. 

©efeßentnmrf, betreffenb Einigungsämter in ©enf. Sie Be« 
ierung beS Greifes ©enf ßat einen ©efefcentwurf oeröffentlicßt, 
er bie Errichtung oon EinigungSämtem gur Schlichtung oon 
Streitigfeiten gwifd^en Arbeitern unb Unternehmern begweeft. Ser 
Entwurf beftimmt, baß jebe Bereinigung, bie gum Streif feßreiten 
will, ben Eßef bes Snbuftrie- unb §anbelsbepartements baoon 
benachrichtigen muß. Siefe fcßriftlicße Blittßeilung foß außer bem 
©egenftanb beS Streites Barne, Beruf unb BSoßnort ber Be« 
tßeiligten ober ißrer Bertreter begeteßnen unb ferner mittßeilen, 
wer bie Berfonen finb, bie bie ©ruppen oertreten, an welcße fteß 
bie betreffenbe Sorberung rießtet. Enblicß füllen barin bie oon ber 
reflamirenben ©ruppe gur güßrung ißrer Sacße oor bem ©erießts« 
ßof belegirten B^onen begeießnet werben. Sie betßeiligten Ar* 
beiter unb Unternehmer werben fobann bureß ben Beffortminifter 
eingelaben, eine EinigungSfommiffioit gu bilben, bie gufammen« 
gefeßt ift aus je 7 Bertretern ber Arbeiter unb Unternehmer, 
äornmt ßier feine Einigung gu Stanbe, fo geßt bie Sacße an bie 
„Commission centrale des prud’hommes“, eine Art ©ericßtsßof, 
welcße berechtigt fein foß, nicßt bloß bureß einen Spruch, ber nur 
moralifcße SBirfung befißt, fonbern burd; ein ooßftrecfbarcs form« 
licßeS itrtßeil ben Äonflift gu löfen. Ser Berfaffer beS Entwurfs 
ift baS fogialiftifcße SDlitglieb ber ©enfer ^antonSregierung, Sßiebaub. 


Oerantwortll^ für bte »ebattton: Dr. «rnft gtantfe in »erliit W., »aqreut^erftro&e 29. 










57ß ©vjtale $ra£i$. (SentralBIalt füt ©vjialpolitif. 9h:. 21. 576 

®ie »,$*ftaU erfdjeint an iebem ©onnerBtag unb ifi burd& alle JBudjßanblungen unb gjoftämter (^oftaeitungdnummer 7072) au bejieljen. ©et ißrei* 

für ba* Cierteljalji ift SW. 2,50. Sehe Kummet foftet 30 gJf. ©et fcnaeigettprei« ift 60 $f. füt ble bteigefpaltene Hßetit^etle. 



^uccg alle < $otttnient$&ud)f|anblungen 


3 n &< 3 iel)en: 


Ms fprituiatiiMs fit Ms ktljiliftt luttyluk 

|U Ifreibttra t. $. 


GescMcbte 

der tkrtscben Geldreform. 



»atl ^elffetltg. 


ßteif io M. 


Beiträge zur Geschichte «s 
der deutschen Geldreform. 



Öacl iiselfferfdj. 


unferent Verlage ift erfdfjteneit unb burcf) alle ©utfiljanblmtgen 
besiegen: 

Pt fjmtJmierlter 
unb Me ftreMtgenolTenrdjaften. 

Sin Beitrag juc ünndlOcrRerorgomfalion. 

Bon 91. Petgfricf), 3)oftor bet ©laatstmffenfd&aflen. 

131 ©. 80. SK. 2.—. 

3» bet gegenwärtigen Reit ber $anbwer!er»E)rgantfatton gewinnt liefe 6($rtft, 
bte oon Satbmännem recht gflnftig beurtetlt wirb, ein befonber« $ofteS Sutereffe. DaB 
„flaut ft*)* IPalbablatt" fthreibt in Sr. * oom 29. Januar 1899: 

»«ln lufjerft prafHfd)eB Ctfjrlftcljen giebt unB ein Spület bet S&pientiae tat 
gretburg t. ieitgemäfc, objeftto, tlffbut<$bad)t finb Drdbtfate, bie jebet blefem «BetMen 
geben mufe, ber eB burdjftublert hat Die ftrebttoerl)ältnlffe tnt äanbwerferftanb ftnb 
gewi| recht fchlimme; Dr. ftefebad) roetft baB ganje etngehenb nach; et geigt aber auch# 
wie biefetn SWifeftanb abgebotfen werben fantt; er ift nicht nur ftrittfer, fonbern will 
VJoftttoeB arbeiten, «erabe für 3 eit ber tfanbwerferorgantfation ift ein faldj praftiftheB 
®erf hoppelt wertooH. ffllr empfehlen beBhalb baBfeibe aufB brtngenbfte aSen ben* 
jenigen, bie tn bet ^anbwetletbetoegung arbeiten.™ 


Zur Erneuerung o 
des deutschen Bankgesetzes. 


»arl ^eifferith. 


)pzti$ 3 JB. 


Das Deutfcfye Unrtenrecbt, 

inSbefoitbere baS SleidjSgefefc vom 6.^uni 1870 über ben-UnterftüfrungS= 
roofptftö in feiner ^ebeutung für bte $rtoatli>9$(tl)fttigfcit$titret«e 
itnb =9ht?taUett. 

SNit einem Anhänge über 

hie öffentliche tlrmenpflege in ©apem. 

§erauögcgeben non einer ftoinmifftoit be£ (SßarttaSverbanbeä 
für bas fat^oltfd^e ©eutfcblanb. 

91 Seiten brofdj. in £einioanbpreffung 80 ^fg. 


SÄitte 2»ära ivirb erfeßeinen: 

Das 2lrmenreefit in (Elfaff - Cottfringen. 




Met hie Meti Ift neueren dejdjiiite. 

©oti 

Ceopolb von Hanfe. 

Itruuagegebett vast ptfreir Jouc. 

3meiter SonberabbrudE ber „Vorträge", fünfte Auflage. 

150 Seiten Stopal 8°. 9?rei3 3 Stfar! 60 $fg., in £eimvanbbanb 4 SKarl 60 ^fg. 

©er erfte Sonberabbruif btefer fltanlefdjjen Schrift ift vergriffen, ©ie ©erlagäbud)* 
ßanblung veranftaltete einen jivetten, ht größerem gormate unb jtt tuefeittUd) billigerem 
greife, ©iefe ©orträge 3tanfe3, bie er felbft al£ »eine 91f)ap[obie ber Univerfalfjiftorie" 
beaeid^nete, enthalten in ber fnappften gornt bte §auptfumme feiner SieblingStbeen unb 
feine Hnfidfjten vom 3»iötnmenl)ange ber ivicf;tigften 3Bcltbegcbenf)cttcn. 


Verlag von Gustav Fischer hi Jens. 


Soeben ersohienen: 

Conrad, Dr. J., Prof, in Halle a. S. Grund¬ 
riss zum Studium der polit» 
Oekonomie. III. Teils Finanzwissensckaft 
Ä Preis 3 Mark 50 Pf. 

Pensoldt, Dr. F., Professor an der Universität 
Erlangen. Das Medizinstudium der 
Frauen. Referat auf dem XXVI. Deutschen 
Aerztetag zu Wiesbaden. Preis 60 Pf. 

Schütze, Dr. Carl, Besitzer und ding. Arzt des 
Sanatoriums „Borlachbad“, Bad Kosen. Die 
sociale Reichsgesetzgebung und 
ihre sanitären Postulate. Vortrag, 
gehalten am 16. Januar 1899 „im Verein für 
öffentliche Gesundheitspflege“ in Hamburg. 

Preis 60 Pf. 

Simkhowitaeh, Gr. Wladimir. Die 
Feldgemeinschaft in Russland. 
Ein Beitrag zur Sociaigeschichte u. zur Kenntniss 
der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage des 
russischen Bauernstandes. Preis 10 Mark. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 

Was hat die 

Deutsche Arbeiterversicherung 


• 

T f 


im ersten Jahrzehnt 
ihrer Wirksamkeit 
für die Arbeiter ge¬ 
leistet? 


Dr« jur. R. Freund. 

100 Exemplare 10 Mk., 500 Exemplare 20 Mk., 
1000 Exemplare 30 Mk._ 


Revue d* Economie 
Politique . 

Hgg. von OauvrdSi QidOß Sch wrlodland und Vfffejr« Redactionssecretäre: 
Jay und Noachon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beanregard, 
y. Böhm-Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, lasier, v. Körösi, 
Laveleye f, Leyasseur, Loria, Madeod, Mataja, du Maronssem, Menger, y. Miaskowskl, 
Mnnro, y. PhllippoYich, Piernas, Pigeonnean f, Rabbeno f, Sanzet, Sehmoller, Walraa, 
Webb, Westergaard. — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs. 

Preis jährlich 21 Francs. 

Verlagshandlung L. Larose in Paris. 


i'oa luucfci vumit'lüt, 


On’M.iuf bet 3iUt,iv' iitteiif'elD, i'jtliti. 















VIII. f «tyrjuins. 


©erlitt, ben 2. Wat$ 1899. 


Itummer 22. 


Soziale ptayis. 

(|enfra£Maff für ^ogiafpofitiä 

mit ber SftonatSBetlage: 

Vas <5ctx>cvbc£cv\(fyt 

©rgan bes Derbattbes beutfdjer <5etr>erbegericfyte. 

9?cuc golge ber „SBlättcr für fokale BrajctS" unb beS „0o$talpolitif<hen ©entralblatts*. 

(grMeittt an jebem Smmnrflag. ^etauSgeBer: fJrelS biertdjürü^ 2 IR. 60 ff. 

IRebaltton: Berlin W., Babreutherftraße 29. Dr. (Etttjt <ftßtt(ke. ©erlag Oon Wunder & ^ntmblot, ßelpalg. 


©in beutfdjeS 9Rufeum 
Sojiale ©rartS. ©on Dr. ©rnft 

§rande, ©erlin.577 

©ie gef e ^Xic^e Sftegeluno ber 
eigarrenbauSinbuftrie. ©on 
Äöfcfchfe, ©aftor a.©. r 3Jlinben 581 
Klganeinc •oftinl* »nb SBtrtbfftnft*« 

paltttt.582 

©ationalliberalet Antrag auf 
gemeinfame Orgaulfation Pon 
Arbeitgebern unb Arbeitern 
ber ©rojjinbuftrte. 

©aS tfoalitionSrecht ber Arbeiter unb 
bie parlamentarif^en Debatten in 
©eutfcbtanb. 

©te ©inridjtung eines unteren ©ruben* 
auffichtSbienfteS in ©reufjen. 
©rbebungen übet bie Sage ber ©erg* 
arbeitet in Defteneicb. 

Fair Wage® in ^»oflanb bei SlegterungS* 
bauten. 

ftonansaalc «ofialpoliHt ... 586 

Regelung ber Söhne ftübttfcher Arbeiter 
für ©erlin unb Spanbau. 
ßebnftünbige Arbeitszeit für alle 
ftäbtifchen Arbeiter in Stuttgart. 

Sau ftäbtifdjer Arbeiterwobnungen in 
SRüntberg. 

©riPate unb fomntunale eleltrifcbe 
Beleuchtung in Bonbon, 
kommunaler QmnibuSbienft in Stoer* 
pool. 

©efunbheltSinfpeftorinnen in Sir. 
mingbam. 

S»S«aie Bttftänbe ..586 

Soziale Segleiterfcbeinungcn 
mirtbf^aftlicber SBanblungen 
in ©erlin. ©on Dr. St. ©hi*bf 
©ffenbach a. 3Jt. 

Nochmals bie tfinberarbeit in ©nglanb. 
Acbtftunbentag für bie Äohlenberg« 
teute in America. 

5Rew*2jorfer SIrbeitäftatiftif. 
Arbeitslöhne in ber inbifd^ett ©aum* 
moQinbuftrie. 

Ks*ettert>e*egmif.590 

3ur ©ötferbewegung in ©eutfcblanb. 
©er 5. ©erbanbStag ber ©au«, erb* 
unb gewerblicben^ilfSarbeiter ©eutfcb* 
lanbS. 

Aus berScbneiberbewegung in ©eutfcb* 
Ianb. 

©er AuSftanb ber ftrefelber Sammet* 
webet. 

©ie ftöbtifdjen Arbeiter in fflerlin unb 
ber üflagiftrat. 

©er ©ereiu für 4?anblung8*&ommi8 
uon 1858 in Hamburg. 


AuS bem englifdben ©augewerbe. 

©er ©ewerfberein ber Äbeffelfd^miebe 
in ©nglanb. 

Drganifation ber Arbeiterinnen in 
©ubapeft. 

«tfceiferfft»*. 593 

©eauffidbtigung ber ©ruben 
butdj ArbeiterPertr eter in 
©roßbritannien, fjranfreidj 
unb ©elgien; amtlicher Äom* 
miffionSbericbt. 

Vvbcitevberfldicmng. ©pariaffen 597 

Ablehnung beS ©ntwurfS ber 3«' 
PatibenPerficberung burcb bie ©rofi* 
inbuftrie beS SBeftend. 

Sfatlftif ber Pon ben ©erfidjerungS* 
anftalt.n übernommenen £eilbcbanb* 
lung. 

ftreie Aerztewaljl in ben ftranfenfaffen. 
UrbettSnacftioet#.598 

©er Gentraloerein für Arbeitsnachweis 
in ©erlin. 

Arbeiterwabten für ben ArbeitSnacb* 
weis ber ScbaueTleute in Hamburg 
Arbeitsnachweis in ©elgien. 

©ttieffe»f4aft*l»efc».599 

©ine SRüller* ©in* unb ©er* 
faufS * Bereinigung. Son Dr. 
St. SBiebenfelb, ©runewalb*©etlin. 
©erStbweijerifcbeöenoffenfchaftSbunb. 
Äooperatiogefellfchaften in ©elgien. 

fBohttaagStocfea.601 

©ine SöobnungSunterfuchung 
in £eibelberg. ©on 9J?aj9J?ap, 
&eibelberg. 

SOobnungSnoth in beutfdjen Stabten. 
SöobnungSpoIijei in ©üffclbotf. 

©au Pon Arbeiterwohnungen; ©er* 
ficherungSanftnlten. 

©fgfttpsng »nb ©Übung.603 

tfunfibiftorifdje SRufeen für bie 
Äleinftöbte in Defterreich. 

©in ©erfuch mit untauglichen Mitteln. 
Hamburger ©oUSfchüler im Stabt* 
theater. 

AbenbfortbilbungSfchuIen in Sonbon 
1898. 

Soziale ^Palette.606 

Sd&ulärjte in ©erlin unb ©fjarlotten« 
bürg. 

Bur Sonntagsruhe auf ben franjöfi* 
fchen ©ifenbahneu. 

Sittrrartf©* Vngetgc».606 


3nholt beS ©ewerbegerichtS 9lr. 6. 


Beilage: ,,©a& ©ctocrbcgerUht 4 ' Nr. 6. 


Abbrurf fämmtlicher Ärtllel ift 3 ei tungen unb 3 e üf^ifttn geftattet, ieboch nur 
mit Poller Quellenangabe. 


3 ttljitlL 

für 


(Ein öeutfd)e«5 Muftum für öojiale Järöf i$. 


®ic Silage, ba& in fe^r roeiten SSoIföfreifen eBenfo wie in ben 
geBitbeten Älaffen, Bei UnterneBmem raie Bei SlrBeitem ba§ richtige 
»erftanbniB für bie UrBeiteroerruBcning unb bie $IrBeiterfd)utj' 
gefefegeBung no(B in fyofym ®rabe mangle, ift mit ben 3aB ren 
iaum fcBroäcBer geworben. 0 ie ift audE) Ieiber in ben tfjatfäcf)lid)en 
SSerBältniffen oielfad) Begrünbet: Sföan roeife nidjt genug oon ben 
Seftimmungen, man fie^t nid)t genug oon i^rer 3lugfül)ruug, man 
erfährt ju roenig non i^ren ©irfungen. Unb bocB ^anbett e 8 fitB 
Bier um ©efefee, bie bie gro&e 5KeBrBeit beS ©olfes unmittelbar, 
tagtäglicB BerüBren, bie tu unfer ganzes mirtBfcBaftlicBeö unb 
fojialeS fieben tief einfcBneiben. Slufflärung unb SÖeleBruitg fönneit 
Bier SRancBe^, aber nicBt 2UIeö an bem 9iicBtmiifen ober ber ©UeicB* 
gültigfeit änbern. 9JUt eigenen Slugen feBen, mit §dnben greifen, 
tnie bie SojialgefeBgebung funftionirt, BW ^cBr unb na<BBaltiger 
al§ iebeS gefprodfene unb getriebene SBort. 

3n biefem 0inne fommt ber im SaBxc 1889 in 93erlin ab* 

f eBaltenen „®eutf<Ben ^lllaemeinen Slugftellung für Un* 
alloerBütung" eine norbilblte Sebeutung ju. §eroorgegangen 
aus einer Anregung beS beutfcBen Braugewerbes, erfreute fuB ber 
Blau ber werftBähgen ^B«lnaBme ^aifer SöilBelmS II. unb 
mancher beutfd)en dürften, ber llnterftüfcung ber Reichs* unb 
6 taatsBeBörben, nieler ©emeinben, ber weiteften Greife ber gewerb* 
licBen Unternehmer unb ber Slufmerffamfeit aller (Schichten ber 
Beoölferung. @S galt in fyftematifd)er unb umfaffenber Slnorb* 
nung eine 2luSftettung aller jener Borrichtungen 311 oerauftalten, 
bie pr BerBütung oon Unfällen in Snbuftrie unb ßanbmirthfchaft 
3 ur Berwenbung famen ober in Borfchlag gebracht würben. ^>amit 
aber würbe zugleich ein beweiSfräftigeS Bilb oon einer ber erBeblicBften 
BHrfuttgen ber beutfcBen SlrbeiteroerruherungSgefeBgebung oor* 
geführt, bie bie unoergefjliche Botfchaft $aifer feilhelmS 1 . ootn 
17. ^ooember 1881 ins ßeben rief, um mit ihr „bem Baterlanbe 
neue unb bauernbe Bürgfchaften feines inneren SriebenS unb ben 
^ülfSbebiirftigen größere 0id)erBeit unb ©rgiebigfeit beS BeiftanbeS, 
auf ben fie ^Infpruch h a Ben, gu Binterlaffen". 

®ie2lusftellung, bie unter bem Brotef torate £aifer BMI Belm S II. 
ftanb, in bem bamaligen Bräfibenten beS 9ieid)S*Berfi(herungSamteS 
Dr. Böbifer ihren dhrenoorftbenben unb in bem ©eneralbireftor 
Sticharb Sftoeficfe ben Seiter ihres ©efchäftSfomiteS hatte 7 oerlief 
glän^enb. SDer ^aifer eröffnete fte perfönlich: „B2it Sreuben Be* 

S jrüfje ich" — fo erflärte er — „auch biefen Beweis ber Be* 
trebungen, bem gewerblichen Arbeiter gegen bie in neuerer Qdt 
gefteigerten ©efahren feines Berufes erhöhte 0icherheit gu gewähren. 

. . . . 2fud) bie SluSfteHung für Unfalloerhütung unb Arbeiter* 
fchub ift eine 3 nuht biefer Beftrebungen. 0ie beweift, wie weit 
bisher bie Borfchriften im gewerblten ßeben ©eftalt gewonnen 
haben. . . . 9flöge biefe SSluSftcllung baju beitragen, aQcit be* 
iBeiligten Greifen baS jnr Slnfchauung gu bringen, was gefdjehen 
fann, um ben Arbeiter ju fchiitjen unb feine 3 ntcrc"fft'ii 311 
förbern." Unb als am 15. Oftober 1889 bie Wusftelluug ge* 
fchloffen würbe, fügte ber bie BreiSoertheilung oornebmenbe Bei’* 
treter ber SReichSregierung ben 3Bunfd) bajj bie iHiisitelluug 
















579 


©ogiale $raji§. C^cntralBIntt für ©ogialpolitif. Nr. 22. 


5SU 


bagu bettragen möge, „bie Veftrebungen gur görberung ber Unfaß* 
uerpütung roeiter gu oerbreiten unb gu fräftigen, gum ©egen ber 
beutfcpen gitbuftrie unb ber beutfcpen Arbeiter inSbefonbere, unb 
gur geftigung beS fogialen griebenS in uttferem tpeuren 
Vaterlanbe. $>aS matte (Sott!" 

©S ift nüplicp, an biefe 2Borte unb Vorgänge gu erinnern, 
um gu erfennen, roelcp anfgerorbcntlicp f)ot)er SBertp bamals in 
allen maftgebenben ©teilen fcpon einer nur geitmeiligen Aus* 
fteßung oon UufaßüerbütungS*Vorricptungen als görberung beS 
VerftäubniffeS für bie ©ogialreform beigemeffen mürbe, gn ben gu* 
näcpft betpeiligten Greifen ber Unternehmer unb Arbeitgeber pielt 
baS gntereffe nicht minber an. Auf bem 5. orbentlicpen VerufS* 
genoffeufdjaftstag, ber ©nbe guni 1891 in 3)iän<fjcn abgepalten 
mürbe, fanb ein "Antrag einftimmige Annahme, ber eine bauernbe 
grucpt jener Aufteilung ficpern foßte. ©S mürbe bort barauf oer* 
roiefen, bap im NeidjS*VerficperungSamt eine ©ammlung oon etma 
500 Lobelien unb geicpnungen beftebe, bic als dufter für Unfall* 
ocrpütung bienen fönne. ®iefe ©atnntlung mar in ihren An* 
fangen feit 1887 entftanben burdj ©cpenfungen ber ©rfittber unb 
Verfertiger folcper ©egeitftänbe unb ferner bnrcp Uebermeifung eines 
^b e ^ ber 1^89 in Verlin auSgefteßten Dbjefie. 3)er Verbanb 
ber beutfcpen VerufSgenoffenfcpaften befcplop im ©iitoernebmen mit 
bem NeicpS*VerficperungSamt, biefe ©ammlung gu übernehmen, 
meitergnfiibren unb gu ben hierfür erforberlicpen Soften beantragen. 

©ine roeitere oerbieitfilicpe Anregung in biefer Dichtung gab 
Abgeorbneter Böller, ber befamtte nationatliberale ©ropinbuftrieße, 
am 6 . gebruar 1892 im NeüpStag. (Er fpraep ben Vhmfcp auf 
bap jene ©ammlung ber Aßgemeinbeit gugänglicb gemadjt merbe. 
©S fei briitgenb notproenbig, fügte er gur Vegrünbung pingu, bap 
fortgefapren merbe, burep befonbere Vorfebrungen bie Unfälle gu 
uerbinbern. 3u biefem 3^ecfe aber ntüffe fortlaufenb aßeS Neue, 
roaS auf biefem ©ebiete gefepaffen merbe, in bie Deffentlicpfeit 
fornmen. S)aS föntte am beften in einem Niufeunt, gu bem bie 
ftbon oorpanbeiten ©ammlungen oereinigt mürben, gefaben, 
©taatsfefretär oon Voetticper ermiberte, er fepe ben Stuben ber 
(Errichtung eines folgen NhifenmS, „in bem bie gnbitftrie Kennt* 
ttip nehmen fann uon ben tneiften Vorgängen auf bem ©ebiete 
ber £>erfteßung oon UnfaßoerpütungSoorricptungen," als ungroeifel* 
baft an. ©r poffe, bafc ber SBunfcp bes Abgeorbneten XDtößer 
„in oerpältnipmäpig fnrger 3 p ü" in (Erfüllung geben merbe. gn 
ber ©ipung com 9. gebruar fant bann Abgeorbneter Noeficfe 
auf bie ©adje gurücf, mies auf bie bebeutenbe ©ammlung biefer 
Art in Defterreicp bin, bie in SSaprbeit ben bauten eines Unfaß* 
oerbütungSmnfeumS oerbiene, unb auf bie unter Aegibe beS preupi* 
fepen §anbelSminifterS begrünbetc ©entralfteße für 2BoplfaprtSein* 
rieptungett, bie ebenfaßs bie ©rünbung eines NfufeuntS im Auge 
habe. Auch ber fogialbemofratifcpe Abgeorbnete V?urm befürmortete 
bringenb bie Anlage eines folgen NhifeumS, mo Unternehmer unb 
gabrifiitfpeftoren fid) praftifcp über bie Unfaßoerpütung unterrid)ten 
föitnten. 

©S blieb auch nicht bei ber afabetnifepen Anregung, fonbern 
bie Angelegenheit ronrbe crnftlicp unter ben in Vetracpt fommenben 
amtlichen unb prioaten ©teßen in eingepenbe ©rroägitng gegogen, 
ber V^n einer ©atninlnng für Unfaßoerbütung, ©emerbeptjgiene 
unb 2£oblfabrtSeinricptunqcn nach aßen ©eiten burepgefprodjen, ein 
Vubget anfgefteßt. 3)ie Ausführung beS VrojeftS mar fo gebadjt, 
bap bic ©ammlungen bes Ncid)S*Verfi<pentngSanttS unb ber 
©entralfteße für ©oplfabrtSeinricptungcn oereint merbett foßten; 
bic Aufficbt über bicS Dtufeum foßte ber Vräfibent bcS NeidjS* 
VerficperungSamtS führen, bem ein Kuratorium, beftebenb aus je 
einem Eütitgliebe ber ©entralfteße, bes VerbaitbeS ber VerufS* 
qenoffen fepaften unb einem Arbeiteroertreter, gur ©eite flehen mürbe. 
4>er 9. orbeittlicbe VerufSgenoffenfcpaftStag genehmigte guni 1895 in 
Rangig bies Abfontmen, fomeit er betbeitigt mar, unb man burfte 
fid) ber ©rroartuug hinQ^ben, bafg bie Anftalt nunmehr balb ins 
X^cben treten mürbe, gumal ber Kofteuooranfchlag febr niebrig mar, 
nämlirf) 10 000 ,///. einmalige Ausgaben für bie (Einrichtung unb 
5000 , V. bauernbe Ausgaben jäbriid) für bie Unterhaltung beS 
iltitfeumS. Allein in lepter ©tunbe fcheitertc ber V( an an bem 
VJiberftanbe bcS ^Keichsfihapamts, baS bic ©iuftcllung ber Elßittcl 
tu ben ©tat oermcigerte. 53bic oorbanbette ©ammlung mürbe einft* 
meileu in einem 9taum bes ©rbgefd)offes bcS neuen ©ebäubcS für 
bas eid)s=Vorfirf]eriutgSamt untergebradjt, mabrenb bic ©eutral* 
fteße für VioblfabrtSeinriditungen für ihre? ©ammlungen in einem 
©tabtbabnbogen itt Vcrlin ein Aful fanb. 

Am 26. gebruar 1897 brachte Abg. SHocficfe ben V^ an a ber* 
nt als im 5)ieidjstag gur ©pradje. ©r meinte, ba bas Aeid) einen i 
©tat oon 1 V 4 EUtiüiarbcit habe, fo mürben fid) bod) aud) ttod) bie [ 


paar ^aufenb UtarE für baS füJufeum finben: „'Ittan ntuB hoch 
immer bebenfen, bafe es ficb b^r banbeit um fieben unb ©efunb* 
beit einer großen 3 a &l öon Arbeitern / 7 23enn aber nicht blofe 
ftnangieße $ücffi<hten im Reichsfdjapamt mapgebenb feien, fonberit 
auch bie Anficht \)exx\§e, baS Eßrojeft fei unpraftifcb, fo bädjten 
bie gunächft intereffirien Kreife barüber anbers: „©itt folcheS 9Jiu* 
feuttt mirb ungmeifelbaft Anregungen für meite Kteife bieten, roirb 
ungroeifelbaft Eßupen fchaffen, befonberS für biejenigen, bie bie Ve* 
triebe nadj biefer Sftidjtwtg gu übermacben ba&en." VJurbe auch 
batttalS biefem erneuten Anftop feine golge gegeben, fo geigte ftch 
hoch gmei gabre fpäter in ber Verbanblung oont 28. ganuar 1899, 
mie einntütbig ber Reichstag bem Vlane unauSgefept feine Unter* 
ftüpung leipt. Söieber mar es Abg. Sßoeficfe, ber baS 2"b^na 
anfehnitt, bei bem es fiep um eminent praftiftpe ^ßolitif battble. 
Abg. EUtöller fteßte fiep gattg auf feine ©eite: ©S beftebe nach mie 
oor gmeifelloS ein Vebürfnip, „bap man baS bei unS oorbanbenc 
Material auf biefem ©ebiete niept nur ber Aßgemeinpeit gugättglich 
maept, fonbern bap man in uttferem öanbe eine berartige ©teße 
paben foßte, in ber man bie fortlaufenben Neuerungen immer 
mieber gur Anfcpauung bringen fann." ©S fei erforberlicp, aus 
NeicpSmitteln bie Koflett aufgubringen, bie nötpig fittb, um biefett 
guten 3roed gu förbern. Abg. §ipe ootn ©entrum unterftiipte 
biefeS Verlangen nacpbrüdlicp: $ier fei ein ©ebiet frieblicper Ar* 
beit, mo auep bie Arbeitgeber ipr ooflfteS gntereffe befuttbeit toürbett. 
©S fei oon ber gröpten Vebeutung, bap Veamte ber VerufS* 
genoffenfd)aften unb ©eroerbe *gnfpeftoren ©elegcnpeit befämett, 
praftifcp biefe SDinge gu ftubiren. ©r moße biefeS fogiale ßßufeutn 
nid)t auf bie Unfaßoerbütung befepränft roiffen, fonbent es aus* 
bepnett auf baS aange ©ebiet ber geroerblicpen §pgiene im rocitefteit 
Umfange. Abg. 2Burm erflärte feinerfeits, bap auep bie Arbeiterfcpaft 
ben bringenben V^unfcp pabe, biefeS Vtitfeunt möge gu ©tanbe 
fornmen. ©ttblicp mar anep Abg. grpr. 0 . ©tutnm ber Anfid^t, 
bap ein folcpeS ßßufeutn pöcpft münf^enSroertp fei, ba bamit rnertp* 
ooße praftifdje ©rgebniffe ergielt mürben. ^)ie gabrifanten 
mürben eS für ©prenfaepe palten,. Vtobeße anfertigen unb aus* 
fteßen gu laffen. S)ie Koften mürben niept fepr poep fein, ©r 
bitte bie ©aepe ernftlicp in ©rmägung gu giepen, bie Negierung 
mürbe mit ber Verroirflicpung bes bex gnbuftrte 

uttb namentlich ben Arbeitern einen gang erpeblicpen 
S)ienft Ieiften. 2)er ©taatsfefretär bes gnttertt liep in feiner 
Antroort erfennen — menigftenS paben mir ben ©inbrtttf —, bap 
er bie ©rrieptung eines NfufeutnS feineSmegS oon ber |>anb meife. 
©r beftritt nur, bap ein toirflid) praftifeper 3 roef f mit geringem 
Koftenaufmanb erreidjt merbett fönnte, unb meinte im ©egeittpcil, 
es mürbe grope ©utnmen erforbern, „menn biefeS Vhifeum immer 
auf ber .£>öpe ber laufenben 2 ^ed)nif ftepen foß". 

®ieS ber piftorifepe Hergang. VHr paben ipn beSpalb ein* 
gepenb burep aße feine Vpofen oerfolgt, um gu geigen, mie ber 
Vlan ber ©rrieptung eines 9)fufeutnS für fogiale Sßrayie feit gepn 
gapren gerabe oon Arbeitgebern unb Unternehmern ber 
©ropinbuftrie mit ©ifer unb Veparrlidjfeit eintnütpig oerfolgt 
mirb unb mie feiner Verroirflicpung äugenfcpeinlicp nur ber Koften* 
punft entgegenftept. Vtögen bie nötpigeu Aufroenbungeit nun 
pöper ober niebriger fein, als bie oerfepiebeuett Voraufd)lägc unb 
©cpäpungen gepett, jebettfaßs ift baS ©ine fieper: ^)ie in 23etrad)t 
fontmenbe ©utnnte ift AngeficptS bcS großen NupenS, ben bie 
Vcättner ber V ra ^ § fiep oon ber Anftalt oerfprecpeit, geringfügig 
unb fie roirb unter aßen ilmftänben auep pöcpft befepeiben fiep int 
Naptnen beS NeidjSbauSbalteS aiiStiebtitett. 2)eutfd)lanb ift in ber 
Arbeiteroerfid)eruttg als leucptenbeS Veifpiel fogialer gürforge ber 
gangen Vklt oorangefepritten; es fönnte mit einem fogtalen 
EUhtfeum für Unfalloerpütuttg, Arbeiterfd^up, ©eroerbe* 
ppgiene uttb SöoblfaprtSeinricptungen auep aße ©inriep* 
titngen ähnlicher Art in anberen Sänbern, in granfreiep, Defter* 
reiep, §oßattb, überflügeln. $)er ©runbftocf für baS Ntufcum ift 
in gmei beftepeubcu ©ammlungen oorpattben; eS panbelt ftep alfo 
um bie Vefcpaffung eines paffenbett Sofales, um Drganifation, ©in* 
rieptung, Aufficpt, ©rgättgung unb Veroollftäubigung ber ©ammlung. 
©reift matt auf bie im gapre 1895 geführten Verpanblungen gurütf, fo 
märe eine Vorlage an ben Neicpstag in menigett VJocpen fertig* 
gufteßen, unb nad) ben bisherigen Kuubgebungen ber Eßarteieit, 
mürbe ein folcper ©efepentmurf, ber oießcüpt auep in ber gornt 
eines einfachen Nad) trag cs gum ©tat erfepeinen fönnte, ber fofortigeu 
Annapme fieper fein. 23ir moßeit uns ber Hoffnung ttid)t ent* 
fd)lageu, bafg ber ©taatsfefretär bes giinertt, ©raf V°ffl^omSfp, 
jept einen V^ n feiner Ausführung entgegeufüprt, bem bas 
I NeidjS=©d)apamt feinergeit ein Veto gurief. ©r mürbe fo feinen 
I Namen bauentb mit einem V3crf bes fogialen griebcuS oer* 



Soziale $rajis. Centralblatt für Sostalpolitil. Ar. 22. 


582 


binben, „baS baS Qntercffe bcr Arbeitgeber für bie 
(Sicherheit ihrer Arbeiter bof umentirt," mie bieS ber Kaifer 
1889 ber AuSftettung für llnfaüoerhütung nad)ruhmte. 

Berlin. C. grancfe. 


BU gcfcljUdje Regelung bet (Eigarrenljansinöuftm. 


3m Besirf ber 5Rinbener HaubelSfatnmer bilbet bie Cigarren* 
inbuftrie ben H a uptfabrifationSsroeig. 3« ben Greifen 9Rinben, 
ßübbecfe, £erforb bcfchäftigt fie über 25 000 Berfonen. Sie ift 
ein guter Crfaß gemorben für bie ßeineninbuftrie, bie früher in 
biefer ®egenb fehr ftar! mar, heute aber faft gans oerfchrounbeu 
ift. Urfprünglich mürben hier feit ben 80 er 3abren etroa billige 
Cigarren ^ergefteHt, unb jmar Icbiglidh int gabrifbctrieb. Der 
höhere Dabafsoll aber oom 3<*bre 1879 fongentrirte' bie §erfteüung 
billiger Cigarren mehr in Sübbeutfchlanb, mo man ben roohlfeilen 
Dabaf foßufagen oor ber Dfjür hötte. Der hier frei merbenbert 
ArbeiiSfräfte nahmen fich Hamburger unb Bremer girmen an, bie 
hier geringere fiöhne oorfanben als an ihren Sifcen. Sie behüten 
bie inbuftrie ftarf auS, (egten aber feine Kapitalien feft in neuen, 
theuren gabrifanlagen, maS sugleid) in golge ber mannigfachen 
immer non neuem auftauchenben Steuerpläne nicht gans gefahrlos 
gemefen märe. Sie führten oielmeljr ju einem großen Dheü H fl uS* 
inbuftrie ein. Die cSebäube, bie fie errichteten ober bie 3uHf<h ens: 
meifter auf eigenes Bififo hinftcliten, bienen ^um Dfjeil nur als 
Ausgabe beS Materials unb AblieferungSftelle für gabrifaie. Da 
bie Sanbmirthfchaft nicht bie gleichen ßöhne im S^hreSburchfchnitte 
jahlen fann raie bie Cigarreninbuftrie, obmohl ein geübter Cigarren* 
arbeiter burdjfdjnittlich faum täglich mehr als 2 ,/// oerbient, fo 
ift bie Nachfrage nach Befdjäftigung im Cigarrenmachen fehr ftarf 
unb bei ben geringen Betriebsfofteu unb bem ftärfer gemorbenen 
Cigarrenfonfum fann bie Aadjfrage leicht befriebigt merben. 

SRoch eins i;at bie §auSinbuftrie oermehrt, baS Berbot ber 
Befchäftigung oon Kinbcrit in gabrifen itad) bem ©efeß oom 

1. 3nni 1891. Das Abftruppen bes DabafS hält bie Crroachfenen 
ju lange auf. Sie lajfen baS s u H fl uS oon Kinbern beforgen. 
Da fie auch fonjt, mie auch bie grauen, mancherlei helfen fönneit, 
ift bie SRcigung ju ooUer §auSbefd)äftigung gemäßen. 3nt 
3nhre 1891 mürben in ben Cigarrenfabrifen ber Kreife SRinben, 
Sübbecfe, ^erforb 1496 Kinber befchäftigt, jefct feine mehr. — Auch 
oon Dberheffen höben bie ©eraerbeauffidjtsbeamten in ben 3nhreS* 
berichten oon 1895 bie gleiche Annahme ber HöuSinbuftrie beftätigt. 

Aatürlidj höt bie HöuStfjätigfeit, mie jebe £>ausinbuftrie, ihre 
großen Aachtheile. Den gabrifanten erfchmert fie bie Aufficht über 
bie richtige unb reinliche Verarbeitung ihres BtaterialS. Außerbem 
erroächft ihnen fein fo tüdjtiger Arbeiterftamm §u H Q uS, als in 
gabrifen. ©rößer ftnb bie SRachtheüe für ben Arbeiter. Cr arbeitet 
in ber Siegel in ber Söohnftube. Das Cutrippeit bcS DabafS oer* 
urfadjt oiel Staub. Das Drocfnen ber Cigarrenroicfel erforbert 
große Böärnte. Bei mangelhafter ober überhaupt nicht beftehenber 
Öüftung mirfen ber Dabafftaub unb bie AuSbünftung bes Rabats fehr 
nachtljeilig auf bie ©efunbfjeit ber Arbeiter, deshalb leiben bie 
Cigarrenarbeiter unb ihre gamilieh oielfad) an Crfranfung ber 
AthmungSorgane. Hö<hft bebenflich ift bie maffenljafte Kinber* 
befchäftigung. ÜRad) einer Umfrage beS BegierungSpräfibenteu su 
SRinben im oorigen S^hre mürben in ben genannten brei Kreifen 
2992 Knaben, 2407 Stäbchen, swfammen 5399 fd)ulpflidjtige Kinber 
befchäftigt. Dasu fontmen noch biejenigeit, bie feine 0d)ule be* 
fud)en. Selbftoerftänblich beljnt firf) bie häusliche Befchäftigung 
fehr lange aus. 

Aus biefen (Sfaünben ftreben bie Atiubencr Cigarrenfabrifanteu 
feit geraumer 3eit nach einer gefeßlichen Regelung ber HöuSinbuftrie. 
Bisher beftehen nur bunbeSrätl)lidje Borfdjriften oom 9. 3Rai 1888 
unb 8.3nli 1893 für Betriebe, in benen ein Unternehmer Berfoneu 
befdjöftigt, bie nicht sum .gauSftanb gehören. Cine Regelung ber 
gefammten CigarrenhauSiubuftrie ift nur burd) ein ÄeichSgefeb 
möglidj. ÜRun h^t fid; im Snhresbericht oon 1896 auch ber 
2Rinbener Oeroerberath für eine rcid)Sgefe(jliche Regelung erflärt. | 
Cine erneute Umfrage ber flRinbcuer §anbelsfammer hoi bei allen 
gabrifanten baS Berlangen nach reichSgefetjlicher Regelung befunbet 
unb fie barurn s« einer Petition an ben Staatsfefretär beS Snnern 
oeranlafet.*) 2>iefe ^ßelttion enthalt folgenbe gorberungen: 

*) Bereits fürs ermähnt in ber „Sozialen s $ra£iS", Sp. 444. £er 
?Jcinbeiier Petition hat fidi bie OÜcfjener ManbctSfammer für rberhepen 
angcfdiloffen, ferner bie su Hceftemiinbc. ?ludj ber Bielefelber unb > 

bainer .'oanbclsfamntcr ift fie oorgclrgt. ^er bcutfdjc ^abafocrciu hat i 
ebenfalls bcfrfiloffcn, biefer Anregung näher su treten. I 


1. Selbftftänbige Hausarbeit in ber Cigarreninbuftrie barf nur 
oon grpfüäljriöcn ^erfonen auSgcübt merben. — Hbrneidiungen (jicroon 
fönnen in 9incfftd)t auf bcfoitbere Berhältniffc oon ber unteren Bcr* 
maltungSbchörbe nach Anhörung ber Öemcrbeinfpeftion auf SBibcrruf 
geftattet merben. 

2. Berfonen mit anftedenben ober abfehredenbeu Kraulhciten bürfen 
in bcr CigarrenhauSinbuftrie nidjt bcfdiäfiigt merben. 

3. $er SlrbeitSraum muf 3 oon ben übrigen SSohnräunten getrennt 
fein. Cr mufi minbefteni 2 ! /a m hoch fein, für jebc bann befd)äftigte 
Berfon 10 cbm Luftraum enthalten unb mit einfacher Bentilations* 
oorrid)tung (2uft(lappe) oerfehen fein. 

4. Cin oom ?lrbeitsraum abgefoitberter 2:rocfenraum ift nidjt cr= 
forberlich; bagegen ift bas ^roefrten bcr 2:abafc über bem Dfen bes 
^IrbcitSraumcS nicht geftattet. (?luS Örünbcn ber Okfuubhcit mie bes 
9Raterialf<habenS.) 

5. Sie Drtspoliseibchörbe hut bie Genehmigung jur Befchäftigung 
oon ^erfonen in ber CigarrenhauSiubuftrie nad) 3Rafjgabc ber Be^ 
ftimmungen ber §§. 1—3 fchriftlirfj su ertheilen. ^)iefe Genehmigung 
ift an ber £hür bes $lrbeitsraumcs an$uheften. 9tur biefc $erfoneu 
haben bie Arbeitgeber su bcfchäftigen. 

6. $ie Crtspoliscibehörbe Ijut ein biesbesiiglidhes Berseidjnig bcr 
Gemerbcinfpcftion einsurcicheu. 

3ur Begrünbung ber gorberungen führt bie HanbelSfammer 
ad 1 an, ba^ etn Cin griff in bie perfönliche 3-reiheit bei un* 
miinbigen B cr fonen angängig unb befehedb nothmenbig fei, meil 
biefe nur Untüchtiges leifteten. SluSnahmeit foöen nur bei ©e- 
bred)lichen sugelaffen merben. 2)ie ßehr^eit beträgt bisher nur 
Sroei Sahre. SebenfaÜS märe auch eine Berlängerung biefer burd)* 
aus im Sntereffe ber Snbuftrie. ad 3 roeift bie Begrünbung bar* 
auf hm, bafj bie gorberung eines befonberen Arbeitsraumes in 
größeren Stäbten leicht einem Berbot ber HauSinbuftrie gleich 5 
fäme, mährenb auf bem Sanbe fte fich rooljl burchführeit ließe. 
SDen erfteren gaH beabfichtigt man inbeß gerabe. freilich merben 
auch auf bem £anbe faum 10 % öer Arbeiter ber gorberung eines 
eignen Arbeitsraumes genügen fönnen. 

3ur oölligen Durchführung ber Beftimtnungen roirb eine 
UebergangSseit oon fünf Suh ren Qeforbert. 

SÖir hüben uns bei ben Arbeitern erfunbigt unb gefunben, baß 
bie intelligenten Arbeiter burdjauS mit ber Denbens ber Petition 
einoerftanben ftnb. @ie miffen, baß bie HauSinbuftrie bureßaus 
bcr Drganifation unb bamit bem Auffchmungc ber Berufsarbeiter 
fcfjäblid) ift. 2Benn fie barurn auch , auf bem Sanbe cingefdjränft 
mirb, fo ift baS bem ftrebfamen Cigarrenarbeiter gans recht. 
Daß Härten babei nidjt su oermeiben ftnb, ift gans erflärlich. 3u 
hiefiger Oiegenb unb auch fonft haben oiele Cigarrenarbeiter nur 
unter bcr Bebingung bei ben Bauern Sühnung erhalten, baß fie 
ihnen in ber Crnte mit sur Hanb gehen. Da läßt fich ein Aus* 
meg finben. Bei großen Reformen geht es niemals ohne fleine 
Schrammen unb Schmarren ab. 

Die organifirten Arbeiter höben fich fogar auf ihrem H e rforber 
Kongreß am 12. gebruar mit ben gorberungen ber "Btinbener 
HanbelSfammer nidjt sufrieben erflärt, fie oerlangen bie oollftänbige 
AuSbeßnung ber bunbeSrätljlidjen Beftimmungen für gabrifen oon 
1888 unb 1893 auf bie HauSinbuftrie unb „ber Dabafarbeiter", 
baS £rgan ber 0rganifirten, ocrlangt gäusliche Befeitigung ber 
HauSinbuftrie als einer rüdftänbigen Betriebsform. Sßir hölten 
baS Borgehen ber Drganifation für su rabifal unb glauben, baß 
cs feßon ein geroaltiger Crfolg märe, menn bie HönbelSfammcr* 
forberungen nir Durchführung fönten. CS ift fehr erfreulich, baß 
hier einmal gabrifanten ben Kampf gegen bie Schöben ber HöuS* 
inbuftrie aufnehmen. Dürfen mir hoch fo erroarten, baß ihre 
0timmc um fo eher bei ber BeidjSregierung ©ehör finbet unb 
uns auf biefe BSeife hoffentlich halb in einem bebeutfanten Cr* 
raerbSsmeige bie 0teHunq bcr HöuSinbuftrie unter baS ©ctoerbe* 
gefeß unb bie ©emerbeinfpeftion befdjeert mirb. 

Biinben. Kößfdjfe. 


Mgetneine Sozial* unb BHrtljfdjoftepolitth. 

9lationaüiberaler Antrag auf gemeinfaute Drganifatiim oon 
Arbeitgebern unb Arbeitern bcr ^roßinbuftrie. 

3n einem früheren Artifel höben mir ber Begebungen ge* 
badjt, bie oon oerfchiebenen Parteien sur Cinridjtung gemeinfamer 
Drganifationen oon Arbeitgebern unb Arbeitern befürwortet merben 
(ogl. „0osiale $rajiS" 0p. 166). An erftcr 0telle fteljt im 
Reichstag mit einem herauf bezüglichen Antrag bas Cent rum, 
bcr oon ber ^Regierung bie iljunlidjft fdjnelle Ciubringmig eines 
ßlefepentmiirfeS sinn 3 111 ecf ber Crridjtinig oon Aibeilsfammerit 
miiitfdjt, um fo 



583 


Soziale PrajiS. dentralblatt für ©ojialpolitü. SRr. 22. 


584 


„ben Arbeitern ben freien unb frtcblidjen AuSbrud ihrer Wüitfche unb 
3?rfcbmcrbcn 311 ermöglichen nnb ben ©taatsbehörben (Gelegenheit 311 
geben, fid) über bic Bcrljältniffc ber Arbeiter fortlaufenb 31 t unterrichten 
unb mit ben teueren güfjlurtg ju behalten" (Faiferliche gebruar*drlaffc 
oorn 4. Februar 1890). 

$>ie nationalliberalen Abgeorbneten grhr. 0 . f>egl, SBaffer* 
mann, Dr. $affe, Dr. lieber, Wündf^gerber, (Graf 0 . Driola unb 
Prins su 6 d)önaid)*darolath haben jefct baju folgenben 3 ufafc* 
aittrag eingebracht: 

Tic oerbünbeten Regierungen 31 t erfudjen: „Sur bie pflege beS 
griebens iwifdjcn Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gefefelidjc Bcftimmungen 
über bie formen in AuSftdjt 3 U nehmen, in benen Arbeiter burd) Ber* 
tretcr, welche ihr Vertrauen befipen, an ber Regelung gemeinfamer 
Angelegenheiten betheiligt unb 31 er Sahmehmung ihrer Jntcreffen bei 
Berbanblung mit ben Arbeitgebern unb mit ben Drganen ber Regierung 
befähigt merben" (Faiferlidje gebrunrcrlaffe); 

1 . „311 biefem ^luecfc ben Antrag 2ieber*.&it)e bahin 3 U erweitern, 
baf? bie in beut (Gefepe, betreffenb bie (Geroerbegerichte, nom 29. Juli 1890 
enthaltenen Beftinummgen in ber Weife gefefclid) auSgebaut werben, 
bafj bie 2 nnbc*ccutralbcbörben uerpflidjtet finb, überafl ba, wo (Gewerbe* 
gerid)te beftchen ober folcfje noch erridjtet werben, bic Bcftimmungen 
beS §. 6 biefes (GefefceS für bie gabriFbetriebe unb bie in benfelbett be* 
fehäftigten Arbeiter 31 er Anwendung 311 bringen.*) Ten auf biefe 
Weife getrennten ©efiionen, weldjc bic Unternehmer oon gabriFen 
unb bic gabriFarbcitcr umfaffen, liegt ob: a) sur Unterftüfcung ber 
Arbeiter in gälten ber ArbeüSlofigFeit thunlidjft Waffen ein 3 urid)ten; 

b) (Gutachten 31 er görberung ber gewerblichen Jntereffen an ©taatS* 
unb (Gemeinbebehörben ab 3 ugeben unb Jahresberichte 3 U erftatten; 

c) Wünfdje unb Anträge, welche bie gefunbheitüchen Berbältniffe 
ber Arbeiter unb bie giirforge für Arbeiterwohnungen betreffen, 3 U 
berathen unb ben Bebörben oorsulegett; 

2 . bie gunFtionen biefer ©eftiorteit als Einigung Samt im f^alle 
oon ©treitigfeiten smifdjen Arbeitgebern unb Arbeitern bahin 311 er* 
weitern, bah ein gcfc^lidh gefidjertcr BerhanblungSswang eingeführt 
wirb." 

tiefer nationalliberale Borfchlag geht aßerbingS entfernt nicht 
fo weit, wie bic 00 m Abgeorbneten $i£e (Zentrum) auf ber Ber* 
fammlung 3 U ©tra&burg int |>erbft oorigen gahreS (ogl. „©psiale 
prajis" 6 p. 64) entwicFelten (Grunbjüge gur dfrid)tung oon 
ArbeitsFammern. dr ift aber gleichwohl ein beadjtenSmerther Berfud), 
ben (GebanFen einer gemeinfatneit Drganifation ber Arbeitgeber unb 
ber Arbeiter in ber (Grofjinbuftrie in eine beftimmte gönn ju 
fleiben unb fefte (GefichtSpunFte 3 U feiner BerwirFlichuug aufm* 
fteUen. Db bie Aufgaben biefer ©eFtionen, fo wichtig fie an fid) 
finb, genügen, um ben neuen gnftitutionen ein ooueS FräftigeS 
Sieben 3 U fiebern unb ob bic Anglicberung an bie (Gewerbegeridjte 
ber richtige Weg 3 um 3icl ift, finb gmecfmäfjigFeitSfragen, bie wir 
für heute unentfdjieben (affen wollen. T)a£ dme aber müffen wir 
aßerbingS auch jefct wieber betonen, baf} wir grunbfäblid) ber 
Anfidjt fmb, eine gemeinfame Drganifation oon Unternehmern unb 
Arbeitern werbe fich nur bann mit AuSficht auf drfolg erzielen 
laffen, wenn fie auf ben Pfeilern gefonberter BerufSoereine beiber 
Parteien ruht. ®enn fo sahlreid) unb ftar! bie gemeinfamen 
gntereffen oon Arbeitgebern unb Arbeitern finb, fo hoben beibe 
hoch ebenfo ftarfe unb oielfältige ©onberintereffen, bie fie in ihren 
BerufSoerbänben wahren müffen. T>ie Begebungen ber National* 
liberalen unb beS dentrumS, bie fich h^r auf einem wichtigen 
(Gebiete ber ©osialpolitiF in erfreulicher Weife oereinen, fchüefeen 
311 m 3Rinbeften bie görberung ber Bewegungsfreiheit unb Rechts* 
fäfjigFeit ber BerufSoereine nicht aus, ja, wie gefagt, nach unferer 
Meinung hoben fie fie jur BorauSfefeung. &af} in ®eutfd^lanb 
eine gemeinfame Drganifation in einem (Gewerbe bei ftarfen 
©onberoerbänben möglid) unb praftifch mirffatit ift, beweifen bie 
gnftitutionen im beutjehen Buchbrucfgeroerbe. ^ebenfalls begrüben 
wir cS freubig, baf} nunmehr $mei grobe Parteien bcS NeicbS* 
tageS mit dnergie an bie Söfung einer ber mid)tigften Aufgaben 
berautreten, bie bie ilaifererlaffe 00 m 4. Jfebruar 1890 geftellt 
haben. 

$a£ ^oalitionSrecht ber Arbeiter nnb bie parlamentarif<hett 
^ebatteu in ^eutfchlanb. Wie fefjr bas ÄoalitiouSredpt ber Arbeiter 
im Biittelpunftc ber gansen ©ojialpolitif ftel)t, bafür ift ein Be* 
weis, bab int BeidjStag wie im Breubifdjcn Sanbiag faum eine 
Woche oergeht, ohne 311 meift fehr erregten Debatten über bie 
ArbeitcrberufSucrcine 311 führen. Unb babei finb bie hi e r ein* 
fchlägigen Anträge ber Parteien noch gar nicht jur Berathung ge* 
fommen. Am 15. Qebruar war es baS ^ßreubifche Abgeorbneten* 

*) §. <> bes (Gcwcrbegcrid)tsgcfebcs lautet in feinem hierher gehörigen 
ZT heile: „Tic fadjlidjc 3nftänbigFcit beS 6 iewerbegerichts fann auf be* 
iiimmte Arten oon (Gewerbe* ober Jabrifbetrieben . . befdjränft werben". 


hauS, wo bie fonferoatioen Abgeorbneten Aing unb Sclifd) gegen 
bie Arbeiterorganifationen 00 m ßeber sogen, währettb bie frei* 
finnigen Abgeorbneten Dr. £>irfth unb (Golbfchmibt bieS (Grunb* 
recht ber Arbeiter mannhaft oertheibigten; bie amtliche „Berliner 
^orrefponbens" brueft ben oollen Wortlaut ber Gtebe beS §errn 
fftina ab — unb nur biefer SRebe allein — als ob eS eine 
amtuche Shinbgebung wäre! Jfür bie im preufeifchen Btinifterium 
beS Jnnern hcrrfc^cnbe Anfchauung jebenfaüs beseidjttenb! Auch 
am 25. u. 27. gebruar fam es wieber 3 U einer AuSeinanber* 
fefcung im Abgeorbnetenhaufe, wobei auch baS dentrum fich 
grunbfählith für BerufSoereine auSfpradE), währenb bie Aedjte 
unb bie Gtationalliberalen fie befämpften. £>ie ^auptfchlacht 
aber fiel oergangene Woche in ben $Reid) 8 tag. Beim dtat 
beS AeichSjuftisamtS brach greiherr 0 . 6 iumm bie beHagenS* 
werthe ßöbtauer Affäre 00 m 3oune unb entfeffelte bamit eine 
gweitägige Debatte oon einer £eibenf<haft, wie fie ber 9teid)S* 
tag feiten gef eben. Sieben §>errn 0 . ©tumm, ber bas ^rcSbener 
Urtheil nicht 3 U hott fanb, währenb ber dentrumSabgeorbnete 
Äoeren, felbft ein hoher dichter, es als exorbitant be^etchncte, ftanb 
in einer SReihe ber fächfifd^e BunbeSratbäbeooIlmädjtigc dcneral* 
ftaatsanwalt Aüger, gegen beibe entlub fich ber gan^e ©roll ber 
©osialbemofraten in fturmifchen AuSbrüdjen, währenb bie übrigen 
Parteien faft ausnahmslos nur 3uf(hooer bicfcS SDueHS blieben. 
Auf bie din 3 elheiten biefer Debatten einsugehen, foweit fie baS 
$>reSben*ßöbtauer Urtheil betrafen, ift hier nicht ber Drt; nur als 
3eid)en ber Sage möchten wir betonen, baft bie fosialbemofratifche 
Parteileitung oie Abficht hat, biefe Berhanblungen im fteno* 
graphifdhen Wortlaut unb namentlich bie SReben ber Herren 
0 . ©tumm unb !Rüger als AgitationSfchrift 3 U oerbreiten — offen* 
bar in ber Weinuna, baf} bie beiben $erren in biefem gaHc als 
„Waffenträger ber ©osialbemofratie" manche S)ienfte geleiftet haben. 
Namentlich wirb baS 00 m greiherrn 0 . ©tumm gegen bie Drgani* 
fation ber Arbeiter gefcfjleubertc Anathema ber ©osialbemofratie 
Waffer auf bie Wühle treiben; er will eigentlich i c ^ en Arbeiter* 
führer nnb (GewerffchaftSbcamten ins 3udjthauS fteefen, beim fie 
alle finb ihm Berführer nnb £)efcer. Wir hoben ben dinbruef, als 
ob bie fteigenbe neroöfe (Gereiztheit beS greiherrn 0 . ©tumm auf 
bie dmpfinbung surüefsuführen fei, bafe er bie Berminberung 
feines dinfluffeS burch hoppelte ©chärfe wett machen müfete. 
Wir holten feiner Berbammung ber Arbeiterberufsoereine baS 
Urtheil ber lebten ba^erifchen gabrifinfpeftorenberichte entgegen, 
wo in ber dinleitung oon einem fo erfahrenen Beamten wie 
Starl BoeHath in Wünchen betont wirb, ber gewerbliche griebe fei 
„um fo gefieberter, je weniger eS bie Arbeitgeber grunbfäfelich 
ablehnen, mit ben Beratungen ber Arbeiterfdjaft in einen georb* 
neten Berfehr 3 U treten." T)ie Arbeiterbewegung, fo h^ifet es weiter, 
fönne unter beftimmteii BorauSfehungen „als bienlich für ben 
Ausgleich wirtschaftlicher ©pannungen erachtet werben." $>iefe 
Bebingungen hätten fich für baS gahr 1898 erfüllt: „$)er Berlauf 
ber Arbeiterbewegung lägt wieberholt ein befonneneS din* 
greifen ber Arbeiterorganifationen erfennen, aus einem ber 
größeren AuffichtSbesirFe wirb auch berichtet, ba& fid) bie Arbeiter 
trofc beS Umfanges unb ber ©chärfe ber bortigen ©treifbemegung 
im Allgemeinen in ben (Grenzen beS ^oalitionSred)tS hielten!" — 
®och alle biefe drörterungen über baS $oalitionSred)t in ben Par* 
Iamenten fmb nur Borpoftengefechte für ben .ftauptfampf um ben 
©efefeentwurf, betreffenb ben ©chufe ber Arbeitswilligen, ber fchon 
am 6 . Dftober 1898 als ber Bollenbung entgegengehenb ange* 
Fünbigt würbe. DfPsiöS würbe in biefen Stagen wieber einmal 
gemelbet, eS werbe eifrig an ber Borlage gearbeitet nnb fie fomrne 
„in nid)t adsulanger 3 e it" an ben SReichStag: ,,^>aS dnbe ber 
bieSmaligen Tagung wirb basu beftimmt fein, bas gefefegeberifdge 
gasit aus ben nunmehr fchon fo oft über ben fosialbemofratifchcn 
XerroriSmuS gepflogenen drörterungen 3 U sichen." Bielleicht auch 
ein gacit aus ben drörterungen über ben Unternehmer*£errori£mus 
— fügen wir Ijinsu. 

2>ie Einrichtung eines unteren EmbenanffichtSbienfteS in 
Prenfeen An anberer ©teile biefcS Blattes (©p. 592ff.) hoben 
wir bie drgebniffe ber ©tubien mitgetheilt, bie oon einer amtlichen 
Mommiffion im Aufträge beS .J)anbelSminifterS in dnglanb, granF* 
reich unb Belgien über bie Berwenbung oon Arbeiterbelegirten bei 
ber BcrgwerfSinfpeFtion angefteßt worben finb. Srohbem ber Be* 
rieht für biefe gnftitution oerhältni^mä|ig günftig lautet, hot fich 
ber Winifter basu entfchloffen, bie §ülfsbeamten ber gnfpeFtion 
burch bie Behörben su ernennen, ohne baf} bie Bergleute felbft 
babei mitwirfen. 2>em Iegtereu Wunfdje, ber oon aßen organifirten 
Bergarbeitern getheilt wirb, Fam ein Antrag beS Abgeorbneten 
Dr. §)irfch (freif.) entgegen, „ 311 m 3mecfe ber thunlichften Berhütung 




58B 


«Soziale BröjiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 22. 


586 


oon Unfällen unb gur Stärfung beS BertrauenS ber ©ruben* 
arbeiler in bie Sicherheit beS Betriebes, neben ben BeoierauffichtS* 
beamten Slrbeiteroertreter gur Berichtigung ber Steinfohlengruben 
heranjusiehen." Beim Bergetat mürbe nun am 27. unb 28. Qe* 
bruar bie Örage im preupifcpen Slbgeorbnetenpaufe oerhanbelt. SDa 
bei Schluß biefer Kummer authentifcpe Berichte noch oorliegen, 
fo befchränfen mir uns heute auf eine Sfigge beS tpatfächlicpen 
Herganges. Slbgeorbneter Dr. £irfdp trat fepr marm für feinen 
Antrag ein, berief fiep auf bie im Sluslanbe gemachten Erfahrungen 
unb begegnete bem Einroanbe, bap burch bie Suftitution ber 9lr* 
beiteroertreter fogialbemofratifcpen Wühlereien Borfchub geleiftet 
roerbe, mit bem |>inroeiS, bap bie ÜRepnapl ber Bergleute ja gar 
nicht fogialbemofratifcf) fei unb ooßeS Bertrauen oerbiene, 2lb* 
aeorbneter Dr. §)ipc oom Eentrum erflärte, er b>alte es gerabegu 
für ein natürliches Bebürfnip, bap bie Bergleute, beren ßebett tag* 
lidj in ©efapr fdjroebe, felbft bei ben ÜRapnapmen für ihre Sicher* 
heit mitgureben hüben. 9hicp ber Slbgeorbnete ©otpein (freif. Ber.) 
trat für bie Brbeiteroertreter ein. dagegen fprachen fiep Sfonfer* 
oatioe, Öreifonferoatioe unb Nationalliberale — alfo bie SReprpeit 
— mehr ober minber fdparf oom Untemehmerftanbpunfte aus; bie 
Arbeiter hätten nicht bie genügenbe fteitntnip, bie geforberte 3n* 
ftitution mürbe nur Unfrieben fnften, in anberen £änbern liege bie 
Sache gang anberS u. f. m. $>er §anbelSminifter bagegen fteflte 
fich nicht grunbfäpliip ablehnenb gu bem Berlangen. Er gab gu, 
bap bie Berichte über bie Berpältuiffe in Englano aünftig lauteten; 
roenn baS in Sranfreidp anberS fei, fo fehle bort eben baS nötige 
Einoernehmen groifcpen Unternehmern unb Arbeitern, 0für bie 
Einrichtung fpreche oor Süßem bie Ermägung, bap bie Arbeiter ein 
gropeS gntereffe baran höben, fi<h felbft gu überzeugen, ob 9lßeS 
in Drbnung unb Süßes gefchehe, maS für ihre Sicherheit möglich 
fei. SÜber auch bie ©rubenbefiper hätten ein 3ntereffe baran, ba 
fie bann bei Unfällen oor bem Berbacpte ber Unterlaffung oon 
ßRapnapmen gefd^üfet feien. OTerbingS gebe eS auch erhebliche 
©rünbe bagegen. Namentlich fträubten fiep bie Brioatbefiper mit 
§>änben unb 3füpen bagegen, obroopl gerabe in ihren Bergmerfen 
bie Unfadgiffer größer als im Staatsbetrieb. Er hölte es nicht 
für auSgefcpioffen, bap mir einmal eine Einrichtung befämen, mie 
fie ber Antrag £)irfcf) mode, aber erft müßten roeitere Erfahrungen 
aefammelt roerben. — 3u biefern 3u)ecfe machen mir ben Borfchlag, 
Der ÜRinifter möge auf oerfchiebenen fisfalifcpen ©ruben, 
auf folchen in Dberfcplefien unb im rheinifch*meftfälifd^ert ©ebiet, 
probemeife Slrbeiteroertreter, bie, etroa nach bem in Belgien 
eingeführten ÜRobuS, nach ben Borfchlägen ber Bergleute 
oon ber Behörbe berufen merben, bei bem unteren Be* 
oifionSbienfte oermenben. Süuf Mefem Wege mürbe eS fich 
ja herauSfteHen, ob bie Befürchtungen, bie Arbeiter feien gu biefer 
Aufgabe ungeeignet unb bie gange Qnftituüon biene nur ber 
Sogiatbemofratie, in ben ^hatfachen eine Stühe finbet. 

Erhebungen über bie Sage ber Bergarbeiter in Deftmeicp. 

3)er oom SürbeitSbeiratpe gur Borberathung ber in feiner lebten 
Bfenarftpung oon ben Sürbetteroertretern 9t. «fmeber unb 3- Sntitfa 
beantragten Erhebungen über bie Sage ber Bergbauarbeiter 
eingefepte SüuSfcpup pöt fich am 23. Februar Jonftituirt unb ben 
Bräfibenten ber ftatiftifchen Eentralfommiffion, SeftionScpef 
Dr. o. 3nama*Sternegg, gum Borfipenben gemäplt. 2luf ©runb 
eines eingehenben, oon bem SNinifterialratpe 3 et Puer erftatteten 
Borberichtes mürbe nach meprftüttbiger Erörterung ber einfcplägigen 
fragen befcploffen, gu befiirmorten, bem begeicpneten Snitiatio* 
antrage burd; eine umfaffenbe Erhebung ber Berhältniffe ber Berg* 
arbciter gunächft im Dfirau * ^arminer Steinfoplenreoier gu ent* 
fprechen. ®ie Borfchläge für ben Erhebungsplan roerben in einer 
bemnäcpft folgenben groeiten Sipung beS SüuSfcpuffeS befinitio feft* 
gefteßt merben. 

Fair Wages in #oÜanb bei ftegierongSbanten. Bei ber 

fürglich erfolgten SüuSfcpreibung, betreffenb bie Errichtung eines 
^ojtfparfaffengebäubeS in Sümfierbam, höt bie poßänbifcpe Negierung 
gum erften s IRat bie Fair Wages4tlaufel in baS Bebingnippeft 
aufgenommen; eS roerben Nhnimallöpne oon 34 4 pro "Stunbe 
für Arbeiter, bie eine fieprlingSgeit abfoloirt höben, oon 32 4 für 
folcpe, bie nicht ßeprlinge maren unb oon 26 4 für SLaglopner 
feftgefept; bie tägliche NtafimalarbeitSgeit mirb mit 11 Stunben 
feftgefept. — Seitens ber poßänbifcpen ©emeinben merben ähnliche 
Beftimmungen oietfach fifirt; in jüngfter 3eü erft höben bie 
Stäbte SRibbelburg, Nijmegen unb SümerSfort bie Aufnahme ber 
Bünimallohnflaufet in bie fommunalen Bebingniph^fte befd)loffen. 


fionmmnalr $0|inlpolitik. 


Begelnng ber Söhne ftabtifdjer Arbeiter für Berlin nnb Spanbau. 

S)ie Berliner Stabtoerorbneten nahmen am 23. 3ebruar eine Befo* 
lution einftimmig an, morin ber s JRagiftrat 1. um eine Nachroeifung 
über bie Söhne unb 9lrbeitSgeit ber in ftäbtifdjen Betrieben befchäf* 
tigten Arbeiter, 2. um eine Borlaae über bie Erridjtung einer 
BenfionSfafJe für bie in ftäbtifchen Betrieben befdjäftigten Arbeiter 
auf Eirunblage oon Beiträgen ber Berroaltung unb ber Arbeiter 
erfud;t mirb. — ®ie Spanbauer Stabtoerorbneten höben eine 
fiebengliebrige Äommifpon gur Slufftellung einer „Sohnffala für 
färnrntlicpe ftäbtifche Arbeiter" niebergefept. 

3ehnftünbige SlrbeitSgeit für äße ftäbtifchen Arbeiter in Stntt^ 
gart. SDie Einführung ber gehnftünbigen 9lrbeitSgeit für alle 
ftäbtifchen Arbeiter ift im $ringip fchon im oorigen 3ah^e ^nrep 
ben ©emeinberath befcploffen roorben. S)er fofortigcu Einführung 
ftanben f. 3- noch abgefdjloffene 9lfforbe im Wege. SDiefe §inberniffe 
finb nun alle behoben. 3« ber Sipung beS ©emeinberaths oom 
23. Februar berichtete ©emeinberatp Stocfmaner, bap bie bei allen 
ftäbtifchen 9lemtern oorgenommene Enquete Die Uebereinftimmung 
aller Hemter unb bie 9Rögli<hfeit ber Einführung ber gehnftünbigen 
9lrbeitSgeit ergeben höbe. Beim §ochböuamt unb bem Strapen* 
bauamt mar feiger fepon eine gehnftünbige, bei bem Waffermerf 
eine 10 l /2ftünbige unb beim Ä'analbauamt eine llftünbiae 9lrbeitS* 
geit. 5)ie Bauabtheilung beantragt beim ©emeinberatp, gu be* 
fcpliepen, bap oom 1. Slpril 1899 ab bie thatfächlidje 9lrbeitSgeit 
ber ftäbtifchen Arbeiter 10 Stunben niept überfd)reiten barf unb 
bei auSnahmSmeifer Uebergeitarbeit bie einfcplägigen Beftimmungen 
ber 9lrbeitSorbnung in Straft treten füllen. ®ie Slrbeitgeit fott im 
Sommer in bie 3^it oon BtorgenS Upt bis 9lbenbs 1 l 2 l Upr 
faßen; als Sommergeit gilt bie 3 c it oom 1. Ntärg bis 1. Dftober. 
2)ie 9lrbeitSgeit im Winter ift burch bie eingelnen Slemter im Ein* 
oemepmen mit ber Bauabtpeiluna feftguftetten. 3n ber Debatte 
mürbe mehrfach betont, bap bie Berfürgung ber 9lrbeitSgeit burd^ 
bie Sntenfität ber Arbeit mepr als ausgeglichen mürbe. 2>er 9lit* 
trag fanb mit aßen gegen 2 Stimmen 9lnnapme. 


Bau fföbttfdjer Brietterttrohiuntgett in Nürnberg, ^as ©emeinbe* 
foßegiuui ftimmte mit gropei* HRepihctt bem äRagtftiatSbeidjlup gu ; betr. 
Errichtung oon Wohnungen für ftäbtifche Arbeiter unb Bebienftete 
feiterts ber Stabt, lehnte jeboep leiber ben Antrag auf 9tnfteßung 
ftäbtifeper WohnungSiufpeftoren ab. 


Ißrioate nnb fommnnale ele!trtf<he Beleuchtnng in £onbon. 

Stürglicp oeröffenßid)te 5)aten Dergleichen in intereffanter Weife bie 
Ergebniffe prioater unb fommunaler EleftrigitätSroerfe in Sonbon. 
Es ergiebt fidp, bap bie fommunale Beleuchtung im 9lßgemeinen 
bißiger ift. Nacpfolgenb bie 2>aten: 


^rioatunternepmen: 


Breis 


Bropt 


5.54 
5.82 
4.46 
5 27 


12,90 % 

16,23 = 

7.23 = 
9.53 = 

0.95 = 

5.24 = 
7.27 = 
7.30 = 


Eigene ftoften 
per Einpeit 
2.19 d 
2.19 * 

2 27 * 

2.61 = 

2.75 3 
2.59 = 

2.S2 = 

8.98 = 


Weftminfter. 

St. 3ömeS. 

Eparing Erop. 

tatfington. 

Epelfea. 5.77 

&oufe»to*$oufe.5.74 

Eitt) .6.85 

SRetropolitan.6.85 

Stommunate Unternehmen: 

^ampfteab. 5.44 d s. 8 o 0 /0 2.57 d 

ä^lington.6.01 = 8.00 = 8.57 = 

Sporebitcp. 8.87 * 7.63 * 1.84 = 

St. Böncras .5.23 * 7.54 = 2.76 = 

kommunaler DmnibnSbienft in SiberpMl. 2 ^er 2 ioerpooler öc= 
meiuberatp, ber türglicp bie Berftabtlicpung ber Strapcnbapncn 2iucr* 
poolS burcpgefüprt pat, beabficptigt gur Ergängung biefer Berfcprs* 
mittel auep bie beftepenben DmniouSlinien in ftäbtifche Begie gu über* 
neprnen. 

©efunbptitSinfpertorinnen in Btnningpam. 2)ie Olcmeinbeocmmltimg 
oon Birmingpam pat befcploffen, oier Sanitätsiufpeftonnuen aitguftellni, 
benen pauptläcplicp bie Wopnungsinfpeftion unb crgicplidje Eiiimirfung 
auf bie Beinpaltung ber Wopuräumc obliegen foll. 


SojtaU Juflänbc. 


Sogtale Begldterfcpeinnngen luietlifcpaftlicper Wanblungen in Berlitn 

Bon ber Statifti! ift längft beobadjtet morbeti, mie bie ftatiiii* 
fdpen 3 a htenreipcn über bie roirtpfcpafUidje Eutmicfehutg unb über 
bie gleicpgeitigett BeoölferungS* unb fogialen Berpältniffe ben engen 
3ufammenhang beiber in flarer nnb genauer Böraßelbctoeguiig 













587 


«Soziale PrajtS. Gentralblatt für Sogialpolttif. Nr. 22. 


588 


heroortreten taffen. (Ein Nuffthmung ber Snbuftrie g. 93. fteigert | 
nicht nur ben Kapitalbebarf, ben Kohlenoerbraud), ben ©ahn* | 
oerfeljr 2C., er briicft fich Qud) ftatiftifcf) nadjrocisbar in ber ßage I 
ber großen ©olfSmaffett burd) rcid)Ii(f)eren ©crbrauch ber befferen 
Nahrungsmittel (Jleifch ftatt Kartoffeln, ^Bier ftatt SchnapS), burd) I 
(Erhöhung ber Spareinlagen, Nbnahme ber (Eigenthumsbelifie 2 c. 
auS; auch bic ©eobad)tungen ber ©eoölferungSftatiftif über 3u* 1 
nähme Per ^eirathS*, Nbnahme ber Sterblidjfeiisgiffern, über reich* 1 
liiere NrbeitSgelegenheit unb bamit ftärferc Zumattberung in bie 
Snbuftriebegirfe bei inbuftriettem Nuffdjmung fommeit gang über* j 
miegettb auf bas Konto ber ärmeren ©olfsflaffen. Solche einmal i 
feftgefteßten ftatiftifd)en parallelen finb ein michtigeS §iilfSmittel 
fogialer (Erfenntnih gemorben, ba man burd) fte in ben Stanb ! 
gefefct wirb, bei lücfen^after Statiftif oon einem Komplex for* 
refponbirenber (Erfcheinungen auf ben anberen gu fd)liefeen. 

Scbod^ bebürfen bie einmal feftgeftellten 3ufatnmenhänge ' 
öfterer Nachprüfung unb (Erneuerung. Sie finb nicf)t fonftant. i 
@erabe an M. oon Ntopr’s befanntem feufterbeifpiel bes 3ufammen* 
hangS ber MetreibepreiSfuroe mit ben Kuroen ber .£>eirathen unb 
anbererfeitS ber (Eigentums* unb ber UebermuthSbeltftc fef)ctt mir 
bie ©eränberlidjfeit; bie Metreibepreife finb bei unfcren ftets fotn* 


pligirter roerbenben (ErroerbS* unb ©MrtbfdjaftSoerbältnijfen je länger 
je roeniger ein allein auSreicheuber ©iahftab für bie mirtljfchaft* 
liehe ßage ber ©euölfcrung. 

(Ein oielfeitigeS Material für bie Nachprüfung bietet ©öcfl)’S 
neu erfchieneneS „StatiftifdjeS Zahrbud) ber Stabt ©erlin" für 
1896, baS bie mannigfadjften für bie ©euölfcrung, baS ©Mrtf)f<haftS* 
unb fogiale £ebett ©erlittS mid)tigen Zahleneingaben in guoerläjfiger 
©Seife unb nach einheitlichen (>3runb|äpen gufammenfteßt unb ber 
Negel nach bie |>auptgablen für baS 3al)rgehnt 1887/96 refapitulirt. 

©Sir fahen im ©erliner ©Sirthfdjaftsleben biefes ZahrgchntS 
aus gar mancherlei Nttgeidjen unb (Erfahrungen, bah es fid) gegen 
(Enbe ber 80 erfahre aus gebriiefter fiage — meift 1888 einfepenb 
— gu größerer profperität erhob. 3ebod) tritt fd)on mährettb beS 
Sabres' 1890 ein Stißftanb biefer ©emegung ein, unb alsbalb 
folgt ein entfdjiebener Niicfgang, ber bis 1894 anhält. StfjeitS 
1891, theils 1895 unb beforiberS auffaßenb, aßgcmeiit unb burch* 
greifettb 1896 fommt ein neuer Nuffihmnng beS ©Sirtf)fd)aftSlebenS 
gum Nusbrucf, fo bah 1896 in beut Zafjrgchnt 1887/96 faft in 
jeher ©egiel)ung als bas hefte Zahr erfdjeiut. §ier mirft bie aß* 
gemeine giinftige MefdjäftSlage in deutfdjlanb mit lofalett Mrünben 
(berliner Memerbeausfteßung oon 1896) gufammen. 



(Es betrugen in ©erlitt: 

iss? 

isss 

lss9 

1X90 

1X91 

1X92 

1X93 

1X94 

1X95 

1X94 

1. 

bte (Eljefdjlßhungct! i n promiße ber 9Rämtcr über 2<> ^ahre .... 

s7,i 

st;,? 


91,. 

X9 9 

S" 7 

X7,ö 

86,s 

x7,n 

95,7 

2. 

bie getnelbeten Zugegogetten (daufenbe) . 

168 

179 

19H 

197 

194 

I7x 

lxu 

1X5 

201 

219 

H. 

* * Jrembett * . 

;i88 

4ls 

4(>9 

:>< »5 

r»i).'» 

5< »4 

50G 

541 

579 

718 

4. 

ber ©erficherungsmerth ber Ncubautett in SÄtütottcit ^iarf . 

73 

N9 

9:4 

122 

101 

92 

9<i 

N4 

SO 

103 

5. 

bie Ncuetnlagen in ber ftäbtifdieit Sparfaffe in aMifltottcu 3Rarf . . . 

29,2 

nt.« 

H2,e, 

42,9 

42,1 

44,i 

44,5'J 

1 3X,ii 

42,5 

44,9 

6. 

ber Konfum pro Kopf ttttb Jahr att ?}leifd) . kg 

— 


81,2 

69,4 

r»9,s 

71/* 

t 0,9 

75,3 

7 4,o 

7 4,g 

7. 

8 8 8 s s 8 8 ftifd) . * 

14,7 

14,4 

17,6 

1 7,8 

17,i 

14,8 

17,7 

1 7,5 

1 X,u 

18,9 

s. 

* * Kaffee,Theo,Kafao u. Surrogaten* 

2,93 

2,89 

2,79 

4,:>7 

4,03 

4,93 

3,96 

4,58 

4,63 

5,68 

9. 

* * * * * ©ter.2 t ter 

192 

194 

2( >2 

2( H > 

191 

194 

204 

201 

224 

239 

10. 

* * * * * * * Kol)lett.kg 

1290 

1 457 

1.471 

1474 

1494 

1434 

14X4 

1400 

1422 

1553 


©iefe (EntmicfelungSlinie finbet fich in ben 10 hier aus ben 
oerfchiebenen Nbfdjnitten beS ©erliner Jahrbuchs mitgetheilten 
Zahlenreihen mit ziemlicher Hebereinftiinmung unb großer deut* 
liebfeit toieber. Nur ift bei einigen biefer Zahlenreihen unb ins* 
befonbere bei ben abfoiuten Zahlen S u beachten, bah bie (Entioicfe* 
lung ©erlinS bauernb — and) unabhängig oon ben Sdjmaitfungen 
beS ©SirthfdjaftSlebenS — ftarf auffteigenb ift unb fich beShalb 
bie niebergehenbe Konjunftur biSmeilen nur in einem Stißftanb 
ober oertangfamten 3 ortfd)ritt ausprägt. 

der ©emegung beS ©SirthfdjaftSlebenS entfprid)t bie ©au* 
thätigfeit (3ahlenreihe Nr. 4): ftarfe Zunahme bis 1890, an* 
haltender Nücfgang bis 1895 unb abermalige Zunahme gu 1896. 
dabei ift xu beadjten, bah ber gtoeite Niiffdjmung gum gröberen 
dljeil in ber ©authätigfeit ber ©erliner ©ororte jtd) auSbrücfte. 
©ei ihrer (Einbegiehung in bie Statiftif mürbe biefe Zunahme 
früher unb roeit ftärfer einfefcen. — desgleichen beftätigen bie 
Neueintagen in ber Sparfaffe (Nr. 5) ben (Slang ber (Ent* 
roicfelung; bis 1890 gunehmenb, geigen fie barauf Stißftanb begto. 
nur Ianafamen, lebiglich burch bie ©eoölferungSgunahnte bebingten 
Sortfchritt. ©on 1894 ab tritt roieber fdjneßerer Sortfchritt ein. 
die Neueinlagen finb als baS fidjerfte ©terfmal ber ergießen lieber* 
fchüffe genommen. Starfe Nücfgahlungeu fönnten ebenfomohl auf 
oerfd)lechterte (^efchäftslage roie auch auf eine ©erbefferung, gabt* 
reichere ^eirathen unb ©efchäftSgrünbungen, gurüefgehen. — ©eint 
©erliner Koblettfonfum (Nr. 10 ) mirfen anher bem Snbuftrie* 
bebarf auch ^ cr ^äuSlicfje ©ebarf an Neuerung unb £id)t C@as) 
unb bamit bie ©itterungSeinflüffe ftarf mit. die Zunahme beS 
©erbraud)S mirb nur 1892 unb 1894 unterbrochen. ZebettfaßS 
aber mirft bei ber ungemöhnlid) ftarfeu Zunahme beS 1896 er ©er* 
brauchs ber ©ebarf ber Snbuftrie entfeheibenb ein. 

die Öage ber arbeitenben Klaffen fommt — anher in bett 
Sparfaffeneinnahmen — befonberS in ben (3jcbraud)Sgahlen ber 
©enuhmittel unb ber hofhroerthigen Nahrungsmittel gum NnSbrucf. 
der ©ergeht an Kartoffeln, ©rob unb Okmiifc mirb in feinem 
©erhältnih gu einanber burch bie jeroeiligen Preisocrljältniffe be= 
einfluht. (Einen bireften ©faitgel an biefen Nahrungsmitteln mirb 
in ©erlin aud) eine ungiinftige 93irthfd)aftSlage nicht allgemein 
heroorbringen. dagegen fpielt bei bem Sleifdj* unb oifd)* 
oerbrauch (Nr. 6 unb 7) auher beren ©reifen aud) bie allgemeine 
l^age mit. der Aleifd)* unb /vifchoerbrand) faßt oon einem fehr 
hohen Stanb 1889 gu 1890 ab, bleibt bann jahrelang ungefähr 
auf bem gleichen Stanbe unb hebt fich oon 1894 gu 1896 ftänbig. 
— der ©erbrauch oon Kaffee, dhee, Kafao Unb bereu Surro* 

V» 1S9M unb im 1. Quartal Sie nädiftcn ^atitcu gelten (bei 

Nr. 7) für bie (Etat^jaljrc. 


i gaten (Nr. 8) hebt fid) S 11 1890 unb nod) gu 1891 bebeutenb, fällt 
j in ben uädjften fahren etmas, um 1894 unb 1895 abermals unb 
: fet)r bebeutenb in 1896 (auf über baS doppelte oon 1889) gu 
fteigen. Nehnlid), nod) mehr ber allgemeinen (Sntmicfelung ent* 
fprcchcnb, oerläuft bie Kuroe für. ©ter (Nr. 9): 3uual)me gu 1889 
unb 1890; Stißftanb begto. Abnahme bis 1894; 1895 unb aber* 
mafs 1896 bemerfcnSmerthe Zunahme. 

Unter ben bcoiUferungsftatiftifchen 3 a hl en bemährt fid) oon 
Neuem bie BeiratIjSgiffcr (Nr. 1) als treues Spiegelbilb ber 
©3irtl)fd)aftSlage, bie beren ©emegnngen etmas fpätcr folgt. ©3irth s 
fdjaftlid) hängt bic $etratl)Smögiid)feit l)Guptfäd)lich baoon ab, toic 
j meit bic l^ciratt)§fähigen Niänitcr in ber Öage finb, einen §auS* 

| ftanb gu grünbett. Nit ihrer 3ul)t finb baher hi er ^i e • < P e i‘ 

■ rathen gemeffen. die ©eiratbsgiffer h°l nod) einen Niicfgatig gu 
1888, eine Zunahme bis 1890, toieber Nücfgattg bis 1894, gu 
1895 geringen unb gu 1896 fel)r crl)eblid)en Öortfd)ritt, meitaus 
gutn Niag’itnutn. — die Nusfid)t auf Iohncnbe Nrbeit in ©erlin 
beftimmt bie 3 a hl ber 3umauberuugc.n (Nr. 2). die Zunahme 
bis 1890, ber Stißftanb unb Niicfgang bis 1894, baS ftarfe Nit* 
i madjfen 1895 unb toieber 1896 fd)licbeti fid) burd) aus ben Sd)toatt* 

| fuitgen beS s Birtbfd)aftSlcbeitS att. die gleiche Kuroe h fl l b e r in 
I ©erlitt gleichfalls burd) ben Staub beS ©MrtbfdjaftSlebenS ftarf 
; beeinflußte Srembenocrfehr (Nr. 3), nur bah beffett gtoeite 3 ll = 
j nähme fd)on 1894 eittfebt. die Zunahme pro 1896 ift in 0mlgc 
ber NnSftcfluug anormal. 

I NlS (Ergcbttih fehett mir, bah bie fogtal unb mirthfd)aftlid) 

I mid)tigett Znbß’nreiben über bie (Ehefchlichungen, bie Zngüge unb 
I bett örembenoerfehr, ben Umfang ber ©authätigfeit, bie Spar* 

| faffeueinlagcn ttttb über ben Natffcnfonfuut oon ©ier int Mangen 
, unter fid) unb mit bem fonft fonftatirten iubuftrielleu ttttb mirtl)* 
i fd)aftlid)eit i?ebcn bic gleichen ttttb faft gettau gleid)geitig roed)feln* 
ben (EntmicfelnngStenbengett oerfolgen, derartige 3 ll hlettreil)en 
1 föitnctt bemttad) mit (Erfolg für aÜgemeiue toirthfd)af11icf)e dar* 
ftefluitgen gu .v>iilfe genommen toerbeu. Nber and) bie 3al)lcn beS 
Mol)leuoerbrandjS, beS 'Jvleifd)* ttttb Kaffee* :c. KonfttmS geigett, 
i toenn and) Nbmeid)itngen, fo bod) gemigettbe ©ceinfluffttttg burch 
| bas ©3irtl)fd)aftsleben, um — nid)t gitr Memiumtng, aber gttr ©er* 

, ftärfuttg ttttb ©eftätignng mirtl)fd)aftlidier Sd)Iiiffe oermanbt gtt 
; merbett. ZnSbefonbere bie Zahlen für Tvleifd) bürften fid) oielleid)t 
, enger attpafien, falls bie ftatlftifd)eu Unterlagen für ihre ©cred)* 
ttttng (Sdiäpungett) genauer mären. 

Dffettbad) a/Ni. K. dt)ieh. 

i Nochmals bic Kinbcrarbcit in (Ettglanb. (Ein nod) beutlidjcrcs 
©ilb als bie jüugften (Ermittelungen bes äonboner Schulamtes (oergl. 

1 „Sogiale praris" Sp. 564 ber oorigett Nummer) bietet eine eben er* 










5S9 


©oglale $ra£tä. ©entralblatt für ©ogialpolitif. 9tr. 22. 


590 


fd)ienene Beröffentlichung bes ^anbelSamteS über ^inberarbeit in 
©uglanb unb SBaleS. ®crSöerid5t enthält bie 9? achroeifung über fämmt* 
Itd^e bic ©lenientarfaulen befuchenben $inber, bie au&er ber ©d)ule 
Sohnarbeit nerricfjten unb roeiter eine Snfammenftellurtg ber Be* 
fchäftigungSarten, benen bie ftittber bei Berlaffen ber ©d)ule nach* 
gehen. Oer Beriet, ber auf einer freimilligen Slufnaljme ber 
Schulleiter int Sahrc 1894 beruht, umfafjt 2 568 176 Srinber ober 
61 o/o aller im Berichtsjahre fdjulpflid)tigen $inber; ^ieroon oer* 
liefen 1894 432 307 Äinber (227 041 Knaben unb 205 266 SRäb» 
<hen) bie oberen klaffen ber BolfSfchulen. Oie Bachmeifung untere 
fdjeibet gmifchen Bonbon, ben größeren ©täbten unb bem flauen 
Sanbe mit ben fleineren Orten. OaS ©rgebnib fteHt fid) in biefen 
©ruppen fehr oerfchieben. Sn Soitbon mären es nicht mehr als 
6 % ber ©djulfitaben unb in ben Beiben anberen ©nippen gar 
nur 4 o/ 0/ bie als außerhalb ber ©cf)ule unbefcf)äftigt auSgenriefen 
merben! Oie Slrt ber Befd)äftigung fchroanft ftarf in ben einzelnen 
©ruppen. 2öaS bie Befcf)äftigung ber Sfinber beim SSerlaffen ber 
®d)ule anlangt, fo mürben in Sonbon 62 o/o, in ben ©täbten 
47 % unb aut bem Sanbe 28 % Sabengehülfen, Saufburfcfjen ober 
©cfjreiber. 3 ur lanbmirthfchaf fliehen Arbeit gingen über 26 %, 
gum Bergbau 9 % in ben ©täbten unb auf oem Sanbe; gur 
Oertilinbuftrie 13 % in ben ©täbten unb 8 °jo auf bem Sanbe. 
Bon ben bie ©d)ule oerlaffenben 93täb<hen blieben über 40 o/ 0 ju 
#aufe; auf .£>auSgefiitbebienft, ber oon ben Knaben bloft 1 % tu 
Slttfpruch nahm, entfielen in Sonbon 26 %, in ben ©täbten 16 o/ 0 
unb auf bem flachen Sanbe 30 % ber bie ©d)ule oerlaffenben 
3Räbd)en; ber SRefi berfelben entfiel auf bie ^eytilinbuftrie unb baS 
$?onfeftionSgemerbe. 

H4tfhmbentag für bie ftofflenberglente in Slmertfa* Oen 

Slchtftunbentag hat ber $ohlengräber*Berbanb ber bereinigten 
©taaten oon Sltnerifa jefct enblid) burdjgefefct. Oie Bergleute in 
ben 3Beid)foblen*9tegionen, für rneld^e biefe Slbmachung gilt, gählen 
roohl an 250 000 &öpfe. ©in fo großer 3nwachs gu ben Sicf)t* 
ftunben»Slrbeitero ift bis jefct nod) nicht bagemefen — felbft bamalS 
nid^t, als bie BunbeSregierung ben Slchtftunbentag für ihre Sin» 
geteilten einführte. Oie Bergleute felbft tragen bie Soften biefer 
Reform. Denn bie Söhne mürben oorläufig nicht erhöht; menn bie 
Slrbeiter nicht im ©tanbe ftnb, in acht ©tunben Slfforbarbeit fo 
oiel gu oerbienen, mie bisher in neun ober gehn ©tunben, fo 
muffen fie ben Berluft felbft tragen, ©ie glauben aber, burd) 
intenfioe Slrbeit bie Berfürgung ber SlrbeüSgeit eiugubringen. 

9tao*2)orfer Sir beit ö [tat iftif. Oer SaljreSbericht beS Slrbeits* 
amteS für ben ©taat $em»S)orf befd)äftigt fid; oormiegenb mit ber 
Srage, ob bie ©inmanbenutg auf bie SlrbeitSoerhältniffe ungünftig 
einmirfe. ©S mirb in bem Berichte nachgeroiefeu, bafj im $afen 
oon $em*?)orf feit ©röffnung oon ©aftle ©arben im Sah** 1856 
bis Snni 1898 10 038 717 ©inroanberer lanbeten, oon roelchen 
3 958 607 (39,4 °/o) fich im ©taate ^ero*?jor! nieberlaffen rooUten. 
Sluf bie birefte Slnfrage, ob bie Ginmanberung eine nachteilige 
5?onfurreng im Slrbeitsmarfte oerurfacht habe, ift bem Mommiffär 
oon 1039 Organifationen Slntmort gngegangen, unb graar berichten 
707 Vereine mit einer 9)iitgliebergal)l oon 105 889, bah bie ©in» 
roanberung ihnen feine 9?ad)tl)eile gebracht hat. $ie anberen 
265 Organifationen (25,5%) mit 70 000 SJtitgliebern jebodf) er» 
Härten, bah fie burth bie ©inmanberung ©chaben erlitten. Oie 
Sfonfurreng ber ©inmanberer machte fid) in 85 ©emerben unb in 
jebern allgemeinen SlrbeitSgebiete fühlbar. Oie Berichte oon 
154 Organifationen befagen, bah m Öaufe oon fed)S Sahren 
17 322 #itglieber burd^ ©inmanberer erfefet mürben. 3n 57 S$er» 
einen hat bas SJtehraugebot oon Slrbeitsfräften in 3kdge ber ©in» 
manberitng eine SWebuftion ber Slrbeits^eit unb niebrigere Söhne 
herbeigeführt. $)ie ©efehtoerben, bah tl)eils SJZitglieber oon Sir» 
beiterorganifationen in ihren ©teilen burd) ©inmanberer erfefjt, ober 
bie Söhne burch folgen üJtitbemerb gefürjt mürben, fomnten groben 
£heüS aus Saugetoerfen, ©d)neiber», ©djufter», ©d)micb», ©ifen» 
gieher», 9Kafd)iniften unb bergleid)en Organifationen. Sltn fd)merften 
merben, bem ^Bericht sufolge, bie amerifanifchen SlrbeitSoert)ältniffe 
burd) bie 3ßaffeneinroattberung oon italienifd)en Slrbeitern ge» 
fchäbigt, unb merben bie ©efefcgcber in Sllbani) auf bie Shatfad)e 
hingemiefen, bah ^ en Slrbeiten an ben ©taatsfanälen — mofiir 
im lebten Qah re 0 000 000 $ oerauSgabt morbert finb — haupt» 
fächlid) italienifdje Slrbeiter befd)äftigt morben finb. Sluf Ö)runb 
forgfältiger Grmittelung, meldje ber ©tatiftifer angeftellt hat, theilt 
er mit, bah nur 1000 aus einer Sln^ahl oon über 15 000 Slrbeitern, 
bie oon ^ejember 1897 bis s Diai 1898 an ben Kanälen befchäftigt 
mürben, amerifanifche ^Bürger maren. S)ic anberen Slrbeiter toaren 
SluSlänber, unb ber Nationalität itad): 13 500 Qtaliener, 350 $ ölen 
unb 150 Ungarn. Oer höcbftc Oagelo'hn biefer Slrbeiter mar 2 S, l 


ber niebrigfte 1,20 S. Unter ben mährenb berfelben 3 c il ® c * 
gember 1897 bis 9Kai 1898 Slngeftellten befanben fich SRaurer 
mit einem Oagelohn oon l,so bis 4 $; nur 300 biefer ^aubmerfer 
maren Slmerifaner, bie anberen maren Staliener. — Ote 9Jtaurer» 
hanblanger, 701 an ber 3ahJ/ waren faft alle 3taliener. % Oie 
organifirte Slrbeiterbemegung im ©taate hat, mie ber Bericht ferner 
nachmeift, beträchtlich gugenommen. Sn ber 3«it oom 31. s JKärg 
1897 Bis 20. ©eptember 1898 hat fi<h bie SHitgliebergahl ber Sir* 
beiterorganifationen um 20 o/ 0 oermehrt. Slm 31. ^ärg 1897 
maren 43 634 SÄitglieber oon Slrbeiterorganifationen ohne Sefdhäf* 
tigung, boc^ bis 30. ©eptember 1898 oenninberte fich bie 3ah! 
biefer Slrbeitslofen auf 22 485. ©ine allgemeine Slbnahme ber 
SlrbeitSgeit ift im oerfloffenen Sah^ nicht mahrejenommen morben. 
Oie Söhne für männliche Slrbeiter finb im Vergleich gum Sah^ 1897 
allgemein geftiegen, mährenb ber SSerbienft ber Slrbeiterinnen eher 
eine Slbnahme geigt. 

Arbeitslöhne in ber inbtfcheu S3anmmoKinbitftrte. Snt oorigen 
Sahre ging man in SBritifcf)»3nbien, um einem allgemeinen SluS* 
ftanb oorgubeugen, oom ©pftem ber SWonatslöhne m ben 53aum* 
mollfabrifen gn OageSlöhuen unb Stemunerationen („bonus“) für 
SKehrleiftungen über, ©in nunmehr oorliegenber 33eridfjl ber Sabrif* 
infpeftoreit fonftatirt, bah biefer Söechfel in ber Sohngahlung eine gang 
mefentlichc ©teigerung ber Söhne aller Slrbeiterfategorien in ber93aum» 
moHiitbuftrie gur Solge gehabt hat. Oie ©teigerung betrug in oielen 
Fällen bis gu 100% unb liegt lebiglictj im Oaglohn, nad^bem bem 
„bonus“ feine groheS3ebeutung gufommt, benn bie geplante ©infüljrung 
einer täglichen 2JUnimal»SlrbeitSleiftung ermieS fich als unburcf)* 
führbar. Snx 23erl)ältnih gu europäifchen Söhnen finb bie inbifthen 
noch immer fehr niebrig; fie fteHen fi<h gegenwärtig auf 17 bis 
30 SRupien im SKonat, mährenb fie früher gar nur 10 bis 15 9tu» 
pien betrugen. _ 


Arbetterbewegtmg}. 

3«r S3üdferbetoegttng in Oesffshlanb. Següglich beS Berliner 
BäcferauSftanbeS hat es neuerbingS mieber ben Önfthein, als ob 
ber ©treit hoch noch gütlich beigelegt mirb. Sn einer oom £>of* 
bäcfermeifter ©aebe einberufenen SDJcifter» unb ©efeHenoerfammlung, 
an ber auch bie Seiter ber SluSftanbSbemegung unb bie Slltgefeflen 
ber beiben Berliner Snpungen „©ermania" unb „©oncorbia" iheil* 
nahmen, mürbe befthloffen, nochmals in Berhanblunaen eingutreten, 
Oie beiben StltgefeHen erhärten fich bereit, falls ihnen ber Bor* 
fchlag ber Slbfcpaffung oon Sogis beim Bteifier unb Beibehaltung 
ber halben iloft im §aufe bes SlrbeitgeberS bei einer entfprechen* 
ben ©ntfehäbigung für baS SKittagseffcn gemacht mürbe, biefen oor 
ben ©efellen gu oertreten. 3nnäd)ft fou ber Berein ber Bäder» 
meifter ber Sriebrichftabt unb oom ©übroeft nodhmals an bie BegirfS» 
oereinSoorftäube hcrantreten. Oie oon ben SÄeiftem gugeftanbene 
Slufhebung beS ^'oft* unb SogiSmefenS für bie oerheiratbeten ©e* 
feilen halten bie ©efellen für bebeutungSloS, ba toenig oerheirathete 
©efefien im ©ernerbe befchäftigt feien unb bei Stnerrennung einer 
folchen Sorberung bie oerheiratbeten ©efellen noch fchwerer Slrbeit 
erlangen mürben als bisher. SSie übrigens bem „Borroärts" aus 
ben Greifen ber Bädergefellen mügetheilt mirb, foll oon einem 
SluSftanb abgefehen meroen, aber baS Bcrhalten ber SKeifter roerbe 
bie Slnregung geben, bie Drganifation ber Slrbeiter gu ftärfen, um 
gu geeigneter 3^t aufs $eue bie Söünfche geltenb machen gu fönnen. 
Sn Seipgig unb 331 ü neben fmb neuerbingS bie Bädergefellen in 
Berfammlungen ebenfalls mit ber Sorberung nach Slbfcbatfung oon 
$oft unb Sogis beim Bleifter unö ©inführung beS paritätifchen 
SlrbeitSnachmeifeS fjeroorgetreten. Sn München mürbe aber aus« 
brüdlich betont, man molle nicht burdb einen ©treif, fonbern auf 
gütlichem Söege eine Berbefferung ber Sage herbeiführen. 

Oer 5. BcrbanbStag ber Bau», <$rb» unb gctoerblidje» 
^ülfSarbetter OeutfchlanbS ift in ber oergangenen 38o<be in SJlagbe» 
bürg abgehalten morben. 9)tan befaßte fich hanptfächlich mit einer 
Slenberung ber Berbanbsftatuten unb ber ©Raffung eines ©treif* 
realemeuts, baS in bie SluSftänbe mehr Drbnung bringen unb un* 
begonnenen ©treifs möglichft oorbeugen fou. ©S foll ein 
obiigatorifd)er ©treiffonbs errichtet merben, gu bem in ben beften 
SlrbeitSmonaten 3M bis einfchliefelich Sluguft gefteuert merben mufe. 
Bon einer ©rhöhung ber Berbaitbsbeiträge mürbe abgefehen, roeil 
man oon einer ©rhöhung ben SluStritt oieler Btitglieber befürchtete. 
Oagegen mürbe baS GintrittSgelb oon 25 auf 50 /$ erhöht. Oie 
Beifeunterftübung mürbe oon 75 4 au f 1 ^ täglich erhöht. 

SlnS ber ©ihneiberbemeguttg in Oentfchlanb, beren mir unlängft 
gebacht haben (ogl. „©ogiale Brari^" ^P- ^^0) ift S» ermähnen, ba§ 



591 


«Sojiale Vra£tS. Gentralblatt für (Sojialpolttif. Nr. 22. 


692 


in Vttindjen eine frieblicfje Vereinbarung 3ioi[d)en Vteifiern unb ©e* 
hülfen 3» ©tanbe 31t fommen fd)eint. 'Qn einer fehr ftarf Befugten 
Verfainmlung non ©chneibern nnb ©djneiberinnen würbe mit* 
geteilt, baß Bereits eine Neijhe erfter Öirmen fich Bereit erflärt 
haben* ben non ber Lohnfommiffion entworfenen Darif für ©tiicf* 
arBeit nnb BSochenlohn (Bei ^eBnftnnbiger ArbeitS3eit) atigunehmen. 
Der Darif ift in brei Staffen eingeiheilt; bie grage, welche @e* 
fcf)äfte nad) ben Betreffcnbcn Xarifflaffen 3U gahlcn haben, ift burch 
ein Verseichniß entfchieben, baS bie Befannteften Vtünd)ener SDia^ 
gefdjäfte, in brei Darifflaffen eingetfjeilt, aufführt. Die Tarife 
erfter nnb 3weiter Stlaffe inooloiren feine @rf)öfjung gegenüber ben 
Bisher fchon ge3ahlten greifen; ber Darif britter klaffe weift einige 
Grhöhungen auf. 3 tn llebrigen, fo erflärte ber Referent, fei baS 
$aupt3iel ber Lohnbewegung eine Verfügung ber ArbeitS3eit; 
einen ©treif wolle ntan niefit, fonbern frieblidje Verftänbigung. 
Auch bie ^orberung ber BetriebSwerfftätten tniiffe aufrecht erhalten 
werben. 3 n ber DiSfuffion erflärte ber SnnungStneifter ©chmibbauer 
bie gorberungen ber ©el)iilfen für mafetwll, wenn aud) einige 
Dariffäpe nod) h er abgefept werben niüffen. Die ©efjülfen follen 
ber ©ef)ülfen* wie ber Vteifterfommiffion Vertrauen entgegen* 
Bringen, er glaube, bafj ein 33 eg ber gegenfeüigen Verftänbigung 
gefunben werbe. Auf eine Anfrage erflärte er nod), baß er bafür 
garantiren fönne, baß weber sur 3eit nod) nach ber Lohnbewegung 
oon ber 3 nnung eine fd)war3e Lifte aufgefteüt wirb ober Vtafe* 
regelungen oorgenommen werben. — BemerfenSwerth ift, bafj 
jiingft ein auSgcfprocf)eneS UnternehmerBIatt, ber „^onfeftionär" 
in Berlin, gefd)rieben hat: 

„3nr Verhütung oon ©rfjnetbcrftreifS hat ber Vcrbanb ber ©djneiber 
unb ©dinciberimicn Dcnt[d)lanbs ein fehr ocrnütiftigeS ©treifrcglemeut 
beid) logen, Dcffcn gritnblcgcnbc Seftimmungcn.Bcfagen, bah Bei allen 
Differenzen jwitdien Arbeitern unb Unternehmern bie Vctüeiligten unter 

Lgrgebnng ber Crtsucrwnltnng eine Verftänbigung fuchen follen. 

Leiber fiiib aber bie wenigften ©dpteiber organifirt, fo baß ber Ve= 
|d)lnß feine grofje Tragweite hat." 

Der AuSftattb ber Ärcfelber ©antmettoeber bauert fort. Die 
Vermittelung ber ftäbtifchen fosialen Äommiffion ift Bis jept oer* 
geblid) gewefen. feine neue oon ben Arbeitern oorgelegte Lohnlifte 
ift oon ben Sabrifanten abgelehnt worben. Die leptereti follen 
babei erflärt Baben, fie würben 311 weiteren Verljanblungen nur 
bann Bereit fein, wenn bie Vertreter ber Arbeiter bie oon ben 
^abrifauten aufgeftellte Lohnlifte oorher im $rin3ip annehmen. 
Die Arbeiter weigern fidp bie Arbeit probeweife wieber auf3u* 
nehmen, unb biirften and) feftbleiben, falls bie Unterftiipung oon 
Außerhalb anhält. Gin fleiner Df)eil ber ©ammetweber foll Bereits 
auberer Befchäftigung fid) 3ugewenbct haben ober nach bem Glfafe 
auSgemanbert fein. 3 nt gefdjäftlid)en Leben fott fich ber AuSftanb, 
ber nun Bereits 12 Be.yo. 5 Vkdjen bauert, fchon recht fühlbar 
inad)eu. Die fleinen ©ewerbetrcibeitben follen über mangelnben 
Abjap, BefonberS aber über unpünftliche unb fcplechte Ve3ahlung 
flagen. GS ftreifen.über 2000 s $erfonen. 

Die ftäbtifchen Arbeiter in Berlin unb ber Bfagiftrat. VHt 
bem SfoalitionS* unb VetitionSrecht ber Verliner ftäbtifchen Arbeiter 
fdjeint es nicht gut BefteHt 3U fein. 2 Sie jüngft in einer zahlreich 
bcfudjten Versammlung oon Arbeitern ftäbtifd/er Vetriebe fonftatirt 
würbe, finb Gnbe oergangenen QahreS 3wei Arbeiter ber ftäbtifchen 
Vkfferwerfe gemafjregelt worben, weil fie einer Arbeiterorganifation 
angehörten unb in einer Petition an bie Direftion um Aufbefferung 
ihrer Lohnoerhältuiffe gebeten hatten. Die Arbeiter riefen hierauf 
baS ©emerbegeridjt als GinigungSamt an, bod) hat ber Via* 
giftrat abgelehnt, oor biefer Amtsftelle 3u erfcheinen. Um nun 
burd) ben Drucf ber öffentlichen Meinung bie ©iebereinfteltung 
ber ©emaftregeltcn unb bie Anerfennung beS ÄoalitionS® unb 
s $etitionSred)tS 311 erlangen, würbe bie oben erwähnte Verfammluna 
einberufen. 3 » biefer Vcrfammlung würbe auch fonftatirt, baß 
ber Verliner Viagiftrat fid) weigere, ?(rbeiteraii<?fd)üffe ein3ufchen, 
baf) auf Eingaben ber Arbeiter niemals geantwortet werbe, baß bie 
Löhne bei ben Vkfferwerfeu nicht nach bem Dicuftalter, fonbern 
nad) ber SEBiflfiir ber unteren Veamten geregelt würben 2c. Ve- 
fdjloffen würbe, ben Viagiftrat nochmals 311 erfudjen, eine Unter* 
fndjung ber Vtaßregelung einzuleiten unb bie ©iebereinftelliing ber 
(^cmagregeltcn 311 oerfügeu. — Gs wäre Pflicht ber Verliner ©tabt* 
ocrwaltung, offen oorliegeube Viiggriffe nadjgeorbneter Drgane 
gut3itmait)en nnb ben ^rioatunterncljmern in ber Vehanbluug ber 
Arbeiter mit gutem Veifpiel oorangugehen. 

Der Verein für ^anM«ngS=SommiS Uon 1858 in Hamburg jäljlt 3. St¬ 
über r.snou ^liigebörigc, barunter über Töou etablirtc unb imterftiipenbe 
Viiigliebcr. Die Vereiiivangebörigen ucrtljeilen fid) über eine grofje 
2111,3a01 s ^[äpe bey Deittfdien ^ieidje«, be* aiiüerbeutfdjcu Guropa 
imb überfcciidjer Räuber. ?lujjcr feiner foftenfreien ©tellenuermittelimg 


(jeht etwa 78000 feit Veginn biefer feiner Dhätigfeit) gewährt ber Verein 
u. ?t. ben Veitritt 3 U feinen oerfchiebenen SßohlfahrtSfaffen. Die 
fionSfaffe (HtlerS», ^aoaliben», SBittwen® unb SBaifenuerforgimg), er* 
richtet am 1 . 3 uli issß, ^äblt gegenwärtig etwa 7450 V?itglteber. 
Das .taffenoermögen beträgt über 4 800000 M. GS erhalten 97 Ver* 
foneu, unb jwar oiermibfiebeiijig 29ittwen unb breiunbjwanjig ^noaliben 
Die Venfionen in ben ^ödiftbcträgen. 3uSgefammt 3 al)lt bie Äaffe 
augenblidlich an jährlichen ^enfionen bereits über 53 000 JC Die 
Traufen* unb Vcgräbnifjfaffe beS Vereins, eingejd)riebenc 
^ülfsfaffe mit greisiigigfeit innerhalb bes Deutfd)en 9tcid)es mit oößig 
freier ^Irjtwahl für Rechnung bcrÄaffe bei GrwerbSunfähigfcit ( s ?lrbeits* 
unfähigfeit), hat 3 . 3t- über 8900 Viitglicber. ©ie zahlte an .Siranfen* 
unb Vcgräbnifjgclb feit bem 1. ^ali 1 S!sl ö bis jeht über 1 500 OCX) M. 
aus. Dtc Unterftüj)iuigS s Äoimniffion gewährt Gelbunterftüpungcu in 
5ßotl)fäÜen, BefonberS wenn biefe burch ©teßenlofigfeit herbeigefitbrt 
wirb, ©ie oerausgabt jährlich etwa 50^0 M. Hubcrbem ift ber 
Verein no<h eifrig bemüht, feinen 2J?itgltebem Velehrung unb Unter* 
Baltung 3 U bieten. 

5luS bem engltfchett Baugewerbe. Die Hoffnungen auf eine 
friebliche Beilegung beS burch unangemeffeiten gorberungen 
ber Lonboner ©hnfarbeiter h cra ufbefchworenen ©treiteS im eng* 
lifchen Baugewerbe fleinen fich nicht erfüllen 3U follen. Die 
Unternehmer haben jefet ihrerfeits ein Ultimatum geftedt unb brohen 
mit einer 2 luSfperrung ber Arbeiter für ben Sali, ba& es nicht an* 
genommen werben foüte. Slm 2. Vfär3 werben bie organifirten 
©tuefarbeiter barüber abftimmen. Unfer E. A.*£orrefponbent in 
Lonbon fchreibt uns hi^u: „Die crftaunliche Dhätigfeit, bie im 
Baugewerbe währenb ber lebten 3 ah^ gel;crrfcht hat, erflärt 3um 
großen Dheil bie Haltung ber „Nationalen Vereinigung ber ©tuef* 
arbeiter" in bem iefcigen ©treite. Der Vro3entfab ber Slrbeitslofen 
in ben gefammten Xrabe UnionS beS Baugewerbes, bie Berichte 
an baS Arbeitsamt einfehiden, ift nur wenig über 1 %, unb es ift 
wohl befannt, bajj feiner oon all ben ftarfen Verbänben ber Bau* 
arbeiter in einer fefteren ©tellung als ber ©ewerfoerein ber 
©ipfer ift. H ai| PW c hlich beSwegcu madjten bie AuSgleichSoerfuche 
fehr geringe gortfehritte, ber ©d)riftenwed)fel 3wifchen Unternehmern 
unb Arbeitern ift recht unoerföhnlich in feinem Done. Der Arbeit* 
geberoerbanb oerlangt Befeitigung ber „fchwai^en Liften" imb ber 
Begrensung ber LehclingSgahf- Darauf haben bie Arbeiter mit 
bem Verlangen nad^ einer gemeinfamen Berathung geantwortet 
nnb gleichzeitig bie 3 orberungent>er Unternehmer einer Abffimmung 
unterstellt. Diefe Gntfd)eibung haben wieberum bie Arbeitgeber für 
eine Ausflucht ange[ehcn, um bie Angelegenheit auf bie lange Banf 
3u fliehen, unb eine AuSfperrung für ben 6. Vfäq angebroljt. 
DaS ift ber augenbiidflid)e ©tanb ber Dinge, unb ber AuSgang 
beS ©treiteS ift noch 0an3 unficher. GS ift tief 3U Bebauern, baß 
bie Arbeitgeber fich fofort 3U einem fo fcharfen Borgehen ent* 
fchloffen haben. Die angemeffeitere ^olitif wäre gewefen, fich S«* 
nächft auf bie in Lonbon entftanbene Differen3 3U befd)ränfen, 
b. h- S u oerlangen, bafj ber ©ewerfoerein fich mii bem Prinzip, 
VSerfführer brauchten nicht Vfitglieber 3U fein, einoerftanben erfläre. 
3 m Uebrigert aber hätte mau eine Neoifion ber geltenben Verein* 
barung in atter Nuhe oornehmen fönnen." 

Der ©ewerfoereitt ber $effelfdjmtebe tu ©iglaub. Der Nütf* 
tritt bcS H e n:n V. ^night oon bem faft 30 3 ahre geführten Amte 
beS ©eneralfefretärS biefeS mächtigen ©ewerfoereinS ift bereits be* 
richtet worben. Vtit Befriebigung, fo wirb uns aus Lonbon ge* 
fchrieben, fönnen wir jefet mcloen, bafj ber Verein, für ben er [0 
Diel aethan hat, nunmehr einen Bkg gefunben hat, fid) auch fünftig 
ben SRath nnb bie Unterftühung biefeS heroorragenben Arbeiter* 
führers 311 ficheru. H en: Änight hat beit $often eines beratljenben 
©efretärS angenommen, unb fo faitn feine reiche Grfahrung weiter 
nufebar gemacht werben: „UnfereS GrachtenS ift biefe neue Stellung 
^night’S einsig in ihrer Art, unb cS ift ein großer Vortheil nicht 
nur für biefen einen ©ewerfoerein, fonbern auch für baS gan3c 
©cwerfoereinSwefen, bafj bie Dienfte biefeS oon Unternehmern unb 
Arbeitern gleichcrmeife gef (hätten, einftchtSoollen VtanncS auch 
fünftig in Anfpruch genommen werben fönnen", fchreibt unfer 
Sforrefponbent. 

Organtfatian ber Arbctterinnen in Bubapeft. Die Vubapefier 
Arbeiterinnen, welche fidb bisher ber Arbeiterbewegung gan3 fern* 
gehalten haben, grünbeten biefer Dage einen ©djutjoerein ungarifcher 
Arbeiterinnen, beffen 3 wccf eS fein wirb, bie gemeinfamen 3 ntcr* 
effen ber Arbeiterinnen 31t wahren. Der Verein bilbet einen DBeil 
bes LanbcS*©d)ubocreinS ber Arbeiter unb hat feine Dhätigfcit be* 
reits begonnen. Das Programm beS ArbeiterinncnfchuboereinS 
umfaßt folgcnbe fünf fünfte: 

1. o'iitnücflung bev fojialen Lebens ber Arbeiterinnen in patrioti* 
fdiem (Reifte; 2. Vfeinimgsäufjcvimg in Angelegeiilieit all jener Wcfepc 
nnb Verurbnnngen, wcldjc bic ^nicreffcn ber Arbeiterinnen berühren; 




693 


Soziale Btajrtg. Eentralblatt für ©ogiatpolitü. Br. 22. 


594 


3. Erörterung ber graueninbuftrien in Brojdjüren unb 3eitungsartt!eln; 

4. Sammlung ber auf bie Arbeiterinnen bezüglichen auswärtigen ©e» 
fefec; 5. Schub bcr fogialen Sage ber Arbeiterinnen. 

©er herein befahl ftd) nid^t mit ^oliti! unb will feine 3ielc 
auf gefefclichem BSege unb in patriotifchem ©eifte auf ber Bafig 
beg Programms ber nationaIbemofratifcf)en Arbeiterpartei oerwir!* 
litten. An ber ©pi^e beg Vereins ftefjen augpiiehlid) grauen, 
©er Bereut fjat einen Aufruf an bie Arbeiterinnen erlaffen, ber 
audj in ber ^romng, namentlich in ©gegebin, ©ebrecgin unb 
©atoralja*Uihelg, lebhaften BMberfjaH gefunben hat. 


TUbeitrrfdjutj. 


Bcauffidjtigung ber Gruben bitrdj Arbeiterbertreter in ©roh' 
britamuen, granfreitb nnb Belgiern 

®ie „©ogiale B r °£te" hat in Br. 17 unb 18 eine augführ* 
Ipe Darlegung ber Einrichtungen mitgetheilt, bie gur ©ruben* 
aufficht burch Arbeiteroertreter in ©rofebritannien, granfreicf) unb 
Belgien getroffen worben finb. Eg gefd^a^ bie Beröffentlpnng 
biefer Auffäfce aug ber gebet beg Herrn ©taatgminifterg grei^errn 
r. Berlepfd) im §inbli<f auf bag Borbaben, auch in Sßreufjen einen 
unteren Beoifiongbienft gu organifiren. gefet wirb oon ©eite beg 
preufeifcben BtinifteriumS für fmnbet unb ©eroerbe ber amtliche 
Bericht oeröffentlicht, ben bie feiner 3*it gum ©tubium ber be* 
treffenben gnftitutionen entfanbte ftaatlicbe tommiffton erstattet 
bat. ©a bie äRittheilunaen btefeg Beridjteg eine werthoolle Er* 
gängung ber an biefer ©teile bereite mitgetbeilten Abführungen 
bilben, fo geben mir bem bie ©rgebniffe ber ©tubienreife gu* 
fammenfaffenben „Büdblicf" b^r Baum, Eg h e i&t ba, roie folgt: 

„2öie ficb aug Borftebenbem ergiebt, ftnb mit ber Einrichtung 
ber Auffptebelegirten im Allgemeinen in ©nglanb günftige, in 
granfreicb bagegen wenig günftige Erfahrungen gemacht 
roorben. 3^ar ift bie Einrichtung in ©nglanb*) nur auf einem 
£beil ber ©ruben gur Einführung gelangt unb auf manchen mieber 
aufgegeben worben, weil beren Arbeiter bag gntereffe an ihr oer* 
Ioren bitten. Auch wirb oon ihr auf ben ©ruben, wo fie noch 
bejtebt, meift nicht in bem ooHen, gefeblidf) guläffigen Umfang ©e* 
brauch gemacht, ©ie wirft jeboch hier gu all fettiger 3 Us 
f rieben beit. Bamentlid) ift bieg auf ben ejplofionggefäbrlichen 
©ruben in üRonmouthfhire unb ©übwaleg ber gatt. ©ie Arbeiter 
feben in ihr bie Erfüllung einer wichtigen gorberung. gür fie ift 
eg eine Beruhigung, gu wiffen, bah bte ©ruben oon ßeuten, bie 
ihr Bertraiten befifcen, auf ihren ©icberbeitgguftanb unterfucht 
werben, unb bah über etwa oorbanbene ober befürchtete ©efahren 
bem ftaatlichen Bergwerfginfpeftor Angeige erftattet werben mufj. 
©ie Bergwerfgbefther unb beren Bertreter erfennen biefe gorberung 
ber Arbeiter alg gerechtfertigt an. ©ie erblicfen in ber Einrichtung 
ein Biittel, burch weicheg etwaige ©erüchte über oorbanbene ©er¬ 
fahren am beften gerftreut werben fönnen. SSenn fie ft<b auch 
angeblich burch Unterfuchungen ber ®elegirten in ihrer Ber* 
antwortlichfeit nicht entlaftet fühlen, fo ift eg für fie hoch bei 
größeren Unglücfgfallen eine gewiffe Befriedigung, wenn fie ficb 
barauf berufen fönnen, bah nach bem legten Befunb ber Auffichte* 
belegirten eine nachweisliche ©efabr oor bem Unfall nicht befianben 
bat. Obwohl burch bie Befahrungen ber ©elegirten manchmal 
unmittelbare ©efahren oerbütet werben, fo wirb hoch ber haupt* 
fächlichfte praftipe Bugen ber Einrichtung oon ben Arbeitgebern 
unb, wie eg fcheint, auch oon ben meiften Arbeitern barin gefeben, 
bah ihr Befteben für bie unteren ©rubenbeamten einen Anfporn 
bilbet, bie ©rube in gutem 3aftanb gu erhalten. ©ie Augwabl 
ber belegirten giebt ben Bergwerfgleitern feinen Aniah gur 5riage. 
®iefe erfennen an, bah bie belegirten im Allgemeinen wabrbeitg* 


*) gn ©rohbritannien fönnen — nach bem HommiffionSbericht — 
bie in einem Bergwerfe befchäftigtcn Berfonen oon 3*it gu 3 e it gwei 
aus ihrer Brittc ober gwei nicht als BergwerfSingenicitre thätige ?j$er* 
fönen, welche aftioe Bergleute finb, beftellen, um bag Bergwerf auf ihre 
eigenen .Höften gu befiebtigen, unb ben fo befteHteu ^erfonen foU eg ge* 
ftattet fein, wenigfteng einmal in jebem 2Ronat jeben 2beil beg Berg* 
werfg gu befahren unb gu befichtigen. ©ie füllen fobatm einen wahr* 
heitggetreucn Bericht über bag Ergebnis ber Beftchtigung erftatten. 
SSenn ber Bericht eine oorbanbene ©efabr ober bie Beforgnif 3 einer 
foldjen fefiftcUt, fo foH ber Eigenthitmcr, ber Bepräfentant ober Betriebs* 
fübrer eine getreue Abfdjrift beg Berichtes an ben gnfpeftor beg Begirfeg 
einfenben. Augfübrunggoorfchriften gu biefer Befttmmung, insbejonbere 
über bie Bcgclnng beg ü&abloerfahreuS ober über bie Hofteneiugiefjung, 
finb nirfjt ergangen. Xic Ausführung ift fomit ben Arbeitern felbft 
iibcrlaffen unb oon biefen überall in Anlehnung au ihre ohnehin bc* 
ftehenbe freiwillige Drganifation gefcheben. 


getreue Berichte liefern unb feiten übertreiben, wenn fie auch 3 U * 
weilen gu oxel $Ieinigfeiten bemängelten. ^Reibungen über oor* 
gefunbene ©efahren, wegen beren eine Beftrafung eineg Arbeiterg 
erfolgen fönnte, fcheinen nicht oorgufommen. S)o<h finben bie 
Bergwertebefther an biefer Xhatfache nichts auSgufefcen, ba fie unb 
bie Arbeiter bie Hauptaufgabe ber belegirten barin erblicfen, ben 
©icherbeiteguftanb ber ©rube begüglich beg Auftreteng oon ©cfjlag* 
wettern, beg 3 u ^ an ^ e ^ & er Söetterftrecfen, BBettertbüren u. f. w., 
alfo begüglich fold^cr fünfte, auf welche bie Arbeiter feine ober 
nur geringe ©inwirfung haben, gu prüfen. Auch bie ftaatlichen 
Bergwerfgtnfpeftoren halten bie Einrichtung für wertbooll; gwar 
weniger begbalb, weil burch fie unmittelbare ©efahren oer|ütet 
würben, alg weil fie bie ©rubenbeamten anfporne, bie ©rube in 
Drbnung gu halten. Bßie weit bie Einrichtung mittelbar unb un* 
mittelbar günftig auf bie UnfaUftatiftif eingewirft hat, Iäfjt ftch 
auch annähernb fchäfeen. ©ie töbtlichen Berunalücfungen 
unter ©age beim Bergbau ©ro&britannieng unb SAanog haben 
betragen auf 1000 unterirbifch befchäftigte $erfonen im ©urd)* 
fchnitt: 1865—1870 3 , 995 , 1871 — 1875 2, 736 , 1891—1895 1, 704 . 
©ie haben alfo feit 1872, b. h- feit bem Beftehen ber Einrichtung, 
bebeutenb abgenommen. Beben ber Berfcfjärfung ber Betriebg* 
oorfchriften unb ben freiwillig oon ben Bergwerfgbefifcern ge* 
troffenen Berbefferungeit an ben BetriebgeinriAtungen wirb ein 
gewiffer Antheil an biefer Berminberung ber Unfälle auch ber Ein* 
richtung ber Aufft<htSbelegirten gugufchreiben fein. 

,,3n Sranfreich*) hat bag ©elegirtengefefc bie SBünfche ber 
Arbeiter nicht ooÜfommen gu beliebigen oermocht. B3ie aug beit 
Augfagen ber ©elegirten h^roorgeht, bie im Sahre 1895 oon ben 
gur Unterfuchung ber Arbeite* unb ©icherheiteoerhältniffe in ben 
©ruben oon ber ©eputirtenfammer eingefefcten ^ommiffioit über 
bie Söirffamfeit beg ©efefeeg 00 m 8. Sali 1890 oernommen würben, 
waren bamalg bie ©elegirten mit bem ©efefc hauptfäd)tich beghalb 
nicht gufrieben, weil eg ben ©elegirten nur geftatte, eine befchränfte 
3ahl oon Befahrungen gu madjen, unb weil eg ihnen gu geringe 
Befugniffe gewähre. Einerfeite genüge bie gugelaffene 3«hl bei 
Befahrungen nicht gu einer wirffamen Beauffichtignng, ba ber 3a* 
ftanb ber ©rube gu fchnett wechfele, anbererfeitg reiche bie Ent* 
fchäbigung bafür nicht aug, bie ©elegirten oöllig unabhängig oon 
brii Bergwerfgbefihern gu machen. Aufjer ben ihnen burep bag 
©efefc gewährten Befugniffen oerlanaten fie u. A. bag Bed^t gu 
haben, einen BetriebSpunft, ben fie für nicht genügenb bewettert 
hielten ober an bem fie fonft bag Borhanbenfein einer ©efahr oer* 
mutheten, big gur Anfunft beg ftaatlichen Sagenieurg einguftellen 
unb ftch bei Unterfuchung ber ©djlagwetter ber Bieter ßampe be* 
bienen gu bürfen. ©ie wünfehten ferner, bah aicht nur oon 
eingetretenen töbtlichen unb folgen Berlehangen, bie ftch fagleich 
alg fchwer hcraugfteHen, fonbern oon jebem Unfälle in 5?eimtnif5 
gefegt würben, burch ben ein Arbeiter genötigt fei, feine Arbeite* 
ftette gu oerlaffen, unb bafe ihnen geftattet würbe, in allen biefen 
$äHen eine Unterfuchung oorgunehmen. BSie bie ©timmung ber 
Arbeiter über bag ©efefc gegenwärtig ift, fonnten wir mit ©per* 
heit npt in Erfahrung bringen. Bach ben Btittheilungen prioater 


*) Jn granfreicb tft — nach bem HommiffionSbericht — bie Ein* 
richtung burch ba§ ©efeh 00 m 3. guü 1890 gefchaffen worben. Bcp 
ihm werben burd) bie ©rubenarbeiter 2)elegirte bcftcllt, welche bie unter* 
irbifdjen Arbeiten ber Bergwerfc, ©räbereien unb ©teinbrüche gu bem 
augfd)UeBlidjen 3mecfe gu befahren haben, bie Borfehrungen für bte 
Sicherheit beg bafelbft befd)äftigten BerfonalS unb anbererfeitg bei Un* 
fällen bie llmftänbe gu prüfen, unter weldjeit ber Unfall ftattgefunben. 
^er ©)clegirtc ift oerpflichtet, gweimal im Btonat fämmtliche ©chädjte, 
©treefen unb Arbeitsorte feines AuffptSbegirfeS gu befahren unb bie 
Einrichtungen gu befichtigen, welche für ben Bericht* unb bie Beförbcrung 
ber Arbeiter bienen. Aufjjerbem muh er uuoergüglidh bie 0rtc befichtigen, 
100 ein Unfall fief) ereignet hat, ber ben 2ob ober bie fdjmere Bcrlepung 
eines ober mehrerer Arbeiter hetbeigeführt hat ober bte ©idjerbeit ber 
Arbeiter gefährben fann. 2;er Betriebsunternehmer muh bem Xclcgirten 
fofort oon jebem Unfälle Badjridjt geben, ^er ^elegirte hat feine 
Söahrnehntungen bei jeber Befahrung an bem näntltdjen ober fpäteftens 
an bent folgenben Jage in ein befonbcreS Budj eiugntragen, wcldjcs 
ber Betriebsunternehmer gu liefern hat unb welches ftets auf ber Jages= 
anlage bes SSerfeS gur Einficht ber Arbeiter bereit liegen muh. Ter 
Jelegirtc barf fid) bei feinen Befahi*ungen nur mit tcdjuifdjen grageu 
befaffen, bie für bie Sicherheit ber Arbeiter oon gntereffe finb; er hat 
fid) ber Einmifchung in jeber grage ober gorberung, bte bem ^un'rf 
feines Amtes fremb ift, gu enthalten. Jie s BahI ber Xelegirtcn imb 
ihrer ©tclloertretcr erfolgt für brei gafjre unb ift geheim. Xie burd) 
bas ©efep oorgefdjriebeucn Befahrungen finb bem'Xelegirteu aus ber 
©taatsfaffe als Arbeitstage gu bcgaljlnt. Xic oon ber ©taatsfaffc oor* 
gefdjoffcnen Höften finb oon ben BctricbSiuiternehmcrn wie bereite 
Steuern wieber eiugugteheu. 



505 ©o^iatc ^?ra;riS. Eentralblatt für ©ogtalpolitif. Ar. 22. 506 


mtb ftaatlirfjer Bergbeamten hat baS Qntcrcffc für bic (Einrichtung 
bei ben Arbeitern mehr unb mel)r nadjgelaffen. Tie ®elegirten 
fclbft uerbalten fiel) meift ruhig. 3unt Theil roirb biefe Erfdjemung 
allerbingS barauf gurücfgu führen fein, bah es ben Arbeitgebern 
nielfach gelungen ift, bie 2£af)l folcher Telegirten gu oerbinbern, 
bie ben Ärbeiterfpnbifaten angeboren. Tie Befürchtungen, bic f. 3*- 
oon beit BergroerfSbefibern geäußert nmrben, bah bie Einrichtung 
ber Telegirten uermebrten Atüah gu ©treitigfeiten unb AuSftänbeit 
geben mürbe, haben fich, roenigfteitS roas bie erfteu 3aljre beS 
BeftebenS ber Einrichtung betrifft, als nicht unbegriinbet erroiefett. 
Tie in ben erfteu fahren nach Erlab beS ©efefceS gewählten Te* 
legirten mären auf uielen (Gruben ^erfoiten, bie ben BergroerfS* 
befifeern feinblich gefinnt roaren unb bagu beitrugen, bie Beziehungen 
groiftben ben Arbeitern unb ben ©rubenuerroaltungen gu ucr* 
fchlechtern. f>eute, nachbent es festeren, mie gefagt, uiclfacb gelungen 
ift, ben entfdjeibenben Einfluß ber Arb eiterfpn bi täte auf ben AuS* 
fall ber Telegirtenroaf)len gu brechen, unb nachbent jefct in ber 
Btefjrgabl Telegirte befteUt finb, bie ben ©rubenuerroaltungen ge* 
nel)m finb, haben bie Befürchtungen nadjgelaffen. Ein großer 
Ztyil ber Arbeitgeber hat fid) baher gegenwärtig mit beut ©efefc 
abgefunben unb fühlt fich burch bie Einrichtung nicht mehr be* 
Iäftigt.' Eine praftifebe Bebeutung rnirb biefer aber aud) je^t nur 
non wenigen BergmerfSleitern gugeftanben. Tie Bieifteu finb ber 
Anfidjt, bah ben Telegirten bie nötigen Borfenntniife gu einer 
mirffamen Ausübung ihrer Aufgabe fehlen, unb bah bie ftaatliche 
Aufficht burd) bie Bergingenieure unb Slontroleure oölfig genügt, 
©ie geben böcbftenS gu, bah bie Einrichtung auf fd)led)t geleiteten 
(Gruben oon günftigem Einfluh fein fönne. Ten Bielbungen ber 
Telegirten, unter benen mandjutal unuerftanbige Seute fein füllen 
unb benen man oorioirft, bah fie niemals folchc Biätigel angeigett, 
raelche Arbeitern gur Saft fallen, roirb je^t im Allgemeinen menig 
(Vernicht beigelegt. Aud) bie Anficht ber ftaatlidjen Bergbeamten 
über ben SBerth ber Einrichtung ift nicht übereinftimmenb. Einige 
ueranfchlagen ihren Aujjcn fehr gering unb glauben, er fei nur 
auf ben ©ruben oorbaitbett, bie fdjledjt geleitet finb. 3 U einer 
loefentlidjen Biitroirfung an ber Beaufficbtigung ber ©ruben fehle 
ben Telegirten bie Borbilbung. 3b re Bielbungen enthielten meift 
«Stleinigfeiten, feien häufig übertrieben unb gäben feiten Aniah 
amtlicher Unterfujhung. Tie Telegirten fdjeiitctt fid), Biätigel, bie 
Arbeitern gur Saft gelegt roerben mühten, gur Angeige gu bringen. 
Es feien manchmal Seute, bie bitrd) ihr geringes Berftänbuih fclbft 
(Gefahren henmrriefen. Anbere ftaatliche Bergbeamte legen bagegeu 
ber Einrichtung eine nicht nncrbeblidie Bebeiitung bei. Bi an fönne 
gmar oon ben Telegirten feine mahgebenben ©utad)ten über Abbau* 
methoben, bie Urfadjen üou ©cblagrocttererplofiouen ober fonftige 
fchmierige fragen ermarten, aber für bie llebermachung uon Eingel* 
heilen beS Betriebes leifteten fie uüplidje Tienftc. Tie hiergu 
nöthige ©achfenntnih mürben fid) bie Telegirten, fomeit fie ihnen 
fehle, im Saufe ber 3 e it aneignen fönnen. ®er eigentliche 3wecf 
ber Einrichtung, bie Unfälle gu oerminbern, mürbe allerbingS noch 
beffer erreicht roerben, roenn bie Telegirteu «£>iilfsorgane ber ftaat* 
lidjen Bergingenieure mären uttb nicht unmittelbar oon ben Arbeitern 
gemählt mürben, ba b^bei feine geniigenbe ©ernähr gegeben fei, 
bah bie SSahl auf einen erfahrenen Arbeiter falle. Bei einer 
auberen als ber unmittelbaren B*af)l mürben bie Arbeiter aber 
nicht baS nöthige Bertraucn gu ben Telegirten haben, auch roerbe 
babei berjenige BSerth ber Einrichtung, meid)er barin beftelje, bah 
eS für bie Arbeiter unb bas grofje s ßiiblifnm eine Beruhigung fei, 
gu roiffen, bah uad) gröberen 11 itglihfsfallen roirflidjc Bertrctcr ber 
Arbeiter ihre Anfidjt über bie Hrfadjeit barlegen fönnten, in 3 rage 
gefteUt. AuS ber ©tatifiif ber beim Bergbau Jyranfreid)S in ben 
iehteit 20 3afjreit uorgcfomtiicueit töbtlichen Berunglütfiingeit ift 
crfidjtlid), bah bie 3 fl bl biefer Unfälle feit 1891, b. b. feit bem 
Bcftehcit beS TelegirtengefepeS erheblich abgenommen hat. 3n 
welchem B?ahe bie Telegtrtnieinridjtung an biefer Abnahme mit* 
gercirft hat, läht fich fdjmer fagen. 

„Tie ©rünbe, meShalb mit ber Eiurid)tung ber Täegirten in 
A-ranfreid) meuiger giinftige Erfahrungen gemadjt mürben finb 
als in Englanb, finb nuferer Anficht uadj gum 2heil auf baS 
Telegirtengcfeb fclbft gnrncfgufiihren, bas in eingelnen Beitimmungcn 
erheblich oon ber betrcffcubcii englifd)cii Borfdjrift abmeidit. ^ie 
übligatorifche Einführung auf allen (Gruben entfprach anfdjeiuenb 
nidit beut Bebtirfnih unb mar aud) iufoferu roobl faum gmcif* 
lixäfgig, als auf menig gefährlichen ©ruben erflarlidjermeiie bas 
3ntereffe ber Arbeiter an ber ©ad)c halb erlahmen muhte unb gu* 
gleid) für bie Xelegirten bafelbft bie Bcrfndjnug bcfouberS nahe 
lag, in ihren Bielbuiigen Mleinigfeiten gu bemängeln über fid) um 
auherhalb ihrer Aufgabe liegeitbe Tinge gu flimmern, um ihre 


Thätigfett nicht als nufelos crfcheineit gu Iaffen. Tie Beftimmung, 
bah auch ehemalige Arbeiter gemählt roerben biirfen, begünftigte 
bte Beftellnng üou Telegirten, bie ben Arbeitgebern feinblich gefinnt 
mären unb beShalb ihr Amt nicht immer rein fachlich ausübten. 
Tiefe Beftimmungen, fomie bie Uebertragung ber Soften auf bie 
Bergmerfsbefifeer muhten biefe uon uoruherein ber Einrichtung ab* 
geneigter machen, als eS bei Einführung einer bem eitglifdjen Bor* 
hübe entfprecheitbeu Beftimmung nermutblid) ber öaÜ gemefen 
märe. 3um aber aud), unb Dielleicht fogar überroiegeitb, 

bürfte ber (>)ruitb für baS ungleichartige Ergebnis in beiben 
Säubern iit auberen ilmftäuben, nämlich in ber Berfchiebenartigfeit 
ber Aufficht unb Seitung ber ©ruben, fomie ber Berfdjiebeuartigfeit 
ber Arbeiteroerhältniffc liegen. . . . llngmeifell)aft ift bic ftaatliche 
Aufficbt in ©rohbritaunieit bei Söeitem fd)mächer als in Sraufreich- 
Slber aud) in Begug auf bie Seitung ber ©ruben ift nach unferen 
Beobachtungen ein mefentlicher Unterfdjieb titfofern oorhanben, als 
bie 3al)l ber miffcnfdjaftlid) gebilbeten ©rubeningenieure, auf bie* 
felbe Einheit uon Arbeitern begogeu, in A-ranfreid) gröber ift als 
in Englanb. ... 3a A-ranfreid) empfinbeit bie Befijjcr unb Seiler 
ber ©ruben bei ber ausgebehnteren ftaatlichen Auffidjt unb ber in* 
tetifiueu ©elbitübermachung, guntal auf menig gefährlichen Betrieben, 
ein Bebürfnih nach Entlastung in ihrer Bcrantmortuug nicht. Aaft 
auf allen ©ruben in Englaub haben fid) bie Arbeiter in ber s Beife 
organifirt, bah jebe Belegfdjaft ihren ftänbigen AuSfchuh hat. 
llntereiitanber haben fie fid) meift gu ©raffchaftSuerbäubeit gu* 
fammcngcfdjloffeu. Tie 3ntereffeu ber eingelnen unb ber gefammten 
Arbeiter, fomeit eS fid) um Sohn* ober fonftige ArbeitSangelegen* 
heilen hanbelt, merbeu in erfter Sinie uon bem AuSfdjuh ber be* 
treffenbeu ©rube, in gmeiter uon bem EiraffchaftSuerbanbe roahr* 
genommen, bie beibe oon ben Arbeitgebern als berechtigte Bertreter 
anerfannt merbeu. 3n Sranfreid) fmb bie Arbeiterorganifationen 
folcher Art nicht oorhanben. 

„Heber bte Einrid)tung in Belgien*) liegen bei bereit Neuheit 
noch feine Erfahrungen uor. 3» Belgien finb bie Berhältniffe für 
eine Btitmirfung oott Arbeiteruertretern an ber Beanffichtiguug ber 
©ruben infofern günftiger als in 3ratifreidj, als bort bic (Gruben 
im Allgemeinen gefährlicher finb unb bie ^ er ftaatlichen 

Auffichtsbeamten geringer ift als in ßraufreich. Cb bte belgifd)e 
Eiurid)tuug aber beit an fie gefm'ipftcn Ermartungeit uoll ent* 
fpred)ett roirb, erfdjeint uns fraglich. Bcrgleid^t man biefe Ein* 
rid)tung mit ber fraugöfifchen, fo ift gugugebett, bah belgifche 
in geroiffer Begiebung iuefentlid)e Borgiige uor biefer befi^t. Ta* 
burch, bah bie Telegirteu nicht unmittelbar oon ben Arbeitern ge* 
mählt, fonbern uom Biiitifter ernannt merbeu, uitb gmar an» einer 
3ahl üdu Ifanbibaten, bie uon einer je gur .v>älfte oon Arbeitgebern 
unb Arbeitern befteljcnben Äörperfdjaft oorgefchlagen merbeu unb 
bie eine lange praftifchc Erfahrung nub gemiffe theorctifche Slennt* 
niffe aufgnmeifett haben, ift eine gröbere ©ernähr bafür gegeben, 
bah £ eute beftcllt roerben, bie bie meifte ©ad)feuutnih befijjcn unb 
bie fid) auherhalb ihrer Aufgabe liegeitbcn Bcftrebungen fernhalten. 
Tie Beftelluitg biefer Telegirteu als ftänbige «fülfSorgane ber 
ftaatlichen Bergingenieure, beren Attmcifungen fie Öolge gu leiften 
haben unb uon benen fie über bie Erfüllung ihrer Aufgabe unter* 
roiefen roerben, ift geeignet, bie BMrffamfeit ber Eiitridjtnng in Be* 
gug auf bie Bcrminberung ber Unfälle gu erhöhen. §>iergu uertnag 
roeiter ber llmftanb beigutragen, bah beit Telegirten neben ber geft* 
ftellung uon Biängeln, bie fie bei ihren Befahrungen oorfinbeit, 
unb ihrer üJiitmirfung bei llufallunterfud)utigeu auch Aufgabe 
gugemiefett ift, 3amiberl)anblungcn gegen bic berggcfeJjUdhen unb 


■ ) 3n Belgien ift bac> C'tcfep uom 11. April 1*07, betreffeub bic 
Einfctmug uou Telegirten gur Bemtfuditigiiug ber Bergiuerfe, meld)es 
jcdis Sonate uad) feiner Beröffeutlidmng in Mratt getreten ift, maj> 
gebeub. Ev beiiimmt uad) bem .MoiumifiioiK'beridn, — bafj alle bret 
X x \al)re biejenigeu Abtbeilungen ber ^nbuftrie* nub Irbeitörätbe, meldje 
bte 3teinfobleuiubu[trie nertreteu, beut Siuifter für onbuftric unb 
Arbeit Manbibaten uorguidilagen haben gur Aufteilung als Tele* 
girte für bie Beauffiditiguug ber unterirbifdjeu Betriebe auf 
ben ©teinfoblenbergiuerfeu. Xie Angabi, ('U'öfve unb Begrengung ber 
Auffidirsbegirfe ber Telegirteu merbeu alle brei ^abre burd) ben Meinig 
feftgefebt. Es follen iiiiubefteÜS 7t;» unb bödtftens 15 Auffidjtsbcgirfe 
befteben. AÜr jebe ©teile eines Telegirteu finb meuigfteus gmei Atau* 
bibaten uorgufddageu. ©ic .Uaubibateu niüffeu u. A. utiubeftens 
io 'sabre als Bergarbeiter ober Auffeber in bem betrerfenbeu ober in 
einem augrengeubeu Be gilt tlüitig gemefen feilt. Xic Ernennung bes 
Telegirteu erfolgt burd) ben Sin ift er auf brei ^abre. 'veber Teiegirte 
bat bie uuterirbifdieu Betriebe feines Auffiditsbegirles iitinbefteus 18 mal 
im Senat gu befahlen unb Bmdit gu erftatten, ber ben Arbeitern gu* 
gäitglidi ift. ©ie Telegirteu erhallen aus Staatsmitteln eine jabrlidic 
Emiibabigiing oon l v on v\r. unb Mleifefofieu. 



(Soziale grafte. Gentralblatt für ©ojtalpolittf. Rr. 22. 


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Bergpol^eiH^cn Vorfchrifteit 3 ur A^eige 31 t Bringen. 3hve An« 
fteÜung mit einem feften auSfömtnltdjcit 3af)reSgehaIt fiebert ihnen 
eine größere Unabhängigfett non ben Arbeitgebern, als fie bie 
franjöfiftbeit Tclegirten "befifcen. AitbererfätS aber merbeit bie nad) 
bem belgifdjen Gcfep beftcDteit Telegirtcn fautn in bent Dtafte baS 
Vertrauen ber Arbeiter genießen, mie eS non biefen frei gewählte 
Vertreter befipen, jumal fie währenb ihrer Amtstpätigfeit ganj aus 
bem Arbeiterftanbe auStreteu unb fo 3 U fageit Veanite merbeit. T)ic 
Arbeiter merben iit fyolgc beffeit oieiletcbt 3 urii<fhalteitber in 
etroaigen Hn^eigen über 3 unnberhanblungen ber Beamten gegen 
bergpoti^eilicije SSorfe^rifteit, ober über oorbanbeitc ober befürchtete 
Gefahren fein. 0b bie belgifdjen T)elegiriett ihre Aufgabe ftets 
nach jeher Dichtung hin unparteilich, ftreng unb gemiffenhaft er* 
füllen merben, bleibt afyumartcu. Os liegt in ber Ratur ber 
©adje, bah bei ihnen bie Neigung jur Grubenarbeit mehr unb 
mehr abnehmen mirb. Tie Vermiithung bürfte baher nidjt gan$ 
unbegrünbet fein, bah einzelne Tclegirte roährenb ihrer AmtSthätig« 
feit alles ju ncrmeibeit fliehen merbeit, maS il;re SSteberroafjl oer« 
eüeln föunte, unb 311 bem 3 wert über manche llebertretungen 
gefeplid)er ober bcrgpolijeilidjer Vorfdjrifteit feitenS ber Arbeiter 
ober feitenS ber Beamten hiitroegfehcn merben, fomeit bieS, ohne 
in ben SScrbacfjt einer pfluhtnernadjläffigung 31 t geratljen, möglidj 
ift. Auch ber Gebattfe, bah fie fid) bei ftrenger Erfüllung ihres 
Amts Bei ihren Hanteraben, mit benen fie möglichermeife bemnöchft 
mieber 3 iifammen arbeiten tnüffen, unbeliebt ober gar oerhapt i 
machen fönnten unb bie Veforgnih, bah für fie ttadj Ablauf 1 
ihrer AmtSthätigfeit unter llmftänben fchmierig merben fönnte, 
mieber Arbeit 3 U finben, mag oiellcid)t auf ben Pflichteifer enteilter 
Telegirten nidjt ohne Ginfluh bleiben." 

TieS bie Grgebttiffe, 3 U benen bie Hontmiffion gelangt ift. 
Vemerft fei noch, bah bie Hotnmiffiott oom 18. bis 22 . April in ; 
Belgien, oott ba bis 3 um 6 . DJai in Sranfreid) unb fobann bis l 
jum 18. Dtoi in Ottglanb fid) anfhielt. Auper ben Hauptftäbten, 
tn benen bei ben Gcittralbehörben nähere Grfunbigungeii über bie 
beftehettbc Ginrichtung uub über bie bisher im Allgemeinen mit 
ihr gemachten Grfahruttgen einge 3 ogen mürbe, bcfucfjte fie bie 
michhgften Vergbaube 3 irfe, unb 3 mar in Belgien DiottS unb Lüttich, 
in Tvranfreid) Rorb, paS be GalaiS unb 8 t. Gticitne unb in Gttg« 
lanb ben ©üb*V$eft=Ve 3 irf ( s JÜioninouthfhire), ©üb*VktleS, Rero* 
caftle (Rorthutnberlanb), Turbant unb gjorffhire. ©ie begnügte 
fid) nidjt bamit, bie Anficht ber Vergbeljörbeit über ben Gegeitftanb 
3 U hören, fonbern fudjte and) fo oiel mie möglich bie ber 33er g« 
merfsbefiper ober ihrer Vertreter unb bie ber Arbeiter in Grfahrnng 
3 u bringen. (Vercjl. aud) Sp. 581 biefer Rümmer.) 

Ärbeltenjerfidjcrung. SporkalJen. 

Ablehnung beS GntumrfS ber Snualtben-SetfWjernng bnrdj bie 
Großinbuftric beS föeffeiti* Tie in 6 p. 507 ber ,,© 03 ialen Praxis" 
bereits ntitgefheilten AuSfcfjupanträge, bie im s Bcfentlid)en bie 
Vorfdjläge ber Rooelle, namentlich bie RcntenftcHeu unb bk attber« 
meite Verkeilung ber Rentenlaft ablehnen, fiitb am 20 . Februar 
in einer 311 Tiiffelborf abgehalteueii geuteiitfamen ©ipung beS 
33ereinS 3 ur Nahrung ber roirtpfdjaftlichen Suter eff eit in Rheittlanb 
unb SBeftfalcn, ber norbmeftlidjen Gruppe beS Vereins beutfdjer 
Gifen« unb ©tahtinbuftricfler, beS Vereins für bie bergbaulichen 
Sutereffen im 0 berbergamtsbe 3 irf Tortmititb, beS Vereins ber 
Snbuftriellen beS RegierungSbesirfeS Höht, forcic^ beS Verg« uub 
fnittentnännifchcn Vereins 311 6 iegen mit Ginftimmigfcit ab« 
gelehnt morbett. 

©tatiftif ber non ben Verfidjernngsanftalten übernomntenen 
Heilbcbanblnng. Als Vorbereitung fiir ben Xuberfulofefoitgrep 
bringen bie „Amtlichen Radjriditcu beS Reid)S=VerfidjeruugsatntS" 
3um erften Dfalc eine 8tatiftif ber Hetlbebanblttng, mie fie oott 
ben VerfidjerungSanftalten unb 3 iigelaffcnen Ha|feneinrid)timgcu 
gemäh S- 1- beS ^noalibitäts« unb Altcr*oer|iri)eningsgefepes über« 
nomutett morben ift. Tiefe ^urädjft für baSSahi' ls 97 bearbeitete 
©tatiftif beljaitbelt auf 19 boppelfeitigcu Tabellen mit erläuternben 
„Vorbemerfitngcit" neben bem Umfang ber Meilbehanblung and) 
bie erhielten Grfolgc, unb es ift eine .Aortfübrung ber Arbeiten 
in ber Vieifc beabfidjtigt, bah bie in jebent Malenberjahre erhielten 
Teilerfolge mäbreitb fünf aufeinanber folgenber Sabre teiufdjhefV 
Iidj beS VehaitblungSjahreS) in Ve^itg auf ihre Tauer einer forg* 
faltigen Aadjprtifung unterzogen merben. Vientt bie Tabellen er¬ 
leben (affen, bah im Sabre 1897 für 10 48-^ perfonett, morunter 
3508 toegen öiingcittuberfulofe unb 5573 megett anberer Reiben 
ftänbig Veljanbelte, iuSgcfammt nahezu 2 OOÖ 000 , l(. oott ben 


Selbftoermaltungsförpern beS SnoalibitätS« unb AlterSoerficherungS- 
gefefeeS aufgemenbet morben hnb, fo ift baS Ttcherlich ein für bie 
Volfsmohlfabrt beachtenSmcrtheS uub erfreuliches Grgebnih- Aller« 
bingS mirb mit Aecht ber Diangel an einljeitlidjeit Grunbfä(jett bei 
ben" einzelnen VerficherungSanftalten in 33 e 3 ug auf Art unb lim« 
fang ber Teilbebanbluug beflagt. Vielleicht bietet fid) bei Ve* 
ratljung beS bem Reichstage 3 ur 3eit oorliegenbett neuen GntmurfS 
eines SnoalibenoerficherungSgefehcS eine günftige Gelegenheit, ben 
offenbar oorhanbenen Diangel burch eine anbermeite Raffung ber 
gefeblichen Veftitnmuitgen 31 t befeiligen. 

Aetjtewuhl beit $raitfettfafftit. S» ber petttiouSfommtffiou 
beS AeidjstagS farit bte Petition be§ Acr^teocrbanbcs, bie bie Ab« 
änberuug beS Hranfenfaffcngefepes 311111 3merf ber Gtnfiibrung ber freien 
Aciztemäbl oerlaugt, 31 er Vcrbanblung. Tie HoifÄiiifiiou befddoh 
Uebcnueiiung ber Gingabe an bie Regierung als Riaterial. Gin 9ie= 
gicrungsfomntiffar erflärte, bah bie Regierung bie Vorgänge auf bem 
Gebiete bes .ttranfcuuerfirijcrungsmefcuS, uub bie 3 u ftänbe, bie fid) mit 
ber Seit entmicfelt batten, aufirtcrffam uerfolgc. Tic GefiditSpunfte ber 
pctentcri feien ber Regierung befattut, fte mürben aud) eingebettb er« 
mögen merbeit, fobalb man au bie Aettbcrung bes Hranfenoerfidjernugs« 
gefepes berantrete, 31 m 3 p it fd aber eine Gcfepesänbernitg allein und) 
ber oon ber Petition gemüitfchtett Richtung nicht tbunlid). 


^rbeit^nad)siei^. 

T>cr GeutralPerein für 9lrbeitSitafhtoeiS in Berlin hatte untätig ft 
eine Hommtffioit mit ber Ausarbeitung eines RormalftatutS für 
paritätifche SadjarbeitSnachmeife beauftragt. T>er .fommiffiott ge« 
gehörten an als Vertreter ber Arbeitgeber: Hommer 3 ienrath Richarb 
Röficfe unb Jahrifant ©eigert, als Vertreter ber Arbeiter: Former 
Hofften unb Ginfeher Dtiüarg, als ilnparteiifd)e: RegierungS« unb 
Getoerberatl) Sprenger unb Vorfifceitbcr beS Geroerbegerichts 
0 . Sdjul^; ben Vorfij} führte ber Vorfitjenbe bes GentraloereinS 
für Arbetlsttachroeis Dr. 0rreunb. T)ie Homtniffiott hat nunmehr 
ihre Arbeiten beenbet unb fich einftimmig auf ein Aormalftatut 
geeinigt, beffeit mefentlidje Veftimmungen folgenbe finb: 

Tie Vermaltuug unb Veauffiditigung bes für ein beftintmtes Ge« 
merbe erridjteteu Aadinrbeitsnadjmeifes liegt einem .Moratorium ob, bas 
aus je oier Vertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer unb einem 
jJiitgliche bes Vorftaubes bes Gentraloereius für ArbeitSuadtmeis als 
unparteiiidteu Vorfipcuben beftebt. Sm Giu^elneu bat bas Kuratorium 
folgenbe Aufgaben: Regelntähige Rcoifionen bes ArbeitSuadjioeisbctriebcs 
burd) feine Riitglicbcr, Gntidjeibung über Vcfdjmerbcn ber ben Arbeits« 
itadimeis benupeubeu Arbeitgeber uub Arbeitnehmer, Acftfcpuug ber 
Rornten für bie Ginridjtuug unb ben Vetricb bes ArbcitSnadjtocifes, 
Vnibl oon Veamtcu bes Ärbeitsuadimeifes uub Aeftfepung ber An« 
ftcfluugsbcbiiigungeu. Tie Arbeitsoermittelimg gcfdjicbt gntubfäplidr 
fofteulos: bod) mirb oon bem ben Arbeitsnachweis benupenbeu Arbeit« 
nebincr eine Koutrolgcbübr oott 20 Pfennigen erbobett, bereu Grträg« 
ttiffe in einen JvottbS 31 m Itnterftüpnng bülfsbebürftiger Arbeitnehmer 
fliehen. 

Tas ©tatut enthält feine Vorfchrift, welche irgenbmie bie Tyrei- 
heit ber Arbeitgeber in ber Annahme ber Arbeiter unb bie Freiheit 
ber Arbeitnehmer in ber Annahme oott. Arbeit beeinträchtigt. Gs 
mirb gehofft, bah bie alfo befdjloffcncn ©tatuten eine geeignete 
Grünblagc für bie Drgamfirung ber paritätifchen Öadjoerbanbs« 
nachmeife bilben werben. 

Art>eitcrn>al)(ett für ben ArbeitSnachtneiS ber Schauerlente m Hamburg. 

Am 20 . Februar erfolgte in geheimer Abftimmitng bie V5al)l ber brei 
Arbeiteroertreter unb ihrer Grfaplcutc für bie Vefdjmerbcfommiffiou 
biefcs Arbcitsitadjmcifes. OS mürben im Gatt 3 eu 3007 Stiinnzcttct ab« 
gegeben, 1742 fielen baoou auf fefte, 1205 auf Hilfsarbeiter. Vom Vor« 
ftanb ber „Dtitgliebfdiaft ber Trfmucrleutc" maren Crbttcr geftellt, bie 
Stimmzettel nahm ein Rotar in Ginpfaug, and) Vertreter ber Arbeit« 
geber maren aumefenb. Ter Vorgang uollzog fid), mie uns nitC’ Hamburg 
gefdu’iebeu mirb, in oolluer Ruhr- Gcmäblt umrbeii bie oon ber ,,R?it« 

| gliebfdjafr oorgefdilagcuen Kanbibateu. And) oon 3eiten ber Arbeit« 
geber finb bie V'ablcn für bie Vcidimerbe« unb bie Auffid)ts?foinmiffion 
oorgeuommeu morben. Tie Ausgabe oon Arbeitstagen an Hilfs« 

! arbeitet* ift 3111 ’ ^cit gefd)(offen, ba ber Vebarf geberft iü. Am 27. Acbrunr 
finb bie brei Radjmeisburcaur in Ibätigfeit getreten. 

ArbcitSnadjtoctS in Vclgicn. Girier 3 11 fammenftofl 11 ng beS bei« 
gifchctt Arbeitsamtes zufolge finb bereit unentgeltliche Arbeitsuad)« 
weife in Vriigge, Vriijfel, Gharlerot, (^leitt, Pierre, üüttid), Diahelu, 
Dtoits, paturage, ©djaerbeef, Touritai utib ©t. Ricolas in Tbätig« 
feit. Diedjeln, mo ber fatholifdje Arbciterocrcin einen uneiit« 
geltlid)eit ArbcitSnadjtoetS eingerichtet tjat, hat fiirzlid) bie < s )e= 
meiitbeoermaltung befdiloffnt, eine fommuuale Arbeitsbörfe ins 
öebeit 311 rufen. 



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Sogiale $raj;tS. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 22. 


600 


®eno)|enfdjaflsiinErcn. 

(Sine ©toller- (Sin* unb ©erfaufS'Bereintgung, 

bic erfte ihrer Slrt in $eutfdhlanb, ift im ®egember üorigen 3<*hreS 
als eingetragene ©enoffenfehaft mit befdjränfter Haftpflicht für 
Nfjeinlanb unb ©kftfalen gegrünbet roorben, ein Greignife, baS um 
fo freubiger gu begrüben ift, als eS roegen ber großen 9lngahl 
unb ber Berfchiebenbeit in ber ^SrobuftionSfraft ber über gang 
®eutfd)Ianb nerbreiteten $anbelSmühlen non oorn herein aus* 
gefdjloffen erfcheint, ber beftehenben Ueberprobuftion burcf) bie 
3ufatnmenfaffung in einem Kartell gu fteuern, unb als es beSfjalb 
bie Aufgabe ber in ihrer Ggifteng tjauptfächlich bebrohten ©iittel* 
betriebe fein rnufj, jebe nicht unbebingt gebotene Ausgabe anfS 
äu&erfte gu nermeiben unb ihren Slbfafc unter Bemtfcung jeher ©er* 
einfa(f)ungSmögli(f)feit gu organifiren. 

Sdjon längere 3?ü hatte man fich in ©tütterfreifen mit ber 
grage befefjäftigt, roie gunächft bem ©ii&ftanbe gu fteuern märe, 
ba& ©tehi unb ÖbfaUfabrifate non einem ©tiihlengebiete ins anbre 
überführt merben, ohne baf$ DualitätSnnterfchiebe bieS bebingen. 
@o merben, um nur ein Beifpiel angufiifjren, alljährlich betracht* 
liehe ©tengen ©Jehls non Berlin nach Hamburg unb mittelbeutfcfjen 
Stäbtcn nerfrad)tet, roährenb Berlin auch ftets gasreiche ©tehl* 

^ ren gleicher Dualität aus benfelben ©ebieten unb aus bem 
aufguroeifen h<*t- Slehnlich liegen bie ©erhältniffe überall 
in 2)eutfd)lanb, eine bebeutenbe Jrachtoerfchroenbung ift bie Öolge. 

tiefer ©tijjftanb hat ben Slnftoft gu ber ©rünbung ber neuen 
©enoffenfehaft gegeben, $>er ©orftanb beS rheinif<h*roeftfälifchen 
3meignerbanbeS nom ©erbanbe beutf^er ©tütter ^at gunächft in 
feinem Scho&e bie grage mehrfach erörtert; er ift gu ber nahe 
iiegenben Söfung, eine ©enoffenfchaft gur Drganifation eines ge* 
metnfamen SttbfabeS gu grünben, gefommen unb hat bann biefen 
2Beg energifdj befdjritten. ©?it einem fertig entmorfenen Statut 
ift er im 2)egember 1898 an bie D eff entlieh feit getreten, unb in groei 
©erfammlungen finb bereits 30 ©fühlen, bie gufammen etma 200 bis 
250000 t ©etteibe jährlich nerarbeiten, ber Bereinigung beigetreten. 
2Sie fcf)on biefe ©ermahlungSmenße erfennen läßt, finb es gang 
übermiegenb fleinere unb mittlere .V)anbelSmüfjIen; benn eS ergiebt 
fidf) eine burdjfchnittliche StageSleiftung non 20—301 ©etreibe für 
jebeS ©Jitglieb. $>ie ©renge mufj giemlid) tief liegen; benn in ber 
groeiten ©erfammlung hoben 11 ©fühlen mit einer ©efammtjahreS* 
oerarbeituug non 30—35000 t ©etreibe ober einer burdjfc^nittlicfjen 
£ageSleiftung non etma 10 t ihren ©eitritt erflärt. ©enauere 
3 af)Ien finb nicht befanut gemorben. 

^ie ©enoffenfehaft h a * fief) gunächft auf ein fleineS StrbeitSfelb 
befchränft; § 1 beS Statuts bezeichnet als ©egenftanb beS Unter* 
neuntens, „bie ©tühlenabfätte ber ©titglieber aus ihren ©efdf)äfts*, 
begro. gabrifbetrieben, insbefonbere grobe unb feine loggen* unb 
SBeigenfleie, burd) gemeinfchaftlithen ©erfauf unb beffere SluSnufcung 
ber ißreiS* unb gradjtoerfjältniffe angemeffen gu oerroerthen." $)er 
meit mistigere ©tehloerfauf ift roegen ber mit ihm uerbutibenen 
befonberen Sdjtnierigfeiten — eS fei nur bie Dualitätsfrage ange* 
führt — einftroeilen noch außerhalb beS £l)ätigfeitsberetd)es oer 
©enoffenfehaft gelaffen roorben. Sntmerhin hot man gu beamten, ba& 
bie fogenannten ©fühlenabfätte, bereit roidfjtigfter £eil bie $leie 
ift, im SDurdjfdjnitt etma J /3 bes NohftoffS auSmadjjen, unb es be* 
ftefjt bnrc^auS bie 2lbficf)t, audj ben ©tehloerfauf in bie §anb ber 
©enoffenfehaft gu legen, fobalb biefe fidfj erft etmaS eingelebt unb bie 
©titglieber an bie gemein[d)aftlicf)e Arbeit gemöljnt hot. ©tan mirb 
ben ©riinbern ber Bereinigung recht geben müffen, menn fie ben in 
feiner 9lrt erften ©erfuef) auf fleiuem ©ebiete madjen motten unb 
nicht ben ©rfolg burd) gu ^o^e 3iele non uorn herein gefährbett. 

^)ie ©enoffenfehaft ift nad) bem Statut nicht nur als ©er* 
faufSoermittlerin gebacht; fie fott oielmel^r felbftänbig bie gefammten 
©tüfjlenabfätte non ihren ©titgliebern laufen unb auf eigene SRedj* 
nung oerfaufen. ^)ie ©enoffen finb nerpflid)tet, nur an bie ©er* 
einigung gu liefern, unb bfl&en für je 100 kg ber etma oor* 
enthaltenen ©tenge ein in ben ©eferoefonbs fliefeenbeS Strafgelb 
non 1 Jf gu gahlen. ^)er ihnen fofort bei ber Lieferung gu 
gahlenbc $reis mirb oom ©orftanb unb 9luffid)tSrath gemeinfam 
non 3^tt gu 3 e il feftgefefct, ebenfo ber ©erfaufspreis unter ©erüd* 
fidtjtigung ber ©erhältuiffe ber oerfchiebenen 5lbfa(jbegirfe; ben ©er* 
faufSpreiS fann unb muh aber auch ber ©orftanb allein abäitbern, 
menn bie ©tarftlage eS erheif<ht. Aufgabe ber ©efdjäftsführung 
mirb es fein, bie ihr angemelbeten ©tengen möglichft nahe am 
SabrifationSorte unb möglichft bireft an bie ©erbraud)er abgufefeen. 
Gin etroaiger ©eminn mirb als ^Dioibenbe an bie ©titglieber nach 
©tafegabe ihrer QfahreSlieferung nertheilt. — Gs mirb abguroarten 
fein, ob fich biefe ftraffe Äongentrirung in ber §anb ber ©enoffen* 


fchaftsleitung beroähren mirb; baS ift gum größten £h ß ü eine ^Jer* 
fonenfrage. 

SDer ©efchäftSantheil ift auf 1000 <At- feftgefefct bei einer 
§aftfumme non 3000 jft für jeben Slntheil. 2)ie 3 a ^I 
einem ©titgliebe gu erroerbenben Hntheile bemifet fich — nat h 
mährtem ©runbfafc — nach ^^r ©röfee beS Betriebes, unb groar ift 
für eine 3tahreSergeugung oon 50 ®oppelroagen (= 500 t) ©tiihlen* 
abfätte je ein ©efchäftSantheil gu erroerben; bie Ginfdhähuitg ge* 
fchieht gunächft oon jebem ©titgliebe felbft auf ©runb eines groei* 
jährigen $)urd)fd)nitts, fpäter mirb fie oon ber ©enoffenfehafts* 
leitung an ber §>anb ber Lieferungen oorgenommen. SDer Grroerb 
oon mehr als 100 Slntheilen ift nicht guläffig. S)ie Slntheile fmb 
fofort oott eingugahlen. — Namentlich roegen biefer ©eftimmung 
über bie ©otteingahlung erfdfjeint bie Slntheilfumme fyod); benneine 
QahreSergeugung oon 50 ^)oppelroagen ©tühlenabfätte entfpricht einer 
täglichen ©ermahlung oon etma nur 51 ©etreibe, unb für ©tühlen 
fotchen HmfangS ift bie Seftlegung biefcS Kapitals nicht ohneBebenfcn. 

Gine eigenartige Beftimmung enthält noch & cr §• 46 beS 
Statuts. Uni nämlid) nach Kräften gu oerhinbern, bafe bie oor* 
fichtigen ©tütter ben Grfolg erft abroarten unb baS Sehrgelb nur 
bie mutigeren ©rünber galjlen laffen, ift beftimmt roorben, ba& 
nach STblauf beS erften ©efd)äftSjahreS für jeben 2)oppelmagen 
^leie 2 <4t. gu einem befonberen BetriebSfonbS gurüdfgelegt unb 
bafe bie fo im Saufe eines 3<*hrcS augefammelten Beträge an bie 
innerhalb einer beftiminten grift nach ^^r ©rünbung ber ©enoffen* 
fchaft beigetretenen ©titglieber nach ©Mfegabe ber fofort erroorbenen 
©efdE)äftSantheile in Slnrechnung auf ihre Slntheile oertheilt merben 
unb groar fo lange, bis biefe Vlntheile gurücfgegahlt fmb. — Db 
biefe Beftimmung roohl bie 3 en f ur & eS ©eno'ffenfchaftSrichterS un* 
beanftanbet pafftren mirb? Sie ift ohne großen feerth unb fann 
unbebenflich faßen gelaffen merben; erhebliche ängiehungSfraft mirb 
fie üorauSfidtjtlich hoch nid)t ausüben. 

S)ie übrigen Beftimmungen beS Statuts enthalten nichts Be* 
fonbereS. §eroorgehoben mu& aber noch merben, ba& ber örtlidje 
Äreis, bem bie Bereinigung ihre ©tttglieber entnimmt, ©h c inlanb 
unb SBeftfalen, an fich ^troaS grofc für eine ©enoffenfdjaft erfcheinen 
fönnte. ©ier liegen aber bie ©erhältniffe eigenartig. ®ie .^anbels* 
mühlen oiefeS ©ebiets ftehen einmal bur<h bie Drganifation im 
©erbanbe $>eutfd)er ©Kitter, oor allen Gingen aber baburch mit 
einanber in enger perfönlidjer Berührung, bah bk groben ©etreibe* 
märfte beS rheinifch*meftfälifchen ^nbuftriegebicts, biefe bis gum 
Grtab beS BörfengefefceS Gletreibebörfen fi^ auch neitnenben 3u* 
fammenfunftsftetten, oon aßen Sntereffenten beS gangen BegirfeS 
befucht gu merben pflegen. $>ie unerlähliche ©orbebingung für 
baS ©ebeihen jeber genoffenfchaftlichen Drganifation, bie enge 
Fühlung ber ©titcjlieber untereinanber, fchemt alfo gegeben gu fein. 

$)aS in ©h^^nbsSßeftfalen fo gegebene Beifpiel h^l bereits 
gur Nacheiferung angeregt; in ben angrengenben ©ebieten machen 
fich ähnliche Beftrebungen geltenb. hoffentlich gelingt es, bie Be* 
megung im ©ange gu erhalten, uno bringenb ift gu roünfchen, 
bah bie gu grünbenben ©tüttereigenoffenfehaften ben fchon oor* 
bereiteten Slnfchluh an bie lanbroirtpfchaftlichen ©enoffenfehaften auch 
thatfächlich finben; fie mürben biefen Abnehmer beS ©etreibeS fein 
unb ihnen ben midjtigen gutterftoff ber ^leie liefern, unb beibe 
£fjeile mürben fich oorauSfichtlich in biefen feften Begehungen gut 
ftehen. 3 U bebenfen märe auch, ob nicht — auch na( h bem Bei* 
fpiel ber lanbmirthfchaftlichen ©enoffenfehaften — mit ben ©erfaufs* 
oereinigungen fpäter 3)arlehnSfaffen groeeftnähig oerbunben merben 
fönnten; benn für einen groben &h e M ber Keinen ^anbelSmühlen 
ift bie Nothroenbigfeit, einen billigen itrebit gur Ginführung tedh* 
nifcher ©erbefferungen gu finben, oringenber als bie Drganifation 
ihres s <!XbfafceS, unb fie bieten meift im Söerthe ber ihnen gur 
Berfügung ftehenben Sßafferfraft eine ilrebitgrunblage, bie nach 
Sage oer heutigen ©efefcgebung nur für ben ^erfonalfrebit oer* 
roerthet merben fann. 2lud) für bie gahlreid) noch beftehenben, in 
ihrer Gg'ifteng anfeheinenb meniger gefährbeten Sohnmütter mürbe 
bie ©riinbung oon ^arlehnSfafjen eine roid)tige Stühe gu ihrer 
Grhaltung fein, mährenb fie nach &er Natur ihres ©efchäftsbetriebs 
oon ben Gin* unb ©erfaufSgenoffenfchaften felbftoerftänblid) aus* 
gefchloffen finb. 

SDie Neugrünbung berartiger ©erfaufSoereinigungen ift facfjlid) 
um fo meniger fchmierig, als eS fich babei nicht barum h^nbeln 
fott, ben ©?arft unb bie ^ßreiSbilbung gu beherrfchen, fonbern nur 
barum, im 2lnfd)luh an bie gegebenen ©torftoerhältniffe gunäd)ft 
Grfparniffe in ber Fracht uno anberen Spefen gu machen; eine 
geringe Slngahl ©tüfjlen genügt baher fchon, burch 3 u f am ^ e ”f £ h^h 
biefeS 3iel 3^ erreichen. 

©runemalb*Berlin. il. Söiebenfelb 



601 


©ogiale ^rajrts. ©cntralblatt für ©ogialpolitü. Br. 22. 


602 


$er ©djtoeigerifdje ©enoffenfehaftsbmib (ogl. „©ogiale Brajis" 
3p. 514) hat ficf) am 19. Februar in Dlten fonftüuirt. 2)ie grunb* 
legenben Beftimmungen beS ©tatuts lauten: 

3nr görbermtg ber Soßlfafirt beS gefammten 6 djmeiger volles unb 
gttr fortfd)reiteiibßn ©eftaltimg feines mirtf)fdjaftltdjen SebenS nach beu 
©rmtbfäßen ber Saljrbaftigfeit, ©pnrfamfeit unb fogtalen ©erechtigfeit 
befiel)* unter bem tarnen „©eßmetgerifdjer ©enoffenfdjaftsbunb" eine 
©enoffcttfdjaft von unbejdjränfter $>aucr, bic ihren ©iß in 3üricf) bat. 
£te Sirifamfeit beS BunbcS erftredt fid) über bas (Gebiet ber fd)ioeigc- 
riffelt (Sibgenoffenfcbaft. $>cr fdjmetgerifche ©enoffenfdjaftsbunb begroeeft 
bie ©antmlutig unb Crganifation aller fcbrocigcrifdjen SirthfdiaftS- 
genoffenfebaften gur pflege unb Saljrnelmtung ihrer genteinfamen 
Sntereffen. gnSbefonbere foH er a) bie Bedjte ber oerbunbenen Oienoffen- 
fdjafieit in Begttg auf ©efeßgebung, Berroaltung unb BedjtSpflege vertreten 
unb fortbilben; b) bie auf ©rtmbmtg neuer Sirtf)f$aftSgcnoffenfd)aften 
gerichteten Bcftrebungen im ©djmeigeroolf imtcrftiißen unb bie 93er- 
breitung richtiger genoffenfdjaftlicher ©runbfäße beförbent. AIS 3Rit- 
glicber beS ©enoffenfdjaftsbuiibes fönnen aufgenommen roerben eingelne 
©enoffenfefjaften unb ©efcflfdmftcn, fofern fie im &anbelSregtfter ein¬ 
getragen finb unb ben ©ßarafter genteinnüßiger, mißt auf ©rmerb aus» 
gefjenber, mirtf)fd)aftltd)er Bereinigungen befißen, ferner bie Berbänbe 
von Sirtl)ßhaftSgcnoffeitfd)aften. 

©omofjl ber Berbano f<hmeigerif<her $onfumoereine als ber 
oftfdhmeijertfdhe ©enoffenfchaftSoerbanb mit gufammen 80000 9Rit- 
giiebern höben ben Beitritt erflärt. 

^ooperatibgefetlfchaftcn ttt Belgien. Amtlichen $)aten gufolge 
beftanben in Belgien: 

1894 ... 811 .ftooperatiogefeflfdjaften, 

1895 ... 394 

1896 ... 564 

1897 ... 873 

1898 ... 1 128 

Qit 3unahtne beS ©enoffenfchaftSmefcnS ift namentlich in ben 
Sßrooingen Brabant, §ainaut unb ßüttid) eine intenfioe. Bon ben 
itn leßtocrfloffenen Qahre gegrünbeten $ooperatiogefeHfcf)aften ent¬ 
fielen auf Antmerpeit 17, Brabant 44, Seftflanbern 20 , Dft- 
flanbern 25, |>ainaut 34, ßüttich 45, ßimburg 43, fiujemburg 18, 
Batnur 17, gufammen 263. 


tBo|j mm tiefen. 


©ine SohttttttgSttttterfndjtittg in 4>etbelberg. 

©8 ift auch in ber „©ogialen ^rajis" feiner 3 eit ermähnt 
morben, baß man in §eibelberg im hinter 1895/96 eine SohnungS- 
unterfuchung unter Btümirfung zahlreicher freiroittiger SBitarbeiter 
aus ber Bürgerfchaft oon ©eiten beS ©iabtratheS * begonnen hat. 
Qi e BoHenbung ber Hrerhebungen fonnte jebod) erft im Sinter 
1896/97 burd)aeführt roerben unb baburdj h at fich bie Bearbeitung beS 
BtoterialS fo binauSgegogen, baß erft fürglich bie ©ubergebniffe im 
BürgerauSfd)uffe mitgetheilt merben fonnten. 3)er ©tabtrath mar 
freilich bei feiner Unterfuchung oon ber Abfid)t ausgegangen, 
authentifcheS unb ooüftänbiges Material über ben 3 u ftanb aller 
Wohnungen gu erlangen, um 3Rißfiänbeit nach Kräften begegnen gu 
fönnen. ©o mar bie Bergögeruna ber gängigen ®urd)arbettungbeS 
ltnterfuchungSergebniffeS fein $inoerniß für ihn, ingmifchen bie 3Riß- 
ftänbe gum %$t\l gu befeitigen ober gu milbern. ©o finb g. B. be¬ 
züglich ber Slborte unb Kanäle in ben angeglieberten Bororten eine 
erhebliche 3af)t oon 3Rißftänben beobachtet morben, aber jefct burch 
bie ingmifeijen oollgogenen £analifation£arbeiten meift befeitigt. 

Itnterfucht mürben alle Käufer auher ben öffentlichen ©ebäubert unb 
ben §cilanftalten; bei ben ©affljöfen urtb ^ertftoneu mürben bie gremben- 
gimmer augigefd)loffen. ^iir bic (Erhebung fam fo nur eine (Sinmohner- 
gahl oon 33 003 in Bctradjt. ®iefe mol)nte tit 2276 Käufern mit 
7578 BSohuungen, von benen 77,6% SRiethömohnungen maren, mal)- 
renb tu 22,4% ber Wohnungen bie (Sigcnthümer mahnten. 2)ie 7678 
SBohnitngen enthielten 351859täumc,auöf^liehlich^nbegimmerunb©peife- 
fammern, fo bah alfo Äiitd;en unb Kammern gu ben 28obnräumen gegählt 
fmb. 2luf eine Wohnung fanteu bemnadj 4,64 SRäunte unb 4,35 Bcroohner, 
ein Berhältnift/ baö überaus günftig genannt merben fann, obglcid) eS frei¬ 
lich burd) bie 3ngähluug oon «tiiehen unb ^amnteni mefentlich beeinflußt ift. 

9?ad) ben bisher mitgethciltcn @nbgal)len betrug bie 3al)l ber 
SSohnuugcn mit 1 9iaum 6,35%; fie maren bemohnt oon 2 , 70 % ber ©e- 
fammtgahl ber Beoolferung. ^ic Wohnungen mit 2 Staunten betrugen 
12 , 40 % unb bie Bemohnergahl mar 9,os°/o. ^ie SBohnungcn mit 
3 Räumen betrugen 25 ° 0 unb ihre Bemohuergahl 22,70%. Qic 2Soh- 
nungen mit 4 unb mehr Bäumen betrugen .56,26% unb ihre Be- 
raohnergahl 60,55%. (Ss ergiebt fich banach begiiglich ber ^idjtigfcit 
ber Belegung ber Söohnungen: 

für Wohnungen mit 1 Baum 1,85 ^erfonen auf 1 Baum 

s = - 2 Bäumen 1,58 = = 1 - 

= s = 3 Bäumen 1,31 = - * 1 * 

= s = 4 unb mehr Bäumen 0,85 * = 1 


2>iefe 3ahl cn mürben ftch aber mefentüch äubern, namentlich bei 
ben gang flehten 9Bohnungen, menit bic Küchen ntd)t als SBohnraum 
gegählt morben mären, bie SBoljuungen mit gmet Bäumen ftnb cnt= 
toeber folche, bie aus ©tube unb $füd)c befichen, ober aus gmei ©tuben 
ober ©tube unb Kammer, mo bann in ber ©tube gefodjt mtrb. 2)ie 
481 ^Bohnungen mit einem Baum ftnb, mie aus ber flehten Bcroohner- 
gahl fich ergiebt, vielfach oon ehtgelnen ^erfonen benußt, aber bei ben 
3meirautn= unb ©reirauntmohnungen fann ftch *>ie Belegung gang 
mefentlich anberS geftalten, menn ber gmeite ober britte Baum Äiichc ift. 

Beanftanbungen gegen bic 3BoI)»tungen unb gegen bie Käufer an 
fich (Kanäle, Aborte) ftnb im ©angeu 1453 burch, bie Unterfuchung 
heroorgerufen, bereu ftnb 649 baulicher Batur gemefen. SBehr als bic 
Hälfte (54,io %) finb megen ber Bborte erfolgt unb betreffen Stiftung, 
Beleud)tnng (Senfter), ^unftrohre, fo baß bic Blehrgahl mit geringer 
Blühe uttb geringen Äoften erlebigt merben fonnte. ($in fleiner Sl)eil 
ber Blißftänbe hingegen fann nur bnreh größere baulidhe Slenberungen 
befeitigt merben, unb es fonnte bei bett raettig bemittelten Bcftfccrn 
fleiner Räuschen ber Hltftabt unb ber Bororte nicht fo rigoros vor- 
gegangen merben, baß fchon alle erfannten Btißftänbe befeitigt mären, 
ja eS mirb vielleicht itt ctngeltten f^aEen an öffentliche Blittel gu appel- 
Ihren fein, um bic engen Oläßchen gn faniren. S)ie 7,i % Beanftanbungen 
megen ber Kanäle ftnb fchon meift behoben. £sm Scheren betreten 
bie Beanftanbungen unguläffige Bretterroänbc in ^adhmohnungen, enge, 
fehlere kreppen, aber auch ^enfter unb gußböben. 

Bon ben 804 Beanftanbungen megen räumlicher Blißftänbe betreffen 
oiele bie ©chlafräume. @S mirb babei bemerft, baß bereu gu bidjtc 
Belegung nicht etma nur bei fleinfteit Sohnungcn oorfant, fonbern 
aud^ in größeren, meil man bort eine Befuchftube unterhält unb fich 
mit ben fleinfteti Bäumen gu ©chlafgimmern begnügt. (JS raurbett 
10 cbm Suftraunt für eine $erfon als ©rutiblage genommen unb 
0,2 qm genfterflädie auf bem Äopf geforbert unb alles beanftanbet, toas 
barnnter blieb, ©olche Beanftanbuitg fam im (langen nur 227 mal 
oor. ^teroon maren 41 einraumroohnungen, 98 3roeiraumroohnnngen, 
67 2)reiraummohttungen unb 21 Sühnungen oott vier unb mehr 
Bäumen. ®iefe 227 Sohnungen maren belegt mit 1820 ober 4% ber 
©inmohnergahl unb es betraf $crfonen: 62 £aglöhtter, 20 gabrifarbeher, 
18 Sitttoen unb Arbeiterinnen, 107 §attbmerfer- unb ©emerbsgehilfen, 
20 ©onftige (Büreangehülfen, $änbler u. f. ro.). 3u 45 ©traßett oon 
ben 133 unterfudjten gab eS gar feine Beanftanbnttg, in brei nur 
je eine bauliche, in 34 famen nur bauliche Attftäitbe oor, in 51 fomofjl 
bauliche als räumliche Anftäitbe. 

Badhbem ber ©tabtrath non §eibelberg nun folch guoerläfftgeS 
Bfaterial als ©runblage hat, mirb eine zeitweilig mieberholte unb 
theilroeife Badhunterfuchung fehr erleichtert uno ber 3 roe< ^ ^ cr 
Unterfuchungen ftch allmähUch ooHftänbig erreichen taffen. 

£>eibelberg. 3)1 aj 9Kap. 


SBohnmtgSnoth in bentfißeii ©täbten. 3 « ber Shatfache, baß 
in beutfehen ©roßftäbten ein 3RangeI an fleinen preiSmerthen 
SBohnuttgen herrfcht, mehren ftch bie Belege. (Sine Petition an bie 
©tabtoerorbneten oott ©hartOttenburg führt aus, baß im Dftober 
leerftehenbe fteine Wohnungen überhaupt nicht oorhanben gemefen 
feien unb forbert SRaßregetn gur Befeitigung ber Both, inSbefonbere 
Bufcbarmachung meiterer glächen beS ftäbtifchen ©elänbeS für bie 
Bebauung. — ^roßbem auch in Berlin eine ähnliche, menn auch 
nicht fo große Both an billigen unb gefunben Sohnungen unb 
eine ftarfe UeberfiiHung oieler Sohnungen ^errfetjt, fpradien ftch 
bie §auSbefißeroereine gegen eine behörbliche Drganifation ber 
SohnungSbeauffichtigung aus. Bach bem Bericht über bie ©e* 
meinbeoermaltung 1889/95 betrug bie burchfchnittliche ©inmohner- 
gahl eines Berliner ©runbftücfS dnbe 1890 72,o, mährenb fte gehn 
gahre oorher nur 60,6 betragen hatte, ©leichgeitig fiel bie auf ben 
Üinmohner fommenbe Bobettfläche oon 56 auf 40 ßuabratmeter, 
3n ber jenfeitigen mit bamats 177 756 ©inroohnern — meift Ar¬ 
beitern — beoölferten Souifenftabt famen fogar nur 16 Duabrat- 
meter auf einen Bemohner. tiefer ©tabttheii Berlins hatte, mas 
bie 5)ichtigfeit ber Beoölferung anbetrifft, bie atterungiinftigften 
Berhältniffe aufguroeifen, benn h^r famen auf jcbeS ©runbftücf 
127,2 Bemohner burdhfchnittlich, mährenb bie SDurd)fchnittSgahl für 
gang Berlin mie gefagt 72,g betrug. — Audh anberen ©roßftäbten 
gegenüber fteht Berlin in biefer §>inftd^t meit gurücf; fo betrug bie 
ourchf^nittliche 3ah* ber Bemohner eines ©runbftucfs in Siübecf 
nur 9,e, in $ötn 14, 6 , in Bitrnberg 18, 1 , in granffurt a. 3)J. 19 ,7 
unb in Breslau, ber gmeitgrößten ©tabt ber preußifchen Blonarchte 
(gegen Berlin noch immer ziemlich günftig), 49, 7 . — Sährenb 1889 
ber burchfchnitttiche SBiethSmerth einer Sohnuttg 650 JL betrug, 
fteUte er fich 1892 fchon auf 674 1 # unb im 1. Cuartat 1894 auf 
684 JL — Ste ungünftig ftch bie SohnungSoerhältniffe befonbers 
für bie Arbeiter Berlins geftalten, geht u. A. barauS hcroor, baß 
bei ber BolfSgählung am 1. 3>egentber 1<890 in Berlin 183 291 
Sohnungen mit 676 475 Bemohnertt ermittelt mürben, bie, abge- 
fehen oon Küchen unb unhetgbaren 3 immern, nur ettt heigbares 




603 


Soziale Praxis. Gcntralblatt für Sojialpolttif. Ar. *22. 


604 


3imnter aufroiefen. 3n 54 599 folcfjcr Sohnungen roohnten 5 
bis 9, in 764 fogar 10 bis 14 SRenßhen. 3n 3376 Sohnungen 
ohne heigbare SRäume häuften 8324 3Reufd;en. 32 158 „Sohnungen" 
(einfd;ließlid; 1185 @d)iffSf;anShaltnngen) oerfiigten nur über einen 
SRaurn ($tiid;c, l;cigbareS ober unheilbares 3i™nter), unb in 2421 
Sohnungen biefer Art befanbcn ficf> je 5 bis 12, gufammen 
13 855 perfonen. Das ^öitb roirb noch abfdjredenber, roemt man 
bie große 3 a hl ber «f)ausinbuftriellen unb Heimarbeiter berücf* 
fid)tigt, bie oielfach am Sage nod) bie 3 a hl ber Perool;ner folcher 
„Wohnungen" oermehren, bie feineStuegS immer als „Sohnungen 
mit ©croerberäumeit" oon ber 0tatiftiF erfaßt toerben fönnen. — 
3n SRagbeburg roirb eine 6tatiftiF ber Ieerftchenben Sohnungen 
aufgenommen, bie nad) einer öffentlichen s 3Rittheilung über eine 
Steuerung bes DberbüraermeifterS @d;neiber einen Sangel an 
fleinen Sohmmgen, befonoerS im 0tabttl;cile SBucfau, ergeben h<*be. 
Die ftäbtifchen 33ehörben mürben gu ermägen hoben, ob fic ben 
Sau fleinerer Sohnungen burch llnterftüßung ber beftehenben Sau* 

S enoffenfchaft unb burch H er 9 fl b c oon Saugelbern gu mäßigem 
linSfuße förbern fotten, oor Allem aber mürben bie ftäbtifchen 
Sehörben fi(h ernftlich mit ber gangen Angelegenheit befcßäftigen. 
$Ran hoffe auch, baß burd; bie AuSbe(;nung beS ÄeßeS ber clcftrifdjen 
Straßenbahn über bie Sororte hinaus ber Sau oon 9Rietf)Stmufern 
mit Heineren Sohnungen braußen lebhafter merben mirb. Jviir bie 
oorauvjfidjtlich am 1. April b. 3- mohnungsloS merbenben Familien 
fei oon ben ftäbtifchen Sehörben baburch bereite Sorforge getroffen 
roorben, baß eine Angahl oon ftäbtifd;cn SRietßSroohnungen ben 
jefcigen 3nhn&ent aufgefiinbigt unb für bie SohnungSlofen, roenn 
amh nur oorübergehenb, bereit gehalten mürben. — 3« <Straß* 
bürg i. G. geht befanntlich bie ftäbtifd;e Sohuungsfommiffion 
gegen bie überfüllten unb oerroahrloften ungefunben Sohnungen 
burch Anträge beim ©emeinberatl; auf Räumung begiel;ungSroeife 
Schließung ber baulich oermahrloften Hänfcr oor. Daneben follen 
aus ftäbtifchen ober Mitteln ber lianbcSocrfidjerungSanftalt gefunbe 
unb billige Arbeitermohnungen errichtet merben, melthe bie bis* 
herigeit Seiet her jener Hnnfer au f ne hinen follen. 

SohnungSpoligct tu Düffelborf. Der SRegieruitgSbegirF Büffel* 
borf gehört gu ben menigen ©egenben in Deutßhlanb, rco eine 
energifdje SohnungSpolitif planmäßig, in gemeiitfamer ^hätig* 
feit oon allen in betracht fommenben ftaftoreu, burchgefiihrt roirb. 
SReuerbitigS roirb oon bort berichtet: Die für ben fjiefigen SRe* 
gierungSbegirf erlaffene SohnuugS*poligeioerorbuung l)at, fo meit 
lieh bis jeßt überfehen läßt, fchr mohlthätig gemirft. Senn bie* 
felbe fich auch in Jyolge ber unoerhältnißmäßig fdjneHen 3nnahme 
ber Seoölferung noch nicht allenthalben hat ftreng burchfiihren 
taffen, fo mürben bo<h in mehr als ber Hälfte ber bei ben oor* 
jährigen behörblidjen SReoifionen beanftanbeten Sohnungen bie 
oorgefunbenen Sängel auf gütlichem Sege befeitigt unb bie 
Sohnungen in einen ber Serorbnung entfprcd;enben 3 u ftanb ge* 
feßt. Die rührige Dhätigfeü ber DrtSbeßörben, unterftüßt burch 
baS Gntgegenfommen ber 3nbuftrietten, läßt eine allmähliche S^urch« 
führung ber Serorbnung aud; begüglich her übrigen beanftanbeten 
Sohnungen erhoffen. 

Sau tum Arbeitcrroohnmigcn ; SerfuherungSanftalten. Der 

rheinifche Sereiu gum Sau oon Arbeitermohnungen (©efdjäfts* 
fiihrer ©reßfdjel) grün bete am 9. Qcbruar in Gronenberg einen 
gemeinniißigen Sauoerein. — Der rheinifche prooingiallanbtag hat 
ber SerfidjerungSanftalt Ahcinprooing geftattet, gum Sau oon 
Arbeitcrrool;uungen meitere groei 3RiHioncn auSguleiljen bis gu brei 
Siertel bes SertheS ber belicßenen ©egenftänbe. 3nt Wangen 
fönnen fo brei ^Millionen über bie SRünbcliidjerheit hinaus geliehen 
merben. Sis gum 18. 3nli 1398 finb an Darlehen gum Sau oon 
Arbeitermohnungen überhaupt beroilligt morben 5 370 116 ,;1L 9ta<h 
ber bem SRuubfd;rciben bes Aeid;S=Pcrfid)erungSamtS beigefügten 
lleberfid;t hatten alle Serfidjcruiigsanftalteu nach bem 8tanbe oom 
1. 3anuar 189S in Darlehen angelegt: a) für ben Sau oon Ar* 
beiterroohnungen 21 411 639, f(, 'b) für ben Sau oon Mraufen* 
unb Gleuefungshäufern, Herbergen gur Heimat!;, Solfsbäbern, Stlein* 
finberfd;ulen, für Eranfeupflcge*, 8par* unb Moufumocrcinc unb 
anbere äl;ulid;e Sühlfal;rtseinrid;tungcn 10 326 887 Jf , gufammen 
runb 32 Millionen Sfarf gegenüber 13 2Rillioneu iRarf am 
1. 3anuar 1897. 

drjidjung unb ßiibung. 

Ännfthiftorifchc S^ufeen für bie Äleinftäbte in Deftcrreich* 

2)ie Xhätigfeit ber SolfSbilbungS*Sereine in Defterreid) 
greift immer mciter aus, mit 6taatsiintcrftiißnng oeranftaltcn fic j 
in ben ilnioerfitätSftäbten nidjt bloß Gingeloorträge, fotiberu auch i 


SortragSfurfe, bie gumeift oon Hochf<hnl*ßehrfräften gehalten 
merben: 0efterreich hat auf bem ©ebiete ber university-extension 
beim auch fchon erfreuliche ©rfolge errungen. 3» ber nächftcn 3eit 
foll nun biefe Arbeit, bie fid) bisher großenteils in miffenfdiaft* 
lieber Sichtung beroegt hatte, auch auf baS ©ebiet ber bi Iben beit 
$unft, auf bie Setfung unb AuSbilbuitg beS Hnnftoerftänbniffes 
auSgebehnt merben. ©S hanbelt fich &abei oor Allem um bie 
großen SoIfSmaffen beS offenen itonbes, um bie Seoölferung 
ber SUeinftabt, bie ja rooljl faft nie über irgenbroeldjc öffentlidje 
^unftfauimlungen unb Stufecit oerfügt. Aud) biefen Solfstheilen 
follen nun bie itunftfehäße oor Augen geführt merben, utu auf 
biefetn Sege ben Abftanb im Sfunftintereffe bes Glroßftäbtero, bem 
gahlreiche ilhifeen leidjt erreichbar finb, unb ber übrigen Solfstheile 
guminbeft gu oerringern. Gine Anregung in biefem 2innc mürbe 
oor einigen Sodjen'oon nuferem s 4)?itbarbeiter Sebafteur 
Abler*Siert bem öjterreichifchcn ft'uItuSminifterium in gorm 
eines ^romemoria unterbreitet unb oon biefem an ben neu er* 
richteten ^unftrath gur Prüfung unb Segutad)tnng abgetreten. ^)cr 
^'unftrath hat über ben Antrag in feiner erften 6ißnng am 16. ^e* 
bruar b. 3^- oerhanbelt unb ihn gruiibfäßlich genehmigt. Gin 
ftänbigeS, gu biefem 3 roc ^ c eiitgefeßteS Äiomite biefer ttörperfdjaft 
ift nunmehr mit ber 6teÜnng oon 2)urchführungSoorfchlägen an 
ben Sfrmftrath betraut, ber biefe bamt mieber bem Stinifterium 
mittheilen mirb. 

3)ie Glrunbgüge biefeS auch für SDeutfchlanb beachtenSmerthen 
SorfchlageS laffen fich folgeitbermaßen ffiggiren : 2>ie fleinc l?anb* 
ftabt ift faunt je in ber i ? age, größere Seträge gur Anlage einer 
Äunftfammlung aufguroenben, fie fann aber red)t toohl — ooÜenbs 
bei allmählicher Abzahlung bes ÄaufpreifeS — für ein Stuf cum 
guter SReprobuftioiten ber Sicifterroerfe ber bilbenben Älnnft, 
oor Allem ber Malerei unb ber Slaftif forgen. ^er Munftfinn 
mirb burd; bie Darbietung ootlenbeter Aachbilbuitgen guter Mnnft* 
f^öpfuitgcn guminbeft leichter unb guoerläffiger als burch bie Sor* 
führung fd;led;ter, gefd;utacfoerberbenbcr Originale geroccft. 9?adj 
bem Sorfdjlag AblerS foll biefem 3tele nun burd) bie Bereinigung 
ber Arbeit b'cr öffentlichen Sermaltung (8taat, ^rooing, Segirf, 
©enteinbe) mit jener ber SolfsbilbungSoereine gugeftrebt merben. 
Sei ber öffentlidjcn, oor Allem bei "ber ftaatlichen .Stnnftpflege 
(SHnifterium für StuItuS unb Unterridjt) mirb bemnad; oor Allem 
beratl;enbe, eoentueH, oor Allem für ben Anfang, aber aud; pefu* 
niäre Hülfe in Anfpruch genommen. Sei ber ftaatlichen ftunft* 
pflege foll für bie AuSmal;l unb Sereitftellung geeigneter SRepro* 
buftionen ber beften StunftmcrFe aller Gpodjcn unb 5Rid)tungen ber 
bilbenben Äuuft geforgt merben, bie ftaatlid;c .Shinft*Sermaltungs* 
fteHe füll auch auf bie Preisermäßigung (möglidjfte 'Sammlung 
unb Sereinigung ber SefteHnngeu!) unb eocntnell and) Herftelhmg 
fold)er SReprobuFtionen bebaeßt fein. An jene ©emeinben, bie fid; 
gleich xm Anfänge ber Aftion gur Anfd;affuung eines fold;en 
/( Äleinftabt*3)?ufeums" entfd;ließen, follen utöglichft ausgiebige 
©elbgufd)üffe gemährt merben. G-oentnell füllen biefe erften IRufeen 
aud; gattg unentgeltlich iiberlaffen merben. Dies mirb fid; oor 
i Allem bort empfehlen, mo fd;on niebere ober mittlere itunft* 
©emerbefd;nlen tl;ätig finb. Aud; ift bie ambulante Sermcubuug 
fold;er „Mleinftabt*SDiufeen", alfo it;re Sibmung als Sanberanftalteu 
in Ausficht genommen. 

Der Antragftefler oeraufdjlagt bie Anfd)affungsfoften je eines 
„ÄIeinftabt*StufcumS" je nad; Ausstattung auf 10 000 bis 15 000, // 
Die Anfchaffnng jener für Sanbergmetfc beftimmten %'ufeen mürbe 
oom Staate, eoentueH oon ben prooingialoerroaltungcn anSgcl;cn. 
2ie mürben in jeber Allein ftabt, bie fic berühren, immer einige 
Soeben fmiburch oerbleiben unb gang uncntgeltlid; ober gegen ge* 

| ringftes Gntgelt (10 bis 20 ,$) gum Scfndjc offen flehen. CsJang 
befonberS barin ift nun aud) au bie s l)iitl;ülfe ber SolfSbilbungS* 
oercine gebacht. 8o mie biefe in Ocftcrreid; fdion jept oolFstfmm* 
lid;e Sorträgc unb Demonftrationen in ben Siufecn ber ©roßftabt 
oeranftalten, fo füllen fie bies nun aud; in ben Fiinftigcn 2tanb* 
orten ber „Stlcinftabt-Stufccn". G*rlcid;tert mürbe bies burd) bie 
3umeifuitg ftaatlid;er ©clbgufd;iiffe, mie biefe ja and; fd;on jeßt für 
bie eingangs ermähnten großen Sortragscpflen in ber ©roßftabt 
gemährt merben. — 3n Oefterrcid; bringt man ben hier nur fliid;tig 
umriffenen Sorfchlägeu forooht bei ber 8taatSoerroaltung, mie in ben 
l .Streifen ber SolfsbilbungSoereine fo marines 3ntercife entgegen, baß 
bie fraftoollc Durchführung mol;l fd;on in naher 3eit erfolgen mirb.*) 

*) S?ic uns ber Autragneflcr Herr AMer mittheilt, iollcii älinlidie 
Sorfdjlägc audi fdjon oon .Svimiiidiriitnelier Dr. ^h. r>. grimmcl unb 
'.Waler 3riibncr geäußert morben fein, eine 2Imtfndie, bic iljm bei 
Stellung feines Antrages übrigens gnndtd) unbetaunt mar. 



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Soziale PraytS. Eeutralblatt für Sogialpolitit. Vr. 22. 


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Ein öerfnifj mit uatangUffjcn rütteln. 3m Preußtfdjcn perren* 
häufe ift oon fonferoatioen VJitgliebern ein Antrag eingebrad)t, bie 
Staatsregierung möge baljin wtrfen, baß 

„1. für bie fdwlentlaffenc männlidjc gitgenb bis guut 18. ficbenS* 
jaßre ber Bufentfjalt in Scßanfftätten uerboten werbe; 2. bie K ommunen 
bet glcidigeütgcr Olewäßrung eines ^ttfefjuffed aus Staatsmitteln bagit 
angcbaüeu werben, Einrichtungen gu treffen, um ben genannten 
jungen Leuten es gu ermöglichen, au Sonn* uitb gefttageu in an* 
gentefiener Bkife eine erfrifefjenbe unb oerebclnbc Unterhaltung gu er* 
langen." 

Ter Eintrag ift fidjerlich gut gemeint, fein 3iel *auf’S innigfte 
SU roiinfdjen", aber feine BuSführbarfeit fe^r gmeifelbaft. Unter 
ben heutigen BrbeitSoerhältntffen rnüffen junge Seute häufig genug 
ihre SÜJafjlgeiten in Sdjanfftätten einnehmen. Tie 3 u ftänbe, bie 
biergu führen, laffen firfj aber ebeitforoenig wegbefretiren, roie „er* 
frifchenbe unb oerebelnbe Unterhaltungen" einfach befohlen merben 
fönnen. — Unb was ift’s mit ber fchulentlaffenen weiblichen Sugenb 
bis gittn 18. SebenSjahre? — Tie befte gürforge für bie 3ugenb 
gemährt bie Schule, man füllte baher nicht für Einfthrätifujig, 
fonbern für Verlängerung ber Scfjitlgeit wirfen! 

Hamburger VolfSfdjüler im Stabtiljeater. Tic „i?ehrcr»Veretnigimg 
für bie pflege ber fi'mitlerijrfjcu Bilbimg Hamburgs" hot Umfragen bei 
Lehrern, Sdjaufpiclern unb ben Kinbern gehalten, welche Erfahrungen mit 
ben 'Tbeatcrauffülirungcn für bie rberfiaffen ber Volfsjdjulcn gemacht 
worben fittb. ) Tiefe 12= bis 14 jährigen Kinber finb an 9Jtittmod) s 
unb Somtabeub * Badjmittagcn in gefdj{offenen ^ügcu ins Theater ge* 
führt. Ter Einheitspreis betrug 25 4/ für arme Kinber würben grei* 
farten befdiafft. Tie betheiligten gaftoren würben in ber Ueberscugnng 
beftärft, baß biefe VorfteQungcn burdj Anregung ber phantafie, ber 
Butter ber obeale, ein wichtiges BilbmigSmittel bilben, baS ber erft in 
fpäteren oohren mit bem Theater Vefanntwerbenbe nicht mehr fo aus* 
Sunüpeit oermöge. greilidi müffen Stiirfc, wo es audj oiel gu feljen, 
nidjt bloß ju "hören giebt, wie „Wilhelm Ted", bie „Jungfrau oon 
Crleans" gewählt werben, lieber „Vtinna oon Barnt)elm" waren bie 
Buftditru gctheilt. Tic Tarfteller fpvarfjcn fich fehr wohlwollenb aus. 
Tiefe Vcrfurfjc, gu eblent Olenuß su ergießen,. werben in Hamburg fortgefefct. 

BbeitbfortbtliumgSfchulfn in Sottbott 1898. Tie Sonboner ftäbtifchen 
^ortbilbungsfchulen hoben im lebten gaßre große gortfdjritte ge» 1 
marfjt. Vis ä&ritjnndjten waren gegen 70 000 Sdjüler eingcjtfjrieben, 
b. h- hoppelt fooicl als im Vorjahre. $n biefem Sdjuljarire werben 
308 Schulen für allgemeine Bilbmtg oorßanben fein. Ter Lehrplan 
umfaßt anher ben gewöhnlichen E-lemeutar*UnterridjtS*(Hcgenftänben 
Buchführung, Stenographie, grangöfifcß, Teutfdj, Sateinifch, Sdjrctben I 
unb Buffafc, ©eograplne, Oiefang, (Hcjcßichtc, HftaguetiSmus* unb Eleftri* 
citätslehre, (Hcomctric, Algebra, Bürgerpflichten unb *Bedjte, Kenntniß 
öffentlicher Tinge, Ehcmie, Vicdjauif, pßtjjif, Botanif, Bfuftif, £idjt unb 
Spänne, Englifd), üefen unb Vortrag, panbarbeit, pauswirtßfcßaft, 
(^efunbheitSpflege, Vhhfiographie unb Bßijfiologie bes Vtenfcßen. Be» 
fonbere Vorforge ift für 'banbelSwiffenftfjaftlicheu Unterricht getroffen; 
bafi'tr finb 4 Specialfdjulen eingerichtet worben, ebeufo 5 jur Busbilbung 
oon Lehrern für ben Unterricht in Mn 11 ft ntib SSiffenfefjaft. Bußerbem 
füllen noch balbigft einige weitere Sd)ulen gur Busbilbung oon Oiefang* 
lehrern eingerichtet werben, bamit ftäbtifche ober aubere Lehrer höhere 
Berechtigungen erwerben fönnen. dufter bem gewöhnlichen Unterricht 
in englifcher Olefd)id)te unb Literatur werben noch 21 befonbere tMte* j 
ratnrflaffen eröffnet werben, ebenfo 58 Turnflaffen unter geprüften ! 
Lehrern. ,*vür grauen unb Viäbdjen wirb Unterricht im Älodjen, | 
Sd)uriberu unb Viafdjen geboten, für SDtänncr unb Muaben .paubfertig* ! 
fcitsnntcrridjt in ber ^oisbearbeitung. 21 n einer Veilje oon Sd)iilen j 
wirb oon geprüften unb beredüigten V?ebiciualperfotten in 2(mbulans* ! 
unb -pauspflege uuterridjtct. Stubenten werben für bie Eramitia bes 
Tepartcmeuts fürMunft unb Viiffeufdjaft, Eioilbienft, 8ocietv of Arts :c. 1 
oorbereitet unb Vfämien unb ^euguiffe ertheilt. TaS Sdjulgelb 
ift in ben 2lbenbfd)uleu abgefdjafft; jebc nidjt mehr tagesfdjulpflidjtigc 
Berfoit jeben 2ütcrs faun baran theiluchmeit. Sd)üler oon Tagesfdjulen 
fönnen unter gewiffen Vebiuguugen sngelaffen werben. Soweit als 
möglich werben Erwadifetie oim ben jüngeren Schülern getrennt unter# 
rid)tet. 

*.) Unfere Volfsfdiüler im Stabttheater. pamburg. Verlag oon 
E. Vonfeit. 1 sos. 


Tie gleichseitig hiermit auSgegcbetie $h. 6 ber s IRoiiatSfchrift 

„TnS ^rmerbegmch^ enthält: 

3«r Mompeten$ ber Oiewerbcgerichte. Von Stabtrath 6mto, 
Königsberg i. V r - — Bürgerliches ©efcfcbucf) unb Wemerbeorbming. 

- Verfaffuitg mtb Verfahren. Sl't Vroportiotialmahl „un* 
mittelbare Viahi" im Sinne bes 12 beS 0)ewerbcgerichtSgcfe(}es? 

Srrcmfiucrtüt) für b*c 'Jtebaftton: Hr CSv n ft 


SiojIaU ^iiglette. 

Schulärzte ht Berlin nnb GfjarTottcttbitrg. Tie Hnftellung oon fünf 
Schulärjten an fünf ©emeinbc*Toppelfchulen hot ber Ehorlotten-» 
bürg er SDJagiftrat im Olrnnbfab genehmigt. Sebem Schularzt, btr für 
feine Thätigfcit eine ^ahrcSeutfdjäbigung oon 300 UL erholten jott, 
follcn bnrchfd)nittlich 1800, höd)ftcns 2000 Schulfinber anuertraut weroeu. 

^n Berlin Ijot ber jur Prüfung biefer ^rage eiugcfebte 2lnsfch«^ 
bei ben Stabtoerorbncten beantragt, ftch bamit einoerftanben ju er^ 
flären, baf 3 junächft ein Verfud) mit ber fontraftlicheu Einnahme oon 
20 Schttlärjten 00 m 1. 2lpril 1899 ab gematfjt werbe, weldje auf bie 
beftehenben gehn Sdjulfreife möglichft gleichmäßig gu oerthcilen futb. 
Tie Verfammlung fieht jcboch ber balbigen Vorlage einer Ticnft* 
inftruftiou für bie Sdjulärgte gur Kcnntuifjnahme entgegen. 2(uf ?ln* 
trag bes Stabtoerorbncten ^onis SadjS oertagten benn auch bie Stabt* 
oerorbneten am 23. Februar ohne Erörterung bie Srage bis gum Ein¬ 
gang biefer Tienftiuftruftion. — Welcher (Heift nodh immer in biefen 
Greifen ^errfcht, gel)t aus bem ftarf betonten Eiittoanb h e *uor, bie 
Thätigfeit ber panSärgte fönne burdj bie Sdjulärgte berührt werben, 
unb ben ängftlichen Bemühungen, foldje KoHiftonen auSgufchließen. 2Bie 
j oiele Berliner Eltern, bie iljre Kiitoer in bie Volfsfchule, ftatt in $rioat* 
unb Vorfdjulen fdjicfen, wohl panSärgte halten? 

3ur SoiiKtagSruh« auf ben fran^öfifchen Eifenbahnen. Tie Kon* 

| fultatiofommiffion ber frangöfifcheit Sifenbahnen, eine beim Bauten* 

| minifterium funftionirenbe, aus Parlamentariern unb {ya^lcuten 
1 ernannte, lebiglidj fonfultatioe Vehörbe gur Begutachtung oon (£ifen* 

I. bahnangelegenheiten, Ijat fich fiirglidj mit bergrage gu befchäftigen 
[ gehabt, inwieweit burch ^infchränfuitg bes Tienftef bei ber gra^t* 

I gutbeförberung eine ©ntlaftung beS PerfonalS h^rbeigeführt werben 
fann. 9iach einer Vtinifterialoerfügung ift bie Slblieferung oon, 
Frachtgütern an bie Slbreffaten an Sonntagen fchon auf einige 
Tagesjtunben befchränft. Tie „öiga für Einführung allgemeiner 
| Sonntagsruhe" hotte beim Bautenminifter um bie oöttige Befeiti* 

I gung ber Sonntagsarbeit im gewöhnlidjen grachtoerfehr petitianirt. 

Tie baraufhin befragte Konfultatiofommiffion ber Eifenbahueu 1 
[ glaubte jeboch, man fönne baS augenblicflid) wirffame Reglement 
1 nicht änbern. 

£tterartf^e Änjtlgen. 

Ehriftiani's Bürgerliches BcchtS*2ejifon für bas bcutfdje 
Volf. Bach bem Bürgerlichen ©efeßbuch unter Berücffichtiguhg 
beS panbelSgefchbuchS unb fonftiger eiufdjlageubcr (Hcfeße be* ; 
arbeitet. Berlin 1899, 3 . 3- peines Verlag. 406 S. preis| 
7,50 Ji 

Tics furg unb flar gefaßte BusfnnftSbudj wirb für bie Saienwelt 
einen trefflichen Bathgeber bilben, ber guoerläffig unb gefchieft in bie 
neuen BedjtSoerhältniffe einführt. 

(Hrunbriß ber preußif^-beutfdjen f ogialp olitifdjen unb- 
VülfSwirtfdjaftSgefchichte oom Enbe bes breißigjährigni 
Krieges bis gur (Hegenwart oon prof. Emil Söolff. 3Beibmaim|che< 
Buchhanblung, Berlin, preis gcb. 3,60 Ui. 

Tas auf ben Ergebntffcn ber wiffeufdjajtlichen gorfdjungen ber 
leßten galirgcljntc beruhenbe Bud) barf um fo mehr ^ntereffe in &n* 
fpruch nehmen, als es ber erfte Per juch jeiuer 2lrt ift, ba noch feine 
Sogialgefdjidjte preußenS ober TcutfchlanbS eriftirt, bie gerabe biefen 
2lhfchniü behanbeli. 2luf fnappftem Baum ift ein reicher fadjlicher 3n»; 
fjalt mitgctheilt. 

Earhjle, Thomas, Einft unb ^eßt (Past and Present). Bus bem 
Englifdjcu iibeifcßt itnb mit Bnmerfungen h^auSgegeben 0011 
Prof. Pr. p pcnfel. Eöttingeu 1899, Banbenljoecf & Buprec^t. 
406 S. preis 6,so M. gcb. 

Unter ben fogialpolitifdjcn Sdjriften EarlijIeS ragt „Einft unb 
bas uns fjicr in oortrefflidier Itcberfefcung gegeben wirb, burd) 
Tiefe ber Buffaffimg unb Kraft ber Tarftedung h^roor. Buch h^otc 
uodj wirb mau nidjt ohne Bewegung biefen gewaltigen Bppelt an bas 
fogtalc Pflichtgefühl lefcii. 

Kluge, B., panbbudj für 2lrntenpßeger. Batljgebcr für in ber öffent*. 
litfjcn ober priuaten 2lrmenpficgc tljätige perfonen. patnburg 
1899, (ilrcfc & Tiebentann. 103 S. preis 1 X 
Beue Teutfdje Buitbfchau. peft 2. gebruar 1899. Berlin, 

S. gifdjer. preis bes peftes 1,50 JL 

— Bechtfprechuitg. 3Kitthetlungen aus ben Entweihungen ber- 
Elcwerbegeridjte Berlin, Vfülheint, ^eipgig, Vfatttg unb beS fianb* 

| gerichts Berlin. - - BllgemeineS über Elewerbegcridjte uitb 
| BrbcitSoertrag. Bits'bat 3af)reSbcridjteu 0011 Eewerbegerichten 

— Brieffaften. Elerichtsfchreibaei beS EkwerbegerichtS Viiindjen; 
Stabtmagiftrat Sdjweinfurt. — oubaltSangabe ber „Sogialcn 
prariS". 

^rattrfe tu 2'crlin W, 2 1 ai)'cutt)crftra{jc ‘Ji*. 




608 


607 0o$iale ^raytS. ßcntral&Iati für 0osialpolitif. 9h\ 22. 

©ie ,,$a?iaU $Jvavt*“ erfdjcint an jcbem ©onneräla-i linb ift burd) aTte ^udjljanblungen unb ißoftamter CißoftaeitiingSnuninier 7072) ju bc 3 icl)cn. ©er ^reiS 
für ba8 33ierteljabr ift ÜJ?. 2,50. 3ebe 9iunnicr Foftct 30 ©er fHnjeigenpreid ift 60 ißf. für bie breigefpaltene Sßctitjcile. 



SBerlag öcr Jflribnmnnfdjen Jludjljanblung in Berlin. 
0oeben ift erfeijienen: 

Okunönfj ber 

ptru|pfd)4futj[f)rit focialpoüti('d)ru 
unb UolksniirtfdinftsJrfriiiiiitr 


I 0ocbcn erfd)iencn: 

Dmmltungsbmdjt 


Ocrlacj bet Arbeiter-Derforgung. 

fl. Croscbel in Berlin Kl. 


üom (*ttbc bcö brcifngjüfjriflcit tfriegcS biö jur 
©egemuart (1640-1808) 

oon 

Vvof. (Emil tPolff* 

gr. 8 °. (VII u. 282 6 .) ®ebb. 3,00 SWarf. 

Aiir olle oMilbcten, bic fid) für bic focinlcn 
fragen ber 0) egen mar t intcrcfficrcn. 


te Statt giidjfuljrung brr §rnnknkn|]rn 

für bas 3at?r insbefonbere bie 

1897* tfuffteüung unb Prüfung 

_ ber 

J*r. s». (IV, 824 S.) ^rcts fldumbfu in ßrniilu* 11 liaITruobTii)lii 11V. 

Scineumnb 10 SWarf. 


3*iPfi0* 

8 n n rii e r & § u m b 1 o t. 

1899. 


manche unb Zimmermann. 


Preis 1,50 fflark. 


Berantioornidj für Me Anjclgeu: tfcUmiitlj iScibci, Vcipjig. — «erlag uou Jumfer & vuuibiut, üclpjig. — ükbiucft Oet Sulliu» ©ittenfelb, Berlin. 










VIII. galprgflng. 


SBerlin, ben 9. 2Kär ( ; 1899. 


Hummer 23. 


{|£entraf6Caft för §>o 3 ial;polififi 

mit ber 2Tlonat§ßeiraöc: 

Das (Betoerbecjevicht. 

0 rgan bes Oerbartbes beutfcfyer (Betoerbegericfyte. 

fRcuc Solgc ber „Blätter für fogtale fßraytS" unb beS „Sogialpotttifchen GentralblattS*. 

«rf$eh»t «* jebem »«i*erfUf. Herausgeber: frei« »iertdWrli* 3 »t. 60 91* 

Rebaftton: Berlin W., Baßreutherftraße 29* Dr. Ctttfl /tlUUkt ©erlag Oon Suncfer & Hmnblot, ßeipgig. 


3 n halt 


Jntcrnationale® er einig unfljur 
grötbemng l)et Sltbeltetfdjufc* 
gefefcgebung. ©on Dr. Graft 

grrattefe, ©erlitt.609 

tfottfum» ©au« unb ©parberetn 
„ißrobuftion" inJ&amburg.®on 
$. ©tfiljmer, Hamburg .... 612 

Utemetet ««stel* «nb 

iPflliül .6i6 

Lobelie jur beutfd&ett Gewerbe* 
orbnung. (ÄonjeffionSpflicbt ber 
©teEeitbermtttler. — ©eftimmimgett 
über bie ÄonfeftionSinbuftrie. — 
für ^anbelSangefteQte.) 
©roteft gegen gortfübrung ber ©Ojial* 
reform. 

©er nationalliberale Antrag auf Gr* 
rid&tung bott 3Ixbeit8!ammmem. 

©ie $ebung b<8 SlrbeiterftanbeS. 

Gin fonfex&atiöei Urtljeil über Gitti* 
gungdömter. 

Gntmüitbigung wegen ©ruitffudjt. 

■ ©ie ©efteuexung ber SWaföinenfrafi 
jum ©eften ber Arbeiter in Ftattf« 
' tet$. 

Gm ©efefc jum Sdm| bet ftrbeitö* 
willigen in ©djwebett. 

«*Stole 8*fta*be I.619 

Ginbeitlidje ©eftimmungen für bie 
©ienft* unb Rubejett bet Gifenbabn* 
betriebdbeamten in ©eutf$Ianb. 

Gine ©oaialenquete in einem Arbeiter« 
viertel non ©ariö.i 

©ie lanbmirtbfdjaftlidjen £B|ne in 
Gnglanb. 

»tbeUgeberflerbänbe .620 

„©cbwarje ßifteit." 


Äonftituirung beä ©eutfdjen Arbeit» 
gebetbunbe« für baS ©augewerbe, 
©erlinet Ärbeitgeberbunb. 

K**et*erbewegunß.621 

©ie ©elegirtenberfammlung beS Ge* 
fammtberbanbe« ber ebangelifdjett 
Slrbeiterbereine ©eutfcblanbS. 

©ie Grridbtung eines ttrbeiterfefre* 
tariateS in ©reSlau. 

Äatnpf im englifdjen ©augewerbe. 

«nbeiierfft«*.622 

©er Jahresbericht ber babifdjen 
Fabnftnfpefiion für 1898. 

Gin Antrag auf Aufteilung weiblicher 
GewerbeaufficbtSbeamten m ©teufon. 
Äinberfcbufc in Gnglanb. 

Krbeitevberfichemita- «patfflffen 627 
©ie Jn&alibenbetftcberungSnobelle. 

©ie beutfebe Arbeiteröerftcbetung unb 
ihre Grgebniffe. 

«BflbifabrtSeiirridjtnnflra .... 627 
2Boblfabrt$einricf>tungen ber ftdniglicb 
©reufjifdjen SSafferbauDerWaltmtg. 
UebernacbtungS*unb AufentbaltSraume 
für baS GifenbabnperfonaL 
©erlinet Aiblberetn fürObbacblofe 1898. 
©ie w £auSpftege" beS ©etUnet flauen* 
oereinS. 

©ie 3R.*Glabbacbet Bereinigung für 
gemeinnüfcige 3»ede. 

Stiftung für SBoblfabrtSaWecfe ber 
3ucferfabri! ^ranfentbalS. 

Mtmt ap Ut§9 ............ 629 

Gine beutfebe Gentralftelle für 
Armenpflege unb ffißobltbätig* 
feit. 

8tttera*tf«c »njeiaen.630 


Abbrucf f&mmtlidber ArtUel tft Hutungen unb 3citf$?iftot geftattet, iebodj nur 
mit toottet Quellenangabe. 


internationale Bereinigung jnr ^örbernng ber 
^rbeiterfibnbgefebgebttng. 

Ser Erlaß $aifer SBilhelmS II. oorn 4. Februar 1890 an ben 
Reicf)Sf angier erhielt ben Stuftrag, bei ben Regierungen ber «Staaten, 
bereu Jnbuftrie mit ber unfrigen ben SSeltmarft Beherrfcht, ben 
3ufammentritt einer Äonfereng anguregen, „um bie Herbeiführung 
gleichmütiger internationaler Regelungen ber ©rengen für bie Sin* 
forberungen anguftreBen, welche an bie SHjätigfeit ber Slrbeiter 
geftellt werben bürfen." Sie am 15. RJärs 1890 eröffnete inter* 


nationale Slrbeiterfchufcfonferenj, bie außer oon ^eutfchlanb oon 
Defterreich^Ungarn, Belgien, 5)änemarf, Spanien, Öranfreid), ©roß* 
britannien, Italien, ßuyemburg, Rieberlanbe, Portugal, Sihweben 
unb Norwegen, fowie ber Schweif befeßieft war, ftettte bemgemäß 
nicht nur attgemeine Regeln auf über bie Arbeiten in Bergwerfen, 
bie Sonntagsarbeit, bie Äinberarbeit, bie Strbeit ber Sugenblichen 
unb bie Frauenarbeit, fonbem ihre eierte ftommiffton ^atte fnh 
auch mit ber Frage ber StuSführung biefer Beftimmungen ju 
befaffen. 

3wei Fragen waren ihr oorgelegt: 1. Sollen Rtaßregeln hi«* 
fichtlich ber SluSführung ber Borfchriften unb ihrer lleberwachung 
getroffen werben? 2. Gmpßehlt es fiefj, ®elegirte ber betheiligten 
Regierungen oon 3*it 3U 3^ einjuberufen unb welche 
foKen ihre Berathungen rnnfaffen? 2)iefe Fragen würben oon ber 
SRehrheit, unter Slblehnung eines weüergehenben Antrages ber 
Schweif, am 26. Rtärj bahin beantwortet: Für ben Fall, baß bie 
Regierungen ben Slrbeiten ber ftonferenj Folge leiften fottten, 
empfehle ftch bie Ueberwachung ber SluSführung ber in jebem 
Staate getroffenen Rtaßregeln burch geeignete unb unabhängige 
Beamte ber fianbesregierung, ber internationale SluStaufch ber 
Jahresberichte biefer Beamten, bie zeitweilige Bornahme ftatiftifcher 
Erhebungen über Strbeüerfchuß unb beren SluStaufch; ebenfo fei es 
wünfchcnSwerth, baß bie Berathungen ber betheiligten Regierungen 
oon 3 e ü S u 3 e ü erneuert würben. 

®iefer Befchluß fonnte bie offen gu Sage getretene Slbneigung 
ber meiften auf ber Äonferenj oeriretenen Staaten, ftch burch inter* 
nationale Slbmathungen in Sachen beS SlrbeiterfchußeS gur SluS* 
führung ber ^onferengoorfchläge gu oerpflichten ober gar biefe 
SluSführung überwachen gu laffen, nidgt oerhüllen. Jn ber Shat 
hat benn auch ber ©ang ber Slrbeiterfchußgefeßgebung in ben ein* 
gelnen ßänbern feitbem ein fehr oerfchiebeneS Sempo eingefchlagen. 
Siefer unb jener Staat, oor Slllem Seutfchlanb, h fl Ben bie Sin* 
regungen ber Äonfereng in Sfjaten umgefeßt, anbere haben ein* 
gelne baoon befolgt, wieber anbere haben ftch wenig ober gar nicht 
barum gefümmert. Eine gweite internationale Äonfereng oon Re- 
gierungSoertretern hat ebenfalls nicht ftattgefunben. 

dagegen würbe oon anberer Seite bie Slngelegenhcit aufge¬ 
nommen. Snt Sluguft 1897 nahm ber Slrbeiterfchußfongreß in 
3ürith auf Slntrag beS RegierungSratheS Gurti ben Befchluß an, 
bie Regierungen gur Errichtung eines internationalen Slrbeiter* 
fchußamteS eingulaben unb ben Schweiger BunbeSrath um beffen 
Berwirflichung gu bitten, fobalb brei Staaten bantit einoerftanben 
feien. $raftif<he Folgen h a * ^ e f er befchluß bisher nicht gehabt. 
Jm Frühjahr 1898 erwiberte ber belgifdje SlrbeitSminifter auf 
eine Slnregung in ber Kammer, er beabsichtige bie Sammlung unb 
Beröffentlichung ber micfjtigften Slrbeiterfchußgefeße unb *Berorb* 
nungett aller Sänber. Saoon ift Enbe oorigen Jahres ber erfte 
Banb erfchienen. Enblich hat im Herbft 1898 im öfterreichifcf;en 












611 


Sogiale prajig. Eentralblatt füx Sogialpolttif. Rr. 23. 


■ 612 


Hbgeorbnetenhaufe ein Antrag Server Hnnahme gefunöett, ber ein 
internationaleg tot für Sogialftatiftif »erlangt; bie Regierung Ijat 
ftc^ bagu beifällig geäußert, aber gur Berwirflichung beg Planeg 
ift auch §ier big jeßt uicfjtg gesehen. 

SXuf anberem unb, wie uns feßeint, erfolgreich er ent Bkge ftrebt 
nach bent ein Projeft, bag feinen Urfprung in betn Anfang 
Dftober 1897 in Brüffel abgehaltenen, aug prioater 3nitiatioe 
heroorgegangenen Kongreß für Hrbeitergefeßgebung hot. 
Hinfichtlich ber Errichtung eineg internationalen Bureaug für 
wefentlich ftatiftifche Aufgaben §errfd>te bort gwar Einftimmig- 
feit, aber nur ein £f)eü ber Hnwefenben fteHte fich auf ben 
Stanbpunft, baß bieg Bureau bie pofitioe Förberung beg inter¬ 
nationalen Hrbeiterfcfjußeg gur Hufgabe haben folle. Sie Anhänger 
biefeg Berlangeng, Seutfdje, Belgier, Defterreicher unb Schweiger, 
traten nach bent Kongreß gufammen unb wählten ein aug 
brei Herren (H^rgog oon llrfel, Profeffor SRahaim unb Profeffor 
Brantg) beftehenbeg ftomite ntU ber Hufgabe, ein Statut für Er¬ 
richtung einer internationalen Bereinigung gur För- 
berung ber Hrbeiterfdjußgefeßgebung in ben einseinen 
Staaten gu entwerfen. 

Sieg Statut liegt ung nunmehr in feinem unoerbinblichen Ent¬ 
würfe oor. Seine fmuptbeftimmungen gehen bahin, baß bie neue 
©efellfchaft alg Bereinigung aller Hnhänger eineg energifchen 
Hrbeiter fcßußeg in ben oerfchiebenen Staaten bienen folle, baß fte 
gur Beroffentlichung unb gunt Stubium ber einfehlägigen Bor* 
fchriften beitrage unb baß fte internationale Hrbeiterfchußfongreffe 
einberufe. Sie Leitung ber Bereinigung foH ein Sfomite führen, 
in bent bie Hngehörigen ber eingelnen Staaten oertreten finb, 
wie auch bie Regierungen unb ber Papft gur Entfenbung oon 
Selegirten eingelaben werben fotten. 

tiefer Entwurf würbe in ben erften Sagen biefeg 3oh*eg oon 
einer Hngahl oon Sogialpolitifern aug Seutfcßlanb unb Defterreich 
einer oorläufigen Befprechung untergogen. Sroß mancher SReinungg- 
oerfchiebenheiten im Eingelnen würbe hoch betont, baß man bie 
©rünbung einer folgen internationalen ©efellfchaft unterftüßen 
muffe, bereu Schmerpunft in ber thatfräftigen Förberung beg Hr- 
beiterfchußeg liege, währenb Sammeln, publifation, Hugtaufch unb 
Stubium ber einfehlägigen ©efeße unb Berorbnungen nur Büttel 
gu biefem 3n>ecfe feien. Eg würbe ferner heroorgehoben, baß bie 
Bewegung gur internationalen Förberung beg Hrbeiterfchußeg ben 
ftärfften 3mpulg erhalte, wenn bie in ber ©efellfchaft oereinigten 
Blitglieber jebeg Staateg fi<h gu nationalen ©ruppen für bie 
Fortführung beg Hrbeiterfchußeg int eigenen £anbe gufammen- 
fchlöffen. Ser Stätutenentwurf würbe alg geeignete ©runblage 
weiterer Erörterungen betrachtet, ohne baß man inbeffen fich fchon 
bie eingelnen Borfchläge aneignete, namentlich würbe auch ber Siß 
beg gefchäftgführenben Bureaug offen gelaffen. Sie Erörterung 
führte gu ber Hnfidht, eg empfehle fich, eine größere Berfammlung 
oon beutfdhen Hnhängern ber Fortführung ber Hrbeiterfcßußgefeß- 
gebung einguberufen, biefer bie Hnregung gur ©rünbung einer 
©efellfchaft unb ben Statutenentwurf gur Befchlußfaffung oorgu* 
legen. 9ßie wir hören, foll eine folcße Berfammlung Enbe Hpril 
nach Berlin einberufen werben. Sie öeitung ber Borbereitungen 
für Seutfchlanb hat Freiherr o. Berlepfth übernommen. 

Unleugbar ift in oerfchiebenen fiänbern eine fräftige Bewegung 
für eine internationale Bereinigung gur Förberung beg Hrbeiter¬ 
fchußeg oorhanben. Sa gur 3eit feine Hugficht befteht, baß bie 
Regierungen gu einer internationalen Berftänbigung über bie er¬ 
forderlichen Maßnahmen bereit finb, fo ift bag 3iel auf bem SSege 
ber Prioatinitiatioe anguftreben, wobei gu hoffen ift, baß nicht nur 
bie Strömungen in ben eingelnen üänbern in ein gemeinfameg 
Bett fließen, fonbern baß ber Boben für eine fpätere Betheiligung 
auch öer Regierungen oorbereitet wirb. 3nbem ©leichgefmnie aug 
allen gewerblich entwicfelten Staaten fich bie öanb gum Bunbe 
reichen, werben fte ben Bemühungen um energifche Förberung ber 
Hrbeiterfchußgefeßgebung in jebem eingelnen fiaitbe unb um all* 
rnälige Sachführung gleichartiger Scßußoorf Triften in allen itultur- 
Iänbern einen neuen unb fräftigen Hnftoß geben fönnen. 3a* 
£öfung biefer Hufgabe burch Hufflärung, ©ebanfenaugtaufcß, 
Hgitation in 2£ort unb Schrift fönneit fich Bertreter jeben Stanbeg 


unb Berufeg, jeher politifchen unb wirthfehaftlichen Richtung oer¬ 
einigen, fobalb fte nur Hnhänger einer augreichenben unb burch* 1 
greifenden Hrbeiterfchußgefeßgebung finb in bem Sinne, „baß eg 
eine ber Hufgaben ber Staatggemalt ift, bie 3*it, bie Sauer unb 
bie Hrt ber Hrbeit fo gu regeln, baß bie Erhaltung ber ©efunb- 
heit, bie ©ebote ber Sittlichfeit, bie wirthfehaftlichen Bebürfniffe 
ber Hrbeiter unb ihr Hnfprudj auf gefeßtidje ©leichberedjtigung 
gewahrt bleiben." (Sfaiferliche Erlaffe oom 4. Februar 1890.) 

Berlin. E. Francfe. 


fionfttm, fiat*- unb Spornerciu „Produktion“ in 
£)ambttrg. 


Sie neue in Hamburg gegrünbete ©enoffenfehaft mit befeßränfter 
Haftpflicht: Sfonfum-, Bau- unb Sparoerein „Probuftion" ift bereitg 
am 3. Februar bei bem ßanbgericßt in bag Finnenreaifter einge¬ 
tragen worben. Eg giebt wohl nur wenige qenojfenfißaftliche 
©rünbungen, namentlich ber leßteren 3eit, benen ein folcßeg Qnter- 
effe entgeaengebraeßt würbe, wie gerabe biefem neueften Unter¬ 
nehmen. 3« 3eitungen unb 3eitfchriften würbe barüber geftritten, 
ob eg fogialiftifchen ober fogialbemofratifchen Hnfchauungen ent- 
fprungen fei unb baßer eine einfeitige politifche Richtung ein- 
fcßlagen werbe, wag, nebenbei bemerft, bag beutfeße ©enoffenfeßaftg- 
aefeß gar nicht guläßt, felbft wenn biefe Hbficßt oorgelegen hatte. 
Ferner würbe bie Frage oon Berufenen unb Unberufenen erörtert, 
ob bag Unternehmen leiftunggfäßig werben fönne. Hnhänger ber 
©enoffenfcßaftgbeweaung feßten große Hoffnungen auf bie weiter 
gefteeften 3*cle, währenb einer ber ©egiter biefe ©rünbung eine 
äRonftregenoffenfcßaft nannte. Einige behaupteten, man wolle 
ang SReueg, währenb Hnbere fi<h wieberum beeilten gu oerfießera, 
aß auch nicht eine neue 3bee in biefer jüngften Schöpfung oor¬ 
hanben fei. 

Sem gegenüber ift Folgenbeg $u fonftatiren. Falfch ift bie 
Behauptung, bag Unternehmen fei eine fogialbemofratifche ©rün¬ 
bung; weber hat bie fogialbemofratifche Parteileitung fie angeregt, 
noch auch nur gutgeheißen. BJenn aber ber Umftanb, baß U<h 
unter ben ©rünbern eine große Hngahl fogialbemofratifcher Hrbeiter 
befanben, baß ferner ber fogialbemofratifche Reichgtaggabgeorbnete 
o. Elm bie Sache in ber Deffentlichfeit oertreten unb oeriheibigt 
hat, biefe felbft gu einer fogialbemofratifchen ©enoffenfehaft ftempefi, 
bann bürfen fogialbemofratifche Hrbeiter ja felbft auf wirthfchaftlichem 
©ebiete gar nidjtg mehr unternehmen, weil fonft nach ber Hn- 
fchauung gewiffer Sfreife bag Staatgintereffe gefährbet wirb. Sie 
Hrbeiter werben eg woßl fchroerlicf) Hllen reeßt machen fönnen. 
Entweber eg wirb oerurtheilt, baß fie bie heutige ©efellfchaftg- 
orbnuna befämpfen, weil fie fie nicht für bie befte unb oollfommenfte 
halten fönnen, bag nennt man bann „reoolutionär", ober aber fie 
oertheibigen ihre ßebenghaltung gegen £ohnbrücferei unb fud)en 
auch gelegentlich eine günftiae ©efchäftgfonjunftur für fich auggu- 
nußen, um höheren i^ohn ober Berfürgung ber Hrbeitggeit gu er¬ 
langen, bann nennt man ihr Borgehen unberechtigt, unoerfchämt 
unb friool. Hlle biefe Borwürfe fonnten aber nicht gut gegen bie 
©rünbung einer ©enoffenfehaft erhoben werben, unb hoch mußte 
biefe alg eine fogialbemofratifche bezeichnet unb oerfthrieen werben, 
um fie oor einem Sheile ber bürgerlichen ©efeUfcßaftgu bigfrebitiren. 
So<h h^l öag nicht lange oorgehaltcn, benn augenblicflich nimmt 
fchon faft bie gefammte Sagegpreffe eine anbere Stellung ein. 

Sie geno|fenf<haftli<he 3bee ift ber Hamburger Hrbeiterbe- 
oölferung feinegwegg mehr fo neu ober fremb, wie bieg auf ben 
erften Blic! erfcheinen mag. 3« oerfchiebenen 3eiten fmb nach ver¬ 
lorenen Streifg oon ben unterlegenen Hrbeitern beg betreffenben 
©ewerbeg probuftioaenoffenfehaften gegrünbet worben, oon benen 
bie erfte, eine Sabafarbeitergenoffenfchaft, fd)on im 3<*hre 1848 ing 
Seben gerufen würbe. Sie ungeniigenbe Unterftüßung folcher 
Unternehmungen unb ber Stonfurrengfampf, bem fie gegenüber ben 
fapitaliftifdjen Betrieben unterworfen waren, ließen biefe Berfuche 
nicht recht gur Blüthe gelangen, fonbern bewirften, baß fie halb 
wieber eingehen mußten. Sa aber troßbem bag ©efüßl beg engeren 
3ufammen|chluffeg, auch auf biefem ©ebiet, nicht ooüftänbig oer« 
loren gegangen war, fonbern im ©egentheil genährt würbe burch 
bie waeßfenbe Eyiftengunficherheit, bie fich mehrenbe Proletari- 
firung unb immer größer werbenbe Bebrängung großer Hrbeiter- 
maffen burch öen Äapitaligmug, fo lag bie 3bee gewiffermaßen in 
ber l?uft, unb eg beburfte nur eineg Hnftoßeg, um fie gu oer- 
wirflicßen unb in bie Shat umgufeßen. 



613 


Soziale graste. Sentralblatt für Sozialpolitik Rr. 23. 


614 


©abei burfteit jebodj bic alten Saß nett, bie größtentßeilg un* 
genügenbe Erfolge gezeitigt batten, mcßt wteber betreten werben. 
Sotten Probuftiogenoffenfdjaften mieber neu erfteben unb lebeng* 
fähig bleiben, fo ift bieg nur möglich auf ber Safig beg organifirten 
£onfumg im Slnfcßluß an biefe Drganifation unb groar baburch, 
baß bie Äonfumoereine ben probuftiogenoffenfchaften ihre Shmbfcßaft 
Zuwenben. Eg ift big jeßt nocß fein Sali befannt ge* 
worben, baß eine oon einem Sfonfumoerein errichtete 
probuftiongwerfftätte ihren betrieb wieber hätte ein* 
ft eilen muffen. Sllfo gunächft Drganifation beg Sfonfumg, aug 
berfelben attmälig emporwadjfenb (figenprobuftion ber haaren, 
für welche ßinreicßenber ?lbfaß im Stonfumocrein oorßanben ift, 
uni eine probuftiongwerfftätte mit Erfolg betreiben gu fömten. 

3u bemerfen ift hierbei noch, baß bie Slugarbeitung ber 
Statuten mit ber größten Sorgfalt oorgenonimen ift, baß eine 
große Slnzaßl oon Statuten anberer berartiger Vereine alg ®runb* 
läge benußt, alg Stubium gebient unb zum Vergleich h^ngesogeit 
würbe, um etwag mirflicß Sraucßbareg ju fchaffen. 

©ie Statuten unterfcheiben ficf) oon benen anberer Stonfum* 
oereine baburch, baß in ihnen gleich oon oornherein bie pro* 
buftion, b. h- bie figenprobuftion, ale fernereg 3^ ber ®e* 
noffenfchaft bezeichnet wirb, währenb bie beftehenben Sfonfum* 
oereine fowohl in ©eutfdjlanb alg auch im Sluglanbe unb namentlich 
in Engianb erft burch ißre Entwicklung unb Slugbreitung zur 
figenprobuftion gebrängt würben, bie feinegwegg oorher beab* 
fnhtigt war, bie aber bei bern namentlich ben englifchen Olenoffen* 
fchaften zur Verfügung ftehenben Kapital oiel umfangreicher fein 
fönnte, wenn fie alg 3*0«* angegeben unb planmäßig barauf hin* 
gearbeitet wäre ober würbe fin weiterer Unterfcßieb ift ber, bah 
Me Seftrebungen ber beftehenben Äonfumoereine auf frzielung 
möglichst boßer ©ioibenben ßinauglaufen unb bah baburch fehr oft 
eine Profitjägern gezüchtet wirb, bie oon Anhängern unb Gegnern 
beg ßtenoifenfchaftgmefeng wieberholt getabelt worben ift. 

©er $onfuut*, Sau* unb Sparoerein „probuftion" will, 
ja muh mit biefem Spftem brechen, um bie Mittel zu befcfraffen, 
welche für bie fpäter in Singriff zu nehmenbe figenprobuftion notß* 
wenbig finb. Statutarifd) ift baßer oon oornherein feftgelegt, wie 
ber Reingewirtn oertheilt werben foH. Sou biefem werben, foweit 
er nicht nach ben Sefcßlüffen ber ©eneraloerfammlmtg bem Referee* 
fonbg zuaefdjlagen wirb, zunächft an bic Witglieber nach bem Ser* 
ßältniß ißrer fulljaben auf ©efcßäftgantßeilfonto ßöcßfteng 5 o/ 0 
auf biefe (Guthaben alg ®eminnantßeil oertheilt, barnach werben 
bie burch Verträge ober Sefcßlüffc ber ©eneraloerfammlung ge* 
währte Tantiemen berechnet unb berichtigt. Son ber bann oer* 
bleibenben Summe werben 10% bem Silbunggfonbg iiberwiefen 
unb oon bem nunmehr oerbleibenben Ueberfcßuß werben nur 50 % 
alg finfaufgbioibenbe an bie Witglieber oertheilt nach 
hältnih ber oon benfetben in bem betreffenben Eefcßäftgjatjr aug 
bem herein bezogenen haaren, ©er Reft wirb bem haaren* 
oorfcßußfonbg, eoentuetten Spezialfonbg, bem probuftiongfonbg 
unb bem ©igpofitiongfonbg überwiefen. 

©ie finfaufgbioibenbe wirb bem Witgliebe nur augbezaßlt, j 
wenn eg feinen Olefcßäftgantßeil ooll bezahlt hat unb wenn Seifen | 
Rotßfonbg bie ftatutarifch feftgefeßte ©öße oon 100 Warf erreicht I 
hat. ©iefer perfonelle Rotßfonbg hot ben 3 roe( £ baß oug ißm 
für bie Bezüge aug bem herein bie Saarzahlungen geleiftet werben j 
fotten, bie bag Witglieb in Rotßfätten (Slrbeitglofigfeit, Äranfßeit, 
©obegfall oon Somilienanaehörigen :c.) zu leiften außer Stanbe 
ift, unb zmar in biefen Sollen unbefümmert barum, ob ber Rotß* 
fonbg bie ©öße oon 100 ( ff fchon erreicht hat ober nicht, fg 
bleibt jebem Witgliebe unbenommen, bie ©öße feineg Rotßfonbg 
auch über 100 ,/i ßinaug zu beftimtnen. ©er Rotßfonbg wirb 
Zu bemfelben Säße oerzinft wie bie täglich fünbbaren Spareinlagen. 
3u Weihnachten fönnen Witglieber auf ißren SBunfcß big zu 10% 
ihreg jeweiligen Rotßfonbg in Saar augbezahlt erhalten. 

©er SBaarenoorfcßußfonbg foll bazu gebilbet werben, um 
auch Witgliebern, für bie noch fein ober fein Rotßfonbg mehr 
oorhanben ift, in Rotßfätten ben weiteren Saarbezug aug bem 
Serein zn ermöglichen. SlUerbingg hat bag einzelne Witglieb feinen 
rechtlichen Slnfprucß auf £rebit auf ©runb beg SSaarenoorfchuß* 
fonbg. ©er ©igpofitiongfonbg foü bienen zur Unterftüßung 
für alt unb inoalib geworbeneg Perfonal fowie eoentueH für 
Wittwen unb Waifen beffelben. ©em Probuftiongfonbg, ber 
Zu probuftiongzweefen gebilbet wirb, fmb wenigfteng 30% 
beg nach ^otirnng beg SReferoefonbg unb ber Spezialfonbg fowie 
beg Waarenoorfchufifonbg unb 3ohluug ber OJewiunantheile unb 
Tantiemen oerbleibenben SReingewinneg zuzuweifen. Sluher ber 
figenprobuftion ift für bie fpätere 3 e ü uoch bie frrichtung einer 


Sparfaffe geplant, wie fie fchon heute bei einzelnen Äonfumoereinen 
wie z- S3- Bei bem Spar* unb ^onfumoerein in Stuttgart einge* 
rietet ift. 

fbenfattg ift bie Errichtung unb ber Setrieb eineg Sereing* 
unb ©efellfchaftghaufeg in Slugficht genommen, wie folcheg alle 
röfeeren, namentlich bie englifchen unb belgifdjen Äonfumoereine 
eute fchon haben. Serner ift bie Errichtung unb Sermaltung ge* 
funber preigwürbiger Wohnungen oorgefehen. Sur biefen 3*oecf 
ift ein befonbereg Wohnunagfonto eingerichtet; ein 3)titglieb hot 
erft bann Slnfpruch auf Seriicffichtigung bei Ueberweifung einer 
Wohnung, wenn eg 100 Warf auf feinem Wohnurtggfonto flehen hat. 

3n bem lebten 3ahregberi<ht ber englifdjen ©enoffenfehaften 
ift barauf hingemiefen, bafe biefe gut tbun würben, anftatt ihr 
Eelb ben Saugenoffenfchaften oorzuftreefen, felber zu bauen, unb 
thatfächlich ^ot ber tfonfumoerein zu 3p^n)ich ben Wohnunggbau* 
Zwecf mit in feine Statuten aufgettommen. Eg fönnte aber bei 
bem lleberflufe an Kapital in ben englifchen Äonfumoereinen für 
bie Winberbemittelten, bie oerhältnifemähig am theuerften 
wohnen, noch oiel mehr gefächen. Wer bie Hamburger Wohnungg* 
oerhältniffe nur einigermaßen fennt unb babei in Setradit zieht, 
baß bie Wohnunggmiethen nicht nur in ber inneren Stabt, fonbern 
aud) Won in ben Sororten oon ben §augeigenthümern fortmährenb 
gefteigert werben, ber wirb hoch auch wohl begreifen, warum ber 
Wohnunggzwecf mit in bie Statuten aufgenommen würbe. Warum 
foü nicht auch ber Siufcen ber Erunbwertßfteigerung ben Einzelnen 
ober ber Eefammtheit ber Witglieber wieber zu ®ute fommen? 
Sluch wirb mit ber Erfüllung beg Woßnunggzwedeg beabfichtigt, 
bie Sertßeilung ber Sebengmittel burd) räumtießeg 3ufammenrüden 
ber Witglieber bittiger zu geftalten. 

: ©er ®efchäftgantheil wie auch bie ©aftfumme beträgt 30 JL\ 

| jebeg Witglieb fann fteß mit mehreren Eefchäftgantheilen betheiligen, 

1 aber nicht mehr alg z roa nzig Slntheile erwerben. Seoor jebod) 

1 nicht ber Sttothfonbg bie ftatutengemäße ©öße oon 100 , if. erreicht 
hat, fann ein Witglieb neue Eefcßäftgantheile nießt erwerben ober 
mit ber Erwerbung biefer fortfaßren. Um eg auch Ben minber 
Semittelten m ermöglichen, Witglieb zu werben, ift beftimmt, baß 
ber Slntheilfcßein erft in brei 3aßren oott bezahlt z u werben 
braucht, wie auch Sßeilzaßlungen im Setrage oon minbefteng 
50 wöchentlich juläffig finb. 

Db ber Serein bag ißm aefteefte 3i c l erreichen wirb, hängt 
oon oerfeßiebenen Umftänben ab, oon ber Setßeitigung ber Se* 
oölferung, ber ©üd)tigfeit ber leitenben Kräfte unb bem Eifer, mit 
bem fieß biefe bem Setein wibmen. Salfcß ift eg jeboeß, wenn be* 
ßauptet wirb, man wolle bag ©aug beim ©ad)e anfangen, geplant 
ift bie Entmicfelung oon unten aufmärtg, baßer mirb zunäcßft mit 
bem Ein* unb Serfauf notßmenbiger £ebengbebiirfniffe angefangen 
werben. Wenn man bie bigßer erzielten Erfolge ber konfum* 
oereine jum Sergleicß heranzieht, fo barf man woßl hoffen, baß 
auch biefe fooiel angefeinbete unb alg utopiftifcß ßingeftettte 
Orünbung einft beffere Srücßte z c iHgen wirb, alg bieg oon ben 
Eegnern oorauggefeßt wirb. 

9facß einer amtlichen 3ufummenftettung ber ^onfumgenoffen* 
feßaften in Englanb gab eg bort im 3ußre 1897 1710 Eenoffen- 
feßafteu. ©er ®efammtumfaß berfelben betrug 1 132 649 600, //; 
©er in ben Monfumoereinen erzielte SRettooerbienft betrug 
128 048 560 J(, ©ie 3)titglieberzaßl betrug 1 468 955. 3u 
©eutfcßlanb berichteten für bag 3«ßr 1897 an ben Eenoffen* 
fcßaftganwalt ©errn Dr. ©ang Erüger 489 Äonfumoereine, ißre 
Sätglieberzaßl betrug 403 872, Serfaufgerlög z^u 96% Millionen 
I Warf, Reingewinn circa 10 Wittionen Warf, bem Referoefonbg 
würben 208 000 < // überwiefen; für Silbungg* unb gemeiitnüßige 
3wecfe würben 30 029 J(, oerwenbet. ©ag Setriebgfapital ber 
berießtenben .Stonfumoereinc beträgt 20 Willionen woooit 
8 Wittionen auf bie ®efcßäftgguthaben ber Witglieber, 3% WU* 
lionen auf bie Referoefonbg, 8 % Wittionen auf angeließene frembe 
®elber entfallen; leßtere würben meift zum Erwerb oon ®runb* 
befiß aufgenommen, ben 211 berießtenbe ^oitfumoereine im Sucß* 
wertße oon 9 J /3 Willionen Warf hatten. 

Sei ben allermeiften Honfitmoercinen ift ein 3uwacßg ber 
Witglieber zu oerzeießnen. So ift beifpielgweife bie Witglieberzalil 
beg Sreglauer Sereing oon 39 699 Witgliebern im 3ußre 1896 
auf 58 239 im 3aßre 1897 geftiegen, ber Waarenoerfaufgcrlöö 
betrug 9 796 705 c 4(, t ber Reingewinn 1 192 749 // ©er Serein 
Seipztg^plagwiß ßattc in zu>ci Sußren eine 3unaßme ber Wit^ 
glieberzaßl oon 10 933 auf 16 177 zu oerzeießnen, ber Waaren* 
umfaß ift in berfelben 3eit oon •“> l /-_» auf 5% Willionen Wart, ber 
| Reingewinn oon 361 829,// auf 566 966 , // geitiegen: in ben 
beiben leßteu 3ußreu würben 10 % Einfaufobioibeiibe oertheilt. 



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Sogiale $ra£i§. ©entralblati für Sogialpolitif. Nr. 23. 


Tiefer herein bat *22 VerFaufgfießett für Kolonialroaaren unb 
3 Verfaufv (teilen für Sdjnitt* unb Vtanufafturroaareit, befiel eine 
eigene Väcferei uitb eine eigene üßüfjle. Tag im herein befchäftigte 
Verfonal ift auf circa 400 ^erfonen angeroaebfen. Tie Arbeitggeit 
ber SBätfer ift eine achtftünbige, roie auch anftänbige Söhne begabt 
roerben. Tag gefammte ^erfonal erhält außerbem jährlich eine 
Boche Serien, ohne Abgug oom Sohne. 

Aug bem amtlichen 33erid)t über bie probuftioe Tbätigfeit 
briiifdjer Arbeitergenoffenfd)afien oom Jahre 1897 gebt §eroor, 
baß ber gefammte Bertb ber in biefen Vrobuftiongroerfftätten ba> 
cjeftellten haaren 192 812 069 c/# beträgt. Tie 3 a bl btt befd)äf* 
tigten Arbeiter betrug 29 668, in Konfumoereinen maren außerbem 
befdjäftigt 43 490 ^erfonen, gufamntmen 73 158. ©barafteriftifcb 
für bie Birfung ber ©igenprobuftion ber Konfumoereine ift eg, 
baß bie Konfeftionggroeige ber englifeben Konfumoereine mit Erfolg 
fonfurriren gegen bag Scbroißfpftem unb bie Scbroißlöbne ber eng* 
lifdjeu ©roßftabte. Jrau Sibnen Bebb fagt barüber in ihrem 
Vu<b über bie brüifcbe ©enoffenfebaftsberoegung:*) „©nblicb fabelt 
bie ©enoffenfdjaften ber bemofratifdjen Jorm mit ihren großen 
Kapitalien unb fixerem Nfarft oiele beit Scbroeißaugtreibern oer* 
faßene ©eroerbe in Jabrifinbuftrien oerroanbett unb fo ben Ar* 
beitern gefunbe Arbeitglofale unb ben ©eroerfoereitten eine 
fefte ©runblage gefiebert. Tenn roer fönnte nach ben non 
bem Augfcßuffe beg Oberbaufeg gemalten ©ntbiißungen begroeifeln, 
baß bie ^auginbuftrien unb bie flehten Berfftätten bag größte 
fogiale unb öfonomifebe |>inberniß für bag ©ebenen unb bie 
Tauerbaftigfeit beg ©eroerfoereing finb? Vergleichen mir bie ©e* 
noffenfdjaftgbäcfereien mit ihren praeßtooßen ©ebäuben unb null* 
fommeneit Ntafcbinenroefen mit ben unter ber ©rbe unb in hinter* 
böfen gelegenen <f)öbten ber ©ngelunternebmung; Dergleichen mir 
bie Scßtteiber* unb ^embenabtbeiluitgen ber febottifdjen ©roß* 
banbelegenoffenfcbaft in Sbielbbaß mit ben Sd)roeißtreiberrocrfftätten 
in ©laggoro; befudben mir bie Beftcnb*ScbubroaarenfabriF ber 
englifeben ©roßbanbelggenoffenfcbaft in i2eiccfter unb ftellen mir bie 
Nettoeinahmen, bie T>auer ber Arbeitggeit, bie fanitären Ve* 
bingungen in berfelben neben biejenigen, melcbe im Kleinbetriebe 
ergielt roerben!" 

An artberer Stelle fagt Srau Bebb in bemfelben Viicß: „Tie 
fcf;ottifc^e ©enoffenfebaft mit ihrem eingigen Augfcbuß, Der in 
©laggoro feinen Siß bat bat ihre probuftioeit Abteilungen in 
einem großen Unternehmen in Sbielbbaß, 5 teilen oon ©laggoro, 
oereinigt. £)ier haben fie bie größte ScbubfabriF Scbottlaubg er* 
richtet; bitt roerben auch Kleiber, Ntöbel unb Kon fernen bergeftellt, 
hier betreiben fie bag ©efdjäft beg ©erbeng unb beg Trucfeng. 
©g biente ber f<bottif<ben ©enoffenfebaft gur ebrenooßen Auggeidj* 
nung, baß fie geroiffe ^robuftionggroeige, roie g. 33. bie Anfertigung 
oon jpemben, gunädhft mit Verlieft ing Sehen gerufen bat, um eg 
gu oermeibett, mit ginnen, bie ihre Arbeiter unter eien beit 33e* 
bingungen befebäftigen, ©efebäfte gu madjen. Unb eg erfreut, baß 
roir roeiter berichten fönnen, baß ihre oortrefflidjcn s JNafd)inen unb 
Drganifation fte fcbließlicb in ben Stanb gefegt haben, für bie 
Fertigung ber öemben, bie fie an bie ©enoffenfebafter oon Nero* 
caftle oerfaufen unb mit benen fie bie febottifefjen ©rubenbiftrifte 
oerfeben, gute Söhne gu gablen. Jb^ Berfftätten finb oon groß* 
artigem Umfang unb mit ben neueften ©inridjtungen unb ben 
allerbeften NFafdjinen auggeftattet. Sie probugireit jährlich für 
77 857 £ Baaren unb befebäftigen in ihren probitftioen Ab* 
tbeiluitgen 1024 Arbeiter." 

Teggleidjen berichtet Abele ©erbarb über ben Vooruit in ©ent 
(Belgien): „Jn ben fyofyn luftigen Berfftätten auf ber gifleiten 
©tage fißett bie Näherinnen (ctroa 40 ^erfonen). Tie Jußräber 
ber Näbmafcbinen roerben burd) ©leftrigität getrieben, bureb ©lef* 
trigität roerben bie ^lätteifen erroärmt. Keine für bie Vefdjäftigten 
gualooße Temperatur berrfebt, feine gefunbbeitgmörberifcbe Haltung 
beg Unterförperg ruinirt l)ier bag junge Niäbcben in feinen beften 
Jahren ober lägt bie oerbeiratbete grau nicht bag Kinb in ihrem 
SdjoB in normaler Beife augtragen."**) 

Siitb alfo anbergroo berartige ©rfolgc ergielt, roarum foßte 
bag nicht aud) in §atnburg unb ben augrengenbeu Orten erreicht 
roerben fönnen, roemt giefberoufit auf bie ©igenprobuftion bin* 
gearbeitet roirb, gitmal ba bie l^ier in 33etrad)t fontmenben Arbeiter 
uod) über einen guten Joub* oon Jbealigmug oerfügen, bafe fie 
unt ber roeiteren Jiele roillen gern auf einen Tbeil ber Tioibcnbe 
3>ergid)t leiften roerben, umfomebr alg ber 23ergicbt nur ein oor* 

'l Veipgig, Tmicfer d .VSiuiiMot, lsun. 

» .Moniuingeiioficnfdiaft unb Bügialbcmofrntie. Nürnberg lsn:». 
beriefu A- (iomp. 


läufiger ift, ba ja aug beit mit ben nicht oertbeilten Tioibenbeit 
errichteten ^robuftioneu ben NJitglieberu roieber ber aug biefen er* 
gielte ©eroinn gufliefjt. 

Schon in ber fonftituirenben 33erfammlung berrfchte eine baff s 
nunggfreubige unb guoerfichtUcbc Stimmung begüglich beg ©e* 
ltngeng beg angefangenen Berfcg. Tie bisher gemachten ©rfal)= 
rungen in nufcbringenber Beife anaeroanbt, ben 33licf ftetg auf bag 
©angc gerichtet uno SSertranen gu oer großen Sadje, roirb man bie 
Scbroierigfeiten überroinbeu, bie feinem Unternehmen, alfo aud) 
bem Konfum*, 33au* unb Sparoerein „^robnftion" nicht, erfpart 
bleiben roerben. 

Hamburg. §. Stiibmer. 


^Ugcoteine Sojial- ttni ÄirtfjfrfjoftspolüUt. 

9^oueHe gnr bttttfehen ©eloerbeorbmtttg. 

(KongeffiongpfHcht ber Stellenoermittler. -- 33eftim* 
mnngen über bie Konfeftionginbuftrie. — Sd)u|$ für 
§anbelgangeftellte.) 

Tie in ber Tbronrebe bei ber ©röffnung beg Neidjgtagg in 
Augficht geftettte Nooelle gur ©eroerbeorbnung bat bie 3aftimmung 
beg 33unbegratbg gefunben. Noch beoor fie an ben Neidjgtag ge* 
langt ift, bat bie „Norbbeutfcbe Aßgemeine 3eitung" aug bem ©nt* 
rourfe jolgenbeg mitgetbeilt: 

3ur 33efeitigung ber über bie Niifjftänbe im ©eroerbe ber 
©efinbeoermietber unb Stellenoermittler laut geworbenen 
Klagen foßen biefe ©eroerbetreibenben fortan ber Kongeffiongpflicht 
unterroorfen unb bie Sanbeg*©entralbebörben ermächtigt roerben, über 
ben Umfang ber 33efugniffe unb Verpflichtungen, foroie über ben 
©efcbäftgbetrieb biefer ^ßerfonen Vorf^riften gu erlaffen. Solche 
Vorfcbriften foßen fortan auch begüglid) ber Auftionatoren er* 
laffeu roerbetr fönneu. Au^crbem foßen bie ©efinbeoermietber unb 
Steßenoermittler oerpflidjtet roerben, bag Vergeicbni§ ihrer Tayen 
ber Ortgpoligeibebörbe eingureichen unb angufchlagen. Tie Vüd^er* 
reoiforen roerben ben im $. 36 ber ©eroerbeorbnung begegneten 
©eroerbetreibenben gleichgefteßt. 

ferner bringt ber ©ittrourf Veftimmungeit über bie ©in* 
fübruitg oon Sobnbüchern unb Arbeitggetteln, foroie über bie 
Ntitgabe oon Arbeit nach C>aufe an Arbeiterinnen unb jugenb* 
liebe Arbeiter. 9Nit einigen, gum Tbeil nicht unwefentlichen Ab* 
änberungen roieberbolen bie Vorfcbriften bie Vorfdjläge im Artifel I 
beg in ber Seffion 1895/97 unerlebigt gebliebenen ©ntrourfg. Tie 
oorgefdjlagencn Abänberungen befeitigen eine Neiße oon Vebenfen, 
roeldie foroobl innerhalb roie außerhalb beg Neid)gtagg gegen bie 
bamalige Jaffung oorgebraeßt roorben finb. Qit erfter Sink auf 
bie Koitfeftionginbuftrie berechnet, ermöglichen bie neuen Vor* 
fdjläge gleichzeitig eine Anroettbung auf anbere ©eroerbggroeige, für 
welche ctroa ähnliche VUßftänbe feftgefteßt roerben. Tie ©infübrung 
oon Sobnbüchern ober Slrbeitggetteln foroie bag Verbot ber 3Rit* 
gäbe oon Arbeit nach ®aufe faß auf biejenigen ©eroerbe befd)ränft 
roerben, in benen bie Unflarbeit ber 3lrbeitgbebingungen ober bie 
Sänge ber Arbeitggeit gu SKißftänbcn geführt bat. Ter Vorfcßlag 
beg früheren ©ntrourfg, wonach bie VUtgabe oon Arbeit nach §aufe 
in benjenigen Jäßen foßte unterfagt roerben fönnen, in benen 
Arbeiterinnen unb jugenblidje Arbeiter minbefteng fedjg Stunben 
in ber gabrif befebäftigt roaren, ift nicht roieber aufgenommen, bie 
Raffung oielntebr fo gewählt roorben, baß babei bem Slrbeitgeber 
bie Ntöglichfeit bleibt, bie Arbeiterinnen unb jugenblichen Arbeiter 
bie gefeßlid) guläffige Arbeitzeit ßinburch in ber Jabrif unb gu 
£aufe gu befebäftigen. 

©nblich enthält ber ©ntrourf eine Neibe oon Veftimmungen 
über bie Vefcbäftigung oon ©ebülfen, Sebrlingen unb 
Arbeitern in ben offenen Verfaufgftellen. hiernach foß 
biefen V cc fanen nach Veenbiguna ber täglichen Arbeitggeit eine un* 
unterbrochene Nubegcit oon minoefteng 10 Stunben unb innerhalb 
ber Arbeitggeit eine aitgenteffene Ntittaggpaufe gewährt roerben 
mitffen. Birb bie Niittaggmablgeit außerhalb beg ©cbäubeg ber 
Verfaufgfteßc eittgenommen, fo foß bie Jeftfejjuitg ber Tauer ber 
^ßaufe^ burch bie ©emeiitbebebörbe erfolgen, fie muß inbeffen ftetg 
minbefteng eine Stunbe betragen. Tein ©ebanfen beg obliga* 
torifchen Sabenfdjluffcg trägt ber ©ntrourf inforocit Ned)iiung, 
alg er auf ben Antrag oon minbefteng groei Trittein ber betheiligten 
©efefjäftginbaber bie höhere Venoaltuuggbcbörbc ermächtigt, nad) 
Anhörung ber ©emeinbebehörbe für alle ober eiugelne ©efd)äftg* 
groeige anguorbneu, baß bie offenen VerFaufgfteßcn roährenb einer 






617 


Sosiale $rajt$. Eentralblatt für Sosialpolittf. Rr. 23. 


618 


näßer su beftimmenben 3 e it sroiften 8 llßr AbenbS unb 6 Uhr 
Borgens geftloffen fein müffen. V>irb ber üabenftluß um 9Ußr 
ober fpäter angeorbnet, fo fann berfelbe bis 7 Ufjr Borgens er* 
ftreeft roerben. ®ie etwa erforberlicßen Ausnahmen roerben bei 
ber Anorbnuitg su berüeffittigen fein. 3 ur Bermeibung einer un¬ 
billigen Sfonfurrens foß aut ber ©eroerbebetrieb im Umßersiehen 
cntfpretenb beftränft roerben. 

• 3n bem neuen §anbelSgefeßbud) ift für bie ©eftäftsinßaber 
bie Verpflittung begrünbet roorben, bie ©eftäftSräume unb 
bie für ben ©eftäftsbetrieb beftimmten ©eräthfeßaften fo ein- 
Surid)ten unb ju unterhalten, baß ber HanblungSgeßüIfe gegen eine 
©efäßrbung feiner ©efunbßeit, foroeit eS bie Ratur beS Betriebes 
geftattet, gefd^ü^t ift. Die Befolgung biefer ©ruitbfäße, weite 
gegenioärtig bem Belieben beS Verpflichteten überlaffen ift, foll 
bitref) Aufnahme befonberer geroerbepoliseiliter Vorftriften in bie 
©eroerbeorbnung gefiebert roerben. 3 nt Sntereffc einer befferen 
Lehrlingsausbildung roirb in Ausiitt genommen, betn Lehrßerrn 
auSbrücflit bie Verpflichtung aufsuerlegen, ben Lehrling sunt Be- 
furf) ber ÖortbilbungS- unb gacbfcbule ansußalten unb ben Stal* 
befuch 31 t überroatheit. 

* * 

* 

Soweit fijh nach biefen Rtittbeilungen ein Urtheil bilben läßt, 
erbüefen roir in ben Vorfchlägen ber Rooefle nüßlite $anbßaben 
Sur Vefeitigung ernfter unb roeitoerbreiteter ÜJttßftänbe. VHr leugnen 
nicht, baß unfere eigenen VHinfte sum Dßeil weiter gehen, aber 
bas fann uns nicht abhalten, in biefer Vorlage einen erfreulichen 
Schritt oorroärts unb einen Ausfluß gefunber Sogialpolitif su 
begrüben. Auf bie einseinen, fehr oerfchiebene ©ebiete ber gewerb¬ 
lichen Arbeit regelnben Vorftnften roerben roir fpäter eingehen. 


Broteft gegen Fortführung jeber Sosialreform — fo barf man 
es roohl nennen — hat bie im Eentraloerbanb beutfeher 3nbuftrieller 
oertretene ©roßiubuftrie in einer Delegirtenoerfammlung am 28. Fe¬ 
bruar su Berlin erhoben. Die beibett ©eneralfefretäre Buedf unb 
Beumer führten baS SBort unb ergingen fid) in ben fchärffteu AuS* 
fällen gegen bie Dilettanten, Eiperimentirfünftler unb Verföbnungs- 
pofitifer, bie sroar eine große" Bibliothef, aber feine Äenntniß beS 
praftifdjen Gebens hätten. Daß bie „Sosiale VrayiS" einen Dßeil 
ber Soften ber Unterhaltung befahlen mußte, regnen roir uns sur 
Öhre an. Denn roir waren in fehr guter ©efeßftaft. üöurben 
hoch auf berfelbcn Verfammlung ben oerbiindeteu Regierungen 
wegen ber 3noalibitätSnooelle fo^ialiftifdfje Anroanblungen unb För- 
berutig ber fosialbemofratifchen Agitation uoraeroorfen (ogl. Sp. 626 
biefer Rümmer). Unb ber nationalliberale Eintrag auf Errichtung 
oon SeftionSgeroerbegerichten, in beiten Vertreter ber Arbeitgeber unb 
Arbeiter frieblicf) an gemeinfamen Angelegenheiten arbeiten, würbe 
ebenfalls ftarf oerbantmt. Der Eentraloerbanb bentfeher 3abn* 
ftrießer ift gegrünbet, um bie Fntereffen eines DßeilS ber ©roßiubuftrie 
SU wahren; bie ©eneralfefretäre fofeßer Verbänbe finb su biefent 3mecf 
angefteflt. 2 Sir nehmen es ihnen gar nicht übel, wenn fie bie ihnen 
Sur Bßitt gemachte Aufgabe nach beften Kräften su erfüllen fueßen, 
wie bieS bie Beamten ber ArbeiterberufSoereine ja auch thun. Aber 
roir fönnen hoch nicht Alle ©et^ralfefretäre inbuftrieüer Verbänbe fein, 
unb baßer müffen uns biefe Herren fchott geftatten, baß roir unfere 
eigene Meinung — nicht Dort ihnen, baS ift Rebenfadje, fonbern 
oon ben fosiafen unb roirthfchaftlichen 3 uftänben unb ben nötßigen 
Reformen haben. VMr, bie roir auf bem Bobeti ber Fortführung 
ber Sosialreform im Sinne ber $taiferbotftaften oon 1881 unb 
1890 ftehen, haben feine anberen 3utereffen su oertreten als baS 
5Soßl beS gansen VolfeS, beS Staates unb beS Reiches, baS nach 
unferen Begriffen allerbingS nicht mit ber ©roßiubuftrie ibentifisirt 
roerben barf. Unb roaS baS blöbe ©erebe oon Satfennern unb 
Dilettanten anbetrifft, fo haben erfreulicherroeife bie Herren ©eneral- 
fefretäre barüber aud) nicht su richten. Die F*eunbe ber Sosial- 
reform s^^Ien in ihren Reihen nicht wenige ©roßinbuftrieße unb 
Fabrifqnten neben Bolitifern aller Parteien, (Mehrten, Beamten 20 . 
VHr entnehmen bem Rebesorn ber Herren beS EentraloerbanbeS 
nur bie erfreuliche ©etoißßeit, baß bie ©egner ber Sosialrefonn 
ben Boben unter fief) roanfen fühlen, unb bie Ermutigung, sur 
weiteren Erfchüttcrung ihrer Vafdion nach Kräften auch ferner 
beisutragen. Das Befte basu tun fie freitief) immer felbft. 

Der nationaüiberale Antrag anf Errichtung Oon ArbcttS- 
fammern (ogl. Sp. 582) hat gerotffe Streife ber ©roßin buftrie, bie 
in ihrem Herren bewußt fein jeoe Verßanblung mit Arbeitern auf 
bem Boben ber (Gleichberechtigung entrüftet abroeifen, tief erregt. 


Auf ber Delegirtenoerfammlung beS EentraloerbanbeS beutfeher 
Snbuftrieller würbe ber Vorfchlag, ber oon fo heroorragenben 
Fabrifantett roie Freiherrn 0 . §epl unb ßRüwß - Ferbcr foroie 
28 anberen Rationalliberalen aus aßen BerufSftänben unterseichnet 
ift, besichtigt, er roerbe ber fosialbemofratifchen Bewegung 
eine fo große Blatt geben, baß unfer roirtbfchaftlicheS Leben im 
höchften ©rabe bebroljt würbe. Die Reichspartei läßt erflären, 
ber Antrag fei bas Bebenflichfte, roaS bisher im Deutften Reichs¬ 
tage oon nichtfosialbemofratifter Seite beantragt roorben. Unb 
babei hatte fogar Freiherr 0 . Stumm bot cr f* fürslit uot fiel) 
einoerftanben mit feinem Freunbe 0 . .'pepl über eine gemeinfame 
Drganifation oon Arbeitgebern unb Arbeitern befannt. s JRan fann 
fit roirflit beS Spottes faum enthalten über biefe ftlotternbe 
Angft, bie ftt in ben Beftlüffen beS EentraloerbanbeS unb ber 
ReichSpartei funbgiebt. ©ans treffenb bemerft bie „fölnifte 
VoUSseitung": „Dies einige £amentiren über bie Sosialbemofratie 
ift bot fd/ließlid) weiter nittS als baS nur ber SosialbemoEratie 
förberlite Befenntniß, baß man ihr ohnmättig gegenüberftehc. ,# 
Die „Rational-Seitung'' fteht nt bem Vorgehen ber Abgeordneten 
0 . §ei)t unb ©enoffen „mit ©c;:ugthunng eine Bethätigung ber- 
jenigen fosialpolitiftcn Auffaffung. weite fit nitt in Vatriarta- 
liSmuS unb Sßolisei erftöpft, einer Auffaffung, roeldje bie Son- 
berung ber fehr oerftiebenartigen Elemente in ber fosialbemofrati- 
ften ©ählerftaft, ber reoolutionären unb ber für frieblite Fart- 
entroicfelung s u geroinnenben, burt pofitioe Rlaßregeln förbern 
roill. Unb baS i|t uat unferer Rleinung rittige Sosialpolitif." 


Die $ebmtg beS ArbeiterftanbeS — ein Rußen ber ©roß- 
inbuftrie! 3n ihrem oorläufigen FahreSberitte für 1898 bemerft 
bie Kölner f>anbelsfammer: „Vom allgemeinen roirthftaftliten 
©epttSpunfte aus toirb man bie erfolgte Steigerung ber Söhne 
unb bie hi cr fcurt & eT uirlte Verbefferung ber SebenShaltitng ber 
Arbeiter nur mit ©enugthuung begrüßen fönnen, nicht allem im 
Sntereffe ber Arbeiter felbft, fonbern auch um beSroißen, weil bie 
Steigerung ber ^onfumtionSfähigfeit großer Beoöl* 
ferungSfreife eine roefentlite VorauSfeßung für bie 
Erweiterung ber Ratfrage nat geroerblit^n Erseug- 
niffen hübet. Die f)eimift^ Unternehmung wirb um fo ruhiger 
in bie 3 «funft feßauen biirfen, je meßr fie fit auf ben aßgemeinen 
28ohlftanb aut in ben loßnarbeitenben itlaffen ftüßen fann unb je 
meßr u. A. aut ber Bebarf an Rlaffenartifeln snnimmt." Das 
ift eine Betätigung ber Vkhrßeit, bie in biefen Blättern immer 
roieberßolt roirb: bie Hebung beS ArbeiterftanbeS — unb roaS roill 
benn bie Sosialreform anbereS? — liegt im eigenen roohloerftan- 
benen 3niereffe beS Unternehmerthums! 


©tu fonferPatiPeS Urtheil über EinignngSämter. 3m ©egen- 
faß S u geroiffen Behauptungen, bie fürslit im preußiften Abge- 
orbnetenhaufe unb auf ber Delegirtenoerfammlung beS Eentral- 
oerbanbeS beutfter 3nbuftrießer aufgefteßt roorben finb unb bie 
im Vkfentliten barauf hinausliefen, baß man mit fosialeit Sd)iebs- 
geritten unb Einigungsämtern in Englanb ftlechte Erfahrungen 
gentad)t habe, führt bie „Sheusseitung" aus ber „Sosialen VrapS" 
einige Fäße an, wo baS EinigungSoerfahren ben Erfolg einer 
frieblit s ftiebliten Vereinbarung hatte (ogl. „Sosiale Vrayis" 
Sp. 574) unb bemerft basu: 

„^ebenfalls aber fteßen bie Dinge cinftroeilcn fo, baß cS nicht 
angeßt, 001 t bloßen Enttäuftungeu auf biefem (Gebiete 
Su reben unb oor äßnliteu Verfuchen in Deutftlanb 3 ” 
warnen." 


Das ift eine Stimme aus bem fonferoatioen Säger, bie eßrlitcn 
Beftrebungen snm fosialen Frieben roißfommen fein muß! Vks 
fte oertritt, entfpritt aut in ber Dßat meßr ber Vkßrßeit, als bie 
ftiefen unb irrefüßrenben Behauptungen über bie englifcßen Ver- 
fößnungSämter unb StiebSgeritte, roie fie bie Beamten manter 
inbuftrießer Verbänbe lieben. 


Eutmünbignug toegett Drunffutt Aus juriftiften Greifen 
roirb uns geftneben: Durt bas Ausführungsgefeß snr Eioil- 
proßeßorbnung, baS bem preußiften Abgeorbnetenßaufe oorgelegt 
ift, roirb ben Annenoerbanben bie Befugitiß eingeräumt, ben An¬ 
trag auf Entmünbigung einer V^fon wegen Drunffntt S u ftcßeu. 
Die Eioilproseßorbnung hat ben SanbeSgefeßgebungen bas Rett 
auSbrücflit oorbehalten, ben Armenoerbänben bie Beantragung ber 
Entmünbigung s u geftatten. 3m Fntereffe einer genügenden" An- 
roenbung ber betrepenben Vorftrift fann nitt beftritten werben, 
baß baS felbftftänbige, oon bem Rette ber Familienangehörigen 
unabhängige Rett ber Armenocrbänbe Herbeiführung ber Ent= 
iniinbigung trunffiittiger ißerfonen gar nid)t entbehrt werben fann 
unb auf bie oorbeugenbe Einroirfuitg bei gansen Vtoßnahme nur 




6o$iale $ra£t§. dentralBIatt für ©ojialpülüi!. 9fr. 23. 


620 


619 


bann 311 rechnen ift, roenn ben Organen, roeld^e bie Armenpflege 
oertreten, bie Vtöglicßfeit gemährt ifi, recftt^eitig betn auf Ver* 
fdjroenbuug feinet Vermögens gerichteten Verhalten beS irunf* 
flistigen entgegen^utrcten. ®ic Maßregel mürbe größtenteils beS 
praftifcßeit Berts entbehren, roenu mit ber dntnuiubigung nur 
feiteuS ber ttäcßften Angehörigen oorgegangen roerben fonule, unb 
besßalö bürfte fi<ß bie Nachahmung biefer Vefiintntung beS preu* 
ßifcßeit dinfüßrungSgefeßeg and) für bie übrigen VunbeSftaaten 
rooßl empfehlen. 2)aß bamit unter Umftänben auch ein gctoiffei* 
Viißbraucß getrieben merben fann, läßt fieß freilich nicht burcßauS 
oerneinen. Snbeffen fomrnt bemgegeniiber in 93etracf)t, baß ja bie 
dntfdjeibung burd) bie orbentlidjen (Berichte im Bege beS eioil* 
pro^effualcn Verfahrens erfolgt unb bie lauteten gegen eine un* 
gerechtfertigte dittmünbigung burth bie neue Sfaffung ber dioil* 
pro 3 eßorbnuitg hoch ber Art oerftärft morben finb, baß in ber 
.ftauptfadje mit biefer doentualität nicht ernftlich gerechnet 3 U roerben 
braucht. Scbenfatls* bietet biefer unmittelbare AntragSrecßt ber 
Armenoerbänbe an fich ein roirffameS Mittel jur Verhütung ber 
Steigerung ber Armenlaften in <$olge eineg unroirtßfißaftlichen, 
felbftoerfchnlbeten nnb barunt auch nermeibbaren Verhaltens. 

$te Vefteuerung ber SHnfißüienfraft $nnt Veften ber Arbeiter 
in Sfröttfreiiß oerlangt ein oon beni Abgeorbneteu doutant in ber 
Kammer eiitgebrachter Antrag. 3)er fo 3 ialiftifcße Autragfteller geht 
feineSrocgS oon bem ©ebanfen aus, baß ber 2Rafcßinenbetricb an 
fich eine Verbräitgung ber £>aitbarbeit unb bamit einen abfoluteu 
Aacßtßeil für bie arbeitenben klaffen mit fich bringe. ®ie Vor* 
theile, roelcße aus ber Anroenbung ber üraftmafeßineu erroad)fen, 
feien bisher jeboch in erfter Linie bem Kapital jngcfomuien, 
roährcnb fie für ben Lohnarbeiter bie ©efaßr ber ArbeitSlofigfeit 
unb ber Snoalibität bebeutenb oergrößerteu. $)iefe fd)äblicßen 
Birfungen fönneit — nach ben Vfrtioen beS Antrages — babureß 
fompenfirt roerben, baß man aus ber Vefteuerung ber Vtafcßinen* 
traft bie Mittel für bie ©riinbung oon nationalen Waffen für 
ArbeitSlofen* unb AlterSoerforgnng befchafft. doutant fcßlägt eine 
2 aj*e oon 5 graues für bie ^ferbefraft oor, roelthe oon allen in 
XranSport unb 3nbuftric oerroenbeteu ^ampftnafdjinen, fjpbrau* 
lifdjen Anftalteu, Was- unb s $etrolcuntmotoreit erhoben roerben foli. 

diu ©efeß gnm Schuß ber „ArbettStuiCfigen" itt Schieben 

ift oon beiben Kammern angenommen roorben. 3 e itnngSberichte 
rnelben barüber: ds lag ein Antrag beS ©efefcauSfcßuffcS uor, 
ins Strafgefefc bie Veftimmung aufjunehuteu, roonach ber Verfucß, 
3 emanb burd) ©eroalt ober Drohung 3 ur Sheilnaßtite am Aus* 
ftanb gu jroingen, mit Strafe bis gu ^roei fahren Strafarbeit be* 
broht roirb. Vegriiitbet rourbe ber Antrag mit bem £>inroeife, baß 
bei Streifs Vüßßanblungen oorfämen, bie nach ben bisherigen Ve* 
ftimmungen nicht bestraft roerben fönnten. $>er Sprannei ber 
^aeßoeretne rnfiffe man entgegentreten. 3>aS ©efeß roäre 311 m 
Bohl ber reblicßen Arbeiter uothroenbig. din Aebncr bemerfte, 
ftreifenbe Arbeiter müßten in ber Aegel als fchäbliche ©lieber ber 
Wefellfchaft betrachtet roerben. 3)er Vrofeffor ber SJtechtgroiffenfcßaft 
£rpgger jeboch fpraeß fich in ber drften Kammer mit aller dnt* 
feßiebenheit gegen folcße Veftimmuitgen aus, bie er als unbillig 
unb gefährlid) be 3 eicßnete. Unbillig roäre ber Vorßßlag, roeil er 
gegen ben uralten feßroebifdjen ©runbfaß im Strafgefeß, roonach 
nur baS oollenbete Vcrbredjeit, aber nidjt ber bloße Vcrfud) beftraft 
roerbe, oerftoße. ferner roäre ber Vorfcßlag gefährlich, roeil er 
eine VJenge Arbeiter, bie fich oielleicht 3 U Drohungen hinreißen 
liefen, aber fidjer nicht 311 Xßaten übergingen, ins 3ud)tbauS 
bringen fönne. Auch in ber 3 n>eiten Kammer erhoben fid) oer* 
ein^clte Stimmen gegen bie Vorlage, roobei ein Abgeorbneter 
barauf ßinroies, baß 3emanb, ber einen Anberen 3 U 2)icbftaßl ober 
Vfrrb 311 3 roingcn fuche, frei auSgelje, roenn baS Verbrechen nicht 
3 ur Ausführung fomme. $aßer hätte es audj feinen Sinn, bie* 
jeuigen Arbeiter 3 U beftrafeu, bie ihre ©enoffen 3 ur ArbeitSnieber* 
legung 311 oerleiten fudjten. Xrohbem rourbe ber Antrag in beiben 
Kammern unb 3 toar in ber 3 roeiten mit 108 gegen 93 Stimmen 
angenommen. — dine Aeuheruug ber Regierung ift noch nicht 
erfolgt. 


Soziale Jofläuöe. 

(Einheitliche Vefttmmungen für bie ^ienfit« unb Aulje^eit ber 
difenbahnbetriebSbeamten in 2)eutf(hlanb. Bie im AeidjStage bei 
ber Veiathnug beS dtats bes AeichS*difenbahnamts mitgetheilt 
rourbe, hoben im oerfloffeneit 3ol)t'e fommiffarifche Verathungen 
über bas Hh'aß ber an bas difenbahnbetriebsperfonal 3 U ftellenben 
bieuitlidien Anforberungen ftattgefituben. "Diefe Verathungen foroie 


roeüere, oom AeichS«difenbahnamt mit ein 3 elnen VunbeSrcgierungen 
gepflogene Verhanblungen ha^n 3 ur Aufftellung oon „Veftim« 
mungen über bie planmäßige 2 )ienft* unb Äuhejeit ber difenbahn« 
betriebsbeainten" geführt, Denen nunmehr alle betheiligten Ne* 
gierungeu beigetreten finb. $)ie Veftimmungen enthalten bie 
©runbjäße, oon benen bei ber Vemeffung ber $>ienftbauer beS 
StationS* unb VahnbcroachungS* foroie bes 3ngbegleitungS* unb 
ßofomotioperfonals auS 3 ugehcn ift, unb follen auf atte mit ber 
felbftänbigen Bahrnehmung ber 2)ienftoerrichtungen biefer Veamten 
betrauten $erfoneit Anroenbung finben, ohne Aücfficht barauf, ob 
fie als Veamte angefteüt finb^ biätarifch befchäftigt roerben ober 
außerhalb beS VeamtenoerhältniffeS ftehen. ^)ie neuen Vorfd)riften, 
benen bie ^ienfteintheilung bei ben preußifchen Staatseifenbahnen 
im Befentlidjen fdjon h^nte entfpricht, roerben nunmehr auch bei 
ben übrigen Staatseifenbahnen allmälig bureßgeführt roerben. 2)ie 
Vrioatbapnen finb oom AeichS*difenbahnamte oeranlaßt roorben, 
fiinftig nach benfelben ©runbfäßen 3 U oerfahren. 

dine So^ialenqnete in einem Arbcifemeriel Oon $ariS hoben 
bie Aer 3 te bu BeSnil unb Vtangenot ausgeführt, ds ßonbelt fid) 
11 m ein Cuartier im 13. Aronbiffement, bie fogenannte Pointe 
b’^orp, roelcßeS 8 ha umfaßt unb oon 4433 Sßerfonen berooßnt 
ift. Von biefer Veoölferung finb 3673 ^erfoneit, alfo 4 / 5 ber 
©efanimtheit, in Bohnungen oon roeniger als 400 3rcS. VtiethS* 
roertl) untergebradjt. S)iefe 3673 Vafonen bilbeit 1266 ,J>auS* 
haltungcn, oon roelcßen 134 nach Ab 3 ng bes VJiethSbetrageS nur 
noch über ein dinfommeu unter 400 3frcS. oerfiigen, roährenb 
633 ^auSßalte noch über 1200 J$rcS. g ur 3)i$pofition haben. Um 
jeboch ein genaueres Vilb oon ben thatfäcßlichen 3uftänben 3 U ge* 
roinnen, haben bie dnqueteitre bie dinfomntenSoerhaltniffe pro 
^opf unb pro Xag auSgerecßnet. ds ergab fieß bemitad), baß 
unter ben 1266 beobachteten §auSßalten 

r>38 üabeu ein dinfommeu oon mein* als 1 ,üo ^rcs. pro ^ag unb Aiopf 


223 = - = 1,uü = 

4 s = = u,‘»o - 

3 s = (),m> = 

2:. = = 0,40 = 

14== = = ( ),2b 

3 = = = = 0,15 = 


Von biefen .sjausßalten finb nur 811 rotrflid)e Samilien* 
unb es ift bcmerfcnSroertß, baß 001 t biefen 288 ober 35, 5 % 
fiitberlos finb. SDiefer V r a 3 entfaß überfeßreitet beträchtlich ben 
^ureßfeßnitt ber unfruchtbaren dßen, ber für ganj Sranfreid) 
22 % beträgt, ^ie £iuberfterblicßfeit ift übrigens feßr groß in 
bem fraglichen Stabttßeil. Auf 557 ©eburten roäßrenb 5 3aßreit 
fameu 202 ^obesfäHe oon tfinbern unter 5 3aßren. 5)er AlfoßoliS* 
ntuS feßlt nießt. 9Ran finbet in einer Straße auf 61 Läben 
23 Scßenfen unb 8 Krämer, bie ebenfalls alfoßolifcße ©eträufe 
oerfaufeit. Qn einer anbern Straße giebt es unter 38 Läbeu fo* 
gar 38 Scßenfen. $a£ 13. Aronbiffement, in.bem baS unterfneßte 
Cuartier liegt, oertßeilt übrigens alljährlich etroa 900 000 0rrcS. 
als Armenunterftüßung. 

®te lanbtotrthfchafHichett fiüßue itt dttgfanb. Amtlichen VJit* 
tßeilungeu jufolge finb bie Iänblidjen öößne in dnglanb in ben 
beiben leßten Saßren giemlicß ftarf geftiegen. Snx leßten Saßre 
betrug bie Steigerung 6 Vence bis 2 Schilling roocßentlicß je naeß 
ben oerf^iebeneit ^iftriften mit größerem ober geringerem Mangel 
an Arbeitsangebot. 3m ^ureßfeßnitt ergab fuß eine Loßnfteigerung 
oon 4 V 2 d pro £opf unb Bocße. 3nt laufenbeit Saßrc feßeint 
biefe^eitben 3 fieß itocß fühlbarer 3 U maeßen, ba bereits im Sanuar 
aus oerfeßiebeneu englifcßen ®iftrifteit eine Steigerung beS Bocßeu* 
loßiteS um 1 sh. gern eibet roirb. 


30 :beUgebertierbönbe. 

„Scßuiar^c Liften." 3n einem feßr rofig gefärbten Vilbc, baS 
ber freifonferoatioe Abgeorbueie Vorfter unlängft im N^nßifcßen 
Abgeorbnetcnßaufe oon ben Unternehmeroerbänoen entroarf, roar 
auiß behauptet roorben, biefe Vereine übten nießt ben geringften 
dinfluß auf bie Arbeiteroerßältuiffe bei ben ei^elnen VatgHebern 
aus. Vor ben Sßatfacßen hält biefe Schönfärberei nießt Stanb. 
2 )ie geioerblicßen Kartelle finb nießt nur rein roirtßfdjaftlicße 3 u* 
ftitute, fottbern fie üben oielfacß aueß ein .^errfeßaftsreeßt forooßl 
gegen ißre Vcitglieber als gegen bereit Arbeiter aus; aud) „arbeite* 
roillige" Unternehmer, bie fold)en Verbänbeit bei 3 utreten fieß 
roeigern, roerben bureß Sperre, Vopfott, VerrufSerfläruitg, dnt* 
3 ießung oon Lieferungen u. f. ro. bebrängt. Viatt fann mit eben 



621 


(Soziale ©rajiö- dentralblatt für Sogialpolüif. Dr. 23. 


622 


foldjem SRedjte dou einem XerroriSmuS ber Unternehmer wie ber 
Arbeiter fprecheit. Dur ein paar ©eifpiele aus ber lebten 3*it- 

$>ie gürt^er GKaSinbuftrieHen oerönbarten gegenfeitig, bafe Me» 
jelügen Arbeiter, bie baS ArbeitSoerhältnife freimütig löfen ober aus 
„unliebfamen ©ri'mben" entlaffen werben, non ottberen Unternehmern 
erft nach fec^ö SBocfjen rnieber eingefteflt werben bürfen. 25er ©erein 
beittfdjer Sapetenfabrifanien erfireeft biefe grift gar auf brei Monate. 
2 ie Crgamfation ber Hafnermeifter tn Nürnberg treibt, wie ein iüngft 
oeröfientlidjieS ^eugnibfdjema bewetft, bie ©errufSerflärung en gros. 
2ie XreSbner 3wangSinnung ber iifcfeler fdjreibt in ihrem Statut 
Arbeitsbücher für bie ©ehülfen nor: „25ie ©Jitglicber ber Innung bü^en 
nur Wefellen in Arbeit nehmen, welche ftcfj oorfcbriftgmäfetg Iegitimiren 
fönnen unb fich ber Erbmmg ber Innung unterwerfen." 25er Arbeit* 
geberoerbanb im ©augewerbe in SÄagbeburg £jat 1898 fämmtliche Arbeiter 
ausgeiperrt, weil einige an einem AuSftanb betheiligt waren. Xer 
©crein ber ©remer (ugarrenfabrifanten f)at ebenfalls bie ftreitenben 
Arbeiter jweier ©etriebe in ©erruf erflärt. 

©Sir unterfudhen nicht, wie berartige ©fafenahmen mit bem 
Wortlaut ober hoch bem ©eifte beS defefeeS im dinflang ftehen. 
Doch oiel weniger halten wir es für angebracht, bie Staatsgewalt 
gegen biefe AuSwüchfe beS Koalitionsrechtes angurufen. ©Hrffamen 
Srf)uh fann hier nor Ottern bie Organifation ber Arbeiter bringen. 
Xie ®ewerffchaften, ©ewerfoereine unb fonftigen ©erufSoereine 
haben aber auch noch einen anberen DedjtSanfprud), neben ben 
llnternchmernerbänben gu ftehen. ©Sie bie gewerblichen Kartette 
gegrünbet werben, um oermittelft ber Degelung ber ©robuftion 
anaemeffene greife für ihre ©karen gu erzielen, fo bat ber 
ArbeiterberufSoerein gang biefelbe Aufgabe, oermittelft Regelung 
bes Angebots ben ©reis ber Arbeit in einer ben ßebenSbebürf* 
niffen entfprechenben Höhe gu halten. 3n biefem Sinne unter* 
fchreiben wir ooflftänoig, was §err Stcinmann*©ucher, jefet 
Herausgeber ber „Snbuftriegeitung", nor einigen Sahnen in 
SchinoIIerS 3af)ri>u<h ausführte: 

„Xarin befiehl eine tiefgeljenbe ontereifengememfehaft ber Unter* 
nehmer unb ber Arbeiter, bafe [ie beibe eine ©errümmerung beS ©echtes 
ber ©ereinigung, ber Koalitionsfreiheit befätnpfen muffen; benn baS 
Koalitionsrecht ber beiben hängt aufs (Engfte gufamnten. öS ift ungu* 
läfftg, gegen bie Kartelle oorgugcbcit, wäfjrenb bie Arbeiterfoaliüonen 
gebulbet werben; umgefehrt gebietet bie 25ulbung ber Kartelle baS 3«* 
geftänbnife gleicher ©ereiniguiigsfreihcit an bie Arbeiter, Aud) ber 
Unternehmer fann in biefer üUeidptellnng ber Arbeiter mit iljui in ©e* 
311 g auf btefeS ©echt ber ©ereinigung feine ©euadjtfjetligung erblicfen; 
benn bie Arbctterfoalüioii führt gu beuifelben ^iele wie bie Koalition 
ber Unternehmer, fie ift feine OJegenftrömung, fonbem eine parallel* 
ftrömung ober uielmefp* eine Strömung tiadj beuifelben ©unft. 

Konftituinwg beS Xentfdjen ArbeitgeberbunbcS für baS ©an* 
geioerbr. 2)ie lofalen Arbeitgeberoerbänbe für bas ©augewerbe 
aus gang ®eutfchlanb jiub gu einer (tfeneraloerfammluitg einge* 
laben worben, bie am 15. ©Järg in ©erlin ftattfinben foü. 2)ie 
dlriinbuitg beS ArBeitgeberbunbeS ift auf bem oorjährigeu Xele* 
girtentage beS SnnuitgSoerbanbeS beutfeher ©augewerfsmeifter 31 t 
©reSlau befd^Ioffen worben unb fofl auSgcfprochenermafeen bie 
Arbeitgeber in bie Sage bringen, „ber geschloffenen Koalition ber 
Arbeitnehmer erfolgreich entgegen gu treten, um fich bic ^elbftftänbig* 
feit in ihren ©etrieben wahren 3 U fönnen." 3 ur ^brilnahme an 
ber ©erfammlung werben nur mit ©otlmachten oerfehene unb 
legitimirte ©ertreier beS felbftftänbigen ©augewerbeS 3 ugelaffeu. 

©erliner Arbeitgeberbmtb. Dad) langen ©oroerhanblungen 
ift nunmehr ein Arbeitgeberbuub für ©erlin gefefjaffen worben. 
Xie betreffenbeu Statuten finb bereits ootit ©oligeipräftbium ge* 
nehmigt. ©orläufig fiub 1000 Arbeitgeber mit 40 000 Arbeitern 
bem ©unb beigetreten, ber Aufrufe oon 500 Arbeitgebern mit 
20 000 Arbeitern biirfte in ben nächfteit Sagen erfolgen unb 
weitere Anfdhlüffe ftehen beoor. An ber Spifee fteljt §err VI. §eege* 
walb oon ber ©ereinigung ber ©erliner ©ietaDmaarenfabrifanten. 
„Hauptgwccf beS ©erliner VlrbeitaeberbunbeS ift ber 3 u fautmen* 
fd)lufe aller ©rauchen ber Arbeitgeber gegen bie Arbeiterorgauifation 
((^ewerffdjaftsfartell). Selbftoerftänbltd) hat man auch fofort bie 
(^rünbuitg eines UnterftüfcungSfonbS ins Vlugc gefaßt, um eoentuell 
bei Streifs unb ©opfotts ben finangiell weniger fräftigen Arbeit* 
gebern unter bie Vlrme greifen 311 fönnen," fo wirb in 3 e it ll N9 en 
bemerft. 


Arbeiterbewegung. 

®ie ^((egivtatoerfammlung beS ^efammtberbaubeS ber ebaagelifiheit 
Arbeitemreiite BentfchlanbS wirb in Altona am 23. unb 24. 9Hai ftatt* 
finben; bic XageSorbrtung ift oorläufig wie folgt fcftgefejjt: ©egnihung 
bes ©orftfcenben. ©eridjt beS S^riftführers. ©ertefjt beS Schahmeifters. 
£ic fo 3 täle ©ebeutung bei* altteftamentltdjen Propheten; ©eferent Hof s 


prebiger a. $. Stodfer. Sinb bie römifch*fatholifcheu ©fannerorbeu ber 
neueren 3 eit bem Rialen ^rieben unb ber fo 3 ialen Wohlfahrt ber 
©ölfer förberlid) ober fdhäblich gewefen? ©eferent $iafomtS Dr. Kölpfd). 
SBte erhalten wir bas Seben in unferen ©ereinen frifch? ©eferent 
©aftor 2himm. Arbeitsämter; ©eferent ©rofeffor Hüpfben. ^er ncuefte 
Stanb ber SBohnungSfrage; ©eferenten SSeber unb ©iemeper. 3)ic 
TOtßftänbe bei ber jejjigen ©erwaltung ber Crtsfranfenfaffen; ©eferent 
©aftor ©ünther. 2 )ie ©eorganifation ber ©olfsfefte 3 U chriitlichen unb 
beutfehen heften; ©eferent Stabtoerorbner Kott. Kommunale So 3 ial* 
politif; ©eferent ©aftor Sraub. 

®ie örriihtuttg efoeS ArbeiterfefretartateS in «reSlau ift geplant. 
3 n einer ©erfammlung erfannten bie 2 )elegirten bes (^ewerffchaftsfartelis 
bie ©othwenbigfeit einer folcpen ^nftitution an unb uerpflidjtetcn fid), 
bafür 3 U forgen, bah ihre ©erufe innerhalb oier ©Sodjcn fid) bariiber 
erflären, ob fte mit ber (Errichtung eines Arbeiterfefretariats cinocr* 
ftanben unb bie SRitglieber ber ©ewerffchaften gewiüt finb, 00 m l.^uli 
b. SS. ab 3 U biefem 3 wccfe 10 4 beßuiteuern. 3 ur örlebigung ber 
©orarbeiten würbe eine Kommiffion gewählt. 

ftampf im etiglifchen ©augewerbe. ®ic AuSfperrung ber 9©it* 
glieber beS StucfarbeitcroerbanbeS (National Association of 
Plasterers) burch bie Arbeitgeber*©ereiuigung (Master Bnilders’ 
Association) ift erfolgt. $ie Abftimmuug ber Arbeiter über bie 
gorberungen ber Unternehmer ergab 10175 Stimmen gegen unb 
nur 36 Stimmen für bie Annahme. 2)ie noch in ben lefcten 
Sagen gemachten ©erfuche, eine Konferen* beiber ©arteten 30 
Stanbe 3 U bringen, finb an ber Abneigung oornehmlich ber 
Arbeitgeber geheitert. Am 4. 3Rarj ©adhmittag erhielten bie 
Arbeiter bie einftünbige Künbigung unb würben abgelohnt. Am 
6 . friih würben nur folche ©ipfer eingefteüt, bie ftch als ©icht* 
mitglieber ber Drganifation befannten. 


%>tt 3*h^^beri#t ber babifchett SabriHnfpeftio» für 1898. 

2>er in allen fosialpolitifchen Greifen alljährlich mit Spannung 
erwartete 3 ahresberid)t ber babifchen öjewerbeaufficht,*) früher regel* 
mäfjig ber erfte auf bem ©lape, ift bieSntal gwar oon bem ©encht 
für ©apern überholt worben, folgt biefem aber auf bem 5 ufte. 
©ieberum aus ber Seber bes |>erru Dber * ©egierungSratheS 
Dr. ©?öriShoffer erftattet, enthält biefer ©iidfblicf auf baS oer* 
floffene 3 ahr eine Süfle ftatiftifchen Materials unb fo^ialpolitifc^er 
©eobachtuugeu; er rechtfertigt oon ©euern ben ©uf ber babifchen 
gabriftnfpenion, bie mit befonberer Sachlenutnife unb tief ein* 
bringenbeut ©erftänbnife für bie Arbeiterfrage ihre Aufgabe 3 U 
löfen weife. $)afe bei bem ©ewufetfeiu einer umfaffeitben unb er* 
folgreidhen ^hatigfeit bie gfabrifinfpeftion fich ju ben ©orfd)lägen 
ber Kammer, bie Wewerbeauffidht mehr gu becentralifircn, ffepttfeh 
ftellt, ift menfd)lich begreiflich, dagegen fomrnt ber ©erid)t bieS* 
mal ben Söünfchen, weibliche Auffidhtsbcamte eingufteKen, mehr 
entgegen als früher; oermuthlich wirb ©oben nun in ©älbe bem 
©eifptel oon ©apern, §effen, Sönrttemberg, fBeimar folgen, ©e* 
merfenSwerth aus fo fompetentem ©iunbe ift folgenbeS allgemeine 
Urtheil über bie ©efähigung gurn 3afp^ltionSbeamten: „(Eine be* 
fonbere ©orbübung für ©ewerbeauffidhtsbeamte giebt es nicht. 
3 eber oon ihnen, welchem Sache er auch augehöre, rnufe fich erft in 
aubere ©ebiete einarbeiten, was felbftoerftäublich 3 e il erforbert." 
Sßir glauben, bafe Herr SBöriShoffer hier bie Eilige unbefangener 
anfieht als baS preufeifefee ©egulatio für bie ©orbübung jum 3 n* 
fpeftionsbienfte. 2Bie ftarf oor Vlllem bie ©erfönlichfett es ift, 
bie eine gebeihliche ©Sirffamfeit oerbürgt, erhellt auch aus folgen* 
ber ©emerfung: ,,^)ie ©Ufeftänbe, beren Urfachen tiefer liegen, 
beren Stubium unb wenigftenS mögliche ©filberung am @nbe bie 
oornehmfte Aufgabe ber ®ewerbeauffid)t bilbet, laffeit fid) nicht 

burch amtliche ©erfügungen aus ber ©Seit fchaffen. ®S ift bies 

baS gange (Gebiet, auf welkem fich ©erhältuiffe ber gewerb* 
liehen Arbeit unb unfer ganger Kulturguftanb fo innig berühren." 

$>ie Auffaffung, bie fich i n ^ c f en Morien funbgiebt, fpiegett 
fich flar in bem ©erichte über bie 3 u f*änbe in ber Arbcitermelt 
©abenS. dS wirb gwar feftgeftellt, bafe ber ©erfehr mit ben 

Arbeitern fich immer noch in engeren drengen hält als wünfehens* 
werth- 2ß er man empfange Dabei hoch jefet fdEjon uad) ncr* 

fchiebeuen Dichtungen burchauS erfreuliche dinbriiefe: „^ie Stetig* 
feit ber ©efd)äftigung, welche bie fdjon feit mehreren oaferen 
anhaltenbe lebhafte inouftrielle ^hätigfeit gewährt, bie Keinen aber 
unter Umftänben ftch wieberholetibeit unb in ber Dcgel feftge= 

Karlsruhe, ^rudt unb ©cvrag oon Acrb. Jliiergartcn. Seiten 
©reis 3 M. 



, 623 


Sogiale $rajtS. (Sentralblatt für Sogialpolitit 9lr. 28. 


624 


halteneit Grhöhuncjen ber Söhne in mannen Qnbnftriegmeigcn, bie 
ba unb bort ftatlfinbcnben £)erabfeßungeit langer Arbeitzeiten unb 
nid)t gum Vkntgfien bie fogialeit VerftcheningSge[eße ^aben groeifel* 
los in geroiffem Umfange böS Gefühl ber Sid^cr^eit in baS 
Arbeiterleben getragen, bie aud) Hinflug auf ihre 3)en!imgSQrt 
gu haben fdjeint. hierauf ift theilroeife auch bie guitehmenb 
ruhigere Veljanblung ihrer Angelegenheiten gurärf^ufähren. 
*X)aS hiermit oerbunbene roachfenbe (Selbftoerirauen hat audj, fo 
roeit mir bieS mahrnehmen fömten, eine frtoole Veurtheilung ber 
Verhältniffe gurüefgebrängt. Angenehm mirb man aud) öfter oon 
ber Art berührt, in roeldjer angeftrebte Sohitaufbefferungen be* 
grünbet ober brohenbe |)erabfeßungen ber Afforblöljne befämpft 
merben." VeHagt mirb tm Gegenfap hiergu, baft noch in meitem 
Umfange bei ben Arbeitern etit unberedjtigteS Vcißtrauen gegen 
ihre Arbeitgeber beftehe, als ob biefc bei jeoer Gelegenheit ihren 
Vcrbienft herabbrüefen moHten: „3n größeren Stäbten roirfen bie 
Arbeiterorganifationen baburd), baß fie fuchen, bie 3>inge 
flarguftetfen, in biefer Vegieljung immerhin einigermaßen aus* 
gleidjenb." $ie bisherige Sheifoahmlofigfeit oieler Arbeiter in 
Vegug auf baS VtohnungSmefen fd)roinbe unter bem Ginfluffe ber 
treffe unb mancher Arbeiterführer allmählich. — $>er Verfehr mit 
ben Arbeitgebern fei ein burd)aus erfreulicher, ben Aitorbuungen 
ber Beamten merbe miHig Jyolge geleifiet, unb bie früher hier unb 
ba beftehenbe Guipfinblidjfeit höbe aufgehört — ein 3eugniß, baS 
gleichermaßen bie Vchörbe mie bie Unternehmer in Stoben ehrt. 

VtoS bie Gingelfjciteu beS SahreSberidjteS betrifft, fo mirb 
mitgetheilt, baß bie gef etlichen Vorfcßriften über bie Vefdjäftigung 
oon Äinbern unb Sugen blichen gut cingeljalteu merben. Ungefeß* 
lichfeiten fommen houptfächlid) in Gigarrenfabrifen unb 3icgeleien 
oor. (Sine (Stätte mangelhafter SefjrlingSauSbilbung finb bie 
fleinen Vucßbrucfercien. 3u bem (streben nach Verbilligung ber 
Arbeit merben bem jugenblicßen Arbeiter utandjtnal Verridjtungen 
gugemuthet, bie mit ihrer förperlichen SeiftuugSfäl)igfeit im ÜRiß* 
oerßältniß fielen. $)ie AtiSbehnung ber Arbeiterfcijufcoorfchriften 
auf bie fogenannten Vfotorenbetriebe mirb „miubeftcns als fehr 
crroünfdjt" begeichnet. Vtohrenb bie 3afd ber in Sabrifen be* 
fchäftigten Sugcnblichen ungefähr gleich geblieben ift, hot fid) bie 
3ahl ber Arbeiterinnen abfolut oermehrt (54 039 gegen 51 579), 
ihr progentualer Antljeil aber an ber Gefatmntarbeiterjd)aft ift feit 
fahren im Sinfen (1894: 32, t4 %, 1898: 29,o6°/o). $ie 3aßl 
ber Verheirateten aber ift in gabrifen foroohl abfolut als pro* 
jentual gemad)fen; 1894 maren es 10 878, 1898 aber 14 198 unb 
m s }kogenten ber 3af)l ber erroaeßfenen Arbeiterinnen 27 ,^ unb 
30,39: „$>ie in biefer Vegiehuitg feit Sängern beobachtete mtgünftige 
Gutmicfehing bauert ununterbrod)en fort." 3« bem VericiJtSiahre 
mürbe ben itonfeftionsgefdjäften befonbere Aufmerffamfeit guge* 
menbet; eS ftellte fid) aber herauf, baß bie meiften gar nicht unter 
bie VuubeSrathSoerorbitmtg oom 31. Vfärg 1897 fallen, lieber* 
arbeit mürbe bei bem künftigen GefcßäftSgang fehr oiet geleiftet 
— im Gangen 178 402 Stauben, gu brei Vierteln ift babei jebod) 
bie ^forgheimer Vijouteriefabrifation betheiligt. ®afiir, baß bie 
Arbeiterinnen auch in Gebiete einbrütgen, bie "bisher ben Männern 
oorbehalten maren,. mirb ein Veifpiel aus ber VtetaUiubuftrie an* 
efüljrt; bie grauen mürben auf Spenglerarbeit eingelernt, er* 
ielten aber erheblich uiebrigere Söhne als bie Vtänner. Sehr 
intereffant ift eine längere Darlegung über bie gefuitbheits* 
fdjäbigenbe SBirfung gemerblidjer Arbeit auf baS meibltdje Gefdjlecht 
im Gegenfaß gu ber lanbmirthfcßaftlicbeu Vefcßäftigung; für mandje 
gubuftriegmeiae fei ber llftiinbige Arbeitstag nod) gu lang. 

"I)er lebhafte Gang ber gnbuftrie im Saßre 1898 fonunt 
mefentUch in ber 3ohl ber befchäftigten Arbeiter gum AuSbrucf, fie 
ift oon 173 794 auf 185 978 geftiegeu, ein VtocßSthum, baS 
lieben bis acht Vial ftärfer ift als bie entfprechenbe Veoölferungs* 
oennehrung. GS hoben fich .'ober nicht fo fehr neue, bisher ber 
gnbiiftrie fernftchenbe Greife ihr gugemenbet, als oielutehr aus* 
länbifdje Arbeiter, befonbers Italiener unb $olen, h er angegogen 
roorben finb. S3ie in ben Vorjahren finb abermals ba unb bort 
Verfügungen ber regelmäßigen Arbeitzeit eingetreten, namentlich 
hat bie Vemegung in ber llhreninbuftrie gortfd)ritte gemadft. Auch 
einßdjtige Arbeitgeber hoben rreimillig eine Aebuftion eingeführt: 

murbe nirgenbS oerfannt, baß h^rburch bie ArbeitS* 
intenfität erheblich gefteigert mürbe, (ibenfo mirb burch 
oerfd)iebene 5Rittheilungen oon Arbeitgebern beitätigt, baß bei ber 
fürgeren unb aiifmerf|amer oollgogeuen Arbeit bie vsntettigeng ber 
Arbeiter fiif>. hebt, mährenb bie langen Arbeitsgeiteu .... leicht 
eine geiftig abftumpfenbe VMrfmtg heroorbraditen. Arbeiter 
fühlen bas ebenfalls. Unter ihrer gorberitng fleht baßer .... 
eine Verfürgung ber Arbeitsgeit obenan." Sitos bie ^urd)führung 


ber Vta^imalarbeitSgeit in Väcfereien anlangt, fo mirb eine Ab* 
nähme ber Uebertretungen oergeiebnet unb auSbrücflicß fonftatirt, 
baß bie befannte VunbeSrathsoerorbnung oom 4. SRärg 1896 
„bei gutem Sßillen oollfommen burchführbar" ift. $>ic 
Vorfcßriften über bie (Sonntagsruhe merben oon ben Arbeitern 
immer mehr als Söohlthat empfunben, ihrem Vollguge mirb 
fteigenbeS gntereffe gugemenbet, 3omiberhanblungen gegen fie 
fommen nur menige oor. ^ontraftbrud) ift ber gabriftnfpeftion 
nur feiten gur Äenntniß gefommeu. S)ie 1898 eingetretenen Aus* 
ftänbe finb roeber nach Umfang noch 2)auer bemerfenSroerth. Ader* 
biitgs ift bie 3oh^ fleinen unb furgroährenben Streifs nicht 
geringer gemorben. SRühmenb mirb h eri)0r 9 c ^ 0 ^ en / ^ofe 
rößere 3ohl oon Arbeiterbemegungen nicht gu AuSftänben geführt 
abe, meil fomo|l bie Arbeiter als bie Unternehmer auf gütlichem 
SBeae, burch Vefpred)ung gmif^en Arbeitgebern unb Vertrauens* 
perjonen ber Arbeiter, bie ftreitigen fünfte in aller SRuße gu er* 
lebigen geneigt maren: „Vtonn bie Arbeiter unter fich einig unb 
in ihren gorberungen mäßig finb unb menn fie ruhig unb mit 
Verücffidjtigung ber thatfäd)li<hen Verhältniffe oerhanbelit, merben 
fie ihre gntereß’en jebenfalls am Veften mähren." 

2)ie Drganifationen ber Arbeiter merben auf Seite 52 
bis 58 beS VerichtS erörtert; mir faffen bie Ausführungen in 
folgenbe Säße gufammen: 

$ic inneren shwierigfeiten ber gemerffdjaftlichen Srganifation 
ber Arbeiter, gerabe mic bieS bei ähnlichen Veftrebungen anberer Gefell* 
fdjaftsflaffen ber TJaU ift, treten nmfomchr hcroor, je meniger äußere 
Schmierigfeiten berartigen, fich in ben geicjjüdjen Schranfen holtenben 
Vejtrcbimgen bereitet merben. CSS fdjeint auch; baß bie jeßigcit giinftigen 
feiten bei einem 3l)eile ber Arbeiter nicht bagu beitragen, biejenige 
Selbftgudjt gu beförbern, ohne melche bie immerhin fdjroierigen Auf* 
gaben folcßer Crganifationen gar nicht erfüllt merben fönnen. So mirb 
g. V. in ber Arbeiterpreffe ab unb gu über bie gunehmenbe unaefunbe 
CSmpßnblid)feit geflagt, mciche fich in ber Arbeitermelt etufrf)leic§c, bie 
fein aufridüigeS SBort mehr ertragen tonne, fonbern hinter Allem Vor* 
etngeiiommenbeit unb guriictfe^ung mitterc unb baburch bas Solibari* 
tätsgefiihl nid)t ftärfe, fonbern Mißtrauen unb ^mietracht fäe. Auch 
bariiber mirb fidj oon biefer Seite mit Aedjt befchroert, baß bie Arbeiter* 
orgauifatiotien manchmal in Arbeiteroergnügungsoercine ausarten, au 
benen ohnebent fein Mangel fei. Gerabe biefer Umftanb giebt in an* 
bereit VeoöIferungSfchi<htcn fo höußg Anlaß gu einer abfälligen, tu 
ihrer Verallgemeinerung aber bod) nicht gutreffenben Äritif ber Ve= 
ftrebungen ber Arbeiter. VJir halten bal)er bie meit oerbrcitetc Alt* 
nähme, baß ben Arbeitern Crganifationeit gur Nahrung ihrer 3nter= 
effen megen einer ihnen innemobueuben befonberett Vegeifterung leichter 
gelängen als anbereit laßen ber Veuölfermtg, für eine Ueberfdjä^ung 
Der Arbeiterfdjaft. Unter normalen Verhältuiffcn erforbert jeber 3u= 
fammcnfd)luß Cpfer unb ein erhebliches 9)?aß oon Selbftgudjt. SSettn 
auch nicht in Abrebe gefteüt merben foll, baß bie Arbeiter hierin gort* 
fchritte gemacht haben, fo ift eS bod) fidjer, baß bie Selbftgucht in ben 
gebübeteren Ätaffen ber Veoötferuitg größer ift, als in beit meniger ge* 
bilbeten. 2:aS fcheint auch in ben lejjteren gum £heil felbft eingefeheit 
gu merben, bemt nur fo finb oielfadje Abmahnungen oon Aus* 
ftänbeit unb Mahnungen gur Aithe unb Vefonnenheit gu er* 
flären. Solche Mahnungen frfjcinett aber oielfadj gar nicht nötljig gu 
fein. 'löcnigfteuS haben gerabe bie in heftiger Sprache gehaltenen 
Aebcu unb Vreßcrgcugniffe, melcße bie Arbeiter ben Crganifationcit gu* 
führen foHeu, mcift meitig Grfolg. . . . ;gmeifel(os bringt aber bei bnu 
eiufichtigerett Iheile ber Arbeitertchaft bie Ucbergeugung mehr unb mehr 
burch; baß bie Arbeiter fid) nur burd) ^ortfdjrittc in ißrer inneren Gut* 
midclung in guuehiucnbem Vtaße bic ihnen mol)l gu gömtenben äußeren 
ffortfdjritte fießern förtneit. So erflären fidj mandje (Srfcheiiutugen in 
ber Arbcitcrbemegung, g. V. bas nachhaltige ^utereffe, meldjes in größeren 
Stabten ber Ausgeftaltung beS Volfsfdjülmejens entgegengebrad|t mtrb. 
And) in ben Arbciterblättern merben oon gu ^eit Klagen über bie 
fiauljeit ber Arbeiter beit Drganifationen gegenüber laut. 

Vei oerfchicbeuen Attläffen, befonberS menn eS ftch für bie Arbeiter 
barunt hcmbelte, errungene Vereinbaruiigen über Sohn ober über Ar* 
beitsgeit gegen Veftrebungen ber Arbeitgeber, oon biefett Vereinbarungen 
gurüdgutreten, gu oertheibigeu, h a ücu bie Arbeiter bic (Erfahrung ge* 
macht, baß iljre gemerffdjaftlidjeit Drganifationen gu lorfer finb, um 
eine mirffante Vertheibiguug gu ermöglidjen. Vei foldjen Anläffcn 
haben aud) bie Drganc ber Arbeiter Darauf Ijingemiefen, baß bic ge* 
merffchaftlidjen Drganifationen gu furg gefommeu feien, meil man ß<h 
burdj bie geringeren Sd)mierigfeiten ber politifdjen Drgauifation oer* 
leiten ließ, erftcrc gu ucrnadjläfiigen. (SS fdjeinen bemnadj mcnigßens 
einige Gruppen Der Arbeiter oon ber V>irfnng einer oormiegenb poli* 
tifdjen Crgauifation uidjt ooflig befriebigt gu fein. SScnn fid) bic Ar* 
beiter oonoiegenb ber pflege ber prafti|djeu ontercjfeu ihres StanbeS 
Ijtngebcu, fo ift Damit ja in feiner Vieife gejagt, baß fie fid) besmegen 
Der'Vethätiguug am politifdjen Üebcu enthalten ober ineljr enthalten 
[ölten als Die übrigen Vcruisftänbc. 2ie merben aber immer mehr 
Ijcraiisfinben, baß hier mic überall bie einfeitige Muliioirung eines ein* 
gelneu Gebiete* uotljioenbig gu einer ihren ^ntereffen fdjäbUdjen Vcr* 
I uadjläffigung anberer midjtiger Seiten Des Gebens führt. . . . 



©ogtole $rajig, ©entralblatt für Sogialpolitif. 9fr. 23. 


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D>ic Drgamfation ber Arbeiter I)at im Laube an äußerer Auß* 
beßnung feine großen ^ortfefpritte aufguweifen. ©g muß aber nach an« 
berer Bicßtnng alß eine Beffcritng begeießnet inerben, baß bie Arbeiter« 
Bewegung fid) immer meßr praftifchen 3frlen guwenbet, unb baß fte 
uenmitfjlicß für bie Arbeiter einen größeren 9lußen crgielt als auf ben 
früher mefjr als jeßt beoorgugten Bcgcn. ... An bie Siede tßeoretifdjer 
Belehrungen ift in ben Arbeiteroerfammlungen mebr unb meßr bie Be* 
fcßäftigung mit ben praftifdjen ^ntereffen ber Arbeiter getreten. 9Bo 
erftere nodj ba unb bort für unentbehrlich gebalten werben, werben fie 
mehr mit ©ebulb alb mit ^ntereffe angehört, ohne eine erfennbare 
Birfung augguüben. Benn aber aud) bag biß oor ihtrgem eingebaltenc 
Verfahren eine ben aufgeioenbeten Anftrengungen entfprechenbc Prörbe* 
rung ber Crganifationen ber Arbeiter nicht gur J^olge hatte, fo ftnb 
bodj neben biefen Crganifationen unb theilweife unabhängig non ihnen 
burch bie tßatfäcßlidje ©ntwicfelung in ber Arbeiterwelt Kräfte ent* 
ftanben, weiche ebenfallb auf eine Berbefferung ihrer Lage brängen, 
unb welche ba unb bort ben ^ufammeufchluh gur Vertretung ihrer ge¬ 
nieinfamen ^ntereffen erleichtern. Dag Beburfniß nach einem foldjen 
3 ufammenfd)ließen ift offenbar tiefer begrünbet, alb in ben ben Ar* 
beitem nicht immer oerftänbnißnoll oorgetragenen unb noch feltener 
oerftanbenen Lebrmeinungen. Die non ^ahr gu 3«h r 3toar latigfam, 
aber hoch unoerfennbar eingetretene Befferung in ber Sage ber Arbeiter; 
bie in ftolge ber Aflmäblidjfcit biefer Berbefferungen eingetretenen 
Slullurwirfungen in ber Arbeiterfdjaft; ber fuß in wadjfenben ^heilen 
berfelbett entwicfelnbe Bilbunggbrang; bie Berbefferung unb Bermeß* 
rung ber unteren ^achfdjitlen; bie gaaahme ber Sicherung ber ©jrifteng 
ber Arbeiter burch bie fortfdjreitcnb reicheren Arücßte beg ftaatlichen 
Berftcherungßwcfeng unb burch bic abnefjmenbe Schärfe ber wirthfeßaft* 
ließen ftrifeu währenb einer längeren 3eitperiobe — aüc biefe aflerbingg 
befonberg gitnftig gufatmnengetroffenen Umftänbe haben eiuerfeitg baß 
Bertraueu Der Arbeiter in bie beftebenben 3 u ftänbe, anbererfeitg aber 
auch ißr Selbftoertrauen geftärft. Sie werben fid) bewußt, baß fte im 
wirtbfcßaftlicßen Leben, befonberg burd) ihre 3ah* unb ihren ©efainmt* 
uerbrauch, eine immer größere Bcbeutung erlangen, Hierburcß wirb bie 
Sicherheit ihrer C^ifteng immer enger oerfnüpft mit bem Beftehen unb 
ber ^rofperität ber gangen ©efeßfd)aft. 

Diefer gange bisherige Verlauf ber Arbeiterbewegung beftätigt nur 
baofenige, wag begüglidj ber geiftigen ©ntwicfelung ftch auf fo manchen 
anberen (Gebieten gegeigt hat. Die ßbeen haben nicht nur ©influß auf 
bie Blenfcßen, bie ihnen auggefeßt finb, fonbern fie erletben auch l’clbft 
bei ihrem Durchgänge burdi bie Bleitfcßen tiefgehenbe Beränberungen. 

3 n öffentlichen ©cmerffdjafigoerfammlimgen ift auggefproeßen 
worben, baß bag Verhalten ber Arbeiter gegenüber ber Arbciterfcßuß* 
gefeßgelmng fiefj äitbcrn ntüffe. Die Arbeiterfdjafi habe big je^t gu 
wenig Sntereffe für bie «tf raufen», Unfall* unb 3noalibenöcrficßerHngg« 
gefeße gegeigt unb auch bie ftaubßabung ber Sabrifgefcßgcbung burch 
bie Behörbeu faß gefliffentlid) ignorirt. Die «ttlagen ber ftaatlichen 
Auffidjtgbcainteu über bag mangelitbe Ssiitereffe ber Arbeiter au ber ge» 
faßlichen Ueberwachung ber ftabrifbetriebe feien berechtigt. Diefeg Ber» 
halten erfläre fid) gwar aug bem Mißtrauen ber Arbeiter gegenüber 
allen ftaatlichen Behörben, allein bie§ fdjließe eilt geänberteg Borgehen 
ber Crganifationen auf biefen (Mieten nicht aug. (Sine befonbere Auf» 
merffamfeit wirb in ben Arbeiteroerfainntluitgen ftetg ben (bewerbe* 
gerießten gugewenbet. ©g wirb auggefprochen, baß fie außerorbentlid) 
fegeitgreid) gewirtt hätten, unb cg wirb bag ©efaß über bie Wemerbe* 
aeridjte gerabegit alg eiiteg ber beften int Deutfchen Beicße erflärt. Aug 
Anlaß uon Lohnbewegungen fittben mitunter gwifchen eiitgclneit Arbeit* 
gebern unb ihren Arbeitern Bereiitbaruugen ftatt. Diefelben werben in 
ber Begel oon beiben Seiten mit Irene gehalten, wag bann jemeilg 
oon ben Arbeitern mit ©enugthuuug fcftgcfteHt wirb. 

Der SaßreSbericßi ber babifd)eit gabrifinfpeftion geugt auch 
bieömal für ben ©rnft unb bie ©ittfidfa, mit beneit fie geleitet 
wirb. Dag fogialpolitifcß fo bebeutfame Amt ber ©ewerbeauffießt 
wirb hier im (Seifte richtiger Arbeüerfürforge unb tiefen Berftänb* 
niffeg für bie fßft)d)oIogie ber Arbeiterbewegung gehanbhabt gu 
$ufe unb frommen ber Arbeiter, ber Unternehmer unb ber Aflge* 
meinhett. Der Bericht ift ein berebteg B^äborjer für bie Sogial» 
reforrn, er weift auf bie bigher auf biefem 2öege erhielten Erfolge 
hin unb er betont bie 9totbwenbigfeü, bie Bemühungen um bie 
wirt^fdfjaftlic^e, fogiale, fittliche unb intetteftueHe .pebuna beg 
Arbeiterftanbeg fortgufeßen. a. 


®in Antrag auf Aufteilung weiblicher ©ewerbeaufftdjtgbeamtcn 
in Brennen war oom Abgeorbneten Dr. Öirfdh im Abgeorbneten* 
häufe eingebracht. (Sg füllte banach bie Regierung erfudjt werben, 
nach bem Borgang anberer beutfeßer Bunbegftaaten auch Breußen 
einen Berfudh mit ber Anftellung weiblicher Auffichtgbeamten in 
Begirfen mit einer großen 3 Q *)i ÜOn Arbeiterinnen gu machen. 
Der Antrag fern am 6. Btärg gur Berhanblung. $ad) feiner Be* 
fürwortung bureß ben Abgeorbneten Dr. §>irf<h ftettte Abgeorbneter 
(Samp ben Unterantrag, wciblidje Beamte nur alg £>ülfgfräftc bei 
ber ©emerbeaufficht hcrangugiehen, womit fieß ber Antragfteller ein* 
oerftanben erflärtc. 9Rit bem Antrag in biefer J$orm waren 9tebner 


aller Parteien einoerftanben. Der SRinifter für $anbel unb ©c» 
werbe meinte, baß man bie ^erangießung weiblicher Qnfpeftoren 
nid)t oon ber £anb weifen foU: 

Bei ber großen *> cr roeiblicßen Arbeitgfräfte giebt eg 
tßatfäcßlich eine gange ^eiße oon SftoQen, bie eine befonbere Berüdf* 
fießtigung beg weiblichen ©efcßlecßtg notßwenbig machen unb bie 
nießt in gleicher Bkife oon Blännem erlebigt werben fönneit. 
Blanche fragen finb fo belifater Batur, baß bie g?nwen fuß fdheueit, 
fteß Blännern anguoertrauen, wäßrenb fte fein Bebenfen tragen, 
grauen ißre SBünfcße oorgutragen. Dieg gilt nießt nur oon ben 
©roßbetrieben, fonbern auch oon ben £>augbetrieben unb ben Bkrf* 
ftätten. 2Bir fteßen jeßt im Begriff, bie ©ewerbeinfpeftion 
auggubeßnen auf bie SBerfftötten, gunäcßft für bag $on* 
feftionggewerbe, unb perabe bag wäre oielleicßt in ber Dßat ein 
geeigneter Ort, bag wetblicße (Element eingufcßalten, um bie SBünfcße 
unb Be)d)werben ber weiblichen Arbeiter entgegenguneßnten. 3d) 
fteße biefer Srage nießt ableßnenb gegenüber. 

Der Blinifter beßielt fieß eine erneute Prüfung ber f^rage oor, 
fobalb bag Snformationgmateriat oollftänbig oorliege. — Der 
Antrag £)irfcß ßat banaeß eine feßr erfreuliche Aufnahme gefunben. 

$tttberf<htt$ in ©uglaub. (Einer ber bunfelften fünfte in bem 
fonft fogialpolitifd) oorgefd)rittenen ©nglanb ift bie $inberarbeit. 
SBäßrenb in Deutfcßlanb fd^ulpflicßtige $inber, b. ß. alfo ^inber 
unter 14 refp. 13 Soßren, überhaupt" nießt in gfrärifen befcßäftigt 
werben bürfen, beginnt in Gnglanb bie ©renge fdjon beim gurüa* 
gelegten elften 3toßre. t ift wenigfteng ein Heiner Anfang gum 
Befferen gemadjt worben, ©ine BiU beg liberalen Abgeorbneten 
SRobfon, bie oorfcßlägt, baß naeß bem 1. Sanuar 1900 fein ifittb 
unter gwöif Saßren meßr gang ober tßeilweife oom ©cßul* 
befueße befreit werben barf, würbe am 1. Blärg mit ber über* 
rafeßenben Bleßrßeit oon 317 gegen 59 Stimmen im Unter« 
häufe in gweiter Sefung angenommen. 3faft nur Abgeorbnetc oon 
Sancafßire unb agrartfeße Dorieg ftimmten bagegen. s Bie fcßoit 
früßer meßrfadß erwäßnt, ift bie Sfinberarbeü in ber Öorm ber 
„§)albgeiter", wobei Äinber oon 11 Saßren an nur ben halben 
Scßulbefudj genießen, um bie übrige 3*it in ber gabrif tßätig gu 
fein, hauptfäcßlicß in ber Baumwolltnbuftrie üblicß, unb ßier finb eg 
bie Arbeiter felbft, bie an biefer fcßlitnmen ©ewoßnßeit fcftßaitei!. 3n 
ber Debatte fpielte bag utilitarifeße Bioment, b. ß. ber Bacßmeig, baß 
bie weit ßößere ©infeßränfung ber ^inberarbeit bie inbuftrieOe 
^onfurreng ber f?eftlanbgftaa"ten nießt beeinträchtigt ßabe, bie 
«Hauptrolle. Snbeß würbe felbftoerftänblicß aueß bie ßpgienifcße 
©eite ber Srage betont, fowie ißre Bebeutung für bag Unterricßtg* 
toefen. 

Begeicßnenb war bag Berßalten ber Regierung, ©ir 3oßn ©orft, 
ber Bicepräfibent beg Unterricßtgminifteriumg, fpraeß unb ftimmte 
für ben Antrag; aber er tßat eg in feiner ©igenfeßaft alg Ab* 
georbneter. 3nbeffen fpraeß er in ßöeßft wirffamer Beifc für ben 
Antrag. Bacß feiner ©cßäßung gäbe eg 50 000 folcßer für bie 
ßalbe 3 c it beurlaubter ©cßulfiuber, unb biefe befänben fieß meifteng 
in ben großen Stabten. Bolle man biefe in ber ©cßule gurücf* 
beßalten, fo oerlören bie ©Itern gwar für ein 3aßr ben Arbeitg* 
loßn ber «Hinber, aber bag fianb gewinne bafiir an befferem 
Unterricht. Die Srage fei febod) nießt allein eine Unterricßtgfrage, 
fonbern oielmeßr noeß eine ©ßrenfrage für bag Sanb. Auf ber 
Berliner ^onfereng beg 3oßreg 1890 ßabe ©roßbritannien oon 
ben fontinentalen Staaten Slongeffioneit bafür befommen, baß eg 
oerfpraeß,*) bag fcßulpfließtige Alter big gum gwölften 3<*ßre gu 
erßößen, boeß ßabe ©roßbritannien oerfäumt, biefeg Berfprecßen gu 
erfüllen. 3n ber Canbwirtßfcßaft, fügte ©ir 3oßn ©orft ßingu, 
liege bie ©aeße anberg, alg in ber 3n&uftrie. Die Arbeit auf bem 
Selbe fei ben Slinbern nießt nur nicht fcßäblid), fonbern fogar 
nüßließ. ©r möcßte barum bag in ber Scßmeig aeltenbc ©efeß 
empfehlen, wonaeß bie ©dßulen auf bem iianbe tn oen Sommer¬ 
monaten gang gefcßloffeu finb, wäßrenb bie ^inber bagegen im 
Binter big gum fünfgeßnten 3aß« fcßulpflicßtig feien. Schließlich 
empfaßl ©ir 3oßn ©orft bie Annaßme ber Bill, bamit gegeigt 
werbe, baß ©roßbritannien nießt länger ben Borwurf tragen woüe, 
fein in Berlin gegebeneg Berfprecßen gebrochen gu haben. Diefe 
Bebe ©ir 3oßn ©orft’g war für ben AugfaH ber Abftintmung 
entfeßeibenb. ©g wirb nun mit Spannung erwartet, wag bie 
Begierung tßun werbe. 

*) Bgl. ^rotofoHc ber intcnirtttonnlen Aröcitcrid)n^fonfcrc 1 ivm 
in Berlin (erießtenen im amtlidicn Aufträge bei Du lief er * .^umblot in 
Leipzig) S. 1*24 ff. 





6ogiale ^rajrtS. Eentralblatt für «Sogialpolitif. Rr. 23. 


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3lrbetten)rtßd)entttg. S»parMo(Ten. 


$ie 3'iitiaHbität8öcrfi^erttiig«iioöette. ©ie bie grohinbuftrießen 
Berbänbe beS ©eftenS, fo f)at auch bcr Eetttraluerbaub bcutfcper 
Ftibuftrießer ftd) int ©efentlicpen gegen bie £>auptänberungen 
auSgefprocben, bie ber Entwurf einer Rooeße gum ©efep über bie 
Fnoaliben* unb RlterSuerftcperMig oorfdjlägt. $)ie ^elegirten* 
ocrfammlung biefeS BerbanbeS l)at ficf) gang auf beit Boben ber 
rbeintfcb * ineftfälifc^en 2 Öefd;Iüife gefteßt, bie mir auSgugSroeife 
bereits in 9fr. 20 ber „So*, ^rayis" ( 6 p. 543) mitgetpeilt paben. 
FnSbefottbere würbe auch b^r betont, bah bie Errichtung ooit örl* 
Iidjcn Rentenfteßen eine görberung ber fogialbemofratifcben 
Agitation bebeute unb ber Borfdjlag einer anberroeiten Bertpeilung 
ber Rentenlaflen „ben ©eg einer fo^ialiftifeben Ruftpeilung beS 
Kapital*, ber gu ben bebenfliebften Konfequengen führen fann," be* j 
trete. — £>ie oerbünbeten Regierungen, benen biefe Borroürfe 
gelten, erleben barauS, wie Xeicfjt matt in ben klugen geroiffer Unter* 
itebmerfreife gum „©affenträger ber 6 ogialbemofratie" wer* 
ben fann. HitS ift nicht befannt geworben, bah bie RegierungSpreffe 
bisher Steßung gegen biefe Befcblüffe grohinbuftrießer Berbänbe 
unb ihre Begrünbung genommen b at i roer bie Berfilgutig offigiöfer 
unb fapitaliftifcber Jntereffen in ber Breffe fennt, roirb ficb aßer* 
bingS über bies 6 d)weigen nicht rounbern. — Fngroifdjen nehmen 
bie KomtniffionSberatbungen über bie Rooeße ihren Fortgang; für 
ein ©oebenbtatt ift es nid)t möglich, biefen Berbanblungeit 6 cbritt 
für 6 cf)ritt 311 folgen, unb mir werben baher nach ihrer Be* 
enbigung einen gufammenfaffenben Bericht mittheilen. 

$ie beutfebe RrbeiterPerficberung stttb ihre Ergebuiffc. Dian 
fann gar nicht oft genug auf bie Ergebniffe unb Erfolge ber 93er* 
fidjerungSgcfepgebung hinroeifen, bie, fo fehr fie auch in (Singel* 
heilen ©ängel, 6 d)roäd)en unb Süden aufroeifi, bodj ein bleibenbeS 
i)enfinal ber ftaatlicben Fürforge für bie Arbeiter bilbet. 2)ie 
3ahl ber Sßerfonen, bic auf ©runb ber RrbeiterocrficberungSgefepe 
Renten unb fonftige Entfcbäbigungen erhalten fyabzxi, h^t im 
3ahre 1898 bie erfte ©ißion überfebritten. Ruf ©runb ber Unfaß* 
oerftdjerung paben 581 995 $erfonen Begüge erhalten, auf ©runb 
ber FnoalibitätS* unb RlterSoerficberung 516 500, inSgefammt alfo 
1 098 495. (SS ift bemgemäß napegu baS erfte .f)unberttaufenb ber 
groeiten ©ißion erreicht roorben. Rn biefe Rentner mürben bei 
ber Unfaßoerficberung 71 /? ©ißionen, bei ber SnoalibitätS* unb 
SHterSoerficbetung 61,n ©ißionen, im langen 133 ©ißionen ©arf 
gegahlt. Rßein an Renten finb bemgemäß täglich mehr als ein 
drittel ©ißion ©ar! in SJeutfcblanb gegahlt morben. 3)abei ftnb 
bie Moften, bie im Ucbrigen bie beiben BerficperungSgroeige, Unfaß* 
fomie SnoalibitätS* unb RlterSuerficperung oerurfacben, nicht mit* 
gerechnet. 3iept man fie in Betracht unb beS ©eiteren aud) bie 
KranfenoerficperungsFoften, fo fommt man auf beiläufig 1 ©ißion 
täglich- __ __ 

Äolllfnljrtseittririi hingen. 

©oplfaprlSeittrübtMtgeu ber Königlich ^rettftifdjett ©afferbau* 
Oertualtung 3)ie königlich Breußifcpe ©afferbauoerroaltung 
(©tnifter Spielen) pat unter bent 31. Segember 1898 eine aßge* 
meine Verfügung über ©oblfaprtSeinricbtungen für Arbeiter an 
ihre Betriebe erlaffen, bie non fehr uerftänbigen ©runbfäben ge* 
tragen ift. (Ss mirb auf bie RotpwenbijjFeit ftänbiger perfönlicper 
Fühlung mit ben Arbeitern unb ber Schonung oon beren Rn* 
fcbauuitgen pingeroiefen. 3n Begug auf bie mehr perfönlicben Rn* 
gelegenheiteit ber Arbeiter möge man ficb darauf befepränfen, 
ratpenb, anleitenb unb belehrenb gu roirfen. S)ie 9lrbeitSftätten, 
bie ©afd)inenräume, namentlich auf 6 d)leppbampfern unb Baggern, 
unb £aucberfcbäd)ie foßeit ben mobernen hpgienifchcn Sluforberungen 
entfprecbeti unb auSreicbenben X?uftroed)fel ermöglichen, in ©erf* i 
ftätten foß auf jeben Arbeiter minbeftenS 12 cbm Luftraum ent* 
faßen, irinfroaffer unb ©afcheinricbtungen bgm. Babeeinricbtungen ! 
gu unentgeltlichem ©ebraueb gur Bcrfügnitg ber Arbeiter flehen. 
(Ss werben Borfehrungen gegen Seuersgefahr, Unfäße unb 
6 eud)engefahr anetnpfohien, besgleicben ein Samariterbienft. lieber 
bie Befd)affenheit unb Benupung fisfaUfdjer ©ohnungen werben 
Rormen anfgefteßt. 2)ie größte juläffige (Sntfernung ber ©ohnung 
uon ber Rrbcitsftntte foß in ber Regel 4 km fein, ivür bie lieber* 
nadjiung ber Arbeiter auf freier 6 trecfe unb für ihren gem'igenben 
6 chup gegen ©itlerung unb Räffe foß bur<b ilebernacbtungsfähne, 
2d)Iaf« unb .Uafernenfd)iffe, fefte unb transportable Baracfeu uor* 
geforgt werben, bie tnSbefonbere auch eine geeignete unb gefunbe 
Berpflegitng ber Arbeiter, thunlicbft in eigener ©enage, ermöglichen. 


£rocfenräume, bie in ber falten 3 ah rc ^«t geheigt werben müffen, 
fommen bei 2lrbeitSbetrieben auf bern ©affer hingu. 5)en Arbeitern, 
welche einen ^ausftanb haben, ift, wo es angeht, Gelegenheit gur 
Slnpacbtung uon ©arten* unb ?lcferlanb gu geben. ^Der (Srnährung 
unb Befcpaffung oon RahrungSmitteln ift befonbere 9lufmerffamfeit 
aewibmet. 6 omeit ber Arbeiter feine ©ahlgeiten nicht in ber 
yfamilie einnehmen fann, foßen (Sfjräutne, ©ärmeuorriebtungen, 
§euerfteßeu unb bei oorbanbenem Bebürfnip i^antinen ober 6 peife* 
anftalten eingerichtet werben. Brennmaterialien fönnen aßgemein, 
bei Steuerung ober Rothftänben auch ßebenSmittel (g. B. ©epl, 
Kartoffeln) in größeren ©engen unb erftere für ben Betrag ber 
burd)f<bnittlicben Selbftfoften, leptere für ben Betrag ber Rn* 
fdbaffuugSfoften (fiehe § 115 Rbf. 2 b. ©.0.) an bie Rrbeiter 
abgegeben werben, 3um 6 paren foß angehalten werben. (Sr* 
merbSuitfähige Rrbeiter unb bie Hinterbliebenen erhalten auS be* 
ftimtnten QonbS llnterftüpungen. ®ie BetriebSfranfenfaffen haben 
nach ©öglicbfeit ihre Öeiftungen über baS gefeplidje ©inbeftmap 
auSgubehnen bureb Berlängcrung ber S)auer ber Kranfenunter* 
ftüpung, ©rhöhnng bes KraitfengelbeS, fowie ©ewäbrung freier 
ärgtlicber Behanblung unb Rrgneten für bie Familienangehörigen. 
Ridjt mehr uoßleiftungSfähigen Rrbeitern finb geeignete Be* 
fcbäftigimgen anguweifen. Db bie Empfehlung bes „(Shnftlicben 
3eitfcbriftenoereinS" unter ben ©itteln gur Förberung beS geiftiaeu 
©ofileS niiplicb ift, fann begweifelt werben, ficber aber ift nüplicb 
bie Befämpfntig bes RlfobolS burd) §erfteßung oon ©ärmeoor* 
riebtungen, Kaffecfcbänfen u. f. w. 

tteberttacbtungS* unb a«tfeittIjaftSr&ii»e für baS Elfeitbabitperfoital. 

3 n ben lepten fahren ift in ^reupen oon ben Eifenbahnbtreftioncn bcr 
2agc berjenigett Eifenbahnbcbienftetcn, bie genöthtgt finb, bie RrbeitS* 
paufen außerhalb ihrer Familie gugubringen, ober bie währenb bcr Be* 
febäftigung ben Unbilben bcr ©itterung ausgefept finb, befonbere Für* 
forge gugewenbet worben. $>ies gilt gunächft oon ber gweefmäpigen 
unb fauberen Einrichtung unb Unterhaltung ber UebernadjtuugS* unb 
RufcnthaltSräume für bas Fahrperfonal, beren öagerftätten, Kodj* unb 
Babecinridjtungcn an oiclen Orten oerbeffert würben. ?luch ben auf 
ben Babuhöfen befebäfttgten Bebienftcten finb, wo nötbig, geeignete 
Räume überwiefen, in beiten fie fid) währenb ber Ruhepaufcn aufhalten 
unb ihre ©ahlgeiten guriepten unb einnehmen fönnen. 2lud) ben 2trecfen* 
arbeitern wirb, foweit nirfjt Bahnwärterbuben benupt werben fönnen, 
bureb Herridjtung einfacher, beit örtlichen Berbältniffcn angepaßter Unter* 
funftsräumc 6dmp gegen bie Unbilben ber ©itterung währenb bcr 9lr= 
beitspaufen unb Gelegenheit gur Erwärmung ber Speifen geboten. 
Bereingelt finb aud) Äantinen eingerichtet, in benen gegen mäßigen 
$reiS unter ber Ruffidjt ber Berwaltung Speifeit unb Getränfe — jebodi 
unter Rusfcpluß oon Branntwein — oerabfolgt werben. Rmtlich wirb 
hiergu bemerft: „Rad) ben bisherigen Erfahrungen hat biefe Fürforgc 
einen günftigen Einflup auf ben Gefunbheitsguftanb ber Bebienftcten 
auSgeübt." Ruch bet anberen Bahnoerwaltungen werben ähnliche Ein* 
riebtungen getroffen. 

Berliner Rfplnerein für Ofcbadjlofe 1898. Riebt ©opltbätigfeit üben 
wiß ber Berein, fonberti er betrachtet feine ©irffamfeit als eine $fUdjt, 
bie ftcb als bas ©iitimum beffcri barftellt, was ber ©ohlhabenbe bem 
Rrmen fcbulbet. Er hält ben Grunbfap ber Rnonpmität aller Rn* 
feebtungeu ungeachtet unoerbriidjlid) feft unb oerfagt bic Rufnahme nur 
Betrunfenen ober oon anftetfenben Äranfheiten Befallenen. Born 12. Font 
bis 31. 2>egem&er 1898 muhte 674 Betrunfenen ber Zutritt oerweigert 
werben, b. b- 9,5% aller Befucper. Bor ber üblichen Stunbc liehen 
ftep werfen, um ltocp oor ©orgengrauen opue Früpftiid auf bie 6ucpc 
uaep Rrbeit gu gehen, 00 m 1. Februar bis 31. ^egember 10 644 ©änner, 
ein Beweis, bah haS Rfijl nicht mit arbeitsfdjcucm Gcfinbel, fonbent 
mit unoerfdjiübet Rrbeitslofcn gu tpun pat. Um fo fdjmerglicpcr ift cs, 
bah hie ©eprgapl ber Befucper im leiftungsfäpigeu RItcr oou 20 bis 
50 Fapreu ftept. 3m 3ahw 1898 waren es oon 232 555 Befmpern bes 
©ämicrafpls 198 572 unb oon 36 007 Befucperimicn beS Frauenafpls 
25 638. 3m Rlter oon 20 bis 30 Fahren ftattben oou ben ©ännern 
80 955; 40 bis 50 Fapre waren oon ben Frauen 11 592. Fit ben 
30 Fahren feines Beftanbes hat ber Berein 3 502 216 ^erfoueu gegen 
Obbacplofigfeit unb Hunger 8d)itp gewährt. Fm ©önnerafql babeteu 
mepr als bie Hälfte aller Bcfudier, im Frauenafpl über ein drittel, 
^ie regelmäßigen Einnahmen beS BcreinS laffen immer nodj gu wünfepen. 

„HauSpflegc^ beß Berliner FrsnetwereinS, bic im ©ärg 1897 
nad) granffurtcr ©uftcr ins 2ebeu gerufen würbe, pat ficb nad) bem 
gweiten Fabrcsbericpt beträchtlich weiter cutwicfelt unb wirb lebhaft tu 
Rnfprud) genommen. Born 1. Fattuar bis 31. 8egember 1898 würbe 
im Gangen in 915 Familien mit 7942 ^flcgefinbcm gepflegt (470 Fälle 
©oepenbett, 352 Äraitfpeit, 73 Rbwcfenpeit ber Hausfrau). ES wirb 
Hanb in Haub gearbeitet mit ben Gemeiubcfchwcftcrn unb beu 2d)ioeftcrii 
bes eoangclifcp*fird)licpen Hülfsoerctri^. — Es fdietut, als wenn bie 
Einrichtung ber Hauspflcgc außerhalb Radjahmung finbet; g. B. ift tu 
Fena 1111 b ©icn und) ooraiifgegangcnen Erfitiibtgitngcn bic Einführung 
einer Hauspflege uarf) glcirfjen Gruiib apru befdjloiieit worben. F” 
E pari Ottenburg ift bic HauSpflegc bereits eingeführt, beren Rupen 
bereits oon ber Stabt burd) einen ^nidniß uon UX )0 ji. auerfaunt 



629 


Soziale $raji£. Eentralblatt für ©ozialpolitif. Ar. 23. 


630 


rourbe. 2>tc ©tabtoerroaltung oon Berlin hat ber HuuSpjlege beS 
berliner grauenoerentS aus ©tiftungsmitteln eine einmalige Unter» 
ftüßung oott 821,60 Ji überroiefen. 

$ie 3R.=@labbacßerBeremigmig für gemeuraä$tge Bmeife ßot in ißrem 
©ebäube, roo fte am 1. ßftober ein BoIfSbüreau eröffnet h«i/ aucß eine 
BoIfSlefeßaße mit getrennten Räumen für Sttämter unb grauen errietet, 
roelcße Sonntags unb an ben 2Bocßentag*Abenben foftenloS benußt 
merben fann. (Sin BoltS*$affee* unb ©peifeßauS roirb angeßßloffen, 
roo billiger Bhttags* unb Abenbtifcß für Arbeiter geboten wirb. Bor* 
läufig 14 3iwtmer bienen ju ermäßigten greifen jungen Arbeitern als 
SBoßn* unb (Schlafgelegenheit. 

Stiftung für S3oljlfaf)rt$3ttec!e ber ^mferfabril gtanfeuthalS. Aus 

Anlaß ißres fünfunbjroanjigjäßrigen gubiläuntS ftiftete bie ©eneral* 
oerfantmlung ber 3 U£jer f al &rif granfentßal, ber größten BaiemS, für 
SBoßlfaßrtSeinricßtungen ber gabrif unb ber ©tabt 800 000 „lf . 


3Utttettpß*gr. 


(Sine bcntfcße Ecntralftefle für Ärmeitpfltge nnb 2Bofjltßätfgfeit 

kürzlich ift als Abteilung ber fett fecßs Saljren befteßenben 
(Sentralftelle für ArbeiterroohlfahriS Einrichtungen eine befonbere 
Eentralfteße für Armenpflege unb Bßohlthätigfeit begrünbet roorben. 
3h« äußere Berfaffung ift baßm geregelt, baß fte organifcß ber 
enannten Eentralfteße in Berlin angegliebert, jeboch einem befon* 
eren Borftanb unterteilt ift unb non einem befonberen ©efdjäfts* 
fübrer geleitet wirb. Als Borfißenber beS BorftanbS fungirt ber 
SBitfl. ©eh- Datß Dr. n. Sa^obi, als ©efcßäftsführer ber Bor* 
ftßenbe ber Berliner Armenbireftion, Stabtratß Dr. SÄünfterberg. 

®ie Begebungen gur Begrünbmtg einer Eentralfteße, bte 
Iebiglidß ben eigentlichen ©ohltßätigfeitsbeftrebungen geroibmet ift, 
ftnb fcßon einige 3aßre alt. SnSbefonbere fyattz fich baS 3nftitut 
für ©emeinroohl in granffurt a/3ft. um bie (Schaffung einer folgen 
©teile bemüht. Schließlich ift es bann gelungen, mit Hülfe beS 
eben genannten 3nftihitS unb ber Eentralfteße für ArbeiterroohlfahrtS* 
Einrichtungen bie Abtbeilung für Armenpflege unb BSohltßätigfeit 
ins ßeben zu rufen. 

Als Aufgaben ber Abtbeilung ftnb bezeichnet: 1. baS auf bie 
©ebiete ber Armenpflege unb SSohlthätigfeit bezügliche SRaterial 
foroobl beS SnlanbeS roie beS AuSlanbS zu fummeln, zu fisten 
unb fpftematifcb z u oerzeicßnen; 2. auf Anfragen AuSfunft zu 
ertbcilen; 3. burch Verausgabe periobifdß erfcheinenber Beröffent» 
Iichungen, gelegentlicher Schriften unb in fonft geeigneter Äeife 
auf bie roiffenfchaftlidße Behandlung ber fragen unb oie praftifche 
Vanbbabung ber fjürforgetbättgfett anregend unb befrudjtenb zu 
roirfen. 

2)ie Abtbeilung für Armenpflege unb ©ohltßätigfeit be* 
abftchtigt nicht, mie auSbrücfUch heroorgehoben merben mag, eine 
ber beftebenben Eentraloereinigungen, inSbefonbere ben 2)eutf<hen 
Berein für Armenpflege unb feohlthätigfeit, zu erfeßen ober einen 
Sbeil ihrer Aufgaben, mie inSbefonbere bie Abhaltung ihrer roieber* 
feßrenben Berfammlungen, z u übernehmen; fie roiß oielmebr bie 
Begebungen jener Eentraloereinigungen in beftimmten Dichtungen 
ergänzen. 2Birb burch beren Berichte unb Berßanblungen über 
biejentgen ©egenftänbe Belehrung gegeben, bie gerabe zur Er» 
örterung gefteßt finb, fo liegt ber BSunfdß nahe, auch über fol<he, 
bem ©ebiet an unb für ftch zugehörige ©egenftänbe fi<h unter» 
richten Z u fönnen, bie noch gar nicht, ober feit langer fyit nicht 
mehr bebanbelt morben finb. ES ftrömt fortroährenb ein reiches, 
ja überreiches ßJtaterial, baS zum großen Xheil ungenußt oerbren 
geht unb beffen Sammlung für bte, bie feiner bebürfen, mit er* 
lieblicher BUi|e oerbunben ift, roenn es ftd) überhaupt erlangen 
läßt. 2Bie häufig motten öffentliche Berroaltungen, prioate 2Bof)i s 
thätigfeitSoereine, Stiftungen ober auch einzelne Brioatperfonen 
eine feohlthätigfeitS-Einridßtung begrünben, mte etma eine Siechen* 
anftalt, einen änabenhort, eine Sßflegeftätte für ©enefenbe u. bergl. 
mehr, ohne in genügenbem üRaße zu miffen, mie fte es anfangen 
follen, unb ohne z u miffen, baß bergletcßen Einrichtungen fdßon 

i ahlreich oorhanben, baß über ben ©egenftanb Erfahrungen ge» 
ammelt finb, bie in ^rucfbericbten, Saßungen u. f. ro. in h l n* 
reicßettber 3ahl norliegen. Aber febft menn ihnen biefe £h a if a <hen 
befannt finb, miffen fte hoch nicht, an melcße Stelle fte fich ZUJecf* 
mäßigerroeife zunächft menben, um baS gerabe für fie geeignete 
Material zu erlangen, unb finb nicht fidßer, ob fte gerabe an ben 
Stellen, an bie fte fich zunächft menben, baS ftnben merben, roaS fte 
fucßen. 2öie anberS, menn ihnen eine Stelle zur Berfüguttg ftel)t, 
bie feine anbere Aufgabe hat, als fortbauernb bie Erfcßeinungen 


auf biefem ©ebiete zu beobachten, baS barauf bezügliche Material 
Zu fammein utrb aus bem Material AuSfunft ju erteilen, auf be* 
ftehenbe Einrichtungen hinzumeifen, Saßungen etnzufenben, Siteratur 
nachzumeifen unb unter Ümftänbeit B^fonen namhaft zu machen, 
bie ein facßmännifcheS ©utadjten über ben ©egenftanb felbft abzu¬ 
geben oermögen. 

$)te Abtheilung für Armenpflege unb SSohlthatigfeit oerfügt 
bereits gegenroärtig über ein z^ar nicf)t auf aßen ©ebieten gleid)* 
mäßig umfangreiches, aber nicht unerhebliches 3Raterial, baS feinen 
©runbftodf in ben Sammlungen beS oerftorbenen greiherm oon 
Deißenftein unb beS StabtrathS Dr. SRünfterberg hat. 2)aS 
Diaterial ift nach einem umfaffenben ©ruttbplan fpftematifch ge» 
orbnet, in bem alle 3u>eige ber gfürforgethätigfeit nach ihrer SBe* 
beutung Berücffithtigung erfahren. 2)aS gleiche EintheilungSprinrip 
liegt auch ber Bibltotljef zu ©runbe, bie gegenroärtig etma 600 bis 
700 Bänbe umfaßt. $>ie Sammlung befcßränft fich im Hebrigen 
nicht lebiglich auf beutfches SRaterial, fonbern enthält auch utehr 
ober roeniger oottftänbigeS 5ßaterial aus bem AuSlanbe, inS¬ 
befonbere aus Englanb, Amerifa, Sranfreich, 3talien, Belgien unb 
ber Schmeiz- &ocß foü bie Sammlung nach unb nach auch auf 
bie anbern Äulturlänber erftrecft merben. 

Obroohl es überflüfftg erfcheinen foßte, bieS noch befonberS 
heroorzuheben, fei AngefiStS ber herüber immer roieber auf» 
tauchenben Srrthümer auSbrücflich bemerft, baß es fich bei ber 
Abtheilung für Armenpflege unb BSohlthätigfeit nicht um eine 
lofale Steße banbeli, bie bie lofalen UnterftüßungSoereine unb 
berglei<hen zufammenfaffen foß — eine Befirebung, bie neuerbingS 
auch utelfa^ mit bem AuSbrucf „Eentralifation" bezeichnet roirb. 
®ie Abtheilung oerfolgt in erfter JCinie roiffenfchaftliche unb 
archioalif^e 3u>ecfe unb ift feineSroegS auf Berlin befcßränft. 

S)er Beitritt zu ber Abtheilung ftefjt S^bermann offen; für 
Äörperfcßaften, Bereine unb Behorben ift ber Beitrag tytyx als 
für Brioatperfonen. Bis auf Weiteres roirb auch SrichtmMiebem 
auf fchriftliche ober münblidje Anfrage — Ießtere in bem Bureau 
Berlin W., Äöthenerftraße 23 — AuSfunft ertheilt. Bon bort finb 
auch biz Saßungen zu beziehen. 


ettetarififc JCtijrige® 


I. Bücher mtb Brofdjürett« 

S)ie Ergebniffe ber BolfSzählung oom 2. Dezember 1895 unb 
ber Berufs* unb Eeroerbezählung oom 14. 3uni 1895 in 
ber Stabt Setpzig. Bearbeitet im ©tatiftifcßen Amt ber ©tabt 
Seipzig. II. 2ßeil. ©onberabbrurf aus ben ftäbtifcßen Ber* 
roaltungsberichten für bie 3®hre 1896 unb 1897. Setpzig 1899. 
2)uncfer & $umblot. 73 ©. Breis 1 Ul. 

Doch einmal ber gaß ftußnle. Ein Appeß an bie Eeroiffen. (gm 
Aecßtsftaat. §eft 1.) Stuttgart 1899, Aobert 2uß. 95 ©. 

EefchäftSberichte beS EcntraloorftanbeS beS 5)eutf^en S3crlmeifter* 
BerbanbeS, beS AufficßtSratheS unb beS BorftanbeS ber Sterbe* 
faffe pro 1897 unb 1898 nebft ben Haushaltsplänen, ber Soges* 
orbnung, ber EefcßäftSorbnung unb ben Anträgen zur 11. $>ele* 
girtenoerfammluug Dftern 1899 zu Eifenadj. 

©reulieh/ H-/ ®te Arbeitsjammer ber ©tabt 3ürid^ oor bem ©roßen 
©tabtratß oon 3ürich. Debe in ber ©ißung oom 14. 3anuar 1899. 
3ürich 1899, in ÄommifftonSoerlag ber Buchhanblung beS 
©tfjroeizerifiben ©rütüoereinS. 32 ©. Breis 25 EtS. 

Ben bei, ®. SSinfe unb Anregungen für bas geroerbliche unb inbuftrieße 
Bilbungsfpftem ber ©cßroeiz. Auf ©runb ber ©ruppen-gaeß» 
berießte ber ©cßroeiz- SanbeSauSfteßung in ©enf 1896 bearbeitet. 
Bern 1899, in Äommiffton bei Älicßel & Bücßler. 42 ©. 

II« $nuffadjett Pots BcrtoaUuttgett, Bereittett ?c. 

fieipzig, Berroaltungsbericßt ber ©tabt Seipzig pro 1897. Leipzig 1899, 
Wunder & Humblot. 824 @. 

Heibeiberg. Boranfcßläge über bie Einnahmen unb Ausgaben ber 
ftäbtifeßen Waffen pro 1899. 

SBürzburg. II. ©efcßäftsbericßt beS ©täbtifeßen Arbeitsamts 3Sürz* 
bürg pro 1. ganuar bis 31. Dezember 1898. Bearbeitet oon 
gofepß Xßürmer. 

SBieSbaben. IV. gaßreSbericßt beS BereinS für ArbeitSnadjroetS in 
SBieSbaben pro 1898. 

Erfurt. Bericßt über bie Berroaltung unb ben ©tanb ber ©emeinbe* 
angelegenßeiten ber ©tabt Erfurt pro 1897/98. 

AecßenfcßaftSbericßt beS BerbanbeS ber beutfeßen Bud)* 
bruefer — ©au Bapern — pro 1898. 

gaßresberießt beS Berliner AfploereinS für Obbadjlofe. 30.gaßr* 
gang. Berlin, Berlag beS Berliner Alpinerem* für £)bba<ßIoic. 


fierantoortIt$ für bte ftebaftton: Dr. Crnft 3 ton de in »erlin W., »aqreut^erftrage 29. 




SV“ $en ütejcr Kummer beiltegenben ^rofpett ber ■SettagäbuiBBai'öluug Otto l.iebmsnu, 'Berlin W. 35, eutfialtcnb ^jntjaltäoer^eicfnttä 
beü 3a{jtgaiigcc> 1898 bei- „®eutfri)cn 3uriftcn=3citung" niib SBerjeicfjnis ber bisherigen SDHtnrbeiler, empfehlen mir bcjonbercr Scnrfjtimg "mä 










Vin. fataprag. 


©erlitt, ben 16. 2Rörj 1899. 


Hummer 24. 


Schale prajis. 

glenttrafMaft für ^ogiafpofifiß 

mit ber aftonatSbellage: 

Das (Bewerbegevtcht. 

©rgatt öes Oerbattbes beutfdjer (Betoerbegeridjte. , 

Sfleuc golgc bet „©lättcr für fokale SßrajtS" unb be$ „©oginlpolitifchen EentralblattS*. 

Srf4ciK< an Jebem Somierflag. ^etauSgeberi $relS toietieljabrU* 2 SR. 60 *f. 

fRcboftion: ©erltn W., ©abreutherftrage 29 . Dp. (Etttß StUUfot* ©erlag bon £>uncfer & {mmblot, Selbig. 


Inhalt 


©nttoideln ttitr int 8 jum „© j« 
portinbuftrieftnate"? ©oit©rof. 
Dr. SB. ©ombatt, ©teßlau. . 633 
©<bufc bet angeftellten in of» 
fenen Sabengefcbüften . . . 637 
tUl g enteilt efeosial* unb VSUrtbfdMiftt* 

>•««». 640 

^»ert ö. üJiiquel unb bie ßattö* 
arbeiter*©nquete be«©erdnß 
für ©oaialpolitif. ©on Sßrof. 
Dr. 2Raj HB eher, ^eibelberg. 
antrag auf ©infübmng beS Hionnat* 
arbeitßtageß in ftranfreidb 
©«bwebifäe ©erufSltatifti! 1870—1897. 
StaftwnuaJe ©o&talpoimf .... 642 
Enquete übet fommmtale Unter* 
nebmungen in Stallen. 

Sie §rage bet ©ergeuieinblitbung in 
©nglanb. 

©t&btifcbe HRiöcetten. 

••ftinle Sttflänbc .. 643 

©efämpfung bet gett)erb8mä§lgen 
ßinberarbeit bureb bie Sebter. 
©ettiebötoerfftätten füt Sre<b«ler in 
HBten. 

Sfvbeitgebevbcfbänbe. 644 

ßanbeßöetbanb HBüriteutberg beö 
atbeitgebetbunbe« im ©augetoerbe. 
Set „©eteiit füt bie bergbaulichen 
3nteteffen w in (Sffen unb ber „@e* 
merfberein djriftlidjer ©ergleute". 

fHcbeiterbetnegnna. 644 

©auarbeiterfcbub'jtongrefj. 
©(bneibetberoegung in Seutfcblanb. 
Set augftanb bet ©atnmeitoeber in 
Ärefelb. 

ßut ©etlinet ©Sderbewegung. 
ein ©leg bet ©udjbruder in ©erlin. 
©au eineä @cn>erlf(baft$bGHfeß in 
©erlin. 

arbeitgeber unb arbeitet bet ®cbub* 
fabrifen in Tuttlingen. 

Set Äampf im englifdjen ©augemerbe. 
©tretfS in ©elgien 1898. 

ttfbciterf*«*. 647 

Regelung bet arbeitS^eit in ©etretbe* 
müblen. 

Sie arbeitSjeit bet 3ugenblt(ben in 
ftabriFen. 


©egen bie MRil^branbgefabr. 

Sic grage bet «leiblichen ftabrif* 
infpeftoren in bet ©djttieia. 
Urt>eitert>crfid)mntf. ©pnrtaffen 648 
©emeinnü feige an lagen bet 
3nöalibenoerficberung8anftal* 
ten int 3afere 1898. ©on 4?. 
£orn, ©etlin. 

Surcfefüferung bet UnfallDerftcfeerung 
für bie getoerbltcfeeu arbeitet in 
granfreiefe. 

mvtttttnafttoet#. 650 

©efinbeöermietfeer unb ©teilen* 
Vermittler nab bet Htooelle 
jur ©emetbeotbnung. 

Set paritätifebe arbeitSnacfetoeiß unb 
bie ©emetff(haften. 

©täbtifdjer arbeitßnacfettieiß in ©fear» 
lottenbutg. 

©täbtifcfeeß arbeitßOennittelungßamt 
in Söien. 

CBobttttnaßteefett. 652 

©etbefferung bet HBofenungß» 
öerfeöltniffe in Hamburg. 

©au tarn ©olfßttofenungen burefe bie 
©emeinbe in ©trafeburg i. ©lf. 
arbeitermofenungßtoefen im Sftfeeinlanb. 
Errichtung »an HBofenfeäufem füt 
atme in ©nglanb. 

©efeitigung bet Slams in Sibetpool. 

©ratcbnttfi hu» ©Ufensa. 655 

©taatli(be©eibülfen für©oIfß* 
bibliotfeefen. ©on Dr. ©rnft 
©djulfee, ©etlin. 

gortbilbungß* unb #außfealtungß* 
fcbulen im pteufeifefeen abgeotbneten* 
baufe; ©tatifti!. 

©ine ©ilbetgaletie füt HBfettecfeapel. 

Cejiile $t>gteite. 660 

©cfeulörate in bet HJtagbeburger ©tabt* 
betorbnetenbetfamntlung. 

Erfolg bet ©eroegung jut ©efämpfung 
beß aiFoboliSntuß in ©elgien. 
©etocvbegeviflite. ©intgungtämter. 

©diiebdgcrtdite. 661 

abünberungen be« ©emerbegeticbtS* 
gefebeß in bet 8teicb8tag«Fommiffion. 
atttevavtf^« StHsctgen. 662 


abbtud fftmmtlicbet attifel ift Seitunaen unb ßeitfe^riften geftattet, ieboeb nur 
mit boUet Quellenangabe. 


Cntniiibeln wir un? jmn „%portinbu(lrleftadte“? 

Sn bem Stampfe um bie richtige SSirt^fd^afin (Sonberljeit 
.Spanbel^politi! gehört ju bem eifemen Seftanbe ber SDi^fuffionö* 
argumente ber bafe SDeutf^Ianb in unferer 3eit fid) auf bem 


3Bege befinbe, je me^r unb me^r ben @cBmerpunft feiner inbuftrietten 
©ntroidPIung auf bie Entfaltung ber E^portinbuftrie gu legen. S)ie 
^Brafe uon ber Entmidtung gum „Snbuftrieftaat" ermeitert fid) 
unter ber $anb gum w I)ogma uon ber Entroicflung gum „Export* 
inbuftrieftaat". 3)a& biefe Entroicflung fid) t^atfäd)Iic§ uoDgieBt, 
tuirb, foniel ic^ fel)e, non feiner ber beiben fampfenben ^Parteien 
in Slbrebe gefteüt; ber Streit bref)t fid^ nur barum, ob biefe al£ 
e^iftent angenommene Entmicflung fjeilfam fei ober nid)t unb bem* 
gcmäfj, ob pß 8« förbern ober aufgu^alten fei. 

Botte nun aber bie behauptete Sljatfadje felbft für falfch, 
bap ftch jene Entmidflung oollgiehe, unb fefce ber communis opiuio 
bie Gegenbehauptung entgegen, bap unfer Export eine fort- 
fchreüenb geringere Cuote unferer geroerblithen $ro* 
buftion — benn um biefe honbett e3 fich ia nur — au^macht, 
mir un$ alfo ttid^i gum, fonbern oom %portinbuftrieftaat meg 
entmideln. 

Eine genaue Sffrnfung ber gemerblithen Entmicflung in ben 
üerfdjiebenen ßänbem lehrt, bap in ben Anfängen be8 Kapitalismus 
ber Export gemerbli^er Ergeugniffe eine präponberante ©tettnng im 
23irthfd)aftSleben ber eingelnen Station einnimmt unb erft in bem 
SRape aus biefer ©tellung oerbrängt mirb, als bie roirthfehoftfiche 
Entmidflung fortfehreitet. 2)ie fontinentalen Sänber Europas, oor* 
nehmlidl) S)cutf<hlanb, hoben bis s ])titte ber 1880er 3oh*e hinein 
ben ©(hmerpunft ihrer inbuftrieüen Entmidflung thatfäihlich in ber 
Eyportinbuftrie mehr ober meniger gehabt; es mar bie ^eriobe, 
roie man es nennen fann, ber 3nternationalifirung beS geroerblidhen 
Kapitalismus, ber nun feit einigen Sah^gchnten bie ^eriobe ber 
9tationaliprung gefolgt ift. 3 u ntal für S)eutfchlanb ift biefe 
Sßeriobenfolge eoibent. SSon bem märchenhaften inbuftrietten 9luf* 
fchmunge ber lefcten Qahrgehnte ift nur ein geringer £heil 
Export gu Gute gefommen: ein madjfenber Sömenantheil entfällt 
— auS leicht erfennbaren, meiter unten noch gu ftreifenben Griinben — 
auf ben Snfanbsfonfum. 

2BaS ber bisherigen Erörterung bie falftfje Dichtung gab, mar 
bie oon oornherein oerfehlte ^roblemftettung. s JRan operirte mit 
3 iff€m, mit benen gar nichts gu bemeifen mar unb mit benen man 
hoch etmaS bemeifen gu föunen glaubte. Gang roh ift bie einfache 
Slneinanberreihung ber 3iff cni unfereS Exports unb etma ihre 
Gegeniiberftettung mit ben 3iff crn ber 23eoölferungSgunal)me. 
fiehtere geben hoch nicht ben geringften ^luffchlup über irgenb eine 
roirthfehoftliche £hatfa<f)e, oor allem nicht über bie Entmidflung beS 
SfteidjthumS, auf bie es hoch anfäme, fottte jene ^Parallele irgenb 
einen 6inn hoben. 9Htf)t minber bemeiSunfräftig finb jene 3iffcrtt 
ber Serufsftatiftif, melche ben Slntheil ber oerfchiebenen Sernfs* 
gruppen, infonberheit ber „Snbuftrie", an ber Gefammtbeoölferung 
gum Slusbrucf bringen. Es ift befannt, bap fich banad) eine Ser* 
fchiebung gu Gunften bcr 3obuftrie, beS .fianbels unb SBerFeprS 
unb gu Ungunften ber £aubmirtbfthaft oottgicht, bafg bie Ermerbs* 















©oktale $raji$. Eentralblatt für ©ogialpolitü. SRr. 24. 


636 


635 


tätigen im Hauptberuf in ber ßanbroirtbfcbaft im $>eutfcben SReid) 
1882 noch 43,4 °/o, 1895 nur 36 /2 % aller ErroerbStbätigen aus* 
machen, roäbrenb biejenige in ber 3ubuftrie non 33,7 % iw Sab** 
1882 auf 36,i °/o iw 3faf)re 1895 geftiegen ftnb. Silber e§ ift bo<b 
geroifj gang unb gar unerlaubt, aus biefen 3iff e ™ irgenb meld^e 
©djlüffe gu gieren auf ba8 Serbältnift beS Exports gur ©efamrnt* 
probuftion. Unb nur auf IefetereS ift bo<b ba$ Slugenmerf gu 
rieten, wenn man non einer Xenbeng gum „Ejportinbuftrieftaat" 
fpric^t. 

©in befriebigenbeS Urtfjeil mirb fid^ über bie tt)atfädjlicf)e Ent- 
roicflung unferer geroerblicben Serbälhtiffe erft fällen laffen, roenn 
bie im SSerben begriffene SßrobuftionSftatiftif oottenbet fein mirb. 
©cf)on heute jebodfj haben mir Seroeismittel genug, um ben ©a£ 
non ber finfenben Eyportquote als richtig gu ermeifen. SDiit 
attberen SBorten: Es lägt fi<b fdjon beute eoibent machen, bafc 
bie inbuftriette Sßrobuftion ftärfer geftiegen ift als ber Ejport. 

2)afür haben mir oor Sittern bie 3iffent ber in ben ©eroerben 
befebäftigten Sßerfonen. SRaeb ber SteidbS*©eroerbeftatifiif roaren in 
fämmtli^en ©eroerben 1895 = 10, 3 Sföittionen Sßerfoneti gegen 
1882 = 7,3 erroerbstbätig, fo ba& bie 3unabme ber geroerbetbätigen 
$erfonen 3 Millionen ober 39,9 % beträgt, ©teilen mir biefen 
Ziffern bie SluSfubrmengen gegenüber, fo finben mir 
1882 = 17,2 SDtittionen Sonnen, 

1895 = 23,8 * * / 

b. fj. eine 3unabme in biefem 3eitraum oon 6, 6 SDtittionen t ober 
38,4%. Sie SluSfubrroertbe finb in benfelben 13 Saften fogar 
nur um 4, 4 % geftiegen. Sllfo fdf)on aus biefen 3iffern würbe 
folgen, bafj bie 3abt ber geroerblid) befebäftigten Sßerfonen ftärfer 
gugenommen bat als bie SluSfubr, oon bem SßrobuftionSinfrement 
alfo ein geringerer £ljeil bem Export gugefallen ift. 9t un rnufe 
aber in 33etracf)t gegogen merben, bajj in bem 3eitraum oon 1882 
bis 1895 bie Sßrobuftioität ber geroerblicben Slrbeit gang ungeheuer 
geftiegen ift, bcmnad) biefelbe Slngabl befdjäftigter ^erfonen ein 
oiel größeres Sßrobuftenquantum repräfentirt. SRad| einer 3 Us 
fammenftettung bes ©tatiftifcben Slmts (ErgängungSbeft gu $eft 1 
ber ©tatiftif beS Skeutfdjen fReicfjö, Sabrgang 1898, bem mir auch 
anbere 3abtengruppirungen oerbanfen, oon benen im Sfolgenben 
noch ©ebraucb gemacht mirb) mar baS Serbältnifc groifdjen Sßer- 
fonenfteigerung unb Sermebrung ber SßrobuftionSmengen für bie** 
jenigen SßrobuftionSgroeige, für roelcbe eine giffernmäpige geftftcttung 
möglich ift, mie folgt: 


©8 betrug 1895 gegenüber 1882 bie 3uuabme (+), Slb** 
nannte (—.) ber 


für: 

befebäftigten 

^robuftionS* 

er fönen: 

mengen: 

Sergmerle auf Erge, ausgen. Eifcncrgc . 

-- 1,8 % 

+ 4,i% 

Eifenergbergroerfe. 

— 31,o = 

4" 49,5 * 

©tlber=, Slei*,Äupfer**,9tidel*, Slrfenifhütteu 

-1- 44,i * 

-f 60,9 * 

©alitiert ... *. 

4- 0,2 * 

4" 16,i * 

©teinfoblenbergiuerfe. 

+ 48,6 - 

4- 51,9 = 

Srauttfoblenbergmerfe. 

+ 31,7 = 

4* 86,9 = 

Stübenguderfabritation. 

4- 41,4 = 

4194,6 * 

Srauerei. 

4- 43,2 * 

4- 41,5 * . 


Snfo faft burdigängig eine gang beträchtlidje ©teigerung ber 
Sßrobuftioität, bie nur in bem Srauereigeroerbe abgenommen haben 
fott. ®iefe Slbnabme ift aber gerabe in biefem Snijuftriegmeige 
fidler nur eine fdjeinbare, bur<b irgenbmeld^e SerfdEpebungen in ber 
©tatiftif fjeroorgerufene. 3« beachten ift ferner, ba& bie meiften 
ber mitgetbeilten 3iffent fidf) auf Sergroerfe begießen, bei benen ber 
Entfaltung ber Sßrobuftioität oiel engere ©djranfen gegogen finb, 
als in ben eigentlich ftoffoerarbeitenben ©eroerben. 2für ledere 
finb mafcgebenb oor Sittern bie 3iffent, roelcbe bie gcmaltige Se* 
triebSfongentration in ben lefeten 3a^rge^nten gum Sluöbrucf bringen, 
fomie bie ©teigerung ber in ber 3nbuftrie gur SSerroenbung ge** 
langenben Elementarfräfte. Ebenfalls nac^ einer reid)3ftatiftif($en 
Slufmad^ung fiaben oon 1875—1895 gugenommen: 

bic geroerbetljätigen ^erfoncn um . . . 58,7 °/o, 

«* ^ferbcftärfen ber Elcmentarfräfte um . 222,o -. 

5ßan mirb ba^er eher gu niebrig al8 gu pod^ greifen, menn 
mau bie ©teigerung ber Sßrobuftioität be8 gemerblid|en Slrbeiter8 
oon 1882 bis 1895 im 2>ur<f)fd)nitt auf 50% bemifjt. Slt8bann 


geminnen bie oben mitgetljeilten 3'ff ern n0( *) c ' ne 9 an 3 onbere 
Bebeutung. ©ie mürben aisbamt ergeben, bap im grofjen ©angen 
bie 3«naf)me ber gemerbli^en s ^robuftion um 50 % ftärfer gemefen 
fei al$ bie be8 (%port$. 

Sefonberö lehrreich ift e$, einigen mistigen Snbuftrien 
im Eingetnen nad^guge^en, bie für bie S3ebeutung unferer 
oon Ijeroorragenber SBic^tigfeit finb. ©o meift g. 23. bie Sfabri** 
fation oon $ampfmafdjinen 2C. eine ©teigerung ber $er* 
fonenga^l um 7, 0 %, eine Slbnaljme ber Slugfu^rmengen um 
19,9% auf- 3n ber c^emifc^en Snbuftrie, biefer Eyport* 
inbuftrie par excellence, ift gleic^mo^l oon 1882—1895 bie 3 fl ^ 
ber bcfchäftigten ^erfouen oon 71 777 auf 115 231, b. b- um 60,5%, 
bie Sluöfubrmengen * 471218 * 615 341 t, * * 38,i * 

geftiegen. ©tfjeinbar eine entgegengefefcte Entmitfelung 1)at bie 
anbere mid)tige „Efportinbuftrie", bie Xeytilinbuftrie, in bem** 
felben 3«^ u w genommen; aber bodfj eben nur febeinbar. 3o ifc 
ftieg nämlidb bie 3W cr ber 

^erfonen oon 910 089 auf 993 257, b. b- um 9,i %, 

Äu8fubrmengen ** 210 464 * 253 749 t. * * 20, 6 * 

roäbrenb bie SluSfubrroertbe um 6, s % fanfen. 

E8 mup jebodb in ^Betracht gegogen merben, bafj bie beutf^e 
^eytilinbuftrie in biefen 3a$ r S e] M cn einen oottftänbigen Sran8* 
formationSprogefc burebmadbt: fie ftöpt bie gabflofen Kleinbetriebe, 
namentlidb au(b bie bau$inbuftrietten betriebe, enblich ab unb fon* 
gentrirt bie ^robuftion in rafch gröper roerbenben Etabliffement8. 
Hat fub bo<h uon 1882—1895 bie 3afp ber Hauptbetriebe in ber 
£eytilinbuftrie oon 344 482 auf 205 292, b. b- um 40, 4 % oer* 
minbert, mäbrenb bie 3abl ber in ben ©rofebetrieben befebäftigten 
^erfonen gang enorm geftiegen ift. E$ roaren Sßerfonen bef<häftigt 
in Setrieben mit Sßerfonen: 

51-200 201—1000 über 1000 

1882 .... 160790 167 935 18983 

1895 .... 237 283 307 539 42 777. 

$>ie ©teigerung ber Sßrobuftioität in ber £eg*tilinbuftrie nach 
biefen 3iffem auf 50°/ 0 anfefeen, b«6 c aufeerorbentlicb oorfubtig 
oerfabren, gumal Slngefidf)tö berjenigen 3iff crn , mebbe uit8 über 
bie Einfuhr ber SRobftoffc für bie Xeytiünbuftrie oorliegen. 
^)ie Sütenge ber importirten gaferftoffe bat fidt) in unferm 3eitraum 
annäbernb oerboppelt. E$ mürben eingefübrt an Saummotte, 
3la<b$, Hanf, 3ute unb ©<bafrooHe 

1882 = 392 964 t 
1895 = 727 614 t. 

SRebmen mir nur an, bafe bie 3Renge ber au§ $)eutfd)lanb 
felbft ftammenben SRobftoffe für bie £eg1ilinbuftrie ftcb um 25o/ 0 
oerminbert habe, roas ficberlich hoch genug gegriffen ift, fo mürbe 
bie ©teigerung ber oerarbeiteten SDtengen immer noch etroa 60% 
betragen, bie ^robuftion fomit bem Export auch in biefer ©tanbarb** 
Snbufirie um etroa 60% oorauSgeeüt fein. 

3u bemfelben Ergebniffe gelangt man, menn man bie 3°bt 
ber ©pinbern unb SBebftüble in Setradf)t giebt, bie in ben lebten 
Sabrgebnten eine faft no<b größere ©teigerung aufroeift. 

2ßitt man in einer 3'ff er ben ©ang ber Enhoidfelung aus** 
brüdfen, fo mirb man nad) ben gemadE)ten Sluöfübrungen fagen 
bürfen: S)er Export ift in ben lebten beiben Sabrgcbnten 
um minbeftenS 50o/ 0 hinter ber SluSbebnung ber gemerb* 
li<hen &bätigteit in 3)eutf(blanb überhaupt gurüdf* 
geblieben. 

Söober erflärt fi<h bann aber ba8 raf<here SSatbfen ber in* 
buftrietten Seoölferung? Sluö bem gang felbftoerftänblid) unb un* 
oermeiblicb gunebmenben 3nlanbS!onfum geroerblicber Ergeugniffe. 
2)ie ftoffoerarbeitenbe S^bötigfcit mup unabroeiölicb aus folgenben 
©rünben einen immer breiteren ©pielraum in jeber Shilturnation 
einnebmeit, mag nun ber Export eine Stolle fpielen ober nicht: 

1. megen ber noch immer fortfehreiten ben Einfcbränfung ber 
längft noch nicht oerfchrounbenen bauSgeroerbliehen Eigen- 
probuftion; 

2. megen ber gunebmenben Sfofprücbe an ben Komfort be^ 
fieben^. ÜRan merbe pth boch enblich einmal barüber 
flar, bafc jebe Serfdjönerung unfereS 2)afein§, jebe materielle 
mie ibeette Sereicherung unferer Efifteng mit SRotbmenbig* 









637 


©ogiale prajtö- Eentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 24. 


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feit eine Vermehrung bcr ftoffoerarbeitenben 
feit ooraugfefct, ja, bafe ber gortfcpitt aller materiellen 
Sfultur nur in einer immer finnigeren unb funftootteren 
Verarbeitung ber im ©runbe ftetö gleichen Roptoffe be¬ 
ruht. Vlumen unb Seltfateffen ift bag einzige, mag bie 
ßanbmirthfdhaft gur Verfeinerung beg ßebenggenuffeg bei* 
trägt. Sille ©ioilifation ift auch in biefem materiellen 
©inne eine „ftäbtifche*, b. p geroerbliche. Sllfo Steiger* 
merben, ftulturfortfcpitt — felbftoerftänblich nur in biefem 
unbeftreitbaren Verftanbe oerfetnerten ßebenggenuffeg — 
ftnb ibentifrf) mit madfefenber geroerblidher Veoölferung. 

Siefe oermehrt ft<h aber noch rafdher: 

3. roeil eg in fortfcpeitenbem Viafee gelingt, bie non ber 
Sanbroirtfffdjaft gu liefernben Rohftoffe nicht nur immer 
mannigfaltiger unb reifer gu ©erarbeiten, fonbem auch 
gu erfefcen. ©ie per nur gu ftreifen, ift eg eine ber 
©ntmicfelunggtenbengen ber ofonomifdfjen Sedhnü, bei ber 
geroerblidhen £ljätigfeit mehr unb mehr auf ben Drgani* 
ftrunggprogefe ber Ratur gu oergidpen; b. p immer mehr 
unorganifirte Vlaterie gu ©ebraucpgütern gu nufeen. 
Vttt anberen ©orten: mir fietten eine madhfenbe Vtenge 
oon ©ebraudfjSgütcrn p*/ opte bafe bie betreffenben 
©egenftänbe felbft guoor alg Pflange ober Sper hätten 
eyiftiren, alfo mittelbar ober unmittelbar alg pflanglid&e 
©rgeugniffe beg Vobeng Ratten guoor gemonnen merben 
müffen, mag bei ben älteren Verfapunggmeifen ber gatt 
geroefen mar. £>ierpr gehören Veifpiele mie bie ©rfafc- 
rotte, bie oor allem bag ©ifen fpielt; man oergegenmärüge 
fiep mie oiel fjolg in ©Riffen, Käufern, Vrücfen, ©erf- 
geugen unb ©erätf>en, mie oiel Pflangenfafer in Sauen 
unb ©triefen eg erfefet! Unb mie feine $erftettung felbft 
in fortfcpeitenbem Viafee ohne 3nanfpruc^na^me organi* 
firter Vlaterie erfolgt! Vlan oergegenroärtige ftdfe ferner, 
mie bie ©teinfohle oegetabilifdje Vrennftoffe, mie Petro¬ 
leum unb ©ag oegetabilifdjje ßeudpftoffe, mie Sfnilin- unb 
. anbere ^openpbratfarben bie natürlichen garbftoffe: 
£rapp, Subigo, garbplger, ©aib k. oerbrängt pben, 
um bie Sragmeite ber per ermähnten Reoolutionirung 
unferer Vebarfggeftaltung gu ermeffen. ©rftcplich ift nun 
aber, mie fie mit Rotpoenbigfeit eine Vermehrung ge- 
merblidher, b. p ftoffoerarbeitenber Shätigfeü erpifdp. 
3n Vergmerfen unb £>odf)öfen, in ©lagfeutten unb dhemi- 
fd^en gabrifen merben jefet biefelben ©toffe ergeugt, bie 
in früherer 3«* ber ßanbmann auf feinem Slcfer ober in 
feinem ©albe gu geroinnen h^te- 

Uebergang gum „3nbuftrieftaat", menn eg fdprn bei beut fdpefen 
Slugbrucf fein Veroenben haben fott, ja; benn eg bebeutet Kultur* 
menfthmerbung fthledhthin; gum ,,©rport-3nbuftrieftaat" nicht notp 
menbig, thatfädpief) nidht. ©ürbe fich unfer Ejrport noch fang- 
famer im Verhältnife gur ©efammtmirthfehaft entfalten, fo märe 
eg eine auffattenbe unb ungefunbe ©rfepinung. Sag, mag mir 
baoon haben unb in beut bigherigen Sempo fortfehreitenb be» 
fommen merben, ift bag Vlinbefte, mag mir brauchen, um unfere 
©lieber gefefemeibig gu erhalten, ©ag aber per nicht gu erörtern 
ift, mo eg nur galt, einer merfroürbig gäben fable convenue bag 
ßebengUdp auggublafen. 

Vreglau. ©erner ©ombart. 


Sdjntj &er &nge|teUten itt offenen £obeitgefd)äften. 

Sie Rooette gur ©eroerbeorbnung, bie ben ©c^ufe ber Sin* 
peftettten in ßäben begmeeft, hat eine lange Vorgefcpchte. Vereitg 
m ber erften ©ifcung ber VeidE)gfommiffion für Slrbeitgftatiftif am 
25. guni 1892 mürbe bem Aufträge beg Reicpfanglerg gemäfe be- 
fdpoffen, eine Erhebung über Slrbeitggeit, Sfiinbigunggfriften unb 
ßehrlinggoerhältniffe im §anbelggeroerbe gu oeranftalten, um feft- 
guftetten, ob Vlifeftänbe auf biefem ©ebiete oorlägen, bie ein Ein¬ 
greifen gum ©efeup ber Singeftellten nothmeitbig machten. Siefe 
Ermittelungen begannen fofort im ©eptember unb Dftober bc£ 


Qahreg 1892. 1 ) 3wei 3apc fpäter, Rooember 1894, mürben biefe 
auf Fragebogen unb ©utaebten ber 3ntereffenoerbänbe fomie einer 
Senffcpift beg Veidhg*©efunbheitgamtg beruhenben Erhebungen 
burdfe bie Vernehmung oon Slugfunftgperfonen ergängt 2 ) unb im 
folaenben Sah^e erstattete bie Äommiffion ipen Vericfet nebft Vor- 
fd^fagen gur Regelung ber Slrbeitggeit. 3 ) Sie miepigfte Veftimmung 
biefer Vorfchläge ging auf obligatorifdhen ©dhlufe ber offenen Ver- 
faufgftetten in ber 3 c ü DOn 6 Uhr Slbenbg big 5 Uhr Vlorgeng. 
3ur Slugarbeitung emeg ©efefeentrourfg fam eg inbeffen bamalg 
nidht. 3war berührt bag neue £anbelggefefebudf) in feinen bereitg 
am 1. Sanuar 1898 in ^raft getretenen Veftimmungen auch bag 
©ebiet beg ©dpfceg ber Sfageftettten, eine Vegelung ber Slrbeitg* 
geit, bie ^auptfadhe, mürbe inbeffen big jefet nidfet ooraefehen. 
Safe bie oerbünbeten Regierungen nunmep enblicfe an biefe Sluf- 
gabe hcrangetreten, ift abermalg ein Verneig bafür, bafe nach einer 
3eit ber ©tagnation jefet aufg Reue ein frifeher 3 u 0 
©ogialreform fommt. Unb biefer ©epitt oormärtg ift oon 
foldh grunbfäfelicher Vebeutung, bafe für ung bie Slrt unb ©eife, 
mie ber ©<f)ufe ber Slngeftettten in offenen ßabenaefchäften im ©in- 
gelnen burdhgefiihrt merben fott, erft in gmeiter ßmie fommt. 

Sie pringipielle ©iefftigfeit ber in Slugficht genommenen 
Vorschriften gep fchon äufeerlich aug bem Umftanbe hcroor, bafe 
fie eingeführt merben alg neue Slbtheilung VI beg Sitelg VH ber 
©emerbeorbnung, ber oon ben „getoerblicpn Slrbeitern" hanbelt. 
Ser Slbtheilung V biefeg Sitelg (Sluffidht) reiht fuh nun an VI: 
„©ehülfen, ßehrlinge unb Sir beiter in offenen Verfaufg- 
ftellen". Vach § 139c fott ber Vorfdjlag gum ©efefe erhoben 
merben, monadf) ben in offenen Verfaufgftetten befdhäftigten ©e- 
hülfen, ßehrlingen unb Slrbeitern, mie audf) ben ©efdhäftgbienern, 
paefern :c., nach beenbetem Sagemerf eine ununterbrochene 
Ruhegeit oon minbefteng gehn ©tunben gu gemäpen ift. 
Slufeerbem ift allen biefen Perfonen eine angemeffene Vlittagg- 
paufe einguräumen. Ser ©efefcentmurf oergidhtet auf bie geft- 
fefeung beftimmter Ruhepaufen mährenb ber Sabenftunben unb be¬ 
gnügt fidfj bamit, bei folcfeen ©efchäften, bie ip Perfonal felbft 
beföftigen, ben ßabeninhabern lebiglp bie ©emährung einer „an* 
gemeffenen" Paufe gur Einnahme ber £>auptmahlgeit gur Pflicht gu 
machen. Rur für bie aufeerhalb beg ©efchäftg beföftigten Perfonen 
roirb eine fefte Vlittaggpaufe in Slugftcp genommen, beren nähere 
‘Regelung ben mit ben örtlichen Sebenggeroohnpiten oertrauten 
©emeinbebehörben überlaffen bleibt; bag ©efefe oerlangt einjig, 
bafe für bie Vlittagggeit minbefteng eine ootte ©tunbe angefefet 
mirb. gn §. 139 d merben Slugnahmen für bringenbe gätte oor* 
gefehen. Rach §• *39e ift oon ber aefefelichen geftlegung einer all¬ 
gemeinen ©dhlufeftunbe für ben ßabenbetrieb ^bftanb genommen, 
©enn aber bie ©efchäftginhaber felbft eine fefte ßabenfcblufe* 
ftunbe roünfchen, b. p wenn minbefteng gmei Srittel ber betpi* 
ligten ßabeninhaber für eingelne ober für mehrere örtlich unmittel¬ 
bar gufammenhängenbe ©emeinben einen bapngepnben Slntrag 
ftetten, fo faitn bie höpre Vermaltunggbehörbe nach Slnhörung ber 
©emeinbebehörbe für alle ober eingelne ©efdhaftggmeige ben ©dhlufe 
ber Säben mährenb einer näher gu beftimmenben 3^it oon 8 Uhr 
Slbenbg big 6 Uhr ober, menn ber ©dhlufe ber Verfaufgftetten auf 
9 Uhr Slbenbg feftgefefct mirb, big 7 Uhr Vtorgeng anorbnen. 
©ährenb ber ©cpufegeit ift bag geilbicten oon ©aaren auf öffent¬ 
lichen ©egen, ©trafeen, pläfeen ober an anberen öffentlichen Drten 
foroohl im ftehenben ©emerbebetrieb alg im §aufirpnbel oerboten, 
©benfo finben bie angeführten Veftimmungen auf Sfonfum* unb 
anbere Vereine entfpredhenbe Sfamenbung, 3« ber Vegrünbung 
heifet eg pergu unter Slnberen: 

Surdh bie Erhebungen ber Äommiffton für Slrbeiterftatiftil ift feft- 
geftellt morben, bafe bei ben in bie ftatiftifdje Slufnapne einbegogenen 
Sabengefdhäften bie Sabengeit, b. p bie 3rit, innerhalb melier ber 
Saben geöffnet ift, nur bei 14,9 °/o meniger alg 12 ©tunben, bagegen 
bei 22 ®/o big gu 13, bei 17% big gu 14, bei 18% big gu 15, bei 
21 % big gu 16, bei 6 , 5 % über 16 ©tunben beträgt unb fomit in 
mep alg ber §älfte ber ©efdhäfte länger alg 14 ©tunben 
bauert. Siefe Angaben enthalten Surdjfcfenittggahlett für bie Sauer 
ber Sabengeiten in ben befragten ©efchäften. Roch ungünftiger ift 
bag Vilb, bag fidfj bei ber Vetracpung ber Verbältniffc in eingelnen 
Sfrten ergeben pt, ingbefonbere für oie ©efchäfte mit Sabaf unb 
Sigarren, frifdhen Rahrunggmitteln, kolonial* unb Rtaterialroaaren. 
Vei ben Sabal- unb ©igarreiigefdfjäften ift eine Sabengeit oon mehr alg 
14 ©tunben in 72,7 %, oon mehr alg 16 ©tunben in 9,e % bcr be¬ 
fragten Vetriebe ermittelt morben. 3n ben Rahrungguiittelläbcn 

1 ) Vgl. Rr. 2, 5, 7 ber Srucffachcn ber Sfontmiffion für Slrbeiter- 
ftatiftif (Erhebungen), Verlag oon Earl Reumann, Verliu. 

2 ) Vgl. |>eft 7 ber Srucffacheit (Verhanblinigeu). 

3 ) Vgl. >oeft 8 u. 8a bcr Sritcffadjeu (Verhanblinigeu). 



639 


Soziale PrajiS. Ecntralblatt für ©ozialpoUtü. Ar. 24. 


640 


faub fidj bei 73,4% eine Sabcnzeit oon meßr als 14 ©tunben unb 
in 48,4% bcr ©efdjäfte mar ber Öaben länger als 15 ©tunben ge* 
öffnet. Sei bcn kolonial* unb 9Raterialroaarengefcßäften 
fteigt bie 3ußl ber ©efcßäfte, in benen ber Saben länger als 
14 ©tunben offen bleibt, auf 84,4%; bei 63,9% biefer ©efcßäfte 
nnirbe eine Sabenzeit oon meßr als 15 ©tunben feftgeftellt, in 16,5% 
bauerte fic länger als 16 ©tunben. 

$ie Sabenjeit bebeutet allerbingS nicßt aucß bie Arbeitszeit. ®ie 
?abengeit !amt nur jum Sßeil als eigentliche Arbeitszeit unb muff im 
Uebrigen meßr als eine 3eit ber ArbeitSbereitfcßaft angefeßeit 
merben. Anbererfeits ift zu berüdfidjtigen, baß bie angegebenen fahlen 
ficß nur auf bie regelmäßige 2abenzeit beziehen. $n manchen fällen 
bauert bie Arbeitszeit länger als bie Ütabeiifteit. Ebenfalls fießt außer 
3meifel, baß in oielen ©efcßäften bie ©eßütfen unb Lehrlinge baS 
ganze 3nßr ßinburcß, in anbrren ©efchäften menigftenS mäßrenb eines 
SßcilS beffelben ben £ag über in beftänbiger anftrengenber 
2 ßä Hg feit gehalten merben. 2)ie mit ber langen £abenzeit oer* 
bunbcnen 9iac§t^eile merben burch eine Steife befonberer llmftänbe oer* 
fchärft. ... 

®ie Vegrünbung einer Verfügung ber Arbeitszeit ift, namentlich 
roaS bie ©eßülfen unb ficßrlinge anlangt, feineSmegS auSfcßließlicß in 
ber Sefeitignng ober SWiuberung gefunbljeitsfcßäblicßer Einflüffc zu 
fucßen. Sei ben münblichen Vernehmungen ift oielmeßr mit noch 
größerem Aacßbrucf als bie ©diäbiguug ber ©efunbheit bie Seein* 
trächtigung ber geiftigen ftortbtlbung ber Sabengeßülfen auf 
bie übermäßige $)auer ber Scfcfjäfiigung zurütfgefüßrt unb* hiermit oon 
oielen ©eiten ber cinbringliih beHagtc 9Äangel an gut auSgcbilbetem 
£abenpcrfonal in 3 u fammenßaug gebracht morben. ©ämmtlicße bei 
ber llnterfuchung befragten faufmänutjdjen Serbänbe, unter bereu 9Rit* 
gliebern fiefj in großer 3aßl aucß ©cfcßäftsinßaber beßnben, bie 2Reßr* 
Zahl ber einzelnen Sercine unb nahezu alle oor ber kommiffion ge* 
hörten Ausfunttsperfonen haben barauf ßingeioicfen, baß bie übermäßig 
auSgebeßnten Arbeitszeiten bem jungen Äaufmanne meber 3 f *t noch 
kraft, noch Sntereffe für bie pflege ber tßeoretifcßen AuSbilbuitg übrig 
ließen. . . . $er ©eminn, ber auch für bas Familienleben oon einer 
Äiirzung ber Arbeitszeit erhofft merben barf, ift bei ben mehrerroähnten 
Unterjochungen oon ben uerfeßiebenften ©eiten betont unb mit als ein 
mefentlidjer ©runb für ein foId)eS Sorgcijen bezeichnet morben. $ic 
Maßnahmen, bie ßiernaeß zuut ©djuße ber ©eßülfen, Öeßrlinge unb 
Arbeiter in ben offenen Säben erforberlicß erfeßeinen, machen ben Erlaß 
neuer gcfcßlidjer Seftimmungen nothmenbig. 2>enn bie bisher unter* 
nommenen Verfucßc, bie Sabenzeit unb bantit bie Arbeitszeit ber Ange* 
[teilten auf bem SSege freimütiger Vereinbarung ber ©cfdjäftsinßaber 
untercinaubcr zu oerfürzen, finb bisher an bem Väberftrebem eines 
3ßeücS berfelben, nicßt feiten nur einzelner Sabentnßaber, gefeßeitert. 
$iefelben Erfahrungen hat man im AuSlanbe gemacht. 

SBäßrenb ber Entwurf ber kommiffton für Arbciterftatifti! barin 
beiftimmt, baß eine Sefferung in ben feftgeftellten SEißftänben nur auf 
bem 2Bege eines meiteren Ausbaues ber ©efeßgebung erreicht merben 
fann, meicht er in ben einzelnen Seftimmungen, oon mehreren ntinber 
nächtigen fünften abgefehen, barin oon ihren Sorfdjlägeu ab, baß er 
auf bie Einführung eines allgemeinen Acßtußr*2aben* 
fdjiuffeS vernichtet. 2)ie 3urüc!meifung, bie biefer Vorfcßiag bei ber 
meit übermiegenben 3Reßrzaf)T ber ©efchäftsinhaber unb in ber öffent* 
Hißen Meinung erfahren hat, mag zmar inzwifeßen hier unb ba einer 
giinftigeren Scurtheilung geroießen fein; immerhin ift aber bie Abneigung 
gegen ißu nod) fo ftart, baß es ben Sorzug oerbient, für bie Regelung 
ber Arbeitszeit in ben offenen Stöben einen 3öeg zu fuchen, ber meniger 
tief in bas ©efcßäftsleben eingreift unb babei boeß ben AngeftcHten unb 
Arbeiten! bas ihnen billiger Seife zufommenbe 9Raß oon Auße unb 
Erholung fi(ßert. 

2 >ie oorgefcßlagene 9Rinimalrußezeit oon zehn ©tunben läßt 
immer noch eine fehr lange Arbeitszeit zu. 14 ©tunben ober naeß 
Abrechnung einer einftünbtgen VlittagSpaufe 13 ©tunben ArbeitS* 
Zeit bebeuten felbft bann, rnenn in biefer nicht beftänbig ge* 
arbeitet, fonbern nur fortmährenbe ArbeitSbereitfeßaft geforbert 
mirb, eine fehr ftarfe Anfpannung aller geiftigen unb förderlichen 
Kräfte ber AngefteHfen, oon benen fehr oiele noch im ©tabium ber 
Entroicflung ficß befinben. Oft mirb mit biefer Vcftimmung ben 
jungen Leuten ein liebermaß oon Anftrengung zugemuthet, baS bie 
in ben äRotiocn auSgebrücfte Hoffnung auf Sefferung ber ©efnnbßeitS* 
ocrßältniffe, auf -Hebung ber geiftigen unb fittlicßen Eigenfdjaften 
foroie beS 3amilienIebeuS oereitelu mirb. Aber mir oerfennen 
anbererfeits nicht, baß in ber gefeßlidien Einführung einer Minimal* 
rußezeit an fich ein gemaltiger, fegenSreicher ^ortfehritt gegen bie 
jeßigen, zum £ßeil troftlofen unb abfcßeulirfjcn Verßältuiffe liegt. 
2Semt ber $Reid)Stag fuh baßer nidjt entfcßließt, bie 9)tinimalruhe* 
Zeit noch um eine ©tnnbe z 11 oerlängern, fo -baß eine effeftioc 
Arbeitsbereitfchaft oon 12 ©tunben erzielt mirb, fo möge er ben 
Sorfchlag ber SßoocHe menigftenS mit ber Maßgabe annehmen, 
baß bamit nicht eine Regelung auf bie 2 )auer, fonbern ein lieber* 
gangSzuftanb gefd^affen mirb, bis bie Seränberutig in ben 
Maufgeroohnheiteu beS ^ublifumS unb bie Einficht ber Vcibenbefißer 
eine meitere Serlängeruitg ber 9tnf>e 3 eit geftatteu. 


2öaS bagegen ben fiabenfcßluß auf Antrag oon gtoci ©rittel 
ber fiabenbefißer betrifft, fo neigen mir, troß ber in beit 9Rotioen 
angeführten ©riinbe, gleichrnoßl ber Anficht zu, baß, unter Serücf* 
ftchtigung nothmenbiger Ausnahmen für geroiffe 3e*ten 3ah rej ^ 
unb für gemiffe ©efchäftSzroeige, ber obligatorifche Öabenfdßtuß 
um 8 Uhr oorzuziehen unb auch bureßführbar ift. 3 n 
meiten ©ebieten beS Reiches, z* 33- in ganz ^übbeuifcßlanb, haben 
©itte unb Sraucß ben allgemeinen ßabenfehluß um 8 ober felbft 
um 7 Ußr oßne ©efeß „obligatorifch" gemacht. &aß auch iu Drten 
unb ©egenben, mo bie £äben bis tief in bie 9ta<ht bem ^ublifum 
offen zu fein pflegen, ber früße ©cßluß fieß als möglid) unb oor* 
tßeilßaft ermeift, it\$t bie (Gepflogenheit oieler großen Skaren* 
ßäufer, bie mit bem ©locfenfcßlag 8 Ußr ißre Pforten fcßließen. 
Nichtig ift, baß ber Sorfcßlag ber Äommiffion für Arbeitsftatifti! 
f. 31* einen großen ©turnt erregt hat. Aber bamals finb nicht 
nur maneße Hjcißoerftänbniffe untergelaufen, fonbern es mar auch 
fehr oiel parteipolitifdje Agitation Damit oerbunben, bie auf SDiS* 
frebitirung ber ©ojialreform überhaupt ßinarbeitete. 3 eßt finb bie 
©emütßer oiel rußiger. Aucß in ben Ä reifen ber ßabeitbefißer ßat 
bie oernünftige Erfenntniß, baß ein allgemeiner Acßtußrfcßluß für 
Prinzipale unb Angeftellte eine SSoßltßat bebeutet, bie ge* 
j fcßäftlicßen 92acßtheile faum in Setracßt fommen unb baS PubUfum 
1 fi(ß halb an ben neuen Sraucß — ebenfo mie bei ber ©onntags* 
ruße — geroößnen mirb, oon Saßr zu Öaßr an Soben gerooniten. 
3n ben ©eßülfenoerbäitben aber ßerrfeßt einmütßig baS lebhafte 
Verlangen naeß ber Scftfefenng einer £abenfcßlußftunbe. 9Bir ßoffen 
bringenb, baß aus ben Streifen ber Setßeiligten ein ©türm oon 
Petitionen um ben obligatorifcßen Achtußr*£abenfchluß bcn SReicßS* 
tag oon ber SRöglicßfeit unb bcr üJlotßroenbigfeit biefer Maßregel 
überzeugt unb baß bie oerbünbeten ^Regierungen ficß bann aucß 
entfcßließen, ftatt einer halben Maßnahme ganze Arbeit zu machen. 

$)ie 91ooeIIe bringt bann noeß einige SSorfcfjläge, bie uttbebingt 
gutzußeißen finb. $>ie 9Rißad;tung ber Sorfcßriften beS |>anbelS* 
gefeßbudjeS, monaeß bie ©efcßäftSinßaber oerpflicßtet finb, bie 
©efd)äftsräume unb bie für ben ©efcßäftsbetrieb erforberlicßen 
©erätßfcßaften fo einzuridßten uttb zu unterhalten, aucß ben 
©efcßäftsbetrieb unb bie Arbeitszeit fo zu regeln, baß ber 
^anblungSgeßüIfe gegen eine ©efäßrbung feiner ©efunbheit, foroeit 
bie SRatur beS Betriebes es geftattet, gefdßüßt unb bie Aufrecßt* 
erßaltung ber guten ©itten unb beS AnftanbeS gefießert ift, ßat 
bisßer tebiglicß ©cßabenSerfaßpfUcßt zur Solge. fott ben 

f ^olizeibeßörben baS fRecßt übertragen merben, für einzelne offene 
äben bie 9J2aßnabmen anzuorbnen, bie zur Serroirflicßung ber 
im §anbeISgcfeßbutß enthaltenen Abficßten erforberlicß finb, mäßrenb 
bem SunbeSratß bcr Erlaß allgemeiner Anorbnungen zur Regelung 
ber gefeßaeberifd^en Anforberungen zufteßen foll. Auf biefem Skge 
fönnten Die Prinzipale aucß oerppießtet merben, für ißre Ange* 
ftellten geeignete unb auSreicßenbe ©ißgelegenßeit z u befeßaffen. 
Enblicß fott bie Verpflichtung beS Prinzipals, bie ©cßulbilbung 
feiner ©eßiilfen unb ßeßrlinge unter 18 Saßren zu förbern, er* 
meitert merben. 2)ie fießrßerren im £>anbelSgemerbe maren bisßer 
nur gehalten, bie zum regelmäßigen Vefucß ber ÖortbilbungSfcßule 
erforoerlicße 3«l 3 U geroäßren. künftighin foff ben Prinzipalen 
bie Pflicht auferlegt merben, bie bei ißnen bebienfteten jungen ßeute 
zum Vefucß ber SortbilbungS* unb fyacßfchule anzuhaltcn unb 
Den ©cßiilbefucß zu übermachen, mie folcßes bureß bie ©eroerbe* 
orbnung aucß oon ben ßeßrßerren in ber Qnbuftrie geforbert mirb. 

SRacß ber ©efcßäftslage beS SReicßStageS mirb bie Slooefle oer* 
mutßlicß erft naeß ben Dfterferien, alfo m ber zweiten §älfte bes 
April zur Seratßung fommen. AHe, bie es augeßt, foßten biefe 
Seit aufs Eifrigfte beuußeu, um ißre Anficßt öffentlid^ zur ©eltung 

S bringen, llnftrcitig ift bie Vorlage ein ßöcßft erfreulicher 5ort* 
ritt, aber nad) unferer Meinung fann oßne nennenSroertße 92atß* 
tßeile ber ©efeßgeber auf biefem (Gebiete aucß heute feßon baS 3^1 
meiter ftedfen, als in bem Entrourfe gefeßießt. E. 3* 


Mgettteine Stojial- unö VÜrt|)Cd)aft^poUtik. 

$err v. Wtqntl unb bie Üanbarbeitcr-Enqu^te beS Vereins für 
©ozialpolitif* 

2 Bir erßalten folgenbe Sufcßrift: 

3n ber „25eutfd^en Snbuftriezeitung" (92r. 7 oom 15. $e* 
bruar b. 3.) ßnbet ficß in einer Vefpredjung ber SanbtagSoerßaub* 
langen oom 9.— 11 . Februar b. 3- über ben Antrag ©amp, be* 
treffenb bie Uinblidjeit Arbeiteroerßältniffe, golgenbes: 

SefouberS f)cruorlicbcn möditcii mir eine Acnßcrimg bcS Finanz* 
miiiiftcrs über bcn Verein für ©ozialpolitif, auf beffen Erhebungen fid) 




641 


Soziale prajiS. ©entralBlatt für Sozialpolitik Rr. 24. 


642 


bic fretfittnigen ?lbgeorbncten ftirfcf) itnb BartB Bezogen Bitten, .$err 
oon SRiquel fagte nämlich-wörtlich: 

„Sd) Babe mich aber nicht beSroegen junt SBorte gemelbet, fonbern 
um 3*ugnife aBjuIegen über ben Berein für Sozialpolitik beffen 
glieb id) felbft noch bin, obwohl nirf»t mehr ein tätiges, unb baBer 
genau weife, was bie Bücher, bie ber herein BerauiSgieBt, Bebeuten. 
2Ran Bat nun gefagt/ biefe ©nqueten fänben ftatt unter ber Autorität 
ber Regierung. Daoon ift utir nid)ts Befannt. 2Ran Bat Bann auf 
einzelne Sendete non einzelnen Perfonen, bie bent BereüiSoorftanb unb 
felbft ben Dezernenten, bie für Beftimmte ©egenben baS Dezernat über» 
nommen Baben, oft nicBt mal perfönltdf) befannt ftnb, ein autoritatioeS 
©emid)t gelegt, als menn ben großen SBaBrBciten biefer einzelnen Be* 
rtdfjte überhaupt nid^t wiberfprochen werben fönnte. £>err Dr. Barth 
Bat meiner Meinung nach ganz mit Unrecht biejenigen R ebner getabelt, 
roeltBe beridjten aus iBrer eigenen 2ebenSfenntnife ber BerBältniffe in 
Beftimmten ©egenben. äReine Herren, idB bin ber Meinung, bie ficherften 
Berichterstatter finb bie, bie bie Sachen felbft gefeBen, gehört unb er* 
lebt Baben. Aber ein Buch lefen oon einem einzelnen äRenfchen,*) ber 
bem Sefer gar nicht Befannt ift, beffen SBiffen unb 3 uoer läffig* 
feit, beffen «Stellung z u allen fojialeti fragen iBm oollfommen 
fdBleierBaft ftnb, uno barauf ein foIdjeS ©ewidjt z u legen, wie man 
legen mufe auf bas S^gaife eines SRanneS, ber bie Dinge aus eigener 
SBiffenfcBaft fennt, baS ift eine Berwethfelung, bie i<B gar nicht Begreife. 
Sßie mirb baS in bem herein gemacht? ©S wirb BeftBIoffen, eine (Sn* 
quete über bie Sage ber SanoarBeiter in DeutfcBlanb. ^cB Balte es 
für im Bödjften ©rabe wünfchenSwertb, bafe biefe Sage grünblich auf* 
geflärt mirb. Sefct oertBeilt ber herein Dezernate für beftimmte ©e* 
genben, unb ba übernimmt ein Dezerneut einen beftimmten Bezirf unb 
roenbet fuB nun an eine ganze 3Renge ptrfoncn, bie iBm bem tarnen 
nadB Befannt ftnb, oon roelcBen er annimmt, ftc oerfteBen etmaS, fie ftnb 
aud) willig bazu, z« Berichten. ©r fennt biefe Perfonen oielfad) per* 
fönlidB überBaupt nicht, unb bie Briefe, bie nun biefe Seute fcBreioen, 
merbeu in baS Buch aufgenommen. Die ©efammtBeit ber Be* 
ricBte macht gar nicht einen richtigen ©inbruef, aber fch wären 
wie auf ein ©oangelium auf ben Bericht eines einzelnen SRanneS fällt 
bem Bereiu unb bem BereinSoorftanb auch feinerfeits niemals ein. 3<h 
glaube baBer, bafe bie Bebeutung ber einzelnen Berichte gänzlich oer* 
fannt toirb. SBenn bie Herren feine Befferen Bemeife BeiBringen, fann 
tch nicht oiel barauf geben." 

Das ift eine flarc ABfage ber Regierung an jene „wiffenfebaft* 
liehen" Beftrebungen, bie angeblich nur unparteiifch gefammeiteS 3Ra* 
terial liefern mollen, in SSirflichfeit aber in ber preffe unb namentlich 
auf ben ©etieraloerfammlungen beS genannten Bereins zu tenbenziöfer 
gurechtmadjung ber DBatfacfeen unb 3aBlen füBren. SRit benfelben 
JaBlen fann man je nach ber ©ruppirung bie oerfdjiebenfien Bemeife 
erbringen; bie 3af)len beS „Bereins für Sozialpolitik ftrtb bis jept 
Bauptfädjiich z u bent BemeiS gemifebraucht morbett, bafe bie Arbeiter 
DeutfcfelanbS eigentlich eine rechtlofe unb unterbrüdte Klaffe feien. Diefe 
DBatfadje fpricpi ja natürlich nicht gegen biefe Statiftifen felbft, fonbern 
nur gegen ihre Ueberfcpäpung unb unbebingte Annahme als untrüglich- 
Sollte biefe Anftcpt burch bie SBorte beS felbft als früher thätigeS SRit* 
glieb bem Bereiu angehörenbett giuanzminifterS einen Stofe erlitten 
Baben, fo märe baS ein erfreulicher ©rfolg. 

Das Stenogramm ergiebt, bafe an ber gtpetten ber (oon mir) 
efperrten Stellen §err o. SRiquel baS ©egentpeil beS im Beriet 
er „Snbuftriezeitung" BBiebergegebenen fagte. Sonft ift bte 
BBiebergaBe forreft. 3n Betreff beS BäertpeS ber citirten ©nquete 
über bie fianbarbeiter barf t<p bie Rechte beS AbgeorbnetenpaufeS, 
beren „lebhafter Beifall" bie abgebrochen BBorte begleitete, unb 
bie „Snbuftriezeitung" wohl auf ben halb nach ©rfepeinen ber 
©nquete erfolgten ßeitartifel ber „Kreuzzeitung" unb auf bie 
Heufeerungen beS in biefem fünfte getoife unoerbächtigen früheren 
Slbaeorbneten o. $ammerftein im Reichstage oertoeifen. Diefe fym 
nod^mals abzubrudfen, märe zu weitläufig. 

3öaS öerrn o. SRiquel anlangt, fo genügt es, auf feine nadfe Sorm 
unb Snhaft gleich befremblichen Bemerfungen SolgenbeS zu fagen: 

1. ©S ift ihm hinlänglich Befannt, bafe bie ©rhebungen beS 
BereinS anberS, als er fte fchilbert, oorgenommen mürben, bafe 
inSbefonbere bie Berichterftatter auSfdjliefelich oon ben Snter* 
effenoertretungen ber ßanbmirihe als bie für bie Bericht* 
erftattung geeigneten ^erfonen auSgeroählt unb bem Berein be* 
Zeichnet morben waren. — Diefelben waren ausfchliefelich foldje 
Berfonen, welche ber 3Rinifter jefet als bie allein zur Beurteilung 
ber Öanbarbeiteroerhältniffe berufenen bezeichnet hui- 

2. §err o. 3Riquel geftattet fleh, meine „3uoerläffigfeit" anzu* 
taften, inbem er pe als eine (bem Sbgeorbneten §irf<h!) „fchleier* 
hafte" bezeichnete. — ©S ift für $errn o. SRiquel aus guten 
©rünben noch gewagter als für Slnbere, ben ©harafter irgenb 
3emanbeS in Bfrage zu ziehen, auch wenn ihm berfelbe, wie er bies 
bezüglich meiner offenbar anbeuten will, gänzlich unbefannt ift. 
Diefe Unbefanntfchaft mit einem fo jungen Dozenten, wie ich es 
bin, wirb ja Riemanb SSunber nehmen, nur ift fie ziemlich neuen 

*) $err §irf<h Butte nur mich mit Barnen eitert. 


Datums, ba er feiner 3eit mir bie — wie ich heute geftehe, hö<hft 
fragwürbige — ©hre einer perföntichen ©inlabung im „engften 
Greife" angebeihen liefe zu bem auSfdBUefelichen 3medfe, mir feine 
hödhfte Befriebigung über meine ©nquetebearbeitung auSzufprechen. 

BkiS biefe ©nquetebearbeitung felbft anlangt, fo brauche ich 
im Uebrigen faum hiuzuzufügen, bafe ich f ie nicht etwa für eine 
Befonbere miffenfchaftliche Seiftung anfehe, fonbern für fte lebiglich 
ben ©harafter als einer unpartehfehen 3 u fammenftellung unb Ber* 
arbeitung ber Angaben ber Beridfete in ^nfprudfe nehme. Bei einem 
fo ungeheuren Bfaterial wäre baS Borfommett zahi re it cr ©inzd* 
irrthümer an fich nichts B3unberbareS. Den gröfeeren Dheil ber 
Arbeit hübe ich fdhft noch nach bem Drucf, folange baS ÜRaterial 
mir zur Berfügung fianb, baraufhin nochmals prüfen fönnen. Rach 
meinen Rotten hüben fidfe aber babei, abgefehen oon einigen fofort 
als foldfee in bie Slugen fallenbett Drucffehlern in einigen Dabellen, 
nur fo gänzlich gleichgültige SHeinigfeüen gefunben, bafe es nicht 
ben aeringften fachlichen 3medf hütte, fie, wie ich hei Bornabnte ber 
Prüfung beabfichtigte, bei etwaigen fünftigen Arbeiten auf biefem 
©ebiete anzuführen. Die oon 5>errn ©i^fch citirten Berichtftellen 
hatte ich S um ^h e it meines ©rinnernS im Original in mein Btanuffript 
eingefügt, fo bafe hier felbft Slbfcfereibefehler auSgefchloffen ftnb. 

£>eibelberg. 3Ray SSeber. 

Antrag auf ©inführimg beS RormalarbeitStageS in 8rranf* 
reich* 3)er franzöpfchen Deputirtenfammer liegt ein Antrag 
(9R9R. ßoper unb Roper) oor, betrepenb bie gefefeliche ©inführung 
beS elfftünbigen RormalarbeitStageS in 2franfreiÄ. Die Eintrag* 
ftetter erflären fidfe allerbingS für Anhänger beS 3ehnftunbentageS, 
hoch glauben fie, bafe bie gefefeliche §erabfepung ber Arbeitszeit 
nur langfam unb fchrittweife erfolgen foH, um ber Snbuftrie 3eit 
zur BerooHfommnung ber ^robuftion unb ©ntmidfelung ber 
ArbeitSorganifaPon zu laffen. Sie oerweifen auch auf baS reiche 
oorliegenbe SRaterial, baS beweift, bafe eine Rebuftion ber ArbeitS* 
zeit ni^t unbebingt eine Berringerung ber Brobuftion bebeute, ba 
p<h bei fiirzerer Arbeitszeit faft regelmäfeig bie gntenfttät ber 
Arbeit, bie Arbeitsleistung, fteigere. 

SchtoebtfdBe BerufSpatiftt! 1870—1897. Die Berfchiebung 
Zwifchen ben oier grofeen §auptberufSgruppen; ßaubwirthfehuft 
(mit Biehzucht unb gifcherei), Snbuftrie (unb Bergbau), $anbel 
(unb DranSportwefen) unb öffentlicher Dieuft (nebft üterarifchent 
unb fünftlerifchem Beruf, ^ranfen* unb Armenpffeae :c.) währenb 
ber lefeten 27 Qahre zeigt für Schweben folgenbe Dabelle: 


I. SanbwirtBfchaft . . . 

II. Snbuftie. 

III. fcanbel . . .. 

IV. DeffentUchcr Dien ft . 

1870 

. 2 995 844 
618 414 
210 940 
848 827 

1880 

8 078 274 
810 841 
826 091 
350 962 

1890 

2 914 984 

1087 072 
426 911 
356 014 

1897 

2 857 000 
1290 000 
500 000 
368 000 

Ober prozentuell: 

4 168 525 

4 565 668 

4 784 981 

5 010 000 


1870 

1880 

1890 

1897 

I. SanbwirtBfchaft ■ • . 

71,87 

67,42 

60,93 

57,02 

II. gnbuftrie. 

14,71 

17,75 

22,72 

25,75 

III. .fpanbel. 

5,oo 

7,14 

8,92 

9,98 

VI. Oeffcntltdjer Dicnft . 

8,3G 

7,G9 

7,41 

7,25 


100 

100 

100 

100 


ftontnutnale $o}ial)>i>tltik. 

©uquete über foutmunale Untemehtuungeu in pulten. Das 

italienifche Btinifterium beS 3nnerit h fl t an bie B r °uiuzbehörben 
ein Runbfchreiben gerichtet, baS auf bie ©nbe Dftober befcbloffene 
©infefeung einer Äommiffton binweift, bie mit bem Stitbium ber 
fommunalen Unternehmungen unb ber Örage eoentueller gefeplicher 
Regelung ber 5Raterie betraut ift. Die ^ßräfefturen weroeit bem* 
getnäfe attfgeforbert, ber ^ommiffion atteS einfcplägige Rlaterial 
aus ihren Diftriften zur Berfügung zu fteHen, uttb zwar mit thun* 
lichfter Befcfeleunigung, bamit bie bezüglichen RegierungSoorlagen 
ehemöglichft fertig gepeilt unb bem Parlamente oorgelegt werben 
fönnen. ©ingeforbert werben oor Allem alle Informationen, 
Reglements unb Bilanzen fommuualer Unternehmungen, Betreffenb 
Beleuchtung ber Stäbte, Strafeenbahnen, BJafferleitungen, eleftrifdie 
Kraftanlagen, Schlachthäufer, Bäber u. f. w, fowie baS gleidic ein* 
fchlägige uRaterial, betreffenb folcper in prioatent Betrieb bepnb* 
lieber Unternehmungen, an welchen bic £)effentlid)feit iutereffirt ift. 
©leichzeitig wirb auch baS ©utachten ber präfefturen in ber Srage 
munizipaler Unternehmungen aboerlangt. 







643 


©ogiale $ra£t$. Eentralblatt für ©ogialpolittf. Br. 24. 


644 


Sie grage bet Bergeuteinblidjnng in Englanb. gn jüngfter 
3cit fiep bic 3 a pl btx ©emeinben, bie bie Bergemeinblicpung 
aller Unternehmungen, an toeldjen bie OeffentIid)Feit intereffirt ift, 
roie ©trafcenbapnen, ^Beleuchtung, Wafferleituugert, ©cpladjthäufer 2C., 
in ibr Programm aufgenotntnen haben, roefentlicp nermebrt nnb es 
ftnb aud) bereits in nielen Orten bie meiften berartigen Unter* 
nehmen in ben Befip unb Betrieb ber Kommunen übergegangen. 
Siefe Bewegung bat in manchen roopl als mancbefterlicb gu be* 
geiepnenben Greifen Bebenfen erregt unb bie grage beS „Municipal 
Trading“ ift in Englanb gur SageSfrage geworben. £>at bie Be* 
roegung auch faum eine ernfte ©egnerfd)aft gefunben, fo roirb boch 
non mancher ©eite bafür plaibirt, eine gefeplidje ©runblage unb 
legale ©rengen ber fommunalen Betriebe gu fcpaffeit. Bon biefem 
©tanbpunfte auS bat bie „Society for Encouragement of Arts, 
Manufactures and Commerce 4 eine Eingabe an baS Home Office 
gerichtet, bie bie Einfepung einer föniglicpen ^ommiffton gur Unter* 
fuchung ber grage ber fommunalen Betriebe unb ihrer geglichen 
Begulirung forbert. Aller Waprfd)einlid)feit nach bürfte eine Ett* 
quete, betreffenb Municipal Trading eingeleitet roerben, bie jebenfaHS 
febr intereffant nnb inftruftio märe. 

©täbtifdje Bitßcefleit. Sie BJagbeburgcr ©tabtocrorbnetcn ge* 
nepmigten am 2. Btärg bic WcfcbäftSorbnung für bie ftäbtifdjc ArbcitS- 
nadjroeißftefle. — 3» Berlin lag gum Etattitel „Babeanftalten" eine 
Bittfcfirift oor, bie ÄUaffeneintüeilintg befeitigeu unb einen 3 c b ns 
Pfennigtarif für fämmtlidje Bäber einfüüren gu wollen. 25er mit ber 
Beratung betraute Ausfdjuft tonnte mittpetlen, bap in golge ber Be* 
fcfilüffe ber Berfamntlung bie Wannenbäber erfter klaffe in ben ftäbtifepen 
Bolföbabeanftalten befeitigt feien, aud) mebijinifdie Bäber nidjt mehr 
oerabfolgt mürben. Ser roeitergefjenbe Antrag auf Herabfepuitg bcs 
Tarifs fei oofltg unannehmbar unb ein unberechtigter unb unjuläffiger 
Eingriff in bie Bedjte ber ©tabtgemetnbe. Sie Petition mürbe burep 
Uebergaug gur 2ageSorbnung erlebigt. — Bfanttljeim unb Deibel* 
Berg riiften ficb gur Errichtung oon Eleftrigitätßiuerfen unb Ummaublung 
ihrer ^ferbebabnen in eleftrifdje. gn Biamtfjeim mirb bie ftemcinbc 
Wert unb Bahn felbft betreiben, in £eibclberg mirb fie oorerft nur baS 
Wer! crridjten unb betreiben, ba bie s ^ferbebabn noch über ein gafirgepnt 
tioiigeffion bat. — gn greiburg i. B. mirb ebenfalls Elcftrigitätsioerf 
unb eleftrifdje ©trapenbabn oon ber ©tabt erfteilt unb betrieben merbeit. 


$0}taie Juftänöe. 

Bctämpfnng ber gewerbsmäßigen ®inb erarbeit bnrdj bie Seprcr. 

Ser Seutfcpe Öepreroerein, ber fich bie Befämpfutig ber erroerbs* 
mäßigen kinberarbett febr angelegen fein läßt, bat an bie Seprer* 
fchaft einen Aufruf erlaffen, in benx es u. 51. peißt: 

Ter gefepäftsführeube AuSfcpuß oermutljet, baß nodj braudjbares 
9EateriaI, bie eriuerbsmäßige ftinberarbeit betreffenb, bei ben tfofaluer* 

bänben unb in ben Rauben einzelner Kollegen ruht.geber Bei* 

trag gur Beleuchtung ber immer unhaltbarer merbenben guftänbe ift 
beute itod) mertboofl. Sie Berbanblungen im Acidjotag babeit gezeigt, 
baß bie Auflagen um fo mudjtigcr mißfallen, je nmfaffenber unb beweis* 
fräftiger bas Material ift, bas ben Befürwortern riueö ^citgemäfjen 
unb aimreidjeuben .ftinberfdjn^eö, mie mir ibu münfdjen muffen, jur 
Berfügungftebt. Bürfteben aber gait ,5 itub gar erft im Anfang ber Bcmcgmtg, 
benn* uod) ift feine unferer ^orbermtgen burchgcfcpt. ^ic Arbeit jept 
fchoit alö abgefdiloffcn , 31 t betradjtcn, märe aitgcfiihts ber in ben Debatten 
bei? ^reufiifcben Jlbgeorbnetenbaufcö 31 t 2 agc getretenen 5lbfid)ten ber 
Agrarier auf gefteigerte ^lurmnpung ber tinblidjen 5lrbeitsfraft ttabeju 
ein Berratb an ben 00 m Xeutfdien l'ebrerocrein geftcctten fielen. 2 er 
* 2 liiC’fcfjnf 5 bittet baber, ba» etufdjlägige Btatcriai ber (Scutralfteüe 31 er 
meitereit Bcrarbeituug unb paffenben 5lu»nupuug 311 übermitteln. 

3n einem unlängft im ^ebreroerein itn Blauen im Boigtlanb 
gehaltenen Bortrage mürben (fibebungen über bie freie 3 e it ber 
Bolföfchüler in btefern Qnbuftrieort mitgetbeilt. fönnen (nad) 
einem Bericht ber „Örff. 3*9*") bort, notbmenbige Söege au§* 
gefchloffen, 57 % jener Äinber nur an ©onntagen, unb meiftettS 
aud) nur be£ 9tachmittag0, an bie £uft geben. 9iur 25 °/ 0 fönnen 
biefc^ täglich; 13 °/ 0 gaben an, bafe fie nur gang roenig an bie 
Vuft fäinen. 3n allen 'gälten, fo helfet eö in bem Bortrage, roirb 
5lrbeit (gäbelit, 3ätfeln) al§ ©runb ber Abhaltung angegeben. 
Bon 100 Slinbern maren fomit 70 faft immer an ba£ 3itnmcr 
gefeffelt. 25er Bortragenbe fügte binju: „25ie Heroen ber unfere 
einfachen Bolf»fd)ulen befudjenben ilinber arbeiten in einer BJeife 
langfam, bie Beforgnifj einflöfet. 2)ie gunebntenbe Stumpfheit 
fdjeint meiter um fich gu greifen, als man ahnt." 

Betriebsroerfftättcu für Drechsler tu SBien. Um ben Hebel* 
ftänben ber Heimarbeit gu fteuern, hat bie Wiener ©emerffchaft ber 
ÄnopfbrechSler befcfiloffen, Hämarbeitergruppeu gu organifireti unb 
©ruppcnmerfftättcu ,311 eröffnen. 3 11 nätf)ft beftef)t bie 5lbfid)t, ; 
(^ruppenmerfttätten in BiViMing unb Cttafring gu crridjten, fobalb i 
fid) eine geniigenbe 3al)l oon Heimarbeitern gefunben hat. Sen 


©nippen füllen bie mobernften Einrichtungen gur Ergeugung ber 
Berlrnutterfnöpfe allmälich gur Berfügung gefteHt merben, inSbc* 
fonbere roiH man bie neu fonftrnirten ^nopftrommeln einführen. 
Slufeerbem beabfichtigt bie ©emerffchaft, einen Unterricht in ber Er* 
geugung oon aujjergeroöhtitid)™ tnopfmuftern in eefiger unb ooaler 
gaejon, furg in ben oerfd)iebenften 5lrten unb gaconö burch gad) s 
männer ertheilen gu laffen. Bei bem ernften Sßifien, ben bie ilnopf* 
brechSler gurErrci^ung biefeS3' e l e ^ an ben Sag legen, ift gu erroarten, 
bah ber Erfolg günftiger fein roerbe, als f. 3t- bei ben BUbhauern unb 
^tauchroaarenbrechslern._ 


^tbeitgebemrbänbe. 


£anbeSPerbanb Württemberg beS StrbettgeberbimbeS im Bau* 

f ietoerbe« 3tn ©eptember o. g. ift befattntlich in Breslau ber Qu* 
ammenfd)lu6 ber oerfdjiebenen Eingeloerbänbe ber Unternehmer im 
Baugeroerbe gu einem großen einheitlichen Berbanb für gang 
S)eutfd)lanb im Bringip befd)loffen roorben. gn golge beffen fanb 
am 5. B?ärg in ©tuttgart eine Berfammluna beS BerbanbeS füb* 
beutfeher BaugeroerfSmeifter ftatt unb bcfchlofj, bem beutfehen 5lr* 
beitgeberbunb für baS Baugeroerbe beigutreten, fich als fianbes* 
oerbanb für Württemberg gu fonftituiren unb als 3 ,oe ^ ^ crs 
banbeS gu begegnen: 

1 . 3 mtfd)fii ben gntereffen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer einen 
„billigen'' Ausgleich anguftreben; 2 . bei ©treitigfeiten groifdbeu Arbeit*, 
geber unb Arbeitnehmer roontöglidj eine beibe 2f)cile befrtebigenbe Ber* 
mittelung berbeigufübren; 3. unberechtigte Bestrebungen ber Arbeit* 
nebmer, roeldje Darauf gerichtet finb; bie ArbettSbebiitguugen einfeitig 
oorjufdjreiben, inSbefonberc bie gu biefem ^meefe geplanten ober »er* 
anftaltetcn Ausftänbe gemeinfam abguroebren unb in ibrert golgen un* 
fdiäblid) gu machen (ArbcitSeiuftellungeu, ©perre, BerrufSerflärunaen), 
nnb 4. ein einbcitlidic» Hanbeln in allen gragen, roeldje für baß Bei* 
bältniü groifeben Arbeitgeber unb ?lrbeitneljmer oon gruitbjäplidicr Be* 
beutung finb (BJarimalarbcitßtag, @efd)äftßürbnungen 2 c.) gu fidjem. 

S)er „Berein für bie bergbauliche« gutereffeu" i« Effen nnb 
ber „©emerftierein cbriftlidjer Berglcnte'\ gn ber lepten Borftanbs* 
Üfeung beS „BereiuS für bic bergbaulidjen gntcreffen" gu Effen 
tarnen bie ©chreiben beS ©eroerfoereinS chriftlidjer Bergleute 00 m 
19. gebruar biefeS galjreS, in benen eine Aufbefferung ber Berg* 
arbeiterlöhne u. f. ro. gefordert roirb, gur Erörterung. $ad) ein* 
ftimmigem Befchluffe beS BorftanbeS mürben bie Wünfche ber 
Arbeiter abgelehnt. Auch roarb baS Bedangen nach ArbciterauS* 
fdfjüffen abgclehnt mit ber Bcgrünbung: „2)urch ArbeiterauSfchüffe 
mürbe lebtglich fogialer Unfrieoe herbeigeführt unb nicht ber fogiale 
griebe geförbert." — Wirtlich? 


\rhcUcrbtwegung. 


Banarbetterfdjnp • ßougreü. Sie beutfehen Bauarbeiter rüftcu 
gn einem allgemeinen Bauaroeiterfchnpfongrefj, ber 00 m 19. bis 
21. b. in Berlin ftattfinben unb eine „impofanteSemonftration 
gegen bie Blifjftänbe im Bangeroerbe in Begug auf UnfaHoerhütung 
unb fonftige fanitäre Einrichtungen" roerben foK. Sie Einberufung 
ift burch bk Hamburger Äommtffton für Bauarbeiterfchup erfolgt, 
gür bie örtlichen Borarbeiten ift in Berlin ein &ofalfomite er* 
nannt. Sie oorläufige SageSorbnung lautet: 1. Ser Baufchroinbcl, 
bas ©ubmiffionSroefen, ihre Urfachen nnb Wirtungen. 2. Sie 
Unfallgcfahr unb BJipftänbe tn fanitärer Begiehung im Bau* 
geroerbe. 3. Anträge. Erroartet roerben gum Äougrep Selegirte. 
ber BauhülfSarbeiter, Sachbecfer, 3Raler, SJiaurer, Ofenfeper, ©teilt* 
feper, ©tuefateure, glmmerer. 5luch in Bieifterfreifen bringt man 
bem tfoitgreft gntereffe entgegen, ©cforbert roerben foH baS Ber* 
bot ber Arbeit bei offenem kotsfeuer unb bei unoerglaften genftern 
roährenb ber falten gahreSgeit Aufhellung biepter nnb geniigenb 
bebeetter Lüftungen, Errichtung eines oerfchliefibareit Baumes auf 
allen Bauten gum Umfleiben unb gur Unterbringung beS Wert* 
geugS 2 c. — s Auf einen Angriff beS Biiinchcner BerbanbeS ber 
Arbeitgeber im Baugeroerbe, roegen feines BortragS über ben ©cpup 
ber AroeitSroilligen, pat Brofeffor Brentano in B^üticpen unlängft eine 
5(ntroort erlaffen, in ber fiep folgenbcr beincrfenSroertpe BaffnS fxnbet: 

gerabe auf bem Eebiclc ber Baugeroerbe bic Ausübung bc* 
Moalitioußiedjts ber Arbeiter ein befoubereß Arbeitsfelb pat, bewetfen 
bic gunclunenben jiifjftäitbe im Baugeroerbe; ift bodj im Bereidjc ber 
batjeriidicu Brtugeroerfß*Berufsgenoffenfif)aft bie ^abl ber Berlepten, für 
roeldje Unfallniigcigcu erflattct mürben, 001t Juso bis 1 H 9 .'» oon lsil 
auf ;ros 3 , b. 1 ). oon 36 /lU auf r>l0011 je KKio Berftcperten gefticgeit... 

: c^erabe auj bem itelielc be» Baugeiocrbeß aber flcljt bie Arbeiterichup* 

I aeicnqcbillig lialjryt blof; auf bem Bapier, 1111b feit gal)re 11 bereit» be* 
null bie Acirijoregierung uergeblid) über ÄVittcI 311 einem geeigneteren 



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©ogiale SßrajiS. Eentralblatt für ©ogialp olitif. 9h. 24. 


646 


©djufc. ES fei nur barauf hingerotefen, ba& es für ®odj* unb $tef* 
bauten eine ®eroerbe*3nipeftton gar nicht giebt. Hier ift ba8 ÄoalitionS* 
rec^t gur Seit bie einige roirffante 28affe, bie bagu fuhren lann, Sßifc* 
[taube gu befeüigen, njelcije in fteigenbem SÄafie bas Sehen unb bie 
Eefunbheit ber Arbeiter, unter Untftänbcn aber auefj be8 fogenannten 
weiteren AublifumS bebrotjen. Solche SDiifcftänbe tonnen nic^t aus ber 
SBelt gefchafft merben, menn man bei Klagen unb Vorgehen ber Arbeiter 
gegen fie non Berhepung ber Arbeiter fpridjt. Bielmehr ermerben fidj bic 
Arbeiter ben Sanf, roelche gur Beseitigung biefer Bttfcftänbe fid) foaliren. 

(Sdjiiciberbetoeöimg in Seutfchlanb. Sie ©chneiber finb in 
oerfihiebenen ©täbten SeutfihlanbS, fo in Hamburg, BJündjen, 
ßeipsig, Nürnberg, (Erlangen, £>eilbronn, Sßagoeburg, Bielefelb k., 
in eine Sohntarifberoegung unb fteEenroeife, fo in Seipgig unb 
Biünchen, in partielle ©treils eingetreten. @8 fjanbelt fid^ theüs 
um bie Sachführung früher aufgefteEter Sohntarife, tljeilS um bie 
Abroehr ber Bertürgung früher bereits beroiEigter, theilS um bie 
3urüdroeifung neuer oon ben Innungen aufgefteEter Sohntarife. 
Berlin bürfte fich bemnächft au<| an ber Beroegung betheiligen. 
Sßeben ben Sohntarifen ftef)t bie gorberung auf Einführung oon 
BetriebSroerlftätten behufs Befeitigung ber ©chäben beS 3nnfchen* 
meifterthumS unb ber HauSinbuftrie tm Borbergrunbe. 3nr Ber* 
meibung unbefonnener AuSftänbe hat groar ber Berbanb ber 
©chneiber unb ©chneiberinnen SeutfdjlanbS f. 3* ein AuSftanbS* 
regiement befihloffen, beffen hanptfächliche Beftimmungen befagen, 
bafi bei allen ©treitigleiten groifchen Unternehmern unb Arbeitern 
bie Betheiligten unter 3ngiehung ber 0rtSoerroaItung eine Ber* 
ftänbigung juchen follen, allein bie 0rganifation ber ©chneiber ift 
eine fc|roache, unb bie Sßichtorganifirten bürften fich oielfach nicht 
an baS ©treilreglement lehren. Born 1. April b. 3$- bis 1. April 
1900 foE übrigens ber ©djneiberoerbanb Erhebungen über bie 
Sohn* unb Arbeitsoerhältniffe foroie über bie ArbeitSlofialeit oer* 
anftalten unb gu biefem 3 roe tf c am Beginn jebeS Quartals grage* 
bogen ausgeben. 

Ser AuSßanb ber ©ammeiroeber itt Ärcfclb mährt turn fihon 
fieben ÜSochen unb nod) ift fein Enbe nicht abgufefien. Sie oon 
ber ftäbtifepen fogialen $ommiffion eingeleiteten Berhanblungen 
finb gefcheitert Begeicpnenb für bie ©timmung unter ben ©heilen* 
ben ift bie Iepte Abstimmung, bie über bie gortfepuna beS Kampfes 
entfeheiben füllte. Sn geheimer Stimmabgabe Stimmten oon 
2400 ©treilenben 2398 für bie gortjepung beS ©treils. Sie Ar* 
beiter fiheinen, ob organifirt ober nicht, ob <hriftUch s fogial ober 
fogialbemolratifih, oöuig einig gu fein. Ser chrifiüche SBeber* 
oerbanb hat feine jüngeren Sßitglieber aufgeforbert, fid) möglichft 
nach emberer Arbeit umgufepen, ba ber AuSftanb noch lange bauern 
lönne. Sie ©ammlungen für bie ©heilenben ^altert an. Bereits 
hat ber ©treil fiep aufmpetjbt auSgebehnt. Sort paben bei einer 
girma, bie auch in Ärefelb eine ©ammetfabril beftfet, 200 Arbeiter 
gefünbigt. Auch auf anbere 0rte in ber Umgebung greift bie Be* 
roegung über. Einige ftrefelber girmen füllen beabsichtigen, ihre 
Betriebe gang aufgugeben unb fie nach Anterila gu oerlegen, unb 
bamü theilroeife fd)on begonnen paben. Sie Arbeiter foEen tljeil* 
toeife in anberen ©täbten Arbeit gefunben hoben ober auSgeroanbert 
fein. Eine nachhaltige ©chäbigung ber Ä'refelber ©ammetinbuftrie 
roirb mehrfach befürchtet. 

Rnv Berliner Bfoferbettegnttj ift gu berichten, bafe neuerbingS 
eine 9Jtaffenoerfammlung ber Baaermeifter bie gorberungen ber 
©efeEen in ber §auptfache abgelehnt hat. 3 u 9 c ftanben mürben in 
Uebereinftimmung mit ber Haltung ber SnnungSoorftänbe nur bie 
Slbfchaffung oon Äoft unb Sogis für oerheirathete ©efeEen 
unb eine freie 92ad)t oom erften gum gmeiten Sage ber hohen 
gefte. Ein fogialbemohatifcher Bädermeifter trat für bie ©efeEen* 
forberungen unb für eine Reform beS ©prechmefenS ber Stillungen 
ein. Sie Seiter ber ©efeEenauSfchüffe oerroahrten fich entfehieben 
gegen ben Bormurf, burch Befitrmortung ber ©efeEenforberungen 
auf ben Buin beS BädergeroerbeS htnguarbeiten, unb lehnten 
gleichgeitig ben Son ber ©efeEen*giugblättcr ab. Ein ©treil fei 
ihnen nicht erroünfeht. 0b überhaupt ein fold)er eintritt, ift übrigens 
immer noch gmeifelljaft. 3J?it BeifaE mürbe bie Btittheilung ber 
beiben Dbermeifter aufgenommen, bafe begüglich ber Bcfäntpfung bes 
brohenben ©treils unb BoplottS groifchen beiben Snnungen ooEeS 
Einoerftänbnis herrfdje. Biit aEen gegen brei Stimmen mürbe 
folgenbe Befolution angenommen: Sie Bädermeifter Berlins er* 
Hären bie gorberuttg ber ©efeEenauSfchüffe für unberechtigt unb 
unburchfiihrbar. Sie biEigen baher bas Berljalten ber SnnungS* 
oorftänbe unb fpredjen ihnen für bie SSahrung ber Sntereffen beS 
BädergemerbeS ihren Sani aus. ©leidjgeitig räumen fie ihnen 
bie Befugnift ein, faEs bie ©efeEen an fie h^antreten, auf ©rnnb* 
läge ber bisherigen Befchliiffe bie Berhanblungen fortgufefcert. — 


Sluch in Seipgig unb 3Ritnd)en geigt unter ben ©efeEen fich ^ne auf 
Hbfd^affung oon Äoft unb Sogis beim EEeifter gerichtete Bemegung. 

Ein ©ieg ber Budjbnufer in Berlin. Ser Boplott, melchen 
ber beutf^eBuchbruderoerbanb über ben „Berliner Solal*ängeiger" 
oerhängt hatte, meil legerer BerbanbSmitglieber aus ber Arbeit 
entlaffen hatte, maS gum SluSftanbe ber übrigen BerbanbSmitglieber 
führte, ift am 10. b. BUS. burch Bergleich beigelegt morben, unb 
gmar auf Beranlaffung unb unter Bcrmittelung bes oerbienten Bor* 
fthenben beS BereinS ber 2lrbettgeber*Beififcer beS ©eroerbegerichtS gu 
Berlin, tJabrilbefifcer 0. SSeigert. Sämmtliche ©treitigleiten haben 
in Solgc biefeS BeraleicheS ihre enbgültige Erlebiaung gefunben. 
2Sie roeiter mitgetheilt roirb, foE bie ßeitung beS „SolalangeigerS" 
fleh oerpflichtet haben, ben bie BerbanbSmitglieber auSfchliefjenben 
BeoerS faEen gu laffen. Bis gunt 31. b. 9Jtt8. foEen minbeftenS 
30 Btitglieber beS BerbanbeS eingefteEt merben; meitere Ein* 
fteEungen foEen nach Bebarf erfolgen. Bei oorlommenben Siffe* 
rengen ober menn bie Arbeiter bte StbfteEungen oon 9Rihftänben 
im Betriebe herbeiguführen münfehen, foE ihnen unb ihrer 0rga* 
nifation ber B3eg ber Berhanblungen nicht mehr oerlegt, fonbern 
foEen bie Berhanblungen birelt mit bem Betriebsleiter gepflogen 
merben. SaS 2lEe8 mürbe auf eine Slnerlennung beS 
^oaliüonSrechteS unb ber 0rganifation beS Buch* 
bruderoerbanbeS hinauslaufen. 

Ban eines ©emerffdjaftShanfeS in Berlin. Sie ber „BormärtS" 
mittheilt, mirb in biefer Sodje mit bem Bau beS ©emerlfchafts* 
haufeS begonnen. Sn einer engeren ©ubmiffion erhielt bie „Slttien* 
gefeEfdjaft für Bauausführung" ben 3uf<f)iag; in bem Bertrage mit 
iljr ift bie ErfüEung ber geroerffchaftlidjen gorberungen (neunftünbige 
SlrbeitSgeit, 60 4 BHnbeftftunbenlohn :c.) fornohl für biefe als für 
ehoaige Unterarbeitgeber oorgefchrieben. Ser SEohbau foE tm Sauf 
beS Sommers fertiggefteEt, baS §au8 am 1. Slpril 1900 eröffnet 
merben. — 2Bie aus bem BechenfdjaftSbericht ber Berliner ©eroerl* 
fchaftslommiffion für 1898 heroorgehi, betrug im oerfloffenen Sahre 
bie ©efantmtgahl ber gemerlfd^aftlid) orgamfirten Arbeiter 64 799 
egen 56 747 im Sah« 1897. Sie ftärfften 0rganifationen ftnb 
ie ber EßetaEarbeiter, ber §olgarbeiter, ber Eßaurer, ber Buchbruder. 

Arbeitgeber unb Arbeiter ber ©chuhfabrilen in Tuttlingen. Sie 

Arbeiter in ben gahlreichen ©d>uhfabrifen Tuttlingens (SBürttemberg) 
ftreben feit Sah^n bana<h, bie gehnftunbige SlrbeitSgeit gu befommen. 
Bisher hatten fte bamit roenig Erfolg, nur eine girma führte frei* 
roiEtg biefe Acnberung ein. Nunmehr brängten bie übrigen Ar* 
beiter auf eine ©eroährung ihres BerlangenS in ben attberen 
gabrilen. Seiber finb bie Berhanblungen ergebnislos oerlaufen. 
Sm Bringip finb bie Unternehmer mit ber gehnftünbigen ArbeitS* 
geit einoerftanben, aber fie rooEen biefe nicht jeht, fonbern erft am 
15. September oerfuchSroeife einführen. 19 girmen haben fich gu 
biefem Befchlufj öffentlich belannt, gugleich aber oereinbart, bafi, 
menn bie Arbeiter bie bei einer girma eingereichte $ünbiguttg 
nicht gurüdgiefien, bann bie fämmtliehen Arbeiter auSgefperrt 
merben. Am 5. 9Jtärg befchlofi eine gasreich befuchte Schuhmacher* 
oerfammlung, bie Äünbigung bei ber einen girma aufrecht gu er* 
halten. Sarauf antroorteten bie oereinigten Unternehmer mit ber 
^ünbigung ihrer fämmtlichen Arbeiter, etroa 2000 an ber 3al|l. 
Snbeffen ift erfreulichermeife noch in lefeter ©tunbe ein Ausgleich 
gu ©taube gelommen. Sur<h Bermittelung beS ©etoerbeinfpeltors 
mürbe feftgefefet, bafi bie ©djuhfabrifattten ben gehnftünbigen 
Arbeitstag fefion am 1. Sali einführen rooEen, montit bie Arbeiter* 
lommiffion einoerftanben ift. Aufierbem mürbe beftimmt, bafi ber 
Sohn troh ber oerringerten ArbeitSgeit für bie im Taglofjn ar* 
beitenben Schuhmacher nicht h er abgefefct mirb, auch e iae 
regelung ber Arbeiter nicht ftattfinben barf. Siefe Bereinbarung 
mürbe nach bem „Tuttl. AmtSbl." am 11. üßärg oon beiben Xheilett 
untergeichnet. 

Ser föwtpf im englifchen Baugemerbc Aus Sonbon mirb uns 
oom 12. Eßärg geschrieben: Sie AuSfperrung ber 9)titglieber ber 
©ipfcr*©eroer!fchaft hat am 6. 9ßärg begonnen, aber fie breitet fich 
nur langfam aus. Sogar in Sonbon ift nur etroa ein Biertel ber 
3000 organifirten ©tudateure abgelofint morben, unb bie Berichte 
aus ben Brooingen geigen, bafi in oielcn Begirlen bie 3aht ber 
auSgefpcrrten ©ercerffdjaftsleute gering ift. 9Beitn auch biefe Be* 
richte noch nicht gang ooEftänbig finb, fo ift bod) feftgefteEt, bafj 
gufantmen etroa 2200 Arbeiter ber Sperre unterliegen unb bafj 
ffieroon runb 1500 unterftütjungSbercchtigt finb. ' 2BeitauS bic 
iiehrgaht ber organifirten ©ipfer unb ihrer Hilfsarbeiter ftehett 
alfo noch ia Arbett. 3^^ ^inqe finb Har: erffenS, baß bic SOtaffe 
ber Unternehmer, bie bem Arbeitgcberoerbanbe angehören, feinev* 
megS fo bereit i[t, gur AuSfperrung ber Arbeiter gu fihreiten, als 



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Sogiale BrajtS. Eentralblatt für Sogtalpoliiif. Vr. 24. 


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angenommen mürbe, unb groeitenS, bap baS fjfelb für Befchäftigung 
bei nicht bem Verbanbe angehörigen Firmen jjrop ift, ba oiele ber 
auSgefperrten ©eroerffdiafter anberSroo Arbeit finben. Aber ber 
Kampf ift erft in feinem Anfang. (Einige LofalfomiteS beS Arbeit* 
geberoerbanbeS erflären fid) für befriebigi mit bem ©ange ber Er* 
eigniffe, unb eS giebt oft gewichtige ©rünbe, roeshalb bie Aus* 
fperrung oon Arbeitern in oielen fallen auch Don fold^cn Unter* 
nehmern oerfchoben wirb, bie in oöHtger Uebereinftimmung mit 
ber friegerifchen ^olitif ihres BerbanbeS ftnb. 2)ie erfte &<he 
einer AuSjperrung giebt baher nur feiten einen Vlapftab für ihre 
Ausbeutung, unb' eS roäre ooreilig, ein Urtheil über ben AuSgang 
beS Kampfes abgugeben. $)er Befchlup ber ©ipfer*©eroerffd)aft, 
oon ihren noch in Arbeit befinblichen Vlitgliebern befonbere Bei¬ 
träge gu erheben, beroeift, bap fte eine lange $)auer bes Streites 
annehmen. Erfreulich ift, bap bie Unternehmer aufs $eue ihre 
Bereitroilligfctt erflärt hoben, mit ben Vertretern ber Arbeiter in 
aemeinfamer Kottfereng gu oerhanbeln, oorauSgefept, bap biefe ihre 
©egenoorfdjläge fchriftlich oorbringen. 

3ngroifdjen hot fiel) bereits eine bemerfenSroerthe golge beS 
Kampfes gegeigt. $>ie Leitung ber ©ipfer*©eroerffd)aft hot nämlich 
befchloffeit, bie Anficht ihrer ÜDtitglieber barüber einguholen, ob eS 
ftch empfehle, ein ©enoffeufdjaftSunternehmen auf eigene Rechnung 
gu begrünben. 2)aS märe in jebem 3aH ein fühner Sdjritt, be* 
fonberS aber in einem ©ernerbe, baS fo oöHig nur frölfSarbeit für 
anberc 3weige beS Baugewerbes liefert rote bie Stucf arbeiten 
AitbrerfeitS aoer eignet ftch bieS ©enterbe hoch roieberum in mancher 
Begiehung für biefe gorm gewerblicher Organifation. Zeitig Ka* 
pital ift notfjroenbig, unb baS hauptfädjltdje Erforbernip tft bie 
Leitung unb Berantroortlidjfeit für bie übernommene Arbeit. 3eben* 
falls roirb man bem Verlaufe biefeS VerfucheS mit befonberem 
Sntereffe entgegenfehen. 

Streif! tu Belgien in 1898. 3m 3oh rc 1898 hoben in Belgien 
103 Streifs ftattgefunben, an benen 271 Betriebe unb 14 266 
Arbeiter betheiligt roaren. $)ie meiften biefer Streifs entfallen auf 
bie Vrooing Dftflanbern, nämlich 34, bann folgen ber |>ennegau 
mit 23, Brabant mit 21, Lüttich mit 15, Antwerpen mit 5 unb 
VSeftflanbern mit 2. AuS ben Vrooingen $amur, Limburg, Luyem* 
bürg rourbett feine Arbeitseinteilungen gemelbet. Als Urfache gum 
Streif roerben in 45 3äHen fiohncrhohungSforberungcn genannt; 
hierbei rourbe in 7 Fällen ein ooller unb in 3 päUeit ein theilroeifer 
Erfolg ergielt, roährenb in 35 Säßen bie Bemühungen ber Arbeiter 
fcheiterten. 3m ©angen roaren 75 oon ben 103 Streifs gang er* 
folgloS, 8 hatten einen theilroeifen unb 12 einen oollftänbigen Erfolg. 
An ben erfolgreichen Streifs roaren 2172, an ben iheilroeifc erfolg* 
reichen 716, an ben erfolglofen 11091 Arbeiter betheiligt. 


3Ubeiferfd)tt£. 


Regelung ber ArbeitSgeit in ©etretbemühlcn. Tritt BmtbeS* 
rath ift ein Eittrourf oon Beftimmungen über ben Betrieb oon 
©etreibemiihlen jugegatigen. danach ift, roie bie VeichSfontmiffton 
für Arbciterftatiftif oorgefchlagen hot (oergl. Sp. 567) ben ©c* 
hülfen unb Lehrlingen innerhalb ber auf ben Beginn ihrer Arbeit 
folgenben 21 Stunben eine ununterbrodjene Vubegeit oon minbeftenS 
8 Stunben gu geroähren. Auf BHnbmiihleit finbet biefe Borfdjrift 
feine Attroenbnng. Lehrlinge unter 16 Sollen bürfen in ©etreibe* 
tnühlen nicht in ber $achtgeit oon 8 Vl> Uhr AbenbS bis 5 l /2 Uhr 
BtorgenS befchäftigt roerben. 5Die Beftimmungen füllen am 1. 3uli 
1899 in .traft treten. 

Tie Arbeitzeit ber 3itgeitblid}eit iu Sfabrilen roirb in Art. 7 
ber 9looeßc gur ©eroerbeorbnung geänbert: 

3ungc teilte grotfehen 14 unb 16 fahren bürfen na«h §. 136 ?lbf. 1 
jept in gobrtfen nicht länger als 10 Stunben bcfdjäftigt roerben. 
SBcrbcn fic täglich über fcdjs Stunben befrfjäftigt, fo »tup ihnen, auper 
einer eüiftünbigeu SKittagspaufc Vormittags unb Aarfnnittag* je eine 
halbftüubige $aufe gewahrt roerben, auch rocun bie Bcfdjäftigung am 
Vor* unb Aadjuiittagc weniger als je fünf Stunben beträgt. Cm ^olge 
biefer Auorbiiung fonntc cs oorfommen, bag Arbeitgeber, bie tl)rc 
jugeublidjcn Arbeiter, um ihnen eine V'ohltfjat gu erroeifen, erft nach 
Vcenbiguitg ber für bie crroadjfcneit Arbeiter cingeridjteten fvrühftüds* 
paufc in ben Betrieb eiutreten liefen unb fic oon ba ab bis gur 
Viittagspaufe, alfo rocfcntlid; fürgerc ;tcit als fünf Stunben, ohne Vaufc 
bnreharbeiten liegen, gur gcrid)tlid)en Veftrafuug gegogeu mürben. Um 
bics fütiftig gu oermetben, ift mm im 136 ber ©emerbeorbnungs* 
iioocllc oorgcfdjlageii, bafj bie Vefrciung oon ber Cftcroahriing ber Vor* 
unb lAatfjmittagSpaufen auf acht Stunben unb bie Vefdiäftigung am 
Vor* unb Aadjmittagc auf je uier Stunben bcfchränft roirb. 

©egett bic SRifgfcranbgefahr. o» einer Verfammlung ber Arbeiter 
ber in Aürubcrg fein* oerbreiteten 'Ihierhaariubuftric rourbeu bie uoui 


VunbeSrathe erlaffenen Vorfchriften gur Verhütung ber SBeiteroerbreitung 
ber SKilgbranbgefahr befprochen. Es rourbe bargelegt, bap burd) biefe 
Vorfdjriften in Nürnberg eine Verfchledjtcrung eintreten roürbe, inbem 
bie jept beftehenben ortSpoligeilichen Vorfchriften bezüglich ber ^eS- 
infeftion ber 2hierhaare roeiter als bie neuen Vorfchriften gingen, unb 
befchloffen, bieS gur Äenntnifc beS SleichSfangleramteS gu bringen unb 
ben 3J?agiftrat gu erfudjen, bie jepigen Vorfchriften über bie $>eSinfeftion 
ber ^hierhaare aufrecht gu erhalten. Auch an ben Reichstag rourbe 
eine Petition gefanot. 

®ie ber tociblidjttt gfabrifbtfpeftorett itt ber Sihtoeig. $ic 

permanente internationale 51ommiffiou in ©enf für bie 3ntereffen ber 
ftrau unterbreitete ber VunbeSbehörbe bie Bitte um „Aufteilung oon 
?fabrifinfpeftorinnen, oielleidit in bem Sinne, bap ben jept amienben 
Snfpeftoren rociblidje AngefteHte beigegeben roiirben". 3?aS 3»buftrie- 
bepartement befchränfte fi'dj oorläufig barauf, ber ftomntiffion ein oom 
eibgcnöffifchen Tvabrifinfpeftorat auSgehcnbeS, gegen bie Anregung fid) 
ausfpred)cnbcs ©utadjten gu übermitteln unb gu bemerfen, bap bie Ve* 
oifion beS ^abrifgefepes ©elegenheit geben roerbe, bie aufgeworfene 
grage grunbfäplid) gu erörtern. 


JCrbettemerfli^ermig. Spocköffen. 


©emeitmü^tge Anlagen ber ^ntmlibenoerficheniRgSanftalten 
im 3al)re 1898. 

9Rit Siecht hatte in früheren Sah^it ein SReidhStagSabgeorbneter 
Befchroerbe barüber geführt, ba& bie LanbeSoerRcherungSanftalten 
bie bei ihnen fnh anjammelnben großen Kapitalien auf ©runb ber 
Borfdjriften über bie Anlegung oon Vlünbelgelbern faft nur in 
SReidiS* unb Staatspapieren anlegten, bafe eS manchmal fehr 
fchroierig fei, für eine gemeinnüpige Aufgabe innerhalb einer Vro* 
oing bie ©elber gu befommen, tropbem bie betreffenben Einrich¬ 
tungen ber Allgemeinheit gu ©ute fämen. 2)iefe Klagen roaren 
oor brei, oier fahren noch berechtigt. 3*pt hot fief) aber bei ben 
3noalibitätSoerficherungSanftalten eine beffere VrafiS heraus* 
gebilbet, für roelche, foioeit bie Vlannigfaltigfeit ber Aufroenbungen 
in Betracht fornrnt, namentlich bie fübbeutfehen VerficherungS* 
änftalten Baben unb Söürttemberg mit einem guten Beifpiele ooran* 
gegangen finb, roährenb gerabe einige preuftifche Änftalten mit ber 
jpegieilen gürforge für ben Bau oon Arbeiterroohnungen ftch in 
auSgebehntem Blafce befafet ha&en. 

Vlan braucht nur bie Abfchlufjgiffern ber Iepten brei 3ohre 
(ich oergegenroärtigen, um bie fc^neHen Öortfchritte ber Entroicfelung 
gu erfetjen! Bis gum Enbe beS 3ohreS 1896 hotten bic fämmt* 
liehen 31 LanbeSoerficherungSanftaltcn für gemeinnüpige 3 roc ^ c 
30 809 612 JL Kapital hergegeben; im 3ohre 1897 famen 
18 286 284 ^inju unb im 3ohre 1898 weitere 35 796 721 Jt ; 
biefe Art ber Kapitalsanlage machte 1897 10, 6 6 o. §. unb 1898 
15,75 beS BermögenSbeftanbeS afler Änftalten auS; bie Vermehrung 
biefer Anlagen im 3ohre 1898 betrug gegenüber bem Staube oon 
1897 nicht roeniger als 72 ,90 0 . §. AlferbingS fmb nicht aüe An* 
ftalten in gleichem Vlape baran betheiligt. 2)er AuSfchup ber Au* 
ftalt für ElfafcLothringen hot fich bisher gang ablehnenb gegen 
foldje Aufroenbungen oerhalten; in Schlefien Rnb 180 000^ gur 
itnterftüpung eines KranfenhauSbaueS aufgeroenbet roorben, in 
Vofen 18 500 gur görberung beS Baues oon Arbeiter* 
roohnungen. 3n geringem Vla^e (mit roeniger als 10 0 . £>. ihres 
Vermögens) hoBen fid) an foltpen Aufroenbungen betheiligt bie 
Änftalten für Dftpreu&eu, SBeflpreupeit, Berlin, Dberbapent, bes 
Königreichs Sadjfen, Vlecflenburg unb bie fmnfeftäbte; 10 bis 25 
o. §. ihres BermögenS hoben gu biefen 3 * 0^0 h cr gcgcBen: 
Vranbenburg 10,^, Schleswig * ^olftein 19,o 8 , Söeftfalen 11 , 40 , 
Vheinlanb 11, 6 o, Oberpfalg 17, Dberfranlen 14, Vlittelfranfen 16,85, 
Schwaben 18,*>o, Baben 12 /60 , SD Ibenburg 17, 70 unb Braunfchroeig 
13,so 0 . f>. ®ie anberen Änftalten finb gum Sheil roeit barüber 
hinausgegangen; es hoben oon ihrem Bermögen für biefe 3 roc ^ € 
feftgelegt: Vommern 75 o. Sachfen*Anhalt 29,n 0 . §., ^»annooer 
39 o. §effcn*Aaffau 32 ,20 0 . •&., 9lteberbaperu 70 ,90 o. ©., Vfolg 
37,07 0 . §>., Unterfranfen 38 0 . §., Söiirttembcrg 35, 46 0 . £., ©rop* 
hergogthitm Reffen 29 /()4 0 . unb Thüringen 28, n 0 . §. 

3iir bie Sörberung beS Baues oon Arbeiterroohnungen 
roaren bis Enbe 1896 ausgegeben 12 086 765 < 1( \ es traten 1897 
hingu 9 324 875 Jf unb 1898 13 980 478 J(\ fo bap jept 
35 392 118 t ft für biefen 3n?ecf feftgelegt fmb. 

3nr Befriebigung beS lanbroirt^fcfjaftlicfjen KrebitbebiirfniffcS 
(§i)potl)efen, Kleinbahnen, Lanb* unb VScgeoerbefferungen, §ebung 
ber Vicbgucht :c.) finb bis Enbe 1896 aufgeroenbet roorüen 
12 830 736 . //; eS traten 1897 hingu 4 526 632 ,// unb 1898 
weitere 18 462 695 J( \ es ift alfo im abgelaiifetten 3ahre etwas 



649 


0ogiale fragte. ©entralblati für ©ogialpoliti!. 9tr. 24. 


660 


mehr aufgewenbet worben als in ben gabren oorber; bie©efammt* 
fwmntc fteßt fic^ jefet auf 35 820 063 dt . 

Xie brittc ©ruppe umfaßte früher bic Slufwenbungen für bcn 
Vau oon Kranfen* unb ©enefungSbäufem, Verbergen $ur £eiinatf), 
VoIfSbäbern, Kleinftnberfcbulen, für Kranlenpfleger*, 0par« unb 
Konfumoereine unb anberc SSoblfabrtScinricbtungen; es finb im 
gabre 1898 bingugefommen: VoIfSbeilftätten, ©emeinbepflege* 
ftationen, VlinSenbeune, 0cbiacbtbäufer, SöafferleitungS*, 5tana(i« 
fationS* unb ©ntwäjftrungSanlagen unb 0traßenbauten. ViS 
©nbe 1896 batte man in biefer ©ruppe aufgewenbet 5 892111 c/#; 
im gabre 1897 traten bingu 4 434 777 dt. unb im Iefcten gabre 
weitere 3 353 546 dt, 

Xie Beteiligung ber einzelnen Slnftalten an ben Stufmenbungen 
für bie brei ©rupp$n ift eine febr oerfc^iebenartige; für Die 
görberung beS Baues oon Slrbeiterwobnungen oerwenbeten ben 
überwiegenbenBetragibrer bergegebenen Kapitalien: Berlin unbPofen 

S 100 o. £>., 0cbIeSwig*Holftrin gu 95, &f)einlanb gu 99, Braun* 
meig gu 95, bie ^anfeftäbte gu 94, Baben gu 89, Hannooer 
gu 80, Dlbenburg gu 74 unb |>effen gu 61 o. £.; ben Bau oon 
Kranfenbäufera 2 C. liefen fi<h befanberS angelegen fein, inbem fie 
biefem ben allergrößten Xb?ü i^rer Kapitalien gumenbeten: 

0<hlefien mit 100, Dftpreußen mit 86, SBefipreußen mit 72 unb bie 
Pfalg mit 89o.g). Xern lanbroirt^fd^aftliAen Krebite führten oon ihren 
Anlagen gu bie Slnftalten «Schwaben unS 0achfen*Slnhalt 96 o. £>., 
Dberpfalg unb Sommern 91 o. H-, ^^iiringcn 88 o. Stieberbapern, 
Dberfranfen unb Unterkonten 80 o. H- unb Vtecflenburg 72 o. H- 
£>b bie Slufwenbungen fämmtlich ber Beftimmung entfpreeben, 
bie nach ber bem ^Reichstage gemachten Vorlage in ben §. 129 
aufgenommen werben foö, ift nunbeftenS groeifelpaft; benn banacb 
füllen bie ©etber ber VerficherungSanftalten nur für fotd)e Veran* 
ftaltungen bergegeben werben, „welche auSfchließlich ober überwiegenb 
ber oerficberungspflicbtigen Beoölferung gugute fommen". 
@3 ift aber jebenfaßs erfreulich, baß man ben engbergigen 0tanb* 
punfi, bie Slnftaltsoermögen nur in 0taatSpapieren angulegen, 
enblich faft überaß aufgegeben bat. 

Berlin. H- §orn. 


Drtfi|?is®| ber U*fafltocrft<benui(j für bie gewerblichen 
Arbeiter in grattfreidh SluS Paris wtrb uns gefebrieben: Xie 
Slnwenbung beS UnfauoerficberungSgefeßeS oom 9. Slpril 1898, baS 
nach ben Söünfchen beS Parlamentes ftbon feebs Monate nach feiner 
Promulgation in Kraft treten füllte, würbe bureb bas lange SluS* 
bleiben ber abminiftratioen SluSfübrungSoerorbnungen febr oergögert, 
fdf)eint aber nunmehr für ben 1. guni b. g. gefiebert. SöenigftenS 
finb biefe SRegierungSoerorbnungen — brei an ber 3abl — fürglich 
erfebienen unb fteHen biefen Xermin in SluSficbt, wenn fie auch nicht 
baS ©ange ber gur JDrganifation unb ftänbigen gunftion ber 
neuen ©inridjtung nötigen XiSpofitionen geben. ©S fehlen 
namentlich noch alle näheren Beftimmungen über bie SluSgeftaltung 
beS notbwenbig werbenben fpegiellen SÖebörbenorganiSmuS. gm 
Parlamente fürchtete man fich befanntlicb febr oor jeglicher Ver* 
mebrung ber bureaufratifdjen Vcrwallungsbeamten unb woßte bie 
Hanbbabung beS ©efeßes fooiel als möglich in bie |)änbe be* 
ftebenber Sebörben legen. Biicbt gum menigften aus biefem ©e* 
fichtSpunfte oergidjtete man auf ftrajfe unb fonfequente Drganifation 
ber llnfalloerficherung, wie fie in Xeutfchlanb egiftirt. Söäbrenb 
ber SluSarbeitung ber SluSfübrungSbebingungen, bie im |)anbels* 
minifterium unb im 0taatSratbe unter 23eibülfe fachoerftänbiger 
0 pegialfommiffionen oorgenommen würbe, gewann man aber bie 
Uebergeugung, baß ein redbt umfangreicher SermaltungSförper ge«* 
fdjaffen werben müffe. Xie ©entralfteHe beffelben foU bem £>aubels* 
minifterium angegliebert werben. XaS leßtere ftubirt gur geit bie 
„SSerficherungSämter" im SluSlanbe, um barnach bie eingebenben 
Slnorbnungen treffen unb bie nötigen Krebite in einem Nachträge 
gum ©ubget forbern gu lönnen. ©inen „SerficherungSratb", b. b- 
eine aus 0achoerftänbigen beftebenbe Konfultatiofommiffion gur 
Unterftüßung beS 3)tinifterS in ber oberften Verwaltung, ift übrigens 
bereits Jonftituirt. 0ie feßt fich aus 24 Vtitgliebern gufammen, 
welche fich gur £>älfte in gweijäbrigem XurnuS erneuern. Sicht 
baoon befißen bie SJtitgliebfchaft oon rechts wegen, bie übrigen 16, 
unter benen fich gwei Slrbeiteroertreter beßnben, fraft minifterießer 
©mennung. Xiefe Kommiffton bat ihre Slrbeiten bereits begonnen 
unb wirb gunäcbfi bie Prämientarife feftftetten, welche für bie oer* 
fthiebenen ©ewerbegweige in Slnwertbung gu bringen finb. Xa bas 
frangöfifdbe UnfaßoerficherungSgefeß, obwohl bie Haftpflicht aner* 
fennenb unb alle formen unb ©arantien für llnfaßSrenten 
fchaffenb, auf ben VerficherungSgwang ber Unternehmer oergichtei, 


fo wirb feine SluSfübrung giemlich fompligirt, unb bie eben er* 
wähnten brei SRegierungSoerorbnungen beßbäftigen ftcb barum ge* 
fonbert mit ben oerf^iebenen SRaßnabmen, welche in ben oer* 
fthiebenen Stefforts gu treffen finb. Xie erfte berfelben regelt bie 
Vilbung unb Verwaltung ber ©arantiefonbs, welche aus einem 3« s 
fcfjlage gur ©ewerbefteuer gewonnen werben unb für haftpflichtig 
geworbene, aber infoloenfe Unternehmer eintreten. XaS jweite 
Xefret organifirt bie 0taats!ontrole über bie egiftirenben pnoaten 
VerficherungSgefeßfchaften unb freien Vereinigungen, in benen bie 
Unternehmer fich für bie Slufbringung ber Renten oerfichern. ©S 
werben barin genaue Vorfchriften über bie Kautionen unb fßeferoen, 
über baS 9tefrutement ber ©entralbeamten :c. gegeben. XaS britte 
Xefret enblich trifft Vorfebrungen gegen ©efäbrbung laufenber 
UnfaßSrenten burct) eoentuefle ©efchäftSaufgabe oerpflichteter Unter* 
nebmer. XaS finb nur bie ©runbgüge ber VerwaßungStbätigfeit, 
welche bie neue Verficherung oerurfachen wirb. 0oweit fich bar* 
aus fdjließen läßt, wirb fie feineSwegS einfacher ausfaßen als bie 
berufSgeno[fenf<baftlicbe 0elbftoerwaltung beS beutfehen 0pftemS, 
unb ber fo febr gefürchtete VureaufratiSmuS wirb in granfreicb 
oiel größere Ximenßonen annebmen, als man bei ber Slbwefenbeit 
beS VerficherungSgwangeS gu erwarten fich berechtigt glaubte. Xie 
SluSfübrung ber frangöfifchen Unfaßoerficherung feßt, wie ftd) nun 
fchon erlennen läßt, gunächft bie Kommunalbebörben, fobann bie 
SReffortS ber ftaatlicben ginangoerwaltung, ber guftigpflege, ber 
SJlinifterien beS gnnern, beS Hanbels unb ber öffentlichen Slrbeiten 
unb außerbem bie mehr ober weniger autonomen, aber beauffid)tigten 
prioaten VerficherungSanftalten m Bewegung, unb baS in einer 
Söeife, bie augenf<heinli<b oiel gormalitäten, 0chreibwerf unb ©e* 
bübren im ©efolge bat. 


3CrbeU£itiut)ttiei£. 


©efinbebermiether tmb Steßenbermittler nach ber 9tobeße gur 
©ewerbeorbttmtg» 

Xie föooeße gur ©ewerbeorbnung, bie nach i& rcr ©enehmigung 
im VunbeSratb jeßt bem Reichstag gugegangen ift, bringt eine Ve* 
ftimmung, bie tief in baS ©ebiet beS SrbeitSnachweifeS eingreift. 
©S wirb gu §. 34 ber ©ewerbeorbnung oorgefchlagen, baS ©efebäft 
eines 0teßenoerniittlerS unb ©ermbeoermietberS oon ber ©rtbeilung 
einer ©rlaubniß abhängig gu machen. Xiefe foß oerfagt werben, 
wenn Xbatfachen oorliegen, bie bie Unguoerläffigfeit beS Stach* 
fuchenben in Vegug auf bie beabficfjtigten ©ewerbebetriebe bartbun. 
gerner werben bie ©entralbebörben Durch §• 38 befugt, über ben 
Umfang ber Vefugniffe unb Verpflichtungen, fowie über ben ©e* 
fthäftsbetrieb ber ©efinbeoermietber unb 0teßenoermittIer Vor* 
fchriften gu erlaffen, fomeit barüber bie ßanbeSgefeße nicht Ve* 
ftimmungen treffen, ©nblich legt ein neuer §. 75a ben ©efinbe* 
oermietbern unb 0teßenoermittlern bie Verpflichtung auf, baS Ver* 
gcichniß ber für ihre gewerblichen Seiftungen aufgefteßten Xajen 
ber DrtSpoligei eingureid^en unb in ihrem ©efchäftslofal angu* 
fthlagen. Xie Xagen bürfen gwar jebergeit abgeänbert werben, 
bleiben aber fo lange in Kraft, bis Sie Slbänberung ber Poligei 
angegeigt unb in ben ©efchäftSräumen angefchlagen ift. 

Xurd) biefe Veftimmungen ber Stooeße wirb alfo nicht nur 
bie oon jeher beftanbene gewerbepoligeiliche Slufficht unb ©in* 
wirfung auf baS ©efebäft ber gewerbsmäßigen SlrbeitSoermittelung 
oerftbärft/ fonbern es tritt neu bingu bie KongeffiouSpflidbt. 
VegrünSet ift biefe Vtaßnahme in ben gahlreidjen Vefchwerben über 
ernfte unb weitgreifenbe äRißftänbe, bie in biefem ©ewerbe berrfthen. 
3 unächft wirb mit Stecht geltenb gemacht, baß bie Xbätigfeit ber 
SlrbeitSoermittelung oft oon böchft gweifelbaften unb unguoerläffigen 
Perfonen auSgeübt wirb. Stach Sem ©rgebniffe einer ©rbebung in 
Preußen, bie bie Regierung 1895 angefteßt bat, finb oon 5216 
gewerbsmäßigen 0teßenoermittlern 632, alfo über 12 %, wegen 
Verbrechens ober Vergebens oorbeftraft (Xiebftahl, Hehlerei, Ve* 
trug, Uuterfchlagung, Körperoerleßung, Kuppelei, Vteineib u. f. w.). 
Unter ben 30 Xbeateragenten, über bie bie ©rbebung berichtet, 
waren 7, oon 350 perfonen, bie für Keßner unb Keßnerinnen 
6 teßen oermütelten, 72 oorbeftraft. Xagu fommen noch 345 Ver* 
mittler, bie nach Slnficht ber Vebörbe berechtigterweife in fcf)Iechtem 
ßeumunbe ftanben, obwohl fie nicht beftraft waren. Leiter ergab 
bie ©rbebung aber, baß auch Klagen über gu hobe ©ebübren bei 
ben gewerbsmäßigen 0teßenocrmittlern feßr bäußg waren. Xurcf) 
befonberS 0äße fenngeichnete fich bie Xheateragentur. „Xiefc 
©rgebniffe ber amtlichen (Ermittelung — fo fagen bie Üßtotioe ber 
Stooeße mit Stecht — laffeit gur ©enüge ernennen, baß bie Ve* 
tbeiligung gweifelhaftcr ober gang uugitoerläffiger perfönlichfeiten 



651 


©oktale ißrajtS. Gentralblatt für Sogialpolitir. Sr. 24. 


652 


an bcm ©enterbe bcr ©efinbeoermiether unb ©tettenoermittler im 
3$erglei<he gu ben fjoben Änforberungen, bie gerabe ^ier an bie 
perfönlidje 3uoerläffigFeit beS Unternehmers geftettt roerben müffen, 
ree^t ausgedehnt unb baher roohl geeignet ift, bte Gntroicfelung 
ungefunber Rerhältniffe in biefen (Gebieten in ^öcf)ft bebenFlid)ci 
s Beife gu förbern." 

Sun giebt bereits ber §. 35 ber ©eroerbeorbnung ben 5*e* 
börben Mittel gur AuSfd)Iiehung unlauterer Elemente an bie $anb. 
Aber mie bie Dhatfachen geigen, roerben fie entroeber nidjt in ent* 
fprechenbem Umfange gehanbhabt ober aber ihre Anroenbuttg er* 
forbert oiel Seit unb Umftänbe. Aus biefen ©rünben fcf)lägt bie 
Sooette bie ©enehmigungSpflicht oor: Die Rerfagung ber 
Grlaubnifg fott an fold^e thatf Üblichen SSorauSfeputtgen gebunbcn 
roerben, bie bie UnguoerläffigFeit beS Sachfuchenben in 33egug auf 
ben beabftd)tigten ©eroerbebetrieb ergeben. AuSbriicflich roirb be* 
merft, bah gu ben ©tettenoermittlern auch bie .fteuerbaafe gehören. 
Gine roeitere Äontrotte bringt bie Söeftimmung, bah bie Gentral* 
behörbe fachlich ben Umfang ber Rechte unb Pflichten ber ©teilen* 
oermittler gu orbnen hat; beim auch h* er hüben bie bisher er* 
laffenett SSorfchriften über bie poligeiliche Aufficht ftch als unge* 
nügenb erroiefen. Der Gntrourf roitt baher ben ßanbeSregierungen 
bie Vollmacht geben, je nach ben SSerhältniffen eingelner Orte ober 
SBegirFe bie erforberlichen SBor fünften, foroeit nicht bie ßanbeS* 
efepgebung bieS bereits thut, i|rerfeits gu erlaffen. §ierpin ge* 
ört baS SBerbot ber Seherbergung unb SBeFöftigung oon Arbeit* 
fuchenben burch bie ©tettenoermittler, ferner baS Serbot boppelter 
oom Arbeitnehmer unb oom Arbeitgeber geforberter Gebühren, 
Seftimmungen fobann über baS Serbingen oon ^erfonen, bie 
FontraFtbrüd)ig finb ober anberroeite FontraFtliche Verpflichtungen 
haben u. f. ro. Gnblich roitt bie Vorlage burch ben neuen §. 75 a 
eine Art Äontrotte über bie Dajen bei ber ©tettenoermittelung er* 
gielen; es roerben groar bie Gebühren roeber oon ben Vehörben 
feftgefeht, noch bebürfen fte ber Genehmigung, aber burch bie Vor* 
fchnft, bah oie Dagren ber DrtSpoligei eingereicht unb aufeerbem 
burch Anfc|lag in ben ©efdjäftSräumen befannt gemacht roerben 
müffen, roerben bie ©tettenoermittler gur Ginhaltung ber oon 
ihnen aufgeftettten Dayen genötigt unb aufeerbem roirb mittelbar 
auch eine ©chranfe gegen ungebührliche Ueberforberungeit errichtet. 

Dies finb in großen 3ngen bie neu oorgefchlagenen Veftim* 
muncjen über bie DhätigFeit geroerbSmäfeiger ArbeitSoermittelung 
unb ihre Vearünbung. GS mag uns geftattet fein, hieran einige 
Söorte ber ÄritiF gu fügen. 28ir flehen grunbfäplid) auf beut 
©tanbpunft, bah Sad)roeis unb Vermittelung oon menfdj« 
lieber Arbeit, abgefehen oon geroiffen ©pegialitäten, nicht 
gunt ©egenftanb gefchäftlichen GrroerbeS gemacht roerben 
füllte. 'Die Regelung oon Angebot unb Nachfrage hat für ben 
Staat, ben Äreis, bie ©emeinbe eine folche Vebeutung, bah nach 
unferer Sin ficht als 3iel ber oöttige AuSfcpluh bcr prioaten GrroerbS* 
thätigfeit auf biefem Gebiete anguftreben ift. 3nbeffen tragen roir 
ber piftorifchen Gntroicfelung unb ben tbatfäd)iichen Verpältniffen 
fo roeit Rechnung, bah roir gugeftehen, ein Verbot ber prioaten 
©tettenoermittelung fei gur 3eit unmöglich. 3ebe VFahnahtne 
aber, bie auf eine GinfcpränFung pinarbeitet, oerbient ootte 
llnterftüpung. Unb roir erblicfen in ben oben fFiggirten Vorfdjlägcn 
nicht nur Veftimmungen, bie fchroerc RFihftänbe im Bereiche ber 
prioaten ©tettenoermittelung befeitigen helfen, fonbern auch Vor* 
fchriften, bie eine Vegrengung ber gefchäftSmäfeigen ArbeitS* 
oermittelnng beroirfen Fönneit unb hoffentlich auch bewirfen roerben. 

3Sir gehen aber noch einen Schritt roeiter! Sür Sfanbleiher, 
mit benen fünftig ©efinbeoermiether unb ©tettenoermittler in bem 
$. 34 ber ©eroerbeorbnung genteinfam ber ©enehmigungSpflidit 
unterroorfen roerben, ift ben ßanbeSbepörben bie Vefngitih ertpeilt, 
ihre 3nlaffung oon bem Sadjroeife eines VebürfniffcS ab* 
hängig gu machen. $ür ©efinbeoermiether unb ©tettenoermittler 
aber fott ein folcher SacproeiS in 3nFunft ebenforoenig roie jept be* 
flehen. UnfereS GrachtenS fottte ber Reichstag barauf bringen, 
bah auch für fie bie Grlaubnife nur im Vebitrfnihfalle ertheilt 
roerbe. V$o ein gut geregelter öffentlicher ^IrbeitSnacbroeiS ober 
eine 2lrbeitSoermittelung burch Serbänbc ber Unternehmer be* 
giehungSroeifc ber Arbeiter befiehl, fottte bcr geroerbSuuifugen 
prioaten Slrbcitsoermittelung uiöglichit roenig Saum gelaffen roerben. 
Unb um ber hoben roirthfdjaftlicben, fogialeit unb' fittlichen ^rag* 
roeite beS 3lrbeitSnad)roeifeS im allgemeinen Sutcrcffc gerecht gu 
roerben, muh enblirf) bie Grrichtung gemeinblicher uneut* 
geltlicljer 9lrbeitsnachroeisftelleu unter 3 u -^ e h li ng oon ! 
Arbeitgebern unb Slrbeitern foroic unter Sorfip eines j 
llnparteiifcf)en mit allen gu Gebote ftebeitben SDiittelu geförbert i 
roerben. Sn biefem Sinne bilbet bcr befaunte, oon Sreifinnigeii ! 


unb Sationalliberalen im Seichstag eingebrachtc Antrag Soefitfe 
eine äufeerft roerthootte Grgängung unb Unterftühung ber Sttafe* 
nahmen, bie bie Sooette ber ©eroerbeorbnung gur ©anirung ber 
prioaten SlrbeitSoermittelung oorfchlägt. G. 0. 


2)er paritätifdje 9rBettSnad)ttietS unb bie ©etoerff(haften, ^ie 

3rage ber paritätifchen HrbeitSnachroeife Befcfjäftigt gur 3^1 bie 
i)elegirtenfonferengen ber ^Berliner ©croerffchaftsfommiffion. ®en 
Slnlaft bilbet bie entaegenfommenbe §altung ber Slrbeiteroertreter 
im Äuratorium beS berliner GentraloereinS für ^IrbeitSnachroeiS, 
begro. bie 3nftimmnng biefer Sertreter gu bem oon einem 2tuS* 
fchuft biefeS GentraloereinS ausgearbeiteten Sormalftatute für un* 
parteiifche ßacharbeitSnathroeife. 3Bährenb ein ^h^^ ber ©eroerf* 
fchaftsfiih rer grunbfählich bie 5lrbeitSnachroeife in bie §änbe ber 
orgaitijirien Arbeiter gelegt roiffen roitt, ift ber anbere, anfdjeinenb 
gröfeere £heil ber 3lnficht, bah bie Grrichtung unparteiischer HrBeitS* 
nachroeife unter ben gegebenen SSerhältniffen unb roeil fte gur 33e* 
feitigung oerfchiebener ttttihftänbe bei ber HrbcitSoermittelung ge* 
eignet feien, auch feitenS bcr Slrbeiter Unterftiihung oerbiene, ^ic 
Dppofiiion gegen bie unparteiifchen 9lrbeitSnachroeife roirb in ben 
©elegirtenfonferengen ber ©eroerffchaftsfommiffton oon bem ßeiter 
ber organifirten ©aftroirtbSgchülfcn, SebaFteur ^ßöfefch, geführt, 
toährenb bie Vertreter ber SBuchbrucfer, §utmacher, Former unb 
Metallarbeiter bisher aus praFtifchen ©rüuoen für bie unparteiifchen 
SlrbeitSnachroeife eingetreten finb. ^)er Sormer Äörften machte 
unter Snberen geltenb, bie Arbeiter hatten fttf) geirrt, roenn fie 
früher glaubten, ber ^IrbeitSnachroeiS Fönne ein Äampfmittel in 
ihren §anben roerben. Sicht einmal bie gutorganifirten Metall® 
arbeiter Fönnten mit ihrem WrbeitSnachroeiS gegen ben ber Unter* 
nehmer auffommen. ®ent £erroriSntuS ber Unternehmer Fönne nur 
burch uuparteiifche SlrbeüSnachroeife entgegengeroirFt roerben. $>er lebte 
©eroerFfchaftSfongreh,ber oor brei Salden in Berlin abgehalten rourbe, 
hat allerdings erflärt, bah ^IrbeitSnachroeiS als nothroenbiges 
Äampf* unb s $ropaganbamittel in ben §änben ber 9lrbeiterorgani* 
fationeit bleiben müffe; allein feitbem hat ftch groeifelloS einSöanbel 
in ben Änfchauungen oottgogen. 3m Seichstage g. S. hat ber fogial* 
bemoFratifche 5lbgeorbnete 3Öurnt fich Samens feiner Partei für bie 
unparteiifchen 3lrbeitSnachroeife auSgefprochen, unb in Berlin fteljen 
bie einfluf^reichften ©eroerffchaften gunt GentralarbeitSnachroeiS. 
ßXnd) bie Haltung ber ©eneralfomntiffton ber ©eroerFf(haften ^eutfeh* 
lanbs ift bem unparteiifchen 5lrbeitSnachroeiS giinftig. Unter biefen 
Umftänben fcheini es gar nicht auSgefchloffen, bah ber nächfte ©e* 
roeriffchaftsFongreh, ber im SSai b. 3S. ttt granFfurt a/M. ftatt* 
finben fott, einen anberen StanbpunFt einttehtnen roirb roie ber 
berliner Äoitgreh unb beffen 23efcf)tuh rücfgängig machen roirb. 
Sorläufig bauert bie S)isFuffion innerhalb ber berliner ©eroerF* 
fchaftSFotntniffion fort unb eS ift über bie Refolutionen für ober 
gegen ben unparteiifchen 9lrbeitSnachroeiS noch nicht abgeftimmt 
roorbeit. 

©täbtifdjer Xrbett^nadüttietS in Gharlottenbuirg. Der Magiftrat hat 
auf Antrag ber Deputation für ben ftäbtifhen HrbeitSnachroeiS bc= 
fhloffen: 1. Dem SSerbanbe beutfdjer ?lrbcitsnacl)roetfe in Berlin betgit« 
treten; 2. tu ben Verträgen mit Unternehmern biefen aufgugeben, ge* 
eignete 3lrbcitsfräfte fo oiel roie möglich nur burch ben ftäbtifd)en 
Arbeit Sn ach ro eis gu begiehen; 3. bie ©efdjäftSräunte beS 3lrbeitSnadj* 
toeifeS oom 1. 9lpril ab Sonntags nicht mehr offen gu halten. 

©tabttfcJjeS 9fcbett$bermittfowfl8amt tn aSBie«. Seit Söegimt ber 33er* 
mittluugSthätigfeit, b. i. oom 12. September 1898 bis Gnbe gebruar 
biefeS Jahres haben firfj 35 593 ftellenfuchenbc Arbeiter, Arbeiterinnen 
unb Sehrftellenberoerber oormerfeu taffen. Stellenangebote finb toährenb 
biefer 3 p i* ^ 959 eingelaufen. Arbeitspoftcn mürben an 10 787 $er* 
fonen oermittelt. Dicfe Grfolge finb faft burdjgehenbs bei bcr Stetten* 
oermittlung für geioerblichc Arbeiter unb Arbeiterinnen ergielt roorben, 
hingegen ift bei ber ©rnppc bcr unqualifigirten Arbeiter nur geringe 
Radjftage, toährenb baS Angebot oon ©efdjäftsbienern, Mutfdjern, ^ülfs* 
arbeiten! aller Kategorien, Jaglöhnern, ja felbft oott einfadjen ©hreib* 
fräften ein überaus ftarfeS ift. ^often für Sehrftcttett ftnb ftets in groher 
Angaljl angemetbet, boch fehlt es an Sciuerbcrn hiefiir. 


tBoJjuutt^tncrcn. 

^erbefferung ber SBohttmtgSoerhältttiffe in Hamburg. 

Die burd) 23cfd)Iuh oon Senat unb 23iirgerfd)aft oont 5. Stärg, 
7. unb 14. April 1897 eingefepte gemifd)te Äommiffiott für bie 
SJerbefieruug ber s BohnungSoerhälfntffe in Hamburg hat nun 
ihren elften iöeridjt erflattet. Die Kotmniffiott glaubte baoon aus* 
gehen gu bürfcit, bajg ihre Auftraggeber barin einig finb, bah 
1. bie 2>erbefferuitg ber ^ohnuugSoerhältniffe nicht allein burdj 



654 


653 ©ogiale ^SrariS. Eentralblatt für ©ogialpolüif. Br. 24. 


baS in$nriftf)en gur Annahme gelangte B$ohnungSpflege*©efeß, aut 
nitt etwa allein burt ^crfteüung befferer BerfehrSmittel ober burd) 
bie drbauung oon Arbeiterwoßnungcn in größerer Entfernung oom 
Büttelpunft Der ©tabt, fonbern oor Adern burd) bie Befeitigung 
ungefunber B*oßnungett gu bewirfeit ift, baß ferner 2. für ben 
SBieberaufbau ungefunber BSoßnungen burd) oon ben Staate 
beworben ju treffenbe Btaßnaßmen, geeignetenfads unter Stuf* 
toenbuug oon Staatsmitteln, gu forgen fein roirb unb baß ettblicß 
8 . biefe neuen B*oßnungen tßunlitft an ber alten ©teile unb für 
bie[elben BeoöIferungSflaffen, weite bafelbft anfäffig geioefeu finb, 
errietet werben follen. 3)er unter Btitwirfung beS Btebiginal* 
fodegiumS, ber Baupoligei unb beS ftatiftifihen BureauS aus* 
gearbeitete Berid)t befagt, baß in ber Slitftabt unb Beuftabt in be* 
ftimmten Begirfen eine große Angaßl oon „BSoßnungen ber* 
artig itngefunb feien, baß ber Abbruch unb bie Beuerbauuna ber* 
[eiben im fanitären 3ntereffe erforberlkß erfteine." ®ie 3oßl ber 
in biefen Begirfen enthaltenen BJoßnungen, bie aus gefunbßeitliten 
Bücffitten niebergelegt werben müffen, beträgt 12 000, bie 3 a *ff 
ber Bewohner etwa 70000. Bon ben 51000 Bewohnern ber 
Altftabt entfallen allein 33 000, oon ben 88 000 ber Beuftabt 
37 000 auf bie genannten Begirfe. 2)er Berußt fonftatirt gwar, 
baß nicht alle B$oßuungen innerhalb ber betreffenben Begirfe gum 
Abbruch reif finb, baß aber anbererfeits auch nicht alle BSoßnungen 
außerhalb biefer ®iftrifte als gefunbßeitlit guläffig angufehen 
feien. S^h^tfäd^Iich fehlen eine gange Angaßl „©änge", bie eben* 
fads „ben in fanitärer Begießung gu ftedenben Anforberungcn 
nicht genügen, auch burch bauliche Beränberungeti nicht wefentlicf) 
oerbeffert werben fönnen". 

3)ie gunächft gehegte Abfitt, mit ber Bornahme einer Be* 
fichtigung fofort in affen brei Begirfen gleichmäßig oorgugeßen, 
mußte bei näherer Prüfung aufgegeben werben, ba bie Äommiffion 
fit baoon übergeugen mußte, baß cS ihre SeiftungSfälfigfeit über* 
fteigen unb ben Beginn beS praftifißen BorgeßenS gu weit hinaus* 
fchieben werbe, wenn bie Befichtigung ber iitSgefammt in Betracht 
fommenben etwa 12 000 BJoßnungett gleichseitig in Angriff ae* 
nommen werben follte. 2)ie tiontmiffion entfißieb fich auö biefen 
©rünben bafür, ihre S^ätigfeit gunächft auf einen ber brei Begirfe 
gu befißränfeit. Als ben für biefen Qmed geeignetften erwählte 
bie $ommiffion ben im Bkfentlicßen bie fübliche Beuftabt um* 
faffenbeit Begirf, einmal mit Büdffitt barauf, baß hier .in Solgc 
ber tiefen Sage gablreicßer ©traßen unb ber baburd) bei l)ö^ercn 
Btafferftänben oielfacf) ßeroorgerufenen .^ederüberftmemmungen be* 
fonbere Uebelfiänbe obwalten. 92acf> Abftluß biefer Berichtigung, 
bie in brei Unterabteilungen geftaß, trat bie ©efammtfommiffion 
wieber gu qemeinfamer Beratung gufammen unb fam gu bent 
Befultat, baß in bem befidjtigten Begirf bur<h bauliche Aenberungen 
in oielenÖnden nichts gu erreichen fei, fonbern man gum Abbruch 
fchreiten muffe. Borßer muffe man aber bei bem Mangel 
an fleinen BSoßnungen für Erfaß forgen. 3)iefe Erwägungen 
ließen es ber Äommiffion notßwenbig erfeßeinen, fid) gunädfit mit 
ber 3*age gu befcßäftigen, an welcher ©teile bie ©ebäube gu er* 
ritten fein würben, bie gum Erfaß ber nat einem aufguftellenben 
Arbeitsplan etwa in erfter fiinie niebergulegenben Btoßnfomplej'e 
gu bienen beftimmt finb. 3)ie Aufm er ff am feit ber ft'ommiffion 
richtete fit oon oornßerein auf bie beiben an ber 3.eugßauSftraße 
belegenen Blöße mit gufammen 4858 qm ?fläte, bie gelegenst 
ber im 3oß*e 1893 befcßloffenen unb ingwiften gur Ausführung 
gelangten BSadregulirung gwi[ten §afentßor unb fwlftentßor ae* 
feßaffen worben finb. Es wirb nun barauf anfommen, bie Be* 
bingungen für bie Bebauung fo gu gehalten, baß bie ^erftellung 
unb bauernbe Erhaltung oon BBoßnungen ber niebrigften BftetßS* 
flaffen, alfo oon einem, gwei unb brei ^mwern nebft 3 l i& e ßör 
mit einer nußbaren Släcße oon etwa 20 bis 65 qm, in einem bem 
oorßanbenen Bebürfniß fit möglitft anpaffenben progentualen 
Berßältniß gefitert wirb. 3)a biefe Bebingung aber ben 'ißreis 
ber Baupläße meßr als nötßig ßerabbrücfen würbe, liegt es — 
nat bem Beritt — in ber Abfitt, bei ber Bebauung außer Nieder 
unb Erbgeftoß oier Etagen gugulaffen unb für bie Heller unb 
einen £ßeil beS ErbgeftoffeS eine AuSnußung gu gefißäffliten 
3*oecfen gu geftatten. Aud) fofl baS ©dfiafftellen* unb Einlogirer* 
wefen nat ÜÄöglitfeit ferngeßalten, ferner Beftimmungen getroffen 
werben, unter weiten bie Bäume gu ocruiietben finb. S)ic Moni* 
miffion empfiehlt nun Bürgerftaft unb ©enat, bie beiben $läße 
unter ben in beg«t nc ^ em ^inne feftgufteHenben Bebingungen beft* 
möglitft gu oerfaufen. 

3Sie man uns aus am bürg ftreibt, begegnet biefer Bor* 
ftlag manten Bebenfen. 2Ran befürttet namentüdj, baß fit au f 
biefem 3öege troß aller BorfittSmaßregeln Bobenfpefulationen unb 


Btiethefteigeruugen nußt hintanßalten laffen werben. Bian fragt 
warum bie Okmeiubc nid)t felbft bie Söoßnungen auf ißrem Terrain 
baut? £ber warum fie bie Baupläße nitt an eine Baugenoffen* 
ftaft oerpatte? Uns will bebünfen, als ob AngefittS eines folcßen 
BotßftanbeS ber ©tabt*©taat Hamburg bie BfUti ßabe, felbft 
energift bie £anb gur Befeitfgung beS s BoßnungSeIenbeS gu 
rüßren, inbem er guoörberft felbft in tßunlichfter Eile billige, ge* 
funbe unb bequem gelegene Arbeiterßänfer mit etwa fet§ bis att, 
ßötftenS geßn SSoßnungeit, aber feine ÜRieißSfafernen mit oier bis 
fünf Etagen baut unb bann bie grünblite ©anirung ber abbrueßs* 
würbigen Begirfe burtfüßrt. Aut wwn baS Söerf feßr ßoße Auf* 
wenbungen erforbern follte, würbe eS fit burt bie Sörberung 
ber BolfSgefunbßeit, 3Riuberung ber ©eutengefaßr unb Ber* 
ftönerung beS ©tabtbilbeS reitet befahlt maten. 


Bau Oon BotfStoohtmttoctt bureß bie ^emeiube tu ©trafi* 
Burg t. Elf, ^er Eemeinberatß ber ©tabt ©traßburg ßat in 
feiner ©ißnng oom 6. IRärg beftloffen, aus Bütteln ber gur 
Unterftiißung oon ftäbtiften Beamten unb beren Hinterbliebenen 
beftimmten ©pachftiftung 200 BolfSwoßnnngen gu erbauen. ^)aS 
erforberlitc Eelänbe in ©röße oon 6100 qm tritt bie ©tabt ge* 
nannter ©tiftung gu bem feßr niebria bemeffenen greife oon 
12 , K.. für ben Duabratmeter ab. %m laufenben Sößre follen gu* 
nätft 96 Söoßnuitgen unb 4 Säben fertig geftellt werben. Bon 
biefen BSoßnungen foden 25 je 3, 54 je 2 unb 17 je 1 3”«nier 
enthalten. 3 11 i c ^ er 3öoßnung geßört eine geräumige £üte unb 
ein Abort. 3>er tymä ber hjpiften gwcigimmerigcn 2$oßnung 
wirb fit int 2>urtft n ttt auf etwa 200 <//f. im3aßrc fteden. ©ie 
©tabt oerbürgt ber ©patftiftung eine Bettooerginfung beS auf 
400 000 c/#. oeranftlagtcn BaufapitalS oon 4%.— 3n berfelben 
©ißung ßat ber 0)emeinbcratß ber „EefeÖftaft für BolfS* 
woßnungen" ein Eelänbe gu bem bebeutenb ermäßigten greife oon 
18 , ii für ben Cnabrafmeter oerfauft, auf welcßem 40 BolfS* 
woßnungen erfteüt werben follen. 3« früheren Saßren ßat bie 
©efeOftaft berciis 170 berartige Söoßnungen errittet. — Biegen 
Erbauung oon 24 SBoßnungen für Samilien mit gaßlreiten 
^inbern burt ßte Armenoerwaltung [tmeben gur 3eit bie Ber* 
ßanbluugeu. — Aut eine gweite geuteinuüßige Eefedfd)aft ßat fid) 
wegen Ueberlaffung oon ©elänbe gur Erbauung oon etwa 50 Ar* 
beiterwoßnungen an bie ©tabtoerwaltung gewenbet. 

Es barf erwartet werben, baß in 1 bis 2 Saßreit gu ben 
bereits bewohnten 500 „BolfSwoßnungen" über 300 neue ßingu* 
getreten fein werben. Auf biefem ©ebiete fogialer Sürforae bürfte 
bie ©tabt ©traßburg oon wenigen beutfeßen ©täbten übertroffen 
werben. 

ArbeiterUfoßnuttgSttiefeu tut Bhetulaub, $)ie Begebungen bes 
„Bßeiniften BereinS gur görberung beS ArbeiterwoßnungSwefenS 
in ®üffelborf haben aut in neueftcr 3eit gu manten praftifißen 
Ergebniffen gefüßrt. Es finb in ben leßten fet^ Bbnaten inner* 
halb ber Bßeinprooing 13 neue gemeinnüßige Bauoereine entftanben 
unter gaßlreiter Betßeüigung fowoßl ber woßlßabenben Greife als 
aut b^r Arbeiter. Ebenfo ßaben bei ber größeren 3 a (tf ber Ber* 
eine bie ©emeinbebeßörben ißre finangieHe Ünterftüßung beftloffen 
begw. gugefaat, fo g. B. in Belbert, HeiligenßauS, Eronenberg, 
Emmerit uno ©od). 2)ie ©rünbung mehrerer Bauoereine fteßt 
unmittelbar beoor, u. A. matt fit in tföln eine rege Bewegung 
in biefer Bittung geltenb. Aud) bie lanbwirtßftaftliten Steife 
wenben ißr ^ntereffe meßr unb meßr ber ArbeitermoßnungSfragc 
gu, g. B. ift. eine hierauf begüglitc Anregung oon mehreren' ©ut's* 
befißern im Sanbfreife £öln gegeben worben. 35ie auf Ertbeilung 
oott Batß unb AuSfünften in ber ArbeiterwoßnungSfrage gerichtete 
Sßätigfeit bes genannten BereinS ift in ftetem Brachten Gegriffen. 
Aut bie BerwaltungSbeßörben neßmen biefe 2:ßätigfeit meßr nnb 
meßr in Anfprud), wie aut in ben leßten Btonatcn eine große 
3aßl biefer Beßörben ißr Öntereffe an bem Bereitt burt @rmer* 
bung ber Bütgliebftaft befunbet ßat. Aut meßrere Bauoereine 
nnb Eingelperfonen hoben wieber ihren Beitritt erflärt. 

Errittimß »on S&oßuljöitfern für Arme ttt Englattb. Enbe Februar 
paffirte bie „Cottage Home Bill“ bic gweite Sefimg im englifrfjcii s pnr* 
lameute 2^cr Entwurf begweeft bie Errittung oon Eottagc*Aulageii 
für erwerbsunfähige alte teilte, bie beute lebigiidt auf bas 'BSorfftouic 
augewiefen finb. Jie Befdtaffung unb Bcrwaltung biefer Eingelarmeu* 
ßäufer fofl ben 6kmcinbcn übertragen werben. 

Befeitiguug ber Slums in Stberpool, Ein beatteuSwertbcS 
Beifpiel baoon, in weiter BJeife bie engliften ©eineinbcii an bie 
©anirung ber ©täbte unb Biobernifirung ber Arbcitcroiertcl heran# 
treten, giebt £ioerpool, beffen ©emeinberatl) eben bie ©untuic oon 



655 


Sogiale $ra£tS. ©entralblatt für Sogialpolttil. $r. 24. 


656 


50 000 £ für beit Anlauf unb bie Xemoliruna fanitätScjefäbrlicber 
§äufer notirt bat. XaS Sßrojeft bebingt bie Xelogiruitg unb 
anberweitige Unterbringung non 3000 SJkrfonen. Xie Stabt* 
gemeinbe bat in ben lebten 10 Saßren nid)t weniger als 
4200 grnufer nieberaeriffen, oon welken bloß 830 neugebaut 
würben. Xergeftalt Dürften bie „Slums“ halb gang befeitigt fein. 


(EQie^ung mtb fiUbtutg. 


Staatliche beihülfe» für bolfSbibliotbefen. 

3m. bieSjährigeit ©tat beS preußifdjen $uItuSminifteriumS 
finbet fi<h gum erften 9Me eine Summe oon 50 000. // gur gör* 
berung uon bolfSbibliotbefen unter bem Xitel ,,©lementar*Unter* 
ricbtswefen". Xie begrünbung biefer Ausgabe, bie als einmalige 
gebaut ift, ift gang !urg in folgeitben gwei Säßen gufammengefaßt: 

„Xie ^orberung ber bolfSbibliotbefen ift eine wichtige fogiale 
Aufgabe ber ©egenwart. Xie bcreitfielhing eines einmaligen außer* 
orbentlid)en Betrages non 50 000 M. erfefjeint besljalb gweefntäßig." 

Xie $reffe erinnert bei biefer Gelegenheit baran, baß fd)on 
nor 100 Sauren ein preußifeßer bttnifter bie $otf)wenbig!eit ber 
Straffung guter Sefegelegenbeiteit für alle klaffen ber beoölferung 
erfannt habe, nämlich Der Nachfolger ©öHner’S unb boraänger 
Wilhelm non £>umbolbt’S in ber ßeitung beS preußifeßen unter* 
ricbtSwefenS, SuliuS non SRaffow, ber fchon als $räfibent ber 
nommerfdjen Regierung im Sabre 1797 in einer umfangreichen 
Xenffdjrift „3been gnr berbefferung beS öffentlichen Schul* unb 
©rgiebungSwefenS" an bie ©rrid)tung non ßefebatten gebaebt bat. 

©S ift febr erfreulich, baß Me preufeifc^e Regierung ficb bagu 
entfcbloffen bat, für bie Sörberung ber allgemeinen bolfsbilbung 
in einer Art unb Weife eingutreten, wie bieS non einstigen 
Kennern ber berbältniffe febon lange, bisher leiber nur febr oft 
oergeblicb, aeforbert worben ift. Xte Bewegung für bie ©rrießtung 
non bolfSbibliotbefen unb ßefeballen, ober, wie man fte auch 
nennt, öffentlicher büeßer* unb SefebaHen, bat fi<h in biefem Sab** 
gebnt in Xeutfdjlanb fraftnott entwickelt; nicht nur bie „©efeEfd)aft 
für berbreitung non bolfsbilbung" unb bie ,,©omeniuS*©efeH* 
fdjaft" finb bafiir tbeoretifd) unb praftifd) eingetreteu, fonbent aud) 
bie „Xeutfcße ©efellfcbaft für etbifdje Kultur" unb eine gange 
beiße anberer gemeinnütziger Vereine, fowie boebbergige ^rinatleute 
haben bie Bewegung geförbert unb oerbreitet, fo baß bas leßte 
Qabrgebnt eine Aera beS SortfcßrittS für bie bolfSbibliotbefen in 
Xeutfd)lanb bebeutet, wie feines ber Sabrgeßnte norber. 

Xiefe Sörberung ber Bewegung unb bie praftifeben befultate, 
bie fie ergielt b fl t, haben wohl auch bem preußifeßen Kultus* 
minifterium beutlid) genug gegeigt, ein wie ftarfes bilbungS* 
bebürfniß in allen klaffen unferer benölferung norbanben ift, unb 
in ihm bie Anficbt befeftigt, baß es nid)t genug ift, einen Wenfcßen 
baS fiefen gu lehren, fonbern baß man ihm aud) bie btöglicßfeit 
ber benußung nerniinftigen CefeftoffeS gewäbrleiften muß. 

Xie ©infteHung oon 50 000 JC. in ben preußifeßen ©tat, nach 5 
bem bis jebt nur einige NegierungSpräfibenten (in ßiegniß unb 
Dppeln), einige öanbrätße unb Scbulbebörbcn ficb ber $olfS* 
bibliotßefen angenommen batten, ift besßalb mit großer Sreube gu 
begrüßen. ^öffentlich ift eS bie Abficßt beS WinifteriumS, biefe 
50 000 JL nicht nur einmal aufguwenben — fie ließen bieSmal 
unter ben einmaligen Ausgaben — fonbern fie gu einer regel* 
mäßigen Ausgabe für bas bolfSbibliotßefSwefen ber gangen 
Monarchie gu machen. 

3u ßod) wäre biefe Summe fußeilicb nicht; man bebenfe, einer 
wie großen benölferung fie gu ©ute fommen foH. 3<b benfe habet 
nicht etwa an bie gefammte beoölferung beS preußifeßen Staates, 
benn ich bin ber Anfid)t, baß bie größeren unb großen Stabte für 
biefe Anftalten felbft auffommen fönnen unb muffen — fonbern 
lebiglicb an bie fleinen Stäbtd)en unb namentlich an bie nieten 
Xörfer, in benen eine gute 33ibIiotbef faft noch uotbwenbiger ift, 
bie aber nielfach faurn in ber i^age fein biirften, fi<h gute s ^otfS* 
bibliotbefen noÜfommen aus eigenen Mitteln gu befchaften. s DJan 
muh bcSbalb auch bringenb hoffen, bafe bie 50 000 , i( beS preufci* 
fdjen ©tats nicht etwa irgenb einer beftitnmten Stabt ober irgenb 
einer beftimmten $rooing (etwa ben polnifchen Groningen) gu (v)nte 
fommen füllen, fonbern bafj fte wirflicb über baS gange i ? anb bi» 
nertbeilt werben unb natnentlidj ben £anbeStbeileit gu Olutc fommen, 
benen fie am notbwenbigften finb. 

Xafr eine einmalige SScrwenbung non 50 000 , // bann nur 
ein Xropfen auf einen b«&en Stein ift, liegt wotjl auf ber $anb. 
s i)iait wirb Sab* für Sab^ biefelbe Summe aufwenben ntüffen, um 


bie ^tiefen auSgufiillen, bie im ÖcfUfe ber 3 e ü auf biefem ©ebiet 
entftauben ftnb, unb es wirb nur ftetiger unb forgfamer Slit* 
ftrengung gelingen, ben ßeiftungeit anberer Sänber auf biefem 
©ebiete einigermaßen nad)gufomtnen. Seicht etwa nur ©nglanb 
unb ben bereinigten Staaten non 9?orbamerifa, bie uns ja beibe 
in biefer begießung meilenweit norauS Tutb, fonbern auch einigen 
unferer beutfdjen 9t v a<hbarlänber. 3roar in SJtecflenburg bat bie 
Regierung Ms jeßt noch feinen Pfennig für bolfsbibliotbefen ner* 
auSgabt, obwohl fie — nterfwürbig genug — nor gwei Sahnen 
bie ©rünbung länblicber bolfsbibliotbefen empfohlen bat. Slucb 
braunfehweig, baS bis jeßt ben bolfSbibliotbefen eine beibülfe 
non inSgefammt nur 6820 bewilligt bat, ift Preußen nicht 
aUgu febr norauS; aber Sacbfen unb äÖürttemberg haben fchon 
feit Sab^en beftänbig für ihre bolfSbibliotbefen gu forgen gefucht 
unb haben eS baburdj erreicht, baß faft jebe länblicbe ©emeinbe 
bort bereits eine foldje ^Inftalt beftßt. 

3n Sachfen beftanb fchon in ben 60er Sabren eine giemlicb 
rege bewegung für bie ©rridjtung non bolfSbibliotbefen, fo baß 
im Sabre 1875 fchon 196 bolfSbibliotbefen b^r eyiftirten. Xa 
ftellte im Sabre 1874 ber ?lbgeorbnete Dr. Pfeiffer ben Antrag, 
bie Regierung möge eine jährliche Summe gur ©rünbung uttb 
Unterftüßung non bolfSbibliotbefen auSfeßen. Xer Eintrag würbe 
angenommen, unb nom Sabre 1876 an ein jäbrlidher betrag non 
15 000^ bafiir nerwenbet; feit bem Sabre 1889 ift biefe Summe 
auf 18 000 Jt erhöbt worben, im norigen Sabre fogar auf 
20 000 o 4L 

2lu<b gab baS fächfifche ^ultuSminifterium im Sabre 1876 
eine fleine Schrift „Heber bebeutung unb ©inrießtung non bolfs* 
bibliotbefen" heraus, bem eS einen SKufterfatalog beifügte, ber 
bereits im Sabre 1882 (in ber Stärfe non 92 Seiten) in gmeiter 
Auflage erfdjien unb oon bem binnen Bürgern eine britte Auflage 
herauSfommen wirb. 

Natürlich genügen bie nont fächfifchen Staate aufgewenbeten 
Summen nicht, um bie länblichen bolfSbibliotbefen biefeS Staates 
gänglich gu unterhalten; fte füllen auch 9 fl r nicht bafiir genügen,* 
benn jebe ©emeinbe foH auch aus eigenen Mitteln einen beitrag 
gu biefen Slnftalten liefern. Xurchf^nitt nerfügen bie fächfifchen 
bibliotbefen über je 10Q Jl jährlich, noti benen ber Staat niel* 
fad) bett britten Xbeil ober and) bie £>älfte tragt. Urfprünglich 
erhielt jebe ber oben erwähnten 196 bolfSbibliotbefen in jenem 
Sahr eine ftaatliche Subnention, wäbrenb b c nte gewöhnlich sniei 
Xrittel ber fächfifchen bolfSbibliotbefen ohne eine foXd^e anSgeben 
unb auch bie Unterftiißung, bie jebe ber übrigen erhält, uid)t mehr 
fo hoch ift als im 2lttfange. XaS liegt einfach baran, baß bie 
3abl ber bolfSbibliotbefen in Sachfen in febr erfreulid^er Söeife 
gugenomtnen bat: wäbrenb im Sabre 1875, wie erwähnt, nur 
196 bolfSbibliotbefen beftaitben, betrug bie 3®b^ berfelben (nach 
bem trefflichen „^anbbuch beS bolfSbilbungSmefenS" non ^ßrofeffor 
©b. Sftetjer) im Sabre 1893 bereits 1065, fo baß fie fid) in 
18 Sabren mehr als nerfünffacht batte, wäßrenb bie Staatsunter* 
ftüßung nur um ein fünftel geftiegen war. Nebenbei bemerft, 
empfiehlt beper, bie ©ewäbrung einer ftaatlichen Subnention im 
Allgemeinen an eine aewiffe beitragSpflicbt ber ©emeinben unb an 
bie ©rfteHung eines AuSweifeS über ben betrieb ber bibliotbefen 
gu fnüpfen — eine Maßregel, bie fid)erlid) außerorbentlich gweef* 
mäßig wäre. 

Sn SBürtteinberg hat ein Spnobal * AuSfcßreiben nom 
13. Xegember 1869 bie begirfsfcbnlinfpeftoren angewiefen, ihr 
Augenmerf auf bie Anfchaffung einer angeineffcuen bücherfammlung 
für bie SaQcnb, fei eS ans Mitteln beS SdhulfoitbS, fei eS aus 
anberen innerhalb ber eingelnen ©emeinben hierfür gu ©ebote 
ftebenben .^ülfsquellen, gu richten. Xemgemäß finb in einer 
großen 3ahl ber württembergifchen ©emeinben Drtsbibliotbefen ent* 
ftanben, bie in niclen Sälien fi^ an bie Sdhulbibliothefen anlebnen, 
in anberen Sälien auch gefonbert non ihnen befielen, unb bie 
tbeilS aus lleberfchiiffen ber Sdjulfonbs, theils ans beiträgen ber^ 
©emeinben, tbeilS enblid) aus beihülfen ftaatXidfjer bel)örben, inS* 
befonbere ber ©entralftcHe für bie Öanbwirtbfd;aft unb ber ©entral* 
leitung für bie SSohlthätigfeit unterhalten werben. Xie jährliche 
©tatfumme, bie ber ©entralfteHe für öanbwirtbfdjaft gur Unter* 
ftüßung ber CrtSbibliotbefen gur Verfügung ftebt, beträgt 3000 JL 

Sadifen unb Württemberg ftnb jcbenfalls biejenigen beutfehen 
Staaten, bie in biefer begiebung am weitesten norauS ftnb. Xie 
bolfsbibliothef burd)brinqt in ihnen weite}©ebiete fchon faft in 
ähnlicher Art wie bie bolfsfd)iiIe, gitmal fie non großen berbänbeit 
theilwcifc in ausgiebigfter Weife unterftüßt wirb: fo wenbet g. b. 
ber fäd)fifd)e VanbeSnerbanb ber bolfSbübungSnereiue jährlich etwa 
Co 000 c U. fiir bolfSbibliotbefen auf. Selbftoerftänblich finb aber 



657 


©oktale $rajtS. ©cntralblatt für ©ogialpolttif. $r. 24. 


658 


beibe ßänber notß bei Leitern mißt an ber ©renje beS ©rreießbaren 
unb SBünftßenSroertßen angelangt; oielmeßr blctbt bis baßin nodfj 
bicl gu tßun übrig — namentlich roaS bie ©inridßtung ber 93iblio* 
tiefen, oor allem bie gfeftfeßuna ißrer auSleißegeit, anbetrifft. 

Siber auch einige Staaten oeS auSlanbes fönnen Preußen 
geigen, baß es mit einer einmaligen Ausgabe für SSolfsbibliotßefen 
niept getßan ift, unb baß bie Summen, bie bafür aufgeroenbet 
merben, feine oerlorenen ftnb. 

Sehen mir nach Sranfreicß trüber. Sfcadßbem bort tum 
ben SDftnifierien unb Unterbeßörben roieberßolt auf bie Sttotß* 
menbigfeit unb ben Stuben oon bolfsbibliothefen aufmerffam ge* 
macht morben mar, richtete bie Regierung oom 3a§re 1863 an 
foaenannte Bibliotheques scolaires etn, bie in ben Sdßulgebäuben 
aufgeftellt unb oon ben ßeßrern oermaltet mürben. Sie ftnb für 
bje Spüler, bann aber auch für ißre ©Item unb $erroanbten unb 
für bie übrigen ©rroadßfenen beS betreffenben DrteS beftimmt. 

$>er Staat menbet jährlich bafür eine gemiffe Summe auf, 
aber auch bie ©emeinben unb $rioatleute fteuern meßt unerheblich 
m ben Sfoften bei. 3n ben Soßren 1863—69 bat ber Staat gu* 
fammen etroa 4 097 000 gfrcS. für bie Bibliotheques scolaires aufs 
menbet, roäßrenb ©emeinbe, Sßrioatleute u. f. m. gufatnmen 
7 289 000 gfrcS. (faft nocß einmal fo oiel) ber Äoften trugen. S3e* 
merfenSroertß ift, baß bie Slufroenbungen beS Staates für biefe 
93itbungSanftalten nach bem unglücflictjen Kriege mit ©eutfcßlanb 
erheblich erßößt morben ftnb, mie ja überhaupt granfreieß aus 
biefem nationalen Unglücf bie ßeßre gezogen hat, baß es fein 
UnterricßtSroefen auf aUen Stufen erßeblicß oerbeffem müffe. 33iS 
gurn 3ab r e 1871 hatte he* Staat jährlich 100000 gfrcS. für bie 
Bibliotheques scolaires aufgeroenbet: oon 1872 an erhöhte er biefe 
Summe auf 120 000 3rcS., oon 1878 an auf 200 000 gfrcS. jäßr* 
lieh, enblich 1882 fogar auf 250000 gfrcS. — oom 3<*ß*e 1885 
an ift biefe Summe bann roieber gefunfen. $>ie Bibliotheques 
scolaires, bie im 3&h*e 1889 gufammen etma 5 TOHionen 3$anbe 
befaßen, ßabeu in ben 3aß*en 1863—89 etma 52 9Riüionen SBänbe 
auSgeliehen; mie fehr fte ihre Schulbigfeit gethan haften, geht fchon 
barauS ßeroor, baß ein fo fompetenter 23eurtßeiler mie ©uftao 
gfreytag baS ftarfe geftßalten eines £ßeils ber elfäffif<h*Iotßrin* 
gifchen SSeoölferung an frangöfifeßem SBefen unb frangöfifeßer Slrt 
unb ihre Sympatßteen für granfreieß auf bie SSirffamfeit biefer 
öibliotßefen gurücffüßrt. 

3 n ©nglanb, mo man oon einer berartigeu ©entralifation, 
mie fie in gfranfreieß ßerrfeßt unb oon ber ©inmifeßung beS 
Staates im allgemeinen nur menig roiffen roill unb mo es fchon 
bie größten Scßroierigfeiten gefoftet hat, bureßgufeßen, baß baS 
Ungeheuer Staat für bie ©rgießung ber Stinber feiner Bürger 
etmaS thun barf, hätte man ben ©ebanfen einer ftaatlichen 33ei* 
hülfe für 93olfSbibliotßefen, ber meines SöiffenS in ben erften 
Saßrgeßnten ihrer ©ntroidfelung überhaupt nie aufgetaucht ift, 
roaßrfcheinlidß mit ©ntrüftung gurüefgeroiefen. auch mar eine folcße 
iöeihülfe beS Staates ja hier bei Weitem nicht fo nothmenbig, ba 
bie große Sföehrgaßl felbft ber fleinften englifchen ©emeinben oon 
ber Siothmenbigfeit oon Public Libraries feft überzeugt ift, fo baß 
baS SSoIfSbibliotßefSroefen jenfeits beS Kanals blüht, mie nur nod) 
in ben bereinigten Staaten. SDodfj mehren ficß in ftßter 3 e lt hie 
Stimmen, bie menigftenS für Keine unb leiftungSunfähige @e* 
meinben eine ftaatliche Unterftüßung forbern. 

3 n ben englifcßen Kolonien mieberum fiitft ftaatliche bei« 
hülfen für SSolfSbibliotßefen felbft in größeren Stäbten etmaS 
burchauS ©eroöhnlicßeS. So gemährt g. b. bie Regierung ber 
Sfapfolonie nach einer neuerlichen SluffteUung in einem ber blau® 
büeßer beS Colonial Secretary’s Department 10 größeren Public 
Libraries biefer Kolonie eine jährliche Unterftüßung oon gufamtnen 
74000 iAf, 

Sluch in ben bereinigten Staaten oon ütforbamerifa, 
bie bie prädßtigften unb befuchteften bolfsbibliothefen ber ganzen 
SBelt beHhen, ift ber Staat Ijelfenb für biefe anftalten eingetreten, 
obroohl tyex baS bebürfniß banach oerhältnißmäßig nicht fo groß 
fein fann, ba in Vlmerifa bie ©emeinben unb roohlhaftenbe bürger 
gemeinnüfcige ©inrichtungen, mie befannt, in ber auSgegeichnetften 
feeife förbern. 

§ier mar es ber burch fein oortrefflidß auSgebilbeteS bilbungS» 
mefen auch fonft h^oorragenbe Staat biaffachufettS, ber Den 
Stnfang madfjte. 3« 2Raffa<hufettS hatten im 3ah*e 1890 oon 
352 Stabt* unb ßanbgemeinben nur 102 noch feine Public Library; 
ba aber biefe 3ahl noch als oiel gu hach erfdfjien, feßte ber Staat 
eine ^ommiffion ein, bie bie befugniß hatte, jebe ©emeinbe, bie 
eine bibliothef einrichten mollte, mit bucheraumenbungen bis jum 
Serthe oon 400 d(, auf Staatsfoften ju unterftüßen. 2)iefe £om* 


miffion gab in ihrem erften bericht eine genaue Ueberficht über bie 
©efchidfjte ber öffentlichen bibliothefen in jeher ber ©emeinben, 
mäßrenb fie bie ©emeinben ohne boffsbibliothef nur mit bem 
lafonifchen bermerf aufführte: „this town bas oo public library“. 
3)ie gfalge mar ein rafdß fteigehbeS Sntereffe an biefen $lnftalten, 
unb fchon nach jmei Salden n>ar bie 3ahl ftcr Stäbte ohne bibtio* 
thef auf 53 gefunfen lauter Keine ©emeinben, bie jufammen nur 
4<Vo ber beoölferung umfaffen. 

Hnbere Staaten (gumeift SDftftaaten) ßnb bem beifpiele oon 
btoffachufetts gefolgt ober haben fonft Maßregeln ergriffen, um 
bas bibliothefSmefen ber Keineren unb ärmeren ©emeinben gu 
forbern. Originell unb erfolgreidß gugleich ift eine ©inrichtung beS 
Staates 9fero*?)orf, beffen bibliothefSmefen oon 2Rr. SKeloil 
S)emep, einem ber genialften bibliothefare, geleitet mirb. 3ut 
3ahre 1889 richtete hier bie Staatsbibliothef fogenannte ,,2Banber* 
bibliothefen" (Travelling Libraries) ein, bie entmeber bücher aus 
allen ©ebieten ber ßitteratur ober aus beftimmten SSiffenSgebieten 
enthalten unb an jebe ©emeinbe oerfanbt merben, bie fich barum 
bemirbt. SaSbefonbere haben ßch biefe ©anberbibliothefen auch 
für bie University Extension als ein großer SRußen ermiefen, unb 
baS Sgftem mirb oielfach (mie g. b. oon ber University Extension 
Division ber llnioerfität ©fpeago) nachgeahmt. S)er Staat 9iero 
g)orf gab bereits im erften Sabre bafür bie Summe oon 200 000 <siL 
aus, bie feitbem noch mefentlicß erhöht morben ift. — 

bon fonftigen ftaatlichen llnterftüßungert für bolfsbibliothefen 
ift mir nichts befannt; außer baß einige Staaten ©elehrten unb 
bibliotbefaren beifeunterftüßungen gugeroanbt haben, um baS eng* 
lifdhe unb norbamerifanifche bibliothefSmefen, baS ja roefentlich 
ein bolfsbibliothefsroefen ift, ftubiren gu fönnen. 3^bath feheinen 
in mehreren Staaten ähnliche ©rmäaungen gepflogen gu merben, 
mie fie jeßt für baS preußifeße ÄultuSminifterium für feine be* 
roittiaung maßgebenb gemefen ftnb. 

2 Ran fießt aus ben oorfteßenben angaben beutlicß genug, baß 
eine jährliche aufmenbung oon 50 000 Jf für bolfsbibliothefs* 
groedfc für einen Staat mte $ reu ß eit mabrlicf) nicht gu ßach 9 e * 
griffen ift unb baß bie Summe nicht nur burch bie birefte unb mate* 
rieEe £>ülfe, bie fte gemäßren, fonberit auch burch bie anregung, 
bie fte gmeifelloS mit fich bringen mirb, oiel Sßußen ftiften mirb. 
9Sie baS beifpiel beS Staates biaffaeßufetts geigt, fann eine folche 
materielle Unterftüßung befonberS bann oon bem größten ©influß 
fein, menn bamit bie §erftellung einer Statiftif beS SSolfS* 
bibliotßefSmefenS oerbunben mirb. 

©ine foldße Statiftif befißeit mir in ©eutfdßlanb leiber erft über 
einen eiugigen Keinen Staat — baS £>ergogtßum Sraunfchmeig. 
S)aS braunfdhmeigifche StaatSminifterium ßat oor einiger 3 C ^ 
eine ftatiftifdße ©rßebung barüber angefteHt, mie oiel Solfsbiblio* 
tßefen in biefem Staate befteßen, mie fte fuß über baS ßanb oer* 
tßeilen, mie oiel S3änbe fte enthalten, mie ftarf bie SSeitußung ift, 
rnelcße aufroenbuitgen gemaeßt merben *c. 2)er ©eneralfefretär ber 
„©efeUfd^aft für SSerbrettung oon SSolfSbilbung" äußerte fteß in einer 
^efpreeßung biefer Statiftif, auf bie felbft eingugeßen mir ßier ber 
Sftaum feßlt, baß es „feine überfliiffige arfteit fein mürbe, menn 
fämmtlicße UnterricßtSoermaltungen über baS SSolfSbibliotßefSmefen 
in gang berfelben Söeife regelmäßig berichteten mie über baS Schul* 
mefen". 3n ber Sßat fann man biefen ©unfeß nur auf baS ßeb* 
ßaftefte unterftüßen. Solange mir in ®eutfcßlanb, mie bis oor ein 
paar 3<*ß*en faft allgemein, nur gang embryonale bolfsbibliothefen 
befaßen, ßätte ein folcßeS Verlangen menig 3^ e cf gehabt; jeßt aber, 
mo fieß attentßalben bie ©rfenntniß bureßguringen beginnt, ein mie 
notßroenbigeS unb mertßooHeS ÜöilbungSntiüel Die SSolfSbibliotßefen 
barftetten, unb baß bie Schulen eigentlich nur halbe arbeit tßun 
fönnen, menn ben ©rroaeßfenen meßt ©elegenßeit gegeben mirb, 
bie in ber Schule ermorbenen Sfennhtiffe gu üben, gu ermeitern 
unb gu oertiefen — jeßt fönnten folcße oon 3*it gu 3eit gu roieber* 
ßolenben amtlichen SBeröffentlicßungen ben größten Sftußen ftiften, 
meil fte einen lleberblic! über bie ©ntmicfelung eines mießtigen 
3meigeS beS 93ilbitngSmefenS geroäßren unb meil fte baS Gemußt* 
fein oerfdßärfen mürben, mie otel uns in S)eutfcßlanb noeß gu tßun 
bleibt, um biefen SBilbungSgroeig feiner $ebeutung entfprecßenb 
auSguaeftalten unb fo in ftettger angeftrengter arbeit nadßgußolen, 
roaS §iorbamerifa forooßl mie baS britifeße Sufdreicß in biefer 
üöegießung jeßt noeß oor uns oorauS ßaben. 

^)aß in 5ßorbamerifa mieberßolt feßr genaue unb brauch* 
bare Statiftifen über ben Stanb ber Dortigen Public Libraries oer* 
öffentlicßt morben ftnb, mirb ben nicht feunber neßtnen, ber ben 
©ifer unb baS Sntereffe ber S^orbamerifaner an allen SSolfSbilbungS* 
beftrebungen fennt. aber aueß in ©nglaub bat man gu roieber* 
ßolten Stalen ein gleicßeS gctßan. ©S ift oiclleicßt am s ^laße, ßier 




659 


Sogiale $raji3. ©entralblatt für Sogialpolitif. Sr. 24. 


660 


barauf ^irijunjcifcn, ba& bcr crftc Hnftofc, ber bem Parlament unb 
ber öffentlichen Meinung ©ttglanb« in bcr Sichtung bcr Bol!«* 
bibliotheF«beroegung (burd) 3Kr. William ©wart) gegeben würbe, 
gur ©rftattung jene« berühmten tfommiffionSberidhte« im 
englifdjen Unterhaufe am 23. 3uli 1849 führte, ber bann bie 
Sinnahme ber erften BibliotheFSafte (ber fogenannten (Smart« BiH) 
veranlagte. tiefer Söeridjt befd)äftigte fic^ aud) eingebenb mit ben 
Berhältniffen be« 2lu«lanbe« unb leitete au« biefen Urfadjeu unb 
au« ben in ber Sadje felbft Iiegenben ©rünben bie SothroenbigFeit 
bcr, für bie Schaffung non BibliotheFen für alle Bevölferung«* 
Freife in ©nglaitb felbft energifcf) gu forgen. Söeld^en Huffchmung 
feitbem bie englifdhen BolF«bibliotheFen genommen hoben, mag 
man fijb an ber £>anb ber ^§atfacf»e norfteHen, bafc e« beute etwa 
600 bi« 700 grofje englifebe BolF«bibliotheFen giebt, bie in«* 
aefammt etwa einen Büdjerbcftanb non 5 Millionen Bänben be* 
nfcen, baß fte biefelben- jährlich etwa 25 bi« 30 Millionen mal ver* 
leiben, unb ein jährliche« ©inFommen non 4 bi« 4 V 2 Millionen 
SRarF (in Äommunalfteuern!) aufjuweifen höben. 

Xiefer rapibe Shiffchwung ber Public Libraries jenfeit« be« 
$anal« ift neben ber raftlofen Energie aller groFtoren, bie an ihrer 
©ntroicfelung mitgearbeitet höben, nicht gum menigften auch bem 
Umftanbe gu nerbanfen, baft ba« englifd)e Parlament fid) in regel* 
mäßigen 3wif ^räumen Berichte über ben gfortgang biefer ©in* 
riebtung erftatten läftt. Unb man braucht nur etnen BlidF in ben 
amtlichen 3ahre«berid)t be« Education Department gu werfen, um 
eine Borfteüung banon gu erholten, welche WichtigFeit auch bie 
ftaatlidje englifebe Uuterrid)t«behörbe ber gortentroicFelung ber 
BolF«bibIiotheFen beimifet. ©« wäre aufterorbentlidj erfreulich, 
wenn auch bie beutfeheu $tultu«minifterien in ber gleichen ©rFennt* 
nift ihre SlufmerFfamFeit biefen Bilbung«anftalten juwenben unb in 
gleicher Weife, wie ba« Braunfcf>weiger ÜRinifiertum, ©rhebungen 
über ben Stanb ber BoIF«bibliotheFen anftellen wollten. 3n«* 
befonbere ba« preuft. $hUtu«minifterium follte fid) bie Gelegenheit 
nicht nehmen Iaffen, in einer grünblichen Arbeit über bie preufti* 
[eben BolF«bibIiothefen gu geigen, welche Slnfähe gu BolF«biblio* 
tbeFen — benn um foldje bonbelt e« fl<h jo Ieiber bi« jefct in 
Xeutfdjlanb faft nur — febon bei un« oorbonben ftnb. Xiefe 
Arbeit würbe ficherlich gux gförberung unferer BolFöbibliotheFen fo 
manche« beitragen. 

Berlin. Dr. ©ruft Sd)ulfce. 


gfortftUbirag«* tntb $an«^altmt6«fcbulen im ^reufifchett H&geotbtteten» 
Ijattfe; Stifffttf. Sei ber gweiten Beratfjung be« ©tat« ber §aubel«* 
unb (Gcwcrbeverwaltung im B rfl uftifcben Hbgcortmetenhaufc leitete am 
7. HWärg ber Hbgeorbnetc ©ruft von ber freifinnigen Bereinigung in 
eingebenber Bebe eine Berljanblung über ba« gortbilbung«mefen ein. 
Xie gortbtlbung«fd)ule ift banadj nothwenbig au« FultureHen, wirtf) B 
fdjaftlidjen, fogialen, fittltd)cn unb politifchen (Grünben. Xem f>anb* 
werter erweitert fie hie geiftige Schulung, fie wirft ber Berroljung 
ber gugeitb entgegen unb entgiefjt fie gerabe in ihrem gefähr* 
Iichften ©ntwicfelung«alter bent ©ittfluft ber Sogialbemofratie, in 
beren Hrme fie oielfach ber Bilbung«trieb führe. gn ber gortbilbung«* 
fchule muffen bie Berfaffimgcn non B^euhen unb bem Xeutfdjen Seid) 
unb ba« SfögUchfte über bie (Gefcfcc«Funbe gelehrt werben 1897 gab 
e« in $reuften 1425 gewöhnliche gortbilbungöfcbulen mit 140 006 
Schülern, barunter 671 obligatorifd)e mit 72 461 Schülern unb 754 
freiwillige mit 67 645 Schülern, gm ©tat ift bafiir ein 3»fd)uft non 
700 000 M au«gemorfen, abgefehen non ben länblichen gortbilbung«* 
fchulcn. 1896 betrugen bie & offen pro Stopf ber Bevölferung in f reuffen 

13 4 , bagegen in Baben 60 /$, in Bauern 44 4 , in Sadjfen 26 /$, 
in Defterreich 21 /£. Sad) bent .'oanbbuche be« beutfeheu ^ortbilbuug«* 
fchulwefen« non 0. $ad)e fommen 1897 im gangen Stonigreid) Breuhen 
auf 1000 ©inwohner nur 6 ^ortbilbung«ichü!er, ^preuüen fteht erft an 
19. Stelle auf biefern (Gebiete unter ben beutfeheu Staaten. 2luf 1000 
©inwohner fommen in Württemberg 50 3ortbilbiutg«fchüler, in Baben 
36, in Reffen 34, in Sadifeu 28, in Bremen 10, in Seüfj 12, in Wal* 
beef 22, in Sachfen*Stoburg=Wotha 22, in Berlin 21. $er Scbner 
fchilberte bann, wie burch nerfehrte 2)?ahnahmen ber ?lnfftdit«behörbc — 
unO einen Lehrling oorübergehenb gu beurlauben, mußten Sh*ei«fchul* 
infpeftor, SFuratorium u. f. w. in Bewegung gefept werben, fo bafj 8 bi« 

14 2age bi« gur ©ntfdjeibung uergingen 2 c. — ba« bliiheube Jyort* 
bilbung«fd)ulwefen in Bnfen unb Weftpreufcen fdjwer gefchäbigt worben 
fei. Xie Sefolutiou be« früheren 2lbgeorbncten oon Schcncfenborff, bie 
am 6 . s ?(prü 1897 angenommen würbe, forbere, ba« ftortlnlbuug«* unb 
gachfchulwefen weiter au«gubehncn, unb uerlange 00 m l.&pril 1898 ein 
beftimmte« Beitrag«uerhältnif 3 be« Staate« auf bcr Oiruublage, bafj bie 
ÜJcmeinbe (Innung, Bereinigung) vorweg bie Stoften für bie Säumlicb* 
feiten, Neigung unb Belcudjtung trägt, ber Staat bagegen unter Beriicf* 
fichtigung be« Bebürfuiffe« bei ,'vortbilbung«fd)uIcn mit freiwilligem 
Befud) bi« gu 3 / 3 / bei ben obligatorifdieu bi« gu 3 /4 bcr uid)t burdj ba« 
Sdutlgelb gebeeften übrigen Höften übernimmt, tiefer Sefolution fei 
nodj nicht voll entfprod)cit. Sbthig fei, biefc Schulen obligat oft fd) 


gu machen, wie c« in Sadjfen, Baben, Reffen, Weimar, Hoburg unb 
Sonber«haufen bereit« gefchehen fei. Sebner trat bann für bie fauf* 
männifthe gortbilbung, bie 8 ortbilbung«f<hulen für Stab* 
djen unb für bie von ber Sedjten (Slbgcorbneter von 9Renbel*SteinfeIs) 
bereit« befürworteten §au«haltung«fd)ulen ein, mit bem national* 
Iieberalcn ?lbgeorbneten Hrawinfel für bie C^eröngichung von mehr an* 
gufteflenben gad^mäunern gur Seauffidjtigung be« gewerblid)en Unter* 
ridht«wefen«, für ein Seminar gur ?lu«bilbung bcr gortbiIbung«Iehrer, 
g. B. ben ?lnf(hluh von Bibliothcfen an bie gortbiIbung«fd}ulen unb 
eine beffere 2 lu«ftattung ber Öehrcr wie bcr Säumlichfeiten. ^er frei* 
Fonfervative ?lbgeorbnete Hraufe (Walbenburg) unterftiipte warm biefe 
Slnregung unb forberte einbringlich SWittel für bie weiblid;en gort- 
bilbung«* unb bie ^)au«haltnng«fd)ulen. *3)er Mangel an wirthfdjaft* 
lid^er ?lu«bilbung ihrer grauen unb bie barau« henwrgebenbe Unge* 
müthlichFeit feiner $äu«lichfeit treibe ben Arbeiter, wenigften« be« 
Walbenburger Bergrevier«, in bie Schnap«*Hneipen, währenb bie tiich* 
tige £>au«frau ben B?ann fparfam unb gufrieben ntadien unb gegen bie 
Rodungen ber Sogialbentofratie wappne. I'er fonfervative ?lbgeorbnete 
gehlifrf) befürwortete neben Befähigung«ttachwei« bie 2lu«behnung ber 
Baugcwerf«fdhulen, bie ber 2lbgeorbnete Broentel gu aewerblidjen Bttttel* 
fd)ulen au«geweitet fehett möchte. £>anbel«minifter Brefelb interpretirte 
bie Scfolution v. Sdjenfenborff bahin, bafj nur im galle be« Be* 
bürfniffe« ber ©emeinben ber Staat eingufpringen höbe. (Gewerbliche 
SÄäbchettfchulen gehörten gwar gu feinem Seffort unb eine foldje habe 
er in B°f c n errichtet unb weitere würben folgen, bagegen fei e« nicht 
feine Aufgabe, fpegieüe £>au«haltung«fd)ulen gu errichten. 2ev ©entrumö* 
abgeorbnete Dr. ©lattfclter empfahl bie Wahlfreiheit ber Sdiulen unb 
©infügung be« Seligion«unterrichte« in ihren Lehrplan. (Geheimrath 
Simon machte barauf aitfmerffant, bafe feit Einnahme be« Anträge« 
Schencfenborff bie gortbilbung«fchulen um 76 geworfen feien, ba& e« 
feitbem 45 obligatorifche faufmänuifche unb 63 obligatorifchc gewerb* 
liehe mehr gebe; bie fafultativen feien allerbing« um 14 begw. 18 
gurüdgegangen. SFurfe gur ^lu«bilbung ber geeigneten 2ebrer fänben 
gur geit in Berlin, Hannover, ©Ibing unb Bofen ftatt unb fie würben 
noch vermehrt. 5)ie Sehrer feien auch gu gachfonferengen gufammen* 
berufen, eingelne auf Stubienreifen gefdiidt. 2luf bie pflege religiöfen 
Wefen« Südficht gu nehmen, fei empfohlen unb and) mehrfad) einge* 
leitet. Huf BibIiotf)efen fei Bebadjt genommen, in B°l cn SSeft* 
preuhen fei bie Sache bereit« entfd)ieben, benn bort fei bcabfidjtigt, an 
atten gewerblichen gortbilbuug«fdjulen Bibliothefen einguriditen unb 
biefe auch ben Hngel)örigen bcr Schüler gugänglidj git mad)en. Xer 
Hbgeorbnete Seid)arbt (nationalliberal) wiberfprad) bcr Interpretation 
be« Scinifter«; c« müßten, fo forbere ber Hntrag Sd)endenborff> ohne 
Siidfidjt auf bie 2eiftung«fähigFeit ber (Genteinbc vom Staate 3ufchüffe 
gu ben gortbilbuug«fd)ulen gegeben werben. Xie gortbilbung«fd)üler 
blieben weiften« bod) nidjt in berfelben Stabt. Xa« Obligatorium 
fei ba« eingig richtige. (Geheimer ginangratf) 2cipolbt beftritt bie 
Sichtigfeit biefer Huölegung. Bon ber greifinnigen BoIf«partei fprad^ 
Hbgeorbneter Äopfch, ein Schulmann, für bie Bflichtigfeit, Hbgeorbneter 
Dr. 2angcrhan« im )pinblid auf ba« bliiheube gortbilbung«fd)ulwefcn 
Berlin« für bie Wahlfreiheit be« gortbiIbung«untcrrid)t«. Xer Hbge* 
orbnete Schaffner (nationalliberal) begeidjnet bie Schaffung von grei* 
ft eilen in ben beftebeubcu ^au«haltung«* 2 c. Schulen al« erforberlid), 
um bie Xöchter be« Hrbeiterftanbe«, befonber« be« lättblidjcn, ber Wohl“ 
thaten biefer ©inridjtuug theilhaftig gu machen. — Xie Berhanblung 
ift ein erfreuliche« 3 eid)en bafiir, wie allgemein bie Sothwcnbigfcit be« 
gortbilbung«fdjulwefen« von ber BoIf«vcrtretung empfunben wirb. 

©ine BÜbergalerie für Whiteihopef« Seit einigen fahren veran* 
ftaltet ©annou Baniett gu Oftern eine Bilbcrau«fteflung in Xopnbee 
$atl. Xer lebhafte 3ufprud), ben biefe Beranftaltung in ben Hrbeiter» 
Greifen gefunben hat, lieft ba« Brvjcft ber ©rridjtung einer permanenten 
Bildergalerie in Whitedjapcl entfiehen, ein Brojeft, beffeu Hu«fiihrung 
auch balb gefiebert war. gm vorigen gaftre würbe bereit« mit bem 
Bau bcr (Galerie in Whitechapel Soab begonnen unb e« ift beffen Soll* 
enbung in fürgefter grift gu erwarten. Xie (Galerie, beren Leitung ben 
Charity Commissioners obliegen wirb, beftnbet fleh neben ber Public 
Library in Whitechapel Soab. 


«ojtale $i)glette. 


Sihulür^te tu ber BFageburgcr Stabtverorbnetenverfammlung. 

21m 2. Btärg aenehtnigten bte Biagbeburger Stabtverorbneten einen 
Antrag, betreffenb bie ©infiihrung von Sdjulärgteit für alle Schulen 
ber Stabt. Xie Berhanblung ergab, baft in manche Slöpfe ber 
fogialpolitifche gortfd)ritt nur fdftwer hinehigeht. So fntg ein 
Stabtoerorbneter entrüftet, ob benn bie Stabt etwa SHnberbeilftätteu 
einridjten ober ben Arbeitern ,f>au«ärgte holten foüc? ber 

©Itern fei e«, bie Hin ber reinlich in bk Schule gu fd)icFcn unb 
auf ihren ©efunbheit«guftanb gu achten. Xie oielen Ausgaben für 
Bereine, Waffen unb Bcrfammlungen füllten bie Arbeiter lieber ben 
Hinbern guwenben. Btan möge ftdj hoch Berlin gum Btufter 
nehmen; bort beeile man fitf) mit ben Schnlärgten gar nicht. Xer 
Stabtfchulratl) Blatcu erflärie, bie ftäbtifdftc Berwaltung höbe fid) 
fcfjoti lange mit bcr grage bcfchäftigt. Hi über, bie mit llngegiefer 



661 


©ogfole B*ajiS. ©entralblatt für ©ogialpolitif, Br. 24. 


662 


in bie ©dfjulc fämen, mürben in bcr ftäbtifdjen ArbeitSanftalt 
arünblic^ gereinigt unb nach Bebarf neu eingefleibet. $>ie Serien* 
folonien berüdfficptigten jährlich ljunberte twn Ktnbtrn. $)er Antrag* 
fteHer, ©tabtoerorbneter (Mrtner, foroie ber ©tabtoerorbnete ©ombart 
malten geltenb: 

©Item, bie 18, 14 unb 15 JC tn ber SBoche oerbienen, fönnen 
nid^t immer gleich gum Argt laufen. SBernt fte ben Armenargt in An* 
fpruch nehmen, oerlieren fte ftaatsbürgerliche Beeilte unb baoor greifen 
Biele gurücf. Senn beibe Eltern ben Sag über auf Arbeit müffen, 
habe bie Kommune fo ein ©tücfchen Bfttoerpflichtung, ftcfj um bie ©e* 
funbheit ber Kinber gu flimmern, don im gntereffe oer anberen Eltern, 
bie fd um ihre Kinber flimmern unb bp<h nirfjt münden fönnen, bafj 
auf biefe Kranfheiten non anberen Kinbern übertragen merben. HJlan 
fönne wohl etwas non gludjtünien unb ©runbftiicfen oerftehen, brauche 
aber beShalb fein Berftänbnifc für fogialpolitide fragen gu bejtjjen. 
$>iefe fogialpolitiden gragen müffe man mit ©ruft aufnebmen unb be* 
banbeln. Alle Sage fornme bar(n was BeueS. ©r erinnere nur an. bie 
SBohnungSfrage. ©erabe weil bie Sohnungen fo dlecht feten, trieben 
ficb bie Arbeiter in Berfammlungen unb Kneipen h e ntm. (lebhafter 
SBiberfprud) unb Unruhe. Stufe: Unerhört!) ©einig, tnenn ber Arbeiter 
eine orbentlde Sohnung habe, bleibe er auch gu §aufe unb fümmere 
fd um feine gamilie. 

(Erfolg ber 83ewegnng jur BefäutPfung bei Sllfoboltimiiö in 
Belgien, ©S ift befannt, bah foroohl ote oelgifche Regierung wie 
bie ©ogialbemofratie feit einer Beitje non Sühnen einen fpftemati* 
den gelbgug gegen ben AlfoholiStnus führen. S)iefe Bemühungen 
finb, rote fürglirf) gunt erften Sale ftahftifcb feftgeftellt werben 
fonnte, erfolgreich geroefen. 3nt abgelaufenen 3fah rc 1898 ift ber 
Alfoholfonfum in Belgien um 15 Millionen ßiter gurücf gegangen. 
S)a ber ©efammtfonfum noch auf 46 Sillionen ßiter angegeben 
roirb, fo roürbe bie Abnahme in.bem einen gahre oollc 25 % 
auitnachen, was in ber S^bat ein gewaltiger (Erfolg ift. $ie oor* 
ftebenben Berechnungen finb nach ben (frträgniffen ber Srannt* 
roeinfteuer angeftellt, welche fi<h non-47,3 Sill. grcs. auf 36,<» SiH. 
grcS. oerminbert haben. Satnterhtn ift ber Konfum oott geiftigen 
©etränfen in Belgien noch aufcerorbentlich ftarf. ©r fam in 1898 
einem Söertb oon 298 Sill. §rc8. gleich, roooon 73 Sitt. gfrci. 
auf ©chnapS, 185 SiH. grcS. auf Bier unb 40 SiH. grcS. auf 
Sein entfallen. Senn man grauen unb Kinber mitrechnef, fo be* 
trug “ber Konfum pro Kopf noch immer nicht weniger als 50 gfrci. 


•etaerbtgeridjtr. CfctoigmigsSrater. äd) triggert djtc. 

lllttberungett bei ©ewerbegerichtigefchei in ber Sieichitagi- 
fommifftom $n Kürge ift ber Inhalt ber non ber Kommiffion 
gefaxten Bef<f)Iüffe folgenber: 3 un ächft foU beftimmt werben, bafc 
tn ©emeinben mit mehr als 20000 ©inwohnern bie (Errichtung 
einei ©ewerbegerichteS oon ber fianbeScentralbehörbe auf Antrag 
beteiligter Arbeitgeber ober Arbeiter angeorbnet werben muh- 
©obann ift bie 3afiänbigfeit ber ©emerbegerichte, wie auf bie 
Beiträge gu ben ^ranfenfaffen, fo auch auf bie gu ber Snoali» 
bitäts* unb AlterSoerficheruna auSgebehnt worben; ferner auf ©nt* 
fchäbigungSanfprüdbe aus gejehwibrigen ©intragungen in ArbeitS* 
bücher, 3eogniffe, Uranienfaffenbüeher unb JüuittungSfarten ber 
Snoalibitäts* unb AlterSoerficherungSanftalten, fowie wegen wiber* 
rechtlicher SSorentbaltung biefer Rapiere. SaS bie SSerbefferung beS 
Sahloerfahrens anlangt, fo ift befchloffen, bafe bie ©emetnbe* 
bebörbe auf Antrag beS ©eroerbegerichteS eine ßifte ber Sahl* 
berechtigten aufgufteuen hat. ^oligetbehörben, ^ranfenfaffen, weldbe 
im SÖegtrle beS ©croerbegeridbtS beftehen, follen oerpflichtet fein, ber 
©enteinbebehörbe auf Verlangen bie für bie Fertigung ber Sähler* 
lifte für Arbeitgeber unb Arbeitnehmer erforberlichen AuSfünfte gu 
geben, inSbefonbere ©inficht ber -ühtglieberoergeichniffe begw. ber 
©eroerbeangeigen gu gewähren. $>ie Sifte ift oier Soeben oor bem 
gur Sahl beftimmten S^age gu 3ßbermamtS Anrnhl auSgulegen, 
unb ift bieS guoor öffentli<b befattnt gu machen. Ser bis gur 
Saht feine Sahlberecbtiaung naebroeift, ift nachträglich in bie 
Sählerlifte eingutragen. S)er le^te 23efd)Iuh hat bann gum ©egen* 
ftanbe bie ©rweiterung ber tompeteng ber ©emerbegerichte als 
©inigungSämter; fünftig follen bie ©emerbegerichte auch ohne 
Anrufen ber Parteien für bie Beilegung oon ©treitigfeiten wirfen 
fönnen. — Sie bie „Äöln. BolfSgtg." mittheilt, finb biefe Befchlüffe 
in bie $orm itner SRooelle gum ©eroerbegeriebtsgefehe gebracht 
worben. 


£ttetarifd)t 3ta)etgett. 

I« Süilier wtb Srofdlüren. 

Drganifation ber Arbeit. Bon Söuls Blanc. Ueberfeht oon Bobert 
$rager. (Berlin, Berlag oon B. 2. $rager 1899, $reiS brofebirt 
5 Jt , gebunben 6 JC). 

Siefe als 8. Banb ber „Bibliotbef ber BolfSwirthfchaftSlehre unb 
©efellfcbaftSroiffenfcbaft" erfchienene treffliche Ueberfchung be§ berühmten 
frangöfifdjen SerfeS wirb gerabc gegenwärtig, wo bie grage ber 0r* 
ganifation ber Arbeit wieber fo oielfach gefteHt wirb, Sntereffe erregen. 
$)a§ Seutfche BolfSthum. Unter Mitarbeit oon Dr. §elmolt, $ro* 
feffor Dr. Äfircbboff, Brofeffor Dr. Äöftlin, 2anbrid)ter Dr. 2obe, 
Brofeffor Dr. STOogF, B^ofeffor Dr. ©eil, Brofeffor Dr. Sh°be, 
Brofeffor Dr. Seite, Brofeffor Dr. Spdjgrarn herausgegeben oon 
Dr. £anS SKeper. 2Rit 80 2afeln in garbenbruef, $olgf<hnitt 
unb Ifupferäfcung. (Bibliograph- Snftitut, 2eipgig. 679 ©. — 
13 2ieferungen gu je 1 M. ober in §albleber gebunben 15 M.) 

©in fchönes unb werthoolles Buch, bas in Sort unb BUb bie 
S>eutfdE)en, ihr Sefen, ihr 2anb, ihre ©efchidhte, ihre ©prad|e, ©iiten 
unb Bräuche, ihre religiöfen Andauungen, ihr Becht, bilbenbe Äunft, 
Bhiftf unb Dichtung fchilbert. ©S bringt in feinem Snhalt unb in 
feiner AuSftattung felbft bie befte ©mpfehlung mit fich- 
B. glerowSfp, 2)aS AB© ber fogialen Stffenfdjaften. 2)ie gegen* 
wärtige weft*europäifche ©ioilifation. 2eipgig, §. §aacfe. 

S)er ftattliche Banb oon über 600 $rucffeiten ift nur ein $heü 
eines umfaffenben SerfeS, bas fdjon 1870 in Bufelanb erfdhienen ift 
unb bort oerboten würbe. Sebcr biefer leptere Umftanb, noch bas 
Alter oon 30 fahren, baS bas Buch erlebt hat, noch auch Schalt unb 
gorm ftheineit uns bie Bothwenbigfeit gu begrünben, baS Serf beutfehen 
2efern gugängiidj gu machen, ©ewife enthält eS manche geiftooüe Aus* 
führungen, aber wir oermiffen oor Attem einen flaren ©ebanfengang 
unb ein fichereS 3rcl- 

Bcnbfa, ©arl, ^ie wichtigften gragen beS BolfSwohlS. 3 ur Be* 
Ieljrung für Srbermann. ©in Beitrag gur Befferung unferer 
wirthf^aftlichcn unb fogialen Berhältniffe. 2eipgig, Silhelnt 
griebrich- 50 @. fyvetö 80 

2ewS, g., 2)te ©ntwicfelung beS preujjifchen BoüSdulwefenS in bem 
Saljrgehnt 1886/96 (©ammlung päbagogifcher Borträge, heraus* 
gegeben oon Silhelm SReper»B?ar!au. XI. Bb. $eft 10). Bonn, 
g. ©oennecfenS Berlag. 32 ©. B^eiS 60 4- 
St eil, St., ®ie Benorbnung beS ^anbwerfer* unb 2ehrlingSwefenS. 
©ine gemeinoerftänbliehe ©arftellung ber oom geltenben Bechte 
abweiihenben Borfchriften beS BeichSgefepeS, betreffenb bie Ab* 
änberung ber ©emerbeorbnung, oom 26. guli 1897. SBit einer 
XegtauSgabe beS ©efefeeS. 2eipgig 1898, ©buarb AoenariuS. 
120 ©. 

§echt, Dr. gelij, ©rohh- Bab. ©eh- ^ofrath in 9Kamtheim, ®ie ©nt- 
dulbung beS länblichen ©ruubbeftfecS (25ie §gpothefentilgungS* 
Berpcherung). Als SBanuffript georueft. SWannheim, §ofbuch* 
bruderei 3)?aj §ahn & ©o. 

gahrbüdjer für Bationalöfonomie unb ©tatiftü. ©egrünbet 
oon Bruno §ilbebranb. §erauSgegeben oon B^of. Dr. g. ©onrab 
in Berbinbung mit B^of. Dr. 2oening unb B^of. Dr. SB. 2ejiS. 
III. golge. 17. Bb. gena 1899, ©uftao gifchcr. SRonatlicij ein 
©eft, 6 §efte bilben einen Banb. Breis beS BanbeS 15 M. t 
eines eingelnen $efteS 3 M. 

STOittheilungen ber B*eu&ifd)en ©cntral*@enoffenfdhaftS* 
laffe. f>eft II. ©tatiftifche ©rgebniffe beS ÄatafterS mit ©in* 
f<htu& beS I. BachtrageS ber im Königreich B^ eu 6 e ä oorhanbenen 
eingetragenen ©enoffenfehaften. Berlin 1899, ©arl £>egmannS 
Berlag. 

II. ^ntiffacheit mm Bertoalttwgeit, Bereineti ic. 

Amsterdam. Bureau van Statistiek der Gemeente Amsterdam. — 
Statistische Maandberichten en Recapitulatie over het jaar 1898. 
30 S. Prijs f. l,oo. 

©tettin. ©tabthauShalt oon ©tettiu pro 1. April 1899/1900. 
granlfurt a. 3Ä., Beiträge gur ©tatifti! ber ©tabt granffurt a. 3Ji. 
©rgängungsblatt Br. 5. Aus bem ©rgebniffe bcr ©rljebung über 
bie SohnungSoerhältniffe gelegentlich ber BoltSgählung oom 
2. 2)egentber 1895. 

—, ©rgängungsblatt Br. 6. AuS ben ©rgebniffen ber ©emerbegählung 
oom 14. guni 1895. 

—, $abellarif<he Ueberftchten, betreffenb ben ©ioilftanb ber ©tabt granf* 
furt a. SB. im ga|re 1898. 

3Bannhrim, Boranfdjläge über bie ©innahmen unb Ausgaben ber 
ftäbtifchen Kaffen pro 1899. 

Breslau. ©ifcungSberichte ber ©tabtoerorbneten oom 26. ganuar bis 
2. SBärg 1899; btergu Beferate oon ©. 35—106. 
gr ei bürg i. B., Borlage beS ©tabtratheS ber ©tabt greiburg i. B. 
an ben BürgerauSfchufj. 


SSerantmortlld) für bie Slebaftton: Dr. örnft grande tn SerUn W. f Sagreut^erftrafee 29. 





gering Mit giiRfittr & gumhlot in geizig: 

Mit h 

$on 

Cubtnig ^elir. 

--- Ißreiä 2 2». 40 $f.- 

Serantroortltcf) für öle attjclflen: ^cUmutli «ctbei, ttctpjia. Vertag uou Juncfcv vV $uwblu|, gcipiig. — öcbrutft bet guituS eittenfelb, Berlin- 



Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
A. Trosctael in Berlin W. 


Arbeiter-Versicherung 

im Auslande. 

Bearbeitet von 

Dr. Zacher, 

Kais. Geh. Reg.-Rat im Reichs-Versicherungsamt 


Die Arbeiter-Versicherung in Italien. 


Preis 2 Mark. 


Verla g von Gustav Fischer in Jena. 

Soeben erschien: 

Die Lehre vom Organismus 

und ihre 

Beziehung zur Sozialwissenschaft. 

Universitätsfestrede -**=3 
mit erklärenden Zusätzen und Litteratumachweisen 

von 

Oscar Hertwlg, 

Direktor des anatomisch-biologischen Instituts der 
Berliner Universität 

-- Preis: 1 Hark. - 


SwfiraultS ött ©affen 

Fl 5« 

demjenigen bet 

„kleinen ICeure“, 
bet DSoTjltjabenben 

unb Jüeidfjen 

uiib hie 

marxl$tf$cbe Doktrin. 

Bon 

R. e. may. 


jMmberiibtutit 

auf 

^cßmoiletf 
9efjrbu<fc für 
40efet5O<kung |c. 


Jpreig: i 43&arft. 


Xeiyjig, 

Deriag bon UPunAet & ©umblot. 

1899 - 













VIII. fJajjrgang. 


Ser [in, ben 23 . iDiäq 1899 . 


ilummer 25 . 


Soziale ptayis. 

@enf*afMaff ^ogiafpoJHfiß 

mit ber SftonatSbetlage: 

Vas Gewerbegericpt. 

©rgatt bes Derban&es beutfdjcr (Beroerbegeridjte. 

Reue golge ber „Vlätter für fojtale ©röjiS" unb beS „©oatalpolitiftpen GentralblattS*. 

Crfiteittt an febem ®owaerfl«S* $€Cait§gcber: $ret* tittlelittrli* 4 SR. 50 $f. 

Rebaltlon: ©erlitt W., ©apreutherftraße 29. Df* cftötllfet» ©erlag Oon Sünder & £>um6lot, Sep^ig. 


äntjalt 


©et ©djufe „bet Sltbeitßtoil* 
ligeit* in ©Sweben. ©on 
Dr. 8 ljel Rappael, Redjtßamoalt, 
©todljolm.665 

VCDaa*etae ©«stob *»b 
»0lttif.668 

gtnansmtnifter Dr. ö. SRiquel 
unb bet ©erein für ©oaial* 
polt tif. 

ßur JDrganifation bet Stibeit. 

©te örtlichen «RentenfteHen „fojial. 
nefabtlidi"? 

©ie ©eroetll^aften unb bet paritätifepe 
flrbeit§nai®ei§. 

3 mmet mepr neue Slibeitetfefietatiate. 

koututuuaU «ostalpolitil .... 671 

Siegelung bet ©ienft- unb ßobnöer» 
böltniffe bet ftäbtifäen Arbeiter in 
ÜDlannljehn. 

©te ftabtifc^en Arbeitet in (Sannftatt. 

©OiialbetnofratifdfjeS ©emeinbetoaljl* 
Programm in ©arfjfen. 

©oataliitiftbefi SDlinimalptogtamm im 
Sßatifer ©emeinbetatb. 

8ldjtftunbentag bet gemeinblidjen 81 t» 
beitet in SSeftbam (Sonbon). 

kommunaler ©elepponbienft in ©ng* 
lanb. 

«• ilalt Snftönbe :.673 

ßur Siegelung bet GTigarren * £>auß* 
inbuftrie in ©eutfdjlanb. 

©erein jum Setup ber kinber bot 
Slußnupung jmb ÜJti&panblung in 
©etlin. 

Slrbeitßjeit unb 8 ltbeit 8 letftung im 
©teinfoblenbetgbau 3 U Rofftp. 

IHrbeitdlofenunterftÜbung burtb Arbeit 
in Sille. 

Sobnfteigetungen in ben Sereinigten 
Staaten. 


iUfbeitgeber* unb Unieritebraerbet» 

bänbe ..676 

©rünbung beS beutfdjen SHrbeitgeber« 
bunbeß für baß ©augeroetbe. 
Slgitation für ben ©pitituSting. 

.676 

©ie Sobnbemegung in ©eutfd&lanb. 
Redjenfdjaftßberic&t bet ©etliner ©e* 
merffdjaftßfommiffion 1898. 

©et beutle ©tetaflarbeiterberbanb. 
©er baperifdje (Sifenbaf}ner»©erbanb. 
Sflrbeiterfefcetariat aJliindjen. 

©aß ©tuttgarter 8lrbeiter*©efretariat. 
©aß Drgan ber öftetreitbiiepen ®e- 
»erffdjaftßfommiffion. 
Sltbeiterbemegung in $ßatiß. 
RttbeitetberfUbetung. ®patf affet» 680 
©erQefcpaftßbeiidjtbeßReidpß» 
©etficberungßamtfi für baß 
gapr 1898. ©on b. Uranien- 
berg, ©tnbtratb, ©taunfebweig. 

©ie ©etfieperung gegen Slrbeitßlofigteit. 
UnfaUPerficberung in ben Riebetlanben. 
Slrbeiteroerficbetung in IRu&lanb. 

«ItbettfnadMuei».683 

©ie Sage beß beutfdjen Ärbeitßmarfteß 
im Februar. 

Slrbeitöpermittlung im ßieglitgetoerbe. 
©tabtiftpeß Slrbeitßamt SÖßündjen. 

©et 8lrbeitßmar!t in Unterfranlen. 

fBobumtgßtoefett .684 

SJlangel an fleinen 2Bopnungen in 
SJlagbeburg. 

Sltbeitermobnungen in ^oHanb. 
kleinpauß»©efep in ©nglanb. 

StSiebuna unb ©Übung.685 

ffiropenbet ©lange! an Sept* 
fräften für bie pöljeten Sepr» 
anftalten in ©teuren. ©on 
Dberleprer Dr. ©. pudert, Sleifce. 
Sttteravifdie ftuflctgeu. 686 


titbbrud fflmmtlicpet Ärtifel tft ßeiiungen unb ßeitfeptiften geftattet, febotp nur 
mit PoUet CuieHenangabe. 


Bet Sdjufe „öer ^rbeitsmiUlgen“ io Sdjweöen. 


^ic fokale ßagc in ©d^tüeben fängt an fid) gu 3 ufpifeen. ®ie 
ungemein lebhafte unb im ©rofeen unb ©angen erfolgreiche @treif® 
beroegung im ©ommer unb £>erbft 1898, bie rafcf)e (fntroicfelung 
unb 9teubilbung oon ©eroerfoereinen, ber Sefchlufe enblid) be 0 
@eroerffchaftSfongreffe£ über ben Slnfchlufe ber Vereine an bie 
iojialbemofratifche Arbeiterpartei, mooon feiner 3 eit in biefen 


Slättem*) berichtet mürbe: bieg Sllleg ruft jefct bie Slntroort 
außerhalb fomohl als innerhalb ber ßegislatioe h crüor - ®i e 
reifte ©timmung ber anberen Parteien über „bie liebergriffe" ber 
Slrbeiterberoegung fommt 31 t mehrfachem HuSbrucE. @ine 3 u* 
fammenfchltefeung fcfjroebifther Arbeitgeber ift im Serben, unb bie 
grofeeit ©ägemerfsbefifeer in ber $ähe oon ©unbSoaH hoben neuer* 
bingS ben Austritt aus ben ©emerfoereinen ihren Arbeitern als 
unerläßliche Sebingung für meitere Befchäftigung in ihren 9$e* 
trieben gestellt; eine ©chilberung beS Verlaufs biefeS eben auSae* 
broebenen Kampfes mitjutheilen, roirb fich bem ©chreiber biefeS 
eine Gelegenheit hoffentlich halb bieten. i)ann hot ber Reichstag in 
ben leßten 28o<hen 3 met Slnträge angenommen, um auch an feinem 
£heile ber bropenben Semegung dinpalt 3 U tpun: GrftenS eine 
3 iemlich unpraftifche Dlefolution, bie Regierung möchte einen Gn U 
rourf 3 U „erforberlichem ©chuße ber in gehöriger Drbnung abge* 
fcploffenen ArbeitSoerträge" bem Reichstage unterbreiten — gerabe 
als ob folcpe Verträge, bie übrigens auch bei uns äußerft feiten 
oorfommen, nicht fepon jeßt allen notpigen ©cpuß befäßen! © 0 * 
bann aber eine bebenflicpe AuSbepnung ber fepon an fiep siemlicp 
ftrengen GefeßeSbeftiinmung über Gemalt unb $)ropung. 

®ie bisherige Gefeßgebung beftraft im Rtayimum mit 3 uc Pt* 
pauS bis 3 U 3 ioei Sopten Seben, ber einen Anberen burep Gemalt 
ober burep 23ebropung roiberrecptlicp 3 U einer ^onblung, ©ulbung 
ober Unterlaffung nötpigt, unb überläßt außerbem — menn bie 
Rötpigung Speilnapme an einem AuSftanbe ober |>inberung, 3 ur 
Arbeit 3 urücf 3 ufepren ober bargebotene Arbeit 3 U übernehmen, be* 
abfieptigt — feit 1897 baS SBerfolgungSrecpt bem ©taatsanroalte. 
3eßt erroeitert ber ReicpStagSbefcpluß bas Gebiet ber ©trafbarfeit 
bapin, baß er ben Rerfucp bem oollenbeten Rerbrecpen in 
beiber .f)inftcpt gl ei cp ft eilt. 

Gine bebenflicpe Reuerung ift bamit in bie fepmebifepe ©traf* 
gefeßgebung eingefügt. An unb für fiep ift nadfj fdfjmebifdjem 
Recpte ber Rerfucp nur in einigen, befonberS gefährlichen gälten 
ftrafbar. Rerfucpe 3 U ©lorb ober $>iebftapl 3 . 33. gepören niept 
hierher. Aber niept genug bamit: 3n jenen menigen Säßen, mo 
ber SScrfucp überhaupt ftrafbar ift, ift er es nur ba, mo er ooll* 
enbet ift unb ber Später nur oon llmftänben, bie oon feinem 
SBißeit unabhängig roaren, in ber Ausführung beS ÜBerbrecpenS 
gepinbert roorben ift. 33ei ©treifs aber fällt naep bem neuen 
^rüuipe ber Später, auch menn fein böfer 3Siße niept ftarf genug 
gemefen, bie oerbreeperifepe Abftcpt burcp 3 ufüpren, ber ©träfe an* 
peim. S5aS Graebitiß mirb alfo, menn ber Antrag Gefeß roirb, 
folgenbeS: 33erfucp 3 U Siebftapl ober SRorb bleibt immer noep 
ftraffrei, 33erfucpe 311 Rötpigung, eine Arbeit 3 U oerlaffen, fann 
fogar mit 3ocptpauS beftraft roerben. 3 eu 0t i a boep biefeS „Ver¬ 
brechen" naep ber Auffaffung beS GefeßgeberS noep oon einer roeit 
gefährlicheren 33ißenSricptung als ein „bloßer" ©lorboerfuep! Sie 
nötpige Äonfequen 3 , auep ben 33erfucp 3 ur Rötpigung, in ber 
Arbeit 3 U oerbleiben, in gleicher Söeife 3 U apnben, ift freilich niept 
ge 3 ogen. Ser Gparafter einer AuSnapmegefeßgebung, bas 
Vemiipen, ben 33cftrebungen ber Arbeiterflaffe fiep roirtpfcpaftlid) 
unb fo 3 ial 3 U peben, auf bem Vkge ber Recptfprecpung entgegen* 

^ .©oktale ©rarts" VII. oobrg. ©p. 1*2*21 n. r. 















667 


Soziale <ßra£is. (Scntralblatt für 0ogialpoütif. 9»r. 


66S 


gutreten, ift barnit gu Dotter MIarpeit gebracht. „BSaS bem ©inert 
reept ift, ift bem Anbern niept billig." 2Benrt ber Arbeitgeber gut 
BerfucpSnötpigung fcpreitet, „ja, Sauer, baS ift gang waSanbereS!" 

3n ber übrigens ungemein mageren Segriinbung bdS ©efeßeS* 
auSfcpuffeS beS SReicpstageS burfte biefer ©eficptSpun ft freilief) niept 
gum.Ausbruc! Fommen. 0tatt beffen mußte man fiep mit ein paar 
nieptsfagenben ^ßprafen begnügen. X)a Reifet eS 3 . S„ baß bem 
betreffenben Berfuepe „an unb für fiep eine bebeutenbe ©efapr für 
bie SReeptSorbnung innewopne", unb „bei ArbeiterauSftänben ift 
ber Unterfcpieb gwifdjen Berfucp unb ooHenbetem Berbreepcn faft 
gleiepgiltig". Unb bie Debatte im BeiepStage, in ber man offen* 
bergiger fpraep, mußte auf beit mit fcpwebifcpen Berpältniffen Un* 
bcfannlen ben ©inbruef maepen, baß uitfer 0 trafgefeß 3 wan 9 unb 
©ewalt bei AuSftänben ungeapnbet läßt, benn barüber — über 
allerlei Ausbreitungen, beroiefenen unb unberoiefenen — panbelten 
bie Debatten. Unb boep werben mit ben jeßt geltenben SRecptS* 
beftimmungen bie BepörDen febr leicf)t mit ben (Jrceffen „ber Auf* 
roiegler" unb „ber Xqrannei" ber ©ewerfoereinSorgane fertig! 
dagegen ift mit bem nagen unb bebnbaren AuSbrucfe „Berfucp" 
ben mannigfaltigfien Xracafferien, ber weitefigepenben SSiüfür ber 
ritf)ferlicf)en Auslegung Xpor unb Xpür geöffnet. 3öaS läßt fub 
nicöt alles in ben nebelhaften BFantel beS „BerfucpS" einpüllen? 
23ann gebt 3 . B. bie Ueberrebung in bie SRötpigung über? Auf bie 
0 (pwierigfeiten ber richtigen ©rengbeftimmung brautbt man beutfd)e 
ßefer, bie baoon felbft ein ßieb gu fingen wiffen, am allerrocnigften 
aufmerffam gu maepen. 

Aber nid^t einmal bie Begeiepnung als „unnötpig, unflar, 
nngereept, gefährlich", womit fogar fonferoatioe peroorragenbe 
SRccptSgeleprte unb Beamte ben Antrag eparafterifirten, fonnte 
bie Majorität i er gweiten, „oolfSermäblten" Kammer oon ihrem 
roaprfepeinlicp fepon im BorauS gefaxten Beftpluß gurücfpalten, 
bie MriegSerflärung ben oerpaßten „Agitatoren" ins ©eftepi gu 
fchleubern. X)enn man täufepe weber fiep noep ben Außeitftepen* 
ben: Meine befepönigenben ^prafen oermögen bie Auffaffung 3 U 
befeitigen, baß eS fief) barum panbelte, bie BSirffamfeit ber ©e* 
wertoereine lahm gu legen unb bie Arbeiterbewegung ins 0tocfen 
gu bringen. 3 » biefer £>inficpt fpielt bie übrigens pöcpft unfluge 
unb im ©runbe giemlicb unpraftifepe SßroFIamirung beS Arbeiter* 
oereinSfongreffeS 00 m Anfcpluß an bie fogialbemofratifcpe Partei 
nur eine fefunbäre Botte. 23aS feheren fid) ruhige ©cfcpäftsleute 
unb praftifepe Bealpoliüfer im ©runbe ihres £>ergenS um bie 
poeptönenben Xiraben oon Mongreßrefolutionen? Biel ©efeprei unb 
wenig Stolle! 

XaS beftimmenbe ^auptmotio für bie SReicpStagSmeprpeit 
bürfte oielmehr ber Auff<|mung ber gangen Arbeiterbewegung unb 
ber ©rfolg einer SReipe oon AuSftänben fein, barunter freilich uuep 
folche, bie rein aus Unfug unb SRücfficptSlofigfeit peroorgegaitgen 
finb. 0o ift baS Aergerniß gewaepfen, bis bie fonft fo flugen 
unb bebächtigen ßanbleute 0cpwebenS neroöS würben, ben Mopf 
oerloren unb ben ßoeftönen ber agrarifchen Sunferniajorität ber 
erften Kammer, bie fchon oor gwei 3uh r ^n gu biefer Ausnahme* 
gefeßgebung bereit war, enblicp naepgaben. Xiefelbe Berfatnmlung, 
bie noch im oorigen 3<*pre einen ähnlichen Antrag mit erheblicher 
©timmenmeprpeit oerwarf, geigte fiep jeßt bereif, als dichter in 
bem fogialen Mampfe ipr Botum gu ©unften beS 0tarfen gegen 
ben 0 d)mad)en abgugeben. Xie 3 eiten finb längft ooriiber, wo 
ein peroorragenber Bauernfiiprer ben ©egnern beS allgemeinen 
0 timmrecpts gurief: „9?icf)t fdjrecfet 3 h r uns mit bem fcpwebifcpen 
Arbeiter, er ift Sein 001 t unferm Sein unb Sleifd) oon unferm 
gleifdj!" Xie raupe s Mrflid)Feit mit ihren Sntereffenfonfliften ift 
feitbem bebeutenb näher gerüeft; ber mittelgroße ©runbbefißer fiept 
ben fommenben 3 ufawmenfchluß auep ber lanbmirtpfcpaftlicpen 
Arbeiter mit Angft entgegen, unb mit ber ©emütplicpfeit pat eS 
auep hier ein ©nbe. 

Xaß ber SReicpStagSbefcpluß, wenn er wirfliep ©efepeSfraft 
erhält, oon fcpwermiegenben folgen fein wirb, brauept nid)t in 
biefen Blättern peroorgepoben werben. £)ie Arbeiter werben fidp 
als in ber Steicpsoerfammlung nicht oertreten unb als ber oollen 
^Bürgerrechte nicht tpeilpaft betrachten. Xie bisher mancherorts 
nod) befriebigenben, patriard)alifd)en Serpältniffe werben ben Mlaffen* 
fäntpfen geöffnet. Xie fogialbemofratifdjen 0 äemänner haben in 
ihrer Arbeit eine treffliepe Miilfe befommen. Hub bei allebem wirb 
bem 3 ufatnmenfcptuß ber Arbeiter fein ©inpalt getpan; er wirb 
nur oorfidjtiger unb mehr iuSgepeim, organifirt werben. £)er ein* 
gige ©ewinn beS ©efepeS wirb oermeprte Ungnfriebenpeit unb ©r* 
bitteruua fein. 

3nbeffen ift mit ben Abftimmungen im SReicpStage ber Antrag 
nod) nidjt ©efep. 9?od) pat er gwei ©tappen gu paffiren, wobei 


er waprfcpeinlicp nicht mit peiler ^>aut baoonfommeit wirb, ©ie 
jebe ©efepesänberung wirb auep biefer ©egenftanb bem ©utaepten 
beS 9teicpSgericptS unterbreitet, unb eS ift faum gu erwarten, baft 
fie ber unparteiifepen £riti! ber peroorragenbften wiffenfcpaftlicp 
gefcpulten fd)webifd)en ^ecptSgeleprten 0tanb palten wirb. Söürbe 
aber bieS aud) ber gall fein, fo bleibt boep noep eine lepte AuS* 
wapl übrig: bie Regierung !ann ipre 0 anftion oerweigern. 3 pr 
jepiger ßeiter, §err Softröm, pat mepr als einmal feinen praf* 
tiftpen Slitf, feinen füplen Mopf bewäprt. ©r ift ein aUgu Huger 
0taatSmann, um niept bie Mrone poep über ben fogialen $artei- 
gegenfäpen palten gu wollen. Xen Sranb ber ^laffenfämpfe wirb 
er, was auf ipn anfommt, poffentlicp niept fepüren! 

0todfpolm. Afel SRappael. 


SUlgemeine Sozial- unb ttirtljfdiafl^polltik. 

^inangminifter Dr. tum iRiquel unb ber Serein für Sogialpolitif. 

9Sir erpalten folgenbe 3ufcprift beS g>errn StinifterS Dr. oon 
Stiqucl: 

S)ie oereprlicpe SRebaftion ber „ 0 ogiaten ^rayis" würbe miep 
oerpflitpten, wenn fie bie ©üte paben wollte, gur Söiberlegung ber 
Sefcpwerbe beS §errn SrofefforS 3Beber in ber 9£r. 24 ber 
„0ogialen ^rayiS" über meine Aeußerungen im Abgcorbneten* 
paufe in Sctrcff ber Sebeutung ber ©nquete beS SereinS für 
0 ogialpolitif über bie ßanbarbeiter bie betreffenbe 0 teOc aus bem 
anltegenben ftenograppifepen Sericpte abgubruefen. ©S wirb barauS 
für jeben unbefangenen ßefer peroorgepen: 

1 . baß id) oon £>errn ^rofeffor ©eher weber gefproepen noep 
nur an ipn gebaept pabe; 

2 . baß id) ben ©efammtberiept über bie länblicpeit Serpält* 
niffe niept für unrieptig, fonberit im ©angen für ridptig 
erflärt habe; 

3 . baß icp oielmepr nur miep gegen ben in ber Debatte ge* 
machten Serfucp gewanbt pabe, ber Slittpeilung ober 
Xarjteüung eines einzelnen — gur Mlarfteüuitg will icp 
ipn fo nennen — HnterbericpterftatterS eine autoniatioe, 
00 m Serein oertretene Sebeutung beigulegen unb feine 
oiclleid)t Iotale SRicptigfeit gu generalifircn. 

$err ^ßrofeffor s Beber pätte meiner Meinung naep wopl beffer 
getpan, fid) oorper über meine wirfliep aefproepenen 2 Borte gu 
unterriepten, ftatt aus ungenauen 3 e i tun Q3foricpten einen perfön* 
liehen Angriff gegen miep gu fonftruiren unb fogar in meinen 
^Sorten, obwopl felbft fein irrtpümlicper 3 eitun 93 bericpt baS gerabc 
©egentpeil erfennen läßt, eine flare Abfage ber ^Regierung an bie 
wißenfcpaftliepen Seftrebungen beS SereinS gu erbliden. Siept ber 
Angriff beS §errn ^rofeffor Söeber, fonberu bie leptere Sepauptung 
pat mir. ben Shmfcp einer Sericptigung nape gelegt. 

Stiquel. 

Xie betreffenbe 0teHe ber SRebe beS Siinifters in ber 0ipuug 
beS preußifepeit AbgeorbnetenpaufeS 00 m 11. Jebruar lautet naep 
bem ftenograppifepen s $rotoFoH folgenbermaßcu: 

3 rf) habe midi aber niept beswegen gittu ÄÖortc gcmclbct, fonberit 
um ^eugniß abgult'gen über ben Seretn für Sogialpolitif, beffen SDiit* 
glieb id) felbft noch bin, obwohl niept mehr ein tpätiges, mtb baper 
genau weiß, wae? bie Siidier, bie ber Sereilt herauSgiebt, bebeuten. 

an hat mm gejagt, biefe (iiiquctcn fänbeit ftatt unter ber Autorität 
ber Regierung. Xaooit ift mir nidits befanitt. f.^ört, hört! reeptS.) 
3)1 au hat bann auf einzelne Serieptc oon cingelncn ^erfonen, bie bem 
Sercim?oorftaiibe uub felbft ben Xegcrncnten, bie für beftimmte ©egenbeu 
ba^> Xegcruat übernommen haben, oft nid)t mal pcrföuUcp befannt fmb, 
eilt autoritatioeS Wewidjt gelegt, als wenn ben großen Wahrheiten 
biefer einzelnen Serieptc überhaupt nidjt wiberfprocijeii werben fönnte. 
( 0 ehr gut! rechts.) ^err Dr. Sartß hat meiner ^iciiumg nadj gang 
mit llured)t biejeiiigcn Aebner gctabelt, weldje berid)ten aus ihrer 
eigenen ^ebeiisfenntniß ber Serhältuiffc in beftimmtcu ©egenbett. SRciitc 
Herren, id) bin ber Stciuuug, bie fid)erften Scricpterftattcr fmb bie, bie 
bie 0adien felbft gefehen, gehört unb erlebt haben, i 0ehr wahr! red)ts.) 
Xer Augenidieiit ift immer nod) bas beffc Beweismittel. ( 0 epr richtig! 
redits.) Aber ein Bmp lefen oon einem eingeluen iWenfdjcu, ber bem 
2 efcr gar nicht befannt ift, beffen Wißen uub 3 uü crläffigfeit, beffen 
Stellung gu allen fogialen fragen ihm ooüfommen fdjleierpaft fmb, 
uub barauf ein foldics ©ewidit gu legen, wie man legen muß auf bas 
3 eugitiß eines foldjeu Biaunes, ber bie Dinge aus eigener Wiffcnfcpaft 
fennt, bas ift eine Bcrwedjfelung, bie icp gar nicht begreife. (Sehr 
rieptig! repts.) Wie wirb baS in bem Bercitt gemadjt? ©S wirb be* 
fdjioffcn, eine ©nquete über bie i'age ber 2aubarbciter in Deutfd)Ianb. 
£sd) halte es für im höcpften ©rabe wünfd)enSwertp, baß biefe Sage 
griinblicp aufgeflärt wirb, ^eßt uertpeilt ber Beretn Degcmate für bc= 




669 


©ojiale $ra|i8. Eentralblatt für ©ogialpolitil. 9h:. 25. 


670 


ftinunte ©egenben, unb ba übernimmt ein Element einen beftimmten 
Besirf unb menbet ftcfj nun an eine ganse Stenge non ^erfonen, bie 
ibm bem tarnen nach befannt finb, oon welchen er annimmt, fte »er* 
[teben etwas, fie finb aud) willig bap, 31 t berichten. Er fennt biefc 
Bctfonen otelfad) perföitlicf) überhaupt nicht, unb bie Briefe, bie nun 
biefe 2 eute fcbretben, werben in ba§ Bud) aufgenommen. Tie ©cfammt* 
ijeit ber Berichte macht gcwt [3 einen richtigen Einbruch aber fchwören 
wie auf ein (Soangelium auf ben Bericht eines einseinen Cannes, fällt 
bem Bcrein unb beut BereiuSoorftanb auch fcmcrfeits niemals ein. 3<h 
glaube baber, bah bie Bebcutung ber einzelnen Berichte gänslicb oer= 
rannt wirb. BJenn nun in einem einseinen Beridjt aus einer einseinen 
©egenb mellei^t mit Besug auf ein einsclneS perfönltdjes Erlebuifj oon 
ber Unfittlicbfeit auf bem 2 anbe gefprochen ift, wie fann man eine folche 
Aeufcerung autoritatio uerallgemeinern unb in [olchent ^ufammenhang 
gebrauchen. (3cf)r wahr! rechts.) Ta$ ift mir oollfommett utterfinblich. 
BSenit bie Herren feine beffcreit Beweife beibringen, fann ich nicht uiel 
barauf. geben. (Braoo! rechts.) 

* * 

* 

£)h«e uns in bie perfönliche $ontrooerfe swifchen bem §errn 
Sinanminifter unb #errn ^rofeffor Dr. Meber su mifchen, gellen 
mir feft, ba& §>err Dr. non Miguel in feinem Schreiben an uns 
ben non ber „Teutfchen Snbuftrieseitung" in ihrer ÜRr. 7 
unternommenen Berfuch, aus ben Ausführungen beS MinifterS im 
Abgeorbnetenbaufe „eine !lare Abfage ber Regierung" an 
ben Berein für Sosialpolitif su fonftruiren, mit aller 
Entfdjiebenheit als falfch surücfweift. 


3nr Organifatüm ber Arbeit Ten im Reichstag eingebrachten 
Anträgen Sieber*£>ifce unb Baffermann*o. £>epl auf reichSgefefcliche 
Errichtung oon Drganifationen, in benen geroerbliche Arbeitgeber 
unb Arbeiter gemeinfam über beftimmte Angelegenheiten beraten 
unb befchliefjen (»gl. Sp. 582), tritt nunmehr ein britter, »om Ab* 
georbneten Boeficre mit llnterftüfcung ber fretfinnigen Bereinigung 
eingebrachter Antrag hüt 3 u ber folgenberma&en lautet: 

Ter Reichstag wolle befchie&en, bie oerbiinbeten Begierungen 
Su erfudjen: 

Sur Erfüllung ber in ben Erlaffen beS ÄaiferS oom 4. Februar 
1890 ber ©efefegebung geftellten Aufgaben bem BeidjStag ferner 
einen ©efepentrourf oorsulegen, burd) roelchen 

1. ben sur Wahrnehmung oon BerufSintereffen ge* 
grünbeten Bereinen BechtSfähigfeit oerliehen roxrb, 
roenn fte ben §§. 50 bis 60 beS Bürgerlichen ©efefebuchs 
genügen; 

2. ben im §. 152 ber Beid)S*©eroerbeorbnung ermähnten 
Bereinigungen unb fonftigen sur Wahrnehmung oon 
BerufSintereffen gegrünbeten Bereinen geftattet roirb, ihre 
Begebungen sunt 3 ro ecfe ber Berbefferung ber 
Sage ber Arbeiter auch auf Beränberungen ber 
©efefcgebung su richten unb miteinanber tn Ber* 
binbung su treten. 

ES ift in biefen Blättern ftets betont toorben, bafc eine ge* 
meinfame Drganifation oon Arbeitgebern unb Arbeitern nur bann 
lebensfähig unb roirffam fein fönne, roenn fie auf bem Unterbau 
oon Sonberorganifationen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter rube. 
liefen Stanbpunft oertritt offenbar auch ber oorftehenbe Antrag. 
Er bofumentirt ittSbefonbere, bajj bie gforberungen ber BechtS* 
fähigfeit unb ber Bewegungsfreiheit ber BerufSoereine, für bie fich 
ber BeichStag roieberholt ausgefprochen hat, burd) bie Anträge beS 
EentrumS unb ber Bationalliberalen nicht erfefet roerben, fonbern 
bie Erfüllung ber erfteren bie BorauSfe^ung unb bie ©runblage 
für Iefctere btlben ntufj. 

Tie örtlichen BentenfteUcn ,,forialgefährlhh" ? $er ®iber* 
ftanb gegen bie örtlidjen BentenfteUen, bie bie Booette sur Sn* 
oalibenoerficberung oorfchlägt, roirb befanntlich in ben Befolutionen 
grofeinbuftrieller Unternehmeroerbänbe mit ber Behauptung be* 
grünbct, bafe mit biefer Einrichtung fosialbemofratifchen Agitationen 
Borfchub gcleiftet roerbe. Auch auf fonferoatioer ©eite fteKt man fich 
auf biefen enghcrsigen Stanbpunft. 6o hut in ber^ommiftionSfifeung 
oom 14. Märs ber fonferoatioe Abgeorbnete Freiherr oon Bid)tbjofen 
firfj mit großer £>eftigfeit gegen bie BentenfteUen geroaubt; er 
nannte fie eine fo.siatgefäfjrlicfje Maßregel, roeil fte ben Arbeitern 
eine neue (Gelegenheit s u wählen unb gewählt su roerben gebe unb 
bamit sur ©tärfung ber ©osialbemofratie führe, Solrffe fürs* 
fichtigen Andauungen roieS nach bem Bericht beS „BorroärtS" ber 
Staatsfefretär ©raf BofaboroSft) wie folgt surücf: 

„Tie prcufüjchc Begimmg fei einftimmig für bie Beuteuftellcu. 
'Beim man fich auf bett ©tanbpuuft BirfdhofenS [teile, bann ocrlaffe 
mau beu Bobou ber faifevlidjeti Erlaffc ooit 1*90. Tenn bann 


bürfte man bie Arbeiter auch nicht als BertrauenSntänner unb 3<hiebs* 
richter hmsu$iehen, roie bteS jefct ber ffall fei. Sefct geben fte einseln 
unb fcbriftlich ihr ©utachten ab. Bei ben Bentenftellcn würben fte ge* 
meinfant unter bem Borfih unb ber Autorität eines föniglicben Beamten 
ihr ©utadjten abgeben. Unb bas iei eine fosialgefährlichc HRaferegel? 
^enn man bie Agitation ber Arbeiter ausfdjließen will, 
ntitffc man bie ganse fo 5 iale ©efepgebung sum ©tillftanb 
bringen, was mau ihm ja als fein Borhabctt nadjfage, aber 
mit unrecht, beim bann mühte er sum offenen Brudj mit ben 
faiferlicben Erlaffen fotitmeu — unb bafür fei er nicht su 
haben." 

BHr wollten eben unferer $reube über biefe einftchtiaen Söorte 
AuSbrucf geben, als wir in ber „Borbb. AUg. 3*9-" Iafett, bie 
Aeufeerung fei „in ihrem ©tblufefah oöHig mifeoerftänblich roieber* 
geaeben". ^)ieS Dementi öffnet neuen Bermutbungen Xhür unb 
Thor, fo bajj es jebenfads beffer geroefen wäre, mitsutheilen, was 
ber ©taatsfefretär roirflid) gefagt hat. Bielleicht, bafe roir’S in 
ber ^ßlenarberathung beS ©efefeentrourfeS nach Wochen unb äRonaten 
noch einmal erfahren! — lieber baS ©chicffal ber BentenfteUen 
berichten mir f. 3*- uafh Abfchlufj ber MommifftonSoerhanblungen 
im 3ufatnmenhange mit ben übrigen Befchlüffen. 

^Die ©eroerff(haften unb ber parttätifche ArbeitSnachtoeiS. 9Sir 
haben unlängft berichtet, bafe bie Stellung ber ©eroerffchaften sum 
paritätifchen Arbeitsnachweis ©egenftanb langroieriger Erörterungen 
im Berliner ©erocrffchaftsfartell geroefen ift. Bun ift bie Ent* 
Reibung gefallen, unb 3 u>ar ftitb bie Anhänger beS unpartei* 
ifchett ArbeitSnachweifeS mit 43 gegen 23 ©timmen in 
ber Btajorüät geblieben. 9Bit ber Blehrheit ftimmten bie 
aro&en ©eroerffchaften ber Bfaurer, Bfetall- unb .frolsarbeiter, Buch* 
orurfer, 3iutmerer 2 c. Bon befonberem 3ntereffe waren bie 9Bit* 
theilungen eines Telegirten über bie Stellung ber fosialbemo* 
fratifchen BeichStagSfraftion su ber Srage. T)er Telegirte hat fich 
an beit fosialbemofratifchen Abgeorbneten BBurm geroenbet, ber, 
roie mitgetheilt, im BeichStag für ben unparteiifchen ArbeiSnach* 
weis eingetreten ift. $err ©urm hat erflärt, bafe bie Sraftion 
nach langer Berhanblung ben oon ihm oertretenen Stanb* 
punft eingenommen habe. Er ftefje nach roie oor auf bem 
Stanbpunft, bafc, menn ber paritätifche Arbeitsnachweis auch für 
bie Unternehmer obligatorifch gemacht roerbe unb biefe ihre Ar* 
beitSnachroeife auflöfen müßten, auch Arbeiter baS ©leicfje 
thun fönuten. — Qusroifchen aeroinnt bie 3bee ber unparteiifchen 
ArbeitSuachroeife immer mehr Boben. 3n Berlin oerhanbeln s- 33- 
Telegirte beS §olsarbeiteroerbanbeS mit ben Unternehmern roe^en 
ber Einführung eines oon beiben Theilen geleiteten SacharbeitS* 
nachroeifeS. .^öffentlich gelangt im Beid)Stage ber Antrag Boeficfe 
auf reidjSgefehliche Begelung beS unparteiifchen Arbeits* 
nachroeifeS in biefer Seffion noch S u r Berabfchiebung! Seben« 
falls aber befifet bie Haltung ber organifirten Arbeiter in biefer 
wichtigen Srage eine grunbfähliAe Bebeutung unb seugt für auf* 
richtiges Bemühen, auf bem ©eoiete ber ArocitSoermittelung ben 
fosialen Stieben su förbern. Tie fosialpolitifche Einftcht ber Ar* 
beiter ftid)t in biefem 8aHe höchft oortheilhaft ab oon ber in weiten 
Unternehmer!reifen noch herrfchenben Auffaffung beS ArbeitSnach* 
roeifeS als eines Äampf* unb Machtmittels, roosu ihn bie oiel* 
berufene Berfammlung oon Arbeitgeberoerbänben Anfang Sep* 
tember 1898 in Seipsig auSbrücflid) geftempelt hat. 

Sntmrr mehr neue Arbeiterfefretariate roerben in ben 3u* 
buftrieftäbten oon ben ©eroerffchaften errichtet. Es beftehen folche 
jefct in Biirnberg (feit 1894), Stuttgart (feit 1897), in München, 
^annooer, Beutpen D.-S. unb granffurt a. 9R. feit oorigem Sah«/ 
unb in Altenburg feit Beginn biefeS 3ah«$- Weitere Arbeiter* 
fefretariate foHen am 1. April b. S- in Tarmftabt unb am l.Suli 
in §aHe a. S. in Thätigfeit treten. Sn Breslau ift ebenfalls ein 

Arbeiterfefretariat in Borbereitung. Su Tarmftabt follen ftch bie 

Arbeitgeber finanziell betheiligen rooUen. BHe fehr baS Bürnberger 
Sefretariat oorbilblich geworben ift, geht fchon aus ber einen 
Thatfache beroor, bafe s* ber Leiter beS Altenburger ScfretariatS, 
ein ©laSfchleifer $arbt, sur Suformation acht Tage nach Bürn* 
berg ging. Su Berlin hat man smar oorläuftg oon einem Ar* 
beiterfefretariat abgefehen unb fich sunä^ft mit einer Erweiterung 
beS ©eroerffdjaftSbureauS begnügt; es bürfte inbeffen nach S^tig* 
ftellung beS im Bau begriffenen ©eroerffchaftshaufes bie Jnigc 
roieber auftauchen. Tie fosialbemofratifdje Bartei ift an biefen 
Arbeherfefretariaten theils burch Tclegirte im AuSfchufe, thcilv 
burch bie B^fonen ber Arbeiterfefretäre betheiligt. Tie Sefretariatc 
oermitteln Bath unb Bechtsfd)ufe in allen Arbeiterangelegenheiten, 
auch befdjäftigen fie fich mit ArbeitSftatiftif :c. Berichte liegen 
I neuerbingS oon ben Arbeiterfefretariaten in Stuttgart unb München 




oor. (Sgl. unter ber SRubrtf „Arbeiterbewegung" biefer Kummer 
Bp. 678.) — Huf fatboIifcf)er (Seite ift man fchon Enbe ber 
80 er galjre, fjauptfäcfjlid) auf Setreiben beS VolfSoereinS für baS 
fat^olifdje deutfchlanb, mit ber Errichtung non VolfSbüreauS, 
bie ähnlich roie bie Hrbeiterfefretariate funftioniren, oorgeganqen. 
Es hefteten fold)e u. 21. in Effeit, $öln, düffelborf, S'refelb, 
Had^eit zc. gn Ulm befteljt ein ftäbtifd>e^ Hrbeiterfefretariat, 
baS an baS bereite beftebenbe ftäbtifche HrbeitS- unb VöohnungS* 
VermittelungSamt angefchloffen ift. die „Sogiale $rajis" hat 
hierüber eingehenb 0p. 363 MefeS gahrgangS berichtet. 


fiotntmntale StojtalpolttUt. 

Regelung ber dien ft- unb LoljnfeerliältmfTe ber ftäbtifchen 
Arbeiter in 9Ranitljttm. Vom Vürgermeifteramt ber £>auptftabt 
Mannheim roirb uns gefd^rieben: Sßadjbem feit gahren feitenS ber 
ftäbtifchen Vehörbe in Mannheim Verhartblungen über eine SRege* 
lung ber Entlohnung ber ftäbtifchen 2 lrbeiter ftattfanben, ftnb nun* 
mehr auch hier — mie im Laufe bes oergangenen gapreS in 
Stuttgart unb Karlsruhe — bie ®ienft- unb EinfommenSoerhält* 
niffe ber ftäbtifcben Hrbeiter bur(b Erlaffung einer ArbeüSorbnung 
natb feften ©runbfäpen geregelt roorben. gnSgefammt erroächft 
ber Stabtgemeinbe aus ber Regelung ber Verhältniffe ihrer Hrbeiter 
im 0inne einer burcf>greifenben Aufbefferung ein jährlicher 
Mehraufroanb non 47 779 Jf unb einfcfjUefelid^ ber innerhalb ber 
brei lebten Sabre gemährten Lohnerhöhungen unb Vortheile fogar 
ooit 126 642 - // die roefentlichften Veraünftigmtgen ber neu auf* 
gefteHten 2lrbeitSorbnung ftnb bie folgenden: 

1. Einführung be§ ©ochettlofjnS mit Entlohnung ber in bie 
©odpe fallmben gcfeplichen geiertage als Arbeitstage (gufammen 8). 

2. Vergütung jeber Ueberftunbe mit 12,5 °/ 0 be$ normalen Jage* 
lof)ncS, bei Nad)t* unb Bonntagsarbeit tnbeffen mit 16 % beffelben. 

3. Einführung eines Minbcfttagelof)ncS oon 2,70 für alle 
ooß arbeitsfähigen ftäbtifcben 2lrbeiter. 

4. ©ewährung ber Jifferettg groifchert gefeplichett Stiftungen unb 
oollem Jagclohn bei ntilitärifrfjcn Uebungeu unb Äraniheiten 
non achttägiger bis breimonatlirfjer Jauer an Arbeiter mit eigenem 
ftauSfjalt unb mehr als groei* begro. fünfjähriger ftäbtifcher dienftgeit. 

6. ©ewährung oon 81 erbe gelb an bie .'Hinterbliebenen eines 
'Arbeiters, weldjer ntinbeftens gwei Sahre int ftäbtifdjen Jienft geftanben 
bat, im Vctrage beS ooDen JagelohneS mährenb gweier Monate. 

6. Vefugttip ber AmtSuorfteher gur Ertheilung oon Urlaub an 
Arbeiter bis gu acht Jagen im 3a|r 

dte genannten Vergünfiigungen gehen gum Jheil nocf) erheb* 
lieh über bie anöerroärts gebotenen ^tttau^, fo bie generelle Sohn* 
Zahlung an gefeplid)cn getertagen unb bie J)auer ber ©ewährung 
oon Bterbe* unb Äranfengelb. Sn Ergänzung ber neuen Veftirn* 
rnnngen unb als "Abfchhtp ber ganzen Regelung ber dienfioerhält* 
itiffe ift fobantt bie ©rünbung einer 2lrbeiter*i|SenfionS* 
faffe in balbige 2üiSfid)t genommen. Vefanntlidj begroeefen bie 
Btäbte burch bie materielle $ebung unb Sidjerfteßung bergufanft 
ihrer 2lrbeiter and) eine Vefeitigung beS gegenmärtigen 3nfinnbeS, 
bap nämlich ber ftäbtifche dienft in meitem Umfang nichts anbereS 
ift, als eine gform ber 2 lrmenunterftüpung. 2 Sie ungiinftig bie 
3ufammenfepung beS ftäbtifchen 2lrbcitSförperS burch biefe ^ßrayiS 
beeinflupt roirb, geht aus einer oom Mannheimer ftäbtifchen 
ftatiftifepen Amt aufgefteßten Arbeiterftatiftif unb beren Vergleichung 
mit ben in Stuttgart unb Karlsruhe bei bemfelben 2lttlap ge* 
funbenen Ergebniffen h^oor. Mehr als 15 % aller ftäbtifchen 
Arbeiter roaren bamach in Mannheim über 60 gapre alt, über 
50 Sah« fcpon 32, 3 % gegenüber 14, 5 % ber burch bie Verufs* 
gäplurtg ermittelten ©efammtarbeiterfepaft. Spegieß oon ben 203 
burch baS Jiefbauamt bei ber Strapenreinignng befchäftigten 
"Arbeitern roaren 119 nicht mehr im Voßbefip ihrer 2lrbeitSfraft. 

Von welch roeittragenber Vebentung bie befcploffene burch* 
greifenbe 2lufbefferung ber Sohnoerhältniffe ber ftäbtifchen Arbeiter 
ift, läpt fiep enblich aus ber Jpatfacpe entnehmen, bap 311 Enbe 
beS Vorjahres in Mannheim 2477 ^erfonen ober 2 , 3 % ber ganzen 
Veoölferung oom ftäbtifchen Jaglohn lebten. 

$ie fitübrtfihett Arbeiter tu Eaunftatt. J>ie gemeinblichen 
Sloßegien in Eannftatt ein Statut, betreffenb bie 2lrbeitS* 

4 orbnung für bie ftäbtifchen Arbeiter, unb im 21nfthlufe baran ein 
Statut, betreffenb 2llterS* unb 3noalibitätSoerftd)crung, für biefe 
2lrbeiter angenommen, gm erfteren Statut ift beftimmt, bap bje 
Stunben oon 8 Upr AbenbS bis 5 Uhr Morgens als Nachtarbeit 
^u entlohnen finb. VechtSroibrige Angabe beS Arbeitslohnes 
roirb mit bem breifaepen Vetrage beS ortsüblichen Jagelohnes ge* 


ahnbet. Sonntagsarbeit roirb mit einem Auffd)lag oon 50 % 
gahlt. denjenigen Arbeitern, roclche oom Arbeitspläne entfernter 
roohnen, foß geftattet fein, bereits 10 Minuten oor 12 Uhr bie 
Arbeit eingufteßen, um rechtzeitig um 1 Uhr roieber jur Stefle fein 
gu fönnen. den Lohnarbeitern, welche roegen gu großer Ent*' 
fernung ihrer Wohnung überhaupt nicht gum Mittageffen gehen 
fönnen, ift fchon feit einiger 3*it 30 4 Vergütung geroährt roorben. 
dies foß auch für bie 3 u ^ un ft beibehalten roerben. denjenigen 
Arbeitern, welche hirroon feinen ©ebraudj machen rooßen, foß ge* 
ftattet fein, ihre MittagSpaufe oon 12 bis IV 4 Uhr auSgubehnen. 
gn Vegug auf 2llter unb gnoalibität roirb beftimmt: geber 
ftäbtifche Arbeiter, welcher minbeftenS 300 SBocpen in einem 2lr* 
beitSoerhältnip gur Stabt geftanben hat, erhält bei Eintritt ber 
gnoalibität begro. Erreichung beS 70. Lebensjahres gu ber reidjS* 

S efeplichen Aente einen ftäbtifchen Saf^S oon ^ diefer 3«“ 
hup erhöht ftch für jebe bie oorgenannte 2Bartegeit überfchreitenbe 
2 Soche um 10 4 ^. 

Sogialbemo!rattf4eS Gfemetnbettahfyrogramttt in €a<hfe« s ©ie 

in früheren gahren, tauchen gur 3 e (t non ©emeinbe*$euroahlen 
fogialbemofratifd)e Programme auf, bie neben ber 2luffteßung rein 
parteipolitifcher ©runbfäpe ben fogialen 0fo.rtfd)ritt forbern. So 
enthält bas ©emeinbcroahlprogramm ber Sogialbemofraten beS 
12. unb 13. fächfifdjen NeichStagSroahlfreifeS (Stabt unb Lanb 
Leipgig) u. A. folgenbe Sortierungen, bie tpeilrocife in fchroeiger 
Kantonen, in Velgieit unb anberSroo fchon oerroirflicht finb, ja 
Sorberungen, bie felbft in norbbeutfehen Stäbten fchon oielfad) 
thatfächlich erfüßt ftnb ober hoch eifrig erwogen roerben: 

Schaffung einer einheitlichen s l*oIfSfd)uIe mit obligatorifdjem Vefud), 
Unentgeltlich feit beS Uuterrtd)tS unb ber Sehrmittel in ben VolfSfchulen, 
foroie in ben höheren VilbungSanftalten für biejenigen Schüler ber 
VoIfSfdjulen, bie frajt ihrer gähigfeiten gur weiteren AuSbilbung ge* 
eignet erachtet werben. Errichtung oon Sd)iiifantinen gur Verpflegung 
ber 3d)ulfinbcr, Sdiulärgte gur regelmäßigen Prüfung unb ärgtlichen 
Veauffidjtigung ber Sdjiiler, ber Sdjulen uitb Sdiuleinrichtungen. Er* 
richtung oon Sdiulbäbern. fserienfolonien für fränflidje Äitiber. geff* 
fepung ber Schülcrgaljl in ben einzelnen .Ulaffen auf eine ntäpige .frohe, 
bie einen gebcihlidjen Unterricht ermöglicht. Vefonbcre Sdjulfliiffen für 
Minbcrbefähigte. Verbot jeber ErwerbSthätig f eit für fchulpflühtigc 
Slinber. Dbligatorifcher gortbilbungsfdjuluntcrridjt für beibe 6)cfchlcditer 
bis gum 17. Lebensjahre. Ertheilung beS gortbilbungsfchulnutcmchts 
an SiBodjcntagen roäprenb ber Arbeitszeit. Errichtung unb AuSbilbung 
oon Volfsbibliothefen unb Lefchallen. — VelcuchtungS*, VerfehrS*, 
Äraftergcugungc’*, foroie fonftige für bie ©emeinbe nothwenbige Vetriebe 
ftnb ber ^rioatauSbcutung gu entziehen unb auf eigene Rechnung ber 
©emeinbe gu erridjten unb gu betreiben. 2lu<h ftnb bie ©emcinbearbeiten, 
fotoeit angängig, in ©etneinberegie auSguführeit; fo inSbeionbere bie 
regeltnäpigett ©as= unb SBafferleitungS*, Schleufett* unb Strafen bauten. 
— Regelung bes SubmiffiottSwcfenS in ber Dichtung, bap bie Ver= 
gebuttg ber ©emeinbearbeiten unb Lieferungen für bie ©emeinbe nur 
unter ber oertragSntäpigeu Verpflichtung ber Unternehmer erfolgt, baf? 
fie für bie ©cfamintheit ber oon ihnen befchäftigten Arbeiter bie gwifdjen 
bett ©eroerffdjaftsorganifatioueu ber "Arbeiter unb Unternehmer oerein* 
barten Lohn* unb Arbeitvbebingungen enthalten. 2ln Viitgliebcr ber 
©emeinbeoertretung bürfen feine 2lrbeiten ober Lieferungen für bie ©c= 
nteinbe übertragen werben. Ebettfo bürfen bie Vcitglieber ber ©ettteinbe* 
oertretung in feiner SBeifc an prioaten Unternehmungen betheiligt fein, 
bie in einem Vertrags* ober Liefermtgsoerhällniß gnr ©emeittbc ftehett. 
— gür bie im ©emeinbeauftraq befchäftigten 2lrbeiter unb Veamten ift 
auSreichettbc (?) Vegaljlnng fowie eine Arbeitszeit oott nidjt länger als 
adpt Stunben täglich unb in jeber SBorfje einmal eine Vuhcpaufe ooii 
minbeftenS 36 Stunben eiitgnführcn; beSgletdjeu finb VettftonS*, fowie 
©ittwen» unb ©aifenuutcrftüpungSfaffcn für bie ^Arbeiter gu erridjteu 
unb bie it ran fett*, Unfall*, ?Utcrs* nnb 3noalibitätSoerfidternng für 
fäntmtlidte in ©enteinbebetrieben befdjäftigten "Arbeiter in Anroenbung 
gu bringen. JaS Moalitionsredjt ber Arbeiter ift fidicr gu ftelleit unb 
barf in feiner ©eife cingefdjränft locrbctt. gtt allen ftäbtifdjeu Vctriebeu 
finb Arbcitcrausfdiüffe burd) birefte unb geheime ©al)l ber Arbeiter gu 
crridjten. — Enidjtung oon Etcroerbcgeridjten. giirforge für ?lrbeito* 
lofe. pflege ber fogialen Statiftif. ©emeinnüpige ©ohmmgopolitif. 
Verhinberung ber Vaufpefulatiou unb bex^ ©ohnuttgswuchers burd) Er* 
Werbung bec^ innerhalb ber oorhanbeneu ober projcftirtcu Vebauungs« 
plätte liegenbeu Areals?, eoent. auf bem ©ege ber Enteignung. — Ein* 
richtung unb Unterhaltung einer geregelten .(trauten pflege unter 
Veadjtuug aller uorbcugcubcu ilAittel. Ais? foldtc finb gu forbern: 
Ccffcntlidfc Vabeanfialten, Spielpläpe, görberutig bec' Jurnrocfens, 
©ohnuugs* unb Strnfteuhijgienc, unentgeltliche Jesinfcftion oon ©oh= 
mutgen, Möbeln unb Mleibiingf'ftücfen bei (Gefahr oon anfteefenbeu 
Sfranfheiten. Sdjaffuug oott Verufsfeitenochreit unb Anftalten gur 
Lebensmittel=llnterfinhnng. Laufeube bchörblidic ,(tentrolle ber Lebens* 
mittel. Ausbeutung ber .(tranfenoerfidjerung auf bie .^auSiubuftric unb 
^rioatarbeit. Uebcruahute unb, too uöthig, Errichtung oon Apotbefeu 
tu eigener Vegte ber ('lemeinben. Unentgeltltdjfcit ber ärgtlidjcu $iilfe* 
leiftnug, ctufchlicplidi ber ©cburts?hülfe nnb ber .v>eilmittel. Ueberttahme 
ber grtebhöfe in bie Verwaltung ber politifdjen oiemeiubc unb Uttenl* 



673 


Sogiale SßrajiS. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. 25. 


674 


geltlicpfeit beS BeftattungSwefenS. — Uebernapme bcr Sinnen* unb 
SBaifeupßege mit auSreicpenben UnterftüßungSfäßen burep ben Staat. 
Atenfdjenwürbige ©inricptung non Afqlen für Cbbacplofe unb ©£* 
mittirte. 

Außerbem werben bie Sßeltlicpfeit ber Scpule, progreffioe 
Mrefte Steuern als aßeinige ©innapmequeße unb baS gleiche geheime 
birefte Bßaplrecpt für alle uKünbigen opne Unterfcpieb ber ©efipledpter 
in Berbinbung mit bem „^ßroporg" geforbert. — Ser „BorwärtS" 
erfennt felbft an, baß einzelne ber Sömerungen nur im Stammen 
ber fianbeSgefeßgebung oerwirf licpt roerben formen unb bie meiften 
ber Sömerungen über bie ßeiftungSfäpigfeit fleinerer ©emeinben 
roeit pinauSgepen, es alfo ber Schaffung non ©emeinbeoerbänben 
bebürfe, bie im Programm niept oorgefepen ift. 

SogialiftifcpeS üRintmalprograuitn im fßarifer ©emeinberatp. 

Sie 3crjplitterung ber frangöfifcpen Sogialiften in fünf auSgefprocpene 
unb rioalifirenbe ©ruppen beeinträchtigt oielfacp bie energifcfje Ber* 
tretung iprer Sntereffen unb man bemüht fich fepr, bie centrifuai* 
renben Kräfte gu einheitlicher unb fonfeguenter Aftion gu fammeln. 
Söäprenb beS ießten 3apreS ift es — freilich nur unter bem Srudf 
ber augenblicfUipen Söirren SranFreid^S — auch gelungen, eine 
©ntente ber oerfcpiebenen Parteileitungen perbetgufüpren, bie jeboch 
nur in gfragen allgemeiner politif roirffam roirb. Sie fogialiftifcpen 
Atitglieber beS Parifer ©emeinberatps, unter welchen bie fämmt* 
liehen Scpattirungen oertreten finb, folgen jeßt bem Beifpiele ber 
SanbeSorganifationen. Sie paben Rep über ein Sßinimalprogramm 
geeinigt unb gu einer Bereinigung mit giemlich rigorofen Statuten 
gufammengefcploffen. Sas aufgefteßte AHnimalprogramm, gu beffeit 
Anerfennung jebeS 3Kitglieb ber ©ruppe fich oerpflicpten muß, 
begreift bie folgenben punfte: 1. Umwandlung beS fapitaüfti* 
fchen in ©emeineigentpum; 2. Eroberung ber politifchen Atacpt; 
3. internationale Berftänbigung ber Arbeiter; 4. Sorberung fom» 
munaler greipeiten; 5. Bergemeinbtichung ber Atonopole (Srarn* 
bahn 2C.); 6. moralifche unb materieße ©arantien für bie ftäbtifchen 
Arbeiter (Penftonen zc.); 7. ftrenge ^ontrole ber BerwaltungS* 
behörbe, befonberS ber Sangen; 8. gleichmäßigere Bertheilung 
ber Steuern; 9. Aeorganifation ber Armenpflege unb Ueberfüprung 
berfelben in auSfcpließUcp ftäbtifche Berroaltung. 

Acptftunbentag ber aemciuMüprn Arbeiter in 28fftpam (Soubott). 

SDer ©emeinberath oon feeftpam (Borort oon Sonbon mit 205000 
©inwopnern) hol befchloffen, baß oom 1. 9Rai 1899 ab fein 
Arbeiter im Sienfte ber ©emeinbe länger als acht Stunben im 
Sage ober achtunboiergig Stunben in ber BSocpe befepäftigt werben 
foß, ausgenommen in Aotpfäßen, welche Süße ben betreffenben 
$ommifRonen beS AatpeS unb oon biefen bem Aatp felbft gu 
melben Rnb, mit genauen Angaben über bie Art ber Arbeit, bie 
Sauer unb, wo folche erfolgte, bie Begaplung ber Uebergeitarbeit. 

kommunaler Selepponbienft in ©nglanb. Sie englifche Aegie* 
rung hat oerlautbart, bap fämmtlicpen ©emeinben oon mehr als 
50 000 ©inwopnern bie ©rrieptung unb ber Betrieb fommunaler 
Selepponneße freifteht. Somit erfepeint baS Monopol ber National 
Telephone Company, baS bisher praftifch e^iftirte, aufgehoben. 
©laSgow unb ^ubberSRelb bürften bie erften Stäbte fein, bie 
fommunaleS Seleppon beRpen werben. 


Sajide Juffödie. 

Aegclunq ber ©igarren*$anSinbttftrie. Aus AH n ben iS. 
wirb uns getrieben: ©s war angunepmen, bap bie Petition ber 
Atinbener gianbelsfammer (ogl. Sp. 581) nicht überaß ungetpeilte 
3uftimmung Rnben würbe. 3war hat eine gange Angapl §anbels* 
fammern fiep ber Petition angefcploffen. gebodj in £eiligenftabt hat 
man Bebenfen geäupert. Sie Sorberung gefonberter Arbeitsräume 
fei gleicpbebeutenb mit ber ooßftänbigen Unterfagung ber §auS* 
arbeit, woburep gahlreicfje Streife, befonberS länbliche, gu hart be- 
einträchtig! würben. Sa aber oorerft ©rpebungen angefteßt werben 
foflen, fo hat man bie Petition unterftüpt. Sn Berlin haben bie 
Aelteften ber ^aufmannfepaft eine Angapl Berliner ©igarren* unb 
SabafRrmen um ©utaepten gebeten. Siefe Rnb in bem Sinne er* 
ftattet worben, bap in Berlin bie Atinbener Sorberungen einem 
Berbote ber £muSinbuftrie gleicpfommen würben. Sie Uebelftänbe 
feien pter, wenn auch oorpanben, fo boep weniger fcplimm als an* 
fcpeinenb in ber Atinbener ©egenb. SebenfaUS fei ber Seg ber 
freien Bereinbarung unter ben Sabrifanten ber obrigfeitlicpen An- 
orbnung oorgugiepen. Bon einer Unterftüpung ber Petition pat 
man abgefepen. — ©S war oon oornperein gu erwarten, bap niept 
aße ©igarrenfabrifanten fiep auf ben weitfieptigen Stanopunft ber 


BUnbener fteßen würben, ^öffentlich fommen bie ©rpebungen 
beSpalb boep gu Stanbe, bie Rcper für bie ©efepgebung genügenbeS 
Material liefern werben. Sie „Ser Sabafarbeiter" mittpeilt, läpt 
bie Regierung bereits eine Umfrage oeranftalten an eingelnen Drten, 
wie ftarf bie 3apl ber in ber Sabafinbuftrie tpätigen oerpeiratpeten 
Srauen ift. Sie bem Blatte oerfiepert würbe, beabfieptige bie 
Begxerung ein Berbot ber Arbeit oerpeiratpeter Srauen. Sir palten 
bieS entfepieben für übertrieben. Sür ein ArbeitSoerbot oerpei¬ 
ratpeter Srauen ift bie Regierung jept niept gu paben. Qtfbenfaßs 
ift bie Umfrage nur fepr befepränft unb ungureiepenb. Sagegen 
wirb poffentlid) bie ^ommifRon für Arbeiterftatiftif mit ber Auf* 
abe ber Btinbener ©nquete betraut werben. Auch im fßeiepstage 
öte Rep wopl ©elegenpeit, bie Sache gur Spracpe gu bringen. 

Sereitt gum Stpup ber ^tnber bot AuSmtpimg trnb Bfippanbluitg 
in Berlin. Am 13. HKärg oeranftaltete ber Beretn einen BortragSabenb, 
unt über feine Abfnpten weiteren Greifen Aufflärung gu geben. ®er 
erfte Aebner war Generalleutnant g. i. o. $elct*Barbonne, ber über 
bie 3iele beS neuen BereinS fpradj. Siefe ftnb: Sie Gefahren gu bc* 
fämpfen, weld;e für Äinber entftepen 1. aus oentacpläffigter ©rgiepung, 
begiepungsweife Rttlicper Berwaprlofung, 2. aus bem SÄtpraudj bcr 
elterlichen Gewalt, bie fiep in übermäßiger 3ü t Ptigung unb törperlicper 
SRißpanblung ober in Berwenbung gu Arbeiten uno Öeiftungen, bie 
über baS Btaß ber finblicpen Kräfte pinauSgepen ober baS Stinb fittlicp 
aefäprben, geltenb maept; 3. aus ber Unterbringung oon tf inbem in 
Bflege bei $erfonen, berett Auf, SSopnungS* unb SebenSoerpältniffe 
feine Gewäpr für eine gebeiplicpe gortentwicflung ber Pfleglinge bieten. 
Ser Bortragenbe wies barauf ptn, baß bie gorberung immer bringenber 
werbe, ftep ber weprlofen Äinber gu erbarmen, bie oermaprlofte Sugenb 
gu retten, epe Re fpäter bie Gefängniffe beoölfere. 3m Saufe beS 3apreS 
finb in Berlin wieber meprere SäDe oon ^inberfelbftmorb oorgefommen. 
Ueberbürbung mit Arbeit unb Bftßpanblung waren bie Urfacpen, welcpc 
ben ftarfen ^ebenstrieb, ber einem jungen Safein innewopnt, fo oöUig 
oernieptet patten. Aebner oerlaS eine Angapl GericptSuerpanblungen 
über Äinberntißpanblungen unb fittlicpe Gefdprbungen. (Sr füprte aus, 
baß leiber bie über bie unnatürlichen Reiniger oerpängten Strafen in 
gar feinem Berpältniß gu ber bewiefenen Graufamfeit ftepen (gewöpn* 
Ucp nur einige Sftonate Gefängniß) unb baß ipnen bisper naep Ber* 
biißung ber Strafe bie $tnber meift wieber überantwortet würben unb 
baburdp noep fcplintmerei Bepanblung auSgefeßt waren. (Sine fcpwere 
Scpäbigung beS SfinbeS ift auep feine AuSnußung gur Lohnarbeit. ©S 
ift baS Berbienft ber Leprerfcpaft an ben Bolfsfdjuleit, auf biefe HJtiß* 
ftänbe pingewiefen unb fte burep ftatiftifepe ©rpebungen flargefteßt gu 
paben. Bielfacp bropen ben ftinbern babei fittlicpe Gefahren. Geiftig 
fommen biefe Slinber natürlich auep gurücf, weil fte bereits abgefpannt 
unb mübe in bie Scpule fommen, ppqfifcp werben Re gerabegu ruinirt, 
weil ipnen ber nötpige Scplaf eittgoaen wirb, gür wenige Pfennige 
täglicp wirb alfo bie Gefunbpeit ber fünftigen Generationen aufgeopfert. 
Auep in ber Besorgung ber Saifenfinber bleibt oiel gu wünfdjen übrig; 
ebenfo in ber pflege ber unepelicpen. SanbgcridjtSratp Dr. Simonfopn 
fpraep über ben Scpuß ber Sltnber im beutfd)eu Aecpt, ber nodj reept 
mangelhaft ift. Sie Gefeße weifen lofale Berfcpiebenpeiten auf, naep 
bem preußtfepen Sanbrecpt ftößt bie Aberfennung ber elterlichen Gewalt 
auf große Scpwierigfeiten, in ber Saifenpflege ift oicl mepr auf bie 
Sicherung ber materiellen als ber geiftigen unb fittlicpen Güter Bebacpt 
genommen. Sie präge bcr 3mangSergiepung bebarf befferer Aegelung. 
Sie pabrifgefeßgebung weift gwar bie Äinber unter 13 ßapren aus ber 
gabrif, treibt fie aber bafür ber gang aufßcptslofen Heimarbeit gu, in 
ber in Thüringen fepon 2Vajäprigc ^inber befepäftigt werben. Audj 
baS Bürgerliche Gefeßbucp geigt feine wefentlicpen Berbefferungen. Ser 
Bortragenbe weift auf baS Beifpiel ©nglanbs pin, wo ber „Berein gur 
Berpiitung ber Graufamfeit an Stinbem w niept aßein ©influß auf bie 
Gefeßgebung gewonnen pat, fonbem auep burep feine ungeheure 2pätig* 
feit ein gaftor im öffentlichen Leben geworben ift, bem oie Abnapme 
bcr ftinbermißpanblungen unb ber jugenblicpen Berbrecper gu banfen 
ift. B^bigcr Brofeffor greiperr o. Soben rief in feinem Schlußwort 
gum Beitritt in ben Berliner Berein auf, ber fidj über gang Seutfcp* 
lanb oerbreiten miß. Seine 3ide Rnb gunäepft: Sd)ärfung bes öffent* 
liepen GewiffenS, Bitten an bie Bepörben, BeeinRuffung ber Gefeß* 
gebung, auep gur härteren Beftrafung be» an Äinbern begangenen Ber* 
gepenS, Klärung beS Spatbeftanbes, 3)?efbefteßen für jcbcS an Äiitbern 
oerübte Unrecpt, Grünbung oon 3nflucptsftätten für fepneße Unterbringung 
efäprbeter Äinber, 3 u f am menarbeit mit jteiwißigen Hiilfsfräftcn, mit 
eprern unb Leprerinnen, Siafoniffen unb Stabtmiffionaren, unb enb* 
liep Anfteßung oon befolbeten Beamten unb Beamtinnen, bie ben Stinber* 
fcpuß gur Lebensaufgabe maepen, unb ben ©Item als nidjt amtlicpc 
Drgane mit befonnenem Aatp unb auep tpatfräftig gur Seite ftepen. 

Arbeitzeit unb ArbeitSleiftmtg im Steinfoplenbergbau gu fRofftp» 

Ser eben erfepienene Sopwsbericpt ber Brünner Hanbelsfammer für 
1898 Bringt neuerbingS eine betaiflierte Sabeße über bie BHrfuitgen 
ber §erabfeßung ber ArbeitSgeit im Aoffißer Aeoier, wo 1891 
bie Scpicptbauer oon 117*2 auf 9 unb bie ejfeftioe ArbeitSgeit oon 
11 auf 872 ©tunben perabgefeßt würbe. ©S geigt fiep aus ben 
unten folgenben Säten, baß troß biefer Aebuftion bie ArbeitS* 
leiftung wie auep ber ArbeitSocrbienft eine Steigerung erfahren paben. 



675 


©ogiale $raji$. öentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 25. 


676 


Ös betrug bie bunhfcfenittlidje .ftäuerleiftung: 


1882—1884 . . 

.20,83 

Aieter*Öeiitner 


1885—1888 . . 

.21,11 

* 


1891—1893 . . 

.22,72 

= 


1894—1896 . . 

.24,08 

= 


1897 . . 

.22,io 

= 


1898 . . 

.21,45 

* 


unb ber Xagcsucröicnjt (in 

.Strenger») für ben 
kälter 

AÖrbercr 

Sauberer 

1882-1884 . 

121 

87,i 

60,8 

1S85—1888 . 

. 120, r, 

86,5 

60,9 

1891—1893 . 

. 147 

99 

74,3 

1x94—1896 . 

. 146 

100 

70 

1897 . 

. 146 

96 

63,7 

1898 . 

. 150 

90,4 

62,8 


Ter 5Berid)t fonftatirt übrigens, bafe bie Bergarbeiter bei öin* 
tritt größerer Berbienfte weniger ©chidjten »erfahren utib fief) bem* 
itad) aus eigener Snitiatioe einen gewiffen Bünimaloerbienft feft* 
fefeen, woburd) Arbeitslohn unb ^robuftioit rebugirt erfd^eint. 

ArbeitSlofnninteTfitüpmig burdj Arbeit in Sitte. Aus $ariS 
wirb uns gefthrieben: Tie gürforge für bie ArbeitSlofen hat fidj 
in granfreid) oorgücjlich in ber 3orm ber Berfd)affung oon Ar* 
beitSgetegent)eit entroicfelt. Tiefe öntwicfelung ergab fid) gang oon 
felbft aus ber goribilbung unb Anpaffung ber alten, ftetS in 
großer AuSbehnuttg geübten prioaten Armenpflege, an bie wirtl)* 
fchaftlidjen Bebingungen beS mobernen örwerbSlebenS. Aus ber 
©tatiftif, welche ber oberfte Arbeitsrat oor einigen Sahnen auf* 
nehmen liefe, ift befannt, bafe in granfreid) beretts mehr als 50 
befonbere ©efettfehaften eyiftiren, welche bie Befchaffunq oon Ar* 
beitSgelegenfeeit gum eingigen 3a>ecf gabea. 3a ber Abficfet, ber 
Brioatinbuftrie feine Slonfurreng gu machen, begnügten fich biefe 
©efettfd)aften bisher meift, bie örwerbslofen mit allerlei unbe* 
beutenben Belüftigungen gu erhalten, bie ben Almofencharafter 
reefet fichtbar an fich tragen. Tie im laufenben ©inier in Sille 
gegrünbete Assistaoce lilloise par le travail geht nun fomeit, bie 
^oHe eines ^au^inbuftriellen Unternehmers gu fpielen unb ihre 
©chüfeliuge mit wirHid) probuftioer Arbeit gu oerfefeen. Tie gür* 
forge ber ©efettfefeaft ift in erfter Sinie ber weiblichen Arbeiter* 
beoölferung gugeroanbt. Tie oerfchaffte Arbeit befteljt in ber An* 
fertigung oon SÜnberfleiberit. Tie Rohmaterialien werben im 
©rofeen angefauft, ben ArbeitSlofen gur Berarbeititng guqeftellt unb 
bann nad) Öntlohnung ber §>erfteller gu ortsüblidjen Ööhnen an 
bie Berfauf»ljäufer oerfauft, wobei man haaptfächlid) bie Keinen 
©efchäfte beriicffichtigt. ÖS befiehl fogar bie auSgefprodjene Ab* 
ficht, ben lefeteren baburch bireft Beiftanb gu liefern gegen bie 
Sfonfurreng ber grofeen ©aarenhäufer, inbem man ihnen bie gleichen 
öinfaufSbebingungen fiefeert, welche bie ©aarenhäufer bur<h baS 
önaroSgefchäft geniefeen, Ter Sitter Berfud) fieht fid) nad) glän* 
genbem Gelingen fdjon genötigt, gu ben logifchen Slonfequenjen 
forUufehreiten: Tie blofe geitwcifige Belüftigung ber ArbeitSlofen 
wirb gu einer bauernben Berforgung ber Arbeiterfrau mit einer 
Arbeit, welche fie in ber eigenen ©ofenung oerrichten fann. ©o 
fonftituirt fich bie Sitter ©efettfd)aft bereits als Aftiengefettfdjaft 
mit angeftetttem TireftionSperfonal, welches bie bisherigen halb j 
charitatioen Bestrebungen nach jeber ©eite hm gefchüftsmüfeig ■ 
ausbilbet. An Angebot oon Arbeitskräften ift fein Btangef, ! 

wührenb bie Keinen Tetailgefchäfte willige Abnehmer ber gefertigten 
i*robufte finb. 

Soff »prigeruiigen in ben Bereinigten ©tüten. 3 » ben Iefeten 
Blochen haben fi<l in oerfchiebenen Qnbuftriegweigen in Amerifa 
erhebliche Steigerungen ber Arbeitslöhne oottgogen, wie fie fonft 

S meift nur nach mehr ober minber harten Stümpfen ber Arbeiter* 
oft burdjgefefet werben. ÖS geigt offenbar oon einem oorge* 
feferittenen fogialpolitifdjeit Berftänbnife ber beteiligten Streife, wenn 
j'olche oermieben werben fonnten. Tic Sobnjteigerung betrifft circa 
110 000 Arbeiter, bereit Söhne um etwa 10% erhöht würben. 
ÖS finb oorgugSweife Arbeiter ber öifen* unb ©tahlinbuftrie, beren 
Söhne atterbing* autoinatifd) auf ©runb einer glcitenben Sohn* 
ffala geftiegen finb, bod) finb auch bie Arbeiter im St ohlenbergbau 
unb ber Baumwottinbuftrie an ben Sohnfteigerungen betheiligt, unb 
eS waren in letztgenannter 3nbuftrie blofe einige Behandlungen 
nötfeig, um ben gorberungen ber Arbeiter gum Turchbrud) gu oer* 
helfen. 


Arbeitgeber* itttb tlnterneijmeraerbSniie. 


©rünbung beS bcutfdjeu ArbeitgeberbunbcS für baS Ban« 
getoerbe. Tie am 15. 3Jtärg in Berlin abgehaltene, oon über 
hundert Bertretern beS Baugewerbes aus allen ^heilen Teutfd)* 
lanbs befugte fonftituirenbe ©eneraloerfammlung beS beutfehen 
ArbeitgeberbunbeS für baS Baugewerbe würbe oon bem pro* 
oiforifdjen Borfifeenben, Baumeifter unb SanbtagSabgeorbneten 
gelifd), eröffnet. Rath einem furgen Bericht über bie bisherige 
^hütigfeit ber oorigeS Sah* 1 in Breslau gewühlten Sfonuniffion 
unb beS prooiforifchen gefchüftSführenben AuSfchuffeS betonte er, 
bafe eS fid) feineSwegS um einen Dffenfiooerbaitb gegen bie Arbeit* 
nehmer im Baugewerbe hanble, fonberu, wie es in ben 3 e üungS* 
berichten heifet, „lebiglidj um einen BertheibigungSoerbanb gegen 
bie Uebergriffe unb ungerechtfertigten gorberungen, welche fid) bie 
fogialbemofratifchen Agitatoren antnafeen." Tem Bunbe traten 
fofort 31 bereits beftehenbe Berbünbe bei. Tie Bertreter weiterer 
Berbänbe waren gur Abgabe ber BeitrittSerflürung nicht bireft be* 
oottmüchtigt, ftettten jeboch balbigen Anfchlufe in AuSficfet. ferner 
würbe berichtet, bafe eine grofee 3 a hl oon Sofaloerbänben in ber 
Bilbung begriffen fei, weld)e beuxnüchft bem Bunbe ebenfalls bei* 
treten würben. — Sn ben Borftanb würben gewühlt: B. Selifch« 
Berlin, als Borfifcenber; ©imon*BreSlau als ©tettoertreter beS 
Borfifeenben; < 3)öbler*Berlin, Äelm*©tettin, ^raufe*Branbenburg 
a. b. £>aoel, ©choefel*BZagbeburg unb s Beftphal*©teglife als Bei* 
fifeer. — 2)ie nächfte orbentliche ©eneraloerfammlung beS BunbeS 
fott Anfangs ©eptember b. S- im Anfchlufe an ben $>elegirtentag 
beS SnnungSoerbanbeS beutfefeer BaugewerfSmeifter ftattfinben. 

Agitation für ben ©pirituSring. 3« Aachen ber öcntral* 
©pirituS*BerwerthungS*©efettfchaft ift ber „Boff. 3tg." eine genaue 
Anweifung mitgetfeeilt worben, wie bie Brenner, ob fie wollen ober 
nicht, bem Ringe gugefüfert werben fönnen. Auf jebe Srage beS 
fich ©trüubenben ift eine paffenbe Antwort bem ©erber guredjt ge* 
macht, öine B*obe möge nur bie Antwort auf bie Qrage fein, 
ob ber $>raufeenbleibcitbe fich nicht beffer ftefee? 2)ie Antwort lautet: 

ör wirb, er unb feine Abnehmer, wie ein ©ilb gehept 
werben, benn Wnabc fenneit wir nicht. £>ier heifet eS mit in 
Rctl) unb ©lieb ober als Syeinb niebergefämpft. Bleiben gange ©nippen 
am, fo finb fie halb firrc gentad)l. Run ber eingelnc Brenner in einer 
^rooing, bie ber ^auptfache nach beigetreteu ift: Öutwebcr er hat nad) 
Berliner Rotig oerfauft; fie fchwanfle idjon bisher willfiirlich, fobalb 
fich ftarfe ^ntereffengriippeu an bem (^cfd)äft betbeiligten. Run aber, 
wenn brei Biertel ober mehr ber öftlichen s probuftion in einer .v>aub 
ift, wie benfft Xu Xir bas berühmte Angebot unb bie berüchtigte Rach* 
frage in biefent gall? Xie Berliner Börfemtotig wirb ein ©pielball in 
ber .^anb ber ©efellfdjaft fein, unb alsbalb loirb fie oollftänbig ocr* 
fchwinben. Alfo ift bie gange ^robuftion gu feftem greife ober bie ein* 
gellte Öabutig gu oerfaufeu. 

©reifen Arbeiter gu foldjen Bütteln, um für ihre Berufs* 
oerbänbe gu werben, fo getert man über „Terrorismus", bei 
Unternehmern aber heifet man baffelbe Berfabren „©olibarität"! 


Arfaeitetbeniegmtg. 


®te Sohnbetoegnng in $eutf<hlanb war im oergangenen Bionate 
eine rege. Ter „ArbeitSmarft" oergeichnet für biefen s JWonat 38 neu 
ausgebrochene ©treifs gegen 35 im Sanuar. Tie meiften Aus* 
ftänoe (8) fielen auf bie Btetattinbuftrie, baS Tejtilgewerbe hatte 7, 
bie £)olginbuftrie 6, bie Snbuftrie ber ©teine unb Örbeit, baS 
Baugewerbe 3 2 C. Tie meiften biefer, übrigens nicht fetjr umfang* 
reichen ArbeitSfämpfe entftanben toeqen Sofenbifferengen, nicht wenige 
bienten ber Abwehr einer Sohnoerfrirgung. 

3m Strefelber ©eberauSftanb ift bisher feine Aenberung 
eingetreten. Auf beiben ©eiten wirb ber Stampf mit .£>artnäcfigfeit 
geführt. Ter ftäbtifchen fogialen Sfommiffion ift ein Ausgleich bis* 
her niefet gelungen. 3a ben Arbeiterblättern ergeht beSfealb neuer* 
lid) wieber ber Ruf nach llnterftüfeiing. öinigermafeeit fotnmt cS 
beit ©treifenben gu ftatten, bafe bie Tertilarbeitcr iit ben Radhbar* 
orten ebenfalls in eine Sohnbewegung cingetrcten finb, gum Tfeeil 
mit örfolg, fo in Bi\ ©Iabbach, Rhepbt, Tiilfen, Bierfen, 
Sobbenid) :c. 

Tie ©ehneiberbemegung geht in einer egrofeen Reihe oon 
©täbten mit wechfelnbein Örfolg weiter. 3a Seipgtg, unb neuerbingS 
in Bremen unb Hamburg, wirb theilweife geftreift. Tie Berliner 
©djnciber haben befchloffen, oon einem allgemeinen AuSftanb ab* 
gufeben. 3a Hamburg broht auch ein ©treif ber ©chuhatacher. 















677 


Sogiale BrajiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. 9tr. 25. 


678 


Der Berliner SBäcfcrftrcif ift wegen Mangel an Mitteln 
unb wegen bcr Schwäche ber Drganifation auf ctnc fpätere 3 e ü 
oerfcpoben worben. 

fRccpenfdjnftSbencpt ber berliner ©rtocrffcpaftSfotmmffton für 
1898. Dem fürglicp, 150 teilen ftar! erfcpienenen Bericht ift gu 
entnehmen, baß bie Äommiffion non ber berliner Arbeiterfdpaft in 
fteigcnbem EJtafie benupt mirb, pie unb ba auch oon Arbeitgebern 
(in 128 gälten), Es oerlangten 6811 ^erfonen Auskunft. Sieben 
ber AuSkunftSertpeilung führte baS Bureau eine umfangreiche 
St'orrefponbeng unb roibmete fiep ber Sammlung oon Material für 
bie Unfall*, ©ewerbegericpts*, Snoalibität#* unb Alter#*, foroie bie 
3nnungSgefepgebung. Die gatjreöeinnaljme betrug 47 096 </H , 
bie Aufgabe 42 674 Jt Die agitatorifc^e Dpätigteü ber Korn* 
tniffton kam in ber Beranftaltung oon ^ßroteftoerfautmlungen gegen 
ben BofabowSkp’fipen Streikerlafc unb bie 3 u 4^ a u#oorIage gurn 
Ausbrucf. Die Arbeiten bes ©ewerkfcpaftSfekretärS paben fiep fo 
gehäuft, bafc oom 1. April er. ab ein gweiter Beamter angefteEt 
werben fofl. Einer foE bann bie geroerkfcpaftlicpen, ber anbere 
bie fogialpolitifcpen Angelegenheiten beforgen. Die ©efammtgapl 
ber in Berlin gewerkschaftlich organifirten Arbeiter betrug im 
oorigen %a\)tc 64 799 gegen 56 747 im 3ah rc 1897. ®ie an 
3abl ftärlften Drganifationen waren: EJtetaEarbeiter 13 651 EJHt* 
glieber (1897: 10 561), £>olgarbeiter 8300 (6000), Eftaurer 6093, 
Bucpbrudfer 5000 (4720), Zimmerer 2625, ^>anbcXö|)UfSarbeiter 2400, 
Bucpbinber 1937 2 C. 

Der beuifepe EÄetaEarbciterberbaiib gäplte nach btx foeben er* 
fcpieneneit Anrechnung be# BorftanbeS für 1898 gu Enbe 
oorigen Sah**# 75 431 EJiitglieber, unb ift fomit bie ftärffte beutfepe 
©ewerkfepaft. Die EJkitgliebergapl ftieg oon 49 001 Enbe 1896 auf 
59890 Enbe 1897. Am Schluffe be# lepten ©efcpäftSjapreS oer* 
fügte ber Berbanb über ein Bermögen oon 391360 M Die 
3apl ber weiblichen EKitglieber ift trop ber immer fteigenben Ber* 
wenbung weiblicher Arbeitskräfte in ber s JJtetaEinbuftrie noch fehr 
gering: blofj 1274 weibliche EJiitglieber gählt ber Berbanb. ßep* 
terer pat einen überaus ftarfen EJÜtglieberwecpfel aufguweifen: oon 
ben 23 205 EJiitgliebern, bie 1891, bem ©rünbungSjapr beS Ber* 
BanbeS, biefem angehörten, finb ihm bloft noch ninb 2500 oer* 
blieben unb im oergangenen 3ap* finb fogar 37 046 EJlitglieber 
ausgetreten. EJian erhofft oon bem gu Dftcrn in ^aEe a. S. ftatt* 
finbenben BerbanbStage eine Befferung infofern, als bort hierin* 
füprung ber ArbeitSlofenunterftüpung behufs Berminbe* 
rung ber ungefunben ftarfen Sluftuation in ber E)iitgliebergapl be* 
fd)loffeit werben foE. ES oerbreitet fnh in gewerkfcpaftlicpen Streifen 
überhaupt immer mehr bie Anficht, bafc man burch görberung 
beS UnterftüpungSkaffenwefen# n acp englifchem EJiufter 
ber gluktuation ber EJiitglieber am beften fteuern unb ben ©c* 
werkfepaften gugleich mehr Anreig geben könne, (fine Eticptung 
oertritt freilich noch immer ben Staubpunkt, bafc oon ber pflege 
beS UnterftüpungStaffeuwefenS eine „Bermifchung ber Bringipien 
beS ÄlaffenkampfeS" gu befürchten fei. Die Berliner BermaltungS* 
fteEe beS BerbanbeS hat fid) in einer aufjerorbentlüpen ©eneral* 
oerfammlung bereits für bie Einführung ber ArbeitSlofenunter* 
ftüpung auSgefprochen. 3n ben lebten beiben 3ahren fanben 
95 AuSftänbe ftatt, an benen aber nur 5550 Berfonen betheiligt 
waren. Es hanbelte fich um 54 Abwehr* unb 41 AngriffSftreifS. 
Beenbet würben mit Erfolg 16 Abwehr* unb 12 AngriffSftreifS, 
ohne Erfolg 28 Abwehr* unb 15 AngriffSftreifS, burch Bergteich 
ober mit tpeilroeifem Erfolg 10 Abwehr* unb 14 AngriffSftreifS. 
Die Streifs wegen einzelner EJiafiregelungen waren afle ohne Er* 
folg. Siir bie Streifs würben oom Berbanb 159621 jft. aus* 
gegeben. Heber bie bei AuSftänben gemachten Erfahrungen be* 
richtet ber Borftanb: 

„0)ar gu wenig wirb bei Einleitung eines Ausftaube* in Bctradjt 
gegogen, baß nicht aEein feine Berechtigung, fonbern oielmcpr 
bie Biöglidifcit feiner Durchführung eine gewichtige EioEc fpiclt. Siirbe 
bies gefcfichen, fo würbe mancher Kampf nicht infeenirt unb manche 
bittere Erfahrung ben Betheiligten erfpart bletben. Dies trifft nament* 
lid) auf Kämpfe gu, bie auf ©icbereinftcEung ober Eutlaffung einzelner 
Berfoncn abgieleu. Jpicr hat fich auch in ber uerfloffenen ©efdjäfts* 
periobe gegeigt, bafj biefc Kämpfe in ben feltenften fällen erfolgreich 
ausgehen. Der Borftanb hat auch in biefem Saljre in faft allen ber* 
artigen fällen oon einem Ausftaub abgerathen, ift aber Ieiber in ben 
feltenften fällen oorber baoon unterrichtet worben, unb fo befanb er 
fid) meift einer oollgogeneit Dpatfacpe gegenüber, an ber nichts mehr gu 
änbeni war." 

Der iiperifepe Eifenbahner*Berbanb gählte nach feinem gweiten 
Sapresbericpt am Schlufe beS SahreS 1898 runb 16 000 Biitglieber 
in 83 Dbmannfchaften. 3m lebten 3ah r ber Berbanb 


6500 BUtglieber gewonnen. 3« ber Bheinpfalg finb 1500 Eifen* 
Bahner im Bat>erif<hen Eifenbahner*Berbanb organifirt. DaS8ra<h* 
Blatt „Der EifenBahner", baS am 1. Oktober o. 3$- 3w m erften 
3D?al erfchiett, gählt 11000 Abonnenten. Die BerBanbSfaffe ^atte 
eine Einnahme oon 11081 < ft unb eine Ausgabe oon 8982 ,4i 
Das BerbanbSoermögen betrug am 1. 3^bruar 2098 <AL ®ie 
Drganifation beS BerbanbeS ift in bent lebten 3ahre foweit aus* 
gebaut worben, bafe in gang Bauern nur noch gwei Dbmannfchaften 
gu grünben finb. lebten 3abr h«t «>ie ber Bericht befagt, 

ber Berbanb an ber Berbeffcrunj ber Sage feiner Biitglieber tüchtig 
gearbeitet. Eine umfangreiche Erhebung über bie ©ohnungS* 
oerhältniffe beS EifenbahnperfonalS lieferte baS ERaterial gu einer 
Denffdjdft an ben ßanbtag. Auf ©runb biefer Erhebungen b<*t 
ber Berbanb in einer Eingabe bei ben guftänbigen Behörben nach* 
gefucht, eS mödjten oon Seite be# Staate# für ba# Eifenbahn* 
perfonal Dienft* unb Arbeiterwohnungen gebaut werben. Die 
©eneralbireftion gab auf biefe Button Antwort, bah bk 5Ee* 
gierung oom nächften Sanbtag eine größere Summe gum Bau 
oon Eöohuungen für bas Eifenbabnperfonal forbern werbe. Die 
oor 3ab*eSfrift gegrünbete UnterftüpungSfaffe gählt 7860 9Mit* 
glieber unb gahlte über 11000 f l( an Unterftüfeung aus. Ein 
eigener UnterftüfeungSfonb# würbe gegrünbet, um jene BHtglieber 
unterftüfeen gu fönnen, bie wegen Sfranfheit, Alter 2 C. nicht in bie 
Unterftüpungsfaffe aufgenommen werben fönnen. Eßit bem gemein* 
farnen Begug oon Steinkohlen würbe in Eßünchen im lepten .'perbft 
eine Brobe gemacht. Bisher haben fich innerhalb be# BerbanbeS 
oier Baugenoffenf<f>aften gegrünbet. Diefe wollen an ihrem Drte, 
ber für oa# Eifenbahnperfonal befonber# fühlbaren EÖohnungS* 
noth abhelfen. Weitere ©rünbungen finb in Bbrbereitung. Enbe 
EJiärg ^ält ber Berbanb in Nürnberg feine ©etteraloerfammlung 
ab. Die 38ünfcf)e be# EifenbahnperfonalS an ben nächften ßanb* 
tag, ber Ausbau ber Drganifation unb ber UnterftüpungSfaffe ftnb 
bie^auptpunfte, über bie in ber©eneraloerfammlung oerhanbeli wirb. 

Arbeiterfcfretariat EHüudjen. 3« einem ßehrbuch für bie Arbeiter 
Münchens unb Umgegenb ^at fich ber erfte 3ahreSbericht*J be# 
ArbeiterfefretariatS EKüncpen 1898 auSgeweitet. Er befepränft fiep 
niept auf ben ©efepöfts* unb ^affenberxept, fonbern giebt Auskunft 
über bie ©ewerffdjaftSorganifationen in Bfüncpen, fiopnbewegungen 
unb ArBeitsbifferengen, infonberpeit auep über bie Dpätigfeit beS 
©ewerbegeriepts EJiüncpen, ben Scpreinerftreif, ba# UnterftüpungS* 
wefen in ben ©emerffepaften unb fonftigeS BöiffenSwertpe für ben 
Arbeiter in EKüncpen, wie bie Abreffen ber Bepörben, Berufs* 
genoffenfepaften, ©ewerffepaften u. f. w. Die Sefretäre finb 
A. Bhiplbauer unb 3- Simm. Die ©efammtbefucpergapl wirb auf 
8000 gefepäpt. Bon ben AuSfunftfucpenben waren nur 225 ober 
3,82 °/o in felbftänbiaer Berufs* ober ßebenSfteEung, barunter 
mehrere 0fabrifanten, bie übrigen 95, oc 0 o Arbeiter. Die Arbeiter* 
oerficperungSfacpen überwiegen bei ©eitern. — Bei einer ©efammt* 
gapl oon 2377 Streifenben finb nur 15 gerichtliche Klagen gegen 
ftreifenbe Arbeiter eingelaufen; nur in 12 gäEen baoon erfolgten 
Berurtpeilungen. Jür bie fogialpolitifcp oielfacp entwicfelteren Ber* 
pältniffe in Sübbeutfcplanb ift intereffant, was ber Bericht über 
ben Berfepr bes Sekretariat# mit ben Bepörben melbet: 

„2Rit Befriebtaung mu| fonftatirt werben, bafj im AEgemeinen bie 
Bepörben ba# Arbeiterfefretariat, wo immer ba# Erfordern gefteEt 
würbe, in feiner Dfjätigfeit crfolgreid) unterftüpten. ^nSbefonbere mufi 
anerfamtt werben, bafi fämmtlicpe Beamte ber Königlichen Eiegierung 
oon Cberbapeni, bie .'perren Sd)iebSgerid)tSoorfipenben, bie Beamten 
beS EHagiftrats unb ber Boligcibepörbe auf an fie gerichtete telephonifcpc 
Anfragen bereitmifligft Auskunft crtpeiltcn. 3cbenfafls in Berfennuitg 
ber Aufgaben be# ArbeiterfefretariatS lepnten im Anfang einige untere 
Berwaltungsorgauc es grunbfäplid) ab, Befcpwerben telephonifd) ent- 
gegengunehmen. Die Befdjwerbefüprung bei ben bienftlicpen Borgefepten 
patte in aflen Mafien ben Erfolg, bafi ffi e dn Abpiilfe getroffen würbe. 
SJfehrfadi würben ooit ben perren SchiebSgerichtSoorfipenben B cr )° n e n 
in UnfaEfadjen an baS Arbeiterfcfretariat oerwiefen. Ebenfo bebienten 
fiep Eemeiubebehörbcn, Amtsgerichte :c. unferer Bermittelung. ©runb* 
fäplid) ablepnenb, ja bireft feinblid) oerpalten fiep unferem ^nftitute 
gegenüber nur einige ©efdjäftsfübrer oon Bcrufsgeuoffenfcpaftcn, bie, 
nad) uns oon guoerläffiger Seite mehrfach geworbenen 3)?itthcilungeu, 
Unfafluerlcpten baoon abratpeu, bas Arbeiterfcfretariat in Aufprudj gu 
nepmen. ES finb bies aber auep nur folcpc Beamte oon Bernte* 
enoffenfcpaften, bie, feftgeftelltermapeu, oielfad) nidjt ben guten BMflcn 
oben, bie Beftimmungen bes UnfaEoerficpcruugi?gefcpeS loi>al awögu* 
füpren. Daß bas Arbeiterfefretariat mit Entfdficbenbeit folipem Bor* 
paben entgegengetreten ift, mag oieIlcid)t ein befouberer ©runb bcr 
©eanerfepaft biefer ©enoffenfcpaftSorgane fein. Ausbrüdlid) feftftellen 
miiffen wir, bap trop aEer pringipieEen öegenfäpc in ber Beurteilung ber 


# ) Biiincpcu 1899. 9ft. Ernft, Seuefclberfir. 4. 99 Seiten. 



679 


•Soziale prajtS. Eentralblatt für ©ogtalpolitil. 9h:. 25. 


680 


einseinen Unfälle unb ber Berieten, ber Berfeljr mit ben Organen ber 
meiften BerufSgenoffenfchaften ein burdjauS guter mar." 

$öS Stuttgarter Arbeßerfefretartat hat in feinem gweiten ©efdjäfts* 
ja^r 1898 7478 münblicfje unb 1048 fdjriftltdie AuSfünfte erteilt. Unter 
ben Befudjem beS Arbeiterfefretariats befanben ftdj 5910 mämtlidje, 
1568 weibltdic, 5278 Stuttgarter unb 2200 auswärtige. $>ie Unfall* 
fadjen nahmen mit 1027 9htmmern ben .£>auptauff)et( ber Arbeit in An* 
fprueb- Aud) bie Alters« unb SnoalibitätSoerfidierung weift 828 Bum* 
mern auf, bie ftranfenuerfidjermig nur 446 9himmern. Auf bie fcßlerfiteu 
SSöbnungSüerfjältmjfe Stuttgarts ^oerfen bie 620 SftietijSftrcitigfcitS* 
fachen ein fycücä Öidjt. Baturgemdß [teilen „gewerbliche Ungelegen» 
beiten" (968 Hummern) einen hoben ^rojentfap. 2)er oahreSberidjt*) 
giebt burdj bie Dielen eingeftreuteu Betfpiele ein anfdjaulicheS 5öüb ooit 
ber Sljätigfeit beS Sekretariats, beut bie befanntett ©ewerffdjafiler BetdjS* 
tagSabgeorbnetcr 91 g ft er unb £>. 9Jcattutat norfteben. £ie Einnahmen 
unb Ausgaben balangiren mit ber Summe non 3878,7a M. 

$aS Organ ber öftemidjifdjett ©etmffdjaftcfommifftoit „£ic Oie wer!« 
fdjaft" wirb Dom 1. April b. an in oeränberter ©eftalt erfebeinen. 
XaS Blatt wirb itt erweitertem Umfange jroeimal monatlich Ijerau#* 
tommen unb in roiffenfdjaftlich, bodj allgemein oerftänblidjer Beife 
fogialpolitifdjc fragen non allgemeinem gntereffc bebattbeltt. 3uS* 
befonoere wirb baS Blatt ben ©ewerbegeridjten unb ihrer BedjtS* 
fpreebung feine Aufmerffamfett fd>en!en. 

Arbeiterbewegung {tt Paris. AuS Paris wirb uns geftbrieben: 
93ei jeher ber bisher oeranftalteten Parifer BettauSfteßungen würben 
burdb bie umfaffenben BorbereitungSarbeiten giemliche Bewegungen 
unter ber Arbeiterbeoölferung oeranlaßt. Es ift gang natürlich, 
baß bie Arbeiter ihren Anteil an ben materiellen Bortheilen be« 
gehren, welche bie AuSfießungen bem ßanbe unb befonberS ber 
Hauplftabt bringen, unb inöalichft hohe Söhne gu erringen fuchen. 
t)er AuSftanb im Baugewerbe oom Oftober oorigen SahreS bilbet 
nur eine ©tappe in biefen Beftrebungen, bie feitbem burch lebhafte 
Agitation oiel an $raft gewonnen unb, wie e S fheint, mit bem 
Srühjahr gu neuen Berwicfelungen mit ben Unternehmern führen 
wirb. $>ur<h baS SPlifegliicfen beS ©eneralftreifs im lebten §erbft 
würbe man belehrt, bei erneuten Berfudjen methobifdjeroorgugehen. 
2)ie leitenben ©ewerffchaftSorganifationen haßen barum eine be* 
fonbere $otnmiffion ernannt unb mit bem Aufträge betraut, bie 
Qfrage beS geplanten AuSftanbeS in allen Eingelljeiten gu berathen 
unb einen betaißirten AftionSplan auSguarbeiten. Sn mehreren 
ftarf befuchten Arbeiteroerfaminlungen würben bie Borfchläge ber 
enannten ^ommiffion gutgeheißen. Sie gehen im Befentlichen 
arauf aus, einen effeftioen unb gleichgettigen AuSftanb aßer 
©ewerbegweige gu fichem, falls bie Unterhanblungen mit ben Unter« 
nehmern ben BefurS gu (Gewaltmitteln erheifdjen. 3 U biefetn 
Berlangen ber Arbeiter — über beffen Legitimität h^ r nicht bisfu« 
tirt werben fotl — nach entfprechenben materiellen Bortheilen an 
ber BeßauSfteßuna gefeilt fid) als weiteres Dtotio ber gegen« 
wärtigen Arbeiterbewegung bie Abficht, gewiffe Arbeßerfchufc« 
beftiminungen in bie Submiffionen öffentlicher Arbeiten einguführen. 
®iefe Stage fteht überhaupt im Begriffe, lanbeSgefefclidj geregelt 
gu werben. Bereits im oorigen Sabre fpradj fich ber oberfte 
ArbeitSrath barüber in arbeiterfreunblichem Sinne aus, unb im 
Parlamente würben mehrere entfprechenbe Snitiatioanträge einge« 
bracht, welche übrigens fchon feit 3afjren in ber $ommifftonS« 
berathung ftehen unb oor Burgern einen günftigen Bapport er« 
gielten, fo baß bie $>eputirtenfammer halb im Plenum fid) bamit 
befchäftigen bürfte. (Bir fommen bei biefer (Gelegenheit auSfübr* 
lieh barauf gurücf unb erwähnen h^ nur, baß in bem in Bebe 
fte|enben ©efefcentwurf ein BtajimalarbeitStag, Regelung ber | 
Annahme frember Arbeiter, Sicherung oon Bormallöhnen unb 
Sonntagsruhe befürwortet werben.) &ie augenblicfliehe Agitation 
unter ben Arbeitern richtet fich benn auch mit ooßem Bewußtfein 
barauf, bie parlamentarifche Beßanblung ber Btaterie gu be* 
fchleunigen. 3 U oerfchiebenen 5Dtalen fdjon würben petitionS« 
Delegationen an bie guftänbigen Btinifter gefanbt, währenb bie 
2 )eputirten ber Parifer s Bahlbegir!e felbft üd) fehr aftio an ber 
Bewegung betheiligten, fei eS burch Unterhanblungen mit ber par« 
lamentsfominiffion, fei eS burch birelte Agitation unter ben be« 
theiligten ©ewer!fd)aften. ^)er grofee 3ufU’om frember Arbeiter, 
welcher burdj bie BeltauSftellungSarbeiten oeranlajjt wirb, nahm 
überbieS in ben lebten Bochert gang enorme 2)imenfionen an, fo 
bafe bie Begirung aus eigenem Antriebe fich oeranlafct fühlen wirb, 
irgenb welche SBafenahmen gu treffen. 


*) Stuttgart. Otto Barner in Stuttgart, 1899. 


3UbeitrnurfidjrniJtg. Äparkofjcn. 


$)er ©efdjüftSbericht beS Bei(hS*BerficherungSaiittS für baS S a 4 r 1398. 

SDie unlängft oeröffentlichte Ueberficht beS BeichS*BerficherungS* 
arntS betreffs beS ©efchäftSjahrS 1898 enthält mancherlei be« 
merfenSwerthe Punfte, wenngleich eS in Abweidjung oon ben Be« 
richten früherer 3oh re mit einer gewiffeit Abfichtlichfeit unterblieben 
gu fein fcheint, Anregungen gu befonberem gefefcgeberifcben Bor« 
gehen gu geben. £)a bte nach mehrfacher Anhörung beS BetdjS* 
oerficherungSamtS ausgearbeitete SnoalibenoerficherungSnooetle gur 
3eit ben BeichStag beschäftigt, fo bepnbet fich infofem bie An« 
gelegenheit ohnehin im Sluffe. ^öffentlich erfüllt bie Beidjä* 
regierung troh aßer AbmiegelungSoerfuche auch betreffs ber öort« 
entmirfelung ber Unfalloerficherung bie Erwartungen, welche wieber« 
holt oon oerfchiebenen Seiten in biefem Blatte auSgefprodjcn finb 
unb gum ©egenftanbe eine Erweiterung auf bie bisher rücfftänbigeti 
©ebiete ($anbel, ^anbwerf, Haushaltungen u. f. w.), fowie bie ge« 
rechtere Betheiligung ber Arbeiterfctjaft an ber Berwaltung beS 
gangen BerfeS unb bamit bie Bermetbung ber jefct fo oft be« 
obadjteten Einfeitigfeit in ber ©efchäftsbehanblung ha^en. 

$er oorlieaenben Beröffentlichung ift gunäd^ft in Begug auf 
bie Unfalloerficherung gu entnehmen, bafe ber Berhütung 
oon Unfällen fortgefefct erhöhte Aufmerffamfeit gefchenft wirb: 
nachbem gwei BerufSgenoffenfchaften, bie oorher feine Unfatt« 
oerhütungSoorfchriften befaßen, gu bereit Erlafe gefchritten finb, 
entbehren gegenwärtig nur noch 3 oon ben 60 auSfchlie&lid) bem 
BeidjS«BerftcherungSamteunterteilten gewerblichenBerufSgenoffen« 
febaften berartige Beftimmungen; eine berfelben, bie Straßenbahn« 
BerufSgenoffenfchaft, ift mit ber Ausarbeitung befdjäftigt. Bährenb 
ferner 12 gewerbliche BerufSgenoffenfchaften eine Aenberuna ober 
Ergängung ihrer fchon beftehenben begügticben Anorbnungen bewirft 
haben, h fl l fi<h i n ben lanb« unb forftwirthfehafthehen Be« 
trieben bie Ucbergeugung oon bem großen Berthe biefer oor« 
beugenben Maßregeln feineSwegS attgemein Bahn gebrochen; man 
begnügt fich oielfach mit ber Entgegnung, baß ein wirffames 
Strafmittel gegen ben ßeidjtfinn ber oerficherten Arbeiter nicht ge¬ 
geben, unb baß eS beSbalb einftweilen ungerechtfertigt fei, bie 
Unternehmer mit Strafen gu bebroben — ein bequemer Einwanb, 
beffen Hinfäßigfeit bie 3nha& er inbuftrießer Betriebe, bei beneit er 
fchließlich boch audj gutreffen müßte, fchon feit langen Sohren ein« 
gefeben haben. $)aS BeichS«BerficherungSamt erwähnt nichts ba- 
oon, baß neue Borfchriften in ber ßanb« unb gorftwirthfehaft er¬ 
laßen ober in näcbfter 3eü 3^ erwarten finb, unb eS befcfjränft 
ftch auf bie Bemerfung, baß auch im Berichtsjahre auf weitere 
öörberung ber Unfafloerhütung für jene Betriebe Bebadjt genommen 
fei, wo immer ftch ©elegenheit bagu geboten habe. 

2)ie rechtfprechenbe ^bätigfeit beS Amtes ift in fortgefefcter 
Steigerung begriffen, obwohl ber 3uwachS nicht mehr ein fo 
ftarfer war, als in ben beiben oorangegangenen Sah^a. 

Es würben neu anhängig: 

1896 1897 1898 

9273 10 343 11 183 Aefurfe. 

$)a am Anfang beS 3afjreS 1898 bie außerorbentlidj hah e 
3ahl uon 4586 progeffen (33, 3 %) unerlebigt übernommen werben 
mußte, fo überfteigt bie ©efammtfumme aßer gu bearbeitenben 
Behtrfe mit 15 769 bie 3iff cr a beS BorjahreS um ooße 2000. 

Eine merfwürbige Beobachtung macht man bei ber Prüfung 
beS BerhältniffeS gmtfdjen bem Anteil, welchen bie Berfidjerten 
einerfeits, bie Berufegenoffenfchaften anbererfeitS an ber Einlegung 
beS BeditSmittelS hatten, unb bem Erfolge, ben fie bamit ergießen. 
Bährenb nach ber Batur ber Sache unb nach ben fonft gewonnenen 
Erfahrungen bie Abnahme ber Betheiligung ein Steigen ber AuS* 
lichten auf Erfolg mit fich 3 U bringen pflegt, ift bieSmal ber Ber« 
lauf umgefehrt gewefen. $)ie Bereicherten haben in Unfaßfadjeit 
feit einigen Sahren immer feiten er ben BefurSmeg befchritten 
(1896: 80, 4 ; 1897: 78, 6 ; 1898: 77, 9 % aßer Befurfe). 3hre Er¬ 
folge aber finb beffen ungeachtet immer geringer geworben 
(25,6*, 22,i; 19,6%). $>ie BerufSgenoffenfchaften erreichten 
bagegen, obgleich fie oon 3abr gu 3abr häufiger bie Entfdjei* 
bungen ber SdjiebSgeridjte burch Anrufung ber oberften Spruch« 
beßörbe angefochten haben, fortfdjreitenb günftigere Ergcb« 
niffe: oon ihren eigenen Befurfen finb gu ihren ©unften ent« 
feßieben: 

1896 1897 1898 

42 /8 48,6 54,7 %. 

Es liegt mir fern, ber Besprechung beS BeidjS-BerfidjerungS« 
atnts ben Borwurf 311 machen, baß fie un Bergleiche mit früheren 




681 


(geniale $raji8. dentralblatt für Sogialpolitif. Br. 25. 


682 


3 cüen an SöoplrooHen unb Berftänbnife für bic ©runbgebanfen 
ber beutfepen Arbeiterfürforge oerloren $atte, fo auffällig auep bic 
angeführten 3<*plen finb. drft eine längere Beipe non fahren 
mirb es möglich machen, gu fieberen Schlußfolgerungen über bie 
©rünbe biefer drftpeinung gu gelangen. $>enfbar fonnte eS auf 
ben erften S3ücf fein, baß ber Bücfgang ber ben Berficperten 
günftigen dntfepeibungen ber oberften Snftang mit bem gunepmen* 
ben, oxelfacp oon Erfolg begleiteten Beftreben ber Arbeiterfreife gu- 
fammenpinge, fepon in bem BerufuitgSoerfapren burep bie AuSroapl 
geeigneter ScpiebSgericptSbeifißer möglichst großen (Einfluß auf bie 
Zubilligung unb Bemeffung ber Unfallrenten gu geminnen. Wenn 
bann baS Scpiebsgericpt bei aller pflieptmäßigen Sorgfalt öfters 
über bas 3^ I)inauSfd)öffe unb Renten gufprädje, bie gefeßlicp 
nicht gerechtfertigt erfepeinen, fo mürbe um fo häufiger baS Reichs** 
BerficperungSamt in Anfprucp genommen merben müffen, um baS 
lepte Wort gu fagen unb bie Qorberungen ber Berficperten auf 
baS richtige Blaß gurüdgufüpren. 3ttbeß biefer Berfucp einer dr* 
Härung ift abgulehnen: eine 3«fötnnienfteHung ber fcpiebSgericpt» 
liehen Becptfprecpung aus ben Iepten brei fahren lagt Har erfennen, 
baß auch bie BerufungSinftang ben SBerfichertcn eine all¬ 
mähliche Berfcplecpte^ung ihrer AuSficpten geboten pat. 
BöHig ober theilroeife mürbe eine Abänberung beS angegriffenen 
genoffenfcpaftlicpen BefdjeibeS erreicht: 

1896 1897 1898 

bei 28 27 25% oller Berufungen. 

Bei ber SnoalibitätS- unb AlterSoerficperung hot baS 
Berpältniß gefeproanft, unb es ift beSpalb noep roeniger ein Bücf* 
fepluß geftattet. Bon ben in ben brei Iepten Sofien ourep Urtpeil 
beS BeicpS-BerficperungSamtS erlebigten 2384, 2703 unb 2577 Be* 
oifionen ber Berficperten fmb gu beren ©unften entfliehen: 443, 
419 unb 462, alfo 18,58 begm. 15,so unb 17,97 %, mäprenb bie 
BerficperungSanftalten unb Kaffeneinricptungen mit 64, 7 begm. 64 ,9 
unb 65,8 °/o iprer eigenen Beoifionen burepbrangen. 

9Rit lebhaftem 3>ntereffe mirb in ben beteiligten Greifen eine 
Neuerung aufgenommen merben, bie baS BeicpS*BerficperungSamt 
bei bem oorliegenben Bericpte eingefüprt pat. dS ift nämlicp, um 
ein fortlaufenbeS, gur Bergleicpung geeignetes Bilb über bie Be* 
fepeibe ber eingelnen Anftalten in Sooaliben-, in Altersrenten- unb 
in BeitragSerftattungSfacpen fomie über bie drfolge ber eingelegten 
BecptSmittel gu geben, eine 3ofommen]teHung ber Spätigfeit ber 
31 BerfidjerungSanftalten unb ber 9 Kaffeneinricptungen in ben 
Iepten brei Sapren angefertigt, $iefelbe läßt erfennen, baß jept 
in benjenigen Begirfen, in roelcpen bei Snfrafttreten beS Snoali- 
büäts* unb AlterSoerficperungSgefeßeS außerorbentlicp oiel Alters¬ 
renten beroilligt finb, mit größerer Strenge oerfapren mirb; ins* 
befonberc fiepen in Dftpreußen ben 2917 Beroifligungen einer 
Altersrente 1760 Ablehnungen gegenüber (38 %), mäprenb in Berlin 
28 0 / 0 , in ben fmnfeftäbten fogar nur 11 % auf bie abroeifenben 
Befcpcibe entfallen. 3n gleicper Söeifc ift eine Ueberficpt betreffs 
ber Strafoerfügungen (roegen unterlaffener Btarfenoerroenbung 
u. bgl.) geliefert, aus ber mir fepen, baß man in eingelnen Bunbes* 
ftaaten, melcpe baS dingugSoerfapren (§§.112 ff. beS ©efepeS) 
eingefüprt paben, oon ber Strafbefugniß faft gar niept ©ebrauep 
gu maepen genötpigt ift: bas Königreich Sacpfen roeift feine eingige 
Strafoerfiigung, Württemberg beren nur 2, Baben 11 in ben Iepten 
brei Sapren auf, unb boep fmb bie ginangoerpältniffe ber Ber* 
ficpernngSanftalten biefer gtaaten fo erfreuliche, bap fie bie AuS* 
gleicpsoorfcpriften ber Booelle gern entbehren mürben. $>ie din* 
riepung ber Beiträge burep bie Kranfenfaffen unb fonftigen £>ebe* 
(teilen bietet, roie immer mieber betont merben mup, bie befte ©e* 
mäpr für bie orbnungSmäpige £>anbpabung beS ©efepeS. 28enn 
fiep babei pier unb ba BeitragSmarfen anfammeln, bie mangels 
BorliegenS ber Karte niept oermenbet merben fönnen, fo ift ber 
in bem Bericpte ermäpnte AuSmeg eingnfcplagen, bap bie Btarfen 
bemjenigen Anftaltsoorftanbe überroiefen merben, auf beffen Manien 
bie ßuiitungSfarten lauten; bieS Dtittel pat fiep naep ben bisherigen 
Beobadjtungeu burcpauS bemäprt, meil bie Btarfen bann fcplieplicp 
bod) nod; gur richtigen Bermenbung gelangen. 

0epr gu beflagen märe eS, roenn bie Bemühungen beS Beicps* 
BerficperungSamtS, bic Arbeiteroerficperung beS beutfepen BeicpeS 
auf ber ^arifer BkltauSftellung im fomnienben Sapre roürbig 
unb einheitlich) gur Anfcpauung gu bringen, aus SBangel an oer* 
fügbarem Baume fepeitern foulen, ds ift erflärlicp, bap bie Be* 
rufSgenoffenfd)aften gegenüber bem Borfcplage, fiep an einer niept 
ooHfiänbigen ober tn meprere getrennte Bäume gerftreuten Aus* 
fteHung gu beteiligen, einftroeileit einen ablcpnenben Stanbpunft 
eingenommen paben. ilnfere BeicpSregierung mirb eS poffentlicp 
als eine dprenpfliept betraepten, mit bem nötpigen Bacpbrucfc 


barauf pingumirfen, bap bie für anbere Staaten oorbilblicpen 
0cpöpfungen ber beutfepen Sogialpplitif auf ber AuSfteHung an* 
gemeffen unb überficptlicp oertreten Tinb.*) 

Braunfcpmeig. oon granfenberg. 

^ie Bcrfidjerttng gegen UrbetiSfoftgfeU pat eine Petition an 
ben BeicpStag geforbert. Bei ber Beratpung in ber BetitionS- 
fommifrion erflärte ber BegierungSfommiffar, biefe gnige befepäftige 
bie oerbünbeten Begierungen fepon lange, inbeffen fei man in ber 
facplicpen Bearbeitung noep feinen 0cpritt oorroärtS gefommen; eS 
fei auep beSpalb noep niept in AuSficpt genommen, bie Sacpe bem- 
näcpft gefepgeberifcp gu bepanbeln. Hm bie befonbere grage ber 
fiaftcnoertpeilung — auf biefe rieptete fiep bie Bittfcprift — panbele 
eS fiep jebenfaÜS noep lange niept. $ie Petition foll, mie auep ber 
BegierungSfommiffar empfohlen patte, bem BeidpSfangler als 
Btaterial übermiefen merben. 

Unfattoerfidjcnuig itt ben Biebcrfanben« Aus Amfterbam 
mirb uns gefeprieben: Bor längerer 3^it paben mir pier oon bem 
Brojeft einer obligatorifcpe'n Unfalloerftcperung in ben Biebenlanben 
beridptet. (Bgl. Soprg. VI, 0p. 1229.) Seitbem ift ber bamalS 
eingebraepte dntmurf oon ber neuen Begierung in einigen Butten 
abgeänbert, mieberum eingebraept unb nad) ben AuSfcpupberatpungen 
ber gmeiten Kammer abermals geänbert roorben. ®ie drrieptung 
einer BeicpS*BerficperungSbanf, bie §>öpe ber B^dmien unb ber 
dntfcpäbigungen Tmb beibepalten; bie Karenggeit jeboep ift oon 
fetps Söocpen auf brei perabgefept, unb bie Arbeiter foüen bas 
Becpt paben, fiep auep für bie 30 % ipreS ßopneS, melcpe bei ber 
dntfcpäbigung niept berücffnptigt merben, gu oerfiepern. S)urcp 
0pegialaefep follen fpäter BerufungSrätpe eingefept merben als 
pöpere §nftang gegen bie dntfepeibungen beS BanfoorftanbS. 2)ie 
Arbeiter merben als 2Ritglieber ber BerufungSrätpe bei ber BoII* 
giepung beS ©efepeS oertreten fein. Sept paben jeboep groei ber 
größten unb als Arbeiterfreunbe auep im AuSlanbe befannte 3n- 
buftrieöe (oan 9Jtarfen in $>elft unb 0torf in £>engelo) in einer 
Abreffe ber gmeiten Kammer bargelegt, bap fie niept nur iprenAr* 
beitern bei oorübergepenber Snoalibität ben gangen ßopn roeiter 
gaplen unb bei bauernber Snoalibität fie für benfelben ßopn anber* 
meit befepäftigen, fonbern bap auep bie obligatorifcpe Unfall* 
oerpeperung ungeadptet ber dntfcpäbigung oon nur 70% bes 
ßopneS ipnen meit mepr Koften oerurfaepen merbe, als fie jept 
freimiHig gemäpren. S)aper ift es niept unmöglich, bap benjenigen 
©ropbetrieben, bie bem 0taate beftimmte ©arantieen geben fönnen, 
Ausnahmen oon ben gefeplicpen Berpflicptungen geftattet merben. 
^ebenfalls mirb ber dntmurf in biefem Qapre noep ©efep merben. 

Arbetterocrfifpernng in Bnplanb» SDie Berficperung oon 
?yabrifarbeitern bei prioaten BerficperungSgefellfcpaften entroicfelt 
fiep im fiiblicpen Buplanb in erfreulichem Btape, mobei bie ©efefl* 
fepaften biefem Bebürfnip burd) drleicpterung beS BerficperungS* 
mobuS fepr entgegenfonimen. 0o erpebt bie Buffifcpe Berfidpe* 
rungSgefcllfcpaft oon je 1000 Bbln. 3aprcSlopn eine B^ämie oon 
11 Bbln. unb übernimmt bafür niept allein bie Berpflicptung, bie 
feftgefepte dntfcpäbigung an etma oerlepte Arbeiter gu entrichten, 
fonbern auep biejenigen Summen, melcpe auf gericptlicpem Wege 
in enifpreepenben fallen beftimmt merben, moburep bie Sabrif* 
leitung oon allen Bfacfereien unb ber dntrieptung unoorpergefepener 
Ausgaben befreit mirb. 


3lrbeit5tttuJ)ttiete. 

®ie Sage bcS beutfepen ArbeitSmarfteS im Februar pat fid) 
feit Anfang gebruar noep roeiter gebelfert. $)ie 3iff e rn ber ArbeitS* 
nacproeisoermaltungen meifen gegen ben Bormonat fomopl mie 
gang befonberS auep gegen ben enifpreepenben BJonat beS BorjapreS 
einen erpeblicpcn Bücfgang ber Arbeitfncpenben naep. 3^ N Äonat 
gebruar 1898 fanien auf 100 offene Stellen 134,2 Arbeitfucpenbe, 
im Sanuctr biefeS 3apreS 131, 6 , bagegeu im Qebruar biefeS 3apreS 
nur lll,i. din folcper ^iefftanb beS Angebotes ArbeitSfucpenber 
ift bisper eingig baftepenb. Bon 58 ArbeitSnacpmeifen meifen im 
Bergleicp gum Februar oorigen 3aprcS niept meniger als 41 (4- 1 
auSlänbifcper) eine Abnapme unb nur 14 ( 4 - 2 auSlänbifcpe) eine 
3unapme bes AnbrangeS auf. 

Arbeitsvermittlung im 3^ö^ cr 9 ctofr ^ f o” einer Borftanbs* 
fipung beS ©emerfoeremS ber ^{icgler in IMppe am 1. BJäig in 

s £>ic mir börni, beftebt eifienitcln* AusmbP biefer '^imfdj 
in drfüUung gcljt. Tte 9ieb. 



688 


«Soziale ffrajis. Eentralblatt für «Sojialpoltttf. 9tr. 25., 


6s4 


Detmolb rourbe bcr Entwurf ju * einer Eingabe an ben BunbeS* 
rat!) oorgelegt, bafjingehenb, baß bei ber gefefelidjen Siegelung ber 
Berhältniffe ber ArbeitSoermittelung, autf) bie ArbeitSoermittelung 
in ber 3i f gdki s 3ubuftrie mit beriicffidjtigt roerben unb im 58e* 
fonberen bie BermittelungSagenturen fongeffion§pf!id)tig gemacht 
roerben möchten. D)aS Statut be$ am 1. April zu eröffnenben 
2lrbeit^nad>roeifeö rourbe feftgeftellt. @8 rourbe befd)Ioffen, baran 
feftzuhalten, baß ber Arbeitsnachweis ein paritätifd^er, b. f). non 
Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gemeinfam oerroalteter fein foH. 
D)ie Berhanblungen beS ©eroerfoeretnS mit bem Berbanbe beutfdjer 
Xhon*3nbuftrteuer haben zu einer Einigung geführt. 


©täMifdjeS Arbeitsamt SRümhcn. 

München roieS auf: 

Stellen* 

aitgebote. 


1895 (2 STOonate). 2 689 

1896 . 80 057 

1897 . 34 726 

1898 . 38 99 t 


Das ftäbtifche Arbeitsamt 


©teilen* 

©teilen* 

gefuche. 

bejepungen. 

9 661 

1 965 

47 008 

25 586 

41 002 

28 855 

54 994 

32 336 


Diefe fahlen geigen, welchen 5Rupen ein richtig geleiteter Ar* 
beitSnadjroeiS ju leiften oermag. Die llrfac^en biefes Aufblühens 
fanben bie §erren non ber Eentralfteüe für ArbeiterroohlfahrtS* 
einrichtungen in Berlin, bie auf ihrer fünften JnformationSreife 
München befugten, nach bem non Wilhelm Klebe, ©efretär bes 
Anhaltifchen ArbeitgeberoerbanbeS, h^uuSgegebeiten Bericht u. A. 
in ber ftrengen UnparteiUchfeit unb ber Eentralifation beS Amtes. 
Der 58ericht fchreibt: 

„Es muß lobenb heroorgeljoben roerben, baß es bas Alündjener 
Arbeitsamt, banf einer zielberoußtcn unb nerftänbigen Leitung, nach ben 
eigenen Porten bes lebten, streiten Jahresberichten „beute ber nad) Be* 
nupung unb Bermittclungsthätigfeit bebentenbfte Arbeitsnachweis 
Deutfdjlanbs" ift. Daß ihm biefes gelingen tonnte, bürfte wcfentUdj 
auf jinei llmftänbc jurüdsuführen fein. Einmal auf feine unparteiifche 
Stellungnahme in Siiobitfämpfcn, inbem es bem oott Arbeitgebern mtb 
Arbeitnehmern gleidjcrmeife als gerecht unb richtig anerfannien föruiib* 
fape hulbigt, beim Ausbruch eines folchen Kampfes fofort öffentlich be* 
fannt z» machen, roo Differenzen sroifcfjen Unternehmern unb Arbeitern 
befteben. Sobamt hat cs bie Leitung neben ihrer prinzipiellen ©tel* 
lungnahnte für abfolnte Cbjeftioität in einer ber roicijtigften fragen bes 
ntobernen BHrtbfdjaftSlebcnS oerftanben, burdj cncrgifdjc eigene Sffätig* 
Feit unb cntgegenfommenbeS Verhalten ber betheiligten Greife firf> zu nt 
Afittelpunft einer erfolgreich burchgeführten Ecntraiifming beS Arbcits* 
nachroeifes für bas ganze Komgreidj Batjeru zu machen." 


Der ArbeitSmarft in Unterfranfen. AuSgehcub oon bent Olebanfen, 
bah bie Arbeitsämter nicht nur lofale SöohlfnbrtSeinrichtungcn, fonbern 
auch foziale BcobadjtungSftatiouen fein follett, fügt baS ftäbtifche Ar* 
bettsamt ©iirzburg ((tfcfdjäftsführer Jofeph Dhünn er) feinem 
II. ©efdjäfteberidjt alle Erfahrungen bei, bie es im Berichtsjahre 1898 
gemacht hatte. Der Beridjt ftidjt bamit roohlthuenb ab oon ben troefenen 
fahlen, mit benen oielfad) bie Berichte firfj begnügen, unb leiftet einen 
weiteren Beitrag ju ber Aichtigfcit ber Anfchauung, baß in ben füb* 
beutfehen Einzelftaaten bas fozialpolttijdje Berffänbniß erftarte. „Bor* 
ZugSroeife in Bauern hat," fo fagt ber Bericht, „bie föniglidje Staats* 
regierung mit thatträftiger Unterffüpung berjenigett ©täbte, bie jept 
.^auptarbeitSuermittelungsftellen befipen, eine Crganifation gefdjaffen, 
bie burch ihre Eentralifation fo oerzroeigt unb zergliebert ift, baß fte 
auf bem fojialen (Gebiete einen gerabezit heroorragenbett Bläh einnimmt. 
Daburd), baß alle Oiemeinbebeljörbcn als Crgane beS ArbcitSnadjroeifeS 
in Bauern beigezogen unb jnr gemeinfanten Mitarbeit an biefer groß* 
artigen Schöpfung berufen würben, ift ber Arbeitsnachweis Z u nt felbft* 
ftän bi gen Berroaltungszroeig geworben." 

Das Amt BMirzburg ift bie Eentralftelle bes AegierungsbezirfS 
Unterfranfen unb Afchaffenburg für foftenlofc ArbeitSoermittelung mämi* 
lidjer unb weiblicher Arbeitsfräfte. Um bie Erhaltung unb Zuführung 
oon Ianbroirthfd)aftlid)en Arbeitern z» förbern, follen bie Batanzcnliften 
ber Eentralfteflc möglichft in allen politifrijen ftemeinben bes BezirfeS 
angefchlagen werben. Als wnnfdienSroerth wirb bie birefte Berfenbung 
— ohne Bermittelung ber Bezirksämter - bcr Giften an bie Olemeinbett 
bezeidinet; bie bazu erforberlicfjeu Bortofoften oon über 1000 *//., um 
800 (ttcmeinbrn z u oerforgen, müßten im Jntereffe ber länblidieu Ar* 
beitsoermittelnng aufgewenbet werben. 47 Leitungen nnterftüpten baS 
Unternehmen mit beftnn Erfolge. Das Amt beriicffidjtigt bie in ben 
Leitungen angebotenen offenen Stellen ebenfalls. Befriebigt warben im 
Bcridjtsjahre 62,s % Angebote nnb 88,4% Andjiragcn; nnihrenb ber 
‘JOntonatlidien Dffätigfctt bes Amtes warben 12 145 oiefudje nnt ;pt* 
weifnng oon Arbeitskräften nnb 9077 Otefudjc um Juweifuug oon Arbeit 
geftellt unb 7303 Stellen befept. Beflagt wirb ber AJangel an BJarte* 
nnb ©predjrätunen, insbefonberc für bie roeiblirfje Abtheiluug, bie 
Diciiftboten. 43,5 °,'o ber (^cfudje bcr Dtenftherrfdjaftcn, 74,5 % ber 
Dicuftbotcu warben erlebigt. Es zeigt firij alfo ein Atangel an Dienft* 
boten. Aus 18 3täbtcn ift bem Amt ein SKangel au Diciiftboten mit* 
gethcilt, theilweife fogar ein großer Ataugel. Aur ^anbsljut hatte eher 
Üeberflnß als A?angel. Eine Tabelle giebt über bie ortsiiblidjeu Dienfi* 
boten ziele nebft üiohnfäpeu für bie einzelnen Dienftbotcnfategorien in 


ben fübbeutfehen ©täbten Afchaffenburg, Bamberg, Darmftabt, granffurt 
a. 9Ä., ftreiburg (Baben), ^eibelberg, ^aiferSlautem, Karlsruhe, Bab 
Äifftngcn, Äipingen, Btainz, Biannljeim, München, Aürnbcrg, AegenS* 
bürg, 3djweinfurt, ©traubing, ©tuttgart, Ulm, BJiesbaben iinb S^ürz* 
bürg Auffdjluß. ifaiferSlautern weift bie hödjftcn ©äpe für Köchinnen auf. 

Aach Aufidjt beS Amtes fmb es nicht roirthfchaftlidfje unb öfono* 
mifche (ilriinbe, weldje baS weibliche Bei'foual bent (^eftnbebienft eni* 
Zieijen. Bon beit ftellenfudjenben Diciiftboten treffen nur ca. 12 % auf 

t eborene ©täbter, wäljrcnb baS 2anb ca. 88 % au bie ©tabt abgiebt. 
)a8 Amt fpricht bie Bermutljung aus, „baß ber A?angel ber häuslichen 
Dienftboten noch fo lange befteljen wirb, bis ein Abftrömen oon Ar* 
beiterinnen oon ben Jnbuftriebetrieben eintritt. Erft bann wirb eine 
Beziehung z u fünften bcr fianbwirthfehaft eintreten, weil bann 
wahrfcheinlidj oon ben ©teHenfuchenben auf bem 2anbc nunmehr ein 
geringer Brozentfap in ben ©täbten aufgebracht werben fann. Dafe 
ftch eine Berfdjiebung z um Bortheil ber Sanbwirthfdjaft mit ber 3°^ 
ergeben wirb, ift mit ©icherljeit anzunehmen; aber unftcher ift bie Be* 
rechnung bezüglich beS ^eitpuntteS". 

Die interlofalc OJefdjäftsthätigfeit madht erfreuliche gortfdjritte. 
Die beigefügten reichlichen Formulare geben Arbeitsämtern, bie biefeit 
BerFeljr in Ujre Dljätigfeit mit auf nehmen wollen, gute Anleitung. Die 
Aefcroiftenoermittclung hat — ähnlich wie in Aiündjcn — einen 
nennenSiocrthen Umfang nidjt erreidht. Aach ben Erfahrungen beS 
Amtes fehren bie weiften Aeferoiften in ihre .£>eimaif) unb iljren Beruf 
Zurücf, ohne ein Arbeitsamt in Anfprudj nehmen z» müffen. — Aeifc* 
oorfdhüffc werben gewährt, aber feiten in Anfpruch genommen, ein 
.Beweis oom ©tolz unb ber Eharafterfcftigteit ber .Ülienten beS Arbeits* 
amteS. ©ie reifen lieber z» als baS Amt in Anfpruch z u nehmen. 

Ein befonbercr Abfchmtt benennt ftd) „bie Sage ber 2anbwirth* 
fdjaft unb ber ArbeitSmartt". Diefer wiberfpridjt ber Auffaffung, als 
ob bie Eentralifirung bes ArbeitSmarfteS bie ^reizügigfeit befdhnitte, 
[teilt eine Begleichung über bie s 2SoIjn* unb 2ohuoerhältniffe ber länb* 
liehen unb ftäbtifche» ungelernten Arbeiter bzw. Dienftboten an, bie 
nicht eben za Uttgunften beS 2anbeS ausfällt, nnb weift enblich auf bie 
guten Erfahrungen hin, bie ©roßgrunbbefiper jenes BezirfeS bamit gc* 
macht haben, baß fie ihren Dienftboten bur<h Bercitftellung oon 
^ami lieuwohaungen bie (Hriinbung oon Jamilien ermöglidjt haben. 
Arbeiterwohnungen müßten auf bem 2anbc errichtet werben, unb ba* 
burdj tonnten auch bie Kapitalien ber BerficherungSanftalteit in ganz 
nupbringenber Steife angelegt werben. Diefclbe Maßnahme ift bei ben 
Berhanblunöien über bie 2eutenoth im Bi’eußiidjeu Abgcorbiietcuhaufe 
oom Bicepräfibenten beS ©taatsminiftcriumS Dr. o. AJtquel, unb bem 
uationallibcrnlen Abgeorbueten unb Sanbwirth ©eer empfohlen worben. 
Die Bermehrung ber Arbeitsämter würbe weiter bazn beitragen, bcr 
2anbwirthid)aft Arbeitsfräfte z« erhalten unb zuzuführen. Die ©täbte 
Afchaffenburg unb ©djweinfurt z- B., bie feine Aernter befipen, fämen 
für bie fleißigen Bewohner bes Ahött unb bes ©peffart in Betracht, bie 
fo gezwungen wären nach ftranffurt a. A?. unb Aiimberg zu roanbern, 
um Arbeit zu finben. Ungelernte Arbeiter feien feine ^reunbe großer 
^anbertouren. 

AHt bem Amte war eine AuSfunftsftetle für bie ©ozialgefcpgebuug 
oerbunben. 

Das Amt entmicfelt fidj erfreulich. Es wirb allmählich bie ge* 
werbSmäfjige Bermittelung oerbrängen. Bon ben 3000 Dieuftljcrr* 
[(haften ber ©tabt SSürzburg benupten es fd;oit 2351. 


Äöljaujigsaieftn. 


Mangel an fleinen B^ohnnngen in SRagbeburg. Das ftäbtifche 
ftatiftifche Amt in Aiagbeburg giebt in ,J>eft 8 feiner „Aiittfjei* 
lungen" Anffchlnffe über ben ©tanb ber Wohnungsfrage. Es 
roiro barin eine ganz bebentenbe, rapib eingetretene Berfchlechterung 
ber Berhältniffe feftgeftellt. J[n ben lepten oier fahren ift bas 
©ohnungSangebot oon 3522 auf 617 zuritifgegangen, eine Ab* 
nähme, roie fie unter ben größeren ©täbten, bie berartige Er* 
hebungen regelmäßig oeranftalten — es fitib bicS unfereS WiffenS 
Köln, ßiibecf, Hamburg, Königsberg, Leipzig, D)reSbeti, ©tuttgart 
— in ähnlichem Umfange niir noch in Leipzig feftzujtellen ift. 
©rabezu rapibe roar in ARagbeburg bie Abnahme bcS Angebots 
an fleinen Wohnungen: oon 2053 int Jahre 1894 auf 176 im 
Jahre 1898. Aber auch felbft biefes geringe, fdtjon an fidj oöUig 
ungeiutgenbe Angebot — es ftcllt nur 0,n2% ber oorhanbenen 
| fleinen ©ohmmgen bar — ift, roie befonbere Ermittelungen er* 
: gaben, zum Dl)etl auf llnocnntethbarfeit in Jolge befottberer 
i Aiängel ^urüif^ufübren. Jn einzelnen D heilen bcr ©tabt, ift ber 
j Atoft an Heineren Wohnungen faft oollftänbig crfdjöpft. Aber auch 
; bei ben Aiittelroohnungen mit zroei bis oicr heizbaren 3tmmern ift 
j bie AngebotSminberung fcljr ftarf. D)ie BeftimmungSgrüiibe biefer 
: Entroicfelung finb roefentlid) barin zu erblicfen, baß' bie Brobuftion 
; Heiner B^ohnüngen and) nod) nad) erfolgtem Aufbraitd) bes Bor* 
i ratl)‘S bcr früheren Jahre nur für einen fleinen Brud)tl)eil beS 
KonfuntS ©orge zu tragen fortfuhr. Bon ber gefamtnten Bro* 
i buftiott ber lepten fedjs Jahre tm Betrage oon »o 'Bohnungen 







686 


685' 


0ogiale ^ßrajfis. ©eniralblatt für Sogialpolitif. Ar. 25. 


entfällt nur ein Keiner SBrudjtfjeil non 7 , 7 % auf Bie Qerabe am 
meiften Begehrten Keinen ©oBnungen, ebenforoenig B a * fte bem 
SBebarf Keinerer dÄittelroohnungen auSreid)enb entfprochen. „Aach 
Adern", fagt bie „SAagbeb. 3*9-" „ift Bie Signatur ber SAagbe- 
Burger SBoBnungSfrage in bem nun fchon im größeren £f)eil ber 
Staot BefteBenben Mangel an fleinen Ouartieren gu er* 
Bliefen. ©S roirb mit aller 23efcBleunigung auf umfangreichere 
©rftedung Keinerer ^Bohnungen SebacBt gu neBmen fein, bantü 
unfer gerabe in ben lefeten 3aB**n innerlich fo oerheifeungSood 
fi<B entroidfelnbeS ©emeinroefen oor jenen Schäbigungen Bewahrt 
BleiBe, bie ein cBronifcBer 2BohnungSmangel ftets im ©efotge führt." 

Arbeiterioohnnugen in ^ottanb. SSoh ber „Adgemeinnüfeigen 
©efedfehaft" (Maatschappy to Nut van ’t Algemeen) finb oor 
einigen Wochen Abgeordnete non Vereinen, bie fid) mit ber 
SBohnungSfrage befdjäftigen, nad) Amftcrbam Berufen, um eine 
„centrale Äommiffion für juriftifchc, öfonomifihe, ted)nifd>e unb 
finanzielle ©utaefiten über bie Arbeiterroohnungen" gu Begrünben. 
Die Stommiffion BefteBt aus fünf SKitgliebern unb bereit Stedoer- 
tretern. 2113 Sßorfifeenber ift Dr. £). fi. Drucfer, Abgeorbneter 
ber groeüen Kammer, al3 SRitglieber ein SBaumeifter unb ein 
Sinangmann, ein Arbeiter-Baugenoffenfchaftler unb eine Auffeherin 
non Arbeiterroohnungen, al3 Stedoertreter groei Söaufadjoerftänbige, 
ein ©enoffenfdjaftler, ein Arbeiter unb ein weiblicher Argt ernannt 
roorben. Die ftommiffion roirb über iBre Drganifation unb iBre 
Arbeit bemnäcBft ben Abgeorbneten ber Vereine einen Antrag oor- 
legen unb roirb fpäter mit bem gu errifBtenben Sogialen 
SAufeum in SSerBinbung treten. 

ftleinljaiiS * ©efefe in ©nglanb. ©in non un3 fd>on oor ge¬ 
raumer 3«it angefünbigter ©efefe&itrourf, Small Houses Bill ge¬ 
nannt, ift am 14. SAärg im UnterBaufe gur erften £efung gelangt. 
Danach füllen bie SoFalbehörben gur ÄreMtgeroäBrung an ^erfonen 
ermächtigt roerben, welche bie non ihnen bewohnten Keinen Käufer 
gu ©igenthnm erwerben wollen. Diefe 23id erftrecFt fid) auf ©ng* 
lanb, Sdjottlanb unb Srlanb unb ift nicht obligatorifd), fonbern 
fafultatio. Der SBertl) BeS fmufeS barf 300 Sftr. nicht überfteigen. 
Die non ben £oFalbehörben gu leiftenben SSorfcBüffe finb auf oier 
fünftel be 3 SlaufjdjidingS BefiBränft. Die Vorlage entBält Feine 
23efdjränfung Binfidjtlid) ber ©efedfdjaftsflaffe ober ber 23efd)äftignng 
be3 Käufers. Die Soften für bie Durrf}führung be3 fjSrojeFteS 
bürfen 1 $ennp pro Sßfunb ber £oFalabgaben nicht überfteigen. 
Die Vorlage fdjlägt ein BiHige3 unb leicBte3 Spftem be3 $er- 
!aufe3 unb ber Uebertragung be3 fÖefifeeS oor. — Der SSater be3 
©efefeeS ift ©hamberlain. Subeffen ftofeen feine SSorfcfiläge auf 
SBiberftanb in ber ArbeiterbeoölFeruitg. 2Senigften3 fagt „Dailg 
(SBrouicle": „2Bir glauben, bafe bie SAeferheit ber Arbeiter, bie ben 
Bebingungen be3 mobernen £cbenS unterliegen, ben Skfife eine3 
eigenen £>aufeS nicht roünfcfit; biejenigen aber, bie anberer Anficf)t 
finb, haben reichliche (Gelegenheit, burdj 23augefellfcf)aften unb ©e- 
uoffenfcBaften eigene Käufer gu erwerben." 


dcjieljung unb fiUbung. 

DroBettber Mangel an fieBrfräften für bie ^d^erest ürBranfialten 
in $renfien, 

HudB in biefer 3«itfcBnft Babe icB oor meBreren 3aB r ßn barauf 
Bingeroiefen, bafc mit bem 2lblauf be3 3aB*Bunbert3 ßin SKangel 
an SeBrfräften für bie Böfieren SeBranftalten in ^reufcen em- 
treten roerbe. SSiel 3uftimmung Bat biefe Stufftellung bamal3 
nicBt gefunben. Sat oorigen 3aB« bat bann ^rofeffor fiefi3 
barauf Bingeroiefen, bafi bie amtlicfien 3[nciennität3liften oom 
1. Sanuar 1898 gegen bie ßiften nom 1. 3Kai 1897 bereits roieber 
eine 3 unaBme ber £)ülf3leBrer ooit 1294 auf 1311 erfahren Baben. 
„3m ©angen geigt fid) alfo Bereits roieber eine 3nnaBme ber 
ManbibatengaBl" fügte ^rofeffor £efi3 Bingu. 1 ) 3n bem ,,^äb. 
SSocBenblatt", öeipgig 1899, $lv. 13 Babe icfi bemgegenüber ge¬ 
geigt, bafi bie3nnaBme oom 1.3Kail897 Bi3 gum 1.3anuarl898 
fuB feBr rooBl oertragc mit einer SlbnaBme im ©angen, roie ber 
Befannte Slunge-^alenber oon 1898/99 fie erFennen liefe. Die 
neuerbingS ü er offen tlid^ te n amtlichen 2 lnciennitätSliften für ben 
1 . 3Rai 1898 geigen tBatfäd)lid) auch eine 2lBnaBme ber $ülf3- 
leferer oom 1 . ußai 1897 Bi3 gum 1 . 3Jtai 1898 um 161. 
(1294—1133). SRacB bem Äunge-Äalenber waren am 1. 2)2ai 1898 


im ©angen 692 §ülf3leBrer, ^robeFanbibaten unb Seminar* 
mitglieber ooübefcBäftigt unb ooflbegaBlt, roäBrenb 103 eine ge¬ 
ringere SegaBlung erhielten. ©3 waren alfo nur noch gegen 
340 |>ülf3leBrer ohne (BegaBUe) 23ef<Bäftigung oorBanben. 9iun 
finb in ben 272 Safiren oom §erbft 1895 Bi3 gum 1. 9Rai 1898 
na^ 2lu3roei3 be3 £ungc*$alenber3 im ©angen 830 ^ülfslefirer 
entroeber befinitio angefteüt roorben ober anberroeitig abgegangen. 
Die 3aBü ^cr in $reufeen befinitio angeftellten ßeBrFräfte wäre 
noch BöBtt/ rociin Bie üoflBefdjäfhgten unb ooDBegaBlten 

§ülf3fräfte auefi im lefeten SaBoe roie m ben oorBergefienben 
roieber fdjneder gugenommen Batten, al3 bie 3afil Ber befinitio an- 

S eftellten fiefirer. Die 3 una Bme ber erfteren Beträgt naefi meiner 
läBlung 1897—1898 ungefähr 8 , 5 %, bie ber lefeteren nur 1,9%. 

2Benn in ben groei SaB^en oom 1. 9Kai 1898 Bis gum 
1 . 9)tai 1900, roie es roaBrfcfieinticB ift, ungefähr eben fo oiel fdjon 
oorhanbene befinitioe Steden erlebigt unb neue eingerichtet roerben, 
unb gubem ungefähr eben fo oiel §ülfslehrer anberroeitig (in 
Hamburg, Sübetf unb anberen nichtpreufeifcfeen ©ebieten, foroie an 
höheren 3Käbchenfthulen) Slnftedung finben, als in ben oorher» 
gehenben groei Safiren, fo roerben gegen 650 §ülfslehrer angeftedt 
roerben, Begro. anberroeitig abgeBen. 33iS gum 1. 3Kai 1900 Fönnen 
aber BöcBftenS bie am 1. 3&ai 1898 oorhanbenen 293 $robe* 
Fanbibaten unb Seminarmitglieber anftedungSfähig roerben. Dar¬ 
nach merben alfo etwa 360 ,£>üIfSleBrer mehr aus ben Siften oer* 
fchroinben, als bagu Fommen, b. %. am 1. 2J?ai 1900 roirb ber 
heutige Ueberfihufe an «ipülfsFräften, Bei welchem ein empfinblicher 
Mangel in manchen gädeti fich fchon gum SfcachtBeil für bie 
ßehrer roie für bie Scfeüler fchroer BemerFBar macht, einem ad* 
gemeinen Mangel $lafe machen, roenn es nicht gelingt, ben „anber- 
roeitigen Abgang an ^iilfslehrem" mögiiehft gu oerringeni. Dies 
Faun aber nur gefdjeBen, roenn oon ben oorhanbenen ^ülfslehrem 
eine feBr grofee ÖngaBI fchon gu Dftern biefeS SaB^eS eine 
befinitioe 2 lnftedung finbet, fo bafe für alle bie SluSficht, an 
preufeifchen höheren fiehranftalten befinitio angeftedt gu roerben, 
fefir nahe gerüdt roirb. Dann bürften oerhältnifemäfeig wenige 
©ülfslehrer anbere Steden annehmen, unb ber Mangel an £eBr- 
Fräften roirb für bie preufeifche UnteftidBtSoerroaltung nicht gu 
grofe fein. 

©ang wirb ber Mangel aderbingS auch Bann uidjt ausbleiben, 
obwohl ^rofeffor ßeyiS bie 2lnficht auSgefprochen Bat, bafe „anftatt 
eines Mangels oielmefer ein übermäfeiger 3uBrang gu bem Böfiern 
Mehrfach in 2lu3ficht ftefee" ( 1 . c. S. 93). Die 3unaBme ber 
Abiturienten, auf welche Sefis Binroeift, Fann fich noch nicht fo 
halb BemerFBar machen, unb gubem fteht ihr für bie 3 u hmft eine 
gewaltige 3nnaBme beS 2lbgangS an ÖeBrem gegenüber. 2Senn 
ich früher aus bem Alter ader £ehrer, welche 1895 im 2lmte 
roaren unb bem Alter ber £ehrer, welche 1894—1896 burch Dob 
unb ^enfionirung abgegangen finb, mit einer für berartiae fragen 
Binreicfienben Sicherheit berechnet Babe, bafe im ^afergehnt 
1897—1907 roenigftcnS 1000 EberleBrer mefer abgeBen roerben, 
als im oorhergehenben SaBrgehnt, 2 ) fo roerben biefe 23ered)nungen 
burch bie Angaben oon £egis unb Scfiröber 8 ) über baS Alter ber 
DireFtoren unb DberleBrer beim Dobe ober ber ^enfionirung im 
lefeten SaB^gehnt nur beitätigt. 

Das Streben, bie jefeigen ^ülfsleferer burch mögiiehft Be* 
fchleunigte befinitioe Anftedung ben preufeifchen höheren Unterrichts¬ 
anftalten gu erhalten, ift um fo berechtigter unb nothroenbiger, 
weil eine ©ntlaftung ader ßehrFräfte begro. eine SSerminberung ber 
StunbengaBl burch bie heutige frühe Abnufeung ber £ehrFräfte 
immer gebieterifcher geforbert roirb. 

Reifee. ©. ,f)ucFert. 


Ctternrifdie 3Ut}etgen. 

Drucffachen ber Äomntiffiou für Arbeiterftatiftif. 2>crf)anb= 
Iimgen Ar. 16. ^rotofode über bie ^erhanblmigcn ber 51om- 
ntiffion für 2lrbciterftaüfti! oom 17., 18., 19. unb 21. Aou. 1898 
unb bie SSerneBmiutg oon Auofunftsperfoneu über bie ^erhältniffe 
ber in ©aft- unb SdjanfinirtBfcBaften befchäftigteu fcrfoncu. 
Berlin 1899, Carl §ei)manns Verlag. 

Aeue 2)cutfchc Aunbfchau. |>cft 3. SAärg 1899. Berlin, S. gifcher. 
^?reiS 1,50 M. 

The Quarterly Journal of Economics. Vol. III. Jan. 1899. No. 2. 
London, Macmillan & Co. 


Die ^efolbungsocrhältuiffe ber fieferer an ben höheren Untrrridjts- 
anftalten ^rcufecnS. 3ena, gifefeer. 1898, 0. 99. 


2 ) Blätter für höheres Sdjulroefen, 1897, Ar. 4—6. 

3 ) Der höhere fiebrerftanb in ^reufeen, feine Arbeit unb fein Sohn. 
Äiel 1899. 


«erantiDortlit5 für bie Äebaftlon: Dr. Cm ft Stande tn Berlin W., »agreutljerftrafee 2U. 




HST ©ojiale $ra$i8. ßentral&latt für ©ojialpolitif. 9h:. 25. 688 

Sic lürari«*' erfdjeint an jebcm ©onnerStag unb ift bur$ alle Sucbbaitblungen unb fpoftämter {^oftjeitungSnummer 7072) ju bejfefjett. Ser greift 

fiit ba8 Siettelja^T ift 9Ji. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 $f. ©er Änaeigeitpret« ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^3etit^eile. 



$0tbtn erföienen: 


Grundriss 


(S»tiCttf|ß uni in «1. 

SBoit 

Dr. tttetor Htataja, 

!. !. SDhniftcrialrat in SBten. 

(©runbrifj be8 Defterteid&ifdjen SRei^tS in fgftematifdjer SSearbeitung III. 5) 

- «Preis 3 SW. 60 *|Sf., geb. in fieinroanb 4 SK. 20 «ßf. - 

Das Recht d« Schadensersatzes ß r0$$m agazine * * 
vom Standpunkte 

der Rationalökonomie. % Kleinhandel. 


tHctov Htataja* 

1888. «ßreiS 4 2K. 40 «Pf. 


tHctor Htataja. 


1891. «Breis 2 «DI. 40 «Pf. 



<*»» §u Befrieden öuv<$ aCCe J>ortiOTe«f»6ttd?$att&fttnge«. «e» 



Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Wörterbuch der Volkswirtschaft 

in zwei Bänden. 

Bearbeitet von 

Prof. Dr. von BELOW-Mnrburg. Prof. Dr. M. Biermbr-< d eifswald. 

Prof. Dr. van her Borüht-A achen. Prof Dr. Karl Bui HEK-Loipzii:, Geh. Keg.-R it Prof. Dr. Ludwig 
El stkr -Berlin, Grh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge - Breslau, Prof. Dr. Fuchs- Freiburg i. Br., Geh. Reg.-Rat 
Prof. Dr. Freiherrn von der Goltz-Boui», Gerichtwerretür und Privatdoccnt au der Universität Dr. CARL 
GkÜN BERG- Wien, Privatdoccnt Dr. Max von HHCKEI.-Wiirzburg, Forstmeister Dr. |i NTSCH Hann.-Münden, 
Bergrat LenGkmann, Ilirector d. K«.d. Berginspektion, Clausthal, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Lt-xis-Göttingrii, 
Bibliothekar Dr. PAUL Liefert-B erlin, Prof. I)r. LOT7 München, Prof. Dr. MtscHLER (.iraz, Landgerichts! at 
Dr. NEUKAMf-Geittintren, Prof. Dr. PlERS TORFE-Jena, Prof. Dr. RATHGF.N-Marburg, Hofrat Prof. Dr. ScilANZ- 
Würzburg, Dr. Schott, Vorstand des stat. Amtes, Mannheim, Prof. Dr. Skring -Berlin, Dr. Wirminghaus, 
Syndikus der Handelskammer. Köln, Konsul Dr. Zimmermann Berlin, Prof. Dr. Zuckerkandi.-Pi.io;, 

herausgegeben von 

Prof*. Dr. Ludwig Elster, 

Geh. Reg.-Rat und vor tragend. Rat im Ministerium d«-r Geist I., Unterrichts- und Medicinalangelegenhciten 

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«•Stole 3»mnbe t .698 

©ie Sage in ber ©efafcftein* 
inbufttie be« SfergebirgeS. 
©on Stöbert ©teufcler, ffiien. 

8efd)tönfunfl ber Öffentlichen Suftbar« 
feiten im IRheinianbe. 

«tfettetictoetniif.700 

Elfter beutfchet ©auarbeiter« 
f<huh*£ongte|. ©on ®. $aube, 
©erlin. 

©er brüte Aongrefe ber ®ewetff<haften 
©eutfchlanbS. 

©eneraloerfammlung ber ©erbänbe 
ber Zimmerer unb ber ©fernerer 
©eutfchlanbS. 

©ermittelung im Ärefelber Söeberflreif. 

UnS ber Arbeiterbewegung in ©erlin. 

©er oierte beutle .fcanblungSgebllfen* 
tag. 

©ereinbarung atoifdjen Arbeitgebern 
nnb Arbeitern ber Spinnerei bon 
Sancafhire. 

Bewegung unter ben £anbelSgel)ilfen 
oon ©aris. 

WMeiUrVm .706 

Schüfe ber ^anbelSangefteQten; obli» 
gatorifcfeer Sabenfchlufe. 

Arbeiterfchufe in ber Shierhaarinbuftrie 
gegen ©iilabranbgefahr. 


Shftematlföe Bearbeitung bon Arbei« 
terfchufebeftimmungen im 9tei$Samt 
beS Innern. 

EifcnbafenarbeiteTftfenfe in-^ollanb. 

VvbetteunevfUtevtm«. «pftrtaffen 707 

Sinb^auSberwalter unb^auS* 
Warte berfidjerungSpfltdjtig? 

©bligatorifche Arbeitsoerficherung für 
©ienftboten in Söien. 

ftäne für eine ftaatltc&e AlterSoer* 
forgung in Englanb. 

flviettiBn«t»ct5.709 

Stübtifche ArbettSnacbweiSftelleSBormS 
1898. 

ßur ©rganifation beS ArbeitSnach* 
roeifeS. 

We tomto ef«.710 

©er (Entwurf eines allgemeinen 
©augefefeeS für baS ftönig* 
reich Saufen, ©on Dr. $aul 
©oigi, ©erlin. 

•fStolnng muh muhrnm .712 

©et Schüfe ber 3u0*nbltefeen bar ©er* 
roljung; ©erhanblung im preufeifcfeen 
Herren häufe. 

AuSbehnung ber »olfSthümUchen 
fefeulfurfe in ©eutfdjlanb. 

ftrcroenftnbium an ben beutfcfeen Uni* 
berfttäten. 

©er granffurter AuSfefeufe für ©olfS* 
borlef ungen. 

S$ulpflid)t in $oHanb. 

©ewerbegeriifite. Sitsig« nt Sünder. 

MiebOgerURte.714 

©ochmalS ein ©eitrag surAoni* 
petenjer Weiterung ber ©e» 
Werbegerichte. ©on 5R. bon 
Schulj, ©orflfeenben beS ©ewerbe* 
gerichts Berlin. 

Ablehnung ber Errichtung eines ®e* 
Werbegerichts in SBeinheim. 

tHttncrifRi Haarigen.718 


Abbrad f&mmtlicher Artifel tft Bettungen nnb Settföriften geftattet, feboch nur 
mit bollet Quellenangabe. 


Her 3UbeiterfiJ)tt1j tu ber ßonfehtton nnb ner- 
umnbten •enterben. 


2)em VeübStag liegen gur Qtxt non grnei ©eiten Vorfdjläge 
gur Regelung ber HauSinbuftrie oor: non ber ^Regierung bte 
Vooelle gur ©etoeroeorbnung, bie fi<b in einem igrer Artifel 
fpegiell mit ber $onfeftionStnbuftrie unb nertnanbten ©emerben 


befafct, unb non ©eiten ber nationalliberalen fjraftion ein Antrag 
gepl n. Herrnsheim unb ©enoffen oom 12. ©eiember norigen 
Saures, ber tbeilroeife parallele, tbeiltoeife aber fepr niel roeiter* 
gebenbe Seftimmungen für bie ^auSinbuftrie enthalt. 93eibe ©nt* 
toürfe geben in ihren SSurgeln jurüc! auf ben $onfeftion$arbeiter« 
ftrei! non 1896. $>ie SSorfcbläge ber ^Regierung finb ein £b e ü 
Programms, mit bem bie ^ommiffion für Slrbeiterftatiftif ihre bureb 
biefen ©trei! neranlabten @rb e & u ngen abfcblofe; fie mürben guerft 
etma gleicbgeitig mit bem @rlab ber aus bemfelben Programm 
entfprungeneit SÖunbeSratbSoerorbnung über bie ^onfeftionSiubuftrie 
bem Sfteidjstag noraelegt, ohne bamals (Frühling 1897) erlebigt 
ju merben. ßbenfo mar ber Antrag §>epl bereits bem norigen 
itteicbstag unterbreitet, unb autb er ift nur ber roeitere Ausbau eines 
febon in ber 3eit bes ©treifeS fcfjnell guredjtgemacbten ©elegen* 
beitSantragS. ©eibe ©ntmürfe finb alfo red^t gut „abgelagert". 
&ietnanb roirb non einer mangelhaften Vorbereitung, gumal ber 
VegierungSnorlage gegenüber, fpreeben lonnen. 

Srohbem merben nun in Solgenbem gerabe nad^ ber te<bnif<beit 
©eite an bie norgefcblageuen Veftimmungen 3rocifel gu fnüpfen 
unb biefe 3roeifet oielfadE) gur ©runblage ber gefammten ©etraebtung 
gu nehmen fein. ®S liegt baS einfach an ber SRaterie. S)ie gefep* 
geberifibe Vebanblung ber ^auSinbuftrie ift an fidf) burebaus nic^t 
btofj ober auib nur norgugSroeife ein Noblem ber ©efebgebungS» 
teebnif, fie mirb aber gerabegu ein $reiSrätbfel berfelben, menn 
man [\t ohne ben @ntf<blufj, eoentuett bis gu einem beftimmten non 
ben gegenroärtigen 3uftänben nielleicfft giemlicb meit abliegenben V«üft 
norgugeben, anfafet. ®as Sehlen eines berartigen ©ntfibluffeS ift 
ber $ern ber Äritif, bie fomobl an ber HiegieniugSoorlage mie am 
Slntrag g>epl mirb geübt merben müffen. 

@S ift befannt, bah bie VunbeSratbSoerorbnung oom 31.Vtoi 
1897 bie SlrbeitSgeit ber Söerfftattarbeüerinnen unb ber in 28er!* 
ftätten tbatiaen juaenblicben Arbeiter ber Äonfeftion gefeblitb ge* 
regelt unb Damit oen roid)tigften 3 roe iö ^ cr weiblichen bouSinbu* 
ftrieHen ^bätigfeit unter baS ©efeb gebracht bot, fomeit baS bureb 
bie einfache 9luSbebnung ber Sabrifgefebgebung möglich mar. @s 
ift nun ber SluSgangSpunft bes gegenmärtigen gefeilteren Vorgebens, 
bafe bamit febr* menig erreicht ift. Vor ber Verorbitung mar bureb 
bie beftebenbe Sobrifgefebgebung bie SlrbeüSgeit für etma 32 000 
Arbeiterinnen ber ÄonfeftionSbrancben geregelt. §eut ift fie es, 
menn ich richtig febäbe, für etma 60 000, in ber ©aifon oieUeidE)t 
20 000 Arbeiterinnen, alfo für nicht oiet mehr als hoppelt fo oiel. 
©ie ift nach mie uor ungeregelt für etma 15 000 gumeift Heine 
unb baber übermiegenb ebenfalls fdjubbebürftige 3wifrf)emneiftcrinnen 
unb bereu Somilienangebörigeit, fomie für bie ©ebaaren ber ein* 
fachen Heimarbeiterinnen, bie man, je nach ber Örudjtbarfeit feiner 
$bontafte, ba alle ftatiftifeben ©runblagen fehlen, auf 50* ober 
1 Ö0 000 oeranfcblagen fann. Sür fämmtlicbe — auch bie ge* 
febüpten — Arbeiterinnen ift an ber funbamentalen Cobnfrage 
aar nichts geänbert, unb felbft ber ArbeitSgeitfcbub, ben man ber 
fterfftattarbeiterin brachte, ift problematifcb, oa man fie mobl 
oor ArbeitSüberlaftung in ber 28erfftatt, nicht aber oor einer 
Uebertaftung, bie möglicherroeife in ber ©eftalt oon Vtitgabe oon 
Arbeit nach H öuS f tc b baran anfcbliefjt, gefebübt bat. S)ies ift bie 
©ituation, ber bie VegierungSoorlage, mit ber im Solgenben bie 















691 Sogtale $ra£t3. ©eutralblatt fiir SogialpolttiF. $r. 2(5. 692 


paradellaufenbeit Xßeile beS Antrags ,g>ei)I gufammenbetracßtet 
werben füllen, gerecht gu werben oerfucbt. Sie tßut baS, inbem 
fie notbgebrungen über baS ©ebiet ber Söerfftattarbeit hinaus unb 
in bas (Gebiet ber Heimarbeit ßtrteingreift, unb fie ift baßer, gang 
abgefeßeit oon ißren unmittelbar praftifdßen folgen, wichtig als 
©ingeftäitbniß, baß bie ber SSerFftättenregelung über fuß 

felber binwegfüßrt unb baS Problem ber Heimarbeit nidbt gu um* 
geben ift. ©S fragt ficß, wobin bat bie Regierung biefe ©rfenntniß 
geführt? 

Sie bat gunäcbft gu einem, wenn auch oorficßtigen Anfaffen 
ber fioßnfrage geführt. $>ie tfommiffion für Arbeiterftatiftif batte 
oerlangt, baß für 953erfftatt* unb Heimarbeiterinnen „überall burcb 
Tarife, fioßnbücber ober ArbeitSjettel eine fidlere ©runblage beS 
ArbeitSoerßältttiffeS gu fdßaffen fei". Auf ©runb biefer gorberungen 
fiebt bie SdegierurtgSoorlage unb äßnlüb b$r Antrag H e 9^ öor, 
baß ber BunbeSratß „für bie Kleiber* unb 353äfd)eFonfeftion unb 
anbere ©ewerbe, in benen bie Unflarßeit ber ArbeitSbebingungen 
gu Vtißftänben geführt bat", fiobnbücßer, unb ArbeitSgettel 
einfübren fann, 

„in welken 5lrt unb Umfang ber übertragenen Arbeit, bet 
AFForbarbeit bie Stürfgaßl, ferner bie Sobufäße unb bie 
Vebingungen für bie Lieferung oon SBerFgeugen unb Stoffen 
gu beu übertragenen Arbeiten oon bent Arbeitgeber ober bem 
bagu BeoolImäd)ttgteu eingutragen finb." 

®ie £oßnbü<her ober ArbeitSgettel, bie man fo einfübren will, 
füllen in ben Hänben beS Arbeiters bleiben unb burcb Straf* 
beftimmungen gegen etwaige mißbräuchliche Berwenbung gur .Stenn* 
geicßnung DeS Prägers bewahrt werben. 

3föan riebt, es banbeit fid) äußerlich nicht um eine materielle, 
fonbern nur um eine lebiglicb formale Suteroention in bem Sohn* 
btlbutigSprogeß, unb gwar nur um eine folcbe, bie felbft bem Ab* 
georbneteit dichter, bei ber Beratßung ber analogen föooede 1897, 
„harmlos" erfcßien. ©ine llntftülpung ber bisherigen Verßältniffe 
werben bie Vorfcßläge, wenn fie ©efejj werben, benn and) fidjer 
nicht bringen. Sie werben aber hoffentlich gang fo harmlos nicht 
fein, wie fie fcbeinen. ©S ift gu baffen, baß ihre materielle 
V3irfung hoch weiter geben wirb, als nur bis gur Vorbeugung 
gegen etnige inbtoibucde £obttüberoortbeilungen unb £oßnftreitig* 
feiten. ©rfüHen fie ihren 3mecf — ben 3metf, ben audj bie $om* 
miffion für Arbeiterftatiftif ohne 3frage gewollt bat —, fo wirb 
ihre Solge bie AuSbilbung eines gleichmäßigen, burcb 
gange Branchen binburebgeßenben £oßnnioeauS fein. 
Hub baS wäre bie erfte ©runblage gu einer fünftigen, fei eS burcb 
Selbftßülfe, fei eS burcb ftaathehen 3*aang erfolgenben plan* 
mäßigen ©inwirfung auf bie £obnßöbe. 

freilich ift bagu eins nötßig! ©S muß außer ber gi^irung 
ber £ößne auch bie Publicität ber fifirten £oßnfäße berbeigefübrt 
werben. Schon burcb bie ©infübrung oon £oßnbüd)ern unb 
Arbeitsgettelu wirb baS bis gu einem gewiffen ©rabe erreicht, ©in 
eigentUd) wirffameS Mittel würbe aber nur ber 3mang gu Tarifen 
fein, bie in ben 353erfftätten unb ArbeitSauSgabefteden auSgeßängt 
werben muffen. Sie würben bettu auch oon ber ^ommiffion für 
Arbeiterftatiftif oerlangt. 

$>ic 9tegierungSoorIage meint, „baß bie Aufteilung folcßer 
Tarife in ber Kleiber* unb 353äfcßefonfeftion bei ber Viantiigfaltig* 
feit ber haaren unb bem häufigen 3ßecßfel ber gacjonS unb ber 
greife in ber prajiS auf erhebliche Schwierigfeiten ftoßen würbe", 
itan fragt fid) oergeblich, weshalb? ©s banbeit fi<b ja nicht 
um bie Aufteilung burebgeßenber £obntarife burcb bie Beßörbe; 
hier würbe ber Berfaffer oielleicbt in ber £ßat unter Umftänben 
ber Vfannigfaltigfeit ber 353aaren unb ben oielfachcn Aenberungen 
erliegen. Sonberu eS banbeit ftd) barum, baß ber ein gellte 
Unternehmer unb VJeifter, ber feinerfeits bod) immer nur eine be* 
feßränfte 3ab* nun SBaarenforten ßerfteden läßt ober auSgiebt, 
in feiner 353erfftatt, feiner AitSgabeftelle eine £afel ausbängt, auf 
ber er — ebenfo wie bas beute in ber gabrif mit ber Arbeitsordnung gu 
gefdjeßen bat — womöglich mit treibe ben £oßnfaß für jebe 
Sßeilarbeit unb jebe SBaarenforte, bie gu machen ift, auffchreibt. 
SDas aber ift in 253irflid)feit boeb eine recht einfache Sache. ©S 
ift etwas, was g. 23. in ©nglanb für eine gange Angaßl oon 
©ewerben, cor adern für bie mit einer giemlidj weitgebenben 
Arbeitsteilung unb einer Ungabi oon £ualitätsfortcn arbeitenbe 
£e;rtilinbuftrie längt Borfcßrift ift, 1 ) unb gwar eine 23orfcbrift, bie 
ficb oorgiiglicß bewährt bat. s D2an bat auch bort ben 3matig gu 
Tarifen mit ber ©infübrung oon Arbeitsgettelu in Berbinbung ge* 
bradjt, um — was ein weiteres Bebenfen, baS in ber VegieruttgS* 

l j Seftion 24 F. A. 91 litib Seftion 40 F. A. 95. 


oorlage enthalten ift, fc^Iägt — bei fompligirten Tarifen bem 
Arbeiter in bem ArbeitSgettel eine fefte Hanbbabe gu geben. SDer 
©rfolg ber gefammten ddaßregel aber ift gewefen, baß beut bie« 
Spfiem ber particulars, wie Der SabrifinfpeftionSberidjt oon 1897 
ergäblt, bie populärfte Maßregel ber gefammten Sabrif* 
gefeßgebung ift. 

£>iefe recßt bidig erfaufte Popularität fönnte man fteß auch 
in ©euffcf)Ianb oerbienen; man fönnte eS um fo eher, als man 
bei ©infübrung oon Tarifen ja für einfache haaren, b. b- für 
Sßaaren, bei benen feine Arbeitsteilung unb Cualitätsunterfcbiebe 
im Spiele finb, oon bem 3roang gu £obubüchern unb ArbeitS** 
etteln abfeben unb bamit gientlich oiel Schreiberei, bie man ein* 
übren wid, ungefdjrieben fein laffen fönnte. 3a, man ergielte 
babei noch ben weiteren Vorteil, baß man xu einer Vorbelaftung ber 
Heimarbeit fäme; benn für H eim arbeiter, oenen ein £obntarif, ber 
beim Vfeifter bängt, ja niemals ben auSgebänbigten ArbeitSgettel 
erfeßen fann, wäre bie Befreiung natürlich nicht oorgufeßen, unb 
eS hätte fonaeß ber Unternehmer ober SReifter um eben fo oiel 
weniger gu feßreiben, als er VSerfftattarbeitSfräftc ftatt H clin * 
arbeitsfräften oerwenbet. 3t werbe unten auf bie Verftärfung 
biefes in ber gebatten gorm ja nur erft leidsten 3)rudfS gur 
Söerfftattarbeit gurüeffontmen. 3ut Augenblicf ift nur not S u 
fagen, baß bie oorgeftlagene Regelung eine perfoneile 2Dren* 
nung ber SBerfftatt* unb Heimarbeitsfräfte gur VorauSfeßung bat. 
2>aß eine folte aber fo wie fo nötig ift, wirb bie Vefpretung 
ber gweiten Vfaßreael ber SRegierungSoorlage ergeben. 

®iefe Maßregel befteßtin Veftimmungen über bie Heimarbeit 
oon 2ßerfftattenarbeiterinnen. Sie wirb in ber VegierungSoorlage 
eingefüßrt als eine „bunß ©rfaßrung als notßrpenbig erwiefenc 
©rgängung ber biSßer erlaffenen Stußoorftriften für V3erfftatt* 
arbeit", bie ben 3wecf ßaben fod, gu oerßinbern, „baß burt 
Vfitgabe oon Arbeit nach HauS bie in ben Sabrifen unb V3erf* 
ftätten befteßenben Vcftränfungen ber ArbeitSgeit iduforift gematt 
werben". 

5)ie Verbinbung oon SSerfftatt* unb Heimarbeit burt biefelbe 
Arbeiterin ift in ber gefammten Hausinbuftrie unb oor Adern 
in ber SfrmfeftionSinbuftrie gang unb gäbe. Sie ift eS fowoßl in 
ber Öorm, baß an ben abenblicßen Sd;luß ber SBerfftatt fit uot 
bie H e imarbeit ber Söerfftattarbciterin anfeßtießt, wie aut in ber 
gorm, baß bie regelmäßige H e imarbeiterin gewiffe Arbeiten, bie 
ber Auffitt beS Vteifters bebürfen, in ber Vkrfftatt auSfüßri, täg* 
üt einige Stunben in biefer „fißt". 5Ran greift mit ben Be* 
ftimmungen ber n e imarbeit oon SBerfftattarbeiterinnen alfo in 
ein giemfit weites unb fompligirteS ©ebiet ein. 

®ie Anregung aueß bagu ift oon ber ^ommiffion für Arbeiter* 
ftatiftif ergangen. $)iefe ßatte geratßen, bie SBerfftättenurbeiter 
oor Ueberlaftung burt H c darbeit „tuntitft", „wenn nitt anberS 
möglit aut burt baS Verbot ber VHtgabe oon Arbeit nat 
Haufe gu ftüßen". S)er erfte ©ntwurf ber Regierung faß barauf 
ßin oor, ber BunbeSratß fode anorbnen fönnen: 

„baß ben Arbeiterinnen unb jugenblicßeu Arbeiteni, fofern 
ißre täglicße Vcfcßäftigung in ber gabrtt ober SBerfftatt fed;s 
Stunben überfteigt, Arbeit nießt mit nadj Haufe gegeben 
werben barf." 

©r wodte alfo für bie Verbinbung oon Vkrfftatt* unb 
Heimarbeit in Anfeßung ber 353erfftättentßätigfeit ben SecßS* 
ftunbentag ftaffen; bei beffen ©inßaltung fodte bie gufäßlite 
Heimarbeit frei, bei feiner ÜRitteinßaltung aber oerboten fein. 
$)ies ift ber ©ebanfe, ber nod) gegenwärtig im Antrag H c 9* 
o. H crr usßeim oertreten wirb. 

^ie Regierung ßat ißn, „ba eS uitbidig fei, bie Sditgabe oon 
Arbeit bereits nad) fet^ftünbiger Arbeit in ber $abrif ober 
V3erfftatt adgemein gu unterfagen", oerlaffen; 2 ) fie fdßlägt beute 
oor, baß ber BunbeSratß bie Vodntatt erhalten fod, anguorbitcn, 3 ) 

2 ) SKerfwiirbigerweifc maeßen fieß bie SKotioe babei ben audj im 
9tcid;Stag oorgebraeßten (Sinwanb au eigen, baß ber Arbeitgeber ben 
oorgefcßlageneu Scdjsftuubentag baoureß umgeben Fönne, baß er feine 
Arbeiter ftatt 6 nur 5 1 /*j Stunben befdjäftige, in wcldjeut ^aüe er für 
ißre weitere Vcrwenbung als Heimarbeiter oon allen SdjranFen befreit 
fein foll. 2s3mn er nadj bem ©ntwurf bei fedjsftiinbigcr Verwenbung 
in ber Serfftatt fdjoit oon allen ScßranFen befreit fein füllte, fo muß 
es bod) woßl bie Abfidjt beS ©efepgebcrS gewefen fein, baß er bei 
nur o'/aftiinbiger Befcßäftigung erft recßt befreit fein fodte. $)iefe Ab* 
ficht fdjeint bem ©efeßgeber aüerbings felbft nießt redjt gunt Bewußtfein 
geFoinmcn gu fein. 

3 ) Triefe Vollmacht, bie in bem oorigeu ©ntwurf etnfaiß iffimitirt 
für „beftimmtc ©ewerbe" gegeben würbe, ift auf ©inwenbungeu im 
Acicßstag ßin jept befeßräntt auf bie tfonfeFtioit unb anbere ©ewerbe, 
in benen „SWifjftänbe" bei ber SRitgabe oon Arbeit naeß HauS ßinfteßt* 



603 


Sogtale $ragi3. ©entralblati für 0 ogialp oliitf. Ar. 26. 


694 


,,baft Arbeiterinnen unb jugenblichen Arbeitern oom Arbeitgeber 

— für bie Jage, an welchen fte in ber ftabrtf bie gefeftltcft 
guläffige ArbeitSgeit ftinburcft befd^äftigt waren, Arbeit 3 ur 
Berricfttinig aufterftalb ber Sabri! überhaupt nicht, 

— für bie Jage, an welchen fie in ber ^abrif fürjere geit 
befcftäftigt wären, annähemö nur in bem Umfange 
übertragen ober für bie Stecftnung dritter iiberwiefen 
werben barf, in welchem ©ureftfeftnittsarbeiter ihrer Art 
bie Arbeit norauSficfttlicft in ber ^abrif währeitb beS ÄrfteS 
ber gefeftlicft 3111 äfft gen Arbeitzeit würben fterfteöen fönnen, 

— unb für bie Sonn- unb gefttage nur in foweit, als bie 
Befchäftigung biefer ^erfonen in ^abrifen geftattet ift." 

©er SunbeSratft foß alfo, wo er eS notftwenbig finbet, für 
aüe Arbeitskräfte, bie tagsüber irgeitb wann in einer „geregelten" 
2Berfftatt tftätig finb, breierlei gu ftatuiren oerpflid)tet fein: ©aS 
Verbot ber Heimarbeit nad) ooßer gefefelid^er Söerfftattarbeit, bie 
23ef<hränfung ber Heimarbeit Bei nicht notier gefetlicher 2öerfftatt* 
arbeit auf baS Ausmaß beS gefefelxd^en Arbeitstags unb baS Ver¬ 
bot ber Heimarbeit Sonntags. Altes baS in ber 3orm, bah ber 
bie Arbeit 311 bem betreffenben auSgebettbe Unternehmer be* 
ftraft wirb. ©aS heifjt nun nichts aitbereS als: ©ie Heimarbeit 
non SBerfftattarbeiterinnen folt, wo bie betreffenbe Anorbnung er* 
geht, mit unter bie geferlich juläffiae ArbeitSgeit faßen, ober um* 
gelehrt auSgebrücft: ©er SRayunalarbeitStag unb bie Sonntagsruhe 
foßen für SBerfftattarbeiterinnen auf bas (Gebiet ber Heimarbeit aus* 
gebehnt werben. 

SRan wirb junächft etwas erftaunt fein, ben BunbeSrath auf 
biefem anfeheineno recht rabifalen Siege gu fuiben; benn man fagt 
ftch non felbft: 38enn bie AuSbeftnung oon SRajimalarbeitStag unb 
Sonntagsruhe auf bie Arbeit außerhalb non BÖerfftätten überhaupt 
möglich ift, warum bann nicht auch für bie reine, nicht non SSerf* 
ftattarbeiterinnen ausgeführte Heimarbeit, für bie fie fd)on lange 
non fojialbemofratifcher Seite nerlangt wirb? ©urchfüftrbar mühte 
fie, wenn überhaupt, für biefe ebenfo gut fein unb fie wäre für fie 
fither am aßernothwenbigften. 

Aber bie Regierung ift in Böirflichfeit auf biefem rabifalen 
Sßfabe gar nicht gu finben; fie ift eS nicht, benn — fie glaubt an 
bie ©urchfüftrbarfeit ihrer Borfchläge auch in bem befdjränften 
Sinn, in bem fie fie oorbringt, nicht. 3n ben Sftotioen fteiht eS: 
„©egeniiber bem ©inwanb, oah Umgehungen ber norgefcblagenen 
Beftimmungen möglich feien, werben bie gefeftgebenben gfafioren 
fich mit bem Sewujjtfein begnügen müffen, baS 3h*ige gethan gu 
haben, um in ben ©rengen Des Möglichen bem äßifcftanb (ber 
ungefeftlichen Heimarbeit) ein 3iel S u feften". — ßeiber ift feftr 
wahrfcheinlich, bah biefeS Söewuhtfein wirflich faft bie eingige 
©rrungenfehaft ber SSorfdjläge wäre. 

©ie oorgefcftlagene Arbeitsgeitregelung hat ihr Borbilb in ©ng* 
lanb. 1 ) ©ort befiehl fie feit 1895 mit ber hier gleichgültigen Ab* 
weichung, bah für nur ^alb^eit arbeitenbe, über mcrgehnjäbrige 
Söerfftattarbeitsfräfte eine Ausnahme eingeführt ift. 2 ) ©ie ©rfolge 
finb jämmerlich, ©er Snfpeftor für ©laSgow fagt 1896 3 ): „3ch 
glaube nicht, bah bie ungefeftiiefte Heimarbeit je wirb befeitigt 
werben fönnen, wenn man ihr nicht fchärfer gu £eibe geht. 2 Sie 
ift eS möglich, wenn in ber $abrif nicht bie ooße gefeftlicfte Arbeits* 
geit gearbeitet ift, fich S u nergewiffem, ob ber Arbeitgeber mehr 
Arbeit mit nach H auS 9*^ in &em S^eft ber gefehlten 
ArbeitSgeit ausgeführt werben fann ober nicht." ©ie ©rfaft* 
rungen ber übrigen 3nfpeftoren beftätigen, bah baS unmöglich 
ift. Unb eS finb heute, wie ber SBericftt fagt, „bie ehrlichen, gur 
©efefteinftaltung geneigten Öabrifanten ber Anfnht, bah bie SJiit* 

S tabe oon Arbeit nach H.°n2 aus ber SBerfftatt gang gu oerbieten 
ei, ober bah man bie Singer überhaupt hätte baoon laffen foßen." 

©er erfte ©heil biefer Alternatioe ift tftatfächlid) ber eingige 
Ausweg. Auch bem abfoluten Verbot ber $?itgabe oon Arbeit aus 
SSerfftätten unb an SSerfftättenarbeiter würben in ber ©urchfüftrung 
Schwierigfeiten begegnen. ©S würbe ftauptfäcftlid) noch möglich 
fein, bah ber Snfpeftor über ben ©barafter ber Arbeit*üDtitncftmenben 
als Söerfftatt* ober Heimarbeitsfräfte getäufcht würbe, ©em liehe 
fuh aber burcf) bie fpäter noch näher gu befpredjenbe ©infüftrung 
auf Aamen lautenber HeimarbeitSfarten begegnen unb man erhielte 
hoch eine Borfchrift, beren ©urchführung wenigftenS nur oon ber 

lief) ber Arbeitzeit 311 Jage treten füllten. Analoges ift wie wir fallen, 
and) oben bei ber Boßmacftt für £oljngrtteI gefefteften. 
l ) Seftiou 16 F A. 95. 

a ) ©ie analogen Beftimmungcn in einigen Schweiger Mau tonen 
finb in ihrer Jragweite nnflar unb über ihre B?irfung ift — mir 
wenigftenS — nichts befannt. 

3 ) 8. 38 beS $abrifinfpefHonS&eritfjtS 1896. 


Schärfe ber Snfpeftion abhängen würbe, währenb bie oorgefchlagene 
AuSbehnung ber Arbeitsgeitregelung auf bie Heimarbeit niemals 
gu fontroliren fein würbe. 

Aber auch ftier mühte man weiter gehen, ©ie perfoneße 
©rennunp oon Söerfftatt unb Heimarbeit bürfte nicht baS eingige 
fein. Sie würbe ohne weitere ©rgängung bie gefammte Heimarbeit 
auherhalb beS ©efefeeS belaßen, unb bah bas oermiebeit werben 
foß, ift gerabe ber wefenllichfte, ja oielleicht eingige Sortfchritt in 
ber SRegierungSoorlage. ©iefer Sortfchritt barf nicht oerloren 
gehen. 3£aS aber fann nun eine Sßolitif gegenüber ber Heimarbeit, 
wenn biefe, wie wir fahen, nicht gu regeln ift, anbereS fein, als ein 
Hinarbeiten auf ihre 93efeitigung? — ©ie Söefeiiigung ber Heim* 
arbeit in ber ^onfeftion! ©aS Hingt nun äuherft phantaftifch, 
wenn man an bie oben mitgetheilten 3 öhien jurüefbenft, nach benen 
eS oielleicht 50 000 ftänbige unb ebenfooiel gelegentliche Heim* 
arbeiterinnen in biefer Snbuftrie giebt — oon ben oielleicht 50 bis 
60 000 männlichen berartigen ArbeitSfräften gar nicht gu reben. 
Sßielleicht ift eS mir aber hoch möglich, in einem nächften Artifel 
gu geigen, bah man fein „Schwarmgeift" gu fein braucht, um 
Daran gu benfen, gumal bann nicht, wenn man gunächft nur oer* 
langt, bah einige wirfief) wirffame ©rfchwerungen ber Heimarbeit 
eingeführt werben. 

©h<rclottenburg. Alfreb ©eher. 


JUlgettteitte Sojtttl- trab Äictljfi^aft^polUik. 


Sogtalreformer unb ©ettmltpolitifcr* 

©ie publigiftifchen ©iener beS Sabriffeubalismus fämpfen mit 
jener blinben H ar i ll äcfigfeit, bie gerabe in oerlorenen $often bie 
Stüfepunfte ber eigenen Schla<htrei()e erblicft, gegen jebe -IRahregel 
ber Sogialreform, bie auf bem 23oben ber gefefelichen ©leith* 
berechtigung oon Arbeitgebern unb Arbeitern ftaatlidje 3nftitutionen 
gur görberung beS gewerblichen griebenS einrichten wiß. ©ie 
©ewerbegcrichte, bie ©inigungSämter, bie ArbeitSfammeru, bie 
örtlichen 9tenteiifteßeu u. A. m. erfahren oon biefer Seite fortgefefct 
bie fetjärffte J^efehbung — angeblich weil baburdp bie fogialbemo* 
fratifche ^ropaganba unterftüfet werbe, in 3öirfltcf)feit, weil man 
ein faftifcheS H'crrfthaftSoerhältnih über ben Arbeiter nicht aufgeben 
wiß, bas baS ©efefc bem Arbeitgeber längft abgefprochen hat. 
©erabegu flaffifch ift in biefer c m c längere Ausführung 

ber „©. SSolfSw. ©orr.", bie aus Anlah beS ilrefelber 23eberftreifs 
in ArbeitSftreitigfeiten „eine SScrmittelung ©ritter, mag fie oon 
23ehörben, fogialen Sfommiffionen ober l’onft wem auSgehen", 
perhorreScirt;*) ber Anfprud) ber Arbeiterorganifationen, in ben 
ArbeitSoertrag hineingureben, wirb natürlich ebenfaßs abgewiefen. 
Unb in einem anberen Artifel beSfelbeit Blattes wirb gefagt: „©ie 
3nbuftrie ftehe auf bem Stanbpunft, bah bie fragen beS ArbeitS* 
oertrageS, Lohnhöhe, ArbeitSgeit u. f. w. jebem eingelnen Unter* 
nehmer überlaffeit bleiben müffen, unb wiß bas Sahrtaufenbe alte 
SRecht beS Unternehmers, über biefe ©inge mit feinen Arbeitern 
aßein gu oerhanbeln, nid)t oerfürgeit laffen!" 

Auf ber einen Seite ruft man unter Hinweis auf baS burch 
Streifs gefährbete ©emeinwohl nach bem fcptienben unb ftrafenben 
Arm beS Staates, auf ber anbern aber ftemmt man fich 9 e 9 en jebe 
©imnifchung „unberufener ©ritter", auch beS Staates unb ber 
©emeinbe, wenn biefe gu Stuft unb frommen beS ©emeinwohlö 
ben frieblicften AuSgang eines ArbeitSfampfeS anftreben. Audh bie 
Arbeiterberufsoereine foßen fich nicht um bie oitalften 3ntereffen 
ihrer s Dtitglicber fümmern biirfen, unb bem Staat wirb fogar baS 
Stecht abgefprochen, 33eftimmungen über ben ArbeitSoertrag aufgu* 
fteßen, ba bies bem 3ahAaufenbe alten Siechte ber Unternehmer 
wiberfpreche. ©er gute SRann, ber bieS gefdjrieben, weih offen* 
bar weber etwas oon ben früheren £oftnta;ren, nod) oon bem 
Artifel VII ber jeftigen ©ewerbeorbnung, ber tief in ben ArbeitS* 
oertrag eingreift. Solche Anfchauungen, wie fie bie „©. SSolfSw. 
©orr." gu ©aae förbert, fönnen nur bie Söeftrebungen ftärfen, ben 
gewerblichen ArbeitSoertrag gang in bie Sphäre beS öffentlichen 
StecftteS gu oerfeften. 

©ie oiclgenannteu Anträge Hjbe s Üieber unb H^^off^mann 
aber laffen erft recht nicht ben SabrifieubaliSmu* gur Stufte fomuien. 
©ie „©eutfefte Snbuftriegeitung", bie „ s ]5oft", bie „berliner Sieueften 

*) \NU Mrcfclb [clbi't benft inan aiigcnidjcinlidi aubers«; beim cö 
wirb in ber ^reffe mitgetljcilt, baf? bie 8täbtifdje 3ogialc Moumiiffion 
mit ihren Bemühungen, eine Bermittelung angulmbueu, auf beiben 
Seiten Wrbör finbet. 



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Sogtale $raji$. Centralblatt für Sogialpolitif. Nr. 26. 


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SRacf)richten" [eben mit ben ArbeitSfammern bereite ben Untergang 
ber SBelt hereinbrechen. Eine ruhige unb fachliche 3Hftiramung ber 
fonferoatioen „Kreuggeitung" gu bem ©runbgebanfen jener Anträge 
ruft Herrn ©eneralfefretär Vuecf roieber in ber beliebten NoHe beS 
getreuen Ecfarbt auf ben Vlan; er oerfünbet, bafe „bie Qnbuftrie" 
folgern Beginnen ber Konferoatioen ben fdjärfften V&iberftanb ent* 
gegenfefeen mürbe. „Die Snbuftrie" ? H err Buecf Ijat hoch höd&ftenS 
ben Auftrag, im tarnen beS EentraloerbanbeS gu reben. Denn 
bie Einträge £)ifce unb Baffermann merben auch non gasreichen 
Qnbuftriellen unterftüfet. Sehr ritfjtig bemerft bie „NationaI*3eitung", 
bie Denbeng ber Hintermänner jener Blätter gehe „auf ein Spftem 
ber Unterbrücfung, bes 9Runbtobtmad)enS, baS in unferer 3eit bit 
mit ben fogialen ©eaenfäfeen nerbunbenen ©efahren nur fteigern 
fann. ES mirb ftdj bei ber Verhanblung im Neichstag geigen, bafe 
biefe Volitif nur noch oon einer Keinen Gruppe fonferoattoer ©e* 
maltpolitifer nach ber Art bes Herrn ®on ®tumm oertreten mirb". 

Den 3 nbuftriemagnaten, bie eine grünblid^e Sogialreform 
negiren, rücft mit ber gforberung pofitioer ©eroalt ber ^eubaliSmuS 
ber äufeerften Nedbten gu Hülfe- ©raf iUincforoftröm als ihr VBort* 
fübrer h<ü am 23. Niärg im Vreufeifchen Herrenhaufe bie 
brafonifchften Mittel oerlangt, um bie Sogialbemofratie gu oernicbten. 
Vkber ber Staat noch ein bürgerlicher Arbeitgeber befd^äftige hin¬ 
fort einen fogialbemofratifdjen Arbeitnehmer. 2ßan menbe nicht 
ein, bafe bann bie Arbeitgeber ohne Arbeiter fein fönnten. Denn 
bie Sogialbemofraten, oor bie 2öabl gefteßt, gu oerbungern ober 
bie Sogialbemofratie abgufthmören, merben nachgeben unb baS 
lefetere tbun. „28o Strenge ift, ba ift auch ©ehorfam!" ©leich* 
geitig giebt ber Staat ein „febr fcharfeS Sogialiftengefefe", ber 
Suftigminifter erläßt generelle Anroeifungen an StaatSanroälte unb 
Nid}ter über befonberS ftrenge Anmenbung ber Strafgefefee gegen 
Sogialbemofraten, befonberS fogialbemofratifdbe Vrefefütiber. ©eift* 
lichfeit unb ßehrerfchaft, Kirche unb Schule muffen halfen, um ber 
Sogialbemofratie baS KainSgeichen auf bie Stirne gu brüefen. Auch 
bie Eiufchränfung bes V3ahlre<hteS, bie ©raf 9Rirba<h feit Sängern 
proflamirt, fehlte nicht auf ber Sifte. 

Abfichtlich nnterbrücfen mir unfere eigenen Bemerfungen hiergu 
unb laffen attberc Seute reben. Die „tägliche Nunbfdbau", bie fon* 
feroatioen ©runbanfehauungen recht nafcfteht, fagt: „Das ift eine 
Banferottcrflärung ber traurigften, oerbängnifeoollften Art", menn 
©raf SUincforoftröni erflärt, „bafe bie beftebenbe Drbnung nur burch 
baS Mittel ber NedbtSoerlefeung unb ber ©eroaltpoütif gehalten merben 
fann". Der „Hamb, Korrefp." fpriebt oon Negepten a la Doftor 
Eifenbart, „beren Konfequengen uns in eine ©emaltpolitif hinein* 
treiben müßten, in beren Stürmen ben mirtbfchaftli^en unb 
militärifchen ©mnblagen unferer VöeltmachtfteEung bie febroerfte 
©rfchüttexnng broben mürbe". Die „Kölnifche Bolfsgeituna" meint, 
bieS fortmäbrenbe Samentiren über bie fogialiftifdje ©efabr unb 
bieS immer erneute Nufen nach bet ©eroalt müffe ja in ber Ntenge 
ben ©lauben beroorrufen, Alles gittere oor ber Sogialbemofratie: 
„Das oerfdjafft ihr einen ungebührlichen Nimbus, unb es ift roahr* 
lieh fein Söunber, menn ihr immer mehr Seute nachlaufen; benn 
bie SJtenae läuft gar gu gern bem nach, & CIt R c fü r ben Stärfften 
hält". &raf ^lincforoftröm oerbiene oon Rechts megen eine ©auf* 
abreffe Seitens ber Sogialbemofraten. Uttb er erhält ftc auch- 
$>enn bie fogialbemofratifche treffe bat nichts ©iliaereS gu tbun, 
als foldpe Sieben gu oerbreiten mit ber Auffcbrift: „2Sie baS H e ^en* 
haus für bie Sogialbemofratie agitirt!" (Seipg. SSolfSgta. 9hr. 70.) 
3n ber 2:bat, baS 2Sort 23ebcls, bie Sogialbemofratie lebe oon ben 
Sehlem ihrer ©egtter, bemabrbeitet fidj mieber bei biefem Verhalten 
ber Seubalen bcS ©mnbbefipeS unb ber ©rofeiubuftrie. Sie finb 
bie beften 3?unbeSgenoffen ber Partei, bie ftc oernicbten rooHen! 

_ (5. S. 


Der ^Slatt eines nationalen SerfShunngSamteS in ©nglanb an bem 
23iberjtanb ber Unternehmer gefcheitert* 

©ine äufjerft lehrreiche ^orrefponbeng, bie gmifchen bem eng* 
lifdjen H an ^ c t 0s ©emerbeminifter SEitchie fomie ben $arla* 
mentarifdien AuSfcbüffeu beS ©emerfoereinSfongreffeS unb beS 
UnternebmeroerbanbeS geführt morben ift, mürbe biefer Dage in ben 
englifchen blättern oeröffentlicbt. Das furge ©njebnifc monatelanger 
SSerbanblungen ift, bafe ber $latt S'MtchicS, etn nationales Ser* 
föbnunasamt (Sp. 533 ber „Sogialeit SrariS") gu errichten, um 
ArbeitSttreiiigfeiten gu oerbinberu ober gütlich beigulegen, oon ben 
organifirten Arbeitern freubig gebilligt, oon ben Arbeitgebern aber 
gurüefgemiefeu morben ift. Der H er gang ift folgenber: 

gm Degember oorigen 3ab re3 empfing ber Slinifter eine De* 
putatiou beS ^ßarlamentarifcben AuSfchuffeS beS Drabe Union*ton* 


reffeS unb eröffnete ihr, bafe er einen $lan ermäge, um ben an* 
auernben Sfonfliften gmifchen Kapital unb Arbeit unb ben barauS 
entfpringenben Serluften für baS Sanb oorgubeugen. Der Aus* 
fd)uf} ber ©eroerfoereine liefe fchon am 16. Degember bem SRinifter 
bie 9)fittbeilung guaeben, im tarnen ber Drabe Unioniften beS 
SanbeS fpreche er bem SRinifter für feine Anfünbigung ben Danf 
aus unb füge bie SSüte bingu, eine Äonfereng oon Arbeitgebern 
unb Arbeitern einguberufen, um bie beften ißittel gur SSerminberung 
ber ArbeitSfämpfe gu ermägen. Am 10 . Sebruar 1899 bat ber 
SKinifter ben Sefretär beS Ißartamentarifcben AuSfchuffeS ber Ar* 
beiter, baS ^arlamentSmitgfieb S. 3SoobS, gu fid) unb eröffnete 
ihm, er fyabt fith mit bem Unternehmer*^arlamentSratb in 33er* 
binbung gefefet unb hoffe bie TOtroirfung beiber AuSfchüffe bei ber 
Errichtung eines Nationalen $erföbnungSamteS gu erhalten. Am 
13. Öebruar fanbte ber 3Rinifter H c ^ rn 3BoobS eine fcbriftliche Auf* 
geichnung über feinen $lan, bie mir hier in roörtlicher Ueberfefeung 
miebergeben: 

Die beiben ©runbgüge beS oon mir ermogenen planes jinb: 

1. feine Einmifchung oon Aufeen, meber oon ber Negierung 
noch oon anberer Sette; 

2 . fein 3*oang. 

Die Safes jeher Vereinbarung mufe gegeufeitige Verftänbigung 
gmifchen ben betbeiligten Parteien fein. 

Deshalb münfehe ich, bafe in jebem ©emerbe bie Einrichtung ge* 
troffen roerbe, bie in oerfefeiebenen fefeon beftebt, nämlich ein VerföbnungS* 
amt, an baS in erfter gnftang jeber Streit gebraut merben füll. Kommt 
hier eine Einigung niefet gu Staube, fo gebt ber Streit an ein Central* 
Verföbnungsamt, bas aus Arbeitgebern unb Arbeitern als Vertretern 
aller ©eroerbe gufammengefefet ift. ViS gunt Erlafe eines enbgültigen 
SprudjcS burrf) biefeS Eentralamt barf fein Streif unb feine Aus* 
fperrung erflärt merben. 

Durch biefen Vlan mürbe erreicht toerbeu: 

1. bafe fein fcinblicfier Schritt oon irgenb einer V^rtei unter* 
nommen mirb, beoor bie Streitfragen grünblich oon einer 
Vcrtretungsförperfcfeaft erörtert morben finb, bie grofeeS ©c= 
micht befefet, oon lofalen Schmierigfeiten nicht beljinbert mirb 
unb oon inbioibueHen Neibuitgeit frei ift, 

2 . bafe unbebautes unb übereiltes Vorgehen auf ber einen ober 
attberen Seite — oft burch eine Vttnberheit btef °^ er b° rt 
oeranlafet — oermieben merben. 

Stach meiner Anfecbt mürben ma^rfdjciitltch biejenigen, bie 

fed) oor bem örtlichen ©emerberath b c tfe bcfauipft ^aben, bie Eyifteng 
eines EentralratbeS begrüfeen, an ben bie Vcrufung gehen fann unb bei 
beren Verhanblung ruhiges Urtbeil unb grofecs gefcpäftlicbeS Söiffen gu 
33orte fommt. 

SBenn ein folcber Eentralratb gebilbet mürbe, miifete er mit jeber 
Eigenfdjaft begabt merben, bie feine Vebeutung oermebrt. 3Ran fönnte 
mit Necbt ermägen, ob nicht manche ber Vefugniffe unb Richten, bie 
jefct baS äRinifterium für Hanbel unb ©emerbe befe^t, mit Nufeeit auf 
ben Eeutralratf) übertragen merben fönnten. 

3<h h a ^ e fo bie Hauptgüge beS oon mir ermogenen flaues fftggirt. 
Seiner Schmierigfeiten bin ich «ü* bemufet, aber id) glaube bennoch, 
bafe, faHs bie leiienben Vertreter oon Kapital unb Arbeit fich in einer 
Konfereng gufammenfenben, fee einen ^eg gnr görberung beS gemerb* 
Ud^en grieoenS finben mürben, ber im 3«l^ffe Veibcr gu fechern 
nötbig ift. 

Auf biefeS Schreiben erflärten bie Ntitglieber beS Varianten* 
tarifdben AuSfchuffeS beS ©emerfoereinSfongreffeS ihr ooHeS Ein* 
oerftänbnife, an einer gemeinfamen .tonfereng theilgunehmeu. Durch 
Herrn SBoob mürbe biefer Vefdjlufe bem 5Dtinifter mitgethcilt. Am 
18. SNärg ermiberte inbeffen H err 3^it<hic, bafe ber Unternehmet* 
$arlamentsrath folgenbe AefoUition angenommen unb ihm über* 
fanbt fyabt: „Vei ooüer Söürbigung unb Sympathie für bie 
fünfte in bem Schreiben bes s DtinifterS uub bei allem Eifer, ben 
für bie nationale Wohlfahrt fo nothroenbigen geroerb liehen gfriebeu 
gu fidbern, ficht ber Unternehmer*$arlamentSrath gegenmärtig 
feinen gangbaren 2öeg gur Vilbung einer oollftänbigen unb be* 
friebigenben Vertretung oon Arbeitgebern unb Arbeitern in einem 
VerföbnungSamt, mie es in bem angeführten Vricfe beS SWinifters 
oorgefdblagen mirb." 

Der Sefretär beS Varlamentarifdben AuSfchuffeS ber Drabe 
UnionS, Abgeorbueter SBoobS, bemerft bagu: „ 3 )Hiüfter Nitchie 
oerbient ben Danf ber Nation für feinen Eifer unb bie IobenS* 
roertben Bemühungen, jene unfeligen ArbeitSfämpfe gu oerbitibern, 
bie bie höchften mirthfd)aftlichen 3ntereffen unb bie ber Arbciterflaffen 
gerftören. Er hot fein VefteS getban, ein praftifcheS Heilmittel an* 
gugeben. Unb eS mufe feftgefteUt merben, bafe bie Srfjulb an bem 
Sdbeitern biefer Verhanbluiigen in feiner ^Beife auf bie organifirten 
Arbeiter fällt, bie AUeS, roas in ihrer 3Radjt ftanb, getban haften, 
um beS 3RinifterS rühmliche Begebungen gu unterftüfeen. Die 



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Sogtale $raji$. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Nr. 26. 


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Verantwortung für baS Sdjeitern bleibt auf bem BarlamentSratl) 
ber Arbeitgeber haften." 

SDie hier veröffentlichten £hatfa<hen oerbienen aufmerffamfte Be* 
achtung nicht nur in Ettglanb, fonbern auch in 2>eutfd)lanb. Sin 
VMnifter ooll fogialpolitifd)er Einfidht unb SThatfraft geigt einen 
Seg, ber möglicherweife gu einer frieblidjen Beilegung oon Streitig* 
feiten gwifcfjen Arbeitgebern unb Arbeitern führt unb fo ber 
nationalen Sohlfafjrt, bem ©ebenen oon §anbel unb Sanbel 
unb ber Ejrifteng oon £aufenben oiel Noth unb 3amtner erfpareit 
fann. S)ie in Xrabe UitionS organiftrten Arbeiter greifen mit 
beiben Hänben gu, fie wollen reblidh an bem Verfuge, ben aewerb* 
liehen Trieben gu fiebern, mithelfen. $5ie Vertretung aber oer Ar* 
beitgeberoerbänbe weift baS Anerbieten mit höflichen Vhrafen ab unb 
miß fid) nic^t einmal auf einen Verfuch einlaffen. Ser ift nun in 
biefent Salle Anhänger unb görberer beS fogialen griebenS: bie fo 
oiel gefchmähten Arbeiterberufsoereine ober bie Unternehmer* 
oerbänbe? gür $>eutfjhlanb hat biefer Vorgang in Englanb mit 
Nücffidfjt auf bie Anträge ^ifce unb ^e^l auf Errichtung gemein* 
farner Drganifationen ber geroerblichcn Arbeitgeber unb Arbeiter 
noch befonbere Vebeutung. 


ArbeitSfintiftifdie Erhebungen in Defterreiib. $>er Veirath beS 
Arbeitsftatiftifchen Amtes berietf) in feiner Sifcung oom 20. Vtärg 
über bie oorliegenben Anträge betreffenb bie Einleitung oon En* 
queten über bie £age ber Heimarbeiter in ber KonfeftionSbranche 
unb ber Bergarbeiter im JDftrau*Karminer Steüifohlenreoier. Be* 
güglid) festerer war beantragt worben, eS foße ein gragebogen an 
bie Serfsleitungen gur Einfefcuitg ber aus ben SerfSoerfdjreibun* 
gen :c. erfid^tlichen $)aten burdf) bie Serfleitungen gefchitft werben. 
Sobann hätte bie Begehung beS NeoierS felbft burch S)elegirte beS 
Arbeitsftatiftifchen Amtes unb ber Berabehörben gu erfolgen, wo* 
bei burch münbtid)e Befragung ber Arbeiter jene $)aten gu er* 
heben feien, bie in ben gragebogen nicht enthalten ftnb. Begüglid) 
ber Enquete wirb beantragt, bah an ihr nicht nur Vertreter beS 
Arbeitsftatiftifchen Amtes unb ber Bergbehörben, fonbern aud; Ver* 
trauenSmänner ber 'Berfleitungen unb ber Arbeiter theilgunehmen 
haben. £er Eentraloerein ber Bcrgwerfbcfifjer wehrte fich in einer 
3uf<hrift an baS Arbeitsamt gegen bie Bergarbciter*Enquete; er 
meint, gur Vermeibung einfeitiger Ergebniffe mühten fleh bie Er* 
hebungen auf fämmlliche inbuftrieüe unb gewerbliche Betriebe beS 
BegirfS erftreefen. Von fogialbemofratifdjer Seite warb auch bie 
Einbegiehung ber Bruberlabenoerhältniffe in bie Enquete ge* 
forbert. Nach längerer Debatte würben bie AuSfchufeanträge 
fowie einige Abänberungen beS gragebogenS, ber ber Enquete 
gu ©runbe gelegt werben foß, angenommen, bie übrigen An¬ 
träge hingegen abgelehnt. — 3 lir Verhanblung gelangte fobann 
ber AuSfchupericht über bie Vorbereitung einer Enquete über bie 
Sage ber Heimarbeiter. ®er Beridjt führt auS, bah gur $ur<h* 
fiihrung ber oom Plenum feineneit gefteßten Aufgaben gunädjft 
bie Veranftaltung einer münblichen Enquete über bie Sage ber 
Heimarbeiter in ber Kleiber* unb Söäfchefonfeftion gu empfehlen 
fei. Eine Befchränfung berfelben auf 2öien fei f<hon beShalb nicht 
gu empfehlen, weil bie Wiener ©roßfonfeftionäre oielfath Arbeit 
nach aufjen oergeben, fo bah bie ©efahr ber ©ewinnung eines nur 
einfeitigen uno unooßftänbigen ViaterialS naheliegenb wäre. 
AnbererfeitS oerfannte man nidjt, bah bie Herangiehung auswärtiger 
Experten nach V$ien mit mannigfachen Schwierigfeiten oerbunben 
fei. ES würbe beShalb befdjloffen, bah Ijiuficfjtlic^ ber Erhebungen 
auherhalb SßienS unter Befchränfung auf bas burchauS 9^oth** 
wenbige insbefonbere bie charafteriftif^en UnternehmungSgebiete gu 
berücffichtiaen feien. $>ie Enquete foß im Ntonat April abgehalten 
werben. &ie Deffentlidjfeit ber Enqueteoerhanblungen werbe eine 
befchränfte fein. Begüglid) ber grage, ob bie Einoernehmung ber 
Unternehmer, 3 ro ifdhenmeifter unb Arbeiter getrennt gu erfolgen 
habe, unb ob es ben Experten geftattet fein foße, ben Ein* 
oernehmungen innerhalb ihrer Kurie beiguwohnen, glaubte ber 
AuSfchuh, bie getrennte Einoernahme ber brei in ber Heimarbeit 
berufstätigen $erfonenfategorien gu empfehlen unb ben Experten 
bie Beteiligung an ber Einoernehmung innerhalb ihrer Kategorie 
gu geftatten. ®abei machte man aßerbinaS ben Vorbehalt, bah 
bei fid) ergebenben BHberfpriichen in ben AuSfagen ber Ausfunfts* 
perfoneit bie öeitung ber Enquete burch geeignete Hinmeife ©eiegen* 
heit gu aufflärenben Ausführungen gu geben hätte, unb bah aßen* 
faßs eingelne Experten aus bem Arbeüerftanbe, bie fich hiergu 
bereit erflären, auch ben Unternehmern gegenübergefteßt werben 
fönnten. 2)ie AuSfchuhanträae würben nach furger ^Debatte genehmigt, 
fowie auch bie oon fogialoemofratifcher Seite gefteßten Anträge, 


bah mit ber Enquete auch bie Berichtigung oon Sohnungen unb 
Serfftätten oerbunben unb bah baS m>n ben Kranfenfaffen ju 
liefernbe ßRaterial oerwertet werbe, fowie ber oon einem Arbeit* 
eberbelegirten eingebradjte Antrag auf Einhaltung beS fontra* 
iftonfehen Verfahrens bei Einoernahme ber 3roif<|enmeifter unb 
Arbeiter. 


Sojliile Jnßänlie. 


Sie Sage in ber Befahfteiuinbuftrie beS 3f^geBirgeS. 

3>ie Befahfteininbuftrie bilbet einen 3u>«9 ©laSfurgwaaren* 
inbuftrie SfcorbböhmenS, über welche bie „6oüale $rayi8" in ihrer 
9ir. 48 oom 1. September 1898 einen ausführlichen unb überficht* 
liehen Bericht brachte. Unter Befafcfteinen oerfteht man jene aus 
oerfchiebenfarbigem ©las, gumeift h^fdd baS SchwargalaS oor, 
ergeugten Artifel,*) bie als Befah auf Hüte unb anbere BefleibungS* 
gegenftänbe oerwenbet werben. 

i)ie 3ahl ber Arbeiter, welche bireft mit ber Ergeugung ber 
Steine befchäftigt finb, beträgt annähernb 3000. gaft eoeufooiel 
Arbeiter finb mit bem Anreihen unb Aufheften ber Steine auf 
Kartons befdjäftigt. Senn man in Betragt gieht, bah auch fjjbtt 
bie technifchen ArbeitSmethoben ben $robuftionSprogeh befchleunigen, 
erfennt man, bah biefer 3nbuftriegweig feineswegs unbebeutenb ift. 
®ie Saaren werben in oiele ©egenben ber Bofamentenergeugung 
geliefert; u. A. in erheblicher Vtenge nach Annaberg, Buchholg uno 
anbere ©egenben in Sachfen. 

5)ie Befahfteininbuftrie h a * Betriebsformen aufguweifen, 
bie fleingewerbliche, in ber bie Steine mittels Stechmafchinen in 
ben $>rücfhütten ergeugt werben, unb bie huuSinbuftrieße, welche 
bie Ergeugung am Blafetifch mit Stichflammen unb Selbftftecher* 
formen barfteßt. $)ie Heingewerbliche Betriebsart herrfcht in ben 
beutfehen Drtfchaften oor, tn benen bie Arbeiter keinerlei Sieben* 
erwerb haben, währenb bie hauSinbuftrieße faft auSfchliehlich P<h 
auf bie aitgrengenben cgechifchen Drtfchaften erftreeft, beren Arbeiter* 
beoölferung bei einem Ianbwirthfchaftlichen Nebenerwerb äußerft 
bebürfnihlos ift unb beShalb auf bie Ööhne ben unhcilooßften 
Einfluh auSübt. 

Nachbem überbieS baS ArbeitSoerfahren in ber HauSinbuftrie 
burch Einführung beS weichen ©lafeS unb burch bie gormen 
barauf gerichtet ift, recht große Saarenmengen gu ergeugen, muhten 
auch bie Kleinbetriebe nach ähnlichen Vtitteln gur Vtaffenprobuffion 
fuchen. ^)ie golge baoon war bie Einführung ber ^boppelformen 
in ben ©rücfhütten. ®er hauSinbuftrieße Arbeiter ergeugt auf 
einen $>rucf 30 bis 40Stücf oiertelgößige unb halbgöflige glühh 
aber auch bie $5oppelform hat fich als ein 3uftrument ber SRaffen* 
ergeugung „bewährt". 

®aburch finb nun gwei Uebel entftanben, welche bie Dueße 
eines NothftanbeS würben, ber in feinen Sirfungen furchtbar ift. 
$)iefe Hebel finb bie Ueberprobuftion unb bie Verfdjlechterung ber 
Saarenqualität. 5)as weiche ©las oerfchlechtert bie ©raoirung fo, 
bah ber Stein oft nur einer oerfchwommenen Vtaffe ähnlich fieht. 
S)ie Steine, bie aus ber ®oppelform fommen, müffen in einem 
Sacfe gefchüttelt werben, bamit fid) bie Brodfen, welche bie Steine 
umrahmen, loslöfen. 2)aburch wirb ein roher Nanb ergeugt unb 
Stücfe aus ben Steinen h^rauSgeriffen. Dh ne i^be weitere Ver* 
eblung fommen biefe Steine auf ben SRarft unb eine Saare, bie 
früher burch Schliff unb ®eforation bie ©eftalt oon Ebelftein* 
gmitationen annahm unb ftch grober Beliebtheit erfreute, wirb 
burch biefe Schunb* unb Vtaffenergeugung bisfrebitirt; man nimmt 
fie nur noch, weil fie um einen Spottpreis gu haben ift. S)ie 
beffere Saare wirb mit ber fdjledjten gemifcht, weil bie greife bie 
Lieferung oon unoerfälfehlen Saaren nicht geftatten. ®er Ex¬ 
porteur ergwingt burch immer finfenbe Bißigfeit ber Saare bie 
Aufträge unb ber Arbeiter oerfudht fid; baburdh fchabloS gu halten, 
inbem er bis gur ooßften Erfd)öpfung arbeitet. 

Um ben ungeheueren Vücfgang ber Arbeitslöhne beutlich oor 
Augen xn führen, führen wir ben Staub ber fiöhne für Nauten* 
flühl oon 1894 unb 1898 an. Es würbe begabt ben ©laSbrücfern 
im Kleingewerbe: 

1894 für_2^_2Vs"__8 1 /*"_4^_ _ _6"_ 

5 5 6 7 9 “ 15 ’ 23 fr. 

1898 für 1—1'/4 l 1 /«—1 3 A 2 2’/a 3\ 9 6 11 fr. 

*) wie ö'IÜBh ^djiffl, Sedj^ede, Bierccfe, Spipooatc, Virul, Pfeile 
u. bgl. 



699 


Soziale ^rajds. ©entralblatt für Sogtalpolitif. Ar. 26. 


700 


Die SerfaufSpreife ber Lieferanten in ber fiauSinbuftrie, 
ioeld)e bie SJaarenoerinittler gioifd)en ben Lampenarbeitern unb ben 
©jporteuren finb, roaren: 


1894 fiir 

iv«" i 3 /i" 

2" 

2 W 

3" 3Vs" 


15V« 17‘/ 2 

20 

26 

“32 42 fr. 

1898 für 

5 V« 6 1 /« 

S'/a 

14 

49 27 fr. 


©ntfprechenb bem Siicfgange ber SerfaufSpreife finb felbft* 
oerftänblich auch bie Arbeitslöhne in ber £>ausinbuftrie aefunfen. 
®ic ©laSbrücfer erhielten noch im Sommer 1898 bei 17ftünbiger 
Arbeitszeit ben hanrenben Lohn oon 3 — 4, bis 4 fl. 50 fr. 
pro Söodje. gür bie Lampenarbeiter ber §auSinbuftrie mar 
biefer Lohn ein 3beal. gür baS SÖnnb, gleich 1200 Stücf IV 2 
bis l 3 / 4 " glüfcl erhält ber Lampenarbeiter 5 bis 6 fr. Sei 16 bis 
17 ftiinbiger Arbeitszeit famt man 15 Sunb fertigfteHen, roaS einem 
©rlöfe oon 75 bis 90 fr. gleichfommt. Son biefem Setrage fommen 
in Abzug: 30 fr. für ©las, 20 fr. für Petroleum, 22 fr. für ben 
Hefter unb Anfdbler. ©S oerbleibt fomit im günftigen galle ein 
täglicher Aeingeroinn oon 18 bis 20 fr. für ben felbftftänbigen Se* 
fiper feines SßerfgeugeS, ber Aohftoffe unb SBerfftätte. Die £>efter 
unb Anfäbler oerbienen ungefähr baffelbe. 

Das Leben ift nur baburd) noch möglich, inbetn bie ganze 
gamilie: Stänner, grauen, $inber unb ©ropeltern, gufammen 
arbeitet, grüh um 5 Uhr gebt bie Arbeit an unb enbet um 
11 bis 12 Upr 9facbtS. Saft ieben greitag mirb bie 2^acf)t bunt)* 
gearbeitet. Die ©opnungen unb ArbeitSlofalitäten hefteten zumeift 
aus niebrigen grolgpütten mit einem einzigen „3immer". Drop* 
bem ein normal gemaebfener SJann in einem fold)eit 3immer nicht 
aufrecbtfteben fann unb bie 9faumfläd)e fanm 15 qm überfteigt, 
fiepen barin oft groei bis brei Salfentifcfje mit ad)t unb noch mehr 
^etroleumftid)flammen. Da mit Sücfficpt auf bie flammen bie 
nicht ben leifeften Luftzug oertragen, nicht gelüftet roerben barf, 
fann man fiep bie ©efunbheitsfchäblichfeit folcher IBohn* unb 
Arbeitsräume oorfteüen. 

Die Seoölferung biefer Drtf (haften mar no<h oor Sahnen 
burchgebenbs fräftig. Doch Daufenbe finb zu Scpattenbilbern ge* 
morben unb bie Lunaentuberfulofe oernichtet hier junge unb alte 
Scanner unb grauen |oroie £inber zugleich- Sur bie Lage ber 
Arbeiter in ben Sdjroefelgruben Siziliens fann ungefähr einen 
Sergleich mit ber Lage ber Lampenarbeiter in ber Sefapftein* 
inbuftrie auShalten. Das Sippen lanbroirt^fd^affUd^en Sefip, 
.melcheS h^ bie Arbeiter ihr eigen nennen, fonnte unter biefen 
Serpältniffen bie Serelenbung ber Arbeiter nicht aufbalten, fonbern 
bat fi<h gerabezu als ein Sttttel erroiefen, ben Sotpftanb unter 
ihnen z u vergrößern. Die ©laSarbeiter in ben beutfeben Ort« 
fdpaften, bie feinen Sefip haben, meifen trop ihrer fcbledjten Lage 
eine größere SHberftanbSfäpigfeit auf unb buben fich baburch hoch 
noch beffere Arbeitsbebingungen gefebaffen. 

Dies bemeift u. A. auch bit ©eroegung ber ©laSbrücfer, bie 
im Auguft 1898 zur Sefämpfung beS SotpftanbeS in ber Sefap* 
fteininbufirie entftanb. 3« golge biefer Semegung traten am 
4. September bie Lieferanten, ©yporteure unb AopglaSergeuger zu 
einer Serathung gufammen unb fcploffen eine Sereinbarung ab, 
baß bie gorberungen ber Arbeiter anerfannt unb zur Durchführung 
aller biefer Sereinbarungen foroobl in ber Drud* roie in ber 
Lampenbranche ^onoentionen abgefchloffen merben foHen. Die 
Doppelformen unb baS meiche ©las füllten abgefcf)afft unb bie 
ftonfurreng burch Einführung oon Siiuimallöhnen unb Attnimal* 
oerfaufSpreifen befeitigt merben. Die Slonoentionen famen unter 
SHtroirfuug ber Seicpenberger £>anbelsfatnmer zu Stanbe. Da ber 
Sebarf niept fo groß mar, um alle Arbeiter zu ben neuen Löhnen 
befchäftigen zu fönnen, oereinbarten bie Lieferanten unb Arbeiter 
einen ^Srogentfap, ber an bie ArbeitSlofen bezahlt merben mußte, 
bamit biefe nicht gezmungen mären, billiger gu arbeiten. 

©S fepien, als ob fiep alles in bie rechten Sahnen leiten Iaffen 
follte. Die ArbeitSlofen hielten, Danf ihrer Drganifation, uolle 
21 Söochen Stanb, benn fie mußten, baß bie 3ufimft ber Arbeiter 
unb ber Snbuftrie auf bem Spiel ftanb. Leiber haben foroopl 
Lieferanten als Exporteure unb SopglaSergeuger nicht nur ihr 
SSort, fonbenx aud) bie oertragSmäßigen Seftimmungeu ber $on* 
oeution gebrochen. DieSaifon mürbe burd) ben ©influß ber neuen 
^ßreisfäpe auf bem SJarfte um einige SSocpeu hinauSgefcpoben unb 
als zur erroarteten 3eit ber geroünfepte Sebarf nid)t eintrat, begann 
baffelbe unfinnige Spiel ber 0d)imb* unb Siaffenergeugung, baS 
nidjt nur ben Arbeiter ins bitterftc ©leub gebradjt, fonberrt auch 
bie Lieferanten unb Exporteure gefdjäbigt hatte. Die 3 a hl ber 
Lieferanten ber Sefap jteininbuftrie beträgt in ber Drucfbrauche 50, 
in ber Lampenbranche 34. Diefe 84 Lieferanten fönnten fich ge* 


miß mcit eher über bie ©inhaltung ber MonoentionSbeftimmungeii 
einigen als 3000 flcingemcrbliche unb hau^inbuftriellc Arbeiter. 
Auci) ben ©zporteuren, bie hoch als itaiifleute miffen müffen, baß 
man gleichzeitig auf Moften ber 3nbuftrie fünbigt, menn man ben 
Arbeitern baS Lefete nimmt, hätten mir fooiel ^urgfichtigfeit unb 
©goiSmuS nicht zugetraut. Sie alle fägen ben Aft ab, auf meinem 
fie fifcen. 

©lücflichermeifc ift es ber Union ber ©laSarbeiter gelungen, 
feit ber Semegung beS SorjahreS bie geroerffchaftliche Drganifation 
im Sfergebirge gu fräftigen, menn auch in biefer Segiebung noch 
oiel gu roünfd)en übrig bleibt. 2)ie Sertreter biefer Drganifation, 
bie burch ih* Eingreifen ein michtigeS inbuftrietleS ©ebiet unb eine 
gro&e Seoölferung oor ber Seröbung unb Serarmung beroahrt 
haben, roerben auch bafür forgen, ba& bie Semegung in ber Se* 
fahfteininbuftrie nicht im Sanbe oerläuft. ®ie ^aubelsfammer in 
Steichenberg, foroie eine 9teihe oon Lieferanten unb ©zporteureu 
haben gugefagt, biefe für alle gaftoren ber Subuftrie mistige 
Sache gu förbent, bis bte im Sorjahre abgefchloffenen ^onoentioneit 
burchgeführt finb. 3Öir roerben bie Lefer ber „Sozialen $rayis" 
über ben gortgang biefer Angelegenheit auf bem Laufenben erhalten. 

©ien. Robert ^reu&ler. 

SefchtSnfung ber üffetttHd^en Luftbarfeiten im fRfjtinlaube. 

Som Serein ber 3nbuftriellen beS 9tegierungSbegirfS £öln mar im 

t erbft 1898, mie feiner 3 e ^ gemelbet, angeregt morben, ob eine 
efdjränfung ber öffentlichen Luftbarfeiten empfehlenSmerth fei. 
Son ben Sehörben, an roeldje fid) ber Serein mit ber Sitte geroenbet 
hatte, bie empfunbenen 9Ki6ftänbe gu befeitigen, hat bie Segiernng 
gu ^'öln einen oorläufigen Sefcheib ertheilt. ©S heifet barin: 

bereits früher unb neuerbingS anaeftcHten ©rmittclungeu Iaffen 
jebod) feinen 3meifel baruber auffonunen, baf} bie oollfommen mit Accht 
beftagten llebelftänbc oorgugsmeifc auf-bie geftlid)feiten ber zahlreichen 
überall beftehenben Sereine unb ©efelffdiaften gurüdguführen finb. 
Scptere fönnen jeboef) einer behörblidjen ©iuroirfung nur nach voraus* 
gegangener Slbänberung ber ©efepgebung, inSbcfottbere ber prenfei* 
fclien SerfaffungSurfunbe unb beS SereinsgefcbeS, ftärfer als tu ber 
bisherigen SSeife untermorfen merben. Son ber Aföglidifeit, mcld)e erft 
burch §- 15 beS ommuualabgabengefebeS gefefjaffen morben ift, bie 
2uftbarfeiten ber gefchloffenen Vereine unb ©efellfdiafteu im SSege ber 
(^cmcinbebefteucrung cingufdiränfen, ift gmar otelfad), aber nidjt mit 
beut ermarteten ©rfolge ©ebraud) gemadit morben." 

2)er AegierungSpräfibent merbe nicht ermangeln, auf bie ©e* 
meinben meiterhin eingumirfen, folche LuftbarfeitSfteuern eingu* 
führen unb ihre Sähe, menn angängig, noch gu erhöhen. 2>ie 
grage einer 3nfammenleaung ber $ir<hroeihfefte fei bereits beS 
Defteren oon ben SermaltungSbehörben erörtert morben, fönnte 
aber nur in Uebereinftimutung mit ben firdjltthen Sehörben unb 
bei thunlichfter Schonung ' alteingemurgelter SolfSgebräuche gelöft 
merben. 3)Üt bem Sfarbinal * ©rgbifchof fei bie Sehörbe beShalb 
bereits in Serhanblung getreten. 


^tbeUetbeuegung. 

©rfter betttfeher Sanarbetterfchuhfongre§. 

Som 19. bis 21. Stärg hat in Serlin ber erfte beutfd;e Sau* 
arbeiterfchupfongreß ftattgefunben, um über bie Siittel gur ©r* 
Ianguitg eines mirffamen SchupeS gegen bie SerufSgefahren gu 
berathen. SDelegirte aller Srandjen beS SaugemerbeS maren in 
großer 3ahl erf^ienen. 315 ^elegirte mit 338 5ftanbatett oertraten 
nid^t toeniger benn 16 ©emerffchaften: Staurer, 3inttnerer, 9Kaler, 
Söpfer, Stucfateure, Steinfeper, SDadjbecfer, Santifd)ler, Sauflempner, 
Steininbuftriearbeiter, ©ementarbeiter, Saufchloffer, ©lafer, Silb* 
hauer, Stafchiniften unb feiger, foroie SauhülfSarbeiter. 2)aS 
Seichsamt beS gunern mar oon bem ©inberufungsfomite um ©nt* 
fenbung eines SertreterS gebeten morben, bodh ift biefem ©rfuepen 
iciber nicht entfprochen morben, meil, roie eS in ber Antroort beS 
©rafeu 0 . ^ofabomSfp hkfe, bem ©efud) mit „Sücffid)t auf bie 
Lage ber 2)ienftgefchäfte" nicht ftattgegeben merben föitne. Sicht 
gang mit llnredjt mürbe biefe Ablehnung 00 m ftongreft als eine 
SH&ad)tung empfunben, ba auf ben Untentehmer*Xagen bie Regierung 
in ber Segel oertreten gu fein pflegt, dagegen hatte bie fogial* 
bemofratifd)e SeichStagSfraftion gleid) brei Sertreter entfanbt. 

"Die Atifeftänbe tm Saugeroerbe finb auf ©runb umfaffen* 
ber ©rhebungen fchon oor Sahnen oon ber Hamburger ©eneral* 
fomntiffion ber ©emerffchaften DeutfdjtanbS bargcftellt unb in 
zahlreichen Serfamntlungen ber Sauarbeiter erörtert morben. Aud) 
ber SeidjStag hat baS Serlangen ber Sauarbeiter nach einem mir!* 




701 


©o$iale SßrajtS. Eentralblatt [ür ©ojialpoliti!. Ar. 26. 


702 


ferneren ©cßuß gegen Unfälle unb ©efunbheitSgefaßren als bered)* 
tigt anerfannt. Säßrenb aber bie Sauarbeiter ein umfaffenbeS 
SeicßSgcfeß für ben Sauarbeiterfcßuß unb eine wirffame Kontrole 
ber Ausführung unter 3 u 3^ e ^ un 9 oon SSertretern ber Arbeiter 
forbern, erflärte erft unlängft ber ©taatsfefretär beS Snnern im 
Reichstage, baß an eine reidjSgefefelid^e Regelung ber Staterie nicht 
Zu benfen fei unb baß nur bureß SanbeS- unb lofale Polizeioer- 
orbnungen eingegriffen werben fönne. 3m preußifeßen Abgeorb- 
netenhaufe hat jüngft ber ©ewerbeminifter barauf hingemiefen, baß 
ber Stängel einer guten baupolizeilichen Aufficht ein roefentlicher 
©runb für bie große 3 a ßl ber Sauunfäße fei. ES finb jmar in 
oerfeßiebenen SunbeSftaaten oerfeßiebene Sauarbeiterfcßußoerorb- 
nungen erfchienen, aber es fdjeint meiftenS an einer genügenben 
Kontrole ber Durchführung m fehlen. AßerbingS erfeßwert bie 
Eigenart beS Saugewerbes ©cßuß unb Kontrole außerorbentlicß. 
Der Sauarbeiter hat feine fefte fSerfftätte, fonbern geht non Sau- 
fteße zu Sauftelle, ©inb auf bem einen Sau bie gröbften Stiß- 
ftänbe befeitigt, fo geht er oiclieicht feiner Sollenbung entgegen, unb 
beim nächften Sau geht ber Kampf oon feuern an. §äufig fehlt 
es an ber itothroenbtgen Lüftung, bie Sauf- unb Seitergänge fmb 
ganz primitioer Satur. 3u fchminbelnber f)öße oerrießteu Dach* 
beefer ober Klempner ihr Dagewerf, ohne gegen ben |>erabfturz 
gefiebert zu fein. Staurer unb 3immerleute arbeiten über Deff- 
nungen, welche unter ihnen bie SauhülfSarbeiter mit ihren Saften 
paffiren müffen. ©eiten bewahrt ein ftßüßenbeS Dach bie unten 
Saufenben oor ßerabfaßenbem Staterial. Döpfer unb ©tuefateure finb 
genötßigt, bei Suftzug ober bei offenen KofSöfen zu arbeiten. Die 
Aborte, ferner Saububen, in benen bie Arbeiter effen, bie Reibung 
wechfeln, fich wafeßen unb bei ungünftiger Witterung fleh aufhalten 
fönnten, entfpredjen feiten ben fanitären Anforberungen, obgleich 
eS um felbftoerftänblicße Kultureinrichtungen fieß hanbelt. Ebenfo 
mangelhaft finb im Allgemeinen bie ©cßußoorricßtungen gegen 
SetriebSunfäße. Die ©chilberungen, bie oon allen biefen llebel- 
ftänben auf bem Kongreß oon ben Delegirten ber oerfchiebenen 
Sranchen in bemerfenSioerther Uebereinftimmung gegeben mürben, 
laffen aßerbingS balbigfte Abhülfe bringeitb geboteirerfcheinen. 

Seoor mir bie Serhanblungen beS Kongreßes furz ffw rcn , 
muß hier bie Süße unb ©acßlicßfeit heroorgehoben werben, mit 
ber bie Delegirten ihre ©achc führten, bie Stißftänbe fchilberten 
unb bie Stittel ber Abhülfe flarlegten. Am eingehenbften befcßäf- 
tigte fleh &er Kongreß naturgemäß mit ben befonberen gragen beS 
SauarbeiterfcßußeS im weiteften ©inne. Stan erfuhr hier, baß 
gerabe in Serlin unb ber Prooinz Sranbenburg feitenS ber Sau- 
fpefulatiten unb profitfücßtigen Unternehmer in unoerantwortlicher 
Steife gegen Seben unb ©efunbßeit ber Arbeiter gefünbigt werbe, 
fo baß bte norböftliche Sau-SerufSgenoffenfcßaft bie meiften Unfäße 
Zu oerjeießnen habe. Ein Djelcgtrter Däßne machte Stittßeilung 
über ferne Dßätigfeit als Arbefteroertreter im Seicßs-Serficßerungs- 
amt. Dort habe er bie gorberungen ber Sauarbeiter oertreten. 
Der Ptäfibent Dr. Söbifer habe ihm aber erflärt, baß er nichts 
tßun fönne, weil er bie SerufSgenoffenfcßaften Z u irgenb etwas 
nicht zmingen fönne. Auch bie Sefcßäftigung oon grauen auf 
Sauten würbe feßarf fritifirt, wobei namentlich h e morgehoben 
würbe, baß in Sägern unb ©aeßfen noch heute grauen mit 
ferneren Saften Seitern befteigen müßten. Diefer Sanft trat je- 
boeß mehr in ben §intergrunb, unb es würbe fdjließlicß eine Ae- 
folution, bie fich auf bie Einfcßränfung ber grauenarbeit unb ber 
Arbeit oon jungen Seuten unter 18 Saßren bezieht, ber Kommiffion 
für Sauarbeiterfcßuß in Hamburg- überwiefen. Den §auptpunft 
bilbete bie große Unfaßaefaßr. Es würbe heroorgehoben, baß bie 
UnfaßoerhütungSoorfcßriflen ber Sau-SerufSgenoffenfcßaftcn nicht 
genügten, meift gar nicht befannt gemacht würben, unb baß ihre 
Durchführung ebenfowenig geniigenb fontroßirt werbe, wie bie 
Durchführung ber polizeilichen Sauoorfcßriften. Die Döpfer (Cfen- 
feßer) flagten befonberS barüber, baß fie bei faltem Sktter bei 
uuoerglaften genfiern ober bei KoafSöfen auf ben Sauten arbeiten 
müßten. 

Der Kongreß erflärte fich fcßließlicß zuuäcßft einftimmig für 
ein befonbereS ReicßSbauaefeß, welches neben fanitären Se- 
ftimmungen befonberS bie Unfalloerhütung z u regeln habe, 
eoentuell für eine Abänberttng beS AbfcßnitteS beS llnfall- 
oerficßerungSgefeßeS, ber oon ber ttnfaßoerßütung unb ber 
Setriebsüberwadjung hanbelt, bahin, baß befthnmt wirb: Dieoer- 
ficßeruitgSpflicßtigen baugewerblichen Setriebe unterliegen einer be¬ 
fonberen regelmäßigen Kontroße in Sezug auf Unfaßüerßütung. 
Diefe ber aßgenni: eit ©emerbeauffießt anzugliebernbe Kontrolle 
wirb ausgeübt ooi. Iv'oubcren Kommiffioiieu, welche oon ben Se- 
auftragten ber Sern ^giuoffenfcßafteu unb bei* Arbeiterorganifationeu 


Zu gleiten Dßeilen gebilbet werben unb unter Seitung fach» 
männifeßer ftaatlicßer Scamten fteßen. Diefe Komntiffionen haben 
auch bie UnfaßoerhütungSoorfchriften zu erlaffen, bie Unfaßunier- 
fuchung in jebem einzelnen gaße unaefäumt oorzuneßnten unb bem 
Unfaflmelbemefen oorzufteßen. Die Koften biefer Einrichtung, auS- 
fcßUeßlicß ber ©eßälter für bie faeßmännifeßen ftaatlicßen Seamten, 
trägt bie Saugemerfs-Serufsgenoffenfchaft für ben Umfang ißreS 
Sezirfs. 

3n aßen Orten, wo nennenswerte Sauten auSgefüßrt werben, 
foßen außerbem Kommiffionen, befteßenb aus Sertretern möglichft 
aßer Sauberufe, gebilbet werben, um bie ©cßäben unb SJHßftänbe 
auf ben Sauten aufzubeden. Zugleich würbe ein Antrag ber 
©teinfeßer unb ©traßenbauaroeiter angenommen, in welchem 
©cßuß oor Ueberfaßren bureß eleftrifcße ©traßenbaßn- 
wagen bureß befonbere Soliz^oerorbnungen geforbert wirb. Des 
Sküeren erflärte fidß ber Kongreß für Abfcßaffung ber Afforb- 
arbeit unb für rolle Koalitionsfreiheit, gn ber leßteren 9te- 
folution, in welcher auch gegen bie angefünbigte „3ucßthauSoorlage" 
proteftirt wirb, werben alle Sauarbeiter DeutfcßlanbS einbringlicß er¬ 
mähnt, bis auf beit leßten 9)tann fteß ißreit Serbänben anzufdjließen, 
weil ber mirffamfte Arbeiterftuß in ber ©egenwart aßein in einer 
ftarfen Organifation ber Arbeiter gewährleistet fei. DieKommiffion 
für Sauarbeiterfchuß in Hamburg, welcßc ben Kangreß ein¬ 
berufen, foß befteßen bleiben unb als Eentralfotnmiffion bie Kongreß- 
befcßlüffe bureßfüßren, wobei fie bureß bie möglicßft an aßen Orten 
einzufeßenbcit Sauarbeiter-Kommiffionen (Sofalfommiffionen) unter- 
ftüßt werben foß. 

Serlin. ©uftao Daube. 


Der brtttc Kongreß ber ©etoerffeßaftest DentfcßfanbS, ber am 

8. SOßai b. 3. in granffurt a. ftattfinbet, wirb oon bem „Kor- 
refponbenzblatt ber ©eneralfoutmiffion ber ©ewerffcßafteu Deutfcß- 
lanbS" in einem Artifel befproeßen, bem wir golgenbeS ent¬ 
nehmen : 

©oweit bie nußbringenbere ©eftaltung ber 3nftitution ber 
©eneralfommifffon in Setracßt fommt, liegt ber oon ber Konferenz 
ber Sebafteure ber ©ewerffcßaftSpreffe gefteßte Antrag oor, bie 
SerficßerungSgefeßgebung gcmeiiioerftänblicß z u bearbeiten, bte 
Arbeiter mit ißr meßr oertraut zu macßeit unb babureß ber 
Serfcßledjterung biefer ©efeße oorzubeugen unb für beren Ser- 
befferung z u wirfen. Eine weitere Anregung geßt bahin, bas 
„Korrefponbenzblatt" zu erweitern unb zu einer gewerffcßaftlicßen 
Reoue umzugeftalten. An erfter ©teße fteßt bie grage beS Koa- 
litionSrecßteS. Es ift unbebingt erforberlicß, baß bie Vertreter ber 
organißrten Arbeiter eine Antwort ertßeilen auf bie ^eßereien 
egen bie ©ewerffeßaften, bie oon Seuten auSgeßen, wel^e offen 
ie ©efeße übertreten unb ben Arbeitern ben winzigen Reft beS 
Sereinigungsrccßtes rauben woßen, um bie Ausbeutung ber ArbeitS- 
fraft ungeftörter betreiben zu fönnen. Der DageSorbnungSpunft: 
„Die ©ewerbeinfpeftion", foß weniger zu einer Erörterung ber 
Stängel ber hierauf bezüglichen ©efeßgebung unb zur gormußrung 
oon SerbefferungSoorfcßlägen, als oielmeßr zu einer Sefprecßung 
barüber fiißren, welcßen Antßeil bie ©ewerffeßaften an ber Aus¬ 
führung ber 3^fpeftion neßnten fönnen. Es ift beSßalb aueß oor- 
gefeßen, baß bie in ben einzelnen Snbuftriegruppeu notßmenbige 
unb mögliche ©ewerbeinfpeftion in befonberen Referaten beßanbelt 
werben foß. Sieben einem Seferat über bie ©ewerbeinfpeftion im 
Aßgemeinen foßen befonberS erörtert werben: Die Kontrole ber 
Sauten, bie Serginfpeftioit, bie ^afeninfpeftion unb bie ©ewerbe* 
auffi^t im Kleinßanbwerf unb in ber |)auSinbuftrie. 

Der ©treit über bie Darifgemeinfcßaft im Sucßbrudgemerbe 
gab inbireft Seraulaffung, ben $unft „Darife unb Darifgemein- 
feßaften im gewerffcßaftlicßen Kampfe" auf bie DageSorbnung beS 
KongreffeS zu feßen. Keineswegs aber foß ber Sudjbrudertarif 
bie Srunblage für bie Seßanblung biefeS DageSorbnungSpunfteS 
abgeben. Er wirb, ba er ber einzige Darif ift, ber für ganz 
Deutfcßlanb ©ültigfeit erlangen foß, aus ber Debatte nießt ganz 
auSzufcßeiben fein, boeß bürfte fteß biefe in ber §auptfacße baßin 
bewegen, bie ©renze zu beftimmen, bis zu welcher Darifgemein- 
feßaften oon Süßen für bie Arbeiter finb. prinzipielle ©eg- 
ner ber Darifgemeinfeßaft bürfte eS unter ben gemerf- 
fcßaftlicß organifirteu Arbeitern faum geben. 

Die ArbeitSoerinittclung ßat ben leßten ©ewerffeßaftsfongreß 
bereits befcßäftigt, bodj fonnte bort bie ©aeße nießt in bem Staße 
befproeßen werben, wie bieS bringenb erforberlicß ift. Die An- 
r theilnaßme ber ©ewerffdjaften in ©iibbcutfcßlanb an ben ftäbtifeßen 
ArbeitSnacßweifen, baS Eintreten größerer ©ewerffeßaftsfreife in 
Serlin für paritätifeße ArbeitSnadjweife unb oor Aßein ber Sor- 



703 


Sogiale $ragi£. Eentralblatt für Sogialpolitif. SRr. 26. 


704 


ftofe ber Unternehmer, bie ArbeitSoermittelung gu einem SRonopol 
für fich auSgugeftälien, matten eine erneute unb eingeljenbere Be* 
fjanblung ber Sfrage abfolut erforberlid). Die Meinungen finb in 
©eroerffepaftsfreifen äußerft getrennt unb es roirb gerabe hier 
fdjroer faden, eine alle Steile befriebigenbe Löfung herbeiguführen. 
SDie ArbeitSoermittelung roirb fo lange ein SchmergettSfinb ber 
©eroerfßhaften bleiben, als biefe nicht ftarf genug finb, ben 
ArbeitSmarft fogu beeinflußen, baß bie ArbeitSnachroeife ber Unter* 
nehmer giaSfo machen. Hier ift nicht bie 3af)I ber Viitglieber ber 
Drganifation, fonbern auch bie innere Einrichtung ber lefeteren, 
Ausbau beS UnterftüßungSroefenS 2 c. auSftf)laggebenb. 

Begüglich ber Arbeiterfefretariate foll ber Kongreß nicht nur 
über 3n> e <fmäßigfeit unb innere Einrichtung, fonbern auch barüber 
berathen, ob ber SRufeen biefer Einrichtung nur ben organiftrten 
Arbeitern, welche bie Hofieit tragen, gufaden foff, ober ob allen 
Denen, roelche bie Hülfe ber Sekretariate in Aufprucf) nehmen 
wollen, folche geboten roerben foH. 

Der ©eroerffchaftsfongreß bürfte fidfj neben anberen, in ber 
DageSorbnung nicht ermähnten fünften auch mit ber SRegulirung 
ber ©ehälter ber ©eroerffdjaftsbeamteu unb SRebafteure ber ©e* 
roerffdjaftSpreffe befchäftigen. Diefe ßfrage ift für bie gortent* 
roicfelung unb innere ^eftigfeit ber ©eroerff(haften oon eminenter 
Bebeutung. 

@o baS „ftorrefponbengblatt". ©egen 1892, roo ber erfte 
©eroerffchaftsfongreß abgehalten rourbe, h fl t bie 3<*hi &er geroerf- 
fd&aftlich organifirten Arbeiter fid) ungefähr oerboppelt; fie beträgt 
je^t 487 000 Arbeiter. Die AufroärtSberoegung hält gur 3 ß it noch an. 

©enerafoerfammlungat ber Verlink ber 3imnierer rntb Maurer 
DeutfchfattbS. 3nt Anßhluß an ben Bauarbeiterfdjub^onareß 
fanben in Berlin bie ©eneraloerfantmlungen beS Ver¬ 
banbeS ber 3itumerer DeutfchfonbS unb beS VerbanbeS ber 
dRaurer unb oerroanbten Berufs genoffen ftatt, bie beibe ftarf be¬ 
fugt roaren. 

Die Situiuererberoegung funn bereits auf ein breißigjährigeS 
Beftehen gurücfblicfen. Der jeßige Berbanb, ber fich als eine gort* 
feßuna ber unter bem Sogialiftengefeß unterbrächen Drganifation 
barfteüt, rourbe 1883 in Berlin begrünbet unb gäßlt jeßt 22 104 9Rit* 
glieber in 408 3 a &W c ^cn. Da faft bie §älfte ber 3iutmerer in 
Reinen Stäbten unb Dörfern arbeitet, fo ftößt bie Drganifation 
auf große Schroierigfeiten. Der ^affenbeftanb beS BerbanbeS, ber 
feit 1889 über ein eigenes Drgan „Der Simtnerer" oerfügt, betrug 
Enbe 1898 103 459 dt Die ©eneraloerfammlung roar oon 
93 Delegirten unb einem 3Ritgliebe ber Hamburger ©eneral* 
fommiffion ber beutfehen ©eroerffeßafien befucht unb befchäftigte fidfj 
oomehmlich mit einem neuen Streifreglement unb ber Ein* 
führung ber ArbeitSlofenunterfiüßung. 3iir bie leßtcre rourbe 
u. 21. geltenb gemacht, baß fie geeignet fei, bie Streifs gu oer* 
minbern, benn gerabe bur<h bie Lohnorücferei ber in SRotß befinb* 
liehen Arbeitslohn mürben nicht feiten Lohnfätnpfe oeranlaßt. Da 
eS an Vorarbeiten fehlte, rourbe ber Berbanbsoorftaub beauftragt, 
fpäteftenS bis gur nächften ©eneraloerfammlung Statuten für Die 
ArbeitSlofenunterfiüßung p entroerfen. Eine Angaßl oon ®elegirten 
erflärte fich grunbfäßlidj für bie ArbeitSlofen-ltntcrftiißung. 3n 
Betreff ber Streifs rourbe befeßtoffen, ben SBocßenbeitrag um 5 4 
gu erhöhen. Dafür fott auch bei Streifs bie Unterftiißung erhöht 
roerben. ©eflagt rourbe über bie Öeinbfcßaft oieler Unternehmer 
gegen ben Berbanb. Um in ber Agitation mehr Einheitlichfeit gu 
erzielen, rourbe bie gefammte Leitung ber Agitation bem Ber* 
banbSoorftanb übertragen. 

Der Berbanb ber 3Raurer gäljlte im Durchfcßnitt beS 
3aßreS 1898 60175 ERitglieber, ber ftaffenbeftanb betrug Enbe 
oorigen 3ah rß 8 286 015 dt Um bie Loßnöriicferei burch 
italtenifchc Arbeiter,*) beren fidb baS Unternehmerthum in immer 

*) 3n ben Iotbringifdjen Sitbuftriebejirfen hat bas ^ufammenflromen 
italientfcher Arbeiter, bie bort bei Eifenbahn* unb Strafienbautcn, in 
Steinbrüchen unb bei ben Neubauten für bie in fo aufierorbentlicb 
rafchem tluffchroung begriffenen VergroerfS* unb .^üttenbetriebe be* 
fchäftigt roerben, in biefem grühjahr ganj ungeheuere Ximenfionen an* 
genommen. $Rod) immer treffen bie Sohne beS Sitbens in groften 
Trupps, oft ju mehreren ^unberten, in jenen Drtfchaften ein. 3)ah 
unter folchen Untftänben bie äSohnuugSoerhältniffe biefer fteüenroeife ju 
Xaufenben auf roenige flciuc Orte jiifaimnengcbräugteu Arbeiter faft 
burchroeg bie benfbar traurigften ftnb, läf;t fich leicht oorftellen. ^ie 
?trt unb Steife, roie fich biefe Sicutc pfantnteupfercheu, fpottet, roie 
?lrbeiterblätter berichten, feber Vefchrcibung. 20—30 3Katm liegen in 
^achftuben auf ^ritfehen, bie nothbürftig aus Vrettcrn jufammeii* 
genagelt finb. Um ftd; gegen bie ungeroohute .Heilte unferer 9?äd)te 
ju f^ü^en, h a lten bie teilte, bie fich in ben meiften 3ä9en beim 


auSgebehnterem ERafee bebiene, p oereiteln, h<*t ber Vorftanb ein 
italienifc|eS Vlatt „L’Operaio Italiano“ gegriinbet, baS fchon einen 
bemerfenSroerthen Einfluß auf bie italtenifchen Arbeiter ausübe. 
Sluch mit ben „©enoffen" in Böhmen höbe ber Vorftanb ^ühlong 
genommen, um p oerhinbern, bafe cgechtfche Arbeiter ben fämpfen* 
ben beutfehen Brübern in ben SRüdfen fielen, ^ie ©eneraloerfammlung, 
bie fich für energifche Agitation für ben Berbanb erflärte, roar oon 171 
$>elegirten befucht. Befchloffen rourbe: ftaliftifche Erhebungen über bie 
Sage ber Arbeiter im ERaurergeroerbe burch ben Borftanb, Äampf 
gegen bie Slccorbarbeit, Erhöhung ber Beiträge um 5 4 pro 
feoche. Bon befonberer SSichtigfeit roar bie Erörterung ber 
über bie ^arifgemeinfehaft mit ben Unternehmern. 3)enBer* 
banbsphlftellen rourbe bie Verpflichtung auferlegt, bet Ueberrcichung 
etroaiger Sorberungeit unb SBünfche an bie Arbeitgeber auch utn 
Unterhaublungen nachjufuchen, unb, falls am Drte eine Arbeiter* 
organifation befteht, oon biefer p oerlangen, mit ben ©efellen* 
Organisationen einen cooperatioen ArbettSoertraa (baS Sßort 
„$arifgemeinfchaft" ftiefj auf 2Biberfpruch) oon ein* bis l)ö<hftenS 
groeijähriger ^Dauer ab^ufchliefeen, mit ber Vtafcgabe, ba& nach 
tauf beS Vertrages bie beiberfeitigen Drgane pfammentreten, um 
über Verlängerung beS Vertrags, bejro. Aenberung beffetben Be* 
rathung p pflegen unb Vereinbarungen p treffen. Das Streif* 
regiement rourbe bahin abgeänbert, ba& bei Streifs, bie ber Vor* 
ftanb nicht genehmigt hat, Unterftüfcunaen ans VerbanbSmitteln 
nicht geroährt roerben. Diefer Befchluß richtet fich 9 ß 9 ß n oo* 
befonnene Streifs. Die £muptfa<he bleibt aber bie ©enehmigung 
ber Darifgemeinfchaft. 

AuS ber Arbetterbewegimg m Berlin. Eine grofje Berliner Bä cf er* 
gefellen-Berfammlung hat befchloffen, bie Sammlung pmStretffonbsfo 
lange fortpfepen, „bis beren Ertrag ben enbgiltigen Erfolg öerfpridfjt." ^ro* 
teftirt rourbe gegen einen AuSfpruch in ber Icpten Bkifteroerfammlung, 
roonad) baS Hoft* unb Bogisroefen beim äReifter fdjon beShaib ntd;t ju 
befeitigen fei, roeil bie SReifter nicht ftdter roären, bafj „jeber Arbeiter 
für 50 fßf. Badroaare im B?agen mit aus bcr Bäcferei trage". 

£ie organiftrten Berliner 2)rofehfenfutfeher (rmtb 1200 Hutfcher 
in 110 §öfeu) haben befchloffen, einen Dclegirten ju bem p Cftern in 
Seipjig ftattfinbenben Hongreh ber ^anbcls* Hilfsarbeiter p fenben, 
roeil biefer Hongreh fid) mit bem auch bie Drofdjfenfutfcher interefftrenben 
gefefclichen Auhetaa im BertehrSgeroerbc unb mit ber ©efährbutig oon 
Straßenbahnen befchäftigen roerbe: 

Die Berliner Steinfepcr oerlangen burd; ihre Bohnfommiffton 
oon ben Bfeiftern ben neunftüubigen Arbeitstag, 65 $f Stunbeniohu 
unb Abfchaffuug ber Ueberftunben unb Afforbarbeit. Die Bfeifter roollcn 
bie bisherigen Arbeitsbebingungett: phnftünbige Arbeitspit unb 60 ^f. 
Stunbeniohu aufredjt erhalten. 

Vermittclttug im Ärcfelber B3eherftreif. Vom 25. dRärs roirb 
ber ,,Äöln. VolfSgtg." aus Hrefelb gef<hrteben, baß es ber 
Stäbtifchen Sozialen fommiffion nunmehr gelungen fei, eine 
Einigung groißhen ben ftreifenben Sammetioebern unb ben 
3?abrifanten anpbahnen. Viait h ß 9 ß bie Erwartung, baß noch oor 
bem Dfterfefte ber AuSftanb beenbigt fein roerbe. Die Sammet* 
roeber feien bereit, bie Sohnlifte ber Sabrifanten, bie fich I,cr * 
pflichten, ben 3ufaß für tabellofe SSaare als einflagbaren £ohn p 
garantiren, anjunehmen. Die Höhe beS 3«fabeS bleibe ber Ver* 
einbarung jroifchett ben einzelnen Sabrifanten unb ber Vertretung 
ihrer Arbetterfchaft überlaffen. Vtan hatte auch bie 3£eber ber 
Sammetfabrifen in ben moliegettben Drteu, roie ßobberid), Vierfen, 
9thepbt u. f. ro. oeranlaßt, ihre Solibarität mit ber Hrefelber 
Streifberoegung bureß Qorberungen oon Lohnerhöhungen gutn Aus* 
bruef p bringen. 3u einigen Jabrifen erreichten fie baS, anbere 
Sirmen aber lehnten bie Öorberung ab, fo baß auch hi cc ^er 
AuSftanb begann. Das ©eroerfßhaftsfartell forberte angeßchts 
biefer AuSbehnuna ber Lohnberocgung p reichlicher Unterftüßung 
auf. Der Eentraloorftanb beS Siteberrheinifchen VerbanbeS djrift* 
licßer Textilarbeiter faßte aber in Hempen folgenbe Befchlüffe: 

Der am 24. SRärj oerfammelte Eentraloorftanb beS Aieberheintfcheu 
VerbanbeS chriftlicher Sc^titarbciter erflärt einftimmig: a) baß er ooll* 
ftänbtg einoerftanben ift intt bem VermittelungSoorfdjlag ber Sogialeu 
Hommiffton, bie Arbeit roicber aufpuehmen, roenn bie gabrifanten ben 
in ihrer Bohnlifte oorgefeheneit 3 u ? a b bis p 10 4 für tabellofe Arbeit 

Schlafen nur mit ihren wenigen Hleibuugsftücfen p bebeefen in 
ber Sage ftnb, bie fpärüdjeu ?feufter ber Sdjlafräumc bicht ge* 
fchloffen. Bleiche Luft baritt entftcljt, faitn man fich leicht benfeu. 
B?ie fidj bie fanitären Berhältniffe in biefen beifpicllos oernadjläffigten 
Arbeitermaffeuguartieren roährettb ber heißen oafjrcspit gcftalten foüen, 
ift nietet abgufehen. Der Ausbrudj einer Epibcmic müßte oon ben ge» 
fäl)rlichfteu folgen begleitet fein. ES ift unter foldjen llmftäubeu nicht 
gu ocriounbern, roenn bie anfäffige Eiuroohuerfdjaft ber lothringifchen 
3»buftriegegeubeu bie Verroaltungöbebörbcn gu burdjgreifeitbeu SWaß« 
regeln gegen biefe traurigen SBohuungSguftänbc gu oeranlaffcn fudjt. 




705 


Sogtale $ragt8. CentralBIatt für Sojialpoltttl. Rr. 26. 


706 


berart in flagbaren Lopn (Ergämungslopn) oerroanbeln, baß er unter 
aßen Umftänben o^ne 9lüdtft<^t auf bie Befpaffenpeit ber Arbeit gegaplt 
roerbett mtt&, unbefpabet beS RepteS ber ftabrifanten, für fc^lecf>te 
Arbeit Abgüge eintreten 311 Iaffen; b) er nimmt mit Befriebiguttg baoon 
tfenntnip, bafe bie gabrifanten (folgen fünf 9?amen) bert ooßen Ergeht* 
gungslopn oon 10 4 be^oplen unb meift ipre bort bekräftigten »er* 
banbsfoßegen an, in biefen betrieben fofort bie Arbeit aufgunepmen, 
fobalb bie gabrifantenoereinigung ben BermittelungSüorfplag ber 
fojialen tiommiffton angenommen paben mirb; c) er meift bie in ben 
anbercn betrieben befpäftigten BerbanbSfoflegen an, in betreff ber (Sr* 
gänguitgSlöpne iprer betriebe mit ber fojialen Aiommiffion unb ipren 
firmen meiter gu oerpanbeln unb nap Befanntgabe beS ErgebniffeS 
biefer Berpanblungen ebenfaßs fofort bie Arbeit aufgunepmen. 

$et liierte beutfpe $aitbltmgSgepilfeiitag mirb am 8 . April in Raffel, 
Stabtparf, abgepalten merben. Rap ben bisherigen Anntelbungen 
bi'trften etma 600 Stäbte oertreten merben unb über 1000 .franblmtgs* 
gepilfen an ben Beratpungen teilnepmcn. $ie Sagesorbitung umfafet 
tolgenbe fünfte: 1. Sarenpäufer nnb $anblungsgepilfen", Beripter* 
ftatter 9t. o. Bein-Altona; 2 . „Rooeße gur toeroerbeorbitung," 
Beripterftatter B- Elberbing-Elberfelb unb 9t. £öring*$>amburg; 
3. „Raufmännifpe SpiebSgeripte," Beripterftatter gr. Spneiber* 
Leipgig. — $ent .Jmnblungsgepilfeittag gebt in üblicher feeife am Cfter* 
fonntag ber BerbanbStag beS 23 000 TCitglieber gäplenben 2)eutfp* 
nationalen .franblungSgepilfen-BerbanbeS ooran. 

Bcretnbaruug gtoifpen Arbeitgebern nnb Arbeitern ber Spinnerei 
non Lancafpire* feie förmlich fifopnbifferenjen in ber englifd^eit 
Äoplenbiftrirten burp Berpanblungen grotfpen ©rubenbefipem 
unb Bergleuten auf frieblipem feege beigelegt morben ftnb, 
fo jept in ber Spinninbuftrie. gn 3Ranpefter fanb am 20 . 9Rarg 
eine feonfereng groifpen Arbeitern unb Arbeitgebern beS Spinnerei* 
geroerbes oon Süboft*Sancafpire. ftatt, um über bie gorberung 
einer ßopnerpöpung oon 7 $ence pro $funb Sterling gu beratpen. 
2>ie Arbeiter patten faft einftimmig befploffen gu ftreifen, faßS 
eine ßopnerpöpung abgelepnt mürbe, gept fplugen bie Arbeit* 
geber oor, bie graae einem SpiebSgeript 311 unterbreiten. Rap 
3 roeiftünbiger Beratpung unter fiep lepnten bie SDelegirten ber Ar» 
beiter ein SpiebSgeript ab. (Sin offigießer Splußbeript jebop 
befagt, bafe bie Arbeitgeber um bes griebenS toillen eine ßopn*' 
erpöpung oon 7 fßence pro Bfunb Sterling bereinigten, in ber 
BorauSfepung, bafj bie Arbeiter ein Spfteni aboptiren, bas fünftig 
bie ßopnpöpe nap Sage beS ©efpäfts regelt. 3)ie Bertreter ber 
Arbeiter geben bie 3 u f^9 e / ernftlidp in biefer Riptung fiep 3 U bemüpen. 

Beroegung itttter Pen #aiiblimgSgepUfeii non Baris» Seit 
einigen 2&open perrfpt in geroiffen Brattpen bes ^arifer £>anbelS* 
geroerbes eine Iebenbige Agitation, foroopl in ben Greifen ber Unter* 
nepmer als ber Angefteflten. $)ie Saeplage ift bie folgenbe: gn 
Bariö paben befanntlicp bie meiften ber 3)etailoerfaufSgefpäfte, 
fomeit es bie Statur iprer SBaaren geftattet, fogenannte Etalagen, 
b. p. Auslagen, melepe über bas {muSalignemeut pinauS in ben 
öffentlichen Strapenraum pineinragen. Bielfacp oerfperren biefe 
Etalagen baS Trottoir unb bie Bolis^ibepörbe fap fiep baper fepon 
öfters oeranlafjt, eingepenbe Reglements über bie AuSbepnung 3 U 
erlaffen, melepe ben 9BaarenauSlagen geftattet ift. Bor £i urgent 
mürben burep Boli^iücrorbnung, Iebiglicp im gntereffe ber Drbnüng 
auf ben öffentlichen Strafen, oerboten, bie (Stalageu länger als bis 
8 Upr AbenbS an BJocpentagen unb bis 12 Upr Mittags an Sonn* 
tagen aufreept 31 t erpalten. &iefe s D?aferegel fant natürlich einem 
£peü ber Angeftettten 3 U ^ute unb mürbe oon biefen als einen 
Sdpritt 3 ur gefepliepen Begren 3 ung ber ArbeitS 3 eit begrüpt. $)a* 
gegen proteftirten bie Unternehmer fepr halb bagegen unb appeflirten 
an ben ©enteinberatp um 3 ur ü^ na ^ mc BerboteS, roäprenb 
anbererfeitS bie OJepilfen eine peftige Agitation entfalten, um ben 
errungenen Bortpeil niept roieber 3 U oerlieren. 


Ärheiter(iJ)»i^ 


Sepup ber ^anbelSangeftetftcit; obligatorifeper Sabenfeplup. 

Aus ben greifen oon fiabenbefipern liegen einige beacptenSmertpe 
tunbgebungeu oor, bie fiep für eine (Srioeiterung ber 3 unt Scpup 
ber §anbelsangeftellten oorgefcplagenen gefepliepen Beftimmungen 
auSfprecpen. So ‘pat bie Bereinigung oon ^etailüften ber 
9Ranufafturenbranepe in ©üffclborf befcploffen, in einer öinaabc 
an ben Reichstag bie gefeplicpe Einführung beS einheitlichen üaoen* 
fd)luffeS fpäteftens um 9 Upr Abenb? bei gleichzeitigem ArbeitS* 
fcplup für bie Angestellten 3 U forbern; pieroon auSgefdjloffcn füllen 
alle Samstage foroie bie Sage oor Dftern, feeipnaepten 11 ub 
Bfingfteit fein. —■ 2)er Berein ber Vabenbefiper in Barmen pat 
bereits bem ReicpStagc eine 'Petition eingereiept, 


w bap ein empeitlicper, früherer Scplup ber ©efepäfte, nämlicp um 8 Upr, 
gefephep feftgefegt merbe. äSenn aup oon anberer Seite oielleicpt ber 
9 Upr^Scplup befürroortet mtrb, fo fönnen mir bies bop itipt für 
praftifp erapten, ba einerfeitS ben Lehrlingen bie gortbilbuitg 

unmöglip gemapt mürbe, anbererfeitS bie lifpjeit AbenbS im 
Aßgemeinen nipt fpäter als um 8 Upr ftattfinbet. Seit gapren fpon 
arbeitet ber Berein oergeblip an ber Söfung biefer tfragc unb pat feine 
Opfer an ®elb unb SRüpe gefpart, um eine freimiflige Einigung auf 
ben 9 Upr»Öabenfplup 3 U er 5 ielen. Leiber fpeiterte btc Ausführung 
immer mieber an bem Eigenmißen einiger Weniger. 9Senn fpon bas 
Arbeiten in Laben, mclpe nipt immer genügenb gelüftet ober im 

SBinter nipt auSreipenb gepezt ftnb, an unb für fip ber ©efunbpcit 
nipt bienlip ift, fo biirfte aup für bie Angefteßten mie für bie OtcfpäftS» 
inpaber felbft eine Arbeitsjett oon 12 Stunben, bie meiftcnS ftepenb 
auSgefiißt mirb, fpon piitreipenb lang fein. Statiftifp ift napgemiefen, 
bap eine lVjtnal fo große gapl uon Angefteßten in Labengefpäftcn 

mäprenb berfelben 3 e *t erfranfte, als in Baitfen unb Bureaus, ^itr 

meibltpe Angefteßte ift bas lange Arbeiten gerabe 3 u ruinös, unb ben 
Angefteßten mirb überhaupt bie 9Röglipfeit genommen, an iprer 
toeiteren Aimbilbung 31 t arbeiten. §eroorragenbe gnbuftrieße foroie bie 
Barmer .franbelsfammer paben ftp ebettfaßs für ben Eefpäftsfplup um 
8 Upr auSgefpropcn, unb Erftere ftnb gern bereit, tpre ^abrifen am 
Sonttabenb früper 3 U fpliepen, um tprett Arbeitern Eelcgcnpeit 31 t 
Eiitfäufen 3 U geben. $a nun bie gntereffen meber eines Einzelnen nop 
einer Eefammtpeit gefpäbigt merben, fonbern nur gefunbpeitlipe Bor* 
tpeile 3 U ermarten ftnb, |o bitten mir einen popeit ReipStag um 
geneigtere Unterftüpung unferer Begebungen." 

Aup in Braunfpmeig ftnben bie Beftrebungen, einen aß* 
gemeinen ßabenfplufj einsufüpren, einen fruptbaren Boben; bie 
|mnbelsfammer unterftiipt fie nap Graften, gn Altona pat ber 
©etaißiften*Berein befploffen, burp ben „Eentraloerbaub beutfper 
faufmännifper Bereine" beim BunbeSratp 3 U beantragen: 2)ie 
fiabengefpäfte öffnen früp um 8 Upr unb fpliefjen fpäteftens 
abenbs 9 Upr, abgefepen oorn Sonnabenb Abenb, an bem eine 
Befpränfung nipt ftattfinben foß. gerner mirb oier BSopen 
oor ©eipnapten unb 14 £age oor Dftern be 3 m. ^fingften jebe 
Befpränfung aufgepobett. 3)te „3)eutfpe §>anbelS 3 eitung", bas 
offi 3 icße Organ beS BereinS ber Berliner Molonialmaaren* 
pänbler fpreibt 3 U bem Spupgefep ber |>anblungSgepülfen: „2Lir 
meinen, ein obligatorifper Abenbfpluß ift oor 3 U 3 icpen, bann 
pat aup ber Brin 3 ipal etroaS oon bem Spupc, ben er unter 
Umftänben mepr braupt mie bie Angefteßten." $5aft oon Seite 
ber ©epülfen-Berciniguitgen bie alte gorberung jept aufs Reue 
erpoben mirb, bebarf feiner toeiteren Berftperung. Unferc eigene 
Anfipt paben mir fpon auSgefpropen (Sp. 637); mir ftintmen 
üößicj mit ben 'Borten beS „Rtanufafturift" in Barmen überein, 
ber nt einer öug Brin 3 ipalSfreifen atn Spluffe fagt: 

„Birb ber Labenfplup bemnäpft gefeplip geregelt fein, bann mirb er 
gerabe fo fegensreip unb mopltpuenb für §crr unb 
äoept roirfen, mie bie SonntagSrupe, gegen bie fip aup 
3 uerft fooiel Iapme Biberfpriipe unb Einroenbungen erpoben." 

Arbeiterfpnp in ber Spierpaartnbnfitrte gegen Wlgbranbiefapr. 

Bie in Eingaben oon Unternehmern unb Arbeitern an ben Reips* 
tag, fo fatn aui bei ber britten fiefung bes ReipSpauSpaltcS am 
21. 9 Rär 3 bie befannte, am 1. guli in £raft tretenbe BunbeS* 
ralpSoerorbnuttg über ben Arbeiterfpup gegen 9 Ril 3 branb (ogl. 
„So 3 iaIe ^ßrafis" Sp. 505) 3 ur Sprape. Bon ber einen Seite 
mürbe bie Rotpmenbigfeit beS ^)eSinfeftionS 3 mangeS für Xpierpaare 
oerneint, oon ber anoern nop grünblipere Rfapnapmen geforbert. 
^)er Staatsfefretär bes gnnern erflärte: 

^arin, baß attberc Länber ben $eSinfeftionS 3 toang für Roßhaare 
uitb Scptoeineborften nop nipt burpgefiiprt haben, fann für uns fein 
®runb liegen, 3 ttm Spabcn ber Arbeiter eine folpe hßflienifpe Riap* 
reget 3 U unterlaßen. 3Lir in $)eutfplanb ftnb, (')ott fei ianf, auf 
oielctt (Gebieten aitberen Äulturläitbern oorangegangett unb poffett bies 
aup in gufunft 3 U tpun ... ES ift eine alte Erfahrung, bap, memt 
folpe Spußntaßregeln eingefüprt merben, bte betheiligten gnbuftrien 
fagett: £as ift gatt 3 unmöglip, bie gange gnbuftric mirb ruiitirt. Xie 
gnbuftrien haben aber aup bie Berpfliptung, im gutereffe iprer Arbeit» 
nehmer Düigeng augumenbeu unb erft m oerfupen, ob es geht, mie cs 
angeorbitet ift. Eine mcitere Prüfung oer grage bleibt oorbehalteu. 

2)aS ift eine fepr erfreulipe Erflärung! 

Spftematifpe Bcarbeitnttg oon Arbeiterfpupbeftimmnugen iiu 
ReipSamt beS gnnern. RegterungS* unb ©eroerberatp Sprenger- 
Berlin mürbe ber „9Rünp. Aßg. ytg." gufolge ins RcipSamt bcS 
gnnern berufen, um als bemäprter gapmann bie fßftematifpc Be* 
arbeitung oon Arbeiterfpnpbeftimtnungen für oerfpiebenc (Memerbs* 
gtoeige in Angriff 311 nehmen. — Aup bies ift ein Angeipen, baß 
nap längerer B au f e »an roieber ein frifperer 3»ß in bie Sogial* 
reform fommt. 



707 


©ojtale $ra£i$. ©entralblatt für Sojtalpoliiif. Ar. 26. 


708 


©ifeiiBahttflrBetterfdjnß in $oftanb« ©in königliches .Defret oom 
9. Jyebruar, bcffen Veftimmungen am 1 IDftober 1899 in Straft 
treten, beftimtnt, baß Arbeiter auf Vahnfiationen (5Beicf)enroärter, 
©ignallcute 2 c.) nicht länger als 10 ©tunben innerhalb 24 ©tynben 
bcfchäftigt roerben bürfen. 5ür anbere Vaßnarbeiter roirb eine 
AtayimalarbeitSzeit non 16 ©tunben fijrirt, bodj bürfen fie inner* 
halb breier £age nicht länger als 42 ^tunben ober in 14 Sagen 
nicht länger als 168 ©tunben befdjäftigt roerben. S^U^cn $roei 
Arbeitszeiten muß eine roenigfteits gef)nftünbige Aufjepaufe geftattet 
roerben unb außerbetn Bat jeher ©ifcnbahnarbeiter Anfprud) auf 
26 Aufjetagc im Qtohre, roooon roenigftenS 8 auf einen ©onn* ober 
3feiertag ju fallen tjaben. 


^rbcUcrorrpd^ernng. Sparhallen. 


©tob HauSbermaltcr mtb $anStoarte berftdjermtgSpflidjttg? 

öS roirb uns gefdjriebcn: Siefe ftragc hat fdjon manchem Haus* 
wirth arge Verlegenheit bereitet. VefonberS fjerrfdjt bariiber Zweifel, 
ob aurfj telbftftänoige Ha tibroerfSntetfier unb ©efdjäftsleute, welche bie 
Hausucrwaltung ober £>auSretntgung nur nebenher beforgen, unter bte 
VerfidjerungSgefeße fallen. And) ben oom Viagiftrat unb oom Cbcr* 
präftbenten für Verlin erlaffenen öntfebeibungen gilt nun ftolgenbeS: 
VSer 3etnanb als HauSoerroalter ober Hauswart (portier, ^»auSreiniger) 
bcfchäftigt, ift oerpflidjtet, für benfelbert Vtarfen zur SnualibttätS* unb 
AlterSoerftdjerung ju oerroenben, rocntt er ihm 

a) bic ©teßung burch münblicheti ober fd)riftlid)cn Stontraft auS* 
brücflich übertragen hat unb 

b) entroeber baaren Sohn (Ölehalt) ober eine freie V*oljnuug ge* 
roäbrt, bie minbeftenS aus zroei bewohnbaren Aäunten beftel)t. 

©ernährt ber $ausroirtlj alfo ftatt beS VaarlofjneS nur eine ein* 
jelne Äü^e ober ein einzelnes ^ im nt er, fo liegt feine VcrftcherungSpflidjt 
oor. ©iebt er bagegep zwei ©tuben nebft Sfüchc, fo ift bic Verftdje* 
rungspflicht begrünbet. ©ernährt er nur eine ©tube nebft Stäche, fo 
tfjut er gut, bic AuSfunfi ber Vcrfichcrnngsanftalt einjuholett, ba es in 
einem folchen gafle erft einer eingehenben Prüfung ber in Vetradjt 
fomtneuben Verfjältniffe bebarf, um mit Sicherheit angeben ju fönnen, 
ob VerfidjcrungSpflidjt oorliegt ober nidjt. £ie etroaige Aufrechnung 
bcs Lohnes mit ber oom Vermalter ober Hauswart z» sah^aben 
Väctfjc bebt bie VerfidjeruiigSpflicht nid)t auf. Örhält ein ftauSreiniger 
feinen feftett ^oljn, fonbern ift berfelbe lebiglidj auf bie Srcppettgelber 
angeroiefen, rocldje bie Väcther auf Attorbnung bes HauSroirtljS an ben 
Hausreiniger zahlen muffen, fo ift leßtcrcr troßbent oerfidjerungspflichtig. 
5ft bie Verwaltung ober ^auSreinigung einer ©Ijefrau fontraftlidj 
übertragen, fo ift nur biefe z« ucrfidiern. 3ft fic beibett ©Ijeleutcn 
übertragen, fo fmb beibe oerftdjerungspflidjtig, oorausgefeßt, baß nidjt 
ber ©bemann bereits oon einem anberen Arbeitgeber Vfarfeit erhält. 
Vkr bie Arbeiten auSfüljrt, ift gleichgültig. 3ft z- V. eine Haus* 
reinigung bem Vianne iibertraaen, roährenb bie Arbeiten in VMrflidjfeit 
oon ber ©Ijefrau beforgt roeroeit, fo ift troßbent nur ber Vfcntn zu 
oerfichern. Vezieht ber HauSoerroalter ober Hauöroart eine ©taatS* 
penfion ober Unfaßrenie oon minbeftenS 114 M 70 &f jährlich, fo be* 
freit ihn biefer Umftanb nicht ohne 2SeitereS oon ber VerfidjerungS* 
Pflicht. ©rft oon betn 2agc ab braucht er nidjt mehr oerfidjert zu 
werben, an welchem er feine {Befreiung oon ber Vcrftdjcrungspflidjt bei 
ber zuftänbigen Veljörbc (in Verlin V?agiftrat) anSbrütflidj nadjfudjt. 
$ie Herren Hausroirtljc mögen ja nicht oerfäumen, Venfionäve unb 
UnfaHrentenempfänger hierauf aufmerffam z u machen, ba bie ge* 
beichten Vertanen feinen Anfprudj auf Alters* ober ^noalibenrente 
haben, fo lange ihre Venfton ober Unfaßrente ben Vetrag oon 415 Jt 
jährlich erreicht. Xie für fic gezahlten Veiträge finb meiftenS weg* 
geworfenes ©elb. £hne Steiferes befreit oon ber VerfidjcrungSpflidjt 
finb nur biejeuigeit Verwalter unb Hauswarte, 

a) welche in golge Mranfljeit bauernb nidjt mehr im ©tanbe finb, 
minbeftenS ein drittel bes ÜagelohneS gewöhnlicher 2agearbeiter z« 
oerbienen — biefes drittel beträgt in Verlin bei Viännem 90 unb bei 
weiblichen V er f° ncn r>0 Ar 

b) welche bie gefeplidfie ^noalibenrcnte beziehen, 

c) weldjc aftiöe Acidjs*, ©taats- ober mit Vcnftonsbercdjtigung 
angefteflte Mommunalbeamte finb. 

3ft ein Verwalter ober Hauswart im Hauptberuf felbftftänbiger 
HanbwerfSmeifter, ©efchäftsmanu ober bergleidjen, fo ift er trohbem 
für feine ^Ijätigfeit als Verwalter unb Hauswart 31 t oerfidjern. Xer 
Unfall* unb Mranfeuoerfidjerung brauchen Hausocrwaltcr unb Haus* 
warte nidjt anzugeljören. 


Obligatonfche 9(rbettSPcrfithernng für ^ienftboten in 2§icn. 

^ie öfterreichifdhe Arbeiierfdjaft oerfiiat h^ute erft über bie Giranten* 
unb Unfalloerfidjcnmg, gegen bie Arbeitsunfähigfett im Alter fehlt 
jebe ftaatlidje Vorforgc. 4)ics mtb bic Shatfache, bafj entgegen ! 
bent reidjSbeutfdjen Vorgänge bas Mausgefinbe in ben kreis 
ber Arbeiteroerfidjerung Ceftmeidjs bisher feine Aufnahme ge* 
fiiuben Ijat, bebingt beibes, baß bas hurtige HanSgefittbe jebweber 


Verforgung im Alter entbehrt, tiefem Viifeftanbe roitt ein in alle 
Einzelheiten ausgearbeiteter Vorfchlag abhelfen, ber in ber SBienet 
fföod^enfchrift ,,^)ie 3eit" (9h:. 232 oom 11. SRärz) geäußert roirb. 

$>anadj zählt bas HauSgcfmbc SKMcnS gegenwärtig mcljr als 
100 000 töpfe. ^em Anträge gemäß foß eine oon ber ©emeinbe SBicit 
ZU ocrroaltenbe obligatorifche AlterSoerficherunc(S=Anftalt für $ienftbotcn 
in 2Sten trtS fieben gerufen roerben. ©ie hätte alle im regelmäßigen 
Sohnbezuge fteheitbeu Xieuftboteu beiberlei OlefchledjteS zu umfaffeu unb 
ihre Äoften zu oier Fünfteln hei ben $icitftgebent, z u einem fünftel bei 
ben Verficherten Ijeräusubringeti. ^i P i ber Vcrfidjerung foll eine fdjon 
mit betn 65. Sabre begimtenbe jährlidje Altersrente oon je 200 ©ulbeti, 
eoentueß ein Vegräbnißgelb oon 75 ©itlben fein. Hierfür foß eine monat* 
liehe ©runbprämic oon 50 Ärcuzerit (Vs ber ^ieuftgeber, ber ^ienft* 
neunter) cingeljoben werben. ^Diefc ©runbprämic foß tnbeß Ijinfichtlidj 
ber ^ienftgcbcranthetle progrefftoeu (Sharaftcr erhalten, fic foß um 20 , 
refpeftioc 40 % roadjfen, je nach ber 3 a f)l ber Dieuftboten bes ^ubiotbual* 
HauSftanbeS. ©in Haushalt mit zmei ^ienftboten hätte banadj ben 
©inheitsbeitrag jebeS feiner Vrämienantljeilc um je 20 °/<> (48 Kreuzer) 
unb'ein Haushalt mit brei unb mehr Xienftboten eilten 40prozeittigcn 
3ttfchlag (40 Kreuzer uttb 16 Kreuzer = 56 Äreuzer) zu entrichten. 5)icfe 
Vrämieubeträgc finb um ein kleines niebriger, als es ftdj aus ben 
©runbfäßeu ber Verfichcrungsmathematif ergiebt. *5)cr Antrag rechnet 
tnbeß mit ber Xljatfadje, baß oicle £ieuftboten einerfeits fchoit oor bem 
20. Lebensjahre, bem ©rmtbjahre ber Veredjmntg, in ben 2)ieitft, alfo 
auch iu bie Verfidjcrungspflicbt eintrelen, anberfeitS oor ©rrcidjcit bes 
AeutenbezugsalterS aus bem Greife ber Vcrfidjertcn burch Heirath 
— tm ^ahre 1896 waren unter beit in Söien getrauten VZäbdjeu 3230 
Xienftboten —, burch Wegzug oon SBiett 2 c. ausfdjeiben. 3 m llcbrtgen 
foß es folchett $>icnftboten frei fteheu, bic Vcrftdjeruitg auch fpäterpin 
fortbauern z u Iaffen, fofern fie bie Vezaljlung ber V^ätuie (6 aI. pro 
3 ahr) auf fief) nehmen, ©oentueß foß ihnen auch bie Aebuftion auf 
bte Vegräbntß*Verftcherung (für 75 ©ulben 1 ftl. 44 jährliche V r ämie) 
frei fteheu. Sie ©djroicrigfeit, bie Ttdj aus ber häufigen ©teßeulofigfeit 
unb bem ©teßemoethfel ergiebt, foß baburjh umgangen werben, baß 
ntan oornherein nur 48 ^ahlungswodjen (in $cut)d}lanb 47 Socßen) 
unb bte Aadjzahlung ber rüdfftänbigen Prämie beim VMebcreintrittc in 
eine neue ©teßung oorgefcljeu bat. Vemerfenswerth audj für ^cutfcß* 
lanb, wo gegen ba§ „Älebe"=©tjftem fo oiele Vcfcfjwcrben erhoben 
werben, ift bie Art, wie bie Veiträge cntridjtct werben foßen. Aach 
bem erwähnten Anträge folleu bie VJonatsbeiträgc mittelft „prämiert* 
Anweifefartcn" (ähnlich ben V°ftfarten) entrichtet werben, bie tu ben 
©etnetiibcbezirfs*Aemtern, beit ftaatlidjen $abafläbeu, Volizä-Aemtern 2 c 
oorräthtg gehalten toerbett würben. $)iefe „V r ämicn*Anwcifefarten" 
foßen auf jene Vkrtfjbeträge, bie beit einzelnen Vrämicnfäfeen eittfprechen, 
lauten unb wie eine gewöhnliche Voftfarte franfirt ber V°ft übergeben 
werben. 2)ie V r ämienfnrte, wie fic ba oorgefdjlagen ift, entfpridjt bet* 
läufig ber ©eIb*Anwei|ungSfarte, bie in einzelnen ©taaten,nntcr Attberem 
auch in Italien, zur ©infüljrung angenommen würbe, ©ine mißbräuch* 
Itdje Verweubnng biefer V l 'ämien*Amoeifcfarteu nach ihrem ©ttiwnrf in 
ben Voftfaften erscheint wotjl auSgefchloffen, ba fte ja mit bem Aameit 
beS SDienftgcbcrs uttb bes XienftueljmerS oerfeljen finb. £ic ©oibenz 
über aßc Vcrfidjertcn foß im V.*rge ber polizeilichen, um ein ©tiief ju 
oertiieljrenben Vielbezettel geführt unb bet jebesmaligem ©teßeumedjfel 
ber bis bahitt eitigelaufeue Väimienbetrag im Tienftbuchc bes Verficherten 
oerzeidjnet werben. 2)ie Auszahlung ber Aenten foß entroeber im ©elbc 
ober bitrdj ©eroäljrung eines Aentiierplaßes in ben aus ben VerfidjcrmigS* 
Prämien zu erridjtenbcn 2:ieuftbotcn*Alterslj c i mcn gefdjeljen. 36te 
Anlage ber Voämicngelbcr foß außerbem aber auch in fonftiger fadj= 
bicnlicher Aichtung, in 5)ienftboten*Afijlen, *©djulen, »kranfen* 
Häufern 2 c. erfolgen. 

fßlänc für eine fiaatlichc AlterSberforgnng in ©»glaub, ©eit 
1893, roo eine föntglidje ^ommiffton mit ber Aufgabe betraut rourbe, 
bie Viöglichfeit einer ftaatlidjen AlterSoerforgung in ©nglanb z u 
unterfudhen, roirb bie Aothroenbigfeit, für bie mitiellofen ^ r f° nen 
hohen Alters eine anbere öürforge zu treffen, als fie nach bem 
Armengefcß oon 1834 tnöglid) ift, mit immer fteigenbem Aach* 
bruefe betont. Viag burd) bie große AnSbehnnng ber ©enofien* 
feßaften unb ©eroerrfdjaften mit ihren roohlgeorbneten unb reidj 
botirten UnterftüßungSfaffen eine Regelung ber AlterSoerforgung 
für bie Greife ber qualifi^irten Arbeiter nidrjt fo bringenb fein rofe 
in ^)eutfchlanb nnb anberen ßänbern, fo bricht ftd) hoch and) in 
©nglanb immer mehr bie lleberzengung Vahn, baß es ^fließt beS 
©taates ift, hier eiuzufchreiten. 3m v Bahlfampf oon 1895 hat bie 
Örage eine große Aotte gefpielt; ©hamberlaiit erflärte fie als Ae* 
gierungSforberung. $>ann rourbe and) eine neue föniglidje £om* 
miiTtoit eingefeßt, bie oerfdjiebene Vorfdjläge zu prüfen hatte; baS 
©rgebniß war aber ein feljr bürftigeS. Aun aber bat, nachbem 
eine roadjfettbe Agitation, namentlid) unter (SfjarleS VoothS Rührung, 
baS 3ntereffe neu belebt hatte, and) baS Parlament fid) roieber mit 
ber AlterSoerforgung befcfjäftigt. Anlaß gab bagu ein Antrag 
2. .fjollattbs, ber am 22. Viärz im Uuterbaufc z ur Vcrljanbliing 
faut. 2)ariii rourbe oorgefdjlagen, baß allen Viitglicberu oott 
privaten lliiterftitßnngsfaffen, bie oott ihrem 25. 3ab ie an Veiträge 
gezaljlt hätten, ein Aecht auf eine penfion oon roödjeittlidj 5 sh 



709 


©ojiale $raji3. ©entralblatt für ©osialpoliti!. 9tr. 26. 


710 


itacß ©rreidjung beS 65. ßebenSjaßres haben füllten. SDer Vlinifter 
©ßamberlain erfanute aufs 9Jeue bie SRotßwenbigfeit einer ftaat* 
licken Regelung an. 3n Dielen Vesirfen beS ßanbeS, erflärte er, 
feien bie §älfte aller ^erfonen über 65 Süßte unoerforgt, oßne 
baß ein eigene« Verfcßulben oorliege. Aber bie große mtb 
fcßwierige Aufgabe fei mcßt auf einem einzigen ©ege gu Iöfen, 
fonbern müßte non oerfcßiebenen ©eiten angefaßt werben. $)ie 
Regierung beaBfic^tige bemnädjft eine neue Kommiffion einsuberufen, 
um baS ©er! ernftlicß in Angriff ju nehmen. $)er Antrag 
§ollanb fönne babei als Material bienen. ©S fei auch ju er* 
wägen, ob man mcßt eine grünblicße Aenberung beS ArmengefeßeS, 
baS oielfacß für bie heutigen ^uftänbe nießt rneßr paffe, oorneßmen 
tnüffe. 3 u näcßft fei eS aber erforberlicß, baß bie 3 obl ber in 23e* 
traeßt fommenben Vebürftigen ermittelt werbe. $>aS würbe aueß 
erft einen fixeren Anßait für bie Koftenberecßnung ergeben. Von 
ber ©ießtigfett ber grage fei bie Regierung ebenfo burcßDrungen wie 
oon ber ©eßwierigfeit. ©ie fönne nur gelöft werben naeß grünblicßer 
Prüfung unb bei gutem ©illen aller Parteien. — $)ie öffentliche 
Agitation für Old Age Pensions feßt nun mit boppelter Kraft ein. 

©täbiifcße ArbeitSiwdjloetSfteße ©ormS 1898« An baS 

fiäbhfcße Arbeitsamt ©ormS würben 1898: 2200 ©efueße non 
Arbeitgebern (1897: 1615) unb 4600 (4020) non Arbeitnehmern 
gerichtet. 3184 (3117) offene ©teilen waren gemelbet, für bie 
3417 (3379) Arbeiter mit Anweifungen oerfeßen würben. Von 
ben surücfgelangten Anweifungen lauteten 1367 (809) auf „ein* 
gefteHt", 1053 (1185) auf „nießt eingefteüt". 997 (1485) An* 
roeifungen famen nicht surücf. 23ei auswärtigen Arbeitszeiten 
traten 117 (59) Arbeiter ein. Einige Vermittelungen erfolgten 
bureß bie Verbinbungen mit ben Wac^weiSfteKen §eibelberg, Vtann* 
beim, ©ieSbaben, Karlsruhe unb ©ießen. ©ine Aeibe Arbeitgeber 
aus bem günterlanb oon ©ormS wenben ftch bireft an baS Amt 
in ©ormS felbft, oielfacb telephonifch- ^)ie weibliche Abteilung 
(©afd)* unb Vußfrauen, VtonatSfrauen, ^ienftmäbdjen) ift noeß 
wenig entwicfelt. — ©ehr bemerfenSwertß ift, baß in ber ©ruppe 
ber Unechte, ©eßweiser unb lanbwirtßfcßaftlicßen Ar* 
beiter bie Arbeitfucßenben fich in ftarfer Uebersaßl be* 
finben — ein VeweiS, baß eS entweber an offenen ©teilen fehlt, 
ober baß bie oorßanbenen nicht gemelbet werben. — 2 )er mit ber 
ArbeitSnacßweiSfteHe oerbunbene $acßweis für fleinere Familien* 
wobnungen fanb bei bem gu Anfang beS 3aßte3 befteljenben 
©oßnungSmangel großen 3ufpnicß oon ©eiten ber Vttetßer, 
welkem nur ein fehr geringes Angebot oon ©eiten ber Vermieter 
gegenüberftanb. Viele Vermietßer unterließen fogar abficßtlicß ben 
©intrag, ba ihre freiwerbenben ©oßnungen oßne jebeS 3ntfjun 
ßinreicßenb befannt würben unb fie einen großen Anfturm oon 
Vtteißern befürchteten. 3n ber ^weiten £>älfte beS Saßteä würbe 
ber bringenbften ©obnungSnotb Abbülfe gefchaffen bureß bie 
Aftieugefellfcßaft ^ur ©rbauunq billiger ©obnungen, namentlich 
311 m Veften oon Arbeitern, wobin fi<b jeßt oiele ©oßnungSfucßenbe 
bireft wenben. 

3«r Drganifatton beS ArbeitSnaeßtoetfcS. S)ie preisgefrönte 
©dßriZ*) Hermann ©eferts s u greiburg i. V. faßt ihre Aus* 
fiibrungen in folgenben ßeitfäßeu jufammen: 

1. $ic btrufSgeiioffcnfdjafilidjen ArbeitSnadjweife oerfolgen ein* 
fettige ^ntereffen unb tragen ben ©ßarafter beS ©treiteS; fie 
finb nießt oeranlagt, bie ArbeitSoermiitelung [0 burchsufüßren, 
wie es im öffentlichen ^nterefje für notbwenbig eradjtet 
werben muß. 

2 . $ic ftäbtifdjen bejicljungSweife gemeiitnüßigen Arbeitsnachweis* 
Auftalteu tragen einen unparteiifeben (Syarafter; ihre 2 Birf* 
famteit bewegt ftch in frteblidjen Valuten; es ift ieboch überall 
bafiir ju f orgeit, baß Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gleich® 
mäßiger ©influß auf bie Verwaltung eingeräumt wirb. 

3. $ie bernfSgenofFenfd)aftlidjen Arbcitsuachwcife finb an bie 
ftäbtifcheu bejiehungsweife getneinnüßigen ArbeitSnadjweife 
anjufchließen, um ber bort oerbürgten Vorteile theilljaftig 
311 werben. 

^)aS fehr lefenSwertbe ©eßrifteben giebt in einem Anbange 
©ittbeilungeu aus ber reichen ©rfabrung, bie ber Verfaffer als 
Verwalter beS ftäbtifeben ArbeitSnad)weifeS in QZeiburg ge* 
fammelt bat. 

*) Ueber bie hefte Drganifattou beS ArbeitSnacbweifeS t ^ur görbe* 
rnug beS fojialcn ^riebens jwifdjeu Arbeitgebern uno Arbeitern. £rei* 
butg i. V., ©chufterftr. 21. 3m ©elbftoerlage beS VerfafferS; ^reiS 1,20 M. 


üoljnting&incftti. 

2)er ©itttourf eiueS adgemeineu VaugefeßeS für baS Königreich 
©aebfen. 

$)ie föniglicb fädhftfcbe Vegterung bat, wie in ber „©o^ialen 
$ra£is" fdßon öfter erwähnt worben i)t, bie ßöfung ber ©obnungS* 
frage feit einigen Sab^n ernftbaft in Angriff genommen, lieber 
bie 1896 oeröffentlichen neuen VauorbnungSarunbfäße b fl t Dr. 
0 . ©angolbt an biefer ©teile feiner 3 c it (VI. 3ab^Ö- ®P* 371 ff-) 
ausführlich berichtet. ®as Vorgehen ber Regierung ift oon ein* 
feinen ©täbten, namentlich oon Bresben, eifrig unterftüßt worben, 
wäbrenb es auf ber anberen ©eite in ben Kreifen ber intereffirten 
§auSbeftßer oielfadh auf heftigen ©iberfprudß geftoßen ift. (Vgl. 
„©ojiale V^fiS" VII. Sabrg* 1270.) SDie Regierung bat ftch 
aber erfreulicher ©eife bur% baS ©efchrei ber Sntereffenten nicht 
beirren laffen, fonbern bat nunmehr („®reSbener Sournal" $r. 44 
00 m 22. pebruar 1899) bie „©runbjüge eines Allgemeinen Vau* 
gefeßeS für baS Königreich ©atbfen" (2. ©ntwurf) oeröffentlieht, bie 
junädhft, bem ©unfeh beS ßanbtageS entfpredhenb, einer Kommtffion 
oon Verwaltungsbeamten, Vautedbnifent, Aenten, ftäbtifeben unb 
länblichen ©runbbefißern unb fonftigen Vetheiligten jur Vegut* 
adhtung oorgelegt werben foHen. 

©aS ben ©ntwurf oor allen übrigen beutfeben Vauorbnungen 
auSseicbnet, was ihn namentlich tburmboeb über bie fämmtltcben 
preußifeben Vauorbnungen, einfcblicßlicb ber neuen Veftimmungen 
für bie Berliner Vororte, erbebt, ift bie grunbfäßlidhe Vefämpf ung 
ber Vtietbfafernen. SDieS Veftreben trat ftbon in ben Vau* 
orbnnngSgrunbfäßen oon 1896 b^roor; ^S bat im neuen ©ntwurf 
glücflicber ©eife feine Abfcbwädhung erfahren, fonbern ift im ©egen* 
tbeil fpftematifcb unb fonfequent bis in alle ©inselfjeüen bureb* 
gebilbet worben, ©äbrenb in Vr eu 6 e n bie Vauorbnungen baS 
©affenmietbbauS grunbfäßlicb begünftigen, ba bie maßgebenben 
gaftoreit immer noch aller ©rfabrung jum ^roß oon ber unglücf* 
feligen 3 btt beberrfeßt finb, bie Viietbfaferne oerbiKige bie VÜetbcn, 
bat man in ©aeßfen erfannt, baß bie SJtietßfaferne nießt nur fanüär 
unb moraüfeß, fonbern aueß wirtbfcßaftlicb böcßft irrationell ift, 
baß nießt bie boßen Vobenpreife bie Vtietbfaferne erzwingen, fon* 
bern baß umgefeßrt baS ©ljftern ber ©ietbfaferne erft ben Voben* 
preis fünftlicß in bie ^öße treibt: 

„5)te Aiicfftißtcn ber ©efunbheitSpflege unb einer oorauSficbtigeu 
©ojtalpoliti! oerlangen audj, baß einer übermäßigen AuSnußuna beS 
VaugrunbeS eittgegeugetreten unb wentgftenS in länblichen ©ebteten 
unb ben Außenbejirfen ber ©täbte eine entfprecßenb weiträumige Vau* 
weife fcftgehalten werbe. ©S ift hiergegen wieberholt eingehalten 
worben, baß $ur ©rsielung billiger ©obnungen eine größere ©efdjoß* 
jahl, bie ©rrid)tung oon ©eiten* unb ^intergebäuben nothwenbig feien, 
ba hierburch ein wcfentlichcr 2heil ber Vaufofteu, ittsbefoitberc ber 
Kaufpreis für ben Vaugrunb, auf eine größere Anjaljl oon ©obnungen 
oertbeilt werbe, hierbei wirb jebod) außer Acht gelaffen, baß nach aller 
©rfahrung gerabe ber ^reis beS VaugrunbeS fidf) nad) bem Umfange 
ber juläffigen, baulichen AuSnußung beftimmt unb jebe ©teigerung biefer 
eine alsbalbige erhebliche Verthcuerung ber ©runbftüdfe nicht nur in 
bem betreß'enben Vaugebiete, fonbern auch in ben nach außen gelegenen 
Äadjbargebieten herbeiführt." 

3)aS ©efeß erftrebt aber überhaupt nießt in erfter ßinie ©oß* 
nungen, bie nur ben Vorzug ber Villigfeit ßaben, ba bereu ©ir* 
fung oermutßlicb fein würbe, ben 3«9 nad^ ber ©tabt unb bie 
©ntoölferung beS platten ßanbeS ju beförbern. 2)aS 3i^ 
fäißfifcßen ©efeßeS pnb nießt billige unb fdhlecßte, fonbern gute 
©oßnungen ju ben ^erftettungSfoften angemeffenen greifen. 

©obalb man baS Vböniom ber billigen Viietbfaferite in feiner 
ganzen S^icßtigfeit erfannt ßat, wirb jebe gefunbe ©osialpolitif aus 
allgemein pohtifeßen, aus fanitären unb wirtbfcßaftlicben ©rünben 
ju einer energifeßen Vefämpfung beS ©affemnietbbaufeS fommen. 
©S fann fein beffereS Vorbilb für bie Art unb ©eife, wie biefer 
Kampf su füßren ift, geben, als ben ©ntwurf beS fäcßfifcßen Vau* 
gefeßeS. 

3)aS ©efeß foU für gans ©aeßfen gelten, fann aber mit Vücf* 
fußt auf bie Verfcßiebenßeit ber Verßältniffe auf bem platten fianbe 
unb in ben ©täbten nießt gleichmäßige, feßematifeße Veftimmungen 
treffen; eS foU beSßalb bureß lofale Vauorbnungen, bie ben inbi* 
oibueKen Verßältniffen jebeS DrteS 9ted)ttung tragen, ergänst 
werben. 3)er Snßalt biefer lofalen Vauorbnungen wirb aber bureß 
ben ©efeßentwurf fo genau feftgeftellt, baß bas oorauSficßtlicbe Ve* 
ftreben ber örtlichen 3ntere[fenten, ben 3u>ecf beS ©efeßeS su oer* 
eiteln, faum ©elegeußeit sur Vetßätigung fiitöen bxirfte. ^ie Ve* 
ftimmungen beS ©efeßeS bilben ein woßlburcßbadjteS ©pftern, beffeit 
3iel bie Veförberung beS Kleinbaues, bie 3»rücfbränguitg beS 
©affenmietßßaufeS uns in jeber ©inselßeit entgegentritt. 



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Sogtale SßrajtS. Eentralblatt für Sogialpolitil. Rr. 26. 


712 


Sei ber Rufftellung bcr SebauungSpläne fuib bie einzelnen 
Saublöcfe fo gu bemeffen, baft fie eine gweefmäftige baulidje 
SluSnuftuna beS Erunb unb 33obcitö ermöglichen, ohne gur 
Bebauung oeS ©interlanbeS gu nötigen. ©rötere Slocftiefen follen 
in ber Siegel nur für folche Sauflächen oorgefeften werben, bie gur 
Anlage oon Fabrifen 2C. ober für h^fcftaftliche Lanbftäufer be- 
ftimrnt finb. 3n Iänblidjen Drtfdjaften, in Ruftenbegirfen ber Stäbte 
unb in ben DrtStheilen, welche nbertoiegenb mit Lanbl)äufern be* 
baut fmb, ift in ber Siegel nur offene Sauweifc gu geftatten. 
FebenfaDsJft überall barauf Sebacftt gu nehmen, bah bie gefd)loffene 
Sauweife in auSreidjenbem Umfang burch Strafen mit offener 
Sauweife unterbrochen unb bie Sauoicfttigfeit eoentuell burch Feft- 
feftung oon Saugonen ftufenweife nach aufteit gu oerminbert wirb. 
Sei gefchloffener Sauweife follen £intergebäube nur gu wirthfehaft* 
liehen unb geroerblichen 3roedfen geftattet werben; bei gx öfteren 
Saublöcfen Fann bie ^oligeibehörbe bie Einlegung oon SBoljn* 
ftraften geftatten, an benen aber nur gweiftöcfige Käufer in offener 
93auweife errichtet werben biirfen. 2So bie angemeffene Sebauung 
eines EelänbeS burch bie gform ber Erunbftücfe oerhinbert wirb, 
fann eine gwaitaSweife Reueintheilung beS EelänbeS burch Um* 
legung ber Erunbftücfe oorgenommen werben. (Lex $bicfeS.) 

Die Errichtung oon SKiethfafernen ift bereite burch biefe 
Sorfcftriften über bie $uSmeffung ber Erunbftücfe unb burch baS 
Serbot ber ^interhäufer äufterft erfchwert; nicht minber energifd) 
gehen bie Sorfdjriften über bie ,j)erftcllung ber Eebäube bem 
uRaffenmiethhauS gu Leibe. 2tlS RorinalhauS wirb bas gweiftöcfige 
£>auS (Erbgefcftoft unb ein Dberaefchoft) angenommen; burch Orts* 
gefeft fann allerbingS bie 3 a hf ber Eefdjoffe bei offener Sauweife 
auf brei, bei gefchloffener Sauweife auf oier erhöht werben, in 
welche baS Erbgefchoft unb ein gu 5öohngwecfen ausgebautes Dach* 
gefeftoft eingurechnen finb; in älteren SebauungSgebieten mit höheren 
Käufern fönneit auSnahmSweife auch fünfftöcfige Eebäube erlaubt 
werben. Sehr wichtig ift bie Seftimmung, baft unmittelbar hinter 
jebem Sorbergebäube in beffen ganger Sänge ein freier £ofraum 
ober Earten gu beiaffen ift, beffen Tiefe ber £>öhe beS Sorber* 
haufeS minbeftenS gleichfommt; baburch bürfte bie Errichtung 
hoher Käufer faft ooflftänbig oerhinbert werben. Sehr ein* 
fdjneibenb ift weiterhin bie Sorfdjrift, baft in jebem Eefcftoft nicht 
mehr als gwei Fantilicnmohnungen ihren SluSgang auf ein gemein* 
fd)aftUd)eS Treppenhaus hoben follen. Sebe Wohnung muß einen 
befonberen Abtritt haben; Ä'ellerwohnungen unb Dachwohnungen 
finb nur auSnahmSweife burch DrtSgefefc gu erlauben. Die licftte 
$ötje eines ftäbtifeften SSohn* unb RrbeitSraumeS muh minbeftenS 
2,85 m betragen (in ben Serliner Sororten — auch bei Lanb* 
bäufern — nur 2,50 m!). Slufterbem fönnen burch DrtSgefefc noch 
weitere SRinbeftanforberungen an bie Sefchaffen heit oon S$ohn* 
räumen geftellt werben, fowie Sorfchriften über bie Qnftanbhaltung 
unb Seauffid)tigung oon SRietljwohnungen unb ber gum Aufent¬ 
halte oon Dienstboten, Lehrlingen ic. beftimmten Räumen erlaffen 
werben. • Damit finb bie gefeftlid)en Unterlagen für eine allgemeine 
2£obnungSinfpeftion gefchaffen. 

2Rit großer Entfcftiebenheit wirb ber Erunb) aft aufgefteüt, baft 
ber Staat aus allgemein politifdjen unb fogialpolitifcften Erünben 
alle llrfache höbe, auch *> en SRinberbemittelten ben Erwerb eines 
eigenen §aufeS gu erleichtern. Deshalb werben bie übrigen Se* 
ftimmungen auch no<h hurd) bk Sorfcftrift ergängt, baft bie Sau¬ 
abgaben für Straften, ^läfte, Srücfen 2 c. nicht nur — wie in 
Sreuften — nach ber Rtiliegerlänge ber betheiligten Erunbftücfe, 
fonbern auch nad) ber Sauweife, bem Umfang ber bebauten Fläche, 
ber Eefdjoftgahl unb ber 3ahl ber eingebauten Wohnungen gu be* 
meffen finb. Enblich werben auch bie Eebühren für bie baupoligei* 
Iid)e Eenehmigung unb Sefichtigung nach ber Saufoftenfumme ab* 
geftuft. 

Das fäthfifdje Eefeft hot fich in umfangreicher Skife alle Er- 
rungenfehaften ber SMffeufd)aft unb ^rariS auf bem Eebiete ber 
SBopnungSfrage nuftbar gemacht. 

2öirb ber Entwurf ohne wefentliche ?lenberungen 00 m Canb* 
tag gum Eefeft erhoben unb werben feine Seftimmungen oon ben 
SerwaltungSbehörben nachher fachgemäft burchgeführt, fo wirb un- 
gweifelhaft in Sachfen gufünftig bie s 3)?iethfaferne burch baS 
fleine 9RicthhouS unb bas EinfamilienhouS erfeftt werben. 
SünfcftenSwerth wäre nur noch, baft gu bem.Sorgehen auf bau* 
rechtlichem Eebiete eine s $aralleIaftion trete, bie auf Sefdjaffung 
auSreid)euber Saugelber gu niebrigem 3inSfuft abgielte. 

Die ungeheuere fogialpolitifcfte Sebeutung ber in Sacftfen er* 
ftrebten Umwanblung beS gangen SSohnungSmefenS braucht hier 
nicht näher auSeinanbergefeftt gu werben; es fei nur noch barauf 
hingewiefen, baft mit ber 3Riethfaferne auch alle ihre unerfreulichen 


Segleiterfcfteinungen, ber Saufchwinbel in allen formen, oerfeftwinben 
würben. Die „Sogiale $rajis" hat oft Seranlaffung gehabt, fid) mit 
aller Entfchiebenheit gegen bie allgemeine reaftionäre Solitif ber 
fächfifchen Regierung gu wenben. Das fann aber nicht oerhinbern, 
anguerfennen, baft ber jeftt oon ihr aufgenommene $ampf gegen 
bie ungefunbe ErunbftiicFS* unb Saufpefulation, baS energische 
Eintreten für eine burdjgreifenbe SBohnungSreform oon eminenter, 
fogialpolitifcher Sebeutung ift unb ein Ruhmesblatt für bie fädjfifche 
Regierung bilbet. 9Jtöd)te eS hoch ben übrigen Staaten, nament¬ 
lich ober Sreuften, halb nach ähnlichen ßorbeeren gelüften! 

Serlin. Soul Soigt. 


(Er^ietjung tttti OiUmug. 

Der 61 h»b ber Augenblicken bor Serrobung im ^reuftifhett 
^emnftattfe« Am 21. 3Kärg oerhanbelte baS §errenhouS über einen 
Antrag ber Herren 0 . SeIow*SaleSfe, Dr. o. fieoeftow unb Schlutoto 
gegen bie Serrohung ber Sugenb (ogl. „Sogiale Srafis" ®P- 605). 
Der mit bem einleitenben Referat betraute Eraf o. Sf«l s $ouSborf 
erweiterte biefen Antrag bahin, baft ber fcftulentlaffenen männlichen 
unb weiblichen Sugenb bis gum 18. Lebensjahre ber Slufenthalt in 
Schanfftätten oerboten werbe unb baft bie fommunen bei gleich* 
geitiger Eewährung eines 3ufchuffeS aus Staatsmitteln bagu an* 
gehalten werben follen, ?leIteftenfoHegien gu errichten, welche im 
Sercin mit ben OrtSgeiftlichen beiber djriftUchen ^onfefftonen Ein¬ 
richtungen treffen follen, um ben jungen Leuten es gu ermöglichen, 
an Sonn* unb gefttagen in angemeffener Söeife eine erfrifehenbe 
unb oerebelnbe Unterhaltung gu erlangen. SllS neue Llbfchnitte 
fügte er bie Seftimmung bei, bie Sorfchnften ber EewerbeorbuungS- 
nooelle über bie SluSgahlung bes oon ntinberjährigen Arbeitern 
oerbienteu Lohnes an bie Eltern ober Sormünber auch ouf baS 
Eefmbe auSgubehnen. Das Sebenflichfte waren aber bie Sorbe* 
rungen, fdfjleunige Seftimmungen gu erlaffen, wonach 

1. junge 2eute unter 18 fahren nicht ohne auSbrücfliche Ee- 
uchtnigung berjenigen, unter beren oäterlidjer ober oormunb* 
fdiaftlicher Eemalt fte ftehen, aus ihrem §eimatbsort allein 
fortgiehen bürfen; 

2. bie Eemeinbe gur 2lbwcifung eines Reuangieheitben bann be¬ 
fugt ift, wenn berfelbe nidjt ben RacftweiS einer ben ftttlichen 
uiib hugienifdjen Hnforbermtgen entfprechenben ^Bohnung er¬ 
bringt. hierbei ift bas Sdilafftellen-Uiiuieien gu befdiränfen. 

Slbgefehen oon bem Sorftoft gegen bie Srcisügigfcit ftellt ber 
leftte Antrag baS s $fIichtenoerhältnift für oiele Eemeinben gerabegu 
auf ben Stopf. Statt baft bie Eemeinben in oernünftiger 2öoh* 
nungSpolitif für Sehaufungen forgen, bie fittlichen unb fpjQienifchen 
Rnforberungen entfprechen, foll ber neuangieftenbe 0rtSunfunbige, 
ber oieHeicftt mit feftem 9lrbeitSfontraft in ber Tafche erft im leftten 
5lugenblitf oor Antritt feiner neuen Stellung aus ber alten ent* 
laffen ift, ben RadjmeiS einer gefunben Söohnung führen. — Der 
Serichterftatter fcftilberte ben Umfchwung beS Familienlebens in 
ben arbeitenben Älajfen, ben bie Qnbuftrie herbeigeführt hat. Früher 
fei nach ben Lehrjahren eine geregelte Söanberfchaft gefommen, 
nicht eine planlofe Freigügigfeit. 2ltt Stefle beS Lebens in ber 
Familie beS 2ReifterS fet oaS Leben in Schlafftellen unb Kneipen 
getreten, wo fich auch ^ie Solfsbeglücfer unb Umftürgler einfinbett. 
3n Deutfchlanb werbe jährlich für 496 Rtittionen 9Rarf ScftnapS 
getrunfen. Die Statiftif geige ben groften Einfluft beS XrunfeS 
auf Fnrfinn unb Serbrechett. Xhee unb Staffee müffe ben Srannt* 
wein oerbrängen. Allein im ruffifeften Eouoernement Twer feien 
322 ftarf befud)te Dheebuben errichtet. SSäftrenb weiter Lonbon 
allein 6700 Spielpläfte für bie Fogenb höbe, hätten in Deutfchlanb 
nur 282 Stäbte je einen Spielplaft, 182 je gwei. Der Sortragenbe 
forberte, Rtaftnahmeit gegen bie leichtfinnige Ehefd)lieftung, gegen 
eine gewiffe Serwahrlofung unter ben Schullehrern, unb enblich 
bie Einführung ber $rügelftrafe. 

£err 0 . Selow-SaleSfe, ber gweite Rebner, warnte baoor, bie 
Ratur ber Fuaenb, bie heiteren Sinnes bleibt unb baS Schul* 
meifterliche flicht, gu oerlennen, wie eS bie firchlidhen Sereine oiel* 
fadh tftun, ftimmte im Uebrigett bem Sortragenben aber bei, 
währenb .f)err Schlutow richtig berauSgefüftlt hatte, baft bie neuen 
Anträge „in ber SSelt beS Scheins immerhin ÜRiftoerftänbniffe 
heroorrufen" unb man immer benfen lönne, „baft bei biefer Ee- 
legenheit man auf einem Umwege an eine Regelung bes Frei- 
gügigfeitSgefefteS h^rangehen wolle". Der Eegenftanb würbe einer 
löglieberigcn föommiffion iiberwiefen. 

Diefe Serhanblungen gewinnen baburch bebenllichereS Ee- 
ftd)t, baft ähnliche Sorftöfte, bie fchlicftlid) auf eine Sefd^ränfung 
ber Freigügigfeit unb beS iloalitionSred^teS hiuauSlaufen, hu 



713 


©ogiole $ra£t$. Eentralblatt für Sogialpoltiif. 9fr. 26. 


714 


SReitStage unb im Abgeorbnetenbaufe gemalt roorben fiitb, unb 
gmar unter woblmottenbcr Beurteilung burt bie Regierung. X>er 
Kriegguiinifier führte eine SRatmeifung über bie S^re 1882 big 
1897 an, rnonat bie 3 al SP bcr oor ber Augbebung beftraften 
heiraten fit um 82o/ 0 im Berbältnip oermebrt buben foll, eine 
©tatijti!, beren geringe Bemeigfraft in ben Blättern oerftiebener 
Parteien natßemiefen worben ift unb beren Anroatfen ingbefonbere 
auf bie gunabme ber Boügeiftrafen gurücfgufübren ift. Unb ber 
BkepräRbent beg ©taatgminifteriumg, Dr. o. SRiquel, erffärte im 
Abgeorbnetenboug, bap gu ber Oanbflutt ber hohe Erab ber Ber«* 
mabrlofuna bmgufomme, fdjunerige unb bebeutenbe fragen, bie 
nid)t nur für bag Saab, fonbem aut für bie ©tabt nat unb 
nat gelöft werben müßten. 

Anlehnung bet twlfgtbimliteit Iwtftulfnrfc in ©eutftlanb. 

Am 18. SRärg fanb im ©enatggimmer ber Berliner Kömgliten 
Unioerptät unter bem Borfip beg SReftorg B*of. Dr. Salbeper 
eine Konfereng non ßebrem fämmtliter beutften §otftulen ftatt. 
Xer 3mecf ber Konfereng mar, bie bigber bei Der Einrichtung 
oolfgtbümliter Kurfe an ben eingelnen Unioerfitäten unb tetniften 
^otftulen gematten Erfahrungen gu befpreten unb über eine 
etroaige meitere Augbebnung beg nolfgtbümiiten Unterrittg burt 
^otftullebrer m beratben. X)er non bem Berliner Komitee er* 

S enen Einlaoung maren 30 B^ofefforen gefolgt, eine gleite 
w bl, bie am Erft einen nerbinbert mar, ^atte in tbeilmeig febr 
eingefjenben ©treiben ihre ©qmpatbien für ben gur Beratung 
ftebenben Eegenftanb unb tre Anptten über benfelben auggebrücft. 
X)ie Bertreter ber eingelnen ^otft.ulen beritteten über bie bigber 
in ihren ©täbten getroffenen Einrittungen gur Augbebnung beg 
populären Unterrittg. ben meiften Urten finb faum bie Sin* 
fange oorbanben, befonberg fehlen faft gänglit bie Einrittungen, 
bie in erfter ßinie für Arbeiter beftimmt fmb. Qn ber X)igfufpon, 
an ber fit namentlit bie §erren ©tmo!ler*Berlin, B°P s Serlin, 
Eonrab*§aHe, $Rein*3ena, X)ieIg*Berlin, £eyig*Eöttingen, Engler* 
Karlgrube, B r ufe*$öniggberg, Beterfen*Kiel, ÖutS s 5reiburg u. a. 
beteiligten, b°b uian bie Wotbmenbigfeit berartiger Einrittungen 
beroor unb betonte befonberg bie Bflitt ber §otftullebrer gur 
Btitarbeit. Xie Antoefenben erflärten fit bereit, in ihren ©täbten 
für bie ©ate meiter gu roirfen. Eg mürbe beftloffen, im nätften 
3ab re in ben Cfterferien mieber in Berlin gufammengulommen 
unb über bie ingmiften gematten Erfahrungen unb gortftritte 
gu beraten. 

Sraucuftabmut an ben bentfdjcn Uutocrptäteu. Sie aug 

Aeuperungen eineg SRegierunggoertreterg in ber Betitiongfomraifpon 
beg preupiften Abgeorbnetenpaufeg gu entnehmen ift, finb bie Ber* 
banblungen wegen 3ulaffung ber grauen gu ben mebiginiften 
Brüfungen, fomie gu ben Brüfungen ber 3<tnärgte unb Apotbefer 
bem Abftluffe nabe gerütft. Xie überroiegenbe Btebrgabl ber 
Bunbegftaaten put Pt oafür auggefproten, bap ben Bewerberinnen, 
melte auf Eruitb beg Epmnapalreifegeugniffeg, gmar nitt alg 
immatrifulirte ©tubentinnen, aber alg .fmfpüantinnen einen orb* 
nunggmäpigett ©tubiengang gurücfgelegt buben, bie3ulaffung nitt 
gu unterfaaen fei. Eine entfpretenbe Borlage an ben Bunbegratb 
tft in Borbereitung. X)ie 3apl ber gum |)ören oon Borlefungen 
gugelaffenen grauen betrug im lebten Sinterfemefter an beit 
preupippen Unioerfttäten 414, melte fit auf bie eingelnen Uni* 
oerfitäten mie folgt oertbeilten: Berlin 238, Bonn 26, Breglau 32, 
Eöttingen 26, Ereifgtoalb 17, £aHe 15, Kiel 17, Königgberg 33, 
Btorburg 10. 276 befaßen bie SReitSangepörigfeit. Bon ben 
Auglänberinnen entpelen 59 auf SRupIanb, 50 auf Amerifa. Alg 
©tubienfäter maren genannt (oon eingelnen Kombinationen ab* 
gefeben) bei 159 Eeftitk unb BWofoppie, bei 92 Kunft unb 
üiiteratur, bei 72 neuere ©praten, bei 48 SRaturroiffenft affen unb 
SRatpematif, bei 14 SJtebigin, bei 3 3abnpeilfunbe, bei 13 Stetig* 
unb ©taatgmiffenftaften, bei 9 Steulogie, bei 4 alte ©praten. 
SKifjftänbe, bie fit aug bem aleiAgeitigen Befut ber Borlefungen 
burt männlite unb meiblite ©tubirenbe ergeben bitten, fmb 
— nat amtlitem Beritt — nitt befannt gemorben. — Bei 
biefer ©atlage mirb bie iefct not oermeigerte 3 u laffung oon 
grauen gur gmmatrifulation baffentlit in Bälbe natfolgen. 

©er granlfnrter Wilfi|t| für BoUgoorlefttttgeit erweiterte nat 
l'ctnem Sabregberitt 1^97/98 feine Aufgaben. 3 U ben bigberigen Bolfg* 
oorlefnngcn in ber Stabtljalle, Bocfenbeim unb Bombeim, ben Bor* 
trägen in eingelnen Eemerfftaften unb gatoereinen, Btufeuiugfübrungcn 
unb Bolfgoorfteflungen traten Borlefungen in ber Umgcgenb granf* 
furtg, Sebrfurfc oon 10 biß 12 Borträgen unb Bolfsfongertc bingu. 
Ungebahnt mürbe eine iHugbebnuug ber Bolfeoorlefungen auf «atfeu* 
häufen unb bag äufjerfte SSeftenb, Bolfgerfurfionen, bie ©ritnbung eines? 
Bolfgtoreö unb bie Errittuug cineg Berbanbeg ber Boltguorlefungeit 


ber Stbein* unb Btaingegenb. ©ie je 800 Einlagen für bie 2beatcr= 
oorftellungen würben auf 30 big 40 für bie Opern baneben ein 
Steil auf 1 M . angefebt. gür bie eingelnen Kongerte würben etwa 
je 1900 Blä^e anggegeben uitb gmar ruitb 400 Bläpe 3 U 1 JL (Sogen), 
nmb 900 gu 40 ^ (Saal) unb runb 600 gu 30 ^ (Eallerien); bie 
1500 harten gu 30 unb 40 mürben faft augftlte&lit an Arbeiter* 
oereiuigungen vergeben, bie 1 JC .*,harten an Heinere faufmännifte, 
Beamten* :c. Bereinigungen. 3uftimmenb gu ber Slufforbcnmg, einen 
Berbanb ber Stbein* uno SRaingegeitb gu bilben, mar gur 3eit beg 
Berittgabftluffeg geantwortet worben aug getenljcim, ^ranfcntbal, 
Oliebcu, EroB*6lerau, &eibelberg, .^ötft a. B?., ^öln, Königftein, SRaing, 
Stieberrab, Cffenbat a. 3R., Stuttgart, Bilbel, Siegbabeu. ©ag Organ 
beg Berbanbeg finb bie „Btittbeilungen über bie Bolfguorlefungcn unb 
oermanbten Beftrebungen im SUjein* unb SRaingebiet", bie monatlid) 
erfteinen. Beguggprcig 3 M. jährlit* ©er Berbanb betreibt eifrige 
Serbearbeit, (üebatt ift fton an eine Eefammtorganifation für gang 
©eutfdjlanb. 

tu ^oüanb. 3)er Entwurf eineg Eefefeeg, betreffenb 
bie ©tulpjlitt (fiebc „©ogiale Sabrg. YU ©palte 662), 

ift in golge ber Slugftufeberatbungen in ber gmeiten Kammer oon 
ber ^Regierung babin abgeänbert, Dap jefet nitt mehr ber ©tul* 
befut oom 6. big gum 13. 3ab re geforbert mirb, foubern bafe 
entmeber ein ganger ßebrgang non fe*S 3abreit burtgematt ober, 
wenn bieg nitt gelingt, bie ©tule Big gur Bouenbung beg 
13. Sabreg befutt werben mup. Sluperbem ift jefct ein obli* 
gatorifter Siebcrbolunggunterritt mäbrenb nier Btonate beg 
§abreg unb ad)t ©tunben in jeber Sote in ben Entwurf aufge* 
nommen, ber wenigfteng oier 8futer umfaffen, roonon gmei aut 
in ber ©tule gelehrt werben. Eg ift jebot fröglit, ub biefe 
Beftimmung Eefefe werben mirb, ba fie ben prioaten ©tnlen 
grofee ©tmierigfeiten unb Koften bereiten wirb. 


(Sraerbegeridjte. dinigungsömtet. gdjtebsigeridjtc. 


Stotmalg ein Beitrag gur Kompetengerwetteruug ber ©etoerbegeritte. 

Ein ebemaligeg Btitglieb beg StitterfoHegiumg beg Berliner 
©eroerbegerittö, §err ©tabtratb Euno in Königgberg, matt aug 
^nlap meineg Slrtifelg in Str. 16 biefer 3eitftnft (©p. 423ff.) bie 
Stettfpretung beg biefigen Eeroerbegerittg gmn Eegenftanbe einer 
Erörterung. 1 ) Eg foH in ben non mir utitgetbetUen brei Ent* 
fteibungen, benen bie Berufungginftang bie Slnerfennung oerfagt 
bat, „ber aeiftige gnbalt ber gefeglitcn Borftriften" nitt ge* 
würbigt; „baarfpaltenbe Siftelei^ unb „§aarfpalterei" getrieben 
fein. S)em Berfaffer ift inbeffen meineg ©afürbalteng bie Ber* 
ibeibigung ber lanbgerittliten Urteile mißlungen. 

©ton bei bem erften Urteile ift f>err Euno gunätft unfiter 
unb im 3meifel, ob bie im Kantinenbetriebe ber Brauerei an* 
efteüte SRamfefl Eeroerbegebülpn fei. ^a jebot ber Brauerei* 
efter a ig Briuutmann, abgefeben oon feinem Eemerbebetriebe, 
bie Kantine nitt beroirtbftuften laffen mürbe, feien bie Slug* 
fübrungen beg SanbgerittS, monat ber Kantinenbetrieb alg ©teil 
beg gefammten Eeroerbebetriebeg beg Unternebmeng angefeben 
werbe, gutreffenb. Senn biefe Darlegung mirflid) rittig märe, 
miipte ja aud) jener B^ebiger, ber oon einem Berliner Arbeitgeber 
(Botte’ft^ SReierei) angefteHt ift, um in ber gu Eunften ber Ar* 
beiter auf bem Betriebggrunbftücfe erbauten Kirte ftänbig Eotteg* 
bienft abgubalten, alg ein gemerbliter Arbeiter gu eratten fein. 

^)ie Kirte foroobl alg bie Kantine fmb cingig unb allein 
Soblfabrtgeinrittungen. Ebenforoenig mie bie Kantine 
fann bie Kirte „alg ben Eefammtbetrieb förbernb, alg ein ben 
oerfticbenen Eeftäftggroeigen biefeg Betriebeg gleitgeftettter XI)eil 
beffelben" gelten. 2 ) Eg ift ferner nitt auggefdjtojfen, bafe ber 
Unternehmer bie Berfügung über bie Kirte unb über bie in ihr 
ftattpnbenben religiöfen banblungen unaeattet beg Berfaufeg feineg 
Eeftäfteg Pt oorbebielte. Ebenfo benr6ar ift eg, bap ber Brauerei* 
beftper bei ber Beräuperung feiner Brauerei aug roirtpftaftlidjen 
Erünben oon bem Berfauf ber Kantine abftebt. Enblid) liegt 
eg febr mobl im Bereit ber SRöglitfeit, bap SRenftenfreuitbe für 
Arbeiter mit Erlaubnip ibreg Arbeitgeberg auf beffen Erunbftiiefc 
eine Kantine anlegen ober eine Kirte errieten, ohne fonft mit bem 
Eeroerbebehriebe oeg Unternebmerg irgenomie in unmittelbare Be= 
rübrung gu fommen unb ohne babei felbft Eeminn ergielen gu 
roollen. 

M Sir. 6 Des? „(StMuerbcaeriditv" oont 2-, äRärg isuu ©p. r.r* ff. 

-) Sir. 16 biefer 3eit[dmP oom 19. Januar b. ^s. Sp. 125. 




715 


Sogiale $raji$. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. 26. 


716 


Die gegnerifdjeit Ausführungen ^abcn formt bic ©ntfdheibung 
Des berliner ©eroerbegerichtS bo<h roohl nid^t als irrige ?enngeidf)nen 
fönnen. 

Vergebens mirb man in bem groeiten ©eroerbegeridhtSurtheil 
unb in meinem Artifel bie ©rflärung fuc^en, bag ;/ bte 3ufjdherung 
bes Arbeitgebers, er raerbe bem treuen unb fleißigen Arbeiter eine 
Spareinlage als Prämie gum Arbeitslöhne machen, ein oom Ar* 
bettSoerl)ältnig unabhängiges SdhenftmgSoerfprcchen barftelle." Der 
Öefer finbet Spalte 427 am Schlug oielmeljr folgenbe Borte: 
Bäre Kläger befugt getoefen, bie Prämie ju forbern, 
fo läge bie Sache anberS; bann fönnte man bie Prämie 
als eine bureb Bohluerhalten bebingte ßohngulage an* 
[eben. Kläger mar nämlich, fobalb er nur 20,.// Üofm begog, 
forberungöbereebtigt. Bährenb er, menit er mehr als 20 JL er* 
hielt, einen Aedf)tSanfpruch auf bie ©eroährung oott Sparguthaben 
nicht batte, Dhotfädhlidl) ftanb ihm ein höherer Sohnfag gu. 3it 
biefem Salle mar es nach ber Fabriforbnuttg bem freien ©r* 
meffen beS Aeflagten überlaffen, für .ftläger Spareinlagen gu 
machen. — DaS fcbmücfenbe Seimort als „baarfpaltenber Diftler" 
binbert mich nicht, babei gu oerbletben, bag burdf) ben 3nbalt ber 
Sefanntmacfjung bem Kläger ein bebingtes renmueratorifcheS 
SchenfungSoerfprecben abgegeben ift. Benn Scflagter in Der 
Folge bem Kläger ein Sparfaffenbuch anlegte unb für biefeu fparte, 
fo erfüllte, er fein SchenfungSoerfprechen, nahm bemnach eine 
0<ben!ung oor. ©S ift unrichtig, bag, mie baS Öanbgericbt meint, 
nadj SBottgug biefeS ©efdhäfteS, baS in einzelnen .^anblungen be* 
ftanb, baS AechtSoerhältnig beS Klägers ebenfo mie baSjentge ber 
geringer befolbeten Arbeiter gu beurtbeilen fei. Der ©harafter ber 
Scbenfung haftet uuentfembar jeber einzelnen Spareinlage an. 

Ban mag immerhin bie ©ntfdheibung beS berliner ©emerbe* 
geridjts, bag ein Beihnadf)tS* unb AeujabrSgefchenf an einen Ar* 
beiter eine, menn andb freiroitlige ©egenleiftung für bie im Saufe 
beS 3ahreS geleisteten Dienfte fei, billigen, ohne barutti, mie es 
§err ©uno ttjut, biefe ©ntfeheibung gui Sefämpfung beS in meinem 
Artifel angeführten ©emerbegericbtSurtbeilS oermenben gu fönnen. 
Denn BethnadüS* unb AeujahrSgefchenfe finb, foroeit menigftens 
,§au8biener 2 c. in Setracht foinmen, meines BiffenS allgemein 
üblich; fie entfpreeben einer fittlidjen Pflicht unb einer auf ben 
Anftanb gu nehmenden Aücffidht, mie Drin f gelber 2 c. (§. 534 beS 
bürgerlichen ©efefcbuchS), fo bag ber Arbeitnehmer beim ArbeitS* 
antritt auf fie als einen Dheil feines Arbeitslohnes mit Sicherheit 
rechnen fann. Ferner merben biejenigen dichter, bie bas Beih* 
nad)tSgefd)enf als Arbeitslohn betrachtet roiffen motten, bem Ar* 
beiter bie £lage auf feine ©eroäbrung geben, 3 ro eifelloS wirb 
bieS bei ber im „©eroerbegeridht" ermähnten Prämie, bie ben 
3infarbeitern in AuSficht geftellt mirb, gefdgehen müffen. Niemals 
mürbe eS bagegen in ber Bad)t beS MlägerS gelegen haben, fofern 
er über 20 < u Sohn begog, im $ro$egroege Den beflagten gu ber 
erften Spareinlage gu gmingen. Darin liegt ber groge Unterfchieb 
groifchen bem besprechen oeS beflagten, baS er nur eingulöfen 
brauet, menn es ihm pagt, unb ben BeihnachtSgefdgenfen unb 
ber Prämie für bie ©eminnung eines größeren 0uantumS 3i n t 
auf bie ber Arbeiter einen obligatorifchen Anfpruch hat. Sei ber 
gegebenen Sachlage fommt eS auf bie ©rünbe, bie ben Arbeitgeber 
gur Erfüllung feines SerfprecbenS oeranlagten, gar uid)t an. Die 
Spareinlagen finb ein ©efchen!, auch menn fie eine ©jrtraoergütung 
für bie Arbeitsleiftung bilben. 

Auch bie* bin ich burch ben im „©eroerbegericht" erfebienenen 
Auf fab nicht übergeugt morben, bag bie bieSfeitige Auffaffung gu 
oerroerfen fei. 

3nm Schluß fomrne ich nun gu ber brüten ©ntfdjeibung beS 
Serliner ©eroerbegeridjts. Sei biefer biirfte gerabe baS ©emerbe* 
ericht ben „geiftigen 3»halt ber gefeblidjen borfdjriften" beachtet 
aben, mäbrenb baS ßanbgeri<ht nicht über ben ftrengen Wortlaut 
beS ©efefeeS hinroeggefommen ift. 

Streitig ift babei, ob im Jyalle ber Aerroeigcrung ber A 11 S* 
häubigung beS 3 cu 9 n ÜK^ refp. beS Arbeitsbuches baS ©eroerbe* 
geriet guftänbig ift. 

Jpcrrn ©uno, ber leugnet, bafg bie 3aftänbigfeit beS ©eroerbe- 
gcrid)tS baburdj bebingt merbe, bag bie „Sei|tungen unb © 11 t* 
fchäbigungSanfpritche aus bem ArbeitSocrhältniffe" in bem Arbeüs* 
oertrage ihren AechtSgrunb haben, finb bie ftommiffionSberatbungen 
gum §. 3 beS ©eroerbegerichtSgefeheS entgegeuguhalten. S3ährcnb 
biefer Serathungen mürbe beantragt gum §. 3 bei Abfafc 1 am 
Sd)lufc bie Sporte: „infofern fie fid) aus bem ArbeitSoertrage 
ober aus bem ArbeitSoerhältniffe ergeben," ^in^ugnfcbcn. S3enn* 
gleich man gugab, bafe biefe Öaffuug bie grunbfäplid) 
ri di tigere fei, mürbe bennodj ber Antrag guniefgegogen, in ber 


©rmägung, baft ein foldjer allgemeiner Sab in ber $ra?:is unge* 
lebrter dichter gu großen Unguträglichfeiten führen fönnte. 

§ 105 ber $Rei<hSgeroerbeorbnuitg oerorbnet aufjerbem, baß bie 
geftfe^ung ber Serljältniffe grcifdjen ben felbftftänbigen ©e* 
merbetreibenben unb ben gcmerblichen Arbeitern, oorbehaltlich ber 
burd^ SieichSgefeb begrünbeten Sefcbränfnngen, ©egenftanb freier 
il ebereinfunft fei. 3 ) 3)as „ArbeitSocrhältnib" mirb fomit aDein 
burdb ben ArbeitSoertrag ergeugt unb burch bie Seftimmungen beS* 
felben bem Umfange nach feftgefteUt. hiernach ift baS ArbeitS* 
oerhältnife bie Art unb Steife beS burd) ben ArbeitSoertrag ge¬ 
regelten thatfächlichen SerbaltenS beS Arbeitgebers unb Arbeit¬ 
nehmers gu einanber mäbrenb ber $auer biefeS SertrageS. ©in 
meiterer Segriff mie ber ArbeitSoertrag ift baS „ArbeitSoerbältnift" 
nicht. ©S ift berfelbe Segriff in anberer 3unftion. 

Sngleidjen ifi nach ber ©ntftehnngSgefchichte beS §. 3 beS ©e* 
merbegerichtSgefeheS baS ArbeitSoerbättnift ftreng nach ben Se¬ 
ftimmungen bes ÄrbeitSoertrageS abgegrengt, fo bafe unter Seiftnnaen 
aus bem ArbeitSocrhältnih nur biejenigen gu oerfteben finb, meiche 
mäbrenb beS SeftebenS beS ÄrbeitSoertrageS unmittelbar aus 
biefem gefdbulbet merben. ®ie „©ntfchäbigungSanfprüche 2 c." beS 
§. 3 a. ä. 0. treten lebiglich an Stelle ber oerabfaumten Seiftungen. 4 ) 

§. 120a ber $ooelle oom 17. 3uli 1878 hat nicht, mie bieS 
©uno annimmt, ben Segriff „gegenfeitige Seiftungen mäbrenb ber 
5)auer beffelben" (bcS ArbeitSoerhältniffeS) 5 ) burch bie Borte 
„gegenfeitige Seiftungen aus benfelben" ermeitert. $)ie Aenberung 
ift nur oorgenontmen, meil bie iefetgenannten Borte forrefter finb 
als bie ermähnte gaffung beS §. 108 a. a. 0. 3a ber maftgebenben 
^teichStagSfipung mürbe befonberS fonftatirt, „bafj ber §. 120a genau 
biefelbe Seftimmung mie ber 108 enthält, fo bafe bie gemerb* 
lidhen Sd)iebSgerid)te nach mie oor unter benfelben Sebiiigunaen 
mie bisher fortbefteben mürben." $err ©uno hat am Schluß 
feines AuffaJeS aus ber Xbatfache, bafe im §. 3 bes ©emerbe* 
geridhtSgefeheS $r. 2 bie „©ntfchäbigungSanfprüche aus bem ArbeitS¬ 
oerhältniffe" als gemerbliche Streitigfeiten angefprochen fmb, un¬ 
richtige Folgerungen gegogen. 'Die &otioe gum §. 3 bes ©emerbe* 
gerichtsgefehes befagen menigftens, bafe bie Segeichnungen ber 
Streitigfeiten, auf roeld)e bie 3uftänbigfeit ber ©emerbegerichte fich 
erftrerft, im Befeutlicben ber Seftimmung im $. 120a ber ©emerbe* 
orbnung entfpreeben. 9hir fei bie 3 u fiänbigfeü iiifoferu be* 
ftimmter begeichnet, als ausbrücflieh audb ade Anfprüd)e auf 
©ntfehäbigung, einfchliefelich berjenigen, meld)e erft mit bem 3 e ^ s 
punfte ber ©ntlaffung ober beS Austritts beS Arbeiters entfteben, 
oor bie ©emerbegerichte geroiefen merben. ©S lägt fich bie Abficht 
bes ©efefegeberS aber nicht nad)meifen, ber ermeiterten Faffung eine 
auSbehnenbe Auslegung bahin gu geben, bag auch ©ntfcbäbigungS* 
anfprüche roegen oermeigerter AuShänbigung beS 3 e ugniffeS oor 
bie ©emerbegerichte gehören. Die ^ontraftsflage ift ftreng oon 
ber Sakreffenflage gu f<heiben. r> ) 

Als enblich ber Reichstag befchlog, in $r. 1 beS §. 3 a. a. 0. 
bie Borte: „foroie über bie AuShänbigung ober ben 3nbalt beS 

3 ) §§. 107 imb §. 113 Der ©cmcrbeorbmmg enthalten banad) nidit 
eine ©riocilerung ber Aed)tc unb ^fltd)ten ber Parteien beim ArbeitS* 
oertrage. Fm umgefchrtcn Falle mürbe übrigens bei etmaiger Aidütg* 
feit bes' ÄrbeitSoertrageS ber Arbeiter ein gengnig nidit oerlangcn 
fönnen 3 U berüeffiditigen bleibt and), bag bas ÄrbeitSgeugnig poligei» 
rechtlichen Burgein entftammt unb bag ein Derartiger ISImrafter im oer* 
ftärfteu A?age noch heute bem „Arbeitsbitdi" auhajtet. ^ei Sdiabens* 
anfprüdien, meld)e Durch Olcjep bejonbers gemährt merben, ift bas 
©emerbegeridit unguftäubig (A.©. Ab. 41, 3. 138.) Beil eben aus 
Dem Xienftoertrage allein'bie DienftpfUditigen ein ^euguig gu forbern 
nicht befugt finb, macht §. 630 Des Aiirgeriidien ölefepbudirs bie Aus* 
häubigung bes ^eugniffes allgemein gur ^flidjt bes Dienftbercd)tigteu. 
Audi 630 a. a. 0. hat eine Aertragspflidit bes Arbeitgebers nicht 
fonftituirt, ebenfomenig mie baS burd) 539 a. a. C. gegebene ^fanb* 
redit ein fontraftlidjes ift. 

4 ) A.©. Ab. 41 3. 137. Fa Ar. 52 ber „Afätter für Sogiale 
^rai:iS" oom 27. Negern ber 1803 3. 232 hat ber Aorfipcnbe bes 
©emerbegeridits 6aIle bie Mompeteng für Den ©ntfdjäbiguugs* 
aufprud) eines Arbeiters megen oermeigerter AuShänbigung bcS v 3 cu g s 
uiffes oerneiut, meil es fich nidjt um ©utfrfjäbigung „aus Dem ArbeitS* 
ocrbältnig" haabclt, foubern um einen aus allgemeinen Aed)tsgrunb* 
fügen bergitleitenbeu ©ntfdiäbiguugSanfprud); aubernfaris miigte mau 
bas ©emerbegeriebt aitdi für alle erbenflidien Folgen für fompetent er* 
flären (menn g. A. ber Arbeiter burdi Aermeigerung beS Lohnes oer* 
binbert mirb, einen beoorfteheitbcn Untgug aitsgufübren.) Faftrom in 
ben Fahrbiidiern für Aationafüfonomic unb Siatiftif; dritte Folge 
Ab. XIV ILXIX) S. 343. 

5 ) §. los ber ©emerbcorbuung oom 21. Fani 1S69. 1 

6 ) ©ccius, $rcng. ikioatred)!, 6. Auf!., Ab. 1 3.741. Siege auch 
„Alätter für fogialc ^raris" 1893, 3.232, CSntfdieibuug bes ©emerbe* 
geridits 6afie. 




<§ogtale $r<t£t$. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Br. 26. 


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. . . ^uantffei?" aufguneßmcn, fo aefdjaß bieö — mcßt etiua 
in ber Boraugfeßung, baß and) bie ©ittfdßäbigungganfprüihe 
wegen verweigerter Slughänbigimg beg-*3cugniffeÄ 2 c. ber Slompeteng 
ber (Geroerbegericßte unterftänben — fonbern, um für bie aug 
‘biefem £ßatbeftanbe refultirenben Brogeffe eingig unb allein ein 
befdßleunigtereg Berfaßren gu fdßaffen. 9räcß bem Sußalt ber Be* 
ricßterftattuug, meinem mcßt wiberfprocßen roorben ift, muß bieg 
unter öden Ümftänben angenommen werben. Slug ben Damaligen 
Berßanblungen erhellt ferner, baß man bie Slugßänbigung oon 
3eugni[fen unb Skbeitgbüdßern nicßt für Seiftungen aug bem 
Slrbeitgoerhältniß tjielt, benn fonft hätte fic^ bie ©infcßiebung ber 
beregten SBorte in $r. 1 beg §. 3 a. a. D. erübrigt. 

@nblid) ift nicht außer Sicht gu Iaffen, baß Dag unb 

bag Slrbeitgbuch nur auggehänbtgt gu werben brauchen, nadß Be* 
enbigung beg Slrbeitgoerhältniffeg unb Söfung beg Slrbeitgoertrageg. 
S>ag gorberunggrecht ber Arbeiter ent ft eh t er ft nach Aufhebung 
beg Slrbeitgoertrageg. ©g ift bieg bereitg in ber ©ntfcheibung beg 
©e werbeg er ich tg herooraehoben worben. 

3)ie britte ©ntfcheioung beg ©ewerbegericßtg mit ben oon ihr 
entwidelten (Grünben bürfte nach allcbem mit Unrecht beanftanbet 
worben fein. SBenn £>err ©uno in feinem Sluffaße nicht auch noch 
bie ©ntfcbcibungen beg (Geroerbegerichtg in Begug auf einige 
anberen fünfte bemängelt hätte, würbe ich fd)Ue&en Fönnen. 6o 
muß ich mbeß noch mit wenigen Porten auf biefe fragen gurüdf* 
Fommen. 

©in ©chabenganfprudß ift nur bann ein folcher „aug bem Sir* 
beitgoerhältniffe", wenn er in biefem Ießteren feinen SRedßtggrunb 7 ) 
hat, nicht aber fchon bann, wenn er nur gelegentlich beg Slrbeitg* 
oerhältniffeg entftanben ift. Slllerbingg wirb bei (Gelegenheit beg 
Slrbeitgoerhältniffeg bag Äaffenbudß, bie Duittunggfarte u. bergt, 
übergeben, ein gefeßlidßer 3wang auf (Grunb beg Slrbeitgperbält* 
uiffeg befteht aber nicht hi er 3 u - ^batfächtidf) pflegen auch 
Slrbeihteßmer in Berlin ihre Rapiere bem Arbeitgeber nur oorgu* 
legen unb bann wieber an ftch gu nehmen. 

2Benn bie Slüghänbigung beg 3«ugniffeg :c. nicht gu ben 
Seiftungen aug bem Strbeitgoerhältniffe gehören, fo Fann meineg 
Dafürhalten^ bieg noch weniger oon ber Sughänbigung ber Kleiber, 
beg fmnbroerFggeugcg, ber öuittunggfarte unb ber AlranFenFaffen* 
büdßer behauptet werben, ©abei ift ingbefonbere baoon auggu* 
gehen, baß bie (Gewerbegeridßte ©onbergeridßte ftnb, baß fic alfo 
atg (Gerichte nur innerhalb beg engen SRahnteng ber ihnen burdß 
bag (Gefeß gugewiefenen gefeßlidjen SFompeteng fungiren unb gelten 
Fönnen. £ieraug eraiebt fidß bann weiter, baß eine eytenfioe $nter* 
pretation ber gefeßlidßen 3uftänbigFeitgnormen für bie (Gewerbe* 
gerichte unguläffig ift. 8 ) 28ie fich £)err ©tabtrath ©uno eg benFt, 
baß ein Berwahrunggoertrag ohne SSeitereg oon bem Slrbeitg* 
oertrage aufaefogen werben [olle, fyabt ich nicht einfehen Fönnen. 
©aburch, bafe er roirthfdßaftlich unb geülidß mit bem Slrbeitgoertrage 
gufamnje.nhängt, Faun hoch feine juriftifd)e ©truFtur nicht alterirt 
werben. Qngbefonbere wirb ber §. 242 beg Bürgerlichen (Gefeß* 
budßg hieran nidßtg änbern Fönnen. $>enn biefe Beftimmung be* 
Sieht fich auf bie Sluglegung beg Bertrageg, nicht auf ihre bog* 
matifdfje SlonfiruFtion. S)eg Weiteren Fann ich nur auf bag oer* 
weifen, wag ich in meinem Sluffaße („©ogiale Brayig" ©p. 427 
a. ©.) begüglidß mehrerer Ber träge, welche äußerlich in einem 
AlontaFte gufammengefaßt ftnb, geäußert habe. 

©g wirb hiernach, fallg man £ßatbeftänbe wie bie oben ge* 
fchilberten ber SKedßtfprechung beg ©ewerbegerichtg guweifen wtH, 
Faum etwag Slnbereg übrig bleiben, alg, wie ich in meinem StrtiFel 
oorgefchiagen, bie Äompeteng gu erweitern, ©egwegen wirb im 
Steichgtage neuerbingg oer Berfuch gemad)t, bie ©rengen ber 3 Us 
ftänbigFeit ber ©ewerbegeridbte in oer oon mir unb Dem Berliner 
©ewerbegericht oertretenen SBeife hinauggurücFen. $a<h ber Slnftcht 
beg §errn ©tabtrath ©uno wären allerbingg bie nach biefer 
Dichtung hin ftattfinbenben Berhanblungen ber !dei<hgtaggFommiffton 
gur ^eoifion beg ©ewerbegerichtggefeheg überflüfftg. 

Berlin. _ o. ©<hulg. 

SIfilehttmtg ber ©rridjtmtg citteg ©eioerbegeriihtg in föeinheim. SfuS 
Baben wirb ung gcfchrieben: Sie gwecfmäfttg eine obligatorifche ©in* 
führung ber ©ewerbegerichte ober Doch eine wefentlidfjc Bcrbefferung 
ber begüglichen gefe^lichen Beftimmnngen fein bürfte, geigt recht Deutlich 
bie wieberljolte Ablehnung eineg ©ewcrbegcridjti? in Seinheim an ber 
Bergftrabe in Baben. 

7 ) Dtto, 2 )ie ©treitigfeiten ber felbftänbigen ©ewerbetreibenben 
mit ihren Slrbeitern :c. ©. 37 unb Silhelmp unb gürft gum §. 3 ^r. 2 
SlnmerFung 6 . 

8 ) Bb. 13 ©. 342. 


Sowohl Die ©robiubuftrieUcn al^ bie f^emcinbebchörbe, bie oon 
biefen beeinflußt ift, lehnen bic Bothwcnbigfeit eineg ©eioerbcgendhtr« 
ab, währenb bic Arbeiter unb mit ihnen auch öaubwerFer unb Allein* 
inbuftrielle etn folcßeg für bringenb nöthtg erachten. 

®ic großen Eeberfabrifeit unb bie 3J?afdhinenfabri! haben allein 
einen fo großen Slrbeiterftanb, baß eg Faum begreiflich erfdjeint, baß 
man in biefem ©täbtdjen fein ©ewerbegericht einrichtet, aber Die Dbcr* 
beljörben fdhetnen fid) lebiglich auf ©utaeßten beg Bürgermeiftcramteg 
gu fräßen unb bie ihatfaeßen nicht felbft git prüfen 


£ittcmrird)t Stn}eigett. 


3u Bigmarcf’g ©ebäd)tniß. Bon ©uftao ©chmoHer, Blay Seng, 
©rteß Blarcfg. ©rfte unb gweite Auflage. Setpgig 1899, Wunder 
& $umblot. 174 ©. 

3 n einem trefflich auggeftatteten Budße fmb] htff bie Sluffäße 
©dfjmoKerg in ber w ©og. $raftg", ein ©ffap unb eine afabemifdhe Bebe 
oon Sem unb gwei Beben fornie ein Sluffaß oon HÄarcfg oereint. 5)rei 
bebeutenbe Bertreter ber beutfehen Siffenfcßaft haben bem großen Bräun 
SorBeem aufg ©rab gelegt, unb man muß ber Berlaggbucßhanblung 
banfbar fein, baß fic bie eingelnen 3weige in biefem Banbe oereint hat. 
Sahrbücßer für BationalöFonomie unb ©tatiftiF. ©earünbet 
oon Bruno §übebranb. §erauggegeben oon Brof. Dr. J. ©onrab 
in Berbiubung mit B*of. Dr. ©bg. Soening unb B^of. Dr. S. Serig. 
III. «folge. 17. Bb. 2 . £>eft. Jena 1899, ©uftao gifeßer. Btohat* 
Heß erfdheint ein .^eft, 6 §eftc bilben einen Banb. B***# beg 
Banbeg im Umfange oon 60 Bogen 1 B J(. f eineg eingelnen 
|>efteg 3 M. 

Bucßenberger, Dr. 91., ©runbgüge ber beutfeßen SlgrarpolitiF. 3weit c 
Sluflage. Berlin 1899, Baul Barcp. 299 ©. B^eig 6 M . 

^ag bei feinem erften ©rfdjeinen oor Jaljregfrift oon greunb unb 
©cgner mit großer Slufmerffamfeit entgegengenommeue Buch, eine fnappe, 
aber erfdhöpfenbe 3afammenfaffung bcr leitenben ©ebaufen aug bem 
großen Scrfe ,,|>nnbbud) beg Slgrarwefeitg unb ber Slgrarpolitif" beg 
Berfafferg, hat jeßt eine ©rgäugung beg wid)tigcrcn ftatiftifdjeu unb 
fonftigeu agrarpolitifcßen Bräterialg erfahren. $er Berfaffer, Jinang* 
minifter in Baben, oertritt bic Slnficßt, „baß eine auf mittlerer Siittc 
unb unter woßlmeinenber Bücffichtnahme auf bie Jntereffcn anberer 
Berufgftänbe fid) bewegenbe Bolitif ber Slgrarpflegc unb ' beg Ägrar* 
fdjußeg nachhaltig auch ben Ianbwirtljfthaftlidjen Berufgintereffen am 
beften unb wirffamfteit biene". 

Bohl/ Johanneg, ©tiftgard)ioar in ©t. ©aüen, ©taatgmoral unb 
©taatgpäbagogif. Borlefung. 3ürid) 1898, ©. ©peibel. 18 ©. 
Breig 30 4 . 

©ummarifdjer Bericht bcr £>anbclg* unb ©ewerbcFammer in 
Brünn über bie gefdjäftlidjen Berhältniffe in ihrem Begirfe 
wäßrenb beg Jaßrcg 1898. Brünn, Bcrlag ber Brünncr $anbelg= 
unb ©ewerbefamnter. 223 ©. 

Sl. ^artlebcit’g ©tatiftifd^e 2abeEe über alle ©taaten ber ©rbe. 

VII. Jaßrg. 1899. Breig 30 Air. = BO 4 = 70 ©tg. = 30Äop. 
— All ein eg ©tatiftifcheg Safcßenbuch über alle Sänber bcr ©rbe 1899. 
9rädt) ben neueften Angaben bearbeitet oon Brof. Dr. Jriebrid) 
Umlauft. Sien, B e fh Öeipgig, Sl. §artleben’g Bcrlag. 96 ©. 

©perling, Dr. Slrthur, .©hrengeridjt unb SJtebiginalreform. $>enf* 
feßrift iiberreid)t bem ®oßen &aufe ber Slbgeorbneten. Berlin 
1899, gifcßer’g Blebiginifcßc Bucßhaublung, §. Alornfclb. 32 ©. 
Revue Politique et Parlamentaire. 6. Annee. Fevrier 1899. Paris, Ar¬ 
mand Colin & Cie. 

3 weiteg Begifter gu ben ©timmen aug 3ßaria*Saacß. Banb 
XXVI— L ber Seitfcßrift. Banb VJI—XVII (fteft 2B—68) bcr 
©rgängunggßefte. greiburg i. B., .&erberfdhe Berlaggbucßhanb* 
lung. Brtt^ 7 Jt, geb. 8,40 JL 

$elnt, Äarl, S)er Sanbegerfcßließung näßere ©rläuterung. Badjwort 
gu „©in Jahrßunbert Arbeit", ©tettin 1898, Seon ©aunicr’g 
Bucßhanblung. 23 ©. Breig 1,20 J/. 

Buppredht, ©onrab, ®ie Soßnunggfrage. Beferat, bem Sanbeg* 
oerßanbe für Soßltßätigfeit in ©teiermar! erftattet. ©rag 1899, 
in Aiommiffton bei Seufcßner & Subengfi). 60 ©. 

©pielberg, Dtto, S)ie HRoral ber freien Brämtegart. 3üridß 1899 
©. ©peibel. 316 ©. Breig 3, 20 M. 

©ießen. ©ntwurf beg Boranfcßlagg ber Brooingial-^auptftabt ©ießen 
pro 1899/1900. 

Br eg lauer ©tatiftiF. Jm Sluf trage beg Brägiftratg ber &g(. §aupt* 
unb Befibengftabt Breslau ßerauggegeben 00 m ©tatiftifeßen Slmt 
ber ©tabt Breglau. 17. Banb. 3. §eft. — 18. Bb. 2. ©eff. 
Breglau 1899, ©. Blorgeuftem. 306 ©. unb 172 ©. Breig 6 B?. 
unb 4,io 2JI. 

Branbenburg a. f>., Berwaltunggbericßt ber ©tabt Branbenburg a. £>. 
pro 1 . April 1897/98. 

^armftabt, Berwaltunggbericßt ber ©roßßcrgogl. Bürgermciftcrci Der 
Ǥaupt* unb Befibengftabt 5)armftabt pro 1897/98. 


»erantro ortete für bte Äebaltion: Dr. «rnft $ tarnte tn ©erltn W., »agreut^erftraße 26 . 




719 Soziale $ra£tä. GeutralOIatt für Sojialpolttif. 9ir. 26. 72«) 

©ie |£lravi* M erfdjeint an jebem ©onnerötaa unb tft buri^ aUv öudjlwnMungcn unb 4 ioftamter (^oft^eitungSnummer 7072 ) au bejicljen. ©er 'Preis 

für ba« ©ierteljatjr tft SW. 2 , 50 . ^ebe Kummer Foftet 30 Sßf. ©ec läiijeiflenpreiö ift 60 für bic breigefpaltenc gJetitjeile. 


Soeben erfdjieneti: 

3 u Bismarcfs < 5 e 8 äcfytnis + 

(V, 174 ©. 9tot)aI 8°.) 1899. 5ßrei8 3 3K. 60 $f„ gebb. 4 3R. 80 $f. 

ffirjü bi« brüte jlttfiag*. 

^vnljaltSüeraetd^niS: 

«ßrofeffor Dr. (Ouftato ^djjtneUet in Serlin: 

I. SBicr ©riefe über ©iSmarcfS focialpolitifcb^ unb uolf^u'irifdinftlidie Stellung unb Sebeutung. 

Horbemerfnng. 

1. ©ic ^erfönlidjfeit. 

% ©er SBanbcI in Sltöniarcf* 9(u|*id)tcit über Staat, ©oiettiebnft unb 9>olteiuirtirf)ajt. 

3. s £iemarcf$ Socialpoütif. 

4. ©ic Jyhiau^, bie §aubelä* unb bte Gijenba^ttpolitif. ©te ^iftorifcf)=polttifd>e (^etamttcifnmg. 

II. Ucber bic „($cbanfen unb (Erinnerungen“ non Ctto Tvürfl non SMSmaut 2 ©änbe. Stuttgart 1898. 

^rofeffor Dr. SJlag Senj in ©erlitt: 

I. ©>cr ©djöpfer non ^aifer unb 9?eid). 

II. 9iebe, gehalten bei bet WebädjtuiSfcicr ber Möniglicben Tvviebrid) 2BiI^eIniö=Uniner|ität 31 t ©erlitt 
atu 22 . ©'e^einbcr 189s. 

Sßrofeffor Dr. iSttäf SBflatäS in Setpaig: 

I. Webcnfioorte, gefprodjen bei ber Xrauerfeicr bcs ScreinS beutfc^cr Stubcuten gu üeipjig am 2.Huguft 1898. 

II. ^ürft ©temarcf unb ba$ ,£)au8 .{to^en^oüern. 

III. $Jebe, gehalten bei ber (tfebad&tntefcicr ber llnincrfität £cip;,ig in ber Hula am Xoteufomttag, 
20. ^ooember 1898. 

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Dr. Zaclier, 

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Verlag von Gustav Fischer in Jena 


Soeben erschien: 

Volkswirtschaftliche Chronik 

für das Jahr 1898. 

——-Preis: 5 Mark. ---- 

Die „Volkswirtschaftliche Chronik“ 
giebt einen Jahresbericht über alle 
neuen Ereignisse auf wirtschaftlichem 
und socialem Gebiete. Sie erscheint 
als Beilage zu den Jahrbüchern für 
Nationalökonomie, wird aber am 
Schlüsse des Jahres, mit einem aus¬ 
führlichen Register versehen, als 
selbständiger Band ausgegeben. 


Verlag von Duncker Sc Humblot, Leipzig: 

Grundriss 

des 

Gewerberechts 

und der 

Arteiterverticberug. 


Dr. Victor Mataja, 

k. k. Ministerialrat, Wien. 

== 1899 . ===== 

Preis 3 M. 60 Pf., gebunden 4 M. 20 Pf. 


Revue d’ tconomie 
Politique. 

Hgg. von GauwrdSß GldO§ Schwi&diand und K/flejr« Redactionssecretäre: 
Jay und Sonchon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard, 
y. Böhm-Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa +, Foxwell, Issajev, v. KÖrösl, 
Laveleye f, Levassenr, Lorla, Macleod, Mataja, du Maronssem, Menger, y. Mtaskowski, 
Manro, y. PhillppoYleh, Piernas, Pigeonnean +, Rabbeno +, Sanzet, Schmoller, Walras, 
Webb, Westergaard. — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs. 

Preis jährlioh 21 Franos. 

Verlagshandlung L. Larose in Paris. 

i«ctbcl, l'civiitf. 'in-riaij up-ii Xuiicfa Ä; vuuiblui, ytipjij. — OkDiucft bet gultuä Suteitfelb, ©erlu«. 












VDL % «tapntg. 


©erlin, ben 6. Slpril 1899. 


Üttrannrr 27. 


Soziale ptajis. 

^entrafMatt für ^ogiarpolifiü 

mit ber ERonatSbeilage: 

T>as ©ewerbegericht. 

©rgan fces Oerbanbes beutfcfyer (Bemetbegericfyte. 

SReue golge ber „SBIätter für fokale unb beS „Soalalpolittfchen EentralblattS*. 

•Weint m fetm Sounerftag. $ecau§geber: *ret* bierteWrli* 2 8R. 50 ff. 

SRebaftion: Berlin W., Bahreutherftrafee 29. DP« «fttUtcke* Berlag Pon Wunder & Humblot, ßeipatg. 




©efdjtänlung ber Heimarbeit in 
ber AoitfeftionSinbuftrie. öoit 
Affeffot Dr. Alfteb SBeber, Sh«* 
lottenburg.721 

flott»*«*««»«**’ mto wrnmmmm« 

»tfttif.729 

Arb eiterberuf S ber eine unb ©ar* 
teipolitif. 

Au« ber Arbeit«*©efe&ßebun 0 
©eufeelanb« bom Sahre 1898. 
> nwwih «Pjtelpoltttl .... 729 
gffirforge für ftftbtifche ©ebienftete unb 
Arbeiter in SDlaiitj. 

Soziale g-ürforge ber Stabt Strafe bürg, 
©ie ft&btiföe ftnaben • ArbeiiSanftalt 
3 U ©armftabt. 

€t5btif(be üioiie für antialloholifcbe 
©etränle in ßanbSberg a. SB. 
©täbtifdbe Armeminterftüfeung für 
ftreüenbe Arbeiter in ©ngtanb. 

•»Stele 8 nftft«»e ;.730 

©ie ArbeitSlofiflleit in ©rofebritannlen 
im 3abre 1898. 

©öEige Unterbrüdung ber ©ettelei in 
gfranfreicb- 

•ebeUgebev« unb ttttteritcbmevber* 
büttbe.731 

©er ©ereilt ber ßnbufirteEen be« 
©eßienntßSbejitfS Adln, 
©efammtoerbanb beutfd^er SMaE* 
inbuftrieEer. 

©etbanb bet Arbeitgeber für ba« 
$>$neibergetoetbe in Sflümhen. 

9aM*ttbmt%uni .732 

©er ©etfuch beb allgemeinen 
AuSftanbe« in 0rran!reicb int 
Oltober 1898. ©ott Octabe 


§eflp, ©eamter be« Arbeitsamt«, 
©ari«. 

Arbeitgeber unb Arbeitet im Serliner 
©augemerbe. 

©rauerfireif in Qfranlfurt a. 2R. 

©ie ©tudarbeiter • AuSfperrung in 
©nglanb. 

©ine fattjolifdje Bereinigung ber 
Arbeiter be« ©udjgetoetbeS in ftranf* 
reich. 

S^ütigfett bet ©arifet Arbeitßbörfe 
im Sabre 1898. 

Brtctterf*»*.737 

©er Arbeiterfcbufc in bet ßünb* 
bolafabrilation. 

Arbeiterbertretung in ber preufetfefeen 
©ergroetlSinfpeftion. 

tlfbetttiiafttorit.739 

^abrpreißermübigung für ßttede ber 
Arbeitsvermittlung in SBürttemberg. 

Erhöhung be« ftäbtifchen 3 u fä u ffe 8 
für bie AEgemeine Arbeitönochmei«* 
anftalt in A 6 ln. 

Stübtifche« Arbeitsamt in ßürig. 

•enofTe»fd)*ft«*efeit.740 

staatliche ©efd&üftigung ber 
Arb ei ter«Aooperatibg;en offen* 
fchaften in Stalien. 

©enoffenfchaftliche ©erlauf«häufet in 
Hamburg. 

©roöultibgenoffenfdjaften in grtanlreich. 

ittteMrtVfte 742 


Snhalt be« ©etoerbegerichtS 9h. 7. 


Orilufle: ,»©a# •etaterbegerteftt“ Re. 7. 


Abbrucf f&mmtlicher Artilel ift ßeihmgen unb geitfthxiften geftattet, feboch nur 
mit boEer QueEenangabe. 


jßefiferänkung ber Heimarbeit in ber 
jftottfcktionaittbujfcie. 


$)aS Ergebnifj ber Erörterungen beS ArtifelS in SRr. 26 war 
anfe^einenb recht rabifal. 3ebe $olitif, bie auf bem ©ebiete ber 
HauSinbuftrie, auch ganj abgefehen non ber ßohnfrage, 1 ) irgenb 


etwas erreichen miß, ntufe bie UeberfüEjrung ber ^auöinbuftrie in 
Bterfftättenbetriebe — bie übrigens natürlich burchauS nicht Qfa«* 
brifen, fonbern ebenfogut 3mii<henmeifterbetriebe fein fönnen — 
herbeiführen, b. Ij. gegen bie Heimarbeit oorgefjen. Einer folgen 
^ßolitif werben gunädjft non aßen 0eit?n ihre $äffe abnerlangt 
werben. 3Jian wirb fragen, wohin fie in ihrer lefcten ^onfeguenj 
eigentlich führen foß, ob inSbefonbere gur Sefeitigung jeglither 
Heimarbeit, aum nößigen SSerfchUefeen ber heute nießeicht breiteften 
ErwerbSqueße ber ans H au ^ gebunbenen Ehefrau. 

darauf ift nun au fagen: Eine Sßolitif, bie bie Sefeitigung 
ber Heimarbeit in fidj fdh^efet, !ann ihrem ©efammtgebanfen na^ 
niemals auf bie Heimarbeit als ein ©anacS gerichtet fein. 6ie 
mufe ftch auf beftimmte H ai| 3i n & u ffrien befchränfen, unb nur in 
biefer SBefchränfung hoi fie, } ur 3 e it wenigftenS, ihre Berechtigung. 
9Ran mag non ben überwiegenben 9tac|theilen, bie bie Heim* 
arbeit auch für bie ferner anberS iu befdhäftigenbe Ehefrau 
hat, burchauS überaeuat fein; jebenfaßS ift es ein Unbing, ftch 
bas SSerfchwinben biefer Heimarbeit, ja auch nur ihre wefent* 
lieh quantitatioe Einfchränfung für bie nächfte 3eit ooraufteßen. 
ES fprechen a u üiele moberne EntwicflungStenbenaen, oor Slßem 
bie fteigenbe wirthf<haftliche Entlaftung ber Arbeiterfrau burch bie 
ftäbtifche Efiftena, ber eine anbere Pflichten an bie 0teße fehenbe 

t ebung bes ^ulturnioeauS nicht entfpricht, im ©eaentheil für ihre 
ermehrung. 3ebe oernünftige ArbeiterfchuhpoUtir wirb alfo heut 
mit ber £hatf af h e bcS BorliegenS eines als ©anaeS nicht a^ Be* 
feitigenben ©remgebietS rechnen, in bem baS gewerbliche in baS 
häusliche fieben hineinwäd)ft, unb baS für fie mit ihren wichttgften 
Beftimmungen nicht %u betreten ift. 

Aber foß fie nun beShatb biefeS ganae ©ebiet als ein noli me 
tangere anfehen unb bamit iebern wtrffamen ^inübergreifen über 
bie ^Regelung ber gobrifinbuftrie, jeber hauäirtouftrießen Arbeiter* 
fchuhgefehgebung entfagen? B5enn bie Heimarbeit wegen beS Bor* 
UegenS eines SRebenerwerbSbebürfniffeS ber Ehefrauen gewiffer Be* 
oölferungsfchichten eine nothgebrungene Schonung erforbert, fo 
hoch gana ficher nur für biejenigen ©ewerbe, wo biefe Ehefrauen 
mit ihrem Befd)äftigungSbrang wenigftenS ÜRiemanbem fchaben 
aufeer ftch felber unb ihrer gamilie, b. h- für fleine ©ewerbe, bie 
fie gana 3 « behenden oertnögen. $)ie Heimarbeit aber auch 
bort a« fronen, wo biefe Ehefrauen burch ihren 3ubrang eine 
ganae grofee Arbeiterfchicht hoffnungslos in ben Abgrunb 
niebriger ßöhne, langer ArbeitSaeiten unb ungefunber ArbeitS* 
ftätten herunteraiehen, baS ift praftifcher iRonfenS. Eine gefunbe 
^ßolitif wirb ft^ hi^ niä)* bebenfen, burch Sefeitiguttg ber Heim* 
arbeit aanächft wenigftenS ben langen ArbeitSaeiten unb ungefunben 
ArbeitSftätten ein Enbe au machen, unb fie wirb froh fein, wenn 
fte bamit gleichaeitig bie lohnbrüefenbe Ehefrau auSgefcf)loffen unb 
bie Arbeiterinnen oon ihren ärgften ?$einbinnen { m eigenen ßager 
befreit hat. $)aS unb nichts Anberes ift bie Bolittf, bie liier 
oertreten wirb, bie einige, bie man heut forbern fattn, aber 
auch mufj. 


! ) Eine Drganifation ber Arbeiter, bie hier wohl aEein helfen 
lönntc, wie erfreulicherweife auch oont Abgeorbneten Aöftcie heroor* 
gehoben würbe (©eichstag, Sifcung oom 24. 2Rai 1897), ift natürlich 


erft nach ©efeitiguug ber Heimarbeit möglich. Heimarbeitcube Ehefrauen 
I ju organiftren unb fte eoentueE ju einem 3trcif bringen ju wollen, 
i |eibt ungefähr ebenfootel, wie Hennen baS Eierlegen ocrbietcu. 














©ogiale Sßrai’iä. (Ecutralblatt für ©ogialpolitif. 9h\ 27. 


724 


Sie Besteht fidfj, wie «ton otjne Weiteres fieht, nur auf einige 
arofce ©ebiete ber heutigen HauSinbuftrie, biejenigen, in benen bte 
gntereffen Breiter Slrbeitermaffen unter ber (Eyifteng ber f>eintarBeit 
leiben. (Es fommt gur $t\t au&er ber Äonfeftion oor Sittern 
bie £abafinbuftrie in Vetracht, in ber bie gabrifanten, roenigftenS 
tljeilroeife, felbft bie Söefeitigung ber £>ennarbeit forbern. 2 ) — Unb 
biefe Volitif Iä|t, roie befonberS bie im ©ang befinblidje (Enquete 
beS „herein# für Sogialpolitif" geigen roirb, gasreiche fleine, fefet 
theilroeife nur burdf) bie Äonfeftion gurüefgebrängte ©ebiete, bie 
uor Sittern auch in ben ©rofjftäbten bei bem Verfdhroinben ber 
Äonfeftion einen ootten (Erfab bieten fönnten, für bie roeiblidje 
Heimarbeit frei. 2ßie oerftänbig ober roie tpridjt fie aber in ihrer 
praftifdjen Slnroenbung märe, baS mirb am beften ihre ^Beleuchtung 
gerabe an ben Verhältniffen ber Äonfeftion geigen. 

Soll hi^ etroa in ihrer Äonfequeng bie gefamntte H^nmrfwi 
burcf) einen geberftrief) beS ©efefcgeberS oon h eu * auf morgen 
„abgefdjafft" merbett? S)aS märe in ber £h a t ein alberner Vor* 
fdjlag; aber baran h<d auch wohl bis heu* noch 9hemanb gebacht. 
Söoratt man gebacht hat/ ift Iebiglich, baf; in biefer gnbuftrie bie 
Heimarbeit unter Schonung ber (Erroerbsiittereffen ber gegen* 
märtigen HeimarbeitSfräfte unb unter Veriicffichtigung ber Sin* 
paffungSfäfigfeit ber gnbuftrie allmählich befeitigt, in ber einen 
ober anbereu gomt auf ben StuSfterbeetat gefegt merben fotten. 
Sebiglid) barauf hinaus läuft g. 23. ber Vorfdjlag, bafg bie SluS* 
gäbe oon Heimarbeit an bie gegenmärtigen Slrbeitsfräfte auf 
©runb perfonefler HeimarbeüSfarten meiter erlaubt, für fünftig 
aber oerboten fein fott, b. h- int fiebrigen bie SluSgabe oon Slrbeit 
nur noch an Sßerfonen guläfftg fein fott, bie eine SSerfftattfarte, 
einen Schein barüber, bafe fie eine poligeilich abgenommene SBerf* 
ftatt befi^en, oortoeifen fönnen. 3 ) — ®aS mürbe eine Umbilbung 
ber sßrobuftionSform im Xempo ber Slbfterbeorbnung ber gegen* 
märtigen Slrbeitsfräfte, alfo fagen mir gang grob in einem $eit* 
raum oon fürgeftenS 20—25 gahrett bebeuten. Unb fein SJienfd) 
toirb bcftreüen: gn einem folgen geitrautn mirb fidf) foroofil bie 
Veoölferung mie eine gnbuftrie in fogar fehr roefentliche Veräube« 
rungen gu finben oermögen. 

2ßie groft aber unb melcher Slrt mürben bann bie 25er* 
änberungen in ber Äonfeftion fein? 33ie grofe oor Sittern bie 
Verengerung ber (ErroerbSgelegenheit, bie ihre oottftänbige Ueber* 
fiihrung in SBerfftätten braute? 2)iefe grage ift ungefähr gleich 
ber anberen, roie roeit oerheirathete grauen heut als Arbeiterinnen 
in ihr thätig finb; benn bie männlichen Arbeitskräfte unb bie 
lebigen grauen ftnb Iebiglich geroohnheitSmäjgig, nicht nothroenbig 
HeimarbeitSfräfte. gür fie ift ihre Verroenbung in SSerfftätten 
gerabe fo gut möglich, eine Vefeitigung ber Heimarbeit alfo fein 
Abfchneiben ber Slrbeit. 

(ES gab nun 1895 51 856 ftänbige Heimarbeiterinnen in ber 
Äonfeftion; oon ihnen maren 34 219 lebig, 7062 oerheirathet, 
10 625 oermittroet ober gefchieben. 4 ) Söieoiel oon ben 2SHttroen 
ober geriebenen grauen burd) HauShaltSpflichten ober Äinber* 
ergiehuna an ihre SBohnung gebunben maren, ift groeifelhaft. Söir 
motten fie fämmtlich als unabfömmlith behanbeln. $)attn haben 
mir 17 687 unabfömmliche oottermerbSthätige Heimarbeiterinnen. 
Unb mieoiel nebenermerbenbe grauen treten an ihre Seite? geh 
habe bie ©efammtgaljl ber unftänbigen toeiblichen HeimarbeitSfräfte 
im oorigen Slrtifel, um nid)t in ben ©eruch ber Verfleinerung ber 
Schmiertgfeiten gu fommen, fo hoch als nur irgenb benfbar: auf 50000 
oeranfchlagt. Von biefen 50000 haben im ©angeu nur 4672 ihre 
^hätigfeit bei ber VerufSftatiftif 5 ) überhaupt angegeben. $ur für fie 
ift alfo — baS mar bie grageftellung — ber $ebenertoerb aus ber 
£onfeftion eine roef ent liehe (Einnahmequelle. Nehmen mir aber 
felbft an, bafc baS thatfächlich noch für ebenfo-, ja hoppelt fo* 
oiel anbere ber gall mar, bie ihre (ErroerbStbätigfeit tro^bem nicht 
angegeben haben, unb bafe bann oon biefen etroa 15 000 unftänbigen 
9?ebenerroerberinnen nicht, roie oben, nur ein drittel, fonbern fo* 
gar groei drittel an baS HauS gebunbene oerheirathete grauen 
maren, fo erhalten mir immer erft 10 000 roeitere Arbeitskräfte, 
bie eine unmittelbare Ueberfiebelung ber gnbuftrie in Söerfftätten 
nicht mitmachen fönnten. S'en 9teft oon aufterorbentlid) hoch ge* 


2 ) Vgl „©ogiale ^rajriö" Sir. 22 ©p. 5^1. 

3 ) Siatürltdj märe für tfontraoention Icbiglid) ber SlrbeitaiiSgcbenbe 
gu beitrafen. 

4 ) ©tatiftif bcS 2reutfchen SteichS Si. Vb. 113 ©. 290. ©s finb 
bas jämmtlidje mctblichc „felbftänbtgc" Hausinbuftriette ber S?äl)erei, 
©d^neiberei, Äonfeftion. Unb es ift nicht berücffidjtigt, bafj barunter and) 
2S79 ^mifchenmeifterinnnen (ogl. eodem Si. %. 113 ©. 363) cnt= 
halten üab. 

5 ) Eod. Vb. 102, ©. 90, 91. 


fdjäfct 20 bis 25 000 nur gelegentlichen H e imarbeitSfräften motten 
mir auch noc h gang unb gar als unabfömmlich behanbeln. 2)amt 
ergiebt fich eine Verengerung ber ©noerbSgelegenheit ber HauS* 
fronen — mohlgemerft für gang $eutf<hlanb — um 15 000 oolle, 
10 000 halbe unb 20 000 bis 25 000 gelegentliche SlrbeitSftetten. 
Söentt man baneben fteQt, bafj bie lange fchon gang ruhig inS 
Sluge gefaxte Vefeitigung ber gabrifarbeit oerheiratheter grauen 
eine Verengerung um circa 134 000 SlrbeitSftetten barftetten mürbe, 6 ) 
unb baf; bie burdf) baS ©efefe oon 1891 herbeigeführte Vefeitigung 
ber SHnberarbeit ben Slrbeiterfamilien bie (ErroerbSgelegenheit aus 
2? 000 £inberarbeitsftetten thatfächlich entgogen hat, 7 ) o|ne bafj 
bieS auch nur ben geringften 97achtheü gehabt hat, fo fieht man 
bie gange „Vhantaftif" ber Vefeitigung ber Heünarbeit in ber 
Eonfeftion. 3Ran rnufe auf bem abnormen Stanbpunft beS Slb* 
georbneten Richter ftehen, ber in bem „ungenügenben Umfang ber 
(ErmerbSfähigfeit beS roeiblichen ©ef^lechtS" ben ©runb aller 
Uebel ber £onfeftion fieht, 8 ) um hiernach noch irgenb roelcfje Ve* 
benfen aus SRücfficht auf eheroeibliche 9?ebenermerbSintereffen gu 
haben. 

ga, mirb man fagen, aber bie Velaftung ber gnbuftrie, bie 
bas gange bebeutet! $)ie gnbuftrie fott erftenS gegmungen merben, 
bie (Erhöhung ber Söhne gu tragen, bie auS ber Stbftofeung ber 

t eimarbeit folgen mufe, fie fott groeitenS gegmungen merben, bie 
rhöljung ber ©eneralunfoften gu tragen, bie aus ber ©rrichtuitg 
oon Vkrfftätten folgen mufe, unb ihr fott brittenS audh noch bie 
ttttöglichleit abgefchnitten merben, burch Vermenbung oon H c * ms 
arbeit in ber Saifon menigftenS etroaS an ben ©eneralunfoften gu 
fparen. 

VkiS gunächft baS britte betrifft, fo braucht ihr bie Saifon- 
heimarbeit feineSroegS oöttig abgefchnitten gu merben. (Es ift fehr 
roohl benfbar, ja märe oorerft fogar roünfchcnSroerth, bafe man auf 
eine beftimmtc Slngahl Soeben tut galjr für Vrandtjen, bie auS* 
gefprocheuen unb nothmenbigen Saifoncharafter befthett, bie SluS* 
gäbe oon Slrbeit ins H°uS — natürlich nicht für Söerfftattarbeiter, 
fonbern nur für reine HeimarbeitSfräfte — neben ber Uebergeitarbeit 
unb in ähnlicher SSeife mie biefe geftattet. 5)aS märe einfach eine 
grage ber engeren ober meiteren Sdjranfen ber ^Regelung, bie 
nicht gu entgroeien braucht. 

SDie beiben anberen Velaftungen aber, bie ©rhöhung ber Söhne 
unb ber ©eneralunfoften oertnödjte bie gnbuftrie, tote i d) an an* 
berer Stelle auSfiil)rlid) gu geigen oerfucht höbe, 9 ) nach ber Sohn* 
läge u-itb gegenmärtigen Vn>buftionSform in ihren Hauptpläfceit 
burd) eine oeräuberte Crganifation ber Slrbeit, ben ilebergang gut« 
gabrifbetrieb, gu pariren; unb — baS ift bie H^uptfache — roo fie 
bentnad) nicht mett gemacht merben fönnie, mo alfo eine (Erhöhung 
ber VrobuftionSfoften unb ber greife erfolgte, ba märe baS nicht ein 
9la<htheil, fonbern ein Vortheil: SJur bie H er itcttung ber bittigen 
unb bittigften 2Saaren fu^t gur 3 e ^ 9 <*ng auf ber H e iniarbeit, alle 
beffere unb mittlere SBaare ift fchon heut — bas ift in ber gangen 
ft'onfeftion fo 10 ) — V5erf)tättenarbeit; nur ber Bittigen unb billigten 
2Baare broht alfo eine Verteuerung. 9?un hütte eine Vertheuerung 
ber $robuftion bodE) nur ein Vebenfett, infofern fie ©yportartifel 
beträfe; eine Vertheuerung ber Vrobuftion unb ber greife ber gn* 
lanbSartifel ber fonfeftion märe im ©ffeft nichts meiter, als eine 
bei ber foloffalen Verbilligung, bie bie $onfeftion gebracht hut, 
faum fühlbare Steuer auf bie foitfumfähigen Arbeiter unb SJlittel* 
ftanbsfreife gu ©unften beS SßioeauS ber unterften Slrbeiterfdjicht. 
Unfer ©yport aber beruht nidjt auf SBaaren, benen eine Ver* 
theuerung broht, er beruht nicht auf ben bittigen unb bittigften, 
fonbern auf ben SBaaren mittlerer Cualität. 

Söir hüben einen gang geringen (Eyport oon Slrbciterfonfeftion 
alfo ber bittigften SSaare, fo gut mie gar feinen (Export ber billigen 
an bie Stonfeftion iibergegangenen fetvetn* unb ^nabenangüge; n ) 
beträchtlid) ift unfer (Export bagegen in VMfcbeartifeln, oon benen 
mir Söaaren mittlerer Qualität (1897 g. V. für 12,i Millionen SRarf) 


ß ) Vierteljahrshefte für ©tat. b. 5). 9t. (Erg. Heft I ©. 22. 

7 ) Vgl. meinen Sluffafc in „©djmotterS gahrbud)" 1897 ©. 1184.. 

8 ) 2Sas er bamit gemeint hat, ift roohl/ baf3 bie uielberufene Äon* 
furreng ber (Ehefrauen bes VtittelftaubS eine 5olge eines mangelnben 
Umfangs ber (ErroerhSfähigfcit biefer Äreife fei. 2:ie Vebeutung biefer 
Äonfurreng roirb aber erftenS fehr übcrfchäpt, unb groeitens ift 'es hoch 
ein etroaS fomifdj anntuthenber ©ebanfe, ben H a uSfrauen biefer 
Äreifc (es arbeiten hetuptfächlid) berartige grauen) neue (ErroerbSgebicte 
eröffnen gu rootten. 

9 ) gn „VraunS Slrdhio^ Vb. 10 ©. 493 ff. 

10 ) £as Nähere ftcl)c in „©chmotterS gahrbudh" 1897 ©. 296 ff. 

11 ) 3 u f(f mmc nftcllung ber (Ergebitiffe ber (Ermittelungen über bie 
SlrbeitSoerhältniffe in ber Äleiber* unb Säfhcfonfcftion. ©. 8. 



725 


Sogiale $rajts. Eentralblatt für Sogialpolitif. 9h:. 27. 


726 


eyportiren, 12 ) unb einen roirflich großen Ejport haben wir in Damen- 
tnänteln unb DamenjacfetS, bie roof)! etwa 9CM>/ 0 unfereS ©efamrnt- 
ejportS an Kleibern itn Betrage oon 1895: 80,i, 1896:105,g unb 
1897:97 Millionen SRarf fteUen mögen; and) baS aber finb 
roieber — unb groar gunehmenb 18 ) — beffere unb mittlere Sorten, 
Baaren, bie in jebem ber brei beutfehen Exportpläne, unb groar 
in Erfurt gänglid), in Breslau faft gänglüh unb in Berlin, bem 
Hauptejportplah, roenigftenS weit übermiegenb in Berfftätten |er* 
gefteHt merben. Durch bie Befeitigung ber Heimarbeit mürbe baher 
unfere Ejportprobuftion gar nicht ober nur am Aanbe getroffen, 
©etroffen mürben baoon — aber auch nur in einer Beife, bie 
burch eine oerbefferte Drganifation ber Sßrobuftion mett gemalt 
merben fönnte — bie ©efchäfte, bie heute bie bidtgen Baaren 
für ben SnlanbSfonfum probugiren; unb getroffen mürbe — unb 
groar ^offentüd) töblid) — bie efelhafte Sorte oon Sdhleuber* 
gefchäften, bie mit fd)Ied)t auSgebilbeten eitnatrB e itöfräftcn ber 
Ausbilbung entfprec^enben Sdfjunb probugiren. Das ^ei§t bie 
^onfeftion mürbe einfach oon ben Sd)tnufcpefd)äften befreit, bie 
ihrem tarnen Ijeute einen unappetitlichen Betgefd)madf geben. 

Drohbem roage ich auf bie unmittelbare Inangriffnahme ber 
Befeitigung ber Heimarbeit in ber Sfonfeftion niefjt gu hoffen. Biels 
leicht aber fieht man hoch ein, baß es roenigftenS fein Bebenfen 
hat, oielmehr bringenb roünfdjenSroerth ift, -fie eingufdhränfen unb 
ihre Befeitigung oorgubereüen. 9)tan führe baher gunt Btinbeften 
einige roirffame Erfchroerungen ber n eiTnar & e ü ein, bie Uleich* 
geitig geeignet finb, bie Durchführung ber Berfftättenregelung in 
ber Sfonfeftion mirflich gu fidjern. Diefe Erfchroerungen müßten, 
roie mir im oorigen Artirel gefeben, oon ber ©runblage ber perfo- 
nellen Trennung oon Berfftatt unb H.einütfbeit* auSgehen. 
ber Heplühe @ed)«ftunbentag fiir Arbeiter, bie in ber Berfftatt 
unb gu Haufe gugleich thätig finb, mürbe jebe roirffame Sfontrole 
auch nur beS SchufceS ber Berfftattarbeiter oerhinbern. URan 
fann es einem Arbeiter nicht anfehen, ob er 6 ober 11 Stunben 
ober roie lange er überhaupt in ber Berfftatt gearbeitet hat, e b c 
er feinen Bad Arbeit noch mit nach Haufe nimmt. Unb eine gu* 
treffenbe AitSfage oon ihm felber barüber ermarten, heißt oon 
ihm forbern, baß er fich feinen ©algenftrid felbft fnüpft. 

Aur ein Spftem, baS bem Arbeiter erfpart, Denungiant feines 
Arbeitgebers gu merben, ift roirflich burdhführbar, unb ein fold>eS 
Spftem hat man nur, menn man Berfftatt unb Heimarbeit 
perfoneil oollftänbig trennt unb jebe HeimarbeitSfraft 
gu bem AachroeiS ihrer befonberen Legitimation groingt. 
Dagu finb auf ben tarnen lautenbe, jährlich gu erneuernbe Heim* 
arbeitsfarten, bie felbftoerftänblich gu Soften unb Saften beS Unter* 
nehmerS auSgufteüen mären, nöthig. ES genügt bann bie Dhat* 
fac|e, baß eine mit einem ArbeitSbünbel anaetroffene Berfon eine 
folche $arte nicht oorgeigen fann, um ben Arbeitsausgeber ftraf- 
fällig gu machen. 

Um biefem aber bie Luft gu benehmen, womöglich auch 
Berfftattarbeitern eine folche Starte gu geben unb bamit baS ©efeß 
gu umgehen, unb um oor allem einer Erweiterung ber Heimarbeit 
entgegen gu treten, fie fomeit es gehl 3u erfchmeren, unb um enb- 
lieh auch gleichgeitig bie nötigen Bfittel für eine mirffame Stontrole 
ber Berfftattregelung gu geminnen, führe - man eine nicht gu 
niebrige ©ebüßr für bie AuSftedung foldtjer SahreSheimarbeitS- 
farten ein, eine ©ebühr, fagen mir einmal, oon etroa 10 JL ©ine 
folche ©ebühr märe genügenb, um bei ber Einführung oon Heim* 
arbeitsfarten auch nur in ber Stonfeftion unb nur für bereu roeib- 
liehe HeimarbeitSfräfte, ba es heute etroa 80 000 ftänbige unb eine 
große Angabi unftänbiger berartiger ArbeitSfräfte in biefer giebt, 
eine Einnahme oon minbeftenS 500 000 <M. pro 3abr fither gu 
fteUen. Sie mürbe mit anberen Borten bie dßittel gur Aufteilung 
oon über 100 meiblidhen gabrifinfpeftorinnen geroähren; 14 ) 
unb mit biefer Armee an ber Hanb. fönnte man enblich guten 
BtutheS an eine oodftänbige Durchführung ber burch bie befteuerte 
Heimarbeit fo fehr erfchroerten Berfftattregelung gehen. 

ES fott nicht behauptet merben, baß man nid)t oielleicht bei 
großer Anfpannung au<h mit einer ehoaS geringeren 3ab* wä* 
fommen fönnte. 3 n,ei f e ^ og a & cr ift, ba| eine fehr erhebliche Ber* 
mehrung beS QnfpeftionSperfonalS, roie fte h ie r möglich gemacht 
ift, bie beinahe nothmenbigfte gegenmärtige üföafcregel ift; fie ift es 

13 ) Seig, HauSgemerbe unb Sabrifbetrieb in ber Berliner Bäfdje* 
iubuftrie. 0. 13. 

13 ) Berichte ber Aeltcften ber ßaufmannfhaft in Berlin für 1895 
S. 200 (CS-yport nad) Gnglanb), für 1896 &. 223 ((Sjport nad) §oUanb). 
DaS finb bie $aupteyportlänber. 

u ) Der gefammte ©tat ber Eemcrbeinfpeftion beträgt heut in 
Breußen Oll 500 Ji. 


nidht etroa megen ber h^ oertretenen neuen Reformen — biefe 
mürben im ©egentheil lebiglich als Erleichterung ber 3afpe?tion 
roirfen — fonbern fte ift es in fjolge ber Aufgaben, bie bie Sn* 
fpeftion bereits bei ber geaenroärtigen Sage gu Iöfen hat. Btan hat 
burdb bie AuSbehnung ber ArbeitSgettregelung auf bie Berfftätten ber 
^onfeftion bie biefer Regelung untermorfenen Betriebe um etroa 
50 °/o oermehrt, inbem man gu 40 339 gabrifen etroa 20—25 000 
in SDtiethSfafernen unb auf Dörfern oerftreute ä^ifthenmeifterbetriebe 
gefügt hat. 15 ) Das bis bahin aus 278 Beamten, b. h- unter Be* 
riieffuhtigung ber Äeffelreoifionen etroa 160 BoHarbeitSfräften be* 
ftehenbe QnfpeftionSperfonal aber hat man nur in bem gewöhnlichen 
Dempo, b. h- ®on 1896 bis 1897 um 6 Beamte weiter gu oer* 
ftärfen oermocht. 16 ) BaS alfo foH bie gange neue ©efehgebung unter 
biefen Umftänben ohne eine Btoferegel, bie eine Bermehrung im 
großen Stil möglich macht, helfen. 

Das ift nun bie Einficht, mit ber man auch an bie Beur* 
theilung ber $läne gu gehen hat, bie über bie in ber SRegierungS* 
oorlage oorgefebene Regelung ber Äonfeftion unb oerroanbter ©e* 
roerbe hiaauSgehen. Sie finb, roie bemerft, in ben noch nicht be* 
fprodheiten Dheilen beS Antrags Hepl gu Herrnsheim enthalten. 

Die Borfhläge, bie hier gemacht roerben, finb ber Berfuch, 
eine Regelung für bie gefammte Hausinbuftrie, foroeit fie in 
Berfftätten betrieben roirb, aufgufteUen. Auf „ade gur geroerbs* 
mäßigen Be* unb Berarbeitung oon ©egenftänben bienenbe ArbeitS* 
ftätten, welche nicht als Sfabrifen ober Betriebsftätten ber Hanb* 
roerfer gu betrachten finb", füllen, wenn ber Arbeitgeber in ihnen 
nicht nur Samilienglieber befdjäftiat, bie ArbeitSgeitbeftimmungen, 
bie bie Sabrifgefefegebung für Arbeiterinnen unb jugenbliche Ar¬ 
beiter hat, mit ber eingigen Btojjgabe auSgebehnt roerben, bafe 
„oon ben BerroaltungSbehörben für beftimmte ©eroerbe unb 
©egenben Ausnahmen beftimmt roerben fönnen". 17 ) Es fod für 
biefe Berfftätten ein befonberer Schuh ber Arbeiterinnen gegen 
roidfürtiche Hebergeit, ein befonberer Schuh für fchroangere Ar¬ 
beiterinnen, ein Schuh für jugenbliche Arbeiter gegen gu lange Be¬ 
kräftigung hauptfächlich an Sßähmafchinen (Dretmafchinen), für 
fämmtliche Arbeiter gegen Sohnabgüge gefchaffen, eine Auffi^t für 
jugenblid)e unb roeibliche ArbeitSfräfte, bie in $oft unb SogiS 
ftehen, in Sftücfficht auf ihre Ernährung unb Unterfunft einge¬ 
führt unb enblich bie dRithaftung beS möglidherroeife oom Arbeit¬ 
geber oerfchiebenen EigenthümerS ber ArbeitSftätte für bereu fanitäre 
Befchaffenheit feftgefefet roerben; furg es fod ein ganges Südhorn 
wohlgemeinter Borfchriften über bie Snfaffen folther Berfftätten 
auSgeleest roerben. 18 ) 

Bie haben ft<h aber wohl bie Antragfteder bie Durchführung 
biefer Borfchriften, foroeit fie berart finb, bah de eine Snfpeftion 
ber Berfftätten erforbem, gebadht? Es mürben burch fie gu ben 
etroa 25 000 Betrieben, bie bie ÄonfeftionSoerorbnung neu unter- 
ftedt hat, gang fidler nicht weniger als etroa 50000 weitere un* 
groeifelhaft h.auSinbuftriede betriebe hingugefügt 19 ), Betriebe, bie, 
ba fie übermiegenb ber alten Deytilinbuftrie angehören, auf ©e- 
birgSbörfer unb abgelegene Stäbte oerftreut finb. Unb baS roären 
erft bie Betriebe, über Deren Unterftedtfein feine Sroeifel beftünben. 
3u ihnen fäme noch vid giöfeere 3af)l ber Betriebe, bie äußer¬ 
lich noch hanbroerfsmäfcig, in Birflichfeit aber ebenfadS hauS- 
inbuftried finb, oor adern bie gange große ddaffe ber Schuhmacher-, 
Schneiber* unb Difchlerbetriebe, bie ja augenblicfli^ in bie Ab¬ 
hängigfeit oon Berlegem unb Säben oerfmfen. ©erabe in biefen 


1J> ) Aach ber ©eroerbeftatiftif gab es 1895: 11 227 bauSinbuftrielle 
©ebülfenbetrtebc ber Aäherei, Schneiberei unb tfonfeftion; gu ihnen 
treten aber 7129 in weiblichen Hänben befinbüche „Aähftuben", bie fxdj 
nicht als HcutSinbuftrielle hcgeidjnet hatten, unb wohl fid)*r giemlich 
ebcnfooiele in männlichen ©änben befinbüche 3wifdjenmeifterbetriebe, 
bei benen bieS ebenfalls „aus Stolg" unterblieben ift. 

16 ) 3» ^reufeen weiter 1898 um 6, 1899 um 7 etatSmä&ige Stetten. 

17 ) Dag auch bie AuSbehnung ber Sonntagsruhe, bie für biefe 
Betriebe ja Iängft gilt, oorgefhlagen wirb, ift ein lapsus. 

18 ) ES wirb ferner nod) bie AuSbehnung ber Berpflichtung gum 

Aushang einer ArbeitSorbnung unb bie Einführung ber Berpfüdjtung 
gur Siftenführung über Aufcenarbeiter oerlangt. ' ’ 

19 ) Die ©ewerbeftatiftif oon 1895 giebt 27 351 berartige Betriebe. 
Sie fragte aber nur nach bem gu $auS für frembc Aedjnung 
arbeitenbeu Hausüibuftriettcu, beachtet alfo bie gangen Hausiubiiftrien, 
in benen bie HauSinbuftrietten ben Aohftoff übermiegenb felbft liefern 
(Äleineifeninbuftrie, torbmadjerei 2 c.) gar nicht. Außerbem haben fidj 
natürlich auch hier fehr oiel rein hausinbuftriette SWeiftcr, gumal in ber 
Dcjtilinbuftrie, „aus Stolg" nid)t als folrfje begeidjnet, fo baß bie gu 
berüdfichtigeube 3ahl, wenn mau aud) nur bie reinen, b. h- aus- 
fcbliefjlich für Berleger arbeitenbeu hausinbufirietteu Betriebe 'gunädift 
ins Auge fafete, fidjer minbeftenS gu oerboppelu ift. 



727 


Sogtale prajiS. (Eentralblatt für Sogialpolitif. SRr. 27. 


728 


betrieben ift fyuk bic allerftärfftc Ausbeutung ber jugenblichen 
Arbeitskraft bei ber Sehrlinggoerwenbung gu finben, unb fie, 
wenn man überhaupt oorgeht, auSgufchliefeen, märe unbenfbar. 
2Bo alfo füllte wohl in abfehbarer 3eit baS für bie Durchführung 
ber Arbeitsregelung in all biefen über baS ßanb oerftreuten Ar* 
beitSwerfftätten nothwenbige Perfonal herfommen. Unb nüt einer 
blofjen Beroielfältigung beg AuffichtSperfonalS märe bie©acf)e noch 
nid)t einmal gethan; es märe oielmehr eine oöllig oeränberte 
Drganifation biefeS ®ienfte^, überhaupt eine fogialpolitifdje Aftion 
umfaffenben ©tilg unb non einfdjneibenber s Birfung nothwenbig, 
um biefe Ausräucherung ber gefammten £>auginbuftrie unb ber ge* 
fammten gu ibr ^erabfmfenben Steile beS §anbwerfg gu leiften.— 
3n allen Beftimmungen, bie für ihre Sßirffamfeit bie fortgefefete 
Snfpeftion ber eingelnen SSerfftatt erforbern, mirb man baher beffer 
thun, auf bie wohlgemeinten SSorfdjIäge beg Antrags §epl gu ner* 
giften unb bei betn bisherigen ©pftem beS BorgehenS in eingelnen 
£auSinbuftrien, in benen man bann aHerbingg um fo gründlicher 
auSf ehren foüte, gu bleiben. 

©omeit aber nun ber Eintrag §epl SSorfd)täge enthält, bie 
auch ohne fortgefefcte (Eingelinfpeftion ber ©erfftätten unb baljer 
generell burchfüijrbar ftnb, ift gu fagen, bafj biefe Borfcfjläge nicht 
in ben Nahmen einer allein auf bie ,£>auSinbuftrie befdjränften 
©efehgebung paffen. (Es ift nicht eingufehen, warum bem jugenb* 
liehen Arbeiter bag treten an SRähmafchinen in bem Betriebe beg 
banbroerfgmähigen ©chneiberg meiter geftattet fein fott, wenn man 
eg in bem hauStnbujtriellen Betriebe gu oerbieten für nöthig b?It, 
marum ber f>anb werter meiter bag prioileg haben fott, ßobnabgüge 
für ttRiethe, Reinigung, Neigung unb Beleuchtung beg ArbeitSraumS 
unb für fdjulblog oerborbene Arbeit gu machen, roenn man an all bem 
ben bauginbuftrieüen Bleifter oerhinbert, marum enblich bem §anb* 
werfSmeifter nicht ebenfogut mie bem $auginbuftrietten bag Siecht 
ber Befchäftigung oon Arbeitskräften gu entgiehen fein fott, bie er 
burch ungenügenbe Ernährung unb Unterfunft in ihrer ©efunbheit 
oerfürgt. All bag finb Borfchriften, bie generell burchfübrbar unb 
baher auch ohne Stücfficht auf einen mifeoerftanbenen £)anbwerfer* 
fdfjufc generell gu erlaffen finb. Unfere ©ewerbeorbnung fennt big* 
her in biefen ©efunbfjeit unb ßohnrecht beg Arbeiters betreffenben 
fragen einen folchen „£anbwerferfchufc" nicht; ebenforoenig feniten 
ihn bie fthmeigerifchen Borbilber, benen bie Antragftetter ihre 
neuen Borfchtäge entlehnen. (Es märe eine Berungierung unferer 
©efefcgebung, menn mit biefen an fid) ja febr nüfclicben unb 
münfehengroertbeu Borfchriften ein berartigeg Pringip feinen (Ein* 
gug gu halten oermöchte. 

9Han führe alfo bie Borfchriften — eg banbeit ft<b ja bei ber 
beoorftehenben Beratung um eine generelle 9£ooette gur ©ewerbe* 
orbnung — ohne Bef<brän!ung auf bie f>auginbuftrie ein. Bor 
Allem aber gehe man in einem anberen, im Eintrag §epl ebenfalls 
gu eng gefaxten unb für bie fmuSinbuftrie äufcerft wichtigen 
punft einen ©chritt meiter: 5J?an locfe enblicb einmal bie &e* 
gierung aug ihrer Sleferoe gegenüber ber nid)tfabrifntä&igen Kinber* 
auSbeutung heraus! Dag generelle Berbot ber Befchäftigung fchul* 
pflichtiger Kinber, bag eine burch §erangiehung oon ßebrern unb 
©chulärgten febr gut gu fontrolirenben Biaferegel märe, ift b e ut 
überreif. B3er eg burdjfefct, tbut auch für bie gefaminte £>auS* 
inbuftrie mehr, alg alle biefe betreffenben Paragraphen beg An* 
tragg SSenl gu .frerrnSheim befagen. 

©hcnrlottenourg. Alfreb SBeBer. 


Allgemeine Sozial- tndt SHrtljfdjaftepolütk. 


ArbeiterberufSoereinc nttb porteipolitif. 

©ine bemerfengroertbe Aeufeerung ber „Deutfchen Berg* unb 
Öüttenarbeitergeitung" , beg DrganS beg fogenannten „Alten 
BerbanbeS ber Bergarbeiter", möge hier piafe finben. Das Blatt 
fchreibt: 

bie ©ewerfidjaftsberoegung fid) ant weiften ber fogialbemo* 
fratifdjen Partei nähert, liegt einfach baran, bab biefe oor allen anberen 
in ben Parlamenten oertretenen Parteien es uerftanben hat, bas 3 ll= 
trauen ber Arbeiter gu gewinnen. SSenn bie fouferuatinc, national* 
liberale, nltramontane ober freifiunige Partei bagu übergeht, bei jeber 
(Gelegenheit thath’äftig unb folgerichtig für bie Arbeiter eingutreten, 
bami mirb fid) bas Bilb halb änbern. Serben bie Arbeiter (Belegen* 
heit haben, ginäiiiucifcu auf bas arbeiterfreuublidie B.Urfcn ber be= 
treffeuben Parteien, bann werben bic allgemeinen ©i)mpathien fchon 
fommen. Unferes (iradjtens befiehl bas BcrhältniB ber C^ewerffdiafteu 
gnr parteipolitif barin, bau bie (^ewcrfichaften als fold;e jebe politifd^e 
Partei benufeen, oon ber gu erwarten ift, bafj fie bie Jorberungen ber 


gemerffchaftlich organijtrten Arbeiter thatfächlich unterftüfct. (SS ift 
baher eine 2lnma{3una, wenn Bertreter einer beftimmten Partei berfelben 
ein befonbereS HuffuhtSredht über bie ©ewerffebaftert eingeränmt roiffen 
wollen. unferent Berbanbc finb gahlreiche Anhänger ber SentTumS* 
partei unb beS greifinns, ja nationallibcrale Parteigänger finb oor* 
banben (wir hatten fogar im oorigen 3ahr e ein nationalliberales Bor* 
ftanbSmitglieb). Blit welchem Siechte fattn nun ein Anhänger ber 
©ogialbemofratie oerlangen, feine Partei muffe allein maftgebenb fein 
bei uns?!" 

BHe aber anbererfeitg bie Slugriffe gegen jebe Drgani* 
fation ber Arbeiter oon ©eiten gemiffer ©rofeinbuftriellen unb 
©rofegrunbbefther roirfen, bafür möge eine ©timme im Bereing* 
organ ber chriftlichen Bergarbeiter 3 eu Qni& oblegen: „S)er Berg* 
fnappe fchreibt: 

3ut Uebrigert mögen fid) bie Herren „©charfmacher" nur tnS 
©tammbud) cintragen, bah ber ©ewerfoerein gewillt ift, ohne bie ©ogial* 
bemofraten bie Sage ber Arbeiter gu oerbeffem unter Nahrung ber be* 
redhtigten^ntereffen ber Unternehmer, ba§ er aber auebnotbgebrungen, wenn 
le^tere bie guten Begebungen gu oereiteltt fucljcn unb fid) benfelben fchroff 
entgegcnfteUen, mit ben ©ogialbemofraten $anb iu^anb für bie bercd)tigten 
Beftrebungen ber Arbeiter fämpfen mu| unb wirb. 0b man bann 
barüber geter unb Blorbio fchreit tm grohfapttaliftifchen Säger, wirb 
ben ©ewerfoerein gar nicht berühren unb ihm gleichgültig fein. Blögen 
bann bie Scharfmacher unb B?and)eftermänner, benen hoch jeber 
ernfte SBille unb bas Beftreben, auch bem Slrbeiterftanbe gerecht gu 
werben, fehlt, bie Beantwortung für etwaige unliebfame golgen über* 
nehmen." 

2Jian hört aug biefen Bßorteu bie (Erbitterung heraus, bie 
chriftli^e, ber ©ogialbemofratie feinblich aegenüberftehenbe Slrbeiter* 
berufgoereine erfaßt, wenn oon einer Befchränfung ber ^oalitiong* 
freiheit bie Sftebe ift. 3n btefem Punfte benfen alle Slrbetter, bie 
ernfthaft für eine $ebung ihreg gefammten ©tanbeg eiutreten, 
gleid), unb bag Organ fathoüfcher Slrbeiteroereine 9iorb* unb Oft* 
beutfchlanbg, ,,^)er Arbeiter", fafet biefe allgemeine Uebergeugung 
oöüig richtig in bie Böortc gufammen: 

„©ewth war bie (Srregung berechtigt, bie ftch angefichts ber Sin* 
fünbigung weiterer Befchränftmgeu ber Koalitionsfreiheit ber Arbeiter, 
fogar unter guchthauSaubrohttugen, ber wetteften Bolfsfreife bemächtigte. 
Unb bie fo eifrig bafür eiutreten, benfen wohl weniger an ben Sdmfe 
ber SlrbeitSwültgen, für ben ohnehin genügenb geforgt ift, als an bie 
weitere Berbcfferung ber fchon ungleich günftigeren Stellung ber Slrbcit* 
geber auf bem SlrbeitSmarfte. .^eute im gcitaltcr beS gewerbltd)cu 
©ropctrtebeS, wo ber eingefne Arbeiter fein natürlidjes Stecht, feine 
SlrbeitSfraft möglichft gut gu oerwerthen, nur im gufammenfdjlufg mit 
ben Slrbeitsgenoffen wahren fann, ba ©erlangt bie einfache ©eredjtigfett 
wohl eine Befeitigung ber noch beftehenben Befchränfungen ber 
Koalitionsfreiheit, wenigftenS eine Befeitigung beS obwaltenben Stus* 
nahmerechts, nicht aber So^thauSoorlagen gur weiteren (Sinfchränfung 
ber Koalitionsfreiheit." 

2Bie oon oerfd)iebenen ©eiten gemelbet wirb, foH ber ©efeh* 
entwurf gum ©chufce Arbeitswilliger im SfeichSamt beg Innern nun* 
mehr fertiggefteHt worben fein. (Es foH bereits bie ©enehmigung 
beg KaiferS gur ©inbringuna im BuubeSrath erfolgt fein. 9?ach 
einer 9Mbung würbe ber (Entwurf bie oielbeutige Bezeichnung: 
©efefe über ben „©cfjufe Arbeitfucheuber" führen. ®te £h*on* 
rebe fünbigte befanutlich eine Borlage „gum©chuh beg gewerb* 
liehen ArbeitSoerhältniffeS" an. 


$lttg ber ArbeitS*©efehgebnng ^eufeelattbs Pom 3toijre 1898. 

2)ie ungemein rührige ©efefegebung ber auftralifchen Kolonie 
Sfteufeelanb h Q i au( ^ S^hre 1898 mieberum oerfchiebeue, bie 
Arbeiterfürforge betreffenbe Borfchriften neu gur ©infühmng ge* 
bracht. 3unächft fommt in biefer Begiehung bie mit bem 1. $e* 
bruar 1898 in Kraft getretene Mining Act 1898 in Betracht, welche 
unter Anberent befonberS bie Befchäftigung ber Arbeiter oberhalb 
ber (Erbe eingehenber regelt; baS ©efefc finbet übrigens auf bie 
Kohlenwerfe feine Anweitbung, fonbern nur auf bie fonftigen 
Bergwerfe. Alle biejenigen Perfouen, welche bie in Berbinbung 
mit bem BergwerfSbetriebe ftehenben Btafchinen gu bebieuen h^öen 
ober irgenbmie bei ber weiteren Behanblung ber BergwerfSprobufte 
in unmittelbarem Aufruf) an baS Bergwerf felbft befchäftigt finb, 
bürfen, abgefeheit oon gang befonbereu fßotI)fäIIcn, wie ©tnfturg, 
Berfaufen :c. nicht länger als acht ©tunben ununterbrochen in 
Arbeit gehalten werben, wobei bie BtoblgeitSpaufen unb bie 3^1 
beS SDampfan* unb AbfteüenS fowie beS ^eueranblafenS nicht mit 
in 9tedjuung gegogen werben; nach einer folgen ©chpt foU min* 
beftenS eine paufe oon 4 ©tunben fein, beoor wieber mit einer 
Arbeit begonnen werben barf. Anwerbern h a &en bie in Öraae 
ftehenben Perfouen, wenn fie fchichtweife fteben £age bec ^oc|c 
arbeiten, für je acht s Bod)en, mögen biefelben aufeinanber folgen 



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«Sogtale PrajiS. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 27. 


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ober nicht, je eilten ootten Qrcicriag ober iioei halbe geiertage gu 
beanfprudjen. VBeiber unb Wählen jebroeoen Alters unb Knaben 
unter 14 3taljren bürfen roeber unterhalb noch oberhalb ber Erbe 
int VerawerfSbetrieBe befchäftigt werben, ausgenommen ftnb nur 
Vureauoienft. Perfonen unter 18 Sahnen ftnb oon beut ®ienft 
am ©eracht abfolut auSgefchloffen unb foHen abgefehen oon aufeer* 
orbentlichen Nothfätten nicht länger als 48 ©tunben in ber Söodfje 
uttb nicht mehr als 8 ©tunben innerhalb beS ©ageS gu 24 ©tun» 
ben mit AuSfchlufe ber Wahlgeitpaufen arbeiten. 

©obann ift bie Wohnungsfrage für bie ©djaffcheerer, eine 
für Neufeelanb bebeutungSooDe Arbeiterflaffe, in ber Shearers Ac- 
comodation Act 1898 näher geregelt morben. ©er ©ouoemeur 
ber Kolonie fann banach befonbere 3tofpeltoren ernennen mit ber 
Verpflichtung, bie ©ebäube, bie oon ben ©chaffdjeerern benufet 
werben, unb fpectett bie ©d)laf* nnb ©peiferäume berfelben gu 
unterfuchen unb bafür ©orge gu tragen, bafe biefelben nach jeher 
Dichtung hin ben Anforberungen entsprechen, melche man billiger* 
weife mit Nücfficht auf bie ©efunbheit unb bie Vequemlid)feit ber 
fraglichen Arbeiterflaffe fteHen mufe. ©er ©d)lafraum, welcher 
nicht gleichseitig als ©peiferaum bienen barf, mufe minbeftenS 
240 Kubiffufe für jebe barin einquartierte perfon enthalten. Wo 
djinefifdje Arbeiter oerwenbet werben, ftnb für biefelben befonbere 
©djlafräume, abgetrennt oon benen ber übrigen ©d)affd)eerer, h er * 
gurichten. 

(Snblich ftnb noch bie Altersrenten heroorguheben, welche bur<h 
bie Old-Age Pension« Act 1898 gur Einführung gebracht ftnb. 
Seber, welcher baS 65. ober ein höh«*3 ßebenSjahr oottenbet hat, 
fott, fo lange als er in ber Kolonie aufhältlich ift, bie Verewigung 
auf bie gefefelich näher feftgelegte AlterSpenfion haben. Vor* 
bebingung für bie AlterSpenfion ift aber, bafe ber biefelbe Vean* 
fprudjenbe minbeftenS 25 Sahre lang ununterbrochen in ber Kolonie 
anfäffig gewefen ift unb bafe er währenb biefer 3eit weber eine 
Veftrafung mit gfreiheitSentgiehung oon 5 Sahren wegen einer 
ehrenrühngen Vergehung, noch innerhalb ber Iefeten 12 3ahre eine 
Veftrafung oon 4 Monaten ober gu brei oerfchiebenen Walen wegen 
einer mit greiheitSentgiehung bis gu 12 Wonaten ober barüber 
ftrafbaren Vergehung erlitten hat. Einen Anfprud) auf bie Alters» 
penfion haben ferner nicht biejenigen Ehemänner, welche ihre Ehe» 
frau oerlaffen baben ober welche ihre Alimentationspflicht gegen 
ihre Ehefrau ober ihre Kinber unter 14 Sahren oernachläfftgten, 
fowie biejenigen Ehefrauen, weldje ihren Ehemann ober ihre 
Kinber oerlaffen haben. Nur biejenigen follen fi<h ber penfton 
erfreuen, welche ein gutes moraIifd)eS Anfehen geniefeen unb ein 
ehrbares unb oorwurfSfreieS £eben führen unb minbeftenS bie 
lefcten fünf Saljre oor Snanfpruchnahme ber Penfton geführt haben. 
Hat Semanb ein jährliches Einfommen oon 52 £ unb barüber 
ober ein gefiebertes Vefifcthum oon 270 £ unb barüber, fo fann 
er feinen Anfpruch auf eine AlterSpenfion machen, ©ie Alters* 
penfton ift gefefeltth auf 18 £ für baS 3ahr feftgelegt; für jebeS 
Pfunb ©terling, welches gemanb über 34 £ hinaus jährlich ein* 
gufommen hat, ober für jeben Veftfe oon 15 £, welchen Semanb ftch 
geftchert hat, wirb 1 £ oon bem genannten Nentenbetrage jährlich 
übgefefet. Örentbe, Naturaliftrte, fofern fte nicht fchon fünf Qahre, 
beoor fie Attfpruch auf penfton erheben fönnen, naturalifirt finb, 
fowie Ehinefen unb anbere Afiaten, mögen fte naturalifirt fein 
ober nicht, haben niemals eine Verewigung auf bie AlterSpenfion. 


fiommimale Sozialpolitik. 


P?f«we für JtäbtifdJe.VeWenftete trab Arbeiter in Waiitg. 

Am 1. April tritt für Waing (Dberbürgermeifter Dr. ©afener) 
ein OrtSftatut in Kraft, welches bie gürforge für ftäbtifche Ve* 
bienftete unb Arbeiter bafelbft fowie für beren Hinterbliebene in 
fnapper, flarer unb anerfennenSmerther Weife regelt, ©ie im 
©ienfte ber ©tabt Waing gegen ©ehalt ober ßohn bauernb be» 
fchäftigten Perfonen, bei benen bie gürforge nicht fchon anber*- 
weit geregelt ift, werben banach 3 u f<hüffe gn ben Unfall* unb 
gnoalibenrenten, ihren Hinterbliebenen Wittmen* unb Waifengelb 
ernährt, ©ie gfürforge tritt ein, wenn ber Vebienftete ober Ar* 
eiter nach oollenbetem 21. ßebenSjahre minbeftenS gehn gahre 
ununterbrochen im ©ienfte ber ©tabt befchäftigt war. Wilitärifche 
Hebungen unb ärgthd) befcheinigte Kranfheiten, bie im Eingelnen 
bie ©auer oon brei Wonaten nicht überfteigen, bleiben aufeer Ve* 
rücffidjtigung. ©er 3 u f^ u & fteigt oon 20o/ 0 beS ©ienfteinfommens 
jährlich nrn 1 o/ 0 bis gum Hödjftbetrag oon 40 %• ®er Winbeft* 
beitrag ift auf jährlich 240 JL feftgefefet. ©aS Wittwengelb be* 


trägt 20o/ 0 beS ©ienfteinfommens beS WanneS, mag berfelbe im 
©ienfte ber ©tabt ober als 3nfd)ufeempfänger geftorben fein, min* 
beftenS jeboch 180 Jt ; baS Waifengelb 10 °/ 0 , bei mehreren Kütbern 
gufammen 20o/ 0 . ©er Vegug beS Wittwen* unb WaifengelbeS 
beginnt mit bem ©obestage bes Ehemannes ober Vaters. — Ein 
9teWSanfpruch ift ben Vetheiligten niW gegeben, grobes Ver* 
fchulben bei Eintritt ber ErwerbSunfähigfeit fott ben ©enufe aus* 
fchliefeen, hoch barf wohl angenommen werben, bafe nur in ben 
feltenften ÖäHen bie gürforge oerfagt werben bürfte. ©ie Qürforge 
fott ben Vetreffenben felbft gu ©ute fommen; ^fänbung unb Ueber* 
tragung biefer ßeiftungen ber ©tabt ftnb auSgefchloffen. 

©ogtale Mrforge ber ©tabt ©trafebnrg. Abgefehen oon ber 
Witwirfung ber ©tabt bei ber Ausführung ber fogialen ©efefe* 
gebung h at bie ©tabt ©trafeburg nach bem Verwaltungsbericht 
1889/94*) fid) im Wefentlichen auf bie Unterftüfeung gemeinnüfeiger 
Vereine unb Waffen, an bie Sugenbhorte un 5 genenfolonien, auf 
Errichtung oon Wärmeftuben für Arbeiter unb S^othftanbSarbeiten 
(Einebnungsarbeiten auf früherem 3feftungSterrain, ©chneefchaufeln, 
©teineflopfen) befchränft, nicht eben oiel für ben Wittelpunft beS 
! Elfafe. 9ieuerbingS ift atterbingS bie Wohnungsfrage fo fräftig in 
Angriff genommen, bafe ©trafeburg barin gerabegu als Vorbilb 
bienen fann. 

©ie ftäbtifdje ShtobenarbeitSaitfitalt ga ©annftabt**) hat einen äljn* 
liehen 3roed, w« er neuerbtngS in ben VorfWägen gegen bie Ver* 
rohung ber gugenb in ben Parlamenten auSgebnicft würbe, nämlich 
Änaben oon unbemittelten (Sltern, bie in ber oom ©cbulbefudfje freien 
3 f tt nicht gehörig überwacht werben fönnen, unter Aufficht gu befcfeäf* 
tigen, fte hierburdj oor ben (iinflüffen nachtheiliger ©efettfdjait gu be* 
wahren, an nüfelidje ©h^tigfeit, Drbnung, Aeinlichfeit, Eehorfam unb 
gute ©itte gu gewöhnen, fowie ihnen ©elegenheit gu einem Verbienfte, 
nach Verhältnife ihres J^leifeeS unb Vetragens, gu geben, ©ie Vefcfeäfti* 
gung ber Ä'naben befteljt in gelb* unb ©artenarbeiten unb, währenb 
ber Wintermonate, oorgugSweife in ©trohfleWereien; bie 3eü ber Ve* 
fchäftigung ber Knaben ift auf Nachmittags oon 4 bis 7 Upr, mit Aus¬ 
nahme ber ©onn* unb geiertage, feftgefept. ©ie Anftalt war 1897/98 
oon 195 Knaben befudjt. An 17 aus ber Anftalt im April 1898 aus¬ 
getretene tfonfirmanben würben, aufeer bem baar ausgegahlten 1897/98er 
ArbeitSoerbienft im Vetrage oon 186,ia JC, beren ©parfaffenbiieher über 
eine ©efammteinlage oon 543,79 M. oerabfolgt. ©as ©efammtguthaben 
eines Änaben beim Austritt aus ber Anftalt ftcüte fid) hernach im 
©urchfdjnitt auf runb 43 JC. ©er für 137 3öglinge ber Anftalt in bie 
©parfaffe eingelegte 1897/98 er ArbeitSoerbienft beträgt 1233,i 8 M. unb 
beläuft fid) fomit im «bgelaufenen 3ahre ber ArbeitSoerbienft eines 
3öglingS im ©urdjfdjnitt auf runb 9 M. ©ie Ausgaben ber Knaben* 
arbeitsanftaltsfaffe belaufen fid) in 1897/98 auf 35 872,98 JC 3 ur 
©eefung biefer Ausgaben war aus ber ©tabtfaffe ein Sufdjufe oon 
3352,39 M. erforberlich- Vebenflicfe ift babei, ob nicht bei einer brei* 
ftiinbigen ErwerbSbefchäftigung neben ßftüubiger ©chulgeit, alfo gu¬ 
fammen 9ftünbiger ArbeitSgeit Der Shtaben bie häuslichen Arbeiten ber 
Knaben gu htrg fommen. 

©täbtifche SHoSfe für antiolfoholifche ©etrMe, wo Kaffee für 5 &f ., 

Vriihe für 10 &f. oerfauft wirb, werben nach bem Verwaltungsbericht 
1897/98 in SanbSberg a. W. errichtet, ©olche SUoSfe, wie fie für 
Äaffee beifpielSweife in granffurt a. 3». befteheu, finb wirffame SNittel 
bem Vranutweingenufe entgegen gu wirfen unb, befonbers im Winter, 
für bie unoerheiratheteu Arbeiter eine Wohlthat. 

©tättifdje ArmenunterftÄ^nit® für ftreifettbe Arbeiter in Eaglanb. 
Eine Älage ber ©teuergahler oon SRerthqr ©nboil in Wales gegen bie 
bortige Armenbefjörbe, welche ftreifenben Äoplenarbeitem Armenunter* 
ftü^ung gegeben hotte, würbe nach ber »grffr. 3*9-" in ber VerufungS* 
inftang mit ber Vegrünbung abgewiefen, es fei nicht erwiefen, bafe bie 
Armenbehörbe nach irrigen Erunbfäfeen gehanbeit höbe. 


Söziolt 


©ie ÄrBeitSlofiafeit tu ©rofebritamnen tm 3affte 1898. Nach 
ben regeltnäfeigen geftftettungen beS Labour Department beS Board 
of Trade für ©rofebritannien, welche auf ©runb birefter monat* 
lieber Wittheilungen oon etwa 120 theilS gröfeerer ©rabe UnionS 
mit einer Witgliebfdjaft oon nahegu einer halben Willion erfolgen, 
hat ftch bie ArbeitSloftgfeit innerhalb ber ©Äoerffdhaften unb ba* 
mit im Wefeutlidjen übereinftimmenb auch wohl in ber ©efammt* 
arbeiterfchaft bes oereinigten Königreichs im Allgemeinen oon 
einem höhnen nach ein c ni nieberen ©afe hiabewegt, währenb für 

*) Vearbeitet oon Dr. Earl Vuecbel im Aufträge ber ©iabtoermal* 
tung nach amtlichen Quellen, ©trafeburg. Elfäffifche ©ruderet unb 
VerlagSanftalt norm. &. gifchbad). 

**) Vgl. ben Verwaltungsbericht ber ©labt 1897/98. (©armftabt 
1899). 



731 


©ogiale SßrajiS. Gentralblatt für ©ogialpolittl 9h. 27. 


732 


baS 3aßr 1897 in bcr Hauptfadje bic entgegengefefcte ©ewegung 
gu fonftatiren war; bas 3aßr 1898 fteUt fid) alfo in biefer 
Richtung an ficf) fcßon als ein güuftigeS bar. Rad) ben berührten 
0fe[tftellungen hatte lief) ber ^rogentfafc, welken bie Arbeitslosen 
bcr ®efamtntheit ber Arbeiterschaft gegenüber ausmachen, im 
3abre 1897 non bem AnfangSfafc gu 3 /3 % int Januar nach einem 
anfänglichen ©infen Bis auf 2 , 3 % im 9Rai attmälig in fort* 
wäßrenber ©tetgung bis auf 5,. } % im $>egember gehoben; 1898 
fällt nun ber ©afe oon biefer Höße gunäcßft bis 3uni ununter* 
broeßen; fchon im Januar geht er unter 5%, im Sebruar Bis auf 
wenig über 4 %, im ©Järg bis auf 3,i °; 0/ im April auf 2,9 %, 
im uftai auf 2 /7 % unb im 3uni auf 2, 6 %; im 3«li bleibt fo* 
bann ber Ießtere ©ah fonftant, um allerbingS im Auguft auf 2,g % 
gurüefgugehen, welcher Rücfgang bann aber im ©eptember, ber 
wieberutn 2, 6 % geigte^ fchon eingeholt wirb; Dftober unb Rooember, 
bie als SSiittermonate im Allgemeinen nicht gu ben günftigften gu 
gäßlen finb, haben aber hoch noch ein weiteres Herabgehen beS 
©rogentfapeS ber ArbeitSlofigfeit auf 2, ö °/o unb 2, s %; im $)egember 
enbücß h*bt fuß ber ©ah allerbingS wieber auf 2,9%, er bleibt 
aber mefentliiß hinter bem $>egemberjaß oon 1897 unb in geringerem 
©Jaße auch noch hinter bem oon 1896 gurücf. 3m 3ah^e 1896 
fam ber ©rogentfafc nur in einem ©Jonat etwas unter 3 %, baS 
3ahr 1898 erweift fich bemnach in ber §auptfadje als wefentließ 
ünftiger als biefeS unter ben lebten Sahnen oortheilhaftefte 3aßr; 
as 3ah^ 1895 hat ein Minimum oon etwas über 4 °/o, baS 3ab* 
1894 ein foId^eS oon 6 °/ 0 . 23erücfftc§tigen wir nun bie ©erfdjieben* 
heit ber ArbeitSlofigfeit innerhalb ber etngelnen bie ©lelbungen er* 
ftattenben £rabe UnionS nach bem ©tanbe oon Gnbe $)egember 1898, 
fo betrug bei 32 berfelben mit 22, 4 ü / 0 ber gefammten Arbeiterfcfjaft 
bie ArbeitSlofigfeit unter 1 o/ 0/ bei 32 mit 22,4 % ber Arbeiter* 
fdßaft 1—2 o/ 0/ bei 9 mit 2,i o/ 0 ber Arbeiterfcßaft 2—3 o/ 0 , bei 22 
mit 47,5 % ber Arbeiterfcßaft 3—5o; 0 , bei 4 mit 1, 2 % ber Arbeiter* 
feßaft 5—7 o/ 0 , bei 7 mit l, 6 0 /o ber Arbeiterfcßaft 7—10o/ 0 unb 
bei 12 mit 2, 8 o/ 0 ber Arbeiterfcßaft 10 n /' 0 unb barüber. ^er ßoße 
©tanb ber ArbeitSlofigfeit gu Gnbe beS SaßreS 1897 unb gu Sin* 
fang beS 3<*hreS 1898 ift wefentlidE) auf ben beseitigen großen 
unb umfangreichen ©treif ber ©Jafcßinenbauer gurüdgufüßren. 

Völlige ttnterbrfitfung ber ©ettelei ttt ffranfreteß wirb Durch 
ben ©arifer ‘Seputirten ©errp oon feuern Durch einen Antrag in 
ber ^eputirtenfammer in Anregung gebracht. SDer Antragfteller 
geht hauptfäcßlicß oon ben ©Ußftänben aus, i#eld^e bie weitgebenbe ] 
Dolerang gegenüber bem berufsmäßigen ©ettlertßum in ©aris er» i 
geugt hat. H err ©errp beschäftigt fidj fcßon feit 3aßren mit biefem 
Problem, unb fein Antrag wirb, obwohl er nur ßöcßft unbeftimmt 
unb allgemein Abhilfemaßnaßmen oorfchlägt, intereffant, weil barin 
mit großer ^etailfenntniß bie ©raftifen unb ©efcßäftSgeheimniffe 
beS profeffionSmäßigen ©ettels aufgebeeft werben, ©errp oerlangt 
üööige Abfcßaffung aller gefehlten ©eftimmungen über ©aga* 
bonbage unb ©ettelei, einfaches ©erbot unb Unterbringung Der 
©eitler in 3mangSarbeitShäufern begw. Arbeitsformen. 


Arbeitgeber- tutb MnteroeJjmemrbimbe. 


$cr ©ereilt ber dtobttflrtettett beS RegierungSbcgirfS Äöl« 

hat in feiner legten ©ihung auf ©runb eines ©ortrageS beS frei* 
foitferoatioen SanbtagSabgeorbneten ©orfter gu ben im Reichstage 
eingebrachten fogialpolitifdjen Snitiatioanirägen ©tellung genommen 
unb folgenbe Grflärung befchloffen: 

„Güte geniigcitbe frtdjlidje ©eranlaffung gu btefen Anträgen fann 
ber ©erein nad) bem ©tanbe ber Arbeiterfrage, [oweit ber ©ereinS* 
begirf in ©etradjt fommt, nidjt anerfennen; ift oielntehr ber lieber* 
gciigung, baß burch bic Ausführung ber beantragten Glefeßc baS hier 
im Allgemeinen frieblidje ©erßältniß gwifdjen ben ftiroßgewerbetreibenben 
unb ben Arbeitern ohne Roth geftört werben würbe, ' $er ©erein hält 
au bem Wrunbfah feft, baß ber unmittelbare ©erfeßr gwifdjen Unter* 
itehmer unb Arbeiter bcr hefte ©.‘eg gunt Aitögleidj etwaiger ©treitig* 
feiten ift. Gr fprießt gd) baßer entfehieben gegen neue fogialpolitifche 
Giuridjtungen, wie Ginigungsämter :c., aus, bie feine befriebigeitbc 
Grlebigiutg etwaiger ©treitigfeiten gewäßrlcifteu, Dagegen bem ohnehin 
burd) ÜERitwirfung bei bcr Ausführung ber Arbeitergefeße^oßnebicS ftarf 
belaftetcn Öewerbetreibenbcn noeß weitere Opfer au\^cit unb Mraft gu* 
mutßen würben. Gr weift namentlich and) bic ©diaffuug neuer ©>aßl= 
förper gurücf, bie lebiglicß bie mit ben fdjon befteßenben ©>aßlgcfd)äften 
nerbunbeue Aufreigung gegen bie Arbeitgeber unb btc ©erfeinbung unter 
bett oerfeßiebenen Arbeiterparteien noch oerftärfeu würben." 

(Gemeint finb in erfter fiinie bie Anträge o. £epl * ©affennann 
unb lieber *^)iße auf ©ilbung gemeinfamer Drganifatiorten oon 


Arbeitgebern unb Arbeitern gur ßöfung oon beftimmten Aufgaben. 
(Sntfleibet man bie gegen biefe Einträge gerichtete Refolution ber 
lofen §ülle euphemiftifchen ©eiwerfs, fo tritt als ihr $ern bie 
rücffichtslofe ©roflaniation beS Rechts auf Ijerrfchaft beS Slrbeit* 
geberS über ben Arbeiter naeft gu Xage. ®ie „$ßoft" jubelt natür* 
lieh über btefen ©efchluß beS rßeinifchen gabriffeubaliSmuS unb 
hofft, baß „man fich au % benjenigen nationalliberalen Greifen, 
welche aus wahlpolitifdjen Rücffichten ben Anträgen ber Herren 
©affermann unb 3*hr. o- *&ct)l gu folgen geneigt waren, ber lieber- 
geugung nicht mehr lange oerfdjließen fönne, baß jener ©eiten* 
fprung aus ber bisher oon ber nationalliberalen Partei inne* 
gehaltenen fogialpolitifdjen Richtung nicht baS ©krf eines ©JeifterS, 
fonbern eines argen Dilettanten auf bem ©ebiete ber politifchen 
Xaftif war." Auf einen ähnlichen Appell hot ft<h <$eneralfefretär 
©ueef fchon früher eine feßr fdjarfe 3urücfweifung burch ben Ab* 
georbneten Srßr. o. |?et)l im Reichstag geholt. 2öir hoffen, baß ber 
,,^oft" unb ihren Hintermännern je^t baS gleiche SooS wiberfahrt. 

GtefammtPerfiaiib beittfdjer FletaÄiitbulrieÖer. ^olgenbes ©cßreiben 
geßt bureß bic ©ewerffcßaftSpreffe: 

©crltn, ben 13. ^egember 189S. 

Runbfcßreiben Rr. 12 pro 1898. 

gufolge einer uns uom ©erbanbe ©erliner RJetaHinbuftrieüer gu* 
gegangenen ©httßcilung nehmen wir ©eranlaffung, unfere ©litglieber 
ßierbnrcß oor ber Ginftellung beS SormerS A .... $ ... ., geb. am 
17. SÄai 1859 gu G . . . ., gu warnen, unb empfehlen für etwa ge* 
wünfdjte nähere AuSfunft in biefer Angelegenheit ben bireften ©erfeßr 
mit genanntem ©erbanbe (©erlin N., Oiarteuftraße 160). 

Hocßadituiigsooll 

©efammtoerbanb beutfdjer SRctallinbuftrieller. 

5)er ©orfißenbe: HReßmann. 

3Ber fd)iißt nun biefen Arbeiter, wenn er arbeitswillig ift, Arbeit 
fließt unb überall abgewiefeit wirb? 

©ertaub ber Arbeitgeber für baS ©djtteibergetoerbe in Sttfiwhnt. 

^ie fclbftftänbigen Rlcifter für baS ©cßneibergewerbe in HRüncßen haben 
fieß, ocraulaßt burch ben ©treif ber (Heßülfcn, gu einem ©erbaub gu* 
tammcngefdjloffcn, beffeu 3*oecf es ift, bei ooller Anerfennung etwaiger 
beredjtigter ©eftrebungen ber Arbeitcrfcßaft unbereeßtigten Jforbenmgen 
unb Ansfcßreitungen entgegengutreten. 


JCtbetterbttaegnitg. 

^er ©erfueß beS allgemeinen AttSftanbeS tn gfranfreicfj 
tm Oftober 1898. 

Racß neuen Cuellen bearbeitet. 

©Jan wirb fuß erinnern, ’) baß am 13. ©eptember oorigeu 
3aßreS bie drbarbetter oon ^aris ißre Arbeit einfteüten. GS 
bauerte nießt lange, fo ergriff bie ©emegung bie ©auarbeiter, felbft 
bie Arbeiter attberer ©ewerfe, unb bei bem Umfang, ben ber Aus* 
ftanb annahm, fonnte man ftd) fragen, ob man fieß nießt am ©or* 
abenb beS allgemeinen AuSftanbeS befänbe, biefer „Reoolution ber 

S efreugten Arme", oon ber ein großer £ßeil beS organifirteu 
IroletariatS tu granfreieß bie ©eroefferung feiner ßage erwartet 
Gtnen eifrigen Qelbgug gu (fünften beS allgemeinen AuSftanbeS 
führte feit mehreren 3ah^n baS Allgemeine ©pnbifat ber 
Gifenbahnarbeiter ÖranfreicßS unb feiner Kolonien 
(„Syndicat National des Travailleurs des Chemins de Fer de 
France et des Colonies“) gegrünbet 1890 unb oft nach feinem 
leitenben GJefchäftSfüßrer ©pubifat ©uerarb genannt ©tolg 
auf feine angeblid)en 70 000 ©Jitalieber 2 ) unb bereu oorgeblidße 
^iSgiplitr, uaßm es für fieß bie Gßre in Anfprucß, im aünftigen 
Augenblic! baS 3 e i^ en S ur ßinfteÜung ber Arbeit gu geben; alle 
Maßnahmen füllten getroffen fein; am 2^age, wo feine ©Jitgltebcr 
ißre ^often oerließen, würbe ißr ©cifpiel nidßt allein Diejenigen 
Angeftellten ber Gifcnbaßnen mit fortreißen, bie einem ber betoen 
anbern unter beit Gifenbaßnerit noeß befteßenben, mtnber bebeutenben 
©pnbifate angeßörten, fonbern audj bie Arbeiter oon 350 anbereit 
©ercintgungen. ^5ie ©erßältniffe lagen im Anfang Dftober 1898 
Derart, baß baS ©pnbtfat, oon allen ©eiten gebrängt, fteß in bic 
3wangSlage oerfeßt faß, Den allgemeinen AuSftanb gu erflären. 
©eiten ift eine ©ewegung in fo fläglidjer 2Bcife gefeßeitert, unb 
bie oöllige Rieberlage beS ©nubifats Oluerarb ßat unter ber 
Arbeiterbeoölfcrung unb aud) fonft im ijanbe einen ungeheuren 
Ginbrud ßeroorgernfen. 

©gl. „©ogialc ©rajris", oaßrg. VII, 3p. 1343, 1375 unb 
vsaßra. VIII, 3p. 12, 41. 

“0 ^it 5i?irflidifcit gählt bas ©nnbifat ('hierarb nur l9-2()ono 
gaßlcnbe ©titglicber. 



733 


Sogiale $ta£tS. ©enfralblatt für Sogialpoütif. 9Jr. 27. 


734 


ViS jeftt mar matt, roenigftenS itt ber Deffentliepfeit, nur un* 
genau über bie Vebütgungen unterrichtet, unter benen ber Ver* 
roaltungSratp beS Spnbifats beit MuSftanb oorbereitet uitb erfiärt 
batte. 3eftt finb mir beffer unterrichtet. $>as Spnbifat pat fürg* 
lieb, am 20. unb 21. Januar b. 3$-, in Baris eine §auptoerfamm* 
lung abgebalten, um baS Verhalten beS VerroaltungSratpeS anläft* 
lieb beS MuSftanbeS gu prüfen unb geroiffe fragen gu erörtern, 
bie aus bem Scpeitern ber Veroegung erroacbfen maren. $er 93er* 
roaltungSratp bat ber §auptoerfammluitg einen ausführlichen 
Bericht über bie ©reigniffe beS OftoberS 1898 oorgelegt. 8 ) Mn ber 
$>anb biefeS Scpriftftücfs, baS ich naep meinen eigenen Ermittelungen 
ergänzen toerbe, roitt icp oerfuepen, bie fmuptpunfte biefeS MuS* 
ftanboerfueps no(b einmal oor Mugen gu führen. 

3m ^Ipril 1898 hielt baS Mttgetneine Spnbifat in Baris feine 
neunte §>auptoerfatnmlung ab. 3n biefer mürbe am 30. Mpril 
ber allgemeine MuSftanb bitreb bie Vertreter oon 54 gegen 13 (Gruppen 
befcbloffen. ®ie Vertreter oon 28 ©ruppen batten fttb Mangels 
einer Vottmaept ber Stimme enthalten; 3 ©ruppen enbHcb roarut 
im Mugenblicf ber Mbftimmung rti<bt oertreten geroefen. Hm ber 
Jmuptöerfatntnlung bie gange VerantroOrtung für ihren Vefepluft 
nt übertaffen, hatte es ber VerroaltungSratp oermieben, in bie 
Verpanblungcn eingugreifen. 2)ann nahm bie ^auptoerfatnrnlung 
folgenben Antrag an; „^ie §auptoerfatnmlung beauftragt ben 
VermaltungSratp, oon ben ©i[enbapngefettfcpaften eine beftimmte 
Mntroort auf bie feit 1893 mieberbolt gefteElten Öorberutttjett gu 
oerlangen, unb fte iiberläftt es ihm, in tpunlieper grift bte ihm 
geeignet erfcbeiitenben Vtaftnapmen gu treffen, im Sinne ber ©nt* 
fcpUeftungen unb Söefcblüffe ber £auptoerfammtung". ©nbliep nahm 
bie |>auptoerfammtung oor ihrem MuSeiitanbergepen bie nach*» 
ftehenbe £ageSorbnuttg an: „$)ie beoollmä(btigten Xpeilnepnter ber 
neunten §auptoerfammlung finb beS unleugbaren böfen SöittenS 
ber ©ifenbapn*©efettfcpaften tnübe unb entftbloffen, nicht länger gu 
märten; fie geiebnen bem VerroaltungSratp unb bem Spegial* 
auSfcpuft bie Dichtung oor, bie fie gu oerfolgen haben unb rechnen 
auf ihre ^patfraft." ©S ergab ftep alfo aus biefen groei Vefcpliiffen, 
baft ein leftter Schritt bei ben ©efettfepaften oerfuebt, unb im Satte 
beS VliftlittgenS ber MuSftanb erfiärt merben fottte. 

Unmittelbar barauf unb noch ehe er ftcb an bie ©efettfepaften 
gemanbt hatte, unternahm es ber VerroaltungSratp für baS 
Stjnbifat Stimmung gu machen, um fiep für ben eintretenben Satt 
^ülfstrnppen gu febaffen unb ben ©ifenbapitgefettfcpafteit bie $änbe 
gu binben. So fuepte er ftcb gegebenen Sattes bie Unterftüpung 
ber StjnbifatSoerbänbe ber anberen ©eroerfe gu fiebern. 3 U biefem 
3mecfe fanbte er an jeben oon ihnen ein Statbfcpreiben mit ber Sin* 
frage; 1. Ob man im Satt eines MuSftanbeS ber ©ifenbapner ge* 
neigt fei, bie barauS für ben Mugenblicf entftehenben Unantiepmlicp* 
feiten auf fiep gu nehmen; 2. ob man entfeploffen fei, fiep ber Ve* 
megung beS ©ifenbahn*SpnbifatS angufcplieften, um bie eigenen 
Sorberungen burcpgufefcen. 

Mm 12. Soli richtete ber Verroaltungsrath an bie fieben groften 
Vapngefellfepaften unb an bie tthngbapn*©efettfcpaft ein Schreiben, 
in bem er fie erfudpte, einer Mborbnung feiner VJitglieber eine 
Unterrebung gu geroäpren unb ihr einen Vefcpeib gtt geben über 
bie oerfepiebenen fünfte einer längen fiifte oon Sorberungen, bie 
baS Stjnbifat ben ©efettfepaften tm Sah« 1893 oorgelegt batte, 
©ingig ber 2)ireftor ber StaatSeifenbapnen gemäprte ber Mborb* 
nung eine Unterrebung (28. 3uli), roelcpe übrigens opne praftifepe 
©rgebniffe blieb. Mtte anberen ©efettfepaften metgerten ftcb, in Ver* 
pattblungen mit bem Spnbifat eingutreten. 

SRacpbetn biefer Scpritt fruchtlos geblieben mar, patte ber 33er« 
roaltungSratp, um ben Mnroeifungen ber neunten §auptoerfammlung 
gu folgen, fofort ben MuSftanb erflären müffen. Sr tpat nichts 
bergleicpen. Um gu panbeln, ermartete er, mie er feitbem erfiärt 
pat, bie Mntroorten ber SpnbifatSoerbänbe auf fein Bunbfcpreiben. 
Mucp als am 13. September ber MuSftanb ber ©rbarbeiter aus* 
braep, blieb feine -Spaltung abroartenb. Mm 22. September patten 
oon 2000 angegangenen Stjnbifaten nur 198 ipre Vteinung funb* 
gegeben. $>ie einen erflärten fiep gegen ben allgemeinen MuSftaitb; 
bie anbern erflärten fiep bereit, bem Vorgepett beS ©ifenbapn* 
Srjnbifats fiep angufcplieften, aber nur unter geroiffett Vebiitgungen; 
anbere gäplten bie ©riinbe auf, bie fie oon ber VetpeÜigung ab* 
hielten; 3 4 ) 46 enblicp fünbigten ipren Sntfcplup an, gleichzeitig mit 
ben Sifenarbeitern in ben miSftanb gu treten. 

3 ) 3» ber „Sogtalen ^raris'' fitrg crioäfjnt. psaljrg. VIII 0p. 451. 

4 ) So baö Srjnbifat ber" Straften reinig er non SWarfcifle, bie er= 
flärten, baft gcrabe bitrd) gortfepung ber Arbeit im Hugenblicf be« all* 

gemeinen Slusftanbes fie „meit entfernt banon, ber OlcfcUfrf^aft „^Jnrio* 


9focp in biefem Slngenblic! hätte ber SSerroaltungSratp bie 
©inftettung ber Arbeit für bie aßüglieber beS SpnbifatS befcplieften 
unb baburep roeniaftenS einen £peil ber 46 Spnbifate beftimmen 
fönnen, ben SluSfianb ju erflären. (Sr getraute ftep niept bas 
SBagnift. Später pat er ben begangenen S«hfcr eingefepen unb 
ihn mie folgt befepönigt: „S53äprenb mir unfere 3^it mit unnüpen 
33eratpungen oerloren, mürben unfere ^ameraben, bie Bapnarbeiter, 
feproanfeno." Slber er felbft, ber SBenoattungSratp, feproanfte; beim 
er nahm mit allen gegen eine Stimme bie folgenbe ßntfeptieftung 
an: „$)er S3erroaltungSrath entfepeibet, bap es am $lape tft, bie 
©rflärung beS allgemeinen SluSftanbeS aufgufepiebett". 

tiefer Söefcpluft, im Slugenblicf, roo in $aris eine ©eroerf* 
fepaft naep ber anbern in ben SluSftanb eintrat, rief ©rftauneu 
unb in geroiffen Slrbeiterfreifen fogar eine feparfe Sfritif peroor. 
3öar eS alfo roapr, bap bie Bereinigung, oon ber man baS 
ßeicpeu gum ßanbeln ermartete, fiep meigerte, ber bereits opne fie 
begonnenen Semegung fiep angufcpliepen! $)er uns oorliegenbe 
33eri<pt gept flüeptig über biefen äbfepnitt ber ©reigniffe beS DftoberS 
pinmeg, aber mir fönnen ipn ergängen. 

2lm 8. SDftober mar ein ©entralauSfcpup ber 5luS« 
ftänbigen gebilbet morben, ber fiep auS je groei Vertretern ber 
bamals auSftänbigen ©emerfe gufammenfepte. Vom Slugenblicf 
feiner dinfepung ab, bemüpte fiep ber SluSfcpup, bie Vemegung gu 
befcpleuniaen, um gum allgemeinen SluSftanb gu gelangen. Eines 
ber Vtittel, auf bie er rechnete, um bieS 3iel gu erreichen, mar, bie 
Slrbeitseinftettung in geroiffen öffentlichen Vetrieben burepgufepett. 
3u biefem 3a)ccf manbte er ftep an brei Spnbifate, oon benen 
groei namentlich oorgüalicp organiftrt unb oon groper VHcptigfeit 
ftnb, ttämlitp baS ber Arbeiter ber $arifer ©aSgefettfcpaft, baS ber 
Slngeftettten ber DmnibuS unb Strapenbapnen unb enblicp baS ber 
Barifer ©ärtner. 2)ie brei ©efcpäftsfüprer biefer Vereinigungen, 
alle brei ber „Sogialsreoolutionären 5lrbeiter*Vartei" 5 ) 
(auep genannt „BttemansVartei") angepörig, prüften gemeinfatn bie 
ßage unb fanben fte fepr ernft. Sie roottten es niept auf fiep 
nepmen, ben allgemeinen SluSftanb gu erflären, hingegen entfepieben 
fie, bap baS @ifenbapn*Spnbifat megen ber Vebeutung beS VetriebS, 
ben eS gum Stillftanb bringen fonnte, unb megen feines fo oft 
bemiefenen ©influffeS unb feiner SÄacpt ben Anfang mit ber Ve* 
megung gu maepen pabe unb bap fiep ber ©entralauSfcpup gu aller* 
erft an bieS Spnblfat roenben foffe. 2)er ©entralauSfcpup eignete 
ftep biefe VetracptungSroeife an unb ftettte ben VermaltungSratp beS 
©ifenbapn*SpbifatS oor bie entfepeibenbe S^age. 9Jun gehörten 
aber bie pauptfäcplicpften ttttitglieber biefeS VermaltungSratpS 
ebenfalls ber „Sogial* reoolutionären Arbeiter ^ Partei" an. 
Sie fanben fiep oor bie SöapI geftettt, enttoeber ipre ©runbfäpe gu 
oerleugnen unb ftep bei ipren politifepen Sreunben unmöglich gu 
maepen ober ben Stusftanb gu erflären. 3 u at Iepteren mupten fte 
ftep gegen ipren Sitten entfepliepen. 

©eftüpt auf bie ipm oon ber neunten §auptoerfammlung oer* 
liepenen Vottmacpten, hätte ber VermaltungSratp bie fofortige ©in* 
ftettung ber Arbeit oerfügett fönnen. ©r gog eS aber oor, gunäepft 
bie Meinung ber ©ruppen eingupolen unb fte gu befragen, ob fie für 
ben SluSftanb mären — ein Vunft, fc er au f fc cr neunten §aupt* 
oerfammiung oöttig flar geftettt morben mar. S)ie ©nippen fottten 
binnen brei ^agen antmorten. Slm 11. Dftober patte ber Ver* 
roaltungSratp 74 Antmorten erhalten, oon benen 29 bem SluSftanb 
günftig. 31 bagegen, 14 unbeftimmt maren. $acp langer ©rroägung 
unb einer Sloftimmung, roorin ber SluSftanb mit 12 gegen 
11 Stimmen unb einer Enthaltung befeploffen mürbe, entfeplop fiep 
ber VermaltungSratp, bie enbgiiltige ©ntfepeibung bis gum folgenben 
Xag gu oerfepieben. 

?lm 12. Dftober oertpeilten ftep bie cingelaufenen Antmorten 
folgenbermapeit: 36 ©ruppen maren für ben äuSftattb, 34 bagegen 
unb 18 feproanfenb. ®er VermaltungSratp mürbe immer unent- 
fcploffener; ein Vrueptpeit mottte bie Antmorten ber noep 
übrigen ©ruppen abmartett, ber anbere neigte, im Vertrauen auf 
bie fampfluftige Stimmung, bie bei geroiffen ©ruppen gunt Mus* 
bruef gefommen toar, gu fofortigem panbeln. ^iefe Ieptere Partei 
fiegte, unb ber MuSftaub mürbe mit 13 gegen 11 Stimmen unb 
2 Enthaltungen befeploffen. ©r fottte in Baris mie in ber Vrooing 
Freitag, ben 14. Dftober, VtorgenS, beginnen. 3« berfelbeit Mad)t 
(12.—13. Dftober) mürbe ben ©ruppen ber Vefepl, bie Mrbeit ein* 
guftettett, übermittelt. ©S fepeint, baft bie ilnentfcploffenpeit beS 
VermaltungSratpS fid) bis auf bie ßifte ber {vorbernugen in ber 

Viiou^ittcluiecr'' Vorfdjub gu letflcn, oielmclir bereit ('Helfe täglid) mit 
2<) äBaggonS oevfperreu miirbeu, bte tlir Xietift beitötliigt". 

5 ) Mid)t gu ocrmed)jeIn mit ber ^graugöfifdjcit Arbeiterpartei". 




Soziale Bra;rtS. Eentralblatt für Sogialpoüttf. Br. 27. 


736 


735 


Anfüubigung beS AuSftanbes anSbefjnte. Der BerwaltungSrath 
fd;rieb: „Der AuSftanb wirb nur unter folgenbeii Hauptbebingungeit 
aufhören: 1. Mein AuSftänbifdjer barf benachtheiligt werben, alle 
fotleu roieber eingefteKt werben, ebenfo wie biejenigen ©enoffen, 
bie neucrbingS auf ©runb ihres Eintretens für baS Spubifat ent« 
taffen finb. 2. Allgemeine Aufbefferung ber Arbeitslöhne unb ©e* 
hälter. 3. Allgemeine AlterSoerforgung. 4. AlterSoerforgung im 
Berhältnife jum Einfommen. 5. "Berfürgung ber ArbeitSgeit. — 
Die Sage tft oorgitglid), niemals werben wir eine aünftigere 
©elegenljrit haben". Am 13. Dftober würben anbere Bunofd)reiben 
oerfanbt, mit ber Btahnung, jebe AuSfchreituug gegen bie Bor* 
gefegten unb jebe 3 er ftörung b 11 oermeiben. 

Btan fann o^nc llebertreibung fagen, bafe biefer AuSftanb im 
Meint erfticft würbe, Schon am AbenbbeS 13. DftoberS nahm 
bie ipoli^ei eine HanSfuchung am fokalen 0ife beS 0i;nbifats oor, 
bie wobluerftanben rechtlich nid)t auf ber Dhatfadjc bcS AuSftanbeS, 
fonbern auf gewiffen Unregelmäfeigfciteit im ©cfd)äftSgang beS 
Spnbifats beruhte, Ebenfo fanbett HauSfud)ungen bei beut leitenben 
©cfdjäftsfiihrer unb einigen Biitgliebern beS BerwaltungSrathS 
ftatt. Der ber 1899 er Hauptoerfammlnng oorgelegtc Bericht be* 
hauptet, bafe bie oom BerwaltungSrath in Baris angebefteten 
Biaueranfd)Iäge auf Befehl ber Boligei nnoergiigtich abgeriffen feien, 
bafe alle an bie ©ruppen in ber ^rooinj gerichteten Briefe, welche 
bie Aiigeige beS AuSftanbes enthielten, unterfdjlageit feien u. f. w. 
©ir wiffen nicht, was an biefen Behauptungen ©ahreS ift: 0o* 
uiel ftebt feft, bafe bie Regierung, genau auf bem Saufenben über 
bie Beratbungen beS BerwaltungSrathS, fdjon oor bem Beginn 
beS AuSftanbes bie Bahnhöfe unb beren Umgebungen in Baris unb 
in ber Brooing militärifcb beferen liefe. 

25er 14. Dftober war ein UnglücfStag für baS Eifenbahn* 
Spnbifat. „Sagen wir es ohne Umfcbroeife", fo lautet es in bem 
Bericht, „baS Sefelfchlagen beS AuSftanboerfud)S war ein fläglicheS". 
Abgerechnet einige oiergig Arbeiter im Dienft einer Bafen*©efeE* 
fcfeaft in ber Boootng, belief ficfe nach bem oorerwähnten Bericht 
bie ©efammtgaf)! ber AuSftänbigen auf 89, nach ben bem „Office 
du Travail* gugegaugenen Berichten nur auf 22. ©eher in ber 
Brewing noch ™ Baris felbft, bem Sife beS Spnbifats, hatte biefeS 
Borfehrungen für ben Eröffnungstag beS AuSftanbes getroffen. 
3n ben Departements warteten bie ©ruppen, bie burch Boten bes 
BerwaltungSrathS redjtgeitig benachrichtigt worben waren, auf 
weitere Aittoeifung aus ber §>auptftabt. Baris feinerfeitS rechnete 
auf bie 46 ©ruppen, bie fich gum Manbeln bereit erftärt batten. 
Anbererfeits hatten bei ber Erflärung beS AuSftanbes bie Ber* 
waliungSrätbc ber beiben attbern Eifenbahn*0i;nbifate ihren Ab* 
theitungen ©eifung gegeben, bie Arbeit nidjt eingufteEen. 

Drob bcS ScheiternS feiner Hoffnungen woEte ber BerwaltungS* 
vath oerfud;en, einigen Bortbeil aus feinem uttbefonnenen Unter* 
nehmen gu gieren. 0chon am 14. Dftober, AbenbS, fchrieb er an 
ben JvriebenSrichter beS X. BegirfS, um bie Anwendung beS ©e* 
fepeS oom 27. Degember 1892 betr. BermittetungSoerfnche unb 
0d)iebSgerid)te, gu oertangen. Diefer 0chritt hatte fein praftifcfjeS 
Ergebnis; bettn bie paar auSftänbigen 0tjnbifatSmitgIieber nahmen 
ihre Arbeit am folgenben Dage fefjon wieber auf. Der BerwaltungS* 
ratf) berief eine Berfammlung auf Sonntag, ben 16. Dftober, um 
gu ocrfuchett, ben Btuth feiner Anhänger wieber gu heben; bod) 
baS war oergebliche Btiihe: Maum 300 Eifenbahner wohnten ber 
Berfammlung bei; ber Btifeerfolg war enbgiiltig. Der Ber* 
waltnngSrath fah bieS auch ein unb legte fein Amt nieber. Der 
AuSftanb ber Erbarbeiter war foeben beenbigt (15. Dftober), unb 
währenb ber näcbften oiergeljn Dage nahmen aEe anbern aus* 
ftänbifcheu Bereinigungen bie Arbeit wieber auf. 0d)on am 
18. Dftober hatte ber EentralauSfchu§ ber AuSftänbigen felbft feine 
Auflöfuitg auSgefprod)en. 

Die am 20. unb 21. Januar 1899 in Baris tagenbe Haupt* 
oerfammlung beS Eifenbabn*HpnbifatS bat ben oon bem gurücf* 
getretenen Berwaltungoratb oorgelegten Bericht über bie näheren 
ihnftänbe biefeS Auoftanboerftuhs erörtert. 9)?an muh beut Ber* 
mnltungSratb bie ©eredttigfeit wiberfaljrcu taffen, bafe er nicht 
uerfudtt bat, bie Berantwortlidifeit abgnwälgeit, bie für ihn aus 
feiner Uuentfcfiloffcnbeit unb feinen SBiufelgiigen entfprang. Die 
Haiiptoerfamntlung iialim gu feinen ©uuften ein Botum bes Ber» 
traueus unb ber 0o(ibaritiit an. Darnach fchritt fie gur Ernennung 
bes neuen Berwattnngsratbs, ber babiit gu neigen fefeeiitt, feine Er* 
folge in einer anbern Haltung gu fliehen als fein Borgänger. 

Es ift noch gu früh, um gu feljen, inwieweit biefer miftglücfte 
Bcrfud) eines allgemeinen AusftanbeS geeignet ift, ben blinben 
('Hauben gu erfd)üttern, ben ein großer Dheil ber frattgöfifdien 
Arbeiteroerbänbe in bies Bcittel ber Berbefferung ihrer Vage fefet. 


Sngwifdjen barf man oerfid^ert fein, bafg mehr als einer über bie 
folgenben 3 e ^ cn iu bem Bericht bes gurüefgetretenen BerwaltunaS* 
ratheS nadjbenfen wirb: „Sange 3^1 hatte man geglaubt, bafe ber 
aEgemeine AuSftanb bie Öolge ber ArbeitSeinfteflung in ben Berg* 
werfen fein würbe; fpäter, als man unferem 0i;nbifat wegen feiner 
Bebeutung unb ber Dhatfraft, bie es an ben Dag legte, bie 
führenbe SftoEc in ben Leihen beS B r aMariatS guwieS, bürgerte 
fich bie Anfchauung ein — unb oiele oon uns haben gu ihrer 
Berbreitung beigetragen — bafe ber AuSftanb ber Eifenbahner baS 
3ei<heu gum aUgemeinen AuSftanb fein würbe. Die Erfahrung 
hat ber Arbeiterfchaft bewiefen, baft fie auf unfern Berbanb nicht 
mehr gälten fann". 

Baris. Dctaoe 5*ftp. 

Arbeitgeber «nb Arbeiter im Berliner Bangetoerbe. Dte Berliner 
3immerer unb EJfaurer erheben Broteft gegen bie Aufforberung 
beS neuen Bauarbeitgeber*BunbeS, bie „arbeitSwiEigen" Bauarbeiter 
möchten fid) in bie Siften bes BunbeS eingeidjnen, um bann ben 
0chuh beS BunbeS gu geniefeen. 2Bie in ben Berfammlungen ber 
Biaurer unb 3immerer mitgetheilt würbe, fittb ootn Unternehmer* 
bunb Siften an aEe Unternehmer mit ber Aufforberung oerfanbt 
worben, biefe ben auf ben Bauten befefeäftigien Biaurern unb 
3immerern oorgulegen unb fie gur Eingeichnung gu oeranlaffen. 
3n beu Siften würben ebenfo, wie fürglich an ben Berliner An* 
fchlagfäulen bie „arbeitSwiEigen" Arbeiter aufgeforbert, fich öur<h 
Unterschrift unter ben 0d)ufe beS UnternehmerbunbeS gu fteEen, 
auch werbe ihnen bauernbe unb beoorgugte Arbeitsgelegenheit oer 
fprothen. Befthloffen würbe, bie „0treifbrecf)er*Siften" gurücfgu* 
weifen. Abgelehnt hat ber Arbeitgeber*Bunb für baSBtaurer» unb 
3immereraewerbe oon Berlin bie oon ben Sohnfommiffionen ber 
Btaurer, Zimmerer unb B u fe e ^ fö r hie Baufaifon 1899 ein gereichten 
Öorberungen, bagegen golgenbes befdjloffen: 

„Die neunftünbige Arbeitzeit wirb währenb ber eigentlichen Bau* 
faifon für baS Btaurcr* unb 3immerergewerbe aufrecht erhalten, bod; 
fleht eS beu Arbeitgebern frei, mit ihren Arbeitern eine längere 
Arbeitzeit ju oereiiibarcn. ^iir bie Söintertnonate tritt, unter Bei* 
behaltung ber üblidjen ArbeitSpaufen, eine fiirgere Arbeitszeit ein. Die 
Höhe bes Sohnes mufe fich nad; ben Seiftungen ber eingelnen Arbeit* 
nchnter richten. Die ^orbenmg eines feften Bf in im al lohn eS mufe 
prinzipiell gurücfgewiefen werben. Der ^orberung ber grünbfäglichen 
Befeitigung ber Afforbarbeit, wcldje einen unguläffigen Eingriff in bas 
freie Bcrfiiguugsrcdjt ber Arbeitgeber, wie aud) ber Arbeiter barftellt, 
tann ber Bunb feine 3 u ftimiming nicht ertheilen. Die Aiierfennung bcS 
1. B?ai als ^ciertag wirb entfehieben oerweigert. Begiiglid; ber B^ünfchc 
ber Arbeitnehmer in fanitärer Begichung (Baububen, Aborte) empfiehlt 
ber Bunb ben Unternehmern bas thunüdjfte Entgegenfommeii. Enblich 
erflärt er ftd) aud; bereit, bei etwaigen Differengen auf Anrufung beiber 
Barteien bie Bermittelung gu übernehmen." 

Brouerpreif in Sfranffuri a♦ 9R. Eine Bewegung unter ben 
Brauereiarbeitern in granffurt a. Bf. gur Erlangung befferer Söhne 
unb fürgerer ArbeitSgeit hatte Btitte Bfärg gu einer ArbeitSnieber* 
legung in brei Brauereien geführt, benen fich fpäter noch bie Arbeiter 
einer eierten anfdjtoffen, fo bafe im ©angen 350 Arbeiter ftreiften. 
3roifchen ber Sohnfommiffion unb bem Berbanb ber Brauereien 
würben oom 23. bis 25. Biärg Berljanblungen gepflogen. Die 
Arbeitgeber erflärten fich bereit, für Brauer, $üfer, ^fahrburfchen 
unb H e ^ er e ^ne Sohnerhöhung gu bewiEigen, für Dagelöhner 
würbe eine foldje abgelehnt; beS ©eiteren foEte auch auf eine Ber* 
fürguug ber ArbeitSgeit feingeroirft werben. Dagegen foEten bie 
Arbeiter fich oerpflichten, 5 3ah« lang fich i^ber gorberung auf 
Abänberuug ber ArbeitSbebingungen gu enthalten unb baS Bechi 
fofortiaer Äünbigung für beibe Dheile anerfennen. Die Sohn* 
fommiffion woEte inbeffcn eine Darifoereiitbarung nur auf 2 Sahre, 
oerlangte bie Eiufefeung eines paritätifd)en DarifauSfchuffeS, for» 
berte eine Sohiterhöhung oon 3 ,.// wöchentlich für aEe Arbeiter 
unb bie ©iebereinfteEung ber 0trei!enbeit. Eine Einigung fam 
nicht gu 0tanbe, beibe Parteien oerwarfen bie Borfdhläge ber 
©egenfeite. Darauf haben am 27. Bfärg fämmtliche Brauereien, 
beren Arbeiter bisher nicht ftreiften, ein Biertel ihrer Arbeiterfchaft 
entlaßen. „Auf ben erfteu Blicf — I;eifet es in einer Erflärung 
bes BerbanbeS, ber fid; bei biefem Borgehen auf feine Statuten 
beruft — mag biefe B?aferegel hart erfreuten, wenn man aber in 
Beriicffidjtigiing giel;t, bafe mitten im ftärfften Betriebe bie Arbeit 
eingefteflt würbe unb baburch ein mafelofer Drudf auSgeiibt werben 
füllte, fo blieb uns fein anberer Ausweg übrig, als gu biefem 
Btittel gu .greifen." Der Boligeipräfibent erliefe eine Befanuhnad^itg, 
worin er unter Hinweis auf ben „©roben llnfug"*Baragraphen 
bes Strafgefefebuchs unb bie Strafeenpoligeioerorbnung aufmerffam 
macht, „bafe baS fogenanute Streifpoftenftcheii, b. h- baS AuSfteEen 




737 


73« 


Soglale Sßrajt*. ©eniralblatt für Sogialpolitil. Rr. 27. 


oon ^crfoncn auf öffentlichen ©tragen unb $Iätjeit, inSbefonbere 
aber an ben 3u$ängen gu oen Bahnhöfen, in ber Slbfuf)*, frembe 
Arbeiter gu oerfjuibern, ^ter in Arbeit gu treten, wegen ber bamit 
oerbunbenen Belüftigung beS ^ublifuntö unb etwaigen BerfehrS* 
ftörungen niefjt gebulbet werben fann." Xie „granffurter 3«tung" 
berietet, bafj bas Benehmen ber auSftänbigeit ein feljr ruhiges ift. 

$ie Stoßarbeiter . auSfpemtng in ©«glaub h a * nicht bie 
auSbehnuna angenommen, bie man oielfach befürchtete. Xie Mit* 
glieber beS arbeitgeberoerbanbeS im Baugewerbe haben fich größten* 
theils nicht an ben Befchlufj ber BerbanbSleitung gehalten, be* 
fonberS wenig ©ebraud) würbe oon ber auSfperrung tn ber B*o* 
oing gemacht. 3m ©äugen finb oiefleicht 12—15 % ber Mitglieber 
ber Xrabe Union ber ©ipfer auSgefperrt worben, unb auch oon 
biefen haben oiele fofort wieber Arbeit gefunben. X)er ©ang ber 
©efdjäfte im Baugewerbe ift oon bem Streif faum berührt worben. 
Sluch geigen fich jefct auf beiben Seiten oerfohnliche ©cfinnungen. 
auf Borfchlag ber arbeiter haben bie Unternehmer befchloffen, bafj 
12 Mitglieber ihres BerbanbeS am 6. april in Sonbon mit eben*» 
fooiel Bertretern ber arbeiter gu einer Konfereng gufammentreten 
foflen, um bie Streitfragen gu erörtern. 

©ine fatljolifche Bereinigung ber arbeitet bcS Buchgewerbes 
in gfranfreich h at fi<h fürglich in Baris aebilbet. Sn ihren Statuten, 
nach benen bie 3u9*hörigfeit gur fatholifdjen Konfeffion unb B*ä* 
fentation burd) gwei Mitglieber aufnahmebebingung ift, erflärt bie 
neue Korporation als ihre Bestimmung, bie wirthfchaftlichen Suter* 
effen ber Mitglieber gu wahren, ein auSfnnftSbureau unb un* 
entgeltliche Stellennermittlung gu organifiren, fowie eine fnilfsfaffe 
eingurichten. Sieben ber Bß c 9 e biefer gewerblichen Qntereffen fcheint 
jeboch bie abficht gu beftehen, ber grofeen unb gut organifirten 
Federation franQaise des travailleurs du livre entgegenguwirfen. 
tiefer SanbeSoerbanb, ber bisher faft allein bie betheiligte arbeiter* 
fdjaft oertreten unb mit einem ber Unternehmeroereine eine ftänbige 
Kommiffion gur Seftfefcung ber arbeitsbebingungen gebilbet hat, 
hulbigt fehr ftarf fogialiftifefien Xenbengen. Sn ber erften Kummer 
ihres „Bulletins" erflärt oie neue Bereinigung übrigens gang 
beutlich, bafe f lc an Stelle eines „tprannifchcn unb inbifferenten" 
ein „freies unb djriftlicheS" Spnbifat fefcen wolle. Monarchiitifd)e 
Xeputirte begiinftigen biefe Bewegung unter einem Xljcil ber bud)- 
inbuftriellen arbeiterfchaft fehr auffällig, woburth übrigens oon 
allem anfang an oerhinbert wirb, bah ber beftehenbe fogialiftifche 
©ewerffchaftsoerbanb oiel ©intrag erleibe. 

Xhatigfeit ber B tt *ifer ärbeitsbörfe tut Sahre 1898. ÜBir 
entnehmen einem im Bulletin de Toffice du travail veröffentlichten 
Rapporte folgenbe ©ingelheiten: Xer Börfe gehörten an 231 ©e* 
werffchaften, 37 mel;r als im Borjahre. 152 berfelben haben ein 
ftänbigeS, bie übrigen nur ein gu gemiffen Stunben geöffnetes 
Bureau. Snt Xurchfchnitt fommen auf eine ©emerffajaft pro 
Sßoche 16 Stunben, in benen bie Bureaus für ben Xienft unb 
ben Berfehr mit ben Mitgliebern geöffnet finb. — Xie 3<thl ber 
forporatioen Berfammlungen belief fich auf 2525 gegen 1803 im 
Borjahre, auherbem fanoen 324 Sifeungen ftatt, welche ben oon 
ben ©ewerffchaften organifirten UnterridjtSfurfen unb Borträgen 
bienten. Xie Räume ber ärbeitsbörfe (es giebt ein §>auptgebäube 
unb einen in einem aubern Stabttheil gelegenen anttej) waren 
bemnach burchfehnittlich pro Xag für 7,8 getrennte Reunionen be* 
nufct. — Xen arbeitSnachweis pflegen 117 ©ewerff chaften, oon 
benen jeboch nur 90 genauere Statiftif führen, darnach würben 
im ©angen 32 426 Stellen befept unb gwar 16 144 bauernb unb 
16 782 oorübergehenb. — Xie Bibliotfjef ber ärbeitsbörfe enthält 
3500 Bänbe, Karten 2 C. Sie wirb hauptfächlich im SSinter 
frequeutirt. Xie Nachfrage richtet fich h<*uplföd)lid) auf Bkrfe aus 
bem ©ebiete ber BolfSwirthfdjaft unb Sogialpoliüf, fobann ber 
©efdhichte unb ©eographie fowie ber öitteratur im engeren Sinne. 

ärbetterftyitfe. 

Xer arbeiterfchnh tn ber 3ünbhoIgfabrifation. 

Xie Brofefforen Xhorpe unb Dlioer unb Dr. ©uningham 
haben bem britifchen Minifterium bes 3»nern einen Berid)t über 
bie Berwenbung oon BhoSphor in ber 3ünbhölgchenergeugung er* 
ftattet. Xer Report, ben ein Memoranbuni beS l$bef*Sabrif* 
infpeftorS Dr. arthur 'Bhitelegge einleitet, ift als Blaubud) oer* 
öffentlid)t worben, ©r beruht nicht bloh auf Erhebungen unb Ber* 
fliehen in ©nglanb, fonbern auch auf perfönlith oon ben Bericht* 
erftattern gefammelten Snformationen in ben übrigen Staaten 
©uropaS unb ben Bereinigten Staaten oon amerifa. Sin folgen* 
ben fei baS ©rgebnih ber Unterfuchungen in Kürge mitgetheilt. 


Befanntlid) liegt bie Urfache ber Sfcefrofe in ber Berwenbung 
oon B^aSphor bei ber ©rgeugung oon 3ünbhölgd)en; rother 
Bha^phor ift aHerbingS nicht gefunbheüsfchäblid), aber er fann 
nid)t für bie ^erftellung oon 3ün&fyi>lgd)en, bie an allen Beib* 
flächen entgünbbar finb, oerwenbet werben. Solange fein ©rfafc 
für ben gelben Bhnäphar gefunben ift, wirb man bemnach bie 
©efahr ber SRefrofe mit Schuhmahregeln einbämmen müffen; wäre 
xwar baS Berbot ber Berwenbung oon gelbem Bh° g pW 
oer ©rgeugung oon an allen Reibflächen entgünbbaren 3ünbhölg* 
chen ber ficherftc arbeiterfchujj, 1 ) fo fteht bem baS nationale §anbels* 
unb ©gportintereffe entgegen, nachbeni allerorten bie größere Rad)* 
frage eben folgen Bhoöphorgiinbhölgchen gilt. £)od) ift ber Bericht 
ber anficht, bafj bie ©efahr ber Refrofe burch eine Reihe oon 
Bfafenahmen ftarf oerringert werben fönne. Dr. Xljorpe oerweift 
barauf, bafe bie Bha^Phaniefrofe auf bem Kontinente oiel weniger 
Opfer als in ©nglanb forbere unb bafc ©egenmafjnahmen giem* 
lieh einfach f c i cn - ftärfere auf treten ber Refrofe in englifchen 
gabrifen wirb oorgugSweife bem alter ber Öabrifen unb ber ab* 
geneigtheit ber gabrifanten gugefchrieben, bauliche unb technifche 
Berbefferungen einguführen, wie namentlich gefährliche $anbarbeit 
burch SÄafchinenarbeit gu erfe^en, wogu iiberbieS nod) üäffigfeiten 
in ber Beljanblung ©rfranfter hingutreten; Dr. Söhitelegge fon* 
ftatirt, bafe oiele Säße oon Bho^bhön^ergiftungen nur baS Rcfultat 
langer Berheiuilichung ber ©rfranfuitg waren, ©ine entfprechenbe 
Snfpeftion fönnte baher bie meiften biefer Uebelftänbe aus ber 
BSelt fchaffen. Dr. ©unningham fonftatirt, ba§ gelber Bh°^Pht>r 
gefunben 3ähnen gar nicht fchabe, unb weiter, bafc fein Saß oon 
Refrofe befannt fei, wo nicht fchle^te 3ähn* oorhanben gewefen 
wären, feien es fariöfe, fchlecht plombirte ober fonftwie oerlefete. 

Dr. SBhitelegge’S Rfemoranbum giebt eine Ueberficht über bie 
in ben eingelnen flänbern eg’iftirenben Sthubmaferegeln, bie gum 
Xheil in ©nglanb gu aboptiren wären. 

Sn Belgien ift es oerboten, eine SRaffe gu oerwenben, bie 
über 8% gelben Bh^phor enthält (in £oßanb 5%); in ©nglanb 
wirb biefer B r0 3 e ntfab nicht Übertritten. Sn Rufclanb muß für 
3ünbbölgdjen mit gelbem Bh°^Phor eine eigene Xare gegablt werben, 
was allmählich 3 n ihrer Bcrbrängung burd) Sicherheitsgünbhölgchen 
führt. Xurd) Berwenbung oon Rfafd)inen, wie fie auf bem Kontinente 
unb in amerifa in©ebraud) finb, ift es möglich, bie3ünbmaffe faft ohne 
$anbarbeit an ben 3ünbhölgd)en angubringen unb fo bie bei biefen 
efährlichen B^ogeffe oerwenbeten arbeitsfräfte möglichft gu re* 
ugiren. X)odh bleiben immer noch bie Bh oS Phorbämpfe. Xiefen 
ift burch ooßfommene Separation ber eingelnen arbeitsräume, burd) 
eine wirffame Bentilation unb technifche 5)?afjnahmen gu begegnen; 
gu festeren gehört bie Bornahme oon Rötungen in gefchloffencn 
©efäfeen, burch Riebrighalten ber Xemperatur, was bas dampfen 
oerringert, fowie burch einen 3wW Xerpentin gur BhoSphor* 
maffe, was einen gleiten ©ffefi fyat aus gleichen ©riinben ift 
eS nothwenbig, bie 3önöhölgchen oor weiteren Manipulationen 
änglich auStrodnen gu laffen; baS ©intauchen ber gölgchen an 
eiben ©nben, worauf baS äuSeinanberfchneiben unb ©infchad)teln 
mit ber $Sanb erfolgt, ift nicht gu empfehlen, weil biefer B r ogefe 
ein gängiges auStrocfnenlaffen erfchwert. 

Rotl)wenbig erfcheint eine |>erabfefcung ber arbeüsgeit bei bem 
gefährlichen arbeitSprogefe unb ein aiterniren ber arbeiterfchaft 
hierbei, ©benfo wichtig ift bie auSwaljl ber arbeiter. Kinber unb 
jugenblid)e arbeiter bürften nicht gu befchäftigen fein, obwohl ber 
3uftanb ihrer 3ähne meift beffer als bei ©rwachfenen ift; bod) ift 
oon ihnen Rachlöffigfeit unb fchled)t angebrad)te Sorglofigfeit gu 
befürchten; ebenfo finb fchwächliche B^fouen, namenlich lungen* 
franfe, fowie B er fonen mit uitgefnnben 3öh ncn oon ber Be* 
fchäftigung in 3önbholgfabrifen auSgufdjliefjen. ©ine ftrenge unb 
periobtfehe Unterfuchung ber arbeiterfchaft erfcheint unauSweithlid); 
eS empfiehlt fich bie anlegung eines ©efunbf)eitSregifterS, wo äße 
©ingelf)eiten eingutragen finb, wie fold)e auf bem Kontinente bereits 
beftehen unb auch freiwillig in manchen englifdjen ^abrifen bereits 
eingeführt würben. Dbligatorifche 3fll)opflege, coentueß auf Moften 
ber Sobril, würbe ftd) empfehlen, ©ine angcigepflidjt für BhoSphor* 
erfranhittgen befteht bereits, hoch mü^te fie ftrenger eingehalten 
werben. Xie periobifd)e Unterfuchung unb baS Regifter würbe ev 
unmöglich mad)en, ©rfranfungsfäße gu oerl)eimlid)en. 

an Schutjmafcregeln empfiehlt fiel) peinliche Reinliddeit: bie 
Jabrif muh bequeme 2Baf<hgelegenheit bieten, bie arbeiter miiifen 
fid) regelmöfeig mit einem antifeptifchen Munbwaffer ben Munb 

V) 'Sit Xänemarf ift bie Berwenbung oon gelbem s l?liOöohor rin* 
fad) oerboten, nub in ber 3d)ioeig foll ba* Berbot benumdijt in Minft 
treten. 





739 


Sogiale $ra£t3. Gentralßlatt für 6 ogialp oütif. 9?r. 27. 


740 


QitSfpiilen, fic ittüffen Ueberfleiber bei ber Arbeit tragen, barnit ihre 
Kleiber nidfjt mit ^ß^oap^or in Berührung fommen unb fd)ließltd) 
muffen bie Arbeitsräume fe^r rein gehalten merben. 

6o bie Borfchläge für Gnglanb. — 3n $)eutfd)lanb ift 
bie gabrifation non ^^oSp^oqünbpIgern burch Gefeß oom 
13. ÜWai 1889 unb BunbeSrathSoerorbnung oont 8. Quli 1893 ge* 
regelt. $)ie Anfertigung barf nur in Anlagen ftattfinben, bie aus* 
fdjließlich biefem 3 TOC( ^ e bienen; in Räumen, roo baS 3 u bereiten 
ber 3ÜNbmaffe, baS Betunfen ber §ölger unb ihr Srocfnen ftatt* 
finbet, bürfen jugenblid)e Arbeiter, in Staunten, welche gum Abfüllen 
unb gur erften Berpacfung bienen, bürfen ftinber fid) nicf»t auf* 
galten. Für jebe biefer Verrichtungen müffen gefonberte Bäume 
oorhanben fein; in biefen finb für Beinltchfeit, Ventilation, genügenben 
Suftraum Beftimmungen getroffen. £)er Arbeitgeber hat für eine 
befonbere ArbeitSfleibung gu forgen, ebenfo für auSreidjenbe ©afd)* 
gelegenl)eit. Gr barf nid)t bulben, baß in ben Arbeitsräumen 
BahrungSmitiel oergehrt merben, unb muß bie Arbeiter oor ben 
Blaßheiten gur grünblichen Steinigung anfalten. Stur foldje Ar* 
beiter finb gu oerroenben, bie eine ärglitfje Befdjeinigung beibringen; 
ihre Gefunbheit ift fortroährenb gu übermalen, jebe Grfranfung 
an $f)o3pl)ornefrofe ift fofort angugeigen. Steue Anlagen bürfen 
erft in Betrieb gefefct merben, menn ber Fabrifinfpeftor fte per* 
fönlid) reoibirt hat. (Sine Befdjränfung ber Arbeitszeit ift aber nicht 
oorgefeben. — £)ie Jahresberichte ber Gewerbeanffid)tSbeamten 
üagen wieberholt über mangelhafte Befolgung ber Borfdjriften, Fälle 
oon ^ßbo^pbontefrofe fommen and) in 2)eutfchlanb immer noch oor. 

Arbeiteroertretnng in ber prcnftifdjeit BergtoerfSinfpeftiou ©te 

oerfcbiebene Blätter melben, wirb biefe Frage int fmnbelS* 
minifterium feiiteSwegS als erlebigt betrachtet, troß ber Dppofition, 
welche biefe Art ber Berftärfung ber Gritbenaufficht mehrfach in 
ben pariamentarifd}en Berhattblungen gefttnbcn h fl t- 3n biefen 
Sagen trifft ber $anbelsminifter im fdfjlefifc^en Btontanbegirfe ein 
unb mirb ficf) bei biefer Gelegenheit mit ben Drganett ber Berg* 
rocrfsinfpeftion — unb, fo fügen mir fungu, hoffentlich auch mit ben 
Arbeitern felbft — in näheret Ginoernehmen barüber gu feßen fuchen, 
inwieweit ihnen bie 3ngiehung oott Bertretern ber Bergarbeiter 
gwedmäßig erfcheint. „Hieroon mirb ein roerthooflereS SJtaterial 
für bie Beurteilung biefer Frage ermartet, als eS aus ben im 
AuSlanbe angeftellten Ermittelungen firf) ergeben f;at. Sticht gu er* 
märten ift jeboch, baß fchon in näherer 3eit ein praftifcher Schritt 
in biefer Angelegenheit gethan roerbe. Es mirb bagn oielmehr noch 
monatelanger Arbeit bebürfen", jagt bie „$ölti. BolfSgtg.". — 3u 
ber „0ogialen BrayiS" mar f. 3*- (oergl. 0p. 585) befürwortet 
roorbett, ber SJtinifter möge bod) nach bem belgifdjen Bi u ft er 
probemeife Arbeiter in fisfalifcfen BergroerfSbetriebeti in 0chlefien 
unb Bf)einlanb*©eftfalen gum AuffidjtSbienfte herangiehen. Somit 
märe auf bem Boben praftifcher Erfahrung bie ÜKögIid)feit gu 
meiterem Borgehen gemonnen. @3 fcheint, als ob ber SJtinifter ber 
artige Berfuche nicht oon ber £anb roeift. 


Arbeitern! dj niete. 

fJfrhtyreiStrsnftfpgiittg für 3toetfe ber ArbettSüermittelung in 
Württemberg, Aus 0tuttgart mirb uns gefchrieben: Sie württein* 
bergifcfe 0taatSregierung, bie bet fommunalen ArbcitSocrmittelung 
oon Anfang an befonbere Auftnerffamfeit unb Sorgfalt gugemenbet 
hat unb in Begiehung auf bie Gentralifirung beS ArbeitSnachmeifeS 
bahnbredjenb oorgegangen ift, h fl i ih r Sntereffe an ber Gntwicfe* 
lung ber Arbeitsämter neueftenS baburch betätigt, baß fie bem 
oon bem ftäbtifchen Arbeitsamt 0tuttgart gefteUten Antrag auf 
Fahrpreisermäßigung für Arbeitfuchenbe ftattgeaeben fyat Stach 
bem foeben ausgegebenen Sarif für bie Beförderung oon B er = 
fönen auf ben mürttembergifd)en Staatseifenbahnen merben mit 
©irfung oom 1. April 1899 an Berfoiten, benen’ burch Bermitte* 
lung ber oon Gemetnbcbehörben erridjteten Arbeitsämtern Gelegen* 
heit gur Erlangung einer auSroärtigen Arbeitsstelle oerfchafft merben 
foll, für bie III. ©ageitflaffe ber ^Pcrfonengüge eine Fahrpreis* 
ermäfeigung burd; Ginräumung ber halben einfachen gafjrtaje nach 
SJtafegabe ber folgenben Bestimmungen gemährt: 

L. Gs merben ^ahrfarten gunt halben greife mit Aufrimömtg bee; 
Grhcbungöbetrageö auf eine burrf) 5 Pf. ttjeilbarc ^aljl aiiögegebcu. 

2. tic gohrtarte gum ermäßigten s pretö mirb gegen Beringe beS 
oom Arbeitsamt ausgufertigenben Auömcifca über bie Olclegcuhcit gur 
Grlnngung einer aucnuärtigeu Arbeitsfteüe oerabfolgt. ^n beui Aim* 
mctS finb bie s per|oit bcs Arbeitfudjenben, ber Steifetag unb bie gu be= 
fabrenbe Gifenbahnftrecfe angngeben. Xer AuSmetS mirb non ber 
Aalirfartenftelle bei Söfung ber gahrfarte abgcftentpelt unb mit biefer 
guriirfgegebeu. 


8. Bei ber gafjrfartcnprüfung ift ber AuSmeiS bem 3ugbegleituugS= 
perfonal mit ber gabrfartc felbft oorgugetgen; er rotrb mit ber Äarte 
bei Beenbigung ber gahrt eingegogen. 

4. Ser Ausweis berechtigt nur für ben barin angegebenen Steifetag 
gur Grlanguita ber Fahrpreisermäßigung. 

B. Für Steifen auf Streden oon meniger als 25 km unb oon mehr 
als 100 km mirb bie Grmäßigung nid)t bemiHigt. Auch bürfen bie 
.Starten für Sdjneügüge nid)t b'enupt merben. 

Grhdhung beS ftäbtifchen 3«f(huffeS für bie Aüflememc ArbeitSnnch* 
lociäanftatt in Äöln, Sie int Segember 1894 ins fieben getretene prioate 
ArbettSnachraeiSanftalt erhielt bisher oon ber Stabt einen Beitrag oon 
6 600 M. unb mietfjfreie St ämn lieh feiten. 3n Folge ber madjfenben 
Shättgfeit ber Anftalt, über bie mir mehrfach berichtet hoben, h°ben 
ftch auch bie llnfoften fo gehoben, baß bie Bermaliung um eine Gr* 
Ijöfjung beS ftäbtifchen ^ufdjiiffcS gebeten hat. gu ber Stabtoerorbneteu* 
oerfantmlung befürmortete fitrgUd) Bcigeorbneter 9ugg biefen Antrag: 
Sic Anftalt bltcfe jeßt gurüct auf 4 oolle GcfchäftSjahre; im erften Fahre 
feien burch fie 8869 Stellen ocrmittelt morben, 1898 aber 16 352. Fhre 
SBirlfamfeit |ci alfo innerhalb 4 Fahren faft um bas Soppelte geftiegen. 
Sie Btireau* unb lluterhaltungsfofteu feien erheblich geftiegen, bie An* 
fteüung eines AuffefjcrS fei nothmenbig gercorben unb eine meitere 
Büreaufraft fei für bie Folge brinqenb erforberlich- Auch muffe bei ber 
ftarf guuehmenben Shätigfeit beS Anftaltsperfonals eine Grhöhuug ber 
Begüge beffelben eiutreten. Ser Bermaltcr begiehe jeßt ein (Erhalt oon 
2 000 Jt ., eS merbe beabfichtigt, biefeS auf 2 700 M. gu erhöhen, für 
ben Sdmlterbeamten, ber bisher 1 200 Ji. begiehe, merbe eine Grhöhung 
auf 1 5(K) Jt. beantragt. Sie Finang* tommiffion habe fid) günfttg gu 
bem Anträge auf Grlföhung beS ftäbtifchen JJufcfjuffeS geftellt, oon ber 
Anficht ausgehenb, baß bie Anftalt, maS audj allgemein befannt fei, 
außerorbentltdj erfolgreid) geroirft habe. — Sic Berfammhmg genehmigte 
beim and) bie Grhöhung beS Beitrages auf 8 600 

StäbtifcheS Arbeitsamt in 3ttrich. ^er 3üricher Stabtrath 
hat ben BerorbimngS-Gnhourf für bie Errichtung eines ArbettS* 
nadjmeifeS ausgearbeitet, ber unentgeltlich fein unb oon einer elf* 
glieberigen BerroaltnngSfommiffion beauffid)tigt toerben foll. 3n 
biefelbe rnählen bie Arbeiter unb bie Unternehmer je 5 Bedreter, 
toährenb baS elfte Biitglieb, ben Borftßcnben, ber Stabtrath 
(SJiagiftrat) ans feiner BJitte roählt. Bei Streifs 2 C. foll ber Stabt* 
ratl) auf Gutachten ber BermaltungSfommiffion h^ entfeheiben, 
roie fich ber Arbeitsnachweis bagu oerhalten foll. SieS ift ber 
Borfchlag beS Stabtratheö, joähreitb bie oorberathenbe ^ommiffion 
proponirte, ber ftontiitiffion als einer Art fachmännifcher Behörbe 
bie Gntfd)eibung barüber gu Beiaffen, ob bie Ginfteflung ober ber 
Frodbetrieb ber ArbeitSoermittelung für baS betroffene Geroerbe 2 c. 
anguorbnen fei. Sa eine weibliche Abtheilung oorgefehnt ift, fanit 
für biefe eine Frauenfommiffion beftellt roerben. ^en Berroalter 
wählt ber Stabtrath, fein Gehalt ift mit 2500 bis 3500 gres. oor* 
aefehen. SaS Arbeitsamt foll außer bem Arbeitsnachweis noch 
befonbere Erhebungen über bie Sage ber Arbeiter unb Unternehmer 
oorgunehmen berechtigt fein, bie ftatiftifdje Bearbeitung beS eoen* 
tuefien Gd)fbungSmateriaIS beforgt baS ftäbtifche ftatiftifc^e Amt. 
Sie fämmtlichen Soften ber neuen Einrichtung übernimmt bie 
Stabt, febod) rechnet fie auf einen angenteffenen Staatsbeitrag. 


föeuofTtufdjafteöieJen* 

Staatliche Befchäftigang ber Arheiter-^ooperatiogenoffcnfchafteii 
in Maliern 

3n Stalien ift burch eilt Gefeß oom 11. 3uli 1889 oorge* 
fdjrieBen, baß biejcnigen auf gemeinfamen Erwerb unb gemein* 
fame Arbeit geddjteteu Arbeiter*Bereinigungen, welche in gefeß* 
mäßiger Bi'eife begrünbet unb regelrecht als $oopcratiogenoffen* 
fcjafteti geführt werben, oon ben öffentlichen Beworben bei ben 
ftontraftabfchlüffen über öffentliche Arbeiten, fofern biefe Abfchlüffc 
auf Gruttb einer befdjränften AuSfdjreibuitg ober burch Gingel* 
oerhatiblutig unb nid)t im ©ege einer öffentlichen AuSfdjreibung, 
bie auSbriicflich ausgenommen ift, erfolgten, ohne bie fonft allgemein 
übliche Sidjerheitsleiftung gugelaffett unb befonberS beoorgugt 
werben füllten, wenn nur ber BcrtragSgegenftanb nicht über ben 
©edh oon 100 000 &ire hinausgeht unb ber ©erth ber gu 
leiftenben Arbeit ben ^aupttljeil beS gefammten BcrtragSwertheS 
bilbet. ' 

Siefe ihnen wohlwoHenbe GefeßeSoorfchrift hat ben Ftalienifchen 
.vtooperatiogenoffcufchaften großen Bortheil gebracht unb oiele ber* 
felBen fejr geförbed; beim wenn bie Borfchdft in einzelnen Fällen 
aud) oon gewinnfüchtigen Unternehmern unter falfd)en Borfpiege* 
luitgen auSgemißt ift, inbem fie nur fdßeinbar eine Genoffeufchaft 
bilbeten, thatfädjlid) aber mit gelohnten Arbeitern baS ©ed aus* 
führten unb ben Hauptgewinn allein gogen, fo ift hoch anberer* 
feits ben wirflichen Mooperatiogenoffenfd)aften oon beit öffentlid;ett 



741 


Soziale $rajiS. Weutralblatt für Sozialpolitif. Ar. 27. 


742 


Vepörbeit ein großes Wntgegenfommen burcproeg gezeigt mtb ihnen 
bertpatfächlicpe KontraftSabjcpluß burd) mannigfache Vergünstigungen 
nnb Verfügungen ua<fj Dpunlicpfeit erleichtert. Aach ben Ver* 
öffentlid)ungen im Credito e Cooperazione finb bie Vertrags* 
abfcplüffe über öffentliche Arbeiten mit ben Kooperatiogenoffen* 
fünften in all ben einzelnen Sapren feit 1889 zahlreichere geroefen, I 
menn auch, toi* ohne Weiteres aus ber Statur ber Sache zu folgern, 
in ben Abfcplußzaplen für bie einzelnen Qapre geroiffe Verfcpieben* 
heiten nnb Sdjtoanfungen peroortraten. Die 3 a hl her KontraftS* 
abfchlüffe nnb ber ungefähre 3Bertfj berfelben ftellt fiep für bie 
einzelnen gapre, bezüglich bereu ber Abfcpluß fd)on feftliegt — für 
1898 ift biefeS nocp nicht ber galt — folgendermaßen: 1889 auf 
26 mit etma 0,4 Millionen £ire Vkrtli; 1890 auf 157 mit 3,7 
ÜRiÜiouen Üire Vkrtp; 1891 auf 120 mit l,o Millionen öire; 
1892 auf 106 mit l,r, Millionen fiire; 1893 auf 177 mit 2,6 SRiflioneu 
£ire; 1894 auf 215 mit 2,o Millionen &ire; 1895 auf 159 mit 
2 ,i s i)tiUioncu i'ire; 1896 auf 200 mit 2 , 0 Millionen Sire; 1897 
auf 125 mit 1 , 8 SRiHionen Sire 2Bertp. SnSgefammt finb baS alfo 
12*5 einzelne Kontraftabfcplüffe, melche einen ©efammtmertp ooit 
etroa 18 SRittionen Sire barftellen; nach ber ganzen Sage ber 
Sa<pe ift bem alfo immerhin eine beacptenSroertpe Vebeuhing bei* 
Zumeffen. Von ben inSgefammt 12s5 Koutraften betrafen etma 
bie ,v>älfte 639 zu einem SBertp oon etma 13, 5 SRillionen Sire 
s 2Baffer* nnb Dammbauten, 66 zu einem SBertp oon 2, 3 SRiHiouen 
Sire Vriidfen* unb Straßeitbauteit, 40 z u einem SBertp oon 

0,5 Millionen Sire bie ©nhoäfferung unb Außbannacpung ber 
Vontinifcpen Sümpfe, 451 zu einem SBertpe oon 0,« 9Riüioiten 

Sire iRaurer* unb Steinmeßarbeiten, 24 zu einem Vkrtpe oon 

0, 4 ÜRÜionen Sire Wifenarbeiteit unb 12 zu einem SBertpe oon 

0,3 $RiHionen Sire militärifche AuSriiftung unb DranSport. 

3 n biefen fahlen finb übrigens nur biejenigen Verträge in* 
begriffen, melche fiep in ©emäßpett ber gefeßlicpen VergiinftigungS* 
befcpränfung unter einem Vkrtp oon 100 000 Sire hielten; abge* 
feilen baoon hoben aber namentlich in ben Icßten fahren oerfcpiebene 
ber befonberS leiftungSfäpigen größeren ©enoffenfcpaften fich uucp bei 
ber gewöhnlichen Verbinguttg ber bebeutenberen öffentlichen Arbeiten 
mit Erfolg beteiligt; zum ä^cil hierauf unb zum Dpeil ouf eine 
(Sinfd)ränfuug ber öffentlichen Arbeiten überhaupt ift baS 3urücf* 1 
bleiben bes ©efammtroerthcS ber öffentlichen Arbeiten ber Wooperarto* 
geuoffenfchaften in ben leßten Sah^n zunicfzufüpren. 

Sin beit unter baS ©cfeß fallenben Verträgen ftnb inSgefammt 
213 ©enoffenfcpaften betheiligt; feit Wrlaß bes Olcfepes im Sohoe 
1889 mürben überhaupt 515 ©efellfd)aften, melche bem ©efeß (Ge¬ 
nüge leifteten, oon ben $räfefteu in bie Aegifter ber zu ben SBopl* 
thaten bes ©efeßeS berechtigten ©enoffenfcpaften eingetragen, oon 
benen bann aber fpäter 214 toieber gelöfdjt finb, tbeils meil bie 
©efellfcpaft fiep auflöfte, tpeilS meil fie ihren ftatutennuißigen Ver* 
pflichtungen nicht nacpfatn, tpeilS meil fie anbere 3*oecfe als formell 
angegeben oerfolgt; oon ben anbauernben ©enoffenfcpaften mirb 
baper immerhin ber größere Dpeil Verüdffid)tigiing gcfunben haben. 

Die tpatfäcplicpe Ausführung ber Arbeiten unb bie Wr* 
fiittuitg ber fontraftlicpen Verpflichtung ift nun, nach ben über* 
einftimmenben ^Berichten, burdjroeg in einer ooHfomuten zufriebeit* 
fteüenben SBeife erfolgt; in ber ganzen 3 e *t mußten nur fecpS 
ftontrafte, zu einem Vkrtp oon ca. 142 000 Sire aufgehoben merben 
unb in 40 Ratten mußten Konoentionalftrafeu in ber ©efamrnt* 
höhe oon 60 000 Sire auferleat merben. Die AuSfüprungS* 
oorfchriften ber Regierung zu bem ©efeß oom 11. 3uli 1889, 
roeld)e oon oornherem fchon oormiegenb barauf hinzielten, bie Ver* 
günftigung beS ©efepeS auch thatfächlich z y o Slntoenbung zu bringen 
unb bie Uebertragung öffentlicher Slrbeiten an (iooperatiogenoffeus 
fcpaften nad) Vtöglichfeit zu erleichtern unb zu begünftigen, finb in 
biefer Dichtung ja in einer Verorbnung oom 9. Suni 1898 nod) 
meiter oorgegangen; fo mar es früher in bas (Srmeffen ber oer* 
gebenben Vepörben geftellt, ob fie bie Verbingung oon Slrbeit unb 
oon Sieferung ber SWaterialien in getrennten Verträgen oornehmen 
rooüten, jept ift ihnen aber im 3 ntereffe ber (Sooperatiogenoffeu* 


fcpaften biefe Trennung, fofern eine folcpe nicpt überhaupt als un^ 
möglich nach ber befonberen Sage ber Sache erfdjeint, ftetS zur 
Pflicht gemacht; auch foflen für bie öolge immer Spezialfontrafte 
für jeben einzelnen Snbnftriezmeig aufgeftellt unb abgefdjloffen 
merben. 3>aß bie berührte gefeplicpe Vorfcprift unb bie roopl* 
I mollcnbeu Vtaßnahnten für bie thatfädjliche Durchführung ber* 
I felben, melche nach ben oon uns angegebenen Daten nicht ohne 
, (Erfolg geblieben finb, auch .in fozialpolitifcher ^Beziehung iüd)t 
I ohne Veoeutung fein fönnen, ift mo§l faum zu bezmeifeln. 


©eiwffetif^aftltche VerfcrnfShSnfer In #flm&ttrg. Slus Hamburg 
mirb uns gefdjnctien: innerhalb ber 2:t[d)lerinmmg hat ftd) eine „6k* 
noffcnfdjaft oereinigter 2i[d)IertmmngSmeifter" gebilbet, btc ein großes 
©rmibftücf im Tunern ber Stabt anfauftc nnb biefeS jept zu Slus* 
ftelhmgsräumen umbaut. SRau miü burdj eine bauernbe VerfaufSaus* 
ftcQuug t'olibcr unb baiterhafter 3)?öbet ber ^oufun-euz entgegeutreten, 
bie burch bie .fränbler mit Aabrifmaare beu .^anbmerfsnteiftern gemadjt 
mirb. ^ebes Stiid mirb burd) einen Slusfchuß auf feine OHitc geprüft 
unb nur bei tabellofer Ausführung zugeiaffen. Wanze AuSftattmtgeu, 
oon ben einfaepften bis zu ben eleganteren, merben bie VcrfaufSränmc 
fdjmücfen. 2)ie Eröffnung erfolgt im fommeuben .^erbft. WS ift aller* 
bings nur ben größeren Jifhlermeiftern ber Veitriti zur Weuoffeufcpaft 
möglich, ba bie Autpcilfdieinc auf eine erpcblidje Summe lauten, ^i'tr 
bie äleinmeifter beftept bereits eine Wenoffeufdiaft, bie alljährlich Ver* 
faufsausftellungeu oeranftaltct unb babei glättzenbe (^efepäfte gemadjt 
hat. £er Wrfolg biefer Auöftefluugen gab and) bie Anregung zur 
Wiainbuttg ber neuen Wenoffenfdjaft. — 3n ben Greifen bes Hamburger 
Dctaillifteufianbes bereitet fiep übrigens auep eine (^enoßenfepöfts« 
grünbutig großen Stils uor. Ws ocrlautet, baß 70 DrtailUften ber 
oerfcpicbeuften Vrancpen über bie Wrridjtung eines geuoffenfdjaftlidheu 
SSaareupaufes oerpciubeln, um ber Äonfurrenz ber fapitaliftifcp bc* 
triebeiten SBaareithäufer entgegeutreten z» förnteu. ^ie Verpanblungen 
ftnb jeboep itodj zu feinem Abfcpluß gefommen. 

^robuftiPgenoffenffpaften in ^ranfretep« Amtlichen Daten zu* 
folge beftanben am 1. Januar 1899 112 Arbeiterprobuftiogenoffen* 
fcpaften in ^ranfreiep, bie in einer „Chambre consultative“ tpre 
gemeinfame Sntereffenoertretung haben. Von biefen 112 ©enoffen* 
fcpaften finb niept meniger als 80 im 3citnmme 1892—1898 ge* 
grünbet roorben, unb bloß 5 finb oor bem 3apre 1892 entftanbeu. 
Vtepr als bie §älfte biefer ^robuFtiogeuoffenfd)aften entfällt auf 
bas Vaugemerbe; oon ben übrigen Affoziationen finb peroorzu* 
pcben ^robuftiogenoffenfepaften oon ©laSfcplcifern, Väcfern, Vürften* 
erzeugern, ItartonSarbeitern, itonfeftionSarbeitern, Vlecpfcpmieben, 
Kupfergießern, .sjaubfepuhmadjern, Uprmadjern, Viidibrucfertt, 3n* 
ftrumentenmadhern, 5eilenfd)mieben, Sitpographcu, Photographen, 
SBagcnbanern, §utmad)ern, Schuhmachern, SRefferfcpmieben, Stoff* 
bruefern (Spon), Dptifern, Ziemern, ©erbern, Saßbinbern, s $erl* 
mutterarbeiteru, Drechslern u. A. m. 


fiÜErttrirdje &tt}tigett. 

Stimmen aus 3Raria*2aacp. Katpolifdje Vlättcr. ^aprgang lsgn. 
H. .öeft. Jyreibnrg i. V., .^erberfepe Verlagshanbluug. ^chn .'oefte 
51R. 10, hu (ober 2 Vbc ä 5Pc. 5,io). 

Vlatdtforb, Aobcrt, 3ut Acidjc ber Freiheit ßferrie England). Vricfe 
über ben Sozialismus. Aus bem Wnglifdjen frei itbcrfeßt oon 
.^curi) SBright. SBtcn 189‘J, Wiener Volfsbudfhanblung 3guaz 
Vraub. 227 S. ^reis 1 M. — 60 fr. 

Uovue de Legislation Ouvriere et Sociale. Annee 1898. 3® et 

4 e Trimestres. Paris, Libraire H. Le Soudier. Dix francs par an. 

Leon de Seilhac, les congrAs ouvriers en France 1876—97. Bibliothei|iie 
du Musee Social. Colin <fc Cie. Paris, ^reis 4 ^rcs. §)err 
bc Seilpac, ber Wpcf ber gemerblidjeit Arbeiterabthcünug bcs 
SRufec Social, giebt in feinem Vmpe eine afteumäßige Xar= 
flelluug ber oerfdjicbencn ftanzöfifdjeu Arbcitcrfongrcffc oon 
1876 1897. WS finb mefeutlid) nur Auszüge aus beit Mongreß- 

protofollen, bie fpäter bnrep eine crläutcrnbc piftorifdje llcbcifupt 
ergänzt merben follen, um fo Afaterialien für bie Wcfcpidjte ber 
neueren Arbciterbemcgung in ?franfrcid) zu liefern. 


Die gleichzeitig hiermit ausgegebene Ar. 7 ber 9RonatSfcprift 

„Da8 ©emerbegeridht" enthält: 

Die AnmenbbarFcit ber §§. 611 bis 630 beS Vürgerlicpen 
©efepbuepes (Dienftoertrag) auf bie Dienftoerträge mit geroerblidpeu 
Arbeitern. Von ©emerberiepter Dr. ©cpalporn, Verfin. — 3uo 
recptlicpen Stellung ber Heimarbeiter. Von Wmil 5Bolff, Vor* 
fißenbem beS ©eroerbegeriepts Dffenbacp. — Verfaffitng unb 
Verfahren: Vollftrecfung ber feitenS ber ©emerbegeriepte oer* 


pängten H a Wi ra f cn - — Aecpifprecpung: ^Rittpeilungen aus ben 
©ntfcpcibungen ber ©emerbegeriepte Verlin, fieipzig, Aeumünfter, 
Aoftocf, SRiilpeim (Aupr), Hamburg. — Allgemeines über ©e* 
merbegeriepte unb ArbeitSoertrag: Aus ben SabreSberitpteit 
ber ©eroerbegeridjte; Petition beS Verl in er Vereins „Srauettroopl", 
betreffenb VJaplrecpt ber grauen zu ben beruflichen Sd)iebSgericpten. 
— Vrieffaften: ©emerbegeriept Danzig. — SupaltSangabe ber 
„Sozialen VwriS". 


Bnanhoörtlich für bte ftebattion: Dr. «rnft Stande in »erltn W., »aqreut^erftrafee 29 . 





743 ©ojiale $ra£ig. ©entralblatt für ©ojialpoltüf. Kr. 27. 744 

Sie „$aflaU firarte“ erlernt an jebern ©onnerStag unb ift burc$ alle ©uchbanblungeit unb gSoftämter (^oftaeitung«nummer 7072 ) ju bejieljen. ©er $rei« 
für ba 8 SBierteljabr ift 9 K. 2 , 50 . 3 «be Kummer foftet 30 Sßf. ©et Hitaeigenprei« ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^Jetitjeile. 



Um ben neuhtujugetretcnen Abonnenten luifcrer 
SSocfjenfdjrift ben 93ejug bcr älteren 3n|rgätige ju 
erleichtern, taffen mir bie folgcnbc jeittneilige $tet£ 
herabfefptttg etntretcn: 

@o lange ber nur noch geringe Vorrat an ooH® 
fiänbigen ©jemplaren reicht, merbeit die ersten 

sechs Jahrgänge der Sozialen Praxis, * $. 

©o$tölpolittfcfjc (SettftalMatt 
gang I—III (Januar 1892 big ©eptember 1894), 
unb baran anfchlicßeitb 

£>te Soziale $ragi$, Jahrgang IT—VI 

(Oftober 1894 big ©eptember 1897) 
mm ermäßigten ©efamtbarpreife Uott nur 36 SRarf 
füt bdd noUftänbige (ggetnplar abgegeben (ftatt 
bigßer 60 2JH.), lieferbar Seipjig. 

3u biefen SSebinguugen fantt jebc befferc ©ortimentg® 
bueßbaubfung liefern. 


Solange bcr nur »och geringe Vorrat an ooll* 
ftänbigen ©jentplarcn reicht unb biefc $e!tit)eilige ^rei^ 
^etabfe^nng nicht aufgehoben ift, merben bie 


öeipjig, 1899. 


Bnndter & §nmblot. 


3afivgaiia ■, ii uttb m. 3a^cg«mg, rrffeä 
Ouattal (jufammen 117 Kümmern) (4. Januar 1893 
big 28. HRärj 1895) 

pm ermäßigten ®efamtbarpreife oott 13 SÜW. 50 ^f. 
für bag oollftänbige ©jemplar (ftatt bigfjer 22 9 Kf. 50 $f.) 
abgegeben, lieferbar Seipjig. 

3u biefen 93ebhtgungen fanit jebe befferc ‘Sortiment*® 
budjßanbiung liefern. 

Scpjtfl, 1899. $ nntktr & ^ nntb l 0t . 



Oe Viag fron ® u tuft e r •& 1§ u nt b l u f in X e t p t i p: 


Ueber ^(ßiebögeril^te, ®itligungBätltter unb fjrabrifgefe&gebung. ©utacfjten, auf Seranlaffung ber 
©ifenadjer S3erfammlung aur Befpredjung ber foctalen fjrage abgegeben uon ^acobt, Söttet, ©enfel, 
S. Subroig=3BoIf, Siebemann, o. |»eHborf, 9R. gärtet, SßebSfp, $f- ©djulae, 3- S- §• ®annen= 
berg, Reumann. 1878. 4 3Rf. 

Ueber (fEilligUlUfSÄlttter. (Sine ißolemtf mit §errn Dr. Sllcjanbet -Sieger, ©eneralfefretär be§ ftänbigen 
2[u3fdjuffc§ be§ beutfefjen §anbeI3tag§. SBon Suis Brentano. 1873. I 2Rf. 

(Sirnrrrbejlrcitigkeitrn. @ine 2lu§maijl non ©ntfdjeibungen be§ ©emerbefdjieb§geridjt§ ber Stabt 
Seipgig. 23on OhiftaP ©ictel. 1882. 2 3R!. 

^rtreiterau$fd)üfie in ber beutfdjen Sttbuftrie. ©utadjten, Senate, Statuten, beröuägegeben im Stuf* 
trage be§ BereinS für Socialpolitil uon gering. 1890. 3 SRI. 80 <ßf. 

ü as (&me rbegrrtdjt. Bon aöi«jeim ®tieba. isoo. 4 m. so Bf- 

^nbalt: Tic ihttcratur über bie gewerbliche Kedjtgpflege. — Die gewerbliche ©erichtgbarfeit ber ^unft^cit. ©ie älteren preußischen 
^abril® unb ©emerbegerichte. ©er gegenwärtige ©taub bcr gewerblichen Kechigpflegc in ©eutfdjlanb. ©ie Herfucfje jitr Reform 
ber gewerblichen 9ted)tgpflcge in ben fahren 1873—1888. ©ie oerfchiebenen normen ber gewerblichen Kerf) tgpff ege. ©ie ©runb® 
,Viigc ber Hcrfaffung ber beittfcheu gewerblichen ©d)iebggcrichte. ©ie %Sirffamfeit bcr beutfcheit ©cwerbegerichte unb aewerb® 
liehen ©cljiebggerichte. ©ie hauptfäajltchften ^rinjipienfragen bei ber Organisation oott ©cwerbegerichten." Beilagen, (©tatiftif 
ber ©ewerbegerichte nnb gewerblichen ©chiebggerichte. ©tatuten gewerblicher ©djicbsgerichte unb ©emerbegeridjie. 


Jm April soll bei Duncker&Humblot in Leipzig erscheinen: 

Der Einfluss von Staat nnd Recht «s 
«8 auf die Entvicklnng des Eigentums. 

Von 

L. Felix. 

Zweite Hälfte, erste Abteilung: Das Mittelalter. 

-— Preis etwa 17 M. 50 Pf. —— 

Gewissermassen eine ökonomische Geschichte des Mittelalters 
und damit ein selbständiges Ganzes. Zugleich eine bisher in der 
Litteratur fehlende Ergänzung jedes die allgemeine Geschichte des 
Mittelalters behandelnden Werkes. 


Durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 

Die 

Bedeutung des Seeverkehrs 

für Deutschland. 

Ein Vortrag 

von 

Dr. Ernst von Halle, 

Privatdozent der Staatswissenschaften an 
der Universität Berlin. 

—- 1898. Preis 00 Pf. --— 


In Fr. Frommanns Verlag in Stuttgart. 

ist soeben erschienen: 

Rodbertus 

von Karl Je titsch. 

259 S. 8°. Brosch. M. 3.—, eleg. geb. M. 3.80. 

I. LebensvcHchiclite. II. Die Lehre. I. Antike 
Staatswirtschaft. 2. Die Volkswirtschaft der Gegenwart, i 
3. Die Staatswlrtsohaft der Zukunft III. Die Bedeutung? i 
dem ]tlnnnes. 

iuTanlroimlhl) für Die Amcigfii: -v>.Cimui.) 


Verlag von Duncker & Humbiot in Leipzig: 

Baumwollproduktion nnd Pflanzungswirtschaft 

in den Nordamerikanisohen Südstaaten. 

Von 

I>r. Ernst von Malle. 

Erster Teil: Die Sklavenzeit. 1897. Preis: 9 Mark. 

©eibcl, t'eipjig. — Verlag uou Wunder & $uml)Iot, Seipiig. — ©ebruefi bet 3ultu3 Sittenfelb, »erlitt. 








|tumm*r 28* 


vm. %titycpm$. Serlin, ben- 13. ?lpri( 1899. 

Soziale praris. 

f$enfraCMaff für ^ogiafpoCifiü 

mit ber SRonatSbellage: 

Das (Bewerbegericht. 

©rgatt bes Derbanbes betttfdjer (SetDerbegericfyte. 

Reue golge bex „Bfötter für fogtale SptayiS* «nb be$ „Sogtalpolttlfdjen EentralblattS*. 


Orfdciiu an jebem »wroerffaf. |)CCaU§gcBer: Brei« hiertelilbrli* 2 «. 60 ff. 

Rebaftion: Berlin W., Bahreutherftrafie 29. Dp. Ctttß «^tCUtlfe** Berlag Oon Wunder & £umblot, Ceipgtg. 


inbuftrieftaat unb ©£port* 
inbuftrie. Bon ftofeffor Dr. Ä, 

Qlbenbetg, SJtorburg.745 

©ntwideln wir un« gum©jpOTt» 
inbuftrieftaat? Bon Dr.SBaither 
Borg in 8, ©efretar ber ©entral» 
fteüe für Borbereitung oon^anbel«* 

oertrügen, Berlin.748 

©ie Regierungen unb ber Bau» 
nrbeiterfcbub in ©eutfchlanb. 

751 

fMimeiic Cditb tötrtbf^baft«* 
»tftttt.754 

©in Haffifch«« ©ebiet ber Arbeit«» 
willigen. 

©in ©robinbuftriellet für bie gemein» 
fame £)rganifation ber Arbeitgeber 
unb Arbeiter. 

©eutfdje« 9J?tifeum für ©ogtale B rajl«. 
©a« ©efeß gum ©<hub ber Arbeit«» 
willigen in ©Sweben oetworfen. 

©ie fremben Arbeiter in gtanfteich. 
©ie gtage ber AlterSoerforgung in 
©nglanb. 

BnwmMMäi ©ogtftIb»lttif .... 757 
©er preufeiföe ©efefcentwurf übet An« 
ftettung unb Berforgung ber tfom* 
munalbeantten. 

©ie erfte Äonfereng ber jogialbemofra» 
tilgen ©emeinbeoertreter SBürttem« 
berg«. 

©»Stele 3«ftftn6c :.758 

©tatifiif ber ferfonol» unb Arbeit«« 
oethffUniffe in ben BuchbrudeTeien 
©eutfchlanb«. 

Bleioetgifhingen in ber leramifchen 
inbuftrie. 

Regelung ber f$ottif$en Bergarbeiter» 
löhne. 

©ie Sage ber BaljnwartSfrauen auf 
ben ftangöfifchen Bahnen. 

©ericbtlidb« 1‘ohnfchufe in Auftralien. 

tUieiterbctpeguaf.760 

©etoerffchaftli$e Arbeiterfon* 
greffe. Bon ©. ©aube, Berlin. 
©<hwetgerif<her Arbeitstag in 
Sugern. 


Abbrnd fümmtlidber Artifel ift ßeitungen unb ßeitfcbriften geftattet, iebo<b nur 
mit üoUer Quellenangabe. 


3nbtt|hrttftaat und (Efportiniiuftrlt. 

3n Rr. 24 ber „Sogialen $rajis" wenbet fief) Sombart gegen 
eine Eruppe optt Rationalöfonomen, bie ben im@an{je befinblic§cn 
ttmwaublungSprogeh ^eutfchlanbs in einen Snbnfineftnat fritifd) 


erörtern. (5in X^eil non ihnen fieht in biefer EntwidFelungSbahn 
eine Sacf gaffe; Önbere, bem ^ergebrad^ten Optimismus näher 
bleibenb, [eben in ihr nur einen Engpafj, ber ins greic führt. 
Ohne in biefent Streit Stellung gu nehmen, wirft Sombart beiben 
^^cilctt Unfiarheit oor. 9Ran oermifche bie begriffe ßnbuftrieftaat 
unb Egportinbuftrieftaat unb fd^affe über bie angebliche 3i l Nfthme 
ltnfereS EyportS eine fable convenue, ber bie £h at f a£ b en fcfjroff 
wibcrfpredjen. Sirflichfeit fei bie Entfaltung unfereS ErportS 
fo gering, bah eine noch langfamere 3 una b™ e nad) Sombarts 
Gefühl unmöglich gefuitb fein fönne. 

$>iefe SluSfübningen fdjeinett mir baS an fid) gtemlich burd)* 
ftchtige gnbuftrieftaatsproblem mehr gu oerbunfeln als gu flären. 

1. rationaliftifchc ®iftinftion gwifdjen inbuftrieftaat unb 
Efportinbuftrieftaat ift geeignet, ben .Stern bee 3nbuftrieftaatsbegriffS 
unb bamit ben $ern beS praftifchen Problems oerfchlen ju laffen. 
SWeineS Erachtens liegt baS Ebarafteriftifum beS jnbuftrieftaats 1 ) 
nicht fomohl int Heberroiegcn feiner inbnftrieUen Seoölferung, als 
in feiner elementaren ltnfelbftänbigfeit: iit ber 3^ a «gSlage, einen 
erheblichen £b*il ^ er unentbehrlichften SBebarfSartifel (alfo in erfter 
ßinie ber Nahrung) 00 m SluSlanbe gu begiehen, weil bie eigene 
Ianbroirthfchaftliche ^robuftiofraft nicht genügenb entmicfelt ift. 
^)ie golge wirb fein, bafe bie agrarifch ntdjt befefjäftigte 23eoöl!e* 
runa fich ber gnbuftrie gumenbet, aber baS faufale $rius ift noth* 
roenoig eine feirthf<haft3politif, bie frembe Nahrung ins £attb 
einlägt. 

dagegen ift eS nicht fchlecbthin nothmenbig, ba& ein £b c ü 
biefer inbuftriellen S3eoöl!erung für ben Ejport arbeitet unb mit 
feinem $robitft bie eingeführte Rahrung begahlt; ©laubigerftaaten 
g. 33. fönneit ihre Einfuhr auch mit ben 3tttfen begaben, bie baS 
HuSlanb ihnen fchulbet, unb bie gnbuftrie beS gnbuftrieftaats 
barf bann auSfchliefclich für ben gnlanbsmarft arbeiten. £rojjbem 
befteht thatfädjUch fraft eines bem inbuftriellen Kapital inne- 
roohuenben EjpanftonSftrcbenS eine Xettbeng gum Export, oft 
oon ber SBirthfchaftSpolitif begünftigt, unb biefer ftcigetibe Export 
roirb gur 9iothn)eubigfeit, wenn bie 3inSbegüge 2 ) oom 3luSlattb nicht 
beliebig oermehrt werben fönnen, währenb bie wachfenbe $ahrungS* 
einfuhr größere ©egenwerthe oerlangt. $)er inbuftrieftaat ift alfo 
gewöhnlich gugleich Ejportftaat. 

änbererfe'tts ift nicht jebe ejportirenbe 33olfSwirthfd)aft inbuftrie¬ 
ftaat; bei agrarifchem %port felbftocrftänblich nicht, bei inbuftriellem 
Export wenigftenS bann nicht, wenn bie Erportioaare £aufd)objeft 
gegen relatio entbehrliche, alfo namentlich toieber inbuftriclle gm* 
portwaare ift. 3« biefem galle liegt eine tjannlofe internationale 
Slrbeitstheilung oor, unb eS fehlt baS für ben inbuftrieftaat 
charafteriftifche SKerfgeichen einer gwingenben 3lbhängigFcit oom 
SluSlanbe. S)enit für ben auSgebilbeten inbuftrieftaat ift es eine 
Lebensfrage, bah «rftcnS bie eingufübrenbe SKahrurtg bauernb 
fäuflich fei unb bah gtoeitenS gur SÖegahlnng biefer Einfuhr bic 
Eyportinbuftrie bauernb 2lbfafc finbe, begw. bie SBerfdjulbutig bes 


l ) inbuftrieftaat ift nicht, wie ber Raute angilbenten fdteiut, eine 
StaatSform, fottbern eine gorm ber Bolfsioirtbidjait. 

4J ) Ael)iilid)c ©initrtluiten, g. B. Erträge bentidter Untmtehmmigru 
im Ativtanb, nierbeu ber Miirgc mögen uidit niitgenauiit. 


SSeberaudfpenung in Rddjenbadf) in 
©Rieften. 

©er AuSflanb ber Ärefelbet ©ammet« 
Weber. 

©in ©treif ber Binneitfcbiffer in 
Rottetbam. 

©ie Bewegung unter ben ©arifet 
^anblungSgebilfen. 

«r»ci«evf4ii$.766 

©ie 3>af)te«bericbte ber ©e« 
werbe * AuffidjtSbeamten in 
SSürttemberg für 1898. 

©ie ©(bu^umbregeln für bie Auge» 
fteliteit in Väbett unb bie ©cljilfcu» 
oerbünbe. 

jlinberfcbub in ^preugen. 

Söeiblicbe gabrifinfpeftoren in Breufeen. 
9(«beit(rtievfl4eruna. «partdffen 770 
©er ©ntwurf ber SnOalibitütS« 
nooelle na 4 ben Befdjlüffen 
erfter Sefung in ber Reich«* 
tag«! ommiffion. 

©ie Allgemeine Drt«!ranfenfnffe gu 
granffurt a. 9R. 

Unfall» unb fttanfenoerfidjerung in 
ber ©cbweig. 

Berftcberung lanbwirthf^aftliihcr Ar» 
beiter in Ungarn, 
gabriffparfaffen in gtanfreicb. 
Friendly Societies unb Shop Clubs in 
©nglanb. 

SfrbeitSaafttoett.773 

Berbanb ©eutfdjer ArbeitSna^weife; 
Betition, betr. ©rlaß oon ©elepbon» 
gebühren. 

©Kgiebttni unb BUfeung.773 

BolfSthümliche JpochfchuWurfe in Ham¬ 
burg. 

BortragSfurfe über Bürgerfunbe ber 
SRöbchen* unb grauen«@ruppen für 
fogiale ^püIfSarbeit in Berlin. 
©onteniu«»©efellfdjaft unb ftabtifche 
^efeballen. 

Eingehen ber fogialiittfcben Unioerfität 
in Brfiffel. 

gftteratifdtc tfugetaen.774 


£./ fl, 












747 


Sogiale PrajiS. dentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 28. 


748 


AuSlanbeS baucrnb aufrecht erhalten bleibe — VorauSfefcungen, 
bie mehr als unroahrfcfieinltch ftnb. Solcher latenten grembherr* 
fcf^aft gegenüber roar bte früher oiel beflagte Unfelbftänbigfeü einer 
überroiegenb agrarifdhen VolfSmirthfchaft mit inbuftrieller dinfuhr 
Kinberfpiel, unb erft recht harmlos ift ber inbuftrieüe ßuruS*AuS* 
taufet} groifchen groei VoIfSroirthfchaften. ©er entfcheibenoe Punft 
ift bie Unentbehrlichfeit ber gmportroaare. 

2. Db ©eutfehianb gnbuftrieftaat in biefem oerhängnißootlen 
Sinne roerbe, ift beShalb nicht an bem Umfang feinet (^portö 
o^ne Weiteres erfennbar. Vielmehr ftefjt feft, baß ©eutfdjlanb 
(ebenfo mie dnglanb) eine ftarfe Duote feiner roadhfenbett dinfuhr 
mit ben 3™fen feiner auSroärtiaen Sctjulbner fauft, inforoeit alfo 
gnbuftrieftaat ohne entfprechenoen djport fein !ann. ©aß aber 
biefe 3infen, bie jefet noch jährlich ftarf gunehmen, in abfe|barer 
3eit gurücf gehen merben, ift non uerfcfjiebenen Seiten hinreichenb 
nad)brücflith betont roorben. ©ie djportinbuftrie müßte bann in 
bie £üdfe treten, forooßl für ben Ausfall bisheriger 3infen, wie 
(bei roadjfenber dinfuhr) für ben Ttehrbebarf an gahlungSmitteln, 
in einem gritpunfte, roo ihr oorauöfic^tlic^ fogar bie bisherigen 
Abfapgebiete fiep mehr unb mehr oerfdjließen merben. ©eutfehianb 
roirb beShalb feine Unterhaltsmittel felbft bann nicht befahlen 
fönnen, menn fie in 3»funft überhaupt noch fäuflidf) mären. ds 
bliebe im beften gälte übrig: bie TtaffenauSroanberung, b. h- Selbft* 
auflofung ber Nation. 

©iefe AuSficht mirb nid^t gemilbert, fonbern oerfchlimmert, 
menn Sombarts ©hefe sutritft, baß unfer inbuftrieller djrport 
fthon jeßt gufammenfchrumpft. S^erftch hat er auch biefen Stach* 
roeis meines drachtenS nicht erbracht. ©aß bie rohen 3Üfent ber 
dyportroerthfummen ziemlich ftabil geblieben finb, mar längft be* 
achtet roorben, unb eine fable convenue oon einem relatio fteigenben 
Import, mie Sombart fie gu befäntpfen glaubt, ift mir aus ber 
miffenfchaftlichen Literatur nicht befannt. Trit bem $inroeiS auf 
biefe dyportmerthe ift aber roenig gefagt. Sie brücfen befanntlich 
nicht entfernt ben Umfang ber beutfchen djportinbuftrie aus. Von 
3786 Millionen Ttarf beutfcher Ausfuhr (1897) entfallen über 
500 Trillionen auf NahrungS* unb denußmittel unb ©hiere, 
151 Trillionen auf dbelmetaße, 815 Trillionen auf geroerbliche 
Nohftoffe unb nur ber Neft auf bie Nubrif gabrifate. gn biefem 
lebten poften ftecft noch ber Vkrtß bes agrarifch gcroonnenen, 
gunt ©heil auch importirten NoßftoffS; nur bie ©iffereng groifchen 
Stohfioff* unb gabrifatroerth. ift baS mirthfchaftliche Probuft ber 
efportinbuftriellen Veoölferung unb ein Ttaßftab für ihren Umfang, 
dine nur fcheiitbare Abnahme ber Ausfuhr ift ferner burch ben 
dintritt ber fehr fauffräftigen Hamburger unb Vremer Veoölferung 
in bas Sollgebiet (1888) unb meiter bur* ben gunehmenben Preis* 
brucf bebingt, ber, gum ©heil mit oerftecften unb offenen Ausfuhr* 
präinien, bie fchon heute fpiirbare drfchroerung beS auSmärtigen 
AbfaßeS begleitet, ©abei ift noch baoon abgefehen, baß oon 
unferem defießtspunfte nur biejenigen dfportroertße mitgählen 
bürfen, für roeld)e Nahrungsmittel unb anbere unentbehrliche 
Söaaren eingetaufcht merben ober hoch eingetaufcht merben fönnen. 3 ) 
3n melcher Nietung bie Korreftur biefer gehler baS Sombart’fche 
Nefultat perfeßieben mürbe, fann h^r nicht ©erfolgt merben. 
VolIenbS irre führen aber muß es, menn Sombart jene fehr ge* 
mifeßten AuSfuhrgiffern nicht mit bem Umfang ber gangen beutfchen 
SBolfSroirthfehaft, fonbern nur mit bem ber Snbitftrie oergleicht, 
um einen üerhältni&mäjjigen Nücfgang beS Sports um 50 ü / 0 
auSgurechnen; ber djport funftionirt hoch für ben gangen oolfS* 
mirthfchaftlidhen Organismus, nicht für bie Snbuftrie fpegieU. 

3n feinem gaße bemeifen aber bie 3iffern unfereS dfports, 
bafj nicht eine gefährliche ©enbeng unferer 2Birthf<haftSpoIitif bahin 
ge§t, im Vertrauen auf ben oorübergehenb gu geroinnenben oft* 
afiatifchen Slbfahmarft bie fernere 3unahme ber Nahrungseinfuhr 
gu bulbeit. 

3. Söenn bie drportinbuftrie für fidj allein gur ©iagnofe beS 
SnbuftrieftaatS nid^t auSreicht, fo ift bagegen bie Nahrungseinfuhr 
ein fchlüffigeS gnbicium. lieber ihren Umfang in ©eutfehianb 
mirb noch geftritten. geh h al *e flc 1897 auf bes Verbrauchs 
gefchäfet. 4 ) Voigt 5 ) rechnet auf breiter, aber fehlerhafter 


3 ) Vgl. VaßobS mertbooße Slbhanblung über bie Vebeutung ber 
Sanbuurthfchaft unb ber ^nbuftrie in ©eutfehianb (SäjmolIerS §ahr* 
buch 1898). VaUob berechnet ben beutfchen .^anbelSocrfehr mit „NahrungS* 
ftaaten". Noch rationeller märe es, an stelle ©eutfdtjlanbS gang SBeft* 
europa als einheitliäjeS gnbuftriefiaatsgebiet eingufefeen. 

4 ) ©eutfehianb als gnbuftrieftaat. döttingen 1897. 

5 ) Vreufeifche Jahrbücher 1898, Vanb 91. 


drunblage l L beS Verbrauchs — nicht an Nahrung, fonbern an 
lanb* unb forftmirthfehaftlichen ^robuften — h eraug meint, 
bie inlänbifche $robuftion föntie rnohl auf 9 /g, aber unmöglich auf 
4 /s ihres gegenmärtigen Umfangs gefteigert merben, fei alfo nach 
feiner Statiftif unfähig, ben gehlbetrag gu becfeit. ©ie oon 
Vallob G ) reoibirten ©aten Voigts führen aber auf eine Ouote 
beS NahrungSoerbrauchS, bie hinter meiner Schäfcung noch etroaS 
gurücfbleibt, unb gugleuh ift biefer Slutor über bie SeiftungSfähig* 
feit ber beutfchen fianbmirthfehaft beffer unterrichtet als Voigt. 

SSährenb bie Summe ber Nahrungseinfuhr ben augenblicflidhen 
drab ber gnbuftrieftaatsentmicflung angeigt, ift bie fteigenbe ober 
finfenbe — in ©eutfehianb fdhneß finfenbe — Cuote, meldhe bie Ianb* 
mirthfchaftliche Veoölferung innerhalb ber Nation auSmacht, baS 
geeignetfte Tterfmal für bie dntroicflungStenbeng gum gnbuftrie* 
ftaate, unb hi^ fefei Sombart mit einer berechtigten ^ritif ein. 
dr hebt nämlich h^roor, baR bie Ouote ber lanbmirthfthaftlichen 
Veoölferung auch in einer nach außen abgefchloffenen VolfSmirth* 
fchaft roechfelt. Anfechtbar ift nur feine Tteinung, bie Ouote muffe 
finfen. 3nr Vegrünbung führt er gunächft an, bie geroerbliche 
digenprobuftiort merbe burch Berufsarbeit oerbrängt; nicht oielleicht 
auch bie agrarifche? dr meint groeitenS, ber gunehmenbe Komfort 
ber ßebenShaltung befchäftige mehr bie gnbuftrie als bie ßanb* 
roirthfehaft; auch baS ift nicht beroiefen unb feßt überbieS im 
3irfelfä)lu6 einen Nücfgang ber agrarifchen ©hätigfeit, etroa in 
golge lanbmirthfehaftlichen gortfchrittS, oorauS, ba hoch bie Summe 
ber Arbeitskraft eines VolfS eine roenig oeränberliche dröße ift. 
dnblich, meint Sombart, nehme ber Vebarf an lanbmirthfehaftlichen 
^robuften ab, inbem organifefje Stoffe burch anorganifche erfeßt 
merben, g. V. §olg burch difen unb Steinfohle, $flangenöl burd^ 
Petroleum unb das. ds mag unerörtert bleiben, ob biefe Stheibung 
oon Sßrobuftion organifdher unb anorganifcher Stoffe, bie ihm 
mit ber Scheibung oon Urprobuftion unb Stoffocrarbeitung burch* 
einanbergeht, für bie gnbuftrieftaatsfrage nicht beffer erfeßt mürbe 
burch ben degenfafc notl)menbiger unb minber nothmenbiger ©e* 
barfSartifel; ob fpegieU bie Verroenbung oon difen ftatt £>olg bei 
gabrifgebäuben, Ttafchinen, dfportfehiffen in ber Ttehrgahl ber 
gäße folche lanbroirthfd)aftli<he Saaren erfeßt, bie bisher ber 
ÖebenSnothburft bienten; ob mirflich ber debrauch beS Petroleums 
bie geroerbliche ©hätigfeit in ©eutfehianb oermehrt hat. ds foll 
oielmehr nur barauf hingeroiefen merben, baß umgefehrt auch ber 
Vebarf an lanbmirthfehaftlichen probuften fteigt, g. V. bei ber 
Papierfabrifation aus |>olg ftatt aus Abfällen, namentlich aber ber 
NahrungSbebarf bei fogialem gortfehritt, unb, maS oielleicht noch 
mehr ins deroicht fäflt, 7 ) ber Vebarf an gleifthnahrung burch 
phpftalogifchen unb gefeUfchaftlichen 3 ro ang bei inbuftricuiftifcher 
dntmicflung. 

4. gaft ohne dinfdhränfung ftimme ich ber Vemerfung Sombarts 
gu, baß ber dyportinbuftrialiSmuS eine natürliche, aber oorüber* 
gehenbe Phafe ber VolfSmirthfchaft begeidhne: „ber Periobe, mie 
man es nennen fann, ber gnternationalifirung beS gemerblichen 
Kapitalismus ift feit einigen gahrgehnten bie Periobe ber Natio* 
nalifirung gefolgt". 

©er drportinbuftrialiSuiuS erfüllt in ber ©hat einen geit* 
roeiligen roirthfchaftSgefchidhtlichen Veruf, nicht etroa nur für bie 
VSeltroirthfdhaft, fonbern auch für bie eigne VolfSmirthfchaft; er 
macht fief) felbft überflüffig unb roirtfjfchaftet ab. Unb bie geit* 
gemäße ©enbeng einer foidjen Nücfbilbung bes djportS, einer 
„Nationalifirung" ber gnbuftrie nach Sombarts AuSbrucf, ift in 
ber ©hat fd)on h^te oorhaitben, aber fie ringt noch mit ungeit* 
gemäßen degentenbengen, bie burch B$ort gnbuftrieftaat 
djarafterifirt merben. 

Ttarburg. K. Dlbenberg. 


dntniiihdn mit ujij; jnm €fportinbu|irie|toot? 

Unter biefem ©itel höt §err profeffor Sombart in Nr. 24 ber 
„Sogialen PrayiS" ben Verfuch gemalt, baS „©ogma oon ber 
dntmicflung gum ,dfportinbuftrieftaat‘" einer ftatiftifdjen Kritif gu 
untergiehen, unb ift babei gu bem Nefultat gefommen, „baß unfer 
dyport eine fortfehreitenb geringere Duote unferer geroerblichen 


6 ) Sd;inoßerS Jahrbuch 1898. 

7 ) ©ie ftarfe Steigerung bes detreibeuerbraudjs in ©eutfd^Ianb ift 
minbeftens gu großem ©hril auf bas Konto ber Viel)gud)t gu fepen; 
Auffdjroung ber Vtehgucht unb Niebergaug ber detreibepreife muffen gu 
gesteigerter Verfütterung oon detreibe führen. 



749 


Soziale $rajis. Eentralblatt für ©ogtalpolitit 9h:. 28. 


750 


Brobuftion — benn um biefc banbeit es fid^ ja nur — auSmaebt, 
mir uns alfo nicht gum, foubcrn oom Erportinbuftrieftaat meg 
entroicfeln". ©o unleugbar ihm ber Beroeis für ben erfien Xbeil 
biefeS citirten ©aßeS gelungen ift, fo beftreitbar fcbeint mir Me im 
gmeiten $^eil barauS gegogene Folgerung. Unb fo banfenSroerth 
jener giffernmäßige SaebmeiS für Me gunebmenbe Bebeutung beS 
inneren BtorfteS ift, fo bebenflicb febeint es mir, bie obige ©d)luß- 
folgermtg barauS ltnmiberfprocben gu laffen. B3ir mürben bamit 
ben #od|fcbußgöEnern bie benfbar fcprffteSSaffe in bie^anb brücfen. 
Xenn mit oollem S^ed^te mürben biefe meiter ßbließen: 28enn 
alfo ber Ejport für bie beutfebe gnbuftrie mit jebem Sabre un- 
mistiger unb roertljlofer mirb, bann finb mir oöflig auf bem 
richtigen SSege, roenn mir nationale Slbfcbließung unb mirtbfdjaft» 
lid^e Berfelbftänbigung XeutfeblanbS burd) eine §o§e 3oE0renge 
anftreben, bann beförbern mir baburd^ nur eine an fiel) unaus- 
Bleiblic^e unb fjeilfatne Entmicflung. — Unb boeb märe nichts 
falfeber als biefeS Säfonnement, unb nichts oerbängnißooEer als 
foldje §anbelspolitif. 

Xie Fehlerquelle in bem oon $errn $rofeffor ©ombart oer- 
tretenen ©ebanfengang fd)eint uns in ber Snterpretation beS Be¬ 
griffes „Ej'portinbufirieftaat" gu liegen. Er benußt als SEaßftab 
für ben ©rab biefer Eigenfcbaft baS ©rößenoerbättniß gmifeben ber 
©efammtprobuftion eines SanbeS unb feinem ©efammte^port unb 
folgert aus ber abneljmenben Duote beS leßteren babei ben Sütf- 
gang XeutfeblanbS als Eyportftaat. tiefer Sluffaffung fann ich 
nicht beiftimmen. 

Sei bem fteigenben 2Ba<bStbum ber BeoölferungSbicbtigfeit 
unb ber nod) meit ftärferen 3ungl)me beS Komforts ber SebenS- 
Haltung, bie fleh fo giemlid) aEent|alben in ben Kulturftaaten be¬ 
obachten lägt, ift eine ftar! fteigenbe Slufnabmefäbigfeit beS inneren 
EKarfteS nid)tS SBunberbareS; unb ba nun bie internationale 
Slrbeitstbeilung unb bie Entfaltung fpegialiprter Efportinbuftrien, 
ban! ber neueren faft aEfeitig ftar! proteftioniftifeben £>anbels- 
politif ber mobemen ©taaten, nod) auf einer giemlid) niebrigen 
EntroicflungSftufe ftebt, fo ift es flar, baß ber Export im Ser- 
bältniß gu ber ©efammtprobuftion notbmenbigermeife eher 
uritd als oormärtS gu geben febeint. Slber biefeS ©djicffal bürfte 
o giemlidj aßen mobertren Ejportftaaten gemeinfam fein'; man 
benfe nur an bie Bereinigten ©taaten, benen gemiß Siemanb ihre 
Entmicflung aum Eiportinouftrieftaat beftreiten miro. XaS, maS 
einem fianbe ben Ebarafter als Eyportgebiet oerleibt, ift aber unferes 
Erachtens nicht fo febr ber Umffanb, baß ein mehr ober meniger 
großer %ty\l feiner inbuftrieEen Sßrobuftion de facto über Me 
©renge ins SluSlanb gebt, fonbertt ber Umftanb, baß eS für ge* 
miffe Strtifel, ban! befonberS günftigen SrobuftionSbeMngungen, 
ber beoorgugte ßieferant beS BikltmarfteS ift; unb bie ©tärre jenes 
EbaralterS ift nicht banacb gu bemeffen, roelcbe Duote ber ©e- 
fammtprobuftion bie einbeimifebe Snbuftrie eyportirt, fonbem 
banacb, roelcbe Duote feines ©efammtbebarfs^ ber BMtmarft 
bureb bie Snbuftrie jenes ßanbeS bedft, b. b- bie Eyportfumme 
eines Sanbes ift gu oergleid^en nicht mit feiner $ro- 
buftionSfumme, fonbem mit ben Ejportfummen ber 
übrigen ©taaten. Söenn mir biefen Sergleicb giffemmäfjig auf- 
fteßen, fo mirb fdjon barauS gur ©enüge b^roorgeben, mit meinem 
Secbt baS ©eutfebe Eteicb ben Xitel eines EjportftaateS oerbient. 
3m 3ab^e 1898 betrug bie ?lusfubrfumme für bie miebtigften 
Eyportlänber beS SBeltbanbelS nad) Dr. S. 3iaimermann in beutfebe 
Währung umgereebnet: 

9torbamerifanifd^e Union . 5019,6 9Jhll. HWarf 


Eropritannien .... 4668 

XeutfrfjeS Steich • • • ■ *1001,7 

granfreicb. 2802,6 

£efterreicb s Ungarn ... 1875 

Belgien. 1322 = - 

9tublanb.1190 = * (lebtes Quartal gefcbäpt), 

Italien.1165 = - (Ie£ter HKonat gefchä^t). 


Xeutfcblanb, beffen gefammte Ausfuhr felbft Shtte ber fiebgiger 
Sabre nodh mit 2 V 2 StiEiarbe eine oerbältnifemäbig geringe Se- 
beutung für ben 2Seltmar!t batte, febreitet alfo beute mit mehr als 
1 StiEiarben an britter ©teEe ber Eyportftaaten unb beeft etroa 
10—15 o/ 0 beS SßeltmarftbebarfeS. 

Ungleich beutlicber noch tritt uns bie Entmicflung Xeutfcb- 
lanbS gum Ejportftaat oor Slugen, toemt mir nicht bie gegenmärtige 
©umme, fonbern bie SöacbStbumSrate feines Exportes mit 
ber ber übrigen ßänber oergleiden. 92acb einer 00 m englifcben 
Board of Trade unlängft gufammengcfteEten XabeEe betrug bie 
Ausfuhr in ShEionen $fanb ©terling für: 


Sauber 

1891 

1897 

3u* refp. Abnahme 

SRorbantcrifamidjc Union . 

184,3 

219 

+ 84,7 = 19% 

XcutfcbeS Setcb .... 

177 

197,8 

+ 20,8 = 11% 

granfreidj. 

189,8 

192,1 

4- 2,9= 1,5% 

Belgien. 

118,9 

113,5 

0,4 

Sußlanb. 

70,7 

69 

— 1,7= 8% 

Defterreicb s Uugaru . . . 

65,6 

63,9 

- 1,7= 3% 

Englanb. 

309,1 

294,8 

— 14,9= 5% 


£)ie Serebfamfeit biefer 3iffern bebarf mobl feines Kommentars. 

f ufammengebalten mit ber erften XabtEe prebigen fte — bei aEer 
ragmürbigfeit, bie ben roh berechneten unb nicht immer ftreng 
oergleicbbaren 3ablen ber internationalen |>anbelsfiatiftif anbaftet 
— einbringlicb bie Sehre, bafe mir uns gu einem erbitterten Kon- 
furrengfampf auf bem ©eltmarft bereit halten müffen, einem 
Kampf, bei bem in Kürge gmei Sorfämpfer in ben Sorbergrunb 
treten merben: 2>eutfd)lanb unb bie Sereinigten ©taaten oon &orb- 
amerifa. 

3um ©cbluh möchten mir noch auf SolgenbeS binroeifen: 
Sn bem 3Ea§e, mie fid) ein ©taat gum Ejportftaat entroicfelt, 
fpegialifirt fich gerabe auch feine Eyportinbuftrie. SSenn 
mir bie ©tatiftif aufmerffam betrachten, fo fehen mir, bafj bie 
mobernen ^portftaaien — man nehme Englanb, Belgien, Xeutfd) 3 
lanb 2 c. — im Anfang ihrer Entmicflung giemlicb aEgemein bie 
Srobufte gemiffer, bei ihnen aufblühenber Snbuftriegmeige: ber 
Xejtil-, ber Eifeninbuftrie :c., auf ben SJeltmarft marfen. Se mehr 
ficb baS Sefe ber internationalen ÄanbelSbegiehnngen oerfnüpft, je 
fchärfer bie Konfurreng auf bem Seltbanbel mirb, befto mehr be- 
febränft fi<b ber Export auf engere ©ebiete. Xie nationale SolfS- 
mirthfebaft thut h^r bem &uSlanb gegenüber baffelbe, maS uns 
innerhalb ihrer beim eingelnen ©ropnbuftrieEen gang geläufig er- 
febeint: fie giebt unrentable Sßirthfcbaftsgmeige auf, refp. be- 
febränft ihren Slbfafe auf ben bureb 3oEfdjnb gefieberten inneren 
Starft, unb fultioirt für ben Export biejenigen, in benen fie aus 
irgenb melcben ©riinben fonfurrengfähig bleibt. XeSbalb fönnen 
bie 3 a h^n ber £>anbetsfiatiftif leiebt täufeben, gumal fie ficb 
an bie ^Optionen unferes fehr menig fpegialifirten 3oEtarifS an- 
lehnen. 

©0 ift beifpielsmeife bie Ausfuhr oon gfabrifaten ber Xejtil- 
inbuftrie (im meiteren ©inne beS SöorteS) oerhältnifemähig menig 
geftiegen. ©ie betrug: 

1872: 59 Xaufenb $onS = 556 SKtEionen SWar!, 

1880: 80 * = = 796 

1890: 102 = - = 909 

1897: 116 = - = 777 

Xropem haben ftch beftimmte 3w e i0ß btt Xeytilinbuftrie, g. S. 
bie gabrifation oon Seloets, oon Xifeb* unb Settgeug, oon ge- 
miffen baummoEenen ©ebnitt- unb ©trumpfroaaren 2 c., gu aus- 
efprotbenen Eyportinbuftrien mit beberrfebenber Sebeutung für 
en Seltmarft entmicfelt. 

Sn anberen Branchen mieber treten bie 3iff ern unferer Aus¬ 
fuhr ftbeinbar in ben ^intergrunb, meil ber ©efammtoerbraudj 
unb bie ©efammtprobuftion ber SBelt eine relatio geringe ift, unb 
boeb fann bie betreffenbe Snbuftrie oon größter Bebeutung für 
unfer 2Birthf<baftSleben fein. ©0 oerfiebt g. B. bie beutfebe 
<bemif<be Snbuftrie nahegu bie gange bemobnte Erbe mit ihrem 
Bebarf an garben; gahllofe gaorifen mit großen 2lrbeitermaffen 
fabrigiren hier einen Slrtifel, ber 00 m Binnenmarft nur gu einem 
min^igen Bruebtheil aufgenommen merben fann. Unb boeb oer- 
febroinbet bie ÖuSfuhrgiffer ber 9&r. 114 beS SSaarenoergeidbniffeS 
(Anilin- unb anbere Xheerfarbftoffe) mit 17, 6 Xaufenb XonS = 
67 EEiEionen Storf als ein Xropfen im Eimer unferer ©efammt- 
auSfuhr. 

gerner unb oor aEem giebt eS eine gange Seihe oon 3n- 
buftrien, beten Slrtifel unter bie oerfebiebenften ^Optionen beS 
3olltarifS refp. beS SSaarenoergeicbniffeS faEen, unb beren 
fteigenber Export beShalb bem Sefer ber §anbelsftatiftif gar 
nicht oor ?lugen treten fann. ©0 hat fieb beifpielsmeife bie 
beutfebe EleftrigitätSinbuftrie in aEerjüngfter 3ßü einer 
Snbuftrie mit auSgefproebenem %portcharafter aufgefebroungen; 
babei fönnen aber fehr mohl eingelue ?luSfuhrgiffern ber bafür 
in grage fomtnenben ^Optionen: Siffcnfdjaftlid;e Snftrumente unb 
Apparate, Stafebinen aus uneblen BtetaEen, feine Bleimaaren, 
©lasmaaren in Berbinbung mit anberen Materialien, haaren 
aus uneblen ERetaEen u. f. m., menig geftiegen, montöglieb gurüd- 














751 


Soziale $raji§. ©entralblatt für ©ogialpoliiif. Rr. 28. 


752 


gegangen fein, ©ang ebenfo ift e« mit ber ©pieltoaarenbrand)e 
uno mehreren anbern, befonber« für ben ©jport arbeitenber Sn® 
buftrien. 

Refumireit mir: ®er ©fjarafter eine« ßanbe« al« inbuftrieHeit 
©rportftaat« ift unfere« ©ragten« bann oorhanben, menn fic^ in 
betn Sßirthfd)aft«leben beffelben eine Angahl non Snbuftriegroeigen 
oorfenben, melcfje meit über ben Sebarf be« inneren SRarfte« f)in* 
au« mefentlich unb oorroiegenb für bie Au«fnhr probugiren, fpegieU 
bann, menn ihre Slüthe nic|t burcf) geroiffe Rlafenahnten ber ©efefe* 
gebuna fünftlidj aufrecht erhalten mirb, roie etroa unfere 3ucfer* 
proburtion, fonbern in ber ©unft gemiffer natürlicher Srobuftion«* 
unb £ran«portbebingmtgen murgelt/ bie e« ihr ermöglichen, bauernb 
ihre Artifei auf bem Skltmarft gu billigerem greife ober in befferer 
Dualität (g. S. englifd^e Seingarne) angubieten al« ihre nicht fünft* 
lieh unterftüfcte $onhtrreng. ©obalb ein ©taat folche ©yport* 
inbuftrien in hinlänglicher Angahl unb in nennen«merther Slüthe 
befibt, ift er genöthigt, auf i|r ©ebeihen, auf ba« in ihnen in* 
oeftirte Kapital, bie oon ihnen erhaltenen Arbeitermaffen Rücffidjt 
gu nehmen, unb bie« nicht einmal nur in feiner 3ofl* nnb §anbel«* 
politif, fonbern bi« gu einem geroiffen ©rabe auch in feiner'inneren 
Sßirthühaft«* unb ©ogialpolitif. ©« treten bann biefe Srandjen 
in Sntereffengegenfah gu anberen, reelle burdi eine analoge ©nt* 
Toicfelnng frember ©taaten auf ihrem ©ebiete ftd) in ihrem ©taube 
bebroht fühlen ( s Beber unb ©pinner, Rtafdünenfabrifen unb ©ifen* 
roerfe in ®eutfc^lanb), unb in biefem ©egenfafe mufe ber ©taat 
früher ober fpäter ba« Sntereffe ber Defeteren — pringipiell roenig* 
ften« — hinto bem ber ©rfteren gurücftreten laffen, menn anber« 
er eine gefunbe — ber natürlichen ©ntmicfelung fid) anpaffenbe — 
politif treiben mitl. tiefer eigentümliche 3roiefpalt nicht groifchen 
^>anbel unb Snbuftrie, fonbern im Snnern ber einbeimifcf)en Snbufirie 
felbft ift unfere« ©ragten« eine« ber <harafteri[tifd)ften unb un* 
trüglichften Sachen für bie Attebilbung eine« £anbe« gum inbu* 
ftriellen ©grportftaat. Unb bafe Sieutfdjlanb in biefem ©inne ein 
folcher ift, roirb man ficherlich nicht beftreiten fönnen unb roollen. 

Serlin. 28altf)cr Sorgiu«. 


arbeiierfongrefe felbft ein Vertreter ber Regierung bie oorge* 
fcblagenen unb eingeleiteten ©chufemafenahtnen batgelegt hätte; Die 
meiften Arbeiter erfahren baoon jefet nur, ma« ihnen ihre Slätter 
mitgutheilen für gut finben. $)er Sauarbeiterfongrefe höbe fich al« 
eine fogialbemofratifdje Seranftaltung bargefteüt unb begroegen 
habe fich bie Regierung fernhalten müffen, finb mir belehrt morben, 
obroohl ©raf $ofaboro«fp in feinem Antroortfehreiben auf bie ©in* 
labung nur ben SDrang ber “^ienftgefchäfte al« ©runb angab. Aber 
mürbe e« nicht gerabe einen ber ©ogialbemofratie abträglichen ©in-- 
bruef gemacht haben, menn man e« nicht oerfdfjmäbt hätte, einen 
©eheimrath in biefe Arbeiteroerfammlung, mie in gasreiche Arbeit* 
geberfongreffe, gu fehiefen unb bie ßeute über bie ernften ^Bemühungen 
ber Regierungen um ben Sauarbeiterfchufe aufguflären? „Sit* 
bem man folcpe Serfammlungen al« Seranftaltungen ber ©ogial* 
bemofratie ängftlid) meibet, macht man fic erft recht bagu," bemerfi 
bie „$öln. Solfggta." fehr richtig, ©o hat bie Regierung ba« 
Selb ohne ftumpf oen ©ogialbemorraten überlaffen, anftatt bie fehr 
aünftige Sofition au«gunüfeen, bie ihr ba« Runbfchreiben be« 
©rafen $ofabom«fp oerfchafft hatte. Rad) ber Analpfe ber 
„Rorbb. Ölig. 3tg" enthält ba« michtige Aftenftücf folgenbe fünfte: 

I. Ueber ben gefunbheitlidjen ©d)ufc ber Sauarbeiter 
befieljen nur oerhältnifetnäfeig menige poligeilidje Sorfchriften. $)ie 
Srage, ob e« angegeigt ift, fie gu oermehren, ift für bie eingelneu 
Sheile be« Reich« je nach ben thatfädjlichen Serhältniffen fehr 
oerfcfjieben gu beantmorten. $)a, mo bie Serhältniffe einfach liegen, 
in«befonbere in ben meiften Iänblichen Segirfen, mirb ein foliäje« 
Sebiirfnife faum anguerfennen fein, ©ang anber« liegt e« in ©e* 
bieten, in benen eine rege Sauthätigfeit entfaltet mirb, mie in 
größeren ©täbten unb inbuftriereichen, fchneH aitroachfenben Drten. 
|)ier ergiebt fich vielfach bie $othroenbigfeit, eine Ser* 
inehrung be« Strbeiterfchufce«, für melchen bie freimillige 
Sürforge ber Arbeitgeber bi«her nicht überall al« au«rei<henb fnh 
bcrau«gefteüt hat, Durch poligeiliche Slafenahntcn gu er* 
groingen. 

Unleugbar finb bie bet bem inneren Ausbau oon ©ebäubeit, ins* 
befoubere bei Neubauten befdjäftigten Arbeiter, menn fie in ber falten 


SU Urginungett »mb brr floiiorbritrrfdjufe in 
Beutfd)lanb. 

Auf bem oom 19.—21. ÜWärg in SBerlin abgehaltenen Sau* 
arbeiterfongrefc (oergl. ©p. 700 ber „©og. Srayi«") ift bie S*age 
einer Serbefferung be« Arbeiterfd)iibe« bei Sauten ausführlid) unb 
lebhaft erörtert morben. Sei ben Serhanblungen mürbe laute 
Silage geführt, bafe bie 9teid)«oerroaltnng biefer S^age feine ge* 
nügenbe Sead)tung fchenfe. tiefer Sehauptnng tritt ein hach 5 
offigiöfer Deitartifei in ber „9?orbb. Allg. 3tg-" entgegen, ©omohl 
bie Sieidjsregterung mie bie oerbünbeten Regierungen hätten fid) 
fdjon feit längerer 3eit erttfllid; mit biefer Srage befchäftigt, unb ber 
©taatsfefretär be« Snnern, Dr. ©raf o. $ofabomSfp*Skhner, habe 
in ber Reich«tag«fibung oom 24. Sanuar b. S- erflärt, bafe er auf 
©rnitb eingehenber ©rhebungen tn ben ©ingclftaaten unb im 
SBefentlichen im ©inoerftänbnife mit ben oerbünbeten Regierungen 
in einem an bie Iefcteren gerichteten Runbfd)reiben, ba« f^on oom 
30. Sani 1898 batirt, ©teüung gu jener Srage genommen habe. 
Sn biefem Runbfcbreiben mürbe bie Rothmenbigfeit eine« mir!* 
fameren ©chufec« ber Sauarbeiter gegen Unfälle unb ©efunbheits* 
gefahren unumtounben anerfannt, gugleich aber auf ©runb ber 
üorgenotnmenen ©rmittelungen barauf hi n 9 ci aiefen, bafe c« auch 
bie SnnbeSregierunaen au«nahm«lo« al« ihre Aufgabe anfähen, 
Rtifeftänben auf biefem ©ebiete, fomeit ihnen nicht bereit« bisher 
bnreh befonbere Sorfchriften unb ©inridjtungen entgegengemirft 
morben fei, nach Rtöglidjfeit abguhelfen. 

©« mirb bann ber mefentliche Snhalt biefe« Runbfchreiben« 
mitgetheilt, ben mir meiter unten folgen laffen. SDa§ Sorgeljen be« 
©taatsfefretär« geugt in ber % hat oon einer grünblid)en ©nuägung 
ber Serhältniffe nnb einem aufrichtigen Semiihett ber Regierung, bie 
oorhanbenen Rfifeftänbe abgufchaffen. ^ie gute SMrfung be« 
Runbfchreiben« märe aber ficherlidj mefentlidj oerftärft morben, 
menn c« feinergeit fofort ber breiteften £cffcntlid)feit gugänglid) 
gemacht morben märe, nnb groar in feinem oollen Wortlaut. L i»enn 
bie furgen Anbcutungen, bie ber ©taatsfefretär in ber Reichstag«* 
Übung oont 24. Sanuar gab, liefern bie £ragmeite bes Runb* 
fdjrcibens nicht gang erfennen. ©o hat man fein Vicijt Rionate lang 
unter ben ©cheffel gefteüt unb Iäfet e« erft jefet leuchten, nachbem 
Srrthümer, Silagen, Sefdjmerben fich feftgeniftet haben. Unb mie 
oiel lebenbiger märe ber ©inbruef gemefen, menn auf bem Sau* 


i^ahreSgcit bei offenen % huren unb Senftern arbeiten müffen, erbeblidjen 
©efunbheitC'fdjäbigungen nu«gcfebt. ^a« Runbfchreiben betont mit ©nt* 
fchicbenl)eit, bafe in ber begeichneten Richtung ben 'Sattarbeitern ba, mo 
es bisher nodj nid)t in ber einen ober anberen Steife, g. S. burch Auf* 
nähme geeigneter Sebinguugcn in bie Sauerlaubittb, gefchehen ift, unb 
uid)t ctma übiutgsgemäb bic Sauthätigfeit in ber falten Sahre«geit 
gänglid) rufjt, ein befferer ©d)iih gu 2t)eil merben mufe, unb bafe bettt 
Grlaffe poligeilidier Sorfchriften, burch toelchc mährenb ber AuSfitlmmg 
ber Snneuarbeiten gur ©interSgcit ein menigften« prooiforifdjer Serfchlufj 
ber 3:hür* unb SenfterÖffnungen angeorbitet mirb, burdjgreifenbe Sc- 
bettfen nicht entgegenfteheu. $a« Arbeiten in Räumen, in benen offene 
Stofsfeuer brennen, ift in hoh?m ©rabe gefunbheitsfdjäblich uttb felbft 
lebensgefährlid). Sn einer Reihe oon ^oligeiocrorbnungeit mie auch in 
ben llufallueidjütmigSüorfrfjriften ber meiften Saugemcrf«=Seruf«gertoffen= 
fdjaften finb bereit« Seftiiumungen enthalten, bie biefeu ©efahren oor* 
beugen fallen, ©omeit biefe ©efahrett aber noch beftefjen, erflärt ba« 
Runbfdjreiben poligeiliche Sorfchriften für bringenb geboten, monadj itt 
Räumen, in benen offene ttofsfeuer ohne oollftänbige Ableitung ber 
entftehenben ©afe brennen, nicht gearbeitet merben beirf, foldie Raunte 
gegen anbere, itt benen gearbeitet mirb, bicht abgnfdjüefjen finb unb 
nur oorübergeljenb oon ben bie .tofsförbe beattfüchtigenben ^erfotten 
betreten merben Dürfen. Seiner ift bie Sefdiaffung oott llnterfnnft«* 
räumen für bie Sauarbeiter gur Senufcuug mährenb ber Arbeitßpaufen 
nnb gum 8d)upc gegen bie Uitbilbett ber Witterung fomic bie Anlegung 
oon Sebürfuif 3 anftalten nur oereingelt burch $oligeioerorbnungeti, häufiger 
bitrd) poligeiliche Verfügung insbefottbere bei Grtheilung ber Sau* 
erlaubnib geregelt morben. ©s mirb aber in bem Runbfdjreiben heroor* 
gehoben, bah aud) nadj biefer Slichtung hin für gasreiche Sheilc be« 
Reich« nodj oiel gefdjehen muffe. 

Rlit oölliger ©inmüthigfeit haben fich bie oerbünbeten Re* 
gierungen bahin au«gefprodjett, bafe eine Sefeitigung biefer Uebel* 
ftänbe groeefmäfeia nid)t burdh Sorfchriften herbeiguführen fei, meldhc 
burch Sefchlufe be« Sunbe«rath« für ba« gefainntte Reid)«gebiet 
gemäfe §. 120e Abf. 1 ber ©emerbeorbnung gu erlaffen mären, 
fottbern oielmchr burch lanbe«redhtliche, in«befonbere begirf«* 
ober ort«poIigeiIiche Rlafenahmen unter Seriicffichtigung ber 
örtlichen Sebiirfniffe unb in Anpaffung an bie nad) feltma, ©e* 
bräuchett n. f. m. oerfdjiebeneu Serhältniffe in ©tabt unb Saitb. 
Snbem fnh ba« Runbfchreiben ebenfall« auf biefen ©tanbpunft 
ftellt, legt e« gleidjgeitig noch bie rechtlichen ©djroierigfeiten 
bar, bie fich & e t einem Sorgeljen auf ©runb be« §. 120e Abf. 1 
ber ©emerbeorbnung barau« ergeben mürben, bafe bie auf ©runb 
biefe« ©efefee« gu erlaffettben Sorfchriften nur für ©emerbetreibenbe 
red)teuerbinblidj mären unb biefen nur Serpflichtungen gum ©<hu^ 
ihrer eigenen Arbeiter auferlegen formten. 3>ie Sauherren foroohl 



758 


Sogiale SrajtS. Eentralblatt für Sogialpolittf. Nr. 28. 


754 


lüic bie (Mefanuniunieruc^mcr fiiib aber häufig uid)t bewerbe* 
treibenbe iitib atebatm ben Sorfdjriften ber ©ewetbeorbnung mib 
bcn gu beren 2lu3fiihrung erlaßenen Seftimmungen nicht unter* 
worfett. 2lud) f)anbett e0 fich hi e * wm foldje Sdjußmaßvegeln, 
welche ben 2lrbeitern ber oerfd)iebcnen, gleidjgeitig ober nachcinanber 
bei bemfelben Saue tätigen Saugewerfe gu ©ute fommen follen, 
nnb baber am gwecftnäßigften bem Sauherrn ober bem ©efammt* 
Unternehmer eines Saueg aufgegeben werben. 

II. Den 3roetfen ber Unfalloerbütung auf Sauten bienen 
neben ga^Ireic^en poligeilidjen Sorfdjriften mehr ober minber lofaler 
2lrt bie oon ben Saugewerf£*Scruf£gettoßenfchaften erlaffeneit Unfall* 
oerbütungSuorfdjriften. Stuf ©rnnb ber angeftellten (Erhebungen 
erfennen bie Smtbesregierungen ebenfo toie bas Nitnbfchreibcn beS 
Staatgfefretärg beS ignncnt an, baß bie oon ben Serufggenoffen* 
[(haften erlaffeneit unb ftetig oeroottfommneten Unfalloerhütungg* 
oorfdjriften als burdjaug gwecfetitfpred)enb unb in Serbinbung mit 
ben gasreichen po!igeilid)cn Sorfdjriften, ihre gehörige Durch¬ 
führung ooraitggefeßt, im Allgemeinen als auSreidjenb gu er* 
arfjten feien, fo baß gur 3 e rt fein 2lnlaß beftehe, oon Neidjgwegen 
ben (Erlaß oon Sorfdjriften gum Schüße ber Sauarbeiter gegen tie 
llnfallgefahr ins eilige gu faffen. 

©cmt cs bcunotf) bis jcßt tocbcr ben bcbörblidKit nod) bcu bcntfS* 
gcnoßcnfdjaftlichen Stfaßnahmen gelungen ift, bie llnfallgefahr bei Sauten 
in bem wünfd)cuswcrtheu Sfaße eingubämmen, fo muß bie Itrfadic hier* 
für — neben anberen allgemeineren unb für fänuntlidje gewerblidjc 
ScrufSgenoffenfdjaften mehr ober weniger gleidjmäßig wirfenbcit Um* 
ftänben — oor ?lüem in einer itngulänglidjcn Durdjführung ber 
üeftehenbeu Sdjußoorfdjrifteit gcfud)t werben. Xabei barf nicht 
überfeinen werben, baß ftrf) bie relatioe Zunahme ber Unfälle auf bie 
leichteren gälle, b. h. auf folcße mit oorübergehenber ober mit nur tßcil* 
weifer ErwerbSunfähigfcit bcfdjräuft, währenb bie 3aßl ber feßwererrn 
Unfälle, foweit fic ben Sob gur g-olgc hatten, annähernb gleid) geblieben 
ift, unb bie Unfälle, welche oöllige bauernbe EnoerbSiinfähigfeit gur 
golge gehabt haben, fogar eine recht crl)cblirf)c Abnahme auf weifen. 

III. Der praftifdje Erfolg ber Unfalloerhiitungooorfchriften 
foroohl toie ber gum Schüße ber Sauarbeiter fonft erlaffenen Se* 
ftimmungen hangt aber, wie bas Nunbfdjreiben bes Näheren aus* 
führt, in erfter Sinie oon einer wir ff amen Kontrolle ber 
Sauausführungen ab. Hier oor Ottern muß beffernb einae- 
griffen, bie lleberroachung ber Sauten häufiger unb grünblicßer 
auSgeübt werben als bisher. 

Die ftuffidjtdthätigfeit ber Saupoligeibehörbcn barf nicht Iebiglid) 
auf bie bauplanmäßigc uub ftaubfidjere §erftellung ber Sauten, fonbern 
muß nicht minber auch auf bcn wirffameu Schuß für Sehen unb ftc* 
fnnbheit ber Sauarbeitcr fowic auf Nahrung bes MuftanbcS unb ber 
Sittlichfeit auf Sauten aeridjtet fein. Durd) ftärfere Herangieljuug ber 
und) § 139 b ber (ileweroeorbnung gur allgemeinen Oücwerbeaufficßt be* 
rufeneu Seamteu l(^ewerbcauffid)tsbeamten) wirb fich freilid) eine 
Sefferung auf biefem (Gebiete faunt erreichen laßen. (Sine häufige unb 
griinblidje Seauffidjtigung ber gasreichen, gerftreut liegenben Sauten 
würbe beren geit unb Nrbcttsfraft übermäßig in 2lnfprudi nehmen unb 
bie Erlcbiguug ihrer fonftigen Dieiiftgcftfmfic in bebenflidjem Staßc be* 
einträchtigen. ' Hieroon abgefeheu, fehlt ihnen aber and) regelmäßig bie 
für eine foldje Aufgabe nothwenbige tedjnifdie unb praftifdje Sdjulung. 
ES fpredjen üieltnci)r überwiegenbe öriinbe bafür, bie in engftem ^u* 
fammenhange miteinanber ftcßcnbcu Aufgaben ber ^oligci im engeren 
Sinne unb bes ?lrbeiterfd)ußes auf Sauten nicht in bie §anb getrennter 
?luffid)tsorgaue gu legen. Dagu fommt, baß bei ber großen 3al)l unb 
bem häufigen S>ed)fei ber Sauftelleu unb angefidits ber mit bem gort* 
fehreiten eines Saucs fich fortwährcub oeränbernbeu Sefdiäftigungs* 
oerljältniße ber Schwerpuitft einer wirffameu Seauffid)tigung ber Sauten 
hoch immer in ber Dßätigfeit örtlicher, eine fortlaufetibc Kontrolle aus* 
iibenber Organe gejucht werben muß. ^iernad) ift gwar einftweilen 
baoon 2lbftanb genommen worben, oon Ncirfjswegen Sorfdjrifteu gur 
Serbefferuug bes 2lrbeitcrfchußes auf Sauten gu erlaffen; bagegen finb 
bei ben Sunbesregierungen bie gu biefem ,3werfe erforberlidjcn Si'aß= 
nahmen unb insbefonbere eine Serfd)ärfu-ng ber poligciliriien 
Saufon trolle in Anregung gebradrf. Sabei ift, wie ber Staats* 
fefretär bes Innern in ber oben erwähnten 9ieid)Stagsfißnng glcithfalls 
heroorgehoben hat, auch bie Jvrage gur (Erwägung gefteflt worben, wie 
weit etwa gur befferen ^urrfiführung ber Schußoorfdiriflcu auf bett 
Sauten eine gewiffe Slcitwirfung oon ^ er fönen aus bem iHr* 
beiterftaube thuulich fein würbe. A-reilid) wirb mau gu biefem werfe 
nicht eine gefonberte organifirtc, ihre Spißc gegen bie Unternehmer 
fehrenbe ?lrbeiterocrtretuug fd)affcu fönnen, burdi wrldje bie Wcgcnfäße, 
wie fie ftd) in ^olgc ber fogialbcmofratiidjen Agitation im Saugewerbc 
mit befonbercr Sdjärfe heranSgebilbet haben, gum 3d)abeit ber Sad>e 
nur nod) gefteigert werben würben, ^ohl aber ift bie (Erwägung au* 
geregt worben, ob nicht bei eiugclncn, insbefonbere größeren Sauten 
bie Unternehmer gu ucrpflidjtcn wären, ihverfeits ber 'ßoligeibcljörbe 
eiugelue Arbeiter gu bcgeidinen, weldje bie Aufgabe haben würben, auf 
bie Seadjtuug ber Sdjußoorfdirifteu bei bcn Sauten mitgunditen unb, 
wenn ber Salier ober bie fonft bcn Sau leiteube Stelle ihren Sor* 


ftellnugcn wegen Seachtuug fold)cr Sorfdjrifteu nicht gercdjt wirb, bei 
ber Soligcibefjörbc iHngeige gu mad)ett. (Es erfdjeint nid)t auSgefchloßeu, 
baß fich eine folche Maßregel, weld)e ingwifdjen in eingelnen Sljcilen 
bes ^Icicf)!? bereits in ?lusfid)t genommen ift, in ber 2hat wirffam er* 
weift, btc Sßätigfcit ber AtontroHbeamten gu unterftüßen unb ben Sau* 
arbeiten! benjenigen Sdgtß gegen Unfälle gu ficßern, auf ben fie offenbar 
?lnfprud) haben. 

©leidjgeitig mit bem SHunbfchreiben an bie Sunbesregierungen 
finb auch Serßanblungen mit ben Saugeroerfö*Seruf§genoffenfchafteu 
oeranlaßt worben, um biefc gu einer intenfioeren Oleftaltung 
ber beruf^genoffenfchaftlichen (Eontrole über bie Durch¬ 
führung ihrer UnfafloerhütungSoorfchriften gu oermögen. Diefe 
Serhanblungen fmb noch nicht gum Ülbfdhluße gefommen. 

Sefonber0 bebeutfam ift in biefer ^ublifation ber §imoei^ auf 
bie |jerangiehung oon Slrbeitern gum 2luffid)t§bieitft. 
^)ier hanbelt e§ fich um ein ^ringip, unb mir freuen un$, baß 
bejaht wirb; benn in ber Dhat haben bie Sauarbeiter, für bie 
Oeben unb ©efunbheit auf bem Spiele fteben, nicht nur ba^ ftärffte 
Sntereffe an ber ftrengen Durchführung ber Schußmaßnahmeit, 
fonbern fie finb aud) gur Scithilfe hi«: oorgiiglich geeignet. $ur 
ift bie 2lrt unb Steife, roie bie Sertretcr ber 2lrbeiterfchaft gugegogen 
werben follen, unfereä ßrac^ten^ gang oerfehlt. Seicht bie Unternehmer 
müffen bie Arbeiter begegnen, bie Montroleure werben, fonbern 
bie 2lrbeiter felbft müffen Sertrauenöleute oorfdjlagen, 
bie mit ber ^oligeibehörbe unb ben Sertretern ber Seruf^genoßen* 
fchaften gufammen bie Durchführung ber Schußmaßitahmen über* 
machen. s d)ian nehme fich hoch bie giinftigen Erfahrungen gum 
3ßufter, bie bie (Öeroerbeauffichtsbeamten in SSiirttembcrg mit ben 
SertrauenSlcuten ber organifirten Arbeiter gemacht haben (oergl. 
Serid)te für 1898 S. 5, 7, 54, 55, 103, 105)! 92id)t eine Steigerung, 
fonbern eine SMlbernng ber (^egenfäße groifdjen Unternehmern 
unb Arbeitern ift gu erwarten, wenn man ben gleichen ©eg, ber 
bort gu fo guten Ergebnißen geführt hat, auch für ben Arbeiter* 
fdE)uß im Saugewerbc einfchlägt. £>at man ßd) einmal grunbfäßlich für 
bie hödßt erwünfd)te Dheilnahme oon 2frbeitcroertretern an ber 
2lufficht bei Santen entfdjiebcn, fo wage man aud), bie logifcße 
Äonfegucng gu giehen, uub bredje uid)t gaghaft bem ^ringip fofort 
wieber bie Spiße ab. Souft läuft man EJefafjr, troß ber beften 
2lbfiditen unb Semiihuiigen nicht an^ 3iel gu fommen. 


Mgemelne Sojlrü- nnb fflirtfyfdiaftepolittk. 


(Et« Hafßfche^ lebtet ber SlrbeUlitlligen nennt ^rofeffor 
Srentano*Sciind)en in einem in ber „2lllgemeinen Leitung" oer* 
öffentlicßten 2fnffaß bie Serliner Äonfeftiousinbiiftcie. EJcftüßt auf 
bie auch in biefen Släitern (VII. Sp.840) befprodjenen ilnterfuchungen 
beS Sräulein E3. Dijhrenfurth über bie i?age hnuSinbuftrieller 2lrbei* 
terinnen in ber Serliner Slufen*, Unterrocf*, Sdjürgeu* uub Drifot* 
fabrifation fcfjUbcrt Srcutano bie traurige Vage biefer 2lrbeiterinnen, 
bie fich mit Söhnen oon 7 4 bi^ 15 a\ pro Stunbe bei ange* 
ftrengtefter 2lrbeit begnügen müffen, unb bie, foweit fic barauf an* 
gemiefen ftnb, ootn Ertrage biefer 2lrbeit nießt nur allein leben, 
fonbern oft nod) ft'inber erhalten follen, entmeber bem junger 
ober ber Schaube anheimfallen. 3h r ^ ©ohnungen finb elenbe 
Söcher; alle Serrichtuitgen be^ täglichen Sebent finb in bem eingigen 
kannte oorgunehmen. Srentano fchreibt: 

„Die Heimarbeiterinnen fmb iibcrwiegeitb oerhcirathetc grauen im 
2Uter gwifdjen 25 unb 35 fahren, in bem btc 3af)l ber erwerbSim* 
fähigen Alt über am größten ift. Namentlich fmb es bie grauen oon 
Scannern, bie unter periobifd)er 2lrbeitslofigfeit leiben. Xann lebt bie 
gange gamüie oon bem färglidjeu Scrbtcnft ber grau, ja ber Ncauu 
mit feinen unbeholfenen gingen! wirb bann felbft Vrßrling in ben oer* 
fdjiebeucit AUinften, welche bie §erfteflung ber Aionfeftionswaare erl)eifd)t. 
Nußcrbcm aber geigt fid) ber waßerpeftartige Eßarafter ber Hausiubuftrie, 
wie immer, fo aud) hier barin, baß fie, wo fie eriftirt, gar nicht mehr 
ausgurotteu ift. fd)lcditer bie Einnahmen werben, befio weniger ;>cit 
hat man, fich nad) einer lohueuberen Scfchäftigung iinigufehen; baher 
es fo feiten ift, baß gemaub, ber einmal im (bewerbe brin ift, ihm 
wieber entrinnt, ge niebriger bie Vohnfäßc finfeit, befto früher werben 
bie eigenen Minber gur Ncitarbeit heraugegogen. ge nötbiger eine Se* 
fdiränFimg bes Angebots wäre, befto mehr nimmt es fortwährcub gu, 
beim bie wcilgehenbe Nrbcitsthcilimg liiadjt nur eine Vebrgcit oon gwei 
bis uicr ©odjeu nöthüh bie ^eidjtigfeit in ber Seidiaßmtg ber Scanlnue 
oeranlaßt ungähligc ehemalige Xieuftinäbdien, nach ihrer Heirath als 
Heimarbeiterin einen 3ufdmß gu bcu A>ausl)altsfoftcu gn oerbiennt, unb 
bagu fommen nod) bie grauen mtb Döditer oon fleinen Seamteu uub 
Siirgcru, weldjc Nrbcitcu übernehmen, nur um iidi bie Sföglidifeit ge« 
Irgeütlidien llieaterbcfmhs ober aubrrer Erlranergniigen gu ocn'dinficu. 
Nlleiu es giebt and) galjlreidje Siäbdjeu, bei bcucu ber ^ohu, ben fie 



755 «Soziale praris. Gentralblatt für ©ojialpolitil. Nr. 2*. 756 


ucrbictint, uidit blop ein ^ufdmp ift, fonbmi bie fein aubrrrs ehrbare» 
Ginfommcn haben. 

dietf onfcftioitdinbufirie erfd)eint als ein wahrhaft flrtffifdjev (Gebiet 
ber Arbeitswilligen. 2$on allen Seiten brängen fie ftd^beran, bereit, Arbeit 
unter faft jeber iBebtngung ju nehmen. Hier ftört {einerlei Koalition 
baS Necht bes Giuzelucn, bie Uebrigcn 311 unterbieten . . . Unternehmer, 
bie es für riötpig halten, bie uou ihnen s 23cfd)äftigten nur s l'ergemalti= 
guug burd) Strcifenbe zu fc^ii^cn, finben hier nichts ju t^iiu." 

Brentano hält bei ber WiberftanbSlofigfeit biefer Arbeiter, bie 
bie lepte Urfache ihres GlenbeS ift, alle Ntapnal)men, bie jept non 
ber Regierung 311 ihrem Schule norgefd)lagen werben, für aus* 
ficptSloS, fobalb man nicht baS Ucbel an ber Wurzel anfaffe, unb 
biefe Wurzel fei baS unbegrenzte Angebot non ArbeitSroißigett: 

„das einzige Mittel, um Sefferuug zu fdjaffen, ift bie .C^eran* 
Ziehung ber Arbeiter felbft, joroohi z ur Durchführung ber zu ihrem 
Sd)upe erlaffeuen gefefelidjen Üöefümmungeu als auch zur 23efferung 
ihrer Lohnuerhältniffe. Nun ift es gernip richtig, bap non freien 
Koalitionen ber Heimarbeiterinnen nichts z u erroarten märe. Sie 
ftehen zu tief, ftnb zu arm, leben zu ifolirt, als bap über bem 
nädhftliegenben 3utereffe beS AugenblicfS baS bleibenbe Jntereffe 
Mer non ihnen ins Auge gefafet tnerben fömttc. Allein zögern 
mir bentt fonft in deutfepianb, ba tno bie freimillige onitiatine zu 
fchroach ift, non oben herab zu organifiren? Haben mir nicht für 
perfonen aller üöerufe unb zwar für foldjc, bie fid) nollftänbig felbft 
Zu mehren nerfteheu, neuerbingS non AmtSroegen Organifationen 
gefdjaffeit? Lautet ni^t inSbefonbere ber §. Hl ber ©emerbeorbmtng: 
„diejenigen, welche ein ©ernerbe fclbftftänbig betreiben, tonnen zur 
Jörberung ber gemeinfanteu gewerblichen Qntereffeu zu einer Innung 
Zufammentreten" unb fantt nicht fogar ber 23eitrittSzroang zu fold)er 
Innung nad) §. 100 ber ©emerbcorbnuug ausgesprochen werben ? 
Wenn es als Aufgabe biefer 3nnungen bezeichnet mirb, ben ©erneut* 
geift zu pflegen fötnie bie StanbeSehre aufrecht zu erhalten ttnb zu 
ftarfen, roarunt gedieht non Atntsroegen nichts, um ben ©emein* 
geift bei benen zu meefen, bie unter betn fchranfenlofen Wettbewerb 
ber Einzelnen am Reiften bebroht fittb, mirthfehaftlid), pbpfifd) unb 
fittlid) $u nertommen unb ihre Ghre gerabezu zu oerlieren?" 

die amtliche „berliner Korrcfpoubenz" beeilt fich zu oerfidjent, 
bie Regierung merbe auf bie Anregung Brentanos nicht eingehen. 
Wer hätte baran gezmeifelt? 

©in ©ropittbuftrießer für bie gemeinsame Drgauifation ber 
Arbeitgeber unb Arbeiter, die Anträge Hipe^ieber unb 23affer* 
mann*Het)l, bie fid) aufbauen auf ben Porten ber Kaifcrbotfcf)aft 
nont 4. Februar 1890 

„für bie pflege bcs Jriebcns zuüfdjen Arbeitgeber mib Arbeitnehmer 
gefeplidie 'tBeftimmimgeu über bie formen in Auofidit zu itelimen, in 
benen Arbeiter burd) Vertreter, meldje ihr Vertrauen befipen, an ber 
Regelung gemeiufamer Angelegenheiten betl)eiligt unb zur 'Wahrnehmung 
ihrer Sntcrcfjen bei Aerbaubiung mit ben Arbeitgebern unb mit ben 
£rganen ber Regierung befähigt merbcu" :c. 
haben, mie befannt, eine lebhafte 23efärapfuttg 0011 gropinbuftrießer 
Seite erfahren, bie biefem ^Beginnen fo$xaIpolitifd)en dilettantiSmus 
unb Segiinftigung ber Sozialb'emofratie oormirft. 3u längeren Aus* 
führungen in ber „Wotmfer Reitling" tritt nun Herr u. Hepl biefen 
©inmürfen entgegen. Gr hält baran feit, bap fein Antrag einen 
Fortschritt auf bem Wege fozialpolitifdjer ©efepgebuug unb einen 
Schritt zur pflege beS TvriebeuS zuüfdKu Arbeitgebern unb Arbeit* 
nehmern barfteßi. Was ber Antrag miß, fei thcilmeife uothmeubig 
geroorben. dahin rechnet ber Perfaffer oor allen dingen, bap bie 
Arbeiter aus ber Arbeiter)djaft herauf ihre Vertreter wählen, 
©egenmärtig fämen in Jväßen ooit NieiumigSoerfdncbenbeiten bei 
ben rtothmenbig merbenben Perpanblungen als Vertreter ber Arbeiter* 
fepaft Leute zum Porfd)ein, bie mit ben Arbeitern ber mähren ©e* 
finnung itad) nid)t 0 z u tbun haben, oont ©emerbe meiftenö nid)t 0 
uerftäitben unb nur barauf bäd)teu # für bie Sozialbemofratie ctma 0 
herau 0 zufd)lagen. die geplante Organifation bagegen merbe ben 
fozialbemofratifchen Agitatoren feine SJhihepoften gemähreu; fie 
merbe fogar ben Sozialbemofraten fehl* unangenehm fein. Wa 0 
Herrn o. $cnl aber befonbei» fiir ben Antrag ftimmt, ift bie ©e= 
migheit, bap bann mit ber ftilleu Wühlerei zu Gabe fei, ba 
bas, roa* au Wiiufdieu unb 5Befdnoerbeu bei ben Arbeitern uor* i 
hanben ift, au bae Xage^lidjt 1111 b offen oor bie Unternehmer ge* 
bracht merben miiffc. 

deutfdjeö 9)fufeum für Soziale ^raz;iö. der feit zehn fahren er* 
örterte unb nod) fiirzlid) im SHeidpMag rid. 3anuan einmiithig befiir* 
mortete $Ian, ein fozialev 'Diufeum für llnfalloerhütung, Arbeiter* 
fdjup, ©emerbehpgienc unb Woblfabrtöeiuridunngeu 001 t A'eidj^megen 
Zu fdjaffen (uergl. Ar. 22 ber „Soz- ^raric^O, mirb jept mieberuui 
angeregt, die „^oft" bringt anläßlich eines X'efudicv, ben ber 


Staatsfefretär beS 3'nuern ber Sammlung ber preujjifchen Gcntral* 
ftelle für Wohlfahrtseinrichtungen abgeftattet hat, in Grinnerung, 
bap im AeidjStag oon oerfdjiebeneit Parteien bie Grrichtung eines 
äßufeumS geforbert morben fei, bas namentlich alle Neuerungen 
auf bem ©ebiete ber ilnfattoerhütung zur darftellung bringen foH. 
„UufercS GrachtenS," fo bemerft hierzu bie „Siibb. NeidjSforrcfp.", 
„mürbe fid) praftifd) mit einem foldjen Ntufeum eine miffeufdjaft* 
lidje darftellung ber ^olfScrnährung unb ber WohnungSbpgiene 
oerbinbeu taffen. Würbe man in biefem Nahmen im ^sntereffe ber 
arbeitenbeu Klaffen unb zur Sörberuug mid)tiger fozialpolitifrijev 
3 mecfe ein ©efunbheitSmnfeum begriinben, fo mürbe allerbings 
mir baS Neich bie geeignete Stette zur Ausführung eines folchen 
Unternehmens fein fönneii. Wir glauben, bap Ijierburd) midjtige 
praftifd)e Anregungen gegeben merben fönnten, meld)c bleibenb auf 
aße betheiligten Krcife nnmirfen mürben/' 3n biefem Sinuc 
haben fid) mieberljolt Vertreter ber Unternehmer unb ber Arbeiter 
geäußert. Welchen Namen baS neue Hiufenm tragen foß, ift 
einerlei, menu es nur gcfd)affen mirb. Hub bazu mirb ber NeidiS* 
tag fofort bie Haub bieten, faßs bie oerbiinbeten Negierungen mit 
einer entfprechenbeu Vorlage fomtnen. 

daS ©efep zmtt ber ArbettStoißigen in Schtoebea Per« 

toorfen. der Auffap oon Dr. A. Naphael in Stocfl)olm über bas 
oom fchtoebifchen Neid)Stag mit erheblicher Niehrhcit angenommene 
©efep zum Sd)iip ber ArbeitSroifligen (oergl. Sp. 668 ber „Soz. 
s $rariS") mies barauf hiu, bap bieS ©e[ep nod) bem ©utachteu 
beS Neid)Sgerid)tS unterbreitet merben müffe, „unb es ift faum zu 
erroarten", fügte ber Herr Verfall er hinzu, „bap es ber unpar* 
teiifdjcn Kritif ber h er °orrageiibften fchroebifdjen Ned)t§gelef)rteu 
Staub halten mirb." diefe Annahme h°t fid) jept erfüßt. die 
Prüfung beS ©erid)tsF)ofes ift erfolgt unb baS gerabezu einftimmig 
befdjloffene Grgebnip ift, „bap baS (^)efep uerfaffungSmibrig 
unb baljer nicht oon ber Krone fanftionirt merben barf". 

die fremben Arbeiter in ^ranfreich. Wie bie „Soziale $rayis" 
fchon berichtet hat, liegen ber Kammer mehrere ©efepentroiirfc z»r 
^efteuerung ber auSläubifd)cn Arbeiter oor, bie gegenwärtig im 
Stabiutn ber Kommiffionsbcrathung flehen. Um eine 33e)d)Ieuni* 
aung ber Gntfcheibuug zu erlangen, brachte einer ber Urheber jener 
Gntmiirfe, Abgeorbneter dnbuiffon, bei ber GtatSbcrathung feinen 
Antrag in Jvorm eines AmenbementS zum Giunal)mcetat bes 
5inanzminifte_riiimS ein. die Ainanzoermaltung foßte einfach fchon 
für baS laufenbe ^nbgetjal)r oon ben Unternehmern eine Steuer 
oon 60 Öres, für jeben bcfdjäftigten fremben Arbeiter erheben, 
den einzigen fd)mermiegcnbcn Ginrourf, ben man biefer Niaprcgel 
eittgcgenfepen forme, bilbet nach H^rn dnbuiffon bie ©efahr ber 
©egenmapregeln beS AuSlanbeS. ' diefe ©efahr fd)äpt er jebod) 
für fehr gering, ba baS Nerhältnip ber fremben Arbeiter iu 
Öranfrcid) z» ben franzöfifd)en Arbeitern im Auslanbe ein zu un» 
gleiches fei. Nad) ber SSolfSzählung oon 1891 lebten in A-ranf* 
reid) 1 150 211 ^erfonen frernber Nationalität, daooit repräfeutiren 
430 580 eigentliche Lohnempfänger, nämlich 39 377 Angefteßte, 
339 217 Arbeiter unb 61 786 dienftboten. die 3 rt hl ber 
franzöfifd)cn Arbeiter im Auslanbe betrage IjöchftcnS KX)oOO, ttad) 
offiziellen Sd)äpungen fogar nur 60 000 , mtb biefe feien fo fehl* 
Zcrftreut, bap fein Lanb eine gropc Anzahl baoon hefipt. 3» 23e* 
trad)t fämen überhaupt mir Gnglanb, 23elgten unb bie Schmelz. 
Gnglanb habe rneuig ftaatsangchörigc Arbeiter in ^ranfreid), bic 
Schmeiz erhebe fd)Ott jept iu einzelnen Mautoneu gemtffe dareu oon 
ber fremben Arbeit; biefe beiben Länber mürben alfo feine Ne* 
preffalien ergreifen. And) in 23elgieu feien ber geringen 3 ahl ber 
frauzöfifd)cn Arbeiter megeit feine toirflidje ©egenafiioneu zu er* 
märten. Aus biefen ©riiuben fönnc mau al[o uubebenflid) beu 
energifcheu Sd)up ber nationalen Arbeit imoerziiglid) burd)führeit, 
ber fid) um fo britiglidjer ermeife, als cS fiel) um nahezu 
l i-> Nhllioit 3 ubioibiien hanble. die dcputirtcufainmer enthielt fid) 
einer fad)lid)eu Steßuugiiahme zu bem Amenbemeut, baS fie, ob= 
mohl man barin bilatorifdje 23c()anblung ber 3rage erblidte, ber 
mit ber 23orberathuug ber früheren ähnlichen Anträge betrauten 
Mommiffton iibermieS. 

dir Sragc ber AlterSPcrforgung in Gnglanb. der Antrag 
V. Hoßanbs auf Ginführuug einer obfigatorifd)en AÜersoerforgimg 
in Gnglanb (ogl.^Sp. 708 ber „Soz. ^raj;is") ift nirfjt ber einzige, 
melcher bem englifdjen Parlamente oorliegt. Giueu Gntmiirf älju* 
lidjeu 3»halts haben Sir W. Softer unb Labendere oorgelegt; 
bemzufolgc hätte jebc perfon euglifdier Nationalität oon über 
65 3al)ren, bereu möcheiitliches Giufommen uid)t mehr als 5 sh 
beträgt, Anfprud) auf eine mödjentlidje penfion uou 5 sh mtb jene, 

| bereu Giitfommeu ziuifiljcu 5 unb 10 sh roödjentlich beträgt, er* 



768 


757 


Soginlc $ra£tS. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Ar. 28. 


gelten eine Boifiott, bie bie Wocpeneinitapmc auf 10 sh ergänzt. 
Ginc GraffcpaftSratp*UmIage pätte bie Mittel hierfür gu befepaffen. 
— Gine anbere Biß, betreffenb Ginfüprung ber AlterSoerforgung, 
ift jene 3Dt. BartlepS, bie brei Staffen Berficperter oorfiept. Ter 
BenfionSbegug beginnt mit bem 65. 3upre unb ftuft fid) ab mit 
Äütf fiept auf bie Gualiät ober Würbigfeit beS Gingelnen: roer Be* 
biirftig ift unb nie ber öffentlichen Armenpflege gur JÖaft gefallen, 
foß 7 sh per Wocpe erbalten; roer tpeilroeife felbft für baS Atter 
Borforge getroffen, foß 3 sh 6 d roöcpentlicp begiepen, begro. eine 
Grgängung ihrer eigenen SBegüge, unb bie nichts gurücflegen fonnten, 
aber hoch einer ^enfton roürbig finb, foßeu gleichfalls 3 sh 6d 
erhalten, tiefer Gntrourf fiebt bie Ginfüprung einer eigenen ftaat* 
liehen ©teuer „pension rate“ gur Aufbringung ber notproenbigen 
Wittel oor. — Am 25. Wäig fanb in Birmingham eine große 
Berfammlung ftatt, in ber GparleS Bootp feine kleine, betreffenb 
eine ftaatliche AlterSoerforgung auSeinanberfepte. Gpamberlain 
bat ein Sdjreiben an bie Berfammlung gerichtet, in ber er fein 
lebhaftes 3ntercffe für bie TiSfuffion be's TpemaS funbgiebt. TaS 
Meeting befeploß eine Stefolution gur Unterftüßung oon BootpS $ro* 
jeft. — Am 24. Wärg fpracfj Sir Robert Äeib im National Liberal 
Club über bie Qrage ber AlterSoerforgung unb bie Tringlicpfeit ihrer 
Cöfung. — Auch ift jeßt ein eigenes Drgatt „Progress and Provision“ 
gur Btopaganba für bie AlterSoerforgung gegrünbet roorben. 


ftotttmttttaie Sozialpolitik. 


Ter preußtfipe Gefcpentumrf über Anftetfimg mtb Serforgmta 
ber Kommmtalbeamten, ber am 1. April 1900 in Straft treten fou, 
befepränft feinen Geltungsbereich im Wefentlicpen auf Stabt* unb 
Üanbgemcinben, Amtsbegirfe unb KreiSfomntunaloerbänbe, itnb be* 
rührt, abgefebeu oon ben allgemeinen Bcftimntungen, bie AecptS* 
oerbältniffe ber bem Gemeinbeoorftanb angepöngen Beamten in 
Stabtgemeinben nur begüglicp ber §intcrbliebenenoerforgung. Tie 
Berpälhtiffe ber Gemeinbeforftbcamtcn finb mit cinbegogen roorben. 
3ut Sinne beS GefeßeS gilt als Kommnnalbeamter, roer als Be* 
amter fiir ben SDienft eines KomntunaloerbanbeS gegen Befolbung 
augefteßt ift. Tie Aufteßung erfolgt burcf) AuSpänbigung einer 
AnfteßnngSurfunbe. Tie 3 a Ph in 9 beS Gehalts foß in Grntauge* 
lung befonberer geftfeßungen oiertcljäbrlid) im BorauS erfolgen. 
Begüglich ber Gnabenfompctengen bepnt ber Gntrourf bie Bor* 
fepriften, bie hinüber für unmittelbare Staatsbeamte gelten, ebenfo 
bie Beftimmung, baß bie Hinterbliebenen brei Wonate im Genuß 
ber Amtswohnung bleiben, auf bie Kommunalbeamten aus. Ter 
Auffidjtsbepörbe roirb eilt Giufluß auf bie Höbe ber Tagegelber 
unb SReifefofteu gefidjert; Streitfälle über üermögenSrecptlicpe An* 
fprüd)e ber Beamten roerben, bie 3uftimmung beS KreiS*(BegirfS*) 
AuSfcpuffeS oorauSgefept, im Aßgemeincn bem orbentlichen AecptS* 
roeg überwiefen. Tie Beamten ber Stabtgemeinben, roogu hier bte 
WagiftratSmitglieber begro. bie Bürgermcifter unb beren Steßoer* 
tretet uiept gerechnet roerben, foßeu auf &ebenSgeit angefteßt 
roerben. Abweichungen fömten burep DrtSftatnt ober in eiugelnen 
Säßen mit Genehmigung ber AuffiiptSbepörbe feftgefept roerben. 
Soweit hiernach eine Aufteßung auf Miiubiguug guläfftg ift, barf 
bie Künbigung nur auf Gruub eines BefdjluffcS beS foßegialifcpen 
GemeittbeoorftanbcS (WagiftratS) ober, wo ein folget* uiept be* 
ftept, eines aus bem Bürgcrnteifter unb beit Beigeorbneten (Sdjöffen, 
Aatpmänuer) gebilbeten KoßegiuntS erfolgen. Gine Anstellung auf 
Brobc barf in ber Aegcl bie Tauer eines 3apreö nid)t überfteigeu. 
Bis auf groei 3ap« barf fie nur mit Genehmigung ber AufficptS* 
bepörbe auSgebepnt roerben. Tie Befolbung ber ftäbtifepen Be* 
amten muß auSfömmlicp fein, bie Auffidjtsbebörbe fann, in ber 
Siegel aber nur oor Befeßung einer Steße, ocrlaugen, baß an* 
gemeffene BefolbuugSbeträge bewißigt roerben. Bei ber ^enfiotii** 
rung fommen bie Grunbfäße für unmittelbare Staatsbeamte gur 
Anroenbung, beSgleidjcu für bie Wittmen nnb Waifeu. Aiir bie 
Beamten ber Sanbgemeinbcn, Auitsbegirfe unb 3roccfuerbniibe 
fönnen bie AnfteßnngS*, Befolbuugs*, Benfions* nnb Gelitten* 
oerpältuiffe burep Drtsftatut geregelt werben. 3n geroiüeu 3äßcti 
foß ber MrciSausfdjuß über bie Ausbelnumg ber für Stabtgemein* 
ben geltenben Beftimmungcn auf bie genannten länblicpcn Ber* 
bänbe befdßicßeu. Auf bie Beamten ber üanbbürgermciftereien in 
ber Sipeiuprouing unb ber Aetntcr in Bicftfalen füllen fämmtlidje 
Borfdjriften begüglid) ber Beamten ber Stabtgenteinben, unb auf 
bie Gemcinbeeinnehmcr bcrfelbcn B l ' 0l ^ n S cn Borfdjrifteu über 
Benfiouirung unb Aeliftenfiirforge finneutfpredjeube Auroeubnug 
finbeu. Tie Borfdjriften über bie Beamten ber Stabtgemeinbeu 
finben auf bie Mreisfommuiialbeamteu entfpredjenbe Anroenbung; 


an Steße ber ortsftahitarifcben ^Regelung foß bie ber Genehmigung 
beS BegirfSauSfcpuffeS unterliegenbe Befcplupfaffung beS Kreistages 
treten. Tie Gemeinbeforftbeantten finb begüglicp ber BefolbungS* 
feftfefeung, ber Benfioitsberecptigung unb ber Hinterbliebenenfürforge 
mit bem übrigen B^'fonal ber Kommune gleicpgefteßt roorben. 

Gine Berbefferung bringt ber Gntronrf ben Gemeinbebeamten 
groeifellos, roenn aud) bie gugelaffenen Ausnahmen reept umfaffenb 
finb. Tie Gemeinben felbft freilich roerben in bem Gntrourfe eine 
erhebliche Befcpränfung ihrer Selbftocrroaltung erblicfeit. 

Tie er fite Konferenz ber fogtalbemofrattfipeit Gemeinbeoertreter 
Württembergs, auf ber 31 £5rte oertreten waren, befcplop (Anfang 
April) eine intenfioe Beteiligung ber B^rtei an ben Gemeinbe* 
wählen, bie Sdjaffung eines aßgemeinen GemcinbeprograutmS unb 
bafiir bie Sammlung unb .'Bearbeitung aßer Gemeinbcauffteßungen 
in einer Gentralfteße. Tie Borarbeiten foßen einer Herbftgufammen* 
funft unterbreitet roerben. Tie Aufgaben ber Gemeinben faßte ber 
Bericpterftatter Dr. Üinbentann gufamnten als bie Schaffung ge* 
fnnber ScbenSbebingungen für ipre Ginroopner unb bie Drgaiti* 
fation unb Grleicpternng beS in ihnen fiep abfpielenben roirtpfdjaft* 
Iicpen Brogeffes. Tie oolfspygienifcpe Tpätigfeit ber Gemeinben 
müffe bie Reinigung ber Drtfdjaftcn (Befeitigung ber Abfaßftoffe 
in eigener 9tegie), bie Siirforge für bie Grnäprung, für bie Körper* 
pflege foroie oie Ginruptung unb ben Betrieb oon Kranfenpäufern 
unb Heimftatten für B?öcpnerinnen, oon GenefungSpäufem, SanitätS* 
roaepen, Unfaßftationen unb ambulatorifcpen Klinifen, TeSinfeftionS* 
anftalten, bafteriologifcpe Suftitnte unb ben Betrieb oon Apotpefen 
umfaffen, enblid) bie Bau* unb ©opnungSfrage. 3m Befonberett 
roerben bie pflichtige unentgelßiipe Bcnupung gu erneptenber öffent* 
Iidjer Seitpenpäufcr aeforbert, bie foftenfreic Beerbigung roenigftcnS 
für bie IeiftungSunfäpigeren Klaffen, unb ftäbtifepe SBarmbabe* 
anftalten (auf je 1000 Ginroopner minbeftenS eine Anftalt oon 
12 bis 15 Wannen, etwa naep rufftfepent Borbilb) mit billigen 
Breifcn. Auf bem Gebiete ber SebenSmitteloerforgung roirb an 
bie Waffenroaaren BUIcp, Brot, Sleifcp unb Bier gebaept, inSbe* 
fonbere bie AuSmärguna ber Gropfcpläcpter unb Berroanbluna ber 
Sabenfcplädjtcr in ftäbtifepe BerfaufSbeamte unter Hinweis auf ben 
geglüeften oorübergepenben Bcrfucp ber Stabt ^eibnrg i. B. bei 
einer BrciSfteigeruug ber Scplädjtcr. Tie gorberungen für bie 
Scpule unb BolfSbübung finb bie befannten fogialpolitifdjen. Aus* 
füprlich roirb baS Broblem ber Häufung ber arbeitenben Klaffen 
bepanbett unb als Anfang gur Befferuna auf bie Stotproenbigfeit 
einer WopnungSftatiftif, WopnungS * Gnquete unb WopnungS* 
infpeftion pingewiefen. Helfen fönnen nur eine oon fogialpolitifcpen 
unb oolfsptjgienifdjeit Grunbfäpen geleitete fommunale WopnungS* 
politif, Borausfcpung bagu fei eine AuSgeftaltung ber Gemeinbe* 
oerfaffung im bemofratifepen unb fogialiftifepem Grifte, bie bie 
Borperrfd)aft Heiner Koterien ober Klaffen befeitige. Geflagt 
würbe in ber Grörtcrung barüber, bafi nur in wenigen Gemeinben 
beit Witgliebern ber bürgerlichen Kollegien bie GtatS gugänglicp 
gemaept roerben. 


Statiftit ber Berfottal* mtb ArBeitSPerpSttniffc in ben Bwp* 
bnufereien TeutfcplanbS. Ter Berbanb beutfeper Bucpbrucfer pat 
Gnbe beS oorigen 3upreS (10. Tegetnber 1898) eine Grpebung über 
bie B^rfonal* unb ArbeitSoerpältniffe in ben Bucpbrinfereien 
TeutfcplanbS oeranftaltet, bie in 9?r. 41 beS „Gorrefpottbent* mit* 
getpeilt roirb. Tattad) gab es in 3826 Betrieben (gegen 1894 um 326 
weniger) 35 870 Gehilfen (5848 mehr) unb 10 560 tfeprlingc (2212 
weniger). Tarifmäßig entlohnt roerben oon biefen 35 870 Gepilfen 
30 833 (gegen 1894 mepr: 4897), untarifmäßig entlohnt 5037 Ge* 
pilfett (gegen 1894 weniger: 1126 Gepilfen). ArbeitSgeit: 27 119 
i Gepilfen in 193o Betrieben paben tarifmäßige, 8751 Gepilfen in 
1586 Betrieben uutanfmäßige (über effeftio neunftünbige) ArbeitS* 
geit. BerbanbSmitglieber finb inSgefammt 21 217 Glepilfen (gegen 
1894 mepr 6700 BerbanbSmitglieber) angegeben. 97icptöerbanDS* 
mitglicber finb 14 653 Gepilfen angegeben (189 mepr als 1894). 

Bletoergiftungen tu ber feramtfcpeit ^nbuftrie. Tic Brofefforen 
Tporpe unb Dlioer paben bem Home Office einen Bericpt über 
„Lead Poisoning in the Potteries“ erftattet, ber fiirglid) als Blaubucp 
oeröffentlicpt ronrbe. Ter Deport fnüpft an bie cinfdjlägigc Gu* 
quete an. bie baS Home Office im 3 a P rc 18!».“» oeranftaltet hat; 
feitper paben bie Bericpterftatter bie nampafteften Borgeflanfabrifen 
in Gitglanb unb auf bem Kontinente befuept unb bie 3rage ber 
Bleioergiftungen eiugehenb ftnbirt. 2ie fpnftatireu, baß bas Hebel 
oielfad) mit fcplecpteu oabrifseimidilniigeu unb folgenfdjioercr Aad)* 





760 


7M» 


Sogtalc $ra$i#. Ecutralblatt für Sogialpoüüf. Br. 2<S. 


läffigfeit fotooßl feiten# bcr ^abrifanten al# ber Arbeiter gufamtnen* 
hängt unb treten bafür ein, baß bie SanitätSbeßorbe ba# Becßt 
haben foßtc, roenigften# foltßc gabrifen, bie Faunt meßr untgubauen 
finb unb in bencn bie notßmenbigen Einrichtungen nüßt an* 
gubringen finb, 311 fperren. Bon ßeroorragettber Bebentung ift 
bie im Bericht Fonftatirte Xhatfache, bie burd) praftifdje Berfucße 
nadjgetuiefen mürbe, baß gutn meitan# größten dßeil bie Ber* 
menbung fcßäblid)er BIcimifdjungen in ber Feramifdjen ^snbuftrie 
gang oertnieben merben fann, oa unfdjäbüdjc unb glcüßmcrtljige 
Erfaßmittel beit gabrifantcn gur Beifügung fielen (ber Beriet 
enthält bie genauen djemifcßen Eingaben in biefer Hinfitßt), fo baß 
e# nur tabeln#mertber Konferoatioi#tnu# ift, mettn non ber Ber* 
menbung giftiger Bleipräparate nicht abgesehen roirb. Ebenfo 
fann, roeun fchoit ber ftf)äblirf)e 'Stoff oerroenbet mirb, bie Gefaßr 
ber Bleioergiftung, an bcr 1898 in Englaub 7,g % ber befd)äfügten 
Arbeiter unb 12 , 4 % ber Arbeiterinnen erfranftat, burcfj I>i)giciufc^c 
BJaßrcgeln, StfjußDorrichtiingat (roic Gmnmihanbfchube) unb reael* 
mäßige ärgtlicße gnfpeftion erheblich oerringert merben. der Be* 
ricßt forbert bie Einführung folcher Schußmaßrcaelu fomie fpegieß 
bie rociteftgeßenbe Einfchränfung ber grauen* mtb Kiuberarbcit bei 
bem ömüiren mit Bleitnifchungen. — da# Home Office hat ben 
Bericht an fämmtlicße Borgellan* unb dhoitroaarenfabrifauten uer* 
fenbet, gugleicß mit einem Bunbfcßreiben, in bem bie gabrifanten 
aufgeforbert merben, bei ber gabrifation Bebacßt auf ben Erfaß 
oon Bleimeiß burch unfchäblidjc Mittel gu nehmen unb and) fonft 
burd) propßplafüfdje BFaßnaf)men bcr Gefahr ber Bleiuergiftungen 
entgegen gu roirfen. Bon einem Berbot ber grauen* unb Kittber* 
arbeit in ber feramifcßen 35nbuftrie miß bie Regierung mit Biicf* 
ficht auf bie oieleit Arbeiterinnen, bie baburd) um ben Ermerb 
fätnen, abfehen, gurnal hinlänglicher Sdjufc leidjt befchafft merben 
fann. die gabrifanten merben fchließlicß aufgeforbert, ba# Home 
Office oott ben oon ihnen getroffenen Schußtnaßnahmeu gu uer* 
ftänbigeit unb ihm eueittclle Borfcßläge gemerbehngienijeher Batur 
gu unterbreiten. 

{Regelung ber fdjottifcßcn Bergarbeiterlöhne. gn Gla#gom 
fanb in ber lebten Bfärgrootße eine Konfcreng ber delegirten ber 
Bergbauuntcrnebnter unb ber Bergarbeiter ftatt, in ber bie Arbeit* 
geber ben Arbeitern eine fogleich in Straft tretenbe Lohnerhöhung 
oon 3 B e nce täglich gugeftanben. die Loßnfteigerung foll bi# 
1 . Auguft in Kraft bleiben; oott ba ab foll bie Lohnhöhe non 
einem ftänbigen, neu gu errießtenben Einigung#atnte regelmäßig 
fijirt merben. da# Amt füll bereite; im Laufe bei April 
fonftiluirt merben. 

die Lage ber BaßnioartSfrauen auf ben frangüftfißen Bahnen, 

fpegiell auf ben Staatöbahncn, bilbete fürglich ben Gegenftattb einer 
Debatte in ber deputirtenfammer. dieBegüge biefe# im Barrieren* 
bienft oermenbeten meiblidjen B^rfonate finb befanutlid) feßr 
niebrige. Sie erreichen uielfach nur bie £*>öfje oon 2,50 grc#. pro 
Bfonat für bie mit Baßn* unb Reichenmärtern oerfjciratßeten, unb 
ca. oon 30 bi# 15 grc#. für bie felbftänbigen grauen. die llit* 
oerßältnißmäßigfeit biefer Bergütungeit gu ber BeranimortlidjFeit 
ber bafür gelciftetcn gunftionen mirb auch non feiner Seite be* 
ftritten. gu bcr Arbeiterberoegung bilbet fic eine# ber mirffamften 
Agitatiou#argumente. die ilnternehmergefellfchafteit felbft betonen 
frciiid) immer, baß bie Arbeit ber Barricrefrauen eine ungemein 
leicßte fei, ihnen erlaube, ben mannigfachen Anforberuugen ber 
Haii#baltung fajt ungeftört nachgufomuten, baß bie geringe Eelb* 
entfdjäbiguitg auch nur ein Supplement gu beut Einfommen be# 
Beamte# ober bei ben felbftänbigen grauen gu ben Baturalbegiigen 
barftellen foüe. 

gu Anerfennting be# Biißoerbältniffe# batte bie direftion ber 
Staat#bal)u im bieöjäßrigen Bubget eine Erhöhung biefer Ber* 
gütungen gugeftanben unb einen monatlidjen Bcinimaloerbienft oott 
5 grc#. bemiüigt. SSäßrcnb ber Bnbgetberathung ber deputirten* 
fanuncr mürbe bcr Antrag gefteüt, ba# BÜnimum auf 10 grc#. 
feftgufeßcit, ma# eine Bießrau#gabe oon 11 000 grc#. ocrurfachen 
mürbe. diefe Aufheiterung fdjien ben Befürmortem be# Anträge# 
um fo leiditer rcalifirbar, al# bie Staat#babneu im laufcnben 
Etat#jaßr einen für ben Staat#fhaß bi#ponibleu lleberfdiuß oon 
nabegn 13 IK'illionen gram# liefern unb al# ba# bic#jäbrigc 
Staat#bubget im Laufe ber parlamentarifchen Beratbuug obnebie# 
eine Erböbuug oon 11 Btillioneu graue# über ben Anfchlag ber 
Regierung erfahren batte, ^er BÜnifter ber öffentlidjen Arbeiten, 
al# (ihef ber Staat#bal)neu, lehnte ben Antrag ab mit bcr Btoti* 
oirung, baß er fonft foufeguentermeife gegmungeu märe, bie (M 
bälter ber fämmtlidjen nieberen Bebienfteteu gu erhöben, ma# gu 
große Summen erforbere. Ei ocifpracß inbefjeu, Bcittel unb Biege 


gu finbeu, um im uächften gaßre ba# Einfommen ber felbftänbigen 
grauen aufgnbeffern. {Racßbem ber ginangminifter noch au# ßnan* 
gießen gntereffen gegen ben Antrag gefprodjett hatte, mürbe er 
aud) oon ber Kammer abgeleßiit, unb e# bleibt alfo oorläufig bei 
ber Erhöhung be# BÜnimwn# ber oerßeiratheten Barrierefrauen 
oon 2,50 grc#. auf 5 grc#. 

©eridjtlühcr Loljitfifjitfe in Auftraltcit. gm ?)cgember 1898 trat ttt 
ber Kolonie Biftoria ein ölefeß in Straft, bemgentäß bie l'öbne oon 
Bebienfteteu unb Arbeitern, fofcrit fie 2 £ bie Biodje nid)t itberftetgen, 
gertcbtlid) mit Befd)Iag belegt merben fönnen. dergleichen fönnen 
feitterlei Stoßen ober Spefen' bcr ocrfuditen Bcfd)lagimhmc ereguirt 
merben, fofent ber SsSodjenlohn nid)t 4 £ iiberfteigt; ausgenommen hier* 
oon ftnb BaarauSlageit für OJcbühren unb Stempel, da# Ecfeß ßat 
oorläufig bcfdjränftc Oleltungsbaucr bi# 1. gamtar 1902. 


3CrliEitcrbcöJegtrag. 

<$etterff<haftlt(he SCrbelterfmigreffe 

haben in ber äDftenuodje im gn* uttb Au#lanbe in größerer 3 a ßl 
ftattgefunben, oon benett mir nachfteßenb bie bebeutjameren einer 
Betrachtung, bie aßerbing# bei ber güße be# Stoffe# nur eine 
fitmmarifdje fein fann, untergiehen moßen. 

d)ie roidhtigfte Berfammlung mar rooljl bie am Dftermontag 
in Lugern abgehaltene d^elegirtenoerfantmlung be# fdjroeigerifcßcn 
Arbeiterbunbe#,) mclche aße brei gaßre ftattfinbet, bic#mal 
aber oon gang befonberer Bebeutung mar, ba auf ißr bie Schaffung 
eine# politifcß unb reliaiö# neutralen Eleroerffdjaft#* 
bunbe#, bcr fieß au#fcßließiich mit Beruf#intereffcn befaffcii foß, 
naßegit einftiminig befcßlofjeu mürbe. B$ir berichten über ben Ber* 
lauf ber Berfammlung in einem befonberen Artifel biefer Bummer 
(Sp. 701). Bott ben in d)eutfd)lanb abgehalteuen Eiemcrfjdjaft#* 
Fongreffen beanfpruchen bie ber Berg* unb Hüttenarbeiter unb 
ber Bie tallarbeiter, bie beibe in a. S. tagten, befonbere# 
gutereffe. 

SDer Kongreß bcr Berg* mtb Jüttenlente, ber fid) an bie 
geßitte ©eneraioerfammlung be# (alten) beutfdjen Berg* unb §ütteu* 
arbeiter*Bcrbanbe# anfdjloß, mar ber grneite feiner Art. Er mar 
oon 73 d)clegirten befud;t, oon baten 7 au# bem Königreiche 
Sacßfen, 19 au# Biittelbeutfchlanb, 1 au# Dberfcßlefien, 3 au# 
$ieberfdjlcfien, 1 au# bem Saarrcoicr, 42 au# bem SRußrreoier 
ftammten. d^er ©emerfoereiit djriftlicßer Bergarbeiter mar nid)t 
oertreten. Laute Klagen mürben erhoben über bie fortgefeßteu 
Abmeifungett fo giemltd) aßer gorberungen bcr Arbeiter feiten# bcr 
Erubcnoerroaltuitgcn. Eine geroiffe Befigitation, bie gunt dheil 
mobl and) mit burd) bie 3«fplitterung*) unb Scßmanfung in ber 
beutfeßen Bergarbeiterbemegung ßeroorgerufen fein mag, mar un* 
oerfennbar. Bor Aßem mürbe über ungenügenben Scßuß be# 
Leben# unb ber ©cfuubßeit ber Grubenarbeiter geflagt unter Bei* 
brittgititg gaßlreidjer Belege unb im Atifcßluß hieran bie alte 
gorberung tiad) Herangiehung ber Arbeiter gur Grnbeuinfpeftion 
erneuert, gu ber betreffenben Befolution ßeißt e#: „Bßiß man 
mirfltd) arbeiterfreunblidjeu Geift bemeifen, bann gebe man enblid) 
bat Berg* mtb Hütten lat tat ba# bod) fclbftoerftänblidßc Becßt, fid) 
burch eigen# getoäßlte Hülf#infpeftorat fd)üßeu gu Iaffen oor ae* 
maltfametn dob ober Berftümtneliutg. git biefem fünfte finb Sie 
Bergleute aßer Bidjtuugeu einig unb fic empfinbeit e# al# eine 
anpöreube ltngeredjtigfeit, baß ißnen ba# fo felbftoerftänbliche 
Bcd)t be# Selbftfdjußc# oermcigert toirb/' BJehrfacß mürbe 
fonftatirt, baß bat Bkrfüermaltuugen bie Beoifionen oorßer be* 
fannt mürben. E# merbe bantt oorßer Aße# in Drbnung gebrad)t. 

Einen breiten Baum ttaßmen aud) bie Berßanblungen über 
ba# Sanität#mefen auf ben Gruben unb Hütten ein. Geflagt 

■ ) gm Bcrgleid) gu ben mädittgeu gaocrfjdtafllidien Crgauifatioitm 
ber britiidjen Bergarbeiter finb bie Crganifatioucn bei bcutjißcii Berg* 
leute üerhältntßmäfiig fdnoadi, ftebeu fogar hinter ben frangüfiichcn mtb 
belgifdien Crgaiiiiationeu guriief. der alte Berbanb foll 23 6 00 B?it= 
glieber gäljlen, gu beneii uod) 4000 s priontabonnenteii ber gadjgcitiutg 
fällten, bie, um niiiit gcmaßregelt gu merben, fidi bem BcrOanbe nidit 
bireft aii|d)lblfeu. da# g ad) orig au „deutfdjc Berg* 1111b Hüttenarbeiter* 
geitung" in Bodjimt, mit bem feit bem J. geUrnar b. g#. ba# frühere 
1 ad)in'dir Bcrgarbcitcrblatt „('Würfani;; tu ^midaii oeridjmolgeit toorben 
ift, toll in 2 s .'»nn o'remplaren gebrud't merben. da# tu poluifcßer Spradie 
cridieiueube Bergarbeitevblati ,,'Gurnif" foll eine Auflagehöhe oon 
4.700 o'vemplareu liabeit. der Bermöge.if#itaub mirb auf nuib 3 s 000 .//. 
begiffevt. der 1 s*.»4 gegriinbete Gemerfi^reiit diriftlidier Bergarbeiter foll 
2 s oco Aiitglieber galileu. SeiiiCvgau „Ter Bvrgfunppe" in AlteioEffen 
erfdieiut feil bem I. b. '.Vit#, mödientlid). 



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©ogialc ^rajis. Scntralblatt für ©ojialpolitif. 9cr. 2 H, 


mürbe über bie Un 3 ulängli<hfeit ober bas gän^lidfje gebiert oon 
Söafcbräutnen, baS gebleit oon ©anitäisfolomten urtb Tragbahren, 
bett ungenügenben ©djufc gegen Berbreitung anftecfenber Krauf* 
beiten. Ter E)efunbheitS 3 uftanb ber Bergarbeiter h a & e fi<h feit 
gah^ehnten in erfrecfenbem Mafee oerfchlechtert, roaS anf bie 
unzulängliche, nteift gan 3 feblenbe Sicherung ber Arbeiter oor ben 
gefunbheit^errüttenben Einflügen ber Berufsarbeit 3 urü(f 3 itfithren 
fei. gn einer SRefolutiou mürben geforbert: AuSreicheube BJafdj* 
bejro. Babegelegenheitcn (Eh^elbraufcn) unb im Aufd)luft baran 
Umfleiberäume, Berbaitbsftubcn, Transportmittel für Berlejjtc, 
©anitätsfolonnen, ärztliche Untcrfucbung ber ^euein^uftellenben, 
gutes Trittfroaffer, Bkrteräume für Mafjtseiten, Lohn 3 al)lungen 2 c. 
Ter Kongreg erflärte ficf) beS Weiteren für ben gefefclichen acht* 
ftünbigen MayimalarbeitStag, für einen TurchfdjnittSlohn oon 5 , //. 
pro Tag angeficbtS ber fteigenben Tioibenben ber Bterfe unb für 
Befchicfung beS in biefent gahre in Brüffel ftattfinbenben zehnten 
internationalen BergarbeiterfongreffeS burd) brei Telegirte. 

Auf ber bem Kongreß in £>afle oorhergegangenen 10 . ©eneral* 
oerfammlung beS alten BerbaubeS mürbe oiel über bie gluftuation 
ber Mitglieder foroie bartiber geflagt, bafc bie Mitglieber oft 
monatelang mit ben Beiträgen im SRücfftanbe blieben, gm lefcten 
gahre feien 3 . B. 16 000 Neuaufnahmen 9000 Austritten gegen* 
übergeftanben. 11m biefer gluftuation ju fteuern, foll baS Unter* 
ftütjungsfaffenroefen auSgebaut unb 3 unä<hft mit ber obligatorifchen 
Einführung eines ©terbegelbeS in $jöt)e oon 30 e /j 1 (unb einer 
Erhöhung ber Beiträge um 10 4 begonnen merben. Befchloffen 
mürbe ferner bie Aufteilung oon BeairfSoertrauenSleuten unb oon 
Arbeiterfefretären in ben oerfdgebenen SHeoieren. gm lebten ga(;re 
roiH ber Berbanb in Lothringen, int ©ar^er Becfen foroie im 
§effen*9iaffauif<hen feften gufc gefaxt h^öen. $eu geroonnett für 
ben Berbanb feien bie tbüringifdjen ©riffelmadjer unb bie Berti* 
bttrger ©al^arbeiter. Ter Berbanb foll, mie ber Borfifcettbe Böller 
erflärte, fidler unb feft ftehen; auch fei begrünbete Au Sfid)t auf 
meitere Kräftigung oorijanbett. Turd) bie ©terbefaffe h°ff e 111011 
ein Binbemittel gu erhalten. Tie gnbifferenten oerlangten 3 utiä<hft 
birefte greifbare Bortheile. Ter S&otfj gehorchettb, tnüffe man 
biefent Begehren entfprechen, bamit bie Leute junäcbft gemontten 
unb bann erjogett mürben. 

* * 

* 

Ein anbereS Bilb als ber Bergarbeiterfongreg bot bie fur$ 
nachher ebenfalls in £alle tagenbe oterte ©eneraloerfatttmlung beS 
Teutfchen Metallarbeiteroerbanbes, ber mit 75 471 Mit* 
gliebern 3 . 3- bie ftärffte beutfehe EJeroerffchaft barftellt. Auf bem 
Bergarbeitertag nichts als Klagen, bei ben Metallarbeitern frifchc 
Unternehmungsluft. „Mit freubigen Etefiihlen - fgefj es im Be* 
grüfjuitgSartifel beS gadjblatteS, ber „Teutfchen MetalkArbeiter* 
Leitung" — unb froher 3«oerfid)t fönnett bie BerbattbSgcnoffen 
bem biesjährigen 3 u f at nmentritt ihrer höchften gnftans entgegen* 
fehett. £>at hoch ber Berbanb 3 . 3* eiue Bebcutung erreicht fo* 
roohl cm Umfang, mie innerer Kräftigung, bie mir oor einigen 
gahren noch nid)t 3 U hoffen gemagt hoben.'' Bei ber Begrüttbung 
beS BerbaubeS (1891) gählte ber Berbanb noch nicht 23 000 Mit* 
glieber, jefct 75 471. Ten $auptpunft ber Berhanbluttgen bilbete 
bieSntal bie Einführung ber ArbcitSlofenunterftühung, 
bie nach längerer Tebatte mit 108 gegen 29 Stimmen unter leb* 
haftetu Beifall unb unter B>egfaÜ ber ftatutenmägigen Urabftim* 
tnung befchloffen mürbe. Tafiir foH ber Söochenbcitrag für mäiitt* 
liehe Mitglieber oon 20 auf 30 4, für toeiblidje oon 5 auf 10 4 
erhöht merben. Aufcerbem befchäftigte fid) ber MctaHarbeitertag mit 
ben EinigungSbeftrebungen ber organifirten gormer, oon 
benett ber größere Theil bereits bem Metaflarbeiteroerbanb attge* 
hört, roährettb ber anbere Theil einen befonberen gormeroerbanb 
bilbet. $ad)bem itt ber Dftermoche auf einem gortnertag in 
Wotha eine aus je brei Mitgliebern beS gormer* unb Metallarbeiter* 
oerbattbeS beftehenbe Komhtiffion niebergefefet toorben ift, rneldje 
eine geeignete gorut für einen gufatnntenfdjlug ber beiben Drgani* 
fationeu finöeit füll, biirfte über fürs ober lang biefer gofoutmen* 
fchluß unb bamit eine neue Kräftigung beS Metallarbeiteroerbanbes 
erfolgen. Letzterer oerfügt 3 . 3- über einen Kaffcnbeftaiib oon 
HX) OCX) <K, Ter Berbanb hot beim and) auf ein Tarlehttsgefud) 
beS BorftattbeS beS TeytilarbeiteroerbanbeS für bie ftreifeuben 
Bieber in Krefelb ohne Tebatte 5(XX),//. aus feiner vumptfaffe 
iiberroiefen. 3 um allgemeinen ©ciocrffdjaftsfongreg in granf* 
furt a. M. roiH ber Berbanb 12 Telegirte [dürfen. giir bie uädtfte 
Wcncraloerfammluug foll nach bem Mufter bes Budjbrnrferoerbanbcs 
eine Eintheilung bes Berbanbes in Ohme unb bie Aufteilung oon 
bejolbeten Bc 3 irfsbeamten oorgefchlogen merben. Teilt Kongreß 


mohntc aud) ein Bertreier ber bättifdjen Metallarbeiter aus Kopen* 
hagen Bei. 

% 

Ter Kongreß ber .^anbels*, Transport* unb BerfetjrS* 
arbeitet*, ber in Leipzig tagte, mar oon 28 Telegirten ber ceti* 
tralen unb 15 Telegirten ber lofaleti 9tid)tung, rocld)e 6155 be^m. 
3731 organifirte Arbeiter oertraten, befdiirft. ES gelang nid)t, bie 
Tifferen^en smifdjen Lofal* unb Eentralorganifation gatts 3 U 
fchlid)ten. Ter Kongreg fprad) fich fö^ bie ÄnSbehnung ber Un* 
falloerficherung auf fämtlid)e itt 5)anbelS*, Transport* unb Ber* 
tehrSgemerben befchäftigten Arbeiter, für Regelung ber ArbeitS 3 eit, 
ArbeitSpaufen unb Sonntagsruhe, foroie für eine Acnberung ber 
Beftitumungen beS ©trafgefet)bud)S roegen ber Oiefährbuug eines 
EifcnbahntraitSporteS aus. LefctereS be^iefjt fich anf bie eleftrifchen 
©trafeenbahnen. Tem Kongreg toohnte auch ein Bertreter ber 
organifirten Berliner Trofd)feufutfcher bei. 

Bon ben Heineren -Drganifationen h fl t ber in 9 3 a h^ftcKcn 
1007 Mitglieber 3 ählenbe Berbanb ber an £>ohbearbeitungS* 
mafchitten unb auf £>ol 3 p(äben befchäftigten Arbeiter auf feiner 
7. ©eneraloerfamntlung in Hamburg befchloffen, fid) am 1. gttli auf* 
3 ulöfett unb fich beut grogett §ol 3 arbeiterüerbanb an 3 ufchliefeen, 
mährenb ber 4. orbentlid)e BerbanbStag beS BerbaubeS ber Kon* 
bitorgehilfen, Pfeffer« unb Lebfrichler in Apolba fich mehr 
bem inneren Ausbau ber Drganifatioit, befonberS beS Unter* 
ftühuugSmefenS mibmete. Ter Berbanb ber Leberarbeiter, ber 
in 96 gahlftelleu etma 5000 Mitglieber 3 ählt, befchäftigte fich ouf 
feiner 10. 03eneraloerfammlung in >>alberftabt befonberS mit ber 
ArbeitSlofenunterftühimg unb bem Arbeitsnachmeis. Es mürbe be* 
fchloffett, oor ber nächften Oleneraloerfammlung eine llrab* 
ftimmung über bie Einführung ber ArbeitSlofcnunterftühung oor^n** 
nehmen. Es füllen brei EentralarbeitSnadtroeife errichtet merben: 
einer in öatnburg für 9?orbbeutfd)Ianb, einer in Berlin für Mittel* 
beutfd)lanb unb einer in ©tuttgarUE&lingen für ©tibbeutfchlanb. 
Ter Berbanb roill ben in biefent gahre in BMen ftattfinbenben 
internationalen Leberarbeitcrfongrcft befdjicfen, aber gegen bie oor- 
gefchlagette internationale ©treifunterftüfenng ftimmeti. Ter ©ifc 
beS internationalen ©efretariats ber Leberarbeiter ift 3 . 3- Berlin. 

Einen geroiffen Mi&Hang h^t btt getrennt oon ben Eentral* 
oerbänben in Braunfchrocig abgehaltene Kongreß ber lofal* 
organifirten ©eroerffchaften itt baS geroerffcf>aftti<he Kon.^ert 
gebrad)t. Befugt mar ber Kongrefe oon 29 Telegirten mit 
34 Manbaten, bie 13 Berufe aus 18 Drten oertraten. Eine ge* 
miffe Animofität gegen bie Eentraloerbänbe trat 3 U Tage. ES 
mürbe eine oont oorjährigen Kongreg befd)loffene Nefolution er* 
neuert, nach meiner fünftia jebe Niicfficht auf ein friebücheS 3»= 
fantmenarbeiten fo lange fallen gelaffen merben foll, bis bie giihrer 
ber Eentraloerbänbe ihre auf frjfteutatifdje Bernichtuug ber Lofal* 
organifationen gerichteten Begebungen einftellten. Ter Kottgreg 
erflärte fich gegen bie paritätifchen ArbcitSuad)roeiie, ba bie ArbeitS* 
nachmeife ber 0)eroerff<hafteit 31 t ben nothmenbigften Kampfmitteln 
berfelben gehörten, fomie gegen bie Eirtinbung oon Arbeiter* 
fefretariaten, roeil fie bie @emerff(hafb 3 bcmegung eher fdjäbigten 
als förberten. Tagegen empfehle fid) überall bie Bilbutig oon 
Kartellen ober Kommiffiotten. Ter ©treit um bie CrganifätionS* 
form ift innerhalb ber bentfdjen E)eroerffd)aftsberoegung noch immer 
iebenbig, fd)eint aber mehr itnb mehr 31 t (fünften ber grogen 
Eentraloerbänbe entfehieben 31 t merben. 

* ^ 

* 

Ter britte Kongreß ber centralifirten (Geroerff(haften 
TeutfchlanbS, roelcher oon ber Hamburger OJeneralfommiffion 
ber ©eroerffchaften TeutfchlanbS für ben 8 . Mai nach granf* 
fnrt a. M. einberufen morben ift unb roelcher fich neben bem 
KoalitionSredjt ber Arbeiter unb ber EJeroerbeinfpeftion auch mit 
ber grage ber Tarife unb Tarifgemeinfchafteu im gemerFfdiaftlidjen 
Kampfe, mit ber Arbeitsoermittelung unb ben Arbeitcrfefretariaten 
befaffen foll, fcfjeint ftarf befucht 311 merben. Aus ben oerfchiebeueu 
im „Eorrefponbeit 3 blatt ber Eieneralfommiffiou" oeröffentliditcn Au* 
trägen 311 bem Kongreß ift befonberS ber bes Berbanbes ber 
Budjbinber ^eruor^nficbcn, tiad) meld)ent fid) bie (^crocrfidjafteu 
Tentfd)laubS 31 t einem beutfdjeu Wcroerffchaftsbuube 311 * 
fammenfd)lieften unb glcidi^eitig auf einer frei |n oereiuboreuben 
BafiS eine ©treif* nub Beferoefaffe gniubeu follcii. Befauntlidi 
haben bie britifchen Elemerfoeteine Eitbe gauuar b. g. auf einen: 
©ouberfougreg in Maudjefter mit 736 nno gegen 2 < > I < »< *« > ©timtnen 
bie t^rtiubuug eines ('iemerfichaftsbunbes ('l’he (»hkm-ciI reili‘r;i!mn 
of 1 rade Unions) nnhid)]t im Brijtfpp beiihloiü'ii. gn ber ©dm>ei 3 




7<m 


0oziale prägte. Eentralblalt für Sosialpolitit. Nr. 2K. 


7 04 


ift, roic Eingangs birfcö ArtifelS bevidjtet, ein foldjer Vunb in 
Vorbereitung. Nur in dänemarf unb 0chwebeti befteljen bereite 
berartige Verbänbc. 0Ömmtlid)e ffanbittaoifchen ©ewerffdjafts? 
oerbänbe finb außerbetn burd) 0efretariate unter einanber oer? 
bunben. 

* * 

3um ©thluß möge an biefer 0telle noch beS brüten Hon* 
greffeS ber uitgarifdjen gelbarbeiter unb Kleinbauern 
gebadet fein, ber in ber Dfterrooche in Vubapeft im Anfd)luß an 
ben wegen dumults polizeilich aufgelöften Kongreß ber uttgar? 
Icinbifdjeit fozialbemofratifcheit Partei tagte, Er foIXte fdpn zu 
Vkihuadjtcn ftattßnben, mürbe aber bamals oerboten. die ungarifdje 
Regierung h at im oorigett Sabre ben Erntearbeiter?0treif bes 
Sabres 1897, an bem ficb etma 15 000 Arbeiter betbeiligten, mit 
fdiarfen polizeilichen ^Maßnahmen (KoiifiSfatioiiett, AuSwetfungett 
unb Absiebungen, Verhaftungen, VercittSaiiflöfungett), fomie mit 
einem 2felbarbctter?©efeß beantmortet, bas am 1. N2ärz d. S- in 
Kraft trat unb megen feiner fdjarfen Veftimtnungen oon ben Laub? 
arbeitern als „0flaoengcfeß" bezeichnet unb nur wiberwißig befolgt 
wirb. SBobl in Solge biefes ©efeßeS, bes polizeilich=frimiitaliftifd}en 
SelbzugeS, ber staatlichen Drgauifirung einer zahlreichen flooafifchen 
Arbeiterreferoe auf ben ©taaisbomänen unb nid)t zuleßt megen ber 
fdjlechteii Ernte beS Vorjahres ift es im oergangenen Saljre nicht 
Zu ber angebrohten VHeberfjolung beS Ernteftreifs in größerem 
Umfange gefommen. daß aber bie Dumpfe Währung anhält, baS hat 
nicht nur ber Verlauf beS Selbarbeiter-KongreffeS bemiefen, fonbern 
auch bie neuerliche Erflärung beS Laitbwirthfd)aftSminifterS daranpt 
im ungarifchen Abgeorbnetenhaufe, nach welcher zur Sicherung ber 
Ernte aud) in biefem Snhrc bie aus ©taatSmitteln unterhaltene 
Arbeiterreferoe mieber angemorbett werben foH. 

der bieSmalige gelbarbeüer? unb Kleinbauernfongreß mar oon 
135 delegirteu aus 92 Orten befchieft. Außerbetn lagen aus 
123 Drten 3nftimmuugSfcbreiben oor, in betten öaS Ausbleiben 
oott delegirteu tneift mit bettt Vegintt ber gelbarbeit unb mit beut 
Mangel an Mitteln in golge ber testen fd)led)ten dritte entfdjulbigt 
mürbe, die erfchienenett delegirteu, oon benen ein Xheil ben 
V3eg zur LanbeShauptftabt zu guß zuriicfgelegt hatte, roarett tneift 
ältere, wetterfeste ©cftaltcit, bie fid) möglichster Nuße uub Niäßigung 
befleißigten, nut ben Kongreß nicht bem ©djicffal beS anfgelofteit 
lozialbemofratifchen Parteitags oerfaßen zu laffen. durchgängig 
traten fozialbemotratifche ©efinnungen zu dagc, fteßenweife fogar 
eine gemiffe Vegeifterung für bie 0ozialbentofratie. drattrig 
lauteten bie ed)ilberungeit beS ElenbS unter bem ungarifchen 
Lanboolfc, über bie Väißfür ber Vehörben unb bie gärten beS 
,/£>örigfeitS"* (gelbarbeiter?) ©efeßeS. die Entlohnung für bie 
Erntearbeit, bie oielfach bie einzige Arbeitsgelegenheit bilbe, roerbe 
in golge ber zunehmenbett Vcrmenbuttg oott Nc'afchinen immer 
unzureicheuber, ber Naturallohn beftchc nidjt feiten in utinber? 
tuerthiger g-rudjt unb ungenießbaren Lebensmitteln, häufig merbe 
ber Erntearbeiter bei Abfdjluß ber Verträge iiberoortheilt uub aus? 
gewuchert. VefonberS empört zeigte mau fid) auch über bie Ein? 
richtuitg einer 0d)nitter?Neferoetntppe oon 0taatSioege.it, bereu Ve? 
feitigung bringenb oerlangt totirbc. „Sir finb beffere Patrioten 
als jene, bie flooa’fifdje ©trcifbredicrarmcen an werben, um bas 
braoe magparifdje Aelbarbeiteroolf auSzuhungern," rief ein Nebner 
aus. „Sir oerlangen feine Neidithüuier crflärte ein Aitberer 
- fonbern nur gcredßc Entlohnung uttferer fehwereu Arbeit. 
Aorbent mir laut unb einntiithig unfern dßeil. 0elbft ber 
0ängliug, ber nicht fdjreit, erhält nicht bie SJtuttcrbruft, wenn bie 
Vhitter fein ,J)nngergefd)rei nid)t hört unb ihn fatt wähnt." der 
Kongreß oerlangte neben beut allgemeinen 0timmred)t unb ooller 
preiV, Vereins« unb VerfammlmtgSfrciheit oor Allein Außerfraft* 
Jeßling bes Aelbarbeitergefeßes. die A-elbarbeiterfchaft Ungarns 
mürbe — wir folgen hier bem eiugehenbeu Verid)te ber Sieuer 
Arbeiterzeitung — aufgeforbert, im Sntereffe bet: Anßerfraftfeßuug 
biefeS Wefeßes „Alles mögliche zu thuu unb hierzu jebe (Gelegenheit 
zu ergreifen." Acruer oerlaugte mau Aufhebung ber ftaatlidieu 
0 ihnittcr=Vefcroe, bie nur bie Löhne brüllen, Vefcitiguug ber mit 
ben Ernteoerträgen getriebenen Viifzbräudje unb Aeftfetuiug ber 
Konocntioiteu in einem foldten Ausmaß, baß bierburd) bas Vrot 
bes Arbeiters für bas ganze oabr gefidjert fei, eublich Acferbau« 
Atifpeftioiieu, bie bnrd) Tvelbarbeiter z u wählen unb mit behörb* 
liehen Vcniguiffeti auszujtatteu feien. Veit bloßen Wnoaltmittclu 
biirfte ber agrarfozialiftifd)eu Vemeguug in Ungarn auf bie dauer 
fdnoerlid) zu fteueru fein. 

Verliit. ( 9 . I a u b e. 


8(hweizerifcf)er Arbeitstag in Luzern. 

Am 3. April traten junt fünften Viale bie delegirtett ber int 
0djweizerifchen Arbeiterbunb oereinigten Arbeiterorganifationen 
Zitfatnmeu, unb zwar waren 518 delegirte erfeßietten, bte zufamtnen 
184 000 Arbeiter oertraten. Neben ben Wemerffchaftett unb ben 
fozialbemofratif^en Vereinen finb in bem Vunb auch bie fatholifcheit 
Arbeiterocreine unb bie farblofen Kranfenfaffen oertreten. 3m 
Namen ber Negierung oon Luzern begrüßte NegierungSrattj Salther 
bie Verfantmlung. der erfte Wegenftanb ber dageSorbttung betraf 
baS ©eroerffdjaftSmefen. Arbeiterfefretär Wreulich befürwortete 
als erfter Nefereitt bie AÖ r & cru ng ber ©emerffdjaften bttreh ben 
fd)roeizerifcben Arbeiterbunb auf politifch uttb religiös oöllig 
neutraler ©ritnblage. Korreferent Prof. Dr. Vedf erflärtc fid) mit 
ben Ausführungen ©reulichS einoerftanbett unb oerfprad), baß bie 
fatholifcheit Arbeiter aufgemuutert werben foßen, fi<h geroerffdjaft* 
lieh z u organifiren, fobalb bie oerfprodtene politifche wie religtöfe 
Neutralität in Kraft trete; benn, bemerft Nebtter, bis bato bafirc 
ber ©emcrffdhaftsbunb noch auf fozialiftifchen Prinzipien. Sür« 
fpred) ^ürholz, 0olothurn, münfehte, baß bie ©eroerffchaften nicht 
biefett politifd) unb religiös neutralen Eharafter erhalten, fonbern 
auf ber fozialbemofratifchen ©runblage oerbletbcn möchten. 3Kit 
erbrüefenber Niehrheit — ber marriftifche Antrag erhielt nur ein 
paar 0titnmen — mürbe jeboch ber Antrag ©reulich mit folgenbent 
Sortlaut angenommen: 

3n Eriongung, baß bic (tfemcrffdiaften für bie Arbeiter ein nitcm= 
bchrltdics Mittel finb, um für bte Aufrccbterbnltmig unb Hebung ihrer 
Lebenshaltung itnb bamtt für bte ©rmtMage eines iitenicheumnrbigeu 
förperltchen, utoralifdicit uttb geiftigeit daieins eiitjutrctcit; ba }3 zur &r= 
füllutig biefer Aufgabe bic gemcrffchaftlidic Crganifation ber Arbeiter 
in ber 0d)ioetz midi z u fdtroadj unb unentmicfelt ift, roährenb bie ('Ze« 
fdiäftsiithabcr in utelen 3weigctt eine ftärferc, in tuandien eine faß ooll= 
fontntene rrgmtifatiou haben; baß biefes 9AMßoerl)ältniß ber Drgauifatiou 
eine Hefahr für bie Arbeiter uttb bas ©emeimoefett bilbet, uttb baß 
obligatorifdie Verufsgcnoiicnfdiafteti zu ‘Sdmß ttub Hebung ber pro* 
bitfttonsfraft erft bann uiögltd) finb, memt ein größerer 2heil ber Ar* 
beiter bnrd) freiwillige gem'erfidtaftlidje rrganifaiion oorgefdmlt ift; baß 
eilte einheitliche, gemerffdiaftltdie Lrgautiation ber großen ‘AVchrljeit brr 
Arbeiter nur auf bem neutralen Vobeit ber mirthfdiaftlidjcn ^ntereffeii 
bcvArbciterflaffe unter Ansjdiluß parteipolitifcher ober religiöfer0tellimg* 
nähme erzielt werben fantt, erfenut unb befdiließt ber 0d)wcizenjdK 
Arbeitevtag: (is ift pflidit bes fd)iocizcrifd)cit ArbeitcrbuubcS, feiner 
Vehörbnt unb Lrgane, fomie feiner Vcrbänbe unb Vereine, mit allen 
Kräften für eine ciuhritlidjc, umfaffeube gemerffdiaftltdie Lrgauifatiou 
ber Arbeiter aller Verufe in ber 'Sdjwciz Z u mirfeu. 3obalb ber 
fdimeizerifdie (>HMoerffdjaftsbunb uub feine Verufsocrbänbe unb Vereine 
fid) auf partetpoltttfch uub religiös neutralen Vobcu ftellcit, tollen alle be= 
ßchenbcH wie alle neu |tt bilbcuben Ventfsuerbänbe unb Vereine zutu 
Aitfdilnß an ben Wcmerffdiaftsbunb bewogen werben, der Vuubcs* 

; oorftanb wirb beauftragt, eine Kommtjfioit z» beftcllen zur Unterliaub* 

! litng mit beit Vovftänbcu bes (^emerfidinftsbunbes uub ber auberit 
| Verufsocrbänbe, fomie zur Auhanbiiahme einer planmäßigen propagatiba 
| für Vilburtg neuer Verufsocrbänbe imb Vereine. 

! Viit biefem Vefcßluß hat fid) ber Arbeiteroerbanb eine hödjft 
| bebeutfame Aufgabe gefteßt, unb es ift bemerfenSmerth, baß bic 
^orbernng eines religiös unb partcipolitifd) neutralen ©cmerffd)afts= 

I bunbcS, ber fid) auSfdiließlid) mit ber Sörberung ber Arbeiter? 

Verufsinicreffeit befaffeu foß, gerabe oott einem fo alten unb bc? 

I mährten 3(ihrer ber 0ozialiften mie beut um bie Arbeiterfache 
hod)oerbieuteu 0eFretär (^reulid) gefteßt morbeit ift. 

I lieber Arbeitslofenocrfidjcrung uub Arbeitsnachweis 
I fprach Natioualratl) Dr. £wfmann. Nebtier berührt eingangs bic 
! oerfchiebenen Sonnen, in welcher bic ArbeitSlofigfeit auftritt, bie 
I afutc (ocrurfadjt buvd) wirthfd)aftlid)e Krifcu), bic periobifche (bet 
I fog. 0aifonarbcitSzweigen), bie djrouifche (bnrd) bie Auffaugung 
I beS Kleinbetriebes bnrd) ben ©roßbetrieb Iieroorgerufeti) unb be? 
i fprad) furz zwei NJittcl, bie zu bereit Vehebung bisficr gebraucht 
] würben, bie Naturöloerpfleguugsftatioucii uttb Arbeiterfolouieit. 
Es waren biefe Viittel aber uid)t im 0tanbe, bic ArbeitSlofigfeit zu 
befeitigeu; als braudibareS, aber immerhin prefäreS Ncittel gegen biefe 
i fei bie ArbcitsbefdiaffungiNothftanbsarbciteu) auzufi’hcu. die ArbeitS? 

; iofcnoerfidteruiig, bas jiiugfte Ntittel, biirfe in ber 0d)toeiz als eitt 
I 0prößliug ber feinerzeitigeu 3'nitiatioe bes Ned)tes auf Arbeit an? 
i gefehen werben. 3u Veru unb 0t. ©allen bube matt mit ber Ver? 
j fidierung gegen ArbeitSlofigfeit aüerbiugs nicht bie bcftcu Erfab= 
ruiigeu gemacht, zum dheil ans ©riiitbcu örtlicher uub pcrfönlidjer 
1 Natur, in Vafelftabt fei mau in ben Vorarbeiten fteefen geblieben, ber 
©roßc 0tabtratli oon ;|iirich habe bie 0ad)e überhaupt oon ber Maub 
1 gemiefeu. Nebiier trat für biefe Verfidimiug ein, itnb mad)te fobann 
’ (eine Vorfdiläge, bie er in einer Neibe oon dliefen nieberlegtc: 

I die obligaiori'dir Arbeit*:-!i^'ocioeiüditmuig fo 11 fidi auf inöglidiü 
| gteuhe Arbeiterlaiigorjeu, bie \nuieiit oon Arbeiislofigfeil betroffen 





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©ojinle $ragi£. ©entralblatt für Sojialpolitif. Ar. 28. 766 


werben (in elfter Siiuie bie saijouarbcitrr), Ocfdji'änfen imb ben bc= 
foiibcrit örtlichen wie bcruflidjeii Vcrpältuiffcn anpaffeu. ^i’tr bie Vor* 
fupcruiig*pflid)t ift and) eine Altersutarimalgmt3e (60. Lebensjahr) au* 
3ujepen. Wcbrecplidje imb erwcrbsbrfdjränfte Arbeiter finb uid)t t>cr* 
Jicpmingsüerpfltdjtig. .^crbci^iebcu 3m* A r b e i t s l o f e u u c r f i dj e n i u g finb 
and) bie Verufsuereiite, es? wäre nlio eine Arbeitslofeuuerfidieritug inner* 
halb felbfiuenrnltenber VerufSg cnoffenfd)aften 511 bitben, betten ftaat* 
lid)e nnb fontmunalc ^nfdjnffe% triften wären, wie beit öffentürfien 
Verfidjenmgsrajfeu. ^ ^ur Vcrfidicrung bcitragSpflidjtig wären Arbeiter, 
Arbeitgeber, tu wie Staat nnb Ok'tncinbctt. Die Beiträge foffen in einem 
beftiimnten Verba Ituiife 31t ben Lcijtungeu ber ftaffe fiepen. (Sitte Ab* 
ftnfnng für bie Prämie mtb (Sntfdjäbignng ber Arbeiter ift nirijt an* 
gezeigt; eine .(taren.^eit ift eiitjnfüfjren. * (Kroger VSertb ift auf eine 
ridjtige fantonale nnb fonttmtnale Arbeitsucrtheilungspolitif 311 fegen, 
bemt ohne Arbeitsbejdjaffuun ift bie Verfidjerung ein tobtgcboreneS 
fttnb. Die Verwaltung bei* Vcrfidjernng ift womögtid) ben Verfirfierten 
8tt überlaffen, benen jebenfalts bei ber ^afjl bes Verwalters? uttb ber 
Angeftellten ber Maffe ein ViitbefttimmmgSrcdjt cinjuräitmett ift. 

3£as ben Arbeitsnachweis anlange, fo erflärte ber Referent, 
es fei als Sbeal ein Arbeitsnachweis ait 3 uftreben, ber unter ft'on* 
trole ber ©ewerbe*Fnpaber in beit £)änben ber Arbeiter felbft liege. 
Streitigfeiten wären bitrcp eine gemifepte ftommiffioit 311 fcplicpten. 
Solange bicfeS Jbeal jeboep unerreichbar, wären paritätifcp oer* 
waltete AacptoeiSbureauj* 311 fepaffeu. Der Arbeitertag erFlärtt 
fidj opne Disfuffion mit ben Ausführungen beS VebiterS ein* 
oerftauben. —- Qux Beratpuug ber ftranfen* unb nnfafluerfid^erung 
foH fpäter ein außerordentlicher Arbeitertag einberufen werben. 

BfcberanSfpcrntng itt fRetdjen&ad) in Scpleftcn. Unter ben 
s Bebertt in SReicf>enbac 5 war feit längerer 3 *it eine Bewegung für 
(Einführung beS 3 epnftünbigen Arbeitstages im ©ange. ©in ©r* 
fuefjen in biefer Aicptung würbe am 1. April oon ben oereiuigten 
Fabrifanten burch öffentlichen Anfcplag „im Jntereffe ber fton* 
furren 3 fähigfeit" abgewiefen unb bie Drohung pi^itgefüat, bap 
eine ArbeitSnieberlegitng auch nur in einer einigen gabrif bie 
AuSfperrung ber fämmtlichen 2 Seber 311 t Öolge paben würbe. 
3n f?o!ge biefer Befanntmacpung fam eS in einer >5abrif 3 U 
Reibereien gwifc^en ben Sirmeninhabern unb ben Arbeitern, bie 3 U 
einer ftiinbigung eiit 3 elner ©eher führte. Daraufhin erflärteu 
beren Kollegen, bie Arbeit nieberlegcu 31 t woflen, unb nun Hin* 
bigten fämintliche Jabrifanten ihren Arbeitern, bie mit bem fo* 
fertigen Stepenlaffen ber Stühle antworteten. — Jubeffen wirb 00 m 
11. b. V?tS. gemelbet, bap bie Arbeitgeber bie ftiinbigung aufgehoben 
haben, ba überall minbeftenS 25% ber Arbeiter fich eingeftellt 
haben. Die 3npl ber AuSftänbigen ift auf 1000 gefuitfen. 

Der AnSftanb ber ftrcfelbcr Sammettoeber, ber nun feit s 2ßitte 
Snnuar aubanert, ift 3 war trop aller Bemühungen ber fiäbtifdjen 
fo^ialen ftdmmiffion noch nid^t beigelegt, fcheint aber burch 
AuSfcpeibcn ber Vfitglicber beS nicbeiTpeinifcpen VerbanbeS (hrift* 
lieber Dejtilarbeiter aus bem Streiffomitee eine anbere Vknbung 3 U 
nehmen. Die d)riftlid^en Sammetweber wollen bie Arbeit wieber | 
aufnehmen, wenn bie gabrifanten ben in ihrer Sohnlifte oor* ; 
gefepenen 3nfaß bis 311 10 4 für tabellofe Arbeit berart in Hagbaren 
Sohn (©rgäii 3 ungSlohn) oerwanbeln, bap er unter allen Umftänben 
gc 3 al)lt werben mup. Die anbereu beiben Verbänbe: uieberrljeinifcper 
Vkberoerbanbuub beutfcherDc^ilarbciteroerbaub halten amStreif feft. 

©in Streif ber Binnen jrf)iffer in fftotierbam. Das „Sociaal 
Weekblad“ beridjtet: Der große Auffchwung ber beutfehen Sn* 
buftrie unb beS DranfitooerfeprS über 9iotterbam hat ber Heinen 
Sdjifffaprt 3 wei Aacptpeile gebracht: erftenS bie ©rrichtung oon 
großen DranSportgefeflfcpaften mit großen Schiffen, bie gefchleppt 
werben muffen, mit benen bie fletnen Sdjiffe nicht fonfurriren 
fönnen, unb 3 weitenS bas ©mporfommen einer Vtenge oon Mittels* 
perfonen 3 wifcpen Kaufmann unb Sdjiffer, ber Befragter, oon benen 
bie Sdjiffer aütnäplicp gät^lich abhängig geworben finb. Die j 
meifteu oon ihnen haben ein BMrthshauS, in benen bie öradjten 1 
angenommen werben müffen; bie befterr Aufträge erhalten bie | 
Schiffer, bie oiel oer 3 ehren. Auch giebt es Befrachter, bie felbft 
Schiffe haben. Voohl hatte bie Regierung Anfangs 1898 ben Be* 
fchwerben abphelfen fich bemüht burch e i ne Aenberung ber Be* , 
ftimmungen über bie Binnenfchifffahrt, aber biefe haben wenig j 
ober gar nidjts genüpt. Die Sage ber Schiffer würbe je länger 
je fcf)Ied)ter unb als im Tyebruar 1898 oon bem Vereine ber Be« 
rra<hte_r jiod) ungünfügere neue Sraditbebingungen für bie 9ihein* 
fahrt feftgefept würben, be)d;lo|fen bie Sdjiffer, feine Sradjten mehr 
an^uuebmen unb 3 U ftreifen. ©in Verein würbe gebilbet unb oon | 
biefem Olegenbebiuguugen feftgefejjt. Die Sorbernmjen ber Vhein* j 
fdjiffer waren im großen <^an^en, baß eine 5)iadjt, tu ber geloben ' 
würbe, als gati 3 er Dag gerechnet werben füllte; baß fie nicht nach , 


©innahme ber Sabuug noch gehn Dage ohne Vergütung liegen 311 
bleiben ocrpflichtet waren, fonbern oon ben Befradjtern in Staub 
gefept werben füllten, innerhalb 48 Stuuben ab^ufaftrett unb fchlicp* 
lid), bap, wenn ber gradhtoertrag bie cin 3 unehmeitbe Quantität nur 
„ungefähr" beftimmte, nie mehr, wohl aber weniger gefaben werben 
füllte. Der Streif bauerte mehrere Söocheit. Unter all ben 
Sd)iffern, meift 0rthoboy*©aloiniften, bie nie einen Verein unb 
nie einen Streif gehabt hatten, ift fein einiger Streifbrecher ge* 
wefen. Allmählich waren mehrere Befrachter, SR^eber nnb SpebitionS* 
firmen ge 3 muugen, bie VSünfche ber Sdjiffer 3 U bewilligen unb ber 
Streif enbete mit einem Sieg ber lepteren. Anfang Vtär 3 ieboep 
brach cr aufs 9ieue aus, ba ber Verein oon oerfchtebenen Seiten 
Berichte erhielt, bap einige Befrachter unb Spebiteure, bie Flauheit 
im Verfepr unb baS grope Angebot oon Schiffsräumen bemtpenb, 
einige Sdjiffer 311 Überreben gewupt patten, bie feftgefepten Be* 
bingungen 3 U breepen. Darauf befdjlop ber Verein, abermals ben 
Streif 3 U proflamiren. V3ieberum war bie Vpeinfaprt auf einige Doge 
gepemmt unb abermals trugen bie Sdjiffer gänjlitp ben Sieg* baooit. 

Diefer ©rfolg ber Sftpeinfdjiffer bewog bie Binnenftpiffer, 
bie nur auf ben Gaffern beS SanbeS fapren, wäpreitb bie Schein* 
fdjiffer nadj Deutfcplanb gepen, auep um eine Befferung iprer Sage 
fiep 3 U bentüpen.. können jeboep bie 3*tpeinfdjiffer noep ftnan^ielle 
Verluftc ertragen, fo gehören bie Binnenfcpiffer oöllig 31 t ben wirtp* 
fdjaftlicp Scpwacpen. ©in Beweis bafür ift, bap ber Bunb ber 
9?peinfdjiffer mit 1134 VHtgliebern 4000 rJt, aufgebracht pat, ber 
gleicp 3 eitig errieptete Bunb ber Binnenfcpiffer mit 1100 VUtglieberu 
aber nur 500 Jlt Auper ben 3 wei erften Sorberungen ber 9tpein* 
fepiffer patten bie Binnenfcpiffer noep 3 wei weitere, bap nämlicp bie 
Verträge niept mepr im V^irtpSpauS abgefcploffen werben, unb bap 
fie niept mepr „auf Drbre" fapren füllten, b. p. ber Scpiffer foU 
niept erft in einem beftimmten $afen erfahren, wopin er bie Sa* 
bung bringen foll. Vom 19. Februar ab würben alfo oon ben 
Viitgliebern bes BunbeS ber Binnenfcpiffer feine ^aepten mepr 
angenommen unb ein Heiner Dampfer würbe bemannt, um alle 
anbereit Scpiffer 3 U Überreben, ben Streifenben 311 helfen. Darauf 
forberte ber Bunb ferner, bap bie Spebiteure unb Befrachter nur 
VHtglieber beS BunbeS befdjäftigten füllten. 3ebe ber Parteien 
beauftragte einen 9tecptSanwalt mit iprer Vertretung, ©in Antrag 
ber Befrachter, bie Bebingungen ber Scpiffer a^unepmen, mit 
AuSnapme ber Befrachtung auper bem VöirtpSpaufe unb beS 
3roangS, nur VÜtglieber beS BunbeS 3 U befepäfti^en, würbe oon 
ben Scpiffern abgelepnt. Aber bie SRotp ber Streifenben unb ein 
ftarfeS Steigen ber Öracpten brachten bie 9teipen ber Scpiffer ins 
SBanfen. Unb baS ©nbe war, bap bie Scpiffer bie oon ben Be* 
fraeptern in ipreu Bebingungen gemachten Aenberungen genehmigen 
mupten, fo bap bie Befrachtung im VMrtpSpaufe fortbauert unb 
bie Befrachter im Stanbe finb, fiep an bem Bunbe 3 u rächen burep 
bie AuSfperrung feiner Viitglieber. Söenn es bem Bunbe jeboep 
gelingt, feine ft affe 311 füllen, mup er sweifelSopne fiegen, ba ber 
Verfepr in 9totterbam unmöglich l^nge gepemmt fein fann. 

Die Bewegung unter ben $arifer ^anblungSgepülfen, oon 

welcper wir (9tr. 26 Spalte 705) bereits berichtet paben, ift burdj 
einen Befcplnp beS ©emcinberatps wieber ftarf genäprt worben. 
3n Solge ber heftigen Agitation ber Unternehmer würbe bie 
Voli 3 eioerorbnung, naep welcher bie StrapenanSlagen nur bis 8 Upr 
Abenbs an gewöpnlidjeu, bis 11 Upr AbenbS an Vorabenben oon 
Sonn* unb Feiertagen unb bis 12 Upr ViittagS an Sonntagen 
gebulbet werben foüten, burep ©temeinbcratpSbetiplup bapin abge* 
änbert, bap bie ©talagen an Sonntagen bis 6 Upr Abenbs auf* 
reept erpalten werben biirfen. DiefcS ftompromip jwifepen ben 
Forberungen ber Unternehmer unb benen ber Angeftellten erhielte 
jeboep bei ben lepteren feine befriebigenben SSirfungeu. Sie fepeu 
bie Agitation um B3iebererlangung ber oerlorenen Rofition mit 
erpöpter ftraft fort unb erweitern pöcpft waprfcpeiulich ipr ^ro* 
gramm 3 um Verlangen auf oöllige Sonntagsruhe. 

Ärhclterfd)u|. 

Die Jahresberichte ber ©etnerbe«AufftchtSbeamten in 
SSürttemberg für 1898.*) 

Der Veröffentlichung ber batjerifdjcn unb babif^en Faprcv= 
beriepte ber F^nfuifpeftion ift jept bie ber Beamten in BMirllem* 
berg gefolgt. s Sie biefe fiibbeutfdjeu Beridjte ^eitlidj uape bei 
einanber ftepen, wäprenb 3 . B. bie Veferate für V ri 'upen imb 

ftonuniifroiK’Oerlag oon \\ s 2iiibcniainiv VmlibiinMmig iV- 
Btuitgart. 



Soziale $ragis. Gcntralblatt für Sü 3 iaIpolitif. $r. 28. 


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Sadifeu cijt iin 3»li unb Auguft 311 crfdjcincn pflegen, fo gebt 
midi ein geuteinfamer (^riuib^tig burt alle brei: Wir begegnen 
überafi bem Vefireben ber AuffidjtSbcamten, ifjr Amt int Sinne 
einer ernften unb aufrichtigen Sojialrefomt burtsuführcu, bie fic^ 
nid)t barauf befträntt, iiber bie {trifte Ditrd)fübrung ber Arbeiter* 
ftupbeftimmitngen 311 machen unb trodfene Sioti^en 3 ufamtnen* 
3 uftcllcu, foubern il)i*e Aufgabe aut barin erfennt, einen Ginblicf 
in bie tl)ütfäd)lid)en 3üftäube unb baS innere Seben ber gemerb* 
liefen Arbeitcrbeoölferung 311 erhalten unb burt Seftftellxing ihrer 
Wahrnehmungen amtlid)e Aufflärung 311 {djaffen über bie praftifrf)en 
Vfafeital)men, bie 31 m Abstellung gerechter Vefdjroerbeu unb gur 
CSrfiillung gereri)ter Wiinfdje fuhren tonnen. Dafe bie Beamten 
bei alter Jvürforgc für bie Arbeiter and) oolle Wiirbigung ber 
Stellung ber Arbeitgeber entgegenbringen, beroeift jebc Seite biefer 
ftibbcutfrt)cii ^Berichte, beren Unparteilid)feit unb Cs>cred)tigfeit nur 
ber an^roeifetn famt, ber in ber G3emerbeauffid)t oortoiegenb eine 
Snftitution 3 M 11 Stufe ber Unternehmer hüben möd)te. 

Wenn mir etroas bei ben mürttembergifd)en ^Berichten bebauern, 
fo i{t eS ber Mangel einer einheitlichen 3 ufantmenfaffltug ber 
Referate, bie für bie brei 3'nfpettionSbczir!e erftattet merben. Dem 
ifefer mirb baburd) ber ltebcrbtirf crfdjmcrt unb Wieberfeolungen 
finb nuuermeiblid). Wir ocrfud)en bafeer im Folgenben, bie ein* 
getiten i)iittl)cilungen unter gemeiufatne G)efid)tSpuufte 31 t bringen 
unb meubeu uns au erfter Stelle ber ^Betrachtung bes Verhält* 
uiffcS ber Auffid)t3beamten 311 Arbeitgebern 11 nbArbeitern 
311 . $ier liegt uufereS (5racf)tenö ber fpriugcube $unft für bie 
gebeil)lid)e Wirffamfeit ber gan 3 en 3nfpeftionstl)ätigfeit. Unb ba 
ift 311 fonftatiren, bafe bie Beamten in Württemberg au gen fdj ein lieh 
Vertrauen auf beiben Seiten geniefeen. s l)iit ben Arbeitgebern, fo 
heifet eS, mar ber Verfebr im Allgemeinen angenehm unb be* 
friebigenb; Differeit 3 en famen nur oereinjelt uor unb 3 mar meift 
mit Heineren Fabrifanten ober mit §>anbroerfSmeiftern. „Der Ver* 
fefer mit ben Arbeitern cntmicfelt fith in erfreulicher Weife", melbet 
ber Beamte für ben 3 meiten Ve 3 irf, „unb läfet erfennen, bafe ber 
2 l)dtigfeit ber Otemcrbeinfpeftion oon Seiten ber Arbeiterfchaft 
luachfcubeS Verftäitbnife unb Vertrauen entgegengebrad)t rotrb." 
Die Vcamten crblicfen in ben 3 al)treichen, oon beit orgaitifirten Ar* 
beitem (E3emerffd)aften, EJeroerfoereineit, fatholifchen unb eoattgetifchen 
Arbeiteroereinen) aufgeftellten mäuntidjen unb toeiblidjcn Vertrauens* 
perfoueit eine förberlidje Untcrftiifeung: „Dnrd) bie nermittelnbe 
Dfeätigtcit ber VertrauenSperfoiten mirb betn föemcrbeinfpeftor 
maitd)tnal fef>r niifelidjeS Material an bie £>anb gegeben, beffett 
Menntnife ihn bei Veoifionen in ben Stanb fefet, oerborgen gehaltene 
Viifeftäube an ben Sag 311 bringen. Aud) ift nid)t 3 U oerfentten, 
bafe burd) bie VcrtrauenSperfonen ben ^Beamten bie Annäherung 
an bie Arbeiter erleichtert mirb. Des Weiteren bürftc bie Dfeat* 
fache, bafe bie SnfpeftionSbeamten mit ben Vertrauensmännern 
regeltnäfeig oerfehrert, oielfach propfetjlaftift 3 u mirfett geeignet 
fein", erflärt ber ^Beamte für bett erften Ve 3 irt. „Die oon ben 
ocreiitigten (^emerffefeaften unb oon ben Gkroertoereinen aufgeftellten 
VcrtrauenSperfonen finb gumeift ruhig unb fachlich oenfettbe 
’iUtäniter, bie bemüht finb, bie roirftichen 3ntereffen ber Arbeiter 
311 förbmt", betont ber ^Bericht für ben britten Ve 3 irt. 

Die Acufeerungen ber Veamteu über bie Arbeiterorganifa* 
tiotten erl)eifd)eit überhaupt oolleS Sntereffe: „9Jat nuferer Anfid)t 
il. Ve 3 irt) ift eine ehrlid)e gegenteilige Verftäubigung 
oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern bei gut organi* 
jirteit Arbeitern meitefeer möglich, als mit ben eitt 3 elnen 
Arbeitern, unb bie Arbeitgeber follten ftd) baran ge* 
möhtten, in ben Erganifationen nicht ihre prinzipiellen 
Gegner 311 erblitfen, fottbern biefe eher förbern als be* 
fainpfeti." (Sine „ 3 eitgentäfte unb gercdjte gorberung ber 
Arbeiter" nennt ber Veridjt für ben 3 meiteit Ve 3 irf bie Erganifation 
unb bebauert, bafe bie 3 a hl ber Unternehmer, bie bies einfiet)t, bis 
jeut nod) fd)mach ift. (iiite längere Abhanblung iS. 12 t>—1:;5) 
mibtuet ber Veamte für ben britten Ve^irf ben Arbeiterberufs* 
oereiuett. Gr fagt oon ihnen: Sie „erftreben bie f 0 rtfcf)reiteitbe 
Verbeiiernng ber Ärbeiteroerhältniffe befouberS in Vrgig auf £ohu 
unb Arbeitzeit, fotoic bie Hebung oon Wefnnbheit unb Sittlidifeit, 
oor Allem bei ben mciblidjcti 1111 b jugettblidjen Arbeitern, ferner bie 
AÖrberung ber 9ied)te unb 3utereffen ihrer VJitglicber burd) Auf* 
flärnng unb Vilbung, burd) llnterftnfemig in MranfheitS*, onoa* 
libitäts* unb Sterbefällen, bei Arbeitslofigfeit unb in aufeerorbent* 
lidieit 9?otl)fällen, burd) (^etoährititg 0011 Äed)tsfd)ufe ntib burd) baS 
.sjerbergsmefeu." om Allgeuieiueu oerhalte fid) bie (Mrofeiubuftrie 
beu Arbciterorgauifationen gegenüber meift inbifferent, ein 3 elne 
bmmrragenbe Unternehmer fnmpathifirten grunbfätilid) mit ihnen, 
anbire leimten fie fchroff ab. „Die Abneigung gegen bie gemert* 


fd)aftlid)eu Ergauifationcn mirb mit beut politifd)en Verhalten 
ein 3 eliter ihrer Viitglieber 311 crfläreit oerfud)t — mofel mit Unrecht, 
bentt in ben meiften fällen maren eS immer nur roirthfchaftliche 
unb ni^t politifdhe fragen, bie bas gegeitfeitige Verhältnife smifchen 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer geftört Ratten." Die l) e ftigftcn 
(Regner ber Drganifationeu feien bie 5fleinmeifter, beren öfonomifche 
unb foziale Sage fich faum oon ber ber befferen gabrifarbeiter 
unterfdjeibe. „Die Verbänbe hotten fel)r oiel barauf, erfahrene unb 
gefeilte Vtämtcr in ihrer 'iWitte 311 hüben, bie auch bei ferner* 
ftehenben Arbeiterfd)aft Achtung unb Aitfchen geniefeen, toeil bei 
irgenbmcld)cit Grfdjeinungen, bei Eohnbemcgungen 2 c., eS im 
Sntcrcffe bes G3elingenS liegt, roenu bie Vemcguiig'burch erfahrene 
Eeute, beren llrthcil man auch anbermärts Vertrauen entgegen* 
bringt, getragen mirb." Aud) ber fatljolifchcn unb eoangelifdhen 
Arbeiteroereine mirb gebadet, unb als Grgebnife ber Vetrachtungen 
über bie Arbciterorgauifationen baS Urtheit gefällt, bafe „bie ge* 
fantmte 3nbuftriearbeiterfchaft, ohne Unterfd)ieb ber 
Partei unb ber Stoufeffion, oon bem ernften Streben 
burchbrungett ift, ben Arbeitcrftanb geiftig unb fittlid) 
311 heben". 

Vei ben beoorftehenbeu 9icid)StagSbebatten über bie VerufS* 
oercine merben berartige Aeufecrungen erfahrener A-achmänuer, bic 
mit beu Aufchauiutgcn ber Anffid)tsbcamten in Vapent unb Vaben 
oielfad) iibcreiuftimmen, hoffentlich bic gebiihrenbe Veadjtnng finben. 

Vel)cr 3 igenSmerth bei ben lauten Klagen über bic 3 une()menbc 
Verrohung ber 3ugenb ift bie folgeube Stelle im Vcrid)t beS 

2. Vc 3 irfS: „Heber baS fittliche Verhalten ber jungen Eeute 
faitn im Allgemeinen nicht gef lagt merben . . . AuSmüchfc merben 
aud) oon ben Arbeitern aufs Sd)ärffte oerurttjeilt, 3 umeift aber 
merben biefe Gvfcheiuitngcn als bie natürliche Solge mifelidier (Sr* 
merbs* unb s Bol)niingSüerhältiii)ie ber Gltern angefeheu 1111 b nur 
311 einem geringen Dhetl als pcrfönlid)eS Verfchutben beS Einzelnen. 
kz faitn allerbittgs nid)t beftritten roerbett, bafe burd) bie Ve= 
fd)äftigung oevheiratheter 5 r anen, namentlich junger HUitter, in 
beu tjrabrifcn baS ganze Familienleben unb bamit auch bie Äiuber* 
er 3 iel)itng uotl)tcibel; beim gel)t bic iNutter in bie Sübrif, fo muffen 
bie ftinber ber Äoftfrau übergeben merben. Das Veftreben biefer 
ift meift nur barauf gerichtet, burch Annahme möglidhft oielct 
tfoftfinber bie SHcchnuitg 311 finben, für bic Gi^iehmtg mirb menig 
gethait, meil auch beim befteu Willen häufig baS itöthige Ver* 
ftäitbuife unb bie geuiigenbe ^eit hierfür fehlen. Durdl) beu ftetigen 
Verfehl* mit ben Fremben merben bie iliitber ihren Gltcrn all* 
mählich entfrembet; in ber fur 3 en 3eit beS VeifammeufeinS mit 
ben lefeteren finb fie oft nur 3 eu 9 e n ber burd) äufeere Sorgen 
heroorgerufenen 3 miftigfeiten, unter benen bie iliitber 311 leiben 
haben unb bic fdjlicfehch 3 u einer Untergrabung unb Viifeachtung 
ber elterlichen Autorität führen." 

Das Vcrid)tSjal)r mar im Allgemeinen ein für ben ©efchäfts* 
ang recht güuftigeS. (5s mar rcid)lich Arbeitsgelegenheit oor* 
anbeu. Drofebem fliegen bic Eöhne uid)t burd)ioeg unb einzelne 
Erhöhungen mürben burch Verteuerung michtiger EcbenSmittel, 

3 . V. Sleifch, roieber ausgeglichen. Eohnbemegungeit maren nid)t 
feiten, bod) führten fie nur in wenigen Fällen 3 U ernfteren Aus* 
ftänbeii. „Die Auflöfiing bes ArbeitSocrhältuiffeS burd) bie Ar* 
beiter ohne Einhaltung ber ÄiinbiguiigSfrift mürbe oerhältnife* 
nnifeig feiten gefiinbcu." Der Wohnungsfrage mibmen bic Ve* 
rid)te infofern Aufmerffamfeit, als fie mittl)eilen, inmietoeit Arbeit* 
geber mtb Korporationen auf biefeui (Gebiete oorgegangen finb; 
mir fommeu barauf fpäter not 3 l, riitf, bod) möge hi ?r fd)on 
folgenbe Vemcrfung aus bem erften Ve 3 irf ‘plafe finben: „Die Ab* 
gahe oon Wohnungen an Arbeiter mag feitenS ber Arbeitgeber in 
nod) fo uncigcmuijjiger Weife erfolgen, ein Arbeiter mirb jebot 
baburd) ans (>3efrf)äft gefeffelt unb in einer getoiffen Abl)ängigfeit 
erhalten, mit furzen Worten: Er gcl)t feiner Freisügigfeit oerlujtig, 
meil gcmöl)ttlid) mit bem ArbcitSoertrag aut ber V?ictl)oertrag 
gcfiiubigt mirb unb ber Arbeiter nid)t mohl oor bie 3 toeifate 
Frage geftellt merben mirb, |iigleit arbeits* unb obbadjloS 311 
merben." Die Vcftrebnngen nach Verfügung ber Arbeitszeit 
finben in ben Vcridjten eine mohlmolleube Aufnahme. Die jefeige 
VrobiiftionSmcifc nehme bie geiftigeti Kräfte nnb bic Heroen beS 
Arbeiters gegen früher oiel Härter in Aiifprud), es feien bie Eeute 
oiel eher ausgenüfet: „Es finb beshalb bie Kämpfe um fördere 
thatfächtliche ArbeitSseit mol)l beredjtigt" (1. Ve^irf). „Grfrculitc 
Verbefferungcn in Ve 3 »g auf Verniinberiing ber ArbeitS 3 eit hüben 
(in oerfdjiebeueu Fällen baut bem Eingreifen ber Arbeiterorgani* 
fatioiteu) Vlafe gegriüen. Der Vemegung leiften aud) bie in oielen 
Anlagen mit ber fütteren Arbeitzeit gemachteu giinftigeu Erfal)* 
rungen Vortdjiib" i 2 . Ve^irf). „Sie elfftiinbige Ve|d)äftigung ocr* 



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©ogtale Sßrajis. ©entralblatt für ©ogtalpolttil. Rr. 28. 


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peiratpeter Stauen in Jabrifen erfcpeint Slngcflc^tö ber ihrer gu 
Haufe roartenben Aufgaben entfliehen gu lang, unb eine Äürgung 
ber ArbeitSgeit bürfte ourcpauS gerechtfertigt fein." Lebhaft beflagt 
wirb bie 3unapme ber Verroenbung fcpulpflicptiger $inber 
gu geroerbücper Arbeit; bie fdjäblidjen folgen malten fiep 
bereife in einer Verfcplecpterung beS ©efunbpeitSftanbeS eingelner 
©egenbeit bemerfbar. Vielfach fommt hierbei auch bie §auS* 
inouftrie in Srage: „©ine gu fepr auSgebepnte §auSinbuftrie 
gehrt mehr an ber ©efunbpeit unb ber Arbeitskraft beS SSoIfeö 
als eine gefcpüpte Jabrifarbeit, unb es märe beSpalb tmn nicht 
gu unterfcpäbenber guter Wirfung, roenn auf bie $auSinbuftrie 
unb bie Heimarbeiter entfprecpenbe Arbciterfcpufcbeftimmungen An* 
menbung finben müpten." Dap Württemberg bemnäcfjft auch eine 
roeiblidje .£>ülfsfraft in ber ©eroerbeaufficpt erhält, paben mir 
fcpon früher ermähnt; bie 93ericpte begrüben biefen 3uroa<hS freunb* 
licp unb betonen, roelcp hohen Werth bie Arbeiterf<haft auf biefe 
©rftiHung ihrer Wünfcpe lege. 

©o meht burep ben gangen Jahresbericht ber ©eroerbeauffidjts* 
beamten oon Württemberg ein frifcher 3 U 9 oerftänbiger ©ogial* 
reform, bie bie Jorberungen mirthf^afthehen JortfcprittS mit ber 
Hebung beS ArbeiterftanbeS mohl in ©inflang gu fefcen roeip. 

_ g. 


Die ©cfmfcmafircgeln für bie AngefteÜtcn in ßäben nnb bie 
©ehfilfeuoer&äitbe. Aus ben Urteilen Der ©epülfenfcpaft über bie 
Rooelle gur ©eroerbeorbnung, fomeit fte bie AngefteÜten im 
§)anbelSaeroerbe betrifft, feien im Racpftepenben einige ftunbgebungen 
großer Verbänbe mitgetbeilt. Der Vorj'tanb beS ©entraloerbanbeS 
ber .ftanblungSgepülfen unb *©ehülfiunen pat eine Petition an 
ben Reichstag unb VunbeSratp gerichtet, in melcher er oerlangt: 
1. bap bie ©cpupbeftimmungen für £anblungSangeftelIte nicht nur 
auf bie Angeftcllten in Labengefcpäften, fonbern auf fämmtliehe 
im ßaitbelSgeroerbe thätigen Verfonen auSgebepnt merben; 2. bap 
bie Arbeit groifepen 8 Uhr AbenbS unb 6 Uhr Borgens oerboten 
merbe unb bap jugenblicpe Verfonen nicht nach 6 Upr AbenbS be* 
fcpäftigt merben bärfen; 3. bap für ^anblungSgepülfen ein groölf* 
ftünbiger unb für jugenbliche $erfouen ein neunftüubiger Rtorimal* 
arbeitstag, in meinem eine groeiftiinbige RüttagSpaufe unb je eine 
oiertelftüubige grüpftücts* unb RacpmittagSpaufe enthalten fein 
mup, oorgefeprieben merbe. Die Petition oerlangt ferner, bap für 
bie Uebermachmtg ber Durchführung ber ©cpupoeftinimungen be* 
fonbere AufficptSorgane (tfmnbelsinfpeftoren) gefepaffen merben. 
Die Dpätigfeit biefer AufficptSorgane foH fich nicht nur auf bie 
Veaufficptigung ber ©efcpäftSräume befepränfen, fonbern bort, mo 
ben Lehrlingen unb ©epülfen $oft unb Wohnung oom ^ringipal 
gegeben mirb, fiep auch auf bie WopnungSfontroIe erftreefen. 
gerner mirb es als ein Mangel gerügt, bap bie Rooelle bie grage 
ber ArbeitSorbnungeu offen läpt unb nicht ähnliche Vorfcpriften 
trifft, mie fie in ber ©eroerbe*Orbnung über bie ArbeitSorbnungen 
in gabrifen oorgefehen finb. 

Der Hamburger „herein für .'panblungsfommis oon 1858", 
ber jept meit über 50 000 Rßitgtieber gählt, betont in feinem 33er* 
einsblatt (Rr. 432), „bap mir Den ©ntrourf beS ©efepeS, menn er 
auch anfern Wünfcpen nur gum Dpeil Rechnung trägt, bocp als 
einen meiteren ©chritt in ber gürforge für bie Singehörigen unfereS 
beutfehen ftaufmannSftanbeS freubig begrüben." ©r befennt fid) 
aber nach wie oor S um obligatorifchen Labenfcplup, ber jept 
aud) bei ber „roeitans übermiegenben Rleprgapl" ber Laben* 
befiper ^Billigung finbe. Huch forbert er eine RHnimalrupegeit 
für erroachfene männliche ©epülfen oon 11 unb für roeiblidje unb 
jugenbliche ©epülfen oon 12 ©tunben; aufjerbem müfete bie uhe* 

S ’t fpätefteuS 9 Uhr SlbenbS beginnen. „Wirb eine berartige SBe* 
ränfung nicht gefehüth feftgelegt, fo bürfte bie Hbfid^t ber 
©efefceSoorfchläge fchroerlich erfüllt merben: für bie $>anbIungS* 
gel)ülfen unb Lehrlinge in Labengefchäften fomohl geeignete gür* 
forge in gefunbheitlicher SBegiehung gu treffen, als auch ü> nen bit 
nöthige 3 e ^ S u aerfchaffen, bamit fie in ber Lage finb, fid) beffer 
als bisher in ben laufmännifchen Jägern fortgubilben". Die SluS* 
führungen beS «Hamburger hereinsblatteS oerbienen um fo mehr 
Beachtung, als bem herein nicht blofj ©ehiilfen, fonbern auch fehr 
oiele ^ringipale angehören. Jm ©rofeen unb ©angen oertritt ber 
herein biefelöen gorberungen, bie auch in ber ,,©og. ^3rajiS" bei 
ber 33efpred)itng beS ©efefeentmurfeS (@p. 637) erhoben morben finb. 

Dem SunbeSrath ift biefer Dage bas oon bem Deutfeh* 
nationalen £>anblungSgebülfenocrbanb in Hamburg oeranftaltete 
©efuch um reichSgefepUche Regelung einer einheitlichen Laben* 
fchlupftunbe mit nahegu 47 000 Unterfchriften gugegartgen. Unter* 
fchriften fmb aus inSgefammt 642 Drtfchaften eingegangen. 11260 


^ringipale unb 35 622 StngefteHte, unter lepteren 5890 meib* 
liehe haben unterfchrieben. Jn ben fleinen ©täbten unb Ortfdjaften 
haben bie Arbeitgeber fnh faft burchgängig unthätig oerhalten, 
nicht aber in ben gröperen ©täbten; fo finb g. 93. tn Hamburg 
oon 7739 Unterfchriften allein 2711 ^ringipale. Die „Sfcorbb. 
AUg. 319-" bemerft hingu: „Da Hamburg gu benjenigen ©täbten 
gehört, bie gur 3 C ^ &*n fpäteften Labenfchlup haben, fo ift bar* 
aus gu entnehmen, bafc auch bie felbftftänbige Kaufmannfdpaft für 
fich bie Wohlthat einer gefeplichen Labcnfcplupftunbe herbeiführen 
möchte." 9JJöge bieS im Sieid^Stage behergigt merben! 

fttttfeerfdisip in freu|ei. Der $ultuSminifter hat fämmtlichen 
Regierungen unb Dberpräfibenten einen ©rlap übermittelt, morin 
auf ein Ürtheil beS ^ammergerichtS'(ogl. ,,©og. $rajis" ©p. 175) 
oermiefen mirb, in bem entfliehen tft, bap eine $oligeioerorbnuna, 
nach melcher fchulpflidjtigc ^inber in ber 3«it oon 7 Uhr Rach* 
mittags bis 7 Upr Vormittags gum Austragen oon Vacfmaaren, 
3Ril<h, 3 c ii u ogen unb anberen ©egenftänben, gum ^egelauffepen 
ober gu fonftigen Verrichtungen in ©chanfmirthfehaften, gum Auf* 
märten ober gum &anbel mit Vlumen ober anberen ©egenftänben 
niept oermanbt merben bürfen, RecfttSgültigfeit hat. — ©0 erfreu* 
lieh bieS Vorgehen ift, fo mirb bamit ourchgrcifenbe Vefferung 
hoch fchroerlich ergielt merben. Auf bem VerorbnungSmegc miro 
hier überhaupt nicht ju h^f? n fonbern nur burd) ©efep. 
Das hat auch in geroiffem ©inne ber ©taatsfefretär beS Jnnern 
im Reid)Stage gugegeben, als er auf bie Erhebung über bie ge* 
roerbliche Älnberarbeit gu fpretpen fam. Vebauerlich ift, bap 
über biefe ©nquete noch immer feine gufammenfaffenbe Veröffent* 
lichung oorliegt; Dheilrefultate, mie g. 93. aus Vraunfcproeig, auch 
aus eingelnen ©täbten, fmb allerbingS befannt. Die ©rpebung 
mürbe im Degember 1897 angeorbnet, im Jrühjahr 1898 ab* 
gefcploffen, bie 93earbeitung im faiferl. ftatift. Amt ift fepon oor 
5 bis 6 Monaten beenbet. UnfereS WiffenS liegt ber Vericpt feit* 
bem im ReicpSamt beS Jnnern. 

Weibllcpe Sröbrifiiifpeftoreii in $rett6en. Der 93unb beutfeper 
Jrauenoereine patte beim VUnifter für ^anbel unb ©emerbe be* 
antragt, ben oon ipm oeranftalteten Surfen gur AuSbilbung roeib* 
licper ©eroerbe-AufricptSbcamlen einen ©emerbe * Slufficptsbeamten 
als Dogenten gur Verfügung gu ftellen. Darauf pat ber SPUnifter 
geantroortet, er fönne bem Wmtfcpe fepon mit Riicfftcpt barauf 
niept entfpreepen, bap bie für eine folcpe Aufgabe in Vetracpt fom* 
menben 93eamteil burep ipre Dienftgefcpäfte 00 E in Slnfprucp ge* 
nommen feien. Ueberpaupt fei bie ©inftellung roeiblicper §ülfs* 
fräfte in ben ©emerbe* Auf fiep tsbienft roegen beS Mangels an Ratteln 
oor bem 1. April 1900 nid)t möglicp. ©intreteubeufallS follen be* 
fonbere ^urfe für bie roeiblicpen Aufficptsbeamten eingefüprt ober 
biefe 511 ben fcpou aUjaprlicp in Verlin ftattfinbenben, oom RUnifter 
eingerichteten JnftruftionSfurfen für männlicpe Aufficptsbeamte gu* 
gelaffen merben. 


3Ufbettemrmentitg. Sporkoffen. 

Der ©nftourf ber JnbaHbitStSmmette naep ben Vefdpffen erfter 
Lefung in ber RetihStagSfommiffion. 

Die ReicpStagSfommiffion, ber bie JnoalibenoerficperungS* 
nooetle gur Vorberatpung Übermiefen ift, pat furg oor ben Öfter* 
ferien ipre erfte Lefung abgepalten. Obgleich bie barin gefapten 
Vefcplüffe noep mancherlei Abänberungen, oielleicpt auep in roefent* 
licpen fünften, erfahren bürften, fo mirb boep ein Ueberblicf über 
bie ^ommifrionSberatpungen jefct oon Jntereffe fein. 

©ine erhebliche Aenberung ift an ber oom ©ntrourf oor* 
aefcplagenen Verecpnung ber Jnoalibenrenten oorgenommen morben. 
Die ©runbbeträge finb in ben eingelnen Lopnflaffen auf 60, 70, 
80, 90, 100 JL perabgefept, bafür aber bie ©teigerungSfäpe auf 
3, 6 , 8 , 10, 12 4 erpöpt morben. 

Vegüglicp ber Altersrenten ift es jeboep bei ben Veftimmungen 
beS ©ntmurfS geblieben. 

Aucp bie Verkeilung ber Laften ift eine anbere geroorben. 
Die ©emeinlaft hat fid) oerringert, bie ©onberlaft bagegen erpöpt. 
Denn aucp oon ben Altersrenten foE bas ©onberoermögen fortab 
einen Dpeil tragen. Racp ben ÄommiffionSbefcplüffen mirb näm* 
Iicp bie ©emeinlaft gebilbet burep 3 /4 fämmtlicper Altersrenten, bie 
©runbbeträge aller Jnoalibenrenten, bie Rentntfteigeruugen in 
Jolge oon MranfpeitSroocpen unb bie Renteuabrunbungeii, mäprenb 
alle übrigen Verpflichtungen bie ©onberlaft ber Verficperungs* 
anftalt bi&en. Dabnrcp ift aucp bie AuSfcpcibung eines geringeren 
DpeilS ber AnftaltSmittel gmeds Vilbung beS ©emeinoermögens 



771 


(Soziale ^rajis. Eentralblatt für Sogialpolitif. Rr. 28. 


772 


möglich geworben. Am 1. Qanuar 1900 foHen bis gum 1. ßanuar 
1910 in jeher BerficperungSanftalt nur 4 /io Ber ^Beiträge gur 
Decfung ber ©emeinlaft buepmäpig auSgefcpieben werben. Eine 
anberweite geftfepunq biefer Duoie bebarf ber Suftitmnung beS 
SHeid^ötagö ebenfo, wie bie Rortnirung ber ^Beiträge, bereu §öpe 
auf 14, 20, 24, 30, 36 4 bemeffen worben ift. 

Eine wefcntlicpe Umaeftaltung paben bie ootn Entwurf ent* 
pfoplenen Rentenftellen erfahren, Sßringipalüer finb fte gang be® 
feitigt worben. Die ihnen gugebaihten Aufgaben ber Begutachtung 
oon Rentenanträgen 2C. finb ben unteren BerwaltungSbepörben 
übertragen worben. 0onacp bleibt eS in ber Hauptfacpe beim Alten. 
Rur, wenn bie untere Berwaltungsbepörbe fid) gegen bie ®e® 
Währung einer Rente ober für beren Entgiepung auSgufprecpen 
gebenft, pat fie oor Abgabe tpreS (Gutachtens ben Sacpoerpalt 
unter 3ugiepnng je eines BertreterS ber Arbeitgeber unb ber Ber® 
fieberten in münblüper Berpaitblung gu erörtern. 

freilich fönnen gur 3öahrnepmung ber pier in grage 
fommenben (Gefdjäfte amh befonbere Rentenftellen oon ber 
LanbeSceittralbepörbe errichtet werben. Afier SBahrfcpeinlicpfeit nach 
werben biefe aber auf bidptbeoölferte Begirfe befdjräuft bleiben uno 
für ben größten Dpeil beS Reiches nicht ins Leben treten. 
ilebrigenS fann ben fo gebilbeteu RentenfteHen ftatt ber Begut® 
achtung auch bie Befcplupfaffung über bie ihnen überwiefenen An* 
gelegenpeiten oon ber LanbeScentralbepörbe übertragen werben. 

Die fog. Rentenfammer, bie nach ber RegierungSoorlage bei 
jeber Anftalt gufammentreten follte, fällt weg. Dafür follen 
jweifelpafte gätte an bie untere Berwaltungsbepörbe begw Renten* 
ftelle gur Begutachtung burep bie Beifiber, fofern bieS noch nid)t 
gefepepen, gurüefoerwiefen werben. - , 

Aufgehoben ift bie Beftimmung, bapSßerfonen, bie Lohnarbeit 
nur in beftimmten QapreSgeiten für nicht mehr als gwölf Söodpen 
übernehmen, oon ber BerfidjerungSpftidjt befreit fein follen, weil 
hieroon grrtpümer unb BeitragSpmtergiepungen befürchtet werben. 
Nichtig ift bie neue JJaffung beS §. 22, bap bei Berfidperung in 
einer „höheren" als ber ma&gebenben Lopnflaffe ber auf ben 
Arbeitgeber entfaHenbe S:hcil nach ber höhnen ßopnflaffe bann 
gu bemeffen ift, wenn ber Berficperte nachweift, bap er unter 
grunbeleguna feines tpatfäcplicpettwöd^ntliihen ArbeitSoerbienfteS 
in biefer höheren Lopnflaffe gu oerfichern fein würbe. 

3m Sntcreffe ber Angehörigen ift bie Borfchrift eingefügt, bap 
bei einer bie Dauer eines BJonatS überfteigenb&i greipeitsftrafe 
unb bei Berlegung beS Aufenthalts ins AuSlanb bie für biefeit 
Sali ruheitbe Rente, wenn ber Rentenberechtigte eine oon ihm 
unterhaltene, in Snlanbe wohnenbe Familie befiht, ber lepteren gu 
überweifeu ift. 

Der thatfächliche ArbeitSoerbienft fornint auch gur Geltung bei 
Aenberung ber jepigen Beftimmung, bap bie Snoalibenrente ruht, 
fofern fie unter .funguredjnung oon Unfallrente, Benfionen 2 c. beit 
Betrag oon 450 J( überfteigt. Qft nämlich ber Betrag, welcher 
bei Berechnung ber Qnoalibität gu (Gruube gu legen war, alfo ent* 
weber ber Lopnfap ber betreffenbeu Älaffe ober ber ArbeitSoerbienft 
eines förperlicp unb geiftig gefunben Lohnarbeiters berfelben Art 
unb in berfelben (Gegenb poper ofä 450 <7/, fo foU bie Snoaliben® 
rente erft bann rügen, wenn fie gufamuten mit ber llufaHrente, 
^enfioit 2C. biefen poperen Betrag überfteigt. 

Als Berbienft eines förperlicp unb geiftig gefunben Lopu® 
arbeiters berfelben Art foll minbeftenS bie Hope beS LopnfapeS 
berjenigen Lopnflaffe in Berechnung gegogeu werben, welche im 
pralle ber gnoalibifirung bes betreffenbeu Berficherten ber Renten® 
Berechnung gu (Grunbe gu legen wäre. 

Angenommen würbe noch eine Refolution, in ber bie oer* 
biinbeten Regierungen gur Ausarbeitung einer Rooefle gum 
SfranfenoerficperungSgefep erfucht werben, worin bie (Bewährung 
oon ftranfengelb u. f. w. bis gum Ablauf ber 26. 38ocpe, ftatt, wie 
jept, ber 13. 3Socpe, oorgefdjriebeit wirb. 

gür bie @ee * BerufSgeuoffenfchaft ift bie Beftimmung oon 
Söertp, wonach biefer geftattet werben fann, burep eine befonbere 
Einrichtung bie gnoaliben® unb AlterSuerfidjerung gu übernehmen, 
fofern bamit eine BSittweii* unb BJaifenoerforgnng oerbunbeit wirb. 


$te Allgemeine CrtSfranfenlaffe gu granffurt a. 3)2. hat nadj ihrem 
6)eid)äftvberid)t (Sranffurt a. B2. ^ruef uott 8chntibt & ^obtfd) 1899) 
im 3ahrc 1898 trop ftcrabfcpiing ber Äarenggeit oon 3 auf 2 Sage, 
Erweiterung bei? MranfcngelbeS oon Oc» ü /o für 26 SSotpen unb faffcn= 
ärgttidjc ^amilienbelianbhmg mit freien 3)2ebifamcnten unb Heilmitteln 
einen Xiefferen finanziellen Erfolg als in ben fämmtlidjcn 13 Borjahreu 


gehabt. 3« ber gamilienoerftdicrung (Beitrag 1,20 M. monatlidj) bc* 
fanben fid) im vierten Quartal 1898 1509 Familien. An ftranfpeitS« 
fällen würben 6654 gegen 4699 im Borjapre gemelbet, bie eine Aus* 
gäbe oon 8889,63 unb gwar oon 8215 ,70 J*. für SWebifameute, 
161,88 M. für Srogert unb 511,» *//. für Heilmittel erforberten. ES 
würben 67 Brillen, 46 Brudjbönber, 28 ^rrigateure, 36 Leib* unb Rabel* 
binben, 12 Dhrenfpripen, 11 Eisbeutel, 4 3«haIationSapparate, 2 Luft* 
fiffen :c. oerabreidht. &er Crtsfranfenfaffe gehörten am ©djlnffc bc§ Rech* 
nungSjahreS 40 074 3)2itglieber an, bie ©efammtfranfpeitsfälle belaufen 
fiep auf 49 202. Auf bett Üraufheitsfall entfallen 21,47 MranfheitStage unb 
29,i9 Stranfengelb. Auf ben Äopf ber burd)fdinittlid)en SWitglieber* 
japl entfallen 8,75 ftranfpeitstage. Bei ben 318 ä^odfeutageii finb 
ourchfdmittlidj für ben Sag 1526, 6 a Jt. «ranfengelb einfcplieplid) SBöcp* 
nerinnenunterftüpung gegaplt worben. Bont 1. Januar ab finb bie 
Beiträge auf 374 % beS burtbidjnittlidjen SageSoerbieitfteS ermäptgt, 
fowte bte Äaffenlciftung in gorm eines obligatorifdjen ©terbcgelbeS für 
grauen unb Äitiber ber Berficherten erweitert. 254 Lanbaufentlialtc 
würben an 122 Männer unb 132 grauen Bewilligt, in Refonoalescenten* 
anftalten 367 B?itglieber eiugewiefen unb 200 Babefuren bewilligt. AIS 
eine Liicfe im 3wangSinuungSgefepe 00 m 26. guni 1897 wirb begeiepnet, 
bap über bie ©rünbuug oon gnnungSfranfenfaffen niept bie oerfiepe* 
rungSpflid)tigen Arbeitnehmer gu hören finb, bie fid) erfahrungsgemäp für 
ihre Belaffuüg Bei ber leiftuugsfähigeren Drtsfranlenfaffe auSfprecpen 
würben. 9J?ait befürchtet, bap bie ^wattgsinnungen eigene Waffen 
griinben werben. 

Unfall* unb ^ranfenoerfichernng in ber Scpkneig. Befanutlicp 
pat ber Rationalratp in ber lepten £>egemberfeffion eingepenb über 
bie grage ber Aufbringung ber für bie ßranfen* unb Unfall* 
uerfidjerung erforberlicpen BunbeSmittel bebattirt. ^er BunbeSratp 
erpielt fcplieplich ben Auftrag, bie ginangirung, fei es auf bem 
3öege oon bubgetmäpigen ilombinatiouen, fei es auf bemjenigen 
ber 0d)affuug einer neuen EinnapmSquelle, gu unterfucpeit unb 
barüber ben eibgenöffifcpen Rätpen in ber nä^ften 0ommerfeffion 
einen Bericht unb Anträge oorgulegen. 3n golge beffen haben 
nun fämmtliche ^epartemente unb baS BuubeSgericht in ihren 
Berwaltungen eine genaue Sßriifang p e r gufüuftigen Einnahmen 
unb Ausgaben oeranftaltet unb barüber Bericht erftattet. S)ie 
Berathung über biefe Angelegenheit h^t, wie ber Berner „Bunb" 
oernimmt, jept im BunbeSratp begonnen. 

Bcrfichenmg lanbwirthfchaftlicher Arbeiter itt Ungarn. 

Aufträge beS RJinifteriumS werben bergeit in einem ^omitat jen* 
feits ber S)onau bie Borarbeiten für bie Schaffung eines Ber* 
banbeS ber Arbeiter für bie Lebens® unb UnfaÜoerficherung ge* 
troffen. $)er Berbanb foll auf genoffenfthaftlidjer BafiS organifirt 
unb ben ÜDEitgliebem burep geringe wöchentliche Eingaplungen opne 
Rücfficpt auf ipr Alter im gälte ber burep einen Unfall peroor* 
gerufenen ArbcitSunfäpigfeit eine regelmäßige Uuterftüpung, im 
SSobeSfalle ben Hinterbliebenen eine entfprecpenb Umitirte Zulage 
ficpern. 

gabrilfparlaffeit in gtattfreich. Sic erfte gabriffparfaffe würbe 
1876 in ber ärarifdjen Sabaffabrif gu Rantes eingerichtet; feitper pat 
biefeS Beifpiel oielfadj Racpapmung gefunben, oor allem tu ben übrigen 
Sabaffabrtfen (Ltjon, S)ieppe, ^antin, SKorlaij; unb Riom). 'Sie er* 
waputen (Sparfaffen ber nationalen gabrifeit paben einen 0parfonbs 
oon über 2 SRiHtonen grancS gefantmelt. 

Friendly Societies unb Shop Clubs in (Snglanb. Das 

Home Office pat im Rooember oorigen gapreS einen AuSfcpu^ 
mit ber Unterfucpung einer Befcpwerbe oon friendly Societies be* 
traut, betreffenb ben oon manchen Unternehmern auSgeüBteu 
3wang auf ipre Arbeiter, bem w Shop Club“ (bie $raitfenfaffe ber 
girrna), beigutreten uttb aus anberen Friendly Societies auS^u* 
treten. Der uunmepr ueröffentlicpte Bericht beS ^omiteS fonftatirt, 
bap bie Befcpwerbe tpatfäcptich gerechtfertigt ift, unb betont aud) 
bie Ungefeplicpfe.it beS BorgepenS ber Unternehmer, bie ben Beitritt 
gu Shop Clubs unb ben Austritt aus Friendly Societies gu Ar* 
beitSbebinaungen machen. Das Momite fcplägt oor, eS foU bieS 
gefeplicp feftgeftellt werben, boep mit ber Ausnahme, bap ber 
Unternehmer piergu berechtigt fein foHe, wenn ber Shop Club 
unter ber Friendly Societies Act regiftrirt fei; bagegen foKc er nie 
berechtigt fein, gu forbern, bap feine Arbeiter auS einer Friendly 
Society austreten ober feiner folcpen beitreten. Die $onfurreit£ 
ber ftranfenfaffen pat manchen Arbeitgeber gu Rlapiiapmen oeran* 
lapt, bie gur erwähnten Befcpwerbe Anlap gaben; cS fonnte nätn* 
lief) leicpt oorfommen, bap Arbeiter im tranfpeitsfalle, wenn fie 
bei Friendly Societies unb beim Shop Club waren, mepr erhielten, 
als ipr Lopn betrug, wenn fie gefuno waren, eine Berfucpung gur 
Simulation, wogegen fiep bie Unternehmer ftpiipen wollten. 



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©ojiale $rajig. Gentralblatt für Sogialpolitif. Vr. 28. 


3lrbettenail)ti>ete. 


Seräattb T'eutftber Arbeitguatbrocife; Petition, fceir. Erlafj Pou 
$e(ephoitgcbüßren. SDer Augfcßuß beg Serbanbeg ^at in feiner 
Sifcung ju Serlin am 10 . Sebruar bie Abfenbuna einer Petition 
roegeit Erlaß ber $elepbongebübren Befdjloffen. An ben Staatg* 
fefretär beg $Reicßg*$oftamtg mirb bie Sitte gerietet: „Eg möge 
ber telepbonifche Serfeßr ber Arbeitgoermittelunggftellen, inforoeit 
er jur Erlebigung ber bei ben einzelnen Stellen einlaufenben Auf* 
träge auf Sefcßaffung non Arbeitern ober ©efudje nm Vacßroetfung 
oon Arbeit erforberlicß ift, foftenfrei gemährt unb bie Itier^u er* 
forberlicße Aenberung ber gefefelid^en Sorfcßriften ßerbeigefüßrt 
roerben." 3 ur Segrünbung biefeg Antrages wirb angeführt: 

Sämmtlidje Arbeitgoermttteluugen ber größeren Stabte fmb in 
erfter ^tnte 311 bem groeefe begrünbet roorben, um ben ftäbtifdjen (Sin* 
roobnern bie in ber Stabt oorbanbenen freien Arbeitgpläße möglidjft 
frfjncH unb gegen tbunlidjft geringeg (Entgelt ober foftenlog naebsu* 
meifen. Sie befielen baßer int SBefcntlidjen aug einem in ber Stabt 
gelegenen Sureau, in roclcbem fid) bie Arbeitglofen einfinben, um oon 
ben bort angemelbeten offenen $läßctt Äenntniß ju nehmen unb ben 
Arbeiter fueßenben Gefdjäftgleuten jugejanbt 311 merben. — 2>ie Auf* 
träge erhalten biefe Sureaug tßeilg münblicß, tßeilg fcßriftlicb unb burd) 
Telephon. Ta ben Beamten bie lofalen Serßältniffe, oielfadj auch bie 
^erfön ließ feit, bie Art beg Gefdjäftgbetriebeg unb bie Arbeitgbebingungen 
ber auftraggebenben Unternehmer befannt finb, bebarf eg feiten ber 
Aütffragc, unb eg lagen fid) überbieg bei ben geringen Entfernungen 
unb ber ^eicßtigfeit beg Serfeßrg in ben großen Stabten bie 31 m orb* 
nunggntäßigen Erlebigung ber Aufträge erforberlid)en Vitcffrageu leicht 
beroerfftefligeu. 9hm merben aber fämmtlicße öffentliche allgemeine Ar* 
bcitgoermitteliinggftcllen in immer suneßmenbem HKaße, außer oon ben 
Ortgeinmobneru, auch oon ber Vadjbarßbaft, ber mciteren Umgebung 
unb bem flachen £anbe benußt, nicht nur baburd), baß augmärtg 
mobnenbe Arbeitgeber unb Jnbuftric unb ^anbmirtbfcbaft Aufträge jur 
Schaffung oon Arbeitern erteilen, fonbern auch in ber Art, baß be* 
fcbäftiguugglofe teilte oon ihrem Wohnorte aug jur öffentlichen Arbeitg* 
ocrmittelunggftelie fontinen. Gerabc biefer lebten [ehr bebeuflidjen Gr* 
fcbeiuung muß entfebiebeu entgegengetreten merben unb ^terju bebarf 
eg beg regen unb leichten Serfeßrg ber Arbeitgnadjioeife mit ihrer Um* 
gebuitg. SSBenn 3 . S. bie Sürgermeiftcr ber fleinereu Stabte, bie faft 
alle an bag Tclepbonneß angefdjloffcn finb, ermächtigt mären, bag 
Telephon ben Arbeitgebern ober ben Arbeitglofen beßufg Vürffpradjc 
mit ben Gentralftellen in ben großen Stäbten unentgeltlich jur Ser* 
fügung 311 [teilen unb menn oon bort aug aud) bie notbmenbigften 
Südfragcn (^eftftcHung ber Arbeitgbebingungeu beg einzelnen Jallcg, 
Vereinbarungen megen beg Vcifcgelbeg) gleicßfallg telepbonifdj bemirft 
merben fönnten, fo mürbe bieröurd) ber Auggleid) beg Arbeitcriiber* 
fluffeg in ben großen 0täbten unb beg Arbeiterntangelg auf bem flad)en 
!Banbe roefentlicß erleichtert, Eg fanit gerabeju behauptet merben, baß, 
[olange biefe Ginridjtung nicht befiehl, [ich nie mirb entfeßeiben laffen, 
ob bie Klagen über bie Unmöglidjfeit, Arbeiter 31 t finbett, im Mangel 
an Arbeitern ober in ben befonbercti Serbältuiffen ber offenen Arbeitg* 
[teile begrünbet [irtb. — SBemt eg [ich aber bei biefen Klagen nidjt nm 
Unbequemlidjfeiteu banbeit, bie ber einzelne Arbeitgeber übermittben 
muß, fonbern um ernfte (Gefahren für michtige mirtbfdjaftlidjc (Gebiete, 
fo ift eg um [0 bringettber erforberlicß, bah ben Arbcitgoermittelungä* 
[teilen, alg ben einigen Senoaltuuggftcllen, bereit 2Birf[amfeit auf biefent 
(Gebiete liegt, bie Atöglicßfeit gegeben mirb, [ich leidjt unb uitgebinbert 
mit ben Arbeitgebern [omobl/ alg mit ben Arbeit[ud)enben unb unter* 
einanber in Serfebr 31 t fepen. 2 :ic bloße ^ortofreibeit, [o mid)tig fte 
märe, mürbe in biefer Siebung nicht genügen, meil eg auf beit un* 
mittelbaren unb rafdjen Serfeljr anfomntt, mie er eben nur burd) Jelc* 
grapb unb Telephon ermöglicht mirb. 

2 )ie Eingabe fdblicßt mit bem AuSbrucfe beg Sertraueng, baß 
bem Anträge, burd) ben feinerlei gef<bäftti<$e giele, fonbern michtige 
ftaatliche Aufgaben geförbert merben foHen, bie Unterftüßung nicht 

a t merben möge. S)ie SJtitglieber beg Serbanbeg merben 
orbert, ftcb mit bem gleichen ßrfuchen an bie &anbegregie* 
rungen 3 U menbeit unb beg ©eiteren auch um ^ortofreiheit 3 u 
bitten. 

<Er}iel|ttitg trab fiUbtmg. 

VolfgthdmUche $o4fditilkrfe tit ^>ambitra« Seit Sahr^n ^at 
bie JDberfcbulbebörbe in Hamburg in immer fteigenbem 5Raße für 
bie ©intermonate Sortragg* unb Sehrfurfe eingerichtet, bie na^u 
alle ©iffenggebiete umfaffen unb oon einheimifchen unb augroärtigen 
fiehrfräften erften 9?angeg gehalten merben. 2 )iefe mit bem be* 
feheibenen tarnen „Sortraggmefen" ihre große Sebeutung für 6 r* 
3 iehung unb Silbung fehr meiter Solfgfreife nicht entfernt fenti* 
geichnenbe Einrichtung hat jeßt einen folcßen llmfang angenommen, 
baß auf Antrag ber Dberfcßutbebörbe ber Senat au bie Sürger* 


774 


febaft einen Antrag gerichtet hat, 500 000 ^ 3 ur Errichtung eineg 
enifprechenben ©ebäubeg für biefe Slurfe fomie 50 000 «V/. für bag 
©obiliar 311 bemilligen. — So unterftüßt ber Staat in ber 
§anbelgftabt §amburg bie Universitj Exteusion, bie bei manchen 
Regierungen anberer beutfeher Eingelftaaten auf ©leichgültigfeit ober 
gar Abneigung ftößt. 

Sortraggfurfe über Vfirgerfimbc ber SKftbchett- imb Orraueu^©ntppen 
für fogiöle $ü!fgarbeU in Veitin. 2lm April unb 9»ai ßnbet ein Vor* 
traggfurfug über Sürgerfunbe [tatt, ben 2 anbgerid)tgratb ^ooe, 2 )ieng- 
tagg 001 t 6 big 7 Ußr im £augeitbecfbaug, 3i c 9 c fftr- 10/11 halten mirb. 
$)er Murfug umfaßt außer einer allgemeinen Einleitung folgenbe Kapitel: 
2üe beutfehe Aeichgoerfaffuitg, Sanb unb Soll alg Erunblagcn ber Ser* 
faffung, $)ie Crgane ber Aeidjggemalt; OJcfeßgebung, Sermaltung unb 
Aechtfprechung im heieße, ^ie (ärunblageu ber prcußi[d)en Serfaffung, 
^ie ©efeßgebung, Sermaltung unb föechtfpredjung in Preußen. Alg 
Anhang mirb bie fojiale Eefeßgebung, Arbeiterfdjuß unb Serßcheruugg* 
gefeßgebung bebanbclt merben. 

Eomcniug’©efelllf<haft nnb ftäbtifche Sefehnltt, 3)er ©efammt« 
oorftanb ber Eomeniug*©efeHfchaft h°t an bie ©agiftrate ber 
beutfeßen Stäbte ein SWunbfchreiben gerichtet, in bem jur Errichtung 
oon Sucher* unb ßefeßallen aufgeforbert mirb, bie nach bem Sor* 
bilbe ber „freien öffentlichen Sibliotßefen" Englanbg unb ber Ser* 
einigten Staaten oon föorbatnerifa alg fommunale Seranftaltungen 
unter fadbrnännifeßer ßeitung gebaeßt finb. 3 n ben beigefügten 
„©runbfäßen für bie Segrünbung freier öffentlicher Sibliotßefen 
(Sücßerballen)" mirb empfohlen: 1 . Leitung unb Setrieb ber 
Sibliotßef bureß einen miffenfdjafHießen Sibliotßefar im Hauptamt; 
2 . tenbenjlofe, für alle Greife beg Solfeg berechnete Augroaßl ber 
Sücßer; 3. jentrale Sermaltung; 4. Sage ber räumlich augreießen* 
ben Sibliotßef an günftiger Stelle ber Stabt; 5. Serbinbung ber 
Augleißebibliotßefen mit einer Sefeßalle; 6 . freier, bureß unnötßige 
Sörmlicßfeiten nießt erfeßmerter Zutritt für Sebermann an jebem 
£age. 

Eingeßett ber fogialiftifcßett Unioerfitlt in Srüffel. Aug Srüffel 
mirb ung gefeßrieben: 3Rit bem Seginn beg näcßften Stubieuiaßreg 
mirb bie feit fünf Qaßren befteßenbe Uuiversite nouvelle in Srüffel 
ißr ^)afein enben. Alle oier gafultäten roerben aufgelöft merben. 
SDie llrfacße beg Siißerfolgg biefeg, mit großem Entßufiagmug be* 
gonneuen Unterneßmeng, an bem eine Steiße ber heroorragenbftcu 
©eleßrten beg ßanbeg tßätig mar, ift befonberg in ber feinblicßeit 
Haltung ber Regierung gu fuißen, bie ben oon ber llnioerfität 
auggeftetlten Diplomen bie ©ültigfeit oerfagte. Aucß bie $on* 
furrenj ber älteren unb bebeutenberen, ebenfallg nießt ftaatlicßen 
Universite libre maeßte fieß fcßäblicß füßlbar. So fam eg, baß 
naeß guten Anläufen bie Universite nouvelle 3 uleßt meßr s ^ro* 
fefforen alg Stubenten säßlte. Eg befteßt bie Abficht, alle bigßer 
auf bie Universite nouvelle oerroanbten finangieüen ©ütel bem 
Institut des hautes etudes, einer Art oon §ocßfcßulabenbfurfen, 
31 t gute fommen ' 3 U laffen. Gleichzeitig roerben Ueberlegungen an* 

f ieftellt, ob man nießt einen Sßeil ber juriftifeßen unb ber pßilo* 
opßifdßen Qfafultät aufreeßt erßalten unb ße 3 U einer freien §odj* 
fcßule für foziale ©iffenfeßaften ummanbeln foH. 


eitetarifdje JCnjelge«. 

Sparsmaug, Arbeitglofenftatiftif uitb Arbeitguadjioetg. ©ul* 
aeßten, erftattet ait bag Eibgettöffifche .^anbelg*, 3nbu[trie* unb 
Jöaubmirtbfchaftgbepartemcnt, oomSorortäürich beg Schmei 3 eri[d)eii 
^anbelg* unb 3nbu[trieoereiug. Zürich 1899, Xruderei ber Veueu 
Üiirdjer Rettung. 

Xtc Arbeiteroerfidjerung in Großbritannien, bearbeitet oon 
Dr. ^aeßer, 5fai[erl. Gel). Vcgierunggratb im 9tei<ßg*Verficßeruiigg* 
amt 3 U Serlin. Serlag oon A. Jrofdjel, Scrlin. 

Sou ben im genannten Serlag in groanglofeit §eften erfdjeinenbeu 
oorjüglicheu Arbeiten über bie Arbetteroerfidjeruugggefeßgebung ber 
einzelnen Sänber ift nunmehr ^>eft ö erfcßietien, melißeg „Tic Arbeiter* 
oerficherutig in Englanb (Großbritannien)" bebanbclt. Sou ben be* 
reitg crfdjienenen ©eften bebaubeit ©eft 1 bie Arbeiterocrpcßening in 
Tänentarf, ^eft 2 unb 3 bie Arbeiteroerficßerung in Sdjmebeit unb 
Vormegen, C>cft 4 bie Arbeiteroerficherung in ^raitfrcid). 3cbcm, ber 
fid; für bte So 3 ialge[epgebuug im Auglanbe intereffirt, finb biefe $eftc 
unentbehrlich. 

Le mouvement Socialiste. Revue bi-mensuelle internationale. No. 1—5. 
Paris, 17 rue Cujas, Georges Reilais. Prix de Pabonnement: Franco 
et Belgique un an 8 fres., Exterieur lOfrcs.; le Numero: France et 
Belgique 0,40 fres., Exterieur 0 ,üo fres. 

Ministere du commerce et de Pindustrie, rapports sur Papplication pen- 
dant Pannee 1897 des lois regleiuentant le travail en France. 
Paris. Imprimerie nationale. 


»«antwortete für bte »ebaftton: Dr. «rnft brande in »erltn W., »aijreutljerftTafee 20. 





775 Sojiale $rajt8. (Sentralblatt für SojialpoÜtif. ©r. 28. 776 

$)ie ,.S*?taU ftvawt*" erfdjeint an jcbem ©onnerötafl unb Ift bur# alle ©uc&ljanblungen unb ©oftämter (©oftaettutiftSnummer 7072) ju beheben, ©et ©ret« 
für ba« ©ierteljahr ift 2)?. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 ©f. ©et «naeiftenpreiS ift 60 ©f. fflt bie breigehaltene ©etitjeile. 


Bei der Invalidität«- u* Alters- 
verflieherung» - Anstalt Posen 

wird in nächster Zeit die Stelle eines 

Landesraths 

frei. 

Das Gehalt der Landesräthe steigt 
von 4800 bis 9000 Mk. in 3jährigen 
Stufen von je 600 Mk.; ausserdem wird 
der tarifmä8sige Wohnungsgeldzuschuss 
von 660 Mk. gewährt. Wird dem neu 
zu wählenden Landesrath die Vertretung 
des Vorstandsvorsitzenden übertragen, so 
ist dafür eine besondere pensionsfähige 
Zulage von 900 Mk. jährlich in Aus¬ 
sicht genommen. 

Bewerber, welche die Befähigung 
für das Richteramt oder den höheren 
Verwaltungsdienst erlangt haben und in 
der Invaliditätsversicherung thätig ge¬ 
wesen sind, wollen ihre Gesuche unter 
Einreichung eines Lebenslaufs und etwa 
vorhandener Zeuguissabschriften an den 
„Landeshauptmann der Provinz Posen 
in Posen“ richten. Persönliche Vorstellung 
nur auf vorgängige Aufforderung. 

Posen, den 27. März 1899. 

Der Landeshauptmann 

Dr« v. Diiembowski. 

Japans 

Volkswirtschaft and Haushalt 

Von 

K. R a t h g e n. 

(XVI, 785 Seiten mit einer Karte in Farbendruck). 
--Preis 18 M. ---- 


Revue d’ Economic 
Politique. 

Hgg. von OauwÖBf QldOf Schmriodland und K/f/Ojr« Redactionssecretare: 
J»y und Souehon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard, 
t. Böhm-Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, Issajev, v. Köröri. 
Laveleye f, Le fassen r, Loria, Macktod, Hataja, du Maroussem, Menger, v. Miaskows* 
Munro, v. Philippoyich, Plernas, Pigeonnean +, Rabbeno +, Sauset, Sehmoller, Walras, 
Webb, Westergaard« - Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs. 

Preis jährlich 21 Francs. 

Verlagshandlung L. Larose in Paris. 

Soeben gelangte jur Ausgabe: 

für 

@e|e|D(litttij), %erto(tlhtn| unb IMMfdiitft 

im fntlfttjen Itridj. 

.frerausgegeben oott 

Cßtfßa* SdftttoUer. 

XXIII. 3 a b r 9 an 9^ 3 toeites §eft. Preis 8 Ulf. 

Juhalt: ©ie im engeren Sinne focialeÄrimiualftatiftif als 3tatiftif her ©edjtegütcruerlebimgen. 
©oit Äarl ©eutemamt. — lieber ba£ beutfdjc ©elbmcfett im Ärtege>faü. ©ott SWortj 
Ströll. (Sdjluftartifel.) — ©ie obligatorifcbe Mraufenoerficberung ber £>au£inbit[trieflett. 
©on D. ©Seiger*. — ©cutfcf)Ianb$ lanbmirtfamftlidjcr ©etvieb nad) ben Urgebnificn ber 
mit ber ©mtfs» unb ©ewcrbejälilung uoin 15. 3uni ls95 uerbunbeneit lanbunrtfdiaft* 
liefen Aufnahme. ©on ©aul RoUntatttt. — ©te luirtfdjaftlidfje :dagc auf 3arbiitieu. 
©on ©iajümtltait Glaar. — (Sittmicflung unb gegenwärtige Organifatton ber englifdjeit 
^aörifiujpeftion. ©on geleite Simott. — ©ie ©ebeutung uon 3iibbrafilicn für bie 
beutfdje tfolonifatioit. ©on Barl ©aüob. — ©te Organifatton beS Srcmbbanbeis tu 
üf)tna. ©ortrag oott $ermaitn Sdptmadjer» — yeOenSucrfidjerung, ftäpitaluerfidjeruug 
unb bie länbliche ©eoötferung unter oorjugötoetfer ©eriitfftditigung beö mittleren uub 
Heineren (^ritubbcft^e^ ber ©rouiuj ©raubenburg. ©ott $an8 ©rattbfe. — Öitteratur. 




t»nrri| alte j&prfitngttfgfenrijfianMitnflgn |n belieben: 


Hit öcutfdje ämtsinbujlrie. 

I. 5attb: Sitteratitr, heutige guftanbe wib 
(Sntftebung ber beutf<f)en §au§inbu[trte. 

3 2R. (JO «ßf. 

II. öanb: ®a§ nörblicfie £f)ütingen. 

3 3Ä. 20 $f. j 

HI. öattb: Slu8 ber §au§inbufirte im füb= I 
roeftlidjen ©eutfdjlanb. 3 3Ä. 

IV. öaitb: 2)te §au3inbuftrie in Berlin, D3na= 
Brüdf, im Mittelgebirge unb ©rfjlefien. 

4 9TO. 

V. 33an&: ®ie §cut§inbiiftrie in ber ©tabt 
Seipjig unb if)rcr Umgebung. 

2 ER. 80 «ßf. 


®ie jjmt0tnim|lrtrUrn Arbeiterinnen 

in ber Berliner Blufeu=, Unterrocf*, @<f)iitaen* u. 
£rifot=SEonfeftion. 

©Ott 

(ÜJertvufr JltjljtrjcttfuvilT* 

©reis 2 9W. so ©f. 


$leingenrerbe unb j)ttU0tnbu)irir 

tn ^efterceldj. 

Beiträge jur ttcnntniö iljrer (Sjiftenj&ebingungen. 

©Ott 

(Stagen g^iwicManh. 

I. 911 Igemeiner ©eil: ©ie mirtftbaftitele Stelluug ber §au 3 * 

inbuftrie unb bc§ Bletttgcmcrbcö. 4 9W. 40 ^3f. 

II. ©efottberer ©eil: ©ie Steuer SDhifd^elbrecb^ler. 

7 m. 60 fl 



^erantrooctlicf) für bie «itieigen; ^eUinutt; (Setbd, fielpiig. — Benag uon Junrfer & tpumblot, Scipjtg. — (Sebturft bet gultul ©itteufelb, Berlin. 




VIII. f otyrgong. 


Berlin, ben 20. Slptil 1899. 


ilummer 29. 


Soziale ptayis. 

^enfrafMatt für ^ogiafpofifiß 

mit ber SRonatSbeilage: 

Das (Bewerbegmcht 

©rgan öes Derbanbes beutfdjer (Betcerbegeridjte. 

SJcitc golge bcr „Slättcr für fojtale sßraytg" unb bc« „Sozialpolitlfdjeit GentralblattS". 

(Erftichit an Jebem SDennetflag. §CCaU§geber.' Urei« »ierlfijäbrlitb Z 9R. 60 Vf. 

SRebaftlon: ©crlin W., Smjrcut^evftragc 29. Dp. ® fit fl «ffCUtdtf* Verlag t)on ©Jumfer & Jjumblot, Seipjlg. 


3nt|alt 


Sie 9tei<b«erl)ebunfl über bie 
Sage ber Kellner unb Kellite* 
rinnen in ©eutfcblanb. ©on 

Dr. Arthur Goben, HRüncben. 778 
tllamdMcCoataP nnb fttrtMftaftt* 

polM». 783 

©eutfcblanb« ©ebarf an 9?ab* 
rungömitteln unb lanbroirtb* 
fcbaftlicben ©roöuften. 83on 
Dr. Sßaul ©oigt, ©erlin. 

3roang jur ©rffifluna eine« ©ienft* 
oertragß. 

©efep, betreffenb bie ArbeitSoerbält» 
niffe länblicber Arbeiter in Sln^alt. 
©ojialpolitifcbe« Programm ber fron» 
SÖftfcf>en Regierung. 

mmmn-mlt eo&talpolttif .... 785 
Abänberung be« Äommunalabgaben* 
gefefcc« im preufcifeben Abgeoröneten* 
baufe. 

gntereffenfonflilt öoit ©emeinbeüer» 
tretern in 9t?rborf. 

totale ßitftättfee.780 

©ifenbabnarbeiteröerbältniffe in 
©uropa unb Amerifa. 

©erunglürfungen mit töbttic^em Au$* 
gange beim 93erg»erfSbetriebe in 
©reufcen 1897. 

©tatiftif ber ©efcntafcbinen in ©eutfeb« 
lanb. 

Kinöer al« £>aufirei in Stüerpool. 
Unterftü&ung burtb Arbeit in Öüttid^. 

*frti ttetbetpeonna.787 

(Streif# in ©cutfcblanb im 9X6 1 $. 

©in erfter c^rifttic^eT ©emcTffdjaft«» 
foitgrefj. 

©rünbung eine« eüangelifcben ©erg» 
arbeiteroerbanbe«. 

©ärferöerbanb«tag in 9Rüncben 
10. orbentlicbe ©eneralnerfammlung 
bc« ©emerfoerein« ber beutfeben 
©tublarbeiter (Sertilarbeiter). 
internationaler Kongreß bet cbriftlidj* 
f 03 ialen Korporationen. 

©treifbemegnng in ©öbmen. 

©ie ©oefarbeiter in ©etgten. 

©in ©ergarbeiterftreif in ©elgien. 
Üobnetböbungen für bie ©ergarbeiter \ 
be« franjbiifcben SRorbreuier«. 

©ie normegifeben ©eroerffebaften. 
iabredücrfammlung ber jojialiftifcben 
unb ber liberalen Arbeitet in #oflanb. 
©er ©treif im englifeben ©turfarbeit» 
gemerbe. 


.792 

internationale Bereinigung für Ar* , 
beiterfebub- 

ArbettSjeit in ©etreibemüblen. 
©auarbeiteifcbub • Äommiffion für . 
©apern. | 

©er gefeblitbe ©djup ber Sabenan* 
gefteilten in Aufträgen. j 

itrteitcrtievMeniifl. Cparfaffeti 793 < 

©ie £öbe ber Snöalibenrenten ' 
©on £. .§orn, ©erlin. 

©er ©erufögenoffenfebaft« * ©erbanö 
unb bie örtlichen Sftentenftellen. 

Hur Kaffenarjtfrage. 

| 9trfcrtt#tta<t*rf«.795 

i Arbeitsnachweis unb ArbeitSöermit* 

| telung. 

©ie Sage bcö beutfeben Arbeit«* 
i marfte«. 

i ©aö ©preebmefen ber ©tuttgaTter 
j ©ärferinnung. 

©3oblfabrt9etmrt4tunteu .... 796 | 
Konferenz ber ©entralftetle für Ar» j 
beitenuoblfabrtdeinricbtungen. 1 

©efebaftigung inoalibet ©ifenbapn* 
bebienfteter in Breufjen. j 

©eTcin für bie Berliner Arbeiter* , 
folonic in 1898. 

«tfttcftMU trab OUbtran.797 

görberung be« gewerblichen gort« 
bilbungSfcbulmefen« in ©reufeen. 
Unterweifung in ben Arbeitetet* 
ficberungögefcpen in ben gort* 
btlbungSfdjuten ju Nürnberg. i 

©ie erfte ©olföunioerfität in granf* I 
reiep. 

$1)fieue.797 

©er ©uberfulofenfongrefc in ©erlin. 
©auitütSinfpeftorinnen in ©nglanb. 

©a« erfte ©olf«bab in ©ari«. j 

©etoerbegeridüe. SiutgsugBäniter. 

Miefe «geriete.797 

3ft Sopnbotfcbufe al« ©arlebn 
aufjufaffen? ©on ©etoerberiebter 
Dr. ©cbalborn, ©erlin. 

SittnrartfAe ttn^etgen. 798 j 


Abbrurf fümmtlicber Brtifel tft ßeitungen nnb ßeitfebriften geftattet, jebod) nur 
mit boQer {Quellenangabe. 


Bie Jkidiserl)£birog über bie £age ber fiellner 
utib fteilnerinnen in Beutfiblonb. 


Som 17. bie jum 21. 9ioüember 1898 ^at bie 9leid)$fommi||ioii 
für Slrbeiterftatiftif 2luö!unftj8perfonen (Arbeitgeber unb Arbeiter) 
über bie $ert)ältnifie ber in 6d)anf* unb ©aftroirt§fcf)aften be* 
fdjäftigten ^erfonett uernommen, unb bie ^ßrotofofle über biefe Ser* 
ne^muna finb oor ^ur^em öerÖffentli<f)t morben. ^amit bat bie 
betreffenoe SReicb^erbebung uermutblicb tb re » Abfcblufe gefunbcu. 
6ie beftebt au^ brei &b e ikn* 1- au§ ber ftatiftifeben 3tf|tftellung 
ber in 10% ber betriebe beftebenben 3 u f t änbe; 2a. au§ ber 
fc^riftlid>en (Ermittelung ber Anfid)ten ber Sntereffentenoereinigungen 
über ben ©egenftanb; b. au3 einem ©utaebteu beö 5Reicb§ s ©efuiib* 
beitögmteö nebft ^ranfenfaffenftatiftif; 3. am ber ermähnten $er- 
nebmung. 

2)en Anla& 9ans en Erhebung b at ber Auäfcbhib be§ 
©aft* unb ScbanfroirtbjtbaftSgemerbeg uom ©tjftem ber Sonntag«* 
rube in ber ©emerbeorbmmg gebilbet. 9Rati mar bei Seratbung 
ber ©eroerbeorbiuuig«nooerie uon 1891 barüber einig, bafe beit 
23ebienfteten be« s Birtbfcbaft«gemerbe« für bie feblenbe Sonntag«* 
rube ©rfap befebafft roerben müffe, megeit ber eigentümlichen 23e* 
trieb«oerbältniffe in biefetn ©eroerbe aber hielt man eitt Special* 
gefeb für itötbig. AI« halb baranf bie 9feicb«fommifrton für 
Arbeiterftatiftif eingefefet mürbe, gehörte bie Unterfucbung ber Sage 
ber Meßner unb Äeßnerinnen ju ihren erften Aufgaben, ^abei 
banbeite c« fid) aber nicht mehr attein um ben @rfa(j für bie 
mangelnbe Sonntagörube, fouberu aud) bie meitere Jrage [ollte 
nun beantroortet merben, ob im 2öirtbfcbaft«geroerbe „burd) über* 
mäßige ^auer ber täglichen Arbeitö^eit bie ©efunbbeit ber Arbeiter 
gefäbrbet roerbe", fo bafe nad) §. 120 e ber ©emerbeorbnung ba« 
(Eingreifen be« 33uitbe«ratbe« (mie beim Säcfergemerbe) gerecht¬ 
fertigt erteilte. Aufeerbem erftreefte [ich bie (Erhebung auf bie 
Sobnoerbältniffe, ben Arbeü«oertrag, bie Steßenoermittelung unb 
auf bie befonberen SSerbältniffe ber jugenblicbeit unb meiblidjeu 
^erfonett . l ) 

3unäcbft oon ber Arbeit«seit. 5)ie tägliche Arbeitest be¬ 
trägt in 53,s % ber befragten Setriebe mehr al« 14 bi« 16, in 
29 , 8 % ntebr al« 16 bi« 18, in 12,7 % ateb^ a& 12 bi« 14 Stun* 
ben, in 2 , 70/0 12 Stunben unb roeniger, in 1,5% mehr al« 
18 Stunben (ohne Ab^ug ber Raufen [„2)ienf4eit"]). 3n 20o/ 0 
ber Setriebe, itt benen neben anberem £eßnerper|onal Sebrlinge 
befebäftigt finb, ift bie Arbeitszeit ber Keßtterlebrlinge eine längere 
al« bie ber anbereu £eßuerperfonen, in 41 o/ 0 fürjer, in 39o/ 0 ift 
fie gleich lang. 2>abei pnbet häufig eine lleberfdjreitung ber regel¬ 
mäßigen täglichen Arbeitszeit ftatt; leiber roirb ber s Bertb ber be* 
treffenbeu Sabefle bureb z u große SRabmen beeinträchtigt. 

S$a« ben Sohn anbelangt, jo erhalten 82 , 5 °/o ber Eettuer, 
790/0 ber Äeßnerinnen unb 74,8% ber Dberfeflner einen beftitnmten 

‘j 9ti(ht alle Alten oon ©ebienfteten im ©$irtbfcb a it«6emerbc mürben 
in bie ©rhebnitg gezogen, fonbern nur ba# z» r Sebtenung ber 
06äfte oermenbete ^erfonal unb ba# Küdjcnpcrfonal. ©orliegcnbe 
Arbeit befdiäftigt fid) au# räumltdien ©riinbeu nur mit bem erftercu. 















7 ^<) 



Sogialc $ra,ris. dcutraiblatt für Sogialpolitif. Ar. 20 . 


2oßit. 3>ie llebrigen finb gang auf baS £rinfgelb angewiefeti. 
Bei 17,«,% bei* Kellner, 55,a% ber Kellnerinnen unb 5 o / 0 bet 
£bcrfellner beträgt ber ßoßn böchftenS 10 JC- $äe 0itte, baß 
Kellner unb Kellnerinnen Ausgaben für baS ©efcßäft machen müffen, 
unb groar fiir llnterperfonal, gum drfaß für gerbrocßeneS (^efd^irr 2 C., 
bat fiel) bureb bie (Erhebung als eine im Söefentlicßen groß» 
ftäbtifcfje erroiefen. $n Berlin 3 . 33 . höben 33 o/o ber Kellner 
Ausgaben für bas ©efcßäft 311 machen, in München 20 , 4 % ber 
Kellnerinnen. 

S£ie AeicßSfommiffiou bat an bie gaeßoereiuigungen bie 3™ge 
gerichtet, ob fic in bem Xrinfaelbermefen einen Aacßtßeil für 
ben Kellnerftanb erblicfen. 11 BKrtheoereinigungen unb 25 Kellner» 
oercinigungen höben bejaßenb, 14 B3irtßeoereinigungen unb 
1 Kellneroereinigung oerneinenb geantwortet, dinen brauchbaren 
B3eg 3 ur Befeitiguitg beS SrinfgelberwefenS mußte aber niemanb 
angugebett. 3n ber müttblichen Vernehmung höben fich bie Kellner 
oielfacß freunblicher 311 m Xrinfgelberfpftem geftellt als bet ber 
fcbriftlichen Umfrage, aber nur aus bem ©runbe, weil fie be» 
fürchteten, in einer etwaigen (Erhöhung ber Söhne feinen aus» 
rcidbenben drfaß für ben dntgang an £rinfgclbern 3 U finben. 2 ) 
UebrigeitS ift beim Irinfgelberwefen gmifeßen bem Sößlfeflnerfpftem 
1111 b bem Sijftcm ber Aemerrecßnung (jeber Kellner faffirt in feinem 
Aeoier ein) gu unterßßeibcn. 3eneS ift ßauptfäcßlicß in beit (Safes 
üblich, namentlich in ben fogenannten Wiener dafSS, biefeS 
namentlich tu 0 iib» unb Atittelbeutfcßlanb in ben betrieben, wo 
KeHnerinnenbebienung befteht. 3)ie „3uträger" beS 3 a hlfellncr» 
fpftemS werben nicht, wie mau moßl angenommen hat, 00 m 3öhl* 
fellner, fonbertt oout 3Birtß nad) ben gmtfeßen 33irtl) unb 3uträger 
ocreinbarten Bebingungen angeftellt unb in ber Siegel oont 3Sirtß 
bega ßlt. $>er Umfang beS ^rinfgelberwefenS ift beim 2pftem ber 
Aeoierred)itung größer, feine 3ntcnfität beim 3öhlfellnerfpftem. 
Seiber fomrneu bie £rinfgelber nicht unoerfiirgt bem Bebacßten gu 
gute, diu Xßeil wanbert in bie Safcßeit ber Stellenoermittler, 
bemt eS wirb cinftimntig befunbet: „$>ic befferen Stellen befommt, 
wer baS Reifte bafiir gaßten fann!" Sn ben Wiener dafeS höt 
ber 3 n h^ e Üner häufig an ben Befißer einen Batßtfcßiüing 311 
gaßlen, euphemiftifcß 33rucßgelb genannt, ber fich nach hem Umfap 
richtet, im dafc Bauer in Berlin 3 . 33. 4 %. 

i)ie bur<ß ben ftätiftifchen üßeil ber drßebung gewonnenen 
3 aßlen erhalten burch bie dnquete, bie fich baran gefniipft höt, 
Seben unb 33ewegung. 

£>ic Atißftänbe in ben ArbeitSoerßältniffen ber 
Kellner unb Kellnerinnen finb 311 m St4)eil auf Mängel 
in ber Betriebsorganifation unb biefe wieber gunt 
großen Xßeil auf ©ebaufenlofigfeit unb auf ntangelnbeS 
fogialeS Berftänbniß ber Arbeitgeber gurüefgufüßren. 
d* fehlt oielfach bk C5iuficf)t in ben engen 3 ufammenhang gwifdjen | 
ber fogialen Sage ber Arbeiter unb bem mirtßfcßaftlicßen drfolge ! 
ber Unternehmungen. 33iele Arbeitgeber halten ihre Aufgabe für | 
erlebigt, wenn fie bie dinfäufe beforgt, bie 33ebienung unb Unter» 1 
bringintg ber ©äfte überwacht unb bie Abrechnung mit bem ^er- j 
foual gepflogen höben. ^aß and) eine rationelle Beßanbluug ber 
getauften Außungcn ber ArbeitSfraft gu ben Dbliegenßeiten eines 
rechten Unternehmers gehört, wirb 311 wenig bcrücffidjligt. 0omeit 
bie Kalfulation fich öuf bie moglicßfte AuSnußung ber ArbeitS» 
fräfte begießt, mirb ftatt ber pfleglichen 33ehanblung Raubbau ge» 
trieben — Raubbau nicht aus böfetn 3 £iKen, fonbern weil man 
311 wenig einfeßen gelernt hat, baß auch bie Außung ber ArbeitS» 
fraft, wie bie aller anberen ^robnftiofräfte, natürlichen ©efeßen 
unb ©rengeit unterliegt. s D?au überläßt es ein fad) ben Arbeitern, 
311 fehen, wie fte bie oft hochgefpanntcn Anforberungen beS $>ienfteS 
unb bie Sorberungen beS rußebebürftigen Körpers 3 U oereiuigen 
oermögen. 

,£)ierauf ift oor Allem bie Sßatfacße guriiefguführen, baß noch 
immer in fo oieleit ^Betrieben, wo ein tfjeilweifer 0djicßtme(hfel 
teeßnifeß bureßfüßrbar wäre, foldjer fehlt, unb baß in oielen Be» 
trieben, wo ein 0 cßichtmedßfel befiehl, biefer uuoernünftiq ein» 
gerichtet ift. Aamentlicß bie Atorgenarbeit ließe fich md häufiger 
unb in auSgebehnterem Alaßftab feßiehtenweife erlebigen, als bieS 
gegenwärtig thatfädhlid) ber Sali ift. lieber ben ©runb beS 
Mangels befragt, wußten bie Arbeiter bei ihrer 33ernehmung in 
ber Vegel nichts AnbereS angugeben, als baß es nun einmal in 
bem betreffenbeit ®eftf)äfte fo eingeführt fei. 2 >aher fonnte ferner ber 

*) dtne Ab|d)aßimg bev ^rinfgclbcrfi)ftems läßt [ich uufchwcr 
in ben 23ahnhofrc|taurationcn ber Stnatsciienbahnen crgieleit, wenn ber 
ci iinibabmitffiis gegen eine entfpredjenbc .^erabfeßung beS ^achtichillingS 
bem ‘pädjter ausreicheube dntlohnnng ber Keüner gur i?fltdit mad)t. 


Sefißer ber Slfabentifchen 33ierhaÜen in Berlin, wo nad) ben Aus» 
fagen mehrerer AuSfunftSperfonen gerabegu „ibeale 3 u flänbe" 
herrfeßen, fagen: „ds fonnte oiel in ber Aidjtung (b. h- in ber 
Dichtung ber ArbeitSgeit) gebeffert werben, wenn bie betreffenben 
Herren ^ringipale fich mehr um bie ArbeitSgeit unb überhaupt um 
bie d)efd)äfte befümmerten, benn ber ©efchäftsbetrieb in Verlin, 
wie ich ihn fenne, läßt hoch fehr oiele Auhepaufen gu, unb bei 
einer geregelten dintheilung würbe ein folcfjer 33etrieb, wie ich 
ihn in meinem §aufe höbe, auch anberwärts eingufiihreu fein" 
(33erh- XVI 37). 

©erabe mit Aücfficht auf bie Auhepaufen, bie ber tägliche 
Betrieb oon fetbft mit fich bringe, fagen nun allerbingS bie Arbeit» 
geber, baß man bie Konftatirung langer ArbeitSgeiten nicht fo 
wörtlich nehmen bitrfe, fonbern gwifchen. ArbeitSgeit unb ^ienftgeit 
unterfcheibeu müffe. Aber ber 38erth biefer Betheuerung wirb be» 
beutenb abgefchioächt burd) baS 3 u geftänbniß, baß auch biejenigen 
Kellner, bie gerabe nicht befchäftigt finb, bei Anwefenheit oon 
©äften fid) nicht fefcen bürfen. dS h err f<bi ölfo auch im 
©irthfehaftsgewerbe bie barbarifche @itte, bie fchon fo häufig 
bei ben Sabenaefchäften getabelt worben ift. S)aS 0ißoerbot 
fteht in engem 3 u fömmenhange mit ber ßöufigften BerufSfranfheit 
beS Kellners, Anfchwellungen unb 3Bunbfein ber Süße. $)aß es 
entbehrt werben fann, beweift bie ^hötfache, baß es nur bei 
KeUnerbebienung befteht, nicht aber in ben fübbeutfdjeit Betrieben, 
wo bie Bebienuitg burch Kellnerinnen üblich ift. 

SDie effeftioe ArbeitSgeit fönnte übrigens mefentlid) oerringert 
werben, wenn bem mit ber Bebienung ber ©äfie betrauten $er» 
fonal Arbeiten, bie mit biefer ihrer Aufgabe nicht nothwenbig ju» 
fammenhängen, nicht gugemuthet würben, namentlid) wenn bie 
SteinigungSarbeiten mehr als bisher befonberem 'ißerfonal 
gugewiefen würben. drft bann fämen bie Kellner unb Keil» 
nerinnen wirf lieh gu einem ©enuffe ber Auhepaufen, bie burch 
ben periobifeßen Befucß ber ©äfte entfteßen, unb auch bie 
s Dtöglicßfeit ber (Einführung oon 0 cßicßten würbe bei einer 
folcßeit Regelung beS ^ienfteS gewinnen. Sreilid) müßte babei 
ber oorßanbene 6 tocf an ©efchirr in oielen Betrieben oermehrt 
werben, bamit bie Steinigung beS ©efcßirreS nicht auf bie Btorgen» 

1 unb 9tacßmittagSftunben befeßränft werben müßte, fonbern ben 
gangen Sag ißren Sortgang neßmen fönnte. Alfo wicberum: 
Aettberungen in ber BetriebSorganifation! Bteßr Arbeitsteilung, 
meßr BetriebSfapital! 

2) ieBefchaffung oon AuSgcßegeiten unb Stußetagen wirb 
oon ben Arbeitgebern beS 3öirtßSgewerbcS oielfach nießt als ©e» 
fcßäftsforge, fonbern als Bnoatfacße ber Bebienfteten angefeßen. 
9tur barauS erflärt fieß baß ber Arbeiter, ber anSgeßen ober 
ließ einen Außetag oerfeßaffen will, fo häufig einen drfafcmann gu 
fteHen ßat. Boüftäubige Äußetage (oon uunbeftenS 24 0tunben) 
werben in 20 % ber Betriebe gewährt. 3it 13% biefer 33e* 
triebe (nach ben Angaben ber Arbeitgeber in 8,5%, nach benen 
ber Arbeiter in 19%; in ben ©roßftäbten in 20 %) ßat, 10 er 
einen Außetag genießen will, auf eigene Koftcn einen drfaß» 
mann gu ftellen. 3lbgefeßen oon ben Außetagen, wirb in 54%, 
ber Betriebe eine regelmäßige AuSgeßegeit bewiüigt. 3 ) Aus ber 
münblicßen 33ernehmung geßt heroor, baß bie Berßältniffe, was 
bie Außetage unb bie 0 teüung eines drfaßtnannes betrifft, un» 
giinftiger, was bie übrigen AuSgeßegeiten betrifft, günftiger liegen, 
als bie 0tatiftif leßrt. Aber aueß bie Berneßmuna ber 3luSfunftS 
perfonen geigt, baß eS nießt wenig BMrtße giebt, bie nur mit 
B3iberftreben 3IuSgeßegeiten bewilligen ober biefe überhaupt oer» 
weigern. 

B3ie oerlottcrt oielfad) bie ArbeitSüerßältniffe im 333irtßSgewerbc 
finb, geigt fieß and) in ber übertriebenen Äücfficßtnahme auf 
bie Käufer, b. ß. auf baS^ublifnm. ^aS 0ißoerbot, bie Aus» 
beßnnng ber 3lrbeitSgeit bis in bie fpätcu Btorgenftunben, baS 
Seßlen 001 t 0cßitßtarbeit, all baS wirb mit ben Vaunen unb 
| woßnßeiten beS B n hWuniS begrünbet. $>ie ©äfte fönnten fieß be» 
leibigt fiißlcn, wenn fie in SöIqc dinfüßrung oon ArbeitSfd)icßten 
im öaufe beS s AbenbS gum Begaßlen ber bis baßin aufgelaufenen 
3ecße aufgeforbert würben! 3öie oerbreßt müffen alle Begriffe oon 
| gefcßäftlicßer ^tücßtigfeit unb oon ben Bebingungen beS wirtßfcßaft* 

3 ) $ic Statiftif ber Außctagc unb AuSgcßegeiten weift ftörenbe 
SRäugel auf. ds ift nießt erßobcn worben, in wie oiel Söflen ber 
Außetag unb bie AuSgeßegeit auf eilten 0onntag fallen unb ob aud) 
bei ©cwäßrung einer AuSgeßegeit ber Arbeiter einen drfa|ntaim gu 
ftellen ßat. 2)as drgebniß begüglicß ber ^fließt gur Stellung einec> 
drfa^mannes an ben Außetageit ift nur in bie Bctriebstabelle, bagegen 
nicht in bie ^nbioibualtabcllen aufgenommen worben. 



781 


©ogiale $rnjis. GentralOlatt für ©ogialpolitif. Nr. 29. 


782 


fcßaftlicßen Erfolges einer Unternehmung fein, menn folcße Argu- 
mentationen auf fotnmen. fönnen! 

Eine Vefonberßeit beS BirtßSgeroerbeS befteßt barin, baß bie 
Sfrage ber ArbeitSgeit mit bcr Sohnfrage in eigentümlicher 
Beife o erg ui ift ift. $>ie Birtße behaupten, Vergrößerung beS 
^erfonals, Einführung oon ©cßi<ßtroed)fel, Vermehrung ber Aus* 
geßegeiten unb Nußetage, umfaffenbere Verwenbung oon AuSßülfS* 
perfonen gur Enilaftung bes regelmäßigen ^erfonalS bei bcfonberen 
Gelegenheiten, überhaupt eine Verringerung ber ArbeitSgeit werbe 
oon ben Arbeitern felbft ungern gefeßen, roeil fie umforoeniger 
Srinfgelber einnähmen, je geringer ihre ArbeitSgeit fei. $>em 
gegenüber befunbeten bie Arbeiter bei ber Vernehmung, fie mürben 
gerne auf einen £ßeil ber £rinfgelber oergießten, menn fie bafür 
inehr Nuße, Erholung unb freie Zeit eintaufeßen mürben. 

SDie lärtgfte ArbeitSgeit befteht ba, roo gum Einfluffe be$ 
&rinfgeIberroefenS noch ber Einfluß beS ©ubregiefnftemS hi»Sa- 
fomrnt. 3n ben Gaftßöfen mittlerer Größe (4—9 fßerfonen) mit 
Ncftaurant, bie ßauptfäcßlicß in ber Vrooing fo meit oerbreitet 
finb, hat nämlich ber DberfeHner gewöhnlich bas Vier unb bie 
Gigarren, häufig and) einen ^f>cil bes BeinfellerS nnb ber ©peifen 
auf eigene Rechnung. Er oereinigt alfo in folcßen gäHen bie 
■gnnftionen bes Kellners, 3apfburfcßen unb VüffetierS. hierbei 
fann er ficß natürlich fchmer oertreten laffen, eS müßte immer eine 
ooöftänbige Abrechnung mit bem Vertreter ftattfinben. ViS in bie 
fpäte Naci)t hinein hat ein folcher DberfeHner mit ben Honoratioren 
bcr ©tabt su tßnn, unb fdjon bie erften 3J?orgenftunben erßeifeßen 
feine Anroefenßeit bei ber Abreife oon Hotelgäften (häufig nur, 
barnit er baS Srinfgelb in Empfang nehmen fann). Vei ber 
großen Anzahl berartiger Vetriebe hat fich ber SppuS beS 
DberfellnerS in einem Vrooinghotel mit NeftaurationS* 
betrieb gerabegu als auSfdjlaggebeitb für bie nach ben oerfcfjie* 
benften GefidjtSpuuften aufgefteüten Kuroen ber Arbeitet int 
angeit Gewerbe gezeigt. 2>aß bie lange Arbeitzeit bireft ge* 
unbßeitSfcßäblich mirfe, hat fich übrigens* aucß in biefen 
JyäHen im Allgemeinen nicht naeßroeifen laffen, fo baß bie oben 
ermähnte Vefugniß beS VunbeSratßcS, bie ArbeitSgeit gu regeln, 
bei unferetn Geroerbe gegenftanbSloS fein bürfte. 

2>aS Ergebniß, baß bie Vtißftänbe gum großen £ßeile auf 
Niicfftänbigfeit ber Vetriebe unb auf ein Gehenlaffen bei ber 
ArbeitSorganifation guriiefgefüßrt werben föniten, ift für bie ge* 
feßlicße Regelung oon großer Vebeutung. ©cßon ift närn- 

lieh als Hauptargument g f g en e j ne über bie ÜNetßobe ber troefenen 

Velgroäfcße hiaauSgeßenbe gefeßließe Regelung geltenb gemacht 
worben, baS BirthScjerocrbe befinbe fid) in einer ungünftigen Sage, 
eS müffe baßer „gejeßont" werben, unb biefeö Argument ift jeben- 
falls noch eine große NoHe gu fpielen berufen, ©icßerlicß ift baS 
BirthSgewerbe ftarf begenerirt. Es ift gutn £ßeil oom Groß* 
fapital abhängig geworben (g. V. oon ben großen Vrauereien), 
Sunt £ßeil ift es eine 3»flad)tsftätte geworben für ©eßmaroßer unb 
Vanferottirer. 4 ) Verbienen nun biefe Prägen, bie fich nicht basu 
aufraffen fönnett bie ArbeitSoerhältniffe in ißrem Vetriebe beft- 
möglich gu orbnen, baß man, um ihre „foftbare G^ifteng" ber All* 
gemeinbeit gu erhalten, ihren Arbeitern ben ©cßuß oerfagt, ber 
ihren Genoffen oon ben anbern Gewerben feßon nicht meßr be- 
ftritten wirb? Aber wenn ich nicht irre, fo geht ber Nuf nach 
©cßonüng ber ©eßwadjen am meiften oon benen aus, bie, felbft 
ftarf, eine Venninberung, fei es ihres GinfomtJtenS, fei es ihrer 
Arbeitgeberautorität, ootn Eingreifen beS ©taateS befürchten. ®iefe 
mögen eS fich gefagt fein laffen, baß fie, wenn fie Samens beS 
Gewerbes ben ©taat sunt heiligen Kriege gegen ben glafcßenbier* 
hanbel aufrufen, fich wohl feßc balb in bte Sage beS 3auberlehrlingS 
oerfeßt feßen werben! 

Nun nod) einige Borte oon ben Kellnerinnen! Es finb 
fecßS Kellnerinnen (Bresben, München, ©tuttgart, ©traßburg, 
Heibelberg, SNaing) unb gwei Viiffetbamen (Vertut unb München) 
oernommen worben, leiber aus Zeitmangel etwas fummarifeß. 
(Bäßrenb bie Kellnerinnen unb Vüffetbamen ben 9. £ßeil ber 
AuSfunftSperfonen auSmadjen, füllen ißre AuSfagen nur ben 
15. Xßeil beS ^ßrotofoßs). Bie fich fä) 011 bei ber ©tatiftif ftörenb 
erwiefeit hat, baß bie „Animirfneipen" nicht getrennt oon ben übrigen 
Vetrieben beßaitbclt worben finb, fo haben auch bei ber Ver* 
nehntung bie männlichen AuSfunftSperfonen (Arbeitgeber unb 


4 ) Eafebefißcr f^laßner oon Karlsruhe (Verb- XVI 72): „$er Krebs- 
fcfjabeii in unferem Gewerbe ift, baß oiele Veute Birthfdiafteu aufaugeu, 

bie gar feine Ahnung bauen haben.ba foutiueu bie teilte unb 

lagen, id) habe ein paar h«nbert SJfarf, wollen ©ie mir uirfn ein ruhiges 
Birthfdjäftle beforgen?." 


Arbeiter) bie Animirfneipen oon ben Vetrieben mit reeller Kellnerinnen* 
bebienung nicht genügenb s« trennen oerftanbeu. S)er Aerger ber 
Birtße unb Kellner über bie Animirfneipen ift ja begreiflich- ©iefe 
fchäbigen baS Gewerbe unb ben ©tanb. Namentlich werben bureß 
ißr ^erfonal bie Kranfenfaffeit, benen es angeßört, in gans unoer* 
hältnißmäßiger Beife belaftet. Aber lächerlich ift es, wenn bie 
Kellner mit Benbungeit, hinter benen ficß ber Vrotneib feßr unge* 
feßieft oerbirgt, bem aansen KeHnerinnenftanb gegenüber fid) als 
Vertreter ber ©ittlicßreit auffpielen wollen. 2)ie Kellnerinnen, aud) 
bie reellen, werben oon ben Kellnern nicht als Kollegen anerfannt. 
$5ieS ßat nidf>t nur für bie Kellnerinnen, fonbern auch für bie 
Kellner felbft unangenehme folgen. $)ie Kellnerinnen müffen 
nämlicß beS fachlichen ArbeitSnachroeifeS entbehren, ©abureß werben 
aber, wie bei ber Vernehmung fonftatirt würbe, bie Arbeitgeber 
oielfacß geswungen, auch ißre männlichen Arbeiter oom gewerbs¬ 
mäßigen ©tellenoermittler ja besießen, weil biefer fagt: 
„Benn 3)u meine Kellner nießt wiHft, fo befommft $)u auch nteine 
Kellnerinnen unb HauSmäbcßen nießt." S)urcß ben Vtangel jeglicßer 
Drganifation ber Kellnerinnen werben biefe förmlich in bie fmnbe 
beS ©tellenwuchererS getrieben, ber fie bei ficß beherbergt unb fo 
lange wie möglich auSfaugt unb fte enblicß, wenn fit am ftärfften 
in ber Kreibe flehen, mit Hintanfeßung ber übrigen Veroerberinnett 
rafcß untersubringen fueßt. ES muß eine Hauptaufg,abe ber gemeinb* 
Udjen ArbeitSnacßweife fein, bie Kellnerinnen für fteß su gewinnen. 

Vor Einem muß auf baS Veftimmtefte gewarnt werben: nämlicß 
bauor, baß man in ber Abfjcßt, bie ©ittheßfeit ber Kellnerinnen 
(erwaeßfener perfonen, bie auf anftänbige Beife ißr Vrot oerbienen!) 

ß förbern, bas Boßnen ber Kellnerinnen beim Arbeitgeber oor* 
reibe; babureß würbe man nur bem Unterneßmerthum, baS 
natürlich ein Qntereffe baran ßat, bie Arbeiter möglicßft in Ab- 
ßängigfeit s« erßalten, Vorfpannbienfte leiften. 

Alfo man trenne, wenn man siir gefeßlicßen Regelung feßreitet, 
bie Animirfneipen oom Kapitel „Kellnerinnen"! 2)ie Animir¬ 
fneipen feien Gegenftanb ber $oli$eigefeßgebung. Veim Kapitel 
Kellnerinnen aber oergeffe man nießt, baß es ficß um bie Aus¬ 
arbeitung eines ArbeiterfcßußgefeßeS ßanbelt unb nießt um ein 
Gefeß sat Veoormunbung einer Klaffe oon Arbeitern. — 

3um ©cßluffe möcßte icß noeß auSbrücflicß bie ©orgfalt ait- 
erfennen, mit ber bie Kommiffton bie Vernehmung ber AuSfunftS¬ 
perfonen gepflogen ßat. Nur wäre eine häufigere Anroenbung beS 
fontrabiftorifeßen Verfahrens bei Biberfprüd)en s^ifeßen Arbeit¬ 
gebern unb Arbeitern ga roünfcßen gewefen. Als geßler ßat ficß 
erwiefeit, baß meßt wenigftenS gur Vernehmung Soßnfellner (AuS- 
ßilfSfellner) gugegogen worben ftnb. $)ie Örage, ob eS möglich ift, 
einen Nußetag oorgufeßreiben, ßätte noeß eingeßenber geprüft 
werben fönnen, wenn biefes gefeßeßen wäre. 3)aS ©teHenoermitt- 
lungSwefen ßätte objeftioer unterfueßt werben fönnen, wenn aueß 
gewerbsmäßige ©tellenoermittler oorgelaben worben wären. Aucß 
VüffetierS (Viergapfer, ©eßenffedner) oermiffe icß unter ben oer¬ 
nommenen Verfonen. 

Eigentlich ßätte gur Veroollftänbigung ber Erhebung 
nocß groeierlei gu gefeßeßen: 

1. Es ßätte eine Umfrage bei ben Negierungen ber Eingel* 
ftaaten ftattgufinben, ob begro. in welcßem Umfange aucß folcße 
Kellnerinnen, bie feine ßäuSlicßen ®ienfte gu oerrießten ßaben, oon 
ben VerroaltungSbeßörben noeß als ©ienftboten angefeßen werben 
unb baßer ein 2)ienftbucß füßren müffen. 5 ) Es giebt fo oiele 
Vtißftänbe, bie ficß aucß oßne Aenberung ber Gefeße befeitigen 
laffen! 

2. ES wären bie Erfahrungen feftgufteHen, bie man in ben 
Kantonen ber ©cßroeig, wo Gefeße gum ©tßuße ber Kellner unb 
Kellnerinnen ober nur leßterer bereits befteßen, bamit gemaeßt ßat. 
®ieS wäre nun aHerbingS ©aeße eines ftänbigen Arbeitsamtes, 
nid^t einer bloßen Kommiffion. Bieber ein VeroeiS, wie notß- 
weubig bie Errichtung eines NeicßS-ArbeitSamteS ift! 3)aß es 
wünfcßenSwertß wäre, jene Erfahrungen gu fennen, ßat ficß feßon 
im Öaufe ber Erhebung gegeigt, inbeni g. V. oon ben Kellnern, bie 
in ben leßten Qaßren aucß in ber ©cßroeig in ©teHnng gewefen 
finb, ber eine unb anbere barnaeß gefragt worben ift, natürlich 
oßne Erfolg. — 

Belcße gefeßlitßen Maßregeln follen nun ergriffen werben? 
Hierauf gebenfe icß in einem fpäteren Artifel gu antworten. 
SWüntßen. Arthur Eoßen. 


5 ) Vgl. Ardj. f. fog. Olef. V 129/Bl. 





788 


«Soziale $ra£is. Geutralblatt für ©ogialp oUtif. Nr. 29. 


784 


Allgemeine öojial- unö SBirtfjfdjaft^poiitih. 


Denifdjtantos Scharf an Nahrungsmitteln nab lanbtmrtftfcftaftlitften 
Brobnftcn. 

3n feinem in Nr. 28 ber „©ogialen Praxis" aögebrudften Auf* 
faft „Snbuftrieftaat unb Gyportinbuftrie" rietet §err Profeffor 
Dlbenberg foigenben Angriff gegen bie ftatiftifeften Berechnungen, 
bie in meiner AbRanblung „DeutfcRlanb unb ber SMtmarft" 
(^ßreu^ifd^e SaRrbücfter, Februar 1898) enthalten finb: 

„Syenit bie (Srportinbuftrie für ftdj allein gur Diagnofe beS 3» s 
buftrieftaateS nicht ausreicht, fo ift bagegen bte NaljrungScinfuftr ein 
fd)lüffiges ^abijtum. Ueber ihren Umfang in DeutfcRlanb wirb noch 
geftritten. _3dj hatte fie 1897 auf V 9 beS BerbraudjS gefdtaftt. p. Boigt 
regnet auf breiter, aber fehlerhafter (Brunblage 7* beS Ber* 
brauch^ — nicht an Nahrung, fonbern au lanb* unb forftmirtftfdftaft* 
liehen probuften — heraus unb meint, bte inlänbtfdjc probuftioit fönne 
mohl auf 9 s, aber unmöglich auf */s ihres gegenmärtigeu UntfangeS 
gefteigert merbett, fei alfo nach feiner ©tatiftif unfähig, beit fscljlbetrag 
gu beefen. Die oott Ballob reoibirten Daten Boigts führen aber 
auf eine Cuoie beS NaftrungSoerbraud)*, bie hinter meiner 
Schäftung nod) ctmaS guriiefbleibt, unb gugleicft ift btefer Autor über 
bie SciftungSfäftigfeit ber beutfeften Sanbtoirtftfcftaft beffer unterrichtet 
als Botgt." 

Dbwoftl ich gegenwärtig mit anberen bringenbett Arbeiten 
ftarf befeftäftigt bin, fo gwingt tnicR bodft ber apobiftifdfte Don, in 
bem profeffor Dlbenberg über meine Berechnungen aburtheilt, gu 
einer ©rwiberiing. Seiber Rat Elbenberg in beit wenigen 3 e üen, 
bie fi<h mit mir befeftäfügen, oerfchiebene DftatfadRen burcheinanber 
geworfen, bie es erft gu entwirren gilt, fo baR bie Antwort be* 
bauerlicfterweife etwas mehr Nautn als ber Singriff beanfprueften 
mu 6- 

1. 3»«öchft oerfennt Dlbenberg meines (SradfttenS ben $ern* 
punft beS Problems, wenn er in ber Nahrung Seinfuhr ein 
fcftlüffigeS Snbigium beS 3nbuftrieftaatS erblicft. Sfeid^t ber Bebarf 
an Nahrungsmitteln allein, fonbern ber (Befammtbebarf 
an Urprobuften, an Nahrungsmitteln unb NoRftoffen überhaupt, 
rnuR ntit ber Reintifcften Sßrobuftion oerglichen werben, wenn man 
gu einem llrtfteil über bie (BröRe beS burdft beit Smport gu bedfen* 
Beit DefigitS fommen will. llnfere Abftängigfeit 00 m AuSlanbe 
beruht hoch nicht allein auf bem Nlanfo an (Betreibe, fonbern auch 
— unb in noch höherem (Brabe — auf bem Sehlen oon BMe, 
Sellen, £>olg 2 c., fowie oon tropifchen probuften, oon Baumwolle, 
Kaffee, Dftee u. f. w. Ballob oerfällt übrigens nicht in ben 
Segler DlbenbergS, Reh burch bie auSfcftlieRlüfte Betonung ber 
Nahrungseinfuhr baS BerftänbniR für ben ungeheuren Umfang 
unb bie s D?amtigfaltigfeit unferer wirtRfdjaftlidjen Abftängigfeü 00 m 
AuSlanbe gu oerfperren; er acceptirt oielmehr am Anfang feines 
AuffafteS meine Definition beS „3nbuftrieftaatS", obwohl ber ßefer 
aus DlbenbergS Ausführungen ben ©inbruef gewinnen wirb, 
Ballob erblicfe gleichfalls baS Kriterium beS S^buftrieftaats aus® 
fcftlieRlicft in ber (BröRe ber Nahrungseinfuhr. 

2. An ber Behauptung DlbenbergS, Ballob hat meine „fehler« 
haften" 3aftlen „reoibirt", ift nur fo oiel richtig, baR Ballob an 
einigen fünften gu Schäftungen fommt, bie oon meinen etwas ab* 
weichen. Das ift einfach felbftoerftänblicR, ba es Reh eben um 
Schäftungen ftanbelt, bie wir unabhängig oon einanber oor* 
genommen haben. Droftbent ftimmen wir im (Befammtrefuliat im 
BkfentlicRcn überein: — ieft Rabe ben BSertR ber lanb* unb forft* 
wirthfcRaftlicRen SahreSproonftion für 1896 auf 5920 bis 6350 
NiiHioncn Ntarf oeranfchlagt, wäRrenb Ballob fie auf 6500 9Jiil* 
lionen Niarf fd)äftt. Die Uebereinftimmung ber 3 a hl en ift oer* 
blüffenb groR, unb baS Nefnltat ber „Neoifion" ftcttt ber 3noer* 
läffigfeit meiner Berechnung meines ©racRtenS ein feRr gutes 
3eugniR aus. Bei einer PfeRreinfuRr lanb* unb forftwirtRfdftaft* 
lieber probufte oon faft gwei NJilliarben NJarf beläuft fidj bemnacR 
baS burch bie (Einfuhr gebeefte Defizit unferer agrarifcRen Ur* 
probuftioti fowoftl nach meinen „fehlerhaften" wie nach ben „reoi* 
birten" 3^hl^ nuf annähernb Vn unferer ‘ißrobuftiott ober auf 
V 4 wnfercs BebarfS. — 2£aS fpegiell bie ©etreibeeinfuhr an* 
langt, fo fefte ich fie für bas eine SaRr 1896 ebenfalls auf etwa 
] U beS Bebarfs ober V : , ber h c imifd)en $robu!tion an, wäRrenb 
Ballob fie für ben DurcRfchnitt ber brei 3aRre 1891/95 bis 
1896/97 auf 2< /S % ber (Sigcnprobuftion (ober auf 22 % beS 
Berbraudis) bered)net. Voila tout! 

5. Da Ballob alfo weber DlbenbergS „fcRlnffigcS Snbigium" 
acceptirt noch wefentlid) anbere 3 a h Jen Rat als idj, fo wirb bie 
Behauptung DlbciibergS, „bie oon Ballob reoibirten Daten BoigtS 
führen auf eine Cuote beS NahrungsoerbraudjS, bie hinter meiner 
©djäftung nod) etwas gurücfbleibt," gänglicR bjinfällig. ©ie 


war mir wie Ballob felbft, beit icR beSRalb fragte, gunäcRft auch 
üöHig unoerftänblicR, bis mir bie nochmalige genaue Deftüre beS 
Battob’fcRen AuffafteS geigte, baR Dlbenberg eine in einem gang 
anberen 3 u f ami rt e nh ail 9 aufaefteHte Berechnung BallobS, bie 
ben (BefammtwertR ber burdft Die NaRrungSmittelgewerbe 
(Müllerei, Bäderei, SleifcRerei, Brauerei, Brennerei 2 c.) für ben 
bireften Berbraudft RergericRteten Nahrungsmittel (unb 
gwar einfcRlieRlich einer feRr h°^ angenommenen Duote für ben 
(Berninn ber 3n)ifchenhänbler) ermitteln will, als „NeoiRon" meiner 
„fehlerhaften" Daten anfieRt. Dlbenberg wiberlegt alfo meine 
DRefe, baR bie NJeRreinfuRr an lattb* unb forftwtrtRfdftaftlichen 
^robuften überhaupt bereits V 4 nnfereS Bebarfs, Vs unferer ($igen* 
probuftion auSmadje, mit ber oernid)tenben Behauptung, baR ber 
SBertR ber ÖebenSmitteleinfuRr (nadft (BroRRaubelSpreifen) nocR nicRt 
V» beS SSertReS unferer lanbwirtRfcRaftlichen unb inbuftriellen 
NaRrungSprobuftion (nadft SHeinftanbelSpreifen) betrage! 

Diefe einfache Darlegung beS ©adftoerRaltS bürfte gur (Benügc 
bartRun, mit welchem NecRt Dlbenberg meine „reoibirten" Daten 
als Beweis für bie Nichtigfeit feiner Behauptungen angeführt Rat. 
Db BallobS AnRdftt, unfere DanbwirtRRRaft fönne baS Defigit ber 
probuftion ooUftänbig beefen, richtig ift, baS fann Rier auf RcR 
beruRen; {ebenfalls Rat er niemals burcR „Neoifiou" meiner Daten 
bewiefen, ber Fehlbetrag fei fo gering, wie es Dlbenberg bar* 
guftellen beliebt. 

Berlin. paul Boigt. 

3toattj| @rfüffttU 0 eines DienftoertragS. Aus juriftifdften 
Streifen wirb uns gefcRrteben: Die beutfcRe (SioilprogeRorbnung 
fennt wie bic mciften (SioilprogeR* unb SrefutionSgefefte bie An* 
wenbung eines NealgwangeS, um eine Perfon gur Bornaftme einer 
^anblung gu oeranlaffen, welcRe iRr gufolge redjtsfräftiger Berur* 
tReilung obliegt; biefer Nealgwang ift jebodft nur infoweit ftattRaft, 
als er Rdft um bie BornaRme einer fianblung breftt, toelcRe nidftt 
oon einem Dritten oorgeuontmen werben fann. Unter ber .<perr* 
fcRaft ber bisherigen ProgeRgefefte ift eS nicRt imbeftritten gewefen, 
ob bieS aucR Q uf fold)e BerurtReilungen Anwenbung Rnbet, welcRe 
bie Erfüllung einer Arbeits* ober Dienftleiftnug gutit (BegcnRanb 
Raben. Audft bie NecRtfpred;ung war getReilter AnRcRt. Droftbetu 
eS oRtte Weiteres erficRtlicR ift, baR bie 3ulaffung beS Nealgwangs 
aucR hierfür beit Prinzipien wiberfpricRt, auf beiten baS heutige 
Dienft* unb ArbeitSredR beruRt, Rat man bie Frage atidft bejaht 
unb burcR AnbroRung ober BerRättgung oon (Belbftrafen bis gu 
1500 JL unb SSaftftrafen bis gu gwei 3aftrcit bie ©rfüQung ber 
Arbeits* unb Dienftleiftung gu ergwittgen gefndftt. Bon Beginn 
beS näcRften 3aRreS ift nun jeher 3^eifel begüglicR ber llnftatt* 
Raftigfeit eines folcRen BerfaRrenS befeitigt. 3» §• 888 ber (Eioil* 
progeRorbnung wirb auSbrücflicR beftitnmt, baR ber Nealgwang bei 
ber BcrurtReilung gur Öeiftung oon Dieuftcu nicRt gur Anwenbung 
gelangt. Der Begriff beS Dieuftoertrags ergiebt fidft aus bem 
Bürgerlichen (Befeftbudft, unb burcR bie Berüdfidfttigung ber hierfür 
mafjgebenben Borfdjriftcn Iaffen ftdft oRne Weiteres aucR bie ©reitgen 
feftftellen, welcRe ber Anwenbung biefer Bcftiutmung in ber prayis 
gezogen finb. 2$o baS BerRältniR gwifdjen Arbeitgeber unb Arbeit* 
neRmer fo geftaltet ift, baR juriftifcR ein ©erfoertrag oorliegt, fann 
RiernacR bas UrtReil aud) fortan burdft (Belb* unb £>aftftrafen ooll* 
gogen werben, mag mirthfcRaftlidR audft gwifdfteu bettt Arbeitnehmer 
tn biefetn Falle unb betnjenigen, beffett ArbeitsoerRältniR fieft als 
DienftoerftältniR eftarafterifirt, ein Unterfdftieb überhaupt nicRt oor* 
Rauben fein. Die llnguläffigfeit beS NealgwaugS äuRert iRrc 
SBidfttigfeit oor Allem gegenüber ben fiaublungS* unb ©ewerbe* 
geRiUfat; bei ben gemerblüften Arbeitern fpielt fie nur eine geringere 
Nolle. 3n benjenigen BunbeSftaatcn, in bcueit baS ©efinberedit 
ben poligeilicRen unb ftrafred)tlid)en ©rfüüungSgwang nidftt fennt, 
g. B. in (£l|aft*ÖotRringen, beffeit ©cfeftgebnng ein befonberes (Be* 
finberedftt nicRt auSgebilbet Rat, fann alfo 00 m Beginn beS näcRften 
3aRreS bie Erfüllung beS (Befinbeoertrags and) nicRt meftr bunt) 
biefe cioilprogeffualcn 3roang3mittel bewirft werben. 

©efeft. betreffenb bie ArbeitSöcrRaltiüffe länblicfter Arbeiter in 
AnRalt. 3nt Danbtage beS .öergogtRuntS AnRalt ift nadft ganz 
furger BeratRung mit allen gegen gwei ©tiutmen ein (Befeft ange* 
nomntett worben, baS folgenbe Borfdjriften gegen lanbwirtbfd)aft* 
licfte Arbeiter entftält. 

i > anbwiitftfd)aftlid)e Arbeiter, weldie miberreditlid) ben Antritt ber 
Arbeit oerweigern ober bie Arbeit oerIaffen, werben mit (Belbitrafe bio 
gu breifjig IVarf ober mit Ajaft bis» gu geint ^ageu bcftrnjt. Die S?e= 
ftrafung tritt nur auf Antrag beS Arbeitgebers ein. 

&?enn lanbwirtliidiaftlidje Arbeiter wiberredjtlidj ben Antritt ber 
Arbeit oerweigeru ober bie Arbeit ocrlaffeu, fo ift ihre gwangsweife 



785 


©ojinlc ^rajiS. Ecntralblatt für Sogialpolitif. Ar. 29. 


786 


Zuführung burtp bie $oligetbepörbe beS Arbeitsortes auf Antrag beS 
Arbeitgebers gulafpg. 

Ser laubroirtpftfjaftlicpe Arbeiter gur roiberrecptUdjen Verweigerung 
beS Antritts ber Arbeit ober gunt roibcrrecptlichen Vcrlaffen ber Arbeit 
oerleitet, wirb mit Eelbftrafe bis gu 150 Aterf ober mit §aft bis gu 
fed^S Soeben beftraft. Derfelbe ift beut Arbeitgeber für ben barauS 
cutftepenben Scpaben oerantroortlicp; er haftet neben bem Arbeiter als 
öefammtfdjulbuer. 

Laubrotrtl)fcpaftlicpe Arbeiter, roelcpe bie Arbeitgeber gu geroiffen 
.'panblungcn ober 3ngeftänbniffen baburep gu beftimmen fuepen, bap pe 
bie Einteilung ber Arbeit ober bie Verpinberung berfelben bei eingelnen 
ober mehreren Arbeitgebern unter einanber oerabreben, roerben mit 
©efängnip bis gu einem S a P re beftraft. Die Anftifter unterliegen ber 
gleichen Strafe, and) toenn fte feine Ianbroirtpfcpaftlirf)en Arbeiter ftttb. 

Sir fönnen bem AeicpStagSabgeorbueten Aoeficfe*Deffau nur 
guftimmen, wenn er in einer $ritif im „Anpaltifcpen Dagblatt" 
biefeS ©efep arabegu eine ^rooofation ber Arbeiter nennt unb 
glaubt, bap folcpe Atopnapmen lebiglidp eine Stärfung ber fogial* 
bemofratifepen Partei, eine Verbreitung ihrer ßepren unb ipreS 
EinfluffeS auch auf bem platten ßanbe perbeifüpren roerben. 

SogwlpolitffcheS Programm ber fraugöftfdjcn Aegiermtg. 3n 

feiner gropen Aebe, roelcpe ber Sinifterpräfibent Dupup am 
9. April in Vup ^ielt, betonte er, bap fiep baS Parlament nun* 
mehr, nad) Erlebigung beS VubgetS, i^t erfter ßinie mit ber Ve* 
ratpung fogialpolirtfdjer ©efefce gu befd^äftigen IjQfan roirb. 3 m 
Vorbergrunbe ftebt ber ©efefcentrourf über bie ArbeitSbebingungen 
in ben öffentlichen Arbeiten. Sin neues ©efep über baS Vereins* 
roefen fott folgen. Enblidp fteHt ber AHnifterpräfibent bie balbige 
Einbringung Der AegierungSoorlacje über Drganifation ber allge* 
meinen AlterSoerficperung in AuSficbt. 


fiotntnimiüt Sozialpolitik. 


Abättbermtg BeS ftomtmumlaBgabettgefepfS tm npifdjeti ÄB* 
georbüfleupaiife. Am 11. April rourben Sie Anträge beS frei* 
fonferoatioen Abgeorbneten Setjerbufcb unb beS EentrutnSabgeorb* 
neten 3JtieS berappen, welche eine Aenberung beS kommunal* 
abgabengefefeeS gu ©unften einer Sntlaftung ber Aealfteuern be* 
groeefteu. Sä^renb ber Antrag Seperbufd) m biefem 3ab*e mehr 
allgemein bie SRtc^tuna feftgeftfHt roiffen roitt, baft eine Heber* 
bürbung beS §auS* unb ©runbbefipeS foroie beS ©eroerbebetriebeS 
ausgefdjloffen roirb, foll nach bem Antrag Vlies ber ©ruttbfap ge* 
feplich fefigelegt roerben, bap bie Aufroenbunqeh ber ©emeinoe, 
welche in nberroiegeitbetn Atape bem ©runbbefifce unb bem ©e* 
roerbebetriebe gum Vorteil gereichen, burep Aealfteuern gebedft 
roerben, Aufroenbungen, roeld^e in überroiegenbem SAape ber All* 
gemeinpeit gum Vorteil gereichen, burd) Einfommenfteuergufcpläge, 
Aufroenbungen, bei weiden ein überroiegenber Vorteil na<p ber 
einen ober anberen Seite bin itid^t erfennbar ift, burd) gleiche 
Vrogenlfäpe ber Aealfteuern unb ber Einfommenfieuergufcptäge. 
Samens ber Regierung beftritt ber ©eneralfteuerbireftor Vurg* 
barbt, bap gu einem folgen Vorgeben bie gemachten Erfahrungen 
einen Anlap böten, betonte, bap oon ben AntragfteÜern oerfannt 
roerbe, bap eines ber roefentlicfjften 3*eie ber Steuerreform ja 
gerabe bie gierabntinberung ber Einfommenfteuergufcpläge unb bie 
entfprecbenb fd^ärfere föerangicpuncj ber Aealfteuern geroefen fei, 
machte barauf aufmerffam, bap bie ©emeinben an ber £>anb beS 
beftebenben ©efefceS Atipftänbe im Eingelnen fepr roobl befeitigen 
fönnten unb hierbei Ber Unterftüpung ber Regierung fteper roären, 
lehnte aber ein Abgeben oon ben ©runbfäpen ber Steuerreform 
ab. Das §auS lehnte fcplieplicp, entfprecbenb ben Vorfcplägen 
feiner .fommiffion, beibe Anträge ab unS fapte eine Aefolution an 
bie föniglicpe Staatsregierung: 

3n Ergänzung ber Aunberlaffe oom 14. Aooember 1894 unb 7. De* 
gember 1895, bic Eemeinbcauffirfjtsbepörben babiu mit Seifutig gu oer* 
fcheit, bap in geeigneten fällen mehr als bisher auf eine groetfmäfjigere 
Ecftaltung ber fommunalen ©ebäubefteueroeranlagung im Sege beS 
ErlaffeS befonberer, auf tljunlicbfter Entlaftung ber fleinen .^ausbepper 
abgielenber ©ebäubefteuerorbnungen foroie auf Schonung ber Eebäube* 
[teuer gegenüber ben beibeit anberen Aealfteuern (§. 56, al. 2, 3, 4) hin* 
guroirfen, auch bei Verkeilung beS SteuerbebarfeS auf bie oerfd)iebenen 
Steuerarteu einer gu roeit gehenben ciufeitigeu Velaftung ber Aeal* 
ftcuem bitrch bie ©emeinbeorgane entgegengutreten fei. 

Ontereffeitfottfnfte oon ©emeittbeoertretem in Aijborf. ®ie Stabt* 
oerorbneten ber jungen Stabt Aijborf h a ^ en befdfjloffen, bap fidh bei 
beit oon ber Stabt ausgefchriebeneu Arbeiten unb Lieferungen VJagiftratS* 
utitglieber unb Stabtocrorbnete nicht betheiligen biirfen. 2)er VJagiftrat 
befürchtet, roie gemclbct totrb, baoon eine Vcrfthiebung ber Stimmoer* 
hältniffe unb fonfttge Unguträglidjfeiten unb roilf bem Vefdjluffc ber 
Stabtoerorbneten nicht guftimmen. — $ie[e 3rage bot, roie biefe Vlätter 


berichteten, in oielen Stabten gu Kämpfen unb Vefd)lüffen geführt. Eine 
Aeipe oon Stäbten bot bureb ähnliche Vefcplüffe, roie biefer ber Aijborfer 
Stabtoerorbneten, Sotereffenfonflifte auSgufchliegen gefugt. Eine foldjc 
AuSfchliepung fann anbererfeits gur gemhaltung ber Sachoerftänbigen 
führen. _ 


Soziale 3njtätt&r, 


EifenbabttarBeitertierbältniffe in Europa nnb Amerifa. Das 

3anuarbeft beS amerifanifchen Arbeitsamtes enthält eine auSfiibr* 
liehe Vtonograpbie oon Ä. E. SBepl, ^Srofeffor an ber pennfpl* 
oanifchen llnioerfität, über bie ßage ber Eifenbabnarbeiter in Europa 
im Vergleiche gu Amerifa. Aus bem leiber roenig überfichtUch ge* 
baltencn SRaterial eraiebt fuh, bap bie amerifanifchen Sifenbabn* 
arbeiter oiel beffer als bie europäifchen begablt roerben, wogegen 
in Europa eine gröpere Aegelmäpigfeit ber Arbeit unb geficbertereS 
VorroärtSfommen beS Arbeiters bem Vabnbebienfteten roeit mehr 
gu ftatten fommt als in Amerifa. Die ArbeitSoerbältniffe roerben 
nach VSepl’S Unterfucbungen roenig oom Hmftanbe, ob Staats* 
ober s $rioaibetrieb, berührt, unb ift bie Verfcpiebenbeit ber ßobn* 
höbe in allgemeinen territorialen Unterziehen gu fuchen. Am 
intereffanteften finb Vergleiche groifdjen europäifchen unb amerifa* 
nifeben Sobnoerbälhtiffen. Aak 2 Ö- E. ^Sepl [teilt fith ber bureb* 
fcbnittliche 3abre3lobn für alle klaffen oon Arbeitern ber preupifeben 
Staatsbabnen auf 335 Dollars; bie in ben VSerfftätten befebäftiaten 
Arbeiter erhalten einen burcbfcbnittlidjen 3öb re ^^^ oon DouarS 
unb bie Strecfenarbeiter einen folgen oon 182 Dollars. Der 
burd^fd^niltlid^c SabreSlobn ber Eifenbabubcbienfteten in Englanb, 
mit AuSfthlup ber höheren VetriebS* unb aller Vureaubeamten be* 
trägt 292,57 Dollars. Diefelbe klaffe oon Arbeitern fleht fid) in 
ben Vereinigten Staaten auf burcbZoittlicb 545 Dollars im 3ßbr* 
Weiteres ergiebt fich, bap in Englanb mehr als 36 °/ 0 ber bortigen 
266 000 Vabnarbeiter nur einen ©ocpenlobn oon 6, f8 bis 7,50 Dollars 
erhalten, roäbrenb in Amerifa bie gleidjen Arbeiter — bie Vabn* 
bebienfteten mit Ausnahme oon Vureau* unb fyöfymn VetriebS* 
beamten — einen oiel ^ö^ercit ©ochenlobn erhalten: oon ben 
amerifanifchen Arbeitern erhalten nämlich nur 21 % einen Vtinbeft* 
lohn oon 7 Dollars bie 2öod)e, bieS pnb bie Strecfenarbeiter mit 
einem bunhfdjmttlichen Dagelofjn oon 1,17 Dollar unb bereu 
VSochenlohu, als ber niebrigfte aller amerifanifchen VahnangefteHten, 
einem Vlinbeftroochenlohn oon 2,43 Dollars für cnglifchc Vapu* 
arbeiter gegenüber fteht, bie übrigen 79 % amerifanifcher Eifen* 
bahnarbeiter erhalten aber im Dur<hfd)mtt 12 , 42 Dollars pro SSoche. 
Sßährenb nur 4 oom Daufenb englifdjer Vahnarbeiter einen 
s Bod)enlohn oon 12 ,n Dollars hoben, begiepen in ben Vereinigten 
Staaten 780 oom Daufenb einen SBocpenlohn oon 12,42 Dollars. 
3utneift ftehen bie ßöhne ber fontinentalen Vahnarbeiter noch 
roeit mehr hinter jener ber amerifanifchen gurücf. Aach $n>feffor 
Söepl erhalten bie Vahnarbeiter in ^ranfreich gu mehr als 4 /ö 
weniger als 1 Dollar täglid) unb bie Vteichenfteller in Velgieit 
befommen 15—60 EentS pro Dag gegen einen Dagelohn oon 
burchfdmittlich 1,74 Dollars ber VBeichenfteHer in Amerifa. Es 
finb bieS Veifpiele, bie fich on ber §anb beS oon Sßrofeffor 2Sepl 
gefammelten Vtaterials beliebig oermehren laffen. 

Serunglflduitgen mit töbtUihem Ausgange Beim VevgmerfSBetriefce in 
Areupeu 1897. 3n ben unter Aufpdjt ber Vergbeljörben ftepenben 
Vergroerfsbetriebcn unb Aufbereitungsanftalten ^reupeits waren nach 
ber „Statift. .^orrefp." 1897 im (langen 415 688 Arbeiter befepäftigt. 
Von biefen ocrunglüdtcn töbtlich 883 = 2,12 oom Saufenb, b. i. je 
einer oon 471 Afann, roaprenb im gehn jährigen Durchfdfjnitte 1888/97 
jährlich 792 2Rann = 2,20 oom Daufenb, b. i. je einer oon 456 Ar* 
beitem, utnS Leben famen. Unter ben Arten beS Vergbaues fiept bic 
Vrauniohlengerotnnung mit ber oerpältnipmäpig ^odpftert Vcrunglüdungö* 
Atffer oben an. Von ben pi^* im VeridjtSiaprc befd)äftigten 33 020 
Arbeitern rourben 78 = 2,36 oom Daufenb getöbtet, b. i. je einer oon 
423 A?aun gegen 58 = 2,oi oont Daufenb, b. i. je einen oon 499 Vfrimt 
in bem betreffenben gepniäprigen DurcpZoitte- 3Rit einer faft gleich 
popen 3iff er folQt ber Steinfoplenbergbau, bei roelcpem oon 303 370 
Arbeitern 714 = 2,35 oont Daufenb ocrunglüdtcn, b. i. je einer oon 425 
SRanit, gegen 643 SRann = 2,52 oom Daufenb, b. t. je einen oon 396 
3J?ann, roelcpe in gleichem*gepnjäprtgen Durchfchnitte ums Leben famen. 
Ein weniger ungünftigeS Vilb geigt bie Ecroinnnng anbercr SRincralieu 
(Atineralfalge unb Steine). .^)ier enbeten oon 14 277 Arbeitern 23 bnrrf) 
Verungliidung = l,ei oom Daufenb, b. i. je einer oon 621 Vtann, 
roäprenb im fraglidjen Durdjfcpnite 22 Sltann = 1,83 oom Daufenb, 
b. i. je einer oon 546 Atann, getöbtet rourben. Au lepter Stelle, mit 
ber niebrigften VerungtüdungSgiffer, erfepeint ber Ergbcrgbau, bei 
welchem 64 971 Arbeiter bcfd)äfttgt würben. 0ier famen 68 ums Leben 
ober 1,05 oom Daufenb, b. i. je einer oon 955 Aiann gegen 70 Atann 
= 1,06 oom Daufenb, b. i. je einen oon 939 STOami, im Durdjfdjiiittc 
ber Sapre 1888/97. 



7S8 


787 


Soginlc «prag-iS. Eentrnlblntt für Sogialpolüif. 9tr. 29. 


Statiftif ber Sehmafdjittett iit Deutfdjdanb. SRath einer oom 
Deutfchen Vuchbrudfer (©ehülfen)*Verbanb gemalten 3 u famtnen* 
fiettung waren am 10. Aerober 1898 in 53 betrieben inSge* 
fammt 114 Sefcmafchinen oorhanben unb gwar 69 ßinotppc*, 23 
Dppographen*, 11 Dhorne*, 6 Vtonoiine* unb 5 Kaftenbcinfche 
Vtafchtnen. Sin biefen Vtafchinen arbeiten inSgefammt 169 Seher 
(hierunter 1, welcher nicht gelernfer Vuchbrucfer ift, nnb 32 im 
ßehroerhältniffe) fowie 2 (Seherinnen. Es arbeiten 6 Stunben 1 
©ehülfe, 7 Stunben 4 ©ehülfen, 7'/g Stunben 10 ©ehülfen, 7 1 /-2 
Stunben 10 ©ehülfen, 8 Stunben 47 ©ehülfen, 874 Stunben 
2 ©ehülfen, 8 V 2 Stunben 23 ©ehülfen, 8 3 / 4 Stunben 1 ©ehiilfe, 

9 Stunben 52 ©ehülfen, 9*/2 Stunben 5 (barunter bie 2 Sefce* 
rinnen), 10 Stunben 10 ©ehülfen. — Sei 6 ©ehülfen ift bie 
VlrbeitSgeit uid^t angegeben. 

Vegahlung: Qm Vereinen arbeiten 18 ©ehülfen (1 mit 14 /&, 
6 mit 10 bis 15 A unb 6 mit 20 A P*o 1000 Vuchftaben unb 
5, welche nach ßeiftung befahlt befommen), im gewiffen ©clbe 
2 Seherinnen unb 151 ©ehülfen unb gwar: 2 Seherinnen gu 
15 dt, 6 ©ehülfen git 15 bis 20 d(, 1 ©ehülfe gu 19 di, 

1 ©ehülfe (im ßehroerhältniffe) gu 22 di, 2 ©ehülfen gu 23, 6 «s d*, 
14 ©ehülfen gu 24 di (barunter 7 im ßehroerhältniffe), 7 E)e* 
hülfen gu 25 di. (barunter 5 im ßehroerhältniffe), 4 ©ehülfen gu 
25 bis 30 d(, 13 ©ehülfen gu 26 di, 19 ©ehülfen gu 27 dt, 
6 ©ehülfen gu 27 bis 29 dl, 3 ©ehülfen gu 28 dt, 10 ©e* 
hülfen gu 29 dt, 16 ©ehülfen gu 30 dt , 2 ©eplfen gu 30 ,50 di, 

10 ©ehülfen gu 30 , 8 5 dt, 3 ©ehülfen gu 30 bis 35 di , 4 ©e* 
hülfen gu 32 dt, 4 ©ehülfen gu 32, w dt, 2 ©ehülfen gu 33 ,4t, 

2 ©ehülfen gu 35 <41, 4 ©ehülfen gu 36 bis 40 dt, 6 ©ehülfen 
gu 36 bis 45 di, 1 ©ehülfe gu 40 dt. unb 1 ©ehülfe gu 50 dt, 
ferner 3 ©ehülfen gum Viinimum, 3 ©ehülfen über Minimum, 
2 ©ehülfen erhalten bie Entlohnung oon ber öabrif (Dppograph) 
unb bei 2 ©ehülfen fehlt bie Angabe über Begabung. 

ftiitber als $anfirer in ßtaerpool, Das VluffichtScomite beS 
ßioerpooler ©emeinberatheS befd)lo& eine Veaulirung bts §>aufir* 
hanbels oon Kinbern. 3n 3ufunft bürfen Knaben unter 14 unb 
Vtäbdjen unter 16 fahren nid)t ohne fpegielle ßigeng bem Straften* 
haufirhanbel nachgehen unb gtoar haben fie bie Stummer ber ßheng 
an einem ©ürtel jtdübar gu tragen. Die ^oligei hat anbere 
jugenbliche §aufirer aufgugreifen unb fiub folche Kinber nach 
llnterfuchung beS Salles in VBohlfahrtSanftalten untergubringeu. 

ttaterfttfmtg bunt) Arbeit in gütlich* Die „Societe liegoise 
cTassistance par le travail“, bie am 24. 9flai 1898 ihre VHrffam* 
feit begann, hat eben ihren erften SahreSbericht pro 1898 erftattet. 
Vom beginn ber Eröffnung ihrer VetriebSftätte bis lebten De* 
gember 1898 hat fie inSgefammt 167 Arbeiter unterftüfet, bie gegen 
laglohu §olg gu fpalten hatten. Unter beit unterftüftten VlrbeitS* 
lofen befanben fi<h 54 ungelernte Daglöhner, 40 Eifenarbeiter, 
30 Sauarbeiter oerfchiebetter Vrofeffion; ber Sfteft oertheilt fich auf 
oerfchiebene VIrbeitS* unb ErwerbSgweige, hoch ift begeichnenb, baft 
[ich auch ein ßehrer barunter befanb. 


Ärbeiterbtöiegirag. 


Streifs ia Dentfdjanb im äRärg« $eu auSgebrochenc Streifs 
oergeichnet ber „VlrbeitSmarft" für ben Vtonat Viärg 54, wäftrenb 
cs im gebruar 38 waren. Än 3 a hl ooran fielet bie Metall* 
inbuftrie mit 14 Arbeitseinteilungen, bie aber fämmtlich mehr 
ober minber geringfügig toaren. dagegen haben bie Sdjiteibcr* 
ftreifS, bie gur Durchführung eines neuen Darifs begonnen mürben, 
in oerfchiebenett Orten eine größere Ausbeutung genommen (1200 
2<hneiber in Viiin$eit, 650 iit ßcipgia, 700 in Vrcmcn, 1100 in 
Hamburg). 9Iuch im ^Baugewerbe fino mehr Slrbeitseinftetlungeu 
üorgefomtncn als im Februar, hoch ftnb fie fämmtlich oon wenig 
!©ebeutung; ebenfo bie ficbett Streifs in ber Qubuftrie ber 5>olg^ 
unb 3<hnifeftoffe. Der !örauerftreif in granffurt am s Dtain bauert 
noch fort, ebenfo ift ber Sammtwebcrftreif in Krcfelb noch nicht 
beenbct. 

©in erfter ehrt ft lieber ©ctoerfffhaftSfongreft foll gu ^fiugftcn 
in s Hiaing gufammentreten, um fictj mit ben ©runbprioilegien, 
Einrichtungen unb Aufgaben ber chriftlichen ©ewerffchaften gu be* 
fcfjäftigen unb ein einheitliches Vorgehen augubahnen. Referate 
mit aufcf)licfgenber DiSfnffioit fotteit über folgenbe fünfte gehalten 
werben: Ebarafter ber chriftlichen ©ewerffchaften, Umfang unb 
Einrichtungen berfelbcit, Aufgaben berfelbeit, Üiittel gur Durch¬ 
führung ber Slufgabeit, Daftif. Die Referate folleit oon Elewerf* 
fdjaftern gehalten werben. 3 ur Entfenbung oon Delegirteu würben 


burcf) Aufruf eingelabett alle chriftlichen ©ewerffchaften, öfachoereiue 
unb gachfeftionen DeutfdjlanbS, foweit bereu 9üame befannt war. 
SRur bereu Vertreter ober auch Ehrenräthe follen gum Kongreß gu* 
gelaffeit werben. Die 3Berl)anblungen follen nach einem Steno* 
gramm in 23rofcf)ü reu form erfcheineit. 

Die ©rüntoung eines etmngefifihett $BergarbetternerbaubeS ift 

in Vorbereitung. 3 » einem Slufrufe an bie eoangelifchcn Verg* 
leute werben biefe aufgeforbert, fich am 7. 9Äai, Nachmittags, in 
ber Voctjumer „Donhaüe" eitigufinbeu, um ben „eoangelifchen 
Knappenbunb" gu griinbeu. 

VacferberBanbStag in München. 3n München hat am 10. b. Vf. 
bie 7. ©eneraloerfammluitg beS VerbanbeS ber Väcfer unb 
VernfSgenoffen DcutfchlanbS ftattgefunben, gu ber 25 Delegirte, 
bie 27 Stabte oertraten, crfrfjieiten waren. Sluch ein Vertreter ber 
Hamburger ©eneralfomutiffion ber beutfehen ©ewerffchaften war 
anwefenb, ebenfo ein Vertreter beS ofterreicf)ifchen VäcferoerbanbeS 
aus VBien. Vfit ber Drganifation ber Väcfer ift cS noch immer 
fchwach befteOt. Der VorftanbSbericht fonftatirt gwar einen ?luf* 
fchmung in ber Vfitgliebergal)! feit ber lebten ©eneraloerfammlung, 
hebt auch h en)0r / ^afe bie ©cfammteinuahmeit ber VerbanbSfaffe 
im 3ahrc 1898 auf über 30 000 c//. fich belaufen hätten gegen 
runb 14555, i( . im Vorjahre, aber bie jebige Vtitgliebcrgahl finbet 
fid} in feinem Verist. Dafc ber Verbanb g. 3- fioem „tauben* 
fchlag" gleicht, ging aus ber Vtittfjeilung eines Slebners l^i'oor, 
baff mepr Vtitglieber baS 3ah^ über aufgenommen worben feien, 
als gum Schluffe überhaupt noch oorhanben waren. Das SdjmergcnS^ 
finb in ber Drganifation fei Verliu mit feinen grnei Drganifationen: 
neben ber Vtitglüebfchaft beS VerbanbeS befteht bort noch ein ßofal* 
fachoerein, bie beibe nicht immer hannouiren. $IlS ber Verbanb 
1885 gegriinbet würbe, gäblte er nur 126 Vtitglieber, Enbe 1897 
1635, alfo nur etwas über 1 % ber VerufSthätigen. Die 3»ftänbc 
im Väcfergewerbe, fo würbe betont, feien berart, baf$ baS grofjc 
Vublifum an ber Vefeitigung ber Vfifeftänbc in erfter ßinie inter* 
effirt fei. Eine lebhafte Debatte eutfpanu fich über bie angeblich 
geplante Slenberuug ber Vacfereioerorbnung beS VunbeSrathS. Ein 
Eintrag, beim Eintritt einer Verfchlechterung ben ©eneralftreif gu 
proflamiren, würbe inbeffen guriiefgegogen. Vfan befchränfte fich 
auf eine bem VuubeSrathe gu übermittelube 9tefolution, in ber baS 
lebhafte Vebauern auSgefprochen wirb, baff je(jt nad) nahegu brei* 
jährigem Veftehen beS VlafimalarbeitStagS bie oerbünbeten 9te* 
gierungen planen, biefe gu einer gefunben fogialpolitifdjeu Ent* 
wicflung burchauS nothwenbige 3lrbeiterfd)ut}gefebgebung in einer 9lrt 
unb VBeifc abguäubern, bafe man oon einem ?lrbeiterfchnp ber Väcferei* 
arbeiter überhaupt nicht mehr reben fönne. 3 u 9^i4 foll ber VunbeS* 
rath um bie Einführung folgenber Veftimmung angegangen werben: 
Die SlrbeitSfchicht jebeS ©ehülfen barf innerhalb 24 Stunben bie 
Dauer oon 12 Stunben ober, falls bie Arbeit burch eine $aufe 
oon minbeftenS einer Stunbe unterbrod)en wirb, einfjhliefelich biefer 
Voufe bie Dauer oon 13 Stunben nid)t überfchreüen. Die ©e* 
hülfen bürfen gu gelegentlichen Dienftleiftungen nur bann heran* 
gegogen werben, wenn ihre 2IrbeitSfchid;t bie Dauer oon 12 Stun* 
ben, einfchliejflich ber $aufe oon einer Stunbe, 13 Stunben uod) 
nid)t erreicht hat. giir bie Einführung ber Slrbeitslofenuutcr* 
ftüpug erhoben fich nur neun Delegirte. 3 u,l ächft müffe energifch 
an eine Verfiirgung ber 2lrbeitSgeit heraugegangen werben, gunädjft 
an bie gehnftiiubige. Der fchwad)e Verbmtb biirfe fich auf fo ge* 
wagte Experimente nidjt eiulaffen. Der Vorftanb würbe beauf* 
tragt, ein Streifreglement gu fdjaffen. 3 U 3 ,ü rcfeit ber Agitation 
fott pro Vtitglieb unb Vierteljahr ein Ertrabeitrag oon 20 er* 
hoben, baS VerbanbSorgan wöchentlich h era uSgcgcben unb ber 
2lbonitemcittSpreiS auf 2 dt erhöht werben. Der Verbanb foK 
in ©auc eingetheilt werben. Die Viigftänbe in ben Konfutn*, ©e* 
noffeufdiafts* unb VereinSbäcfereien, beneit man „Dioibenben* 
jägerei" oorwarf, gaben ?l 11 ft off gu einer Vefolutiou, welche ben 
Vegug oon Arbeitern nur burch VerbanbSarbeitSuad)weiS unb 
bie Einführung ber ?lchtftunbeufd)icht in ben betreffeitben betrieben 
oerlangt. 2llS Sife beS EentraloorftanbeS würbe Hamburg, als 
Sife beS 9luSfd)uffeS Vtüncheit befiimmt. 

10* orbentliche ©eneraloerfammlnng beS ©ehierfoereinS ber 
bentfeheu Stnhlarbeiter (Textilarbeiter). 3n Sorft (ßaufife) tagte 
in ber Dfterwodjc bie 10. orbcntlichc ©eneraloerfammlung beS (^le* 
werfoereinS ber beut[d)en Stahlarbeiter (Dertilarbeiter) unter Ve* 
theiligung oon Delegirteu ans allen Dbeilcu Deutfchlanbs fowie 
beS VcrbanbSanwaltS, ßanbtagsabgeorbneten Dr. Viar §irfdj*Verlin. 
Der Eiewerfoereiit gäl)lt gegenwärtig 76 DrtSoereine mit 3666 Vtit* 
gliebern (2668 männlichen unb l»9s weiblidjen) gegen 64 DrtSoereine 
mit 2871 Viitglieberu im oahrc 1895. VIu llnterftübuugcu in 




789 


©ogialc ^rnyis. ©entralblatt für ©ogialpoliüf. Str. 29. 


790 


SRotßfäflen fiitb 2949^, an SlrbeitSlofe 3030 c 4f, an UtngugS* 
entfcßäbigung 1228 <A(, an # S^cifeuntcrftäfeung 487 JC. gegaßlt 
roorben, außerbem nantßafte’©ummen für BUbungSbeftrebungen. 
Sin Vermögen ftnb 30 094^ (gegen 1895 meßr 6700,///) in bcr 
©eroerfoereinSfaffe oorßanben. Der Stbgeorbnete ©tabtoerorbnete 
©rode Cottbus ßielt einen Vortrag über „bie Frauenarbeit in ber 
Deyülinbuftrie unb beren ©influß auf bas gantiltenleben". @3 
mürbe fcßließlicß eine Slefolution einftimmig angenommen, bie 
eine aEmälige ^erabfeßung ber SlrbeitSgeit für Slrbeiterinnen auf 
8 ©tnnben, bie SlnfteEung roeiblicßer gabrifinfpeftoren unb bie 
BerufSorganifation audb ber grauen forbert. Der „SReoerS" (Slug* 
fcßluß fogtalbemofratifd)er SRUglieber) mürbe beibeßalten. Die Unter*» 
ftüßung in Streitfällen rourb auf 6 , 9 unb Y2M roöcßentlicß feft* 
gefeßt, bie Unterftiißung bei unoerfcßulbeter Slrbeitslofigfeit auf 
di., 7,50 ofL unb 10,50 <Ai, je naeß ben Beiträgen, norntirt, 
foroie auf 2 , 2 -, Jl für roeiblidje unb jugenblicße SDütglieber ( 00 m 
14. bis 17. ßebenSjaßre), bie nur 5 4 SBocßenbeitrag gu gaßlen 
ßaben. ©inftinttnig angenommen mürbe noeß folgettbe Siefolution: 

„Der Delegirtcntag be3 ©eroerfoereiitS ber bentfdjen ©tnljlarbciter 
(leytüarbeiter) tn gorft proteftirt namens bc3 gefnnnnten (ferner!* 
uereinS mit aller ©ntfdjtcbcnfjeit gegen jeben SSerfuäj, bas oßneßiti feßon 
ltngetiügenbe Koalition dreckt ber Arbeiter in irgenb einer SBeife, 
tnsbefonbere burd) einen fogenannten ©cßup ber SlrbeitSroiEigen, nodj 
mehr 51 t befeßränfen unb Damit bie ©leießbereeßttgung unb bie 2eben§= 
intereffen ber beutfeßen Arbeiter aufs ©cßroerfte gu fcßäbigen." 

Der bisherige Vorort beS ©eroerfoereins ©premberg mürbe 
einftimmig roiebergeroäblt, ebenfo ber bisherige ©eneralratß. Der 
näcßfte Delegirtentag im gaßre 1902 foll in Slpoioa abgebalten merben. 

gnteritationafer Kongreß ber cßriftlicß'fogtalen Korporationen. 

©in in Blois abaeßaltener Vrooütgialtag ber dßrifilicben Arbeiter 
beS ©entrumS unb beS SSeftenS oon granfreieß befeßloß, im gaßre 
1900 einen internationalen Kongreß ber cßriftlid)*fogialen Be* 
ftrebungen nach Baris gu berufen. ©3 ßanbelt fuß natürlich um bie 
fatßolifcßen ©lemente ber Bewegung, Die gnitiatioe, oon ber ßier 
bie Siebe ift, erfdfjeint als ein Ableger ber democralie chrßtienne, 
jener großen poüüf<ß*fogialen Bewegung, melcbe fidß feit einigen 
gabren in granfreidb bemerfbar titacßt, bereit 3 ^ itn ©angen 
unb ©roßen barin befteßen, bie frangöfif<ben Katßolifen für ben 
SluSbau ber bemofraüfeßen Verfaffung — man oerlangt felbft bas 
Steferenbum — gu geminnen unb bie fogialen Probleme itt ben 
Vorbergrunb beS gntereffeS gu rüden. 

©tvetfbettegmtg in Büßmett. g n Bößnten ßerrfeßt gegenroärtig 
eine größere ©treifbemegung. gn KarlSbab ftreifen etroa 1500 
Bauarbeiter, meil bie Unternehmer bie Slrbeiter gmingen mollten, eine 
einfeitig oon ben Unternehmern ausgearbeitete neue Slrbeitsorbnung, 
bie ber freien Vereinbarung über bie KünbigungSfrift gumiberlaufen 
foff, gn unterfebreiben. Da bie Kurfaifon bereite begonnen ^at, 
befürchten bie Beßörben oon beut ©treif eine ©cbäbigung ber für* 
ftäbtifdjen gntereffen. ©3 finb bie ©treiffiißrer oerbaftet unb alle 
Verfatntnlungen oerbotett. Die öfterreidjifebe ©eroerffdjaftSfommiffion 
in Söien bat ihren ©efretär in3 ©treifgebiet entfenbet, gutnal eine 
SluSbeßnung be3 ©treifeS auf gang SSeftbößmen broben foll. Slucb 
ber fogialbemofratifcbe Sieid;3ratb3abgeorbnete Dr. Verfauf, ber ben 
Vegirf itn 5Reicb3ratb für bie Kurie be3 allgemeinen ©timmrecbt3 
oertritt, ift im ©treifgebiet erfebienen.*) gn fRorboftböbmen, be* 
fonber3 in Sßacbob, ©tpel unb |>ronom, finb bie SSeber in einen 
©treif eingetreten, ©ie forbern eine fiobnerböbung, möcbentlicbe 
^obitgablung, geniePare3 Drinfmaffer unb regelmäßige ^Reinigung 
ber Slrbeit3räume. Slu<b in biefem ©treifgebiet ift SRilitär gu* 
fauttiten gegogett morbeit. 28ie berichtet mirb, foE ftdf) ber oier* 
gebntägige Durd)fd;nitt3lobit eitte3 gaquarbmeber3 auf böcbftcu3 
10 ©ulbett belaufen. Arbeiter, bie glatte Söaare roeben, foffen in 
oiergebn Dageti bö<bften3 5 bi3 6 ©ulbeit oerbienen. Die Wohnungen 
ber Arbeiter merben al3 elenb gefd>ilbert. Die ©eroerffd)aft 3 * 
fotttmiffion 0efterreicb3 in Söien erläßt einen Slufruf an bie or* 
gattifirten Slrbeiter Defterreidt)3 um Unterftiißung ber ©treifenben 
in 5Rorboft* unb Vkftböbmen. 

Die Dodarbeiter itt Belgien, ©in oon ber International 
Transport Workers 1 federation oeroffentlidßter Vericbt über bie 
Dodarbeiter in Velgien miE geigen, baß bie englifd^en Dodarbeiter 
ficb in oiel günftigerer &age befinben al3 jene in ^Belgien unb 
auf bein ^fontinente überhaupt. Dodarbeit in Belgien berußt au 3 * 
fd)iießlicb auf bem ©pftent oon ©ubunternebmern, bie bie Arbeiter 
mit 2 1 / 2 bi3 4 grc3. für ben gebnftiinbigen Slrbeit3tag begabien, gn 
Slntroerpen giebt e3 feßr menig berufsmäßige Dodarbeiter, ber 
größte Dßeil ber ßeute fluftuirt unb befteßt au3 ßanbleuten ber 


*) Sicucfter SRelbung gitfolge ift ber ©treif bitrcß Verglcidj beigclegt. 


Umgebung, roo ber Slrbeiter nur 1 1 / 2 bi3 l 3 / 4 grc3. im Dag oer* 
bienen fann, roäßrenb ber SRinbeftloßn bei ber Dodarbeü 2 l / 2 grc3. 
beträgt. Die 3a$I ber Slrbeitslofen ift in ber Siegel feßr groß unb 
beträgt meift 17 000 bi3 20 000 . 9Bie mitgetßeilt mirb, foflen 
gaßlreicße Uebelftänbe in ben Dod3 oon Slntroerpen befteßen, fo bie 
SluSgaßlung ber ßößne in ©cßänfen, überlange SlrbeitSgeit unb 
oiele ©cßmierigfeiten bei Durdßfeßung oon UnfaEentfcßäbigungen, 
obmoßl 2 % Born Soßne für VerficberungSgmede in Slbgug gebracht 
merben. 

©itt Bergarbeiterftreif itt Belgien ift auSgebrodßen. Slu3 
©eraing mürbe oont 12 . Slpril gemelbet: Dreitaufenb ©ntben* 
arbeiter finb in ben Slu3ftanb getreten unb oerlangen eine 15 pro* 
genüge ßoßnerböbung. SRan befürchtet, baß ber SluSftanb ficb au f 
ben gangen ßüttidjer ©rubenbegirf auSbeßnen mirb. — Unb aus 
Brüffel mürbe 00 m 15. Slpril ber „grfft. 3h}-" mitgetßeilt: gut 
Beden oon ©ßarleroi ift ber ©treif feit ßeute faft aEaemein. gn 
ber Vrooing ßüttieß bleibt ber 3uftanb ftationär. ©3 finben in 
aEett SRittenbegirfen Berfammlungen ber Bergarbeiter ftatt. — Slu3 
©ßarleroi mürbe meiter oom 16. gemelbet: Die nationale Ber* 
einiaung ber ©rubenarbeiter befdjloß ßeute einen aEgemeinen Slu3* 
ftano in ben oier Koßlenbeden Belgiens für morgen gu proflamiren. 
Der Verein ber ©ruben oon ©ßarleroi batte befdjloffen, am 1 . Viai 
in ben SluSftanb gu treten. Die ©rubenarbeiter oerlangen eine 
20progentige ßoßnerßößung. — ©cßließlirf) hieß e3 oom 17. aus 
Brüffel: Drop ber V^flamiritng eines aEgemeinen Slu3ftanbe3 
ift in ben ©ruben im ©entrum nirgenbs Die Slrbeit eingefteüt 
roorben. Unbebeutenb ftnb bie SlrbeitSeinfteEungen im ©teinfoßleit* 
begirfe Borinage, erßeblicßer in ßüttieß, mo gegen 3000 ©ruben* 
arbeiter ftrifen. UeberaE ßerrfeßt Stuße. 

ßobtterßdßttttgett für bie Bergarbeiter be3 frangüftfebett Storb* 
rebierS. Slm 13. Slpril fanb in Slrra3 eine Verfammlung ooit 
Unternehmer* unb Slrbeiterbelegirten in ben Departements 9?orb 
unb pe ©alais ftatt, auf melcßer über bie oon ben Arbeitern 
erhobenen gorberungen oerßanbelt unb eine Verftänbigung ergielt 
mürbe, bie aEerbingS notß ber Slatififation bureß eine auf ben 
23. Slpril naeß ßenS einberufene Slrbeiteroerfammlung bebarf. 
©cßon im Sluguft leßten gaßreS ßatten bie Bergarbeiter eirt 
Programm aufgefteEt, baS folgenbe fünfte umfaßte: 1 . ©rntebri* 
gung ber SRietßen für bie oon ben Unternehmern geftcEten 
SSoßnungen auf bie greife oor 1893; 2. geßttprogentige ßoßn* 
erßößung; 3. gleichmäßigere Vertßeilung ber ßößtte (ogl. „©ogiale 
VrayiS" gaßrg. 1898 ©p. 1288). Diefe gorberungen roarett er* 
ßoben morben im Slnfcßluffe an bie .fmuffeberoegung, roelcße fteß 
auf bem Koßlenmarfte bemerfbar gemaeßt ßatte. gm ©eptember 
fam e3 bann gu einem prooiforifeßen llebereinfommen groifcßeit ben 
llnterneßmergefeflfcßaften unb ben Arbeitern, morin biefeit gorbe* 
rungen Siecßnung getragen unb eine neue Delegirtenoerfaminlung 
für ben Sltonat vlpril 1899 anberaumt mürbe, um fteß über neue 
Slufbefferungen gu oerftänbigen, faES bie Vtarftlage fieß noeß 
giinftiger geftalte. Sll3 Vorbereitung gu biefer neuen Steunioit 
hielten bie Bergarbeiter bes 5Rorbbafftn3 im SRonat SRärg eine 
Daguna ab, in ber fte ber oeränberten ©ituation entfprecßeitbe 
SRobififationen ißreS Vro^ammS prägiftrten. Die mit ben geftiegenen 
SJtärftpreifen forrefponbirenbe ßoßnerßößung mürbe auf 1 , 0 d grcS. 
für ben Dag berechnet. Sluf ber Verfammlung in SlrraS oont 13. Slpril 
nun, roo biefe grage gur DtSfuffion ftanb, trugen bie Unter* 
neßmerbelegirteit ber BemetSfüßritng ber Arbeiter oöEig Slecßnting 
unb fd)lugen eine ©rßößung ber gegenwärtigen Prämie oon 20 % 
auf 25% oor. Die 5% ©rßößung foEe jebod) aufßörcn, fobalb 
bie SRarftlage ftd) oerfcßlecßtere. Dafür mofleit bie Bergmerfs* 
gefetlfcßaften fieß aber oerpfließten, bie 20 progentige Prämie fo 
lange als möglich aufreeßt gu erßalten. Slacß einer langen Dis* 
fufjton fam man überein, baß in V a $ be ©alais, roo bie 20 pro* 
genüge V^ämie befteßt, bie 5 progenüge ©rßößung berfelben oottt 
16. äpril ab roirffam merben foEe, baß meiter im Siorbbepartetnent, 
mo bie früßere gugeftanbene Slufbefferung nid)t in gorm einer 
Vtämie gugeftanben morbeit mar, nunmeßr eine Vrätnte oon 5% 
etttgufüßren fei. 2Sie oben feßon ermäßnt, mirb fieß am 23. Slpril 
ber Kongreß ber Bergarbeiter über biefe Delegirtenbefcßlüffe enb* 
gültig gu entfeßeiben ßaben. 

Die itorloegtfdjett ©etoerffdjaften ßaben in ben Dftertagen auf 
einem Kongreß in ©ßriftiana einen ©entral*£aitbe$oerbaub 
gefcßloffen unter betn kanten „ßanbeSorganifaüoit bcr uormegifcßeu 
gaeßoereine". Der Kongreß mar oon 73 Vereinen mit runb 
20 000 SRitaliebern bureß 113 Deleqirte befeßidt. Damit ift ber 
auf bem ffanbinaoifeßen ©emerffeßaftsfongreß in ©tocfßoltn 1897 
gefaßte Befcßluß, in beit bret ffaitbittaoifd)ett Räubern Üanbcv* 



791 


(Soziale Praxis. ©entralblatt für ©ojialpolitif. Nr. 29. 


792 


organifationen $u fcpaffen, burchgefübrt. 2)ie böntfdjc mürbe im 
3anuar v. 3-, btc fcbroebifche im Auguft d. 3- flcfc^affcn, nnb nun 
ift auch Norroegen gefolgt. 2)er norroegifcbe Serbattb bat in ben 
$auptpnnften beit fpradjoermanbten bänifchen gum Sorbilbe ge* 
nommen. 2>ie brei ßanbeSoerbänbe fielen burd) €efretariate in 
Serbinbung. 3n Norroegen fittb runb 20000, in 6d)weben 60000, in 
2>änemarf etroa 75000 Arbeiter geroerffcbaftlid) organifirt. 3n aßen 
brei ffanbinaoifcben ßänbern geben bie ©eroerffdjaftSoerbänbe mit 
ber fosiaIbemofraiifd)en Partei ,§anb in .Janb. 3n 2>änemarf 
ftpen zwei 2)elegirte ber Bereinigten gacboerbättbe in ber fo$ial* 
bcmofratifcben Parteileitung, in edjroeben ift auf betn lebten ©e* 
roerffcbaftsfougrcjj nad) fecbzebnftünbiger £iSfu[fion mit 175 gegen 
83 Stimmen befcbloffen roorben, ba& binnen brei Sauren alle bem 
geinerffcf)aftlid)en Serbattbe angefjörigen Organifationen ber 
fojialifteit Partei beizutreten haben, unb in Norwegen arbeiten 
Sadjoereine unb 6ozialbemofratie, bie in Norroegen einen mehr 
nationalen ©barafter trägt, Iängft jufatnmen. 

gafjreSfcerfamttiluttaeu ber fozialiftifdjen unb ber liberalen 
Arbeiter in ^ottanb haben ju Oftern ftattgefunben, bie ber erfteren 
in ßeeuroarben, ber zweiten in Amfterbam. 2)aS „Allgemeen 
Nederlandisch Werkliedenverbond“, ber Serbanb liberaler unb 
rabifaler Arbeiter, jä^It jefet 34 Sereine mit 3544 äßitgliebern; 
fein Sorfibenber fielbt unb zwei dJtitglieber geboren ber Ab* 
georbnetenfammer an. 25ie 2bätigfeit beS SerbanbeS ift in ben 
lebten gabren jiemlicb gering geroefen, unb auch bie 3ab«3* 
oerfamtnlung befcbäftigte fi(b ganz norroicgettb mit Eingaben an 
bie Neaierung unb bie Kammer, bie ©efebeniroürfe über Alters*, 
Snoalioen* unb Unfadoerficberung, geroerblichen gacbunterricht, 
Strbeit^^eit erroacbfener Arbeiter betrafen. — Lilien niel frifdjeren 
©eift atbmeten bie Serbanblungen ber fozialiftifdjen Arbeiter 
unter bem Sorfibe SlingenS; bie Partei umfaßt jefct 55 Vereine 
mit 2500 dJtitgliebern unb entfenbet brei Vertreter in bie Kammer. 
2)er roid)tigfte ©egenftanb ber XageSorbnung mar bie geflfebung 
eines Programms für bie ©emeinberoablen; bie fmuptbeftimmungen 
betreffen: beit genteinblicben ©runbbefib; ben gemeinblichen Setrieb; 
bie ArbeitSlofenfrage; bie Nemunerirung ber ©emeinbearbeiter unb 
Seamten; ben Unterricht in ben Solfsfchulen; bie §pgiene; bie 
Wohnungsfrage; bie Sefäntpfung ber 2runffucbt; bie Sefäntpfung 
ber fogenattnten SMportageorbnuitgen, bie eine tnaSfirte ©in* 
fcbränfung ber prefcfreifjeit finb; progreffioe ©iufotnmenfteuer unb 
Sefteuerung beS oertnebrten ©ruubroertbeS in beit Stabten, ferner 
fpracb ber .fongrefo fid) für $oiifum*©enoffenfcbaften als Stampf* 
mittel aus. 3utn Unfattoerfi^erungSgefep nahm ber Hotigrefj eine 
Nefolutioit au, in ber fdjärfere Ausarbeitung beS Serantroortlid)* 
feitSprinzipS ber Unternehmer geforbert mirb. 3n einer Nefolutiott 
über ben ©efefcentrourf, betreffenb bie Arbeitszeit erroacbfener 
Männer, mirb geforbert: eine möd)entlid)e SHubejeitnon 36 Stunben; 
ber 3 e bnftunbentag für alle gabrifett unb Werfftätten; nach z e bn 
3al)ren ber Acbtftuubentag; fofortiger Achtftunbentag für gefäbr* 
liebe unb uttgefunbe Setriebe. 6cblief}licb mürbe eine Nefolution 
für bas allgemeine Wahlrecht angenommen. — Unfer Stitarbeiter 
in Amfterbam fdjreibt zu bem Serlaufe beS StongreffeS: „2)ie 
Partei mad)t ben ©inbrudf einer rabifalen bürgerlichen gortfchrittS* 
partei, bie ficb niel um bie Aufgaben ber ©egetimart unb menig 
um baS ferne 3beal fümmert. 2)a bie 3öbl ber reoolutionären 
Sozialbemofraten ftets abttimmt, mirb allem Anfcbein nach bie 
Arbeiterbewegung in ^ollanb in rubige Sabnen geratben." 

^er Streif im eugtifdjeit Stuifarbeitgemerbe. Aus Sonbott 
mirb uns getrieben: 2)er Stampf zieht fub lattgfam l)in unb bis 
jejjt fteben bie CSF)auceti znjifdjeu ben Parteien z^ntlitb gleich- ©ine 
.Honferettz aller 3 roe i9 l> be g SaugcmerbcS tnurbe in Sirmiiigbam 
abgehalten; es mürbe befdjloffen, bie ©ntfebeibung zu nertagett, 
bis Sertreter ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter im 8tucfgemerbe 
bie Streitpunfte erörtert bitten. $ie Serbaubluug bat in ßonbon 
am 6. April ftattgefunben, ©erlief aber fruchtlos. Son 8eiteit ber 
Unternehmer rourbett folgettbe Punfte als ©runblage ber Se* 
fpred)itng norgefcblagen: 1. $>ie praytS, Sormänner unb Arbeiter 
ZU zwingen, in bie ©emerffdjaft einzutreten. 2. $>ie Sefcbränfung 
ber Lehrlinge. 3. ^er Sopfott gemiffer firmen fcitetiS ber ©e* 
merffrfjaft ber Stucfateure. 4. ^)ie Weigerung, mit SUcbtmitgliebern 
zufammen zu arbeiten, ^rofe langer Serbanblungeti fomtte eine 
©iniguitg nicht erzielt raerbeti. darauf ftellten bie Arbeitgeber 
folgettbe fragen: 1. 2ittb 2ie beoolltnäcbttgt eitte Sereinbarung 
abzufcblicjjen? 2. 2oH bie Sereinbarnttg für baS ganze ^?anb in 
Mraft treten? 3. 2inb 2ie bereit, in eine ©elbbürgfchaft auf 
bciben Seiten für treue Seobadjtung ber Sereinbarung z u treten? 
4. ©etnäft 3breS SriefeS münfeben Sie ^iemanben z u zwingen, 


unb beanfprutben baS Stecht, nur zu bereben, in 3b rc ©emerffdjaft 
einjutreten. galten 6ie biefen puttft aufrecht? ^ie Sertreter ber 
Arbeiter antmorteten auf bie erfte utib jmeite Srage mit ja. ^ie 
britte Srage erfannten fie nicht an, utto für bie eierte grage er* 
Härten fie, nicht zu miffen, ob bie Stitglieber zuftimmen mürben, 
hieran feheiterte bie Konferenz- 3unä%ft bauert nun bie AuS* 
fperrung ber 2tucfarbeiter fort, bie fich inbeS bis jeht als menig 
mirffam ermiefen bat. ü)tan mufe aber mit bie 3)töglid)feit rechnen, 
ba& fidb ber 5fampf toeiter auSbebnt unb auch anbere ©ebiete beS 
SaugemerbeS erfaßt. 


^cbeUtrfdju^. 


3fntematiimale Seretttigmtg für Arbeiterfchnh. ^)ie Serfattim* 
lung z u ^ Sefprechung ber Setbeiligung 2)eutfcblanbS an ber 
©runbung einer internationalen Sereinigung für Arbeiterfchuh 
mirb am 3. 3Jtai AbenbS 8 Ubr zu Serltn, im Architeftenbaufe, 
©ilbelmfir. 92/93, ftattfinben. 

Arbeitszeit in ©rtreibemfiblen^ 3)er SunbeSratb bat in feiner 
@ijjung oom 13. April bem ©ntmurfe oon Seftimmungen über bie 
Arbeitszeit in ©etreibemüblen (oergl. (Soziale Praxis 2p. 647) feine 
3uftimmung ertbeilt. 

Sanörbetterfihnh-Äommtffion fftr Saperw. $ie Nürnberger 
Saubanbroerfer beabftchtigen, eine Sauarbeiterfcbub*5fommiffton für 
ganz kapern mit bem 0t^e in Nürnberg zu errichten. 3)ie ^otn* 
miffion mürbe an allen Orten Stateriat zu fammeltt unb biefes 
ber ©etieralfommiffion in Hamburg z u übermitteln haben. $>aS 
gemonnene Staterial foH auch mit etner S)enffd)rift ber Saperifcben 
Abgeorbnetenfammer unterbreitet roerben. — $>er Stagiftrat in 
3ürtb befd)lo% einen ftänbigen SaufontroIIeur mit 1620 < 1 ( 3ab reS * 
gebalt anzufteden. 2)er betreffenbe Semerber mnb eine fünfjährige 
praftifebe 2bätigfeit im Saugemerbe nathmeifett unb eitte Sau* 
gemerffchule abfoloirt haben. 

2)er gefeplithe ber SabenangefteHten in Anftralien. 3utn 
Seraleich mtt beit Sorfchlägen ber Nooetle zum 2d)ub ber Sabett* 
geholfen in 2)eutfchlanb (ogl. „Box. Praxis" 6p. 637) möge 
nachftebenbe Heberficht ber feit 2’/2 Sappen, feit 1. Oftober 1896 in 
Äraft befinblicben ©efetjeSbeftimmungen ber auftralifchen Kolonie 
Siftoria über bie Serbältitiffe in ßabengefcbäften bienen, bie mir 
bem „Oefterr. ^anbelStnufeutn" entnehmen: 3^ber JCabenbefi^er 
bat für alle in feinem £aben befd)äftigten Perfoneit paffenbe 6ife* 
gelegenbeiten, unb zwar minbeftenS für je brei Perfoncn einen 
6ife beizuftetifen; biefe 6ibgelegenbeitett müffen für bie Senüfcung 
ber perfonen, für melche fie befchafft finb, bequem gelegen fein. 
3eber ßabenbeftper rnufe aden in feinem fiaben befdjäftigten per* 
fonen geftatten, biefe ©ibgelegenbeiten z u adett paffenbett 3 e iten 
mäbreno beS XageS z u benüben. Heber bie tägliche Arbeitszeit 
mirb beftimmt: SorbebaltUch ber folgenben Ausnahmen bitrfen 
Perfonen unter 16 3ab**n fomie grauen unb 3Räbd)en in feinem 
ßaben ober bei feiner Arbeit in Scrbinbung mit einem Oaben 
länger als 52 6lunben in einer SSocbe ober neun 6tunben im 
Sage (in beiben gäden mit AuSfdjlufj ber ©ffenSpaufen) ntietb s 
rnetfe ober gegen Sohn befebäftigt merben. An einem 2age in 
jeber SBodje barf jeboch bie 3 e ü Sefd^äftigung elf 6tunben 
bauern, unb menn in einer SSoche ein öffentlicher geiertag auf 
einen attberen 2ag als auf ben (Sonntag fällt, fo barf bie 3 e ^ 
ber Sefchäftigung in biefer SBodje an zwei Sagen je elf Stunben 
betragen, menn ber Saben an bem öffentlichen geiertage gcfdjloffett 
bleibt. 2Rit fchriftlicher Semidignng beS OberinfpeftorS bürfeit 
Perfonen unter 16 3ab^u fomie grauen unb Siäbchen in einem 
fiaben ober bei einer Arbeit in Serbinbuttg mit einem £abeit an 
jebetn 2age bureb bädjftenS brei 6tunben über bie gemöbnlid)e 
Arbeitszeit hinaus befdjäftigt merben, jeboch mit bem Sorbcbalte, 
bafe bie ©efammtzabl ber Sage in jebem 3ab^, roäbrenb beren 
eine foldje Perfon (grau ober Stäbchen) in irgettb einem Cabeit 
ober in Serbinbung mit einem ßaben berart befchäftigt mirb, nicht 
mehr als 40 betragen barf. perfonen unter 16 gabren fomie 
grauen unb Stäbchen bürfeit ohne eine minbeftenS hulbffünbige 
©ffenSpaufe nid)t länger als fünf Stunbett ununterbrochen be* 
fchäftigt merben. Ade ßäbett (mit Ausnahme ber Apottjefen, Kaffee* 
häufer, ÄTonbitoreien, 6peifebäufer, gifch^ unb Aitfternläbeu, Obft* 
unb ©ctnüfeläben, Nefiaurationen, 2abafläben, Sudjbanblungen 
unb 3 c iii |n 9 g iäben, uttb mit Ausnahme jener ßäben, meldje auf 
©runb befotiberer fraft biefcS ©efepes erlaffcner Serorbnungen 
beS NadjtS offen gehalten merben bürfett) müffen an 6atnStagen 
um 7 Uhr AbenbS gefdjloffen merben; an bem einem öffentlichen 
geiertage unmittelbar norbergebenben Wochentage bürfett ftc jebod) 



798 


Sogiale SßrajiS. SentralBlatt für Sogialpolitif. Nr. 29. 


794 


bis 10 Uhr AbcnbS offen gehalten werben. %tbtv Befißer eines 
ßabenS muß jeher in feinem ßaben befdjäftiaten $erfon in jeber 
©odje an irgenb einem Wochentage nach 1 Upr Nachmittags einen 
halben Sag thatfäcfjlich freigeben. Rum 3w^c!e ber Durchführung 
ber Beftimmungen beS FabrifS* unb ßabengefeßeS, welche fid) auf 
ßäben beziehen, befifet jeber @ewerbe*Fnfpeftor baS Stedjt, jeben 
ßaben gu allen angemeffenen feiten gu betreten unb entweber allein 
ober in ©egenwart beS BefißerS jebe befdjäftigte Berfon bezüglich 
ber burch biefe Beftimmungen geregelten Berhältniffe gu befragen. 
Die llebertretung biefer Beftimmungen wirb mit 20 bis 400 Jt. 
beftraft. Das in Neufeelanb im Dftober 1894 erlaffene „©efeß 
über Fabrifen unb £>anblungShäufer" enthält im Allgemeinen bie 
gleichen Beftimmungen gunt Schüße ber Arbeiter in f^abrifen 2C. 
unb ber £>anbelsangeftellten wie baS oictorianifche ©efeß. 3n 
beiben Kolonien fchemen biefe Beftimmungen fi(h gut bewährt gu 
haben, wenigftenS hat man ™ ber gegnerifchen $reffe, bie fonft 
mit Feuereifer bemüht ift, jebe ernfte Arbeiterfcßußgefeßgebung gu 
bisfrebitiren, nichts ©egentheiliges oemontmen. 


3Ubetttmrßd}enutg* Äpotbttflett. 


Die $üfje ber ^ttPalibeitreittett. . 

3rt ber Vorlage wegen Aettberung ber Snoalibennerficherung 
war auch ber Borfcßlag gemacht worben, bie ©runbbeträge ber 
Stenten nach ben ßohnflaffen abguftufen. Nach bem gegenwärtigen 
©efeße ift bie ©runbrente für alle ßohnflaffen auf 60 Jt bemeffen, 
bie Differengirung ber Stenten entfprechenb ben oerßhieben h 0 § etl 
Beiträgen tritt erft nach einem längeren 3eitraum ein, wenn bie 
Steigeruugfäße fich burch bie ©röße ber 3alfl ber Wochenbeiträge 
erheblicher fummiren. Qefet, nadfjbem baS ©efeß runb 400 Wochen 
in $raft ift, beträgt bie Nente in ben oier ßohnflaffen 118, 134, 
146 unb 162 Jt, bei Anrechnung oon je 400 Wodjenbeiträgen. 
währenb bie gezahlten Beiträge fich auf 56, 80, 96 unb 120 Jt 
belaufen, alfo gan$ außer Berhälfttiß ber £>öhe ber Stenten flehen. 
Wenn bie Stenten tnt Berhältniß gu ben gegafften Beiträgen fielen 
foüteit, fo müßten fie etwa 118, 170, 200 unb-250 Jt betragen. 

Die bem Steichstaae gugeganaeite Vorlage enthielt nun bereits 
1896 ben Borfcßlag, ben ©runbbetrag ber Stenten berartig abgu* 
ftufen, baß berfelbe in ben fünf ßohnflaffen ftth auf 60 begw. 90, 
120, 150 unb 180 Jt. belaufen follte, bagegen füllten bie 
(SteigerungSfäße, welche in ben jeßt oorhanbenen oier ßoßnflaffen 
2, 6, 9 unb 13 4 für jeben Wochenbeitrag ausmachen, feßr er« 
heblich ermäßigt unb auf 2, 3, 4, 5 unb 6 4 bemeffen werben. 
Die jeßt bem SteichStage gemachte Borlage hat biefen Borfcßlag 
wieberholt. Bon ber Sfonfereng ber Delegirten ber ßanbeSoer* 
ficherungSanftalten, bie am 6. gebniar in ©ifenach ftattgefunben 
hatte, unb oon bem Abgeorbneten Stoeficfe*Deffau würbe aber 
geltenb gemacht, baß bie oorgefchlagene Art ber Stentenberccfjnung 
baßin führen fönne, baß nach ooHenbeter Wartegeit in ben höheren 
ßohnflaffen bie Berficherten, wenn fie wegen abnehmenber ArbeitS* 
fraft in einer niebrigeren ßohnflaffe üerfidjert finb, baS Sntereffe 
am SJtarfenfleben oerlieren fömtten, weil fie babureß nur eine Ser« 
minberung ihres StentenanfprucßeS herbeiführen. 

Die oom SteichStage eingefeßte £omntiffion hat biefen Fehler 
gu befeittaen nerfueßt, inbetn fie ber Stentenfteigerung wieber eine 
größere Bebeutung beilegte unb bie SteigerungSfäße auf 3, 6, 8, 
10 unb 12 4 für jeben Wocßenbeitrag feftfeßte, inbem fie ferner 
bie ©runbbeträge ber Stenten gwar abftufte nach ben ßoßnflaffen, 
aber nur mit einer Differeng oon 10 ftatt oon 30 Jt, fo baß bie 
©runbrenten fuß nunmehr auf 60, 70, 80, 90 unb 100 Jt. ftelfen 
fallen. Um gu oerhinbern, baß ein Berficßerter, nadhbem er bie 
Wartegeit oon 200 Wochen in ber ßöcßften ßoßnflaffe oollenbet hat, 
in einer niebrigeren ßoßnflaffe nicht weiter flebt, um feine Stente 
nicht gu oerminbern, follen ber Stentenberedjnung minbeftenS 
500 Wocßen gu ©runbe gelegt werben; finb weniger Wochen* 
beiträge geliebt, fo werben bie fehlenben nach &er erften ßoßnflaffe 
beredhnet bei Berechnung beS DurcßfcbnittS ber ©runbrenten. Da* 
mit wirb jeber Stentenfpelulation, bie fonft bei ber freiwilligen 
Berficßerung leicht möglich würbe, ein Stiegel oergefchoben. Damit 
fann man einoerftanben fein. 

Aber bie ©runbbeträge ber Stenten fcßeineti mir nicht richtig 
abgeftuft; benn bie Stenten entfprechen burdhauS nicht ben geleifteten 
Betträgen. Nehmen wir einmal an, welche Stenten Serficherte in 
ben fünf fiohnflaffen nach 1000 geleifteten Beitragswochen nach 
bem Sorfchlage ber ^ommiffion erhalten würben: bie Stenten 
fteilen fich au f 140, 180, 210, 240 unb 270 Ji. Nun beträgt 
aber ber feapitalwerth ber in 1000 Wochen gegahlten Beiträge m 


ben fünf ßohnflaffen 208, 297, 356, 445 unb 535 M bei einem 
3iuSfafce oon 3 72 %- ®ie Stentenbeträge müßten fich betnnad) — 
bie 140 c/ft aus ber erften ßohnflaffe als Norm angenommen — 
auf 140, 199, 240, 300 unb 360 JL fteilen. Daraus ergiebt fid), 
bafj trofc ber Erhöhung ber SteigerungSfäfee bie neue Stenten* 
beredhnung noch nicht auSreid)t, um bte Stenten gu bem Ber* 
ficherungSwerthe ber Beiträge in ein richtiges Serbältnifc gu bringen. 

FinangieH würbe eS feine Bebenfen h^öen, bie ©runbbeträge 
ber Stenten auf 60, 75, 90, 105 unb 120 <M, ober gar auf 60, 
80, 100, 120 unb 140 ,4t gu erhöhen unb auch öie SteigungS* 
fäfce fönnten auf 3, 6, 9, 12 unb 15 4 ftatt auf 3, 6, 8, 10 unb 
12 4 feftgefefct werben. @S würben fich &ann falgenbe Ber* 
hältnifjgahlen ergeben, bie in folgenber Dabelle gufammengefteßt 
finb: A. bebeutet bie Summe ber Beiträge in taufenb 2Bod)en; B. 
ben BerficherungSmertb berfelben; C. bie Stenten nach bem Bor* 
fchlage ber Sfommiffion; D. ben Betrag, ben bie Stenten — bie 
erfte klaffe als Norm angenommen — nach bem BerficherungS* 
werth haben müßten; E. ben Betrag ber Stenten bei Abftufung ber 
©runbbeträge mit 15 M Differeng (60, 75, 90, 105 unb 120 Jt) 
unb F. ben Betrag ber Stenten bei Abftufung ber ©runbbeträge 
mit 20 Jt Differeng (60, 80, 100, 120 unb 140 Jt) unb gwar 
bei E. unb F. mit ben SteigerungSfäfcen oon 3, 6, 9, 12 unb 
15 4 für je einen Söochenbeitrag ber betreffenben klaffen. 


ßohnflaffe 

I 

II 

III 

IV 

V 

A . . . 

140 M. 

200 M. 

240 M. 

300 M. 

360 M. 

B . . . 

208 * 

297 * 

356 * 

445 * 

535 * 

C . . . 

140 » 

180 * 

210 * 

240 * 

270 = 

D . . . 

140 * 

199 * 

240 * 

300 * 

360 = 

E . . . 

140 * 

185 * 

230 * 

275 * 

320 * 

F . . . 

140 * 

190 * 

240 * 

290 * 

340 * 


Alfo erft bei bem Borfchlage unter F. würbe baS Serhältitiß 
ber Stentenbeträge gum Ber ficherungSwerthe annähernb baS richtige 
fein. 3n ber fleinen Erhöhung ber Steigerungsbeträge in ben 
oberen ßohnflaffen würbe ein ftarfer Antrieb liegen, möglidhft in 
ben höheren ßohnflaffen fich gu oerfithern. Söill man in ber 
Differenjirung ber ©runbbeträge ber Stenten nicht über baS SJtajj 
beffen hwauSgeljen, was in ber Sfommiffion befcf)loffeu worben ift, 
fo follte man unter allen Umftänben wenigftenS bie SteigeruugS* 
fäße bem Borfchlage entfprechenb auf ein Bielfad^eS oon 3 feft* 
fejjett, fonft erreichen bie Stenten in ber fünften ßohnflaffe nicht bie 
einem Beitrage oon 36 4 entfprechenbe $>öhe unb ftehen mit bem 
Sah^SarbeitSoerbienft ber Berficherten in feinem richtigen Ber* 
hältniffe. SBenn man bei weniger als 350 < ft. SatjreSoerbieuft 
140 Jt ., bei 351—550 Jt 180 Jt, bei 551—850 Jt. 210 Jt, 
bei 851—1150 M 240 M, bei 1151—2000 Jt aber nur 270 Jt 
Stente nach geleifteten Söochenbeiträgen erhält, b. h- in her 
fünften ßohnflaffe bei bem Drei* bis Fünffachen beS BerbienfteS 
unb bem 2y2fadjen ber Beiträge nur fnapp baS Doppelte ber 
Stente ber erften klaffe erhält, fo ift baS nicht recht begreiflich für 
ben gewöhnlichen SJtenfchenoerftanb. Der Borfthlag unter F würbe 
wenigftenS baS Berhältniß ber geleifteten Beiträge unb ber Nentcn 
annähernb gleich fteilen. 

Bon großer Bebeutung würbe biefe beffere ©eftaltung ber 
Stenten namenttid) für bie Selbfloerficherung fein, infofern Ber* 
fieberte, bie felbftftänbig werben, fich bie Bortheile ber Berfid)erung 
in einer höhnen ßohnflaffe fichern fönnen. 

Berlin. $. 


Der BerttfSgenojfenfchaftS*Berbanb ttttb bie drtlidjett Stenten« 
Men. Der gefchäftsführenbe AuSfdhuß beS BerbanbeS ber Deutfcheu 
BerufSgenoffeufchaften hat folgenben Befchluß gefaßt: 

Fn (Erwägung, baß bie tm Entwürfe eines FuüalibcnDerftdjerungS* 
gefeßeS oorgefehenen Nentenfteüen nach ber (Srflärung ber Negierung 
in ber NeichStagSfißung oont 15. Februar 1899 bagu auSerfehen fmb, 
bereinft auch für bie gwede ber Unfalloerficberimg Berwenbung gu 
finben, erflärt ber AuSfchuß beS BerbanbeS ber Deutfcheu Berufs 
geuoffenfehaften: Die Neuteufteilen, fowoßl in ber ©eftalt ber Stegic* 
rungSoorlage, wie in ber Raffung, weldje bie Steidjstagsfümmiffion ber 
Borlage gu geben befchloffen hat, fmb für bie Unfalloerficherung 
burchauS ungeeignet, inbem fie ba§ Bcrfaßreu oerlangfameu, oer* 
theuern unb bie ©efaßr bieten, bie Sclbftoerwaltung gu beeinträchtigen. 

Der AuSfcßuß bcabftchtigt eine in biefent Sinne gehaltene 
ausführlichere Stefolution bem BerufSgenoffeufchaftStage gur Bc= 
fcßlußfaffung oorgulegcu. 

&ux ^affenargtfrage hat ber AuSfchuß ber preußifdjou Aergfe* 
fammertt in folgenben ßcitfäßeit Stellung genommen: 

„1. Die freie Aergtemafjl bei allen ftranfeufaffeu liegt im Fntereffe 
ber ftaffemnitglieber unb ber Aergte. Sie ift guuächft bei ben Crts* 
franfenfaffen unb ben freien ©iilfsfaffen eingufüljreu. 2. Der Begriff 






795 


(Sogtale ^rajriS. GentralbTatt für ©ogialpolitif. Ar. 29. 


796 


Argt uitb ärgtlidjc £uilfe ift ungweibeutig tut ©efeß fefigulegen gu* 
ärgtlid)cn Vehanblung ftub ausfdjließlidj in beit beutfcßcn VunbeSftaaten 
approbirte Aergte berechtigt. 8 . 2ie Attnbeftleifiungen ber Äfaffe an 
btc Aergte finb gcfeßUcß bafjtn feftjutcgen, baß bic Staffen bie 5D2inbeft= 
fäße ber ärgtlichen (Gebühren orbnungcn ober bic ortSiiblid)cn Atinbeft* 
fäße bejahten, gcbenfalls biirfen bie Staffen nach Grrcteßung ber gefeß* 
lieben AefcroefonbS nicht el)er an bie (Srßößung ihrer Seiftimgen geben, 
al$ fie bic SAinbeftfäßc ber 2are ben Aergtcu bejahten. 4. 2ie Ve* 
bingnngen, unter benen bie Ausübung Taffenärjtlichcr 2 bätigfeit gu er* 
folgen bat, werben burd) einen fcßrijtlidieu Vertrag gwifdjert Slrjt unb 
Staffenoorftanb feftgefefet. 2 er Vertrag bebarf ber Genehmigung burd) 
eine ftaatlicb anerfannte ©tanbesoertretung ber Herste. 5. 2er Gin* 
fitbrnng oon ©d)iebsgeri<ßten (beftebenb gur föälfte aus bei Oranten* 
faffen bcfdjäftigtcn Acrgten unb Vorftanbsmitgiiebern ber fttanfenfaffen) 
mit gcfcßlicßcn Vcfugniffen bei ©treitigfeiten jroifchen bersten unb 
ftranfenfaffen ift im ftranfeuoerficßcmngSgefeßc AuSbrucf 51 t geben. 
6 . ^erfonen, bie ein jährliches Gefammtcinfommen oon über 2000 M. 
haben, bürfeit nicht in ben wranfenfaffen uerftchert fein " 

2>er AuSfcßuß wirb an beit SAimftcr eine Eingabe rießten, er 
möge auf eine Abänberutig beS $ranFctun v rfi(ßeruitgSgcfeßeS im 
2iuue biefer öeitfäßc biitroirFeit. 


2ü6eit$tta<ßwct$ mtb ÄrbeitSPermittelitttg ift ber $itel einer 
©cßrift, bie Ernft ©üntßer §ergog gu ©tßleSmig*$olft ein 
oor einiger 3eit bat im 2)rua erfreuten taffen. gm Vorwort 
ßeißt eS: „3u ben Aufgaben, welcße auf fogialem ©ebiete ber 
fiöfung ßarrett, gebärt eine gwerfmäßige Drcjanifation ber 
Arbeitsoermittelung. 2BaS in biefer Vegießung non ber 
AeicßSoerwaltung unb non ben VunbeSregientttgen in ben Iefeten 
gaßrett gefeßeßen ift, befchränft fi<ß gumeift auf Anregungen, welcße 
nur git' oereingelten lofalen Einridjtungen geführt haben. Eine 
umfaffeube gleichmäßige Regelung beS ArbeitSnacßweifeS fteßt noch 
aus. $DaS Vebürfniß einer foldjen fann einem 3 Iü rifel nitßt unter* 
liegen." 23ie ber Arbeitsnachweis bagegen gu geftalten fei, um 
ben gegenwärtigen Anforberungen gu genügen, barüber Fönnteu 
nicht tbeoretifche Erwägungen, fonbern nur bie praftifeße Erfahrung 
entftfjeiben. 2)eSßalb giebt bie feßr lefenSwertße, anfeßauließ uno 
lebenbig gefeßrtebene Arbeit aueß feine DraanifationSoorfcßläge, 
fonbern eine auf griinblicßen ©tubien berußenbe Ueberficßt ber An* 
regungen unb Verfucße auf betn ©ebiete beS v ArbeitSnacßweifeS, 
unb gwar nidjt nur in 2)eittfcßlan&, fonbern aueß in ben anberen 
tulturlänbern. 2>er SSerfaffer feßließt bie ©cßrift mit folgenben 
2Borten: „©oll ber Arbeitsnachweis lebensfähig erhalten werben, 
fo muß ftreuge llnparteilicßfeit für ißn bie Aornt bilben unb 
feine gortbauer nießt etwa oon eingelnen Veftimmun^en, fonbern 
lebiglicß oon Angebot unb Nachfrage abhängig bletben." llnS 
feßeint biefe gorberuitg am befteit in ben pantätifeßen ArbeitS* 
itacßwcifen, bic bie ©emeinbe unter 3 u 3 ^ßung oon Vertretern ber 
Arbeitgeber unb Arbeiter einrießtet unb oermattet, ißre Erfüllung 
gu futben. Vefanntlicß wiH ein Antrag Aoefi<fe*Va<ßnicfe („©ogiale 
VrajiS" ©p. 802), ber betn AeicßStage oorliegt, biefen gemeinblicßeu 
Arbei1Snad)weiS bureß AeicßSgefeß naeß Analogie ber ©ewerbe* 
geriete einfüßren. — Es ift ungemein erfreuließ, baß eine fo ßoeß* 
gefteflte ^erfönlicßfeit wie ber ftergog ®rnft ©üntßer oon ©cßleSwig* 
fwlftcin, beS ftaiferS ©ißwager, fieß mit regem Eifer ber wichtigen 
grage ber ArbeitSoennittelung annimmt unb bamit feinen ©tanbeS* 
genoffen ein Veifpicl ernfter Arbeit für bie ©ogialrefornt bietet. 

$ie ßage beS beutfeßett ArbeitSmarfteS geigt naeß ben neueften 
Vericßten ber ArbeitSnad)weiS*Verwaltungen eine ©ituation, wie 
fie bisßcr ttoeß niemals beobachtet worben ift. Vei ben 58 Ver* 
waltungen, weldje über ben Vfonat ÜRärg im „ArbeitSmarft" oer* 
gleicßbare 2>aten oeröffentlicßen, famen auf 100 offene ©teilen bies* 
mal nur 89,3 Arbeitfucßcnbe, b. ß. birefter Arb ei lernt an gel! 
ilttb wenn aueß biefeS Verßältniß nur bureß bie weiblicßen Ab* 
tßeilungen in fo ßoßem ©rabe herbeigefüßrt wirb, fo geigen boeß 
aud) bie tnännlicßen Abtßeilungen nur baS äußerft fnappe Ver* 
ßältniß oon 100,5 Arbcitfuchcn 0 ett auf 100 ausgebotene offene 
©teilen (gegen 11 l, s mättnlicße Arbeitfucßcnbe in betn eutfpreeßen* 
ben aueß feßon feßr giittftigeu VJouat beS VorjaßreS). 2>ie äußerft 
angefpaunte Verg* unb §ütteninbuftrie, bie troß aller gegentßeiligen 
©eriidjte in £)cutfrf)lanb im ©roßen unb ©angen feßr lebßaft fort* 
fd)reitenbe Vautßätigfeit, bie gaßlreicßen ©djneiberftrcifs im Ve* 
fleibnitgSgewerbe, fotoie bie Auforberungeu, bie bie Öanbwirtßfcßaft 
an bie ArbeitSnatfpeifc ftellt, ßabett biefeS Grgebniß gegeitigt. gnt 
Eittgelnen weifen im Vergleid) gum VJärg oorigen gaßreS 40 (4- 2 
auSlättb.) eine Abnahme unb nur 14 (+ 2 auSlänb.) eine 3nnaßme 
bes AttbrangeS, toäßrenb bei einem baS Verßältitiß gleich geblieben ift. 


$>a$ ©preeßtoefen ber Stuttgarter Vätfertnututg ßat am 14. April 
gu einer Verßanblung oor bem ©eßöffengerießt in Stuttgart geführt: 
5£er Vorftanb ber Stuttgarter Väcferirtnung Ä. unb ber ©precß* 
meifter ber gnnung, Väcfermeifter ß., fiißlten fieß beleibigt bureß 
einen am 12. 9tooember 1898 in ber „£agmacßt" erfeßienenett 
Vericßt über eine Väcfergeßilfenoerfammlung. gn bem ^Bericht auf 
©runb ber VerfammlungSbebatten war gefagt, bei bem ©precß* 
wefen ber gnnung ßerrfdje eine „ßitntnelfcßreienbe Ausbeutung", 
ber ©preeßmeifter oermittele bie ©teilen naeß ©unft, biefe ©unft 
fei am befteit bureß golbene 2Borte gu erwerben, eS fei feine ©eiten* 
ßeit, baß 10, 15 unb 20 Jt. für eine ©teile begaßlt würben 2 c. 
5)er angeflagte Aebafteur trat in ber ©ericßtSoerßanblung ben 
2BaßrßeitSbemeiS an, ber feßließließ bie Kläger oeranlaßte, bie ^Iage 
gurüefgugießen. Am ©eßluß ber Verßanblung bemerfte ber oor* 
fißenbe Amtsrichter, baS Vefte würbe woßl fein, ben ArbeitS* 
naeßmeis ber Säcfer an bas ftäbtifdje Arbeitsamt an* 
gugliebent. _ 


Moljlfaijrtseinridjtirogeu. 

Sfonfercng ber SfufralptlTe für SrbeitcrvoßlfaßrtSeimiißtiiUflen. Am 

15. unb 16. SDJat ßnbet in Stuttgart bic VIII. Sionfereng ber Enttral* 
fteKe für ArbeiterwoblfahrtSeinricßtmigen ftatt, in ber über bic „giir* 
forge für bas ©äuglingsalter" unb über „bic Grleicßterung ber Ve* 
feßaffung ber Eclbmittcl für bie gemeinnüßige Vautßätigfeit" uerßanbelt 
werben füll, ^ie Aeferate haben übernommen 511 m elften 2 bema Cber* 
mebiginalratb Dr. .^anfer*SlarISrube unb Dr. med. 2aube*2eipgig, gum 
gweiten 3anbcSrati) Vranbts-^üffclborf unb Cberbürgermeiftcr Verf* 
Aiannbciut. — gut Aufdjluß an bie Stonfercng wirb eine ©ißuitg bc* 
AuSfcßuffeS für SSoblfaßrtSpflegc auf bem 2anbe ftattfinben. 

Vefcßäfttguug iuoaltber Eifenbaßubebienfteter tu Preußen, lim 
bie in golge eines VetriebSunfalleS gur Ausübung ißrer bisherigen 
Vefcßäftigung nicht meßr befähigten, fowie bie wegen oorgerüeften 
Alters unb ^erabmiuberung ißrer Kräfte ben Anforbernngen ißrer 
©telluug nießt meßr aewaeßfenen, einer befonberen Veriicffidjtigung 
aber wurbigen Eifenbaßnbebienfteten tßunlicßft in einer anberen, 
ißrer ßeiftungSfäßigfeit entfpredjenben ©teile im Eifenbaßubienfte 
untergubringen, ftnb bie preußifcßeu ©taatsbaßnbireftionen äuge* 
wiefen, naeß bem Vorgänge berSfgl. Eifenbaßnbireftion in VreSlatt 
ben gnfpeftionen unb 2>ienftfteIIen Vefdjäftigungeit gu begeießnen, 
bie auSfcßließlicß ober oorgugSweife folcßeit gnoaliben gu über* 
tragen finb. gerner foUen bie um eine Vefdjäftigung einfomnten* 
ben Eifenbaßninoaliben bei ben Gifenbaßnbireftionen in Ciften auf* 
gegeießnet unb ben gnfpeftionen unter uäßerer Angabe ißrer Ver* 
fjältniffe aHmonatlicß befanntgegebeu werben. Um bie ßifte auf 
bem ßaufeubeu gu erßalteu, ift oon ben gnfpeftionen über bie 
Einteilung folcßer Arbeiter unb über fonftige Veränberungen ben 
Eifeubaßnbireftionen furge Aitgeige gu erftatten. 

herein für bie Berliner Arbeiterfolonie in 1898 2er Verein für bie 
Verliuer Arbeiterfolonie ßat 1898 neu 622 ArbeitSlofc in feine beiben 
Auftalten aufgenommeu, 164 würben abgewiefen, bnooit 14 wegen 
Aiangel an Arbeit, 21 weil in fdjwargcr ßiftc, 20 fogeuanute Kolonie* 
biunmler, 10, bie einen ßößeren Vaarocrbicnft beanfprudjteu (feine C^obe 
wirb nießt angegeben) u. f. w. Weitere 59 traten oor ber Aufnaßme 
freiwillig guriief. 2er niebrigfte 2ageSbcftanb war am 9. SRat, 8 ., 11. 
unb 12. Öftober mit 91 Männern, ber ßöcßfte am 8 . gammr mit 
225 Männern, ©eit bem 1. V?ai 1883 ftnb im Eaugcn 8535 Vtämier 
aufgenommen unb 8336 abgegangen. Arbeitstage waren eS 1898: 
38194, Auße* unb Äranfentage 9443. Von ben 647 im gaßre 1898 
entlaffenen Üoloniften gingen 11 in bie gamilie gurücf, 49 traten bureß 
bie Vermittelung ber ^oTonic, 69 bnrd) eigenes Vemüßen in Arbeit; 
biefe 129, alfo 20% ber Eefammtgaßl, würben in georbnetc Verhält* 
ttiffe gurücfgefüßrt. 2ie 285 auf eigenen SBunfcß aus ber Volonte Oie* 
fd^iebenen (44% ber Eefammtgahl) waren meift nad) längerem Auf* 
enthalt mit ber uötbigen ttleibuug unb ben erforberlicbcn Vaarmittelix 
oerfebcu, fid) nad) einer ArbeitC'fteUung umfebeu gn founeit. Vci 36% 
blieb ber Aufenthalt in ber Anftalt ohne Außen Aaef) bem Vericßi 
hat bic Grfahmng ergeben, baß für bic Äoloniften im Aflgemeiueii ein 
längerer Aufenthalt in ber Anftalt nött)ig ift, um ihnen einen wirffanteii 
Außen gu fefjaffen. 2eshalb miiifen bic um Aufnahme hittenben ArbeitS* 
lofen fid) feit bem Cftober 0 . g. in ber Aegel gu einem Aufenthalte oon 
brei Monaten Derpfticßten. Uns fdjeiut aflerbings and) ber wunbe 
$mift fold;cr Auftalten, baß fie bei ihren bcfcßränftcu SAiiteln bem 
£oloniftcu bic Grübrigung eines ausreichenbeii 3 e hrpfemiigs für bie 
geit nad) Gntlaffung aus ber Anftalt nur bei längerem Aufenthalt 
ermögltdjcn, ber nid)t immer im Vcrhällniß gur aufgewenbeten Arbeit 
eines freien Arbeiters ficht. 2te merflidje Abnahme bes gubrauges 
ber Arbeitslofen gegen bic Vorjahre (1894: 915, 1897: 804, 1898: 622) 
wirb, woßl mit Äedjt, mit bem Aiiffdiwung ber gubuftrie in gu* 
fantmenhang gcbrad)t. 23egcn bes im 23iuter git erwartenbeu ftärfereu 
gubranges wirb fdjoit jet>t um Vcftellungcu auf gerfleinertes ^olg unb 
ftärfere guweifmig 0011 ©direibarbeiten gebeten. 




(Erjiefymtg uni fiübnng. 

Sorbenmis beS gemerbltdjett gortbilbiraßSfdjttlwefettS in $rettßen. 

AIS ein £>auptßinberniß für ben erfolgreichen betrieb bes ftricßenunter* 
ridjts. ait gewerblichen gortbilbungsfcßulen bat fidi ber Mangel au ge* 
eigneten ItntcrricßtSräiimen entliefen. 2er iöiinifter für Raubet unb 
(bewerbe bat besßalb im Einoerftänbniß mit ben SHiiiiftcrn ber ginangen, 
bes Innern unb ber geiftlidjen unb UnterridjtSangelegenbetten bie Ae* 
gicrungspräfibenten crfudjt, auf bie Ecmeinben babin einguwirfen, baß 
i‘ie bei auSgufüßrenben ©(ßnlneubauien non oornherein auch auf bie 
SBebürfniffe ber gortbilbungsfdptlc Aücffidjt nehmen. 

ttifermctfimg in ben ArbcttemtfußeriniQSgcfegcn in ben $ortbÜbnitg8* 
faulen gn Nürnberg. 2er HRaaiftrat befcßloß bie Einführung bes Unter* 
ricßts über bie Arbeiter*VerftcßerungS*©efcßgebung in ben ifnaben- 
gortbilbungSidptlen. 

2ie erfte VolfSuntoerfität in granfreidj. gn fariö bat fid) jüngft* 
bin eine ©efeßfcßaft gur ©ritnbung non VolfSunioerfttälen gebilbet, bie 
fid) ber moralifcßen unb intefleftuefleit Ergießung ber Arbeitcrflaffe 
mibrncn will, uad) bem Veifpiel ber Olcfeßfcßaft, bie in Öonbon feit 
längerer ,'^eit mit großem Erfolge wirft. 2er „grff. 3tg-" wirb ba* 
rüber gefcbrieben: 2ie jungen iieute, bie ließ an bie ©pipe btefcS Unter* ; 
nehmen* gefteüt haben, finb ©tubenten, bie ber eblc SBunfcß bcfeelt, bie 
Arbeiter ben ©efabreu ber ©cbanfen gu entgicbcu unb ihnen ©clegeuljeit 
gur geiftigen gortbilbuug gu geben, gu bem alten gaubourg ©aint* 
Autoinc ift bie erfte biefer Volfsuniocrfitäten eröffnet worben, unb b^r 
mcrben allabenblicb Vorträge über 3Äoral, Riffenfdjaft unb Literatur 
gebalten. 2er Erfolg, ben biefe Vorträge trop ihres? furgen VeftebenS 
erhielten, bat bie Drganifatoren bes Unternehmen* ermutbigt, aus* 
gubebuen unb am 1. Oftober ein ocritablc* Unioerfitätsgebäube im 
gaubourg ©aint-Antoine gu eröffnen mit einem 9Jtufeum, Vortrags* 
fäleu, einer Vibliotbef, einem UnterbaltungS* unb einem Surnfaal, jo* 
inte Vureau;r für mebiginifchc unb juribifcbe töoufultationen. 2aS mirb 
bie erfte VolfSuuiocrfität granfrcicßs merbcn. 

Sojtale 4}i)gtene. 

2er Suberfulofenfötigreß in fBetlist, ber s 3Jiitte 3Rai ftattfinben 
wirb unb gu welkem bie Anmelbungen au$ aßen Sbeilen ber 
©eit außerorbentlicß gasreich erfolgt finb, foß baS bisher auf beut 
(Gebiet ber ©cßroinbfucßtebefämpfung ©eleiftete in fritifd)er 23e* 
Ieucßtung einem größeren 3ntcreffentenfreiS oor Augen führen. 
Aus ben gemeinfamen 23eratbungen toerben roertf)ooßc Anhalts* 
punfte für bie weitere Entwicfelung ber Bewegung gu gewinnen 
fein. 2)iit trefflichen ©orten bot fürgliiß ber Vorfißenbe $ergog 
üon Aatibor oor ben SKitgliebern bes ^Berliner £ofalfomüeS bie 
3iele bes föongreffeS gefenngeießnet, inbem er befonberS ßeroorßob, 
baß bie Vefämpfuncj ber in aße fogialeit Verßältniffe tief ein* 
feßneibenben 5franfßeit ber ©itwirfung aller Greife ber 23eoöIferung 
bcnötßige unb baß es gelte, in ben weiteren ©eßießten Aufflärung 
über ihre ÜWatur unb ißre traurigen ©irfungett gu oerbreiten, um 
banaep in ruhiger, planmäßiger, fieserer Arbeit baS erfebnte 
gu erreichen. 

©attitätSinfpeftortmtcii in Ettglattb. 2)em Söeifpielc ^anebefter^ 
folgenb, b a t ^ er ©emeinberatb oon Sirmingbam befcbloffen, oier 
Jyrauen ala „healtli visitors 4 * angitfteßen. 3b*c Aufgabe .ift bie 
Jsnfpeftion ber ©otmuugen ihrer »egirfe; ben §>au3frauen in ben 
armen Vierteln begüglicb ber Äinberernäbrung unb Äleibung fomie 
beg SReinbalteng ber ©obnräume SRatbfcbläge gu ertbeilen unb über 
bie fanitären 3?erbältniffe Bericht gu erftatten. — 3m ärmften 
Viertel oon Sirminabam wirb in biefent Qrübiabr eine fogial* 
politifd>e grauennieocrlaffung eröffnet, oon ber gleicpfaßS Unter* 
ftiipung ber ^bätigfeit ber „health visitors“ erwartet wirb. 

$a£ erfte Uiolfdbab in iparid wirb bemnäcbft eröffnet werben, ^e* 
fanutlid) blieb granfreid), beffen pbilantbropbif(be Seftrebungen fo man* 
nigfaltige gormeit angenommen bnben, in Errichtung oon bißigen 
'Babeanftalten beträd)tldj hinter anbern Räubern gurüd, wenn auch btc 
grage fchon lange (namentlich oon 3nlc£ 0imon) propagirt worben 
war. 311$ man oor einigen gabicn enblidj gnr 3?erwirflichung fchritt, 
war eg bie $rooing, welche ooranging. 2ie erfte Slnftalt würbe tn 
3?orbeaur errichtet, nach bereu Sftufter auch bie ^arifer 3lnftalt gebaut 
wirb. 2er $reiö beg 2oud)ebabeg incl. Seife ift auf 20 Etg. feftgefept. 
2 ie ^aufapitalien im betrage oon 25 000grcg. würben burdj freiwillige 
Beiträge aufgebracht. 

(6rtt)erbegerid)tt. (Kinigungsämtec. $d)teb?gerttt)tt. 

£ob»öorf4i| alö 2>arleb» aufgnfaffen? 

Ein Beitrag gur gf^9 e 3 u f^änbigfeit ber ©ewerbegeriebte. 

2>a« ©emerbegeriebt S^eumünfter b^i in einer Entfcbeibung 
oom 20. Februar 1899 (abgebrueft im „©ewerbegeriebt" 9?r. 7 oon 

UcrantroorttkQ für bie UebaYtlott: Dr. dm 


1899 83/84) auggefübrt, baß ein oom Arbeitgeber bem Arbeiter 

gcleifteter Soßnoorfcbuß alg Zürich« aufgufaffen fei, unb bat beg* 
halb feine 3nftänbig!eit gur Entfcbeibung über bie bezügliche „oon 
ber SeHagten geltenb gemachte ©egenforberung" auf Sftücfgablung 
eines SoßnoorfcbuffeS — weil nicht auf bem Arbeitserträge be* 
rußenb — oerneini. 

2)iefeS Urteil giebt gu 23eben!en Anlaß. Einmal bürfte es 
feinem 3n>eifel unterliegen, baß auch oor bem ©emerbegeriebt 
©egenforberungeit aus jebern beliebigen SRechtSgrunb oorgebraeßt 
werben fönnen, fofern bieS nur 3taecfS Aufred)nung gefchießt. 
2>enn infoweit begweeft baS ©eltenbrnacßen einer ©egenforberung 
Iebiglicß bie SBefeitigung ber Stlageforberung, nicht aber bie Ser* 
folgung eines felbftftänbiaen AnfprucßeS. 2)aS ©ewerbegerießt 
muß baßer jebe ©egenforoerung facßlicß prüfen, mag ße nun aus 
einem ArbeitSoerßältniß entfprungen fein ober nicht. Erft wenn 
unb foweit bie ©egenforberung im ©ege befonberer ©iberflage 
geltenb gemacht wirb, ift feftgufteßen, ob bas ©ericht für bie Se* 
urtßeilung eines folcßen AnfprucßeS guftänbig ift. 

0b in bem gebaeßten Secßtsftreite ber Anfprud) beS Arbeit* 
eberS auf Erftattung eines ÖoßnoorfchuffeS im ©ege ber ©iber* 
läge uorgebraeßt ift, läßt fieß aus ben mitgetßeilten ©rüttben nießt 
erfeßen. ©elbft wenn bieS aber ber Saß gewefen wäre, hätte baS 
©ewerbegerießt unfereS EracßtenS mit gfug feine 3 u ftänbigfeit 
anneßmen biirfen. 2)enn ber Sobnoorfcßuß wirb nidbt gegaßlt in 
ber Abficßt, ben Arbeiter gur 3uriicfgewäßrung einer entfpredbenben 
Summe gu oerpflicßten — wie es gur Erfüßung beS 2)arleßnS* 
begriffeS crforberlicß wäre (ogl. I, 11 §. 653 A. S.S., §. 607 
S. ©.S.) — oielmeßr wirb er gewährt in ber Erwartung ber 
fünftigen 2>ienftleiftung beS Arbeiters. Er fteßt fuß Iebiglicß 
| als ©egenleiftung für bie oerfproeßene Arbeitsleistung bar. 9fur 
baS ift baS Sefonbere, baß, wäßrenb regelmäßig Stängels be* 
fonberer Abrebe bie Vergütung erft uaeß ßeiftung ber Arbeit gu 
entrichten ift (ogl. 33. ©.53. §. 614), ßier ber Arbeitgeber oor* 
leiftet. 2>er Soßnoorfcßuß ift alfo nießt als 2)arleßn angufeßen, 
er ift oielmeßr bie ßeiftung ober bie 2ßeilleiftung beS 2>ienft* 
berechtigten aus bem 3)ienftoertrage. 

Erfüßt bemnäcßft ber Arbeiter femerfeits ben 2)ienftoertrag 
nießt, fo fann — naeß Sanbrecßt wie naeß SBürgerlicßem ©efep* 
bueß, wenn aueß im Einzelnen abweiißenb — ber Arbeitgeber oom 
Vertrage gurücftreten (A. S.SR. I, 11 §§. 878, 879, 33. ©.23. §§ 325, 
326). Er forbert bann eoentueß Erftattung beS oon ißm bereits 
©eleifteten mit ber 23ertragSflage. (3$gl. A. S.SR. I, 5 §§. 410, 
j 360 ff., 365: bereits bei gufäfliger Unmöglich feit ber Arbeitsteilung 
j ift „baS in Erwartung gegenseitiger Erfüßung ©egebene gurücf* 
j gugeben ober gu oergiiten"; 23. ©.23. §§. 327 unb 346: „bie em* 
i pfangene Seiftung ift guriidgugewäßren"). 2)a eS fieß ßiernaeß um 
| einen Anfprucß aus bem Arbeitsoertrage felbft, unb nießt aus einem 
etwa nebeußerlaufenben 2>arleßnSoertrage ßanbelt, fo ift gemäß 
§. 3 Wr. 2 beS 9i.©. betr. bie ©emerbegerießte bas ©ewerbegerießt 
facßli* guftänbig. 

Semcrft fei hierbei itocß, baß bie fogenannten 23orfcßüfie, 
weld)e bem mit einer größeren Afforbarbeit betrauten Arbeiter aß* 
wöcßentticß gegaßlt gu werben pflegen, in ber SRegel mißt als 
eigentliche SSorfcßußleiftungeu gu betrachten fiitb. gier ßanbelt es 
fieß oielmeßr gumeift nur um oerßältnißmäßige AbfdßlagSgaßlungen 
für ben bereits ßergefteflten Xßeil ber ^hbdt 2)aßer fann ßier 
oon einem befouoeren 2>arleßnSoertrage. erft reeßt nießt bie 
SRebe fein. 

23erlin. Dr. ©ißalßorn. 


Düerarifdie JCnjelgen. 

Anna len bev 2cutfd)en Aeid)S für Eefepgebung, Verwaltung unb 
©tatiftif. ©taatSwtffcnjdjaftlicßc geitfeßrift unb SRaterialicn* 
fammluug. Unter SRitwirfung gaßlrcicher gaeßmänner heraus* 
gegeben oon Dr. Öeorg £urtb unb Dr. 3War o. ©epbel. 9ir. 3 
bis 5. aWüncßen unb 2etpgig 1899, ©. £nrib.' gäßrlicß 12 Riefte. 
Abonnementspreis oierteljäbrlid) 4 M. 

©tatiftifeße VionatSfcßrift. ^erausgegeben oon ber Ä. $. ©tatifti* 
feßen EentraUommiffion. Aeue golge. lll. Jahrgang. Auguft— 
©eptember*.^eft. ©ien 1898, Alfreb ^ölber. 

Annals of the American Academy of political and social Science. 
Vol. XIII. No. 2. March 1899. London, P. S. King & Son. 
Price per Year 6 $, per Number 1 $. 

Sanbsbcrg a. SB. Vericßt bes SRagiftrats über Mc Verwaltung unb 
ben ©tanb ber 01cmeinbe*Angclcgenßeitcn pro 1897/98. 

2>armftabt,‘Voranfdjlag ber §aupt* unb Aeftbcngftabt 2armftabt für 
bas Verwaltungsjaßr oom 1. April 1899/1900. 

t Stande tn Berlin W., »apreut^erftra^e 29. 





799 Soziale $ra£is. ßentralblatt für Süjialpolitif. 9?r. 29. 800 

©te »»Spital* ^rarf*" erfäeint an jebem ©onnerStag unb ift burcfc alle Söucbbanblungen unb Sßoftämter (gJoi'tjeitungönummcr 7072) ju bejiebert. ©er $r«-U 
für ba8 Stertcljabr ift 3W. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 $ßf. ©et Anzeigenpreis ift 60 $f. für bic breigefpaltene ißetitjeife. 


Durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 

Staatseisenbahnen, Staatswasserstrassen 

und 


die deutsche Wirtschaftspolitik. 

Von 


Franz Ulrich. 

— 1898 . Preis 1 Mark. — 


Im „Archiv für Eisenbahnwesen" (1898. Heft 4) 
berichtet A. Wagner über dieses bei den gegen¬ 
wärtigen Verhandlungen des preussischen Landtages 
hochaktuelle Buch: 

„Diese höchst anregende kleine Schrift bringt einen 
Vortrag, welchen der Herr Verfasser, Präsident der Eisenbahn¬ 
direktion in Kassel, auf Wunsch der schlesischen Landwirt¬ 
schaftskammer in dem von dieser veranstalteten Vortrags- j 
zyklus gehalten hat. Der Verfasser ist durch seiue litterarische . 
Thätigkeit auf dem Gebiet der Verkehrs-, besonders der | 
Eisenbahnfragen weit über den Kreis seiner hervorragenden | 
amtlichen praktischen Stellung hinaus rühmlich bekannt. Ich j 
erinnere nur an seine vortreffliche Schrift „Staffeltarife und 
Wasserstrassen“. Die neue kleine Schrift bewegt sich in 
dem Gedankengang, welcher schon in der oben genannten 
hervorgetreten war. Sic führt die Fragen aber weiter und 
gelangt dabei zu einer einschneidenden, prinzipiell wie praktisch 
gleich bedeutsamen Erörterung und Entscheidung hochwichtiger 
Probleme. . . .“ I 


Jnd weiter berichtet P. F. lvupka in der „Gester¬ 
reich isehen Eisenbahnzeitung” (XXL Jahrgang 
No. 15): 

„Der Verfasser kommt zu dem Schluss, dass die 
Frachtermässigung auf den Wasserstrassen in erster Linie 
dem Auslande und der ausländischen Einfuhr zu Gute 
komme. Deutschlands grosse Ströme dienen dem Einfuhr¬ 
verkehr, vereiteln die Wirkung der Getreidezölle und ver¬ 
schärfen die Notlage der inländischen Landwirtschaft: die 
Einfuhr ausländischer Produkte der Land- und Forstwirt¬ 
schaft erfolgt fast ausschliesslich auf den Wasser¬ 
strassen. Das ausländische Getreide benutzt die Wasser¬ 
strassen, das inländische von dem fernen Osten fast aus¬ 
schliesslich die Eisenbahn, was also einem Differentialtarif zu 
Gunsten des Auslandes gleichkommt. Deutschland solle die 
durch internationale Verträge behinderte freie Verfügung über 
seine Ströme Rhein und Elbe rückverlaugen, uui anstatt der 
jetzigen internationalen eine nationale Verkehrspolitik 
betreiben zu können. . . 




Verlag Der Ärbeiter-fierlxirguug. 31. $£ro£djd in 23erliu W. 

<Pie Ifr&rtttt^Erfatgung 

(üeniralaraan 

für baS gefamtc 

graniten-, Unfall-, 3unnliiiitäts- n. ptrs-gerfirijernngsnirftn im frntfdjrn ßeid)e. 

©erauSgegebcn von 

Dr. jur. p. fjonigmaitn. 

©ie „Arbeiter=3krforgung" erfdjeint monat(itf) breimal. 2er AbonnementSpreiS 
beträgt 12 2)?arf jährlich, auSfd)lie&Ud) $orto. HoHftänbige Jahrgänge werben einzeln 
junt greife von 14 Sttarf, bie Jahrgänge I—XIV aufammen ju bem ermäßigten greife 
non 98 9ftarf, in Crigiualbanb gebiinben ju 120 3J?arf abgegeben. 

Aus bem onbalte ber regten ©efte finb folgeube Abbanblungeu beruorjubeben: 

Äranfbeitöuevbütmig^üoridiriTtcn l©itfe). — 2ie SJedjtSftellimg ber Olcnteinbeu unb 
Armenvcrbänbe gegenüber ben Crgancn ber Arbeiterverficberung. — 2aS Warfen* 
(i)ftent. — 2ic llrjadjeii ber ISriuerbsuufäljigfeit nach bem £taualtbität$« unb Alters- 
uetficberungsgcfcb. — Uebcrficbt über beginn unb 'BegfaU ber in bett fahren 1891 bis 
1897 fcftgcfe^tcn Smmliben* unb Altersrenten. — SJeitragSpflirfjt ber ©aiiSgcivcrbc* 
treibenbeu. — 2as Suoalibcnoerfnhcruugsgcicb. (ftranfeuberg, Aitib, OJebharb). — 2as 
9ted)t auf SSicbcrbolung von ouvalibeu» unb AltcrSrcntcuan trägen (Seelmann). 


■ 


Verlag non Vutuher & Ijnmblol 

in Ceipjig: 


JPIV 

^rbfitmier|idjmittg 

in ben 

©Hrapätfdjen Staaten. 


<®. ßöMkrr. 

— $retö 7 3 ». — 


iddjsfetfuljErunösgcttöEliHi. 

Bon 

a. IJöÖiher. 

- $reiS * 3». 60 - 



Jttlirlmdj für OMeligdmug, JfenmtUuttg unb 

im gUMtfdj*** 

§ci abgegeben von S*d)JUOUcr. 

- X X 111. A a l) r g a n g , ;> m e i t c s © c f t. reis 8 3» a r f. ---— 

oiihalt: 2ie im engeren Sinne focialc ttriminalfiatiftif als Statiftit ber 91ed)tsgüterverletmugen. $on arI Seutcmann. — lieber bas 
bcntidic Wclbivefen im Äriegsfali. Bon 3»orij ©troll. (Sdjlufsartifel.) — 2ic obligatorifdje Mranfcnvctftdjerung ber ©aus* 
iiibujtrtellcn. £*on C*. Steigert. — ©cutfditanbs lanbivirtfchaftlicber betrieb nad) ben (Srgebniffen ber mit ber Berufs® uitb ÜJcivcrbe* 
jäljluug v ont' 15. >ni 1895 vcrbuubcncn lanbroirtidjaftlidjcn Aufnahme. t*ou ^aul ttollmaiui. — 2te lvirtfdjaftlitfjC i’agc auf 
Sarbtuiru. 2?on 3»aj:imiliait ISlaar. (Snttvicfluug unb gegenwärtige Crganifation ber englifcbcu Jvabriünfpcftion. Bon geleite 
Simon. — 2ic $ebcutung non Süb=$?raftlicn für bic beutfdjc ftolouifatiou. Bon arl 58a11ob. — 2>ic Orgauifation beS grentbbanbcls 
in (5l)ind. Vortrag non ©ermann ©^umacber. — Vebcnsuerfüberung, Äapitalocrftdjcrung unb bie Iänblidie ^euölferung unter oor= 
jugsmeifer ^erücfpdjtigung bes mittleren unb Heineren ©nuibbcfi^es Der ^roninj 33raubettburg. $on ©aus 0)raubte. — £itteratur. 

_ — 15frnntroocllit1) mt otc aiiicigcn: .&eUmuttj ©eibel, ßetpiig. - «erlag oou SJuncfcr & ^umblot, Scipjtg. - öcbrutfl bei gultu« Sittenfetb, Scrlin. 










Vin. frtjrgimg. 


ffierlin, ben 27. Jlpril 1899. 


Hummer 30. 


SoRctlc prajris. 

denfrafbCctft für ^ogiafpofifiR 

mit bet SBonaiSbeilage: 

Vas ©ewerfcegerichk 

©rgan öes Derbanfces t>eutfd)er (Beteerbegeridjte. 

Bcuc golge ber „Blätter für fogtate BraytS" unb beS „Soaialpolitifdjen ©eutralblntts*. 

ffrfticint an Jrtcm ^>CCQUSgcber: 9rei3 fcierieliftftrlig 2 IR. 60 $f. 

IRebaftton: Berlin W., Bapveutberftrajje 29. Df« (Itllfl «fttUldtt* ©erlag bon ©unefer & £>umblot, Celp 3 ig. 


3tthitlt 


y(rbeiiSnacb»ei8. Bon Dr. jur. 
Bicbarb greunb, Borftfcenber 
bcö Berbanbefl beutj^er MrbeitS* 
nachmeije, ©erlin.802 

KlflcnrtneCosial« unb fBirtbfftaft*' 
poltttl.808 

9Reid)8tafl«berbanblunflen 

bie ©ewerbeorbnungSnooelle. 
©ie internationale Bereinigung für 
Ärbefterfcbufe unb bie Sojiaibemo* 
fratie. 

ßulnffung ber grauen ju ben mebi» 
3 inijcben Prüfungen in ©eutfcblanb. 
ftfitforge für 3lrbeit8lofe in Breu&en. 
©in ÖIrcbiü ber parlamentcmfcben ©o» 
fumente ber britten Bcpublif in 
Baris. 

iMwsstle •oftintyolittf ... 812 

GtftMiföe SRietbSräume für Dbbacb» 
lofe in SRagbeburg. 

©ie SlrbeitSlofenfrage in ©ent. 
grorberung ber Beigem elnblicbung beS 
SdbanlroefenS in ©ro&britannien. 

©ie kommunale Sttafjenbabn»Bet» 
malhing in Sonbon. 

§air 2Bage8 in öffentlichen Beiträgen 
in Schottland 

Vfb( tterbemegmiQ.813 

Ärbeiterfefretariat Nürnberg 1898. 
Beue Ülrbeiterfefretariate. 

©ie 2Beberftretf« in Krefelb unb in 
Beidjenbacb in Sdjlefien. 

©er ©emerfoerein ber ©eutfeben SRa* 
fdjinenbau* unb Metallarbeiter. 
Sobnbeioegung in ber belgifdjen 
jtobleninbuftrie. 

©ie 9Raffen»2lu8manberung italienif^er 
'Arbeiter. 

6. Kongreß beS banifeben Metall¬ 
arbeiter BerbanbeS. 

3ur ©ifenbabnetbewegung in grianf* 
reich. 

ttrtxiterfdv*.817 

3abre8beri^t be8 gabrifinfpeftorö im 
gürftentbum Scbmarabutg * Bubol» 
ftabt für 1898. 

Bormen für bie ©ienftjeit ber ©tragen* 
babn - AngefteUten im Königreich 
©aebfen. 

ffabrifinfpeftion unb SlrbeitSoeibält» 
niffe in Ungarn. 


fUfteitcrferftdientiia. ®par taffen 819 

©ie ©rganifation ber getoerb» 
lieben Unfallöerficberung in 
ftranfrelcb. Bon ft. Schott» 
höfer, Baris. 

Befcblüffe be8 beutfeben SlerjtetagcS 
3 U ben Berft^erungSgefeben. 

©ie obligatorifcbe Kranfenberficbetung 
ber ^pauöinbnftrietlen. 

©er BerbanbStag ber beutfeben ©e» 
rufSgenoffenfcbaften. 
ßur Umgeftaltung ber Berftcberung8* 
gefefce für bie Seeleute. 

©ie SIMrTung beS Arbeiter »Unfall» 
entfcbabigungSgefebe« in ©nglanb. 

«vfreittnafttoti* .823 

©er genteinblicbe SlrbeitSnacbmetS unb 
bie organifirten Arbeiter. 

©töbtifeber ®rbeit8na<bmeiS in ©ng» 
lanb. 

fBoblfabrtSetitricMmtgeii .... 824 
©efebenfe unb Stiftungen an Arbeiter 
unb an bie unbemittelten BolfSflaffen. 
©er ©entraloorftanb beutf eher Arbeitet» 
folonien. 

CBobmtngttocfen .825 

©obenpolitit in Kiautfcbou. 
Bon Dr. ©aul Boigt, ©erlin. 
Betbefferung ber 2Bobnung8beri)ält* 
niffe oon Arbeitern in preufeifeben 
Staatsbetrieben. 

Bürnberger SBobnungflpolitif. 
Ueberböllerte ffiobnungen in ©refilau. 
SRinberung ber SSobnungSnotb bureb 
©auoereine. 

AberS’fcbe StfobnungSftiftung in ©iiffel» 
borf. 

Arbeitermobnungen in ©ent. 

©oktale fcbgtene.829 

SWebiainalreform unb preufcifcbeS Ab* 
georbnctenbouS; Stabtürjte. 

©etoerbegeriäte. ©inlgimgSämter. 
SdricbSgertdltc .829 

Beilegung öon ArbcitSftreitigfeiten auf 
©runb ber „BerföbnungSafte" in 
©nglanb. 

©inigungSamter unb ScbiebSgericbt 
in Beufeelanb 1897,98. 

Atterarifii Ädrigen ...... 830 


Abbrud fämmtlicber Artilel ift Beitungen unb ßeitfebriften geftattet, febodb nur 
mit boHer Quellenangabe. 


Ärbeitenadjads. 


©ine ber wiebtigften fo^talpolitifd^ert Hufgaben bitbet bie Dr* 
ganifirung beS HrbeitSnadiroeifeS. ®er HrbeitönacBroeiö ift bie 
SBermittlungSftelle jnjif^en Hrbeit^angebot unb Hrbeitänaifyfrage; 
er bringt bie Hngebote ber Arbeitgeber gur Sfeimtrife ber Arbeit* 
futbenben unb bie Arbeüfuibenben jur ^enntnife ber Arbeitgeber. 
3e uottfommener ber Arbeit§nacf)roeiS organifirt ift, befto mehr 
roäibft bie Möglidjfeit, für bie Arbeitgeber geeignete Arbeitskräfte, 
für bie Arbeit)ud)enben geeignete Arbeitsstellen $u finben. ©er 
ArbeitSnacbroeiS febafft gunäcbft nid)t mehr Arbeit als tbat[ä(bli<b 
uorbanben ift, aber babureb, bafc er bie Möglicbfeit ber 23efebuug 
oafanter ArbeitSftellen aufs §öcbfte fteigert, bient er in eminenter 
SSeife gur ©efänipfung ber ArbeitSlofigfeit. ©er ArbeitSnacbroeiS 
ift aber auch befähigt, mehr Arbeit $u febaffen. SRandje Aus* 
bebnung eines Betriebes, manibe 9ieueinriibtung eines Betriebes 
fibeitert an ber ©<btt>ierig!eit in ber Befdjaffung uon Arbeitern: 
mit ber Ueberficbt über bie oerfügbaren freien ArbeitS* 
fräfte roäibft bemnaib bie 9)tögii<bfeit ber Schaffung 
uon Arbeitsgelegenheit. Aus biefen ©eficbtSpunften ergiebt 
fid) bie arofee oolfSroirtbfcböftlitbe Bebeutung ber ArbeitS* 
nacbmeisfrage, baS beroorragenbe öffentliche Sntereffe an ber 
Söfung berfelben. ©eSbalb ift bie Anrubi mancher Arbeitgeber* 
freife, bie Drganirirung beS ArbeitSnacbroeifeS fei lebiglicb ihre 
^rioatangelegenbeit, um bie fid) ^iemanb roeiter gu fümmern höbe, 
als un^utreffenb unb auf Benennung ber roeiteren Bebeutung ber 
Örage berubenb, jurücf^uroeifen. 

©ie ArbeitSoermittlung oollsiebt Tub gegenwärtig in ben oer* 
febiebenften ^formen. Als primitiofte aber noch febr weit oer 
breitete 3orm ift gu nennen bie „Umfcbau" b. b- baS birefte 
Auffucben ber Arbeitsstätten bureb bie Arbeitnehmer jroeefs 9£acb* 
frage nach Arbeit, ©ie „Umfcbau" oo^iebt fidb interlofal bureb 
„2Banbern" oon Drt gu Drt unb lofal, bureb Auffucben ber 
einzelnen ArbeitSfteüen. ©ie Umfcbau ift befonberS oerbreitet im 
Baugeroerbe, auf .sjafen*, Ablabe*, £>olj* unb ^oblenpläben, in 
Grubenbetrieben, in grofeinbuftriellen Betrieben. Sie finbet fteb 
neben bem organifirten ArbeitSnacbroeife in atten geroerblicben unb 
inbuftriellen Betrieben. Mit ber AuSbiibung unb Beroollfommnung 
beS organifirten ArbeitSnacbroeifeS febroinbet aHerbingS ihr Umfang. 
BefonberS ftarf oerbreitet ift bie Umfcbau auch in allen gabrifbetrieben, 
in benen weibliche ^erfonen befebäftigt werben, ©ie Umfcbau ift 
nur ein böcbft unoollfommener ©rfafc für ben organifirten ArbeitS* 
nacbweiS, neben ihm bat fie feine Gfiftenjberecbtigung. 
©ie Umfcbau bebeutet für bie Arbeiter eine Bergeubutig an 3«it, 
traft unb Gelb, fie wirft auch inSbefonbere bei weiblichen Sßerfonen 
bemoralifirenb, fie bringt fie oielfacb in Abbängigfeit oon unter* 
georbneten Beamten beS Betriebes, inSbefonbere fpielt bi cr ber 
„Sfabrifportier" eine grofee Spotte, gür bie Arbeitgeber mu& bie 
Umfebau, mag fie auch in manchen gälten febr bequem fein, boeb 
unerroütifcbt fein; ben keinen Arbeitgeber betäftigt fie in b°b^m 
s JWaf}e, für ben größeren Arbeitgeber bringt baS Auffucben ber 
BetriebSftätte burct) frembe, nicht 311 m Betriebe gehörige Sßerfonen 
3 um Minbeften Unßuträglid^feiten. Bkber Arbeitgeber noch Arbeit* 















803 


Sogiale $ra$i$. Eentralblatt für Sogialpoltiit. Vr. 30. 


804 


nehmer erhalten eine genügenbe Heberficht über ben ArbeitSmarft, für 
beibe X^eile geht bic AuSfi^ßt auf beftmögliche Erfüllung ifjrcö ©efudte 
oerlorcn. $agu fotnmtnoch ein nicht unerhebliches öffentliches 3ntereffe. 

Abgefehen oon ber burch baS £>erutnoagiren ber Arbeiter 
immerhin beeinträchtigten öffentlichen Örbnung unb (Sicherheit — 
roie mancher Arbeiter oerirrt fid), erfchöpft non ber ©anberung in 
bie Sd)anfroirtbf<haft, bie er nicht mehr nüchtern oerläßt,’ wie mandhe 
Arbeiterin geräth bei ihren ©aitbcrungen auf Abwege — macht 
bie Hmfchau eine unter oerfchiebenen ©efichtspunften im öffentlichen 
3ntereffe gebotene Auswahl unter ben Arbeitfudjenben unmöglich- 
£ic auf bem ©ege ber Hmfchau fich oollgtehenbe Ein* 
ftellung oon Arbeitern begünftigt im hbchften Viaße 
bie ungemeffene, planlofe Abroanberung ber Arbeiter 
inSbefonbere nach ben großen Stabten, fiebrigere ßohn* 
forberitngen machen bie Annahme fold)er gugiehenben Arbeitskräfte 
für ben Arbeitgeber erroünfeht, roährenb beffere ober gleichquali* 
figirte einheimifche ArbeitSfräfte brach liegen, gür ben Arbeit« 
geber mag bie UeberfüHung beS ArbeitSmarfteS, bie hi^burdb ge« 
fchaffene größere Auswahl, baS §ernntergehen beS ßohnfaßeS 
nicht unerroiinfeht fein. Einern berartigeit einfeitigen egoiftifchen 
3ntereffenten«Stanbpunft roürbe aber baS höhere öffentliche 3nter* 
effe entgegenftehen — an bem fchließlid) ber Arbeitgeber nicht 
minber betheiligt ift —, welches gegen bie Anhäufung oon arbeite« 
Iofen Elementen mit allen fn^burcf) erroachfenben Vathtfjeilen unb 
gegen bie ungemeffene Abroanberung ber Arbeiter nach ben großen 
Stäbten gerichtet ift. 2>iefe Ab« begw. 3uwanberung muß auf baS 
richtige Viaß, bem Vebürfitiß entlprecßenb, gurüefgeführt roerben. 
3eber wahrhafte unb unbebingte Anhänger ber Jre^ügigfeit, jeber, 
ber bieö $allabiunt ber Erwerbsfreiheit nicht antaften laffett will, muß 
fich ouf biefen Stanbpunft ftellen; benn es ift bie (Gefahr oorßanben, 
baß bie hier berührten Hebelftänbe fo groß roerben, baß eS ben Seinben 
ber Öreijügigfeit nicht fchroer fein roirb, biefelbe gu ftürgen. 

Hier ©anbei fd^affen fann aber nur eine oollfommene 
totale unb interlofale Drganifirung beS ArbeitSnach* 
weifeS. galten bie Arbeitgeber baran feft, Arbeiter nur burch 
Vermitteluna beS ArbeitSnad)roeifeS eingufteÜen, bann ftnb alle 
Arbeitfuchenben genötljigt, fid) an ben Arbeitsnachweis gu roenben, 
ber bann nach ben obroaltenbeit Verljältmffen feine ^Maßnahmen 
treffen fann: Sei gleicher Ouatififation roirb man Einheintifd)c, 
Angefeffette, oor 3 u 5i e henbcn, 5BerI>eirathete mit großem Minber« 
fegen oor linoerheiratheten unb ftinberlofen beoorgugen fönnen. 
$>urd) möglichft auSgebeljnte Veröffentlichung ber ßaae beS Arbeite« 
marfteS, b. h- ber 3 a b^n über Arbeitsangebote, Arbeitenachfragen 
unb nicht gur Vefeßung gelangenbe Stetten, roirb ber planlofen 
3uroanberung, roelchemeift aus Hnfenntniß über bieEßancen 
ber Erhaltung oon Arbeitszeiten gefchieht, am roirffamften 
begegnet roerben fönnen, burch bie interlofale Arbeiteoermittelung, 
burch bie ftänbige Verbinbung mit ben Arbeitenadjweifett anberer 
Orte roirb bie Abftoßung überfd>üffiger arbeitelofer Arbeitefräfte 
erreicht roerben fönnen. SDiefer ftänbige interlofale Verfeßr roirb 
aber auch anbererfeite jeher 3^it etroa oorhanbenen Mangel an 
Arbeitern befeitigen fönnen, fo baß bann ber 3^sug ben Ve* 
bürfniffen entfpredjenb geregelt roirb. 

Eine groeite gorm ber Arbeiteoermittelung bilbet baS 3nferiren 
in öffentlichen Vlättern. Es hobelt fich hier natürlich nur 
um Arbeiteftellen für geroerbliche Arbeiter, nicht um höhere Arbeite« 
ftellen mit befonberen Cualififationen. Ebenfo roie bie Hmfchau 
fteüt bas 3nferiren nur einen gang ungenügenben Votßbehelf bar 
unb ift neben bem organifirten Arbeitsnachweis burchauS entbehr« 
lieh- Sö* ben Arbeitgeber ift baS 3nferiren mit nicht unerheblichen 
Soften oerbunben, beS ©eiteren mit Verluft an 3eit unb enblich 
mit großen Verfügungen. Auf ein 3«ferat melben fich $unberte 
oon ^erfonen, uni) eS ftnb mir Säfle befannt geworben, roo bie 
Voligci gutn Einfdbreiten genöthigt war. Sü* ben Arbeitnehmer 
fomint in erftcr ßinie ber 3^itoerluft in Vetrad)t, ber burch baS 
oergebliche Auffuchen ber Arbeiteftellen entließt. AHeS in Allem: 
eine unglaubliche Vergeubung an 3 e ^/ Arbeitskraft unb ©elb. 
Viatt ocrgleiche hiermit bie einfachen Sonnen, in beiten fich bie 
Arbeiteoermittelung burch ben organifirten Arbeitenachtoeis ooܫ 
gießt: ein telephonifcher Anruf genügt, um innerhalb ber fiirgeften 
3eit bie Arbeitefraft gu erhalten. 

$>ie eigentliche Arbeiteoerntittlung gefchieht burd) bie ge« 
werbSmäßtg betriebenen ArbeitSnacßwetfe, burch bie Arbeitenacß* 
weife oon Arbeitgeber« unb Arb eit ne hm er« Vereinigungen unb 
burch bie allgemeinen öffentlichen ArbeitSnachmeife oon Kommunen 
unb gemeinnüßigen Vereinen. 

^er gewerbsmäßige ArbeitSnachmeiS hat für bie grofee 2Kaffe 
ber gewerblichen Arbeiter nicht bie Vebeutung, welche man ihm 


oielfach gufd^reibt. Er beherrfcht nur wenige Arbeitsgebiete, fo 
bas EtoftroirthSgeroerbe, bie lanbroirthfchaftlichen Vetriebe beit 
SchiffahrtSbetrieb unb bie ©ienftbotenoermittlung. |)ier geitigt 
er aber oielfach bie fchmerften üDHfjftänbe. Vet bem 
Vetrieb beS gewerbsmäßigen ArbeitSnachweifeS ift faft aus« 
fchließlidj baS perfönlictje auf Eeroinn gerid)tete 3ntereffe beS 
Vermittlers maßgebenb, bem ftch alle fonftiaen Sntereffen unter* 
orbnen ntüffen. daraus ergeben fich 00n fclbft alle mit biefer Art 
ber Vermittlung oerbunbenett $ad)theile. 3 e nachbent auf bem 
Arbeitentarft baS Arbeitsangebot ober bie Vachfrage tiberroiegt, 
müffen bie Arbeitgeber ober bie Arbeitnehmer bie Xafchen ber Ver* 
mittler füllen. 3nt Eaftroirtf)Sgeroerbe finb es bie Arbeitnehmer, 
im lanbroirthf<haftiid)ttt Vetriebe bie Arbeitgeber. $>er Vermittler 
hat in beiben Sailen ein großes 3ntereffe am Stellenroechfel unb 
begünftigt betreiben auf jebe Art. $>ie 3 UTOe ifung oon Arbeit 
burch bte Vermittler gefchieht oielfach nicht unparteilich unb unter 
gerechter Abwägung aller in Vetracht fotnmenben 3atereffen, fonbern 
mit Vücfficht auf bie £>öße ber Vermittlungsgebühr. ^)er Arbeit* 
nehuter, welcher ben höchftett ©eroinn bietet, hat bie größte Eßance 
für bie 3ameifung oon Arbeit; ein foldjeS Verfahren fchäbigt aber 
in gleicher ©eife bte fotifurirenben Arbeitnehmer unb bie Arbeitgeber. 

Auch ber gewerbsmäßige Arbeitsnachweis ift nur ein Voth* 
behelf, feine AuSbilbung unb Verbreitung tonnte nur erfolgen roegen 
VJangel an anberen geeigneten Einrichtungen, unb fo ift eS ffar, 
baß mit ber Ausbreitung unb Verallgemeinerung beS unparteiifchen 
allgemeinen öffentlichen ArbeitSnachweifeS oon felbft ber Vicbergang 
beS gewerbsmäßigen ArbeitSnachweifeS oerbunben fein roirb. 3n 
ber S)ienftbotenoermittlung haben bereite zahlreiche fommunale 
unb Vereins * ArbeitSnachmeife ber gewerbsmäßigen Vermittlung 
erfolgreiche ftotiftirreitg gemadjt, in ber lanbroirthfchaftlichen Arbeite* 
oernuttlung greifen bie neuerbingS aller Drtett errichteten ArbeitS* 
nachmeife Der ßanbroirthfehaftefammern, welche mit ben allgemeinen 
Arbeitettachroeifeit oielfad) in EefchäftSoerbinbung ftehen, fräflig 
ein, unb im ©aftwirthSgewerbe bahnen fid) gegenwärtig Veftrebungen 
an, welche auf Errichtung oon unparteiifd)cn paritätifchen Sach* 
arbeiteitachmeifen gerichtet ftnb. galten alle biefe Veftrebungen an, 
roerben fte befonberS oon ben Arbeitgebern fräftig unterftüfct, fo ift 
gu hoffen, baß bie Vebeutung beS gewerbsmäßigen ArbeitSnadj* 
roeifeS halb oöttig hetabgebriiat fein roirb. 

$>ie Arbeitgeber« unb Arbeitnehmer«ArbeitSnad)meife 
in ihrer gegenfäßlichett Stellung gu einanber bieten ein wenig er* 
freuüdjeS Vilb. Veibe ArbeitSnad)roeife oerfolgett Sonberintereffen: 
bic Arbeitgeber bettußen ihren Arbeitsnachweis als Mittel, unt agi* 
tatorifche Elemente aus ihren ^Betrieben fernzuhalten, ben Arbett* 
nehmern ift ber ArbeitSnadiweiS ein roid)tigeS £uilfSutitiel im 
Kampfe utn beffere ArbeitSbebittgungen. ^)ie Abeitnehmer befet)ben 
aufs Schärffte bic Arbeitgcber*Vachweife unb bie Arbeitgeber bie 
Arbeititehmer«Vad)roeife, unb fo bietet ber Stampf um bic Dbcrhanb 
auf biefettt ©ebiete einen fwuptpunft in ben gewerblichen Kämpfen 
ber ©egenwart, bie Srage beS ArbeitSnad)weifeS bilbet eine ftänbige 
Vubrif itt ben „Sömerungen" ber Arbeiter. 3n einem ber größten 
gewerblichen Kämpfe, betn Verlitter Vierbopfott, welcher burch meine 
Vermittlung beigelegt würbe, war bic SnebenSbafiS bie Drgattifirung 
beS ArbeitSnachweifeS, bei bem Verliner Sormerftreif, bei bem Streif 
in ben Verliner Schuhfabrifeit, bei bem Hamburger Hafenarbeiter* 
ftreif, bei bem in ber Entroicflung begriffenen Väcferftreif, überall 
ftellte ber Arbeitsnachweis einen Hanptftreitpunft. ©ürbe biefer 
Streitpunft aus ben Arbeiterfämpfen befeitigt, fo 
wäre barnit ein bebeutfamer Scf)ritt auf bent ©ege guttt 
fogialett Stieben gethan. 

Es liegt nahe, ben ©egenfaß gwifchen bett beiben Arten bei* 
ArbeilSttachweife baburd) gu befeitigen, baß man bie ArbeitSnachmeife 
ber gemeittfdja ftlichen ßeitung beiber ^Parteien auoer* 
traut, tiefer ©ebanfe fittbet eine wefentliche Stiiße in ber Sorm 
beS ArbeitSitadjweifeS, wie er fid) gegenwärtig als leßteS ©lieb in 
ber Entroicfelung biefer wichtigen Srage S^igt: in ben allge* 
meinen öffentlichen fotnittunalen unb VcrcinS*ArbcitS = 
nach weifen. Vewegung für bie Errid)tung fonttttunaler 

Arbeitettachweifc nal)nt ihren AuSgangSpunft oon bem fogialett 
Kongreß, welchen baS S^ie beutfehe Hochftift im Dftober 1893 
ocranftaltete. Vorbereitet würbe bie Vewegung burch bie älteren 
VereinS*ArbcitSnachweife. So hatte ich fdjon int 3al)« 1892 in bent 
©efd)äftsberid)t beS unter meinem Vorfißc ftel)cnben EentraloereinS 
für ArbeitSnad)weiS eine ausführliche Schilberuug ber Verliner 
Drganifation gegeben unb biefen Vcridjt an alle größeren Stabte 
®eutfd)lanbs mit bent Erfud)cn gefaubt, ber S r age beS ArbeitS* 
nachroeifes bie oollfte Aufmerffamfeit guguwenben, eine Anregung, 
bic auf feßr fntdjtbaren Vobett fiel. 3» biefelbe 3^* fiel bie Ein* 




805 


Sogiale Prajis. Eentralblatt für ©ogialpolitil. Br. 30. 


806 


füßrung ber ©ewerbegericßte, bic in ißrer paritätischen Organik 
fation unb in ißrer Dßätigfeit, bic ißnen einen tiefen (Sinblicf 
in bie Arbeiteroerhältniffe gewährte, einen trefflichen 0tüßpunft für 
bie neue Bewegung Bilbete. (Sine weitere fräftige tjförberung er* 
fußr bie Bewegung burd) baS unmittelbare (Singreifen ber Begie* 
rungcn, inSbefonbere burd) ben befannten Erlaß ber Breußifchen 
Blinifter für £>anbel unb ©ewerbe unb beS Snnern oom 31.3uli 1894, 
woburcß gur Errichtung non allgemeinen ArbeitSnacßweifen bringenb 
aufgeforbert mürbe. Die Bewegung h a * Bis gutn heutigen Sage 
mächtige Fortfcßritte gemalt unb fie nimmt mit ungefcßmächter 
Kraft tßren Fortgang. Bis jeßt finb, foweit mir Begannt geworben, 
in Deutfcßlanb 114 allgemeine ArbeitSnacßweife gur Einrichtung ge* 
langt, oon benen ber größte Dßeil in bem Berbanb beutfeßer 
ArbeitSnachmeife, ber im Frühjahr 1898 errietet würbe, oer* 
einigt ift. Am fräftigften ift bie Bewegung in 0übbeutfdjlanb 
gum Durchbruch gefommen, insbefonbere in Bauern, SßürttemBerg 
unb Baben, wo nicht nur bie EingeI*Drganifation ber ArbeitSnacß* 
weife, fonbern auch ißre planmäßige Berbinbung unter* 
einanber unter guni ^^eit weitgreifenber Blitmirfung ber 0taatS* 
regieruitg burcßgebilbet ift. 

Die ©runbpriitgipien ber allgemeinen ArbeitSnacßweife finb: bie 
unparteiifcße gemeinnüßige©efthäftSführung, bie Koftenlofigfeit — bie 
Erhebung oon geringen Einfcßreibegebübren, bie ben Eßarafter einer 
Kontrolgebüßr tragen, fteßt bem nicht entgegen*)—unb bie Blitmirfung 
oon Bertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer Beiber Berwaltung. 

Die ^aupttßätigfeit ber allgemeinen ArbeitSnacßweife erftrecft 
ficf) gunäcßft naturgemäß auf bie Bermittelung ungelernter Arbeiter, 
weil hier baS Beburfniß für eine geregelte ArbeitSoermittelung — 
Mangels anberer Einrichtungen — am ftärfften war. Die weitere 
Ausbreitung ber Dßätigfeit oer allgemeinen ArbeitSnacßweife ins* 
befonbere auf Facharbeiter ^ängt gum größten Dßeil baoon ab, ob 
für ben gad^ArbeitSnachmeiS ftarfe fonfurrirenbe Einrichtungen 
oorßanben finb, unb hier fomrnen in erfter ßinie bie ArbeitS* 
naeßmeife ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer für bie ein* 
gelnen ©ewerbe in Betragt. Das BeftreBen ber allgemeinen 
ArbeitSnachmeife Bei ihrer Beformarbeit, bie Uebelftänbe, welche fid), 
wie oben erörtert, aus ber gegenfäßlicßen Stellung ber Arbeit* 
geber* unb Arbeitnehmer * ArbeitSnachmeife entmicfelt hatten, gu 
beteiligen, führte naturgemäß gu Berhanblungen mit ben fraglichen 
Einrichtungen Begw. ben Bereinigungen ber 3**tereffenten über ben 
möglichen Anfcßluß beS Fa<h*ArbeitSnacßmeifeS an ben 
allgemeinen Arbeitsnachweis. Damit ift bie Entmicfelung 
ber ArbeitSnacßmeiS*Frage in eine neue, in bie wichtigste Pßafe 
getreten. Die Frage, in welcher SSeife eine BerBinbung beS Fach* 
ArbeitSnadjmeifeS mit bem allgemeinen ArbeitSnachmeife erfolgen 
fofl, muß je nach ben örtlichen Berßältniffen oerfcßieben Beantwortet 
werben: es fommt wefentlid) auf ben Umfang beS betreffenben 
©ewerbeS an bem 0iß beS allgemeinen Arbeitsnachweis, auf ben 
Umfang ber ArbeitSoermittelung in bem betreffenben ©ewerbe an. 
Bei geringem Umfange beS ©ewerbeS, wie baS in ff einen Drten 
ber F^ ift, wirb ein oölliges Aufgehen ber Fad)*ArbeitSnacßmeife 
in ber Crganifation beS allgemeinen Arbeitsnachweis möglich fein. 
Bur muß Borforge getroffen werben, baß ber Leiter beS ArBeitS* 
nachweifeS ein im gewerblichen £eben erfahrener Blann ift, ber auch 
0acßfenntnifie hat baß ferner bie Buchführung einen Haren Ein* 
blicf in ben Umfang ber ArbeitSoermittelung in ben eingelnen ©e* 
werben gewährt. BBefentlicß anberS liegt bie Frage in ben großen 
gewerblichen unb Snbuftriecentren. $ier muß ber Fa<h*ArbeitSnad)* 
weis für bie eingelnen ©ewerbe als gefonberte Abtheilung mit 

*) derartige Kontrolgebüßrcn fmb Durchaus gu empfehlen; fie 
unterftüßen in hahem9)2aße bie im Fntereffe ber Berwaltung getroffenen 
Kontrotmaßrcgelii unb halten bie Arbeitsfcßeuen fern. Der Berliner 
Gentraloerehi für Arbeitsnachweis erhebt eine folche Kontrolgebüßr feit 
Fahren mit beftem Erfolge, ohne baß irgendwie Btißftanbe baburdh 
heroorgerufeit worben finb. Um ber Kontrolgebüßr jeben Eßarafter einer 
Erwerbsquelle gu nehmen, hat ber Brauer*ArbeitSnadjweis (ogl. unten) 
bie Beftimmung getroffen, baß bie ©ebüßr in einen gonbs fließt, 
aus welchem arbeitslose hülfsbebiirftige Braucrei*Arbeiter 
unterftüßt werben. Die geftfeßung ber Unterftiißung erfolgt burdj 
benCbmann beS Kuratoriums, nadjbent baS llnterftüßungsgefuch oorßer 
burch ein Arbeiter * Bfitglicb beS Kuratoriums begutachtet worben ift. 
Auf biefe Steife hat ber Braucr*ArbcitSnad)weiS bis jeßt 511 Blauen 
mit 8408 jj . uiiterftiijjt. Bad) biefem Borbilbe haben aud) bie Ber* 
treter ber Berliner Arbeiter im Ecntralocrein für Arbeitsnachweis ber 
Aufnahme einer bezüglichen Beftimmung in baS Bormal*6tatut für 
gadj*Arbeitsnad)mei|c (ogl. unten) gugeftimmt. ES ift ßier ber Anfaß 
gegeben gur Söfung ber überaus widrigen grage ber gürforge für 
Arbeitslofe (Arbcitslofcnoerfidjerungh bie ja nur in Berbittbung 
mit ber ArbeitSnachmeis*Crganifatiou erfolgen fann. 


einem befonbereu fachmännifchen ßeiter organifirt werben, unb es 
fann fid) nur fragen, ob bie BerBinbung mit bem allgemeinen Ar* 
BeitSnachweifen eine mehr ober weniger innigere ift. 3)aS 
.£>auptmoment bilbet aber bie Errichtung etneS aus einer 
gleichen Angabi Bertreter ber Arbeitgeber unb Arbeit* 
nehmet unter bem Borfiß eines llnparteüfchen gufammen* 
gefeßten Kuratoriums, welchem bie Berwaltung unb 
Beauffichtigung beS 0pegiaI*Fatho^^citSnachweifeS un* 
mittelbar unterfteht.*) 

®ie ÜKöglidhfeit einer berartigen Drganiftrung beS Fa<h 5 2lrbeitS* 
nad)weifeS hängt lebiglich oon ber Stellung ber Arbeitgeber unb 
Arbeitnehmer gu biefer Frage ab. 

®ie ©tetlung ber Arbeitnehmer war nod) auf bem ©ewerf* 
fdßaftsfongreß im 3&h re 1896 eine burchauS ablehnenbe. damals 
würbe begüglich beS ArbeitSnachweifeS eine lange SRefolution an* 
genommen, an bereu 0piße ber 0aß ftanb: „©runbfäßlich abgu* 
lehnen ift iebe Erwägung ber Btöglichfeit einer gemeinfam geführten 
ArbeitSoermittelung gwifchen Arbeiter unb Arbeitgeber." 0eitbem 
haben ftcb unter bem Einfluß ber allgemeinen ArbeitSnachmeife, 
in benen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gemeinfdjaftlich wirfen, bie 
Anfichten über biefen Sßunft mefentlich geänbert, wie bieS fürglich 
in Berlin gum AuSbrucf fam. §ier §attc nämlich ber Eentral* 
oerein für Arbeitsnachweis feinen Borftaub burch Aufnahme einer 
gleichen Augahl oon Bertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer 
reorganifirt; biefe Bertretung fungirte gleichseitig unter bem Borfiß 
eines Unparteiifchen als 0pegiaI*Kuratörium für ben ArbeitSnach* 
weis für ungelernte Arbeiter. Bei einer Befpredjung im Borftanbe 
beS EentraloereinS über bie weitere Drganifirung beS Fcuh*^beitS* 
nacßweifeS hafte* 1 nun bie Bertreter ber Arbeitnehmer in einer 
formellen Erflärung ihre oolle 0i)mpathie mit ben auf bie Er* 
ridjtung paritätifeßer Föd)*ArbeitSnad)weife hi**jielenbenBeftrebungen 
beS EentraloereinS auSgefprodjen. 3it Folge biefer Erflärung 
würben bie Arbeiterbelegirten in gewerffchaftlichen Kreifen oielfacß 
angegriffen; bie Angelegenheit fam in ber Berliner ©ewerffeßafts* 
fommifjion, bem Eentralorgan ber „organifirten" Arbeiter, gur Er* 
örterung, unb nadj langen Berhanblungen billigte bie ©ewerf* 
fchaftsfommiffion mit einer erheblichen Btajorität bie 0teüung* 
naßme ber Arbeiterbelegirten im Borftanbe beS EentraloereinS. 
2)ie F r age ArbeitSnachweifeS ift auch au f ft* e ^ageSorbnuug 
beS Anfang Blai in F^nffurt a. Bl. gufammentretenben ©ewerf* 
feßaftsfongreffesgefeßt unb es ift angunehmen, baß auch herber frühere 
ableßnenbe 0tanbpunft mobifigirt werben wirb. 

BkS bie Arbeitgeber anlangt, fo fteßen weite Kteife berfelben 
gweifelloS ben paritätifeßen Fach'ArbeitSnachweifen feßr fpmpatßifch 
gegenüber. 0o ßai erft fürglich ber EentralauSfcßuß faufmännifeßer 
unb gewerblicher Bereine in Berlin, welchem ca. 40 Arbeitgeber* 
oerbänbe angehören, im Anftßluß an ein oon mir gehaltenes 
Beferat einftintmig eine Befolution gu ©unften ber paritätifeßen 
ArbeitSnad)weife angenommen. Auf ber anbern Seite finb mächtige 
unb einflußreiche Arbeitgeberoereinigungen bie entfeßiebenften ©egner 
ber Drganifation, bereu Anfcßaunng in ber am 5. 0eptentber 1898 
in ßeipgig ftattgeßabten ArbeitnacßweiS*Konfereng in folgenber Be* 
folution gum AuSbrudP fam: „^ie Berfammlung fpridjt ißre 
ilebergeugung baßin aus, baß im Sntereffe beS ©roß* unb Klein* 
gewerbeS ber Arbeitsnachweis oon ben Arbeitgebern gu 
organifiren unb gu ßanbßaben ift." Borweg ift gu benterfen, 
baß bie ^ineinbegießung beS Kleingewerbes in bie obige Befolution 
oon bem Borfißenben beS BerbaitbeS beutfeßer ©ewerbeoereine auf 
ber in Blüncßen ftattgeßabten Berfammlung beS BerbanbeS beutfeßer 
ArbeitSnadjweife in bünbigfter Form gurüefgewiefen würbe. 

5)ie ableßnenbe §altuna ber Arbeitgeber gegenüber ber Be* 
tßeiligung ber Arbeiter an Der Berwaltung beS ArbeitSnad)weifeS 
ift eine burcßauS ungerechtfertigte. $>aS 3 u 9 e fiänbniß ber Be* 
tßeiligung ber Arbeiter bei einer Einrichtung, bei ber fie im 
waßrften 0inne beS SöorteS ißre§aut gu Blarfte tragen, 
ift fo in ber Batur ber 0acße begrünbet, baß es eigentlich nicht 
notßmenbig fein foüte, bieS noeß befonberS gu oertßeibigen. 2)ie 
Arbeitgeber maeßen aus ben maßren ©rünben ißrer ableßnenben 
Haltung gar fein f>eßl: fie wollen Herren im ^>aufe fein, unlieb* 
fame Elemente oon ißren Betrieben fernßalten uitb bie „^iftatur 
beS Proletariats in ben Betrieben" oerßüten. 3)iefe Anfdjauuna 
berußt aber auf einer argen Berfenmutg ber Bcbcutung uno 
ber BSirfungen beS paritätifeßen Faä) s ^bcit^nacßweifeS. Der pari* 
tätifeße Arbeitsnachweis ßinbert bie Arbeitgeber feineSwegS .sperren 

*) Die Fnnungs*ArbcitSnatbweife, Oci wclcßen oielfadj Beit* 
glieber ber ©efeHenauSfdjiiffe mitwirfen, fönueii als paritätifd) nidjt 
gelten, ba in golge Des gcblcnS bes uupartcufdicu Borii^eiiben bie 
Arbeitgeber einen überwiegenben Einfluß ßnben. 



807 


Sogtale Praxis. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Rr. 30. 


808 


im $aufe gu bleiben, er groingt fie nid)t, Arbeiter einguftellen, 
rocld^c fie für ihren Setrieb nicht für geeignet galten, er bebeutet 
itidjiS roeniger als bie $)iftatur beS Proletariats in ben Setrieben. 
3ch bin h^r in ber Sage, aus Erfahrungen gu fpredjen. Seit oier 
Sauren ftehe ich als Dbinann beut einzigen in $>eutf<hlanb oor* 
banbenen burchge&ilbeten paritätifdjen 3fo^*5Xrbeit^nac^ioeife oor, 
bem Serlitter Srauer*ArbcitSnachroeiS. tiefer ArbeitSnadjroeiS 
bilbet ben preis beS QriebenS bet bem großen Sierbotjfott. Seine 
Statuteubeftimmungen tarnen unter Riitroirfung ber fogialbemo* 
fratifdjen Partei au 8tanbe, man roirb alfo annehmen müffett, bafj 
ber Staitbpnnft ber Arbeiter, beS „Proletariats", geniigenb gemährt 
roorben ift. Unb trofcbem ift feine einzige ber eben ermähnten ge* 
fürchteten SSirfungett eingetreten: ber ArbeitSnachroeiS funftionirt 
gur 3ufriebenheit ber Arbeitgeber ohne jebe üble Rebenroirfung. S)ie 
Arbeitgeber finb ooUftänbig frei in ber Einteilung unb oollftänbig 
frei in ber Entlaffung ber Arbeiter. $)ie Arbeiter müffen nur ber 
Reihe nach S ur Einteilung präfentirt roerben. Aud) barf bie 
Einteilung megen 3ugehörigfeit beS Arbeiters gu einer 
Partei ober ©eroerffchaft nicht oerfagt merben. ®iefe Se* 
ftintmung erfdjien anbern Arbeitgeberfreifeit gang befonberS an* 
ftöfjig, unb bie Serliner Srauereiett hatten bcSroegen oiele Angriffe 
u erbulben. Aber bie SMrfung biefer Seftimntung mar oöHig 
ebeuluitgSloS. Rur groei hinauf begüglidhe Sefd)merben famett 
gur Entfdjeibung beS EuratoriumS, unb tn beiben fällen ootirten 
aud) bie Arbeitnehmer einftimmig bie Ablehnung. 2)er ferner 
ftatuirte 3mang für bie Arbeitgeber gur Senufcung beS ArbeitS* 
nachmeifeS bei ber Einftetlung oon Arbeitern ift SorauSfefcung für 
bie oollfommene AuSbilbuttg jebeS Sfach^ArbeitSnad^roeifeS unb, 
meines SHffenS auch, &*i beit Arbeitgeber*ArbeitSnachroeifcn oielfach 
eingeführt. Seim Srauer*ArbeitSnad)roeiS finb gur Rftlberung 
biefeS 3mangeS Einftellungen ohne ben ArbeitSnachmeiS in feft 
nortnirtem Umfange geftattet. $)aS Euratorium beS Srauernach* 
meifeS befteht aus oier Sertretern ber Srauereien unb oier Ser* 
tretern ber Arbeiter (gmei Srauern, einem Söttdjer unb einem 
ungelernten Arbeiter). ®ie Serljanblungen ooßgiehen fich ruhig 
unb fachlich, unb faft alle Sefd)lüffe roeroen einftimmig gefaxt. 

Sn bem Augenblicf, mo bie Arbeiter an ber Sermaltung 
betheiligt merben, haben fie auch bas oolle Seroufetfein ber Ser* 
antroortlichfeit ihrer Stellung; fie beurtheilen bie Sefdjroerben burd)* 
aus objeftio, unb mir ift fein Sali in ber Erinnerung, mo bie 
Arbeiter gang ein fettig Partei für ihre Eameraben genommen hätten. 
$£>as ift ja eben ber gro&e Ruhen ber Siitroirfuitg 
ber Arbeiter, bat bas RRifctrauen gegen bie Serroal* 
tung f<hminbet unb bafe babur(h eine Unmenge 3ünbftoff 
aus ber Arbeiterberoegung auSgefdjieben mirb. 2Birb 
eine Sefdjroerbe beS Arbeiters ohne OTtroirfung oon Arbeitern gu* 
rücfgeroiefen, fo mirb bieS meiftenS oon ber Arbeiierfd)aft als un* 
gerechtfertigt angegriffen; anbcrS menn bie Arbeiter felbft bei ber Ab* 
fehnung mitgeroirft haben. 3dj fann folgetiben gall aus meiner 
Praxis mittheilen: Ein Arbeiter-Riitglieb" beS EuratoriumS mirb 
im ArbeitSitadjroeiSlofal oon einem Arbeiter gröblidj infultirt: 
er führt über ben Arbeiter im Euratorium Sefchmerbe unb oerlangt 
ben bauernben AuSfd)luh beS Arbeiters oom ArbeitSuadj* 
meis, ber inbefc oom Euratorium abgclehnt mirb. ÜRan ftelle ftch oor, 
ba§ öon bem Euratorium eines ArbeitgebernadjroeifeS ein berartiger 
AuSfdjluh auS bemfelben ©runbe bcfchloffen morben märe, unb 
jeber Eenner ber Arbeiteroerhältniffe roirb beurtheilen fönnen, 
roelche Entrüftung eine folche Riahnahme bei ben Arbeitern ge* 
funben hätte, roelche folgen aus einer berartigen Riafjnahme ent* 
ftehen fonnten. $)ie Arbeiter lernen eben erft bie Schmierig* 
feiten ber Sermaltung fennen unb roürbigen, fie mirfen 
felbft bei ber ßöfung berfelben mit unb merben nad)* 
fichtiger in ber Seurtheilung oon Uebelftänben; baS 
oerföhnt bie ©egenfäfce unb gleißt fie auS. RHr fteht auf 
biefem ©ebietc eine reid)e Erfahrung gur Sette. Rieht nur als 
Obmann bes Srauer=ArbcitSnachrocifes unb als Sorfijjenber beS 
EentraloereinS für Arbeitsnachweis, fonbern auch als früherer 
Sorüheuber bcS onnungsfchiebSgcrid)tS, bes ©crocrbcgerichts, beS 
EinignngSamtS ber Stocfarbeiter, als jejjiger Sorfijjcuber ber 
3uonlibitäts* unb Altersoerfid)eriiiigsanftalt Serlin habe id) (Belegen* 
Ijeit gehabt, bie oerföhneube SMrfuug ber gctneinfd)aftlid)cn Tljatig* 
feit oon Arbeitgebern unb Arbeitern" fennen unb fdjätjen gu lernen. 

®ie Sermaltung bes Aad) = ArbeitsnadjmeifeS fommt mit ben : 
internen Einrichtungen unb Scrhältniffen bcS betreffenben ©eroerbs* | 
groeige oielfach in Serühruug unb iljre Erörterung im Euratorium j 
befeitigt fo manche SJiBoerftäubuiffc unb führt rechtzeitig Abhilfe 
herbei. &aburd) fommt aber bie Arbeiterberoegung in bem I 
betreffenben ©enterbe in ein roefentlich ruhigeres Saljr* I 


maffer unb fo mirb es auch D °n ber Serliner Srauerei*3nbuftric 
allgemein anerfannt, bafe bie Einführung beS paritätifdjen gach* 
ArbeitSnachmeifeS in hah em Ria&e oerföhnenb auf früher oor* 
hanbene ©egenfäfce in ben Arbeiteroerhältniffen gemirft hat. 

Skitit Daher bie Arbeitgeber bie Shtmirfnug ber Arbeiter bei 
ber Sermaltung beS ArbeitSnachmeifeS ablehnen, fo fchneibeu fie 
fid) ins eigene -Sleifch. ®ie Eämpfe um ben ArbeitSnadj* 
meis merben nicht aufhören, unb bamit bleibt bie Se* 
ntiruhigung beS (^eroerbeS eine bauernbe. Sföge baS Sei* 
fpiel beS Serliner Srauer*ArbeitSnad)roeifeS bie noch biffentirenben 
E reife befehren! 

^er Ausbau beS 5ach s ArbeitSnachmeifeS für grofee geioerblihe 
Eentren roirb fich f° geftalten, bafj für jeben größeren ©eroerbS* 
groeig ein befonberer ^fach s ArbeitSnachroeiS unter einem befonbereit 
5ach s Euratorium errichtet mürbe; Heinere oerrcaubte EeroerbSgroeigc 
mürben gu einem öadjarbeitSnachroeiS oereiniat roerben fönnen. 
S)ie 5ach*ArbeitSnachmeifc finb oöllig felbftänbig, unb mit 
bem Allgemeinen ArbeitSnachmeiS befteht nur eine lofe äu&ere Ser» 
binbung *) 5)ie Statuten ber eingelnen gach*ArbeitSnachroeife müffen 
ben Serhältniffen ber betreffenben Eemerbe entfprechenb 
feftgefeht merben. Als AnhaltSpunft für bie Aufhellung berartiger 
Statuten hat ber Eentraloerein für ArbeitSnachmeiS burd) eine be* 
fonbere Eommiffion oon gmei Arbeitgebern, gmei Arbeitnehmern unb 
gmei Unparteiifchen ein 9cormalftatut aufftellen laffen. 2)affelbe 
enthält feine bie Arbeitgeber irgenbroie befd)ränfenbe Seftitnmung, 
meber bie Streifflaufel noch bie Einteilung nach ber Reihenfolge 
ober bergleidjen. 

s Benn bie Arbeitgeber ihren ablehnenben Stanbpunft aufgeben, 
fo finb alle Sorbebingungen für bie Drganifirung eines ooH* 
fommenen ArbeitSnachmeifeS oorhanben. 3)er bem Reichstage oor* 
Iiegcnbe Antrag Roeficfe*Pachnicfc, roelcher auf bie meitere Aus* 
breitung ber aUgemeiiien ArbeitSnachmeife hiugielt, mirb fitherlich 
eeignei fein, ber ßöfung ber fo fdjroierigen Srage gu bienen. Es 
anbelt fich hi cr um feine fogialpolitifche Utopie, fon* 
bem um bie ungroeifelhafte 93iöglid)feit ber ßöfung einer 
michtigeu oolfSroirthf^aftlidjcn uub fogialen Aufgabe. 

Serlin. Dr. jur. Richarb Sreunb. 


Allgemeine Sozial- unb fi^trtljfdjnftapoUtlk. 

ReichStagSOerhanblungen über bie ^etoerbeorbuungSnooefle* 

3m ReidjStag ift in ber lebten 3Boche am 19. unb 20. April 
bie oon uns f<hon mehrfach geroürbigte Rooelle gur ©emerbe* 
orbnung in gmei SifcungStagen ber erfteit Serathung untergogen 
unb bann oorläufig an eine Eommiffion gur Sorberatfjung oer* 
roiefeu morben. tiefer Eommiffion mürben auch bie gmei oon ben 
nationalliberalcn Abgeorbneten grljm. §ei)l gu gerrnSbeim unb 
Safferniann eingebrad)ten Anträge übergeben, oon benen ber festere 
bie Scftimmungen über bie EiinbigungSfriften für bie £>anbelSgebilfen 
finngemäb auf bie Skrffiihrer unb aubere Prioatbeamten (Ehemifer, 
^edjiiifer) ber Subuftrie übertragen roill, rcährenb ber erftere 
Antrag bie Schufcbeftimmungen ber ©emerbeorbnung auf bie Söerf* 
ftätten ber §>auSgcroerbetreibenben auSbehneu unb gugleich bie 
Arbeitszeit ber in offenen Serfaufsfteden, Scfjanf* unb ©aftroirth* 
fchaften befd^äftigten meiblidjcn Perfonen burch Einführung einer 
Stinbeftruhegeit oon gehn begro. acht Stunben :c. regeln roill. 
©ährenb ber Saffermann’fdje Antrag faft gar feine Anfechtung 
erfuhr, mürben gegen ben ^etjl’fchen Sorfdjlag gahlreiche Sebenfen 
geäußert, namentlidj bezüglich ber 2)urdjführbarfeit. StaatSfefretär 
©raf pofabomSfi), ber, roie mir hoch iu Erinnerung bringen molleii, 
am 20. Sanuar b. 3- im ReidjStag gum Sdjuh ber Einber in 
ber Heimarbeit eine Abänberung beS §. 154 ber ©emerbe* 
orbnung, ber eine Einmirfung auf bie Einberarbeit in ber Öamilie 
auSfdjliefjt, geforbert bat, erfamitc gmar baS 3icl beS Antrags als 
beredjtiat an, mahnte aber gur Sefchräufung, in ber fich ber Pieifter 
geige. Auch öer EeutrumSabgeorbiiete Hi^e fchlug oor, man möge 
fid) megen ber Hfbl’fdjwt Anregung guuädjft auf eine Refolution 
befdjränfen unb bcu Sperling in ber Hanb ber Xaube auf bem 
^aetje oorgichen. Anfchcinenb ift bie RJchrheit gefonnen, gunächft 
über bie Sorlage ber Regierung, bie gmeifclloS einen gortfdjritt 
bebeutet, nid)t viel hinauSgugelien, um bcu Soben für ein roeitercs 

Xcr Eentralucrciu für Arbeitsnadnoei« gu Serlin hat fdiou int 
oafjrc 189#* burd) eine cntipredjeiibc Statutru*Acubcnuig bie ©runblage 
riir eine Derartige Crgauifntiou geidjaffeit. Ter früljer iu AuSfidit gc* 
nontnicne ieür enge Am cf) hin au ben Sereiu ift jept fallen gelaifen gu 
('üinftcn ber Selbftäubigfeit ber Sadj-Arbeitöitadjmeife. 




800 


©o$iöIe $rajtS. Gentralblatt für Sozialpolitik Rr. 80. 


810 


Vorgehen um fo fixerer ju ebnen. 9?icf)tSbeftomeuiger begrüßen 
mir Die Anregungen beS Abgeorbneteit 3rbrn. o. $et)l mit freuten, 
meit ftc einem ber feßmerften Probleme ber Sozialreform ernftßaft 
auf ben Leib rücfen rooßen. 

Ilm ben 5Rißftänben, bie fieß bei ber 0 teile uoermittlung 
gezeigt §aben, zu fteuern, foH nach ber Rooeße für baS (Gewerbe 
ber (Gefinbe* unb Steßenoermittelung bie Konzeffionspflicbt einge* 
fül;rt unb ber Vermittler an polizeilich bereinigte unb auSgeßängte 
Dngen gebunben merben. lieber biefe Beftimmung mürbe uiel ae* 
ftritten, es mürben and) oiele frage Tvätte non Ausbeutung, be* 
fonberS beim Sdjanf* unb (Gaftwirtbfcbaftägeroerbe unb bei ben 
Xfjeateragenturen eingebrac^t. GMjrfad), fo oon bem Abgeorbiteten 
Voefitfe*Deffau unb oon fosialbemofratifc^er Seite, mürbe auf bie 
Rotßmenbigfcit einer grünblicßen Regelung beS ArbeitS- 
nad)roeifes, befonberS auf bie Ginfüßrung paritätischer ArbeitS* 
nadjmeife auf bem Lanbe, ^ingcroiefen. 2Sir oerroeifen in biefer 
Hinficßt auf ben Leitartifel biefer Kummer. 

Rach ben Veristen ber ©emerbeaufiidjtsbeamtcn ift bureb bie 
BunbeSratßSoerorbnung ootn 31. 2Jlai 1897, betr. bie Arbeitszeit 
ber SBerfftattarbeiterinnen unb ber in 2Berfftätten tßätigen jugenb* 
litten Arbeiter ber Konfeftion nur roenig erreicht morben, roeil 
bie ArbeitSzeitbefdjränfuug u. A. oielfacß bureb VHtgabe oon 
Arbeit nad) §aufe umgangen mirb. Um bieS moglidjft zu oer* 
buten, foll nad) ber Rooeße ber BunbeSratß bie Befugniß erbalten, 
für bie Kleiber* unb 28äf<befonfeftion, mie au(b für anbere (Geroerbe, 
ein babingebenbeS Verbot zn erlaffen. Gs foK aber bas 3 u & au f ess 
arbeiten nicht unter allen Umftänben gänzlich oerboten merben. 
Sieber erfebeint jeboeb, baß bie zugelaffene Ausnahme gar zu unbe* 
ftimmt ift. Gs foß nämlich ben Arbeiterinnen, bie in ber Betriebs* 
merfftätte fürzere 3?it <*l$ gcfefeUcfj zuläffig ift, befcßäftigt fmb, fo oiel 
Arbeit mitgegeben merben fönnen, als fie „oorauSfidjtlid)" bis zur 
Erfüllung ber gefeßlicß zuläffigen Arbeitszeit ßerfteßen fönnen. — 
3ur Vefeitigung ber Betrügereien bureb roißfürlidje Lohnabzüge 
nad) Öertigfießung ber Arbeit, mie fie leiber oon fcßäbigeu Unter* 
nebutern gemelbet merben, foß ferner ber BunbeSratb für bie Kleiber* 
unb SSäfcßefabrifation fomie für anbere (Geroerbe, in beneit bie 
Unflarbeit ber Arbeitsbebingungen z u SWifeftänben geführt bot, 
Loßnbüdjer ober Arbeitszettel oorfebreiben fönnen, in bie 
Umfang unb Art ber übertragenen Arbeit, bie Stücfzaßl, Loßnfäße 
unb bie Bebingungen für bie Lieferung oon VSerfzeugen unb 
Stoffen oor ober bei Ucbergabe ber Arbeit einzutragen finb. Gittern 
Vfißbraucße ber 3 et tel ober Bücher zu* Kennzeichnung mißliebiger 
Arbeiter foß bureb Verbote unb Strafbeftimmungen oorgebeugt 
merben. Diefe Beftimmungen, bie bie „So; v ^ra^is" fürzlicb in 
9fr. 26 u. 27 ausführlich befproeßen bot, fanbei! im Allgemeinen eine 
günftige Aufnahme. Daß bie Sozialbemofraten bei biefer (Gelegenheit 
ber ooßen Abfcßaffung ber Heimarbeit bas Vkrt reben mürben, mar 
Zu ermarten. 9Üfit Reißt mürbe oon ben Abg. Srßr. H et )l S 11 HerrnS* 
beim unb Roefidfe bie Ausbeutung ber (Geroerbeaufficßt — auch meib* 
licfjer — auch auf bie HouSinbuftric unb Heimarbeit geforbert. Gs 
mürbe fonftatirt, baß baS Vlitgeben oon Arbeit nad) Haufe auch tu ber, 
s ^ofamenten*, Strumpf* unb SBirfmaaren*, Raucbroaaren*, Sdjnb* 
roaaren* unb Strobbutinbuftrie, fomie in ber Korfet*, Konferoen*, 
unb Gigarrenfabrifatioit immer mehr üblich merbe. Daß baS 
mirffamfte Mittel zur Befferung ber Vcrbältniffe in ber HouS* 
inbuftrie bie Drganifation ber Arbeiter fei, mürbe ebenfaßs ooin 
Abgeorbneten Roeficfe nacßbriicflicb betont. Rteßrfacb mürbe auch 
bie Kranfcnoerficberung ber HouSinbuftrießen unb Heimarbeiter ge* 
forbert, ber Staatsfefretär rertröftete biefe VMinfdje auf fpätere 3eit, 
menn eine Rooeße zum K'ranfcnoerfidjerungSgefetj fotnme. 

Befonbere Bebeutung befißt in ber Rooeße ber Schuß ber j 
Labenangeftellten, mie er in ArtifeI8 oorgefeßen ift. Rad) 
brei Rötlingen bin foß er erfolgen: Die Vfinbejtrubezeit oon zehn 
Stuitben foß cingefüßrt merben, bie Arbeitsbebingungen (Ginrid)* 
tung ber (Gefcbäftsräume :c.) füllen oon ber ^olizeioermaltung ober 
oom BunbeSratbe beftimmt merben fönneu unb ber Leßrberr foß 
oerpflicbtet fein, feine Lehrlinge zunt Bcfncbe ber ÖortbilbungS* 
fcßule anzubalten. Die ReidjStagSoerbanblutig bemieS zunäcbft eine 
roeitgeßenbe ^b^iuabme für bie Angeftcßten beS HonbelSgemerbeS, 
unb bie Debatte tonnte 9fientanb- bariiber im S^eifel laffen, baß 
bas, maS bie Vorlage forbert, beftimmt angenommen merben mirb. 
3nbeß fmb im Anfdjluß an Gingaben oerfeßiebener faufntännifdjer i 
Vereine*) oon einzelnen Vebnerit, unter ihnen befonberS bie Ab* ! 

*) Ser Verein für HonbluttgSfommts oon 1858 in Ham* j 
bürg, ber rimb HOOOO 9Witglicber, barimtcr über 7 r.no ctablirte Kauf* | 
leitte, zöl)lt, bat au ben AcidjStag eine Eingabe geridjtct, in ber ,’mar : 
bie in ber Aooelle jur 61cmerücorbnung in Auofidjt genommene Re¬ 
gelung ber Arbeitxmerbältuiffe in offenen Reiben freubig begriifu, aber , 


georbneten Baffermann, Voeficfe, Hifc e unb Siaab, eine große SReibe 
roeüergebenber SBünfcbe auSgefprocben morben. £)er Houptftreit 
galt bem Acbtubr*Labenfcbluffe unb ber längeren VfittagS* 
paufe. Befanntlicb fielen nießt bloß bie HoublungSgebilfen*Ver* 
einigungen, fonbern auch eine Anzahl anberer faufmännifeber 
Vereine auf bem Stanbpunft, baß bie Durchführung beS Acbtubr* 
Labenfd)luffeS ohne Scbäbigung irgenb melcber Sntereffen, menn 
einzelne Ausnahmen zugeiaffen merben, möglid) fei. Die Abge* 
orbneten Baffermann unb SRaab h°ben bie günftige Sfolge eines 
Acbtubr*Labenf(bluffeS b**oor. Daran fann fein 3 roe ifd fei«, baß, 
menn es erft ber Snitiatioe oon z^ei Drittel ber (Gefcbäftsinbaber 
bebarf, um einen Ad)tubr*Labenf<bluß bureb bie Vermaitungsbebörbe 
einfübren zu laffen, rnobl faum in einer Stabt jemals ein folcßer 
Labenfcbluß oorfommen mirb, betm oon bem 28unfd)e na* einem 
früheren Labenfebluffe zu einem förmlichen Anträge ber beteiligten 
(GefchäftSinbaber ift ein febr meiter s Beg. Von einigen Abgeorb* 
neten, namentlich auf ber rechten Seite beS H au fe2, oon fonfer* 
oatioer Seite, ift bie Vertrieben beit ber Verbältniffe in ben einzelnen 
Lanbestbcilen betont morben, aber in ganz aßgemeinen AuSfüb* 
rnngen, -aus beneit nicht beroorging, marum ber Acbtubr*Laben* 
febluß tbatfäcblicb nicht eittejefübrt merben fönne. ©anz befonberS 
mürbe oon ben (Gegnern biefer Maßregel baS Sntereffe ber Aßein* 
betriebsinbaber ins Selb geführt. Denen fonnte aber oom Ab¬ 
georbneten SRaab mit gutem Ved)t entgegengebaltcn merben, baß 
gerabe bie fleinen unb flcinften (Gefd)äftsiitbaber, mie eine Um* 
frage in Hamburg bemieS, unb ein (Gleiches gilt oon einer oom 
faufmännifeben HulfSoerein für meiblicbe Angefteßte in Berlin ge* 
baltenen Umfrage, ben früheren Schluß, ben fie jeßt mit Vücfficbt 
auf ben Konkurrenten nidjt einfübren fönnen, berbeimüttfd)en. Auf 
aße 3äße halt ber Abgeorbnetc Baffermann bie Srage beS 9feun* 
uhrfcßluffeS für bereits fprueßreif. 9BaS bie Beftimmung einer 
Vfinbeftrubezcil bebeitflicb erfebeitten läßt, ift ber Umftaub, baß für 
bie ftrifte Durchführung feine Kontrole oorbanben ift, unb baß 
Zal)lreid)e Uebertretungen ganz gewiß oorfommen merben. Ginc 
banfenSroertbe Anregung mar, bie grage ber Arbeitszeit ber jugenb* 
lidjen unb ber meiblid)en Angefteßten babei aufzuroßen. s Bir 
glauben aus bem (Gang ber Verbanbluitgen annebmen zu ^fönnen, 
baß ber VeidjStag fid) moljl oeranlaßt feben mirb, eine Beftimmung 
in bie Vorlage aufzunebmen, monaeß bie VHnbeftrubezeit ber 
jugenblidjen unb roeiblicßcn Arbeiter eine AuSbeßnuug erfährt. 

Ginc gleicße Hoffnung fönnen mir auf bie AuSbebnung ber 
9)iittagSpau|e feßen, bie in ber Vorlage nur auf eine Stunbe bemeffen 
ift. AßerbiitgS ßul Abgeorbnete Hiße bagegen oerfeßiebene Gin* 
maitbe, nicßt oßne Ginbrucf zu ßinterlaffen, oorgebraeßt unb namentlid) 
bie Vfarfttagc ber Heineren 0rtfd)aften, an benen gerabe mäßrenb 
ber VfittagSpaufe oiel Kunbfdjaft oerfeßrt, als Beifpiel ermähnt. 
Solcßer Vfarfttage aber giebt es befanntlid) boeß immerhin nur 
toenige, für bie eine Ausnahme, menn notbmenbig, gefeßaffen merben 
fonnte. Daß bagegen bie Anregung, baS 3n)titut ber HuubelS* 
infpeftoren zu fdjofN, in abfebbarer 3eit oermirflitßt merben mirb, 
glauben mir naeß ber Hrihmg ber VfehrßeitSpartcien unb ber Gle* 
gierung nießt. GJleicßroobl mirb fieß bie 9fotßmenbigfeit einer 
kontrole feßr halb b c rauSfteßen, zu ber bie (Geroerbeinfpeftoren 
ßeranzuzießen mären, fobalb eine Vermehrung ihrer 3oßl unb eine 
Gntlaftung ißreS jeßigett DienftbereicßeS eingetreteu fein mirb. Leiber 
ift bie gortbilbuitgSfcbulfrage nur oott einem Vebner leidjt geftreift 

glcicßmol)l geforbert mirb, „baß im ganzen Dentfrfjcn Sleicßc ein all* 
gemeiner 2abenfcl)lnß an ben Wochentagen, mit Ausnahme ber Ahenbc 
uor Sonn* unb Feiertagen, fpäleftcuS um 8 Uhr feftgefeßt mirb". Sollte 
fidj ber Reichstag bazu nirfjt cutfdjlirßcn fönnen, fo mirb zum Riiubcfteu 
gebeten, „baß für Grmadjfeue mäiutlidje (Gehulfen meuigftens eine elf* 
ftünbige, für männliche jugeubliche aber, fomie für meiblicbe Augeftclltc 
1 minbeftcMiS eine zu’ölfftiinbigc Ruhepaufc beftimmt mirb, bie fpätefteus 
um 9 Uhr Abenbs beginnen muß". AubernfallS fönne ber Verein in 
ber Rooellc eine erhebliche Befferung ber bisherigen traurigen ^uftänbe 
nicht erblicfen. Senn eine 18* bis 14=ftitubige Arbeitszeit fönne für 
bie Angefteßten, inSbefonbere für bie jugeubUdjeu mäunltdjcu unb für 
bie meiblidjett (Gehülfeti unb Lehrlinge, nidit als augemeffen erachtet 
! merben, ba fie ihnen zur Grholung unb pflege ber (^cfuubheit, fomie 
Zu ihrer Foribilbuug uidjt bie uötßige freie ;|eit laffe. 

And) ber Teutfdje Verbanb faufmänuifeßer Vereine, ber 
jent 96 Vereine mit 126 558 RUtglicbern — barunter 24 781 'Prinzipale 
-- zählt/ tritt in einer Eingabe an ben Reichstag für bie gefepliche 
Feftlegung bes Sabcufdiluües im ganzen Reichsgebiet auf s Uhr ein 
als bie befte, für 'Prinzipale ttub (Gehülfen gleich zmecfniäßigftc Höfling 
ber Frage nad) ber Vefeitigung ber übermäßigen Arbeitszeit in fabelt* 
gefchäfteu. Sollte ber Selbenirijlnß aber „uuübcrmiublidjeu Schmierig* 
feiten" begegnen, bann möge bie Riiubeßruhezeit auf 11 Stunben für 
ermachfene Riänner tmb auf 12 für |raue,t unb Fugetibliihe verlängert 
merben. 



Sogtale Praxis. (ScntralOIatt für ©ogialpolüif. Ar. 30. 


812 


sil 


worben, obwohl fie eben jo njicfjtig ift, wie bie £abenfd)Iußfrage. 
(5* wirb oielfach gerabe in 0 totf)frdfen Bezweifelt, baß bie Sorbe* 
rung ber Vorlage, wonach bie (Gcfd)äfh3inhaber oerpf!id)tet fein 
füllen, iE>rc jugcnblidjen (Gehiilfen unb Lehrlinge gum Befuch einer 
Sortbilbungeanftalt anguhalten, in ootle BMrffamfeit treten werbe, 
beim e-3 fehlt jebe Slontrole unb jebe ,v>atibl)abe, bie Befolgung 
biefer Beftimmnng gu ergtoingen. SJltt Bücfficht auf bie in Stauf* 
mannsfreifen immer allgemeiner werbenbe Stimmung für obliga* 
torifdjen 5 ortbilbung§*£d)ulbefud) wäre e£ brinbeitb erwüufd)t, baß 
ber betreffenbe pa|fu3 eine Abänberung in ber Sonn erführe, 
iiämlid), baß (Gebiilfcu unb Lehrlinge unter 18 Sauren gutn Befuch 
einer Sortbilbuii 00 fcf)iile oerpflichtet fein füllen. Taburch würben 
glcidjgeitig bie eingclncn Staaten unb (Gemeinben oeranlaßt werben, 
beut Sortbilbung^fdjulweien erhöhte Aufinerffamfeii guguwenben. 

B>ie bei allen berartigeit (Gefcßcntroiirfen, bie fid) au3 galjl* 
reichen (Eingclbeftimmunaen gnfammenfeßen, liegt aud) für bie (Ge* 
werbeorbnuugsnooede Der Sdpoerpunft in ber Stommiffiom?* 
Beratung. BMr bjoffen, baß c$ l;ier gelingt, bie ^cgieriing^üürlage 
im Sinne eiuc-3 ftärferen Ausbaues bcö Arbeiterfd)uße$ gu oer* 
beffern unb gu oeroollftäubigen. 3 mifd)en Ileberftürguitg unb 
ßaftigfeit liegt bie richtige EUtitte befoitnener Crntfcf)loffenf)eit. Ter 
Staatefefretar bat baoor gewarnt, Sftaßttahmcn gu treffen, bie ber 
lebhaften Abneigung ber Unternehmer begegnen, obwohl er fofort 
hingufiigte, bah er 'felbft auf Silagen ber Betroffenen nicht aOguuicl 
(Gewicht lege. 3mifd)en bem erften unb bem gweiten Säße liegt ein 
BHberfprud), ber prafufd) gu löfeit ift, wenn man fid) Har macht, baß 
ber Arbeiterfdjuß nid)t nur für bie Arbeiter unb (behülfen, fonbern 
and) für bie Arbeitgeber unb ba§ (Gemeinwohl Segen unb Stuben 
bringt. (5-3 entfpridjt oöüig ben 3:fjatfadicn, wa3 ber Abgcorbuetc 
Bebel ausgefüßrt Imt, baß burd) Arbciterfchußmaßregeln nod) feine 
Snbuftrie ruinirt worben ift, baß im (Gegenteil bie (Gewerbe unter 
ihrer .J)errfd)aft gu Oö£)erer Bliithe gelangen ate guoor. Ter (Gruttb 
liegt in bei* förperlidjen unb griffigen .viebung ber Arbeiter unb in 
bem Aufporn für bie Tüd)tigfeit ber Arbeitgeber. Sebcnfallö haben 
wir in Tcutfd)laitb nach (Einführung ber Arbeitcrocrfitf)eruug unb 
eine# fchärferen Arbcitcrfd)ußc-3 einen Auffdjmuitg ber Snbuftrie, 
wie er nie guoor bagewefen ift. Ta 8 füllte bod) and) ber Be* 
gierung ebcufo wie bem Beid)3tage SJtiitl) unb Bcrtrauen einflößen, 
auf ber Baljn ber Sogialreform energifd) oorwärt-3 gu fdjrciteu. 

"Bahrenb biefe 3 eilen in bie treffe gehen, beginnt im Sieidje* 
tag eine neue fogialpolitifche Debatte: bie Snitiatiuanträge bc3 
( 5 entnimm unb ber Stationalliberalen in Berbiubung mit bem An* 
trage Boeficfc auf (Srridjtung eine# Bcid)3=Arbeit3amte3 ließen gur 
Beratung. BMr fönnen oon ben Debatten Ieiber erft in ber 
nädiften Stummer berid)ten. 


Tie internationale Bereinigung für. Ar&eiterfcfjuß unb bie 
Sogialbcmofratie. in ber fogialbemofratifchen p reffe wirb bie 
Ablehnung ber Bhcilnafjmc feiten** einzelner Btitglieber ber fogial* 
bemofratifcßcu Partei an ber Bcrfammlung, bie am 3. SJtai gur 
Befpred)img ber (Errichtung einer internationalen Bereinigung für 
Arbeitcrfdjut) gufammentreten wirb, oielfad) erörtert mtb al3 (Gruttb 
biefer Ablehnung angeführt, baß man fid) nid)t au bie Partei¬ 
leitung gewanbt habe unb bag für bie fogialbcmofratifd)cn Sraftion 
nid)t nur bie Bermuthung, fonbern bie begriiubcte Aufid)t oorlag, 
man fjabe mit ber AuSmaßl ber perfoneu erfid)tlid) einen 2 heil 
ber Partei abfonbern wollen. 

Tcutgcgeiiübcr ift feftguftcllcn, baß man im Bereiche berjenigen, 
weldie gu ber Berfammluug eiugclabeu l)aben, ber Aitfid)t war, 
baß bie (Einlabintgeu nid)t au politifctje Parteien als foldje gu 
richten wären, fonbern au einzelne perföiilid)feiten ber uerfdjicbenen 
fogial*politifd)eu Bidjtuugcn, bie fid) befoitber-3 für bie Sragc bc-3 
gcfeßli^cn Arbeiterfd)iiße$ iutereffircu. demgemäß ift au feine ber 
politifd)en Parteileitungen eine (iiulabung ergangen, alfo auch nid)t 
au bie fogialbemofratifihe. B>as bie Auswahl ber einzelnen ber 
Sogialbemofratie ungehörigen pcrföulidjfeiten anlaugt, fo fiel 
biefelbe auf bie Merru Biolfeubitbr unb BBtrm, oon beiten bem 
einen ab Britglieb ber Mouuniffion für Arbeiterftatiftif, bem an* 
bereit ab Spegalift ber Sraftion für bie Berichte ber (Gewerbe* 
aunidih?=Beamk'n befonbere Sadjfunbe unb befoitberes Sn te reffe 
für bie Ts ragen bes Arbciterfdmßcs giignfpredieit waren, ferner auf 
bie uier (Sewerffcha-nsführer Regien Hamburg, Bit Karg = Berlin, 
Segiß*Stiirnberg uub ^iium*Biüudien, weil mau annahm, baß bie 
oon ihnen nertretenen £rgauifatioucu ab bie ctilwnfeltiten angu= 
fehen wären uub fie felbft befonbere* 3 me reffe au ber gu behau* 
belnbett Atage nehmen würben. £aß bie 3ahl ber au pcrfönlid)^- 
feiten fogialbemol'ratifdter Stid)tuug gerichteten Üiulabnugen nicht 
großer betueffeii worben ift, beruht auf ber Auffaffuitg, baß bie 


3al)l ber ^h^itnehiner an ber BcrhauMutig überhaupt bcfd);änft 
werben müßte, um bie Berhanblungen gu einem braud)baren 
Acfultat gu führen. 

Söenn in eingelnen Süden an Borfteher oon Bereinen uub 
Berbänben, nicht an Borfteher politifcher Stationen, mehrere (Ein¬ 
labungen gerichtet worben jinb mit bem Sluheimgeben, fie an 
3Kitglieber ihrer Bereine weitergugeben, fo gefchal) bie§ lebiglid) 
au§ bem (Gritnbc, baß ben (Einlabenben nicht befattnt war, welche 
SIHtglieber biefer Bereine fich befonberö für bie Srageit bc* 
Arbeiterfd)uße^ intcreffireu. 

Bnlaffung ber Srauen gu ben mebigttiifrhen Prüfungen tu 
^eutfchlanb. &er Bunbe3rath h°l in feiner Sißung ootn 20. b. SM. 
befchloffcn, bie ber ^idaffuug ber Srauen gu ben Prüfungen für 
Aergte, 3 a hnärgte unb Apothefer in ben reid)3rcchtlid)en Borjchriftcit 
entgegenftehenben ^iuberniffe baburch gu befeitigen, baß bie 3eit, 

| in weld)er fie nur al3 ^ofpitantinnen ftubirt haben, mit bem oor* 

| gefchriebenen Unioerfität^ftubium gleiche (Geltung h^ben fod, fofcru 

■ nad) ben maßijebeuben Borfchriften, wie bie3 gur 3eit nod) ber 
I Snd ift, ihre förmliche Smmatrifulation nicht erfolgen faitn. Bor* 
i au-3gefeßt ift babei, baß ber S?a<hwei£ ber für bie ^{ulaffuug gur 
j Prüfung oorgefd)riebencu fd)ulwiffenfd)aftlid)cn Borbilbung erbrad)t, 

! fowie baß ein fadjlid) orbnuitgSmäßigcr afabemifcher Stubicngang 

beobad)tei ift. — ^ie Snffung biefer amtlid)eu Bielbung erweeft 
bie Hoffnung, baß Srnuen auch halb gur Smmatrifulation au ben 
llnioerfitäten gugelaffen werben. 

Sürforge für Arbrttdlofe in Preußen. Slnt 19. April faub 
im preußifdjen Abgeorbuetenhaufe eine freie Befprednmg unter 
Borfiß be3 Abg. oon .^cpbcbranb uub ber £afa (fonf.) über bie 
j Sragc ber Sürforge für Arbeitslofe ftatt, au ber Biitgliebcr aller 
! Parteien Hjeil nahmen. (5s würbe oereinbart, ben Sniftiouen bie 
! (Einbringung einer Stcfolution gu empfehlen, bie bie Stcgierung um 
; Borlcgung eines eutfpred)enben (Gefeßentwurf-3 erfud)t. Sn 
welcher Stichtung unb mit welchen SNitteln ein Borgeheu ber Sie* 

| gierung gewiiufcht ift, erljedt aus biefer SAelbutig uid)t. 

CHn Ardfio ber parlamentarifcßen $ofumcnte ber brüten 9?c* 
pnbltf in Paris. B3ir geftatteu uns, bie Aufmerffamfeit auf eine 
prioate (Einrichtung git teufen, welche bie Stnbien über bie fogialc 
] unb mirthfd)aftlici)c (Gefcßgebnng S rai, freidjS feit 1870 fehl* er* 

I leichtert. Aus pari-? wirb uns gefd)iicben: ^)cr (Ehcfrcbafteur 
ber Rovuü politique et parlamentaire, .'oerr SUarecl Sournier, hat 
: e3 unternommen, bie fämmtlichen parlamentarifcheu Afteuftiicfe ber 
1 in Bebe ftehenben periobe gu fammelu unb fpftematifd) gu orbncn 
i unb biefeS Slrd)io allen zugänglich gu mad)cit, bie crnfteS $utcr* 

| effe geigen. ^a3 Arcßio ift bem Grand Cercle republirain, 
30 rue de Grammont in pari-3, einoerleibt, unb h^t feiner Boll* 
ftäubigfeit, feiner fpftematifd)en Anorbming mtb ber Ieid)ten 
gäuglichfeit wegen einen Borgug oor ben ähnlichen .(lodeftioucii, 

! wie fie im Parlamente felbft ober in ben öffentlichen Bibliotljcfen 
! eriftiren. 

| kommunale $0|ialpi>lttitt. 

■ fiit Cbbntfjlaff in ©Jajbtburii, ,viir Cbbmii= 
i loie in Bfagbcbnrg, bie im uergaugriten Salne in Icerfteljettben Sduil* 

flaffcu untergebradjt waren, werben nuumeliv Aänme in gwei ftäbtiidieu 
.Spaniern geiätaffen. Ber Cbbadjloie hat für bas Untertoninten 1 M. 
wödientiid) gu gnlilen. — Wegen billige Aiietlje erhalten Samilien eben* 
falls in mehreren ftäbtifdien -Sbanfcrn Untertnnft; hier gilt bie üblidic 
Miinbignngsfrilt. Smuterhin ein Anfang ftäMinher ’ Sürforge gur 
Atilberuug ber B3ohnuugsuoth. 

B'ic Arbeitölufcnfrage in ©ent $cr (Gemeinberatl) oon (Gent 
, hat auf Antrag oon Alt fee lc mtb (Gettoffcu ben Befd)luß gefaßt, 
eine (Enguete über bie Svagc einer obligatortfd)eu ftäbtifdjen Arbeite* 
lofeituerfid)eruiig gu ocraitftalteit. Ter Mommiffioit gehören Stabt* 
oerorbnete, nationalöfonouiifd)c Xbcoretifer, Arbeitgeber mtb Arbeiter 
an. Alle politifdien Parteien wiirben beriicffiihtigt. lieber bie 
anberswo bereits gemachten (Erfahrungen mit foutmitnaler Arbeite* 
lofeitoerfichenutg füll ein Bericht ausgearbeitet werben. 

Sortierung ber Bergemetnblichung bc3 SdjatifniefenÖ in (Gro߬ 
britannien. (Eine itt Vcebs abgchalteue Moufercitg oon Sogialiftcn 
aller Bichtiitigeit iSabier, fogialbemofratifihe Söberation, lluab* 
hängige Arbeiterpartei :e.) unb (Sewerffihaftstnitgliebern, bie beit 
oerfduebenett Sdbftoerwaltungöförperii ((Geutcinben, Schnl= uttb 
Slrmcuämtern :c.t al3 gewählte Be Ureter angehören, tagte unter 
beut Borüß bes befauuteu Sabiers unb gewertfihaftlichen Sdjrift* 
ftellers 3ibuei) BJehh ttnb fprad) iiel) tu erfter Viitic für bie (5r 



814 


Mo 


©ogialc $ra£is. (Eentralblatt für ©ogialpolittf. Nr. 30. 


Weiterung bei (^cmciubouoümad)teii aus. v>iufid)tlid) ber Jvragc bol 
HlfobolisimiS fanb ein Referat beS fo^ialiftifd^cii ©enteiitbcratbs 
3ohnftoit oott Niaiuheftcr, bas auf Ntunieipalifirung bcS 
SchanftoefenS hinouSlief, allgemeine 3nftiwotnng. 

Tic kommunale Straftenbahnberwalturtg in £onbon ermeift 
fid), mie uns oott bort gcftfjrieben mirb, bis jeftt als finangieller 
(Erfolg, TaS mit 17 V ■> NhÜftonen Nfarf angefanfte Süb*ßottbon* 
Neft hot aufter oierprogentiger Bergitifung notf) einen ftatttidjen 
Ueberfchttß ergeben. Tiefer mirb gur Berbefferung ber gohrgdegett- 
beit fornie gur (Erhöhung ber Söhne unb gur (Einführung eines 
NnhetageS in ber 2Büd)e für bic STngcfteÜten oerroettbet; ber Nahe* 
tag erforbert eine NtehrauSgabe für ^erfonal non 400 000 // 
jährlich- Tie 3ol)l ber 2lugeftelltcn beläuft fid) auf 2300. Tie 
(Entmicfelung bicfeS größten getneinblicben Unternehmens, baS ber 
©raffdjaftSratfj non Bonbon betreibt, hot bemiefen, mie richtig bic 
JortftfjrittSpartei gebanbelt hot, olS fte oor gmei Sohren bie (Er* 
merbttitg unb ben Setrieb ber Trammap burdb bie ©etneinbe burd)* 
fefete. 

ftatr BkgeS in öffentlichen Verträgen in ©djoitlaub. (Ein 
Borlamentsbendjt giebt eine Ueberfidjt über bas Bemalten ber 
QrtSbehörbeu in Schottlanb in Begug auf bie Öeftfefcung oon 
2lrbeiterlöfjnen bei Verträgen mit llnteruebmern. @1 merben brei 
Wirten oon Löhnen unterfchieben: SattbeS* ober ortsübliche, oon 
ben Trabe*UttionS aiterfannte, auSbrücflid) flirte. Bon ben 235 
®iftriften, in bie Sdjottlanb gerfäüt, mit über 1 Millionen (Ein* 
mobnern, legen nur 18, bie aber l l /2 Nliflionen Bemoljner gälten 
— alfo größere Stäbte — ben Unternehmern oertragSutäftig be* 
ftimmte Beengungen binfichtlich ber 2Irbeiterlöhne auf, unb gmar 
ift meift oon ortsüblichen Söhnen bie S^ebe. 


^rbeiterbetoeguag. 


Arbeiter*Sefretariat Börnberg 1898. Tie (Einrichtungen bes 
älteften 2lrbeiter*SefretariatS, beS gu Niinberg, hoben bem 
BermaltungSberid)t 1898 (Nürnberg 1899, 117 Seiten) 13838 Ber* 
fottett gegen 11010 1897 in 2lufpruch genommen, (Ein auSfül)rlid)eS 
alpfjobetifdjes Sachregister erleichtert bic Ueberficbt über bie umfang* 
reiche Tl)ätigfeit beS Sefretariats, an baS am 1. Sonuar eine 
eigene fogialpolitifche unb fogialfiatiftifche 2lbtf)eilung angeglicbert ift, 
gu beren Leitung ber aus ^renfeen auSgemiefene frühere'Nebafteur 
beS BorroärtS L)r. 21. Braun berufen ift. Tie 2luf)tellung oon 
2lrbeiterbubgetS foll eine feiner erfien 2lufgabcn fein. TaS Ser* 
trauen, baS fid) baS Sefretariat crioorben bat, fpiegelt fid) in ben 
Eingaben über bie Gutachten mieber, bie oon ©emcrffchaften, Stabten 
unb Bereinett erforbert mürben, fo über WuSfunftSftellen, (Ein* 
fiibrung ber 2lrbeitsIofemtnter)tüftuug, Sohnerhebitugett 2 c. TaS 
2lrbeitc'r*Sefretariat foitnte unerhörte ueberforberungen bei Stellen* 
ocrmittlungen oon Kellnern, Kellnerinnen, 2lusgehertt / Portiers, 
Kutfdjcrn unb Tienftboten feftftellen. (Es brnefte einige NlictfjS* 
fontrafte mit bireft gefebmibrigen Beftimmuugen ab. Hit ben 
Scbufcoorfcbriften beS BitnbcSratheS über ben Hrbeiterfcbub in Noft- 
baarfpinncreiett 2 c. mirb inSbefonbere gerügt, bah nur baS Material, 
baS aus bem HuSlaitbe fornrnt, beSinficirt roerben füll. Tie 
2luSfiibrung ber fogialpolitifchen ©efebe giebt gu oielett Klagen 
Hnlah, bie burch bie SUttbeilung oon (EingelfäHen genauer beleuchtet 
merben. (Einen befonberen Hbfchuitt bilbet bie Ueberficbt über bie 
0)emerffct)aftSorgani|ationen oon Nürnberg unb ihre SThätigfeit. 
Wcmerffdjaftlid) organifirt finb in Nürnberg 11 659 Hrbeiter, bic 
OK’fammteiuuabmeu ber Nürnberger (^eroerffdjaften betrugen 1898 
158 252,27 Jt 2lrbeitSnachmeiS, Unterftübung bei 2lrbeitSlofigfeit, 
(Ermäßigung ber 2lrbeiterfabrfarten (33 l /y % ift oon ber Straften* 
bal)n im Serfefjr mit ben Sororten gugeftauben) bilbeten einen 
.f)aupttbeit ihrer Serbanblungen. Unter ben ^ieuftoerträgeu, bie 
abgebnuft finb, beftimmt ber Sertrag 001 t 2. Sd)on*.V)aumad)er, 
Eßarifor Ncnmäfd)erei in Nürnberg, baft bie ^ehrmäbcheu nadj Sc* 
enbigung ber l'ebrgeit im ©efchäft bei grceimonatlidjer Künbigung 
meiter gu arbeiten fid) oerpflidjten unb baft fie fünf 3«bre 00 m 
2:age bes 2lustritteS au gerechnet auf einen Utnfreis oon 
50 Kilometer oon bem jemeiligett OJefdjäftSftbc beS Merrn 
2. Sd)olI=.J>aiuuad)er nicht in ein gleiches Okfdjaft cintreten, noch 
ein foldics auf eigene Nedjnung griinbeu unb betreiben biirfen. 
2)ie Konoeutionalfirafe ift auf 500 t // feftgefefet. 3Me Schub® 
fabrif öubmig Jeimann bebingt fid) fogar aus, baft ber Hrbeiter, 
ber aus ihrem (^cfdjäft anstritt, innerhalb brei Neonaten in 
2)eutfchlanb nirgenbs als 9)fafd)incngmicfcr cintritt. 3ugleid) 
oerpflichtet ber Kontraft ben Arbeiter gur 2lufgabe aller gefeftiiehen 


1 Nodite, befoubers bes KoalitionSred)ts. Ter Arbeiter oerpflidjtct 
fid) 001 t oornberciu, ein bcftimmteS Duantum Hrbeit gu leiften unb 
beponirt oon oornbereiu 200 r ff. fiir allenfallfige Verfehlungen 20 . 
2lnd) fonft finb in ben HrbeitS*$erträgen unb *Drbuungen eine 
Neifte 25eftintmungeu enthalten, meld)e bie Keungeid)itung bes 
Berichts als Straforbnungen burcbauS oerbienen unb meldje im 
Arbeiter baS ö)efül)l ber meiften Sflaoerei umfontebr entftebeu 
laffen, als tbätlidje Nfiftbanblungen neben öobnabgiigen 2 c. oielfad) 
behauptet mürben. (Eine (Enquete über bie Nürnberger Budj* 
bruefereien ergab bie BerbefferungSbebürftigfeit ber h 99 ^nifchen 
3uftänbe. Ter 2lufmanb für baS Sefretariat betrug 1898: 
8055,79 ( ff. 

Nette Hrbeiterfefretariate. 6in Hrbcüerfefrctariat ift nun aud) in 
Tarmftabt errichtet morben, baS erfte im Olroftbergogtluun Reffen. 
TaS ^siiftitut, welches ben bereits beftebenben nadjgcbilbet ifl, oon ben 
organifirten Arbeitern unterhalten wirb unb beit Bilbhauer Philipp 
Niöller ginn Hrbeitcrfcfretär gewählt hat, füll fidj bereits eines gal)l= 
reuten 3 ll iprudjs erfreuen. — Cmi Berlin füll für bic fatholifd)eit 
Hrbeiteroercine 1111 b ('lewerffdjafteu am 1. 2Rai ebenfalls ein Arbeiter* 
fcfretariat in Kraft treten. ?lls Sefrctär füll ber Borfipcube bes 
chrtftlichen Bereius „^Irbeiterfdjup", Seeigel, fungiren. Tie Bitreaur 
füllen im fatl)ülifd)cn 2lrbeitcrheim „2eol)üfpig" eingerichtet werben. 

Tic SöcbcrftrcifS in Krefclb mib in SRcidjenbadh t» Ter 

Streif in ber Krefelber Sammetinbuftrie get)t, nachbent oor etwa 
14 Tagen eine prinzipielle (Einigung ergielt mürbe, enblich nach 
mehr als breimonatlid)er Tauer (feit 15. Januar) feinem Hbfthlnft 
entgegen. 2Bie befannt, hoben fid) bie Streifenben mit ber 3?abrt* 
fautenlol)nlifte eiuoerftanben erflärt unter ber Bebingung, baft ber 
oariable 3ufablof)u, roeld)er bis gur ©öfte oon 10 $fg. pro Nieter 
für tabeliofe Biaare oorgefchett mar, ourchmeg als feftcr ßoftn ge* 
i gaftlt mirb unb es bett Sabrifen im (Eingeltten überlaffen blieb, fid) 

! über bie ©öfte bes 3 u f a foM)Hä mit ihren 2lrbeitern auSeinanber* 
gufeften. (Eine bahingehenbe (Einigung ift bisher tu 10 Sfabrifeit 
ergielt morben, brei blieben noch im HuSftanbe, hoch mürbe aud) 
hier eine (Einigung erroartet. HuS Krefelb mirb berichtet, baft bie 
Streifenben am 19. Hpril in gefchloffenem 3 ll 9 e un ^ ©efang 
burch bie beflaggten Straften in bie mieber geöffneten Sabrifeu 
gogen. — 3u Neidjenbach geht ber HuSftanb ebenfalls gu (Enbe, bic 
Streifenben ho^n bie Hrbeit, ohne ihre gorberuitgeu burchgufefteu, 
gumeift mieber aufgenommen. 

Ter ©emerfocrctß ber Tetttfdjeu 2Wif^mewbatt* unb NZetatt- 
arbeiter hält feinen 11. orbcutlichen Telegirtentag gu Bfingften in 
2lugsburg ab. ©S mirb einer auftrengenbeu Tpätigfeit bebiirfen, 
um baS oorliegenbe Ntaterial gu beroältigen, beim bie TageSorb* 
itung enthält nicht roeniger mie 633 Huträge; bagu fommeit bann 
noch Referate, Berichte unb Wahlen. Tiefer Telegirtentag mirb 
gu entfdjeiben hoben, ob ber ©eroerfoerein fich bett Beftimmungeu 
beS Bürgerlid)en ©efeftbucheS anpaffen unb fich als „Berufsoerein" 
eintrageil laffen foll. Ter ©emerfoereitt hotte am Schluffe 1898 
548 ÖrtSocreine über gang Teutfd)laitb oerbreitet mit 33 045 Niit* 
gliebern. Beibe 3iff eru gum Sd)luffe beS erftett Quartals 

1899 mieber geftiegen, bie SNitgliebergal)! beträgt jeftt runb 34 000. 
TaS Bennögen bes ©emerfoereinS einfchlieftlicf) Kranfen* unb Be* 
gräbniftfaffe betrug am Schluffe beS erftett Quartals 1899 runb 
1 300 000 e ff. Tettt Telegirtentage fchlieftcn fich bic ©eneral* 
oerfammluitgen ber Kranfen- unb Der Begräbniftfaffe an. 

Sohnbemegung in ber belgifdjen Küljleninbuftrie. 21 us B rii f f e l, 

20. b. NltS., mtrb uns gefchrieben: „Nad)betn bereits SSeihnad)teu 
bie in gramerieS oerfammelten Telegirten ber Ntineitarbeitcr ans 
ben oier Kohlenreoierett bes £anbeS bie 2lrbeiter[d)aft aufgeforbert 
hatten, alle Borfehrungen für einen Streif gu treffen, ift ein folcher 
nun am Sonntag auf einer Telegirtenoerfatumlung in (Eharleroi 
I einftimmig befchloffett morben. Tie 2lrbeiter oerlangen eine Sohn* 

! erhöfjung oon 30 o/ 0 . Ter Befd)luft bes KottgreffeS oon (Eharleroi 
i hotte nun aber bisher noch feittcSmegS bie (Eröffnung beS ©eneral# 
ftreifS in ber gefammten belgifd)ett Kobleninbiiftrie gur Rolge. 
Tettn ba ernfthafte fad)oereittlid)e Drgaitifatioiten nidjt oorljattbett 
finb, fo ift eine einheitliche Leitung ttttb TiSgiplitt ber Bcmegung 
aufterorbentlich erfdjmert. 2lm 18. 2lpril betrug bie ©cfamtnt* 
gal)l ber Streifenben erft etma eilt Trittei aller 2lrbeiter ttub 
auf fehr oielett ©rttben fonntc nod) fortgearbeitet merben; bod) ift 
eine mcitere 2(uSbehnmtg ber Bctoegung fdjott für bie näd)ftcti 
Tage fehr mabrfcheiulid). Ter Nloment für einen Streif ift oon 
ben Arbeitern jebettfallS gefd;icft gcmäblt, bic ^ahresgeit ift ihnen 
gtitiftig, bie ^nbiiftrie ittt gangen E?anbe ift itt fieberhafter Tlhitig* 
feit, bie Nad)frage nach Kol)le ift fdion jeftt fatitn gu bewältigen 
unb, was baS ®d)tigfte ift, bie oorl)aubeneit Borräthe finb fo 
nttbebeuteub, baft fdjütt bei einer furgett Tauer bes Streifs bie 






sir> ©ogiale $ra£tg. Gcntralblatt 


tnetallurgifdjc Subuftrie mib bie Glagittbuflrie tu Mitlcibcnfd)aft ! 
gegogen merben mürben. Vei bcm Mangel einer ein^eitlidjcn £r- I 
gani|ation geigt bie Vemegung natürlich überall inbiuibuefle ;{iigc, I 
auf manchen Rechen paben bie Unternehmer bereitg Grf)öbungen 
non 5 bi3 10 u / 0 angeboten. Tah bie 3«buftrieHen bei ber £>opc 
ber Mohlettpreifc faft burdptoeg in ber Lage mären, tocnigfteitg 
10 o/ 0 Lohnerhöhung gu gewähren, mirb faft allgemein gugegcbett. 
3ür ben 23. b. M. tft in 3olge beg Antrag« ber fogialbemofratifcpeit 
Abgeorbneten Leonarb unb Gaoroi oom Arbeitgminifter ber Conseil 
superieur de l’industrie et du travail gufammenberufen, um fid) 
eoentueH alg Ginigunggamt gu fonftiluiren. Ter Grfolg bleibt ab* 
gumarten. Tie Koplenpreife finb im Tetailhanbel in ben lepten | 
Tagen ftarf gesiegelt. 3» ben ©trcifgebieten ift bigper Alles ! 
ruhig. Tag Slaison du peuple in ©eraittg pat bie fehl* gur Aocp- i 
apmuttg gu etnpfepletibe Haftnahme getroffen, für bie Tauer beg 
©treifg ben AlfopoIaugfcpanE einguftetten. ©eitere Vericpte merben 
Spnett gugepen." 3n einer fpäteren, nom 22. April batirten 3u* 
feprift tpeilt unfer §err Korrefponbent mit, bah er fiep in bag 
©treifgebiet begeben pat, nnt uttg non bort aug gu beridjten. 

Am 23. bg. fanb in Gparleroi bie angefünbigte ©ipung beg 
Snbuftrie- unb Arbeitgratpcg ftatt. Tie bem Aatpe angehörigen 
Arbeitgeber (egten bar, bah innerhalb ber lebten gmei 3n(;re bie 
Loptte ber Grubenarbeiter um 20% erhöht morben feint, unb 
gaben fobattn bie Grflärung ab, bah lief) einem non Vertretern 
ber Vergmerfgbefifcer unb ben bcm Arbeiterftanbe angehörigen 
Sufpeftorcit gu fäüeuben ©cpiebgfprud) unterwerfen roerDeti. Tie 
bem Aatpe angehöreuben Arbeiter erroiberten, ihnen fehle bag I 
Vertrauen gu biefer Löfuttg. ©o fam eg gu feinem Vefdjluft. j 
Auch itt ben übrigen Vegirfett nerliefen bie ©i(jungen ohne Gr- 
gebnif}. Teg ©eiteren mirb gcmelbet, ber $ohlemnattgel mache ; 
fiep fepott ftarf fühlbar, §od)öfcn mitrbett auggeblafen, mehret e j 
Gifenroerfe paben gefchloffeti, geriidjtroeife mirb behauptet, bie * 
Verforgung ber Gifenbahnen mit Stöhlen begegne ©chmierigfeiten. j 
©ie groh bie 3<*pl ©treifenben ift, ift feptoer gu fagett: 3nt j 
Gentre füllen eg gegen 12 000, ebenfooicl in (5f;arIeroi, im Vecfett 
oon Mong gegen 20 000 fein, in bem ©eraittg ift ber Augftanb 
faft allgemein, fo bah affo 60—70 000 Vergleute ftreifen. Tie 
Arbeiter ber Glagfabrifen wollen ebenfalls bie Arbeit nieberlegen. 

Tie belgifdjen Vergarbeiter gehören gu ben gcriugftbegaplicu 
beg Stontinentg. Stach einer amtlichen ©tatiftif ber Annales des 
Mines de Belgique belief fid) ber 3flbr e Slof)it burcftfcfjnittlicl) auf 
1006 graneg. Tiefer Loptt pat fid) atterbingg hin unb rnieber 
erhöht, aber nur burch llebergeitarbeit. Sit bod) ber Vebarf an 
Kopien bei bem grohett Auffdmntng ber belgifdjett Snbuftrie in ber 
lefeten 3 e it fo ftarf gemefeti, bah manche Arbeiter in ber lebten 
©oepe ad)t ©(piepten gu verfahren patten. Aach ber obigen 
©tatiftif belief fich bie belgifcpc Koplenergeuguttg 1897 auf rünb 
211/ 2 Millionen Tonnen unb bürfte im oorigen Sapre 22 Millionen 
noch übcrfdjritten haben. Tie greife für Sohlen finb feit gmei 
Sahreit in ftarfem ©teigen. Tie Arbeitergabi betrug 120 382, 
worunter im Gangen 636 meiblidje. Taoon arbeiteten 8*341 
unter Tage. 

Tie Maffetunigwanberung ttaltenifdjer Arbeiter aug ihrem j 
Vaterlanb, bie alle Sahre im ßrühling big in ben Monat Mai | 
hinein ftattgufinben pflegt, hat biegmal gang befonberg grohe Ti' 
menfionen angenommen. Vor Murgem melbeten ©djmeiger Leitungen, 
bah bie Gottharbbahn in ben brei erften Monaten beg laufenben 
3abreg ungefähr 48 000 Manu gegen 42 000 im gleidjen 3 tf it* 
raum beg oergangenen 3ahreg nach Aorben beförbert habe, unb 
eine Aachricht aug Vcllingona befagt, bah allein in ber Aadjt oom 
5. gmn 6. April 5000 italienifche Arbeiter in fünf Grtragügett bie I 
©rfjmeiger Grenge paffirt haben. Tiefe groben 3al)len finb aber I 
immer noch weit entfernt, ein rieptigeg Vilö oon bem enormen ! 
3ubrang italienifd)er Arbeitefraft und) ber ©djtoeig unb bnrrf) bie 
©djroeig nach beut Aorben gu geben, ba fie fich nur auf ben einen, 
wenn auch bauptfäcplicpfteu Älpcniibergaug begieheu. Tie Gin- i 
manberung oon Arbeitern gu <vuh über bie uerfd)iebeneu Grau- i 
büubeuer Väffe, ben Groben ©t. Verubarb unb ben ©intplott liefert i 
ein uidjt gu uuterfdiätjeubcg Hontiugent, meldjeg bie oben genannten 
3ah(en beträchtlich erhöht. ! 

6. ßoitgrcft beg bänifdjen fDfctallarbeitcruerbaubcg. Ter gu 

£ftern in Mopcnbagen abgehallene Mongreh beg Metallarbeiters 
tun-bau beg, ber nur gelernte Mitglieber umfaht, mar befonberg j 
beghalb oon Sntercffe, weil fid) au ihm and) Vertreter ber beutfdjcn, i 
fdimebifchen unb normegifdjen Metallarbeiteroerbänbc betheiligten. 
Vefanntlid) mar ein Vertreter ber orgauifirten bäitifchen Meta 11= j 
arbeitet- and) auf bcm lepten beutfdjen Metallarbeiterfongreh in l 


für Sogialpolitif. Ar. 30. sin 


in Malle a/©. erfdjieucu. Unter ben Metallarbeitern bcrrfd)cu au= 
fdjeinenb gute internationale Vegiehutigcn. — Ter Slougreh mar uoti 
62 Telegirten befucht, 17 aug Kopenhagen unb 45 aug ber ^rooing. 
Ter bämfd)e Metallarbeitcruerbaub gählte Anfang biefeg 3ah^^ 
6356Mitglieber unb oerfügte über 194 399 Kronen, befiptalfobereitg bie 
^älfte beg Vcrmögettg beg großen beutfd)eu Metallarbeiterocrbanbg. 
©eit gmei Sahnen hat ber bänifdje Verbanb ruub 1700 Mitglieber 
gewonnen, fo bah nun bereitg 85% ber Metallarbeiter organifirt 
finb. Ter Verbanb, ber nur gelernte ©chloffer, ©djmiebe unb 
Mafchinenbauer umfaht, hat eg für jept uoep abgelehnt, bie un¬ 
gelernten Arbeiter, bie übrigeng in Tättemarf bei ber weniger 
entmicfelten Tpeilarbeit niept gaplreicp üub, in ben Verbanb auf- 
gunepmen. Ter Verbanb pat 11Ö00 Kronen in Aftien oott 
Mafcpinenfabrifen angelegt m bem auggefproepenen 3mecf, bie 
„V^aftifen" ber AfticngefeÜ|d)aften möglicpft genau fennen gu 
lernen. Auf bem Kongreh trat ein fiarfeg ©elbftbemuhtfein peroor, 
mag niept gulept auf bie ©tärfe ber gcmerffcpaftlichen Drganifationcn 
in Tänemarf gurücfgufüpren fein bürfte. 

3ur Gifenbcipnerbemcguiig in ^ranfretdj. Tie Annähe- 
runggbeftrebungen (,,©ogiale Vrag-ig" Ar. 24 ©p. 566 b. So 
unter ben brei Vcrbättben ber frangöfifepen Gifeubahnbebienfteten 
bauern fort, ©ic merben jeboep faft angfcpliehlicp oon bem Syn- 
dicat national geführt, bag feit ben oerunglücfteu ©treif- 
oerfuep oom Tftober 1898, einen oöfligen Umfcpmung in feiner 
Haltung ooügogen pat. Tiefe gefucfjte Annäherung an bie beibeu 
auberu Verbäuben erfepeiut big gu einem geroiffeit Grabe alg eine 
Temonftration jener ©ipmcnfung beg Syndicat national, ©eine 
©erbungen fanbeit anfänglich fepr wenig Gntgegenfommett. ©ie 
erfepienen fogar oöllig augficptglog, folange fie auf eine birefte 
3«fion abgielten, wie fie oon bem Aationalfpnbifat befürwortet 
mürbe. Völlig ablepnenb oerpielt fiep bag Syndicat des 
mecaniciens et Chauffeurs, roelcpeg fiep offenbar ben Gparafter alg 
Korporation ber Glite ter Gifenbahnbebieufteteu bemapron möcpte. 
Gencigiereg Gepör fanb man bei ber Association amicale des 
employes de chemins de fer, einer Vereinigung, bie panptfädjlid) 
bie gegenfeitige iluterftiipung iprer Mitglieber pflegt; bodiging and) 
fie niept gu pofitioen ©djriiten über, ©enn fie eine ftufiou für 
ntöglid) gugab, fo fönne fie fiep aber nur burep ben Gintritt ber 
anbereu in ipre Korporation uermirflicpen. Unter biefen Umftänben 
rebugirte bag Syndicat national fein urfprünglicpeg Sufiougpro- 
gramnt auf bag Verlangen naef) einer einfadjen Gutente gur 
Turtpfüprung gemiffer Giugelreformen. Alg Programm biefer 
Guteute fcplug eg bie nädpten 3t€le feiner eigenen Vcftrebungeu 
oor, näutlid): 1. Lohnerhöhung für bie fleinen Vcbieiifteteu, 
2. ^enriongberedjtigung für alle Kategorien oon Vefcpäftigteu. Gg 
ging fogar fo weit, bie Association amicale gu oeranlaffen, felbft 
bie Süprung in ben Annäherunggbeftrebungen gu übernehmen, 
mogit fiep ipr, anlählidp ipreg im April ftattfinbenben Kongreffeg, 
gute Gelegenheit biete. Tie beiben auberu Verbänbe mürben fieper 
Telegationen bagu entfenben, fallg Ginlabungen an fie ergingen. 
3ür fid) felbft, bag Syndicat national, fteHte eg ben bireften An¬ 
trag, fid) beim Kongreh ber Association amicale oertreten laffeit 
gu bürfeu. 3u iprem £rgau „La Locomotive“ antwortet nun ber 
Venoaltuuggaugfd)uh ber lepteren fepr ocrföpnlich auf biefe An¬ 
regungen. Tie 3alaffung frember Telegationen gu ihrem Kongreh 
fei ftatutemnähig anggefdjloffeu, unb eg bebürfe eineg Vcfd)Iuffeg 
ber Generaloerfammlung, um bie Association gur Vetpeiligung an 
einer Gntente gu crmögiicpeH; bod) fei bei ipr oiel Aeiguitg oor- 
panbeit, mit beit Beiben anberen Verbänbett gemeinfame ©epritte 
im Sntercffe ber Gifenbahuarbeiterfcpaft gu tpun. Auf biefeit Ve* 
fdjeib piit mirb bag Syndicat national anlählicp beg ermähnten 
Kongrcffcg feine freuubfchaftlicpe (^efinnung burd) eine Abreffc 
fitubgeben unb hofft, batnit ben Anfang gu bireften offiziellen Ver- 
haublungcu mad)eu gu fömtcu, nacpbetn fid) ber bisherige Meinuugg* 
augtanfd) in nur offigiöfeit Sonnen ooflgogeit patte. — Snttcrpalb 
ber eigenen Mitgliebfcpaft pat bag Syndicat national immer uoep mit 
©cgeffiongbeftrebuugen ber ©taatgbeihuarbeiter gu fämpfeu. Gilt erftcr 
Verfnd)gurVilbuitg einer bcfoubercu Korporation für bie ©taats^bapiien 
murbegmaroercitelt, bod) ift bieVemcguug batnit noep nicht iiuterbriicft. 
Turd) bag grohe Gntgegeufommeu ihrer Tireftioit befiuben fid) bie 
©taatgbflhubebicufteteu in ber Lage, aufehulicpe Vortheile gu er¬ 
langen, meint fie unabhängig oerhaubelu föttnen, mährenb fie bar- 
auf oergiipteit tnüffeu, wenn fie aug ©olibaritätggefühl in ber 
reinen Cppofitiougftellung oerharreu, gu toelcper bie feproffe §altung 
ber prioateu Gi feit ba pn gef eil f d)af teil bie Gefamtntpeit nöthigi. 
©efentlid) um ber ©egeffion ber ©taat^eifeubapner oorgubengett, 
befd)leunigt bag Syndicat national feine Aftioneit fepr. Gg pat 
bereitg bei ben oerfepiebeneu Gifenbapnbireftiouen um Aubicugen 



Hl7 Sogiale $ra£is. ©entralblatt für Sogialpoliüf. Ar. Bö. SIS 


nadjgcfudjt, ferner bie Aefouftrnftion ber parlaincntarifcßcn (Gruppe 
gur Währung ißrer Sntcroffcn, ber circa 200 J)cputirtc angeboren, 
peranlaßt unb bie 3ufußcning ber balbigen ©rlebigung Der ©c* 
feßcSporlage über bie 33egrengung ber ArbeitSgcit auf beit ©ifettbaßnen 
errcirft. — J5eS Weiteren wirb uns aus fßaris gefeßrteben: $)ie 
Association amicale des empioyes de chemin de fer, bie ältefte 
(gegrünbet 1884) ber brei SanbeSoerbäube non ©ifenbaßnbebieufteten, 
bat am 17. April in fßariS ihren orbentlkßen gaßreStag abqebalten. 
Antoefenb rcaren 72 j)elegirte, roelcße bie Mitgliebfcßaft bei beit fecßS 
roßen ffkioatfompagnien, ben StaatSbaßnen unb mehreren ßofal* 
ahtilinien nerlraten. J)ie 3 roe tf e ber Affogiation finb in erfter 
ßinie gegenfeitige Unterftiißuug, unb bie SSerßanblungen beS Kon* 
greffe^ über fpegxette SSerroaltungSangelegenßeiten nehmen baßer 
einen breiten Aautn ein. J)aS |>auptintereffe rcurbe jeboeß groei 
fragen taftifcß*politifcher Aatur engegengebraeßt. J)te erfte betraf 
bie Konftitution beS parlameutarifcßen KomiteS gur Nahrung ber 
gntereffen ber ©ifenbaßnarbeiter. J)er Kongreß fcßloß [ich mit 
einer Spmpathiefunbgebnng an baS bereite befteßenbe, aud) non 
ben anberen 2Serbänben anerfannte Komite an. J)ie groeite Sfrage 
begoa ficß, auf bie non bem Syndicat national beantragte gufion 
ber beiben SSerbäube, bie inbeffen runbroeg abgelehnt rcurbe, ba 
groifeßen ben ©runbfäßeti unb ber Haltung ber betben Affogiationen 
ein gu großer Abftanb norhanben fei. 


^rbeUerfd)u|. 

3 E ötjreö§crii^t beS gabrifinfpeftorS im gürfteitthmn Sdjroarg- 
Imrg ^Hu dftabt für 1898. J)aß auch ©eroerbeauffießtsberießte aus 
fleinen Jkgtrfen roertßpolle Auffcßlüffe über bie Wirfungen beS 
ArbeiterfcßußeS unb bie Arbeiteroerßältniffe geben fönnen, beroeift 
baS Referat beS $errn AegierungS* unb ©eh- Söauratßs SBrecßt in 
Scßroargburg*Aubolftabt für baS gaßr 1898. Wie bie fämmtlichen 
fiibbeutfcßen iBericßte fonftatirt auch biefer, baß berSSerfeßr mit ben 
Arbeitern fich reger geftaltet, aber ber Beamte fügt ßingu, „rcenn 
babei aueß mit ber Äücfftcßt oerfaßren rcerben muß, baß bie tarnen 
berer, bie mit mir oerßanbeltt, nicht befannt rcerben." $)ocß rcohl 
aus bem ©runbe, rceil fonft gu befürchten ift, baß bie betreffenben 
Arbeiter Maßregelungen non Den Unternehmern gu erleiben haben. 
£>err Brecht erfennt auSbrüdlicß an, baß bie Mittheilungen aus 
Arbeiterfreifen ihm banfenSroertße gingergeige Abstellung non 
llebelftänben gegeben. ©benfo roirb angeoeutet, baß bie Aufforbe* 
ruitg, lieber bem Beamten Aitgeigen gu erftatten als in ben 3ri* 
tungen bie Arbeitgeber gu befcßulbigen, gute Erfolge gehabt hat. 
AIS Wirfung beS AunbfcßreibenS betr. SBauarbeiterfcßuß, baS ©raf 
^ßofaboroSft) am 30. guni 1898 (ngl. „Sogiale ^prajis" Sp. 751) 
erlaffen hat, ift an 3 iifehen, baß ber gabrifinfpeftor beauftragt 
rcurbe, eine für baS gürfteutßum geltenbe 3?erorbnung aus* 
guarbeiten, gu beren Söeratßung erfreulicherroeife forcohl Meifter 
als ©efeHen ßingugegogen rcoroen finb. ©ine SeßrlingSgücßterei 
im gabrifbetriebe ift nicht bemerft roorben, eher eine folche im 
#anbroerf. Was bie grauenarbeit betrifft, fo rcirb berietet, baß 
bie gabrifanten nom AuSfcßluß ber oerßeiratßeten grauen ober 
ron Minberarbeit biefer nichts roiffen wollen, „im ©egentßeil Skr* 
ßeiratßere rcegen ihrer Willigfeit unb Anftelligfeit gern nehmen"; 
bagegen crfläreit mehrere, baß fte bie Mäbcßen unter 18, felbft 
unter 20 gaßren gern entbehrten, benn biefe madßten ißnen bureß 
Unbotmäßigfeit ben meiften Skrbruß. Auch Arbeiter ftimmten 
biefer Meinung bei, rcaren aber geneigt, grauen unb Wittroen 
mit fleinen Kinbern pon ber gabrif aitSgufcßließen. @ie meinten, 
es rcäre bringenb erroünfeßt, rcenn bie jungen Mäbdßen erft in 
einer §auSrcirtßfcßaft ober in ber £anbrcirtbf<haft bienenb, fodßcn 
lernten unb bie gabrif mit ißren oielen ©efaßren für bie 0ittlich^ 
feit erft betreten, rcenn fie älter unb fittlicß gefeftigt rcaren. Man 
fänbe grauen, bie bem Mann faum eine Äartoffelfuppe foeßen 
fönnten unb ißn beSßalb in bie 0cßenfe trieben. §iergu bemerft 
ber Beamte: 

freilich ift bamt Hausarbeit 311 befürchten 1111 b ferner 311 bebenfen, 
baß in maneßen Aabrifcn 2 eßrtinge ntöglicfjft früß eintreten müffen, 
um noch fingerfertig feit unb Wefcßtcf 31 « feineren rceibtidjeu Arbeit 311 
erhalten. (Sö rcirb (eßt fdjou hier unb ba über Mangel an Aadjrcuchs 
gctlagt. SBiirbe ber Eintritt in eine gabrif bei ben nteiften @erccrbs= 
grccigen erft ungefähr in bie 3eit ber Münbigfeit ocrlcgt, fo rcürbe baS 
auf bie 3ittUd)fcit unb auf bas fpätere Familienleben, ba» jeßt pielfacß 
nur 311 Jage tritt, rcenn ber Mann mit Frau unb jfiubcru itad) ber 
2 ohn 3 af)lung Abeube ins Sirtßsdjaus peht, non ber crfmtlidjften S3e= 
beutung rcerben, beim ba* Soljl unb 5Behageti älterer Arbeiter hängt 
rcefeittüd) ooit einer oerftänbigen ad)tnng*rcertßeu Frau ab. (SS föitutc 
aueß ber rcegett ber Wefinbenoth feßr beflagen*rcertßen fianbrcirthfcßaft 


rccnigften* 31 t einem fleinen 3heile geholfen rcerben, beim bie 9aub= 
rcirtße fönnen mit ben Löhnen in ben gabrifen nid)t 0 d)ritt halten unb 
biefer Uebelftatib rcirb Ijier immer meßr unb unerträglidj 311 Jage treten. 
Soften bie jungen Seute gunäcßft nicht bie Ungebuubenßeit beS Fahrif* 
lebenS, fo bleiben fte auch rcoßl bei ber Sanbrcirthfcßaft, in ber fie ficß 
fittlicß, gefunbßeitlich unb fdjließlicß im @ 0113011 ’ oiei rcoßler finbeu 
fönnen. IfS füllten rcenigftenS alle minberjäßrtgen Fabrifarbeitcr 311 m 
SBefudj oon Fortbilbungsfdjulcn 3 rcaugSrccife ßerange 3 ogeu rcerben, 
rcobei aud) Uitterrid)t in ben Aitfangsgrünben ber ^pgienc ertßeilt 
rcerben müßte. $)ie Soften beS Unterridßts fönnen fic bei gutem i^er* 
bieuft re<ßt rcoßl tragen. 

Ueber bie 33äcferei*93erorbnung roirb gefagt, es ftede fi<ß 
heraus, baß man ficß allgemein an ißre Seftimmungen unb aueß att 
bie SonntagSruße im Säaereigercerbe geroößnt ßabe, unb baß Klagen 
nirgenbs meßr gehört rcerben; aueß baS Serßältniß 3toi[^en 
Meiftern unb ©eßilfen fei aitgemeffen. ©in folcßeS amtliches 
3eugniß oon unparteiifeßer Seite ift meßr roertß als 2)ußenbe pon 
gegentßeitigen Söeßauptungen ber S3ädfermeifter. $)ie geroerblicße 
Xßätigfeit rcar im Allgemeinen rege. „Sßer ficß — fo fcßließt ber 
SBcricßt — ber Arbeiteroerßältniffe aus ben breißiger gaßren biefeS 
gaßrßunberts gu erinnern permag, ber muß gugefteßen, baß am 
Scßluffe beffelben fein Stanb im Staate forooßl feiner äußeren 
Stellung nadß, als aueß in ber fiebenSßaltung unb in roirtßf^aft* 
ließer Begießung fo erßcbli^ emporgefommen ift, als ber fogenannte 
Arbeüerftanb, unb baS ift erfreuließ." 

formen für bie $ienftgeit ber 6traßenbaßit*Angefitellteit im 
Königreich Sacßfen. ^)ie gaßlreicßen Klagen über bie Heber* 
anftrengung ber Straßenbaßu*AngefteHten ßaben bie fädßfifcße SRe* 
gierung oeraitlaßt, gur görberung ber Setriebsficßerßeit im Straßen* 
baßnroefen geroiffe formen für bie täglicße ®ienftgeit aufgufteüen, 
bie leiber uießt alle Angefteüten berüeffießtigen. ®ie pon bem 
fönigl. Kommiffar für bie eleftrifcßen Straßenbahnen aufgeftellteu 
formen treffen 33eftiinmungen lebiglicß über bie Ma^imalbienftgeit 
ber Wagenführer unb Signalrcärter. Sie lauten naeß ber 
„Öeipg. SolfSgtg.": 

1 . $te ^ienftgeit barf rcäßrcnb eines gritraumes Don brei Wodjcu 
feinesfalls meßr als 200 Stunben betragen. 

2 . £ic ^ienftgeit barf an einem 'Jage oßne ©iitfcßiebung einer 
größeren Außepanfc oon minbeftens grcei Stunbeu Jauer nießt meßr 
als geßn Stunbeu betragen, bei (Sinfcßiebung einer folcßen Außepaufe 
aber, abgefetien oon ber unten begeichneten AuSnaßme, aud) nießt mehr 
als 14 Stunoen. ®cr Jienftgeit muß eine gcfcßloffene Außegeit oon 
minbeftens ad)t Stunbeu folgen. Aur einmal in je fieben Jagen ift es 
3 ulaffig, bie jienftgeit unter entfpreeßenber Abmiitberung ber oorauS* 
geßenben ober nacßfolgenben Außegeit auf 15 Stunbeu 31 t erßößett. 

3. diejenige geit, rcäßrenb rcclcßer bas $erfonal 3 rcar nießt be* 
fdjäftigt, aber bienftbereit fein muß, rcirb mit bem halben SBctrag als 
Jienftgeit gerechnet. ^>iergu gehören alle Jienftpaufen uon 5 bis 40 Mi* 
nuten J)auer forcie $aufen über 40 Minuten oßne Ablöfung. Jücnft* 
paufen unter fünf Minuten Jauer gelten als Jienftgeit. Raufen oou 
meßr als 40 Minuten (mit Ablöfung) gelten als bienftfreie geit. 

4. Fm Jienftplane fmb bie geiten oor unb nach bem rigentlidjeu 
Faßrbicuft, innerhalb rcclcßer bas ^crfonal 3 ur Stelle fein muß, mit 
aufgufüßren. 

Wenn aueß biefe SSorfcßriften noeß eine feßr lange J)ienftgeit 
gulaffen, fo ift boeß roenigftenS ber Anfang einer Begrengung 
gemaeßt. Aber too bleiben bie Scßaffner? 

gabrifinfpeftion mib Arbcttsuerhältniffe in Ungarn. J)er eben 
erfeßtenene gaßreSbericßt beS ^reßburger gabrifiufpeftorS für bie 
Komitate Aeutra, Sreuefin, Xuvöq unb ^reßburg ift ber erfte, ber 
auf ©runb ber neuen SScrorbnungen für bie ©ercerbe*gnfpeftion 
in Ungarn erfeßienen ift, unb fein gnßalt roirft auf bic Aeform 
ber gnfpeftion roie auf bie ArbeitSoerßältniffe in Ungarn bemerfenS* 
roertße Streiflichter. SSor allem geiat eS ficß, baß bic aleicß An* 
fangS geßegten Sefiircßtungen, baß bie eingeluett gnfpeftorats* 
begirfe gu groß geratßen finb, begrünbet rcaren. 

Jer $reßburger Olerccrheinfpeltor ßat im Faßre 1898 nidjt rceniger 
als 403 inbuftrielle Anlagen perfönlicß infpigirt. F» biefer gaßl fmb 
gang Heine Anlagen, forcie bie fogenannten ^anernmüßlen (allein 1600) 
nießt inbegriffen. F m Faßre 1870 gab es im begirfe nur 136 Fabrifcn. 
Jie gunaßme betrug oon 1870 auf 1880 76, oon 1880 auf 1890 69 
unb in bett leßtcn 8 Fahren 122 Fabrifaulagen. Fn ber Stabt $reß* 
bürg allein ift bic gal)l ber Fabrifcn in biefeitt 3eitraume oon 24 auf 
80 geftiegen. Unter ben 403 Fabrifcn beS $egirfs ueßineit ben erfteu 
^.Uap bic Spiritusbreunereieit ein, bann fomnteu ber gatjl uad) bie 
Fabrifett für Konfumartifel, barunter 5 gueferfabrifeu mtb bic Je);til= 
inbitftrie. J)ie gaßl ber Angeftetlteu biefer 403 Fabrifcn betrug 15 319, 
barunter 14 203 Arbeiter. \Sinc ausführliche Tabelle giebt Auffdjluß 
über bie Angaßl unb bie Aatur ber oorgefunbenen 594 Auftäube, 
Atängel unb Unregelmäßigfeiten. Jic Mcßrgaßl betreffen ^crfäuiitniffe 
ber bei JranSmiffionSanlagen, Jreibricm.n unb gaßuräbern uötßigeu 



8 L 9 


Soziale prajiS. Eentralblatt für ©ozialpolitif. Rr. 3u. 


H20 


Boriidüsiiianivgclii, wobitrdi bie ziifdrcirf) uorfoutmcnbcn Unfälle er* 
flärt finb. 

Hier enthält ber Bericht eine' fdjiDcre AnFlage gegen bie ©e* 
werbebehörben erfter J>nftan$. Bei ben meiften Anftänben [teilte 
es fid; näntlid; heraus, bafe bie Arbeitgeber oon ber Ejiftenz beS 
Arbeiter unfallgefcfeeS oom 3afere 1893 gar feine SFenntnife haben 
ober bemfelben feine Bebeutung beilegen. Alle ©ewerbebefjörben 
be^ BezirFes, mit einziger Ausnahme beS prefeburger ©tabtfeaupt* 
mattncS, trifft ber Bortonrf, bafe fie es oerabfäumeu, foroo^I bie 
Arbeitgeber als auch bie Arbeiter felbft feit bem Beftanbe biefeS 
©efefeeS, über beffen Sntentionen nnb Beifügungen non Seit S u 
Seit aufguflören. Auf biefem (Gebiete würben fiel) — fo fagt ber 
33ericf)t — bie 3 uftänbe er[t bann wefentlid; beffern, wenn bie 
©ewerbe*3nfpeFtoraisbezirFe Heiner gemacht würben nnb ber 3u- 
fpeFtor felbft oon ber jeitraubenben i'aft ber Dielen ftatiftifdjen nnb 
ftanzleiarbeitcn befreit würbe. 

<S*tu irüereffantes tfapitel beS Berichtes bilbet and) bie Erörterung 
ber 2 ot)nocrbältmffe ber Arbeiter. Seit bem 3at)re 1895 haben faft bei 
aßen im Beztrfc uertretcucn ^nbuftrien bie Arbeitslöhne eine Erhöhung 
erfahren; in ber ©tabt prefeburg finb fie in ftolgc ber Jbeuerung am 
böcbfteu. Hier uerbient ber gabrifarbeiter zrotfdjen l,so ft. uub 2,50 ft. 
per Sag. Am fdjledjteftcn gezahlt finb bie Arbeiter in ben lanbwtrtfj* 
fctjaftlicfeen Brennereien. Jiefelben befommen einen B?onatSlol;n üon 
10 fl. bis lti fl., Erbäpfel nnb alle Jage 6 bis 7 Xcciliter rohen Sprit. 
Aiir bie ohnebieS ber Jrunffucfet .pmeigenbe Bcuölferung CberungarnS 
il't btefcs ^ohnoerbältnife ein Uitglitd nnb $u bebauern, bafe bie lanb* 
roirtlndmftlidjfn Brennereien bicsbeziiglid) nid;t bem ©eroerbegefefee 
unterfteben, beffen §. 118 uerbietet, ben Arbeiter mit Lebensmitteln ju 
begabten. Jcr mafelofe Branntmeütgenufe ber Arbeiter bilbet überhaupt 
ben ©egenftanb ber Silage unter ben Arbeitgebern. 3» biefer Begebung 
ift im Auslanbe n: für ben Arbeiter mel beffer geforgt als in Ungarn. 
Biäferenb er bort gefunbeS nnb billiges ©eträn!, bas fogenannte „ein* 
farf)e Bier", ben halben Liter für 5 bis Pfennige, in Cefterreid; bas 
„Abzugbier" für 4 bi» ö Streuer erhält, ift er in Ungarn nicht in ber 
Lage, 'tiefe ein billiget unb zugleich nahrhaftes ©ctränf 311 oerfchaffen. 
Bfit B>ein fauu er fid) ben Jurft nid)t füllen, weil biefer, insbefonberc 
in Cberungam, fcl)r theuer unb babei fdjlecfet ift. LeidpgrabigcS Bier 
hingegen famt wegen ber hohen probuftionS* unb Bcrjchrungsfteuer 
uidjt gebraut werben. Jem Arbeiter, ber fid) ohnehin fchledjt nährt, 
bleibt bal)er nid;ts Atiberes übrig, als Brauntroeingenufe, mtb er gerätf) 
burch betreiben früher ober fpätcr in phnfifcheä nnb ntoralifdjcs Ber* 
berben. Auf bem (Gebiete ber Arbeiteroerficherung giebt es aud; nod) 
fehl* uicl zu tf)un, beun non ben infpi^irten 403 ftabrifen hatten nur 
:is ihre Arbeiter gegen Unfall, unb ppar in bei* Regel auf bas Minimum 
uerfidjert. Benterfenswerth ift fddicfelid) in bem Beruhte nod) ein Hin* 
weis auf bie uothwenbige Abänberitng ber Befümmungen über bie 
.SiranfenFaffen, welche unter ben alljuhohen BerroaltungSFoften leiben. 


^rbeiteroerpdjenmg. Sparkaf|>«. 


$ie Drganifaiton ber gewerblichen Unfattuerfitheruitg in ^rattfretdj» 

3n Ergänzung ber 9legicrung^befrete Dom 28. gebrnar (fiel)e 
„Soziale ^raj’tS" ^r. 24 0p. 649 b. Q.) erliefe ber ^anbelS* 
mimfter unterm 30. 9J?ärs unb bem 8 . April fed)£ 3)tinifterial* 
uerfitgungen, in welchen weitere Borfcferiften jur Ausführung be5 
llnfaliüerfidjerungSgefefeeS oom 9. April 1898 gegeben werben, 
^iefelben finb unter Bcihiilfe beS für^lid) fonftituirten Berfid)erung 0 * 
beirathes ausgearbeitet unb regeln bie Einzelheiten abminiftratiuer 
unb ücrfidherungsted)nifd)er Batnr, welche cinerfeits bie Äontrole 
ber priuaten BerfidjerungSanftalten, bereu (Sjiftenz burch bas ©efefe 
befanntlid; nidjt gefährbet wirb, anbererfeits Die Aufteilung unb 9ie* 
frntirung ber biefe Auffidjt ausübenben Staatsbeamten nöthig 
mad;ten. 3m Bücfftanbe bleiben alfo immer noch bie SSorfchriften 
über bie Sdjaffung einer EentralfteUe für ben neuen BerwaltungS* 
zweig. 

immerhin finb burd) bie bisher getroffenen Entfcheibuugeit 
bie llmrifelinien ber praftifdjen Organifation beS franzofifchen 
llitfallDerfidierungSfpftemS fid)tbar gemacht. Ilm ein Bilb baoon z« 
gewinnen, ift nöthig, einen Biicfblicf auf bie ©runbgebanfen beS 
.'oauptgefefeeS zu werfen. 3 ur Ausgleichung ber grunbfäfclidjen 
BJiberfprüdje zwifdien bem Senat, ber ftets nur eine genauere 
Ts ii’irung bcs prioa ten Haftpflicht rechtes zugeftehen wollte, unb ber 
Jeputirtcnfammcr, bie au ber obligatorifchen offentlich*rechtlid;en 
Berfidierung fefthielt, entfcfelofe man fid; befanntlich 31 t einem ftom» 
promife, ber fid; au f ber neu erfuubenen Jl; cor i e bcs risque pro- 
ressioumd anfbautc. % Jüiau erfannte alfo an, bafe eS eine fpezielfe 
Betriebsgefahr giebt, uub gewährte beut Arbeiter ein burd; baS 
geltenbe EioÜred;t nur mangelhaft anerfannteS EutfchäbigungSred;t 
aus Unfällen in Ausübung feiner Arbeit. Bfan fteute ferner fefte 


Aornten für bie z 11 gewäl;renbeu 3 ‘nbemuitäteu auf. TDic rid;tcr* 
Iid;e Entfcheibung ber tlnfaHSanfprüchc würbe in bie Kompetenz 
beS gewöhnlichen Rechtsweges, uerwiefen. B3aS nun alle oorüber* 
gel;enb z« leiftenben Eutfdjäbigungen betrifft, fo wirb bem Ar* 
beiter nicht mehr als ein im StonfurS beoorzugteS gorberungSrecht 
Zugeftaubeu. 

Bis higher beftel;t ber burd) baS ©efefe gebrachte Sortfdjritt 
alfo nur in einer Erweiterung unb Rormirung ber prioatredjtlichen 
Haftpflicht, mie fie ähnlich iit Englanb aboptirt würbe. Eine be* 
fonbere öffentlich-rechtlich^, unb zwar ftaatliche Drganifation tritt 
erft in SBirFuug, wenn es fid) um Entfd;äbigung bau er über 
Arbeitsbeeinträchtigungen l;anbelt. J)cr ©taat fchafft eine ©arantic, 
um bie Erfüllung biefer EntfchäbigungSanfprüche abfolut fid;cr= 
ZufteHen, ohne jeboch baS Prinzip ber folibarifcheit Haftung unb 
Dennoch beS Berfid;erungSzwangeS ber Unternehmer auSzufprechen. 
9Jlan fdjrecfte fowol;l oor ber bernfSgenoffenfchaftlichen wie ber 
territonalgenoffenfchaftlichen Bertheilung beS RififoS zurüc! uitb 
überliefe Dem Unternehmer freie 5Bal;l, wie er fich ber il;m in 
jebem ©pezialfaü auferlegten EntfdjäbigungSpflichten crlebigt. 3» 
feiner Erleichterung machte man bie Entfd)äbigungSDerpflid)tung 
nur oierteljährlich fällig unb z roa ng ^ cn Unternehmer zur SFapitali* 
firung ber Rente nur für ben SaÄ, bafe er aus irgenb welchen 
©rünben fein ©efd;äft aufgiebt. Blan [teilte ihm aufeerbem frei, 
feine Haftung auf prioate BerficherungSgefeüfchaften ober auf Ber* 
ficherungSgenoffenfchaften zu übertragen, welche fich & en ftaatlichen 
oerficherungSted)nifchen Borfchriften unb ber amtlichen Stontrote 
unterwerfen. ®iefe Iefeteren föniten ihrerfeits wie aud^ ber Einzel* 
unternehmet wieberum bei ber ftaatlichen freien Unfattfaffe ein* 
treten. $)ie effeftioe ©arantie ber Entfd)äbigungSzahIung über* 
nimmt ber ©taat nur fubfibiär, unb giuar burch Bilbung oon 
©arantiefonbS, bie aus 3 ufchläö en 5 u r ©ewerbefteuer gebilbet 1111 b 
oon ber ©taatsfaffe oerwaltet werben, gür bie fubftbiäre Erfüllung 
ber Rentenanfprüctje ift alfo hoch baS Prinzip gemeinfamer H rt f s 
tung unb obügatorifcher Prämienzahlung ancrFannt. 

Ueberbliden wir nunmehr ben ganzen für bie bauernbe BSirf* 
famFeit biefer UnfaHuerficherung ber gewerblichen Arbeiter fnnftio* 
nirenben Apparat. SDerfelbe fefet fich gufammen aus: 

1. bem UnfaHoerficherungSbeirathe, einer $onfultafiDbef)ürbe 
beim Hanbelsmiuifterium, ber eS obliegt, im Berein mit 
bem HaubelSminifier bie allgemeinen unb prinzipiellen 
S)ireFtioen für bie ©efefeeSauSfül;rung feftzufteHen nnb 
alljährlid; einen Rapport über bie Anwenbung beS (sie* 
fepeS zu erftatten; 

2 . ber EentralfteHe für bie praFtifche Berwaltuitg, über welche 
noch nichts RäfeercS beftimmt ift, bie aber augenfcfecinlid; 
als neues Reffort beS H an ^ e ^uiinifteriumS organifirt 
werben wirb; 

3. ben tontrolbeamten zur Beauffichtigung ber prioaten Ber* 
fidjerungSgefellfchaften unb ber BerftcherungSgenoffen* 
fefeaften, für welche bis jefet nur bie AuSbilbnngS* 
bebingungen normirt finb; 

4. ber ftaatlichen ‘JtepofitenFaffe, welche befonbere Kontos zu 
führen hat über bie Bilbung unbBerwaltung ber fubfibiären 
©arantiefonbS, wozu fie bie reffortmäfeige Mitarbeit ber 
©teueroerwaltung in Anfpruch nehmen mufe, ferner über 
bie Bermaltung ber oon ben Berfid;erungSgefeEfd;afteu 
unb *©enoffenfchaften zu fteüenben Kautionen; 

5. ber ftaatlidjen freien AlterSpenfioitSFaffe, welche bie fub* 
fibiär zu leiftenben Renten auSzafelt, ober bie ^apitali* 
firung unb Auszahlung oon Renten übernimmt; 

6 . ben prioaten BerficherungSgcnoffenfd;aftcn autonomer Ber* 
waltung, aber mit ber Berpflichtung, ben ftaatlichen oer* 
ficfeerungStcchnifchen Borfdjriften nachzuFommen unb fich 
ber Kontrolle zu unterwerfen; 

6 . ben BerficherungSgenoffenfchafteu, bie unter ähnlichen Be* 
bingungen wie bie oorgenaunten prämiengefell|d;afteu 
fungiren; 

T. ber ftaatlichen freien llnfalloerfid;crungSfaffe, bei welcher 
bie prioaten BerficherungSanftallen ober einzelnen Unter* 
nehmet* HufallSrenten Fonftitniren Fönnen; 

8 . ben ^ommunalbehörben, weld;en bie Öcgalifirung ber 
llufallsfonftatirnngeu zufällt nnb bie iit ben gälleu fub* 
fibiärcr Rentenzahlungen ähnliche gunftionen zu erfüllen 
haben; 

9. ben orbentlid;en ©erid;ten, beiten bie red;tlid;c Entfd;eibung 
über bie Hnfal(sanfprüii;e zufteht, bie ferner für bie 
3mangSeintreibung ber oon ber AlterSrentenFaffc fubfibiär 
gcleifteten Rentenzahlungen reanirirt werben; 



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«Soziale fragte, Eentralblatt für Sojialpolitif. Ar. «30. 


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10 . bat freien öülfäfaffen ober anberen gnftitutionen, auf 
welche ber Unternehmer baS Aififo für bie Soften ber 
ärztlichen Beßanblung, ber EntfcßäbtgMtgen bei nur oor* 
iibergeßenber Arbeitsbeeinträchtigung beS Berunglücften 
unb ber Beerbigung abmälzen rann, unb bie ebenfalls 
ber Staatsfontrole unterließen. 

£er Sdjmerpunft ber BerficßerungSorganifation liegt natürlich 
in ben oerfcßiebenen BerficßerungSanftalten, welche baS Unternehmer* 
rififo übernehmen, unb 511 welchen bie Unternehmer 3uflucßt 3 U 
nehmen inbireft gezwungen werben. $)enn bie burdj baS Unfall* 
gefeß fdjärfer fortnulirte Haftpflicht nötßigt bringenb genug ba^u, 
weint aud) i e ^ e formelle Verpflichtung fehlt, liefen oerfjüUt aus* 
gefprochcnen BerfidjerungSzroang erfennt übrigens baS ©efeij felbft an 
mtb feßafft barnm burd) bie Beftinunungen über bie fafultatioen Ber* 
fichcrungSgenoffenfcßaften Erleichterungen für bie fleitteren betriebe. 

^ie prioaten UitfalloerficßerungSgefellfchaften haben 
fich, wie ntehrfad) erwähnt, ben ftaatlichen Spezialoorfcßrifien 311 
unterwerfen, welche ber Erlaß bes neuen ©efeßeS mit fich brachte, 
tun baS EntfcßäbigungSrecht ber Berunglücften noch ftcherer zu 
{teilen, als cS burd) bie bisherige aUgcmcine BerficßerungSgefeß* 
gebuitg ber gaH war. Sie haben bemnach eine Kaution in bie 
Hänbe beS Staates zu beponiren, welche für baS erfte gaßr auf 
400 000 grcS., für bie folgettben auf 2% ber ©efammtfumme ber 
als BerficßerungSbafiS ihrer Policen angefeßten Arbeitslöhne feft* 
gefegt ift, ohne 2 SRiflionett überfdjreiten ober unter 400 000grcS. 
j'infen zu fönnen. ©entt bie ©efellfcßaft ftatutenmäßig nur Arbeiter 
eines beftimmten ©emerbeztoeigeS ober hoch nur foldjer ©emerbe* 
Zweige mit gleichem ©efahrencoefficienten oerfießert, bann muß bie 
Kaution baS 1 1 ;> fache beS Bruttobetrages ber jährlichen Prämien* 
eitt^ahluttgen betragen, oßne baß inbeffen ihr Sßräinientarif unter 
einen amtlich fijirten ßcrabgeßen föttne (gourn. Dfficiel 2 . April), 
giir jette ©efellfchaften enbltch, welche ihre für bie Konftituirung 
oon ßebenSretiten beftimmten Kapitalien bei ber ftaatlidjen freien 
UitfanoerficheruttgSfaffe einfeßießen, wirb bie Kaution auf bie Hälfte 
ermäßigt. SJiefc Bcftimmunaen gelten für bie franzöfifeßen ©efell* 
fchaften. AuSlättbifcße, itt granfreieß ©efd)äfte madjenbe ©efell* 
[(haften haben itt allen biefett gälten einen hoppelt fo hohen Betrag 
31 t ßintcrlegen. Enblicß finb alle biefe ©efellfchaften gehalten, ihre 
mathernathtfd) falfulirten 91 efernen nach einem non bem Ber* 
fidjeriutgSbeiratß flirten Biinimaltarif (oeröffentlidjt im gourttal 
Dfficiel nom 8. April) zu bilben. Db biefe prioaten BerficßerungS* 
gefellfchafteu unter bem neuen ©efeße fuß ftärfer entwickeln, läßt 
lid) fuum oorauSfagen, obfcßon baS ©efeß bie Bilbuttg non 
BerufSgenoffenfchaften begünftigt. 9Racß einer Enquete beS ArbeitS* 
anttes beftanben itn gaßre 1896 in grattfreieß 11 einheimische 
Kompagnien, bie mehr als 100 000 Kolleftiopolicen mit etwa 
14 000 1)00 grcS. jährlichem Brämienbetrag in Kurs haben. 3>a* 
neben haben 3 auSlänbifd)e Kompagnien mit franzöfifeßen Unter* 
itehmertt Kontrafte abgcfcßloffett, bereu Anzaßl [ich nicßt genau an* 
geben läßt, aber notn Arbeitsamt ßößer olS 20 000 gefchä^t mirb. 

SDie BerficßerungSgeitoffen fchaften unterliegen im AH* 
gemeinen betnfelbett Reglement. 2>iefe Bereinigungen (syndicats 
de garantie) werben frei gebilbet unter folibartfther H a f tun 9 & ei * 
Biitglieber für bie itt beit eingeglieberten Betrieben norgefommenett 
Unfälle. gßre Statuten unterliegen ber behörblichen ©enehmigung. 
$ü<ß foHen fie jum Biinbcften 5000 Arbeiter ober 10 Unter* 
nebmnttgen umfajfen, wonott fünf je mehr als .300 Arbeiter be* 
fehäftigen muffen. liefen Bcrbänben gewährt man nun eine SJte* 
buftioit ber Kaution auf bie Hälfte — wie auch ben prioaten 
Kompagnien — wenn fie fich entweber berufsmäßig ober aus* 
fdjließlicß zur Sicßerftellung ber im UnfaflüerfidjerungSgeftß nor* 
gefeilten Entfd)äbigungSred)te fonftituiren. ©aS bie berufsmäßige 
Bereinigung betrifft, fo ftellt man 9 ©ruppett non ©etoerbezmeigen 
auf: 1 . Bergbau. 2 . £anbmirthfchaftlid)e ©ernerbe (Btüflerei, 
gueferfabrifatiou, Brennerei, Aabrnngsmittelgemerbe). 3. Eifen* 
unb Hiitteninbuftrie. 4. Ehcmifdjc gnbufirien. 5. Stcinbrü<ße unb 
Baugewerbe. 6 . H ü lS üera rbeituitgSgemerbe. 7. Töpferei unb 
©laSfabrifation. 8 . Jejtil* unb BeflcibungSinbuftrie. 9. XrattSport* 
Unternehmungen. Bon biefem Aerfjte auf bie Aebufliott ber Kaution 
föntten bie beftchenben großen BerfichentugSgefeflfchaftett mit ihrer 
aus bett nerfd)iebenften Berufen 3 ufamntcngetnifd){en Kuitbfchaft, 
ferner in golge ihres gleichzeitigen Betriebs attberer BerficßerttngS* 
Zweige nicht fo leicht ©ebraud) tnadjen, als bie ©eitoffenfdjaften, 
bie ftd) non allem Anfänge ben SRebuftionsbebingungen cittfprechenb 
organifirett werben. S'er AefurS, ben mau beit Briöfltfompagitien 
burd) ihre 9fücfoerfichcrnug ber Unfallrenten bei ber ftaatlichen 
llnfallfaffe eröffnet, fcheint allerbingS biefen Borfprttttg ber ©ettoffeit* 
fd)aftcit rnieber 311 balaucireit. Außcrbem ift für bie Sjeßtere bie 


KautionSertnäßiguttg noch an bie weitere Bebingttng gefnüpft, baß 
bie jährlichen Beiträge jebeS BlitgliebeS baS dreifache eines nom 
HanbelSminifter aufgefteHten BhnimaltarifS (gourital Dfficiel nom 
2. April) repräfentiren (ober baS doppelte ber Prämien, :'welche 
baS BUtglieb für anbere Berpcherungen feines ©cfchäftSb^triebeS 
aufwenbet.) darnach würbe ber Btttgltebsbeitrag aber fyofyac 
werben als bie Bnimien, welche non ben Briimtfompagnien burch* 
fchnittlich geforbert werben. $ach ber obenerwähnten Enquete bes 
Arbeitsamtes waren 1896 fchott etwa 150 000 Arbeiter burd) ber* 
artige 6 pnbifate nerftchert. 

Alle biefe BerftcherungSanftalten werben nom Staate einer 
eingehenben unb ftänbigen Kontrole unterworfen, 3 U k beren Aus* 
füßruttg ein befoitbereS AufficßtSperfonal angefteHt wirb. 2)ie 
Auffid)t erftreeft fich auf ben gan 3 en Umfang unb alle Einzelheiten 
ber ©eßhäftsführung. $>ie Beamten, in einem fpe^ieüen s 2Scttbewerb 
auSgewählt, werben ben einzelnen Anftalten für gewiffe ^ßcriobeit 
Zugetßeilt unb haben baS 9techt zur jeberzeitigen Ausübung ihrer 
Berufspflichten, ftnb aber auch zur ©eheimhaltung aller ©efchäfts* 
geheimniffe oerbunben. 

$aris. g. 8 chotthöfer. 


Befchlftffe beS beutfdien AerztetaaeS zn ben BerftcherungS* 
gefe^en. $)er am 21. unb 22 . April in Bresben abgehaltene 
27. beutfefje Aerztetag hat mit 12 000 gegen 1500 Stimmen (nach 
Btitaliebern ärztlicher StanbeSoertretung gerechnet) einen Befdjluß 
gefaßt, ber bie gefeßliche Einführung ber freien Aerzte* 
wähl bei ben Krattfenfaffett forbert. gn bem Kranfenoer* 
ficherungSgefeß foHen bie entfprechenbett Aenberungen oorge* 
nomtnen unb beS ©eiteren folgenbe Beftimmuttgen angefügt werben: 

a) J'ie 9)2itglieber ber Crts* unb ©emeiubefranfenfaffen fönneu ftdi 
im Jalle ber Etfanfung etnett Arzt aus benjeitigcn approbirten Aerztcn 
bes Maffenbc 3 trfs wählen, bie fich 311 entfpredjcnben Öeiftungcn oer* 
pflicßtet haben, b) ^ie Honorirung ber faffeuärztlidjm 2 ciftnngen hat 
nach ben Atinintalfäpen ber 2anbeStareu 31 t erfolgen, c) ^ns Ber* 
hältniß ber Aerzte 3 u ben Kaffen wirb "burd; ßhriftlidien Bertrag feft* 
gelegt, ^er Bertrag bebarf ber ©enehmigung ber ftaatlichen Staubes* 
oertretung ber Aerzte. d) 3 l,r Kontrolirnng ber übernommenen Ber* 
Pachtungen fowie zur Schlichtung oon " Streitfällen ift ein aus 
Kaffcnaugehörigeu unb Aerzteit 311 gleid)eit IljOtcu 3 ufammcngcfe|itcs 
Schiebsgcridit 31 t bilben; Bcfchwerbeu gegen feinen Spruch werben oon 
ber Auffidjtsbehörbe uad) Anhörung ber zuftänbigen ftaatlichen Stanbes* 
oertretung eutfehieben." 

gerner würbe befcßloffcn, bei 9ieoifton bcS Kranfenfaffen* 
gefefeeS foHe ein fachoerftättbiger Arzt als Beirath 3 uge 3 ogen werben, 
KranlenhauSbehanblung fei auch ben ©efd)led;tsfranfen zu ge* 
währen, Berfonen ^h er 2000 JL gahreSeittfommen bürften 

nicht in Kranfenfaffen oerfichert fein, ber Begriff „Arzt unb ärzt* 
liehe Hülfe" fei unzweibeutig im ©efeß feftzulegen, zur ärztlichen 
Behandlung feiett auSfdjIießlid; in ben beutfd)en BunbeSftaaten 
approbirte Aerzte berechtigt. — 3 U * gnoalibitätSoerfiche* 
rungSnooelle würbe eine Sftefolution befchloffen, baß ben Ber* 
ficherungSanftalten ein Arzt als Biitglieb angehören müffe, baß bei 
Abänberungett beS ©efeßeS bie ärztlichen StanbeSoertretungen 311 
hören feien, ärztliche Behattblung biirfe nur oon in 2>eutfchlanb 
approbirten Aerzten auSgeübt werben, ärztliche Attefte für bie 
SRentenwerber fönnen oott jebetn Arzt auSgefteHt werben, bie Koften 
trägt bie BerficherungSauftalt. 

5DCc obltgatorifihe Kranfenoerftchermtg ber Hau3inbttftrie0rn 

betitelt fich ein Auffaß beS bureß feine oeroienftlicße -£hätigfeit als 
©ewerbegerichtsbeifißer befaituten gabrifanten D. ©eigert-Berliit, 
ber im leßten (April*)Hcfte oon SdhutoIIerS ^gahrbuch für ©efeß* 
ebung :c. im ^eutfcheit Reiche" crfdjienen ift. ^)er Berfaffcr weift 
aritt auf ©ruttb ftatiftifeßer Erhebungen bes ©ctoerbegerid)ts 
Berlin, bie anläßlid; bes KoufeftionSarbeiterftrcifS 1896 oeranftaltet 
worben finb, zur Eoibcnz ttaeß, baß in ber HauSittbufirie bie nn* 
günftigften Dohnoerßältniffe befteßen. gn Berlin unb feinen Bor* 
orten würben runb 120 000 H au Sinbuftrielle befcßäftigt, bereit 
2M;rzaßl ber Konfeftiou angeßört; fätnnttlidje gamilicttmitglieber 
würben zur IRitarbeit ßerangczogeu, uttb zwar oft in einer baS 
Zttläffige Blaß iiberfeßreiteuben ©cifc: bie täglid)e Arbeitszeit be* 
trage 14, oielfacß aber aud; 18 btS 20©tunbeit! 2)abei fei bie 
Ernährung fcßlecßt unb nttzureid)eub; fic befteße größteutßetls in 
minberwertßigen Aahrungsmittelti, ittsbefonbere Kartoffeln, uttb als 
„©tärfungsmittel" ober „EtfrifdiungSgeträuf" biette eine „Brühe 
oon Eicßorien unb bem Kaffee ähnlichen Surrogaten". £ie burd)* 
gängig uiiqünftigeu ©ohttutigen bienen gleichzeitig and) als Arbeits* 
uttb Sdjlafraitm, als Küdje,' eoeittucll Kranfenztmiiter. Ans alle* 
bem zießt Berfaffer bett ©rfjlitß, baß bie zwaugsweife Ber* 
fidjentng ber H^usiitbiifuielleu mtb Meimarheiter eine 



Soziale ^rajis. Geutralblatt für Sozialpolitik Sr. 30. 


824 


823 


Aothroenbigfeit ift, bic nid)! bem Veliebett einer jcben Kommune 
unterteilt werben barf, fonbern entfcfjieben burd) SeichSgefefc ein« 
fjeitlid) geregelt werben mufj. Qu biefem Sinne but ber Ausrufe beS 
G)eroerbegend)ts Verlin fiir (Gutachten nnb geroerblichegragcit eine Gin« 
gäbe bei ber juftänbigen Scid)Sbehörbe bejqloffen, mit ber Vtofjgabe, 
bafj bie Arbeitgeber bie Beiträge cinguja^Ien nnb zu einem drittel 
aus eigenen ^Kitteln zu beftreiten hüben, mtb baft bte HauSinbuftriellen 
nnb Heimarbeiter in befonberen Waffen oerfichert werben f ollen. 

Der Verbßu&Stafl ber beittfdjcu IBerufSgeuoffeufchaften wirb am 
28. itnb 29. 3nni b. in itonftanj ftattfiuben. Tic Vefdjtcfuitg ber 
^nrifer Sdtausftenimg, bie Souelle 311 m ^noalibitätSgefefc, beionberS 
aud) bas oon ben Vuitbcsregieningctt fef>r fgmpatljifch begrüßte 3u= 
fainmcimurfcii ber beutfdjen Vereine uom Aothett jitreuz mit beit Berufs« 
gntoffenfdjaften werben u. A. Gcgeuftänbe ber Tagcsorbmmg fein. Tie 
3 al)l ber bent Vcrbanbe angebörenben VcrufSgcnoffcnfcbaiten bat ftdj 
injwifdjcn bie* auf 46 uermehrt, oon. beiten 22 über bas ganze Tcutfdje 
Seid) nerbreitet finb, wäbrenb 12 fpe^teü bem Sorben nnb 12 bem 
Silben bejw. bem Seften angeboren. Sur nodj eine oerbältnifwtä&ig 
fleine 3ahl non Verufsgenoftenicbafteu ftebt aubcrbalb bes Verbanbcs, 
aber aud) uon Seiten ber lejjtcreii will mau bezüglich bcS ^iifammen*- 
wirfetiö mit bem Sothen tfreuz mit bem Vcrbanbe gemeinfam oorgefjen. 
Tie 46 Vcrbanb§=VerufSgenoffen)d)aften repräfentiren 331 616 betriebe 
unb 4 277 r»70 Arbeiter. 

3ur Umgcftaltimg ber S?r|1^ering^gefe^e fär bte Seeleute. 

Der Deutfdje Sautifchc herein hut bk Sefolution, bie auf bem 
VereinStage in Berlin Gnbe Februar biefcS in Vezug auf 

bie Unfalls foroie bie Snoalibitäts« unb AlterSoerficherung ber See« 
leute gefaxt würbe, jefct mit einer Vegrüitbnng burd) ben Vor« 
fifeenben, (Seheimrath Sartori*$iel, bem Seidfstage unterbreitet. 
GS wirb barin bie Aufnahme ber Gntfd)äbigung für bie folgen 
non flimatifeben ^ranf^citen in baS UnfaüoerficherungSgefefc ge« 
forbert. ©eiter wirb betont, baS Qnoalibitätö* unb Altersoer« 
fidjerungSgefefe habe für bie Seeleute nur ganz geringen ^ufeeu I 
gebracht: „Die Seeleute geben febr häufig in anbere Berufe über 
unb fommen nur feiten in ben ©enufe oon Snoaltben« unb Alters« 
renten. Drofcbem für biefe Verfidjeruttg oon Shebcrn unb See« 
leuten jufamnten jährlich etwa 400 000 aufgebracht werben 
tniiffen, gelangt an 3noaliben« mtb Altersrenten für Seeleute nur ein 
witziger Dbeil biefer Summe jitr Auszahlung," nämlich nur etwa 
10 000 c1(. Die Sitte gel)t nun babin, aud) bie VMttwen unb 
Steifen ber an Stranfheit oerftorbenen Seeleute rentenberechtigt $u 
machen unb jum Qmd einer entfpredjenben Ausbeutung ber Ser« 
ficherung eine feparate Stoffe zu Raffen unb ber See«VcrufSgenoffen« 
fchaft 3 U übertragen. Dies laffe fich mit ben erwähnten 400 000 , i( 
erreichen, etwaige Differenzen würbe bie ©efammtheit ber Sheber 
zu tragen bereit fein. — Die Gingabe fnüpft an bie jefet im 
Seichstag beratene ^unulibitätSnooede an unb wünfeht bie Gr« 
gänzung biefer Vorlage in ber oon ihr angegebenen Sichtung. 

Die ftBirftutg beS IrbcÜerunfßöeiitf^äbtfitttigSgefeheS in 
Gnglanb. Gin amtlicher Verist an bas Parlament giebt Auf« 
fchlüffe über bie Grgebniffe ber feit 1 . 3uli 1898 in Sraft befinb« 
lid)ett Workmans Corapensation Act. Das arbeiterfreunblicfje 
„Dailt) Ghronkle" urtbeilt banach, bafe bas ®efefc gute Grfolge 
aufweife. Sur febr wenige Anfprüdje gelangten zur gerichtlichen 
Gntfcheibung, in beit fechs Stenuten 3uli bis Dezember oorigen 
SabreS nur 130. Selbft wenn mau für bie Folgezeit bie hoppelte 
Sabl oon Sälien annebmen will, fo würbe bic 3iffer ber Streitfälle 
unter bem alten Hnternebmer«Haftpflichtgefe|j — 681 int lebten 
Sabre — nicht erreicht werben. Die (Berichtsfofteit finb bazu 
unter bem neuen 0)cfeb febr Diel geringer. Dagegen finb bie zu« 
gefprochenen Gittfchäbigungen im Durdjfdinitt Diel' höher, bie 3^1)1 
ber entfehäbigten Unfälle wirb fich auf 120—150 000 jährlich be« 
laufen: „Alle, bie baS Gleitb bei bem früheren Stanbe ber Dinge 
fettnen, wo bie Gbattce, baß ein oerlegter Arbeiter eilten ^cittit) 
befant, 100 gegen 1 war, werben fich über bie fegenSreidje Scforut 
freuen." OHeicbmobl bube fich bic Sotbrocitbigfeit mand)er 2 Ser= 
befferungen jeßt fdjon berauSgefleflt: bic ^creiitfad)uug unb bie A 11 S« 
bebnung ber Afte fei uiierläfjlid). Tiefe Ausführungen flintinen 
int ^Jefetttlid)en mit ben Tarleguitgeit überein, bie nufer iliitarbeiter, 
Herr S. l $L i . Olalton, oor einigen Sionateit in biefeit iMätteru (Sp. 201) 
über bie oorauSfict)Uid)cn Grgebnifie bev 0)efcbeS oeröffenttidjt l)at. 

^rbcitsmöd)nitU5. 

Der gemeinbliche 9lrbeitSnad;uieiS nnb bie organifirien Arbeiter« 

Gitte febr IefcuSwertbe, in fnappent Sabtneti einen reichen Snbult 
bietenbe Sd)rift beS fozialbemofratifd)en SeichStaaSabgeorbneten 
Sidjarb Ga (wer, bie foebeu unter bem Titel „ArbeitSmarft unb 


Arbeitsnachweis" (Verlag oon 3 . 2Ö. Dieb Sad)f., Stuttgarn 

erfcheiitt, fornntt zu bem Schluffe, „bafj bie Arbeiterflaffe int 
Sntereffe enter ArbeitSmarftberichterftattung uitb int Sntereffe eines 
neutralen Arbeitsnachweis, bem bie ArbeitSoermittelung Selbftzwccf 
ift, ArbeitSnachweife als eine Ginrichtung ber öffentlichen, 
fommunalen refp. ftaatlichen Verwaltung anftrebett 
mtiffen. An ber ßeitung biefer Sachweife finb bie Arbeiter pari« 
tätifch gleich beit Arbeitgebern z u betbeiligen; bie Vermittelung 
felbft gefchiebt linentgeltlid) auf Soften ber Kommunen. Die Gen« 
tralifirnng ift Sadjc beS Staates bezw. beS Seichs unb läuft in 
bie Spifce eines SeichSarbcitSamteS aus." Diefe grunbfählidie 
Stellungnahme beefe fid) mit ber itt ben parlamentarifchen Körper« 
fdjaften oerfolgten ^ßrayis ber fozialbemofratifchen Vertreter. So 
habe auch Abgeorbneter^Burm itn Santen ber fozialbemofratifchen 
Sraftioit ben Antrag SoeficTe^achiticfe, ber bie Sörberung ber 
öffentlichen ArbeitSnachweife bitrd) baS Seich bezweefe, freu big be« 
grüfet. Gine grunbfäblidie ©eguerfchaft gegen paritätifche ArbeitS« 
nachweife oerftofee bireft gegen Theorie unb VnrriS, wie fte oon 
ben Vertretern ber Arbeiterflaffe bisher immer geübt würbe, 
unb auch bie Vertreter ber gewerffd)üftlich orgaitifirten Arbeiter 
bürfteit fich biefer Grwäguitg nicht oerfd)ltc6en. — Vefanntlid) fielet 
bie Örage, wie fich bie (äewerffdiaften zum Arbeitsnachweis ftcöen, 
auf ber TaacSorbnung beS britten EongrcffeS, ber am 8 . Viai zu 
Sranffurt«Vcaiit beginnt. Der zweite ©ewerffdjaftsfongreß 1890 
in Verlin butte fich für ben itt ben Hauben bei* Arbeiter liegcubeu 
Arbeitsnachweis auSgefprochett. Die Sd)rift GaltoerS wirb hoffen!« 
lieh Sur Klärung ber Sad)e in Arbeiterfreifen wefentlid) beitragen; fie 
fomtittzur rechten Seit unb ift mit reichem VemeiSmaterial ausgeftattet. 

Stftbtifd)cr ArbeitSuacbtteiS tu Gnglanb. Gnbe Viärz faitb iu 
Sslington, fionbon, eine Konferenz oon ©enteinbeoertretern ftatr, 
in ber über bie Gntwicftung fommunaler Arbeitenad)toeife beratheu 
würbe; es waren 17 ©emcinbett burch 46 Delegirte oertreten. 
Sach einer längeren Debatte, ooritcbmlicb über baS Verhalten ber 
fontmunalen ArbcitSoermittlung bei Streifs, würbe eine Sefolution 
angenommen, bie allen ftäbtifdjen Vertretungen bic Giitridjtung 
fommunaler ArbeitSnadjmciSftellcn empfiehlt unb bas Hanbelsami 
aufforbert, eine Gentralifirung ber ArbcitSoeruiiltluug in einem 
„Central Labour Exchange“ bnrd)zufithren. 


Wol)lfat)rt^ittCid)tungen. 

Gcf^enfe unb Stiftungen an Arbeiter unb au bie uttbrmittel;ru 
StolfSffaffctt int Gefamintbetrage oon 5 804 317.//. für bie 3 c *t oon 
Januar bis SRärz 1899 finb (itad) einer im Heft 1 Jahrgang J 899 in 
ber GIjrentafel beS „Arbciterfrcunb" oon Sdjmibt ucroffcitlliditcn 
3ufammenftellimg) oon ^iibuftriellcii, ^rioaten 1111 b Afttcngcfellfdiaftcu 
ausgezal)It worben. 


Hicroon entfallen auf: 

1 

001 t ; 

^riuaten 

M. 

non 

Aftten» 

gcfcU- 

fd)aften 

*. 

3« 

Summa 

JC. 

^enfioitS« unb Uiiterftübungsfoubs, 
fowie Stiftungen für Arbeiter unb 
bereu Angehörige. 

1 421 245 

1 138 753 

2 559 998 

Prämien, Wrattfifattonen, Gewinn« 
autheile. 

92 500 

1 136 448 

1 228 948 

nidjt befoubers bezeidjuetc Arbeiter« 
wofilfahrtszweefe. 

114 000 

115 768 

229 768 

nirf)t befonbers bi^eidniete gemein« 
uiifeige ^ZiDecfc . .. 

135 000 

324 000 

459 000 

Mittberfürforge. 

s 000 

— 

8000 

Altenheime unb Viirgerafnlt . . . 

330 (M10 

— 

330 OCX) 

.VU*a 11 fe 11 pflcge unb ('\c 11 efene 11 fiirf 0 rge 

281 oon 

33 174 

814 174 

Wefiiubheitopflegc (Väber :c. 1 . . . 

— 

31 837 

31837 

*48ohmmgyfiirforge. 

5 (MM) 

286 292 

291 292 

GTZiehuugv* mtb lliiterriditivgoerfc 

80 000 

— 

80 000 

Vilbiutgszwccfc (Vibliothefen :e. 1 . . 

3 (X K) 

— 

3000 

AÖrbenmg oon Spareturiditimgen 


5 000 

5 000 

Mird)lid)C 3ioei1e. 

22 000 

3 000 

25 O00 

Armetnmtermilumg im Al'gemeiiral . 

78 300 

10 000 

88 300 

.Munftpflege. 

150 000 


150 000 


2 720 045 

3 084 272 

5 804 317 


Tie Oal)l ber bei bteien Spenbeit betbeiligten piafforeu beläuft 
fidi auf 142, hierunter befinben fid) K)5 Aftiengeiellfdjafteii unb 37 
prioatc Arbeitgeber rcip. chnmiliac Arbeitgeber unb bereu Sedttv 
u ad) folg er. 









825 


©ojiale $raji0. ©entralblatt für ©ojtalpolitil. SRr. 30. 


826 


$er ©eittralOorftattb beutfdjer IrfcdferMonmi hielt am 20. Slpril 
in Serlin feine Sabregoer Sammlung ab. $>er SSorfipenbe @ep. Siegte* 
runggratp non SRaffom*$ot§bam erstattete ben 93orftanb£bericf)t. danach 
gehören Dem ©entraluorftanbe 32 Vereine im $euifchen Sieicfje an, weldje 
ebenfontele Slrbetterfolomen mit jufammen 8925 Setten unterhalten. $)ie 
Slrbetterfolomen ftnb jeboch im norigert 3afjre big jur §älfte, einzelne 
fogar big ju brei Siertel ihrer gaffunggfraft nic^t belegt geroefen. $ie 
Urfadjje liegt, mie £err non 9Rafforo fjernor^ob, in bem wirtbfdjaftlichen 
Sluffdpminge auf inbuftrießem (Gebiete unb ben hoben lohnen, welche 
ben Arbeitern gegablt inerben unb bie auch fonft Slrbeitgfcfjeue jur Sir* 
beit neranlaffen. ©leidjmoljl haben bie Slrbetterfolomen im norigen 
Safjre 767 805 Siac^tquartiere gewährt, fie hätten aber nodfj über 
506 000 Stoloniften unterbringeu fönnen. gür bie Slrbeiterfolouien fei 
bieg ein großer Slugfaß ^tnfic^tlicf) ber Einnahme. Seflagengrnertfj fei 
eg, bafj oag ^ubltfum gewerbsmäßigen Settlern immer nod) reichlich 
©aben fpenbe; man fönne bie (Einnahme eineg gewerbsmäßigen Settlerg 
im $>urd)fdjnitt auf täglich 2 M annehmen. S)iefe Sluggaben foße man 
lieber ben Slrbeiterfolonien unb ähnlichen Snftituten juroenben, bie ftd) 
bemühen, biefe Slrbeitgfcheuen wieber einem gefitteten Seben unb ber 
Slrbeitgfreubigfeit jujuführen. 


)0ol)ttutt||9toerm. 


Sobeupolitif in &iautf<hou« 

2$on ber ©leichgültigfeit unb Unthätigfeit, mit ber bie meiften 
beutfd)en ^Regierungen — mit Slugnahme ©achfeng (ngl. Soziale 
$rafig 6p. 710) — ben ferneren ©efahren einer ungefunben 
Serrain* unb 23aufpefulation gegenüberftehen, ftidht feltfam unb 
erfreulich bag energifche SSorgehen beg ©ouoentementg non 
SHautfdjou ab, beffen eigenartige Sobenpolitif iit ber beutfd>en 
treffe Ieiber nicht bie gebübrenbe Sin fnterff amfeit gefunben hat. 
©ie ift in finangroiffenfchaftlicher unb fogialpolitifcher jnnficht oon 
gleichem Sntereffe, fobaß ein nähereg Eingehen auf fie (an ber §>anb 
Der bem SReichgtag oorgelegten „SDenffchrift betreffenb bie ©ntwidtlung 
oon $iautfd)ou") an biefer ©teile Ipnreichenb gerechtfertigt erfcf>eint. 

33eranlaßt Durch bie fchlimmen folgen, welche bie namentlich 
auch ,oon ben ©hinefen mit befonberem ©efdjicf betriebene 
£errainfpefulation in anberen aufblühenben oftafiatifchen flohen, 
namentlich in ©hanghai, fwnafong unb ©ingapore*) gezeitigt 
hat, entfdjloß ftch ber Skfehlgpaber beg beutfdjen ©efchwaberg 
3U einem gan^ fgfiematifdben Vorgehen in ber ßanbfrage, um 
ben für bie ©ntwidflung Der Kolonie oielleicht oerhänatitßooßen 
Sobenroucher oon oornperein unmöglich 3 « machen, 6cf)on am 
£age ber Seftßergreifung mürbe eine Sßroflamation erlaffen, 
bie big auf SBeitereg aße SSeräußerungen oon ©runb unb 23oben 
oerbot. Sllgbann fieberte ftch bag ©ouoernement burch freien 33er* 
trag gegen 3at)fang beg hoppelten Sahregbetragg ber chinefifdjen 
©runbfteuer bag 33orfaufgred)t auf ben größten %ty\[ beg in Se* 
tracht fommenben ©ebieteg unb jmar gu ben oor ber Dffupation 
üblichen greifen. 3)ie Regierung behält für ftch nur biejenigen 
©runbftücfe alg ©igenthum, meldhe jur Slnlage oon ©tragen, 
Sßläfcen, |>afeitanlagen, öffentlichen ©ebäuben unb 33efeftigungg* 
werfen erforberlicb finb. $)ag für öffentliche 3roecfe nicht noth s 
wenbige fianb wirb im SBege ber SSerfteiaerung nach Seftfeßung 
eineg SRiitbeftfaufpreifeg an Den 9Reiftbietenoen oerfauft. 

33on aßen fpäteren SSeiteroerfäufen beg fo erftanbenen Sanbeg 
ift bem ©ouoernement, beoor ber 33erfauf abgefchloffen wirb, 9Rit* 
theilung 3 u machen. 2)er SSerfäufer hat ben Haufpreig, ber ihm 
geboten unb ju bem er bag ©runbftücf logjufchlagen gemißt ift, 
unter Sfbjug beg SBertheg etwaiger ©ebäube, ber Regierung mit* 
jutheilen. 3)ag ©ouoernement beljält ftch unter aßen Umftänben 
bag SSorfaufgrecht ju bem ihm angegebenen greife oor. 9Racht eg 
baoon feinen ©ebrauch, fo erhebt eg neben einer Umfehreibegebühr 
oon 2 % beg Söertheg (1 °/ 0 für ben Skrfäufer, 1 % für ben 
Käufer) eine Slbgabe in §öhe oon 33’/3 °/o ber ^Sreigerhöhung, 
wobei aber aße Beträge, bie alg Saarauglagen gegen bie ^reig* 
fteigeruitg aeltenb gemacht unb alg folrfjc anerfannt werben, ab* 
juggfähig nnb. Siach 25 fahren fönnen auch folche ©runbftücfe, 
bie ihren ©igenthümer burch freiwißigen Serfauf nicht gemechfelt 
haben, mit einer einmaligen Sluflage oon ebenfaßg 33 73 % ber 
eingetretenen 38erthfteigerung belegt werben. Sin aßen Sobenwerth* 
Weigerungen, bie burch bie Xhätigfeit ber ^Regierung unb ber ©c* 
fammtheit ber ©inwoljner h^^aorgerufen werben, parti^ipirt alfo 
auf^ biefe Söeife auch bie ©efammtheit, unb „eg erfcheint — nach 
Slnftcht ber 2)enffchrift — alg fehr mähig, bafe bag ©ouoernement fich 
mit einem drittel begnügt unb jwei drittel benSßrioaten überläßt." 

Slbgefehen oon biefer nur im Öaße eineg Sefifcmechfelg ober 


*) Sgl. pierju auch Söirth/ ©ntwicfluug unb Slugbreitung ber 
lil)tncfen ($reuß. 3al)rb. 1899, Slprilheft 0. 119). 


nach 25 fahren erhobenen Söerthfteigerunggfteuer finb aße ©ruttb* 
ftücfe mit einer hohen jährlich erhobenen ©runbfteuer belaftet, bie 
fich auf 6 %. oom gefchäjjten Söerth beg ©ruub unb SBobeng be* 
läuft (bie preu&ifche Sermöqengfteuer beträgt befanntlich nur 72 %o 
beg Söerthg). 3)tit einer Derartig hohen ©teuer wirb ein Slnfauf 
oon fiaub ju ©pefulationggweefen ooßftänbig unmöglidh gemacht, 
jumal ber Käufer ja auch beim SSerfauf wefcntlich gehemmt ift. 
giir Denjenigen aber, ber ßaitb §u eigenem Sebarf (alg Saufteße, 
Öagerplap :c.) erwirbt, ift bie ©teuer, nach Slnftcht ber $)eitffdf)rift, 
an oftafiatifchen SSerhältniffen gemeffen, feinegwegg eine brüefenbe, 
ba bie SRiethfteuern in £>ongfong unb ©hanghai wefentlich höher 
feien. 2)ag leuchtet auch ein, ba bei ber ©runbfteuer in $iautfcl)ou 
augenfcheinlicf) nur ber Sobenwerth, nicht aber auch ber Söerth ber 
Darauf errichteten ©ebäube in Slnfafe gebracht wirb, fo ba& fid) Der 
©teuerbetrag für ein bebauteg ©runbftücf relatio wefentlich erniebrigt. 

3ur Verhütung einer aefunbheitgfchäblichen Bebauung unb 
Slugnufcung beg Sooeng ift Der ©rlafe einer SBauorbnung geplant, 
Durch welche bie 3ahl ber ©toefwerfe auf jwei ober brei bejcfiränft 
unb bag SDMfimum ber bebaubaren gflöthe im ©uropäer*SSiertel 
auf 55 o/ 0 , im ©hinefen*Siertel auf 75 % feftaefefct werben foß. 

3ur ©rlebigung biefer Slrbeiten ift natüruch eine genaue Ser* 
meffung, ^artirung unb £ataftrirung beg ganzen ©ebietg erforber* 
lieh, Slrbeiten, bie auaenblicfiich noch im ©ange finb, aber wahr* 
fcheinlid) big jum §erbft 1899 beenbet fein werben. 0rik bie ent* 
ftehenbe ©tabt ift bereitg ein Sebauunggplan aufgefteßt unb ber 
2)enffchrift beigegeben, danach ^erfaßt bag ©tabtgebiet in brei 
Xheile, oon Denen ein Sheil für ßagerpläfee, inbuftrieße Slnlagen :c., 
ber anbere für bie Slnftebelung ber ©hioefen beftimmt ift; ber 
Dritte £h c ü/ öag europäifche SBohnoiertel, ift alg Sißenbejirf ge* 
Dacht unb foß mit öffentlichen Slnlagen unb reichlich aug* 
aeftattet werben. 2)er bie Sermeffunggarbeiten augführenbe 
Äatafterfontroleur war früher in bem berliner Sißenoororte ©ro§* 
ßichterfelbe thätig. 

®ie ßanbauftionen hohen am 3. Dftober 1898 begonnen. ®ie 
Sobenpreife poh Derartig bemeffen, bafe eg auch ben weniger Se* 
mittelten möglich gemacht wirb, ©runb unb Soben $ur eigenen 
SHeberlaffung $u erwerben. Sährenb ber erften fünf £age würben 
105 930 qm gum Durchschnittlichen greife oon 1 S)oßar für 1 qm 
oerfauft. $)ie höchften greife würben für ßagerpläfce geboten; 3 um 
3Rinbeftfaufpreig gingen nur fehr wenige Sßaqeßen ab. 2)er ^5reig 
oon 1 $)oßar für 1 qm (4 ,25 dl) fann angefichtg beg hoh^o oftafiati* 
fchen ^reignioeaug wohl alg mäfeig gelten; er entfpricht genau ben 
greifen, bie in entfernteren Sißenoororten oon Serlin gezahlt werben. 

®ie fpftematifche Serhinberung einer ungefunben Xerrain* 
fpefulation, bie g>eran 3 iehung ber Sobenwerthgfteigerung 3 U ben 
öffentlichen Saften, bie augfdjliejsliche 33efteuerung beg Sooenwerthg 
unb ber SSer^icht auf 2 Rieth* unb ©ebäubefteuern finb hö^hft inter- 
effante SRagnahmen, bie bem weiten Slicf unb ber oolfgwirthfchaft* 
lieben ©inficht beg ©ouoernementg oon ^iautfchou bag befte 3 e og* 
nife augfteßen; man wirb Sicherlich gut thun, bei Singriffen auf bie 
„aß 3 ii bureaufratifche" Serwaltuna oon $iautf<hou erft 3 U prüfen, 
ob eg fich nicht um Urteile oon ßeuten honbelt, bie Sfth öurch bie 
ßRahnahmen Der Serwaltung in ihren ©pefulationgabfichten geftört 
fanben. $)ie Sefteuerung beg ©runb unb Sobeng in unferer 
jüngften Kolonie, namentlich Die hoho Steuer auf bie SBerthfteige* 
rung, fcheinen mir oon großem prin 3 ipießen gntereffe auch für 
bag ÜRutterlanb 3 U fein; eg ift Sicherlich fehr erwägengwertp, ob 
Damit nicht ein gangbarer 'Beg gezeigt ift, bie ungeheuren 
Skrthfteigerungen beg ©runb unb Sobeng in ben mobernen ©ro&* 
ftäbten bem öffentlichen SBohle bienftbar 3 U machen. 

Serlin. _ $aul Soigt. 


Serbefferuug ber ^ohttnttßgberhctttniffe oon Irkifetn tu pren^i* 
fehen ©taatgbetriebeiu Sluch in biefem Soh^o ift, roie bereitg 1895 
unb 1898, bem preufeifthen Sanbtage ein ©efe^entwurf, betreffenb 
Semißigung weiterer Staatsmittel 3 ur SSerbefferutig ber 5Bohnungg* 
oerhältuiffe oon Slrbeitern, bie in Staatlichen ^Betrieben befd)äftigt 
finb, unb oon gering befolbeten ©taatgbeamten, ooraelegt worben. 
3n biefer Vorlage werben weitere 5 Sftiüioiteit 9)iarf geforbert. — 
Qit beiben erften itrebite oon ebenfaßg je 5 SRißionen 5D?arf finb 
big auf einen $Reft oon runb einer halben s Mßion aufgebracht. 
3)ie weiteren in Slngficht genommenen .v>augbauten in Den ©ifen* 
bahnbireftiongbejirfen Königsberg unb ’Jranffurt a. 9R. finb auf 
1061 000 y//, oeranfchlagt; an ^Darlehen finb oon oerfd)iebenen 
Söaugenoffenfdhaften 760 000 <J( nachgefucht. ^ie meifteu 
SBohnhäufer aug ben bisher bewißigten ^onbg finb oon ber 
©ifenbahnoerwaltung gebaut worben, unb ^war aug ben erften 
5 SRißionen an 34 Drten unb aug Den gweiten 5 SRißionen au 



827 


Sogiale $ra£t$. (Scntralblatt für Sogialpolitif. Nr. 30. 


828 


52 Drten. 3n geringerem 3Naße feat bie Söauoerroaltnng unb bic 
Sergoerroaltung foldje ©ofenfeättfer errietet, ©ie non ber (fifen* 
bafenoerroaltung aug ben beiben erften Sonbg erbauten Käufer 
weifen inggefammt 1536 ©ofenungen auf, barunter foldje mit 
oter, brei unb mit gwei Räumen, ©er Mietvertrag biefer ©ofe* 
nungen, einfcfeließlicfe ber 33auoerroaltunggfoften, beläuft pdj auf 
über 4 % gefammten Aitlagefapitals. ©irb feieroon 1 % für 
bic Serroaltung ber Käufer unb bie Amortifation abgewogen, fo 
oergtnft pefe Anlagefapiial immer noefe mit 3,n %. 

Nürnberger ©ofennngSpolitif. @tne ^Jefd^id^te ber Nürnberger 
©ofenunggpolitif roirb in einem „©utaefeten über bie ©ofenungg* 
frage mit befonberer Serücfficfettgung ber Nürnberger Serfeältmffe 
(Anträge an bie gemeinbliefeen Kollegien ber Stabt Nürnberg be* 
feufg SteUungnafeme gur ©ofenunggfrage", Nürnberg 1898. ©e* 
brueft bei U. @. Sebalb) entrollt, bag ber reefetgfunbige 9Jiagiftratg* 
ratb Z- S3ecffe erftattet ^at. ©anaefe wie« fefeon am 16. Dftober 
1861 ber bamalige 2. 33ürgermeifter Seiler auf ben fühlbaren 
Ntangel an fleinen ©ofenungen in Nürnberg bem erft in 
neuerer 3 e ü energifdfe begegnet wirb. $önig May feätte burefe 
„Königgftiftunggfeaug" mit feinen 24 oorbilblidfeen ©ofenunaen bie 
©ofenunggfrage in glufj gebracht, ©ie Stabt feätte Armen* 
wofenungen unb Amtgroofenungen für ftäbtifd^e Arbeiter gebaut. 
3m Uebrigen überliefe fie eg ^ßriuaten, Abfeülfe gu fefeaffen. ©er 
im Safere 1862 alg Aftiengefellfcfeaft fonftituirte Nürnberger ©ofe* 
nunggoerein feat 9 Raufer mit 66 fefer gefügten 5* unb 4räumigen 
©ofenungen errietet, ©ie 1877 begrünbete Nürnberger Sauge* 
fellfcfeaft feat 28 Zäufer gebaut unb beren 25 oerfauft. SJiit ber 
Erbauung gefunber Arbeiterroofenungen finb fobann Neicfegratfe 
5rfe. o. (£ramer*KIett, ber früfeere Sepfeer ber Niafrf)inenbau* 
AftiengefeUfdfeaft Nürnberg, (47 Arbeiterfeäufer mit 160 ©ofenungen, 
im Sau einige £unbert Arbeiterfeäufer bei ©ibifeenfeof) unb ber 
baperifefee (Sifenbafettfigfug (20 Käufer mit 160 ©ofeuuugcn) oor* 
gegangen. (Sine 1892 oom ©eefeniferoerein aufgenommene (Snquete 
ergab ein reefet ungünftigeg 33ilb ber ©ofenunggoerfeältniffe. ©er 
Saferegbericfet ber mittelfränfifcfeen ,J>anbelg- unb ©ewerbefammer 
1897 flagt über ben ÜJtangel geeigneter Arbeitermofenungeit. ©ie 
Gleftrigitätg * Aftiengefellfcfeaft Scfeucfert & (So. feat begfealb einen 
Sauoerein Scfeucfert’fefeer Arbeiter (©. ©. m. Z-) gegrünbet, ber 
gunäefeft 130 Käufer mit je 8 ©ofenungen (= 1040 ©ofenungen) 
baut, ©ag ©utaefeten füfert roie ein guteg Gompenbiutn ber 
©ofenunggfrage fobann auf, mag bie Serficfeerungganftalten, Staaten 
unb Stäote roie bie ©efefegebung für bie ©ofenunggfiirforge ge* 
tfean feaben, unb erörtert bie Ürfacfeen ber ©ofenunggnotfe. 3n 
Nürnberg im Sefonberen fei gegenwärtig an fleinen gefunben unb 
billigen ©ofenungen ein Mangel, ©er Ntagiftratggutacfeter fteHt 
ber Stabt begfealb bie brei Aufgaben ber Sörberung beg Saueg 
gefunber ©ofenungen, ber Sefehigung ber oorfeanbenen fcfelecfeten 
(ungefunben) ©ofenungen, ber Heberroacfeitng ber ©ofemutggbe* 
nnfeung. ©ie Abfeülfe beg Uebelg, bag burefe eine giigcllofe Sau* 
fpefulation oerfcfelimmert werbe, müffe mit einer ftäbtifefeen ßnquete 
burefe ein gu erriefetenbeg ftäbtifefeeg ftatiftifefeeg Amt beginnen. 
Sobann fou bie Stabt alg Arbeitgeberin für ben feften Stamm 
ihrer Arbeiter ©ietferoofenungen — niefet ©ienftroofenungen — er* 
ftellen, barüber feinaug foH fiefe bie Stabt bie fräftiae görberung 
beg Saueg fleiner ©ofenungen angelegen fein laffen, bie Negierung 
um eine gute eigene Sauorbnuuq erfuefeen unb bie Zeitteilung 
billiger unb bequemer Serfefergoerbinbungen mit ben Vororten im 
Auge befealten. 3n einem Nacfetrag werben befonbere Sorfcfeläge 
gemaefet, roie man bie ©rleicfeterungen für prioate Unternehmer im 
©ofenunggbau unterftüfeen unb welcfee Sebingungen man ifenen 
bafür aufcrlegen fönne. 

tteberbölferte ©ofeuangen tn StcSlau. ©ag ftatiftifefee Amt 
gu 93reglau tfeeilt bie ©rgebniffe einer befonberen SBofenunggftatiftif, 
Die eg mit ber 23eoölferunggftatiftif oom 2. ©egember 1895 ocr* 
bunben featte, im XIIX. S3anbe, ^>eft 2 ber Sreglauer Statiftif 
(Sreglau 1899, SSerlag oon ©. Morgenftern, ^reig 4 ,\or/s) mit. 
©anaefe feat fiefe bie 3afel ber überoölferten ^ofenungen — bag 
finb SL'ofenunqcn oon 0 ober 1 feeigbaren 3i mi aer unb mefer alg 
5 ©lewofenern, foroie bie mit 2 feeigbaren 3roimern »nb 10 ober 
mefer ^ewofenern — oon 117 o/ 00 ; 1880, 11L o/ 00 : 1885, 102 °/ CK) : 
1890 auf 85 o/ 0[ ): 1895 oenninbert. ^äferenb 1890: 16,4 0 ü ber 
^eoölferung in überfüllten Wohnungen lebten, waren eg 1895 nur 
14,9 °/ 0 . ©ie^Ueberoötferuug trifft am ftärfften bie ©ofenungen 
mit einem feeigbaren 3inuner, ber ^romiilefafe betrug 1880 : 187, 
1885 : 181, 1890 : 179, 1895 : 158. $on ben Ntictfeerroofenungen 
waren 88 u /, )0/ uott ben ©igentfeütnerroofenungen 53 u /oo überoölfert. 
©ag ftatiftifefee Amt feat aber noefe genauere ©runblage für bie 


Seurtfeeilung ber Ueberoölferung mit Unterftüfeung ber $oligei* 
organe gu gewinnen gefuefet. ©abei fteUte fiefe feeraug, bafe oielfacfe 
tfeatfäcfelicfe mefer Sßofenräume oorfeanben alg bei ber SSolfggäfelung 
angegeben wai, inbem befonberg bie 3 rage naefe ben „©ofenräumen 
ofene genfter" (©abinet, ©ntree, ©ntreefüd)e, Ntfcfee 2C.) gu Unpcfeer* 
feeiteu gefüfert feat. So ergeben fiefe: 


©ofenungen 

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Auf 1 Sd/laf* 
raum burefe* 
fefeuittlicfe 
Se- 

wofe* Setten 
ner 

^ SB' *-» 

wirflidj über* 
oölferte . . 

1089 

8 113 

1731 

4 563 

7,45 

4,69 

2,64 

1,78 

fdjeinbar über* 
oölferte . . 

813 

5 010 

1475 

3 425 

6,16 

8,40 

2,33 

1,46 

gufanimen 

1902>3 123 

3206 

7 988 

6,90 

4,09 

2,49 

1,64 


©er giäcfeeninfealt ber ©ofenungen, ber berechnet ift, geigt 
mancherlei Abweichungen. 3n btn überoölferten ©ofenungen 
fommt bei 28, 7 qm burefefcfenittlicfe auf jebe ^erfon 3 ,9 qm, in ben 
nidfet überoölferten ©ofenungen 34,6 qm begm. 5, 6 qm. ©featfäcfeUcfe 
feaben aber auefe 18,o°/ 0 biefer lefeteren ©ofenungen 4 qm unb 
weniger ©runbfläcfee für bie $erfon, finb alfo auefe überoölfert. 
s D2an fiefet alfo, bafe bie Statiftif grobe Scferoieriafeiten feat, bie 
tfeatfäcfelid)e ©ofenunggüberoölferung riefetig gu erfaffen. 

fDUubemng ber SBofenuugguotfe burife f&mmuim. Um bie 

©ofenunggnotp gumilbem, ift in ßieanife am 10. 2ßai 1897 eine 
Öiegnifeer ©ofenungg*=©euoffenfcfeaft begrünbet, bie bereitg brei 
Zäufer angefauft feat unb im Srüfeiafer mit bem S3au neuer Zäufer 
beginnt, ©er Magiftrat feat eine Unterftüfeung in Augficfet geftellt. 
©er Ntainger 33au* unb Sparoerein wirb mit ©röffnung ber 
Saufaifon 50 big 60 ©ofenungen oon 2 big 3 3iinmern neu er* 
ftellen. Sür bie Antfeeilfcfeeine follen trofe feofeer Nücflage für 
Amortifation unb Neferoefoubg 4% 3^f e » Ö^gafeU werben, ©er 
herein bepfet bereitg meferere Zäufer. 3» s ?ofen ift eine ©e* 
noffenfefeaft für ben 93au oon Arbeiterwofenungen begrünbet, an 
ber fiefe ber Dberpräfibent mit 2000 JL betfeeiligt feat. Alg ©e* 
uoffenfefeaft m. b. Z- ift in Sreiburg i. 33. ein ©auoerein mit 
122 Mitgliebern begrünbet worben, ©er ©ef^äftgantfeeil oon 
100 cif faitn in ©oefeenbeiträgen oon 50 $ eingegafelt werben, 
©iefe ©enoffenfefeaft will bie gu erftellenben Zäwfer niefet oerfaufen, 
foitbern nur Iebenglänglicfe oermietfeen. 

Aberg'ftfee ©ofenunggfitiftuitg in ©nffelbmrf. ©ie fogtale Äommtfpon 
ber beutfefeen Öewerfoereine übt in einer fleinen Sdjrift an l)em Seridjt 
über bie 3:l)ätigfeit unb bie ISrgebniffe ber Aberg’fcfecn ©ofenungg* 
ftiftung (©üffclborf 1899. ©rutf oon ©. Acfon, ©üffelborf, ©e^rfeabn 17) 
eine fdjarfe Ätritif. 2anbgerid)tgbireftor Aberg batte ber Stabt ©iipel* 
borf gur (Srricfetung oon Arbeiterwobnungen etwa 2 Millionen Sftarf 
feintcrlaffen. ©ie fogiale Äonimiffion fudjt naefeguweifen, bap bie Stif* 
tung gu tbeuer unb naefe ben ortgiiblidjen 5Nietfeeu unrentabel gebaut feat, 
bafe Die Stabt burefe ihr 3)auamt, ftatt burefe einen beionberen 33au* 
meifter, biefen fogialen SSerfuefe feätte matfeen laffen follen, bap bag 
Kuratorium mit biefen 2 Millionen eine Neform beg gefammten ©ofe= 
mmggwefeng für bie unbemittelten Klaffen ©üffelborfg feätte anbafenen 
fallen, inbem eg unter 3»feülfenabme oon ZfePotfeefarfrebit fofort 
100 Zöufer feätte erriefeten fönneu, wäferettb eg jefet burefe einfaefee Aug* 
fefeiittung beg gonbg unb tfeeureu (>)runberwerb 2 c. faum 35 Zäufer 
fertigftclie unb erft 1950 auf bie 3 n fel gelange, ©ie 5Nietfeen 
werben alg gu niebrig, bie Augwafel ber 3)?ietfeer alg nidjt einwanbg* 
frei bcgcidjnet. Oleflagt wirb auefe über bie ©ebingung ber monatlichen 
Horaugbegafelung ber 5Nietfee. Scfelieplicfe wirb eine anbere 3nfammen* 
fefeung beg Kuratoriumg unb eine ^etfeeiligung ber SNietfeerfreife an 
bemfclben geforbert. 

Arbcitcrwofemmgctt in ©ent. ©er ©emeinberatfe oon ©ent 
feat im 3afere 1897 eine Kommiffion gur Uttterfucfeung ber 
©ofenunggfrage einaefefet. ©er nunmefer oorliegenbe Sericfet 
gipfelt in folgenben 33orf<felägen: ©ie Zäufer beg $lrbeiteroiertelg 
finb einer regelmäßigen ftrengen Snfpeftion gu unterteilen; fie finb 
fämmtlicfe mit burefe efeemißfee Attalpfe für trinfbar erfanntem 
©affer gu oerfefeen; bie fanitätgwibrigen ©ebäube finb neu gu 
bauen; bie ©ofelfafertganftalten finb gu oeranlaffen, einen ©feeil 
ifereg Kapitalg gutn Sau billiger ArBeiterfeäufer gu oerwenben unb 
beggleicfeen foü bie ©etneinbe ben aug ber £onoerpon oon Anlefeen 
erhielten ©ewinn gu biefern 3 |üe( ^ e oerwenben. 



829 


Sogiale $raji$. Eentralblatt für Sogtalpolitü. 9Hr. 80. 


880 


Sojittle Qqgtene. 


SHrblguialrcfontt unb $renßtf<bcS AbgeorbnetcnbauS; Stabt« 
ftrgte. Der Heine Db^l, ber oon bcr geforberten SJteoiginalreform 
fW au bcr Vorlage, betrcffcnb bie DienftfteHung beS KreiSargteS 
uitb Die Vilbung oon ©efunbbeitsfommiffionen, frpftalliRrt bat, ift 
am 21. April im $reußifchen AbgeorbnetenbauS tn erfter ßefung 
beraten unb an bie K'ommiffton oerroiefen roorben, bie mit ber 
Vorbereitung ber Vorlage über bie ärztlichen Ehrengerichte betraut 
ift. Aeue ©eficbtSpunfte förberte biefe Verbanblung nicht gu Dage. 
Die Aiinifter Dr. Voffe unb Dr. oon ARiquel oertbeibigten eS, baß 
in baS ©efeß nicht baS Verbot ber VrioatprajiS gefchrieben fei; 
eS fei fein Vebürfniß, alle KreiSärgte gu oollbefolbeten Vcamten gu 
machen unb ein gängiges Unterfagen ber Vra^tS bafa oiellei^t 
Aacbtbeile für bie freisärjtltcbe Dbätigfeit roie für bie Veoölferung 
im ©efolge. Dr. oon Vhquel empfahl im Vefonberen ben großen 
Stabten bie Aufteilung oon Stabtärgten, benen ja baS Aecht 
gegeben merben fönne, öffentlich-rechtlich als Kreisärzte gu fuitgiren. 
3u ihrem ©ebalte mürbe bann ber Staat in angemeffener feeife 
beitragen. _ 


(ßrnirrbrijtridjtr. (Einignngsämtcr. Sdjlcösgeridjte. 


©ettegnng tmtt ArbeiiSftreittgfeiten auf ©rtmb ber „Ver* 
fdbuungdam^ tu Englanb. 2Bir baten unlängft (0p. 574) auf 
mehrere Streifs unb AuSfperrungen in Englanb bingeroiefen, bie 
bureb Eingreifen ber Vebörben auf ©runb ber „VerföbnungSafte" 
oon 1896 gütlidf) beigelegt morben finb. Die neuefte Aummer ber 
amtlichen „Labour Gazette“ berichtet abermals gmei folche gälte. 
Anfangs 9Jtärg b. 3$- brach ein Streif in einer Suteroeberei gu 
Aberbeen aus, brei Söocben fpäter manbte ftd) ber Sefretär ber 
organifirten Aberbeener gabrifarbeiter an baS ©anbelSminifterium 
mit ber Vitte um Vermittelung gufolge ber VerföbnungSafte. Ein 
Veamter beS 9AinifteriumS begab fid) in ben Diftrift, batte Ve« 
fprechungen mit ben Arbeitern unb bem Arbeitgeber unb ber Er« 
folg mar ein Ausgleich, bemgufolge bie Arbeiter am 3. April bie 
Arbeit mieber aufnabmen. — 3n bem Orte Sßigan forberten bie 
organifirten Schiefer« unb 3«gelbecfer oon bem Arbeitgeberoerbanb 
im Vaugemerbe eine ßobnerböbung unb bie organifirten 3iwmerer 
unb Sifchler eine Aenberung Der ArbeitSbebingungen. Anftatt gu 
einer Arbeitseinteilung gu Wreiten, entfchloffen fid) bie Parteien, 
baS ©anbelSminifterium um bie Ernennung eines unparteiifchen 
SchiebSrichterS angugeben, mogu am 7. April ber AecbtSamoalt 
A. A. gmbfon berufen mürbe. 

©iutgnngSfttnter unb SchiebSgedcfM in Aenfeclanb 1897/98. 
3n Aeufeelanb bat bie Industrial Conciliation and Arbitration 
Act 1894, roelcbe bureb bie fpäteren ©efeße oon 1895, 1896 unb 
1898 meiter auSgebilbet unb ergängt morben ift, bie Vilbung oon 
DiftriftS-EinigungSämtern, District Boards of Conciliation, gur 
Einführung gebracht, toelthe aus einer gleichen Angabi oon Ver« 
tretem ber Arbeitgeber unb ber Arbeitnehmer mit einem oon bem 
Amt geroäbltert Domann hefteten füllen unb über alle Streitigfeiten 
groifchen Arbeiteroereinigungen unb Arbeitgebern ober Arbeitgeber* 
oereinigungen auf Anrufen einer Partei gu entfReiben haben. 
Sofern eine Partei mit ber Entweihung beS Einigungsamts nicht 
gufrieben ift, gebt bie Sache an ben Court of Arbitration ber 
Kolonie, melier aus je gmei Vertretern ber Arbeitgeber unb Arbeit¬ 
nehmer fomie einem dichter beS böchften ©eridjtSbofeS fich gu* 
fammenfeßt unb feinen Spruch im regelmäßigen 3n>angSoerfabren 
burch hohe ©elbftrafen ergmingen fann. So lange ein Streitfall 
beim Einigungsamt ober beim SchiebSgericht oerbanbeit mirb, ift 
es gefeßlidj für unguläffig erflärt, bieferbalb eine Arbeitseinteilung 
ober ArbeiterauSfperrung eintreten gu Iaffen. Aach ben Veröffent¬ 
lichungen beS Department of Labour für Aeufeelanb haben in bem 
3abr oom 1. April 1897 bis 31. SJtärg 1898 inSgefammt acht 
DiftriftS-EinigungSämter in 20 fällen gu entfeheiben gehabt, oon 
benen 6 auf baS Kleibermacbergeroerbe, 4 auf baS Vaugemerbe, 
3 auf ben Vergbau, 3 auf Väcferci unb Konbitorei, 2 auf Dtfcblerei, 
1 auf ben VtaWincnbau unb 1 auf bie Seefdfjifffahrt entfielen. 
Sieben biefer Streitigfeiten traten erft gegen Ablauf beS 3eitraumS 
beroor unb fonnten beSbalb innerhalb beffelben nicht mehr gum 
Austrag gebracht merben; bezüglich breier oon biefen ift fpäter, 
mie nachträglich feftgefteüt morben, an ben Court of Arbitration 
appeÜirt. Die übrigen 13 Säße ftnb fämmtlich auch an ben Court 
of Arbitration gebracht, welcher über 11 bereits bei Ablauf beS 
3abreS entfebieoen batte, mäbrenb für 2 bie Entfärbung noch 


auSftanb. 3n 5 fällen batten bie Arbeitnehmer bie Entweihung 
beS Diftrifts-EinigungSamteS für unannehmbar erflärt, in 2 Zöllen 
batte bie ©efammtbeit ber beteiligten Arbeitgeber unb in 3 gälten 
eingelne Arbeitgeber aus befonberen ©rünben bie Entfärbung oer« 
morfen; in 2 gälten mar eine Ablehnung oon beiben Parteien er¬ 
folgt unb ebenfo auch in bem lebten, mobei aber beiberfeitig an- 
erfannt mar, baß eine Entfärbung beS DiftriftS-EinigungSamtS 
überhaupt unmöglich für beibe Parteien annehmbar fein fönne, 
unb baß bieferbalb lebiglich ein SthiebSfpruch beS Court of Arbi¬ 
tration oon Außen fein mürbe. 


ülterttrifd)* ^njetgen. 


2)er Krieg. Von Sobann oon Vlodj. Ueberfeßung beS rufftWen 
SBerfeS beS Autors: Der gufünftige Krieg in feiner tedjnifdjen, 
oolfsmirtbfchaftlichen unb politischen Vebeutung. (Verlin 1899, 
<Puttfammer u. SRüblbredjt, Vuchbanblung für Staats* unb AechtS* 
miffenfhaft.) 

Von ben 6 biefen Vänben, an benen ber Verfaffer 8 3«bre lang 
gearbeitet bat, liegen uns Vanb 1, 8 unb 6 in beutfdjer Ueberfeßung 
oor. Der erfte Vanb ift ber „Vefdjreibung beS KriegömecbaniSmuS" 
gemibmet, her britte bebanbelt ben Seefrieg, ber Sdjlußöanb gießt bie 
allgemeinen Schlußfolgerungen, befpricht namentlich bie öfonomifcb e u 
Erfchiitterungen unb materiellen Verlufte beS 3 u f un ftofriegeS unb er¬ 
örtert bie ftrage oom internationalen ScbiebSgeridjt. §err oon Vloch, 
beffen Söerf einen ftarfen Einfluß auf bie oom ruffifdjen Äaifer ins 
Vterf gefegten internationalen Veftrebungen gehabt haben foll, gelangt 
gu ber Uebergeugung: $er Ärieg märe unter jefcigen Verbältniffen ein 
feagntß ohne Gleichen. $)ie V?affenbeere merben bic Verheerungen ber 
fünftigen Schlachten nnb bie Unmöglichfeit, ben Vermunbeten mäbrenb 
einiger Sage §iilfe gu Ieiften, nicht ertragen. Außerbem merben bei ber 
jepigen 3ufammfepung ber §eere unb Der b eu ügen Kriegführung bie 
Entoebnuigen, bie ein langjähriger Krieg mit fW bringen muß, Krauf» 
beiten unb Epibemten in nie bagemefener Steife erzeugen. Unb meitn 
auh bic .^>eere bieS Alles ertragen fönnten, bie Völfer merben bie 
Stocfung aller ^robuftionSthätigfeit, bie ben Viaffen ben SebenSunter- 
halt bietet, fWer nicht ertragen formen. 5)ie Unterbinbung jeben inter¬ 
nationalen VerfefjrS muß $ungerSnoth erzeugen. — $>ie „Sogiale 
Vrajis" ift nicht ber Drt, mo biefe fragen gur ^isfuffton ftehen. Aber 
fWer mirb jeher f^reunb ber Sogialreform, jeber Sogialpolitifer baS 
merthoollc Vucfj beS VerfafferS mit Antheil unb Aupen Iefen. 

Ku ft ermann, Dr. Aobert, $)aS 9Rühlengemerbe im rehtSrheinifhen 
Vapern. (SRünchener oollSmirthfchaftliche Stubien. §erau$- 
gegeben oon Sujo Vrentano unb SÖalther 2op. 80. Stücf.) 
Stuttgart 1899, % E. Eotta’We Vuhhanblung Aachf. 74 S. 
s PreiS 2 M. 

3Benn es gtoeifelloS ift, fo refumirt ber Verfaffer feine Darlegungen, 
baß ber Eetreibebau in Vaqem noch für längere 3 e tt ben Ermerb 
eines großen SheilS ber Veoölferung biiben mirb, menn baber aud) 
baS bringenbe Vebürfniß nach einer einheimifchen, leiftungSfäliigen 
Vtüßerei befteßt, fo forbert es baS mirthfdjaftüchc mie baS fögial- 
politifdje Sittereffe beS SanbeS, ber AuSbilbung einer folgen SKüfferei 
bie größte Sorgfalt guguroenben. Dtefe aber fönnen nur größere, 
tedjnifch gut auSgerüftete, faufmännifh rationell geleitete Vetriebe fein, 
bie auch ihren Arbeitern entfpreebenbe ArbeitSbebingungen gemähren. 

3cntfch, Karl, Aobbertus. Stuttgart 1899, gr. grommannS Verlag 
(E. £>auff). 259 S. ^reiS 3 Ji. 

Die Sebensgefchichte, bie öehre (in folgenbe brei AbWnitte ge« 
gliebert: antife StaatSroirthWaft, VolfSmirthWaft ber Eegenmart, 
StaatSroirthfchaft ber 3ufunft) unb bie Vebeutung beS VfanneS führt 
uns ber Verfaffer oor. 2öir citiren bie Sdjlußmorte beS VucßeS: „Aicht 
bie $fltd)t im Sinne berer, bie bem Volfe oerfünbigen, es fönne feine 
Sage nur burch VflWterfüHung beffern, ift ber Stern, für beffen ©lang 
AoobcrtuS bie Augen feiner jünger geöffnet hat, fonbern baS „ftrahlenbe 
suum cuique", baS ben Aiadjthabern bie ^fließt auferlegt, ben 
Unterbriidten Aecbt gu fhaffen." 

gahrbud) für Eefeßgebung, Vermaltuug unb Volfsrairth- 
fdjaft im Dcutfd)en Aeicß. 23. gahrg. £>crauSgegeben oon 
Euftao Schm oller. 2. ^eft. fieipgig 1899, Duncfer & ^pumblot. 

An größeren Aitffäßen enthält bieS £>eft: ^ir im engeren Sinne 
fogiale Kriminalftatiftif als Statiftii ber AcchtSgüteroerleßungen. Von 
Karl Seutemann. Ueber bas beutfehe Eelbmefen im Kriegsfall. 
(Sdjluß.) Von SWoriß Ströll. Die obligatorifcße Kranfenoerfidjerung 
ber §ausinbuftriellen. Von £. Steigert. Deutfdjlanbs Ianbmirth- 
fchaftlidjer Vetrieb. Von Kollmann. Die mirthfd^aftliche Sage auf 
Sarbinien. Von SJt. Elaar. Entmicfelung unb gegenmärtige Drgani* 
fation ber englifdjeit gabrifinfpeftion. Von ^clene Simon. Die 
Vebeutung oon Siibbrafilien für bie beutfehe Kolonifation. Von 
K. Vallob. Die Crganifation beS grembljanbclö in Eßina. Von 
g. Schumacher. 2ebenSoerfid)erung, Kapitalocrftd)eruug unb bie länb- 
Hdje Veoölferung. Von Eranbfe. Dagu eine rcidjßaltigc Literatur- 
überfihl- — ®aS tiädjfte §eft mirb am 6. Sitli b. ,^S. erfdjeinen. 


BerantoorUt<$ für bie »ebaftton: Dr. dm ft grantle tn Berlin W., Baoreut^erftra^e 29. 




BeranUüOutlieft jür Dte Hnjcigcn: 4>cüimttij öctbci, üctpjij. — «i-naa oou üuiufcv & vuuibioi, ßcipiifl. — ®ct>tuc!i bei 3 ultuS etttenfelb, Seclin. 















VIII. goljrpus. 


©erlitt, bett' 4. '3Wat 1899. 


Stummer 31- 


Soziale prajts. 

{$mfra£ßCaft für ££>ogictrpoCifiü 

mit ber SftonatSbellage: 

Vas (Bewerbecjericht. 

©rgan t>es Oerbartbes beutfcfyet (5en>erbegerid?te. 

Sfleue g'Otge ber „Stfitter für fojtate sjßraytS* utib be8 „Sojintpolttifcfjen EentralMnttS*. 

«rf4ci»t m Jckem ^)CtQU§geBer: VnU kiettel|ltrit4 2 ffl). KO et. 

fRebaftfon: Sertin W., Sat)reutberftrage 29. Df. ItUp «ft Ult die. Verlag boit ®umfev & ^umbfot, Ccipjlg. 


3ufcalt. 


©rport unb kultur. ©on ©rof. 
Dr. Söerncr ©ombart, ©reölau. 

834 

KHaenehie Ctatel* mm b 
polttif.840 

SlrbeitSfammern, ©erufflöer* 
eine, Sfr id>ä*9lrbett8amt. 
ßur ©leicfcbeTeditigung oon Slrbeit» 
fiebern unb Slrbeiiem. 

©in SBenfrepunft in ber fdjtoeigerifchen 
©emerffdiaft&beroegung. 

Siegelung ber SlrbeitSbebingungen bei 
öffentlichen Arbeiten in granfTeid). 
©ie grafte ber SUteröoerforgung in 
in ©nglanb. 

*»S<aIe Bultanbc ;.844 

SÖfirttentbergifc&e Arbeiter« 
HaudbaltungäbubgetS. 
SlrbeitSmafc unb ©onntagSruhe ber 
©ecunten unb Unterbeamten ber 
Steicbfcpoft. 

ffierpflanjung ber ^nbuftrie aufs ßanb 
in ©aben. 

©ogialöfonomifdje Slbtheilung ber 
fßarifet 2Beltau$ftellung 1900. 

Htttirtrbctotanaa.846 

©et ©trei! bet belgifc&en Nob¬ 
len bergtoerfSarbeiter. ©on Dr. 
©ufiaö ©tat) er, ©rüffel. 

©et britte kongtefe ber ©e* 
werffcbaften ©eutf djlanbfl. 

©et ©ereitt für Hanblung&fotmni« 
oon 1858 in Hamburg. 

©ü cf erftreif in ©tünchen. 

©egen bie Heimarbeit in ber ©ürften* 
unb ©infelinbuftrie. 

Agitation für ben 3 c Önftunbentafl in 
ber Sestiiinbuftrie. 

©ie djriitlicpen ©dhlädjtergefellen 
©erlfnS. 

3ur Stmtftunbenbeioegung in ©nglanb. 
©ie Sobnbetoegung unter ben ©erg* 
arbeitern bc8 frangöfifchen SHorb* 
reüierö. 

Ktbeiterfftv*.852 

©orfdjriften über bie SUbeitSjeit in 
©etreibeinütilen. 


©djubborfdhriften für bie Arbeiter in 
©homaöfchlatfemnüblen. 

©rünbe für ben gefefelidjen einbeit* 
lieben ßabeufdiluij. 

SluS bem 3^breÖbericbt ber grabrif* 
inipefiion für ÜKeiningen 1898. 
Slbünbetung ber ©ebubborfebriften für 
jugenblicbe Sltbeiter in Jytanfreicb. 
Hunbelfigebilfenfcbub in Sluftralien. 

«rbeüet&erfldjmina- ®par (affen 854 

©tanb ber kranfenberfidjerung in 
©eutfdjlanb 1897. 

©ie Slufroeitbungen ber kitappf^aftfi* 
beruf8genoffenf(baft für 18- 8. 
SUterSoerforgung ber ©ifenbabn* 
arbeitet in Ungarn, 
ßur ©cbulfpatfaffenfragc in ©nglanb. 

ttrbettinadMDei*.855 

©roteft gegen bie Errichtung bon pari* 
tätifeben Slrbeit«nadw>eifen. 

©er SlrbeitSnacbmeiä ber gum „©erein 
ber ©auereien ©erlinS unb ber Um* 
gegenb" geböri eu ©rauereien. 
SltbeÜSnacbroeife für lünblidje Arbeiter 
in Sßreufjen. 

SlrbeitSoermittelungS * ©tatiftif in 
ßeft erreich. 

kommunaler SlrbeitSnacbmeiS in 
©ober. 

©enoffenfdiaftdtpefen.857 

ftünfgig 3abre beutfcheS ©enoffen* 
fepaftömefen. 

konfumbeteln „©oiloäTte" in ©reftben. 

fBobnnagitoefen.858 

SBobnungÄberbftltniffe ber ©ebienftetm 
unb Arbeiter ber baperifepen ©taatö* 
eifenbabnen. 

3ur SBopnungdfrage in ßonbon. 


frpeliiiie an» ©tibnug.859 

HauSttif rtbfcbaftlicbe Unter» 


Weifung in ber ©olfSfdjule. 
©on ftranjififa &bneforge, 
©olfÄfdmliebteiin in ©tedben. 
Obligatorifjje ftortbilbungöfchule in 
SDtagbcburg. 

SUlnorifdc Mngetgen. 862 


®t« 91ai*9lumme¥ ber ©eifage „tal ©eloerbegecidit^ toirb mit bev näcfcften 
9? a mm ec ber „^oaiaten ©ra{i$" am 11. flFiai au0grgeben. 


Kbbrncf fümmtlicbeT Ülrtifel ift 3 e ltungen unb 3 f itfdriften geftattet, febodh nur 
mit boller ClueQenangabe. 


(ffport unb Sulfur.*) 


3Kein Sluffafe in 01 r. 24 biefer ^Blätter §at offenbar aum Waty 
benfen angeregt unb f)at gezeigt, bafe ftd^ fdjeinbar fc§on oößig 
erfd)öpften Problemen bei genauerem §infe§en boc^ immer «lieber 
neue 0eiten abgeroinnen (offen. $>amit mar ba^ 3^ erreicht, ba3 
ic^ ibm gefteeft ^atte. £atte ity boef) oor SlUem au cf) bureb meine 
Anregung beroirft, ba& bie gu ermartenbe $robuftion8ftatiftif oon 
oornberein unter einem frurfjtbaren ©eficbtSpunfte me^r, ber fonft 
Ieid)t batte aufeer Siebt bleiben fönnen, roerbe betrachtet merben. 

0Kan b°i jebotf) nicht burebmeg begnügt, meine Slu8* 
fübrungen einfach ad notam gu nehmen, fonbern h a * i n oerfdjie^ 
benen 5^age§- unb SSocben[Triften meine Darlegungen gum Slnlafe 
genommen, in weitere mirthfehaft^theoretifche unö mirthfehafts* 
politifrfje Erörterungen mannigfachen Snhaltö eingutreten. S^h 
hätte auch Slngefichts berartiger ^uhamoenbungen meiner 0ähe 
noch feinen ©runb gehabt, ben ©egenftanb in einem groeiten Sir* 
tifel weiter gu fpinnen, wenn nicht in bem 0Reinung3ftreite, ber 
um meine Behauptungen entbrannt ift, fich fo eigenthümliche 
©ruppirungen ber Parteien ergeben hätten, bafe leicht eine uner* 
wünfcf)te Berwirrnng ber ©eifter barau§ h er °orgehen fönnte, ber 
mit einigen erläuternben Söorten oorgubeugen ich hoch für meine 
Pflicht halte. 

$)ie „Sogiale ^ßrafiS" felbft hat in 0h\ 28 gwei Slrtifel oer* 
öffentUcht, bie mit einem grofeen Slufwanbe oon Entrüftung fich 
gegen meinen erften Sluffafe wenben. 

3)en Singriff Dlbenbergg ^atte ich erwartet; ebenfo wie bie 
freunblich anerfennenbe Erwähnung meiner Ergebniffe in ben grofc* 
fapitaliftifchen Blättern (0?ationaIgeitung, Boffifdje 3eitung, Seip* 
giger Tageblatt, Vieler 3eitung, Breslauer 3eitung n. Sl.). 1 ) Slngriff 
oon bort, Saftia^ung oon hier ergängten einauber. Um fo mehr 
war ich erftaunt, biefe oon mir erwartete ©ruppirung ber ©flacht* 
orbnung an anberer ©teile burchbrochen unb gerabegu umgebreht 
gu finben. 


*) ©ergl. 0?r. 24 ©p. 684 u. ff., Sfr. 28 ©p. 745 u. ff. unb Sfr. 29 
©p. 788 ber „©ogtalen ^rayt^''. ©eö Stauntet wegen finb wir genöthigt, 
mit ben obigen StuSfüljrungen beö Herrn ^rofefforö Dr. SSerner 
©ombart — ©reälau bie Erörterung gu fchlie&en. ©ie Steb. 

*) SBenn mir ueuerbittgS biefelben ©lätter ober ©Iätter oermanbter 
Dichtung (Sfationalgeitung, kieler 3 c i tun 9/ Berliner Sageblatt, ©Jünchener 
9?eueftc 9fad)rid)ten, krefelber 3eitung, ©äugiger 3eitung, 9?eue Stettiner 
3eitung, 9frue Hnmburger 3 ei tung, ©reolauer 2>< x orgengeitung u. a.) in 
einem auf bie „ jmlianbelöforrefponbeng" gurücfget)euben Slrtifel ben ©or- 
wurf machen, ich hätte „gäuglich unberücf|id)tigl gelaffen, bafe bie waeftfenbe 
©eoölferung auch wachjenbe Einfuhrmengni noiljweubig macht, uno bafe 
biefe Degaljlt werben muffen mit waihfenben Sluöfuhrwerthen/' fo fann id) 
barauf nur erwiberu, baö ich bie in biefem ©apc behauptete Shatfadhe 
für burd)auj§ richtig halte, ihre 9tid)tigfeit au% nie begweifelt habe, 
„©änglich unberücffichtigt“ liefj ich fte in meinem Sluffaß — wie fo 
manches anbere in biefer SBelt, was unfer 3ntereffe recht wot)l in Slu= 
fpruch nehmen fönnte — weil fie wirfUdj gar nidjts mit meinem thema 
probandum gu thun hatte- H eu t e lontnte id) ber aufgeworfenen grage 
fchon erheblich näher wie neulich, wo fie mir gang fern blieb unb 
bleiben foflte. 














835 


©ogiale $raji3. dentralblatt für ©ogtalpoütif. Ar. 31. 


836 


Der groeite Artifel in Ar. 28 ber „©oralen ißrafiö", ber fid; 
gegen meine Ausführungen menbet, fomrnt aus bem Vureau ber 
dentralfteße für Vorbereitung ber £>anbelSoerträge, alfo oon gut 
fapitalifiif4'h a nbelSoertragSfreiinbIt4cr ©eite, dr ftammt aus 
ber geber eines langjährigen ©4ülerS oon mir, ber eigentlich 
hätte miffen follen, roie ich thatfächlid) $u beit oon ihm ange* 
fchnittenen gragen ftehe, bem aber meine Ausführungen hoch 
3meifel erzeugt gu ha&en fcheinen unb groar fogar nicht einmal 
unberechtigte, Denn roährenb ich folchermafeen oon einer mir in 
allen entfcheibenbcn fragen ber 5Sirtf)fd)aftöpoIitif burchauS oer* 
roanbten ©eite 1)tv angegriffen roerbe, finbe id) mich als ©eroährS* 
mann citirt oon ber „$reuggeitung" in einem längeren Artifel ihrer 
Ar. 145, foroie in einer Aeihe anberer mehr ober weniger agrarifth* 
mittelftanbsfreunblicher Vlättcr, für bie ich bisher ftets noch bie 
bete noire geroefen bin. Unb auch roiffenföaftlich gegnerifcher 
©eite, oon einem ©eiehrten, ber, roie er auSbrücflich su bewerten 
für nothig halb S u meinen Anfdjauungen fich „im ilebrigen im 
entfchiebenften ©egenfape befinbet", oon ©eorg oon 9Rapr, roerben 
bie drgebniffe meiner Unterfujhungen banfbarltchft als pro*agrarif4e 
Argumente regijtrirt, bie geeignet erfcheinen, „bie ©egner einer oer* 
nünftigen, agrarifchen ©djuppolttif aus ber Vofition (gu oertreiben), 
welche fie in ber übermäßigen Vetonung ber ©jportinbuftrie ge* 
funben gu halben glauben" (ogl. Veilage gur Allgemeinen 3eiiung 
oom 19. April 1899). 

ds fcheint unter biefen Umftänben roünfchenSroerth, ben ©tanb 
bergrage noch einmal genau gu prägiftren unb bet biefer ©eiegen* 
heit auf bie Angriffe gu antworten, bie meine Ausführungen er* 
fahren haben. 

Da ift benn gunächft einmal gu unterfdjeiben groifd^en bem, 
roaS ich behauptet hatte, unb ben ©chlufcfolgerungen, bie Anbere 
barauS gegogen haben. 

Eigentlicher 3nhalt meiner Darlegungen roar bie geftfteßung 
ber Dbatfadje, ba& unfer djport ftd) in ben Sahren oon 1882 
bis 1895 iangfanter eutroicfelt habe als bie geroerbliche Dhätigfeit 
überhaupt. Söenn biefer Dhefe gegenüber bie „Deutfcfje Qnbuftrie* 
3eitung" in ihrer Ar. 12 behauptet: feit 1895 fei baS oon mir für 
bie oorhergehenbe 3 e ^ richtig fonftatirte Verhältnis oerf(hoben, 
benn feitbem habe ber dfport einen erft recht fräftigen Auffchroung 
genommen, fo fann ich barauf nur erroibern: Das ift möglich, 
aber einjtroeilen nicht erroiefen. gut Ilebrigen begroeifele ich bi* 
SRichtigfeit ber Vehauptung ber „Deutfdjen 3nbuftrie*3eitung" gang 
entfehiebett. Vknn feit 1895 ber dfport rafdj geroachfen ift, fo 
eben in noch rarerem Dempo bie geroerbliche Vrobuftion über* 
haupt: gerabe in baS lepte halbe Qahrgehnt fällt ja gutn großen 
Stljcil jene riefenhafte AuSbcbnung aßer inbuftrieUen Dhätigfeit, 
oon ber ich fprad). £>ätte ich ben dinroanb ber „Deutzen 3n* 
buftrie*3eitg." oorhergefeljen, fo hätte ich meine Dhefe mit 3iff ern 
belegt, bie bis 1898 reichen, greilid) oerlaffen uns h^r bie gu* 
oerläffigen Daten ber VerufS* unb ©eroerbegählung unb roir finb 
noch mehr auf eine fpmptomatifche VeroeiSführung angeroiefen. 
Diefe allerbingS läßt fid), roie mij fcheint, mit Üeidjtigfeit für bie 
SRichtigfeit meiner Dhefe oon ber faßenben (Importquote auch nach 
1895 antreten. 34 miß mich h^r auf bie Angabe folgenber 
3iffern befthränfen, bie ich gerabe gur «£>anb habe. 3unäd)ft fon* 
ftatiren roir roieberum baS 3wmad)Sprogent beS djportS: es beläuft 
fich in ben Salden 1895 bis 1898 auf 17o/ 0 . Diefer djport* 
fteigerungSgiffer fteße id) nun aber g. V. folgenbe fpmptomatifrf) 
bie' ©teigerung ber ©efammtprobuftion einftroeilen prooiforifch 
gum Auebnicf bringenben 3 a hien gegenüber: 

Der dlearingoerfehr bei ben gehn AbrechnungSfteßen ber beut* 
fdjen $Reid;Sbanf betrug: 

1895 = 21,2 SRißiarben 3J?arf, 

1898 = 27,9 

ftieg alfo in ben brei 3abren um 6, 7 SRißiarben Warf = 31 /4 %■ 

Die ^robuftion an Vraunfohle unb ©teinfohle in Preußen 
erreichte: 

1895 bie SRenge oon 92,: WiQioucit Tonnen, 

1898 * e s 115,6 * * 

(nadj oorläufigcn SRittljeiliingen), 

ftieg alfo in ben brei fahren um 22, ■> SJiißionen Donnen = 21/., o/ 0 . 

Die SRohcifencrgeugung betrug: 

1895 (und) ber aintlidieii ©tatiftif) . 5 454 501 t, 

1898 (imrf) ber ©tatiftif beS Verein* 
bcutidicr difen* u. ©taljlinbnftrtrllcr) 7 402 717 = 
ftieg alfo in tiefem 3eitraum um 1,04 Wißionen Donnen = 35,5 o/ 0 . 

Giiblid) — unb oor Aßetn — fei noch ber ©rünbungSfummen 
ber Aftiengefeßfchaften in biefen Sahren beS AuffchroungS fonber* 


gleichen drroähnmtg gethan. Aa4 einer 3 u fammcufteßung beS 
„Dentfchen Dcfonomift" betrug baS Aftienfapital ber neugegrünbeten 
©efeßfehaften: 

1895 = 250,7 SRißionen SRarf, 

1896 = 268,6 

1897 = 880,5 

1898 = 468,6 

alfo burchfchnittlich pro Safjr in biefem 3 e üraum 340, 8 SRißioncn 
3Rarf, roährenb es im Durchfchnitt ber Sahrc 1882 bis 1894 nur 
130,9 Vlißionen Vtorf betragen hatte. 

Von biefer AuSfteßung ber „Deutfchen 3nbuftrie*3eitung" ab* 
gefehen, ift bie oon mir behauptete Dhatfache oon Dlbenberg 

a. a. £5. in ihrer SRichtigfeit angegroeifelt roorben. Die oon Oben* 
berg gegen mich angeführten ©riinbe finb aßerbingS eigen* 
artige, dr roenbet gegen meine Ausführungen hauptfächlich gol* 
genbeS ein: 

1. Da& bie „fchexnbare Abnahme ber Ausfuhr" (NB. bie ich 
nirgenbs behauptet habe) burd) ben Vreisbrucf bebingt fei. 34 
habe aber gar nicht Ausfuhr io er te, fonbern abfichtlich Ausfuhr* 
mengen gum Veroeife hcrangegogen. 

2. DaS jene „fcheinbare Abnahme ber Ausfuhr" (f. o.) ferner 
bebingt fei burch ben Eintritt Hamburgs unb VremenS in baS 
3oßgebiet. Verftehe ich nicht. 2öaS in ber Ausfuhr aus bem 
heutigen 3 °Ö 9 ^iet na4 1888 oerfdjroanb, roeil es in Vremen 
ober Hamburg oerblieb, tauchte bod) in gleich h°()em Vetrage 
roieber auf burch bie §>ingufügitng ber Ausfuhr aus Vremen 
unb Hamburg. 

3. DaS Die dyportgiffem gar nicht ben Umfang ber beutfeben 
dmportinbuftrie auSbrücfen, fonbern gum großen Dheil bie dr* 
geugniffe nicht inbuftrießer (alfo agrarifcher?) Vrobuftion feien. 
Der gange dtnroanb träfe mich auch bann nicht, roenn er richtig 
roäre: Denn ba bas Verhältnis groifd)en bem Anteil ber 3« s 
buftrieprobnfte unb bem ber anberen Vkiaren ein annähernb gleiches 
fein roirb, ift man roohl berechtigt, bie ©efammtgiffer ber Ausfuhr 
gum Vergleich h er angugiehen, um bie Veroeguua beS Sabuftrie* 
eyportS uachguroeifen. 9?un ift aber ber dinroano SDlbenbergs gu* 
bem noch faffd>. Dlbenberg fcheint geneigt gu fein, bie Vkrttje Der 
ausgeführten „SRabrungS* unb ©enuSmittel" (im 3al)re 1897 = 
ca. 500 Vtißionen 3)2arf) unb ber „getoerblicheit SRohftoffe" (815 V?tl* 
lionen Warf) oont Üonto ber dyportinbuftrie abfepen (unb bem 
beS AgrarejportS gutfeh»eiben?) gu roofleit. SRichtS irrthümücher als 
baS. Vielmehr gehört ber iiberroiegenbe Dheil ber oon ber ©tatiftif 
unter ben fategorien „SRahrungs* unb ©enuSmittel" unb „$Roh s 
ftoffe" gufammengefaSten AuSfuhr»V3aaren gu ben drgeugniffen ber 
„(^portinbuftrie", richtiger gefprochen ift baS ^ßrobuft geroerblicher, 

b. h- ftoffoerebelnber Arbeit. Unter jenen ausgeführten „SRoh* 
ftoffen" befanben fich (1897) £ohle unb ÄofS für 170,2 Viißionen 
ÜRarf, 3inf für 17, fi , Tupfer für 7, s , bioerfe drge für 13, 7/ 
dement für 18,o 3Rißionen 9Rarf, u. A. geroerblidje drgeugniffe; 
roahtfeheinlich au<h bie „einfach bearbeiteten ©egenftänbe" ber 
©ruppe IX mit einem Berthe oon 227, 5 SRiflionen Viarf. dbenfo 
finb aber auch meiften gum dyport gelangenben „ s J?ahrungS* 
unb ©enuSmittel" fo gut drgeugniffe oon „dyportinbuftrien", roie 
irgenb eines ber ftatiftifchen „gabrifate". 34 erinnere an ben 
3ucfer mit 229,9, SReiS mit 27, 5 , an baS 3Rehl mit 21, 4/ baS Vier 
mit 19,o, ben Vranntroein mit 9, 5 Wißionen 3Rarf. 2 ) 

4. begeichnet es Dlbenberg als „irre führenb", roenn ich bie 
d|portgiffern „nicht mit bem Umfange ber gangen beutfehen Volfs* 
roirthfd)afh fonbern nur mit bem ber 3nbuftrie" oergleiche. Der 
©d)elm giebt mehr als er hat. 34 bin ni4t im Vefipe oon 
3iffern, roel4e ben „Umfang ber gangen beutf4en VolfSroirthf4aft" 
gum AuSbrucf bringen, roel4er Vegriff im Uebrigen ein rei4li4 
unflarer unb oerf4rooinmener ift. 

Die grage, roomit man bie AuSfuhrgiffern oerglei4en muffe, 
hat au4 Anbere bef4äftigt unb ihnen gu fritif4en 9ianbgloffen An* 
laS gegeben. 

Vorgins roünf4t eine Vergleichung mit ben ©efammtgiffern 
beS ©elthanbelS; ober: mit ben Seifern früherer 3^tläufte, um 
bie 3nroad)Srate feftgufteßen; bie „Deutf4e 3nbuftrie*3eitung" roill 
bie AuSfuhrgiffern auf ben Stopf ber Veoölferuna bere4uet unb 
bie fo gewonnenen 3iff c ™ für bie oerfchiebenen Öänber mit ein* 
anber oerglid)en feljen. AU bas finb oößig bere4tigte 9Rethoben, 
beren Söerth befttmmt roirb bur4 ben 3n>ecf, bem fie bienen fotten. 
giir meinen 3 roec f konnte nur meine Vere4nungSmetl)obe in 


a ) dine äfjnlidje Verroccbfelung, rote fie Clbenberg in biefem gnße 
paifirt ift, bat ihm Voigt fdjoit in ber Ar. 29 biefer Vlätter nach- 
geroie|eit. 



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©oktale SßrajiS. ©entralblatt für ©ogialpolttif. Nr. 31. 


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Sragc fotnmen; bcnn mein 3wä mar lebiglidj ber: einen objef* 
tioen SNaßftab für bie Bemeffung einer gunäcßft gang gufammen* 
hanglos feftgufteEenben Dßatfache gu geroinnen. 

2Sie biefe £f)at[atf)e felbft, fo bemängelt Dlbenberg nun meiter 
auch bie oon mir gu ihrer ©rflärung angeführten ©rünbe. dagegen 
bemerfe ich gunädjft, baß ich nicht im ©ntfernteften baran gebadet 
habe, bie öfonomifche ©ntroicfelung DeutfcßlanbS im lebten SNenfchen* 
alter theoretifcf) gu begrünben. Das h^ß* eine ^^eorie beS ge¬ 
werblichen Kapitalismus unb feiner ©ntroicfefungstenbengen fchreiben, 
bie in Jenem ©ffai ficher nicht am Blaße mar. Die Bewertungen 
am ©cßluffe foEten nur bagu bienen, bie frappirenbe 3:£jatfache 
einigermaßen plauftBel gu machen, baß mir eine roachfettbe Angaßl 
geroerblicher Arbeiter in unferer ©tatiftif regiftrirt finben, troßbem 
baS $luö nicht auSfchließlid} für ben ©jport arbeitet. Dbroohl 
nun Dlbenberg biefen $inroeiS als theilroeife berechtigt anerfennt, 
glaubt er hoch meine ©rflärungSoerfuche bemängeln gu fallen. 3<h 
hatte hingeroiefen: 

1. auf ben noch immer fi<h ooEgiehenben Uebergang oon 
bau8geroerbli<her gu berufsmäßig gewerblicher Dhätigfeit Dlbenberg 
bemerft bagu: Diefer Uebergang ooEgiefje fich auch auf bem ©e* 
biete ber agrarifchen ^robuftion. ©eroiß, nur mit bem Unter« 
f «hiebe, baß ber frühere geroerb liehe ©igenprobugent ab folcher 
in ber ©tatiftif ab ©eroerbetreibenber eift erfcheint, nachbem er 
bie ©phäre ber ©igenprobuftion oerlaffen hat, roährenb bie ©tatiftif 
ben Bauern ebenfo ab folcheit gählt, roenn er für beit eigenen ober 
für fremben Bebarf arbeitet. Aufhören ber geroerblichen ©igen* 
probuftion oermehrt bie 3ahl ber geroerblichen Brobugenten in ber 
©tatiftif; Auf hören ber agrarifchen ©igenprobuftion nicht bie ber 
Ianbroirthfchafttichen Beoölferung. 

2. hatte ich behauptet, baß „ber gunehmenbe Komfort ber 
fiebenshaltung 8 ) mehr bie Snbuftrie ab bie ßanbroirthfehaft be« 
fchäftige", ohne eS gu beroeifen, meint Dlbenberg. Nichtig! Denn 
es ift notorifch, oom Augenfcßeine in jebem Momente erfaßbar. 
3<h hatte beSßalb auch nur gefagt: „man roerbe fich boeß enblich 
einmal flar, baß" . . . 

3. hatte i<| auf ben Briefe hingeroiefen, burch ben bie 
organifirte SNaterie oon unferer Decßnif mehr unb mehr ent* 
behrlid) gemacht roirb. Dlbenberg beftreitet auch bie Nicßtigfeit 
biefer Beobachtung. 2öaS er bagegen anführt, beruht gunäcßft auf 
ber Berroecßfelung oon „organifchen ©toffen" unb „organifirter 
Ntaterie". Seicht mir geht alfo roie er meint „bie ©cheibung oon 
Brobuftion organifcher unb unorganifcher ©toffe burcheinanber mit 
ber ©cheibung oon Urprobuftion unb ©toffoerarbeitung", fonbern 
meinem Kritifer bie ©cheibung jener beiben toto coelo oerfdEjiebenen 
Begriffe, beren Unterfcfjieb ihm jeber ©hemifer roirb auSeinanber* 
feßen fömten. 2Benn er fobann bie Berroenbung oon ©ellulofe an 
©teile oon ßumpen bei ber Bapieroerarbeitung als ©egenberoeis 
gegen bas oon mir aufgeftellte „©ntroicfelungSgefeß" anführt, fo muß 
ich ihn barauf ßinroeifen, baß ßumpen aus BaumrooE*, glachS*, 
£>anf* ober 3utefafern, begro. aus ©oüe beftehen, alfo ftets ebenfalls 
beS DrganifirungSprogeffeS ber Statur bebürfen, fich fomit pringipieH 
in nichts oon ber ©eflulofe unterfcheiben. Daß bei gunehmenbem 
SReichthum mehr Nahrungsmittel fonfumirt roerben, hat mit jenem 
„©ntroicfelungSgefeß" ber öfonomifchen Decßnif nichts gu thun. 

©ooiel über bie oon mir feftgefteHten Dhatfacßen. Nun aber 
lugt bie Srage gum Senfter herein: 3öaS ift bamit beroiefen? 

3unä<hft roirb burch meine Bestellungen — unb baS ift 
oieEeicßt baS aEerfchlintmfte — an ben ©djulbegriffen unb ©<hul* 
auSbrücfen „©jportinbuftrieftaat" unb „Snbuftrieftaat" gerüttelt. 
3<h beutete feßon in meinem eilten SXrtifel mein NiißfaEen über 
jene Begegnungen an unb roill bie bort ßingeroorfenen Bemerfungen 
bahin ergängen, baß ich es für außerorbentlicß roünfcßenSroerth 
halte, jene alten Snoentarftücfe auSgumergen. SBeii fi<h fein irgenb* 
roie beutlicßer ©inn mit jenen AuSbrücfen oerbinben läßt, ift es 
beffer, fie in 3 u funft — roenigftenS in ber roiffenf(haftli(hen Dis* 
fuffion — gang gu oermeiben. 3« biefer Auffaffung haben mich 
bie AuSlaffungen beS Dr. BorgiuS unb DlbenbergS roefentlich be* 
ftärft. BorgiuS roiH einen „tnbuftriellen ©yportftaat" bort 
erbtiefen, roo fich in bem BSirtbfcßaftSleben eines ßanbeS eine An* 
gahl oon 3nbuftriegroeigen oorfinbet, roelche roeit über ben Bebarf 
beS inneren NiarfteS hinaus roefentlich unb oorroiegenb für bie 
Ausfuhr probugiren. 3ft baS roirflich eine annehmbare Definition? 


3 ) gm roeitfften ©inne genommen, roogu auch betfptel^roeife bie oer* 
ooöfommneten SDJarterroerfgeuge eines 3 a b nar 5 teS ober Chirurgen, ber 
miffenfchaftliche Apparat beS BhnfiferS, ©ijenttfers, Bhnfiologen unb 
taufenb anbere ©ebiete ber ©achgüterroelt gehören, bie nicht eigentlich 
„Annehmtichfeiten" ergeugen. 


fehlt ihr nicht oöttig baS quantitatio Beftimmenbe, worauf eS hoch 
eigentlich anfommtr ©aS ftnb „Snbuftriegroeige"? Äach ben 
^Borten beS Dr. BorgiuS roar baS friberigianifche B reu 6«a mit 
feinem ßeinroanbefport ebenfo fehr inbuftrieüer „©jportftaat" roie 
baS h^wti0 c ©nglanb. Unb ift es baS heutige Italien mit feiner 
Ausfuhr an Deytilroaaren, Btöbeln, ©dpefel, ©tro£)gefIecf)ten u. A. 
nicht minber als Deutfchlanb. 3<h flare mit biefer Begeidjnung 
alfo nicht auf; ich oerbunfele nur. 3<h brauche fie aber auch fjar 
nicht, um baSjenige auSgubrücfen, rooran mir gelegen ift: nämlich, 
baß ein ßanb fo unb fo oiel 3nbuftriegroeige befißt, bie für ben 
©jport arbeiten, baß biefe bie unb bie SSerthfummen probugiren 
unb baß baS betreffenbe ßanb um ben unb ben Betrag an ©ütern 
unb SSerthen in bie Bkltroirthfchaft einbegogen ift. 

Sioch oiel weniger brauchbar ift aber bie Definition, bie 
Dlbenberg oom „3nbuftrieftaat" giebt, beffen ©barafteriftifura 
er „nicht foroofjl im Ueberroiegen feiner inbuftrietten Beoölferung 
als in feiner elementaren Unfelbftftänbigfeit: in ber 3«>angSlage, 
einen erheblichen Dheil ber unentbehrlichften Bebarfsartifel (alfo 
in erfter ßinie ber Nahrung) oom Auelanbe gu begiehen." 

9BaS ift ein „erheblicher Df>eil" fage ber Nahrung; Nahrung 
für lOOOO, für 100 000, für 1 000 000 9Renfcf)en? 3talien, biefeS 
©chulbeifpiel für einen fog. Agrifulturefportftaat importirt nie 
weniger als */io beS beburften 33rotgetreibeS, in 3ab r *n fnapper 
©igenernte bis gu Vs (1892 Brobuftion: 31,7/©infuhr: 10,» Millionen 
D. ©tr.). 3ft eS nun ein „Snbuftrieftaat" im ©inne DlbenbergS? 

SBaS aber finb „unentbehrlichfte Bebarfsartifel"? Die 9teh* 
rung. Aber für roieoiel Berfonen? unter 3 u 9 ru nbelegung welcher 
BeoölferungS*3nroachSrate? Unb roaS für föaßrung? Brot? ober 
auch bie Bhirft bagu? aber warum nicht bloß Kartoffeln ? ©icherlich 
würbe Deutfchlanb auf 3^hre hinaus noch „elementar felbftjtänbig" 
bleiben, roenn eS allgemein gur Äartoffelnahrung überginge. 
Dlbenberg roirb einroenben: Der Begriff ber „unentbehrlichften 
Bebarfsartifel" fei ein fnltureller, fein phpfiologifcher ähnlich 
roie bas „©jiftengminimum" im „ehernen ßohngefeß" feligen An* 
gebenfenS. Aber bann fomme ich hoch bagu auch alle quaufigirten 
©enußmittel — etroa fämmtliche Kolonialen — gu ben „un* 
entbehrlichen BebarfSartifeln" gu rechnen. Unb warum beim 
bann immer biefe Befcfjränfung auf SfahrungS* unb ©enußmittel? 
3ft g. B. baS ©ifen für 3talien weniger unentbehrlich als für uns 
etroa amerifanifcheS ©chroeinefchmalg? Unb ift für ein irgenb* 
roelcßeS Kulturbafein ein BeleuchtungSftoff entbehrlicher als ein 
Nahrungsmittel? Bon ben BerfeinerungSmitteln beS ßebenS gar 
nicht gu reben. 

3ener Borftettung oon „unentbehrlichften BebarfSartifeln" liegt 
immer noch bie Meinung gu ©runbe, als ob eS oor AEem auf 
eine Bfenfchengüchtung, eine DafeinSfriftung anfäme. 3ft benn aber 
roirflich baS Bißchen Seben fo oiel Aufhebens roert|? ©eroinnt 
eS nid)t oielmehr an Bebeutung erft in bem SRaße, roie eS reicher, 
behäbiger, üppiger roirb? Navigare necesse est, vivere noo est fteht 
über bem £>aufe ©eefahrt in Bremen: ein in leßter 3«t oft citirter 
©pruch, ben man auf unferen finngemäß in ber Bkife an* 
roenben fönnte, baß man fagte: ein paar Daufenb SRenfthen mehr 
am ßeben gu erhalten ift roirflich nicht fchlechthin nothroenbig, 
wohl aber, baß biejeniaen, bie nun einmal bie Bürbe beS ßebenS 
gu fchleppen höben, biefeS mit möglichfter Bermeibung aEgugroßer 
äußerer Sftiföre oermögen. SBie oft ift es auSgefprochen roorben, 
baß ein behagliches £>eim, b. h- alfo eine ©umme gewerblicher 
©rgeugniffe, für baS Dafein beS ERenfchen nicht weniger unent* 
behrlich fei als eine angemeffene Nahrung: nokig . . ou<m rob 

£& Cp evexa". 

N?it einem Begriffe alfo, ber auf fo unbeftimmten BorfteEungen 
roie „unentbehrlichfte Bebarfsartifel", „erheblicher Dheil" zc. [ich 
aufbaut, läßt fich flaitg unb gar nichts anfangen. Der „Snbuftrie* 
ftaat" ift ein ebenfo ungliicflicher AuSbrucf roie ber „©yportftaat". 

Nun aber hanbelte eS fich in ben ooraufgehenben AuSeiuanber* 
feßungen mit Dlbenberg feßon um roeit mehr als um bie Srage 
nach einer richtigen AuSbrucfSroeife. SNeine Kritif beS Begriffes 
„Snbuftrieftaat" hat meinen ©tanbpmtft roohl gur ©enüge d^araf* 
terifirt, ben ich einnehme gegenüber ber oon Dlbenberg oertretenen 
Auffaffuitg oon ber Beben flieh feit unb ©efährlichfeit einer ©nt* 
roicfelung,' bie gu jenem fog „Snbuftrieftaat" hinführt. Das 2öort 
in bem oon Dlbenberg ißm beigelegten ©inne oerftanben, alfo 
richtiger einer ©ntroicfelung, bie uns in fortfehreitenbem 3Jtaße „oom 
AuSlanbe abhängig" macht, roie ber anbere DermittuS lautet. SBeil 
man offenbar in biefem Bnnfte mir eine gang anbere Auffaffung 
imputirt hat, fo roiE ich meine roirflicße Auffaffung noch einmal 
bahin prägifiren, baß ich f a ße: ich halte bie ßeßre oon einer 
benfbaren nationalen ©elbgeitügfamfeit moberiter Kul* 


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©ogtale SßraxtS. Eentralblatt für ©ogialp oltttf. Nr. 81. 


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tnrftaaten für eine bcr unflarften utib gefährlichften 
Utopien, bie jemals oerfünbet roorben finb. ©elbft* 
perftänblid) ift baS 3Raß oon „Abhängigfeit" oom AuSlanbe, roie 
eS g. 5ö. deutfdjlanb gur 3^it aufroeift, baS Ntinbeftmaß unb es 
roirb btefe Abhängigfeit, insbefonbere auch roaS bie fo feßr ge* 
fürchtete Abhängigfeit in ber Ernährung betrifft, oon Saht ju 
Safjr roachfen; warfen tnüffen bei ©träfe fultureßen Skrfaßs. 
Ebenfo mie prioatroirthfchaftlirf) „unabhängig" nur ber eigen 
roirthl^aftenbe, bäuerliche ^albbarbar ift, fo oolfsroirihfchaftlich 
nur eine Nation, bie auf iebe Entroicfelung gu ^öfjcrcn formen 
beS dafeinS oergidjtet. Eine oolle Entfaltung ber probuftioen 
Kräfte ift in beiben Säßen an eine fortfcfjreitenbe ©pegialifirung 
ber ßeiftungen gefnüpft. Auch für bie SBegieljung ber Nationen 
untereinanber gilt ber ©ab, baß bie Entroicfelung gu höhnen 
dafeinSfonnen ibentifd) ift mit differengiirung unb Sntegrierung. 
diefer ©ab mürbe aud) bann an SRic^tigfeit nicht ein« 
büfeen, menn thatfächlich im Verlaufe biefer Entroicfelung aß bie 
Gefahren brohten, bie bie nationalen ©elbftgenügler oorßerfehen: 
Hufhören ber NaßningSgufuhr, 33erfd)ließuitg ber Abfapgebiete für 
unfere 3nbuftrieergeugniffe. diefc ©efaßren befteßen nun tßat* 
fächlid) aber nur in ber Einbilbung jener t'eute, mie ich cor Sahren 
fchon einmal ausführlich nachguroeifen oerfucht habe. 4 ) 

Unb ber hanbelSpolitifche ©tanbpunft, ber fich aus biefer 
^Beurteilung ber dinge mit Nothroenbigfeit ergiebt? 3<h benfe, er 
!ann nicht gmeifelhaft fein. Es ift ber ©tanbpunft, ber burch bie 
Uebergeugung gefcnngeicßnet roirb, baß bie beutfcfje £>anbelSoertragS* 
politif burchauS bie richtige ift unb baß eine Erneuerung ber 
§anbelSoerträge, begm. eine Neoifion in exportfreunblicßer, alfo 
menn man miß, freihänblerifcher Dichtung baS 3j c ^ einer gefunben 

t anbelspolitif ber 3ufunft fein müffe. Alfo görberung unfereS 
rports, fei es meil er in großem Umfange oorhanben ift, mie 
Dr. 33orgiuS meint, fei es, „meil ein Vergleich mit hodjentroicfelten 
Snbuftrielänbem geigt, baß mir uns mit unferer Ausfuhr noch 
lange nicht bie uns jufommcnbe ©teßung auf bem ©eltmarfte er« 
rungen höben," mie Sie „deutfcße 3nbuftrie*3eitung" bemerft. Uitb 
am lebten Enbe aus bem ©runbe, roeÜ mir gunehmenben Exports 
bebürfen aus — ©elbfterhaltungSgrünben. die ©elbfterhaltung 


4 ) Eber taffen fich oermeiben. 9Bie g. B. bie Erfdirocrung ber 
NahrungSgufupr im Kriegsfälle burch oorfurglidje 9Ragagimrung oon 
©taatSroegen. das Non plus ultra oon ©cßtoargmalerei, baS mir in 
leptcr 3eit oorgefommen ift unb baS an büfterer ©timnumg faft noch 
bie Manien Elbenbergs übertrifft, finbct fich in bem citirtcu Artifel 
©. oon SNaqrS. danach führt eine nicht agrarifrf»=fchitfegollnerifche 
tanbelspolitif — oon SWapr nennt fie „foSmopolitifdje ^irthfchaftS* 
politif" unb uns, bie mir fie oertretcn, bie „reinen 5Sdtmirthf<haftler" 
— gerabenroegs in einen 3uftanb hinein, mie mir ihn uns etma als 
ben ber lepten 2Jteitfdjen nad) ber Bereifung ber Erbe oorftetten: menn 
heruntergefontmcne unb gerlumpte Eefdjöpfe fid) um bie lepten paar 
Knochen unb SBurgeln bie Köpfe blutig fcßlagen. SOJan höre, meffen 
mir uns nadj oon SRatjr gu gemärtigen höben: „bas Acferlaub müft 
unb oerlaffen, Dörfer unb £>öfe gerfaßen". Jn ben ÖJrojjftäbtcu eine 
Snbuftriebeoölferung, bie „mit Hufgebot aller Kräfte (!) burd) Export* 
inbuftrie bie billigen frcntbeu Nahrungsmittel gu gcminucn fuchh" babei 
aber einem unoermeiblidjeu Serarmüngsprogeß anheimfällt. ^Tenn eS 
ift flar, meint nufer (Gewährsmann, baß ber Niicfgaug ber Pänbwirtl)* 
fdjaft ben ArbeitSmarft gu llngnnften ber ftäbtifdjen Arbeiter fortbauernb 
oerfdjled)tert, bie Lebenshaltung ber gefammten Hrbcitcrfdjaft alfo fenft. 
da man nur nod) barauf finncn muß/ bie ^robuftiousfoften gu oer* 
billigen, um auf bem SScltmarfte ©iegcr gu bleiben, fo wirb allmäljlidj 
„auf bie gange Hrbeiteroerfidjcrimgogefepgcbung unb fdjüefjlid) aud) auf 
bie Hrbeiterfdmpgefcpgebung (!) oergidpct merben (miiffeni unb nicht 
minber auf bie Koalitionsfreiheit ber Arbeiter, wcldje gur ©Icigeruug 
ber Lebenshaltung unb ber Löhne ber Arbeiter führt". Ter l^erfaffer 
hätte gur ^Huftratiou nur nod) nöthig gehabt, etma auf bie Gebens* 
haltung bes englifdjen unb fdjmcigerifdieu Arbeiters hiugumeifeu unb 
fie in ^erglcid) gu fteflen mit bem fpanifdjen, italicnifdjen unb ruffifcfjen, 
um bie 9Hd)tigfeit beS ©apes gu oölliger Eoibcng gu erheben, bafj gu= 
nchmeubc meitmirthfdjaftlidjc ^erfdiliuguiig einer Nation mit 9toth* 
meubigfeit gum 9tuin bcc> ^olfsreid)thuins, gu Eleub unb Hiivbeutung 
ber SDiaffen führt. 3d) meine, mir „reinen 'Bcltmirthl'djaftler" folltcn 
für berartige Huslaffungcn loic bie oon SJfaijrs baufbar fein, ©ie 
geigen in ihrer Uebertreibung, bie gerabegu einen ©tid) ins Komifche 
befomntt, mit mie biirftigeu Hrgumenteu bie Gegner fedjten. ^m llebrigcn 
mug id) mir an biefer ©teile uerfagen, fo reigooll cs märe, HngefidjtS 
bcr ^ebiutuug bes (Gegners, bie gahüofen orrthümer oon 3)fai)rs im 
eingeluen gu miberlcgru. ^iclleid)! bietet fid) fpäter einmal bagu eine 
beffeic (Gelegenheit. — Turchaus in meinem Sinne finb bie Ausführungen 
Ernft oon .ftallc’s im Aprilheft ber „'‘prcufjifdien v uihrbücher", mie 
ber 'üierfaffer audj ausbriidlid) heroorljcbt. 3?ou einer (Gegenfäplid)feit 
gu mir, ober einer „Auseinanberfepung" mit mir, mie bie i’ofener 
Leitung in ihrer Hr. 278 behauptet, ift tu jenem Artifcl abfolut uirf)ts 
gu fittben. 


freilich nicht nur Begogen auf bie notdürftige gfütterung unfereS 
KabaoerS, fonbern auf bie immer reichere ©eftaltung unfereS 
SDafeinS als beS T)afeinS feinneroiger Kultu^menfchen. 

Unb ber gange fchöne 9?achmeiS ber „faßenben Exportquote"? 
©aljrbaftig, ich foflte meinen, es fei oon oornherein beutlich 
genug geroefen, melcher Sluffaffung er gu bienen berufen mar. 
$>od) eben feiner anberen als ber im SBorftebenben entroicfelten. 
Wogegen ich mich in ©ebanfen oor Hßem roanbte, mar baS alte 
griesgrämige S)ogma, baS lange 3^it bie ©ogialbemofratie oertreten 
hat unb baS ihre orthoboren Parteigänger mohl noch h^nte oer* 
treten, baS bann oon Agrariern unb §od)fd)upgößnem auf* 
genommen unb neueftenS oon Obenberg roi|fenfd)afilich gurecht 

S “ ft ift: nach & cm unfere öfottomifche Enhoicfelung in ber 
oerlaufen foß, bafe unfere Snbuftrie, meil fie im 3nlanbe 
feinen Hbfap finbe, megen beS UnterfonfumS ber arbeitenben 
Klaffen, roie bie einen meinen, roegeit ber geminberten Kauffraft 
ber notbleibenben fianbroirthe, roie bie anberen behaupten, ben 
SSeltmarft abgujagen genöthigt fei, um fi<h Hbfap gu oer* 
fchaffen, bafg biefer aufgegmintgene Export bie SRotbroenbigfeit er* 
geugt höbe, frembe Nahrungsmittel dreingubringen unb bamit 
jene ungefunbe „Hbhängigfcit oom HuSlanbe", oon ber oben fchon 
aehanbelt mürbe. Hß’ baS berotefeit entroeber mit ben roaebfenben 
Exportgiffern ober mit ben roaebfenben 3iff crn ber geroerbetreibenben 
SBeoölferung unb ber hönbelSoertragsfrcunblichen politif auf baS 
Konto gefept, bie fomit ben langfamen 3ufömmenbruch ber heutigen 
SSolfSmirthfchöft anbahne. 

demgegenüber lag mir baran, feftgufteßen, bafe fich bie Ent* 
roicfelung feineSmegS in ber angebeuteten Nietung ooflgiehe, baß 
oielmebr ber Export in oiel langfamerem dempo — alfo in feines* 
roegS beängftigenber Seife — gemachfen fei. die praftifche ©chlu|* 
folgerung aus biefen darlegungen burfte hoch nun unmöglich bie 
fein: alfo ift ber Export eine quantite negligc-able, fonbern mufcte 
oernünftigermeife fo gegogen merben: alfo fmb mir mit unferer 
§anbelSpolitif auf bem richtigen 2öege, ja fönnen fogar im 3nter* 
effe beS ein flein roenig gurücfgebliebenen Exports ruhig einen 
©chritt in freihänblerifcher Nietung meitcr thun. ©emiß bleibt 
ber inlänbifche 9Rarft für bie nächfie 3 e tl ^ er micfjtigere. Aber 
neben ihm foß fein älterer 33ruber, ber Export, nicht oernachläffigt 
merben. 3ß) mieberhole eS: er ift gleichfam ber ©rabmeffer unferer 
fortfdjreitenben Kultur. S’il n’existait pas, il faudrait l’inveuter, 
benn nationale ©elbftgenügfamfeit unb ^albbarbarei, roeltmirth* 
fchaftliche Serfnüpfung, alfo Export unb Kulturfortfchrilt fmb 
gleid)bebeutenbe begriffe. 

iöreSlau. ferner ©ombart. 


Allgemeine Sojlul- und lOlrtfjrdjaft^politth. 


HrbeitSfammertr, Scrufsoeretue, NeichSarbeitSatut. 

Eine fogialpolitifche debatte großen ©tils I)öt ber NeidjStag 
am 26. April gehabt, denn nicht eine ober bie anbere ber gahl* 
lofen fragen unb Aufgaben ber ©ogialreform ftanb gur Skrljanb* 
lung, fonbern baS eine große ^ringip, ohne beffen fßerroirflichung 
mir nicht gum fogialen Öneben fommen merben: bie ©leich* 
Berechtigung ber Arbeiter, das ift ber ©runbgug, ber burch 
bie oerfchiebenen Anträge geht unb ber feinen AuSgang nimmt 
oon ben Erlaffen Kaifer Wilhelms II. oom 4. gebruar 1890. 
2öie fchon oorher ber Kaifer einmal betont hatte, es fomme 
barauf an, ben Arbeitern bie Uebergeugung gu oer* 
fchaffen, baß fie ein gleichberechtigter ©tanb mären unb 
als foldjer allfeitig anerfannt mürben, fo roirb aud) in 
ber KabinetSorbre oom 4. Februar 1890 ber Aufpruch ber Ar* 
beiter auf gefepliche ©leichberechtigung nachbrüdflich betont 
ES ift ein großes SSerbienft ber Antragfteßer, baß fie bieS eine 
3eit lang oerbunfelte ©runbpringip jeber ©ogialreform mieber in 
ein helles Sicht gefteflt haben, unb mit ©enugtl)uung begrüßt bie 
„©ogiale Praxis", bie unabläffig für biefe Sorberung fämpft, baß 
bie Mehrheit beS NeidjStagS mit ooßer Ent|cf)iebenbeit fich gu ihr 
befeiuit der 26. April bebentet einen f(honen ©ieg beS fogial* 
politifdjen JorlfchrittS — oielleicht, baß bie praftifdjen öolgen nidßt 
unmitte.bar eintrelen, aber er eröffnet fichere 2öege burch bie 
dornenl)ecfen bes SBorurtheilS unb beS Egoismus gum 3'U! 

die ^erichterftattuug über bie debatte fönnen mir giemlich 
furg faffen, ba bie ©ebanfengängc unb ^Öerocife, in benen fie fich 
bemegte, unferen 9cfern feit 3al)rcu oertraut finb. Auf ber dagcS* 
orbuung ftanben bie Anträge bes EentrumS unb ber National* 
liberalen auf Erridjtung oon Ar beit sf am ment, ber Antrag 



©ojtale fragte, Eentralblatt für ©ogtalpolitif. Rr. 31. 


842 


8-11 


SRocficfe unb Bad)nirfe auf Errichtung eines RepSarbeitSamtS, 
fowie ein Antrag berfelben Slbgeorbneten auf Verleihung beS 
Rechts ber politipen Söe4:t>ätigung unb beS QnoerbinbungtretenS 
an bie Slrbeiter«gad)oereine. Slrn BunbeerathStipe bemerfte 
man jroei Vertreter beS RepSamtS beS Snnern, bie aber upt in 
bie Debatte eingriffen. Es famen am erfleit BeratbungStage nur 
ber Sprecher beS (Zentrums, Brof. Dr. £>ibe, bie beiben national« 
liberalen Slbgeorbneten greiherr £>epl 3 U f>errnSheim unb Baffer« 
mann, ber oer freifinnigen Bereinigung angeprenbe Slbgeorbnete 
Dr. Bachnirfe, ber liberale Slbgeorbnete Roefirfe unb greiherr 
non Stumm jum SBort, legerer als einiger ©egner. 

$)ie Rebner für bie Anträge waren einig in ber Söärme unb 
Entpiebenbeit, mit ber fte bie ©lepberechtigung ber Arbeiter unb 
ihre georbnete Vertretung forberten. 3)er Arbeiter miß fein $>ienft« 
bote, fonbern mit bem gabrifanten gleichberechtigt fein, meinte ber 
erfte Rebner, Stbgeorbneter Dr. öifce. tiefer 3ug liege in ber 
gegenwärtigen Entwitfelung, unb wenn man ihm entgegenfomme, 
fo werbe Darin ein oerföhnenbeS SJtoment liegen. Dr. £>ifce er« 
wartet oon bem 3 u f aTnme narbeiten oon Arbeitern unb Unter« 
nehmern bebeutenbe Erfolge: bie Slrbeitsfammern würben bie Sir» 
beiter auf nächfte, praftipe laufen, Slrbeiter unb Unternebmer 
311 gegenfeitiger StuSfprpe ber Befd)merben, Magen unb SBünpe 
Drängen, bie gegenseitige Verftänbigung oorbereiien, mit ben 
Schmierigfeiten unb ©ren 3 en ber Erfüßung ber SSünfdje rechnen 
lernen unb bamit neuen, oernünftigen unb mafjooßeren Slnpauungen 
unb Begebungen Bahn brechen. $)afe baS Zentrum auch bie 
Sonberorganifationen ber Slrbeiter für nothmenbig pH, erhellt 
aus feinem Slntrag über bie BerufSoereine. 

$)er folgenbe Rebner, ber freifinnige Slbgeorbnete Dr. $ad)nirfe, 
begrünbet ben Slntrag auf Errichtung eines RepSarbeitSamtS unter 
Hinweis auf bie in anberen Staaten bereits befiefjenben SlrbeitS* 
ämter unb auf bie unzurepenbe ©eftaltung unferer ftommiffion 
für Slrbeitsftatiftif, bie nur auf ©ebeifc beS RepSfan 3 lerS arbeite, 
wäpenb ein ftänbigeS Slmt nothmenbig fei. 2)iefeS foße mit ber 
Sarfel ber Statiftif in aße SSinfel unfereS Rialen Gebens hinein* 
leuchten unb ftatiftifche Unterlagen für weiteres fo 3 ialpolftipeS 
Vorgehen fchaffen. '2)ie „So 3 iale B ra fi § " h fl t üor Sahresfrift 
(Rr. 37 unb 38 1898) eingepnb bie gorberung eines RepSarbeitS* 
amts begrünbet unb fann fiel) nur freuen, baf; ipe SluSfüpungen 
nunmep im Repstage einen fo berebten unb fpmpatpfcpn SÖiber« 
pß finben. 

$)ann fam grp. o. Stumm sum SBort, ber ärgerlich unb 
unwirfd) aße Slnträge 3 urürfwieS. Sie oerfepfften, fo meinte er, 
ber So 3 ialbemofratie einen Triumph, größer als ihre 2V 4 Rtißionen 
Stimmen bei ben lebten RepStagSmahlen. Rur ber So 3 ialbemofratie 
würben bie oorgeplagenen SDrganifationen bienen, beren gührer fp 
ihrer fofort bemächtigen würben. Er hoffte, baf} fich ber BunbeS« 
ratb nie auf foldje „Slbmege" brängen taffen werbe. $)ie $>is« 
jiplin werbe 3 um Teufel geben, wenn bie Slrbeiterfammer über 
jeben Streif entpeiben foße. $>ie faiferlpen Erlaffe hotten eine 
folcbe Drganifation nicht in SluSficht genommen. Viel wichtiger 
als folcbe fo 3 ialbemofratif<be bilettantifdje Experimente fei Die 
SSittmen* unb SSaifenoerfperung, bie erreicht werben fönne, wenn 
man bie Slrbeiteroerficherung auf bem B r * n sip ^ cr MtapppaftS« 
faffen aufbaue. Vor 20 fahren feien berartige Slnträge unbenfbar 
gemefen; baran, baf} fie jefet eingebracht werben fonnten, feien bie 
Rationalliberalen Jpulb, bie halb 3 U ihren gefunben fo^ialpolitifchen 
Stnf<bauurtgen 3 urücffel)ren mochten, ba fonft ein Vife in bie ftaats« 
erbaltenben Sßorteien fomme. 

Von ben Slbgeorbneten greiherrn $et)l 3 U |>errnSheim unb 
Roefirfe würbe greiherrn oon Stumm feprf entgegnet. Veibe 
fonnten unter Berufung auf autbentifdje 3 eu 9 n iffe feftfteßen, baf} 
bie Slnträge bupauS im Sinne ber gebruar«Erlaffe lägen. Slb« 
georbneter Roefirfe oerwieS auch auf Steuerungen BhquelS im 
Reichstage (am 17. Sftai 1890) über bie Rotbmenbigfeit oon 
SlrbeiterberufSoereinen, beren ©egner in Vorurtheilen befangen 
feien. 2Jttt berechtigter Entrüftung trat Sfbgeorbneter greiherr oon 
§ept ber nnwürbigen MmtpfeSmeife ber 3 e *tungen, bie bem 
„(Sentraloerbanb beutfeher Snbuftrießer" bienen, entgegen unb be« 
leuchtete zugleich wirffatn baS terroriftifche Vorgehen gewiffer 
©eneralferretäre oon Unternehmeroerbänben. ^)ie ,,§errfd)afts« 
gelüfte" unb ber „Slrbeitgeber«SlbfolutiSmuS" beS gabriffeubaliSmuS 
ftnb fetten fo treffenb gcfenn^eichnet worben als hier oon fo be« 
beutenben ©rofeinbuftneflen wie ben Slbgeorbneten greiherrn oon 
|>epl unb Voefirfe. SluSbriirflich würbe betont, bafe bie Slnträge, 
auch wenn bie oerbünbeten Regierungen nach ^ em beS 

greiherrn oon Stumm fte ablehuen foßten, immer wieberfehren 
würben. Sluch ber nationalliberale Slbgeorbnete Va ff ermann 


wanbte fich als tefcter Rebner gegen $)errn oon Stumm. Ridjt 
auf „Slbmegen" wanbeiten bie Rationalliberalen, fonbern fte woßten 
bem Rialen grieben bienen. ^)ie oorgefchlagenen Reformmafe» 
regeln feien jebettfaßS beffer, als baS fortwährenbe Rufen nach 
neuen Strafgefefcen. 3)ie 3«it beS patriardjalifchen SpftemS fei 
oorüber. 

S)ie Debatte würbe fobann auf ben 3. Rtai oertagt. 2öaS 
baS fchliefjticp ^rgebnife auch fein möge, baS (£ine bürfen wir 
heute fdjon fagen: ^)ie 3«ht «nb bie Vebeutung ber greunbe ber 
So 3 ialrefornt auf bem Voben ber faiferlichen gebruarerlaffe, fowie 
bie ßntfehtoffenheit ihres Vorgehens ift in ftänbigem s Bad)Stbum. 
®er tote ^unft, auf bem 1895—1897 bie So 3 ialreform ftanb, ift 
überwunben; es gep wieber oorwärtS unb 3 war pt ber Reps« 
tag entfchloffen bie gühruttg übernommen $>ie Verhanblungen oom 
26. Slpril, wo bie Söeltanfchauung beS gewerblichen geubaüSmuS 
unterlag unb ber gabrifantenabel fp fo eitergip sur ©lep« 
berptigung ber Slrbeiter befannte, werben hoffentlich — trofc ber 
Söeifung beS greiherrn oon Stumm — nicht ohne ©influfe auf 
bie ©eftnnung unb bie ©ntplüffe ber oerbünbeten Regierungen 
bleiben. 


£nv ©lepbereihttgung Poit SlrbeitgeBern unb Slrbeitertu 3'n 

einer foeben erpiettenen Schrift mit Dem ^itel „SlrbeitSnach« 
weife unb Schüfe ber SlrbeitS willigen" (Berlin, gerb. Tümmlers 
VerlagSbuchhonMung) erhalten wir aus Slrbeitgeberfreifen einen 
werthooßen Beitrag 3 U ben wptigften gragen ber So 3 ialpolitif, 
bie gegenwärtig unfer Volt bepäftigen. $)er Verfaffer ift §err 
SD. Steigert, bup feine 2:hötigfeit beim Berliner ©ewerbegerpt 
hochoerbiente gabrifant. Seinen Stanbpunft, ben er in einer 
oierjigjährigen praftipen Erfahrung gewonnen hot, be 3 epnet 
^r fefbft in ber Einleitung mit bem Befenntnife, ba& er für 
ein 3 u f ammcntt) ir!en oon Slrbeitgebern unb Slrbeitnehmern auf 
bem gu&e ber (Gleichberechtigung neue moberne gormen 3 U Rufe 
unb grommen ber 3>nbu|trie paffen h e lf e n miß. Rach einem 
Ueberblirf über bie oerpiebenen formen beS SlrbeitSnad^weifeS, 
bringt er Beifpiete aus ber Brajis, wie Slrbcitgeber in oielcn 
gäßen baS $oalitionSred)t ber Slrbeiter mifead)ten unb befäntpfen, 
unb tritt ben Rachweis an, baf} oiele SluSftäitbc gerabe ber §>anb« 
habung ber Unternehmer«SlrbeitSnadjmeifc ihre Entftehung oer« 
banfen. 3)ie (Gleichbererfjtigung ber Slrbeiter, wie fie in ben faifer« 
Ipen gdiniar«Erlaffen betont fei, erheipe aud) ben Slusbau oon 
paritätipen SlrbeitS nach weifen, an benen Slrbeitgeber unb Slrbeiter 
unter einem neutralen Vorfipenben fich beseitigen; nur burd) folcp 
fönne ©ewähr bafür geboten werben, „baft bie SlrbeitSnarf)weife 
erfolgreich ihren frieblid^en, ben Verfel)r erlepternben 3werfen 311 « 
eführt werben". £>ie grage, ob ein thatfäd)lpcS Bebiirfniü oor« 
anben fei, ein ©efefc 3 um Sd)uh ber „SlrbeitSwilligen" 3 U erlaffen, 
oerneint ber Verfaffer. Rtipräuche beS ÄoalitionSrechtS würben 
npt oon Strbeitern aßein h cr oorgerufen, fonbern oielfad) 001 t 
Unternehmern prooo 3 irt, „bie fich nicht an bie ©lepbered)tigung 
ber fontraftpliefeenben Stheile gewöhnen woßen ober fönneu". 
„Rpt bup UnterbrürfungSma&regeln fann man bie So 3 ialbemo« 
fratie auf wirtbpaftlpem (Gebiete befämpfen, fonbern baburd), 
bafe man bie Slrbeitgeber nöthigt, baS ^oalitionSrecht ber Slrbeiter 
npt blofe ber gorm, fonbern auch (Geifte nach su achten." 
3u biefem 3wecf oerlangt §err Steigert Slufhebung beS §. 153 ber 
©ewerbeorbnung, ^orporationSrechte für bie Slrbeiterberufsoereinc, 
Erlaubnis für ihre Verbinbung untereinanber unb Erweiterung 
ihres VerfammlungSrechteS. — ^)aS fmb gorberungen, benen wir 
uns bupauS anpiiefjen. 

Ein Söenbepnnft tu ber ptue^erifdjen ©ewerfpaftsbewegttiig 

— fo betitelt fich ein aus 3ürp eingefanbter Slrtifel in bem 
,,^orrefponbeii 3 blatt ber ©encralfommijfion ber ©ewerfpaften 
S)eutplanbs", ber bie Beplüffe beS lebten ilongreffcS beS 
Schwe^eripen SlrbeiterbnnbeS befpricht (oergl. „So 3 iale Bra^iS" 
Sp. 764). 5)er Slrtifel ift npt nur an fid) oon Bebcutung, 
fonbern eS barf nicht unbeadjtet bleiben, baß bas offizielle ©ewerf* 
PaftSorgan ihn an erfter Stelle ohne Vorbehalt unb Einpränfung 
oeröffentfpt, feine SluSführungen alfo bod) wol)l billigt. Slusgeheiib 
oon bem Safee, bafe bie Sd)wei 3 ein neutrales i?anb fei, wirb be« 
tont, baf} biefer (Geift ber Neutralität fid) jeßt aip iit ben ©ewerf« 
paftSorganifationen bemerfbar mad)e unb oerfudje, btefe Crgattifa« 
tionen ber praftifdjen Slrbeit unb ber praftipen 3 c itfragen aus 
ber SDebe ihrer politipen SluSfd)lief}lid)fcit 311 wirthpaftlid) poli« 
tiper Reutralität 3 U erheben. Bisher höbe fid) bie größere Sin» 
gahl ber Slrbeiterberufsoerbänbe auf bem Boben ber So^ialbemo« 
fratie entwirfelt, wie bies auch ausbrürflp im Statut feftgelcgt fei. 




©ogiate Sßrajig. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Br. 31. 


844 


©ine berartige parteipolitifcpe Befttmmung wiberfpricht aber 
bent innerften Bkfen ber ©eroerffdpaftgberoegung: 

©ntwcber es ift bie ©cwcrffcpaftgbeweguitg eine Bewegung gur 
©rricptung oon ©ogial=©inridjtungen für ein gufünftigeg ©efcplecpt, 
ober aber fic ift eine Bewegung, bie bem Arbeiter in ber ©egen wart 
bienen unb niipen, tpm gu einem größeren Antpeil am geiftigen, ppqft* 
fdjen unb ctpüdjen ©ute ber Arbeit oerpelfeit foH. Tann aber pat bie 
Befttmmung nicpt nur ihren 3wccf oerfefjlt, foubem lenft foqar ben 
331icf ber Arbeiter non ben geitlicpeu Aufgaben ab in eine mpftitcpe 3u* 
funftggeit unb wirft gerabegu fcfjäbigcnb. 

Auf bem Eongrep in fingern war eg befanntlicp gerabe ber 
3ogialbemofrat ©reulicp, ber an erfter ©teile für einheitliche unb 
uinfaffenbe geroerffcfjaftlic^e Drganifation ber Arbeiter aller Berufe 
auf parteipolitifd) unb reltgtög neutralem Boben eintrat. 
Bad) ber 3ufcprift au bag „Eorrefponbcngblatt" befiehl fein 
3meifel, bap auch ber fogialbemofrattfcipe ©eroerffchaftgbunb fich gu 
ber faft einftimmig angenommenen Eongreprefolution befennen 
wirb. Tatnit ift in ber ^f>at bie fchweigerifdpe ©ewerffcpaftg* 
bewegung an einem ©enbepunft angelangt. «Sollten biefe Bor* 
gänge, bie in bem amtlichen Blatt ber beutfchen ©ewerff (paffen 
folgen Kommentar ftttben, nid)t auch in Teutfcplanb gu benfen 
geben unb oor einer ©ewaltpolitif warnen, bie angeblich bie 
reoolutionäre Sogialbentofratie nieberbrücfeit foü, in xöirflicpfeit 
aber bie legitime Arbeiterbewegung trifft unb baburep bie Arbeiter* 
maffen immer fefter ber Sogialbentofratie angliebert? 

Siegelung ber Ärbeitgbebtugungen bet öffentlichen Arbeiten in 
Sfranfreich- ber frangöfifdjeit 3>eputirtenfammer gelangte ber 
Bericht beg Abgeorbneteu Sßierrc Baiibin nameng ber Commission 
du travail betreffenb bie oerfcptebeiten ©efepeutroürfe gur Regelung 
ber Arbeitgbebingungen bei ber Vergebung öffentlicher Arbeiten, bie 
feit Beginn ber fiegiglaturperiobe eingebradpt würben, gur Ber* 
theilung. Tie Eomntiffton pa* folgenbe Elaufeln oorgefcplagen: 
Ter Unternehmer pat ben Arbeitern wöchentlich einen Ruhetag gu 
gewähren; Auglänber finb bei öffentlichen Arbeiten nur big gu einem 
oorn SKinifter jeweilig feftgufepenben ^rogentfap gu befepärtigen; 
ben Arbeitern ift ber jeweilige ortsübliche 5tageIohn gu begaplen, 
unb ebenfo pat fich bie Arbeitggeit nach bem ©ebrauepe in- ben 
eingeliten 3nbuftriegweigcn unb Drtcn gu richten, Tie ortsübliche 
ßopnhöpe für bie oerfchiebenen Arbeiterfaiegorien ift oon ber Ber* 
waltunggbepörbe oornebntlicb auf ©runb beftepenber Uebereinfommen 
groifdjen Arbeiter* unb ilnternepmerfiinbifateu feftgufteüen; wo folcpe 
nicht eyiftiren, fott eine getnifchte Mommiffion oon Arbeitern unb 
Unternehmern herüber entfeheiben. Tie Befdpränfungett bezüglich 
beg wöchentlichen Bupetagg unb ber täglichen Blaximalarbeitggeit 
fönnen oon ber fompetenten Berroaltunggbepörbe im gall bringen* 
ber Botproenbigfeit fugpenbirt werben; Doch finb Ueberftunben unb 
Seiertaggarbeit nach c * nein feftgefteUten poperen ßopnfape gu be* 
gahlen. 

Tic Sfrage ber ftltergoerforgmig tit Gtfglanb macht weitere 
gortfehritte ihrer fiöfung entgegen. Tag Parlament nahm mit 
263 gegen 93 Stimmen ben Antrag beg fonferoatioen Abgeorbneten 
Sir 38. Bklronbg an, ber bie ©infepung eineg neuen pariamen* 
tarifchen Eomiteg begtoedft gur Uuterfud^ung ber 3?rage einer Alierg* 
uerforgung im §inblicf auf bie ©rftattung praftifeper Iegislatorifcher 
Borfcpläge. 3n ber biefent Befcpluffe uorangegangenen Debatte 
fprach Nameng ber liberalen Partei 9J2r. Agquitp, ber bie Dppo* 
fition gegen ben Vorwurf oertpeibigte, in fogialen gragen „lau* 
wann" gu fein, hingegen ber Regierung oorroarf, bap fie fleinlicpe 
Barteigwecfe ber großen grage ber Aiterguerforgung ooraugefteflt 
habe unb feinen $ettnt) ber Bubgetüberfcpüffe 3n>ecfen ber fillterg* 
oerficherung gewibmet hätte. Brinifter Gpamberlain oertheibigte bie 
Regierung gegen biefe Eingriffe unb wieg ben SSorwurf gurücf, ber 
SBeoölferung leere 5Berfpred)ungen gegeben gu h fl ben; er gab ber 
Hoffnung Augbrucf, bap nach fo langen SBoraibeiteit ber Augfcpup 
nunmehr in ber fiage fein werbe, pofitioe Dtapnahtnen in 25or* 
fdjlag bringen gu fönnen. Sfeptifcp briieften fiep noep bie s ^arla* 
mentgmitglieber fiatnbert, 23ongfielb unb fieefp über bie grage 
aug, worauf fiogan unb s JD2enbl beantragten, oon ber neuerlichen 
©iufepung eineg s ^arlamentg=Momiteg abgufchcn. liefern Anträge 
trat s iiinifter 33alfour entgegen, inbent er bemerfte, bap mau eben 
tiacp ben norauggegaugeneit grnci refultatlofcn ©miueten oon einer 
Dritten niitfo eher ein praftifdjeg ©rgebnig erwarten föunte. 3m 
llebrigen b a K e fiep bie ^)iegieruug uiept gebunbeti, mit ber Vorlage 
eines ©efepentwurfg bie gur Söericpterftattung beg Motmteg gu 
warten. 3nm^2d)lup würbe ber SHegierunggantrag angenommen. 
— 'I"iie bie ,/Ximee" mittbeilt, fall bie ©iufepung beg itouüteg 
möglicpft be|d)leunigt werben, ©e fd;webeit bereite' 3>erpanblungen 
über beffen 3“fflnimenfepung. 4^eu parlamentarifcpeit ©epflogen* 


peilen in ©nglanb gemäp wirb hierbei bie 3ufammenfepung beg 
$arlamentg berüdffieptigt unb wirb bag tomite aug 10 Unioniften, 
5 ßiberalen unb 2 Äationaliften beftepen. 


Sojhtlt Jnltanbe. 


föürüembergtfdje 9rbeUer-$aughaltnnggbnbgetg. 

Um einen tieferen ©inblicf in bie SXrbeiteroerpältniffe gu ge* 
winnen, pat ber ©emerbeauffieptgbeamte beg 3. SBegirfg in $Bürt* 
temberg eine Slngapl ^erfoiten über ipr ^augpaltunggbubget be* 
fragt, aug bem fid) ber ©efammtoerbrauep, fowie bie Söopnunag* 
unb 9?ahrunggmitteloerpältniffe am beften erfepen laffen. i)er 
23eamte berichtet barüber in bem bereits (3p. 766) befproepenen 
Jahresbericht (3. 147ff.) wie folgt: 

1. ©itt oerpetratpeter giafdjner (gabrifarbeiter aug SSiberatp) 
mit grau unb 5 tftnbern, wooon bag ältefte 12 3apre alt ift, pat eine 
SSopmmg mit 3 3immern, einen wöchentlichen SSerbienft oon 19,*o JC. t 
wogu er noep alg Wiener einer Äaffe in ber Söocpe 1,08 M, erpält, gu* 
fantmen 20,35 ^aoon werben wöchentlich oerauggabt: gür §aug* 
ging 3,40 Jt, Speifen unb ©etränfe 11 M., Kleiber unb ©chupe l,so M., 
Brennmaterialien l,io Berfcpiebencg 8,50 JC, baoon aflein 1,71 JC für 
freiioiüigc ^tranfenoerfidjerung, ©djulgeib unb ©teuern. 5)ag 5)efigit oon 
25 &f. foll burd) geüweife ©infepränfungen obiger Äuggaben ober burep 
Uebergeitarbeit gebeett werben. 

2. ©in oerpeivatpeter 3^mentarbeiter aug Ulm mit grau unb 2 
nodj fcpulpflicptigen ÄHnbcrn pat eine SBopnung oon 2 3mtmern, wo* 
oon bag eine an einen ©djlafgänger mit ber ©infepränfung abgegeben 
ift, bap ber Änabe mit biefem im felben 3immer fcplafen barf. £er 
SKann oerbient pro SSodje burd)fd)nittlid) 17 M ., bie §rau alg 9Konatg* 
frau mit täglich 2 1 /» ftünbiger Befd)äftigung 2,25 gufammen 19, S6 Jl. 
©g werben wöcpentlicp oerauggabt: 8ür ^ougging 3,88 M. t für ©peifen 
unb ©etränfe 14 für Kleiber unb ©cpupe 2,es für Brenn* 
materialien 1,15 M., für Söäfdje, freiwillige Äranfenocrficperung, Bereing* 
beiträge u. f. w. 58 ?{. ^ag 5:efigit würbe gebedt burd; Ueberftunben 
beg 932aitncg unb aug ben ©innapmen für bie ©djlaffteüe. 

3. ©in oerpeiratpeter 3nftrumentenmacper aug Ulm, mit §rau 
unb 5 Äinbern, wooon eing erwaepfen, pat eine äBopnuna mit 2 3^ m * 
mern nebft Kammer, ilücpe, ÄeDer unb .§olgplap. ©r oerbient wöcpent* 
Itcp 27 bie grau näpt gu £>aufe für eine ^utfabrif unb oerbtent 
wöchentlich 2 JL ©etnmmteiufommen pro 3Bod)e 29 m. $>aoou werben 
wöcpentlicp oerauggabt: gür £>auggtng 3,88 für ©peifen unb ©e- 
tränfe 15 Jl für Äleiber unb ©cpupe 3 /8 5 M., Brennmaterialien 96 &f., 
Berfcpiebeneg 2,93 JL. ©g ergiebt fidp pier ein wöcpentUcpcr Ueberfcpup 
oon 2,47 Jt. 

4. ©tu SiQörrenmacper aug §eibenpeim mit grau unb 6 Äin* 
bem, oon benen 5 oerbienen, pat einfcplieplicp beg Berbienfteg ber 
Ätinber eine wödjcntlicpe ©efantmteinnapme oon 40—50 JL (fte fcpwanft 
wegen ber Slfforbarbeit), eine SBopnung mit 3 3immern, Äücpe, £>olg* 
raum unb ©arten. BJödjentlid) werben oerauggabt: gür $>augging 
3,90 für ©peifen unb ©etränfe 20 „fc, für Kleiber unb ©cpupe 5 JC., 
Brennmaterialien 2 X, oerfepiebeneg 5 M., g. B. 2afcpen- ober ©onn* 
tagggelb. 

5. ©in oerpeiratpeter £agelöpner einer gropen Xejtilfabrif in 
Reibenpeim mit grau unb 6 &inbern, oon benen feineg oerbient, pat 
einen wöchentlichen Berbieuft oon 13 ,20 JC, ein eigeneg ^äugdpeu, auf 
welcpem eine ©djulb oon 1800 ^ gu 4Va ö /o gu oerginfen ift. Wöcpent* 
licp werben oerauggabt: gür £nuggiitg (3tng aug 1800 ^. gu 4V9°/o) 
85 3f., ©peifen unb ©etränfe 18,30 JL , für Brennmaterialien 75 ^y., 
für oerfeptebeneg 30 9f. $üe Sluggaben für Kleiber würben alg bem 
©infontmen entfprecpcnb begeicptiet, bag ^epgit foH burdj Uebergeitarbeit, 
wogu bic betreffenbe Jabrif reiepe ©clegenpeit bietet, ferner burep Sluf* 
naptne oon Biietpgleuten gebeeft werben. — 

©ine leibige £paifad)e ift übrigeng, fo fäprt ber Beamte in 
feinem Berichte fort, bap mit Scpulbcn belaftete Slrbeiterfamilien 
oon bem ipiten bei Bäcfer, 9)2epaer unb fonfitgen ©efcpäftgleuten 
für ben Slnfang eröffneten Ereoit einen auggiebigen ©ebrau^ 
maepen, um fcplieplicp, wenn bag niept mepr gept, ben $lap gu 
oerlaffen ober bem ©ericptgooUgieper ober ber öffentlichen Unter* 
ftüfcung anpeim gu fallen. 

Ueber bie ©rwerbg* unb SBopnunggoerpältniffe lebiaer 
Sabrifarbeiterinnen in einem fleinen 3«huftrieort beg gilg* 
tpaleg wirb ben Angaben einer Textilarbeiterin folgenbeg ent* 
notnmen: 

Bon 440 in ber gabrif befepäftigten Arbeiterinnen fmb ungefähr 
100, weld)c mepr alg 20 km uaep §aufe paben, in golge beffen ge» 
gioimgen fmb, int gabrifort gu bleiben. An ©cplafgelb begaplt bag 
B?abd)cn 30 Pf. pro Sag, bafiir pat fic ein eigenes 3immer mit Bett 
unb Bcorgeng unb Abettbg Eaffce. ber Siegel erpält man für ben* 
felben Breig nur eine ©cplafftelle, wobei 5 ober 6 Bläbcben in bem* 
felben ^tmmer wohnen. Turcp ©rftellung neuer SBopnpäufer ift bem 
Bebürfttip ttadj biüigeu Arbeiterwopnungen in le^ter 3eit Bed^nung 
getragen worben, gür Btittageffen unb für Begper gaplt bag Btäbcpen 



845 


©oktale $rajt$. ©entralblatt für ©ogtalpolttil. Str. 81. 


846 


je 26 $f., bic regelmäßigen JageSausgaben belaufen ftdj auf 80 &f. 
2112 befonberS tüchtige Arbeiterin oerbient befagteS 3)täb<Een roödEentßdE 
12 jK. Jaoon geben ab für Koft unb 3Bof)nung an ©erfragen 4,so M., 
für ben Sonntag runb 0 /5 o JC, gufammen 5 ,30 Ui., eS bleibt für bie 
SBodEe ein Aetnoerbtenft oon 6,70 Ui. ober per Jag 0,93 Ui., Kleiber 
unb Sdjufje nicht inbegriffen. 2egt ntau einen nicpt gu niebrig ge¬ 
griffenen mittleren JageSarbeitSoerbienft non 1,50 M. bei berfelben 
Arbeiterfategorie gu ©runbe — manche erroatfjfene Arbeiterin in biefer 
©egenb oerbient nur 1,90 Ui. — fo ergiebt fiel) unter benfelben Ber- 
Eältniffen ein täglicher UeberfdEuß non 38 &f., aus bent Kleiber unb 
©onftigeS gu beftreiten ftnb. Jas HJtittageffen, befteßenb in einem 
Seiner Bier, einer rotten 2Burft unb einem Brob, fann als Ijinreirfjenbe 
unb rationelle ©rnäbrung für ein in llftünbiger SRaf^inenarbett be- 
fdEäftigteS HJtäbdEen nicht angefe^en roerben. 

Jie oben ermähnten Ausgaben einer Öamilte ober ©ingelner 
fönnett, rote bcr SoE^bericht bemerft, fi<E noch burdf) ungünftige 
BerEältniffe aller Art fteigern. ©0 g. 23. muß ein ©fjepaar, baS 
in bie ^abrif geht, um fidf) etwas erfparen gu fönnen, für bie 
BeaufftcEtigung unb tEeilroeife Berpflegung feiner oier Kittber in 
14 Jagen 13 , H begabien. — (Sine Arbeiterfamilie, bie megen 
aeri<f)th(f)er 23eftrafung beS SJtanneS berart gurüdfgefommen mar, 
baß auch bie notEroenbigften Jfjeile gur Haushaltung roieber be- 
fcfyafft merben mußten, bewohnte mit ihren 4 Kinbern, roooon baS 
ältefte 12 3aE* aß ift, 1 3 intmer, meines gleichgeitig als KüdEe 
unb ©dEIafraum benußt wirb. SJtann unb Srau arbeiten in einer 
gabrif unb oerbienen gufammen 4,tg Jl täglich- Jaß foldje 
SBoEnungSoerEältniffe, roie fte feineSroegS oereingelt hafteten, 
fd^roere fittlidfje ©efahren in fidE fd^Iiefeen, finb ftch bie Arbeiter 
ooßftänbig beroußt, unb in ihren Berfammlungen roirb mit StacEbrucf 
auf biefe ©dEäben ^irtgeroiefen, auf beren 2Jefeitigung man mit 
aller Energie Einarbeiten müffe. 

©inen©inblicf in baS©rroerbSleben berHcmSinbuftriellen, 
rok eS im Oberlanb oon Württemberg nodf) angutreffen ift, ge* 
roä^rt folgenbeS 23ilb: Sn Mengen Oberamt ©aulgau unb Um¬ 
gebung roerben für fdbrocigerifdje Finnen ©arbinett in ber §>auS- 
tnbuftrie oerfertigt, ©ine 35 jährige Heimarbeiterin aus einem eine 
©tunbe oon Mengen entfernten Ort Ent 3 Kinber unb einen 
TOjaErigen Skater fo gut roie auSfcEIießlicE gu oerforaen. Außer 
ber Besorgung ber Haushaltung bleiben ber F^u 8 ©tunben für 
bie Heimarbeit, in welcher 3dt fte normal 30 unb roenn es 
befonberS loEnenbe Arbeit ift, 40 oerbienen fann. Jiefe in 
©egenroart beS ©efdEäftsIeiterS ber bortigen ©arbinenftidferei (Ab- 
IieferungSftelle) gemachten Angaben ftnb oon biefem unroiberfprocEen 
geblieben. 


ArfreitSmaß unb ©ottttiagSrnße ber Beamten unb llnterbeamten 
ber fteiiftspofit. Jer ©taatsfefretär beS SteicESpoftamtS E fl i neue 
grunbfäßlidje Beftimmungen erlaffen, benen roir QoIgenbeS ent- 
neEmen: Jas Arbeitsmaß roirb, roie feitEer, nidf)t für ben Jag, 
fonbern für bie ©odbe feftgelegt. ©ntfdtjexbenb für bie Seftfebung 
ift oEne SftücfficEt auf bie Klaffe ber 23erfeErSanftaIten lebiglicß bie 
©cEroierigfeit beS JienfteS. Bei Beamten ift, roenn fte in fdEroie- 
dgen JienftfteHen anbauernb 00 H befcEäftigt ftnb, bis auf ein 
Arbeitsmafc oon 48 ©tunben E^rabgugeEen; finb bie Beamten burcE 
bie JienftobliegenEeit groar anbauerno 00 Ö, aber bodf) nur in ge¬ 
ringerem ©rabe in AnfprucE genommen, fo fann ein Jienftftunben- 
ma| oort 54 ©tunben angenommen roerben; ift ber Jienft gang 
leidet, roie g. B. bei ben meiften ^ßoftämtern III, fo ift bie 3nan- 
fprutEnaEme eines OeiftungSmafeeS bis. gu 60 Jienftftunben un- 
bebenflidf). Jie roö(EentIi(Ee ArbeitSgeit ber roeiblicEen Beamten 
foß 42 bis 48 ©tunben betragen. Bei ben Unterbeamten ift, roenn 
bie ßeiftungen befonberS fdfiroierig ftnb, bis auf 60 Jienftftunben 
EerabgugeEen; bei weniger anftrengenbem Jienft fann je na<E bem 
©rabe ber ©cEroierigfeit bis gu 69 Jienftftunben gegangen roerben. 
JaS fieiftungSmafc ber Sanbbriefträaer foß befonberS geregelt 
roerben. Als SRacEtbienftgeit gelten bie ©tunben oon 10 UEr AbenbS 
bis 6 UEr BtorgenS. Jie in biefe 3dt faßenben roirflicEen 2lrbeitS- 
ftunben roerben, roie feitEer, anbcrtEalbfadE) in AnfaE gebradt)t. 
Au<E bie an einen ooßen SRacEtbienft fidE) anfdEIiefeenbe ArbeitSgeit 
nadE 6 UEr ÜRorgenS ift anbertEalbfadE gu recEnett, unb groar bis 
gur Beenbtgung beS fRacEtbienfteS. Jie 3 e it, bie Beamte unb 
Unterbeamte gur SßaEmeEmung beS SBacEtbienfieS beftEäftigungSloS 
in ben Jienfträumen gubringen müffen, fommt nur einfaß) in Be- 
redEnung. Jic ©onntagSruEe foß im $uiMidf auf ben günftigen 
©inffufe, Ben fte auf baS förperlicEe unb geiftige 2ßoEl beS ^erfonals 
auSübt, fo roeit auSgebeEnt roerben, als fict) bieS mit ben afige- 
metnen Sntereffen unb mit ber ©icEerEeit beS Betriebes irgenb 
oerträgt, ©inen QfortfeEritt in biefer BegieEung ergiebt bie anber- 
roeite Seftfefcung ber ©(Ealterbienftftunoen an ben ©onn* unb 


Feiertagen. Ferner foß fortan tEunlid&ft folgenber ©runbfaE 
burcEgefüErt roerben: „Feber Beamte unb Unterbeamte beS Be* 
triebSbienfteS ift in einem 3eitraum oon groei 2ßocEen minbeftenS 
für einen ©onntag, fei eS für einen gangen Jag ober für groei 
Ealbe Jage oößig 00 m Jienfte gu befreien; foroett nacE ben Be- 
triebSoerEältniffen nidf)t öfter gang freie ©onntage geroäErt roerben 
fönnen, ift jeber Beamte ober Unterbeamte ab unb gu, etroa an 
jebem oierten ©onntage gänglicE 00 m Jienfte gu entbinben." 

Berpffangmtg ber Subuftrte aufs Sattb in Baben, ßßan fcEreibt 
uns aus Baben: Jie in ben babifcEen FöbrifinfpeftionSberi(Eten 
meErfadE erroäEnte Berpflanguna oon Snbuftrien in länblicEe Orte 
mit biSEer rein lanbroirtEfcEaftlicfter Beoölferung fefet jtcE weiter 
fort, ba man bie in jenen BericEtem betonten BortEeile aucE für 
ben ßanbroirtE immer nteEr erfennt. Jie ©emeinben bringen 
fogar erEeblicEe Opfer beEufS ©eroinnung oon Snbuftrie für iEren 
Ort, unb fo ijat jefet ein Snbnftrießer mit ber ©emeinbeoerroaltung 
beS ©täbtdEenS Bräunlingen (1600 ©inrooEner) bei JonauefcEingen 
einen Bertrag abgefcEloffen, ba& iEtit bie ©emeinbe, roenn er eine 
©(Eraubenfabrif in iErem Söeii^bilb erricEtet, einen Bauplafc um* 
fonft, meErere SaE^ ©teuerfreiEeit geroäErt unb ein JarleEen oon 
30 000 ,//(. beroißigt, baS fünf 3<*Ere unoerginSlidl) fein foß. 

€fogia(ö!ouomif(Ee AbtEcilung ber Bödfer 2&eltau$fteßmtg 
1900. Jie mit ben Borbereitungen für bie frangöftfdEe ©eftion 
betraute STommiffion ridt)tet oon Steuern ein ©ircular an bie @e* 
roerffcEaften, ©eroerffdEaftSoerbänbe, ArbeitSbörfen 2 c., um fie gu 
reger BetEeiligung aufguforbern. 3n bem ©ircular roirb baran 
erinnert, ba& eS für F^anfreidE oon 2SicEtigfeit fei, neben ben 
AuSfteßungen ber auSlänbifdjen Arbeiterorganifationen, namentlidE 
ber englifcpen unb amerüantfdEen Jrabe UnionS, eine eErenooße 
^ofttion einguneEmen. Jen fidE betEeiligenben Korporationen ift 
eS geftattet, neben ben ftatiftifcEen unb grapEifdjen Jabeßen aße 
fonftigen Jofuntente, roie ©iatuten, Stummem ber publigiftifdfjen 
Organe, SöE re ^BeridEte 2 c., eingufenben, aus benen iEre Organifation 
unb ßeiftungen erftcEtlidE ftnb. 


^tbeUerbettiegung. 


Jer ©frei! ber belgtfcEen KoEleubergtoerfarbeiter. 

Am 4. April fanb bie öffentlicEe 3 u fP«<Eu«9 einer KoEIcn- 
Ueferung oon 442 000 t für bie belgifdEen ©taatSbaEnen ftatt, unb 
fie ergab gegenüber ber lebten ©ubmiffion ootn 28. Auguft 1898 
eine feEr beoeutenbe BertEeuerung beS HdgtnaterialS. Für magere 
KoElen Jppe II würben bieSmal per Jonne 10 ,10 bis 

10,25 F^cS. gegen nur 8,25 F^^- in 1898 begaElt, für E a IEfette 
KoEleit Jppe III 11,75 FrcS. bis 12 Fk 3- gegen 9,75 FrcS. bis 
10 FrcS. tu 1898 uitb für bie weiteren Ouahtäten fteßte fidE bie 
BreiSerEöEung etwa äEnlicE. Am 16. April oerfammelten fid) bic 
Jelegirten ber oier belgifdEen KoElenbecfen in ©Earleroi uitb be* 
fcEloffen einftimmig bie fofortige ©röffnung beS ©eiteralftreifs 
beEufS ©rfämpfung einer aßgemeinen ßoEnerEöEung oon 20 °/ 0 . 
Jer Abgeorbnete ©aorot, felbft eEemaliger KoElenarbeiter unb 
Bicepräftbent beS conseil superieur de l’industrie et du travail, 
fdElug oor, ben ©treif erft am 1 . Btai gu eröffnen, fein Antrag 
würbe jebodE mit großer BteErEeit abgeleEttt. Jer ©treif fefete 
am ftärfften im Becfen oon ©Earlerot ein, bann folgten baS 
©entrum unb ßütfidE, erft nadE einigem Sägern fcElofc fidE Ber 
Boriitage (SItonS) an. 

Jie offigieße ©tatiftif über bie BelgifdEe Btineninbuftrie im 
SaEre 1898 erfdEeiitt leiber erft in ber nä<Eften SBo^e, unb roir 
roerben besEalb in unferem Eeutigen Artifel uns nocE mit ben 
3aElen oon 1897 behelfen müffen. Stur bafj bie ©efantntipro- 
buftion beS ßanbeS an KoEle in 1898 22 088 990 t betragen E&t 
gegen 21 492 446 t in 1897, fonnte uns ber ©eneralbireftor ber 
Btinen biSEer mittEeilen. Jie ©efanttntgaEl ber in ber belgifdEen 
KoEleninbuftrie tEätigen ArbeitSfräfte war 1897 120 382, bauon 
roaren 88 341 unter'ber ©rbe unb 32 041 über ber ©rbe be¬ 
fcEäftigt. 3 h Ber Jerminologie ber Arbeiter E^ifeen in bem bieS- 
jäErigen ßoEnfampf nur bie eigentlichen ©rubenarbeiter „grevistes“, 
bie fonft auf ber OberfladEe befdEäftigten unb jefct in FoIq^ BeS 
©treifs ArbeitSlofen roerben als „chomeurs“ begegnet. Jie 
©tatiftifen über bie 3 a Ef Ber ©treifenben redEnen nun baS eine 
fötal nur bie unterirbifcEe Arbeiter unb bas anbere fötal roieber 
aße inSgefammt. ©S ift aus biefem ©runbe faft unmöglich, audE 
nur annaEernb genaue 3^tf ern über bie gegenroärtige AnSbeEnung 
ber Bewegung gu geben. Bei ber folgenben ©cEäjjung ift ber 



847 


©ogtale $rajt$. Eentralblatt für ©ogtalpolitü. SRr. 3t. 


848 


©tanb beS Streifs am 27. April gu ©runbe gelegt unb eS wirb 
fein Unterfcßieb groifcßen ben beiben Arbeiterfategorien gemacht. 
Sa gäßlen mir benn im Becfen oon Eßarleroi unter 39 809 Sr* 
beitern runb 27 000 ©treifenbe, im Eentre unter 18 514 etroa 
15 500, in Süttid) unter 29 727 etroa 17 000 unb im 
Borinage (9RonS) unter 29 385 etroa 19 000. Sotß uermutfjen 
roir, baß bei biefer Auffteüung im Becfen oon Eßarleroi bie 
,xhömeurs i4 nicfjt mitgegäßlt finb. ERan faitn bort unb im Eentre 
ben ©treif als oöflig burcßgebrungen anfeßen. 

Sie EohlenbergroerfSarbeiter bilben groeifelloS bie unterfte 
©cßid)te ber inbuftrieflen Arbeiterbeoölferung beS SanbeS. Bis gu 
bcm blutigen ©treif oon 1886, beffen grauenhafte Ereigntffe fuß 
unauSlöfd)lieh in bie Erinnerung biefer $Renfcßen eingeprägt haben, 
lebten fie politisch unb roirthfdjaftlid) gänzlich ungeroeeft baßin. 
©treifs famen häufig oor, aber fie blieben meift nur partiell. 2111 ** 
gemeine ©treifs,') bte ficb über baS gange Becfen auSbehnten, gab 
eS in ber 3^t oon 18(59 bis 1890 im Borinage (ERonS) 10, in 
Eharleroi 8 , tm Eentre 5, in Sütticß 1. Ser erfte gleichzeitige unb 
organifirte ©treif oon Bergroerfarbeiterit beS ganzen SanbeS fanb 
1891 ftatt; er roar mehr politifcher als öfonomifeßer SRatur. Qn 
Enbe ber achtziger 3aßre faßte nämlich bie Sojialbemofratie in 
ben BergroerfSgebieten feften guß unb gegenroärtig hat fie fie ooE* 
ftänbig erobert. Es roar eine hißorifeße ÜRotßroenbigfeit, baß bie 
©ozialbeinofratie fich biefer Arbeiterflaffen bemächtigte, unb eS läßt 
fich nicht abftreiten, baß fie unter ihr eine Sfulturmiffion erfüllt 
hat unb noch erfüllt, ©ie roar eS, bie biefen buntpf unb oöllig 
ungegliebert bahinlebenben Waffen zum erftenERale politifcheS uno 
fogtaleS Benmßtfein gab. SaS roaEonifcße Bolf hat im ©egeitfaß 
Zum olämifcßen fehr roenig religiöfe Steigungen, unb gerabe beS* 
halb mußte baS oon ber ©ogialbemofratic geprebigte ©olibaritäts* 
gefüßl ber Waffen auch rißifcß erzieherifch roirfen. Einige Sage, 
bie ich im Becfen oon Eharleroi unter ben Arbeitern oerbrachte, 
haben mich w ber h^ auSgefprocßenen Auffaffung beftärft. 3$ 
unterhielt mich mit ben Seuten in ben ©chänfen unb auf ber 
©traf 3 e unb roohnte auch ißren ©treifoerfamntlungen bei. Ser auf 
Klarheit bringenbe ©inn beS belgifcfjert BolfeS fiel hier recht oor* 
tßeilhaft auf; oon fojialiftifdjen s ßßrafen hörte i<ß faft nichts, bie 
Arbeiter, mit benen t<h fpraeß, roaren über bie eitglifdjen Srabe* 
UniottS unb über bie beutfehe BerficßerungSgefeggebnng unterrichtet 
unb fprachen oerftänbig über ihren gegenroärtigen Mampf, ben fie 
freilid) ftarf optimiftifcß beurteilten. Sie Arbeiterrebtter in ben 
Berfatnntlungen festen ntid) bureß ihre ©adjlicßfrit unb ERäßigung 
in Erftaunen. Smtncr unb immer roieberßolten fie, baß ber größte 
geinb beS Arbeiters im gegenroärtigen Moment ber Alfoßol roäre; 
ohne bie ©ptnpatbien beS Bürgertums fönne ber ©treif nicht fieg* 
reid) auSgefochten roerben, biete aber roürbe man fich oerfeßergen, 
roenn man fich m Aaufcß git ©eroalttßätigfeiten hinreißen ließe. 
SRuße fei bie erfte Pflicht beS Arbeiters. 

Sie ooüftänbigc Drbnung, bie in allen ©treifgebieten ßerrfdjt, 
fticftt überaus oortßeilhaft gegenüber früheren 3*iten ab, unb baS 
erfennen felbft bie (Gegner ber Arbeiter ausnahmslos an. Sie 
©treifetiben bleiben ben größten Sheil beS SageS za §>aufe ober 
fie befd)äftigen fich in ihren fleinen ©ärtett. Sie Kneipen finb, 
roooon id) mid) felbft überzeugte, beS AbenbS faft ganz leer, $rei* 
lid) ift biefe Beoölfernng trog ber rühmenSroerthen Agitation ber 
©ogialbemofratie unter Borantritt BanberoelbeS gegen ben 
Alfol)oliSuiuS in geroöl)itlid)eu 3riten noch immer fehr bem Srunf* 
lafter oerfallen. Socß hat in ben lebten 3aßren bie3unahme beS 
BiergenuffeS ben ©chnapsfonfum roenigftenS etroaS eingefeßränft. 
Sie überall jegt eutfteßenben fooperatioen Maisons du Peuple 
feßenfeu zam erften Wale in biefen ©egenben ein gutes Bier za 
billigen greifen aus unb ihre Monfurreng groang aud) bie anberen 
SSirthfd)aften, ben BierprciS zu ermäßigen. 

Eine geroerffcßaftlidjc Drganifation ift gegenroärtig unter ben 
Stohleubergroerfarbcitern faft gar uidjt oorhauben. 5(lS man 1889 
bie Federation nationale des Mineurs griiiibetc, hatten bte Rührer, 
uitb zmar zaerft mit gutem Erfolg, oerfud)t, bie Vlrbeiter zu orga* 
nifircu. 2lber nach ^eeiibigung "bes ©treifs oon 1891 fiel 2UleS 
roieber auSeinanber unb aud) bie oor ad)t Sahren im Söecfeit oon 
Eharleroi 23 UDO Witglieber zählcitbcu Chevaliers du travail finb 
heute gänzlid) beSorganifirt. Erft feit einigen 3Bod)cn aitgefidhtS 
beS neuen ©treifs uiadjt bie gathoereiuSberocguug roieber gort* 
fd)ritte. lieber eine getneiufame Mriegvfaffe oerfiigen bie Streifen* 
beit alfo nidjt. Sol)l aber haben bie Einzelnen feit Dtonaten fchon 
fid) auf beit Mampf oorbereitet unb Erfparniffe gemacht unb bie 

l ) 3?gl. Emile 5?aubcroclbe f Associations professionelles en Bel^ique 
Vol. 1. 


fleinen $änbter, bie oon ber SlrBeiterfdjaft leben, geroähren einen 
oierroöchentlichen Ärebit. Soch ift es roahrfcheinlich, bafj eine 
längere Sauer beS ©treifs za einer Hbbröcfeiung ber 3 a hl öer 
©treifenben führen unb mit einer SHeberlage enben roirb. 

Sie eigentliche Urfache beS gegenroärtigen ©treifs ift roeit 
roeniger öfonomifdjer unb roeit mehr f 03 ialer $atur, als eS nach 
ben Wittheilungen ber SageSzeitungen ben 5lnfchein hat. Sie bei* 
gifchen M'ohlenbergroerfe befinben fich mit gang oerfchroinbenben 
Ausnahmen in bem S3efih oon ^ftiengefettfdjaften. Sie Sireftoren 
ber Betriebe unterhalten faft burchroeg nid^i bte geringften Be* 
Ziehungen ga ben Arbeitern, unb fie ftehen in ihrer grofien 3Rel;r* 
gal)l auf bem oeralteten ©tanbpunft beS geubalinbuftrießen. Sen 
einzelnen Arbeiter, ber fich an fie roenbete, mürben fie gnäbig 
anhören; oon einer ©efammtheit ber Arbeiter rooEen fie nichts 
toiffen, unb aüe DrganifationSbeftrebungen haben fie ftets mit Ent* 
fehiebenheit unb Süicffichtslofigfeit befämpft. HuS biefem Erunbe 
liefien auch faft aEe Sireftoren bie zu roieberholten Btalen in ben 
legten zwei fahren an fie gerichteten ©d)reiben ber regionalen 2 lr* 
beiterbelegation unbeantroortet, unb ebenfo roeigerten fie fich üielfad^, 
bie Slbgefanbten ber Arbeiterfchaft ga empfangen. SlnbererfeitS ift 
eS nid)t gu leugnen, bafj bie übeiroiegenbe ERehrgahl ber unter* 
irbifchen Arbeiter im ßaufe beS legten SahreS ßohnaufbefferungen 
erhalten hat. Db biefe 3 alagett einigermaßen ber ftarfen $reis* 
fteigerung ber Jfohle entfprechen, läßt fich überaus fihroer nach* 
rechnen, ba gu oiele oerfdjiebene unb nicht immer in 3 a hka aus* 
gubrüefenbe gaftoren hierbei mitfpielen. Sie offigieEc ßohnftatiftif 
für 1898 liegt noch nid)t oor, roir geben alfo bie3iffem für 1897. 
3m Eangen rourben in biefem Sahre 123 258 500 ö^cS. für Söhne 
begahlt, roaS bei 120 382 Slrbeitern einem Surchfchnittslofin oon 
1023 5rcS. jährlich entfprädje. Sa aber geroiffe Slbgüge eingu* 
regnen finb, fo oerbleibt nur ein föettoeinfommen oon 1006 grcS. 
Sie Uitterfchiebe für bie oerfchiebenett Becfen finb ziemlich beträcht* 
ließe, einem SRettoeinfommen oon 1033 ÖrcS. in Eharleroi unb 
1072 3rcS. in Sittlich fteht ein $ettoeinfommen oon nur 874 grcS. 
im Borinage, roo bie BrobttftionSbebingungen 1 ) roeit uttgünftiger 
finb, gegenüber. 3m Eentre roerben 993 grcS. begahlt; hkr roirft 
naih ber 5lnSfage ber Arbeiter, mit beneu ich fP ra d), baS Berg* 
roerf oon ERariemont, roo eS ein ftänbigeS EinigungSamt giebt 
unb beffen Sireftor, ber ©enator ®uinotte, Anhänger einer gleiten* 
ben ßohnffala ift, günftig auf bie Söhne ein. UebrigenS finb 
augenblicflich trog beS BorhanbenfeinS beS EinigungSamteS auch 
hier bie Arbeiter im ©treif. 

Sie oorerroähnte ©tatiftif bezieht fi^ auf bie M'ol)Icnarbeiier 
in ihrer ©efammtheit. Siir bie eigentlichen unterirbifeßen Berg* 
roerfSarbeiter lauten bie Siffern für 1897 folgenbertnaßen: Siittich 
1370 3rcS., Eentre 1370 3rcS., Eharleroi 1345 3^cS., ERonS 
1040 3rcS. ©enn man mit ber offigieEen ©tatiftif baS Sah* gu 
296 Arbeitstagen rechnet, roelcße 3iffer unS bei ber fehr oerbreiteten 
©eroohnheit beS Blauen Montags etroaS gu hoä) erfeßeint, fo roürbe 
g. B. in Eharleroi ber SageSloßn beS AberarbeiterS im 3ahrc 1897 
4,55 grcS. getoefen fein. SRach ben Angaben, bie bie Arbeiter in 
Eharleroi mir gemacht haben, begießen fie gegenroärtig burchfe^nitt* 
lid). 5,50 SrcS.; hoch bürften fie hierbei Den Ertrag ber bei ben 
jegigen günftigen 3 e ika nicht feltenen Ueberftunben ntitgerechnet 
haben. Sie Arbeitszeit beträgt für bie unterirbifchen Arbeiter im 
|>ennegau (Eharleroi, 'JRonS, Eentre) burthfdjnittlich 10 unb in 
Siittich 8 bis 9 ©tunben. 

Eine genaue Antroort auf bie 3frage gu geben, ob bie Aftien* 
gefeEfchaften eine Sohnerhöhung oon 20 %, roie fie bie Arbeiter 
forbern, gu geroähren oermögen ober nicht, erfcheint uns unmöglich- 
Soch ift eine folche Unterfuchung auch nicht oon SRöthen. 3öh 
roeiß auS bem ERitnb ber Arbeiterführer unb ber Arbeiter, baß fie 
20 % nur forbern, um bei etroaigett Berhanblungen 3 u 9 ^flänbniffe 
machen gu fönnen, unb baß fie fith mit einer fofortigen Erhöhung 
oon 10 bis 12 % einoerftanben erflären roürben. AnbererfeitS 
haben bie Blätter ber Unternehmer offen auSgefprodjen, baß eine 
Sohnerl)öl)ung oon 10 bis 12 % bureßführbar fein roürbe. Aber 
ber ©egenfag ber Parteien hat fid) leiber feßon längft 00 m öfono* 
mifd)ett auf baS fogiale ©ebiet oerpflangt, unb bie Sireftoren haben 
jeßt befcßloffen, aEen Arbeiterforöerungen gegenüber ableßnenb gu 
bleiben unb ben äußerften SSiberftanb gu leiften. ©ie haben ben 
Soßnftreit in eine reine Wacfjtfraoe oerroanbelt unb fie finb gu 
roenig fogialpolitifcß gebilbet, um fieß gu fagen, baß felbft roenn 

J ) Aad) E. .f>aocu (^feubompn für ben ©eneralbireftor ber SRinen 
E. .ftarge), de l’industric houillere en Bel^ique, Bruxelles 1894 förberte 
ein Aberarbciter jäljrlid) im Becfen oon 2iittid) 1061 t, in Eharleroi 
1030 t, irn Eentre 993 t, in SRonS (Borinage) mir 648 t! 



849 


Sogiale Sßrajis. ©entralblatt für Sogialpolittf. Nr. 81. 


850 


fic MeSmal noch ftegett, ba$ $riitgip, toelcßes fte ©erfechten, bcr 
feubale ArbeitgeberabfolutiSmuS, bem Untergang geroeißt ift. 

Auf eine Steife non intercffanten ©ingelßeiten unb inSbefonbere 
auf bie Sehren biefeS großen Kampfes gebenfe i<ß in einem ferneren 
Artifel gurücfgulommen. 3<ß bemerfe beute nur nodß, baß, rein 
facßlicß gefeßen, ein ScßtebSgerttbt ober bie SermittelungS* 
bemübmtgen uon Unparteiifcben in biefem Streit oiel AuSficßt auf 
©rfolg haben mürben, Seiber aber beben in Belgien afle ^erfön* 
lieb feiten ihre fefte politiftbe SDtarfe unb es mürbe ftdb im gangen 
Sanbe Niemanb finben laffen, ber baS crforberlidje Vertrauen beiber 
Parteien befäße! 

Srüffel. Dr. ©uftao SJaper. 


$tr brittc Kongreß ber ©ctoerffcßafteii $>cutfißlanb$, 

ber am 8. Stai in Jyranffurt a. 2ft. gufammen treten unb etma 
fünf £age bauern foll, oerfpriebt ftarf befudßt gu merben. 3ur 
^ßeilnaßme finb nur bie ©entralorganifationen unb folcbe Sofal* 
organifationen berechtigt, roelcße oerßinbert finb, ficß central gu 
organifiren. $)ie ©eroerff (haften fönnen für je 3000 Stitglieber 
einen $)elegirten mäblen. SMr beben bie prooiforifebe £ageSorb* 
nung beS StongreffeS bereits früher mitgetbeilt. Nacßbetu auf ben 
oerfeßiebenen geroerffd;affließen ©ingelfongreffen unb ©eneraloer* 
fantmlungen ber lepten $t\t, befonberS in ber Dfterroocße, faft 
allenthalben ein fcßärfcreS Heroorfeßren beS realen StanbpunfteS 
gu bemerfen mar, barf gehofft merben, baß bieS auch in Sranffurt 
ber galt fein roirb, gumal bie geroerlfcßaftlicßen ©entraloerbänbe 
eine oon 3abr gu Saßr fteigenbe 3unabme an Ntitgliebern auf* 
roeifen, bie oon ben ©eroerf febaften eine Sefferung ihrer SebenS* 
ßaltung im ©egenroartsftaat ermarten unb nicht auf eine mpftifeße 
3ufunft oertröftet merben roollen. 

Söäßrenb man ficb auf bem erften Kongreß, ber 1893 in 
Halberftabt ftattfanb, arg über bie befte DrganifationSform ftritt, 
unb auf bem groeiten 1896 in Berlin noch oiel über bie ©jifteng* 
bereebtigung ber Hamburger ©eneralfommiffion ber © eroerf f<ßaften 
SDeutfcßlanbS oer|anbelt mürbe, mitt man bieSmal in Sranffurt 
mit ber ©rroeiterung ber Xbätigfeit ber ©etteralfommiffion unb 
mit anberen roiebtigen ©eroerffeßaftsfragen (ArbeitSoerniittelung, 
Arbeiterfefretariaten, Tarifen unb Xarifgemeinfcßaften im geroerf* 
fcßaftlicßen Kampfe 2c.) ficß befcßäftigen. 3 ur ©rroeiterung ber 
STbötigfeit ber ©eneralfommiffion, in ber man beute bie 
Serförperung beS 3ufammengebenS aller ©entraloerbänbe erblicft, 
ift oom §olgarbeiterocrbanb ein Antrag gefteUt toorben, roonacb 
bei ber ©eneralfommiffion ein britter Beamter angeftcllt merben 
foll, bcr befonberS bie amtlichen ^ßublifationen beS Reiches, ber 
©ingelftaaten, ©emeinben, HanbelSfammern 2C. ftatifüfcß für bie 
©eroerffeßaftsberoegung fortlaufenb bearbeiten unb ben ©eroerf* 
febaften gur AuSnübuitg gugänglicß machen foll. Sei bem Crgan 
ber ©eroerffeßaftsfomnuffiott, bem „^orrefponbengblatt", foll ferner 
ein befonberer Nebafteur angeftellt merben, ber baS Statt gu einer 
allgemeinen Neoue über bie gefammte ©eroerffeßaftsberoegung ans* 
aeftalten foll. ©nblicß foll bie ©eneralfommiffion alljährlich einen 
3abresbericßt in |>anbbucßSform b^rauSgeben. 

2)er Streit über bie Xarifgemeinfcßaft im Sucßbrucfgeroerbe 
bat inbireft Seranlaffung gegeben, ben $unft „£arif unb 
£arifgemeinfcßaften im geroerf fcbaftlicben Kampfe" auf bie 
£ageSorbnung gu feßen. 3)ie Debatte biirfte ficb ßauptfäcßlicb um 
bie ©renge breben, bis gu meiner £arifgemeinfd)aften gmifeben 
Unternehmern unb Arbeitern oon Nußett für bie Arbeiter gehalten 
merben. Nach bem „Äorrefponbengblatt" ber ©eneralfommiffion 
foll eS grunbfäßließe ©egner ber STarifgemeinfdjaft unter ben ge* 
roerffcßaftlicß organifirten Arbeitern „faum" geben. Solche fdbeinen 
aber unter ben auf bem ftarren Stlaffenfampfftanbpunft ftebenben 
©eroerffcßaftSmitgliebern boeß oorbanben gu fein, ba g. S. baS 
Seipgiger ©eroerffcßaftsfartelf bem Sucßbrucferoerbanb roegen ber 
Sarifgemeinfcbaft (ber eingigen in 3>eutfcßlanb) ben ©ßarafter einer 
„flaffenberoußten" ©emerffcf)aft abgefproeben b^t- 

Son feljr aftuellem Qntereffe ift bie Srage ber 3lrbeitS* 
oermittelung, bie ebenfalls auf ber XageSorbnung beS 
SfongreffeS ftebt. 2)er Serliner Kongreß but ficb uor brei Sahnen 
gegen bie fommunalen ober paritätifc§en gacb =* 5lrbeitSnacbmeife 
auSgefproeßen, aber feitbem bat ficb manches geänbert. 3m SteicbS* 
tage bat ficb & er fogialbemofratifdbe ?lbgeorbnete 2Surm für bie 
unparteiifcben 9lrbeitSnacbroeifc auSgefprodjen, ebenfo auch Sebel, 
unb neuerbingS b fl t ber fogiatbeuiofratifcbe SHeicbStagSabgeorbnete 
©almer in einer auch oom „Sormärts" im SWgemeinen giinftig 
beurtbeilten, oon uns bereits gemürbigten Srofcbiire über „?(rbeits* 
inarft unb SlrbeitSnacbmeis" ben Saß oertreten, baß bie ©arantie 
oötliger Neutralität für Serfäufer mie für Käufer auf bem 5lrbeitS« 


marft nur Nadbroeife mit öffentlidb^redbtlicbcm ©barafter bieten, 
Nadbroeife, bie eine ftänbige SermaltungSeinricbtung ber ©emeinbe 
unb — in ißren höheren ©entralinftangen — beS Staates feien. 
StngefidbtS ber ableßnenbcn Haltung beS größten XbeilS ber Unter* 
nehmet gegenüber ben fommunalen neutralen ^IrbeitSnacbroeifen 
ermahnt aUerbingS ©alroer bie Arbeiter gur Sorficßt bei ber 
etmaigen Huflöfung ihrer NrbeitSnacbroeife gu ©unften ber pari* 
tätifeßen. 3m „©orrefponbengblatt" mirb bie erneute Sefprecßung 
ber Slrbeitsoermittelung begrünbet, mit ber Nntbeilnabme ber 
©eroerffeßaften in Subbeiitfcßlanb an ben ftäbtifeßen Slrbeits* 
naeßmeifen, mit bem ©intreten größerer ©eroerffeßaftsfreife in 
Serlin für paritätifeße ^IrbeÜSnacßmeife unb oor 5lUem mit bem 
Sorftoße ber Unternehmer, bie Slrbeitsoermittelung gu einem 
9Konopol für fieß auSgugeftalten. 6DaS „©orrefponbengblatt" meint 
übrigens, bie HrbeitSoermittelung merbe fo lange ein „ScßmerjenS* 
finb" ber ©eroerffebaften bleiben, mie biefe nießt ftarf genug jeien, 
ben Slrbeitsmarft fo gu beinfluffen, baß bie NrbeiSnacßmeife ber 
Unternehmer giaSfo tnaeßten. 

£>ie Arbeiterfefretariate ßnb neuerbingS unter ben 
Arbeitern berart beliebt gemorben, baß ber betreffenbe ^Sunft in 
Sfranffurt rooßl nur in guftimmenbem Sinne erlebigt merben mirb. 
SDie Öabrifinfpefüon ift auf bie £ageSorbnung gefeßt, um eine 
Sefprecßung über ben Slntßeil ber ©eroerffebaften an ber HuS* 
füßrung ber 3nfpeftion berbeigufüßren. ©S follen befonberS oer* 
ßanbelt merben bie £ontrole ber Sauten, bie Serginfpeftion, 
bie §afeninfpeftion unb bie ©emerbeauftlcßt im ^leinßanbmerf unb 
in ber £auSinbuftrie. 3)em Kongreß liegen außerbem noeß gaßl* 
reiche Anträge oor. 


®er Serein für ^atttolmtgSfommiS Hott 1858 (faufmännifdßer 
Serein) in Hamburg bat 5 “) m feinen 233 SegirfSoereinen unb 
78 Sereinbarungen mit im ©angen 298 SegirfSgeicßäftsitellen, mo* 
oon ficb 25 im europäiftßen SlnSlanb unb 38 an überfeeifdßen 
$läßen befinben, 1898 6037 faufmännifeße Stellen oermittelt, feit 
Sefteßen bis gum 7. ^egember 1898 71 000 Stellen. $)er Sericßt 
fteüt feft, baß fein Ueberfcßuß an tüdßtigen, gemanbten, in ißrem 
3acße auSgebilbeten .§anbtuugSgeßülfen oorßanben fei, fonbern nur 
an mittelmäßigen unb unfähigen, bei benen gumeilen uoeß bie ge* 
ringen ftenntntffe mit Unbefd)eibenßeit gepaart fmb. S)iefe fießr* 
lingSgüd()tung, fo ßofft ber Serein, merbe baS neue £anbelSgefeß* 
bueß allmählich befeitigen. 2)en jungen ^aufleuten roirb bie faeß* 
männifeße gortbilbung bringenb ans $erg gelegt. 2)er Serein ßat 
eine SenfionSfaffe mit Snoaliben*, Söittmen®, 3llterS* unb Skifeti* 
oerforgung, eine glranfen* unb Segräbnißfaffe, eine Nbtbeilung für 
Sortbilbung, UnterftüßunaSfaffen. 2)er Serein ift, mie ber beutfdße 
Serbanb ^aufmännifeßer Sereine, bem 94 Sereine mit 26 000$rin* 
gipalen, 92 000 ©eßülfen unb 7000 Seßrlingen angeboren, ein* 
getreten für eine Regelung ber NrbeitSoerßältniffe im ^anbels* 
geroerbe; infonberßeü Den $tcßtubr*£abenfcbluß unb eine böcßft* 
guläffige Arbeitszeit, für faufmännfeße ScßiebSgericßte, gefeßlicße 
Regelung bcr SluSbilbung bcr gmnblungSlebriinge unb enblicß für 
bie Serficßerung gegen Stellenlofiafeit begro. für eine ge* 
regelte Unterftüßung für Steüenlofe, bis Die Serficßerung, bie für 
mißt unburdjfüßrbar erflärt mirb, fprudßreif fei. S)er öorberung 
auf 3roangSfortbilbuug fö r Seßrlinge unter 18 S^ßren in fauf* 
männifßen ©lementarfäcßern ßat ber Staat Hamburg bureß ©r* 
ridßtung feeßs ftaatlißer gortbilbungSfcßulen entfproeßen. 5)ie 
Stellung beS SereinS gum Sßuß ber $anbelsangefteüten ßaben 
mir fdßon beS Defteren ermäßnt (ogl. „Sog. s $r." Sp. 228. 769). 

Säcferftreif in 3Küttßett. Sor einigen Sagen finb nach langen 
Serßanblungen mit ben SunungSmeiftern über 500 Säcfergcßülfen in 
ben ^luSftanb eingetreten. Sie gorberungen ber Oießülfcn betrafen 2oßn* 
erbößung, ?lbfd)affung ber Stofi, ^Ibfcßanung beS SBobiigmangeS bei 
ben 9)?eiftern, Regelung beS HrbeitSnaßmcifeS, ber Arbeitszeit u. f. ro. 
Auf cingelne ^orberungen, mie bie iHbfßnffung beS SBoßngmangcS, 
hatten bie ©eßülfen oor SluSbrucß beS Streifs feßon oergießtet. Ueber 
ben Serlauf bes Streifs merben mir bei ©elegenßeit eines NücfblidS 
auf bie ?lrbeiterbcmegung in 9J?ünd)en im 93inter 1898,99 näcßftenS 
gurüeffommen. 

©egen bie $etmarbctt itt ber Sürftett* unb $ittfelinbufirie ßat in 

Nürnberg eine Serfamtnlung oon Arbeitern unb Arbeiterinnen eine 
Nefolution befcßloffen, bie bem Sunbesratß unb bem NeidjStag jugeßen 
foll. ©S mirb ein gäuglicßeS Scrbot ber Heimarbeit für bie genannte 
Subuftric oerlangt. v *)ur NJotioirung biefco Scfdiluifes merben mit 
Neßt bie ©cfaßren ßeroorgeßoben, meldje bureß SWügbranbauftecfung 
bie Heimarbeit fomoßl für bie Arbeitcrfcßaft felbft als für bie Haus* 
gen offen mit ftß bringt. 

*) 4o. Scricßt, Hamburg 1899. 



851 


©ogiale $rajis. ©entralblatt für ©ogtalpoltttf. SRr. 81. 


852 


Agitation für bat geftitffaitbeittag itt ber Xegtilittlmflrte. Tie Textil¬ 
arbeiter ©affend unb Thüringeng wollen eine umfangreid)e Agitation 
gur Herbeiführung beg gefjnftünbigen Arbeitstages in allen Seytilfabrifen 
beginnen. 

Tie djrifitlidjeit ©djtöißteraefetteit Berlins, bie in einer befonberen 
Seftion beg Vereing Arbeiterfdjuß organiftrt fmb, haben jüngft nach 
einem Vorträge beg ©entrumgabgeorbneten gud)S über bie Arbeiter* 
fdjußgefcßgebung über bie auf bem berliner ftäbifdjen Sdjlachthofe be* 
ftchcnben VUßftriube oerhanbelt unb folgenbe ftorberungen aufgeftellt: 

I. Abfdhaß'ung ber Sonntaggarbeit auf bem Sdjlachthof beg ftäbtifchen 
©entraloiehhhofg, fowte ftrengfte ^nncfjaltung beg §. I ber Schlarfjthof* 
orbnung, welcher lautet: „Ter Sdjladßhof ift geöffnet in ben Sommer* 
monaten oorn 1. April big 30. September non 4 Uhr früh big 10 Uhr 
Abenbg, in ben SBintermonaten oorn 1. Oftober big 31. Viärg oon 5 Uljr 
Vtforgcng big 10 Uhr Abenbg. — II. Abfdiaß'ung beg ©iufaffireng non 
©elbern am Sonntage. — III. Turcbführung ber Veftimmung ber ©c* 
werbeorbnung über Sonntaggarbeit bei ben Labenfdjlädjtern, wonach 
am Sonntag nur brei Stunben gearbeitet werben foH. — IV. ©in* 
führung beg unentgeltlichen Arbeitgnadiweifeg unter 3)?itmirfung ber 
TOcifter unb ©efeflen; Trennung beg Arbeitgnachmetfcg non Schanf* 
ftätten; ferner Verlegung beg flünbiguuggtageg auf einen SBodjcntag. 

3ut Ad^tfttmbenbetoegttng in ©uglanb. 3m Sonboner ©raf* 
fcf)aftgrath hat U<h rin „Eight-hour Memorial Committee 44 foit* 
ftituirt. ©g oerfolgt bie Aufgabe, bie Achtftunbenberoegung mög* 
lidhft auggubehnen unb eiiijchlägigeg Snformationgmaterial gu 
fammeln. 

Tie Lohnbewegung unter ben Bergarbeitern bei frangöftfehen 
Aorbretrier*, non weicher mir in $r. 29, ©palte 796 berichtet 
haben, fcfjeint unter bem ©influffe bei ©treifg in ben benachbarten 
belgifchen SReoieren brohenbere formen angunehmen, alg eg nach 
bem gütlichen Uebereinfommen ber Unternehmer« unb Arbeiter« 
belegirten oom 13. April ben Anfchein hatte. Aug Vorig roirb 
uni barüber gefchriebett: Tie am 24. April in Leng abgehaltene 
Verfammlung ber ©eroerffchaften bei V°3 be ©alaig unb SRorb* 
bepartementi oerfagte jenem Uebereinfommen bie rücf^altlofe 3u* 
ftimmung. SRach ber Veridhterftattung beg Teputirten Vaglp über 
bie 3ufammenfunft 13. April, auf ber eine fünfprogeniige 
$rämienerht>hung oereinbart morben mar, erhoben bie Vertreter 
ber ©ruben oon ©ourriöreg heftigen 2öiberfprucf», ba ihre Arbeit* 
geber burch ein* SRebufiion ber Lohnfäße bie ^Srämienerhbhung 
tKuforifd) gemacht hatten, ©ie hielten eg barum für nothmenbig, 
auf ber urfprünglich oerlangten 20 progentigen Erhöhung ber 
Prämien gu beftehen unb ficb an ben belgifchen Augftanb angu* 
fcßlteßen, um fo eine internationale Bewegung gu fchaffen. $ad) s 
bem auch mehrere SRebner in ähnlidjem ©inne gefprod)en hatten, 
gelangte enblich Baglp mieber gu VBort unb oerfudjte, bie (Gefahren 
unb Opfer eineg allgemeinen Augftanbeg fcßilbernb, bie Bcrfamm* 
lung für eine gemäßigte ^ßolitif gu geroinnen. Sr fehle augein« 
anber, roie auf ber 3nfammenfuitft com 13. April bie Arbeiter* 
belegirten burd) unrichtige Aufhellungen ber Compagnien getäufcht 
rooroen feien. Ade ihnen oorgelegten unb ben Abmachungen gu 
©runbe liegenben 3ttf e ™ über bie burd)fdf)nittlid)en Löhne, bie 
burchfchnitthche ^robuftion unb Verfaufgpreife feien übertrieben 
gemefen. 3n einer fofortigen genauen Controle biefer Angaben 
waren bie Arbeiteroertreter nicht oorbereitet. ©ine nachträgliche 
Vergleichung mit ben beim Bautemntnifterium in Vorig einlaufenben 
Verübten ber Verroaltunggbehörbe habe aber ben $achmeig ge« 
liefert, bah Angaben ber Compagnien nicht ber Vkhrheii ent* 

fprachen unb bie Sachlage fo oerrüeften, bah mirflid) nur eine 
fünfprogeniige ^rämienerhÖhung moglid) fd)ien. 9fid)tgbeftoroeniger 
hielt Baglp ben Conflift für inopportun unb beantragte eine 
prooiforifche Annahme ber fünfprogentigen ©rhöhung unb eine 
SReoifion beg Abfommeng oom 13. April. Tie Verfammlung fcfjloh 
fich biefetn Anträge an unb fdjitfte einen Vrief an ben Unter* 
nehmeroerbanb ab, in welchem bie Arbeiter erflärten, in ©rmartung 
einer Veftififation ber Abmachungen oom 13. April auf ber Vafig 
ber thatfädjlichen Sohn* unb Vrabuftiongoerhältniffe bie fünf* 
progentige ©rhöhung angunehmen. Leiter mürben noch bie groei 
folgenben Vefolutionen gefaxt: Tie Unternehmer mögen fich oer» 
pflichten, jeben 3 a httag bie effeftiuen Sohuliften ben Arbeiter« 
belegirten uorgulegen, mährenb bie Arbeiter fich tnöglid)ft ber 
Ueberftnnben enthalten foflcn, um fo eine genaue Coutrole über 
bie ^robuftion unb Sohngahlungen gu ermöglichen. 3n ber 
gmeiten Vefolution mürbe bem iHinfche Augbrud gegeben, im 
Vi'onat Auguft einen neuen Congreg einguberufen, ber,' faßg bie 
.'oauffebewegung anljält ober fich 110C h me ^ r accentuirt, bie ber 
Situation entfprcchenben Sohumobififationen beftimmen folle. 


3lrbeiterfd)t»l$. 


Vorfchriften über bie Arbeitggeit in ^elreibemfth^tt. Auf 

©ruitb beg §. 120 e Abfah 3 ber ©eroerbeorbnuna hat ber Vunbeg* 
rath folgenbe Vorfdjriften erlaffen, bie am 29. April im „SfeichS* 
Angeiger" oeröffentlidjt morben fmb: 

1. 1. Sn ©et eibcmühlen ift ben ©ehülfen unb Lehrlingen inner* 
halb ber auf ben Veginn ihrer Arbeit folgenben oierunbgwangig ©tunben 
eine ununterbrodjene Auhegeit oon minbefteng acht ©tunben gu gewähren. 
SBerben bie ©ctieibemiihlen augfrfjlichlid) ober oorwiegenb mit Tampf* 
fraft betrieben, fo h at bie ununterbrochene Auljegeit minbefteng gehn 
Stunben gu betragen. Vei betrieben mit regelmähiger Tag* unb Aacht* 
fchicht fann bie Auhegeit an Sonntagen, an benen auf ©runb ber 
§§. 105e Abfab 1, 105f Abfah 1 ber ©cmerbcorbnung Aufnahmen oon 
ben im §. 105b Abfah 1 n. a. D. getroffenen Veftimmungen gugelaffen 
finb, infoweit befdjräuft werben, alg bie Turchfüfjrung beö wöchentlichen 
Schiebtwechfelg eg erforberlich macht. 

Auf ben ©etreibemühlen, in. beren betrieb augfchliehlt^ ©tnb 
alg Vetriebgfraft benuht wirb, finben biefe Vorfchriften feine An* 
wenbung. 

giir ©etreibemühlen, welche augfdjliehlich mit burch unregelmäßige 
SBafferfraft bewegten Triebwerfen arbeiten unb nicht mehr alg einen ©e* 
hilfeu bcfdjäftigen, fönnen burch bie untere Verwaltunggbeljörbe Aug* 
nahmen oon ber oorgefdjriebenen Aul)egeit an ^öchftenS fünfgehn Tagen 
im 3ah*e gugelaffen werben. 

2. Lehrlinge unter fechgeh« fahren biirfen in ©etreibemühlen aller 
Art nicht in ber 9iad)tgeit oon achteinhalb Ußr Abenbg big fünfeinhalb 
Ußr SWorgeng befchäftigt werben. 

II. Alö ©ehilfen unb Lehrlinge im Sinne ber oorftehenben Ve* 
ftimmuugeu gelten foldje ^?erfonen, weldje bei ber Vebienung ber SJfafjl* 
gange befdjättigt werben. Tabci gelten ^erfoneit unter feeßgehn 3ahrrn, 
welche bie Augbilbuna guut ©ehilfen nicht erreicht haben, auch bann alg 
Lehrlinge, wenn ein Lehroertrag nicht abgefdjloffen ift. 

III. Tie oorftehenben Veftimnutngen treten am 1. 3 u tt 1899 in 
Craft. 

VHt biefen ©chuhoorfchriften ift ber ©djlußftein in bie bereitg 
1893 begonnene ©nquete über bie Arbeitzeit in Oetreibemühlcn 
eingefügt. Tie bamit betraute Commiffion für Arbeiterftatiftif er* 
ftattete einen Vericht über ihre ©rßebungen ©nbe 3uni 1898, 
Vtitte SRooetnber beffelben 3ah^ machte fte ihre Vorfrage gur 
Regelung ber Arbeitggeit, bie im SLefentlichen ber jefet erlaffenen 
Verorbnung gu 63runbe liegen. 

©djufcoorfchrifteit für bie Arbeiter in ThomagfrhlacfemSRfih^ 11 * 

Auf ©runb ber §§. 120e unb 139a ber ©eroerbeorbnung hat ber 
Vunbegrath Vorfchriften erlaffen über bie (Einrichtung unb beit 
Betrieb geroerblicher Anlagen, in benen Thomagfdjladen gemahlen 
ober Thomagfdjladenmehl gelagert wirb. Tie Vorfdjriften betreffen 
gumeift bie thunlichfte Verhütung gefährlicher ©taubentwicfelung. 
©g wirb bie (Einrichtung abgefonberter Anfleibe* unb ©peiferäume 
oorgefd)rieben, bie im hinter erwärmt roerben müffen. Aud) 
5ßa|d)einrichtungen unb warme Väber werben oorgefchrieben. Tie 
Vefd)äftigung oon grauen unb jugenblicfjen Arbeitern in ben 
Väumen, in bie Thomagfchlade ober Thomagmehl eingebracht 
roerben, wirb oerboten. Tie tägliche Arbeitggeit roirb, augfdjließlidh 
ber Raufen, auf gehn ©tunben feftgefefct. ©g biirfen nur 
foldje Arbeiter befchäftigt roerben, bie nicht alg ©eroohnheitgtrinfer 
befanut fmb unb für welche ärgtlidj befcheinigt roirb, baß fte nicht 
an ^ranfßeiten ber Atljmunggorgaue leiben. Tie Vorschriften 
treten bereitg am 1. 3«li 3ü. in ^raft. VHr halten fie für ein 
fehr banfengroertheg Vorgehen auf bem ©ebiete beg Arbeiterfchußeg. 

©rütibe für faett gefeßltchett einheitUcheit &bettf^ttg* Tie 

bereitg in leßter Kummer erwähnte ©ingabe beg Teutfchen Ver* 
banbeg $taufmännif<her Vereine (126558 Vtitglieber, barunter 24781 
Vringipale) gum ©ntrourf eineg ©efeßeg, betreffenb Abänberung 
ber ©croerbeorbnuug, bringt für ben gefeßlichen allgemeinen 
8 Uhr*ßabenfd)luß folgenbe ©rünbe bei: 

3Kit ber aitgfdilteßlichnt ^eftfeßung einer 9fta£imalarbeitggeit ober 
einer SRinimalruljcgeit, weldie ber ©efeßeutwurf gur ©runblage ge* 
uominen hat, ift für bie größeren ©efd)äfte bie ©toglidjfeit ber ©in* 
führung eines Sdjidjtrocchiclg in ihrem "perfonal mährenb beliebig 
langer OJcfdjäftgfluiiben gegeben, ber ben hirrju nidjt befähigten Sil ein* 
betrieben mtb in erhöhtem 59Jaße ben gumeift mit noch bcfdjränfterer 
Arbeitgfrnft geführten Aileinbctrieheii eine erbriiefenbe Stonfurreng 
fchnffen muß. ’Jviir einen großen Theil biefer leßteren Betriebe, oon 
benen laut Vegrünbuiig beg ©efeßentwurfeg im gahre 1895 nicht 
weniger alg 350 572 gegenüber 284 037 ©chiilfenbetrieben beftanben, 
würbe alfo, währenb bie ©efepgebung anberweitig barauf Bebadjt 
nimmt, ihren Veftaub thuulidjft gu" fdjüßeu, eine erhebliche Sdjäbigung 
bie uuaugblciblichc Jolgc fein. 

Tie Abneigung gegen ben oon ber Mommiffiou für Arbeiterftatiftif 
oorgefdilagenen* allgemeinen Adituhrlnbeufrfiluß hat, wag auch bie Ve* 
griinbung beg ©efeßentwurfeg big git gcwijfem ©rabe anerfanut, in ben 



853 


Sogiale $ra£t3. ©entralblatt für Sogialpolüif. Nr. 81. 


854 


lebten Safjren bebeutenb nachgelaffen. Sie ift, rote bie jefct fd^ott in 
Dielen $f)etlen SübbeutfhlanbS gepflogene BrajiS beS 2abcnfd)luffeS 
unt 8 ober felbft 7 UI)r Beroeift, feineSwegS auf jroingeube ©riinbe 
gurücfgufüljren unb würbe unter entfpredjenber gefefelidjer Verpflichtung 
ebenfo rafd) fdjwinben, als bie nadj ©infi'thrung ber Befchränfung ber 
Sonntagsarbeit int HanbelSgewerbe vielfach geäußerte Ungufriebenheit 
ber ©efhäftSinfjaber, von ber gegenwärtig nur noefi gang vereingelt 
etwas gu vernehmen ift. Befonberen Bebürfniffen würbe überbieS burch 
HinauSfchiebung ber Sdjlufcgeit um 1 bis 2 Stunben an ben Sonn* 
abenbeit unb Borabenben ber ffefttage foroie in ben vom §. 139 d beS 
Entwurfes uorgefebetten gälten vollauf Rechnung getragen fein. 

Der einheitliche Sabenfchlufj bietet au&erbent ben feineSroegS gu 
unterfd)äfcenben Bortbeil, bafj er bie gegenfeitige Kontrolle ber 
©eftbäftsinbaber felbft gur golge fyat, wabrenb ©efejpibrigleiten bei 
©ewäbrung ber 3Ä in im a 1 ru hesei t r befonberS in ben gälten beS Sdjicbt* 
wedjfels, faum anberS als burdj Angeigen aus ber SRitte beS ^erfonalS 
gur ^enntniß ber Befjörbe lomnten fönnten. Solche Angeigen werben 
aber, wie bie ©rfafjrungen mit ber Sonntagsruhe gelehrt gaben, aus 
leicht begreiflichen ©ri'mben nur verfdjwinbenb feiten erftattet. 

Diefe ©rünbe aus Sntereffentenfreifen erfebeinen uns fo gu« 
treffenb, bafc wir von ber NeicbStagSfommiffion trofc beS Verlaufs 
ber fßlenar&eratbung immer nodb ben Borfcblag eines gefehlten 
allgemeinen LabenfdjluffeS — wenn nicht um 8, fo hoch roenigftenS 
um 9 Uhr — erwarten. Bon weiteren Hunbgebungen für ben 
obligatorifdjen Labenfdjluf} erwähnen wir eine Berfammlung von 
Bringipalen unb ©eljülfen in «öln, fowie eine eingebenbe, 
treffeno begrünbete Petition beS faufmännifchen unb gewerblichen 
HilfSoereinS für weibliche Angeftellte in Berlin, bie nadjbrücflicb 
barauf hinweift, bafe audh in ^ringipalfreifen bie 3<*bl der Anhänger 
beS einheitlichen ©efdjäftSfcbluffeS wächft. 

«ns lern SalpeSbmd)* ber Sabrifiufycftion für SNetmngen 
1898* Unter ben fleinftaatlichen SabrifinfpeftionSberichten ift, feit* 
bem ein Beamtenwecbfei ftattgefunben b fl t, einer ber betnerfenS* 
werthen ber aus ÜJletningen, baS befanntlid) eine fehr gro&e Sn* 
buftriebevölferung b a * nnb beffen Snbuftrie eine befonbere Be* 
achtung unb mannigfachen Schußes ber Arbeiter erforbert. Spiel* 
waaren*, ©IaS*, ^orjellan*, Farben*, Schiefer*, aber auch Deftil* 
unb Ntetaflinbuftrie finb im Hergogtbum Meiningen heimifch unb 
haben fchon öfters bie «ufmerf(amreit ber Sogialpolitifer auf fich 
gelenft. Der Bericht beS gabrifinfpeftorS für 1898 fagt uns, bafe 
203 Berichtigungen in 194 betrieben mit 11101 Arbeitern ftatt* 
efuitben haben, unb fonftatirt ber Beamte einen ftetig ft<h heben* 
en Berfebr ber Arbeiter mit ihm. (Sr fchreibt baS gu einem 
wefentlichen %$t\l bem Umftanb gu, bafj bie Arbeiter bemerften, 
bafj llebelftänbe, bie fie bem «ufftchtsbeamten berichteten, audh 
wirflicf) befeitigt würben. Berfcbiebene Klagen über bte Befdjäfti* 
gung Sagenbücher unb Hinber finb gwar burd) ©ingreifen ber 
gabrifinfpeftion befeitigt worben, aber es bleiben hoch noch welche 
übrig unb es hat bie Sdjulbebörbe fich auch mit ber Angelegenheit 
gu befchäftigen gehabt, weil man f^Pflichtige Hinber an freien 
Nachmittagen unb wabrenb ber Serien fo befdjäftigte, ba& Be* 
fürchtungen wegen beren ©efmtbbeit unb ©ntwicfelung Vorlagen. 
Da in ben betreffenben Snbuftriebegirfen theilweife viel £auS* 
inbuftrie unb Heimarbeit eingebürgert ift, wirb aber unfereS (Sr* 
achtens erft bann eine Befferuug eintreten, wenn auch biefe ArbeitS* 
gweige ber Snfpeftion unterbeut finb. Die grauenarbeit hat gu* 
genommen unb gwar ift bie 3af)i der Arbeiterinnen um 6 o/ 0 ge* 
wachfen, aber ba bie ©efammtarbeitergabl um 8 o/ 0 wuchs, fo ift 
barin ein SNifcoerbältnifg feineSwegS gu erfennen. Hingegen find 
eine Angabi von Uebertretungen in Begug auf grauenarbeit gu 
fonftatiren gewefen, unb gwar in 3i*f)cleten, in einer Accumula* 
torenfabrif, in Sarbenfabrifen unb einer 3äa^^a4 er fabrif. Sn 
^orgellanfabrifen fommen auch n0( ^ Arbeiten vor, bie als fchäblich 
gu erachten finb, bodj foHen foldje allmählich burch 3J?afd)inen* 
einrichtunaen unb veränberte ArbeitSmetboben befeitigt werben. Sn 
Sßorgeüanfabrifen mit auswärtigem Arbeiterperfonal finb auch über* 
füllte Schlafräume betroffen worben unb ift Abhülfe erfolgt. $)ie 
Bewilligung ber Ueberftunben für grauen laffen erfennen, bafe man 
fich mit bem gefehlten Schuh ber Arbeiterinnen eingerichtet hat, 
unb fo ift auch bezüglich ber Sonntagsarbeit bie fortfehreitenbe 
(Srfenntnife feftguftetten, ba& man in ber Spielwaareninbuftrie unb 
in ber Sonneberger Snbuftrie überhaupt fich gewöhnt hat, ohne 
jebe Sonntagsarbeit auSgufommen, fehr beachtenswert^ lieber 
bie ©ewerbegerichte in Sonneberg unb Saalfelb fpricht fich ber 
Bericht mit großer Befriebigung aus unb eS ift befonberS be* 
merfenSwerth, bah nian bem ©ewerbegericht mehr Bertrauen ent* 
gegenbringt als früher bem Bürgermeifteramt (ober bem Schiebs* 
mann), ber für viele gäüe guftänbig war, obgleich hoch auch iefct 
ber ©erichtSvorfihenbe ber Bürgermeifter ift. 


Abänderung der Schuhtwrfchriften für jugendliche Arbeiter in 
granfrcich. 2)urch befrei vorn 20. April, veröffentlicht im „Sournal 
officiel" vom 28. % April, wirb baS Bergeidjnih ber gefunbheitsfehäb* 
liehen unb gefährlichen Betriebe, welches bem befrei vom 13.9M 1893 
beigefügt war, bahin abgeänbert, bah bie Befchäftigung von Hinbern 
unter 18 Sah^n, bie bisher in gewiffen Nebenanlagen ber Schlacht* 
Ijäufer abfolut unterfagt war, ben Borfchrifteu über bie Schlacht* 
häufer felbft unterfteßt wirb, in benen nur bie Arbeit ber Hinber 
unter 16 Saften verboten ift. 

HandetSgehülfeufchuh in Aufträgen. SDie Legislatur von 
SBeftauftrafien (über Neufeelanb unb Biftoria vgl. „Sogiale 
Brafis" Sp. 792) hat im Dftober vorigen 3ah«S ein ©efefe be* 
fchloffcn, baS bie ArbeitSgeit ber Labenbebienfteten regelt. 3« ben 
Stäbten unb gröberen Drten müffeit bie Läben von 6 llhr Nach* 
mittag bis 8 Uhr früh geholfen bleiben, hoch fann ber Laben* 
inhaber ben Laben am Biittwoch ober Samstag bis 10 Uhr Nachts 
offen halten. Ausgenommen von biefen Beftimmungen finb blob 
Apotfjefen, gleifchhauerläben, Speifehäufer u. f. w., unb in ber 
Nahrungsmittelbranche bürfen bie Bebienfteten auch f<han vor 
8 Uhr BtorgeuS bie Arbeit beginnen. Sßeiter müffen bie Laben* 
inhaber ben Bebienfteten eine volle Stunbe für baS SWittageffen 
unb am Samstag auch Nachmittags eine Stunbe für ben Ztyt 
freigeben unb ebenfo wöchentlich einen halben Feiertag, grauen, 
jugenbliche Barfonen unb Hinber bürfen in Läben nicht mehr als 
48 Stunben wöchentlich (abgüglich ber NlahlgeitSpaufen) befchäftigt 
werben, ©igene Snfpeftoren finb mit ber Hontrolle ber 
Durchführung biefer Borfchrifteu betraut worben. 


Atbettemrmenrag. Sporhaffen. 


Stand der Hranfeuverftih^ruug itt Deutfchlaud 1897. Die gahl ber 
Hranfenfaffen im Neich bat 1897 22 477 betragen gegen 22111 im Bor¬ 
jahr. Die SNitgliebergahl hat fich erljöht von 7 944 820 auf 8 337 119. 
3m ©ingelnen hat bie 3aöl ber eingefdjriebenen §ülfSfaffen fich von 
1410 auf 1422 erhöht, bie SRitgliebergahl biefer «affen von 697 546 auf 
730 985. Die 3al)l ber SnnungSfranfcnfaffen wud|S von 566 auf 593 
mit 145 819 Bitigliebcrn gegen 132 08L im Borjaljr. Die 3 a hl ber 
Betriebs* Oabrif*) HranlenEaffen erhöhte fich von 6796 auf 6974, bie 
Bcitgliebergahl bafelbft von 2 032 475 auf 2 160 074. Die übrigen 
Haffen unb AUtglieber entfallen auf bie ©enteinbeverficherung, bie Drt$* 
laffen, bie Baufaffen unb bie lanbeSre«htlid)en «affen. Die ©innahmen 
aller «affen gufammen erhöhten fich von 155809833 M. auf 167810060 JK., 
bie Ausgaben von 109 722 770 M. auf 120 487 910 M. DaS Bermögen 
ber «affen wuchs von 107 856 665 M. auf 119 627 754 ^. Auf ein 
SRitglieb fielen 0,36 ©rlranfungsfäße, gegen 0,35 im Borjahre mit 
6,18 «ranfheitstagen, gegen 5,99 im Borjahre. Die «ranfheitSfoften be* 
trugen 14,43, gegen 13,8i im Borjahre. Unter Auberem betrugen bie 
Ausgaben für Aergte bei allen «affen gufammengeuommen 26 914 241 JC, 
gegen 24 818 242 *#. im Borjahre. 

Die Aufwendungen ber «nappfchaftS^BerufSgettoffeufchaft für 1898 

betrugen beinahe 10 SWiflionen HRarf. Nah Abgug ber 3infen beS 
NefervcfonbS [teilte fich bie Umlage auf faft 9 Millionen Bear! gegen 
8 Millionen im Borjahre, alfo l BUllion mehr. Die ©ntfdjäbigungen 
begifferten fih auf 9 BiiDionen SNarf; bie «often ber Unfaüunter* 
fudjuugen, ber geftfteHung ber ©ntfehäbigungen, ber SchiebSaerichte unb 
beS Heilverfahrens innerhalb ber erften 13 Vochen nach dem Unfälle 
betrugen runb 328 500 *#.; bie reinen BcrmaltungSfoften beliefen ftdj 
auf 395 900 Jt ober 4,5 % ber SahreSumlage. ©S waren 495 000 
burchfdivütlich befdjäftigte Bfrfwcn verfidjert, baS finb 26 000 mehr als 
im Borjahre. An Löhnen würben im ^aljre 1898 beim beutfehen Berg* 
bau 497 Niiüiouen B?arf gegahlt; biefe Summe ift gegen baS Saht 1897 
um 39* a Büüioneu SNarf geftiegen. Der Durd)fd)nittslohn ber Arbeiter 
hat fich (fit beut Befiehen ber UnfaDocrficherung gang erheblich ver* 
mehrt; währenb berfelbe im S^bre 1886 auf ben «opf ber Bcrfidjerten 
729,69 jl betrug, [teilte er fich für 1898 pro «opf auf 1003,90 je ©egen 
bas Borjahr h^t Üh der Durhfhmttslobn U m 28,is *#., gegen bas 
3ahr 1886 aber um 274 ,91 je für einen Arbeiter pro 3<*b r erhöht. Die 
Umlage beS 3oh re ^ 1898 beträgt burdjfdjuittlidj 1,78 % ber Sohnfumme 
unb auf einen Arbeiter berechnete fid; biefelbe gu 17 ,90 Jt 

AUevSderforgttng der ©ifenbahnarbeiter in Ungarn. Die 

ungarifhe Negierung h^t eine B en f l vnSnorm erlaffen, um eine 
AlterSverforgung ber 20 000 Arbeiter ber ungarischen Staatsbahnen 
burchguführen. Das ^ßcnfionöinftitut rechnet auf permanente 
20 000 SNitglieber, unb werben aueb jene AngefteUten ber ungari* 
fdjen Staatsbahnen, bie in Solge UeberalterS, ober als nur pro* 
viforifh AngcfteUte nicht Nütglieber beS BenfionSinftitutS ber 
ungarifdjeit Staatsbahnen fein rönnen, in bafjelbe eiitbegogcn. Die 
Benfionsberechtigung beginnt nach gehnjährigem ununterbrochenen 
Dienft bei ben löniglicf) ungarifhen Staatsbahnen. Die B c ”R°n 
wirb auf BaftS beS auf ein ganges 3ah r entfaEenben DaglohneS, 



855 Soziale $rajis. Eentralblatt für Sojicilpoliitf. Rr. 81. 856 


beziehnugSwcifc ©chaltes beS Beamten berechnet unb beträgt 35 % 
ber 3ah re *be$af)lung. $ie flöhe ber $enfion wächft nad) jebem 
weiteren Xienftjaf)re in prozentualem Berl)ältniffe. 93ei älteren 
Arbeitern wirb ein £f)eit ber bereits gururfgelegten Xienftgeit in 
bie 'pntfiou ohne Radjzahfang eingerechnet. Xie oolle ^enfion 
erhält ber Arbeiter nad) 36 jähriger Xienftzeit. ®ie ^enfionS* 
bered)tigung wirb auch auf bie Wütwen ber Blitgüeber, auf beren 
Kinber aber als ErziehuugSbeitrag auSgebehnt. Xüefe Bezüge 
fönnen jeboch nidjt 90 % beS Betrages überfd)reiten, bie baS oer* 
ftorbene Biitglieb z« forbern berechtigt wäre, Xie fleinfte 'peitfion 
ber Wittwe fann nicht weniger als 100 fl. per 3ah? betragen. 
£>ie Soften beS 3nftitutS tragen zur fiälfte bie ungarifd)en Staats* 
bahnen unb zur £älftc bie BHtglieber, jeboch fönnen bie Beiträge 
ber ^DHtalicber 4 % bcS BerbienfteS nicht überleiten. Xer 
^enfionSfonbS oerfügt bereits über ein Baarfapital oon 60 000 fl., 
baS aus ben oon ben föniglich nncjarifchen Staatsbahnen jährlich 
Zu ßaften beS ©efchäftSfontoS zu biefem 3mecfe bei Seite gelegten 
20 000 fl. befchafft würbe. 

3«r Srhulfparfaifetifrage in Englanb. Xie grofee erziehliche 
unb wirthfchafllid) e Söebeutung ber Schulfparfaffen weife man aud) 
in Englanb in einem immer fteigenben B?afee zu würbigen. Es 
befteheu bort nad) ben neueften Berid)teu für nahezu 10000 Schulen 
berartige taffen, beren Entwicflung allerbingS feineSmegS eine 
gleichmäßige ift. 3n einzelnen ©egenben wirb fehr geflagt, bafe 
bie taffen feinen Boben gewinnen fönnten, währenb man in 
atibercn wieberum überaus günftige Erfahrungen bamit macht, 
©anz befonberS glänzenb zeigt fid) bie Entfaltung ber SdEjulfpar* 
faffen in Blandjefier, alfo gerabe in einem ber wefentlicfeften 3n* 
buftriecentren. ES befteheu bort 132 einzelne Schulfparfaffen, 
welche aber wieber unter fich oereinigt finb unb einen gemeinfamen 
Bericht jebeS 3<*h r über ben Stanb herausgeben. XaS 3ahr 1898 
hat banach wieberum äufeerft oortheilfeaft abgefchloffen unb weift 
bem Borjahr gegenüber eine günftige Entwicflung auf. Xie 3 a *)l 
ber einzelnen Einlagefonten beläuft fid) auf 20 729; inSgefammt 
finb in beut 3uh re 16 955 £ 2 sh einbelegt unb 15 903 £ 19 sh 2 d 
zurüefgezogen. Xie Kapitalien werben oon bem Borftanbe oer* 
waltet unb fmb hauptfä<hli<h in oerfchiebenen Sicherheiten zu ©unften 
ber Einleger angelegt. Xer auf ben einzelnen Einleger entfaüenbe 
SDurchfd)iuttSbetrag hat fich wieberum gegen 1897 gehoben. 2C6* 
gefehen oom 3uhre 1896 war noch fein 3uh r währenb beS 
22 jährigen BefteljenS ber ©emeinfamfeit ber taffen fo giinftig als 
1898. |)eruorzuheben ift noch, bafe man in Englanb unlängft ben 
Berfud) gemacht hot, bie Schulfparfaffe in unmittelbare Berbuibuttg 
mit einem größeren Banfinftitut zu bringen; bie Banf hotte fich 
bazu bereit erflärt für alle biejenigen gäQe, in benen bie Einlage 
beS einzelnen KinbcS bie £>öl)e oon 10 sh erreicht hötte. Xer Ber* 
fuch h at fid) burchauS bewährt, inbem baS 3ntereffe ber fparenben 
Kinber nicht nur oollauf gewahrt, fonbern fogar oortheilfjafter ba* 
bei bcrücffichtigt ift, unb eS anbererfeits auch für bie Banf zu 
feinen llnzuträglichfeiten ober Schwierigfeiten geführt h Q t. Bfan 
nimmt bafeer jefet in Englanb mehrfach barauf Bebaut, eine ber* 
artige Berbinbung in bie Wege zu leiten. 

3Ubeitenad) niete. 

Broteft gegen bie Errichtung hon paritfttifdjen ArbeitSnadj* 
kneifen, ©egenben Eintrag ber Abgeorbneten S^oeficfe unb Dr.^achnicfe 
auf Errichtung oon paritätifd)cn ÄrbcitSnadjweifen hat ber ©efammt* 
oerbanb beutfeher BletaHinbuftrieHer eine Eingabe an ben Staats* 
fefretär beS 3nnern gerichtet, biefem Einträge nicht 3oIge Z u geben. 
Es h^ifet in ber Eingabe u. 21.: 

„Wir erbeben Einfprud) gegen ben Eintrag, weil burdj ein in feinem 
Sinne erlaffeues ©efefe, als ©nmblage für ben Arbcitsnndjmcis über* 
hnupt, ein Prinzip als? allein richtig auerfannt, gewifferniafecn legalifirt 
würbe, bas wir in Bezug auf oiibuftrie unb (bewerbe als burdjauS 
unridjtig unb nadühcilig, fowobl für bie Arbeitgeber wie für bie 'Arbeiter, er* 
fannt haben unb bas wir bafjer in ber oorerwaljutcu Beziehung mit 
aller Entfdjicbenbeit befnmpfen. Xieies 'Prinzip finbet in bem Verlangen 
Aiisbrucf, bafe bie Raubes*Ecntralbchörbc beredjtigt unb oerpfliditct 
werben fall, bie ©emeiubcu, bc,zw. weitere Mommimaloerbänbc anzu* 
halten, ?lrbeitsuad)weife zu crrid)tcn unb zu unterhalten, au bereu Ber* 
waltung Vertreter ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in gleicher x 3ahl 
unter bem Borüp eines Unparteiifdien betheiligt finb. 3n bem Einträge 
werben bie auf biefem 'priuzig erridjtctcn Arbeitsnadfweifc als ^gemein* j 
niipig" bargeftellt; fie befteheu bereits unter ber ^czcidinung „paritatifdje" 
ober „uuparteiifdic" Arbeitsnad)weife." Xic ('icutciunüpigfeit biefer ! 
ArbeitxMtachweife nermögcti wir in 'Bezug auf oubuftrie unb bewerbe j 
nidjt anzuerfeunen, beim fie finb geeignet, beren 'Beftattb unb weitere j 
Eutwidciung zu untergraben unb ju hemmen." 


X»aS ift ber einfeitige llnternehmcr*Stanbpunft, ber auf ber 
befannten llnternehmer-Konfcrenz 1898 in ßetpzig int fchärfften 
Sormulirung gelangte. 23crmuthlich mirb er bei ben oerbünbeten 
Regierungen feine Billigung finben. £>enn in einem Erlafe beS 
^anbelSminifterS unb beS SUiinifterS beS 3unern für $reufeeit oom 
8. 3Rärz 1898 wirb betont, bafe bie Regierung eine follegialc SSer* 
waltung beS 2lrbeitSnadjweifeS unter gleicfernäfeiger SBetheiligung 
oon Arbeitgebern unb.2lrbeitnehmern oerlange. llnb in 23apern, 
Saben, Württemberg finb bie Regierungen in gleicher Richtung 
längft mit praftifefeen Riafenahtnen, bie fich oortrefflid) bewährt 
haben, oorgegangen. 

X)er Eingabe ber beutfehen RietaEinbuftrieHen hol^tt wir ent* 
gegen, bafe ber herein ber llnternehmerbeififeer beS ©ewerbegericfetS 
Berlin am 25. April einftimmig befd)Ioffen feot, ben AuSfchufe beS 
©ewerbegerid)ts z« beauftragen, ein ©utadjten barüber abzufaffen, 
in weld)er Weife ein paritätischer 2lrbeitSna^weiS in Stalin gu 
ermöglichen unb z u förbern fei. X?afe aud) ber 40 grofee Unter* 
nehmeroerbänbe umfaffenbe EentralauSfd)ufe faufmännifcher, ae* 
werblicher unb inbuftrieHer Vereine fich gruiibfäfelid) mit aller 
Entfchiebenheit auf ben 23oben beS paritätifcheit ArbcitSnadjweifeS 
aefteüt hat, ift feiner 3 e ^ in her „Sozialen fßrafiS" (So. 288) 
berichtet worben. Wir oerweifen audb auf bie unten folgenbe 
Rotiz übet ben Arbeitsnachweis im ^Berliner Sraugewerbe unb 
auf bie Ausführungen auf Sp. 842 biefer Rümmer. Rton erfiebt 
fchon aus biefen paar SBeifpielen, bafe auch in Unternehmerfreifen 
ber paritätifdje Arbeitsnachweis warme greunbe hat. 

$er ArbeitSnachttetS bet znnt „fkrdtt bet ßtatteteieit öetliuS mtb 
Umgcgenb^ gehörigen f&rmtmtn hat 1898 nad) feinem oom Kuratorium 
beS ArbeitsuadiwcifeS (Dbmantt Dr. ^reuub) erftatteten ©efcfeäftsbericht 
5996 Stelluugsfudjer in feine 2ifte eingefd)iielieu, barunter 987, bie oon 
aufeerl)alb jugercift waren. Xurd) ben Rad)weiS finb ooriibergehenb 
2612, feft 1567, znfammen 4176 'Arbeiter eingcftellt, wieberum eine ^er= 
mehrung ber Xhätigfeit gegen bie Vorjahre (ocrgl. „Soziale prariS" 
VII. Sahrgang Sp. 633). 3cöe Brauerei hat bas Rcd)t, ohne Benupung 
beS ArbettsuadjweifeS einen nad) bem 'Perfoualbeftanbc beS unmittelbar 
oorhcrgchenben Kaleuberjahres bcrcdjucten Prozentfafe ihrer Arbeiter 
eiiijuftcUen. 2luf ©ritub biefer Bcftimmungcn, furz ansgebrüdt: „auf 
prozentfafe" würben nur 270 Arbeiter eingekeilt, b. h- l‘^7 weniger, als 
ohne Konoentionalftrafe zuIaffig gewefen wäre. Aus fonftigen erlaubten 
©riiuben würben 59 Blaun ol)nc Bermittlung beS 2lrbeitSnadjweifes 
eingeftellt. 

Xic Aufnahmefarte, weld)e ftatt fonft üblicher Bücher benüfet wirb, 
ift burch 'Anfügen einer Kontrolfarte erweitert. Xie Safeungen beS 
2lrbeitsnachweifcS haben 'Abänberungeu erfahren, wobitrd) bie Benufeung 
erleichtert ift unb insbefoitbere oon ber früher obligatorifdjcn Beibringung 
eines SehrzeugniffeS abgefeljen werben fann; Arbcitszeugniffc fönnen 
feine Stelle oertreten, fv^nicr füllen bie Bizefteflen (oorübergehenbe 
?lrbeitsftellen oon längftens 14 tägiger Xauer) lünftig fämmtlidjen im 
ArbcitsuadjweiS Eingetragenen berart augeboten werben, bafe einem 
Arbeitnehmer, welcher bereits eine BizcfteUe burch ben 2lrbcitSnadiweis 
erhalten hat, eine zweite BizefteHe erfi wieber anzubieten ift, tiachbem 
fämmtlid)en im 'Arbeitsnachweis eingetragenen Arbeitnehmern berfelbeit 
©ruppe eine Bizeftcllc angeboten ift. 2lrbeitnel)mern, welche nicht 
minbeftenS uuuntcrbrodjeu oier Wochen im ArbcitsuadjweiS eingetragen 
finb, ftcl)t ein Anfprudj auf Anbietung einer Bizeftclle nicht z u - ^amii 
foH mamtigfad) heroorgetretenen Ucbelftäuben uorgebeugt werben, lln* 
befdjabet ber llncntgeltlidjfeit biefcs unpartciifdjen gemeinfamen ArbeitS* 
nachweifcS oon Arbeitgebern unb =ncl)mern finb Kontrolgebühren ein* 
geführt, bereu Bebeutung Dr. greunb in ber Anmeldung auf Sp. 805 
biefer Blätter bcfprochen hat. Xic Koften, welche oom Bcreiit ber 
Brauereien beftritten werben, haben fich 1898 auf 10651,65 Jl gefteigert. 

ArbeitSttachloeife für lattbltc^e Arbeiter in ^rettfeett. Xer 9Rinifter 
ber öffentlichen Arbeiten hat ben einzelnen SaitbwirthfdjaftSfammern, 
wcldje 2lrDeitsuad)weife für Jänblicfje Arbeiter eingeridjtet haben, bie 
Bcfanntmadmng nnb Empfehlung ber Radjweife burch Aushänge auf 
ben Eifenbahnftationen, jebodh nur innerhalb beS einzelnen Kammer* 
bezirfs, gegattet. 

ArbeitSbermttte(ungS«Statifttf in Cefterreich* Aus Wien wirb 
uns oom 30. 21pril getrieben: 3m arbeitsftatiftifchen Amte 
finbet am 2., 3. unb 4. B?ai bie bereits in ber oorlefeten Sifeung 
bes ArbeitSbeiratheS angefüubigte Enquete ftatt, weld)e einer 
periobifch z« publizirenben 2lrbeitsoermittluugS*Statiftif ben Boben 
ebnen fotl, bie zur EJetoinming oon praftifd) brauchbaren Auf* 
fdjlüffeit über baS öunftioniren ber 2lrbeitSoermittelung in SDefter* 
reid) unb über ben wed)felnben Staub oon $lngcbot unb Rad)frage 
auf bem 'ArbeitSmarfte bienen fötinte. Beigezogeit zur Enquete 
werben Bertreter ber bereit beftehenbeit Kategorien oon ArbcitS* 
nachmciSauftaltcn, als ber öffcntlid)eu, burd) ßätiber unb ©e* 
meiitben unterhaltenen, ferner ber oon ©euoffcnfd)afteu unb Ber* 
einen getroffenen ArbeitSnad)wciScinrid)tungen, enblid) ber gewerbe* 
mäfeigen Xienft* unb StcÜenoermittler; aufeerbem würben auch 



857 


©ogtole BrajtS. ©entralblatt für ©ogialpoltttt. Shr. 81. 


858 


mehrere benrorragenbe inbuftricllc Bereinigungen eingelaben, $)e* 
Iegirte 311 entfenben, unt bie Bebürfniffe ihrer Streife binficbtlicb 
ber mit $ülfe ber geplanten Statiitif gu geroinnenben Bericht» 
erftattung über bie ßage beS ArbeitSmarfteS gurn AuSbrucfe 3 « 
bringen. 

Äommiraaler ArftcüSitadjtociS Ist dotier, Jer Stabtratb non 2)oocr 
bat befdjloffen, in ber Joron £>aH ein fommunaleS ArbeitSoermittlungS* 
Bureau einguridjten. 


©ctioflcnfd)aftjmie|eu. 


fjättfgtg Sfa^re bestifdjcS ©enoffeufchaftStoefeu. $aS Qabr 
1849 bebeutet einen 9föerfftein in ber ©efd)id)te beS beutfeben ©e* 
noffenfcbaftSroefenS. Qm Qabre 1849 grünbete Scbulge in feiner 
Baterftabt SDeltpfcb eine Äranfen* unb Sterbe.faffe, bie fid) non 
anberen berartigen Staffen baburd) unterschieb, bap jebe ©önner* 
fdjaft auSgefchloffen mürbe unb bie ©leichberechtigung oder ©it* 
glieber in ber ©eneraloerfatntnlung 3 um AuSbrucf fam. tiefer 
©rünbung folgte im $erbft bie Bilbung beS erfteit BobftoffoereinS, 
3 U bem fd) 13 ^ifc^Ier oereinigten. Bfi n 0ft cn 1859 traten 3 um 
erften ©al Abgeorbnete oon etroa 30 Borfchupoereinen in Weimar 
3 u einem BereiitStag 3 ufammen, nadjbem eine 3 u f amtncn ^ url fi m 
Bresben oon ber färtjfifc^cn Begierung oerboten morben mar. 3 U 
©eimar mürbe bie ©rridjtung eines ©entralbureauS unter Leitung 
oon (Schuhe befcbloffen, 31 t bem 3roecf, hie Berbinbung ber Ber* 
eine angubabnen, bie Äorrefponbeng mit ben Bereinen 3 U führen 
unb ein Drgan ber Borfchupoereine 3 U fetjaffen. Bur 3 roei Qabre 
blieb bie Berbinbung auf Ärebitoereine befebränft, bann bebnte fie 
ficf) aueb auf bie anberen ©enoffenfebaftsarten aus. Aus bem in 
©eimar gebilbeten ©entratbureau bat ficb ber Allgemeine Berbanb 
ber beutfeben ©rroerbs* unb ©irtbfcbaftSgenoffenfcbaften entmicfelt. 
©inen Blicf auf bie Stiftungen, tiefem Berbanbe geboren jept 
1544 ©enoffenfefjafren ber oerfdjiebenen ©attungen an, eS haben 
baoon 1416 ©enoffenfebaften 904 640 ©itglieber, benen biefe ©e* 
noffenfebaften an Ärebiten, ©irtbfcbaftSbebürfniffen u. f. m. ©ertbe 
im Betrage oon 1 869 640 275 <1/ in einem Qabre 3 ur Berfügung 
fteHten. Qene 1416 ©enoffenfebaften arbeiteten mit 125122 131 „tL 
©efebäft^gutbaben, 41 557 912 , //. Beferoen, 512 266 641 <1( 
fremben ©elbern. Unter ben 1416 ©enoffenfebaften befanben fieb 
924 Sirebitgenoffenfebaften mit 125 192 felbftftänbigen Jmnbroerfern 
unb 145 385 ßanbroirtben als BHtglieber, benen im Qabre 1897 
etroa 900 Millionen an Ärebit gemährt maren . 4 Bei 489 Äonfum* 
oereinen fauften 403 872 Berfonen ihre CebenSbebürfniffe, baruuter 
befanben ficb ca. 207 000 Berfonen, bie ben arbeitenben klaffen 
angeboren, bie bureb Be 3 ug ber Sßirtbfcbafts* unb ßebenSbebürf* 
niffe bei ben Äonfumoereinen ca. 5 BÜdionen Btorf ©rfparniffe 
er 3 ielten. Bon ben 31 bem Berbanbe angebörenben Baugenoffen* 
febaften mürben 82 £äufer, baoon 45 Raufer mit 333 BttetbS* 
roobnungen, erbaut. 

ÄonfmnPcreiti „CottoärfS" Ist $rr£ben. %n 1888 gegrünbete Äon* 
funtoerein BorroärtS JreSben ift am 31. Januar 1899 auf 17450 HJttt* 
glieber angemadjfen. Jm 3 ebnteit Jaljre feines BeftefjenS batte er einen 
ÜBaarenumfap oon über 4 l /a Millionen, bas eingrlne Shtglieb eine 
burcbfchnittlirfie JafjreSentnabme oon 248 JC. Beben SEaterialroaaren 
führt ber Bereut in feinen 23 Berfaufsfteflen BebarfSartifel überhaupt. 
£>rei Käufer, eine Äaffeeröfterei unb Butterfdjlägerei ftnb BeretnSeigen* 
thum. Auper bret BorftanbSmitg liebem befd)äftigt ber Berein 53 männ* 
li' e unb 132 roetblidje Angcftellte mit einem Aufroanbe oon jährlich 
176 024 . //. $)ie Berfäufcr erhalten monatlich bie Bertäuferinnen 
auperbem alle 14 Sage einen halben Jag frei, Jcber Slngeft Ute hat 
Anfprud) auf 5 Jage Sommerurlaub, J 11 ber Begelung ber Arbeits* 
oerhältniffe feiner Angeboten erreidit gleichmohl ber Berein noch nicht 
bie englifdjen, ja niefjt einmal beutfehe Borbilber, fo gut im Uebrtgen 
feine (Einrichtungen ftnb. Jie Antfjcile ber Oienoffen ftnb auf 20 
baS (Eintrittsgelo auf 60 9 {. feftgefept. Jie einge^ahlten Anteile be* 
laufen fid) am (Snbe beS lebten OiefdtäftSjahreS auf 250 107 M. J)er 
BeferoefoubS ift auf 42 500 M. gcioadifen, ein (ErmeiterungSfonbS oott 
44 333 ift ittimifchett audj juritefgelegt morben, cbenfo ein Olebäube* 
fottbs oon 5291 M. Jer Beingetoinit erhob fich beim lebten Abidjluji 
auf 319 000 . tt oott biefent murbett ca. 34ü(X) Ui. ben ermähnten 
^ottbS gut gebradjt, 2000 (L jur JiSpofitiott ber Glefammtoerroaltung 
geftellt unb eine Jioibenbe oon 7 % auSge^atjlt. Jie Jioibenben, bie 
nach SWafegabe ber SBaarenentnabme beredjnet toerbert, betrugen itt ben 
erften Jahren etma h ü „, haben ftdj jahrelang auf 6 l /*% gehalten, um 
jept auf 7 °,o 3 U fteigett. Sie gelangen 31 t Anfang beS SSinterS jur 
\nuS 3 ahlung, alfo gerabe bann, toentt .fteijuttg, SBeihnadjtSfeft unb 
Steuerpflicht an bett Beutel crpeblidjc Anforberungen ftellcu. 


Bloljiiuttgstarrni. 


SBobnttttgdbcrhSIttttffe ber Bebienfteteu nnb Arbeiter ber Babe* 
rifdjen Staats.ifenbabnen. hierüber bat im Aufträge ber Borftanb* 
feb ift beS Baherifcben ©ifenbabneroerbanbeS beffen Sefretär 3Rorifc 
Scbmib eine J)enffcbrift att bie Äammer ber Abgeorbneten aus* 
gearbeitet (Blüncben 1899). ©ie ©rbebung erjtrecft ftcb auf 
4056 SBobnuitgen in ber §auptfadhe aus bem red)tSrbeinifeben 
Batjeru, im ItnfSrbeinifcben Bagern ftnb dou 4000 gragebogen 
nur 74 ausgefüllt morben. Bon ben 4056 ©obttungSinbabern 
ftnb 544 Befiper eines eigenen ^aufeS, 8 Befiper einer Verberge, 
349 bähen eine SDienftroobnung, 2368 mobnen in dJtietbe, 25 Fa¬ 
milien unb 227 Bicbtoerbeiratbete in Untermietbe, 265 bei ©Iterit 
ober ©efebmiftern. Bon ben 544 $äuS<ben maren 88 ftarf raudjig, 
169 febr feud)t. 9htr 413 bähen georbnete Ahortoerbältniffe. 9tur 
242 jfamilien (45 %) bicroon leben in 3 ufriebenftellenben ©obnungS* 
oerbältniffen, 25o/ 0 bähen gerabe genügenbe, 30 0/ 0 ungenugenbe, 
überfüllte ©obnräume. 2 bis 7 B^rfonen häufen in einem 3 immer, 

1 bis 9 Bcrfonen in 3tntmer unb Äücbe, 2 bis 12 Bcrfonen in 

2 3immern 2 c. Bed)t fcblimm ftebt es um bie gafyl ber Betten. 
Bis 12 B^fonen begnügen ftcb mit einem Bett, 2 Betten für 
5 B^rfonen tnfft 3 mölfmal 3 U, neunmal bähen 6 B^rfonen 2 Betten, 
oiermal 7 Bcrfonen 2 Betten, fünfmal 8 Berfonen 2 Betten, 3 roei* 
mal bähen 9 B er f° nen 2 Betten, einmal bähen 14 B^fonen 

3 Betten. J)aS ©ob^immer mirb in 478 fallen gugleid) auch 
als ©dhlaf 3 immer benupt. Qm ©ob^immer fteben 1 bis 5 Betten. 
— Qn bett SDien ft roobnungen leben 12 , 32 % ber Sfamilien in 
ungenügenben ©obmäumen, 45,84% in eben genügenben. Auch 
hier öerrfefjt berfelbe 9Rangel an Betten. SDabei bähen eine Betbe 
ber J)ienftroobnungen fo grope SJtängel, bap eine periobifebe Be* 
oifon ber J)ienftmobnungen für notbmenbig erflart mirb. — Bocb 
fcbledhter ftebt eS in Öolge ber bob c n ©ieten hei ben 2638 ©ob* 
nungSmietbern aus, oon benen 1253 in ben Stabten, bie 
übrigen auf bem ßanbe mobnen. 25 SRietber bähen Aftermietber, 
163 einen 3i m nterberrn, 51 je 2 3imnterberren, 13 je 3. Qn 
168 ©obmtngen ftnb fämmtlid)e 3 *ntmer feucht, in meiteren 
730 ©Ortungen 1 bis 8 ©änbe. 554 ©obnungen ftnb rauchig, 
lieber Ungeziefer mirb oiel geflagt, ehenfo über ben ©angel an 
©aftbgelegenbeit unb Bebenräumlid)feiten. ®ie Abortoerbältntffe 
taffen in runb 1000 Qäden gu roünfcben übrig; in 23 Qäden mirb 
g. B. ein Abort oon 30 bis 40, in brei Qaden oon 40 bis 50 B 
foltert benupt. ©uteS Srinfmaffer fehlt bäapa. J)ie 3&bl her 
Berfonen, bie in ju roenig ©obnräumen häufen, giebt uns, rote 
bie folgenbe Tabelle geigt, einen erfebreefenben ©tttblicf in bie 
berrfebenbe ©obnungSnotb- ©S bemobnen: 


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45 

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1 

8 

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1 

1 

2 

86 

14 

167 

92 

19 

12 

28 

8 

3 

35 

27 

237 

176 

27 

18 

71 

9 

4 

34 

26 

236 

137 

44 

10 

57 

18 

5 

17 

10 

217 

124 

39 

11 

48 

15 

6 

12 

8 

109 

63 

19 

11 

26 

8 

7 

3 

1 

63 

25 

15 

3 

11 

6 

8 

— 

1 

24 

16 

6 

3 

11 

3 

9 

1 

4 

15 

9 

7 

— 

3 

1 

10 biS 15 

1 

— 

6 

6 

8 

1 

10 

1 


234 

88 

1075 

651 

184 

69 

266 

71 


1 1397 | 

! 885 | 

| 406 


$beilmeife ift auch übel angebrachte Sparfamfeit an biefen 
SKipftänben fcbulb. Aber bie ©obnungSmietbe bilbet einen roefent* 
lieben Beftanbtbeil ber QamilienauSgabe. Ueber bie ^älflc ber 
BUetber mup für bie ungenügenben ©obnräume 10 bis 25% 
ihrer fleinen ©innabme opfern. ®azu fommen noch mancherorts 
©afferjinS unb Äaminfebrergelb. 25 ©ifenbabnerfamilien mobnen 
in Aflermietbe, 227 ©ifenbabner ftnb 3inttnerberren, auch fie haben 
otelfacb febr gu flagen. Äurg: ein Biertel ader ©ifenbabner lebt 
in guten, ein Biertel in genügenben, groei Biertel in äuperft ge* 
funobeitsfcbäblidjen unb ftttengefäbrbenben Berbältniffen. Ueber 
bie ©rroerbstbätigfeit ber ©ifenbabnerfrauen, bie recht umfangreich 
ift, finb Angaben beigefügt. Als Bcittel gur Abljülfe mirb ber 
Bau oon Jlienft* unb Arbeiterroobnungen in größerem Umfange 
als bisher geforbert, unb gtoar als ftänbiger ©tatstitel, ferner bie 



859 


Soziale $rajt«. Ecntralblatt für Sozialpolitik Sr. 81. 


860 


fräftige Sörberung ber genoffenftßaftlicßeit Selbftßülfe jum Sau 
oon Arbeiterroohnungen unb eine zeitweilige Kontrole bcr Dienft* 
Wohnungen. Der Sagerifcße Eifenbahneroerbanb hat Saugenoffen* 
fdjaften zu grünben begonnen, oon benen bie erfte 700, bte zweite 
200 ^Bohnungen erfteden roid. Die 23 preußifcßen Eifcnbaßner* 
Saugenoffenfcßaften haben bereit« 233 Raufer fertiggeftedt unb 49 
begonnen; ihnen ftnb oon ber Arbeiter*Senfton«faffe ber preußifcßen 
Staatsbal;nen bereit« über 3 666 800^ al« 3, 3 Vs unb 3V2P*o* 

S itige Darlehen geroährt roorben. An bie prioaten Saugenoffen* 
aften, bei benen Eifenbaßner betheiligt finb, gab bie ^ßenfion«* 
faffe über 1 000 000 Jl an Darlehen. 

3<tr SBoßnuttgSfrage in Bonbon. Sei Sir §enrp Eampbed* 
Sannermann fpracß oortge SBocße eine Deputation be« .,Workmeu’s 
Housing Council 4 *, beftehenb au« Delegirten ber Sonboner ©eroerf* 
oereine, oor, um ihn für bie ArbeiterroohnungSfrage zu interefüren. 
Die Deputation führte Klage über bie Ueberfüdung ber Arbeiter* 
oiertel unb ^Bohnungen unb bie fteigenben Stietßpreife. Sie 
forberte bie Einrichtung eine« StiethzinSgericßlS, ba« nad) Stfufter 
ber irifdjen Sacßtgeticht«böfe bie Sttetßpreife feftzufeßen hätte; 
weiter foHte bie Regierung für bie SBoßnungen ber ftaatücß be* 
fchäftigen Arbeiter Sorge tragen unb ber ©raffcßaftSratß im Ad* 
gemeinen für bie genügenbe Sefchaffung oon billigen Arbeiter* 
roohnungen forgen; e« fodten um ganz Bonbon herum Arbeiter* 
roohnung«an!agen gefdjaffen werben. Sir £>enrp brüefte feine 
Sympathie mit ben SMinfcßen ber Deputation au«, hoch meinte 
er, er fönne faum entfpreeßenbe AbänberungSanträge zur London 
Government Bill im Parlamente oorbringen. 


d?jiel)!tttg unb fitlbung. 


$on«rofrthf#aftn^e Hntertoeifnng in ber SolfSfcßnle. 

3n Sr. 17 ber „Sozialen praji«" weift Stau ©eßeimratl; 
SBinbfcfjeib mit warmen Porten auf bie Sotßroenbigfeit hau«* 
wirthfchaftlicher Unterroeifung für bie Döcßter be« Solfe« hin unb 
richtet gum Schlup ihre« Artifel« an bie ftäbtifeßen Seßörben unb 
an ben Serein für ba« beutfehe SortbilbungSfcßulroefen bie Sitte, 
ber hauSroirthfcßaf Hießen Unterroeifung ber Stäbchen rege Auf* 
merffamfeit ju ftßenfen. Sie wünfeht, baß biefe Unterroeifung 
gänzlich oon ber Solfsfcßule au«gefchloffen unb in bie SortbilbungS* 
fcßule oerlegt werbe, unb fteUt zur Segrünbung ihrer Sorberung 
bem Unterricht, roie er in felbftftänbigen ^auSßaltungSfcßulen er* 
theilt roirb, ben neuerbing« in einigen Solfsfcßulen eingeführten 
hau«roirthfchaftli<hen Unterricht gegenüber. Dabei gelangt fie $u 
einem recht harten Urtheil über ben Scßulunterridjt, ber al« ein 
faft fpielenber, ganz unzulänglicher bezeichnet, bem jebe« praftifeße 
S^efnXtat abgefprochen roirb. 

Die ©rünbuna prioater gmuSßaltunggfcßuIen, roie in Sr. 17 
eine gefcßilbert wirb, ift ficßerlicß überau« ßo<ß 3 U fcf)äfecn. Denn 
burch prioate Unternehmungen ift bie Deffen Hieß feit juerft auf ba« 
befteßenbe Sebürfniß nach hauSroirthfcßaftlicßer Ausbildung hin* 
geroiefeu roorben; bie in berartigen Schulen gefammelten Erfahrungen 
haben roertßoode Singerzeige gegeben für bie äußere Einrichtung 
ber Scßulfücßen forooßl, wie für ben Ausbau einer fchulgerechten 
Stethobe. Biber ben oerbienftoollen Segrünberinnen foldjer Sin* 
ftalten roirb ganz gewiß in feiner Söeife zu nahe getreten burch 
bie Aitficßt, baß bie Aufnahme be« Unterricht« in bie Solfsfcßule 
einen großen Sortfcßritt bebeuten würbe, ben Anfang z u einer 
fcgen«rci<hen Umgeftaltung ber Stäbchenerziehung. 

Der Umftano, ber in Sr. 17 al« ein nur feßeinbarer Sortßeil 
bezeichnet roirb, baß in ber Solf«fchule ber Unterricht obligatorifcß 
fein unb babureß öden Schülerinnen zu ©ute fommen würbe, ift in 
2Baf)rbeit gar nicht hoch genug anzufcßlagen. Denn bie prioaten 
£>au«haltuugSfd;ulen fönnen an bie Greife, Denen hauSroiribfchaftlicße 
Unterroeifung am adernöthigften ift, gar nicht heranfommen. Sie 
werben, nach ben Erfahrungen, bie in Dre«ben unb uieleit anberen 
Stäbten gemacht roorben ftnb, zumeift oon ben Töchtern fleiner 
Seamten, fleiner ©croerbtreibenben unb beffergeftedter Arbeiter be* 
fucht; bie Pächter folcher Samilien, in beiten Kartoffeln, gering, 
Kaffee unb Suttcrbrot bie einzigen SaßrungSmittel finb, fommen 
in biefe Schulen nur in ben fcltenften Süden, benn ihre Serßäli* 
niffe zwingen fie, fofort nach ber Sdjulentlaffung in« Erwerbsleben 
einzutreten, unb wenn fie nicht gliicflid;crroeife einen Dienft an* 
nehmen, wenn fie, wie e« Dielfad; gefchiel;t, au« ber Schule un* 
mittelbar in bie Sabrif übergehen, fo bietet fith ihuen roährenb 
ihrer ganzen Sugeubzcit feine einzige ©elegenheit, oon ber Sühnung 
eine« orbcittlicßen £>auSßalt« etwa« zu erfahren. DauSroirtßfcßaft* 


lieber Unterricht in ber Solfsfcßule würbe fie nicht $u frühzeitig 
in« Seruf«leben brängen, roie Srau ©eheitnrath SBiubfcßeib be* 
fürchtet — ift e« hoch ohnehin bie Segel, baß bie Solfsfcßülerinnen 
gleich nach ber Schulentlaffung einen Erroerb fuchen — er roürbe 
ihnen aber bie roießtigften hauSroirthfcßaf Hießen Kennhtiffe in« Beben 
mitgeben. 

Denn fo burchau« ungenügenb, roie ber hauSroirthfcßaf Hieße 
Unterricht im Sahnten ber Solfsfcßule nach ber Darftedung in 
Sr. 17 erfeßeinen fönnte, ift er boeß nicht. 3uuäcßft finb e« nicht 
40 bi« 80 Schulftunben, bie ihm geroibmet werben, fonbern 40 
bi« 80 Sor* ober Sachmittage, affo 160 bi« 320 Schulitunben 
jährlich- Serner ift ba« ihm gefteefte Sehrziel nicht nur ba« Stochen, 
oerbunben mit theoretifchec Unterroeifung, fonbern bie Siäb^en 
lernen, genau roie in ber $au«haltung«fchule, „oom S^uermachen 
an, ade ©efchäfte, welche bie Seforgung ber £üd)e mit ficb bringt 
unb werben zur größten Sauberfeit im Seinhalten ber ©efäfee unb 
be« Sufeboben« angehalten". Sie pufcen Sanfter, Sieffer, Siech, 
Steffing unb Stupfer; fie fegen, roifchen unb fcheuern genau roie in 
ber §au«haltung«fchule; fte befifcen im Sldgemeinen bie förperliche 
fieiftung«fähigfeit z u biefen Arbeiten unb fmb zumeift auch fchon 
Zu §aufe geübt. Qn manchen Solf«fchulen (Staffel, Karlsruhe), 
tragen fie auch bie Sereitungsroeife ber ©erichte in ein Such ein 
nebft Hngabe ber Stoften für bie 3uthaten. Sn anberen (Ghemnih, 
©lauchau) ift ber 3 c iterfparnifj wegen ein gebruefte« Behrbuch mit 
Kochrezepten eingeführt; hoch führen bie Stäbchen ba roenigften« 
ein Ausgabenbuch unb lernen babei auch, »nach ben Serhältniffen 
fich einrichten, lernen berechnen, roie bie theuren Speifen am Eitbe 
ber 2Socf)e (be« Stonat«) mit ben bidiaen fid) au«gleichen." 
Enblich müffen fie auch bie Küchenroäfche felbft roaftben, fpülen, 
aufhängen, legen, roden unb fchabhafte Stücfe au«beffern. Ader* 
bing« fann bie Söäfchebehanblung naturgemäß in ber Schule feine 
fo große Sode fpielen, roie in ber felbftftänbigen §au«haltungS* 
fchule; e« muß genügen, baß bie Stäbdjrn bie einfachsten £>anb* 
griffe beim ©afchen fennen lernen. Die grünbliche Unterroeifung 
tm AuSbeffem ift Sache be« #anbarbeit«unterricht§, bei bem ja 
erfreulicßerroeife mehr unb mehr Sßerth auf praftifepe Au«ge[taltung 

« roirb. Daß bie Sehanblung ber ^iätt* unb Stärfroäfche in 
olfsfdjule ganz fortfaden muß, bürfte bei ber Seurthetlung 
be« bauSroirtbfd)aftlichen Unterricht« in ber Solf«fchule rool;I faum 
in« ©eroicht faden, wenn man bebenft, baß feine 3^ h^r hoch 
roefentlich anbere ftnb, al« bie einer felbftftänbigen £au«baltuitgS* 
fcßule. Beßtere roid fertige Dienftboten au«bilben, bie Solf«fchule 
aber roid feine ^JerufSbtlbung geben; fie roid ben Stäbchen oor 
aden Dingen bie roichtigften Keuntniffe ber Ernährungslehre oer* 
mittein, rotd ben in ben naturroiffenfd^aftlichen Stunben behanbelten 
Stoff in feiner Sebeutung für« praftifeße Beben ihnen oerftänblich 
machen, roid fte zur Sauberfeit, Umficht unb Dreue im Kleinen 
erziehen, fiuft unb Siebe zu ben befonberen Sflidjten ber £>au«frau 
unb eine Ahnung oon ber h°^n Serantroortltchfeit be« §>auS* 
frauenberufe« in ihnen erroeefen. 

©eitergehenbe 3i^ e mürben bem hau«roirtl;fchaftlichen Unter* 
rieht aber auch bann nicht geftedt werben fönnen, wenn er au« 
ber Solf«fd;uIe in eine obltgatorifche 3ortbilbung«f«huIe oerlegt 
roürbe; benn nach ben Erfahrungen, bie bi« jeßt mit ber Au«* 
breituitg ber 3ortbilbung«fchulpfIid)t gemacht roorben finb, ift roohl 
faum zu erwarten, baß in abfehbarer 3 e rt in obligatorifchen Sort* 
bilbungSfchulen bem l;au«roirthfd)aftlid;en Unterricht fooiel 3eit zur 
Serfügung ftehen wirb, roie in felbftftänbigen §au«haltung«fd;ulen. 
Sinb hoch bi« jeßt nur einige fübbeutfeße Staaten zur Einführung 
ber 3ur!bilbungSfd)ulpflicht für Stäbd;en gefeßritten, Sacßfen hat 
fte ben einzelnen Scbulgeuieinben freigeftedt mit ber Seftimmuitg, 
baß bie Serpflid;tuitg z u ^ ^h^dnahnte fieß nur auf einen zmet* 
jährigen KurfuS mit zmei roöcßentlidjen UnterricßtSftunben erftreefen 
fod; im Banbe aber ift oon biefer Erlaubniß faft gar fein ©c* 
brauch gemacht roorben. Den oiel adgemeiner oerbreiteten unb 
länger befteßenben Knabenfortbilbung«fd;ulen ftnb in ber Segel 
oier bi« fecß« Scßulftunben roöcßentlid) zuertheilt; ift ba nießt an* 
Zunehmen, baß oier bi« fecß« Stunben roödjentlicß aueß ba« .Spöcßfte 
fein roirb, roa« zunäcßft für obligatorifcße Stäbcßenfortbilbung«* 
fcßulen erreicht roerbett fann? Auf biefe paar Stunben aber 
maeßen neben bem hauSioirthfchaftlicßen Unterricht nod) oiele anbere 
Säcßer Anfprucß unb mit oodem Sed^t. 

E« roirb nötßig fein, beit Stäbcßen in ber SuAbilbungSfcßute 
(Gelegenheit z u beruflicher AuSbilbuna für ben Kaufmann«* unb 
©eroerbeftanb z u bieten. E« roirb aber eben fo bringenb nöißig 
fein, in ber Sortbilbungsfcßulc Saum zu feßaffen für eine weitere 
allgemeine geiftige Anebilbuitg unb fittlid; religiöfe Seeinfluffung 
ber jungen Stäbdjen. Skttn iit Sr. 17 oorgefcßlagen roirb, ent* 



Sogiale SßrctfiS. Centralblatt für Sogialpolitif. Br. 81. 


862 


861 


begliche Untercid)fdfiunben lieber 311 m ßefen guter Schriften ald 
gmn ^auSroirt^f^aftlid^en Unterricht gu oerroenben, fo mu& bem 
entgegengehalten werben, bafj bie rechte 3 c ü gur weiteren Etn- 
führung in bie gciftigen Schäfte bed beutfcften 95oIfeS bie 3^ ber 
gortbilbitngSfchmjahre ift, bad 2llter, wo bie größere geiftige Steife 
ber SJtäbchen ed ermöglicht, ihnen Sachen gu bieten, bie in ber 
Bolfdfdjule noch nicht mit Berftänbnift gelefen werben fönnen, unb 
wo gugleich eine forgfältig gewählte unb geleitete ßeftiire ein 
©egengewirf)t bilben fann gegen ben £>ana gum $ufc, gur ©enuft- 
fucht, 311 m Öeichtfinn, ber fich in ben gefährlichen fahren nach ber 
Schulentlaffung fo oft entwicfelt. ©0 wäre fef?r bebauerlid), wenn 
burch ausschließliche Verlegung bed haudwirthfchaftlidjen Unter¬ 
richte in bie gfortbilbungdfchule bie 3 «t, bie gur Vertiefung ber 
Mgemeinbilbung fo nötftig ift, gu ©unften ber rein praftifchen 
Sludbilbung bort befchnitten werben follte, wenn bie fünftige 
3Räbchenfortbilbungdfd)ule baburch gu einer bloft praftifchen Hnftalt 
gemacht würbe, beren Einrichtung in ben 5Ääb<hen bad ©efüftl er- 
wecfen müftte: „B3enn wir mit 14 3ahren bie Schule oerlaffen, 
ift bad ßernen abgethan, bie Sucher werben bei Seite geworfen, 
unb ed wirb blofj noch ßefocht, gewafd)en, geflicft unb ©elb oer¬ 
bient." 

£>a erfcheint ber 3öeg, ber in 9Mn<hen eingefd^Iagen ift, bodfj 
empfehlenSwerther, inbem er gugleich eine grünbliche praftifche wie 
eine weitere geiftige Sludbilbung oerbürgt. Sn Batjern befiehl be- 
fanntlich nur fiebenjährige Schulpflicht, bie Stäbchen oerlaffen bie 
Schule alfo mit 13 Sahnen. $)ie Stabt München aber h®t 
8 klaffen eingerichtet, ben oberften klaffen ber fiänber mit achtjähriger 
Schulpflicht entfprechenb. Sn biefen achten Eiaffen h a ^en oie 
3Räbd)en neben 20 anberen Schulftunben 8 Stunben $audhaltungd» 
funbe, 4 Stunben rein theoretifch, 4 Stunben praftifch in ber 
Schulfüthe. Sluf bie achte Eiaffe folgt noch ein Sortbilbungd- 
fchuljahr, bad neben theoretifcher #audhaltunadfunbe fjauSmirth* 
fdjaftliched Rechnen, ®eutfch unb bie Elemente oer Ergiehungdleftre 
bietet. SRäbchen, bie bie achte Eiaffe nicht burchmachen wollen, 
müffen bie gortbilbungdfchule brei Sahre lang befuchen. Sie 
haben bann im erften 5ortbilbungdf<huljahr nur alle 14 Xaae ein¬ 
mal Unterricht in ber Scfjulfüche, in ben beiben folgenben Sahren 
nur tbeoretifchen ftaudhaltungdunterricht. So geigt bad Seifpiel 
oon B?ünd)en, bafe bem in bie Bolfdfdhule eingeglieberten hauS- 
wirthfchaftlichen Unterricht oiel mehr 3eit gu ©ebote fteht, als bem 
auf bie gortbilbungdfdjule befchränften, unb ähnlich würbe fich 
bie Sache wohl überall geftalten, wo man bei Einführung ber 
obligatorifchen gortbilbuitgdfchule neben händlicher Sludbilbung 
noch anbere 3 *ele ind Sluge faftt. 

3>afj ber haudwirthfchaftlijhe Unterricht aber auch int fchul- 
pflichtigen Silier fchon fegendreidf) wirfen fann, bafür fprechen be¬ 
reits eine gange Steife günftiger Erfahrungen. $>ie 13- bis 
14jährigen SRäbchen — bad fei gum Schluß noch gang befonberd 
betont — betrachten ihre ^hätigfeit in ber Schulfüdje nicht ald 
eine Spielerei, fonbern geben fich ih r mit groftem Ernft unb Eifer 
hin, erfaffen fthneU unb gelangen währenb ber $>auer eined Eurfud 
gu einer gang erfreulichen Sicherheit unb Selbftftänbiafeit in häus¬ 
lichen ©efdjäften. Bod) nachhaltiger aHerbingd würoe ber Unter¬ 
richt wirfen, noch eingehenber fönnte er betrieben werben, wenn 
überall, wie in München, bie obligatorifche Sortbilbungdfdhule 
(Gelegenheit böte, bad ©eiernte gu befeftigeit unb gu erweitern, 
©arutn follte bie fiofung nicht lauten: „$)er h a n§mirthfchaftliche 
Unterricht mufj aud ber Volfdfchule in bie portbilbungdfchule oer¬ 
legt werben," fonbern: „$>er haudwirthfchaftliche Unterricht gehört 
fowohl in bie Solfdfchule wie in bie Sortbilbungdfchule!" 

3)redben. Srangidfa Dhneforge. 


Obltfl atm-if dje gortbilbnitfldfdjtile in Blagbebttrg. Stm 13. Slpril ge¬ 
nehmigten bie Bfagbeburger Stabtoerorbneten bie Errichtung einer obli¬ 
gatorifchen faufmäunifcben gortbilbungdfchule (Berichtcrftatter bed Schul- 
audfdjuffcd war ber um bie görberung bed gefammteu gortbilöungdfchul- 
wefen Ijodwerbiente Stabtuerorbnete Sombart), fowie Befoluttonen, 
worin bie Berfammlimg fich bamit einoerflanben erflärt, baß ber 3J?agiftrat 
bad Drtdftatut für bie allgemeine gewerbliche obligatorifche gortbilbungd- 
fdjule nicht früher publigirt unb bie Schule eröffnet, ald bid bie ftaat» 
liehen Befjörben fid) bereit erflärt haben, bie Hälfte ber burch bad Schul¬ 
gelb nicht gebeeften Soften (erflufioe Beleuchtung, Neigung unb totale) 
für bie Schule gu tragen, ben ^agiftrat crfiufjt, auf biefem Stanbpunfte 
gu oerharren unb alle für ihn möglidjen Sdjritie gu thun, um bie all¬ 
gemeine gewerbliche obligatorifche §ortbiIbungdfchule in Btagbeburg auf 
biefer ©runblage balbigft gur Durchführung gu bringen, unb bie oor- 
Iäufige gortführung ber fafultatioen gortbilbungdfchule billigt, gn ber 
Berhanblung würbe manches bittere SBort gegen ben ginangminiftcr 


Dr. 0 . SKiquel laut, beffen Berhalten in ber grage bed Staatdgufchuffed 
bie Bergögerung ber Einführung einer pflichtigen allgemeinen gort- 
bilbungdfchule oerfchulbe. 


CUetorirdje ^njelgett. 


I. trab Brof(hären. 

Efdjwege, fiubwig, ^rioilegirted Spelulantenthum. Ein Beitrag gur 
$ppothefenbanffrape. ‘i. Auflage. (Sogiale Streitfragen. Bei¬ 
träge gu ben Eäntpfen ber ©egeitwart. §eraudgegeben oon 
Slbolf 2>amafdjfe. §eft 5.) Berlin, S. §arrmifc 9?ad^f. 23 S. 
Breid 50 &f. 

Sieghart, Dr. Siubolf, $ie öffentlichen ©lücfdfpiele. SSien 1899, 
Bfang’fche E. unb E. §of-Berlagd- unb Uuioerfitätdhanblung. 
411 S. 

Bteper-Btarfau, $&., Sogialbemofratifche Sagfobfchriften. (Samm¬ 
lung päbagogifdjer Borträge, ^eraudgegeben oon SBilh- SReper- 
Btarfau. XI. Bb. ^eft 12 .) Bonn, 5 - Soennecfend Berlag. 
36 S. $reid 60 

Jahrbücher für 9lationalöfonomie unb Statiftif. ©egrünbet 
oon Bruno $ilbebratib. §eraudgegeben oon $rof. Dr. J. Eonrab 
in Berbinbung mit $rof. Dr. Gbg. Öoening unb Brof. Dr. 933. Serid. 
III. golge. 17. Bb. 3. unb 4. |>eft. 3*na 1899, ©uftao gifc§er. 
Monatlich erfcheint ein §eft, fed)d $efte bilben einen Banb. 
Breid bed Banbed 15 M., eined eingelnen §efted 8 M. 

Le Mouvement Socialiste. Revue bi-mensuelle internationale. No. 6. 
Avril 1899. Paris, Georges Bellais, 17 rue Cujas. Prix de 
l’abonnement: France et Belgique un an 8 fres., Exterieur 10 fres.; 
le Numero: France et Belgique 0,40 fres., Exterieur 0,so fres. 

L. Vigouroux, la concentration des forces ouvri^res dans PAmerique 
du nord. Bibliotheque du Mus4e Social. Paris. Colin & Cie. 
1899. 4 frs. 

$)ad oorliegenbe Buch ift bad Ergebnis einer Bliffton bed Must'e 
Social unb fchilbert monographifch bie Crganifationeit ber Arbeiter in 
ben Bereinigten Staaten. 

E. Martin Saint-Leon, les anciennes Corporations de metiers et les 
syndicats professionnels. Paris. Guillaumin. 1899. 

$)er Bibliothefar bed Musee Social giebt in biefer Brochüre, aud 
einem Bortrage fjeroorgegangen, einen 2ludgug aud feinem im gleidjen 
Berlage erfchienenen größeren SBerfe über bie ©efdjichte ber 3ünfte in 
granfreidj. 

B?ühlbred)t, 0tto, Ueberfnht ber gefammten ftaatd- unb rechtdwiffen- 
fchaftlichen fiitteratur bed Jahred 1898. XXXI. Jaljrg. Berlin 1899, 
Buttfammer & SRühlbrecht. 274 S. Brriö 6 Jt. 

Revue politique et parlamentaire. .^eraudgegeben oon SKarcel 
gournier. Barid. Eolin & Eie. 

Slud ben Bttirg» unb Slprilheften citiren wir bie folgenben ?luffä&e 
fogialpolitifdhen Jnhalteö: Mauchez, l’impot general sur le revenu; 
Guillot, la Suppression des octrois; Mathorez, les associations ouvrieres 
de production en France; grau üilp Braun-©igi)di, le mouvement fe- 
ministe en Allemagne; Merlin, la participation des ouvriers aux b4n£fices 
dans Pindustrie; Fontaine, revue des questions ouvrieres; ferner bie 
Ghronif bed parlamentarischen Sehend in granfreidj unb im Sludlanbe. 
The Economic Journal, the Journal of the British Economic 
Association. Edited by F. Y. Edgeworth and Henry Higgs. No. 33. 
Vol. IX. London, Macmillan and Co. Price 5 sh. 

II. ^rtuffadjen tum Bermaltmtgen, Bereinett k . 

greiburg i. B., Boranfchläge ber Stabtgemeinbe greiburg i. B. 
pro 1899. 

— Bortrag" bed Stabtrathd ber Stabt greiburg i. B. über bie Er¬ 

bauung einer Eentrale für Sicht unb Eraft unb einer eleftrifchen 
Straßenbahn. 

Eharlottenburger Statiftif. 5. £>eft: Stanb ber Beoölferung, 
Ehefchliefeungcn, ©eburten, Sterbefäüe, gugüge unb gortgüge im 
Jahre 1898. §eraudgegeben 00 m Staliftifchen 2lmt ber Stabt. 
2)redben, Berwalhmgdberidht bed Bathed ber Eöniglidjen §aupt-unb 
Beftbengftabt ^redben für bad Jaljr 1897. S)rcdbett 1899, 
0 . 3«h n & 3aenfch- 

Earldruhe i. B., ©raphifche ^arftellung ber Earldruljer gleifchpreife 
in ben Jahren 1889 bid 1898. Bearbeitet 00 m Statiftifdjen ?lmt 
ber Stabt. 

953iedbaben, |)audhaltd-Etatd ber Stabt 9öiedbaben pro 1. Äpril 
1899/1900 (Bechnungdfahr 1899). 

— Spegial-Etatd pro Bechnungdjahr 1899. 

9Sormd, Boranfdjlag über Einnahme unb 9ludgabe ber StabtSKornw 
pro 1899/1900. 

3eifc; ^audhalldplan ber Eämmereifaffe ber Stabt 3«fe P ro 9lpnl 
1899/1900. 

©efdjäftdberidjt bed 2)redbener Spar* unb Bauoereind 
pro 1898. 


BerantiooTtUcti für bie Xebattton: Dr. (Srnft ft tan de in Berlin W., Sapeat|erftrafee 29 . 




868 ©ojiale ©rajiß. ©cntralBIatt für ©ojialpolitif. 9k. 81. 864 

©ie Praelw" erlernt an jebem ©onnerStafl unb ift burd) ade ©uchhanMimflen unb ©oitämter (©oitjeitunaßnunimcr 7072) *u belieben, ©er ©reiß 

für baS ©ierteljabr ift M. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 ©f. ©er mnjei«enprei8 ift 60 ©f. für bie breiqefpaltcne ©eti heile. 



_ fj lcriqfl von gMemntro ttj & <jE rgrd)gt, jjterlin W. 

gjattbel unb ©rurerbe 

^ettfcfyrtft 

für bie 

jhi Vertretung non fanitrl unb ©emrrhe grfr|lid) berufenen pr^tfd)aftrn. 

Sm Aufträge bes ©eutfdjen ^anbilstageu 
§erau 8 gege&en 
oon 

Dr. Voetbeer, 

©eneralfefretär bei ©eutfcben ^anbelitagei. 

„Hanbel unb ©eroerbe" crfc^ctnt im Binter roöcbentlid), im Sommer äße 14 ©age. 
©er Kbonnementßpretß betrögt jährlich 10 Mart. 

©ie 3^tfc^rtft roirb oon bem ©reufjifdjen Minifter für £anbel unb (Se¬ 
ro erbe $ur Uebermittelung amtüdjer Mitteilungen an bie faufmännifdfjen Korporationen 
benufct. 3« feiner anberen 3eitf<brift ift ein fo reidjfjaltigei Material für bie 
Hanbelß* unb ©eiöerbepolitif oereinigt. 


©urdj alle ©uchhanblungen ju begehen: 

$btt btt ffijwdjctt 

ber 

ttettfrtn ©ffdjidjte. 

Oorträge 

bem König Ktajimilian n. Don Bauern 
im fjerbfl 1854 
3 U Bcrditesgaben gehalten 


fropolö uou glaube* 

Heraußgegeben 

oon ^.Ifrcfe ©attc. 

3 roeiter Sonberabbrud ber „©orträge" 
fünfte Auflage. 

9tot)aI 8 °. ©reiß 3 M. 60 ©f., geb. 4 M. 60©f. 
1899. 


$otbtn etfdjieneu: 


König Ludwig II. w w 


w w fttr$t Bismarck 

4* Mrt w«. 

Don 

$<rntfe turn fabelt* 

* 

ItTit einem 5#kflmüe Des KaiferDricfes. 

* 

BoDal 8 °. Preis 1 PT. 20 Pf. 


Otto Liebmann, Verla gsbuchhandlung, Berlin W. 35. 

Vergleichende Darstellung d. Bürger¬ 
lichen Gesetzbuches u. des Preuss. 
Allgemeinen Landrechts. v„nDr.F.Leske, 

Geh. Justiz- und Vortragendem Rat im preuss. Justizministerium. 
Krste and zweite Anflage. 

. ^. Erscheint in Lieferungen zu ca. Mk. 15 kemplett 

Das Werk soll die Einführung des BGB. für die Praxis 
erleichtern. Durch eine vergleichende systematische Gegenüber¬ 
stellung des BGB. und de* ALR. (unter Erstreckung auf alle 
Reichsgesetze, das neue Handelsgesetzbuch sowie die Nebengesetze 
zum BGB. und unter eingehender Berücksichtigung von Litteratur 
und Rechtsprechung) nach dem System des Bürgerlichen Gesetzbuches, 
wodurch die Abweichungen desselben von dem bisherigen Rechte 
leicht zu erkennen sind, sollen Kenntnis und Verständnis des neuen 
Rechtes gefördert werden. 


jpurdy alle ^orttmentebudiltanblungen %vt brfiriym: 


Btt $i#tttcm&0 (Stebttdjtttte* 

Sott 

©uflan SdjmoUrr, Pag ge»j, 

Uerltn. töerlin. 

<Ertd) Pank», 

ffcipiig. 

1899. «r fit bis hrtttr, tttmeränbfrte phage, *rei* 3 p* 60 Pf.« gebunhen 4 p. 80 flf. 

3n ihrer Kummer 242 oont 22.Märj benotet bie„@traf 3 burger©oft": ©ißtnartfß etnbrang, unb Me abgeflörte 9htfje unb bic Bahrbaftigteit, 

,,92orf) immer ergießt ficb Sie $lut oon ÜBürfjern uttb Schriften, roomit er fein Urteil abroog unb fällte. . . . 3n biefen Sluffähen 

bie bem 2lnbenfen beß ©egriiiiberß beß ©eutfdjen ©etdjeß geroibmet erroeift 3d)motler bie Bahrheit feines eigenen Borteß an ©tßntarcf, 

fmb unb bie oott neuem geigen, roie tief bie Chmneritug an ben „bafj bic breitefte Birffamfeit ber großen (Renten ber Mcncbbeii 

groben Mann im beutfehen ©oifc rourselt, roie feft baß Oer ,5 uttfereß grabe ttad) ihrem 2obe beginnt. . . ." © 01 t ©rofeffor Mar Seng 

©olteß att il)m bängt. OJerabe fein ^oa tf r '* nocfi einmal bie Jlut enthält ber ©attb einen Sluffnp über beit „Schöpfer oon Kater unb 
entfeffelt. 2lucf) ßcutc liegt und roicbei' ; JoHeß ^cucgni3 ber 9tetcb" unb bie Siebe, bic ^rofeffor ^enj über ©idmarcf bei ber 
Siebe unb ©erehrung für bett großen Mr ii r „3« ©idmartfd (^ebädjtnidfeier ber ©erlincr Unioerfität gehalten hat. ©oti ^Srofeffor 

©cbädjtnid" nennt [ich bad ©udj, ju Dem bie Uniuerfitätd- Cfricf) Marcfs in yetp^tg, bem getftoollcn ©erfaffer ber gefd)id)tltch 

profefforen (^uftao Sdimoller, Mar ^enj unb ($vi d) Mardd tief unb roahv erfaßten ©iographie Kaifer Bilhelntd 1 ., fmb bic 

bebcutungdoollc 0 )aben beigeftcuert haben. . . . ©ie 3djmollerfd)cn ©ebenfroorte, bie er bei ber ©rauerfeier bco ©creiti» beutfdjer 

9luffähc über ©idinarrf, bie roir unferen liefern gelegcntlid) ihred 3tubentrn am 2. 9lugnft 1898 fprarf), bie Mbhanbhmg über „Jiirft 

(Jrfdjeiuend in ber „Sojtalen ©rariß" ihrem Hauptinhalte nad) mit- ©iontarcf utib ba^ Hanß Hohen^olleru", unb bie 9iebe," bie ©rofeffor 

geteilt haben, gehören jum ©eftett, roaß über ©ißmarcf gefdiricben Marcfß bet ber 0)ebäd)tniC’feicr ber i'eipjigcr Unioerfität gehalten, in 

roorbett ift, uttb jroar über ©ißtnarcf al» Menfchen roie alö Staats- bem ©anbe enthalten! 3o jählt bac^ ©iidj 51 t ben rocrtooüften 

mattn, alß ©olüifer toie als ©olferoirtfdiafter uttb Socialpolitifer. ©entmälern, bie bem brimgegangenen ©egrüttber beß ©eutfehen 

©er freien Höhe beß 3tanbpunfteß, bert 3d)mollcr habet tu hiftorifdjer Sieidjeö gefept roorbett finb, uttb eß totrb loefentltch mit ba^u bei® 

©ejtel)ung eiunimmt, entfprid)t bie Sicfe unb Klarljcit beß ©liefeß, tragen, audj ben fpätereu Olefdjlcdjtcrn baß ©ilb unb Befen beß 

mit roeldjtVY-ber feelentunbige Mann in baß Befen unb Birten groben Mautieß fcftjithalten." 

L i3erantiBüVUi4j juc ote Mtucigcii: vcUumtij fÄctPd, fccipiy. — 4>«iaj uuu £uucfer & $mublot, — WcDuia’t bet Sittcurelb, öerltn. 





















©erlitt, bett 11. ÜDiai 1899. 


itumnur 32. 


VUL ftt^rpHg. 


Soziale prajts. 

^enfrafMatf für g>03ia£porifiü 

mtt ber 2Ronat«betlage: 

Vas ©ewerbecjevicZt* 

®rgan bes üerbattbes beutfdjec ©erperbegericfyte. 

«Reue golge &ct „Blätter für fogtale unb be« „©ogtalpolitifdjen deutralblatt«*. 

Ovfi|ei«f tu jrtest 2o#i«rft«a. £>CCau«geber: Vtei* »iertdjttvU* SS 9t. 60 Vf. 

SRcbaftton: SBertin W., BapreutZerftrafje 29. Dl*. Ctttfl «ftötukc. Verlag Oon Duncfer & Smmblot, Setpgtg. 


3nl)ölt 


©ojialpolitifc^et Botmatfch in 
©eutfdjlanb. Boit Dr. ©tnft 
ftraitcfe, Berlin.865 

«UtaBctat «•»«al* «ti» KNrttf*•!»• 
poltttt.869 

Betljeiligung ©eutfc&lanb« an 
bet ©rünbung einer inter« 
nationalen Bereinigung aur 
^örberung be« Arbeiter* 
fehlte«. 

5Boljnung«politif in ben ©emeinben, 
im Staat unb im Sfteid). 

©ie gSfänbbarfeit bei Arbett«lobne« 
in ftranfreidj. 

©ie amerifanifebe Liga für foaiale 
©ienfte. 

ftoaunraftle ©oaialpoltttK .... 872 
Stöbtifdje Au«funft«fteUe für bie 
arbeitenben klaffen für fßofen. 
Unentgeltliche Bcerbiguitg in ©burgau. 
St&btifcbe 3Hiiceflen. 

•totale 3«ftünbe { .873 

©ie Banbwirlerei in unb um 
Schwelm Bon £elene Simon, 
Berlin I. 

Urtbeit eine« gfabrifanten über ben 
3ebnftunbentag in ber ©ejtilinbuftrie. 
AtbeiWoerbältniffe in SRufclanb. 
Arbeitgeber* unb liniernehmetber« 

bänbe.876 

Berfuch einer Unternebmerorganifation 
in ber £olainbuftrie. 

Berbanb ber grofefö^rifanten unb 
Böttchermetfter. 

©er Berbanb ber Arbeitgeber im 
Baugewerbe au Blünchen. 

„Scbmarae Lifte" ber Spänglerge* 
noffenfebaft in BJiünchen. 

Arie iterbemegstaa.877 

©ie Bewegung ber ©emeinbe» 
arbeitet. Bon Bt. Boerfcb, 


Sefretär bei ©entraloerbanbe« ber 
in ©emeinbebetrieben befchäftigten 
Arbeiter, Berlin. 

©et Streif ber belgifcben ©tu* 
benarbeiter. 

©er Berbanb ©eutfeber Budjbrutfer. 

Auifperrungen wegen ber HRaifeier. 

©er a«bnte internationale Berg* 
arbeiterfongreb- 

Bereinbarung in ber englifeben Baum« 
Wollweberei. 

Sdjottifcher ©ewerfbereinifongre§. 

Lohnbewegung ber belgifcben ©lai* 
arbeitet. 

©ejtilarbeiterauÄfianb in Brünn. 

Arbetierf*«#.882 

Abänberungen ber ©ewetbeorbnung«* 
tfooeüe in ber 9tei<bitagifommiffion. 

Arbetterfdiub in ber ferantifeben 3n* 
buftrie ©nglanbi. 

Arbetterberfiibeniitg- ©pnrfaffe» 882 

Annahme ber 2>nbalibenüerficberungi* 
nooeHe in ber 9teichStag«fommiffion. 

©er ©ubetfulofenfongrejj unb bie 
Äranfenfaffen. 

Arbettbimftwei«.883 

ßuiti paritötifeben Arbeitflnachwei«. 

Arbeitsnachweis ber ©ifeninbuftrletlen 
in Hamburg. 

©er unentgeltliche Arbeitinacbweii in 
grranfreidj. 

©enofTenfibaftStoefen.883 

ßtoei Arbeitet • Brobuftioge* 
noffenfebaften im £ara. Bon 
Dr. gfrifc Specht, ©harfottenburg. 


Snbalt bei ©ewerbegeriebti Slv. 8. 


Beilage t »9t$ ©etoerbegetidji" «r. 8. 


Abbrud fämmtlicber Artifel ift Bettungen unb BeUfchrtften geftattet, jeboeb nur 
mit Poller Quellenangabe. 


Qojialpolitirdjer Uorntarfd) in Seutfrfjliinö. 

Drci Sage Z<*t bic große Debatte im $ReicZ«tag über bie An* 
träge §ifce*ßie6er, Baffermann*$et)l unb SRoeficfe^ac^niefe gebauert. 
Die am 26. April abgebrodjene BerZanblung mürbe am 3. s D?ai roieber 
aufgenommen unb am 4. 5Rai beenbet. Da« äufjere drgebnifj 


mar bie Bermeifung ber fänuntücZen Anträge an bie um 7 3Rit* 
glieber oerftärlte Sfommiffion, bie bie Slooelte gur ©emerbeorbnung 
gu beraten Z a *- Da biefe iljre urfprünglidje Aufgabe halb er* 
lebigt §aben mirb, fann fie ungefäumt an bie neue Ijerantreten. 
@3 roirb fic^ babei im 2SefentIidE|en um bie grage ber drricf)tung 
gemeinfamer Drganifationen oon Arbeitgebern unb Arbeitern ber 
gnbuftrie unb bie ©Raffung eine« 9ieic^«*Arbeit«amt« ^anbeln, 
roäf)renb ber roeitere Antrag, ber bie 3Recf)t6fäl)igfeit unb S3e* 
roegung«frei^eit ber SBeruf«oereine oerlangt, roo^l in Serbinbung 
mit ä^niie^en Anregungen be« Zentrum«, ber Slationalliberalen 
unb ber g^ifinnigen noc§ an anberer ©teile gur grünblid)en dr* 
örterung gelangen mirb. SBir fc^liefeen un« bem Sßunfd^e be« 
Abgeorbneten ^ifee an, „ba& au« ben Verätzungen ber tfotnmiffion 
VorfcZläge au f aIIe Parteien, melcZe bem 

©runbgebanlen gugetZan finb, fuZ oereinigen, bafe mir fo nodZ in 
biefem gu einem Abf(Zlu6 Jommen unb bafc audf) bie oer* 

bünbeten Regierungen fi(Z ben drroägungen anfcZliefeen." 

$iemanb Z^t Bcffer al« SreiZerr o. ©tumm in Jürgen SSorten 
bie ©ituation im 9lei(Z«tage mäZrenb biefer Debatten geJenngeicZnet. 
dr leZnte e« ab, in bie $ommiffion eingutreten, ba er gefeZen 
Zabe, „bafj bie grofee 2JleZrZeit felbft bi« in bie Jonfer* 
oatioe Partei Zinein, mit Au«naZme eine« DZeile« ber National* 
liberalen, bem ©ianbpunJt, ben icZ mit meinen politif<Zen gf^unben 
feit 30 3>oZ^ en eingenommen fyoht, abfolut ableZnenb gegen* 
überfteZt." Da« ift ein eZrlidZe« ©elbftbeJenntnife ber Sfoli^ng; 
unb in ber DZat, Jäme e« bei oollbefebtem §aufe Zeute gu einer 
Abftimmung für ober miber ©tumrn, mir glauben, Jaum 50 Abge* 
orbnete mürben fi<Z um biefen 2Rann fcZaaren, beffen Sporne ein 
Sßringip bebeutet. Diefe ©tZeibung unb Klärung bemirJt gu Zaben, 
ift bie eine bebeutfame drrungenfcZaft biefer fogialpolitifdjen De* 
batte. 3u bem ©runbfafc ber ©leicZberecZtigung ber Arbeiter 
Zaben ftcZ alle bürgerlitZen Parteien, mit ber angegebenen Au«* 
naZme, laut unb nacZbrücHid) beJannt, QFreifinnige mie Confer» 
oatioe unb dentrum; unb e« ift begeicZnenb, baß biefe gro&e StteZr* 
Zeit unter ber güZrung gmeier fo Zo(Z angefeZener ©rofeinbuftrieller 
mie ÖreiZerr o. $epl unb Stoefitfe ftanb, benen ficZ ber bemäZrte 
©ogialpolitiJer ^i^e unb Abgeorbneter ©tödler gur ©eite fteHterr. 
Da« ift ba« grneite Moment, ba« gu beacZten ift. Sefet finb bie 
Arbeiter*drlaffe unfere« Slaifer« oom 4. gebruar 1890 
mieber in ben 3JlittelpunJt unferer gartgen ©ogialpolitil gerüeft. 
©ie finb auf« ÜJleue bie treibenbe, belebenbe ^raft für bie Reform* 
bemegung, unb fie merben e« bleiben, mag ber 2öeg gum 3iel, mo 
fogialer Snebe unb fogiale ©ere<ZtigJeit ficZ bie §änbe reicZen, 
audj notZ fo meit fein. 

3)lan barf freilicZ bie Vebeutung folcZer parlamentarifcZer 
VerZanblungen, mie bie lebten SöocZen fie un« gebraut Z^ben, 
nid)t einfcZäben nacZ iZ^en unmittelbaren praJtifd)en folgen für 
bie ©efebgebung. AucZ mir oerJennen bie großen ©(ZmierigJeiten 













867 


©ogiale $raEtS. Ecutralblatt für Sogtalpolitif. Dr. 32. 


868 


nid)t, bic mit ben Einträgen §iße uitb H e 9l ber DeicßStagS* 
fomntiffion nun erroaeßfen. Wir fragen uns, ob ber roeit|c|id)tige 
linb oerroicfelte Apparat ber arbeitsfammern glatt unb nüfelic^ 
fungiren fann? Es ift unS groeifelßaft, ob bie angüeberung ber 
geplanten Drganifationen an bie ©eroerbegerießte ratßfam ift. UnS 
feßroebt oielmeßr ein anbereS Vrojeft oor: aus Vertretern ber arbeit* 
geber unb Arbeiter ber oerfeßiebenen Snbuftriebrancßen bilben fid) 
paritätifd)e körperhaften, etroa nach 2lrt ber £arifgemeinfcßaft im 
beutfeßen Vucßbrucfgeroerbe ober beS EinigungSamteS in ber englifcßen 
koßieninbuftric, unb groar mit Unterftüßung unb unter aufficht 
beS Steiges, liefen Remtern mürben mißt nur bie. Regelung ber 
Soßn* nnb arbeitSoerßältniffe in ber betreffenben Snbuftrie, unter 
Verücfficßtigung ber regionalen Verfcßiebenßeiten, unb ber austrag 
oon 2)ifferengen übertragen roerben, fonbern eS Iiefee fh audj 
unf<ßroer ein Weg finben, i^nen roenigftenS einen £ßeil ber auf* 
gaben guguroeifen, bie bie Anträge §i^e unb H e 9l in auSficßt ge« 
nommen haben: llnterfucßung ber 3uftänbe ißreS ©eroerbeS, ©ut* 
aeßten an bie Veßörben in Sachen ber Sogialoerfh erun 9/ beS 
arbeitSfcßußeS, ber ht)gienifcßen Verßältniffe, ber Wohnungsfrage, 
UnterftüßungSfaffen für Slrbeitslofe u. f. ro. 

9lber felbft roenn man über bie groeefmäßigften Wittel gur (Sr* 
rießtung gemeinfamer Drganifationen oon arbeitgebern unb 
arbeitern oerhiebener anjhl ift, fo füllte ber DeicßStag hoch 
roenigftenS ben gemeinfamen ©runbgebanfen mit allem Dacßbrucf, 
beffen er fähig ift, auf ©runb ber kommiffionSberathung in einer 
Defolution baßiit gum ausbrud bringen, baß bie oerbiinbeten De* 
gierungen enbli(h „für bie pflege beS griebenS groifeßen arbeit* 
geber unb arbeitneßmer" bureß ©efeß Einrichtungen hoffen, „in 
benen arbeiter burch Vertreter, roelcßc ihr Vertrauen befißen, an 
ber Regelung gemeinfamer angelegenßeiten betheiligt unb gur 
Wahrnehmung ihrer Sntereffen bei Verßanblung mit ben arbeit* 
gebern unb mit ben Organen. ber Regierung befähigt roerben". 
©teilt ber Reichstag mit großer Weßrßeit biefe SJorberung, in ber 
er rieh lebiglich mit ber kaiferlichen 3ebruar*Erlaffen ibentifigirt, 
fo fann ber VunbeSratß auf bie 3)auer meber feßroeigen noch aus* 
meichen. ES roirb hier ebenfo gehen, mie mit bem arbeiterfeßuß: 
3aßre lang hat ber Reichstag feine gorberungen erhoben, Satire 
lang hat bie Regierung fie oermeigert, enblith famen fie hoch mit ben 
Vorlagen über bie (Sonntagsruhe, bie Verftärfung unb Erroeiterung 
beS arbeiterfcßußeS, bie ©eroerbegerießte. auch ber Errüßtung eines 
eigenen Deid)S*arbeitSamteS mirb bie Regierung fid) nicht entgiehen 
fönnen, menn ber Reichstag barauf befteht. 2>ie Dotßroenbigfeit 
einer folchen Snftiiution, bie fh unhroer mit geringen koften 
auf hon oorhanbenem Voben unter Venußung oorßanbener Ein* 
rießtungen bilben lagt, ift fo einleucßtenb, baß biefer antrag in 
ben DehStagSoerßanblungen mit Ded)t faft als etroaS Selbft* 
oerftänblicßeS betrachtet mürbe. 

Wag ber augenblicflicße praftifche Erfolg ber fogialpo!itih cn 
Debatte nun groß ober gering fein, bie moralifcße Vebeutung ift 
eine gemaltige. $>ie große Deformberoegung hat einen Sieg gu 
uergcichnen, mie er feit 1890 faum bagemefen ift. ®ie kurgfießtig* 
feit ber ©eroaltpolitif fürchtet oon ihm nur eine Wirfung unb 
Sörberung ber Sogialbemofratie; in biefer einen (Sorge liegt ja ihre 
gange ©ebanfenroelt befdjloffen. Wir bagegen finb übergeugt, baß 
baS Vefenntniß beS DeicßStageS gum ^ringip ber ©leichberechigung 
nicht nur bei ben WiHionen oon beutfeßen arbeitern, bic mit ber 
Sogialbemofratie nichts gu thun haben, baS ©efühl beS Vertrauens 
unb ber Hoffnung neu belebt, fonbern baß auch &en bei ben 
Wahlen fi«h gur Sogialbemofratie ßalienben arbeitern bie Em* 
pfiitbung geroeeft mirb, baß bie bürgerlichen Parteien ein Veronßt* 
fein ber $flid)t befaßen, an ber fogialen unb roirthfahaftlicßen 
Hebung beS gangen beutfeßen arbeiterftanbeS mitgumirfen. an 
biefe gemaltige aufgabe, mit -ber £eben unb ©ebeihen oon Deich, 
Staat unb ©emeinbe, unfer kulturleben, unfere gange 3atanft eng oer* 
fniipft finb, tritt bie Sogialreform in ber llebergeugung h«ran, baß 
baS fjeiBe Gingen unb Streben ber arbeiterhaft nach Vuft uitb 
Vicht eine ber erhabenften unb fruchtbarften Erfdjeinungen in ber 
Wcltgchhtc ift. Wer fid) erbreiftet, bie llnierffiipung ber ge* 
rechten unb billigen Sorbermtgcn biefer Veraegung als etne 
VopularitätShah crc i/ c i ne 'Sogialbentagogie, einen Stimmenfang 


gu ocrunglimpfen, ber fteHt bamit lebiglich felbft bie armfeligfeit 
feiner ©efinnung unb bie Vehranftheit feines kopfeS oor aller 
Welt blofc. 

auf bem Warhe ber Sogialpolitif in ^euthlanb bilben bie 
breitägigen $Rcid)StagSöcrhanbIungen einen Werfftein. Wirb baS 
Parlament in biefer Seffion noch weitere errichten fönnen? $>er 
©ebanfe gemeinfamer Drganifation h°t bie grofee Wehrheit für 
fh, bie anträge oon Sonberorganifationen ber arbeitet in Vc* 
rufSoereinen, bie SRechtsfähigfeit erlangen, mit einanber in Ver* 
binbung treten unb ihre roirthhaftlidjen Sntereffen ohne Veengung 
oerfolgen fönnen, haben hon früher bie 3nftümnung beS ^Reichs* 
tageS gefunben, menn auch bie Wehrbeit geringer mar. aber auch 
hier mirb baS $ringip ber ©ereebtigfeit feine mächtige Werbefraft 
üben: Wan fann ben arbeitern auf bie $>auer nidjt oorenthalten, 
maS ben angehörigen anberer Stänbe unb Verufe nicht nur erlaubt, 
fonbern oielfach fogar gefeglid) geboten ift. ®ag mir auch auS 
9?ühlichfeitSgrünben für baS freie koalitionsrecht eintreten, brauchen 
mir heute nicht meiter gu erörtern, ba biefe Vlätter oon jeher fh 
gu biefer Sörberung befannt haben. Wir halten baber auch kie 
aufhebung beS §. 153 ber ©eroerbeorbnung für nothmenbig, ba 
bie Wifjbrauche, henen baS koalitionsrecht ebenfo mie alle anberen 
menhlichen Einrichtungen auSgefefct ift, burch baS gemeine Stecht 
geabnbet merben fönnen, mährenb nach ber tbatfäd)Iid)en Vage ber 
2>inge ber §. 153 jefet ein auSnabmegefefc miber bie ßohnarbeiter 
bilbet. $)ie Vefeitigung biefeS privilegium odiosum märe bie 
richtige antroort beS ^Reichstages auf bie „3uchthauSoorlage", oon 
ber abgeorbneter Srhr. o. £>et)l treffenb fagte, er halte fie „felbft 
in ber abgehwächteften Sorm, in biefem augenblide, mo ein 93e* 
bürfnig nad) feiner $Rid)tuug oorliegt, für eine hmere Erfchütterung 
ber frieblichen Empfinbungen in ben kreifen ber ftaatstreuen 
arbeiter." 

$>ie oerbünbeten ^Regierungen haben gu ben Verhanblungen 
im StcichStag gefchmiegen; auch bie offigiöfen korrefponbengen unb 
Vlätter, bie fonft fo gern einfeitige Unternehmerroünhe mit ben 
Staatsintereffen perquiefen, haben fh meift ber 3 ur ücfhaltung 
befleijjigt. Wir hüten uns, barauS meitgel)enbe Schlußfolgerungen 
gu gießen; baS consentit qui tacet trifft hier geroiß nicht gu. aber 
baS möchten mir nicht begmeifeln, baß auch in StegierungSfreifen 
bie kutibgebung beS SteidjStageS tiefen Einbrucf gemacht hat. 
Wan gögert, märtet ab, man fträubt fh oielleicßt, meil man aus 
bem Vannfreife einer beftimmten Sbeenmelt nicht heraus fann; oiel* 
leicßt, baß auch ein Unbehagen bie Vureauy burchfcßleicht. aber es 
regen fh botß auch ba manche kräfte, manche Hoffnungen. ®ie 
9tooelle gur SnoalibitätSoerfidjerung, ber Schuß ber öabengehilfen, 
bie Verfudje, Schöben ber H c ^ mar ^ e ^ beigufommen, bie Schuß* 
oerorbtiungen für gefährliche ober übermäßig anftrengenbe Sa* 
buftrien — geroiß, es finb alles feine Waßregeln, bie mit großen 
^ringipien mie benen ber ©Ieidjberechtigung ber arbeiter unb ber 
Koalitionsfreiheit irgenbmie an Vebeutung oerglichen roerben fönnen, 
aber es ift boeß praftifeße ®etailarbeit, bie nüßlicß unb förberlicß 
roirft. 3a bie Sorberung ber örtlichen SRentenfteüen ßat fogar 
ißren Urfprung in bem ©runbfaß ber gleichberechtigten Witarbeit 
ber Verfidjerten. Sogialreform für bie arbeiter läßt ficf> 
mit Erfolg nießt treiben gegen bie arbeiter, unb oßnc 
bie arbeiter ebenforoenig. SDiefc Uebergeugung gog fieß aud) 
burd) bie, prioater Snüiatioe entfprungenen, Verßanblungen über 
bie Vetßeiligung SJeutfcßlanbS an einer internationalen Vereinigung 
ber Öörberung beS arbeiterfcßußeS ßinbureß; ßier ift ein neuer 
Voben für bie oerfeßiebenften fogialpolitifcßen Dichtungen gefunben, 
bereu Vßätigfeit eine mertßoolle Ergängung gu ber ftaatlicßen 
Sogialpolitif bilben mirb. 

So feßen mir auf maneßen ©ebieten einen Vormarfcß ber 
Sogialpolitif in ^eutfcßlanb, ber bie anßänger ber Deform unb 
bie Sreunbe einer gefunben ärbeiterbemegung mit Hoffnungen er* 
füllt. Docß freilich erblitfen mir meßr Wünfcße unb Verfucße als 
mirflicße 3:ßaten, aber bie Stagnation ber leßten Saßre ift boeß 
bureß einen frifeßen Winb oerroeßt roorben unb bie Sonne feßeint 
roieber auf gefunbe, triebfräftige keime, bie eine gute Ernte im 
neuen Saßrßunbert oerfpreeßen. 

Verlin. Ern ft granefe. 



869 


Sogiale $ra£is. Eentralblatt für ©ojialpolüif. Br. 82. 


870 


Allgemeine Sozial- Htti Ätrtjjfdjaftepolitilu 


Beteiligung $eutfdjlanbs an ber ©ränbnug einer internationalen 
Bereinigung gur 3$*berang beS SlrbeiterftuheS* 

Sin bie Begebungen für einen internationalen Slrbeiterftufc 
ftnb unfere Sefer erft Jürglit burt einen SlrtiFel ber „Sogialen 
Praxis" in Br. 23 erinnert worben. Bat beut fie guerft in ber 
Stweig erörtert waren, würben fie auf ber berliner Konfereng 
int Srü^jabr 1890 in ben Bereit ber Berbanblungen gezogen, 
bann im Sluguft unb Anfang 0Jtober 1897 auf ben Kongreßen 
in 3üri(i) unb Brüffel wieber aufgenommen; aut in Defterreit 
trat eine Strömung bafür 3 U Xage. £>ie jefeigen Bemühungen 
gur Bermirtlid)ung beS Planes Jnüpfett an ben Brüffeler Koitgreh 
an, bei bem eine Slngabl Freunbe beS ©ebanJenS aus oerftiebenen 
Säubern ein Belgifdjeö Komite mit bem ©anbate betrauten, gunätft 
einen Statuteneutwurf auSguarbeiten, ber bann in ben eingelnen 
Sänbern beratbcn werben follte. Anfang Sanuar b. 3$* war in 
Berlin unter Borfifc bes F*h rn - o. Berlepfd) in einem Heineren 
Greife oon SogialpolitiJern biefer ingwiften eingegangene Entwurf 
befproten worben; es würbe befttoffen, einer größeren Berfamm* 
lung fpäter bie Safcungen mit ber Srage oorgulegen, ob beutfcbe 
Sogialreformer fit an ber ©riinbung einer internationalen 23er* 
einigung gur Förderung beS SlrbeiterftufceS beteiligen wollten. 
$)iefe Konfereng bat nun am 3. SJtai gu Berlin im SlrtiteJten* 
häufe ftattgefunben, unb i^r Ergebnih war bie grunbfäblid)e 3u* 
ftimmung gu bem plane. 

lieber ben Berlauf ber Berfammlung hot bie £ageSpreffe un* 
mittelbar natb cr berichtet, unb wir Jönnen uns baber auf eine 
Batlefe beftränJen, bie nur bie wefentlichften Momente berührt. 
$)er Einlabung waren etwa 70 Herren aus ben oerfdbiebenften po* 
litifcheu Dichtungen unb BerufsJreifen gefolgt; eine Singabt anberer 
Herren hatte ihr Sern bleiben entftulbigt, aber auSbriicJlit ihre Bet ei* 
Iigung an bem Unternehmen in StuSfitt gefteHt. Unter ben XfytiU 
nehmern befanben fich Srhr. o. Berlepft, bie Parlamentarier 
Sieber, Bachem, $ifee, Hille, Srimborn, StoecJer, Baffermann, 
FranJen, §ieber, DoeficJe, pachnicfe, Stmibt*Elberfelb, 9Jt. Hirft, 
Sifchbecf, ©olbfdjmibt, bie Profefforen StmoKer, ©agner, ^elbrücJ, 
Sombart-BreSlau, aus Snbuftrie* unb §anbels!reifeit Simons* 
Elberfelb, Stntolbein*KöIn, o. Pfifter*9Bünten, 0. ©cigert*Berlin, 
Freefe*Berlin, §erg*3)UllS*SranFfurt a/©., ©irtftingbauS, §anbels* 
Jammer felretär in Köln, ©ittenftein * Barmen, ©iScott * Breslau, 
ferner BerlagSbuthonbler Karl ©eibel*£eipgig, SanbeSöJonomie* 
rath Bobbe, Dr. F^eunb, Borfifcenber bcS EentraloerbanbeS ber 
SlrbeitSnadbweife, SanbgerittSrath Dr. F- ©eper, Pfarrer Baumann, 
ßitbograpb £iftenbörfer, Kamin, Borfifcenber bes BerbanbeS 
beutfter ©ewerJoereiue, ©eigel, Borfifcenber beS „SlrbeiterftufceS", 
Berlin, Bergmann Bruft-Sllteneffen, £. Sonnemann, Berieger ber 
FranJfurter Leitung, Prioatbogent Dr. o. HoHe*Berlin, Dr. Sl. Boigt* 
Franlfurt, Sebrer Slgahb*Dijborf, Dr. (5. $irfd)berg, Stabtrath 
Dr. Diuenfterberg * Berlin, Stabtoerorbneter Kott * Erfurt, Paftor 
Phüipp^^Plöhenfee, Gbefn’baJteure ten BrinJ, Dippier, o. Derzeit, 
o. ©eriach u. Sl. m. ®en Borfitj führte Prof. ScbmoHer, Schrift® 
fübrer waren Dr. (5. Srancfe unb Dr. p. Boigt. 

3?rbr. o. Berlepfch leitete bie Beratbungen mit einem Jürgen 
Slbrifc ber ©ef<hi<hte ber Beftrebungeu für internationalen Strbciter* 
fchufe ein. ®ie BebenJen, bafe burd) fie ber öortfdbritt beS Slrbeiter* 
fchu^eS im eigenen Sanbe gehemmt werben Jönne, thcile er nicht. 
Söenn man bie Srage ber Bethcüigung an ber ©riinbung einer 
internationalen Bereinigung bejahe, müffe man gur Errichtung einer 
beutfchen SeJHon fchretten, in ber fich alle Slrtbänger einer energi* 
fchen Sogialreform gufammenfinben unb für bie görberung beS 
Slrbeiterfd)ufceS in ®eutfdt)Ianb *wirJen müfeten. 3n ber Debatte 
würbe betont, bafj baS »on ber internationalen Bereinigung gu 
errichtenbe Bureau fich nicht auf Sammeln, Beröffentlichungen unb 
Informationen befthränJen bürfe, fonbern ben Sftittelpunlt einer 
Jräftigen Slgitation für bie Fortführung beS SlrbeiterfchuheS bilben 
müffe. Stls Sife biefeS Bureaus würbe bie Schweig empfohlen. 
Ferner möge babin gewirJt werben, bafe bie großen Staaten eine 
ftärJere Bertretung in bem internationalen Komitee erhielten, als 
ber Entwurf oorfebe. Slls Staat fei in biefem Faße baS ^eutfehe 
Deidb, nicht bie Eingelftaaten gu oerftehen. Deben feiner Aufgabe 
als Sammel* unb FnformationSfteHe für bie internationale Sir* 
beiterfdjuh s ®efebgebung fott auch bie befonbere Sfufgabe ber natio* 
nalen SeJtionen betont werben, burch Schrift unb 2£ort propa* 
ganbiftifch für SluSbebnung beS SlrbeiterfdbuheS gu wir Jen unb über 
ihr Borgehen an ben Ieitenben SluSfchuft jährlid)e Berid^te gu er* 
ftatten, bie bann im „Bulletin" ber internationalen Bereinigung 


veröffentlicht werben. Slls felbftoerftänblid) würbe angenommen, 
bafc auf ben internationalen 3ufammenJünften auch in beutfcher 
Sprache oerbanbelt werbe. ®ie Hauptfrage würbe einftimmig mit 
folgendem Befchlu& bejaht: 

„2)te heute int Slrd)iteftenhaufe gu Berlin uerfammelten Bertrcter 
ber oerfd)tebenften fogialpoliüfchen Dichtungen befchliefien bie SESaljl 
eines prooiforifdjen MomiteS, beftehenb aus 20 Sftitgliebern, mit bem 
Dechte bcr Kooptation, bas ben Sluftrag hat, fid) an ben Berathungen 
einer internationalen Bereinigung gur $orberuug bes nr* 
beitel-fchubcS gu betheiligen unb bie Bübung einer natio* 
nalen SeJHon für ^eutfchlanb oorgubereiten. lieber bic gu 
biefem 3 tye£ J e unternommenen Sdjrüte ift in einer im Herbft eingu« 
berufenben neuen Berfammlung Bericht gu erftatten." 

^amit ift alfo bie Betheiligung S)eutfchlanbs an einer intern 
nationalen Bereinigung für Slrbeiterfchufe befchloffen unb gugleid) 
bie Bilbuna einer nationalen SeJtion in bie ©ege geleitet. Es 
würbe auch fofort bie ©abl beS prooiforifchen SiuSfchuffeS oor* 
genommen, ber nach erfolgter Kooptation einiger Dhtglieber nun* 
mehr beftebt auS ben H erren: ^taatSminifter F^h r - ü - 23erlepfch, 
Prof. Brentano * Dtüncben, Dr. E. F^ancfe, H erau ^9 e ^ er ^ er 
„Sog. Praxis", Slbgeorbneter Dr. 9R. Hirfch, Slbgeorbneter Prof. 
Htfee, §. Kamin, Borf. beS BerbanbeS beutfcher ©ewerJoereine, Slb* 
georbneter Dr. Sieber, Pfarrer Daumann, SanbeSoJonomieratl) Dobbe, 
Slbgeorbneter Dr. pnd)nicFe, Komntergieuratb o. Pfifter*Dtiinchen, 
©eneralfeJretär Dr. pieper*©.*©labbad), Slbgeorbneter Kommergien* 
rath Doeficfe, FabriJant Schmalbein*KöIn, Slbgeorbneter Schmibt* 
Elberfelb, Prof. Schmoller, prof. Sombart*BreSlau, S. Sonne* 
mann, Berieger ber F^anJfurter 3 e ^ ul1 9/ Slbgeorbneter Stoecfer, 
Sitbograph Sifchenbörfer, Prof. Sl. ©agner, Pfarrer. ©eher* 
9D.*©labbad), H an ^ e ^^ ammer f e f re Fö r Dr.©irmiugbauS*Köln,©eigel, 
Borf. bes BereinS „Slrbeiterfchufe". SluS biefem Komite follen 
wieberum einige Herren gu ben internationalen Berbanblungen 
belegirt werben. 

©ie in Dr. 30 Sp. 811 ber „Sog. Praxis" mitgetheilt/ haben 
bie gur Betheiligung an ber Konfereng eingelabenen fogialbemoJra* 
tifeben DeichStagSabgeorbneten laut FraJtionSbefchlufe ftch fern* 
gehalten, weil bie „begrünbete Slnficht" oorlag, man habe mit ber 
SluSmabl beftimmter perfonen einen Xbeil oer Partei abfonbern 
wollen. Es liegen hier, wie fefjon in jener Dummer auSeinanber* 
gefegt, irrtümliche Sluffaffungen oor, bie auch in ber Berfamnt* 
lung am 3. Dtai gur Sprache gebraut worben finb. Dach längerer 
Debatte würbe ein Borfchlaa beS Borfifeenben angenommen, wonach 
bem Komite überlaffen würbe, bie burch bie Farm ber Einlabung 
bei ben SogialbemoJraten entftanbenen DtifjDerftänbniffe gu be* 
feitigen, um ©itgliebern einer Partei, hinter ber gwei SKiEioiten 
Slrbeiter als ©äbler fielen, bie jc^t burch FraJtionSbefdblitfe ab* 
gefljnittene Beteiligung an ber internationalen Slrbeiterftuh* 
oereinigung offen gu halten. SluSbrücflich fei hier feftgeftellt, ba|, 
wenn aut in ber Debatte bie Slnfitten auSeiitanber gingen, ber 
Beftlufe felbft einftimmig gefaxt worben ift. ©ie wir hören, 
ift eine entfprechenbe SlufJlärung erfolgt, baS Dliftoerftäubniji ift 
befeitigt; bie*fogialbemoJratifte FraJtion wirb bic Slngelegcnljeit 
nodjmals erörtern. ^)ie Slblebnung ber eingelabenen ©ewerJftaftS* 
fübrer ift bagegen mit bem Hinweis auf baS BereinSgefejj, baS 
ihnen bie Steilnabme unmöglich mate, begrünbet. 

Frbr. o. Berlepft fd)Iofe bie Berfammlung mit bem Slusbruc! 
ber Hoffnung, bafe bie nun oottgogene Bereinigung ber oerfticbenen 
fogialpolitiften Dittungen eine ErftarJung unb -gefunbe Fort* 
entmicJelung ber Strbeiterftubgefefcgebung in ^)eutftlanb bewirJeit 
werbe, ©ohl ftelje auf bem ©ebiete ber Slrbeiteroerfiterung 
2)eutftlanb in ber Sogialreform an ber Spifce, oom eigentliten 
Slrbeiterftuh bagegen laffe fid) ebenfowenig behaupten, bafe ®eutft s 
lanb barin gurücf, als bah c§ barin allen anberen Sänberit ooran 
fei. Stuf Jeinen Fall bürfe man fit auf ben StanbpunJt ftellen, 
bah ^Deutftlanb, weil es etwa anberen Staaten ooran fei, jeht 
nitts mehr gu tun braute, fonbern oorerft ruhig abwarten 
müffe, bis bie anberen Staaten natgeJommen feien: ,,©ir biirfen 
niemals oergeffen, auf bie Qnbuftrie gebübrenbe DütJ* 
fitt gu nehmen, aber anberfeits müffen wir uns aut 
immer oergegenwärtigen, bah jeber Stritt oorwärts 
auf bem ©ege beS oernünftigen SlrbeiterftufeeS eine 
StärJung unfercr Fnbuftrie bebeutet!" 

©ohnungSpoliti! in ben ©emetnben, im Staat unb im Dcit* 
3m preuhiften Slbgeorbnetenhaufe finb in lefeter 3eit gwei Kunö* 
gebungen ber Degierung gur ©ohnungSfrage erfolgt, bie grohe Be* 
Deutung befihen. Bei ber ^Debatte über ben neuen 5 9DiUionen*Krebit 
für Slrbeiterwobnuugen theilte ©inifter o. Diiguel, ber oon je bcr 
©ohnungSreform feine SlufmerJfamJcit gugewenbet hot, mit, bah bie 



871 


Sogiale $ra£is. Eentralblatt für Sogialpolitil. Ar. 32. 


872 


Eifenbaßnoerwaltung nicßt weniger alg 30 250 ftaatgeigene Bk>ß* 
nunaen, barunter 23 250 Sienftwoßnungen befifet. Er perfönlic^ 
fei Der Meinung, baß bag Bebiirfniß (naeß eigenen 5Öliet^ 
nicßt Sienftwoßnungen) in ben ftaatlicßen Betrieben noch längft 
ni<ßt erfüllt fei, unD baß bie Regierung Stritt für Scßritt auf 
biefem ©ebiet weitergeßen ntüffe. Er fönne baran nur ben SBunfcß 
fnüpfen, baß bie großen Kommunen unb Berbänbe meßr alg 
bisher bem Borgern beg Staateg auf biefem ©ebiete folgen: 

„E3 giebt eine Steiße oon großen Stabten, bie aueß woßl bagu 
tn ber Sage wären, inbeß bisher nicßt bag Eeringfte für bie Berbeffe* 
rnng ber SBohnungSoerhältniffe ißrer Beamten unb ihrer ftänbigen Ar* 
beiter getßan haben. SSie ber Staat bie Berpflicßtung anerfennt — 
wenigftcnS bie moralifche Berpflicßtung —, auf biefem fo hochwichtigen 
fogialen Gebiet ooraitgitgeßen, fo trifft nach meiner Meinung btefe ntora* 
lifeße Pflicht bie großen Kommunen ebenfo wie ben Staat. B?an fann 
natürlich feiteng ber Kommunen — unb bas ift auch oielfacß gefeßeßen 
— inbireft auf anberent SScge, namentlich bureß 3 ur bigpofitiong|tellung 
billiger Baupläne f)dfen; aber ich habe ba3 Gefühl: Begüglicß ber 
eigenen Beamten unb Arbeitnehmer fönnte wof)I feiteuS ber Kommunen 
noch mehr gefeßehen alg cg hi e unb ba in banfenSwertßer Bkife ber 
TvaÜ ift." 

Ser Btinifter meinte, ber ©runb biefer llnterlaffung fei, baß 
bie .jperren in ber Stabtoerwaltung, wie überhaupt bie befißenben 
blaßen, oielfacß gar feinen Begriff haben oon ben 3uftänben in 
ben SöoßnungSoerhältniffen ber armen Seute. Sag ift gewiß richtig! 

tiefer Mahnung beg BtinifterS an bie ©etneinben folgte 
wenige Sage barauf an berfelben Stelle eine SRittheilung eines 
Slomtniffarg beg 9Rinifterg beg Snnern baßin, baß bie Be* 
giemng fotnmiffarifeße Erörterungen über bie Regelung beg 
gangen BSohnunggwefeng mit fpegieüer Bücffußt auf Be* 
feitigung ber SOtißftänbe beg Scßlaffiellenwefcng oeranftaltet habe. 
Siefe Berathungen feien gunt Abfcßluß gelangt unb eg feien Bor* 
lagen gu erwarten, „fowohl auf bem ©ebiete ber ©efeßgebung 
wie ber Boligeioerorbnung, ‘ unb unter biefeit Borfcßläaen 
werben fieß auch folc^c befinben, welche gerabe bag Unwefen oe* 
fämpfen f ollen, bag fleh mit ben Bf affen quartieren, fei eg in 
Brioatwohnungcn, fei eg in Scßlafßäufern, oerbinbet. Alfo 
in biefer Bicßtuna ift Bemebur in furger 3gu erwarten." 

Aug biefen Aeußerunaen folgert bie „Boft" bereitg, eg fei 
fchr wahrfcßeinlicß, baß, abgefeßen oon ben aueß ohne neue gefeß* 
liehe Unterlage möglichen Berwaltunggmaßregeln, Bunbegrat^ unb 
Beicßstag bemnäcßft mit Borfchlägen gum Erlaß ein eg Beicßg* 
woßnungSgefeßeg befaßt werben. Sag glauben wir nun nicht, 
wir finb aber aueß feßon gufrieben, wenn überhaupt auf bem ©e* 
biete beg Böoßnunggwefeng ernftßafte Btaßnaßmen gur Befeitigung 
ber bringenbften Bfißftanbe oorbereitet werben. 

Sie ^fäubbarfeit beg Mfleifüißtieg in gfrattfretiß. Ser fran* 
göfifeße .faanbelgminifter, Baul Selombre, hat ein Bunbfcßreiben 
an bie bebeutenbften Arbeitgeber gerichtet, in bem er fie um ihr 
©utaeßten über bie Bfänbbarfeit beg Arbeitslohnes erfueßt. Ser 
Btinifter oerweift auf bag bem Senate oorliegenbe BrojeEt eineg 
begüglithen ©efeßeS unb hebt ßeroor, baß eg fieß barurn ßanbele, 
ob ber ©rutibfaß beg ©efeßeS oom 12. Sanuar 1895 (Bfänbbarfeit 
beg gehnten Sßeils beg Arbeitslohnes) beigubeßalten fei ober ob 
cg üorgugicben wäre, ben gangen Arbeitslohn für nicht ejequirbar 
gu erflären, wie bieg bereitg in Bußlanb, Seutfcßlanb, Borwegen, 
Ungarn, Spanien unb Bußlanb ber galt fei. Sie Anhänger ber 
Unpfänbbarfeit beg Sohneg ftüßen fich auf bie uuoerhältnißmäßige 
Höhe ber EjefutionSfoften, bie bem Arbeiter gur Saft faßen, 
wäßrenb bie gegnerifche Anficßt barauf oerweift, baß bureß Statui* 
rung ber Uupfänbbarfeit bie Sage beg Arbeiterg burd) ben Berluft 
feineg Ärebitg oerfchlecßtert werben fönnte. Ser Bfiniftcr erfueßt 
beghalb um Bfittheilung ber Erfahrungen, bie mit bem ©efeße 
oom Qahre 1895 gemacht würben. 

Sie amerifattifdje Siga für fogialc Stewfte. Einem Berichte 
über bie oor Bürgern erfolgte ©rünbung einer „Siga für fogiale 
Sienfte" in Bew^^orf unb ihre meitauggreifenbe B^irffamfeit ent* 
nehmen wir goigenbeg: Eine Angaßl oon Btenfcßenfreunben oer* 
feßiebener Berufggebiete: anglifanifcße Bifcßöfe, ©eiehrte, angefeßene 
Bubligiften u. A. m., haben fidj gufammengefunben, um für bag 
freiwillige fogia^humanitäre Brirfert ber wohlhabenben unb ge* 
bilbeten SUaffen eine Eentralftelle gu feßaffen, bie ben Eßarafter 
einer mobernen Siga angenommen hat. An ber Spiße beg Bureaug 
fteht alg leitenber Eßef ißreg praftifeßen SBirfcng ein 3Rann, beffen 
Beruf fo reeßt aug ber fteigenben Bebeutnng ber fogialen fragen 
für unferc 3 e it ßeroorgegangen ift: ein „fogialer Sugeuieur", wie 
er firi) nennt, $err Dr. William Solmann. Sie gegenwärtig im 
Borbergrunbe fteßenbe Aufgabe ber Siga, welcßer ficß Dr. Solmann 


mit ber gangen Sßatfraft eineg Amerifanerg ßingiebt, ift bie Ber* 
befferung ber gefunbßeitlicßen Sebengoerhältniffe ber Arbeiterflaffe. 
Siefeg 3iel oerfolgt bie Siga auf oerfeßiebenen SSegen. 3m 
Seben ber großftäbtifeßen Beoölferung gewinnt Angeficßtg ber fon» 
fequenten Berunreinigung ber Suft burdß bie oerfeßiebenften, aug 
ber gewerblichen unb mbuftrieHen Sßätigfeit m biefelbe aug* 
ftrömenben Stoffe bie Hautpflege eine fteigenbe Bebeutung. Sorg* 
fältige Hautpflege ift ein Hauptfaftor ber "Erhaltung ober ©ieber* 
aewinnung ber ©cfunbßeit unter ben mobernen Sebengoerhältniffcn. 
Aug biefer Erfenntniß entmicfelte fieß ber Srieb, aueß ben unbe* 
mittelten klaffen bie SRöglicßfeit eineg billigen ober gang unent* 
geltlicßen Babcg bag gange Qaßr ßinbureß bureß reieße Gelegenheit 
gum Baben gu bieten, ©eleitet oon biefer Erfenntniß, bie bereitg 
in einer Angaßl oon europäifeßen ©roßftäbten gu ähnlichen Ein* 
rießtungen geführt hat, ftiftete bie Siga bem &ew*S)orfer Bolfe 
eine große Ängaßl oon Sreibäbern, bie, in allen Stabttßeilen gweef* 
mäßig oertßeilt, eg bem armen Btanne ermöglichen, mit geringem 
3eitaufmanbe unb oßne alle Sfoften jebergeit ein erfrifeßenoeg Bab 
gu neßmen. 3n Solgc beg BMrfeng ber Siga wirb eg gegenwärtig 
woßl faum eine anbere ©roßftabt geben, Die in biefer Hinficßt fo 
oortrefflicße unb auggebeßnte Einrichtungen befißt wie 9few*?)orf. 

Eine gweüe Aufgabe, bie fieß bie Siga gefeßt, befteßt in ber 
praftifdßen Berbefferung unb Berfdjönerung ber ilmgegenb oon 
Sabrifen unb Arbeiterwoßnftätten. Ein reießer aßafcßinenbauer in 
Eolorabo, ber feinen Arbeitern gaßlreicße Arbeiterwohnßäufer er* 
rießtet hatte, fam auf ben ©ebanfen, ben Söertß biefer BSoßnftätten, 
bie in einer unwirtßlicßeu, oerwaßrloften ©egenb lagen, bureß 
gärtnerifeße Anlagen gu erßößen. Siefen Unternehmer naßm fieß 
bie Siga gum Borbilbe. Sie ging baran, bie weiten, oben SRäume 
gwiftßen ben gabrifen naeß einem feften Biane umgugeftalten. 3«r 
Anwenbung gelangte hierbei bag fogenannte „BaoiHonfpftem". 
Sie Straßengüge würben mit Bafengängen unb Blatanen bepflangt, 
gärtnerifeße Anlagen gefeßaffen unb gaßlreicße fleine, gierlidße 
Arbeiterßäugcßen in biefer gu einer Art B<rcf umgeftalteten ©egenb 
errießtet. 3ebeg Hö«^fßcn erhielt einen fleinen ©emüfegarten, einen 

S ofraum unb 3ierpflangen. Sener Arbeiter, ber am Enbe ber 
aifon ben Hofiaum, bag ©emüfegärteßen unb bie Umgebung 
feineg H e img am beften in Stanb gehalten, erßält oon feinem 
Öabrifgßerrn einen ^SreiS oon 25 Soüarg. Sie SSirfung biefer 
Umgeftaltung auf ben ©eift ber Arbeiterfcßaft ift eine gang be- 
beutenbe. 3n einem Salle in 9tem*?)orf, wo eg fieß um eine 
2000 Arbeiter faffenbe Anlage ßanbelt, ift bie ©egenb faum wieber* 
guerfennen. Sie ßat einen oöHig geänberten Eßarafter ange* 
nommen. Borßer war bie Sabrif in Solge ißreg büfteren Aug* 
feßeng alg „©efängniß" im Arbeitermunbe berüchtigt, heute ift ber 
Arbeiter ftolg auf „feine" ißm liebgeworbene Arbeitgftätte. Bon 
nod^ größerer Bebeutung ift, baß folcße Anlagen leießt oorbilblicß 
werben unb bamit baßnbrecßenb wirfen. 


ftotttmitimle Soilitlpoltttk. 


Stäbtifcße Augfunftgftclle für bie arbettenben klaffen für 
Bofen. Am 19. April berietßen bie Bofener Stabtoerorbneten über 
bie Einrichtung einer Augfunftgftelle für bie arbeitenben klaffen. 
Ser SDfagiftrat ßatte gur Begrünbung einer folcßen Einrichtung 
eine neue Sefretärftelle im ©ewerbeamte mit einem ©eßalt oon 
2400 c 1t. geforbert. Ser Augfcßuß, bem bie Borlage gur Beratßuug 
überwiefen worben war, war einftimmig gu ißrer Ablehnung ge* 
fommen. Sie Bebner in ber Stabtoerorbnetenoerfammlung em¬ 
pfahlen aug bemfelben ©eifte ßeraug mit biefen unb jenen ©rünben 
bie Ablehnung unb nur ber warmen unb gerieften Begrünbung 
unb Bertßeibigung ber Borlage bureß bin SRagiftratgaffeffor Scßolg 
unb ingbefonbere bureß ben Dberbürgermeifter ©itting würbe eg 
ber Stabt Bofcn erfpart, baß eine folcße Borlage glatt gu Soße 
gebraeßt würbe. iRacßbem Suftigratß Sewingfi noeß ein Amcnbe* 
ment bureßgefeßt ßatte, baß mit ber hier geforberten neuen Sefretär* 
ftclle im ©ewerbeamte feine befonbere Arbeiter-Augfunftgftefle ge* 
feßaffen werbe, würbe bie Borlage nunmehr an bic Sinangfommiffion 
oerwiefen. Kaufmann Säcfel bradjte eg fogar fertig, m ber Ein* 
rießtung biefer Augfunftgftelle eine Beoormnnbung ber Arbeiter gu 
finben unb bag Scßlagwort oon ber Selbftßülfe angubringen — 
bag bei einem Borfcßlage, ber nießtg weiter begmeeft alg einen 
Btann angufteUen, ber ben um Batß frageitben Arbeiter ober bem 
Sienftmäbdjen Augfunft gu geben ßat über feine ißm bureß ©efeß 
gewäßrleifteten Anfprücße aug ber fogialpolitifcßen ©efeßgebung! — 
B3ir fönnen bem Dberbürgermeifter BMtting mir guftimmen, wenn 



873 


Sogiale SßrajiS. Eentralblatt für SogtalpolttiF. 9lr. 82. 


874 


er in richtiger ErFenntitiß ber oeränbertcn Aufgaben einer ©emeinbe 
bie Uebergeugung auSfpradj: Die Sclbftoerroaltung roirb 
fogialen gbeen gugänglicß fein ober fie roirb nicht fein! 
3J?öge biefeö fogialpolitifcße güßlen and) in beit itorbbeutfcßcn 
©emeinben fi<ß roeiter oerbreiten, roie eg in Sübbeutfcßlanb oiel* 
fad} in feßr erfreulicher VBeife ber gaß ift. 

Unentgeltliche Veerbignng iit Sßttrgait. gm tfanton 2ßuvgau tritt 
am l.^nnuar 1900 ein ©efeß über bie unentgeltliche Veerbigung in 
Straft. Das ©efeß geftattet bie geuerbeftattung, jeboch nur auf Soften 
ber Angehörigen. Die Stoffen ber Veerbigung tragen bie ©emeinbe unb 
ber Staat gu gleichen Dßeilen, roobet bie öeießenfebau, bie Vefannt* 
maeßung ber Veftattung, bie Sieferung beS Sarges unb bic Einjargung 
ber Reiche, beren Verbringung auf ben griebliof, bas ©locfengeläute, 
bas Teffnen unb 3ubecfen beS ©rabeS unb bie Vegeicßnung beS (Grabes 
inbegriffen fmb. Die jä^rlic^en Soften ber unentgeltlichen Veerbigung 
roerben für ben Äanton 2ßurgau auf 60 000- 70 000 gres. gejcßäßt, 
ber Staatsbeitrag alfo auf 30 000—35 000 grcS. Sieben 3ürid) unb 
©laruS ift nun Dßurgaü ber britte Danton, ber bie unentgeltliche Ve* 
erbigung eingefüljrt b«t* Deutfcßlanb bot btöl^er nur Stuttgart ben 
Anfang beS gleichen fecgeS betreten, roenn auch immerhin feßon mehrere 
©emeinben, roie Bresben, eine ftäbtifche VccrbigungSanftalt mit Siormal* 
fäßen beftßen. 

Stftbtifdje äWiScellen. Siacfjbem ber berliner AnroaltSuerein bie 
Errichtung eines VedjtSbureauS für unentgeltliche AnSfunftS* unb 9Fatl)S* 
ertheilung an Unbemittelte abgelehnt hat, bat bie V erlitt er genügte 
Äommiffion gur Vorbcratßung einer ftäbtifchen allgemeinen Aus* 
funftsftelle ihre Arbeiten roteber auf genommen. — Die öffentlichen 
Spielplätze VerlinS roerben ootn 3. 3Jiat ab ber Scßuljugenb gu 
VeroegungSfpielen unter Leitung oon üiehrern 9?acßmittags oou 4 bis 
6 Uhr gur Verfügung [teilen, fieiber fehlt noch bie freie Vettußung ber 
i*läße nach englijdjem dufter. — gn Schöneberg ift ber Viagiftrat 
bent Vefcßluffc ber Stabtoerorbneten eines foftenlofen ftäbtifchen ArbeitS* 
nadjroeifeS nicht beigetreten, fonbern forberte bie Einfeßung einer ae* 
mifchten ftommiffion gur Vorberatßuna ber grage, bie bie Staot» 
oerorbneten ablehnten, dagegen rouroe bie VFagiftratSoorlage auf 
Errichtung eines ftäbtifchen EleftricitätSroerfeS auf eigene Verfjnung 
(bie Vaufoften fmb auf Vh Millionen VFarf oeranußlagt) grunb|äßlicß 
gut geheißen unb in eine ftommiffion uerroiefen. Der Vfagiftrat rourbe 
roeiter ermächtigt, bie nöthigen Verträge für bie Vorarbeiten gu einer 
gemein [amen Entroäfferung ber ©emeinben Schöneberg, griebenau unb 
Dcut|rf)*9BilmerSbürf auf ©runb beS 15 VFilüonenplaneS bcS Stabt* 
bauratheS a. D. Vrij abgufcßließen. — Die Aufhebung ber Schlacht* 
[teuer, bie in VreSlau beantragt roar (ugl. „Soziale Vra^iS" Vr. 19), 
ift oon ben Stabtoerorbneten abgelehnt roorben. — Das Stabt* 
oerorbnetenfoUegium in Erfurt hat einftimmig bern Anträge beS 
Vfagifirats gugeftimmt, für bic VolfSfchitlen oier Scßulärgte mit einem 
Honorar oon 1600 jl angufteUen. — Die Stabt Hainichen hat ein 
umfangreiches ©runbftücf als Stabtparf für 7000 ju erworben — gn 
SBien hat bie ©emeinbeoerioaltung befchloffen, gur Errichtung ftäbtifcher 
EleftricitätSioerfe eine Sin leihe oon 15 VUliioneit ©ulben gu machen. 


Sojtalc Jttflätt&e. 


Die VcmbtoirFerei in nitb nrn Sdjtoeftn. 

I. 

SSott Schroeltit nach Sßeftfalen gu breitet ftch eine blüßenbe 
$Iein*Eifeninbuftrie aus. $od)enbe Hämmer, rauchenbe Schorn* 
fteine beeinträchtigen mehr unb mehr bie 2Mb* unb 28iefeuibt)ße 
ber freunblichen JÖanbftrecfe. 9Fadj ber Dichtung beS 3^^einIaiibeS 
gu finben roir bie VanbroirFerei. Veibe gnbuftrieen theilen fich 
auch in bas Stäbidjen Sdjroelnt. ^)ie nach Vkfifalen bliefenbe 

a gehört ber SJtetaHoerarbeitung, bic nach ^ cm ^h c t l1 I ai1 ^ 
be Hälfte ber 2:eftil*3nbuftrie. 

®ie §auptprobuttionSpläje ber VanbroirFerei fmb aufeer 
einem fächfffcheu üöegirF hauptfächlich bie Drte Sdjroelm, Varmen, 
SFonSborf, Vlettmann unb ihre llmaegenb. ®ie in ben eingelnen 
©egenben h^efteßten Vanbarten finb ocrfdjieben; fo roerben in 
Varmen roefentlid) ©ummibanber, in 9>FonSborf Seiben*, in Schroelm 
hauptfächlich Vaumrooßbänber geroebt. S)ie ber Snbuftrie in ihrer 
heutigen ©eftaltung eigenen VetriebSformen unb baS intereffante 
Uebergang’Sftabium, in bern fie fich Sum 2:h c ^ noch befinben, Fehren 
aßentpalben roieber. 

2Scnn ich gunädhft hi^ nur bie Sachlage in unb um Schroelm 
fchilbere, fo giebt baS, foroeit bie VetriebSroeife in Vetracht fommt, 
im Söefentlichen ein auch für bie VanbroirFerci ber oorgenannten 
rheinifdjen ©egenben geltenbeS Vilb. *) 

&ie VanbfabriFat'ion in Sd;roelm unb Umgegenb umfaßt bie 
,^erfteßung aßer Slrten ein* unb mehrfarbiger, leinener unb bäum* 

*) lieber bie fndififdjeu Vcrhältniffc fehlt mir bas ilrtbeil. 


roollener, glatter unb geFöperter Vänber, in aßen Seiitheits* unb 
Vrcitegraben, oom orbinäreit ^attunbanb, hi^ ,,£>°ßcmberbanb„ 
genannt, bis gum Vatiftbänbchen. $)cr ftärfftc Xheil ber Schroelnter 
Vrobuftion fäüt auf Stapelartifel, roie 2Säf<hebänber, Sot*, Slorfet*, 
^aißenbänber, fiijjen; in geringerem SJFafje roerben auch ©ummi* 
bänber unb §ofenträger angefertigt. Eine bebeutenbe 3>Foße fpielen 
ferner hoppelt geroebte, fchlauchartige, fd^male fieinenbänber, gur 
§>üße oon ^aißenftäbdhen, foroie breitere baumrooßene, ftar! unb 
bicht geroebte Vorten gum Vefefcen unb Einfafjeit unb für bie fo* 
genannte Vefenli(je, bei ber eine rooßige, befenartige baburdh 

entfteht, bafe baS hoppelte ©eroebe in ber VFitte burchgefchnüten 
roirb. ^hfiltoeife fehr ^übfdj ausgeführte VFobeartiFel roechfeln 
nach SJFaterial unb SJFufter oon Saifon gu Saifon. £iergu gehört 
befonberS bie lebhafte gfabrifation oon mit Vudjftaben (warnen 
oon gfirmen u. f. ro.) geroebten Vänbern. 

SDie Vrobuftion erfolgt auf Vanbftühlen, nach ähnlichen 
ißringipien roie bei ber SSkberei überhaupt. Sämmtliche Veroegungen 
bcS VanbftuhleS roerben hetoorgebracht burch llmbrehung einer im 
hinteren ^h e ^ c Stuhles gelagerten, ein Schroungrab tragenben 
horigontalen SBeße. Vei ber fogenannten ^anb*ßataue roirb bie 
®efle mütelft ber oorn befinblichen Sreibftange mit beiben §änben 
gebreht, eine ShätigFeit, bie eine ftarfe Snftrengung beS gangen 
HörperS erforbert. Es bebarf nur ganj geringer Veränberungen, 
um ben mechanifjhen Vetrieb, 2)ampfFraft, Petroleum*, ©aS* ober 
Venginmotoren für bie tataue nufebar gu machen. 

$er ißreis einer einfachen §anb*Äataue, roie man fte früher 
baute, unb roie fie heute nur nod) bie alten Heimarbeiter benubeit, 
mit 36, 40, 42 ober 48 ©ängen *) beträgt bis gu 700 c 4L, bie 
großen mobernen 3)oppelftühle mit 60, 70 unb 80 ©ängen Foften 
1300—1400 e /ff, Stühle für gemufterte VFobeartifel, Manien* unb 
5)oppelroeberei bis gu 2600 c ^. 

gfür bie gu oerroebenben fiängS* ober Sl'ettenfäben fmb groci 
oorbereitenbe ShätigFeiten, baS Spulen unb Scheeren, erforberlich- 
Sie roerben gunächft gefpult, b. h- au f bie fogenannte ©orpfpule 
geroidfelt, bann roerben bie eingelnen gäben mittelft beS ScheerenS 
oon ber Spule gefammelt unb in gleichmäßig paraßeler &age auf 
eine Söalge, ben Scheerbaum gebracht, dagegen Fommen bie 
Cuerfäbett nur auf bie Einfchlagfpule, roelche bie VFafchine burch bie 
auSgefpannten ^ettenfäben hi^ s unb h cr t re ibt unb fo bie Ver* 
fdßingung oon 5?ette unb Einfchlag gu einem feftFantigen Vanb 
beroirft. 3 U * H cr fl e Öung gemufterter Vänber roirb bie Qacquarb* 
SRafchine oerroanbt, bie Durch Verfchränfung oon Äette unb Ein* 
fd)fag ober Schußfaben in einer burch ein befonbereS Spftem ge* 
regelten 2lrt unb SFeihenfolgc üerfdjicbcnfarbige 3eichnuugen auf 
Seinen ober Vatiftgrunb heroorbringt. 2)ie Emfchlagfpulen liegen 
hier in Schiffchen ober Schüßen, ^urd) Verrocnbung oon xroei 
ober mehreren übereinanber liegenben Stößen Faun auch ber Ein* 
fcßlag mehrfarbig unb in oerfdjiebenen StärFegraben genommen 
roerben. 9Fach bern Sßeben gefchießt baS Slufhafpeln beS geroebten 
VanbeS, foroie gasreiche fortirenbe Arbeiten. ®aS Spulen erfolgt 
auf 9JFafd)inen, bie theils mechanifch, in Verbinbung mit bern 
Vanbftuhl, theils getrennt oon bemfclben, mit ber panb getrieben 
roerben; bie §afpel roirb h^ute noch überroiegenb mit ber Hanb in 
Veroegung gefeßt. 

9Focß oor 20 3ah™u lag bie gange Snbuftrie, noch uor 
10 gaßren ber größere £h e il berfelben in ben Hänben oon bloßen 
Verlegern unb Fleinen VanbroirFermeiftcrn. ®ie Arbeit rourbe in 
ben Hütten ber um baS Stäbtcßen in ben Vergen, auf Eßauffccn, 
groifdjen 2öalb unb VHefe gerftreut Iebenben VanbroirFer, entroeber 
mit eingelnen ©efeßen, ober mit grau unb SFinbern gethan, unb 
roar faft bureßroeg oerbunben mit ber gleicßgeitigen Veroirthfchaftung 
eines Stüdfcßen eigenen ßanbeS. 

ES begannen bann eingelne unter ben VanbroirFermeiftern, oft 
aueß nur Vauern unb $Hein*©runbbefißer, VFictßSfabriFen mit 
Dampfbetrieb gu errichten unb SFraft unb 9Faum an benachbarte 
HauSinbuftrieße gegen eine Vergütung oon 3 JL bis 3,50 JL 
ßerguleißen. Die Vennietßer lernten baburdj gnbuftrie unb £unb* 
fd)aft in erroeitertem 3JFaße Fennen unb entroicfelteu fieß gu FonFur* 
rirenben gabriFanten neben ben alten, eingefeffenen Verlegerfirmen, 
roäßrenb fie gleicßgeitig fortfußren, übrigen S^aum bureß Ver* 
mietßen auSgunußen. Die Verleger ißrerfeits gingen gur ©rünbimg 
oon gabriFen über. Hm ber ÄonFurreng ber 5KiethSfabriFen*3n* 
ßaber gu fteuem, ließen fie ebenfaßs SfFaum unb Hraft an biejenigen 
ber nur oon ißnen befcßäftigten HuuSiitbuftrießen, bie, geftiißt auf 
ben Vefiß ißrer Stüßle, mißt geneigt roareu, eine relatioe Selbft* 

*) «iS ©äuge begcidjnct man bic 3^1)1 ber Vänber, bie neben* 
eittanber glcidj^citig cntfteljeii. 



875 


©ojiale PrayiS. ßcntralblatt für ©ogialpolitif. Br. 32. 


876 


ftänbigfeil anfgugebeit. demzufolge finben mir in bcr gabrif fo* 
mol)! an ben Stühlen beS gabrifanteu arbeitenbe Lohnarbeiter als 
Banbwirfer mit eigenen Stühlen; bie Letzteren ftefjen bem Unter* 
neljmer als Biiethcr von Baum nnb Kraft unb als Berfäufer ber 
nach feinen Angaben unb mit feinem Material geroebten Artifel 
gegenüber unb werben al^ f>au3gemcrbetreibenbe aufgefafet. ßin* 
gelne gabrifanten befdjäftigen auf biefe Seife brei verfdjiebene 
Kategorien von Arbeitern, erfienS Lohnarbeiter, zweitens fogenannte 
HauSgemerbetreibcnbc innerhalb ber gabrif unb brütend §auS* 
gemerbetreibenbe außerhalb bcrfelben, unb zwar foroohl folrfje in 
eigenen Scrfftätten als in BüetljSfabrifen. 

die Batibfabrifen nennen fid) heute medjanifdje Banbmcbereicn; 
bie einzelnen Arbeiter merbcit burdjmeg als Banbwirfer, bie Klein* 
gemerbetreibenben als Banbwirfermeifter bezeichnet. ßs ift baS 
ein rein nomineller llitterfchicb; erft feit ber ßinfiihruug beS 
BtotorenbelricbS unb in Berbiitbung mit bemfelbeit ift bie Be* 
Zeidjnung „Btedjanifdje Banbmeberci" aufgefommen, mährenb mau 
gleichzeitig an ber alten Terminologie gur Bezeichnung ber ArbeitS* 
fräftc fefthielt. 

gn unb um Sdjwehn giebt es heute 12 Banbfabrifen, bie auf 
4 bis z» 10° Banbftiihlen von ca. 6 bis zu ca. 130 bireft ab* 
hängige Arbeiter befdjäftigen, uneiugeredjnct bie für fie thätigen 
HauSgewerbetreibeuben unb auswärtigen Spulerinnen unb Hafple* 
rinnen. diirdjfchnittlid) Fommen auf bie einzelne gabrif 30 bis 
35 Stühle in* unb außerhalb berfelbeit. 

Gröfecrc BJietljSfabriFcn giebt cS etroa 30 bis 35, in beneu 
etwa 1000 Arbeiter Baum unb Kraft benutzen. ßin nicht unbe* 
trädjtlidjer Tfjeil biefer HauSinbuftriellen arbeitet ganz °ber tljeil* 
meife für Barmer gabrifanten. 

gerner giebt cS noch etwa 700 bis 800 Banbwirfermeifter mit 
etwa 400 bis 450 Gefeiten, bie nad) eigenen gbecn unb mit 
eigenem Material arbeiten unb ihre Saare an gabrifanten ober 
Groffiften verfaufeu. 

ßine grofec Anzahl von grauen unb Kiubern ift mit Spulen, 
Hafpeln unb fortirenbeit Thätigfeiten in ben eigenen Reimen bc* 
fchäftigt. 

gn jeber gabrif, BJietfjöfabrif unb Serfftätte werben je nach 
Bebarf unb Bfobe halb bie gleidjen, halb uoit einanber abweichenbe 
Banbarteu in aufeerorbentlidjer Blanuigfaltigfeit neben einanber 
hergeftellt. Dft werben in einem einzigen Betrieb bis zu 200 ver* 
fdjiebene Artifel gefertigt. 

gn ben gabrifen ift bie Beanffidjtiguug ber Stühle vormiegenb 
Btännerarbeit. Sn ben BiiethSfabrifcn lieht man aud) uiele 
grauen, bie im Sefentlid)en aber nur zeitweife ihre Biäitner, Bäter 
ober Brüber ablöfen, bamit bie Stühle auch wätjrenb ber Mittags* 
paufe ber eigentlidjen Banbwirfer feinen Augenblicf fülle ftei>en 
unb bie Briefe voll auSgenujjt wirb. ßs giebt aber auch in 
BticthSfabrifen unb Heimen eine ganze Anzahl felbftftänbiger Banb* 
wirferinuen. (Schlafe folgt.) 

Berlin. §elene Simon. 


Urtfjcil eines gabrifanten über ben 3 c ^uftunbnttag in bcr 
TcytiUnbuftrie. Sn ber Teytilarbeiterbevölfernng deutfchlaitbs unb 
CejterreidjS wirb bie Bewegung für einen geljnftünbigen ArbeitS* 
tag immer ftärfer; aud) bcr grofee Streif in Brünn (fiehe unter 
Sp. 8S1 biefer Bummer) ift burd) bie Bcrwcigeruug einer Ab* 
fiirzuug ber Arbeitszeit entftaubeu. Unter biefen Itmi'tänbcn oer* 
bient cs Beadjtung, bafe ein Brünner gabrifant, BamenS piSfo, 
ber feit längerer Seit in feinem Betriebe nur lOStunben arbeiten 
läfet, fid) äufeerft günftig über bie gefdjäftlidjen Sirfungcn biefer 
ßiuridjtung äufeerte. ßr tritt mit feinen ßrfahruugcn in ber 
Briinner „SonutagSgtg." an bie Ccffentlid)feit: 

Tic ßiufülinmg bcr zcljnftiiiibigeit Arbeitszeit bat — fo fdjreibt 
er — uidjt bic miiibcftc Bcräuöcriiug in bcr Leiftimgvfäljigfeit meines 
Kerfes Ijcroorgcrufen. 3 dl bege bic wolle Ucbcrgeugitiig, bau irf) biefe 
Beränberuug oljue jebcs Cpfcr burdigefülirt ljabc; bte fd) ein bar wer* 
lorene Arbeitsfiimbc nmrbe burd) bie intenfioere Arbeit bcr befiel* 
ausgernljteii nnb geftärften Hiilfsfräitc wollig bereingebradit. ! 
Malige Arbeitszeit befbrbert nur ben öang zum Tröbclu. 3<h halte es ( 
mit bem cnglifdjen Tunern bcr furzen, uidjt mit bem oftcuropäifdjcu | 
Sijftent ber laugen Arbeitszeit. Tcuu bie einzige Bictbobe, nufere | 
Arbeiter auf bie Höbe ber englifdieu zu bringen, befteljt bariu, fie all* | 
mdljlid) au bie wolle Ausniipuug furzer Arbeitszeit zu gewölmen. ßs , 
ift bies eine iubuftrielle ßrziebuugsirage; wirb fie riditig aitgewadt, fo | 
werben wir otiue jebeu Tdiabeit für bic'probuftion fpäterhiu aueb nod) 1 
fingere Arbeitszeiten erreidjeu föuueu. Tie ßntwiefeluug ber Tertil* 
iubuftrie wirb uns bas uid)t nur ntöglidi madieit, fie wirb es uns fo* j 
gar auibräugeu. Tenn bie ßiuiülirmtg bcr moberueu, idiuellgebeubeu | 
’A'aidirne-u mutbet bem Arbeiter ein früher ganz uubefauutes 'A>iaf) won ; 


Aufmerffnmfett unb Tpamtfraft z»/ fo zwar, bafe unter beut bisherigen 
Snfteme bie wolle Ausnubuug ber neuen BZafdjiucn bireft ausgcfdiloffcn 
ift. Unb bcr ßrhnltuug won alten, längft überuumbeuen B?nfd)tiien 
Zit Liebe bic Arbeiter langer arbeiten lagen, wäre bas wiberftmtigfie 
Borgeheu, beffeti man fid) and) als WefdjäftSuiann fdjulbig machen 
föiuite. 3c mefer unb je intenfiwer, aber uidjt — je länger wir arbeiten, 
brfto wortheilhaftcr für bie ganze gnbuftric. 

3m ^ebereibetriebc ift ber ^ehuftunbentag non ganz befouberem 
Bortheil, ßs fällt baburd) ltämlid) im hinter eine won beit Sieber* 
meiftern gefiirditete Stiinbe fiiiiftlidjer Beleuchtung Ijinweg, in welcher 
oft Gehfehler übcrfeheii, bic Augen bcr Arbeiter überangeftrengt, weniger 
unb unerafter gearbeitete Sdaarr erzeugt wirb. Bidit minber hat fid) 
ber Aehnftunbeiitag and) in ben Borarbeiten ber Weberei, bem Spulen, 
Tdiwcifcn unb and) zmit grofeten Tbeile in ber Appreturarbeit bewäbrt. 
Bio biefe, wie bas Boppen, AuSiiäl)cn gänzlid), baS ^reffen grofeten* 
tfecils -Banbarhcit ift, fomitc fein Ausfall fwnftatirt werben, nnb fclbft 
beim 'üafdieu, halfen, Baufeeu, Sdjcren ift ber Ausfall burd) rnfdjeres 
Bebieueu ber ARafdiincu beim ßiu* nnb AuSIegeit theilweife tu foldient 
BJafec hereingebradjt worben, bafe er faunt in bie SSagfdjale fällt. 

Abgcfcfecu bawoit, bafe bie LeiftuugSfäbigfeit meiner gabrif jidi 
uidjt werriitgert hat, habe id), feit td) biefe erfte SRorgcitftimbc aitfgc* 
laffen habe, eine faft zehnprozentige ßrfpamife an Kofele nnb Sdtmicr* 
material unb eine foldjc uou über 20 % beim Beleuditungsfonto z 11 
werzeidjiteit. 

CSublicf) ift bie Kürzung ber Arbeitszeit um eine Bforgenftunbe eine 
wahre 3BoI)Itl)at für bie fdjwcrgcplagten gabrifbeatnten, bie unter bem 
Stiftern langer Arbcitsftunben uidjt weniger z» leiben haben als bie 
Arbeiter. 

£>err ^iSfo erflärt, er werbe beim 3 c Ö n f^ un ^ cn ^ a 9 bleiben, 
unb meint, eine fo oernünfüge ßinrichtung brauche man fleh bod) 
uidjt erft abringen z» laffen. T)ie Biehrzaljl ber gabrifanteu ber 
Tcytilinbuftrie ift leiber auberer Anpdit. 

SlrbeitSUerhaltniffc in fRufelanb. 35Me bie „Times" inittheilt, 
hat Fürzlid) in Bufelanb non regierungSmegeu eine ßrhcbuitg über 
bie ArbeitSoerhältuiffe bcS LanbeS ftattgefunben unb jmar im §)in* 
blicf auf bie Berfoi gütig ber Sttbuftrie mit Ijinreidjenbcn gelernten 
ArbeitSfräftcu. B3ir entnehmen ber „Times" folgenbe Büttheiliiugcn 
über bte ßrgebniffe biefer ßrhebungen: Unter mannigfadjeu anbertt 
golgcn ber ^Bauernbefreiung in Bufelanb geigte fief) aud) bic, bas 
bas'allgemeine Lohnniveau burch baS plöfelith vermehrte Angebot 
von ArbeitSfräften rjerabgebrücft würbe. T)ie Urfacfeen b\eu% 
LohttbrncfS finb hrute noch biefclbeit. 2Bemt ein Bauerngut grofe 
genug ift, ben ßigeuthümer unb feine gamilie zu erhalten, fo lüirb 
bcr Bauer bod) oft froh fein, über ben Sinter, in bem er feine 
gelbarbeit verridjten Fantt, in ber Stabt Arbeit gu nehmen, wäre 
es auch uur um gang geringen Lohn, ber für ihn immerhin 
reinen ßjeminn bebeutet. hiervon abgefeljcn, bietet ein fedjSmonat* 
lidjer Aufenthalt in ber Stabt eine angenehme Abwechslung. So 
ift ber ArbeitSntarft im Sinter ftets überflutet unb bie Löhne 
fallen um 20 bis 25 %. gft aber baS @ut nicht grofe genug, 
um beit ßigenthümer unb feine gamilie gu erhalten, bann über* 
läfet ber Bauer bie Bewirthfchnftung grau unb Kinbern unb geht 
über baS gange Qahr in bie Stabt arbeiten, um oon beit höheren 
Sommerlöhnen gu profitiren. T>iefeS Stjftem ber gluth unb ßbbe 
auf bem ArbeitSmarft fdjäbigt natiirlidj bie 3nbuftrie, eS beeilt* 
trädjtigt bie LciftungSfähigfeit beS einzelnen Arbeiters wie ber 
gabrifen überhaupt. — ^egüglicf) ber gegenwärtigen Lohnverhält* 
itiffc werben folgenbe T)aten mitgetheilt: gm T)urd)fchnitt erhalten 
gabrifarbeiter, bie baS gange gahr Ijinburdj arbeiten, 370 <JC 
jährlich, im Gouvernement St. Petersburg beläuft fich ber T>urcfj* 
fdjnitt auf 470 dt unb int centralen Bufelanb um BtoSfau hrrutn 
auf 335 , f(. jährlidj. 


Arbeitgeber' mtb Unterneljtttertierbänbe. 


Bcrfucf) einer Unternchmcrorganifatton in bcr ^olztnbitftric. 

Bott $)errn G. Tripp in Kaffcl ergeht an bie Biöbelfabrifantcn 
ein Aufruf gur Begrünbung einer Bereinigung beutfdjcr ÜRÖbel* 
fabrilanten unb Tifd)lermeiftcr gur „Abwehr unberechtigter 33c* 
jtrebuugcu" ber Arbeiterfdjaft. SDie Bfitgliebcr ber Bereinigung 
füllen fid) bauadj verpflichten, gegen .Hinterlegung eines Sidjt* 
wedjfels von 300 bfs 1500 c ff_ bei Ausbrud) eines Streifs, ober 
wenn bie Sperre über bie Serfjtättc eines BiitgliebeS verhängt 
wirb uub feine giitlidie ßiuiguitg gu crgielen ift, bem Holzarbeiter* 
verbaub angiibroheit, bafe, wenn binnen längftens ad)t Tagen bie 
Sadje nidjt beigelegt ift, fäutmtlidje bem Berbanb angehörigeit 
gabrifanteu fvlibarifdj ihre Betriebe fperrcu werben. B?an rechnet 
babei barauf, bie Muffe ber Arbeiterorgauifation gu fprengen, ba, 
wenn fid) vorläufig mir 200 Unternehmer mit je 50 Arbeiter an 



877 


Soziale $rayt8. Gentralblatt für ©ogialpolilif. Br. 82. 


878 


bem Berbanb betßciligen, eine Arbciterzaßl oon lOOOO außer 
St^ätigfcit gefeßt wirb, bic n>öcf)cntlic^ minbefteng 150 000 <// 
Streifgelber beanfprucßen. 2Ran will burch bic Bereinigung „feinen 
Srucf" auf bie Arbeiterfdßaft augüben, fonbcrn nur „unberechtigten" 
Sorberungen entgegentreten. Alg folc^e füllen gelten: 

1. (Garantie beg 3Borf)enlotjne$ bei Afforbarbcitcn; 

2 . acht* ober ttetmftünbigc Arbeitszeit, Durch bie ber Arbeiter* 
bebarf um 10—15 % fteigt unb weitere Soßncrßößungcu erzwungen 
werben; 

3. bic Sulaffung oon Arbetterfonimtiftoueu jur Prüfung uon 
Streitigfeiten im betriebe, moburch ber Arbeitgeber nicht mehr £>err im 
eigenen Haufe fein mürbe; 

4. frioolc unb übermäßige Soßnerßößunggforbcruugcn u. A. nt. 

Um im gafle ber Botßwenbigfeit einheitlich ^anbclit 311 fönnen, 

crfcheint eg zwerfntäßig, baß bie Berbattbginitglieber möglicfjft gleich* 
iautenbe Arbeitgorbnitngeu in ihrem betriebe einführen. 

©ie man Angeficßtg folcher Berfucße, bie bureßaug meßt oer* 
cinjelt bafteßen, noch behaupten fanu, baß Unterueßmerorganifationen 
fidj nicht mit ben Soßn* unb Arbeitgoerßältniffen ber Arbeiter ihrer 
einzelnen Biitglieber befcßäftigen, ift feßwer begreiflich- 

Serbanb ber gaßfabrifantett mtb Böttcßermciftcr. Ser „Braun* 
fchmeiger Bolfgfreuitb" ucröffentlid)t ben Statutenentwurf biefer in ber 
©riinbung begriffenen Drganifation. $er eiuleitenbe Paragraph lautet: 
„SDie Unterzeichneten felbftftänbigen gaßfabrifanten unb Böttcßermeifter 
haben bcfcßlofien, 311 m 3wecfc ber görberung eineg gebeißlicßeit Ber* 
ßältuiffeg unter einanber unb jurn Schüße gegen irgenb weldje unbe* 
redjtigte Angriffe eine Bereinigung ju begri'mben." 

&em §. 2 zufolge umfaßt ber Berbanb bie Bezirfe Borb», Mittel* 
unb Sübbeutfdjlanb. Ser §. 10 führt im Einzelnen bie Pflichten beg 
Berbanbgoorftanbeg auf; baruntcr beßnbet fiel) unter Ar. 4 „Bericht* 
erftattung über bie wirfjtigfieii Angelegenheiten beg Bcrbanbeg, uament* 
lief) über 2oßn* unb Streifbewegungen :c., au ben Bcrbanbgtag." 

2>er Berbanb ber Arbeitgeber im Battgcmcrbe 311 BKmdjeit hat in 

feiner ^auptoerfantmluug eiuftimmig eine Aefolution bcfdjloffeti, 
„wonach alle Berbanbgmitglieber cg alg (Hircufache betrachten, ihre 
Arbeiten nur wieber Berbanbgmitgliebcrn zuzuweifen, unb fic alleu 
gelten zu oerweigern, bereu Barnen fuß nicht in beut ftet§ 311 ergänzen* 
ben 9Witglieberoerzeichniß beßnbeit." $ur Begrünbmtg biefer Slefolittiou 
würbe angeführt, baß man auf biefe SSei'e bie big jeßt bei Seite 
ftehenbeit Arbeitgeber im Baugewerbe zum (Eintritt in beit Berbaitb 
nötßigen werbe. 

„Sd}tt>airze fiiften" ber Spaitgfergcitoffcnfcßaft in SHündjett. tiefer 
Arbeitgeberoerbanb ßnt feilte Aiitgliebcr aufgeforbert, feinen ber Arbeiter, 
bie bei einem BHtgüebe ftreifen, itt Arbeit zu nehmen. Auf ber üifte, 
bie Bor* unb ^unantett oon 30 ©eßülfeu, fotoie 3cit unb Drt ber @c* 
burt angiebt, flehen aber auch - ©cßiüfen, bie niefjt geftreift ßabeu, 
foubertt regelrcdjt auggetrcteit finb; biefe wollen nun bie ©enoffenfeßnft 
wegen Bcrrufgerflärttng oerflagen. 


^tbeitetbewegirog. 


Sie Bewegung ber Gcmcinbearbciter. 

3m September 1896 brach in einem Xßeile ber Berliner 
ftäbtifchen Gagwerfe wegen ber Befeitigung ber 18ftünbigen 
©ecßfelfcßicht ein Streif au8. Gitbete biefer auch für bie Arbeiter 
fo gut wie ohne Erfolge, fo jeitigte er hoch anbererfeitg ein er* 
freulicßeg Befultat. Sie Augftänbigen befcßloffen nämlich, eine 
Zentrale Drganifation zu grünben, bie bie in Gemeinbebetricben 
befcßäftigten Berfoiten umfaffen unb bereu Sntereffen oertreten foHte. 
Siefe Berufgoereinigung trat benn auch am 1. Dftober 1896 mit 
ungefähr 150 Btttgliebern ing ßeben. Gegenwärtig gählt fie 
1650 Bütglieber, bie fieß in 22 giliatcn befinben. Schon in 
früheren 3aß*en hüben in Berlin lofale Bereinigungen ftäbtifcher 
Arbeiter beftanben, bie aber nur fur^Iebig waren. Auch gegen* 
wärtig giebt eg in Sregben, Stuttgart unb Hamburg noch lofale 
Drganifationen oon Gemeinbearbeitern. 

Bielfach finbet man bie Anficht oerbreitet, baß bie Gemeinbe¬ 
arbeiter eigentlich gar feine berufliche Bereinigung nothwenbig 
hätten, ba bie Kommunen feßon für fie forgen würben. Siefe 
Meinung ift jebocß irrtßümlicß. Ginmal giebt eg bigßer nur feßr 
wenige Gemeinben, bie ein tiefereg fozialreformatorifcßeg Ber* 
ftänbniß befißen unb baßer auch anerfennengwerthe Ginridjtungen 
für ihre Arbeiter gefeßaffen hoben. Sen meifien Kommunen fehlt 
ieiber noch biefe Ginficßt. Berlin z* ^8v i n feinen Betrieben 
an 10 000 nicht penfiongbcrechtigte B^rfonen befcßäftigt, fyat btgßer 
noch nicht einmal einheitliche Beftimmungen in Betreff ber Soßne, 
Arbeit^seit, Anftellunggbebingungeu, Gntlaffungggriinbc getroffen. 
$>a8 Alleg ift ben mittleren unb unteren Drgauen ber Genteinbe 


überlaffen. 2)iefe mögen in tecßnifcher Beziehung Borzüglicßeg 
leiften, eg fehlt ihnen jeboch in ber Begel jebeg Berftänbniß für 
fozialen Sortfdjritt. 2)aßer bilben fid) natürlich Biißftänbe unb 
Ungerecßtigfeiten in §iiHe unb Sülle ßeraug. 

Anbererfeitg ift jeboeß aueß in ben Gemeinben mit fozial* 
refonnatorifcher ^enbenz bie Drganifation ber Gemeinbearbeiter 
feßr am s $laße. ®ie unteren unb mittleren Beamten ber Gemein¬ 
ben neigen oft zu lleberfchreitunaen ißrer ÜJtadßtbefugniffe. B3ir 
fönnten ßier SüHe mittßeilen, in Denen bie Arbeiter nußt einmal 
ißre etatgmäßigen Sößne auggezaßlt erhielten, inbem bie tecßnifche 
Leitung biefe waßrfcheinlich alg z u ßoeß befanb unb gern mit 
großen Ueberfdjüffen abfcßließen wollte. Gegen folcße unb äßnlidße 
Uebergriffe anzufämpfen,. ift ber einzelne Arbeiter ohnmächtig. Bei 
bem bureaufratifeßen Befcßwerbeweg zieht er in ber Siegel ben 
kürzeren. S)aburdj, baß bie Gemeinben gefeßlicß oerpflicßtet ftnb, 
eine Beiße oon Bhlitäranmärtern in ißren ©ieitft zu nehmen, wirb 
ber erwähnte llebelftanb noeß bebeutenb oerfcßlimmert. S)iefe Seute 
glauben Ieiber nur fo oft, baß aueß bag ganze bürgerliche ßeben 
fteß naeß militärifcßen Sormen regeln muß, unb meinen bem* 
entfpreeßenbe Anorbnungen treffen zu müffen. 

©ie Drganifation ber Gemeinbearbeiter ftrebt u. A., wie alle 
gewerffeßafHießen Bereinigungen, uaeß einer Grßößung ber £ößue. 
§n oielcn ftäbtifeßen Betrieben zahlt man erßeblicß niebrigere ßößne 
alg in ber ^rinatinbuftrie. So fangen z- iu ben Berliner 
ftäbtifeßen Btorftßaflen unb auf bem Scßlacßt* unb Bießßofe bie 
Arbeiter mit einem $ageloßn oon 2,25 ^ K an. 

Aueß bie täglidße Arbeitzeit bebarf in nielett Gemeinbe¬ 
betrieben einer Berfürzung. 3n ben Berliner ftäbtifeßen $anali* 
fationgwerfen müffen z- 23- bie Arbeiter innerhalb einer 14 tägigen 
Doßnzaßtung 3* big 4mal 20 Stunben an einem Stage arbeiten. 
Sie fangen bann Btorgeng um 6 Ußr an unb arbeiten big 5 llßr 
Abenbg; hierauf tritt eine oierjtünbige Buße ein, um 9 Ußr be¬ 
ginnt bie Arbeit oon Beuern unb bauert big um 6 Ußr beg an* 
Deren ÜKorgeng. — $)ie 10* big 12ftünbige Arbeitzeit ber Betorten¬ 
arbeiter oieler ftäbtifeßer Gagwerfe muß alg gefunbßeitgfcßäblid; 
angefeßen werben. Gbenfo ber 18* refp. 24 ftünbige Sdjicßtwecßfel 
in Gag* unb B3affermerfen. 

Gin feßr großer Stßeil ber Giemeinbearbeiter unterfteßt ferner 
nicht ber Arbeiterfd)ußgefeßgebung. S)ie fragüdßen Betriebe werben 
nid)t alg gewerbliche, fonbcrn alg gemeinniißige angefeßen. 2)ie 
Beftimmungen ber Glewcrbe-Drbmmg in Betreff ber Sonntaggruße, 
ber Beftrafungen, ilünbigunggfrift, Arbeitgorbnuugen 2 c. eyiftiren 
für £aufenbe oon ftäbtifeßen Arbeitern baßer aueß nießt. Biele 
Gemeinben ßabeit bcbauerlicßer SScife fteß biefeit Umftanb zu Buße 
gemacht unb gewähren ißren Arbeitern nießt bie Becßtc, weldje bie 
gewerblichen Arbeiter befißen. So haben z* 23. bie Berliner 
Öaternenanzünber wäßrenb beg ganzen 3aßreg nießt einen Sonn* 
noeß Bußetag. ©ollen fie einmal frei haben, fo müffen fie biefer* 
ßalb befonberg bei ißren Borgefeßten oorftettig werben. Ung ift 
eg befannt, baß man ßaternenanzünbern, bie ein ganzeg 3ußr 
ßinbureß ^ag für Stag im S)ienfte waren unb nun einmal einen 
Sag frei haben wollten, mit ißrer Bitte abwieg. 

Aueß werben ftäbtifeße Arbeiter oft bebeutenb härter beftraft, 
alg bie gewerblichen Arbeiter beftraft werben bürfen. Bhirren fie 
barüber, fo heißt eg: „Sür ung gelten bie Beftimmungen ber Ge- 
werbe-Drbnung nießt, unb wir fönnen bie Arbeiter beftrafen, wie 
wir eg wollen." Serner befißen Betriebe mit oielen £unberten oon 
Arbeitern feßr oft feine Arbeitgorbnung. Sann finb aug benfelben 
Grünben oielfacß ganze Kategorien ftäbtifeßer Arbeiter in feiner 
Kranfenfaffe, noeß gegen Unfälle oerfießert. 3n Berlin z- 23. ßat 
bie Genteinbe für bie Arbeiter beg ftäbtifeßen Koßlcnplaßeg bie 
ganzen oicr leßten 3aßte ßinburd) feinen Pfennig zu berKranfen* 
oerfitßerung ber Arbeiter beigetragen, obgleich jeber Arbeiter bei 
Strafe ber Gntlaffung gezwungen würbe, einer Krattfenfaffe anzu¬ 
gehören. 

Sie Drganifation ber Gemeinbearbeiter oerlangt baßer aueß 
auf Grunb ber angeführten Singe, baß Gemeinbe- refp. ftaatlicße 
Beftimmungen gefeßaffen werben, bic ben Gemeinbearbeitern 
minbefteng biefelben Becßte gewäßren, wie biefe ben gewerblichen 
Arbeitern burch bie Arbeiterfcßußgefeßgebung bereite gewäßrt 
würben. 

Gegen bie Grricßtung oon Arbeiteraugfcßüffen, bie erft in ben 
wenigften Gemeinbebetrieben aufzuweifen finb, fträuben fieß oielfad) 
aueß einzelnen Kommunalbeßörben, wegßalb bie Drganifation 
für bie Grridjtung folcßer tßätig fein will. Blit ber Berforguitg 
banernb arbeitgunfäßig geworbener Arbeiter unb mit ber Sürforge 
für bie Hinterbliebenen oon Gemeinbearbeitern ift cg in ben meifteu 
Kommunen aueß noeß ziemlich traurig befteüt. Soweit matt über- 



879 


©ogiale SßrajtS. Eentralbtatt für ©ogialpolitif. Etr. 32. 


880 


feaupt f)ter etroaS geroährt, finb biefc lluterftüfeungen Almofen, bic 
erbettelt roerben muffen. 5Rur wenige Drte, roie Stuttgart, Jranf* 
furt a. ER., ERaing 2 C., machen in biefer Begichnng Ausnahmen 
unb haben eine gerechtere Regelung eingefü^rt. deshalb forbert 
auch bieDrganifation: „Einführung ber VenfionSbered)tigung unb 
$interbliebcnen«Verforgung für bie ©emeinbearbeiter". 

$>ie Bewegung ber ©emeinbearbeiter hat trofe ihrer 3ugenb 
fefeon eine gange SReihe non Erfolgen, namentlich betreffs ber 
Verbefferung ber Söhne, aufguroeifen. ©treifS waren bisher nicht 
gu oergeichnen, ba ben ©emeinbearbeitent eine gange $Reil)e oon 
anberen Mitteln gur Verfügung fielen, bie gut Befriebigung ihrer 
EBünfcfee führen. Bebauern ntüffeit mir, bafe einige ©emeinbe* 
oerroaltungen es ihren Arbeitern bireft oerboten haben, wie g. B. 
Altona, fid) ber Drganifation ber ftäbtifchen Arbeiter angufchliefeen. 
Huch finb in ben betrieben anberer Orte roieberholi wegen 
ber Draanifation ERaferegelungen oorgefommen. $)ie Leitung beS 
VerbanbeS ber ©emeinbearbeiter befielt burchgängig aus ©ogial* 
bemofraten; hoch fteht fie auf bem ©tanbpunft, bafe innerhalb ber 
Draanifation möglichft bie Erörterung parteipolitifcher unb reli* 
giöfer dinge auSgufd)liefeen ift. 

Berlin. Br. s $oerfd). 


$er ©treif ber belgifchen ©rubenarbeiter. 

Aus SBrüffcI, ben 5. ERai, wirb uns oon unferem Morre* 
fponbenten getrieben: 

$>a es groeefmäfeig fein bürfte, über bie Sehren beS grofeen 
SohnfantpfeS in ber belgifchen Mohleninbuftrie erft nach feiner Be* 
enbigung ein abfchüefeen'beS EBort gu fagen, fo befdjränfen mir uns 
heute auf eine 5>arfteflung beS Verlaufs ber Ereigniffe feit unferem 
lefetenBeridjt. EBie oorauSgufchen roar, hat ber©treif bis gum Arbeiter* 
feiertag ftäitbig an AuSbeljnung gewonnen, unb am 1. ERai, oben* 
brein einem Montag, feierten rooljl nahegu 90 % fämmtlicher ©ruben* 
arbeiter. £ie fogialbemofratijd)en Abaeorbneten hatten ihre Snter* 
peEation, in ber fie ben ERinifter für jnbuftrie unb Arbeit fragten, 
roaS er gur Seilejung beS SohnfampfeS in ber Mohleninbuftrie gu 
thun gebenfe, erft auf ben 2. ERai feftfefjen laffen. ©ie hofften, 
bitrch biefes Mittel bie ftreifenben Arbeiter gu oeraniaffen, wenigstens 
bie laufenbe EBodje über noch auSguhalten, nub bieS ift ihnen auch 
im EBefentlichen gelungen. 3n ben Becfett oon Efearleroi unb 
Siittid) hätt fich ber ©treif noch auf ber ooEen <£)öhe, unb im 
Borinage unb im Eentrum geht bie Abbröcfelung menigftenS lang* 
fam oor fich- 

3>aS Beftreben ber fogialbemofratifchen Abgeorbneten ber 
ERinenbiftrifte, bie fich über bie ©chmäche einer unorganifirten unb 
beShalb über feine Jinangreferoen oerfügenbeit Hrbeitcrfchaft feine 
3Eufionen machten, mar oon Anfang an barauf gerichtet, einen 
Ausgleich herbeiguführen. ©ie mirften besljalb mit aEen Kräften 
barauf hin, beut Mampf jeben politifchen Hnftrich gu nehmen. 2)em 
entfpraef) auch ihre $altung in ber breitägigen Debatte über ben ©treif, 
bic erft gefteru in ber M'ammer gu Enbe ging, ©elbft bie Jorberung 
nach Serftaatlichung ber Bergroerfe mürbe nur oorübergehenb geftreift. 
Rector ^eniS brach eine fräftige Sange für bie obligatorifd)e Ein* 
führung einer glcitenbeu Sohnffala unb oon HrbeiterauSfcf^üffen. 
3ui Vorbergrunbe blieb aber befoitberS gulefet, nachbem Vanber* 
oelbe baS ©igital bagu gegeben hatte, bie Erörterung ber Srage, 
roaS bie ^Regierung gur fchneßen Beilegung beS gegenwärtigen 
Sohnfampfes thun fönnte. der ERinifter für Snbuftrie unb Arbeit 
Eooreman, ein Sanfter aus ©ent, ber bis gu feinem Amtsantritt 
oor einigen ERonaten niemals (Gelegenheit gehabt hatte, ftd) mit 
Arbeiterfragen abgugeben, geigte fich entgegenfommenber, als man 
ermartet hatte. Befamttlich hatten bie für ben 23. April gufammen* 
berufenen conseils de Tindustrie et du travail nirgenbS im Sanbe 
eine Verftänbigung groifchen ben beiben Parteien herbeigeführt. 
An biefem negatioen AuSgang ber Verhanbluitgen roar befonberS 
ber llmftanb ©cfjulb, bafe nur 3ntereffenten ben Verfammlungen 
beimohnten. 3efet nun oerlangten Rector $)eniS, Vanberoelbe unb 
Jurnemont, bafe bie conseils noch einmal berufen roerben, bafe 
bieSmal aber BeooEmäifitigte ber Regierung, mit bem Auftrag, 
auf einen Ausgleich htajaroirfen, ben Verfeanblungen beiroobneti foEen. 

3in ^riugip erflärte fid) ber iliinifter mit biefen Sorfchlägen 
einoerftanben. ^od) traten in Segng auf ihre Serroirflichung 
©egenfätje groifd)cn ihm unb ben Vertretern ber Arbeiterintereffen 
hcroor, bie bisher uuauSgeglid)en geblieben finb. Auf ben 3 Us 
fammenfünfteu am 23. April haben bie ‘^ireftoren ber AfiengefeE* 
fdjafteu au oielen ©teilen AuSgiige aus ihren ©efd)äftsbiid)ern 
oorgclegt, bic beroeifen follten, baß fie außer ©taube feien, bie oon 
beu ©treifeubeu geforberten Sohnerhöhungeu gu' gal)len. ^er 


ÜJtinifter oerlangt nun, bafc auSfchlieftlid) bie 2)iSfufRon biefer 
3iffern unb ber oon beu Arbeitern ihrerfeitS aufgefteflten Be¬ 
rechnungen ben ©egenftanb ber Verhanbluitgen ber oon neuem gu 
berufenben conseils de i’industrie et du travail bilbe unb bafj bie 
oon ber Regierung gu entfenbenben Vertreter auch nichts roeiter 
thuu, als bei ber Prüfung ber oon beiben ©eiten ooraebrachten 
3iffern mitguroirfen. ^)a nun aber natürlicher 2öeife biefe 3iffcrn 
aEerortS oerfchieben lauten müffen, fo fteEt fich ber SJlinifter auf 
ben ©tanbpunft, bafj bie Verhanbluitgen in aEen fleinen Segirfen 
eingeln unb ohne Serücffid)tigung ber Einheitlichfeit ber 
Veroegung ftattgufinben haben, demgegenüber betonen bie 
Arbeiterführer, bafj man einem ©eneralftreif gegenüberftehe unb 
bafe beShalb bie ©eftionen beS conseil de Tindustrie et du travail 
jemeinfam oerhanbeln müffen. Serner rooEen fie, bafj bie Be* 
Tugniffe ber SfegierungSoertreter roeniger eng fein foEen, als ber 
ERmifter es in AuSficht fteEt. ©ie roünfchen, ba& bie SRegierutigS* 
oertreter bireft auf ein $ompromijj hinarbeiten, unb roenn biefeS 
nicht fofort gelingt, ihrerfeitS ben Vorfd)lag machen, ben gangen 
©treit einem ©chiebSgericht gu unterroerfen. 

9ßie man fieht, ift in Icfeter Sinie ber ©egenfah groifchen 
ERinifter unb Arbeiterführern boch pringipieEer SRatur, inbem ber 
Elttnifter fnh noch nicht h^rbeilaffen roiE, bie ftreifenben Arbeiter 
als eine gefchloffene ©efammtheit augufehen. ES ift bieS ber ©tanb 
ber Situation, roo ich &i e f c 3 e *i en abfenbe. Söenn bie VermittlungS* 
oerfudje, auf roelche bie Arbeiterführer hingielen, fcheitem, unb ber 
Sfantpf fortbauert, fo roirb ber ©treif roahrfd)eitilich abebben unb 
aEmählid) einfchlafen. Db bie Arbeitgeber aber ©runb haben 
roerben, fich ihres ©iegeS gu freuen, baS bleibt eine ernfthaft gu 
erroägenbe $rage. 3m lebten Augenblicf erfahre ich, bafj bie 
©rubenarbeiter beS Vorinage befchloffen haben, ihre gorberuug oon 
20°/o Sohnerhöhung auf 10 o/ 0 herabgufehen. gallS aber bie Arbeit* 
geber biefen Vorfdjlag ablehnen, rooEen fie ben Mampf fortführen. 

©o unfer Morrefponbent. Am 6. ERai Tmb bie Arbeiterführer 
bem Vorfdjlage ber ^Regierung nachgefommen. ®er Bunb ber 
belgifchen ERinenarbeiter erliefe ein ERanifeft, roorin bie gorberungen 
ber Arbeiter giffernmäfeig begrünbet roerben. ©obann roerben bie 
ERitglieber ber lofalen conseils du travail aufgeforbert, bem 
EBunfcfee beS ERinifterS gu roiEfahren unb ihrerfeitS bie 3ufamnten* 
Berufung ber lofalen EonfeilS gu beantragen, roenngleid) bie oon ben 
Arbeiterführern geroünfehte, oom ERinifter aber befämpfte Berufung 
ber Vkaaroerfammlung ber regionalen EonfeilS roüufchenSroerther 
geroefeit roäre. 

®er Berbanb beutfdjer Bnchbruifer, ber beftorganifirte Arbeiter* 
berufSoerein in $>eutfchlanb, gählt nach bem fürglid) herauSgegebenen 
Jahresbericht beS §auptoorftanbeS für 1898/99 (oom 1. April 1898 
bis 31. ERärg 1899) 26 377 fteuernbe ERitglieber gegen 24 376 im 
Vorjahr, bie fich auf 960 $rucforte (im Vorjahr 899) oertheilten. 
35ie Maffenoerhältniffe beS VerbanbeS begeidjnet ber Bericht als 
„hocherfreuliche", der Maffenbeftanb betrug am 31. ERärg b. 3- 
2 106 822 c 4L S)aS VerbanbSoermögen habe fich f e ^ 1896 in ber 
§auptfaffe um 902 681 J( oermehrt, unb betrage mit bem Ber* 
mögen ber Eentral*3noalibenfaffe i. S. 2 876 188 .AL ($ie Eentral* 
Snoalibenfaffe befinbet fich in Siquibation; bie Unterftiitjung ber 
neuangemelbeten Snnaliben roirb aus ber £>auptfaffe geleiftet.) 
^ingugurechnen fei nocf) baS Vermögen ber ©au* unb BcgirfSfaffen, 
fo bafe etroa 3 200 000,//& bem Verbanbe gur Verfügung ftänben, 
für bie er aEerbingS auch roeitgehenbe unb bauembe ÜuterftiifeungS* 
anfprüche gu garantiren habe. 2)er Buchbrucferocrbaub ift bem* 
nach bie reidjfte beutfehe ©erocrffchaft. An Eteifeunterftüfeung 
rourben im oergangenen ©efchäftsjafer gegafelt 115 177 t AL, an Ar* 
beitslofenunterftüfeung 141 688 <A (, an UmgugSfoften 49 154 d( t 
an Mranfe 372 138 an Snoaliben 67 949 c tC, an ©terbegelbem 
19 197 <AL An VerroaltungSfoften, Beiträgen für bie Hamburger 
©eneralfommiffeon, baS internationale ©efretariat 2 c. 2 c. rourben 
76 225 c AL auSgegebcn. SDaS VerbanbSorgan, ber „Eorrefponbent" 
(Auflage 14 250), ergab 6418 M. Ueberfdjufe. ®er Bericht befpricht 
u. A. auch bie Erfolge auf bem Slarifgebiet. ®em Sarifamt fpricht 
ber Bericht Anerfennung aus unb betont bie fogialpolitifche Bebeutung 
ber Sarifinftitution. Auch roirb bie fortfdjreitcnbe VeraEgemeinerung 
beS Tarifs auf giffernmäfeiger ©runblage öeroorgeboben. ^er 
„Eorrefponbent" hebt im Anfdjlufe an ben Jahresbericht h cr nor, 
bafe bie Crganifation in ben brei lefeten 3ahren auf Erfolge gurücf* 
blirfen fön ne, roie fie in früheren 3^iten für ben gleichen 3eitraum 
nodj niemals befchieben roaren, obroohl noch gu feiner Jcit bie 
Verhältniffe für bie Crganifation aud) nur im entferntefien fo 
fehroierige unb eigenartige getoefen feien, als bieS in ben lefeten 
3aferen ber Jall geroefen fei. 5£emnächit roirb bie regelmäßige 
©eueraloerfammlung beS VerbanbeS, bic aEe brei Jahre abgehalten 



881 


Sogtale Praxis. Eentralblatt für Sogtalpoliiil. !Rr. 32. 


882 


roirb, ftattfinben. Einer oom Verbanbe im Tegember o. 3* auf* 
genommenen Statiftif ift gu entnehmen, baß in 38 betrieben 
174 Seherinnen unb 10 fießrmäbcßen kräftigt mürben. Tie 
meiften Seherinnen mürben in Tresbeu (44) befcßäftigt, in Oft* 
preußen 27, in Sdjlefien 35, in dBeftpreußen 23, in Berlin nur 16. 
Qm ga^re 1894 gäßlte man 151 Seherinnen, ihre 3aßl hat fuß 
alfo nur menig oermehrt. Ta bie Seherinnen häufig unter beut 
Tarif arbeiten, bemerft ber „Eorrefponbent": „©liicflicßerroeife 
fiheinen einer umfangreicheren .^erangiehung oon Seherinnen für 
ben Bucßbrucferberuf recht roefentlicße |>inberniffe entgegengufteßen." 

AnSfpertmtflett toegett ber dRaifeier. Tie Maifeier hat an oer* 
fcßtebenen Orten mit ber AnSfperrung ober Entlaffung ber Arbeiter, 
bie ohne gnfiimmung ber Arbeitgeber am 1. SRai oon ber Arbeit roeg* 
geblieben roaren, geenbet. Stedenroeife, fo in Leipgig unb Lübecf, haben 
bie Ausfperrungen gu Streifs geführt. gn Berlin finb auf (Gruub eines 
BefcßluffeS ber freien Vereinigung ber Holginbuftriedeu mehr als 
3000 Arbeiter auSgefperrt roorben. Tie AuSgefperrten fonnten aber am 
8. b. dRtS. roicber gur Arbeit gurüdfeßren. Aucß in ber dRetadinbuftrie 
haben Entladungen ftattgefunben, hoch mürbe ben Entladenen frei- 
geftcdt, fiel) in einigen Jagen megen SBieberaufnaßme ber Arbeit oor« 
gufteden. Someit bie Arbeitspläne nicht anbermärts befefet roorben 
roaren, finb bie Entladenen roieber eingeftedt roorben. dfur bie ben 
Arbeitgebern mißliebigen Vertrauensleute ber SBerfftätten rourben nießt 
roieber eingeftedt. Soroohl in ber £olg« roie in ber dRetadinbuftrie 
ßerrfeßt g* eine äußerft günftige Äonfunftur unb Bebarf au ArbeitS« 
fräften. Tie auSgefperrten Bauarbeiter, befonberS bie dRaurer, ftnb 
roieber eingeftedt roorben. 

Ter gc|ite internationale Bcrgarbriterfongrcß fod oom 20 . bis 

26. dRai in Brüffel im fogialbemofratifcßen Maison du peuple 
ftattfinben. Auf ber TageSorbnung ftehen meift alte Berannte: 
Acßtftunbentag, Haftpflicht ber Unternehmer bei Unfäden, £oßn« 
frage, ©rubeninjpeftion, Verftaatlicßung ber Bergroerfe 2 c. Als 
neuer $unft erfeßeint bie Streitfrage, rooßl mit Rücfficßt auf 
ben dRaffenauSftanb ber belgifchen Bergleute. Aus Teutfißlanb 
roirb ber Kongreß bieSmal bureß brei SDelegirte befchicft merben. 

Vereinbarung in ber englifcßen Vaunttooffmrberei. 3n ber 
Baumroodinbuftrie oon £ancafßire hatten fich in ben lebten döoeßen 
bie ©egenfäße groifchen Arbeitgebern unb Arbeitern fehr ^ugefptfct. 
Es mürbe eine £ohnerhößung oon 10 % geforbert. Tie Unter« 
nehmer oerlangten, es fode oor ber Entfcßeibung eine Umfrage bei 
ben oerfihiebenen BegirfSoerbänben ftattfinben. Tiefe aber fpradjen 
fich 9 Wn bie Beroidigung aus. Am 3. dRai traten bie Vertreter 
ber Arbeitgeber unb Arbeiter in dRancßefter gu einer $onfereng gu« 
fammen, unb bie £age fihien fehr ernft. Snbeffen fam hoch nach 
mehrftünbiger Beratung ein Ausgleich gu Stanbe: bie Vertreter 
ber Arbeiter begnügten fich mit 2 l /2 °/o £oßnerhößung für bie 
dBeber unb ihre Hilfsarbeiter oom 1 . 3uli an. 

Schottifdjer ©ctoerldereinSfongreß. Vorige dBoiße fanb in 
Tunbee ber britte Kongreß ber feßottifeßen ©eroerfoereine ftatt, an 
bem 120 Telegirte als Vertreter oon 50 000 Arbeitern tßeilnaßmen. 
Tie roichtigften ber angenommenen Refolutionen begogett fich auf 
bie Begaßlung ber ^arlamentSmitglieber, bie Ausgestaltung beS 
Labour Departement im HanbelSamte, Herbeiführung einer gemein« 
famen Aftion ber gefammten Arbeiterflaffe bei ben nächften dBaßlen, bie 
Errichtung oon öinigungSämtern,Arbeiterfchuh unbAlterSoerficßerung. 

Sobnbetoegtittfl ber belgtfdjen (Glasarbeiter. Ter für ben 1. dRai in 
AuSjicßt geftedte ©eneralftreif ber (Glasarbeiter im Aeoier oon Eßarleroi 
ift nicht eingetreten, ba bie dRcßrgaßl ber Arbeitgeber bie gorberungen 
ber Arbeiter (5 % Lohnerhöhung :c.) fofort bewilligten. gm ©egenfaß 
gu ben (Grubenarbeitern finb bie (Glasarbeiter oorgügüch organiftrt, unb 
ihr ©eroerfoereiit ift einer ber beften beS LanbeS. 

TegtilarbetteranSftanb in Brünn. 3n ber §auptftabt dRäßrenS 
finb gegen 12 000 Textilarbeiter (Spinner, ©eher unb Arbeiterinnen) 
in einen Streif gur Ergroingung beS 3eßnftunbentageS rin« 
getreten. Schon oor dRonaten roaren bie Arbeiter mit biefer gor« 
berung an bie gabrifattten herangetreten, gugleich oerlangten fie 
auch Aufteilung einer neuen Arbeitsordnung im Einoerneßmen 
mit ben Arbeitern, fomie Aufhebung ber SRacßtarbeit in ben 
Spinnereien minbeftenS in ber SRacßt oom Samstag auf ben 
Sonntag. Tiefe lefcten gorberungen finb burch Vermittelung beS 
Eentral»@cmerbeinfpeftorS bemidigt roorben, bagegen oerroeigerten 
bie gabrifanten ben 3 e hnftunbentag, obgleich biefer fich in oier 
Brünner gabrifen gut beroährt hat. (Vgl. hierüber bic $Rittheilung 
auf Sp. 875 biefer SRummer.) SDie öffentliche dReinung fod auf 
Seiten ber Streifenben fein, unb ber aus döien herbeigeeilte 
EentraI«©eroerbeinfpeftor fucht noch immer gu oermitteln. J)ie 
ftreifenben Arbeiter oerlangten neuerbinaS für bie im Sagelohn 
ftehenben, im AUgemeinen fehlest entlohnten Arbeiter eine £ofin« 
erhößung, liefen aber auf Anrathen ber öüßrer biefe gorberung 


roieber faden unb beharren nur auf bem 3 c hnfiunbentage. 
$ie Brünner Arbeiterfchaft, unter ber fich °irie grauen unb ^inber 
befinben, roohnt gumeift in ben iRacbbarbörfern, oon roo fie häufig 
lange dJiärfche ober Eifenbahnfahrtett nach ber Arbeitsstelle gu 
madheit haben. 2 )ie öfterreichifche ©eroerffchaftsfommiffion hat gur 
ttnterftüßung ber Streifenben einen Aufruf an bie gefammte 
organifirte Arbeiterfchaft £)efterrei<hs erlaffen. 3n dteuhenberg 
(Böhmen) broht ebenfadS ein AuSftanb ber Textilarbeiter roegen 
beS 3^hnftunbentagS, ber eine gemeinfante Sorberung ader Teytil« 
arbeüer ÖefterreichS ift. Bisher gilt in Defterreich auch für bie 
Textilarbeiter ber gefeßlidhe elfftünbige dRaximalarbeitStag. 


ärbeftarftyitl. 


AbSnberungen ber ^etoerbeorbmtngSnoPeffe ist ber Reichstags« 
fommiffion. Tie VeichStagSfommiffion für bie SRooede gur ©eroerbe« 
orbnung hat ihre Berathungen im dBefentlidjen beenbigt. 3m Adge« 
meinen ift bie VegierungSoorlage angenommen roorben, jeboef) finb 
groei Abänberungen oon erheblicher Bebeutung befdßloffen roorben: für 
bie HauSgeroerbetreibenben roirb troß beS dBiberfprucßeS ber die« 
gierung bie EranfenoerficherungSpflicht geforbert, bie dRiitimalruhe« 
geit für Angeftedte in £abengefdE)äften ift in Stäbten über 20000 
Einroohnern auf 11 Stunbeit (ftatt 10) feftgefeßt, bie VtittagSpaufe 
fod, roenn bie Hauptmahlgeit außerhalb eingenommen roirb, nidjt 
1 , fonbern IV 2 ©tunben betragen. 

Arb etter fchuß in ber feramifeßen ^abuftrie EnglanbS. Ein 

AuSfchuß oon gabrifanten ber feramifeßen 3abuftrie EnglanbS hat 
in Beantroortung beS dtuubfcßreibens beS Home Secretary unb 
beS Berichts ber ^rofefforen Tßorpe unb Dlioer (ogl. „Sogiale 
^raxiS" Sp. 758) ein dRemoranbum an baS Home Office gefeßieft, 
in bem fie einerfeits in Abrebe fteden, baß ein Erfaß für Bleiroeiß 
oorfianben roäre unb fomit oon ber Verroenbung beffelben gang 
abgefehen roerben fönnte, anbererfeits jebo^ fich gern gu roeit« 
gepenben Schußmaßnahmen bereit erflären. So treten fie für eine 
regelmäßige periobifeße ärgtlicße Unterfucßuna ber Arbeiter ein unb 
roünfcßen eS obligatorifcß bunßgeführt gu feljen, baß fi^ bie Ar« 
beiter beim Verlaffen beS Arbeitsraumes ben dRunb reinigen. Sie 
betonen, baß bie Unoorficßtigfeit ber Arbeiter gumeift adern baran 
fcßulb fei, roenn Bleioergiftungen noeß oorfommen. 


J&tbetteroetflifyentttg. SparböfTtn. 

Annahme ber 3nt>alibenberftdiemngSnobefle in ber Reichstags« 
fanttniffion» Tie neunte Äommiffion' beS ReicßStaqS naßm am 
6 . dRat bie gefiftedung ß e s Berichts über bie dtooelie gur gnoali« 
bitätSoerficßerung oor. Bei ber bann folgenben ©efammtabftimmung 
über bas ©efeß rourbc biefeS mit allen gegen bie brei Stimmen 
ber Sogialbemofraten angenommen. Tie groeüe ^lenarberatßung 
beginnt am 10. dRai; möglicßerroeife fommt baS ©efeß noeß oor 
ben fßfingftferien unter Ta<ß unb gaeß. 

Ter Tttüerfttlofefongreß nnb bie ^ranfenfaffen. An bie 

^ranfenfaffen TeutfcßlanbS ergeßt ein Aufruf oon ber Eentral« 
fommiffion ber $ranfenfaffen Berlins, bem roir golgenbes entnehmen: 

Vom 24. bis 27. dRai b. $3. ßnbet in Berlin ber Kongreß gur 
Befämpfung ber Tuberfnlofe als VolfSfranfßeit ftatt. . . . SMne Scßicßt 
ber Beoölferung ßat aber ein gleiches gntereffe an ber Scßroinbiuißts= 
befämpfung als baS in ben 5franfenfaffen organifirte gnbuftrieproletariat. 
. . . Äranfettfaffen TeutfcßlanbS! gßr, bereu ^iirforge bie ntatertede 
unb ibcelle Wohlfahrt oon ttteßr als aeßt dRidiouen dRcttfcßcn — ber 
Sfem ber arbeitsfähigen Beoölferung Tcutfdilanbs — anoertraut ift, 
habt bie Bfiidjt, mit ber gangen Scßroerfraft Eurer Crgaitifatiott auf 
biefettt Kongreß baßin gu roirfen, baß bem Arbeiter nießt als Almofen, 
fonbern als gefeßließe Berechtigung bie dRöglicßfeit gegeben roerbc, 
bureß .'oeilftättenbeßanblung ben $eim ber mörberi'fißcn Scudje gu 
überrotitbett. Eine ftärfere Herangießung ber gnoalibitätsauftaltcn gur 
oorbeugenbett üranfenfürforge, eine Verroenbung ber reießen Mittel be* 
größten Jßeiles biefer Anftalten gur ScßroinbfudjtSbefämpfung fod her= 
beigeführt roerben, gu Eurer Etttlaftimg, um Eud) bic Erfüllung Eurer 
roießtigett Aufgabe, ben erfraitften Arbeiter oor bem Vcrfittfeti ins Elcub 
u beroaßrett, meßr als btSßer gu ermöglichen. Eine Vertretung 
ämmtlicßer Ärattfettfaffen TeutfcßlanbS auf biefem Kongreß 
ift eine Aotßro enbigfeit. 

Tie Eentralfommiffion ber $ranfenfaffett Berlins ßat im uh* 
mittelbaren Anfcßluß an ben Kongreß für Sonntag, ben 28. dRai, 
eine £onferettg fämmtlicßer aus gang Teutfcßlanb gutit Kongreß 
belegirter ^ranfenfaffenoertreter geplant. Tie oon (Graf ^ofaboioofn 
ftßon für bie näcßfte i» AuSfidjt geftedte Aooellc 311 m M raufen« 



SS 3 


884 


«Sojtale $raji£. (Eentralblatt für ©ojtalpolitif. Ar. 32. 


faffciigcfefe, bte Vefdjliiffe be? 27. beutfdjen Aeqtetage? in Bresben 
betreffs obligatorifd^cr (Einführung ber freien Aqtroahl, ba? Ver» 
hältniß ber Äranfenfaffen au ben gnoalibitätsanftalten unb ben 
Veruf?genoffenfd)aften, alle biefe für bie ^ranfenfaffen fo mistigen 
Materien joHen am 28. 2 Jtai auf ber berliner Monferens nad) ihrer 
prin 3 ipieüen Vebeutung fceratfjen roerben. 


JUbeitetiödjniete. 

3»w ßaritattfdjeu SWieitSmuftfoeiS* Ser Verein ber Arbeit* 
geber*Veifißer be? ©eroÄbegerid)t? 31 t Verlin hat an ben ©taat?* 
fefretär be? gnnern eine (Eingabe gerietet, welche fieß gegen bie in 
0p. 855 ber „ 0 O 3 ialen $rafi?" ermähnte Eingabe be? ©efamrnt* 
oerbanbe? ber beutfd;en INetallinbuftriellen richtet, in ber bie 
paritätifeßen Arbeit?nacßroeife befämpft roerben. Sie ©egen* 
eingabe macht aufmerffam auf bie Aacßroeife: 

1 . lieber bie erfprießltd)e, non gabr 3U gaßr roatßfeitbc Jhätigfeit 
ber paritätißßen Arbci*nad)meife unb 2. über bie ben fo^ialeu grteben 
fiörcnbcn, bie (Sriftenj 001t laufeitbeu gefährbenbe, burd) bie angeblich 
„er3ieöcriirf)e", auf giibruug febroarjer Siftcn berubenbe 2ßättgfeit be? 
Wefammtoerbanbe? beutfdjer iiietallinbuftrieller unb ber mit ißm oer* 
bunbeueit Arbeitgeber=Verbänbe. 

Ser Vorfißenbe be? Verbanbe? bentfeßer Arbeit?nadjroeife, 
Dr. greunb, bat ebenfalls eine (Eingabe an ben ©taat?fefretär be? 
Innern in ©adjeit ber paritätifdjen Arbeit?nad)ioeife gerichtet, bie 
fid) gegen bie Senffcßrift be? Verbanbe? beutfdjer SDietaUinbitfirieller 
roenbet. Ser (Eingabe ift umfangrekße? SJcaterial über bie Sßättg* 
feit be? (Eentraloercin? für Arbei?nacßroei? 3 a Verltn unb be? 
paritätifdjen gad)arbeit?uad)rocife? ber Vrauer beigefügt. And) 
roirb ber ©taat?fefretär eingelaben, bie berliner Arbeit?nacßroei?* 
(Einrichtungen einer üöeftd)tigung su unter 3 ieben. 

Arbeitsnachweis ber (Eifeninbufiricllen in Hamburg. 3m gaßre?* 
beridjt für 1898 finbet fiep folgenbe bemerfcu?roertße Au?füßrung: 

Sie ©tfengießcreibcfißer haben bie Öifte ber burd) ben lssser 
Streif uuliebfam geworbenen Former aufgeßoben, roeü biefer Streit 
cnblidi einmal begraben roerben mußte. (Ebenfaßö nerjidjtct man auf 
eine llmcridjriit ber Former, baß fie, fo lauge fie in beit 3U unferem 
Verbanbe gehörenben betrieben arbeiten, nießt bem gadjuerein ber 
Former augel)öreu bürten, weil mau cingefeben bat, baß oielc gormer 
cs mit if)rer „Untcrfcbrift auf (Ehrenwort" nicht genau nehmen, Safiir 
aber haben fid) bie ©ießercicn eine Verpfädung aufcrlegt, wcldje bie 
genaueftc Aachadjtmtg ber ©efdjciftsorbmuig be? Aadjweife? garantirt, 
unb hoffen mir, baß alle gorrnermeifier nunmehr unfereu ASimfcßen 
nadjfommcn, bamit nidjt nod) weitere Vfaßnaljincn getroffen werben 
muffen, welche fleh hinfort bireft gegen bie unbotmäßigen 9 K ei ft er 
richten würben. 

Ser Arbeit?nad)roei? non Untcrnehnieroerbänben ift alfo ein 
9 ttad)tmiitel uidjt nur gegen Arbeiter — 10 gaßre rourbe eine 
„fcßroaqc ßifte" geführt! —, fonbern unter ilmftänben auch gegen 
„unbotmäßige" Arbeitgeber! 

Ser unentgeltliche Arbett?muhtoet? in granfretdj. Sa? Office 
du Travail ocröffentlicßt folgenbe Säten, betreffenb ben öffentlichen 
Arbeit?nacßroei? im gaßre l s ^ 8 : SDie fommuuale ©tellenoeruiitte* 
lung in $arib founte non 25 658 Ittänneru unb 46 416 grauen, 
bie Arbeit fud)teu, 18 683 Männern unb 46 354 grauen Arbeit 
naeßroeifen; ber Axbcit?oermittclung?oereiu im XI. Arronbiffement 
hat 1010 ^crfonen Arbeit itacßgewiefen. Mommutiale Arbeite 
nachroeife beftanben 1898 noch in Vreft, Souap, (Epinat, goigni), 
ße ^ßm), ßcnalIoi«' s ^crret, ßille, ßificuy, ßouoiciS, ßrjou, s JKoui= 
lu^on, Aancn, £rlean£, Saint^ie, 0 cn§, Senotie^, Srouniße 
unb 5>erfaille$; benfelben lagen in^gefammt Arbeit^gefudje non 
4011 s JÜtänneru unb 5814 grauen nor; uad)geroiefeu würbe Arbeit 
1453 Männern unb 2481 grauen. 2>ie lijätigfeit ber Arbeite 
börfen in Ai£, Angerö, (Earcaffonne, (Sljolet, SDijon, .fpaorc, 9?ime§, 
Saumiir, 0t. Aa 3 aire, Toulon, ^onloufe, 3>ictrp unb Algier um« 
faßte bie Unterbringung non 7346 iltännern unb 3175 grauen 
non 16173 äRännern unb 6800 grauen, bie Arbeit fuchten. 

©enoflcnfdjaftetttfett. 

3 tnei Arbcitcr ^rcbüUinQenoffcnfchnftcn im ^ar^. 

^er Arbeit ihren nollen (Ertrag 3U fiebern, fie au? ber Ab« 
hängigfeit 00m Kapital 31t befreien, ift ein Sdjlagwort ber Arbeiter* 
fdiaft geworben, ba? non ber politifd)en Arbeiterbewegung rocfent= 
lid) anbei*?, al? non ber lüirtjfd)aftUcfjen aufgelegt roirb. Aidjt 
auf bem it'ege ber gewaltfamen (irpropiatiou, fonbern burd) bie 
ber Arbeit iunewobuenbe Alraft fclbft uub bie non ber fapitaliftifd)en 


©ntroicfelung gefepaffenen §)ilf?fräfte ha^cn bie? 3 ^ ^robuftin* 
gen offen fchaften ber Arbeiter 3 U erreichen gefudjt. 3n 2 )eutfd;Ianb 
giebt e? 3 roar faft 3 roeihunbert gewerbliche „^robuftiogenoffen* 
fchaften", bie s l)tehr 3 ahl aber ift im Sidereffe non Äonfumenteu ge* 
grünbet, in Anlehnung an $lonfumoereine 2 c., bie eigentlichen 
$robuftingenoffenfd)aften, bie be? s $robu 3 enten, be? Arbeiter? ßage 
burch gemeinfame ^Srobuftiou heben wollen, finb meift gefcheitert, 
3 um Shell allerbing?, weil bie ©rünber beim Aufblühen ihre? 
betriebe? biefen 3 U einer rein fapitaliftifdjcit Unternehmung beroußt 
umgeftalteten ober aber biefe (Enhoicfeiung hoch baburch 3 uließen, 
baß fie auch beim Abftcrben bc? alten 0tamme? feine neue ©e* 
noffen aufnahmen. s Dcit bem ßeben?lauf gpeier roirflicher Arbeiter* 
^ßrobuftinncreinigungen macht un? nun ein S3u<h be? Regierung?* 
^atpe? Dr. 0tegemann*) in üörauufdjroeig „Sanne unb SSieba" 
befanut, bie bi?ljcr ein faft unbead)tete? Safein geführt ha&en. 
Ser SSerfaffer hat fidj in feinen ©egeuftanb fo liebeooll uerfenft, bie 
©orgen unb grcubeit biefer ©iu 3 elorgani?men be? üöirthfchaft?lcben? 
fo anfdjaulich gcfchilbcrt, baß bie ßeftüre ein roirflicher ©enuß ift. 

Saune unb SBieba finb 3 roei abgelegene §ar 3 orte, bereu Se* 
roopner feit gahrhanberten ihren Unterhalt in ber §auptfacf)e oon 
ben herrschaftlichen (Eifenroerfen 3 ogen. Al? baper ber Auffd>amng 
ber ©ifeninbuftrie in ben ©teinfohienreoieren bie braunfcßroeigifche 
©ifenitibuftrie unrentabel machte, bie Söraunfdhroeigifdje Regierung 
bie $>ar 3 er ^iittenroerfc oerfaufte unb bie Jütten in Sanne unb 
2 £ieba nicht weiter geführt würben, ftanben biefe beiben armen in 
23crge eingefeilten OJemeinben, beren gelbmarfen noch § eu te «id)t 
©eläube für ben befdjeibenften Acferbau aufroeifen, oor bem fRuin. 
Sie arbeit?fräftigen ©inroohner roanberten au?, ber fümmerlichc 
©runb* unb § auf erb eiiß rourbe oöllig entwertet. 

3u ihrem OMüd fanben bie Sanner, bie 3 uerft oon biefem 
©^icffal betroffen waren, in biefer Sebrängniß felbftlofe greunbe. 
Ser .f)iitteninfpeftor $recn, ein geborener $ ar S er / rc 9tc bie ©elbft* 
einrid)tung unb ©efbftfiihrung oe? betriebe? burd) bie Sarmer 
Arbeiter an, unb ber fpätere &ei<h?tag?abgeorbnete ©erid)t?aiieffor 
iöaumgarten unterftüßte fie bauerub mit juriflifchem S^ath uab 
feiner Vermittelung bei ihren finan 3 ietten Döthen. Sie 23raun* 
feßroeiger Regierung unb ßanbe?oertretung, an bie fuh bie Unglücf* 
lidjen roanbten, erleichterte ihnen ben Anfang burch birefte ©elb* 
3 uroenbungen unb größere Sarlel)ne. 

Sa? ©djroierigfte war natürlich in einem fo armen Drte bie 
©clbbefchaffung. Vei ber Vcrfchiebenheit ber SJtittel unb bem tjeil* 
weife gäii 3 lid)cn gehlen wählte man bie gorm ber Aftiengefeüfchaft 
unb benannte fie „Sanner*£)üite, ©ifengußroaaren*Aftiengefellfchaft". 
Sa? erforberliche ©runblapital oon sunädjft 25 000 Shalern 
wollte man burch Au?gabe oon 500 Aftien 3 U je 50 Shalern auf* 
bringen, roooon fofort 40% baar cingegahlt roerben follten. 
Sie Aftien follten im Vefiß ber Sanner bleiben unb bürfen baßer 
nur mit ©enchntigung ber ©eneraloerfammtnng auf Aubcre über* 
tragen roerben. Ser Ärbeiteraftionär barf nur bei bi? 3 ipliuarifchen 
ober ehrenrührigen Vergehen cutlaffen roerben. ©? hatten über* 
nommen: 60 Hüttenarbeiter 239 Aftien, 10 Hanbroerfer 99, 1 ©aft* 
roirtl) unb 2 Aagelfdjniicbcmriftcr 40, 4 guhrleute 30, 2 Hütten* 
beamte 55, 10 Vkge* uub Haabarbciter 15, 1 ©iiihlenbefißer 10 , 
4 Vklbarbcitcr unb yimmerleute 6 , 1 ßeljrer 6 Aftien. SBurbe 
e? auch fchrocr, biefe Veträgc in einer fo armen ©enteinbe oon 
no^ nidjt 1000 (Einwohnern 3 iifammen 3 ubringen — man ging 
gerabe 3 u oon Hau? 311 Han? betteln — fo war bod) fd)Iießlid) ber 
Anfang ba. 

s ^ßreen gab, ohne SJfiUfficht auf feine gatuilie, feine ficßere, gut 
bezahlte ©teHung in Söeftfalen auf unb übernahm bie fad)männifd)e 
ßeitung. Unb ber SGßurf gelang im Anfang iiberrafchenb gut. 

©nbe 1871 rourbe ba? V>erf mif 25 Arbeitern eröffnet. (E? 
betrugen: 


galir 

3al)I 

ber 

Arbeiter 

Antfqejaßlte 

!«ramtr ; 
M. ! 

Be¬ 

hälter 

M. 

Eßrobnftion 

in 

Gentncm 

‘Stoibcnbe 

i 

©ubc 1S72 

101 

32 025,3a | 

3 


\ 3750 

1 i 

, 10 172 

23 

* 1873 

1 lls 

52 30 5, hi 

3 


i 8800 

12 838 

17 

= 1S74 

1 131 1 

«5 010,00 1 

3 


; 4<>so 

14 727 

2S 

* 1^7.'» 

! 140 1 

73 5! 10,ui j 

3 


4()S0 

: 15 609 

3n 

= IK7U 

| 134 

73 3S7,*;, 

3 


: 4 i;so 

1 5 43« 

10 

* 1S77 

134 

75 '.»715,4*7 1 

3 


46so 

14 556 | 

7 


'■) Jamic nnb VJicba, e^cfdiiditc zweier Harter Arbeitcr*©cini|fen« 
iMmitni. Vraimidjweiger Verlag für taitnnäuuifd)c« lluterridjte'Weien 
uub Viirtl)fil)aftvfiuibe. 1MW. 



885 


©ogtale ifrajts. Eentralblatt für Sogialpolitif. Rr. 82. 


886 


Ser allgemeine wirtpfpafttipe Riebergang unb unooriiptige, 
überftürgte ©efpäftSerroeiterungen brauten ber ©enoffenfpaft eine : 
fo fernere $rifis, bap fie oon 1878 bis 1885 feine Sioibenbe ae* | 
währen fonnte, ja, baß fie Berlufte erlitt. Wan legte fip Bie | 
äuperften Ehtfpränfungen unb Semüihigungen auf. lieber waren 
es uneiaennüpige greunbe unb bie braunfpweigifpe Regierung, 
bie bie Bereinigung über biefe $titen äuperfter ®elbfnappf>eit pin* 
wegpalfen, an ber fie fonft gu ©runbe gegangen märe. Sagu 
fam bie Einführung beS beutfpen RopeifenS, ber Bau ber ©arg*3apn* 
rabbapn, befonberS bie Stredfe Blanfenburg— Sanne, bie BaS grapt* 
fonto ftarf perabfepte. Wit bem Sapre 1886 fepte ber Sluffpwung 
mieber ein, ber bis jept angehalten hat* Es betrugen: 



3apl 

ber 

Arbeiter 

SluSgegaplte 
Ööpne 
in ! 

jff. 

Beamte 

©e» 

haltet 

Jt. 

Brobuftion 

in 

Eentnern 

Sioibenbe 

(Snbc 1886 

124 

61 300,41 

8 

8480 

15 134 

4 

* 1887 

124 

68 585,65 

8 

3480 

16 971 

6 

* 1888 

134 

75 474,88 

3 

4500 

17 822 

6 s /3 

= 1889 

134 

82 431,68 

3 

4500 

19 875 

10 

* 1890 

138 

87 751,53 

3 

4500 

21143 

13 s /s 

- 1891 

138 

84 516,38 

2 

8500 

20 579 

13>/s 

* 1892 

137 

85 769,38 

2 

3600 

20 374 

13*/$ 

= 1893 

I 138 

88 602,62 

2 

8600 

21 247 

13*y s 

« 1894 

139 

92 577,27 

2 

3600 

21 915 

13*/s 

* 1895 

145 

88 953,oo 

2 

3600 

20 812 

13'/3 

* 1896 

155 

99 043,45 

2 

3600 

| 22 056 

13*/ s 

* 1897 

156 

102 508,oi 

2 

3600 

22 146 

16*/ 3 


Ser Werth ber gefammten Baulipfeiten ift in ber geueroer* 
ficherung auf 150 000 cif abgefd^afet. Sie gabrifation erftredCt 
ftp h^ute auf Defen aller Rrt, Stall*, Heller*, gabrü* unb Sap* 
fenfter, ©erbe unb ©erbehtriptungen, fowie Sauerbranb*Einfap* 
Öfen, ^Sflug- unb Saftwagenapfen. Alle Neubauten werben aus 
bem laufenben Sfonto beglichen. gür unoorhergefepene gälle ift 
ein Referoefapital unb ein E^trareferoefapital in ©öpe beS ge* 
fammten 2lftienfapitalS angefammelt. Sie Siegenfpaften unb baS 
3noentar finb auf oerpältnipmäpig geringe Summe abgefprieben. 
3ur Secfuug ber für bie Eifenbapn Walfenrieb—Sanne über« 
nommenen Garantie oon 150000 jfL wirb .fpon jept ein Referee* 
fapital angefammelt. Slbgefepen oon ber gabriffranfenfaffe hat 
baS Werf noch eine BenfionS*, Wittmen* unb Waifenfaffe einge* 
richtet, bie mit 12 000 ,>!L funbirt ift. Bei biefer oorgüglipen 
ginanglage hat baS Werf einen Banffrebit nicht mehr nötpig, eS 
hat oielmehr einen BetriebSfonbS oon 100 000 <Jt bei ber 
Wernigerober Bau! liegen. Sie 3 c i* ber harten finangieHen 
Spwierigfeiten hat bie Sanner gu einer eorforglip abmägenben 
©efpäftspanbpabung ergogen. $reen ift ingmifpen geftorben, 
bie Herren Sen cf unb ©ropp, bie Witbegrünber, ftnb bie Seiter. 

Sie Rohmaterialien, namentlich EoafS unb Eifen, werben feit 
3apren oon feften ßieferanten gegen Baargahlung bezogen. Ber» 
lauft wirb faft auSfplieplip bireft an etwa 80 btS 90 Eifen* 
waarenhänbler. 

Sie Slrbeiterlöhne betragen im Sagelohn 2 bis 2,g 0 oli. unb 
im Stücflopn 2, 50 bis 3 ,50 t 11, ben ßopnfap ber Britmtwerfe im 
©arge. Saneben haben fie ihre Sioibenbe aus bem Slftienbefip. 
Sie Arbeiter refrutiren ftp meiftenS aus ben Söpnen ber Arbeiter* 
aftionäre. Sie ßehrgett beträgt oier Sapre; im erften gahre 
werben 50 4 $, im gmeiten 60 aI, im brüten 1 bis 1 ,: 0 M, im 
oierten l /50 *-M Sagelohn begahlt; hoch fommen fie fpon balb, 
wenn auch gu niebrigen Säpen, an bie Slfforbarbeit. Sie gabrif* 
orbnung ift ftreng. Sn ber Emtegeit wirb ber Betrieb etwas 
nachgelaffeit, weil faft jeber oerheirathete Arbeiter im gorftgrunbe 
etwas Äartoffellanb unb Wiefe hat. Sie SebenSpaltung biefer 
Arbeiter hat fich in biefem Wenfpenalter fehr erheblich gehoben, 
unb ba oon feinen jept 240 ©auSpaltungen 129 auSfplieplip unb 
etwa 40 ber ©auptfape nach auf ben Beftanb ber ©ütte ange* 
wiefen finb, fo ergiebt fich bie golge für bie ©emeinbe oon felbft. 
Sie benft fogar baran, eine eigene Wafferleitung mit einer Summe 
oon 34 000 JL gu erbauen. 


Sie ©rünbuttg ber Wiebaer ©üttengenoffenfpaft ging eben* 
: falls oon Breen aus, ihre Drganifation gefchah nach bem Sanner 
| Wufter. Sie Sanner ©ütte nahm felbft oon ben 800 Slftien gu 
I je 50 Splr. fofort 200 Slftien, Br een unb ein Sanner Sfufftpts* 
ratpSmitglieb je 40 Slftien. Sie fachmännifche ßeitung beforgte 
gunächft Br een mit. Siefe B^fonalunion gmifchen bem Sanner 
unb bem feiebaer Sßerf ift auch nach BreenS Sobe aufrecht erhalten. 
Ser Befip oon gegenwärtig 267 Slftien fiepert ben Sannem einen 
bauernben Einfluß auf baS BHebaer Sochterwerf. 

Sn ©ernt Erimm fanb baS SBiebaer 2Serf einen aufjerorbent* 
litf) tüchtigen unb aufopferungSooKen faufmännifchen ßeüer. Ohne 
feine unb anberer greunbe ©ülfe wie bie Unterftüpung ber braun* 
fchweigifchen Regierung wäre bie ©rünbung, bie in baS gahr 1875 
fiel, bei bem ungenügenben SlnfangSfapital nicht über bie erften 
Sabre binauSgefommen. Bon 1888 ab gahlte baS SBerf inbeffen 
bis 1890 je 20 % unb oon 1892 bis 1897 je 16% % Sioibenbe 
an feine Aftionäre. ES hatte 1897 :155 Arbeiter (barunterl04 Slf* 
tionäre), an bie 171 245,94 <//£ Söhne gegahlt würben unb pro* 
bugirte 37 036 ,52 Eentner, wooon 36 385,36 Jt oerfauft würben. 
Ser ©elbwerth betrug 373 918 ,47 JL Sie SlrbeitSgeit währt wie in 
Sanne oon 6 bis 6 Uhr, <§onnabenbs wirb nur bis 4 Uhr, in 
Sanne bis 5 Uhr gearbeüet. Söieba fteHt ungefähr biefelben Er» 
jeugniffe wie Sanne her, nur benupt SSieba burchweg eigene 3ßo* 
Belle, bie fämmtlich unter Btufterfcpup geftellt werben. Sie 28erfe 
haben ihren Wettbewerb nicht im ©arg, fonbera nur in ©effen* 
Raffau unb Dftfrieslanb. Wieba fpart gegenüber Sanne an graepten. 

Bterfmürbig ift ber erpeblidje Unterfcpieb ber Arbeiter biefer 
beiben, nur brei Wegftunben oon einanber entfernten Drte. Bei 
ungefähr gleich groper 9trbeiterf<paft oerfaufte 1897 Sanne eine 
Brobuftion oon 22146 Eentner ©upwaaren, Wieba eine folcpe 
oon 36 787 Eentnern. Sie auSgegaplten ßöpne fteüten fiep auf 
102 508 gegen i71 245 jH bei ungefähr gleichen fiopnfäpen. 
Sie Wiebaer ftnb, wie man fiept, bebeutenb flottere Arbeiter, bie 
eS bei bem Borwiegen beS SlfforblopneS auf weit püpere SageS* 
einnapmen als bie Sanner bringen, ©leicpwopl bürften bie Sanner 
im OTaemeinen ben Wiebaern öfonomif^ überlegen fein. Um 
gelbarbeit fümmern fup bie Wiebaer Arbeiter faum, unb nach ben 
Scpilberungen unfereS ©ewäprSmanneS finb bie ©runbfäpe einer 
rationellen ^onfumtion bei ben Sannern oorperrfepenb, wäprenb 
bie Wiebaer noep fein recpteS Berftänbnip für bie moralifcpe gor* 
berung ber probuftioen Ausgabe haben. Ser ©tanb beS Wiebaer 
WerfeS ift finangiett gut. WoplfahrtSeinricptungen fehlen aber 
noep faft ganj. 

Ser Berfaffer fuept bie grage gu beantworten, wie weit bie 
fogialbemofratifcpe ©efinnung unter Biefen beiben Slrbeiterftämmen 
Eingng gepalten pat. Er ftellt feft, bap bei ben Waplen bie fogial* 
bemofratifipe Stimmengapl im umgefeprten Berpältnip gu ber gefepäft* 
licpen ßage ber ©ütten geftanben ift. 1898 würben in Wieba 215 
fogialbemofratifcpe unb 25 fonftige Stimmen, in Sanne 117 beg. 73 
abgegeben. Sropbem glaubt ber Berfaffer, bap biefe Sbftimmungen 
feinen Wapftab für bte fogialbemofratifdbe ©efinnung abgeben. 
Ser Arbeiter ftimmt im Allgemeinen für jeBen Bertreter beS 
„flehten BfanneS", mag er ein politifcpes ©ewanb anpaben, welcpes 
er wolle. Sie mitgöpeilten ÄunBgebungen monarepifeper unb 
fird^licper ©eftnnuitg, bie Stellung biefer Arbeiter gu Streifs 2 c. 
ftüpen biefe Anfcpauuna. Snx ©inblicf auf manepe Borgänge ber 
iepten 3«t gewinnen oeS BerfafferS Worte hoppelte Bebeutung, 
wenn er fagt: 

,,ES ift mertwürbig, wie hierbei oft bte fpetnbar unbebeutenbften 
Borfälle bie Richtung beftimtnen. Ein etwas gu fcparfeS Borgepeit ber 
unteren Boflgiefjungsbeamten, bie etwas ftrengere Auslegung einer 
gorftfepupbeftimmung, ber unoorftpüge Sienfteifer eines EeitSbarmen, 
ber feine Bflüpt baburp befonberS gut gu erfüllen glaubt, bap er 
Äontraoentionen nipt oerpütet, fonbem mit befonberer Rüprigfeit aus* 
finbig mapt unb gur Slngeige bringt, alle biefe fleinen SKomente treiben 
in fleinen Orten bie Wähler ntaffenweife ber Bertretung beS „fleinen 
SRanneS" gu, unb biefe fiept bie Slrbeüerfpaft, in Ermangelung einer 
eigenen Bertretung, eben in ber Sogialbemofratie." 

Wöpte biefe Erfenntnip aup wieber in unfere preupifpe Ber* 
waltung einbringen! 

Eparlottenburg. grip Spept. 


Sie gleipgeitig hiermit ausgegebene Rr. 8 ber RlonatSfprift 
„SaS ©ctoerbegeript" enthält: 

Ser §. 626 beS Bürgerlipen ©efepbupS unb baS MnbigungS* 
rept in ber ©ewerbeorbnung. — ©ewerbegeript, Slrbeiterfefretariat, 
RuSfunftSfteUe. — Berfaffung unb Berfahren: Erweiterung 


ber 3aftänbigfeit ber ©ewerbegeripte. — Reptfprepung: Wit* 
theilungen aus ben Entfpeibungen ber ©ewerbegeripte Bfagbeburg, 
granffurt a. Bf., Dffenbap a. 3R., Stettin, ©amburg. — Slllge* 
meines über ©ewerbegeripte unb ArbeitSoertrag: RuS 
ben gapreSberipien oon ©ewerbegeripten. 


8trantoortlt4 für bie »ebattion: Dr. Crnfi Stande in »erltn W., Bagreut^erftrafee 29. 





887 kostale grafte. Sentralblatt für Sogtalpolttif. 9?r. 32. 888 


©ie Pvavl*“ erfdjeint an jebem ©omteiStaci unb ift burd) ade Biubbanblungen unb ^ 0 ,'^mter ((ßoftzeitunginummer 7072) gu beziehen. ©er ^JreiS 

für ba« Btetteljahr ift 907. 2,50. Sebe Stummer foftet 30 Bf. ©er Ärtzetflenpreiä ift 60 Bf- für bie breigefpaltene Betitjeile. 


Uirafj alle BurfiljattMuttgen ju bejiv'^cn: 


Deutsche üJirt$cbaTt$ge$cbichte. 

Omt 

H. Cb. von Tnama-Sternegg. 

I. ^cuffttje Ä)irtrrf!aft 00 Eftfjirf|fc bi« jum Srf|Iug ber HavxJÜngerpertobe. 1879 . preis 12 M. 
n. PeuJfdie ]©irtfd|affs{irfd|i elfte bes 10 . bis 12 . ifaJjrfjunberfs. 1891 . preis 13 M. 
in. 1 . ®eutjtfje BDirtfcfjatisgerrfiirfife in ben teufen Jaljrljunberfen bes JBtftelalfers. 1899 . preis 12 Ml. 


3 n ihrer 9 iummer 87 uom 15 . Slpril 1899 Berichtet bie 

„SSiiettembevgifriie SoltSjeitnng" (Organ ber 
©eutfdien Partei): 

Unter bem £itel „3 U BiSmartfd (Gebäcfitntö" ift im Verlag oon 
©uncfer 4 .fmmblot in öeipjtg ein SSerf erfdjtenen (174 3., 8 9)?. 60 $f., 
gebbtt. 4 2JL 80 fßf.), auf Da3 mir unfere S?cfcr aufmerffatn ju 
machen nicht unterlaffen moDen. 63 enthält gehn Huffäße über 
ben großen Staatsmann, oon benen fünf oon bem ^rofeffor 
(Gnftao Sehntolter, bem berühmten SSoIfSioirtfchaftstehrer, jroei 
oon bem §iftorifer fßrofeffor 3J?ar fienj in 93crltn unb bret oon 
Seffern leipziger gachgenoffcit 6 rieh SRartfä herrühreit. 9Bic fefjou 
bie tarnen ber Serfaffcr oermuten Iaffen, ftnb alle btefe Stuffä^c 
nach ^orat unb Inhalt jeber Beachtung roert unb liefern roichtige 
Beiträge $ur Srfenntnis unb SBürbigung ©ismarefs. Sie ftnb 
aßerbnigä feine fritiftofen Bcrbimmelimgen beS groben Spannes. 
Hm meiften hat Scfjmoller fich ihm unabhängig gegeniibergeftettt 
unb }. 93. 1890 bie Hnficf)t ausgefprodjen, Sie mir h^r mieberholt 
lefen, baß mit 93isntarcfs Sturs eine unabroenbbare tfataftropfjc ft<h 
oonjogeu habe, meldjc and) ihr OJuteS enthalte. HIs ciitfdjiebencr 
(Gegner ber BtSmarcffcheit Steuer^ 3oü s ' Sozial* unb fianbelspolitif, j 
fomie ber Btömarcffchen Hitffapung oon (Grmcinbe* unb Slrete* 
oenoaltung, hat Schmollet bnrd) Sctt Sturj beS 9Uefett bie 9Köglidjfeit 1 
fich eröffnen febett, baß neue SBegc eittge|chlageu mürben, toährettb j 
bie HHmad)t Btemarcte bis bahin eine burchgreifettbc reformatorifche 1 
2hätigfcit oerhinbert unb bas Stuhcbebürfnis bes alternben Staats* j 
mannes bie fiojung „quieta non movere!" auch auf Berhältniffe an* 
gemanbt habe, mo fic gar nicht hinpaßte. Hud) ßc»z unb STOardS 
oerhehten ba unb bort nicht, baß fic biefett ober jenen 3 ug im 2 öefen 
beS gelben, biefe ober jene einzelne 9J?aßnal)mc nid)t ganz billigen; 
bie .ftärtc feines Urteils, bie $ei‘bigfcit feines Nabels, bie zornige 
Beradjtung ber (Gegner, bie fchroffe Ein fei tig feit gegen bie ^arteien, 
ja gegen ftreunb unb ^einb, feilte heroifchc Schroffheit, feine ftolge 
Sclbftherrlidjfcit heben fte, jeber unabhängig oottt anberu, faft mit 
benfelbctt Porten heroor. Hber gerabe meil fte bas thun, meil fte 
ben 9J?anu fo zu erfaffett fuchen mie er mar, gerabe Scshalb ftnb 
biefe Huffähe ein bes .frclben mürbtges ©enfinal intb eins, baS ihn 
mit gefd)icf)tlid)er Breite oergegenmärtigt. 9Kas immer man an Bte* 
marcf ausjeßett mag, bas alles ftcljt bodi am leßtcit Ettbe in engftent 
3ufammenhang mit feiner (Größe; menn bei irgenb einem Btann, 
fo gilt bei ihm bas 3öort, baß feilte fehler nur Sie ftehrfeitc feiner 
iugenben ftnb. Schtnollers Httffäßc fiitb oor allem beslialb bebcutfam, 
meil fic jur fritifd)en Sßürbiguug ber Sisntarcffdjen Sozialpolitik 
anleiten. 9öir fteheit felbft auf einem anberen 93obeit als ber 93er= 
faffer biefer Stubien, aber mir haben oon feiner Huffaffiutg hoch 
oiel gelernt, nttb mir freuen uns hoppelt, baß auch biefer Beurteiler, 
mie bie „ 0 )cbanfen unb Erinnerungen" erfcheincn, fidj fofort hinfeßi 
unb einem ^ublifum, bas großenteils nicht aus BiSntartffrfjmärmern 
befteht, bem ^eferfreis ber „Sozialen ^rarts" ben grofjcit 9Nantx in 
feiner politifdien unb feelifcfjen Wröfje nahe 511 bringen unternimmt: 
„Sein Icftantcnt flingt hetrmonifd) aus; es mirb bem bcutfdicu Bolfe 
Saburdi um fo mehr aus .fterz madß'eu; es mirb laufeubc ber 
politifdien (Gegner Bisntarcfs entmaffnen burdi feine oli)tnpifd)c 9iuhe, 
Sie Beruteibung jeber ^ifanterie, Sie rittcrlidie •'ood)ad)tung, montit 
er felbft feine (Gegner unb (Gegnerinnen bei aller Cffeuheit behaubeit." 
Venz unb 9J?arcfs ftimnten Sarin überein, baf) fte bie großartige 
(Sinheitlidifcit in BisntarcfS Entmicflung heroorheben . . . „er murzelt 
im altpreußifdicn Staat, er ift Hriftofrat intb Biouardjift .^itqlcidi — 
fein Hbfolutift, aber burdibruugen oon ber 9?otmenbigfcit eines ftarfen 
Staats, einer muditigeu Autorität"; auf biefcit (Gruitblageit hot er 
audj baS SHeidi aufgcriditct unb es fo befähigt, allen Stürmen zu troßen. 

Balb mirb cs ein ^ahr fein, baß uns Bismarcf cntriffeu ift. 
BiaS er felbft mar unb mas er uns mar, bas fagt uns neben ben 
„(Gebanfctt unb Erinnerungen" uidit Ieid)t jentattb beffer, als baS 
Buch ber brei ^rofefforen. 


Verlag von DUNCKER 4 HUMBLOT in LEIPZIG. 

Entwicklnngsgeschichte 
des Eigenthums 

unter ciütnrgescUcMMeni und wirWaflüGlei GesicMspiintte. 

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des Eigenthums. 1883. Preis 7 M. 

II. Der Einfluss der Sitten und Gebräuche auf die 

Entwicklung des Eigenthums. 1886. 

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III. Der Einfluss der Religion auf die Entwicklung 

des Eigenthums. 1889. Preis 8 M. 

IV. 1. Der Einfluss von Staat und Recht auf die 

Entwicklung des Eigenthums. Erste Hälfte. 
1896. Preis 9 M. 60 Pf! 

2. I. Der Einfluss von Staat und Recht auf die 
Entwicklung des Eigenthums. Zweite Hälfte, 
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febaften DeutfcblanbS. ... 889 

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Unfidf.893 

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f^örberung beS ArbeiterfcbufceS. ' 
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Arbeitsamtes. 

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*9gft«Ie Bnftttnbe i .896 

Die ©anbmirferei in unb um 
©cbwelnt II.33on£etene©imon, 
©erlfit. | 

Die ArbeitSflatiftif unbbie3nbuftriellen , 
in Defterreidj. | 

Die ©laSbütte üon Sttlbi. ] 

4fe*(ttcffcetBC(titta.899 

Jßur ©rünbung ^riftlicber ©emerf» j 
oereine. ! 

Streifs in Deutfcblanb tüäbrenb befl I 
April. ! 

Deutfcber ©etbanb faufm&nnifeber | 
Vereine. 

■©in SöergarbeiterauSftanb in Älein» 
Toffeln. 

Die 3 e bnftunbenbeu»egung in ber 
bfterreiebifeben Dejtilinbuftrie. 

Der ©lreif ber belgifdjen Äoblenberg* 
meefarbeiter. 

Die ©ifenbabnerbemegung in ftrem!» I 
reich. j 

©oit ben englifeben ©emerTbereinen. 


«UfretterWtt*.902 

Die ©eroerbeauffiebt in $tanf* 
reich 1897. S?on ftr. ©d&ottböfer, 
SßartS. 

Die ©emerbeaujfidjt in Sßerflenburg 
1898. 

Der 9 Ubt«8abenfd)lufe in ber tReidjS» 
tagsfommiffion. 

Urbeitertoerftiftetung. ©farfaffen 904 

Die Unfalloerficberung in ber 
belgifcben ÄoI)Ienbergtoer!S* 
inbuftrie. 33on Dr. ©uftao 
ÜJiaper, Sörüffel. 

fian einer ©erfidjetung gegen Ar» 
beitSiofigfcit in ©afel. 

©in oberücr 9iatb ber freien ,£>iilf$» 
Oereine in ^-raiifrcicb». 

9Ufrett9iia4*et*.906 

©pejiatifirung ber ArbeitSOeimittelung 
in ftabtifdjen ArbeitjSnacbmeifen. 

©etllner ©entraloerein für ArbeitS* 
nadjtoeiS. 

Sage beS beutfeben ArbeitSmarfteS. 

fBobnmigftoefeii.907 

SBobnungSfürforge inbeutfeben 
©täbten. 

2BobnungSftatiftif in ßarlSrube unb 
aRannbeim. 

©rgicbmig «mb «Ub traft.909 

©ebufc bet 3ugenbli<ben oor 33er» 
tobung im preufeiidjen ^errenbaufe. 

Die J^o<bf(buIborträge für ^ebermamt 
in Seipiig. 

©etocvbegevitbtt. ©inignngOümter. 
©ditebSgertdite.909 

Abänberung beS beutfeben ©etoerbe» 
gericbtSgefefeeS. 

©cbicbSgericbte bei SirbeitSftreitigfeiten 
in ©djmeben. 

Dbligatorifcbe ©inigungSämtet in 
fyranfreicb- 

SUterariffte %tt$ef§tst.910 


■Abbrucf f&mmtlicber Artifel ift ßeitungen unb ßeitfebriften geftattet, iebod) nur 
mit ooHer Quellenangabe. 


Ber iritte j&oitgnß ber ©etoethfdjaftett 
Beutjiijlanbsü 

©otn 8. Bis 13. b. 3RtS. mürbe ber britte beutfdje ©eroerFfdjaftS* 
iongreft in granFfurt a. 5R abgeBalten. D)ie Vertreter oon ttaBegu 
einer falben Million geroerFfcBaftlid) organifirter Sirbeiier roaren b^r 
oerfammelt unb befunbeten bei i^ren SSerBanblungen einen (Srnft, 
eine 3Räfeigung unb einen mit praftifdjer 0a<Bfunbe unb ($inftd)t 
oerbunbetten (Sifer, bafe jeber gfreunb einer frieblidjett ©o^ialrefortn 
amb ruhigen (Sntmitfelung barüber erfreut fein Faun. 


gleich su ben früheren £ongreffen trat unucrFennbar ein beträcf)t* 
lieber gortfefiritt su 2:agc. 9iid)t me^r [tritt man über bie OrganU 
fationaformen, Äompetensett 2C. fonbern man richtete ben Slicr auf 
praFtif(f)e ®inge, auf ba8 oorlaufig (IrreitBbare, unb oermieb babei 
tBunlidjft alles SSerlefeenbe. 3)ian Faun es nur bebauern, ba^ 
biefetn ^ongrefe, ebenforoenig roie bem FürslicF) in Berlin abgeljaltenen 
Sauarbeiterfd^ufeFougrefe, Feine Vertreter ber Regierung beigemoF)nt 
Baben. SlUerbiugS mar Feinedinlabung erfolgt, roeil, mie auf bem £?on* 
gre& erFlärt mürbe; man fitf) Feiner erneuten 2l6fage auSfefcen 
roofite. Slber aud) o^ne ßinlabung müfete es bod) für bie mag* 
gebenben Greife oon Sntereffe fein, baS D)enFen, güBlen unb 
Streben ber im praFtifdjen fieben fteBenben Arbeiter aus eigener 
unmittelbarer Slnfdjauung Fennen su lernen. 3n @nglanb merben 
bie Vertreter ber ©emerfoereine, menn fie ihre ^aBreSFongreffe ab* 
Balten, oon ben ftäbtifcBen SeBörben begrübt, unb in ber ©cBrneig 
pflegen ben Slrbeitertagen Vertreter ber Regierung beisurooBnen 
— nicBt sum ©dBaben einer ruBigen (SntroidFelung ber D)inge! 

ßS roaren in granFfurt 127 D)eleairte, bie 493 638 Arbeiter 
oertraten, erfcBienen. 28ie ber SSorfiBenoe fiegien, ber @eFretär ber 
Hamburger ©eneralFommiffton ber ©emerFfcBaften D)eutfcBlanbS, 
mittBeilte, Baben bie mit ber ©eneralFomntiffion oerbunbetten sen* 
traliftrten ©emerFfcBaftSoerbänbe einen BÖ^ren StanbpunFt erreicht 
als je guoor. ©ine Slufroärtsberoegung beS ©emerFfd^aftSlebenS fei 
unoerFennbar. $ie ©inBeit fei feft begrünbet unb bie Sonber* 
organifatiotten loFalett @B a niFterS fpielten Feine SRoHe. Me ©e* 
merFf(Baften oon nenttenSrcertBer SÖebeutung feien ber ©eiteral* 
Fommiffion angefd^loffen. Mgeft<BtS ber s»neBmenben Aufgabe 
mürbe eine ©rroeiterung ber ©eneralFommiffton für notBroenbig 
eracBtet. ©S mürbe ntept nur baS SßkiterbefieBen ber fommiffion 
einftitnmig gutgeBeiften, fonbern autB befctjloffen, bie 3*# 
alieber ber fommiffion oon 5 auf 7 gu erBöl)cn. S)aS 0rgan ber 
fommifffon, baS „forrefponbengblatt", foH gu einer 0rtS*9teoue 
erroeitert merben, bie infortnirenbe 5lrtiFel über SlrbeiterfcBufe unb 
SlrbeiteroerficBerung, StatiftiFen zc. bringen foH, aber nur in bem 
Umfange, ben bie gegenroärtigen finangieHen Mittel geftatten. D)ie 
fommiffton foE ferner eine StreiFftatiftiF oeranftalten, bie gur 
fontrole ber amtlitBen ©tatiftiF bienen fott. SSorauSfebung ift ba* 
bei, ba& bie Drganifationen ftcB ber $>urd)füBrung biefer Aufgabe 
anneBmen. 3n einer 9iefoIution mürbe aufeerbent eine beffere 23e* 
gaBlung ber Beamten unb SRebaFteure ber ©eroerFfcBaftett unb bie 
©infiiBrnng oon Sßenfionett für iBre ütoalib geroorbenen 33eamtett 
unb SRebaFteure empfoBlen, mobei eine betnerFenSroertBe 
©cBäBung ber geiftigen Arbeit gu 2:age trat. 

3m TOttelpunFt ber SSerBattblungen ftanb bie grage beS 
foalitionSrecBtS. ©cBon oor SöocBen BaEc es baS „for* 
refponbengblatt" für unbebingt erforberlic^ erFlärt, „bajj bie SSer* 
treter ber organifirten Arbeiter eine Mtroort ertBeileit auf bie 
§>efcereien gegen bie ©eroerFfcBaftett, bie oon Seuteit auSgeBen, 
roelcBe offen bie ©efefee übertreten unb ben Arbeitern beit mingigen 
SReft SSereinigungSrecBtS rauben motten, um bie SluSbcutuug 
ber 3lrbeitSFraft ungeftörter betreiben gu Föttnen". D)aS ^Referat 
Bielt Segie'tt. ©r oerroieS auf bie itt ©nglanb, SlmeriFa unb and) 
in grattFreicB befteBenbe Koalitionsfreiheit unb fcBilberte bas oer* 


















Sogialc $rci£t8. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Sir. 83. 


892 


m»i 


idjiebenartige Vorgehen bcr beutfcgen Voligei gegen bie Arbeiter* 
unb Unternehmerorganifationen. Dann proteftirte er gegen bie 
Behauptung, baß bie Gewerffchaften nichts alg Streifoereine feien. 
$äufig neigten btejeitigen gabrifanten gum Streif, toelc^e bie Ver* 
treter ber Arbeiter, ftatt mit ihnen gu oerhanbeln, aug bem Bureau 
htitaugwerfen liefen, Gin oölliger Wbbrucf) beg Vertraueng ber 
Arbeiter gu ben SRegterenben roerbe bie Solge fein, metin man bag 
Koalitiougred)t noch mehr oerßhlechtere. Dte Arbeiterberoegung fei 
ftaatgerbaltenb, bemt fie wolle ben breiten Volfgmaffen bö^ren 
Antbeil an ben Grrungenfchaften ber Kultur bringen. 2Rit bem 
elenben Arbeiter fönne bie heutige Wirthfchaftgorbtmng nicht be* 
fteben, nur mit bem materiell unb geiftig gehobenen Arbeiter. „Wir 
Gewerffchaftler ftnb für ruhige Gutwicfelung, mir halten bie £>er* 
beifübrung einer befferen Gefeflfrfjaftgorbnung nur für möglich, 
meitn ber Arbeiter geiftig gut entroicfelt unb förperlidj gut genährt 
ift. Darum freie Bahn für bie Arbeiterbewegung unb ein freieg 
Koalitiongred)t. „Dhne weitere Debatte gelangte eine in biefem 
Sinne gehaltene unb gegen bie Beftrafung ber Anreigung gurn 
Streif mit 3 uc btbaug energisch proteftirenoe SRefolution gur Sin* 
nähme. 

Der Streit über bie Darifgemeinfdjaft im Bucbbrucfgeroerbe 
bat inbireft Beranlaffung gegeben, baß auch ber V ul V* „Tarife 
utib Darifgemeinfchaften im gewerffdjaftlichen Kampfe" 
auf bic Dagegorbnnng beg Kongreffeg gefefet mürbe. Gg gelangte 
folgenbe, bie Darifgemeinfchaften grunbfüblich befürroortenbe 
Vcfolution gur Slnnaßme: 

„tarifliche Vereinbarungen, welche bie Sohn* unb Arbeiigbebin* 
gütigen für eine beftimmte 3rit regeln, ftnb alg Verneig ber Slnerfenmmg 
bcr <>Heid)bcred)tigung ber Arbeiter feiteng ber Unternehmer bei geft* 
fepung bcr Slrbeitgbeoingungen gu erachten unb in ben Berufen er* 
ftrebcngincrth, in wcldjen füinobl eine ftarfe Crganifation ber Unter* 
nehnter, wie aud) ber Slrbeitcr norbanben ift, welche eine (Gewähr für 
Slufredjterhaltung unb Durdjführung beg Vereinbarten bieten, iauer 
unb Umfang ber jeweiligen Vereinbarungen laffett ficb nicht fdjema* 
tifiren, fonbem hängen non ben (Eigenarten beg betreffenben Be* 
nifeg ab." 

Der Befürworter biefer SRefolution, Döblin*Verlin, führte 
aug, baß in ber Darifgemeinfchaft bie Anerfennung ber Gleich* 
berechtigung ber Arbeiter unb ißreg Viitbeftimmunggrechteg liege, 
unb oermieg auf bie günftigen Grfolge, welche ber Vucßbrucfer* 
oerbaub mit ber Darifgemein fefjaft gemadjt habe. Die Öeipgiger 
oerwahrten fich in ber £Sauptfacf)e nur gegen lange Darifgetnetn* 
fchaften, ba biefe bag „Klafferibewußtfein" cinfchläferten, währenb 
hoch bie Grgiehung gunt wirthfdjaftlidjen Kampfe bie ^auptfaeße 
fei. Die Sinnahme ber ©öblin’fdjen SRefolution mit fehr großer 
Mehrheit hat bewiefen, baß immer mehr bie Uebergeuguttg Blafe 
gegriffen hat, wie fiabüeSlrbeitgoerhältniffe and) im Sntereffe 
ber Slrbeiter felbft liegen. Bereitg haben einige Gewerf fchaften, 
befonberg bie ber Bauarbeiter, ihre Bereitwilligfeit erflärt, fefte 
Vereinbarungen mit ben Unternehmern gu treffen, anbere finb be* 
reitg bem Beispiele ber Buchbrucfer gefolgt unb haben Verein* 
Innungen abgefcßloffen. Bei biefer Gelegenheit fei bemerft, baß 
bcr graufurter Kongreß ben Üeipgiger Vertreter ber oom Buch* 
brueferoerbanb aug Slnlaß beg Darifgemeinfchaftgftreiteg abge* 
fplitterteu unb bebeutungglofen neuen Budjbrucfer* Gewerffcßaft 
nidjt gugelaffeu unb baburd) mit übergroßer Vfeht'heit ben für bie 
(^ewerffd)aftgorganifation prinzipiell wichtigen Grunbfaß aufgefteUt 
hat, baß neue örganifationen in einer unb berfelben Branche nicht 
anguerfeuneu finb. 

Der Vmtft „Die Gewerbe*3nfpeftion* führte gu einer 
Befpredjung unb Befdjlußfaffung barüber, welchen Slntheil bie Ge* 
werffchaften an ber Slugführung ber 3nfpcftion nehmen fönnen. 
Gg würben oerfdjiebene ^Referate erstattet, eineg über bie Gewerbe* 
vsnfpeftion im Allgemeinen unb bann folcße über bie Kontrole ber 
Bauten, bic Bergiufpeftion, bie £mfeninfpeftion, bie Scßiffg* 
infpeftiou unb bie Gewerbeaufficht im Kleinfjanbrnerf unb in ber 
£>auginbuftrie. Sn ber Debatte würbe fonftatirt, baß in Bauern 
bic Sluffid)tgbeamten augemiefeti feien, mit ben Arbeitern in Ver* 
bitibung gu treten, unb baß Württemberg bie ooHfommenfte Qform 
beg Verfehrg habe; bort oereinigten fid) bie Vertrauengleute ber 
Gewerffdjüften mit ben Gewerbeinfpeftoren alljährlich auf einer 
Monfereug. Diefeg Vlufter würbe auch oom Kongreß empfohlen 
unb im llebrigen bic Bübung oon Befchwerbefotnmiffioncn nach 
fdhweigerifd)em Vlufter befürwortet, bie unter §)ingugiehung weib* 
lieber Vertraueugperfonen unb im Slnfchluß an bie Gemerffcbaftg* 
rartclle mit ben Sluffichtgbeamten regen Verfeljr unterhalten follen. 
Die Slrbeiterorganifationen follen außerbem ihre Vublifationen 
i3al)regbericht, 8tatiftifen :c.) regelmäßig an bie Gewerbeinfpeftoren 
fenbeu. Slußerbem würbe eine Reform ber Gewerbeinfpeftion felbft 


geforbert: Slugbebnung ber Slufficßt auf §anbwerf fowie Älein^ 
unb 5>auginbuftrie, ^anbel, Srangport unb Verfehr, Gentralifirung 
in eine SReidjginfpeftion, Vermehrung ber Beamten burdh Geholfen 
unb Gebülfiniten aug Slrbeiter* unb Slngefteütenfreifeu, fowie Slug^ 
ftattung ber Beamten mit Voflguggredjt unb ooller Unabhängigfeit. 
Geforbert würben auch £>afeninfpeftoren oon SReichgwegen, be=* 
fonbere Bauinfpeftoren, ^erangiehung ber Bergleute gur Gruben* 
infpeftion, Beaufftd)tigung beg 0chiffgbaueg unb ber 0dßiffe 
überhaupt. 

Slrbeiterfefretariate fanben eine einmüthige günftige 
Beurteilung. (Eg würbe ihnen bie oolle 0pmpathie beg Äon* 
greffeg auggefprochen, aber gugleid) oor lleberftürgnng bei ber 
Grünbung neuer gewarnt. 0ie füllen erft bann errichtet werben, 
wenn bie finanziellen Grunblagen für biefe immerhin foftfpieligen 
Drganifatiouen gefiebert finb. £ie 3efretariate follen engfte Füh¬ 
lung mit ben Gewerffd)aftgorganifationen unterhalten unb barauf 
in ben Slrbeitgplänen 3^ücffict)t nehmen. 3für Valvationen foll 
ihnen bag „Gorrefponbengblatt ber Generalfommiffionen" gur Ver* 
fügung ftehen. £>ag Verlangen, bie 8efretariate möchten nur 
orgamfirten Slrbeitern SRath ertheilen, würbe für unmöglich erflärt, 
eg fei auch ferner, gwifchen Slrbeitern unb Kleinbürgern eine 
Grenge gu gieljen. Sllg wünfehengwerth würbe bie ^erauggabc 
eineg befonberen Drgaug für bie 3efretariate bezeichnet. 

Bezüglich ber fommunalen, begw. paritätifchen Slrbeitg* 
itachweifc gingen bie Meinungen Slufangg fehr augeinanber, bod> 
würbe ber Bcfdjluß beg oor brei Sahren in Berlin abgehaltenen 
Kongreffeg, ber biefe Slrbeitgnad)weife grunbfäßlich ablehnte, all* 
feitig alg burch bie (Entwicfelung überholt unb thatfädjlich oiel* 
fach burd)brod)en begeichnet. 0ie Slntheilnahme ber Gemerffchaften 
in 0übbeutfchlanb an ben ftäbtifchen Slrbeitgnachweifen, bag Gin* 
treten größerer Gewerffchaftgfreife in Berlin für paritätifche 
Slrbeitgnad)weife unb ber Vorftoß ber Unternehmer, bie Slrbeitg* 
oermittelung gu einem Vlonopol für fich auggugeftalten, haben bie 
0ituation wejentlich oeränbert. 8elbft bie Gegner ber paritätifchen 
Slrbeitgnatweife gaben biegmal ben Berliner Kongreßbefdjlufi 
preig. 0ie fanben gwar bie „3chwärmerei" ber,8übbeutfd)en, be* 
fonberg ber Bapern unb Schwaben, für bie fommunalen Slrbeitg* 
nachweife nicht gerechtfertigt, erflärten eg aber nach ßage bcr Xitige 
für unmöglich, Die frühere fchroff ablehnenbe £>altnng bcigubehalten. 
3)ie Storbbeutfdjen finb oieljach noch ber SMnung, baß ber 
Slrbeitgnachweig fich in ben .gmnben ber Slrbeiterorganifationen be* 
finöen müffc, oerwerfen bemgemäß auch &i e 3Ronopolifirung ber 
Slrbeitgoermittelung burch bie Unternehmer, wollen aber fich bod> 
möglidjften Ginfluß auf bie paritätifchen begw. fommunalen Sir* 
beitgnachmeife fichern. ^)ag reaftionäre Gemeinbewefen Vrcußeng* 
paffe nicht für paritätifche Slrbeitgnachweife. Umgefehrt trat 
ber .<pauptrefereiit &eipart * Stuttgart mit großer Wärme unb 
Sachfenntniß für bie ftäbtifchen Slrbeitgnachweife ein. SRad) fehr 
langen Verhanblungen gelangte eine auf einem Kompromiß be- 
ruhenbe SHefolution o. Glmg mit allen gegen 5 Stimmen gur Sin* 
nähme, bie gwar an bem Grunbfaße fefthält, baß ber Slrbeitgnach» 
weig ben Slrbeiterorganifationen gebühre, aber anerfennt, „baß eg 
unter ben gegenwärtig beftehenben Verßältniffen an manchen Drteu 
für eine SReihe oon Berufen oon Vortheil fein fann, fi^ an fom* 
munalen Slrbeitgnachweifen gu betheiligen." $)iefe finb jeboch nad> 
folgenben Grunbfäßen auggugeftalten: 

a) Verwaltung burd) eine, aug in gleicher 3 a hl oon ben Slrbeit* 
gebern unb Arbeitnehmern je in freier B$al)l gewählten bireften Ver* 
tretern gufamntengefcßte Sfonunifrion, unter Leitung eineg unparteilichen 
Vorfißenben; 

b) Rührung ber C^efchäfte burdj aiw ben Sleihcn ber Arbeiter 
heroorgegangenc Beamte; Wahl berfelben burch bic Verwaltung^ 
Kommiffiou; 

c) Slblebmtng ber Vermittelung oon Arbeitgfräften au foldje Arbeit* 
geber unb £ienftberren, weldje uotorifdj ihre VfUdjtcn Slrbettgebcr 
nicht erfüllen, fowie .an foldje Slrbeitgebcr, weldje bei augbrechenbcu 
Differenzen mit ihren Slrbeitern in feine Verhanblungen gur Bciiegimc\ 
mit ber guftätibigen Slrbeiterorganifation eintreten wollen; 

d) genaue ^eftftclluugeu über bic £ohnbcbingungen mtb Ver* 
öffentlidpmg mit ben übrigen Grgebniifen bcr Arbcitgnad)weig=2tatijtif; 

e) oertragmäßige Vcrpflidjtung bcr Arbeitgeber, bic oor bent Slrbeitg* 
amt angegebenen Slrbcitv** unb ^ohnbcbingmigcn nad) erfolgter Gin^ 
ftefluug auch 3 » erfüllen, um ben Slrbeitcr ober ^ienftboten oor iäufdpmg 
ober Venad)theiligung git fdjüpeu; 

f) ooUftänbige (^ebühreufreiheit unb Ucbernahute ber gcfamnttcu 
Koften auf bic Gemciube* ober Staatgfaffe. 

Wo fontmunalc Slrbcitgämter errichtet werben, foll bte orga* 
niftrte Arbeiterfchaft für bte Durchführung oorftehenber gorberungen 
eintreten, ohne baß bie eingelne Gewerffchaft oerpflichtet werben 
fann, ben etwa beftehenben, gut funftionirenben Öa<harbeitgnad)=-- 



893 


Sogiale B*ajt$. ©eniralblatt für Sogialpolittf. Dr. 38. 


894 


roeis ohne befonberen ©runb aufguheben. derartige gadjarbeitS* 
nad)meife finb jebod) möglichft mit bem ftäbtifcfjcn Arbeitsamt in 
Berbinbung gu bringen, um eine ooDftänbige ArbeitSnad)roeiS* 
ftatiftif gu ermöglichen. Baritätifche ArbeitSnachmeife finb ni<ht 
ju uerroerfen, menn es baburd) ben Arbeitern gelingt, gugleid) 
ifyxt ßohn» unb ArbeitSoerhältniffe günftiger unb ftabtler gu ge* 
ftalten. 

©em Äongrefe roo^nten auch Vertreter ber bämfdjen, öfter* 
reid)ifcben unb f<hmeigerifd)en ©eroerff(haften bei. ©er bänifdje 
Vertreter S^nfen gab eine 0d)ilberuiig ber glängenben Sage ber 
bänifdjen ©eroerffchaften. Dur ein uerfcbmtnbenber ©heil ber 
Arbeiter fei nidjt organifirt. Unter bem tarnen ©entralifirte ®e* 
roerffcbaften ©änemarfS fei eine Drganifation ber ©eroerffchaften 
in gang ©änemarf errichtet morben, bie 75 000 bis 80 000 BHt* 
alieber aufmeife. ©er Vertreter ber fchmeigerifchen ©eroerffdjafien, 
Arbeiterfefrctär ©reulid), fanb Gelegenheit, bei einem gu ©hren bcS 
ÄongreffeS non ben granffurter (fernerffcbaften oeranftalteten 
Kommers bie geftrebe gu halten, in ber er auch gegen bie Dach* 
läffigfeit unb Sicherlich feit mancher Arbeiterfreife gu gelbe gog. 
©er Vertreter ber öfterrei<hif<hen ©eroerffchaften, £>ueber*38ien, legte 
bem Äongrefe bie Untcrftiifeung ber roegen bes 3 e h”fiwnbeutagS 
ftreifenben 12 000 Brunner ©ejtilarbeiter ans £>erg unb batte autb 
©rfolg, benn ber Äongrefe beroiüigte gum BemeiS ber internationalen 
6olibarität für bie 0treifenben 25 000 t //. (5 4 für bas Btitglieb 
ber auf bem Äongrefe oertretenen ©emerffchaften), roelcbe 0umme 
bereits an baS Brunner 0treiffomite gur Befchaffuug uon SebenS* 
mittein übermittelt morben ift. Bttt bem Äongrefe mar auch eine 
AuSftellung oon BerroaltungSmaterial ber ©eroerffchaften (Ab* 
rechnungSformulare, £egitimattonSpapiere, Staffen* unb (Statuten* 
büdjer, gragebogen, fiohntarife, ^rotofolle, fd)ioarge fiiften ber 
Unternehmer :c.) oerbunbett, bie fchliefelid) bem granffurter Arbeiter* 
fefretariat übermiefen mürbe. 

3n ber 0d)luferebe bab ber Borfifeenbe Bömelburg h^roor, bie 
beutfdjen ©eroerffchaften feien groar unpolitifcb, aber ihre Btitglieber 
feien faft ausnahmslos Sogialbeniofraten. 3n einem früheren 
0tabium ber Berhanblungen batte Regien fdjon bemerft, bafe bie 
©eroerffchaften als folcbe nid)t fogialbemofratifd) feien, ba fie 
alle Arbeiter aufnäbmen, ohne Unterf<bicb beS ©laubens unb ber 
Sßolitif. 3n granffurt haben fid) bie ©eroerffchaften aflerbingS 
nur als ArbeiterberufSoereine gegeben. Alle S3efrf>Iüffe bezogen ficb 
auf bie Mittel gur roirtbfcbaftlitben unb geifiigen Hebung beS 
ArbeiterftanbeS. ©ie Berhanblungen finb ftenographifd) aufge* 
nommen morben; ihr griittblicbeS Stubium fann gar nicht bringenb 
genug all benen empfohlen merben, bie fi<b über bie 0trömungen 
in ber ©tite ber beutfeben Arbeiterfchaft unterrichten roollen. ©er 
granffurter Äongrefe unb bie lebten fogialpolitifdben ©ebatten beS 
Reichstages ergänzen fid): 3n beiben ftanb im Biittelpunft ber ©r* ! 
örterungen bie ©leichberedjtigung ber Arbeiter! I 


JUlgettteltte Sozial- unb ttlrtJjfdjaftejJoltUh. 


Betfjeiltguttg ©ttttfrfjlattbs an ber internationalen Bereinigung 
gut görbemng beS ArbeiterfdjubeS. ©S liegt uns eine grofee An* 
gabl 3 u f^ r 'ften oon Herren oor, bie gu ber Arbeiterfd)ufefonfereng 
am 3. ÜLRai in Berlin eingelaben, aber am ©rfdjeinen uerbinbert 
roaren. Btit bem ^lane felbft befunben biefe3ufd)riftcn burchroeg 
oolleS ©inoerftänbnife. Äarbinal Äopp* Breslau fdjreibt: „3<h 
halte bie prioate internationale Bereinigung für ben Arbeiterfchufe 
für baS gur 3 c ü eingig mögliche Biittel, um rücfläufigcn Be* 
ftrebungen entgegengumirfen unb bie fogiale ©efefegebuna auf 
einem ruhigen, aber fortfefereitenben ©anae gu erhalten. 3<$ trete 
ber Bereinigung bajjer mit greuben bei." Oberbüraermeifter 
Dr. ©afeuer*Bcaing erflärt fein oolleS ©inoerftänbnife. Beigeorb* 
neter grljr. o. b. ©olfe*6trafeburg bringt ben Begebungen baS 
lebbaftefte 3«tereffe entgegen. 0tabtratb Dr. glef<h*granffurt 
a. Bi. hält bie ©rridjtung ber Bereinigung für febr etftrebenS* 
mertb. Dberbürgermeifter 2Bagner*Ulm bebauert lebhaft, megen 
beruflicher Berbinberung nicht ber Äonfereng beimobnen gu fönnen. 
Äommergienratb 0d^mibmer*9iürnberg, ©ebeimratb o. Biaffom* 
fßotsbam erflären ihre Betbeiligung, ebenfo treten bei bie ^ßro* 
fefforen 0 er in g* Berlin, Brentano, ßofe unb o. Biapr*3)iünd)en, 
§Ratbgen*3Karburg, guchS unb o. 0d)ulge*©äoernife*grei* 
bürg i. B., Biaj* s feeber*|)eibelberg, 9ieumann«Tübingen, ©e* 
beimratb (Sobnu^eipgig, in beffen Brief es b^ifet: «©er 0ad)e 
bringe ich natürlich bie gröfete 0pmpathie entgegen!" — ©ie 
fogialbemofratifcbe graftion bat am 10. b. Bits, nochmals bie 


grage, ob eingelne ihrer Biitglieber, an bie ©inlabungen ergingen, 
[ich an ber Bereinigung beteiligen follten, beratben, ift aber auf 
ihrem ablebnenbcn Befdjlufe befteben geblieben. 0b bie Herren mit 
ihrem Berbalten ben 3«tereffen ber 3nbuftrie*Arbeiter, für beren 
0<bub bie internationale Bereinigung eintreten roiH, mirflich 
bienen, überlaffen mir bem Urteile ber öffentlichen Bieiuung. 

©er <$dangctifd)'6ogtale Äongrefe tagt oom 24.-26. Biai in 
Äiel. ©aS erfte Referat bat fßröfeffor Dr. Äaftan*Berlin über* 
nommen; er fteflt gu feinem Sbema ,,©aS Berbältuife ber Iutbe* 
rifchen Äird)e gur fogialen grage" folgenbe ©beffn auf: 

1. ©te lutf)crifrf)e Äircfec mcift ben unmittelbar firdjlidjen Organen 
feine birefte flVitmirfnng im fogialen nnb mirtbfdiaftlichen Öcbcn gu, 
meil fie anbere (meltliche) Organe be§ (hriftlirfjen BolfsförperS als bie 
oon ©ott hierfür berufenen anfiehi unb bereu ©tenfi an unb für fi^ 
als ©otteSbienft unb Üebensfunftion ber Sfirdjc oerftanben miffen miü. 

2. ©iefe Stellung ber lutherifdjen Stirche gu ben fogialen fragen 
unb Aufgaben ift mit innerer 9?otljiocubigfeit aus ber Deformation 
SutherS heroorgegangen unb mufe als ein pringipieller gortfd^ritt 
in ber firdjlidjcn ScbcnSorbnung ber proteftantifdjeu Bölfer eradjtet 
merben. 

3. ©ie Iutherifdje SHrdje foü unbeirrt an ihrer mistigen ©rfenntuife 
fefthalten, foD aber nidjt oerfennen, bafe bie fogiale Bewegung ber 
©egemoart mit bem ©runbgebanfen beS ©oangeüumS unb ber Defor* 
mation Luthers inuerlid) gujamntenhängt, unb fie baljer bie ^flidjt hat, 
in Sßrebigt unb Bolfscrgiehung eine nad) biefen djriftlicben ©ebanfen 
bemeffeue Sogialreforui gu befürworten unb gu förbem. 

gabrifbefifeer Heinrich greefe*Berlin fprid)t über baS fon* 
ftitutionelle Spftem im gabrifbetriebe; er wirb ber Berfammlung 
feine Seitfäfee oorlegen. ©aS britte Beferat liber „©anblungen beS 
BilbungSibealS in ihrem 3«faiamenbange mit ber fogialen ©nt* 
micfelung" bat ^rofeffor l)r. $aulfen«Berlin übernommen; er 
gelangt gu folgenben ©b e f en: 

1. ©aS herrfdjenbe ©rgiehungSibeal einer 3?it ift abhängig oon ber 
Äonftitution ber ©cfellfchaft. Beränberungen im ©rgiefjungsibeal finb 
golgeerfdjcinungen oon feaublungen im ©efellfchaftsieben. 

2. ©aS ©rgiehungsibeal feber 3 cl t fpiegelt baS Bilb meufdj* 
lieber Bollfommenheit, bas in ben führenben ©efellfdjaftsfcbidjtcn 
berrf^enb ift. 

8. ©ie Bilbung ber führenben ©efelifd)aftsfd)id)ten hat ftets bie 
©enbeng, gu ben unteren Sdjid)teil burd)gubringcu burd) bemufete ©hätig= 
feit unb uubcwufete Dadjahmung. 

4. 3Ber in ber (Sutwicfelung aller Bolfsgenoffen gu freier fittlicher 
^erfönlidjfeit bas Bilbungsibeal unfereS BolteS fiefjt, b. h mer nidjt 
bie 0flaoerci für bie im ©ruube ftets nothwenbige ©efellfdjaftSorbnung 
hält, ber fann jener natürlichen ©enbeng (ber ©urdjbringung bcS gangen 
BolfeS mit ber gei[tig*fittlid)en Bilbung feiner führenben 6d)id)tcn) 
nicht wehren wollen. 

5. 38er bie 9J?acht unb Selbftburchfefeung beS beutfehen BolfeS 
unter ben Bölfern ber ©rbe will, ber mufe bie Hebung ber geiftigeu 
unb ftttlid)en Strafte aüer ©lieber beS BolfeS fid) gum giele fepen. 

6. ©ie fogiale <vrage ift, oom ©efidjtspunft ber Selbfterhaltung ber 
Station gefchen, gleidjbebeutenb mit ber Brage: wie ift unter ben mehr 
unb mehr fid) oeränberuben Sebensbebinguügen bes BolfeS ber gamilie 
bie gähigfeit gur ©rgichuug eines tüchtigen DachwudjfeS gu erhalten, 
unb wie ift ber uuoermeiblidie Ausfall bnreh gefteigertc ©hätigfeit beS 
Staates unb ber ©efelifdjaft gu erfepen? 

Aufeer ben Blenaroerhanblungen werben nodh gmet 0pegial* 
fonferengen ftattfinben: 1. ©ie bisherigen ©rgebniffe beS grauen* 
ftubiumS in ©eutfdjlanb unb feine oorausfithtlidje ©ntmicfelung; 
Deferent gräulein Dr. Ääthe 3öinbfcheib*ßeipgig, 2. Borfchläge 
gur Deubelebung ber ©oangelifd)*fogialen Äonfereng in 0chleswig* 
$olftcin; Deferent ^aftor 3. Äähler*0teliau. 

©in lÜort gur Bertbetbigung. Obwohl mir bie oon Brof. 
0ombart*BreSlau angeregte ©rörterung gefdjloffen haben, fönnen 
mir nicht umhin, noch folgenber 3uf<hrift Baum gu geben, ba fie 
einer rein perfönlidjen Abroefer gilt: 

©er f)err Äollege 0ombart mibmet in bem Auffafe „©yport 
unb Äultur" in Dr. 31 ber „0ogialen oom 4. b. BttS. 

meinem Auffafe in Dr. 89 ber Beilaae gur „Allgemeinen 3eüang" 
oom 19. April b. 3^- //2)ie beutfehe ^anbmirthfehaft unb bie 
BerufSftatiftif oon 1895" eine eingeljenbe gufenote. 3« einer De* 
baftionSbemerfung gu bem Auffafee oon 0ombart erflären 0ie 
bie ©rörterung über baS fragliche ©h ema für gefdjloffen. 3d) habe 
hiergegen nichts einguroenben, ba 0oinbart bei ben in her genannten 
Dote gegen mich gerichteten Angriffen auf eine ©ingelmi’berlcgung 
meiner „gahllofeu 3orthümer" nicht eingeht, fold)e oielmehr oief* 
leicht fpäter einmal bei befferer ©elegeuljeit gu bringen in Ansicht 
[teilt. Äann id) hi ern ad) aus äufeeren unb inneren (^riinbcii hier¬ 
in eine ©rörterung mit Sombart nid>t eintreten, fo habe id) bod) 
baS Decht unb bie Bflid)t, in aller Äiirgc bie geehrten i'efer ber 
„0ogialen B^afiS" auf eine raefeutlidje Auslafiung hia^imeifen, 




895 


Sogtale $rojt§. ©entralblatt für Sogialpolitif. Rr. 88. 


896 


roelcße meinem geehrten ©egner gur Saft fällt. Bäßrenb er meine 
„Scßroargtnalerei, bie an büfterer Stimmung faft nocß bie Manien 
OlbenbergS übertrifft/' bem Sefer oorfüßrt, ermähnt er mit feinem 
Bort, baß jene« eytreme Bilb beS BerfattS auSbrücflic^ nur für 
bie Stonjunftur entroorfen ift, „baß alle lanbroirt^fdjaftlidhen Ißro* 
bufte billiger oom AuSlanb bezogen roerben fönnten." Sür biefeit 
Satt fann in ber &ßat ber 3uftanb, ben bie „reinen Beltroirtß* 
fcßaftler" herbeiführen mürben," nicht büfter genug gefcßilbert 
roerben. S)aß ich aber nicht nur liefen ejtremen Satt, fonbern 
auch ben ©intritt nur partieller ©rfeßeinungen ber in Srage faßen* 
ben Art Berührt unb bemgemäß — um SombartS AttSbrucf an* 
guroenben — meine „Scßroargtnalerei" abgefchroächt habe, fagt 
Sombart 3ß*en öefern auch nicht. 3<ß halte mich nicht für be* 
rechtiqt, in biefer referirenben Uebertreibung Sombarts einen „Stich 
ins $omifcße" gu finben; bagu ift hoch überhaupt bie gange Srage 
gu ernfter Ratur. Sombart möge mir es aber nicht oerübein, 
menn feine AngriffSroeife mich auf naeßfteßenbe ©ebanfenfolge 
bringt. Man fagt geroößnliiß: Bkr feßimpft, hat Unrecht; ich 
möchte biefen Spruch bahin erroeitern, baß berjenige, melier fieß 
nur bamit befcßäftigt gu oerßöhnen, ohne gu miberlegen, fuß auch 
ins Unrecht oerfeßt — jebenfaflS fo lange, bis er bie oerfprochenen 
Biberlegungen bringt. $)aS mirb ja §err Sombart nach feiner 
Mitteilung oietteicht thun — auf Bieberfeßen alfo bei ^h^PPi’- 

Müncßen. ©eorg o. Mapr. 

$te ArbeitSgcitung brS öftcrrcicßiffßen Arbeitsamtes. 2>aS 

arbeitsftatiftifche Amt im öfterreießifeßen ^anbelSminifterium hat 
bie inbuftrietten Berbänbe oerfiänbigt, baß eS beabfießtigt, eine 
Monatsfdjrift, betitelt „Sogiale Rmtbfcßau", in äßnlidjer Beife, 
mie bieS feitenS ber in anberen Staaten (©nglanb, Sranfreicß, 
Belgien) befteßenben Arbeitsämter gefchieht, in Salbe ßerauSgugeben 
unb (faxan bie ©inlabung gur Mitarbeiterfchaft befonberS bureß 
regelmäßige Bericßterftattung über bie ßage beS ArbeitSmarfteS 
gefnüpft. $)em oon biefem Amte feftgeftettten Programme gemäß 
fott bie „Sogiale Runbfcßau" SoIgenbeS enthalten: 

1. Berichte über ben Arbeitemarft. ^iefelben roerben für ben 
jeweiligen Vormonat eine $arfteßung ber Sdjroanfungeit unb 
Beränberungeu in ber Befcßäftignng ber ArbeitSfräfte bieten, 
unb gmar: 

a) nadj Jnbuftriebe^irfen; 

b) nach ©eroerbebraneßen; 

c) eoeutuell nach einem gemilchten Spftcmc. 

2. ©rgcbnijfe ber ArbcitSoermittelung; 

3. Monatsberichte über Reränbenmgen in ber Lohnhöhe unb 
Arbeitzeit; 

4. Monatsberichte über Streifs unb Ausfperrungen; 

5. Rechtspflege in Arbeitsftreüigfeiten unb uermanbten fragen; 

6. Sogialpolitif. 3 U biefem Abfdinittc merben Mittheilungen 
erfolgen über bas Affogiationsroefen ber Unternehmer unb 
Arbeiter, insbefonbere auß über bie (Intmidelung ber ©rrocrbS* 
unb trth|rf)aftsgcnoffen i d)aften, fogialpolitifdje Refdjli’iffe oon 
Unternehmern unb Arbetteroereinigungen unb Mongreffeu, 
Bohlfabrtgriiirtdjtungcu, bie (irgebniffe unb ^ortfdiritte ber 
Arbciterocrfid)crung unb berglcidjen mehr; 

7. fogiale ©ejeßgebung unb Berroaltung; 

8. Arbcitsftatiftifdjcs Amt. 

3n einem fpegietten Abfchnitt fotten bie oben begeichneten Ser« 
hältniffe ber übrigen Staaten in fnappfter Sfiirge befproeßen roerben. 
$er leßte Abfchnitt mirb ber fogialroiffenfcßaftlicßen Bibliographie 
geroibmet fein. 3)er BerfaufSpreiS einer Rümmer fott 10 Sfreuger, 
ber 3aß*eSabonnementSpreiS i ©ulben nießt überfteigen. 

So^alßotttifdje Debatten in ber fraitgöfifcßets $eputirfenfammer. 

Mit Beginn ihrer Sommertagung trat bie SDeputirtenfammer fofort 
in bie Beratung fogialpolitifcßer ©egenftäube ein. Auf ber £aaeS* 
orbnuug ftanb gunächft ein Antrag ©autßier auf meitere Ber* 
feßiebung ber Ausführung ber geroerblicßen Unfalloerficße* 
rung auf 1. 3anuar 1900, um einerfeitS bie Reoifion einiger 
mangelhafter Beftimmungen beS ©efeßeS oorneßmen gu fönnen 
unb anbererfeits ben Unternehmern 3*it gu laffen, bie genoffen* 
fcßaftlicßen Organifationen gu bilben. 3 U reoibiren finb nament* 
ließ bie im Artifel 3 beS ©efeßeS firirten Rentenanfpriicße ber Ber* 
unglüeften ober bereit ©rben. Sm 2:obeSfalIe ermäßigen fid) bie 
bem Unternehmer aufcrlegten (Sntfchäbigungen feßr bebeutenb, memt 
nur auffteigenbe ©rben oorßanben finb, mobureß bie Arbeitgeber 
bireft oeranlaßt merben, möglichst nur Unoerßeirathete gu bcfdjäf* 
tigert. Ungefähr biefelben Bortßeile erroaeßfen betn Unternehmer 
aus ber Befcßäftigung frember Arbeiter. 2)ie prioaten Berficße* 
rungSgefellfcßaften hatten aüerbingS fd)on erflärt, baß fie gur 
gleichen B^Ömie auch baS Rififo für bie oerßeiratßeten Arbeiter 
übernehmen, liefern Mangel beS ©efeßeS hatte aueß ein feßon 


friißer oott Mirman eingebraeßtes Antenbement abßelfen motten. 
®ie Debatten führten nur gur Bermeifung beS Antrages in bie 
$ommiffion. 3ünnterhin mies ber §anbelSminifter jebe Bertagung 
beS AuSführititgStermineS gurücf unb oerfpraeß eine Reorganifation 
ber ftaatlidjcn freien Unfattrentettfaffe, um fie in breiterem Majje 
für bie Berficßerung ber flehten Betriebe oerroertßbar gu maeßen. 
— ®ie ©eneralbebatte über bie Borlage gur Regelung ber 
ArbeitSbebinaungen in ben öffentlichen Arbeiten ift noeß 
nicht beenbet. Sie entfpann fid) ßauptfäcßlith greifeßen Sogialiften 
unb ben Bertretern beS ftarren ßiberaliSmuS, bie jebe ©inmifeßung 
in bie ArbeitSfontrafte ber Unternehmer abtebnen. ®en Stanb* 
punft ber Unternehmer oertrat mit befonberer Scßärfe ber $)eputirte 
oon ^5ariS, StaniSlaS*S«ranb, Herausgeber eines forperatipen 
Organes ber ^arifer Bauunternehmer. $)ie Debatte feßt fieß 
nädjfte Sßocße fort. 


$03tale 3 n(tänbr. 


$ie Banbreirferei in nnb nm Sdjtoelm- 
II. 

2)ie Girier erhalten Stücflößne; biefe roecßfeln je naeß Artifeln 
in ber Seife, baß bie £ößne um fo ßößer finb, je größer bie 3*it 
ift, bie in Solge ber S^ftigfeit unb Scßroierigfeit beS ©emebeS gu 
feiner .^crftellung erforberlitß ift. Bielfacß finb eS bie fleinen 
Banbroirfermeifter, bie auf ©runb ißrer ©efcßiif ließ feit bie fom* 
pligirteren Arbeiten übernehmen. Mit Mobearbeiten, namentlich 
mit ber Ramenmeberei, oerbienen eingelne Banbroirfer in ber Saifon 
bis gu 60 JL möchentlicß. 2)aS finb aber, menigftenS in unb um 
Scßmelm, nur Ausnahmen. 

3m Allgemeinen beroegt fteß ber Berbienft ber ßoßnarbeiter 
bei elfftünbiger ArbeitSgeit gmifeßett 22 bis 30 Jt. 2)er Refto* 
oerbienft ber HauSgeroerbetreibenben ftettt fieß bei gleicher ArbeitS* 
geit etroaS niebriger. Bon einem S)urd)f<ßnitts* s BodhenDerbien5t 
bis gu 25 , ff. geßen hier noeß 3 bis 3,so c 41-* bie Bocßc für 
Raum unb Straft ab. 

©troaS fcßlecßter als bie Birfer ftehen fieß bie Scßeerer mit 
einem ^)urcßfcßnittS*Bothenoerbienft oon 20 bis 21 Marf bei elf¬ 
ftünbiger ArbeitSgeit. £)aS Scßeeren ift auSfcßließlicß Männer* 
arbeit. 5)ie Sabrifattteit laffen eS bureßroeg im eigenen Betriebe 
beforgen. ^)ie HauSgemerbetreibenben feßeeren entroeber felbft ober 
befcßäftigen ißrerfeits Sßeerer. 

3um Spulen, H fl fpcln unb fonftigen ergängenben Sßätigfeiten 
roerben Srauen unb Stinber oerroanbt. 3n Sabrifen roerben Sinber 
faft gar nießt befßäftigt. Soroeit baS Spulen im Betriebe erfolgt, 
gefeßießt eS burch Arbeiterinnen oon 16 3aßren att. ®ie in ber 
Sabrif befcßäftigten Spulerinnen erßalten tßeils Bocßen*, tßeils 
Afforblößne, im Bocßenloßn oerbienen fie oon 10 bis 12 c /ft, im 
Afforb unter Umftänben bis gu 15 Jl. 2)er ^urcßfcßnittSoerbienft 
ift 10 JL 2)ie Hafplerinnen oerbienen im Bocßenloßn 8 bis 9 <1L t 
im Afforb bis gu 10 JL. Obgleich ben Männern nad) AuSfagen 
ber Sabrifanten gu biefen Arbeiten bie ßanblicße ©efdjicfli^feit 
feßlt, fo baß bie Srauen ßiergu nießt lebiglicß auf ©runb ißrer 
Bittigfeit genommen roerben, ift ein Steigen ber £ößne oorerft 
burtß bie große 3 a ßl ber im Rebenerroerb arbeitenben Spulerinnen 
auSgefcßloffen. 2)ie £ößne ber H^itaarbeiterinnen roerbett itt 3*>lge 
beS ftarfen Angebots fogar noeß fortroäßrenb weiter ßerabgebrücft, 
troßbetn fie, rote ber Sfaffenfüßrer einer alten, oorroiegenb ßauS* 
inbuftriell probugirenben Sirma bemerfte, bereits fo fnapp finb, 
baß „faft nichts meßr abgugießen ift". ©s ßanbelt fieß hier um 
Bocßenoerbienfte oon 3 bis 10 JL für Spulen, oon 2,: l0 bis 4,' 0 JL 
für Hafpeln. 2)aS finb natürlich Arbeiten, bie naeß Berricßtung 
ber bäuSli<ßen aber länblicßen ©efdjäfte oft bis tief in bie Racßt 
hinein oott Srauen unb Stinbern gefeßehen. ©ie Hafolerintten in 
ben Heimen fittb meift alte Srauen. 2>ie jüngeren Arbeitsfräfte 
roenbett fuß bem etroaS einträglicheren Spulen gu. 2)abur<ß finb 
bic Sabrifanten, obrooßl fie es oorgießett, bie Hafpdarbeiten ans* 
gugeben, meßr unb nteßr genötßigt, fieß eigene Hafplerinnen im 
Betriebe ßerangugießen. Aber aueß baS Spulen geßt guneßmenb 
in bie Sabrif unb Mietßsfabrif über, rocil es bort mit Berroenbung 
mecßanifd;er ilraft gefeßehen fantt. Snnnerhin haben roir eS ßier 
noeß mit einer ftarfen uttb feßr bebenflicße ©rfeßeinungen geitigenben 
Sorm ber Heimarbeit gu thun. 

SDic burdjfcßnittlidje ArbeitSgeit in ben Sabrifen ift bie beS 
§.137 beS Titels VII ber ©eroerbeorbnung. llebergeit fommt 
feiten oor, boeß erßalten bie Hafplerinnen naeß Scßluß ber Sabrif 
Arbeit mit naeß Haufe. 3n ben MietßSfabrifen roirb im Sommer 



897 


© 05 tole ^raftS. ©entralblött für ©ojialpoiitif. 92r. 33. 


898 


ooti 6 bis 8, im SSinier oon 7 Bis 9, in her Siegel mit anberthalb* 
ftüitbiger $aufe, ©onnabenbs Bis 7 Ufjr gearbeitet. 

UeBer eine Slorrn BinfitBtlid) ber 33eauffi<htigung fonnte idf) 
nichts in ©rfahrung Bringen. gn aßen großen ShethSfabrifen 
Bangen bie Sorfchriften ber ©emerbeorbnmtg auS; in ben Heineren 
fehlen fie. ©ofern bie ©efeBgebung SJtietBsbetriebe überhaupt ein*» 
Begreift, müßten inbeß auch biefe Heineren 511 ©ewerbssmeefen her* 
geliehenen Släumlichfeiten mit 5, 6 unb meBr Sanbftühlen, felbft 
wenn fie nid&t als gabrifen gelten, bo<h als SBerfftätten mit 
Dampfbetrieb ben §§. 135 bis 139 b in ber gaffuncj ber ©emerbe* 
Drbnung oor 1891 unterfteBen, bie menigftenS bie jugenblicBen 
Arbeiter fcf)üBt. Die SSißfür ber gefeBlidjen ©inbesiehung erflärt 
ficB sum DBeil barauS, baß biefe fleinen SäethSbampfbetriebe in 
abgelegenen ©egenben roie Sßil^e aus ber ©rbe fc^ieften unb be* 
fonberS oben auf ben Sergen bie SanbftüBle ber ringsum oer* 
ftreuten §utten allmählich auffaugen. 

SöaBrenb nach AuSfage ber gabrifanten in ben gabrifen bie 
OrtSpoligei feBr fcharf aufpaßt, fümmert fie fid) aucB in benjenigen 
SlietBSfabrifen, bie gefeßlich einbegogen finb, Bo<hftenS um bie ©in** 
friebuna einseiner SJlafchinentBeile. Der SermietBer roirb jroar 
nominell mit bafur oerantmortlid) gemacBt, ftrafpflid)tig ift aber 
im UnterlaffungSfaße nur ber Sefißer. Son einer burcBgreifenben 
Seaufficf)tigung fann ittbeß in feiner Skife bie Siebe fein; feBr 
häufig feBlt es an ben elementarften ©chußoorrichtungen. 

SiocB weit weniger als bie UnfaßoerBiitungS * SSorfdjriften 
merben bie grauen* unb $inberfdf)ußgefeße tn ben SBiethSfabrifen 
beobachtet, gn gaBIreitBen gäflen faB ich Bort 9-, 10 * unb 11 jährige 
Sfinber beim ©pulen. „SBenn nun bie Sßoli^ei fornrnt?" fragte ich 
einen alten Sanbwirfer, auf bie auShängenben SaragrapBen ber 
©eroerbeorbnung meifenb. „Da fagt man, bie $inber finb bloß 
SU SefucB ba. ©teBlen barf man, aber fid) nicht friegen Iaffen." 
Aehnliche Aeußerungen mürben mir oielfacB gemacBt. Die Seute 
fmb ooßftänbig arglos unb überseugt, nur einer gang überflüffigen 
Solisei*©Bifane auS 3 umei<hen. ©S liegt baS in ber ArbeitSmeife 
felbft. gaft nocB meBr als früher im eigenen §eim fpricf)t in ber 
SßietBSfabrif bie $iilfe oon grauen unb Sfinbern mit. Der ©e* 
roinn beruBt ja in ber AuSnußung jeber freien Minute, fcBon um 
bie SßietBe BerauSsufchlagen. Steinet man ferner bie 3eii, bie ber 
HauSgewerbetreibenbe für baS ©cBeeren, ©pulen unb Hafpeln oer* 
menbeit muß, ober bie Hnfoften, bie iBm barauS erroacBfen, fo 
fteßt fuB für iBn baS SerBältniß oon ArbeitSseit unb ©ntgelt oer* 
glichen mit bem für ben ßoBnarbeiter im SBefentlidjen feBr un* 
günftig. ©elbft wenn bie Slafchine, foroeit es 00 m Sanbwirfer 
abBängt, oon Borgens 6 bis AbenbS 8 Uhr nicht eine SKinute ftiß 
fteBt, fo fomnten hoch in golge mangelnber Aufträge 3«iten beS 
gesroungenen ©tißftanbes, mäBrenb bie SKiethe für Slaum unb Sfraft 
weiter gebt. 

S2a<B AuSfagen oon gabrifanten unb Arbeitern bleibt ein 
überwiegenber DBeil ber HauSinbuftrießen nur aus einem gemiffen 
Dünfel bei ber ©elbftftänbigfeit. Slehr unb meBr neBmen benn 
auch bie fleinen Unternehmer ab. gunge Arbeiter laufen fich, auch 
wenn fie BeiratBen, feBr feiten meBr einen SanbftuBl. Siele ber 
alten Seute müffen ihre ©tiihle außer Setrieb feßen, weil ihre 
©röße nicht meBr genügt ober fte fonft unbrauchbar werben. Auch 
Swingen zahlreiche SliethSherren bie bei iBnen Staunt unb $raft 
nußenben Sanbwirfer sum Serfauf ber Stafcßine, weil fte bie 
SJtietBsfabrifen in ein eigenes Unternehmen ummanbeln .*) 

Das AßeS gilt inbeffen nicht für bie SSirfermeifter, bie mit 
einem, smei, brei unb mehr ©efeßen, oielfacB mit ©aS*, Sensin*, 
s #etroleum*S 2 otoren ober mit SBafferfraft arbeiten unb sum DBeil 
bie befferen Sanbforten weben. 

§>anbftühle werben nur nodf) oon alten Säuern in ber Um* 
gegenb ©d)weImS benußt, bie nicht in bie SJtiethSfabrif woßen, 
weil fte bie SBirferei währenb ber gelbarbeit beliebig ruhen iaffen. 

3ur Seranfd)auli<hung ber ©acljlage foßen Bier nod) bie An* 
gaben eines gabrifanten folgen, in beffen Setrieb fämmtliche 
UnterneBmerformen ber Sanbmirferei sufammenlaufen. Diefe gabrif 
Bat fich aus einem feit Sflitte beS oorigen gahrhunberts beftehenben 
SerlagShaufe entmiefeft. Sieben 30 fiohuarbeitern an 36 ©tühlen 
mit Dampfbetrieb arbeiten in ber gabrif 7 felbftftänbige Sanb* 
wirfer an eigenen, oon ©aSmotoren bewegten ©tühlen, bie bem 
gabrifanten für Slaum unb $raft 3,25 < K. wöchentlich s a W CT, r un B 
bie er als oon ihm befefjäftigte ^auSgewerbetreibenbe bezeichnet. 

*) 3 n ber lljat erfdietnen l)icr bie ä)?icil)Sfabrtfcn nur als eine 
Uebergattgefonn non ber ^auötnbitftrte sutn geschloffenen Setrieb, nidit 
wie fte manchmal amgefcftt werben ale 9)iittel 3111 ’ (Irbaltttng ber .s>au^* 
inbuftrie, wenn fie ibr and) seitweilig alv ©tii^e bienen. 


Drei berfelben beforgen gugleid) einen ber DampfftüBle unb ftnb 
fo an ber einen ©teße, um mich ber gang unb gäben Dermino* 
iogie s« bebienen, unabhängige §auSgewerbetreioenbe, an ber 
anberen abhängige ßohnarbeiter. SluBerbem arbeiten für ben ga* 
brifanten noch 20 ^auSinbuftrieße, beren ©tühle su* *&ülfte im 
eigenen §eim, sur ^älfte in SJiietBsfabrifen ftehen. gerner werben 
im Setrieb etwa 15 ©pulerinnen unb 7 §afpleriitnen, au&erhalb 
8 bis 10 ©pulerinnen unb etwa 18 §>afplerinnen befchäftigt. 

Die ©ewerffchaft Bot trofe lebhafter Agitation unter ben Sanb* 
wkfern in ©chwelm unb Umgegenb bisher noch nicht fonberlidf) 
feft Sßursel gefa&t. ©ine Heine 3ohl früher lofal*organifirter Sir* 
beiter ift feit acht gahren bem Dertiiarbeiteroerbanb beigetreten. 
3 eitweife sohlte er Bier 100 SKitalieoer, gegenwärtig ift ihre 3 oBl 
burch ben ooßftänbigen Slbfaß oer weiblichen Sßitglieber auf 45 
Berabgefunfen. 2llS bie Urfache beS SHicfgangS wirb eine SteiBe 
miBglücfter, waBrfcheinlich übereilter ©treifs angeführt, für bie bei 
ber großen Slnsahl unorganifirter Arbeiter unb Heimarbeiterinnen, 
bie sur SiotB einfpringen, feine SluSftcht auf ©ewinn war. 2lu<h 
treten bie Sanbwirferinnen in ber Siegel bei ihrer SerBeiratBung 
aus ber ©ewerffchaft aus. 

gm ©ansen Ttnb bie 3nftänbe burch bie Sereinigung oon 
Sßarseßenmirthfchaft unb gnbuftrie gänftige unb werben aud) oon 
ben giihrern ber ©ewerffchaft als relatio befriebigenb gefdjilbert. 
gn golge einer feit gahren anbauernb oortheilBoften Äonjunftur 
unb beS ©inbringenS beS mechanifchen Setriebs Baben fich bie 
SerBältniffe in ben leBten 30 gahren oon gaB^nt su gahrschnt 
gebeffert. ©benfo merfbar wie ber Uebergang oon ber Hau § 5 
inbuftrie sur gabrifarbeit, ben bie oielen rauchenben Kamine unb 
baS ©urren ber SHafchinen für Slugen unb 0B re ^ im ^§al unb 
auf ben Sergen aufbringlicf) genug befunben, foß bie ©rhöhung 
ber ©oloens unb bie Sefferung beS ©efunbheitSftanbeS ber Sanb» 
wirfer fein. Die früher feBr häufigen gäße oon ©elenferfranfungen 
Baben burch baS Serfdjwinben beS HanbftuhlS faft aufgehört. 
Öuch fonft ift es wefentlich ber fchneße ©ieg ber medhanifchen 
Driebfraft, ber fegenSreidh gewirft Bat. grüher nahm in Räumen, 
bie oielfad) zugleich als $üche, Söohn» unb ©chlafsimnter bienten, 
ben Hauptraum bie Slataue ein, beren SenuBung bie ©tube 
mit ©taub erfüßte. Die Sanbwirfer blieben Dag unb 9£a<ht 
bei ber Arbeit, ohne aus bem engen Slaum B erfl uS s u müffen. 
geBt Baben fte ben Steg sur gabrif ober StietBSfabrif Bin* 
unb BerswQeBen unb arbeiten felbft itt ben SJlietBSfabrifcn nicht 
mehr oiel über 12 ©tunben. gn golge ber befferen ©ntlohnung 
ift auch bie ©mährung eine beffere geworben.*) greilid) Baben 
günftige Umftänbe wefentlich basu beigetragen, ben Uebergang oon 
Heim* unb Hanbarbeit snm mechanifchen gabrifbetrieb su erleichtern. 
Die ©inführung ber SÄotoren Bat in ber Sanbmirferei bie alten 
Kräfte nicht wie anberSmo aus ber Arbeit geworfen, fonbern fie 
ihnen oiclmehr unenblich erleichtert. Sei $lnwenbung ber mecha* 
nifchett Äraft oerbient ber Sater fo oiel als früher bie ganse 
gamilie. Die oergröfeerte ^robuftionSgefchwinbigfeit fiel sufammen 
mit bem gefteigerten wirthfchaftlichen Sebarf, fo ba& fich bie ©nt* 
wicfelung ohne Sfrife ooßsiehen fonnte unb befonberS in ben lebten 
Sehn gahren bie gnbuftrie fogar saB^eithe Arbeiter aufnehmen 
mußte, bie ben früher aefteßten Slnfprüchen nicht genügt Batten. 
2lu<| bie SlrbeiterfchuB*©efeBgebung Bat feit 1891 burch bie Ser* 
fürsung ber Arbeitszeit, Sefd^ränfung ber Sfinberarbeit unb ©ani* 
ruttg, tn ben gabrifen wefentlich auf bie H e ^nng ber 3 nftänbe 
unter ben Sanbwirfem eingewirft. Slnbererfetts finb auf ihre Un* 
Sulänglichfeit snm grofeen DBeil bie oorhanbenen Slängel, bie un* 
aenügenöe Durchführung gefunbheitlicher Sorfchriften, bie fiänge 
ber Arbeitszeit, bie Ueberanftrengung oon grauen unb ^inbern in 
SliethSfabrifen unb Hinten snrücfsuführen. 

Serlin. H e ^ enc ®imon. 


Die Slrbeitsftattfttf unb bie gnbnftriefleu iu Defterreich. Das 

öfterreichifche arbeitsftatiftifche Slmt trifft umfaffenbe Sorbereitungen 
Su ©rhebungen über bie ßage ber Sergarbeiter im 0ftrau*far* 
winer Sleoiere. Die ©rhebungen foßen jebod) gans auSfchliefeUch 
bie Sergarbeiter betreffen, ohne bafe sngleich audt) bie ©yiftens^ 
bebingungen ber gewerblichen unb lanbm'trthfchaftlicben Arbeiter in 
Setracht gesogen würben, gn einer ^onferens zroifcfjen Sertretern 
ber ScrgwerfSbeftBer unb Delegirten beS arbeitsftatiftifd)en SltnteS 
oben erftere oerfd)iebene Anregungen, um bie Durchführung ber 
eoorftehenben ©rhebungen ben gegebenen Serhältniffen ansupaffen. 

*) 3d) oerbanle bie Angaben über ben oerbefferten ©cfunbbeit!?* 
Suftanb einem feit 1874 am Orte tfiatigcii, allgemein bodjijefduit'ten 
Arzte. 



899 


Soziale SßrajiS. Eentralblatt für Sozialpolitik 9h:. 38. 


»00 


Die Borfcpläge bcr Alontaninbuftriellen würben jebocp abgelepnt, 
worauf lief) bcr Eentraloerein ber öfterreiepifepen Bergwerfsbefiper 
veranlagt fap, in einer Sfunbgebitng an bas arbeitöftatiftifcf>e Amt 
leine AUtwirfnng bei ben Erhebungen abzulcpnen. 

Das Berggefep giebt glüeflieper BSeife bie $anbpabe bagu, 
bic Bergwerfsbefiper zu oerpalten, bem arbeitöftatiftifefjen Amte 
afle notpwenbige Unterftüpung bei feinen Erhebungen ju Ieiften. 
greiücp gilt bieö niept oon ben Arbeitgebern im Allgemeinen, unb 
es ift fepr bebauerlicp, bag fid) oon Anfang an ein ©egen fap 
Zwifdjen Unternehmern unb Arbeitsamt perauSzufteUen fc^eini. Die 
Arbeitsftatifti! in Defterreicp wirb noep auf eine ftärfere ©runb* 
läge zu fteflen fein, als fie ber BcrorbnungSwcg bot, auf bem 
baS Arbeitsamt ins Seben gerufen mürbe. 

Die ©laSpütte von Albt macht banf ber energifepen Unter* 
ftüpung bur<p bie franjöfifdje Arbeiterbeoölferung einige gort* 
fcfjritte. Der ©efcpäftSabfd)lug für baS 3up£ 1898 geigt eine 
merflicpe Befferung in ber ginanzlage unb fteflt einem Aftiobeftanb 
oon 723 944 grcS. ein Sßafftoum oon 259 990 grcS. gegenüber. 
3n bett Aftioen figurirt aüeibingS ein Borrath fertiger Saaren im 
Bkrtpc oon 131 252 grcS. An ßopnritcfftänbcn finb immer nod) 
40171 grcS. oorpanben, naepbem bie EntfcpäbigungSanfprüche oon 
acht an ber ©rünbutxg ber ©laSpiitte bcttjeiliaten unb fpäter aus* 
gefepiebenen Arbeitern aus ben eingelaufenen UnterftüpungSgelbern 
gebeeft mürben, welche fich auf ca. 20 000 grcS. beliefen. Die Be* 
triebSlcitung gebenft bie gabrifanlacjen um einen neuen ©laSofen 
ZU oergrögern, ba fepon im Berichtsjahre bic ^robuftion um 9 % 
unb ber Bcrfauf um mehr als 100 000 grcS. geftiegen mar. 


SUrbeitarbeitiegisttg. 

Bur ©rflnbuitg rf)ri glich er ©etoerfoeretite roirb in einem Slug* 
blatte, welches ber BolfSoerein für baS fatpolifcpe ®entfct)lanb 
über bie „Aotpwcnbigfeit unb Aufgaben ber chriftlidjen ©ewerf* 
oereitte" jüngft perauSqegeben pat, bringenb aufgeforbert. Die 
Drganifation wirb als baS natürliche Aecpt ber Arbeiter, als eine 
BfUcpt im eigenen Sntereffe beS Arbeiters unb als eine Bflüpl ber 
Arbeiter im Sntereffe beS allgemeinen BßopleS bezeichnet. 3n 
lepterer Beziehung peigt eS: 

„$n allen 2änbem fdiltcgen fid) bie Arbeiter ju Berbänben ju= 
famnten. 2iu Dcutfdjlanb ift bis oor kurzem bie ©ewerffchaftsbewcgung 
faft nusfrfjlieglirf) in ben Rauben ber Sozialbcmofrntie gemefen. Die 
chriftlidjen Arbeiter tonnen fid) bemgegeniiber in ber immer mefjr an* 
madjfcnben Arbeiterbewegung nur bann adjtunggebietenbeu (Hinflug oer* 
frfjaffeu unb igre Selbftgänbtgfeit magren, wenn fic fidj in dinglichen 
(Semerfoercinen orgauifiren. Damit banbelu fie in Ijofjem BZagc int 
^ntcreffc oon Staat unb ©efeflfepaft; benn eine ftarfe Drganifation ber 
cfjrifilicfjcii Arbeiter, bie nidit ben ftlaffenfanipf will, fonbern auf gefep* 
mäßigem Bobcn in georbneter Bkifc ntoglidjft eine tricblidje Ber* 
fiänbigimg unb Bereinbanmg mit ben Arbeitgebern fudjt, an bereu 
2pipc cpriftlidj unb patriotifrf) gejinnte Bfänuer geben, bie fidj ihrer 
Berautmortuug bemugt fmb unb ihren Einflug bahnt geltcnb machen, 
bag fehler unb Ausfdireitungcn uermieben werben, ift eine iinfcpapbarc 
Gewähr beS fo^ialcn ^rieben». Neuffen mir einmal mit ber 
Dhatiachc rechnen, bag Differenzen jwifdjeu Arbeitgeber unb Arbeitern 
halb hier halb ba ausbrcdien, bann ift es ein Echot ber Atlugheit, 
burch ben Ausbau gutgclcitetcr Drgamfatioucn zu oerhinberu, bagütiept 
ein regelloser unb gieilofer Stampf ausbridjt, bei beut aflgulcidjt Un* 
berufene bic Leitung in ihre £>anb bringen, um fie ocrberblidjen glätten 
bienftbar ju madjen." 

Es wirb nod; befonberS heroorgehoben, bag alle djriftlidj 
bettfenben Arbeiter, gieüpoiel toeldjer Sonfeffion ober welcher 
politifcheit fk angehören, fid) bie £>cinbe reidicn miigten, um i 

unter ftrenger Beifeitelaffntig aller fonfeffionellen unb j 
politifdjett Erörterungen gemeinfain bie Hebung ihres ! 
Staubes auf d)riftlid)em, gefepmägigem Bobcn zu förbern. B3o eS I 
Zur Bfit noch nicht möglich fei, djriftlicge Bcrufsoereine zn bilben, 1 
möchten bic Arbeiteroereine burch [yad)abtl)eiliingeu, fogiale Unter* | 
ricfjtsfurfe, Arbeiterfdjupfommiffionen :c. bie Dljätigfeit ber Berufs* j 
oereine vorläufig inöglidjft zu erfepen, guglcid) aber bie balbige i 
^rünburtg einer Crganifation burdj fogialpolitifdic Schulung ihrer ' 
Dtitglicber oorgiibcrcitcu fudjeu. Als Aufgaben bcr Crganifation | 
bezeichnet bas Flugblatt bic wirthfdjaftlidje, fittlidjc unb geiftige j 
Öebung ber Arbeiter. Es minie bie Drganifation befonberS für | 
Turd)* unb BJcitcrführung, fomie für Äusnüpiiug ber fogialeit 
(')e|epe eintreten unb gleichzeitig neben ber Jadibilbung für eine ] 
griinbliche Menutuig bcr fogiaicu t^efepgebung, furz fn r riue ; 
tüchtige fozialpolitildic Schulung forgeu unb für bie Biagl tiidjtiger, | 
chnftlicher Arbeiteroertreter in bie Bmminbe ber Mraufeitfaffeu unb | 


in bie ®emerbegerichte eintreten. D)er zu Bfmgften nach Afaing 
einberufene erfte Äoitgreg ber chriitlichen ©ewerffchaften 2)eutfd)- 
laubs foK fich befanntlich ebenfalls mit ben ©runbprützipien, 
Einrichtungen unb Aufgaben ber chriftlichen ©ewerffchaften bc* 
fchäftigen. 

Streifs in D)entfchlanb toährenb beS April. D)ie Streif* 
Bewegung hot eine groge AuSbehnung angenommen: 84 im April 
ausgebrochene Streifs ftehen 54 im 9Mrz gegenüber. 3m Bor* 
fahre zählten wir im nämlichen BRonat nur 74. D)ie ÖeBhaftigfeit 
biefer Bewegung ift, wie ber „ArbeitSmarft" betont, auf bie über* 
aus groge ©unft ber wirthfdjoftlichen Ä'onfuitftur zurüefzuführen, 
an ber auch bie Arbeiter mehr als bisher theilneljmen wollen. 
3m Baugewerbe oerzetchnen wir oerhältnigmägig bie meiften 
Streifs (38), hoch ift noch Btetall* unb Biafchinen*, fowie baS 
Xeytilgewerbe mit je 11 gälten oertreten. 2)ie grögten AuSftänbe 
waren bie ber Seber in 9teichenbadj in Schlefien, ber Bäcfer in 
München, ber Schuhmacher in Hamburg, ber SKaurer in Bremer* 
hauen, ber SRaler unb Dacfirer xn granffurt a. 9R.; neuerbingS 
noch ber BergarbeiterauSftanb in ^leinroffeln. S)ie meiften Streifs 
waren inbeffen oon geringer Bebeutung. 

^(utfeher Berbanfe faufmannifchcr Bereine. Aus bem uns 

oorliegenben 3ah rc§ t>ericht beS BerbanbeS, ber zur 3 c tt 97 Ber* 
eine mit 126 677 Btitgliebern utnfagt, erfehen wir, bag ber Ber* 
banb in einer Aeihe für ben £>anbelsftanb wichtiger gragen mit 
praftifdjen Borfdjlägen bei ben fompetenten Stellen h en) o r 9 e trcten 
ift. Unter Anberem würbe er wegen Abänberung ber B r üf un 9 s< 
orbnung für Einfährig=greiwiIIige zu ©unften ber für ben fauf* 
männifdjen Beruf wid)tigcren UnterrichtSgegenftänbe oorftellig unb 
forberte zur Befeitigung ber grogen Btigftänbe in ber praftifchen 
AuSbilbuna ber Dehrlinge bie nothwenbigften gefeplichen Anorb* 
nungeit. gerner ift er wegen Beftellung faufmännifeper iloitfurS* 
oerwaltcr mit ben beutfefjen §anbelsfammern erfolgreich tu 
Binbung getreten. D)ie oon ber Aooeüe bcr ©ewerbeorbnung be* 
aonnene Regelung ber Arbeitszeit im ^anbelSgcwerbe gab bem 
Berbanbe Beranlaffung, ben Achtuhrlabenfchlug, meitigftcnS aber 
eine elfftünbige Auhezeit bcr §anbIungSgehülfeit oom AcichStage 
Zu erbitten. Deptere würbe inzwifepen oon ber betreffenben Aeicps* 
tagSfommiffion auch angenommen. — Auf ber £ageSorbnung für 
bie bicSfährige $auptoerfammlung ftepen auger ber „Aooetle zur 
©ewerbeorbnung" a. A.: „D)ie Errichtung faufmännifdjer Scpiebs* 
geriepte", bie „Befreiung ber §anblungSgepülfen oom Suoalibitäts* 
unb AlterSoerficperungSzwange unb bie etwaige Errichtung einer 
befonberen BerficperungSfaffe für bie Angehörigen beS Kaufmanns* 
ftanbeS", „©eregelte Unterftüpung bei Stellenlofigfeit", „ber beutfepe 
^anbelSftanb in ben Berufs* unb ArbeitSlofenzäplungen", „bie 
Erweiterung ber Sonntagsruhe". 

Eilt BergartettcrauSftanb ift in ber lotpringifihen ^rioatgrube 
leinroffein ausgrbroepen, weil oter Arbeiter, bie ber ©rubenoer* 
waltung bie gorberungen ber Arbeiter übermittelt hatten, cntlnffen 
worben fmb. Die Arbeiter forbern in bcr fmuptfacije ©leidjftcüung 
mit ben gsfalifcgen Arbeitern im benachbarten Saarreoicr, alfo 
h Va-Stunbenfchidjt (fegt 10 Stunben), SKinbeftlopn oon 5 Jt. für$äuer, 
Bilbuna oon ArbeitcrauSfcpüffen, Schaffung oon Babeoorricptungen :c. 
Die Arbeiter fmb niept organifirt. 

D>ic 3*httfta«&enbctoegwng t» btr öfterreiditfdiett Deftiliniiftrie. 

Der Streif in bcr Briinner Deytilinbuftrie fepeint auep naep ben 
böpmifcpen gubuftriebezirfen übergreifen zu wollen; bie Aeicpen* 
berger Deftilarbeiter paben bereits ipre gorberungen formulirt unb 
ben Unternehmern oorgelegt. 

gn einem Auflage beS „Briinner Dagesboten" wirb ber gragc brr 
Arbeitsbauer in ben Sdjafwollwaarenfabriten Brünns näher getreten. 
BMr erfahren ba: Am Biontag beginnt bie Arbeit um 7 Uhr früh, au 
ben übrigen Dagen um 6 Uhr früh unb enbet, wobei oormittags eine 
mertrlftimbige grühftücfSpaiife imb mittags eine einftiinbige Auhepaufc 
begeht, um <j Ithr^abenbs, mit Ausnahme Samftags, wo jpätrfrrnS um 
i> Uhr, in nieten Jvabrifen fdjon um 4 Uhr, bic Arbeit beenbigt wirb. 
Die egcftiuc Arbeitsbauer Briiims beträgt bager 62 V 3 Stunben in bcr 
B?od)e, fo bag bie bnrchfdjnittlidje Dauer bes Arbeitstages nad) oben 
abgerunbet ln' V Stunben beträgt. Bkimgleid) in einzelnen Sdjafwoü* 
waarenfabrifen Defterreidis eine fiirzere ÄvbcitSbaucr im Durdjfcfjnittr 
begeht, fo wirb bod) in bcr weit iiberwiegeitben BZcgrzagl ber öfter* 
reiigifdieit Dertilbetriebc att bem gefeglicpen elfgitnbigcn Aortitalarbcits* 
tage reggegnlten, ber mir burd) bic JnihftücfSpaufc eine .Siitrzimg erfährt. 

Sn bett Unternegmerfreifen wirb bie Berfiirzung ber ArbeitS* 
Zeit au fid) nidjt fo fepr perporreSzirt als bie burep' fie bebingten 
unb mit erpeblicpcH ft'often nerbunbenen teepnifepen Aen*Einricp* 
tungen. Aamentlid) bie Briinner gnbuftrie ift teepnifep ftarf zurücf* 
geblieben, urtb bie gabrifanten z^pen bie lange Arbeitszeit ber An* 
fdjaffiiug tnoberner s .Wafd)inen oor. 



901 


Sogiale prajts. Eentralblati für Sogialpolitif. Nr. 33. 


902 


$er Streif ber bclgifdjen Sohlenbergtoerfarbeitcr. Aus B r ü f f e l 

roirb uns oom 13. b. 2RtS. getrieben: (Seit unferem lebten Be* 
ridE)t hat ber Streif im Norben unb ©üben beS Borinage unb im 
23edfen beS Zentrum eine abnehmenbe Xenbeng gegeigt, roährenb er 
in Eharleroi ein allgemeiner geBIieBen ift unb in ber Brooing 
ßüttich unb im mittleren Borinage nicht an Stärfe eingebüßt Bat. 
Nod) immer Befinbet fich etroa bie £>älfte fämmtlicher in ber belgi* 
feßen Sfohleninbuftrie befcßäftigten Arbeiter im Streif. SBir Baben 
fürglicB ben ©egenfaß auSeinanbergefeßt, ber groifchen bem ArbeitS* 
minifter Eoooeman unb ben güBrern ber Bergarbeiter über bie 
notBmalige Einberufung ber Conseils de Pindustrie et du travail 
beftanb. 3ngmif<hen mürbe auf einer in Eharleroi abgeBalienen 
Sfonfereng ber Federation nationale des Mineurs ber Befcßluß 
gefaxt, alle Sorberungen ber Negierung gugugefteBen, um bur<h 
eine erneute Berhanblung ber Sfonfeüs oicHeid|t ben Trieben herbei* 
xufiihren. 2)ie Arbeitermitgüeber ber oerfchiebenen lofalen Seftionen 
oeS Äonfeil (Abteilung 3Rinen) richteten alfo non Neuem, mie ber 
SRinifter eS geforbert Batte, an iBn baS ©efu<h um Berufung ber 
ÄonfeilS, inbem fie bie nerlangte Erflärung beifügten, baß fie oBne 
imperatioeS 3Ranbat fämen, unb baß fie ihrerfeits Sohnftatiftifen 
mitbrächten. darauf mürben burd) einen Erlaß im amtlichen 
„Boniteur" überall bort, roo non Arbeiterfeite baS ©efueß geftellt 
mar, bie lofalen Conseils de Pindustrie et du travail (Abteilung 
SDhnen) für einen ber £age groifchen bem 11. unb 14. 5Rai ein** 
berufen. ©leicßgeitig mürben Staatsbeamte mie ber ©ouoerneur 
non Süttid), ber ©eneralbireftor ber 5Rinen unb eine Angaßl non 
SDtineningenieuren nom SRinifter gur ^heilnahme an ben Berßanb* 
lunaen aufaeforbert. 2)ie XageSorbnung, bie in nichts iiberfeßritten 
roerben barf, lautet überall: fontrabiftorifcBe. Sßrüfung ber ßößne 
in ber ^oBleninbuftrie unb ber ßohnerhöhungSforberungen ber 
Arbeiter. Bis gur Stunbe finb erft menige Ergebniffe über Ber* 
Banblungen ber Sfonfeils befannt. 3n (S^atelet (Bedfen non 
Eharleroi) mar ber AuSgang ein oöllig negatioer, in Schleppe 
(Beden non fiütticß) mürbe roenigftenS für eine Angahl non ©ruben 
ein Kompromiß ergielt, inbem bie ©efedfehaft ^effaleS für iBre 
Söerfe eine. ßohnerhöhung non 5o/ 0 fofort unb meitere 5«/ 0 gum 
28. 5Rai genehmigte. $)ie SßiberftanbSfraft ber Streifenben ermeift 
fitB als eine ungleich gäBere als man auf allen Seiten anfänglich 
geglaubt Balte. 3 U NuBeftörungen ift es BiSBer nicht gefommen. 
©ang nereingelt Baben Attentate gegen folche Arbeiter, bie nicht am 
Streif theilneßmen, ftattgefunben, bo<h mar bie ©enbarmerie überall 
auSreichenb, um bie „ArbeitSroidigen" gu feßüßen. — Nach ben 
lebten Nachrichten geht ber AuSftanb feinem Enbe entgegen. 

$ie Eifenbahner&eüjegmtg tu gfranfreid), »on ber mir guleßt in 
in Nr. 30 Spalte 816 Beruhtet Baben, graoitirt gur $eit noch immer 
um bie grage ber Annäherung ber brei großen Eentralorganifa* 
tionen. 2)aS Syndicat national bisfutirt m feinem publigiftifcßett 
Organe bie ablehnenbe Antroort, bie ihm oom Kongreß Association 
amicale auf fein ©efuch um $erftedung einer Entente gu Xßeil 
geroorben mar. $>ie leßlgenannte Bereinigung Batte es übrigens 
für nötBig gefunben, in iBrem Organe ihre Ablehnung mit Morn» 
mentationen gu begleiten, bie oon ihrer früheren oerfönlicßen Stirn* 
tnung abroichen. Nacßbem fo bie formelle Entente gefefjeitert ift, 
giebt baS Nationalfpnbifat bie Hoffnung nicht auf unb langirt unter 
Scheinbarer Nefignation bie 3bee, anftatt ber folleftioen eine inbioi* 
buede gufion gu oodgießen, babureß baß eine Angahl SRitglieber 
ber einen Orgauifation gleichzeitig bie Niitgliebfdjaft bei ben anberen 
erroirbt unb fo eine bie offizielle Berfcßmeljung erleichtcrnbe ood* 
enbete ^Batfache gu fchaffen. 5)aS fuh m ben Annäherungs* 
Begebungen fehr referoirt Baltenbe Syndicat professionnel Bat 
biefer Xage ben präfibenten ber Nepublif gum Banfett feines 
3aßreSfongreffeS eingelabcn unb gufagenben Befd;eib erhalten. Es 
marfirt bamit noch immer baS abfolute gefthalten an feinem alten 
Programm, gu bem baS bisher auSgefprochene fogialiftifch s reoolu* 
tionäre Syndicat national hoch faum einlenfen fann troh feines 
beften SßiUenS. 

Bou beu euglifchen ©etoerfuereinen. $)aS Barlamentarifdje 
^omite beS ^rabe llnion^ongreffeS Bat am 11. 3Rai einftimmig 
befchloffen, feinem tiefen Bebauern AuSbrucf gu geben, ba& ber 
energifche, ftaatsmännifche Berfuch beS ^anbelSminifterS, ein Ber* 
föbnunaSamt gur Bermeibung oon ArbeitSftreitigfeiten eingufehen 
(ogl. „Sogiale BimjiS" Sp. 695), an bem BHberftanbe ber Arbeit* 
geber gefdjeilert ift. $)eS Weiteren tourbe mitgetheilt, bafe 23 Xrabe 
Unions mit 235 000 Btitgliebern bis fegt in ben gu Dfanchefter 
befchloffenen Nationalen Berbanb ber ©eroerfoereine eingetreten 
finb. darunter befinben fich bie SRafchinenarbeiter, bie Eifengiefrer, 
bie Spinner, bie ©aSarbeiter, mährenb bie Äeffelmacher unb 


3immerleute ebenfo mie ber mächtige Bergarbeiter*Berbanb fich 
fernhalten. S)er ©emerfoereinSoerbanb hält am 19. Sali einen 
©eneralrath in ßonbon ab. — $)er 3Rafchinenarbeiter*©emerf* 
oerein, ber 1897/98 ben gemaltigen £ampf bnrchgemacht Bat, blieft 
jefet auf ein ruhiges unb erfolgreiches ©efdjäftsjahr gurücf. 3)ie 
Sunben, bie jener Streif gefchlagen, finb geheilt. Alle bamalS 
aufgenommenen Anleihen finb bereits guriicfgegahlt. S)ie Einnahmen 
beS lefeten 3aBi*$ betrugen 9 Btillionen SDiarf, bie Ausgaben über 
8 SRidionen s JRarf, fo oah mit £)ingure<hnung früherer Waffen* 
beftänbe baS Bermögen beS BereinS jefet mehr als 4 s IRiKionen 
9Rarf beträgt. $)ie 3RitgliebergaBl am 31. 5)egember 1898 Belief 
fich auf 83654 unb ift feitbem ftänbig gemachfen. — $)ie EifenbaBn* 
arbeiter*Union Bat auf ihrer ©elegirtenoerfammlung in Dlbham fich 
für einen Achtftunbentag auSgefprothen. — $>ie ^rifiS im Bau* 
geroerbe, bie aus Anlaß ber Stucfarbeiter*AuSfperrung broht, ift 
noch nid)t befeüigt. $)ie Arbeitgeber ftnb fich aber nicht einig. 


ätbetterftyttfe. 

^ie ©emerbeanfftcht in gfrattfreidj 1897» 

^)ie Berichte ber ©eroerbeinfpeftoren gelangen in granfreich 
mit ziemlicher Berfpätung, menn nicht gur SertigfteHung, fo hoch 
gur öffentlichen ^enntnifc. ^er fummarifche Napport ber oberften 
AuffichtSfommiffion, in bem ein allgemeiner UeBerblicf über bie 
Ausführung ber Arbeiterf<hubgefefce, namentlich baS ftatiftifche 
dRaterial, gegeben mirb, ift groar regelmäßig fchon gegen Enbe 
beS auf baS Berichtsjahr folgenben 3aB*eS oollenbet; hoch oer* 
jögert fich bie ^Sublifation ber eigentlichen Snfpeftorenberichte Bis 
in bie erften SRonate beS groeiten SahreS, Bon einer BHebergabe 
beS ftatiftifchen 3Raterials, mie es im fummarifchen Rapporte ent* 
Balten ift, fehen mir ab, ba bie „Sogiale B ra £i 3 " int porigen 
Sahre einen betaillirten AuSgug für 1896 gebracht Bat (3aB* s 
gang VII Spalte 375 ff.) unb ba für 1897 teinerlei mefentliche 
Berfchiebungen eingetreten finb. Ermähnt muß immerhin merben, 
baß für baS in SRebe fteßenbe Berichtsjahr gum erften 5RaIe An* 
neye über bie Arbeiteroerbältniffe in ben Kriegs* unb SRarinearfe* 
nalen angehängt mürben. ^)ie Beröffentlichung ber ursprünglichen 
3nfpe!tionSberichte befchränft fi<h auf jene ber elf Oberinfpeftoreti; 
oon ben ^Rapporten ber auSfüßrenben AuffnhtSbeamten erhalten 
mir alfo nur auSgugSroeife ^enntniß, foroeit fie in ben 3 u fam* 
menftellungen ber ÖberinfpeftionSbegirJe citirt merben. Aus ber 
offigiellen Berichterftattung über bie ©emerbeaufficht läßt fich fo 
ein tieferer Einblid in bie^rayiS beS frangöfifchcn Arbeitend)ußeS, 
ben nur bie S)o!umente erfter Duelle eröffnen fönnen, faum ge* 
roinnen. ^er allgemeine Einbrucf bleibt, baß bie Uebermachung 
fid) in ber £>auptfache auf bie Anroenbung beS ©efeßeSbudjftabenS 
befchränft. Klagen über bie Schroierigfeiten, bie oon oielen 
Unternehmern bereitet roerben, §inroeife auf s )Rängel unb Süden 
in ber ©efeßgebung, Bilben bie ftets mieberfehrenben ©ebanfen. 
Bon ber Auffaffung beS Amtes im fogialen Sinne ift bei bem 
AuffidjtSperfonal roenig gu finben; bie Begiehuugen jur Arbeiter* 
beoölferung entmideln ftdh feiten über bie bienftlichen Berührungen 
hinaus; baS lebenbige Einbringen in baS Arbeiterbafein erftredt 
fich nur auf bie Beobachtung eingelner ejceptioneller Säße, roelcbe 
bie Mängel ber gefeßlid)cn Schußbeftimmungen beleuchten. 

^amit foH nun nicht gejagt fein, baß bie Snfpeftoren nicht 
innerhalb ihres SaftruftionSbereidjeS ihre gunftionen in beftem 
Sinne erfüllten. Sie brängen lebhaft auf bie Bermehrung beS 
BerfonalS, ba fie felbft bei oen erhöhten Anftrengungen im 3ah^ 
1897 nur 43, 32 % ber gu überroad)enben Betriebe befugen fonnten; 
fie betonen ferner bie bringenbe Nothmenbigfeit, bie im Parlamente 
lagernben Nooellen gur Schußgcfeßgebung fdjleunigft gu erlebigen; 
fie Juchten bur<h Bermittelung beS SaftigniinifterS gu erroirfen, baß 
bie roenig gefällige StaatSanmaltfchaft fich gu prompterer Unter* 
ftüßung beS AufficßtSbienfteS oerftehe. Someit es in ihrer 9Rad)t* 
oodfommenheit fteht, feßen fie bie ben Saifoninbuftrien gu ge* 
roährenben Ausnahmen oon ber Einhaltung beS Nachtarbeitoer* 
boteS auf baS äußerfte BUnimum herab, unb beantragen alljährlid) 
bie gänglicße Befeitigung biefer Xolerangen, ba fie nur mißbraucht 
merben. Es ift üielleid)t ein Ausfluß biefeS auf bie formelle 
Uebermachung fongentrirten ©eifteS im AuffichtSperfonal, bafg aud) 
bie $)epartementalfommiffionen noch feßr menig entroidelt finb. 
Es funftionirten 1897 nid)t mehr als 11: bie. Bermaltung motioirt 
biefe geringe AuSbilbung allerbings mit bem Umftanbe, baß Pie 
Äommiffionen in 3alge ber genügen ben BMrffamfeit ber eigen t* 
liehen S^fpeftoren nur unuiiße Apparate barftelleu. Aud; bie 



908 


Sögiale SJJrajiS. ©entralblatt für SogialpolitiF. SRr. 33. 


904 


loFalen BatronalFommiffioneu, benen bie gurforge für gute £efjr* 
lingSauSbilbung gufäßt, cnttoicfeln ficf) nicht Beffer. Daraus er* 
Belli jebenfaßs, baß baS Berhältniß ber ©ewerbeinfpeFHon gu ben 
llnternehmerFreifen nod) ein fe^r Fühlet ift. 

Aus ben objeftiocn Beobachtungen über bie UBirFungen beS 
ArbeiterffhußeS ^eben wir bie Bewertungen ber SnfpeFtoren ber 
nörblidjen Departements Terror, nach benen bie effeFtioe ArbeitS* 
leifiung in ben Spinnereien non Boubauy, Toucoing :c. unter ber 
Behuf tion her ArbeitSgeit nicht nachgelaffen hat. 3it ben Seiben* 
fpinnereien roirb fogar eine 3 u naf)me Fonftatirt. 3m ©angen 
mad)t fid) in ber Tej;tilinbuftrie jener Begirfe bie Tenbeng geltenb, 
ben engliffhen ©effhäftsgebrau<h beS SamStagnachmittagfchluffeS 
eingubürgern. — (Sine große Schmierigfeit finbet bie ©inhaltung 
beS 12 ftünbigen BtayimalarbeitStageS für ©rmachfene in ben 
Fleineren Betrieben, bie erft bei einer Befdjäftigung non 20 Arbei* 
tern unter baS ©efeß faßen; ber Unternehmer hält fich in ber 
Begel auch regem ©efd)äft'Sc}ang unter jenem SRinimum unb 
erfeßt ben Ausfall an ArbeitsFräften bureß längere ArbeitSgeit. — 
Unter ben nämlichen Beroeggrünben begünftigen nad) ben Be* 
rid)ten aus bem Departement Aube bie großen gabrifen bie ©nt* 
midlung ber £>auSiiibuftrie, bie ebenfalls außerhalb ber Schuf}* 
gefeße fleht. 3m genannten Begirfe ift eine feßr beträd^tlidje 
Decentralifirung ber 3trumpfroirFerei in bie gamilienmerfftätten gu 
beobachten. Der gabrifßerr fteßt in ber Siegel ben Fleinen $etro* 
leummotor, ber gum Betriebe nöthig ift, uno finbet in ber burd) 
ungehemmte lleberfchreitung ber gefehlten ArbeitSgeiten oer* 
mehrten $robuFtion, ©rfaß für jene Auslagen. gür ben ©efeß* 
gebet ermächfi barauS ein weiteres Argument gur ©inbegießung 
ber ßauSiubuftrießen Betriebe in ben Schub ber ©efebe. 

Baris. g. Schotthofer. 


Die ©etoerbeaitffuht i# Bfedlenbitrg 1898* Beibe ©roßßergog* 
thiimer, Schwerin unb Strelib, hüben in ber Berfon beS Sanbbau* 
meifterS £>ennemann einen gemeinfamen ©ewerbeinfpeFtor. Seine 
Berichte für bas 3abr 1898*) finb foeben erfeßienen unb bieten 
einige intereffante BemerFungen. So wirb ber BerFehr beS Be* 
amten mit Arbeitgebern unb Arbeitern als „ein im ©angen oer* 
trauenSooßer unb befriebigenber" begeichnet, wogu bie wathfenbe 
perföitlidje BeFanntfcßaft beitrage. Durch ©ewerFfchaftSFarteße, 
eingelne Arbeiter, Arbeiterblätter gemelbete ÜRißftänbe hat ber 3n* 
fpeftor berürffichtigt. Bei ben jugenblicßen Arbeitern ift bie ge* 
ringe 3 u uahme eingetreten; fie entfällt hauptfädjlitß auf eine Sehr* 
lingSgüdfferei in Fleinen Bucßbrudereien, bie oon ben befferen Be* 
trieben als preisbrüefenbe ÄonFurreng empfunben wirb. Schlimme 
gäße gewerblicher Ausbeutung oon Scßulfinbcrn fuib namentlid) 
beim BrotauStragen bemerFt worben. Btit Begug auf bie 10 bis 
llftünbige Arbeitszeit für grauen unb ßßäbcßen wirb erFlärt: 
„©rßeblidje Bacßtbeile in gefunbheitlicher, fitilicßer ober fonftiger 
«tnnfießt haben ficß nirgenbs ßerauSgefteßt. ©s liegt baher aus 
biefem ©runbe Feinerlei Beranlaffung oor, eine AuSfdjließung ober 
©infchränFung ber Befcßäftiaung oerheiratheter Arbeiterinnen ßerbei* 
gufüßren." Dagegen wirb oon oereingelten gößeu übermäßiger 
Arbeitszeit für SKänner berichtet aus größeren 9Rafd)inenfabri!en 
unb Sägereien, in Fleineren ©etreibcmühlen, in 3iegeleien :c.; 
15* bis 16ftünbige ArbeitSbauer finb hi« mehrfach gu beobachten 
gemefen. Die neue 3i e ß e fooerorbnung roirb in 9RecFlenburg faft 
feine Aenberungen feßaffen. üRit ben Uebelftänben mangelnben 
Siebtes, abnonner Temperaturen, fchäblichen Staubes unb Dampfes 
in ben Arbeitsräumen ift troß aßmäliger Berbefferungen bod) noch 
oielfad) gu fämpfen. Bametitlid) finb offenbar bie gefunbheitlichen 
©inrießtungen in Bädereien bureßweg noch höcßft mangelhafte. Die 
Bädereioerorbnung inbeff'en feßeint gu Anftänben Feinen ©runb gu 
geben; es ergab fid) auSnahmSlofe AuSfömmlicßFeit mit ben ber 
Beftimmung ber SDieifter überladenen 20 Tagen Ueberarbeit. ArbeitS* 
auSftänbe oon Belang finb nid)t oorgefommett. Die Bebeutung 
oon ArbeiterauSfcffüffen blieb gering. Das erfte ©emerbegericht im 
Sanbe ift am 1. 3anuar 1899 gu Stoftod in Sßirffamfeit getreten. 

Der Beimttbr*£abenfrf)l«ft in ber BeicßStagSfonimiffton an¬ 
genommen. Die BeicßStagsFommiffion für bie ©eroerbeorbnungS* 
nooeüe hat bie .ftonfcqueng aus ber ©rßößung ber IRinimalruhegeit 
für Angcfteßte in offenen Sabengefcffäftcn auf 11 Stunben gegogen 
unb fid) für ©inführuug beS gwangSweifen 9teuuuhr*SabcnfchlnifeS 
ausgefprochen. Der 139e wnrbe in folgeitber gaffung an* 
genommen: 

; ) Xeu Beriilit für ÜlRrdlenbnrg = Sihwrrin ift in Sdjiocrin in 
(5-b. .^erbergcrS BerlagSbuditjanblung erfdiienen, ber für Strelifi ift in 
Acitftrclin uon ber .'orfbudjbriidcrei Bohl gebrurft. 


„Auf Antrag oon minbcftenS einem Drittel ber betheiligten ®c* 
fdjäftstnhaber hat bie höhere BcrwaltungSbehörbe bie betheiligten @e* 
fdjäftsinhabcr burd) ortsübliche BeFanntmndhung ober befonberc 3Rit* 
theilung gu einer Aeußerung für ober gegen bie (Einführung beS Saben* 
fdjluffeS aufguforbern. ©rflären ftch jwei Drittel ber Abftimmcnbcn für 
bie ©inführung, fo Farm bie höhere Berwaltungsbehörbe bie entfpredjenbe 
Anorbnung treffen. Bon 9 Ußr Abenbs btS 5 Ul)r SRorgens 
müffett BerFaufSftellen für ben gefchäftlicßen BerFehr ge* 
fchloffen fein. Der BunbeSrath ift befugt, Beftimmungen barüber gu 
erlaffeu, tu welchem Berfahren bte erforberlidjen gtoei Drittel ber ©e* 
fchäftSinhaher gu ermitteln finb." 

3n biefem Befdjluß erbliden wir eine erfreuliche Söirfung ber 
zahlreichen ©ingaben oon ©ehülfen unb B^iagipalen, bie einen 
einheitlichen £abenfd)luß forberten; neuerbingS ift gu ben früher 
bereits gemelbeten B c titionen auch eine folche beS Altonaer SJFanu* 
faFturiftenoereinS geFommen, ber für ben 9?cunuhr*£abenfchluß als 
eine gur Äontrole ber ©inhaltung ber ÜJtinimalruhegeit gang un* 
erläßliche Btaßnahme eintritt. hoffentlich fteßt fidh baS Betch&tagS* 
Plenum auf ben Boben beS ÄommiffionSbefchluffeS! 3ff erft ein 
Anfang gemacht, fo werben bie praFtifdjen ©rfahrungen balb be* 
weifen, baß eS auch mit bem Achtuhr*£abenf<hluß geht- — Tie 
im preußiffhen Sföinifterium beS Sntiern herausgegebene „Berliner 
$orrefponbeng" wenbet fid) fth fl rf gegen ben 5FommiffionSbefchluß, 
ber mit feiner Schablone Ungufrieben heit erregen, ben Angefteßten 
Feinen Bortheil bringen unb bem „aßgemeineit BtayimalarbeitS* 
tage" einen breiten B>eg ebnen werbe. Der Reichstag möge ben 
Befcßluß ablehnen. Die Ausführungen ber „Berliner Äorrcfpon* 
beng" fchtneden ftar! nach ben abgeftanbenen ©emeinpläßen beS 
SRanchefterthumS; wir haben oon ben oerbünbeten Begierungen 
hoch eine beffere Bteinung, als baß wir auf ihre Haltung aus 
ber BkiSfjeit jenes DrganS fließen möchten. 


Jltbettemrfli^etattg. Sparbö(Teu. 


Die Unfaßoerfichcrung in ber be(gif<hen ^ohFenbergwerfS^nbnftrte. 

Obgleich eS in Belgien noch Feine obligatorifd)c Unfaßoer* 
ftcherungSgefeßgebung giebt, befiehl hoch für bie übermiegenbe 
Btehrgahl ber ©rubenarbeiter, man Fann fagen für aße, eine ge* 
wiffe Berficherung für gang fchwere gäße unb befonberS für ben 
gaß einer bauernben ArbeitSunfähigFeit in golge eines Betriebs* 
mtfafleS. Dies Fommt baher, baß ber Staat bereits feit Sahrgehnten 
bie Äongeffion gur Ausbeutung eines ^ohlenbergmerFS nur bann 
erteilte, wenn ber ©igenthümer ffch bereit erflärtc, mit feinen 
fämmtlichen Arbeitern einer caisse de prevoyance beigutreten. Die 
leßte 1898 erfeßienene offigieße StatiftiF beriieffichtigt bie 3iff c m 
beS SahreS 1S96, boeß haben fi<h bie Berhältniffe feitbem nicht 
geänbert unb für unferen heutigen 3 roc ^/ anläßlich ber gegen* 
wärtigen fogialen £rifis in biefer Snbuftrie, gu geigen, inwieweit 
ber belgifdje Bergarbeiter in feinem gefahrooßen Beruf gegen bie 
golgen oon BetriebSunfäßen im Allgemeinen oerfidjert ift, genügen 
biefe 3 a ht e a. Tie gang unbebeutenoen »taffen für bie Beden oon 
Bamur unb Suyemburg Fönnen wir hier außer Betracht laffen 
unb uns auf bie taffen für bie oier großen Beden BFonS, 
©harleroi, ©entrum, Süttid) befcßränFen. Die Betheiligung ber 
oerffhiebenen fogialen gaFtoren an ber Speifung ber caisses 
communes de prevoyance geigt bie folgenbe Tabefle: 




Beiträge (in grancS) 

" 

ber 

Arbeiter 

b. Unter* 
ncßiner 

beS 

Staats 

ber 

$rooiiig 

Maße oon Atons .... 

_ 

730 791 

11 385 

2 466 

= = ©harleroi . . . 

— 

627 241 

13 635 

2 086 

* = ©entrum . . . 

211 405 i 

211 405 

7 236 

1448 

* * 2üttidj .... 

- i 

607 614 

11 461 

— 


Dagu Fommen noch bie in berfelben Bietung wirfenben 
prioaten ^ülfSFaffen: 




Beiträge (in grancs) 



ber 1 

ber 



Arbeiter 1 

i 

Unternehmer 

Maße oon 

iPt'ons. 

_ 

379 820 

* r 

©Ijavlcroi. 

©entrinn. 

76 265 

646 828 

76 265 


Lüttich. 

LS5 538 

492 064 








905 


©ogiale $rasiS. Eentralblatt für Sogialpolittf. SRr. 88. 


906 


Sie man fiept, tragen in 3RonS unb Eparleroi bie Arbeitgeber 
faft bie ganzen Saften biefer VerfiSerung, wäprenb im Zentrum 
bie Arbeiter im gleichen ©rabe perangegogen roerben. 

Bei ber ©tatifüf ber Aufgaben wollen mir uns auf bie ©e* 
fammhiffern für gang Belgien befSränfen. Es oerauSgabten in 
1896 bie 6 caisses communes de prevoyance*) 2 653 347 %xc%., 
wooon 44180 grcS. VerwattungSfoften unb bie übrigen 
2 609167 QfrcS. UnfaHentfSäbigungen refp. 3noalibitätSpenfionen 
finb. ©agu fommen noS bie Ausgaben für gleite 3roetfe feiten« 
ber caisses particulieres de secours, baS waren 1 895 528 f$rc£ v 
fo bap gufammen an EntfSäbigungen 4 504 695 0frcS. gejault 
mürben. 3m ©angen mürben non ben caisses de Prevoyance an 
18 757 ^erfonen EntfSäbigungen refp. $enfionen gezahlt, in einer 
burcbfdjnittlidben ,f)öpe non 139 3rcS. $ieroon mürben wegen 
Unfall 11012 unb gwar mit inSgefammt 1 609 358 SrcS. bebaut, 
wegen Alter unb Snoalibität 7745 Verfonen mit 999 807 ÖrcS. 
©ie 3apl ber wäprenb beS ganzen SapreS non ben caisses com¬ 
munes de prevoyance in ber belgifSen $opteninbuftrie fonftatirten 
Unfälle betrug 375, banon waren 117 töbtliS unb bie übrigen 258 
fernere Verlegungen. S^atürlid^ oerunglüeften in einer ©ruben* 
arbeiterbeoölferung non 120 044 $erfonen in einem 3^« rnepr 
als 375. Aber oie peute beftepenben VerfuperungSfaffen nehmen 
fiS nur ber gang fSroeren UnglücfSfälle an unb fie finb f<f)on 
gang allein aus biefem ©runbe als nottig ungureiepenb gu be* 
geiSnen. ©öS ift auch bie |)öpe ber gezahlten Benfionen unge* 
nügenb unb auS baS gunftioniren im Eingelnen mit Mängeln 
behaftet ©er ©eneralbireftor ber 9Rinen £>arge felbft nennt in 
einer non ihm 1894 unter einem Vfeubonptn perauSgegebenen 
BrofSüre biefe Waffen neraltet. ES ift befatmt, bap bem belgifSen 
Parlament, ein non bem norigen SRinifter für Snbuftrie unb 
Arbeit, §errn SRpffenS, eingebracpteS ©efep gur Einführung einer 
obligatorifSen Unfaüoerficperung norliegt. ©öS pat baS ©efep 
in inbuftriellen Greifen fo niel Seinbjcpaft gefunben, bap ber 
SRinifier im SBefentliSen beSwegen aus feinem Amte gebrängt 
würbe, unb gegenwärtig ift, angeficbts ber politifSen ßage, gar 
feine AuSfiSt mehr oorpanben, bap biefer einige Sage nor ben 
lebten BSaplen perauSgefommene ©efepeSoorfSIag in ber gegen* 
wärtigen Sfatnmer noep gur Verpanblung gelangt. 3n Belgien 
tobtet leiber noch immer bie $olitif bie ©ogialpolitif, unb wenn 
ficb bie SRaStpaber fSon mal auf ©ogialpolitif einlaffen, fo banbeit 
es fub auch bann meift nur um ein politifSeS SRanöoer. 

Brüffel. Dr. ©uftan SRaper. 


$lan einer Verficbemng gegen ArbeitSloftgfeit in Bafel. 3m 

5Rai 1897 bat ber ©rope Vatp ben ©efepentwurf, betreffenb Ver* 
ficperung gegen Arbeitslofigfeit an bie oorberatbenbe ©ropratpS* 
fommiffion gum 3n)ecfe ber Vorlage eines abgeänberten Entwurfes 
gurüefgewiefen. ©ie Äommiffion bat nun unter BerücffiStigung 
ber Ergebniffe ber erften Veratbung unb ber anberwärts gemachten 
Erfahrungen einen neuen Entwurf ausgearbeitet, ber namentlich 
in Begug auf ben Umfang ber VerfiSerungSpflicpt, bie ©ruppen* 
eintbeilung ber Verfilterten, bie Beiträge ber Öopnflaffen unb bie 
ginangirung ber Anftalt Abweisungen oom erften Entwurf geigt, 
©er „Bunb" berichtet barüber: ©ie 3 a bl &er oerfiSerungS* 
pflüptigen ftänbigen Arbeiter wirb auf 10000, bie ber niept 
ftänbigen Verwerten auf 1322 angenommen, ©ie 3 a bl bet 
ArbeitSlofen wirb auf 2200 ober 22 7 0 gefSäpl. ©ie Ausgaben 
für Unterftüpungen werben auf 163 580 3rcS. bereSnet, wooon 
bie Arbeiter 87 179 3rcS., bie Arbeitgeber 63 184 grcS., gufammen 
150 363 grcS. an Beiträgen gu Ieiften hätten. Es würbe fiep alfo 
ein mutpmapliSer AuSgabenüberfcpup non 13 217 grcS. ergeben. 
3 ur ©eefung bes ©efigits unb eoentueH barüber hinaus wirb bie 
ßeiftung eines orbentlicpen ©taatSbeitrageS oon 30 000 3rcs. in . 
AuSfiSt genommen, ©ie VermaltungSfoften, bie auf 15 000 3rcS. 
oeranfSlagt finb, trägt ber ©taat. 

Ein oberster ber freien £>filf#fcereine in f^ranfreiS mirb 
bemnäSft fonjtituirt werben, ©ie Aufgabe biefer bem SRinifterium 
beS Snnern beigeorbneten Äommiffion beftept in ber oberften in 
©emeinfSaft mit bem SRinifter auSjufüprenben UeberwaSung ber 
societes de secours mutuels; inSbejonbere fott er bie 3ntpeilung 
ber ©taatsfuboentionen an bie einzelnen Vereine übernehmen unb 
jährlich einen Bericht über ben allgemeinen ©tanb beS ^ülfsfaffen* 
wefenS erftatten. 3ufammengefept ift berVatp aus 36 9Ritgliebern, 


*) 2)ie unbebeutenben Sfaffen oon SRamur imb Suremburg bics* 
mal sugereepnei. 


bie gur ^älfte regierungSfeitig ernannt unb gur §älfte oon ben 
Vereinen gewählt werben, ©ie erfte §älfte, naep ben ©efepeS* 
beftimmungen aus Parlamentariern, ©taatSrätpen unb anberen 
©taatsbeamten gu nepmen, beren SReffortS in bienftliSer Begiepung 
mit ben |>ülfsfaffen ftepen, ift bereits ernannt, ©urep VegierungS* 
befret oom 2. 3Rai werben nun bie Vorfcpriften (SBapIfreiS* 
eintpeilung :c.) für bie ©apl ber gweiten §älfte erlaffen, ©ie 
Söaplfreife Tmb territorial abgegrengt. ©iefelben wäplen gunäSft 
proportional ber SRitgliebergapl ber in ihnen ejiftirenben Vereine 
1 bis 5 ©elegirte, bie bann iprerfeits bie befinihoen Vertreter gum 
oberften SRatpe beftimmen. 


3lrbeit3»od)öiei^ 


©pegtalifirnng ber ArbeitSoermittelung in ftäbtifepen IrleitS® 
naSmeifeu. 3n ber meprfaS erwähnten Eingabe, bie ber Vorftanb 
beS ©efammtoerbanbeS beutfeper 3Retattinbuftrieller an ben ©taats* 
fefretär beS Snnern gegen ben Antrag $Roefitfe*Sßa<pnic!e auf Er* 
rieptung fommunaler ArbeitSnaSweife gerichtet pat, wirb gur Be* 
grünbung u. A. angeführt, „ber Verbanb pabe pauptfäSlicp gegen 
bie gemetnblicben ArbeitSnacpweife einguwenben, bap fie, um ben 
©Sem ber UnparteiliSleit aufreSt gu erpalten, ftreng naS ber 
©S«blone arbeiten müpten. Unb baS tpäten fie in ber Vegel 
auS- Von ipnen würben bie Arbeiter ber Velpe naS, tüie fie fiS 
gemelbet patten, opne Anfepen ber ißerfon, ben Arbeitgebern gu* 
gewiefen, eine UnterfSeibung fönne nüpt gemaSt werben." 

©egen biefe Behauptung wirb uns oon bem ßeiter beS größten 
fommunalen Arbeitsamtes ui ©eutfSlanb, §errn Snfpcftor §art* 
mann in 9RünSen, gölgenbeS gefSrieben: 

„2öer ben Betrieb bei einem gut geleiteten fommunalen Ar* 
beitSamte fennt, weip, bap biefe Behauptung ben mirfliSen Ver* 
pältniffen in feiner 2Beife gerecht wirb. BefannttiS njirb bei ben 
Arbeitsämtern oon ben ©tellenfuSenben wie oon ben Arbeitgebern 
eine genaue ©pegialifirung berjenigen BJünfSe oerlangt, bie fie 
in Begug auf bie gefuepte ©teile ober ben gefuchten Arbeiter pegen. 
©arauS gept fSon peroor, bap bie Arbeiter niSt naS ber Veipe 
ber Anmelbung gugewiefen werben fönnen. Ein intelligenter Be* 
amter weip fepr halb gu unterfSeiben, worauf es anfommt; er 
brauSt burSauS fein gaSmann gu fein, fo wenig wie berVicpter, 
ber gewerbliSe ©treitigfeiten entfSeibet. Er ift überbieS unab* 
pängiger unb uitparteiifSer als berjenige, welSer bem b^treffenben 
©taube felbft angepört, wäprenb biefe PS leiS* DOn irgenb welSen 
perfönliSen Vücfficpten leiten taffen. AuS ber ÖaSmann fann 
niSt in jebem eingelnen galle ben Arbeiter auf feine gäpigfeiten 
prüfen; unb tpäte er bieS, fo würbe er oft anberS entfd)eiben, als 
irgenb ein SReifter, bem bie betreffenben ArbeitSfräfte gugewiefen 
werben. Auf biefe Art würbe bie ArbeitSoermitlelung burep eine 
gu eingepenbe 3nbioibualirirung eper gehemmt als geforbert 
werben. Qum Beweife bafür, bap bie fommunalen ArbeitSnaS* 
weife gur Vermittelung gelernter Arbeiter burSauS qualifoirt finb, 
bebarf es nur eines ^inweifeS auf bie peroorragenben Vefultate, 
welSe in biefer £>infiSt baS 9Rün(pener Arbeitsamt gu oergeiSnen 
pat. 3m 3apre 1898 würben oon ben fämmtliSen 23 452 an* 
gebotenen ©teilen ber männtiSen Abteilung 13 090 (= 55,$ %) 

? jewerbliSc Arbeiter — |>anbwerfer — oerlangt; pieroon 
onnten 11338 (= 86^o/ 0 ) ©teilen befept werben, 3BaS bie 3«* 
weifung ber ArbeitfuSenben ber Veipenfolge naS betrifft, fo finbet 
biefe nur bei gleicher Duatififation ftatt; wenn beifpielSweife ein 
©cploffer auf ©itterarbeit gemünfSt wirb unb es finb mehrere 
gleiS qualifigirte Arbeiter oorpanben, bann wirb gang natürliSer 
Seife ber guerft PS angemelbete Arbeiter an biefe ©tette guge* 
wiefen. 3S fpreSe pier aus ber $rajiS unb pqbe auS fS^n 
mehrmals ©elegenpeit gepabt, ber ArbeitSoermittelung oerfSiebener 
Snnungen unb ©ewerffSaften (pier unb auswärts) beiguwopnen 
unb fenne ipren Betrieb fepr genau. SRaS meiner Anfidjt pat ber 
Verfaffer obiger Petition weoer ben Betrieb eines fommunalen 
ArbeitSnaSweifeS jemals gefepen, noS felbft ber Vermittelung 
eines 3aS*ArbeitSnaSmeifeS beigewopnt, fopin gar feine praftifSen 
Erfahrungen, wie überhaupt oermittett wirb." 

Berliner EentralPerein für ArbeüSnaStoeiS. 3« ber ©eneral* 
oerfammlung erftattete ber Vörfipenbe Dr. Sreunb Bert BeriSt für 
baS abgelaufene ©efepäftsjapr. §iernaS betrug bie ©efamtntgapl 
ber ©efuSe ber Arbeiter: 34 317, bie ©efammtgapl ber befepten 
©teilen: 24141. ©er Verein pat eine genaue ©tatiftif aufgeftellt, 
inSbefonbere naS ber ViStung, wie oft ein unb biefelbe V e rion 



907 


Sogtale Sßrajig. ©entralblati für Sogtalpolitif. Sir. 33. 


908 


fid^ innerhalb eineg Sa^red bei bern Arbeitgnacbroeig Ijat einfdjreiben 
laffen unb roie oft ein unb biefelbe $erfon Arbeit erhalten bot. 
Aud) läßt fid) itacbroeifen, roie oiel in jebem einzelnen faße 
einerfcitg groifcben bem Eintritt ber Arbeitglofigfcit unb berSMbung 
im Arbeitgnacbroeig, anbererfeitg groifc^en ber Reibung im Arbeitg* 
nadjroeig unb ber 3uroeifung non Arbeit oerftricben roar. Durch 
Abbition biefer 3eit ergiebt fid) bie ferner ber Arbeitglofigfeit. 
Dem ©entraloerein ift eg gelungen, bie berliner 5Irbeitcrfd)aft für 
bie Veftrebungen beg Vereutg gu intereffiren. Siacbbem bag Statut 
bie erforberlidje Abänberung erfahren bot, traten in beit Vorftanb 
beg Vereing je oicr Vertreter ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer, 
roelc^c burd) bie Viitglieber beg Augfd)uffeg geroäblt rourben. Der 
herein bot befanntlub aud) befcbloffen, auch ber Siegelung beg 
3acb*3lrbeitgnad)roeifeg auf paritätifdjer ©nutblage näher gu treten 
unb bat gu biefern 3 rocc ^ c burd) eine befonbere Sfommiffion ein 
Stormalftatut für berartige Öacb^rbeitgnadjroeife auffteßen laffen. 
feer herein giebt bie Hoffnung nidjt auf, auch bie Arbeitgeber* 
freife für bie ©inricbtung ber Öa<h*Arbeitgnacbroeife gu geroinnen. 

Sage beg beutfdjctt Arbeitörnarftcg. Die ©unft beg Arbeitg* 
marfteg hält an. Die meifteti Snbuftrien ftnb fo gut befcfjäftigt, 
baß bic Arbeiter in Sobnberoegungen eingetreten finb, fooiel ftcb 
big jeßt feben läßt, mit ©rfolg. Von 56 Arbeitgnad)roeifen, beren 
Berichte an ben „Arbeitgmarft" eingegangen roaren, weifen im 
Vergleich jum nämli<ben SJionat beg Vorjabreg 31 eine Abnahme 
unb 25 etne 3unabtne beg Anbrangeg auf. Dagu bemerft bag 
Vlatt: 

„Die Berichte geigen im Durdjfdjmtt einen ftänbigen Aiangcl an 
Arbeitefräften. (5g famen auf 100 offene Stellen nur 95,5 Arbeit* 
fudjenbe (gegen 108,6 im gleiten SNonat beg Vorjafjreg). 2roß biefer 
ungemeinen ©unft biirfen bic bebrofjlicben fünfte unferer gütigen 
(Wjdmftglage nicht überfehen roerben. Die freiöfteigerungen in Aob* 
eifen, £mlbgeug unb anberen ^abrifaten ber (Sifeninbuftrie finb in Ie^ter 
3eit fo rapibe, baß oon Seiten b^oarragenber ^ubuftrießer ernftc 
sfearnungen für uothroenbig erachtet rourben. Aud) bergen bic Heber* 
fpefulationen in Snbuftrteroertben an ben beutfdjen Torfen große ©e* 
fahren in fid). daneben fpielt aber im Augenblicf bie Arbeiterfrage im 
SBergbau eine heroorragenbe StoHe. SJian hat feit Auvbrud) beg 
belgifcheit Streifg fdjon ein Uebergreifen ber Augftanbgberoegung nach 
Deutfdjlanb befürchtet. 3« ber Dljat roirb ber große Vergarbeiterftreif 
im Saarreoier als ein folcheg aufgejaßt roerben muffen". 


Wol)titttig9ttiefett. 


SBobnnngöfürforge in beutfe^en Stabten* 

3ögernb unb anfänglich beinahe roiberroiHig geben bie Stabt* 
oertretungen an bie fiöfung ber fßobnunggfrage im mobernen fogial* 
Politiken Sinne heran, aber fie geben hoch mehr unb mehr heran. feag 
geigt einmal ben Siadjbrucf, roomit bie elcnbeit SBobnutiggoerbält* 
niffe ber ärmeren großftäbtifeben Veoölferung Abhilfe beiden, unb 
gum Anbern, roie aßeg Sträuben gegen ben fogialpolitifd)en Öort* 
f cfjritt biefen groar oergögern, aber nicht auf halten fann. Steuer* 
bingg ift in München unb Hamburg, in s $ofen unb ©ifenad) 
ein Schritt oorroärtg in ber ftäbtifeben V3obmtnggfürforge gemacht 
roorben. Dag ©enteinfame babei ift, baß iiberaß bie Stabt nicht felbft 
ben Vau non Wohnungen übernimmt, fotibern ficb auf bie Unter* 
ftüßmtg gemeiitmißiger Vaugefeßfdjaften bureb lleberlaffung oon 
Bauplänen gu mäßigen ober gum Selbftfoftcnpreife unb bureb 
Üebernabme oon ©arantien gegenüber ben ©elbgcbcrn befebränft. 

3n ©ifenad) bot om 5. SKai ber ©emcinberatb einen Antrag 
feineg Augfcbuffeg auf Abtretung oon 800 qm ©eläitbe für ben 
Vau oon 2öobitungen Unbemittelter gum Selbftfoftcnpreife ge* 
nefjmigt, freilich ben Antrag auf Üebernabme oon 15 000 JL An* 
tbcilfd)einen abgelebnt. 

Am 3. 3 Rai bißigten bie $ofener Stabtoerorbneten eine 
Vereinbarung mit ber gemeinnüfeigen Vaugefeßfcbaft gu ^ßofen 
über bie Veleibung oou 2lrbeiterroobnungen. SDie Stabt $ofen 
beleibt banach innerhalb beg Stabtgebietcg belegene ©runbftiicfe ber 
gemeiunitijigen Vaugenoffenfd)aft big gu 75 °/o beg jeweiligen 
©rititb* unb Vauroertbö aud) fdjon beim 2 lnfauf, begro. roäbrenb 
ber Vaugeit, forocit bie Snualibitätg* unb Altergoerforgunggauftalt 
^ofeit bie erforberlidjen s lUittel bagu b^rgiebt. ^)ag Siififo ber 
Stabt ift nad) oben, entgegen bent SRagijiratgantrage, burcf) bie 
Voraugfebung begrengt roorben, baß bie gcfamuiten ©runberroerbg* 
unb öerfteßunggfoften eine Ijalbe ^Ucißiou Sliarf nid)t iiberfteigen. 
S)er 3 lIlö f ll 6 ift auf nur 2 A / 2 u /o, bie Amortifation auf 1 % unter 
3uredjnung ber erfparten 3i«f e ” feftgcfetjt, entfpred)enb bem An* 
gebot ber ^ofener Verficberungganftalt. ^ureb eine Sieibe weiterer 


Vertraggpunfte roirb ber Stabt ein Auffidhtgred)t unb eine geroiffe 
©inroirfung auf bie Auggeftaltung ber ^Bohnungen unb bie bamit 
gu oerbinbenbeit SBoblfabrtgeinricbtungen (Spielpläbe, ©arten, 
Väber, £inberberoabranftalten, Grippen u. f. ro.) gewährt, foroie bie 
tbunlichfte Verücffichtigung ber ftäbtifeben Arbetter. feer Ober* 
bürgermeifter Söitting fünbigte gugleich an, bafj er, fobalb erft ein 
SBobnunggoorratb ba fei, bie ffaubalofen SBobnunggoerbältniffe in 
^ofen, ber bichteftbcbauten Stabt ®eutfcblanbg, ja ©uropag, alg 
feräger ber Vaupoligei nicht mehr gulaffen roerbe. 

SJach bortem Kampfe gegen bie in aßen Stabtparlamenten 
einflußreiche ^augbefißerpartei, bie bie Sache roieberum gu oer* 
tagen gebaute, ift in ber Hamburger Vürgerfcbaftgfibung oont 
10 . SDiai ber Verlauf oon ftäbtifebem ©runb unb Voben gur ©r* 
bauung guter fleiner SBobnungen unter ben oon ber Senatg* unb 
Vürgerfchaftgfommiffiott für bie Verbefferung ber ©obnungg* 
oerljältniffe feftgufteßenben Vebirtgungen mit großer Üßebrbeit an* 
genommen roorben. tiefer Vefchluß giebt bie ßßöglicbfeit, Schritt 
für Scßritt bie Söobnunggoerbältniffe in ber inneren Stabt gu oer* 
beffern unb bie nicht beroobnunggroürbigen ©obnungen aßmäblig 
gu befeitigen. S)er Durchbruch neuer Söobnungen, bie lieber* 
legung oon ©ebäuben foß weiter halfen. (Vergl. „Sogiale ^rayig^ 
Sp. 652). 

3n München enblicb bot eine oorbereitenbe Verfammlung ge* 
tagt, in ber Stecbtgratb Söolfram oom SÄagiftrat Stimmung für 
ein gemeinnüßigeg ©obnunggunternebmeit unb beffen Unterftüßung 
burch bie ©enteitibe machte. 3 u 9l e '(h mürbe babei eine Vermehrung 
ber Verfebrgroege unb bie eitglifdje Slrbeitggeit alg Unterftiißung 
ber VSobnunggpolitif geforbert, ja, ein Stebner begeichnet eg afe 
bie böchfte 3 e ft unfern beutfehen Stabten anbere Sformen gu 
geben alg bigber. ©inftöcfigeg ^äugehen mit ©arten unb £of fei 
allein praftifch- 


Söobttuttgifiatiftif w Äarlgruhc unb Mannheim. Aug Vaben 
roirb ung gefchrieben: Die Stäbte Äarlgrube unb Vfannbeim 
oeröffentlichten oor Burgern roieber Slatiftifen über bie leer* 
flehen ben ^Bohnungen. $arlgrube fonnte ber neueften ©rbebung 
bereitg oier frühere gum Vergleich gegenüberfteßen, roäbrenb \u 
SRannbeim nur eine ©rbebitug oon 1895 oorauggegangett ift. 3n 
beiben Stäbten finb bie 3 a bl en fo, baß oon einer genügenben Aug* 
wähl an ^Bohnungen für 3 ugiebenbe nicht gefprochen roerben fann. 
3n ^arlgruhe ftanben 301 SBobnunaen leer, in Vtannheim 331. 
Von 5 3iutmern aufroärtg mag bag Angebot wohl genügen, aber 
bei ben fleineren ift eg jebenfaßg noch ungulänglid). ^augbefißer 
oerneineit eine Sioth, wenn überhaupt ^Bohnungen leer flehen, 
roährenb ber 2 Bohnunafu<henbe auch bei 2 lngebot einer fdjeinbar 
größeren 3 oh^ uon SBobnungen mit fo oiel 3 immern, alg er braucht, 
bod) oeraebUcb fueben fann unb fcbließlicb entroeber Scblecbteg, Un* 
gureid)enbeg ober für feine Verufg* unb Arbeitgoerbältniffe un* 
günftig ©elegeneg nehmen muß. 3Bag bag unter Umftänbcn Reifet, 
braucht faum mehr erläutert gu roerben, benn eine entlegene 
SBobnung oerlängert bie Arbeitggeit oielleicht um 1—IV 2 Stunben 
täglich, oerbiubert an gemeiitfamen SOtablgeiten ber Öamilie unb 
entgiebt bem Arbeiter oielleicht fogar bie VJöglicbfeit eineg bäug* 
lieben ßßittageffeng, treibt ihn ing VHrtbgboug ober oerroeift auf 
falte Stoft mit erbeblidjen 2 luggaben. feie ©ingimmerroobnungen 
fpielen in ben babifeben Stäbten feine Stoße für Arbeiter, aber "bie 
3roei* unb Drcigiimnerroobnungen, unb oon biefen ©attungen 
ftanben in ^arlgrube nur 52 unb 87 leer. Sie bo&en groar gegen 
1897/98 erheblich unb auch noch etroag gegen ©nbe 1898 guge* 
nommen, aber troßbem ift bag Angebot noch nicht augreichenb. 
3n Vtannbeim roaren 71 ©ingimmerroobnungen leer, in Ä'arlgrube 
nur 4. Die 89 3meigimmerroobnungen in Sßannbeim überfteigen 
auch bag £arlgrubcr Angebot noch erheblich, bagegen ftnb 
Dreigimmerroobnungen bort nur 66 frei geroefen, in Harlgrube 
jeboch 87. Die Viictbpreigftatiftifen hoben weit weniger Vkrtb olg 
bie über bie Stäume, bettn bie Dualitäten ber ^Bohnungen laffen 
ficb ftatiftifcf) gu ßbroierig erfaffett. Vtan barf annebmeit, baß bic 
billigen greife für alte, fdjlecbte ^Bohnungen gelten unb bie Durdj* 
fcbnittggablen fo beeinfluffen, baß baraug feine richtigen Schlüffe 
gegoejen roerben fönnen. 2 Bir geben baher aug ber Vtannbeimer 
Statiftif nur bie Durcbfchnittgpreife für neue (noch nie begogene) 
leerftebenbe ^Bohnungen. Diefe finb für 


1 ^iuuuer mit ^iid}c.216 JL 

2 = = = 307 * 

3 * * * 468 * 

4 = * - 628 * 

5 * * * 1159 * 








909 


©ojiale Vrajiß. Eentralblatt für ©ojialpolitif. SRr. 33. 


910 


SBobnmtgen ohne &üd)e befinben ft<h unter beit neuen nicht 
mehr. dinginunenüo^nungen ohne $üdje fofteten burchfchnittlid) 
106^/, Sroeijitmnerroofjnungen ohne Sh’idje 212 <,ft. 

Sir Befd>ränfeu unß auf Btittheilung über bie Heineren 
Sohnungen, ba nur foldje erheblidjeß Sntereffe für ben Sozial* 
politifer fabelt. 


dr$itl)injg mtb filUmtng. 


©djug bet gttgettbltdjeit tot Berrthiutg im prenttfdje« ftmenhattfe. 

$ie Bemühungen beß prcufjifchcn §errenhaufeß, bte gugeno »or Ver¬ 
rohung 31 t fchugen (ocrgl. ©p. 605 unb 712), hnt «nt 12 . SDZai jur An* 
nähme einer Aufforberuttg an bte Regierung geführt, „ 1 . bahüt 311 
toirfen, bafc für bie fehlt lentlaffene mämtltdje unb weibliche gugenb biß 
31111 t Filter non 17 gahren ber Vcfud) non ©djanfftätten, namentlich 
non folchen, in bencn Branntwein gefchänft tnirb, nerboten werbe," 
2 . an bte engeren unb weiteren Kontmuualoerbänbe eine Anregung 
baljin ergehen ju laffett, ba& fie Einrichtungen treffen ober auß öffent¬ 
lichen Mitteln unterftüpen, welche ben genannten jungen Leuten bie 
Vföglidjfcit bieten, an ©ontt- unb gefttagen in angemeffener Seife eine 
erfrifchenbe unb oercbelnbe Unterhaltung 311 erlangen. Sieß Kompromiß 
jwifcheu ben Verpflegungßbcbürfnijfen ber ©rofjftäbte unb bem Suufdje, 
bie gugenb ben ©djanfftätten fern 511 h a ^ en , war in ber eigettß jur 
Veratfjung bicfer grage eingefegten Komntifftoit gefdjloffen worben. S)a 
bie $arteigenoffcn ber SRefjrheit, bie biefe Einträge befdjloffett, jur felben 
gcit im Abgeorbnetenljaufe auf eine Verfügung ber ©chuljeit unb 
Schulpflicht ber länblidien gugenb fünarbeitet, fo glauben wir nicht 
recht an einen (Erfolg ber »orgefdjlagenen SRafcnahmen. 

$te $odjfch»I#»rttage für gebermttim in ßeipgig, bie bie Fosenten 
ber Unioerfität im Sinter 1898/99 oeranftaltet hoben, haben eine ftarfe 
Abnahme beß Vejudjcß erfahren. Rechnet man bte Vefudjer ber 10 Vor- 
tragßabenbe ber (Ein^eloorträge unb ber tnßgcfantntt 22 Abenbe ber 
Vortragßfurfe jufammen, fo ergiebt ftch eine Vefud)ßjiffer »on jufammen 
4788 Verfoncn gegen 10 104 Vefttcher bei 12 unb 24 Abenben beß Vor- 
jaljreß, alfo ein Viicfgang beß Vortragßbefudjß non 47 %. Seibliche 
Vefucher waren barunter 650. Unter ben männlichen Vcfudjern ftefltcn 
bie Kaufleute (481) unb ©tubenten (176) ein ftärfereß Kontingent. 2>ie 
Arbeiter entfanbten 69 Sifchler, 45 ©attler, 44 Vudjbinber, 30 ©djneiber, 
25 gormer, 29 Vautedjnifcr, 10 9Raler. Ucbcr bie Art ber Seiter- 
führuttg beß Uitternehmenß foH auf ©runb ber nunmehr breijährigen 
(Erfahrungen bemnächft VefdjluB gefaxt werben. 


(Bewetbegetitfyte. dinigungsämtcr. ßdjirbggcridjk. 


Ablnbenmg beß ©et»erbegerid)tß»©efeheß. $>er »out Abge- 
orbneten £rimborn »erfaßte Bericht ber 7. Kotnmiffion beß SReichß- 
tagß über bie Anträge, betr. bie ©eroerbegerichte, ift im $Reid)ßtage 
erfchienen. $>er ©efefcentwurf, betr. Abaitberung beß ©efefceß »om 
29. Soli 1890 über bie ©eroerbegerichte, lautet nach ben Befchlüffen 
ber Kommiffion: 

^Irtifel I. 35ent §. 1 beß ©efepeß oont 29. guD 1890 wirb alß lefcter 
Abfafc bie folgeitbe Vorfdjrift hin 3 itgefügt: „gn ©euteinbett mit mehr 
alß 20 000 (Einwohnern mufj bie (Errichtung eineß ©ewerbegeridjtß ooit 
ber Sanbeßjentralbehörbe auf Antrag beteiligter Arbeitgeber ober Ar¬ 
beiter angeorbuet werben". 

Artifel II. $em §. 3 ift folgenbe neue Veftimmung hiujujufügen: 
„über (Entfchäbigungßanfprüche auß gefefcwibrigcn (Eintragungen in 
Arbeitsbücher, 3 cu 9 ri tffe, Kranfenfaffenbiicher unb Ouittungßfarten ber 
gmjaiibitätß- unb Alterßoerfidjerungßanftalten, fowie wegen wibcrrcdjt- 
Iicher Vorenthaltung bicfer Rapiere". 

Artifel UI. 3m §• 13 beß ©efefeeß wirb alß Abf. 5 bie Vcftimmung 
hiitjugefiigt: „^ic ©emeinbebehörbe hat eine Sifte ber Sahlbercdjtigtcn 
auf^uficllen. ^olijeibehörben, Kraitfcnfaffcn, welche im Vejirf beß Oe- 
werbegerichtß beftehen, ftnb oerpflidjtet, ber ©enteinbebebörbe auf Ver¬ 
langen bie für bie gertigung ber Sählerliftc für Arbeitgeber unb Arbeit¬ 
nehmer erforbcrlidtnt Außfünfte ju geben, itißbefonbere (Einficht ber 
SRitgliebcroerseichniffe, be^w. ber ©ewerbean^eigeit su gewähren, ^ie 
VJifte ift währenb uier Soeben »or bent jur Saljl beftimmten 2age $u 
3ebcmtannß (Einficht außjulegen, unb ift bieß juoor öffentlich befannt- 
Snmadjeu. Ser biß jum 2agc »or ber Sahl feine Sahlberechtigung 
nadjweift, ift in bie Sählerlifie einjutragen". 

Artifel IV. 9tadj 62 beß ©efefceß wirb folgenbc neue Veftimmung ein¬ 
gefügt: §. 62a. (Erfolgt bie Anrufung nur »on ©eiten einer Partei, 
fo hat ber Vorfigenbe hi^on einer ober mehreren ber ihm alß Ver¬ 
trauensmänner ber anberen Partei befannten ^erfouen Äeuntnife 31 t 
geben unb zugleich nach SWöglidjfeit bahin ju wirten, bah auch bie 
anbere Partei fich jur Anrufung beß (Einigungßamtß bereit fiubet. Auch 
in anberen gäüen foH ber Vorftgenbe bei ©treitigfeiten ber im §. 61 


bejeichneteu Art auf bie Anrufung beß (Einigungßamtß hw&aroirfeu 
fud»en unb biefelbe ben Parteien bei geeigneter Veranlagung nahe legen. 
2)er Vorftgenbe ift befugt, au ben ©treitigfeiten betheiligte Verfonen 
»or^ulabett unb 31 t »ernehmen (Er fann hierbei für beit gatf beß 9Ucht- 
erfcheinenß eine ©elbftrafe biß 311 100 JL anbrohen. Oiegen bie geft- 
fegung ber ©träfe finbet Vefd)werbe nach ben Veftimmuugen ber (Eiuil- 
pro 3 ehorbnung ftatt. 

5)er Artifel I will alfo bie bißher nur fafultatioe Errichtung 
»on ©eroerbegerichten für bie größeren ©emeinben obligatorifch 
madhen. Artifel II erweitert bie 3 u ftäubigfeit ber ©ewerbegerichte. 
Artifel III legt ber ©emeinbe bie öerfteüuitg oott 2Sahllii”teit ge- 
feglich auf, währenb bißher bie Beftimmungen über bie SSahl bu'rch 
Drtßftatut geregelt würbe. S)er neue §. 62a erleichtert unb »er- 
ftärft bie $£f)ätigfeit beß ©ewerbegerichtß alß (Einigungßamt bei 
Arbeitßftreitigfeiten. 

©(htebßgerichte bet Arbeitßftreitigfeiten itt ©djmeben. Ein Antrag, 
ber bie (Einfegmtg »on ©d)iebßgerichten bei Arbcitßfonfliften forbert, ift 
in ber 3 weiten Kammer berathen worben. Er würbe 31 W llcoerweifung 
an bie Regierung angenommen. 

Obltgatorifdbe ©inignngßämter in gnutfreidj.. ^ie Arbeitß- 
fommiffton ber ©eputirtcnfatnmer hat in ber Beratung beß An- 
trageß gfern) (fiehe ,,© 03 iale ^ßrayiö" S?r. 17 ©palte 461 b. 3.) 
fich mit beffen $rin 3 ip einoerftanben erflärt. ©ie wirb bemnad) 
in £ur 3 em einen ©efegentwurf oorlegen, welcher bie Einführung 
beß obligatorifchen Einigungßoerfuchß be 3 wrdft. $a<h bem 
heute geüenben ©efege »om 27. $)e 3 ember 1892 ift baß Einigungß- 
»erfahren bei foHeftioen Arbeitßftreitigfeiten befanntlich nur faful- 
tatio. ®ie Sfommiffton wirb für ihren ©efegentwurf bie befchleunigte 
parlamentarifche Behattblutig beantragen. 


Cttttttrifd)* Änjtige«. 


I. Bücher nnb Brofchüren. 

©tatiftif ber Veichßtagßwahleu »on 1898. ^weiter 21jeil. 
9febft 3 wei graphifd)cn 5)arftellungen, betreffenb bie Acidjßtagß- 
wablen 1871 biß 1898. Vearbeitet int Kaifcrlidjen ©tatiftifchen 
Amt. Ergän 3 ungßheft 3 u ben Vierteljahrßheften 311 » ©tatiftif 
beß ^eutfdjcn Aeidjß 1899, I. Berlin 1899, Vuttfaminer & SRühl- 
bredjt. 101 ©. Sabeitprciß 1 Ui . 

©ehr überftchtlid] bearbeitet wirb biefe ©tatiftif fich für i e &cit 

Volitifer alß unentbehrlid) erweifen. 

Ard)i» für f 03 iaIe Olefepgebung unb ©tatiftif. geitfehrift 3 m* 
Erforfchung ber gcfellfdjaftlichen ^afläube aller Sättber. $erauß= 
gegeben »ott Dr. Heinrich Braun. XIII. Battb. 5. unb 6 . §eft. 
Berlin 1899, Earl «peijntannß Verlag. 

gnhalt: 2>er neue Entwurf eineß 3u»alibcnüerrtcherungß- 
aefegeß in ®eutfd)lanb. Von Dr. Ernft Sange itt Berlin. — Sie 
fo 3 tnlett guftättbe in ber ©eibeninbuftrie ber 0 ftf<hwei 3 . Von 
Dr. g. ©$uler, gabrtfinfpeftor in 2Rolliß (©d)t»ei 3 ). — 5)ie 
©teucrprogreffioti. Von Dr. Elemeuß .^eiß itt Berlin. — 2>aß 
neue Wefejj, betreffenb bie 9?atiottal-Verjorgungßfaffe für baß 
Alter unb bie guoalibität ber Arbeiter. Eingeleitct »ott 
Earlo g. gerrariß itt Vabua. — ^ie Urfacbett ber Erwerbß- 
unfähigfeit nach bem beutfehen 3u»alibitätß- unb Alterßoerfiche- 
rungßgefeg. Von Dr. Entft Sange in Berlin. — Salbcigeitthunt 
unb Salbmirtbfchaft. Von Xh^obor Eurti, Aegieruitgßrath in 
©t. ©allen. — Sie fran 3 öftfchcn Arbeiteraußftänbc ber 3uhrc 
1893—1897. Von Dr. gerbinanb Aurin in Berlin-griebenau. 

gah^üueh beß Allgemeinen Verbanbeß ber beutfehen Ianbrnirthfchaftlicbett 
©enoffettfehaften für 1898. Offenbad) a. 3R. 1899, Verlag oer 
Anioaltfchaft beß Attgemeinen Verbanbeß. Sabenpreiß 6 M. 

Yrkesinspektionens verksamhet ar 1897. Stockholm 1899, E. 
L. Beckmanns Boktryckeri. 332 ©. 

o 

EconomUk Tidskrift. Utgifven af David Davidson. Arg. I. 1899. 
Haft 1 — 4. Stockholm, Hngo Gebers Förlag. Pris per argaug 
(12 haften) 10 kronor. 

II. $nuffa<h*tt tum BentmUttttgett, Bereiue« jc. 

§agen t. S. Vericht über ©tanb unb Verwaltung ber ©etitettibe- 
Angelegenheiten ber ©tabt £>agen i. S. pro 1897/98 unb £>aitß= 
haltßpläne für 1899. 

Karlßruhe i. V. Vorlagen an ben VürgcraitßfdjUB. 

Vofen. Voranfchlag für bie Einnahmen unb Außgaben ber ©tabt- 
gemeittbe Vofen pro 1 . April 1899/1900. 

Elberfelb. guhreßberidjt ber ©täbttfd)en Armenuerwaltuttg pro 1897. 

greiburg i. V., Vorlage beß ©tabtratheß ber ©tabt greiburg i. V. att 
ben Vürgeraußfchujj. 


Berant»ortete für bte Stebafttan: Dr. Crnfl Stande tu Setltn W., »Qjjreut^erftrafec 29. 



911 

(Soziale ^rayi*. Gcntralblatt für ©ojialpolitif. 92r. 33. 

912 


®' c Pvarlo" 

für ba« 

eriefjeint an jebem ©onnerStag unb ift buvcb alle S3ud»l)anblunv)en unb ^oftäntter (^oftsefttuigOnunimcr 7072) 311 bejieben. 
©ierteljahr ift 9)2. 2,50. Jebe 92umnier foftet 30 ^r- ©er 8 ln 3 eiflenprei 3 ift 60 ipf. für bie breigefpattene ^3ctit^cUe. 

©er 4 )reiö 



Belanntmacfyung. 


^ci i>cr Ijicjifleu ®cmcr 6 c%snfpcftioN ift bic Stelle eines 

HF** (J>cnicrbc- 3 itrachtors 

*u beferen. 

©a* ?lnfaug*(jclialt betragt 33?. 3 200.— jährlich unb fteigt nach je 4 ^ienftjatjrcn um 
9)2. 600.— bi* jum öd) ft betrage non 9)2. 5 (XX).— 

9)emcrber, mcldjc eine ted)iiifrf)e .'podjt'dutlc abfoluirt, bic erfte 8 taat*= ober ©ipIom^Srüfuiig 
im 9J2afd)incn= ober Schiffbau beftanbert babnt unb imlf*mirtl)fd)aftlid)e ftenntniffe, fomie ge= 
niigcrtbe $rari* tiadiftuiucifcu uermögen, merben crfudjt, ibre Reibung unter Beifügung einer 
furjen yebensbcfdircibung unb non 3 cuguif)abid)vifteu &iä (*»bc b. an bic wch»crbc= 

Jnfpcftiou, Stabtbnu^briirfc 15, II $u rieten. 

Hamburg, ben 1. 9J2ai 1899. 

©ic ©cwcrbc-§nrp«ht!i>it* 

X. ©xmigelifrij-bnialfr Kongreß in fiirl. ji- : 

dajxcsuvbmutjt. Hering m 

I. Wiimiod), Seit 24. 9Wni: —---— 

a) 92ad)mittags 4 Ubr: ©e ich I offene Si^ung be* 9lu*fd)iiffc* | 

im .frotcl ©ermania am 9?al)nliof. Ifmi 

b) StbeubS S Ubr: Ceffentlidje 33egrüfjungSoerfammlung in ZUlU 

©riebt* (Stabliffement (Sopbienblati). 

II. foitncrftofl, Sen 25. 9Hoi: Hi-rfiiirnnii«. 

a) griib 9 lU)r: 9?ci ©riebt. yiC|U||UlllJS j 

1. (Eröffnung be* Stongreffe* burdi ben 9?orfipcnben, ÜanbeS« 

öfonomierat 92obbe = 5?crlin. r « .. r 

2 . Jab re* bericht be* ©eneralfefretär*. ,le8 I ,rcu B l M 

3. ßrftc* Referat: **crbältiti* bei* lutbcrifcfjcii ftitd)c 

jur f oktalen Jvngc (Referent ^rofeffor Dr. Staftan* 

Berlin). ( 

b) 92ad)mtttag* 3 Ubr: Sei triebt. 

Zweite* Steferat: fonftitutioitcUcSi)ftcni imjyabrif- 

betriebe (Referent Jabrifbefifcer $einrid) greefe*Serlin). 

c) 9lbcnb* 8 Ubr: Sei triebt. 

Solfsabenb mit befonberem Programm. (Puitltlf 

III. Cyrcttafl, *cn 26. SWai: WlUJUfl 

a) Jrül) 9 Ubr: Sei ©riebt. 

©ritte* 9tcfcrat: Utfnubluitgcit beä s ^itbuug*ibcnlc< in 
ihrem ;Jitfamnieitl)aiigc mit ber foktalen (*uttmcfliutg 
(Referent Srofeffor I)r. griebricb ^auIfen»Berlin). 

b) 92ad)mittag* 2 Ubr: Sei ©riebt. j < 7 w 

(Jrfte Spe$ialfonferen$: $ic bisherigen <*rgcbniffc 

bcS lyroucnftubiiimS in ©cutjd)laitb nnb feine tior= II. Poti 

au*ftd)tlirt)c (Jmnrirtlitug (Referent Jrl. Dr. State | 

©inbfd)cib = ^eip^ig). — jmeite Spcjialfonferenj: Sor* 

fdiläge jur 92eubelebung ber eoaugeIifd)=fosiaIen Stonferenj in j- 

3djle*mig*£>oIfteiii (Referent ^aftor J. Stäbler*@tcllau). 

c) 92 ad) mit tag* 5 Ubr: Jabrt in See unb jum92orb*Dftfee*StanaI. 

9)?an mirb bringenb gebeten, ftd) megen ©obnuug (^rioat* ober 

.frotelmobnung) rechtzeitig an ben „Serfcbr*oerein", Stiel, Sd)lof)= ÖfSr 

garten 15, ju menben. (Sine 9lu*funft*= unb t5mpfang*fteüe befinbet W4 

ftd) mäbrenb be* Stongreffe* im Sabubof unb int Stongrefjtofal. 

(Sinlafefarten für alle Seranftaltungen be* Stongreffe* foften 
2 .«., lage*farten 1.50 X, für ben Segrüf)ung*abeub ober bic Spc$ial= 
foitferenjcn 0.50 3Witgliebfd)aft mirb bitrifj Jahresbeitrag ooit5.l. 
au aufmärt* ermorben; aufecr freiem (Sintritt erhalten bie 9)?itglieber | 
ben ftenograpbifdjcn Seridjt über bic Serbanblungen unb bie monatlich /] 

erfdjeiuenben „AVitteilungen" ohne meitere Stoften. Sämtlidjc Starten v 

ftub nur für bic ^erfon giltig. Sic finb 511 taufen in ben ?lu*funft*= 
fteflen, in ber Sudibanbluug uon •'oagge (.^oltenauerftrabe unb in ber 
9)2ufifalienl)anblung oon ^ä^el (s3olfienftraf}e). Jeber Scfudjer mirb 

ueranlafjt, fid) in bic ^räfenjlifte ein^utrageu. ... — ■ — 


Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35. 


Die soziale Lage der 

arbeitenden Klassen in Berlin. 

Von Dr. E. Hirsehberp, 

Assintcutco am Statist. Amt der Stadt Itcrlin 
1897. Mit mehreren graphischen Darstellungen. M. 5.50. 

Das Buch eutbiilt ciuc, auf genauem sfatistisch-m Material fuDeude 
Darstellung der sozialen Lage der gesamten arbeitenden Klassen in Beillu 
unter Vergleichung mit anderen Städten. 

Bürgerliches Gesetzbuch. = Liliput-Ausgabe. = 

Nebst Sachregister. Zwoiter. uti verHmlcrter \aelidnu-k. 

11.—20. Tausend. 014S. kl.Formats. (7:llcm). Dauerhaft in Leinen geb. M. 1,—. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 

Soebeu erschien: 

Über 

Inhalt, Natur und Methode 

des 

internationalen Privatrechts 

von 

Itr. Franz Kalm. 

Preis: 2 Mark 40 Pf. 

Abdruck aus Iherlng’s Jahrbüchern für die Dogmatik 
des bürgerlichen Hechts. 40. Bd. 2. Folge 4. Bd. 


örrlng mm Puitriirr k fjnmMnt in fripMH- 


llmriffe uitö Hittcrfudtuttacn 

int 

Pttfn|iuiig 5 -, Jtrrnmliuugs- utiii nitttf(i)ttft 5 grf(|ti|tc 

befonbers 

ifes |)rcu§ifrfim Staates im 17. unit 18. dalirliiuufert. 

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Schriften von Georg Simmel: 


lieber sociale Differenzierung. 

Sociologische und psychologische Unter¬ 
suchungen. 3 M. 60 Pf. 

Probleme der Geschiehtsphilosophie. 

Eine erkenntnistheorethische Studie. 


iicriintiDOClii.lj far t>tc «meinen: ^eQmutt) <Hetbd, ßclpitj. — »frlog oou Duucfcr dt ^uuiblot, öripiifl. — tScDvucfi bet 3ullud Sittcnfelt», S.rlm. 















VDL l^rpng. 


©erlitt, ben 25. 2JJat 1899. 


llumnur 34. 


Senate ptajis. 

für ^»ogictrpoCifiß 

mtt ber aflonatSbetlage: 

Das (Bewetrbegericht. 

©rgan t>es Oerbantles beutfdjer (Bcwcrbcgeri^te. 

97eue golge bcr „©lätter für fogtate prayi&* imb beS „@ogtatpolittfSen (SentralblattS*. 

«rffttte* n jekem 9«me*f«f. |>eranSgeber: frei« »iertdiXtrtt* 2 9t. 50 ff. 

Slebaftton: ©etlht W., ©aßreutberftraße 29. Dp* Cfttß «ftGttlfet* ©erlag bon ©»uncfer & £umblot, Selpgig. 


3ii Bült 


SRcfotm ber gabtifgefefeflebung 
in (Srnßlanb. ©on g. SB. Gatton, 

Bonbon.913 

©ie obligatorif <pe Anrufung 
bc8 GeteerbegeridjtS all 
<$iniguttg8amt in HrbeitB* 
fümpfen. ©on D. Steigert, 
gabrifant, ©erlin.917 

VSiMctai ffteb mm Wetlfdiftl* 
»#( tttt.920 

©ie ©erfeanblungcn über bie 
„Seutenoip" im preufeiftfeen 
f bgeorbnetentjauf e. 

3ut 9teförm ber ©erjtdjerung8gefefe» 
gebung beS beutfdjen 9lei<b8. 

gütfotße für Srbeitfllofe in freufeen. 

2>a8 Gefcfe über bie SoßnjaHlung in 


granfreidj. 

••«Ule daftftnbc : .922 

©ie ftontlicfee Regelung ber Griffel« 
inbuftric in SDieiningen. 

SäftcitcsMMatwg.922 


®a8 Gnbe beS ©treifß ber bet* 
giften Grubenarbeiter. 33on 
Dr. Guftaö SJlaper, ©rüffel. 

©eenbigungbeSSetgarbeiteraufiftoitbe« 

in tfleinroffeln. 

Streifs in Oefterreitfe 1898. 

Sie gelbarbeiter in Ungarn. 

24 ©tunben ©rieftrftgerftreif in f ariS. 
©ie Geteerffdjaften im Staate Siete« 
2Jorf. 

SKaffenauafperrungen in ©fanbinabien. 

tttbetletf*«*.927 

©er ©anarbeiterfdjufe unb bie ©au* 
arbeiter. 

9 UHr»9abenfd&Iufe unb SKinimalru^e- 
seit für $anbet8angefteUte. 
Unterfucfeung über bie Sage ber 3*nf» 
Hüttenarbeiter. 


SRafenafemen gegen bie gewerbliche 
Äinberarbeit in ©erlin unb ©ororten. 

Siegelung ber grauen* unb ftinbet* 
arbeit in Italien. 

Urbciterterffffcesaaf. 929 

©ie jlranfenberftcberungdpflicHt ber 
©ertiner &au8inbuftriellen. 

©ie Unfattberficfeerung in Deftexreidj. 

Sur §ragc ber 8Uter8berforgung in 
Gnglanb. 

UnfafiberficbeTung in Sftuferanb. 

.930 

©ie Srbeitabermittetung, bie Unter* 
nehmet unb bie Arbeiter. 

©er ©erbanb babiftper ÄrbeitBnacfe* 
weife. 

fifo|IM«t5ei«ft4tt8tttcai .... 931 

©ie 8. Äonfereng ber Gentralftelle für 
frbeitetteobLfabrtaeinricbtungen in 
©tuttgart. 

©ie ©ereinigung gut gffirforge für 
franfe Arbeiter in ßeipjig. 

»otnaagitotfcs.932 

^ppotfeefenbanfen unb ©aufpefulation. 

©au bon Mrbeitertoofenuugen in 
©reabeu. 

©rgitbKn« **b mmurng .933 

©ie Gcfeflfcbaft für ©erbreitung bon 
©olfabilbung. 

«etectbcgexiibte. •hti$st*g5ftmtes» 
MUbSgertftte.934 

froteft bon Unternefeniem gegen 
Ginigungaümter. 

Steuerliche gälte bon einigungaamt* 
lieber ober fd}ieb8gert<btlicfeet Söfung 
oon Slrbeitaftreitigfeiten in (Snglanb. 


Äbbrutf fämmtli<ber Srtifel tft geltnngen unb Beüfdndfien geftattet, jebod) nur 
mit boUer Quellenangabe. 


Urform ber «fabrUtgefelgebttttg in (England. 


Unter ben gabIreiSen gefeßgeberifSen Stufgaben in ber bieS* 
jährigen 0effton beS Parlaments, roelcbe in ber Sbronrebe oom 
7. J$ebrnar angegeiqt mürben, befinbet ficf) eine SftooeHe gum gabrif* 
gefeß. SDoS giebt jene feine Slnbeutung über ben oorauSfiStliSen 
Snbalt beS VegierungSoorfSIageS, unb eS ift nic^t unmöglich, baß 
im prange anberer unb für bie Regierung oiel mistigerer gefefe- 
geberifSen 2luf gaben ber Plan ber 3looeIIe roieber auf gegeben merben 
roirb. 9UStSbeftoroeniger erfdjeint baS ©efefe einer meiteren fUeuifion 
reSt bringenb bebürftig. 2)as beftänbig maSfenbe fogiale PfliSt* 


bemufetfein innerhalb beS ©emeinmefenS immer mef)r gemiffe 
©eftimmungen unb Porfebrungen geltenber ©efefee für un 3 uläng* 
liS- ®as u fommt, bafe ein großer Sbeil ber Öabrifgefebgebung 
ber iüngften 33ergangen|eit nur ben ©b^rafter non Serfucbert auf^ 
roieS unb baber ergänzt merben mufe, fobalb bie ©rfabrung be* 
roiefen bot in melSen 9ltStungen man am leiSteften unb ficberften 
fortfSteilen fann. 

^etraSten mir beifpielSroeife einige ber 3äHe, in roelSen aus 
biefem ober jenem ©runbe eine erneute ©efefegebung b*ute notb* 
menbig ift. 3)a finben mir gunäSft unter ben b cy te oeralteten 
SSorfStiften bie ©rlaubnife ber Permenbung oon ^albseit^ 
arbeitern, b. b- ^finber im fSulpfliStigen SUter, benen auf 
©runb eines äqtliSen 3 e ugniffeS geftattet roirb, einen bul&en 
in einer gfabrif ober ©Jerfftatt unter ber Üöebingung gu arbeiten, 
bafe fie ben anberen halben Sag bie ©>S u l e befuSen. 0eit langen 
Sabren roaSft bie 3 a bi ber protefte gegen bies 0^ftem fort* 
roäbrenb. ©S beftebt namentliS in ben Seytilgeroerben, unb feine 
üblen aBirlungeit b a &en niSt nur in einer 6Säbigung ber ©e* 
funbbeit, einer Hemmung beS aßaSStbumS, einer ÜBeraubung biefer 
jungen 2Sefen oon 11—13 fahren binfiS^iS ber 3Bobitbaten einer 
regelmäßigen ©rgiebung mäbrenb einer befoitberS bebeutfamen 3eit 
ihres öebenS beftanben, fonbern bie $inber fiitb auS oielfaS einer 
oerbältnißmäßig größeren 3 a bl nun Unfällen auSgefeßt als irgenb 
eine anbere ?lrbeiterflaffe in benfelben ©eroerben 1 ). 9liStSbefto* 
roeniger batten bie Unternehmer bis jeßt bie UnentbebrliSfeit ber 
SSeiterbefSäftigung biefer Äinber betont, unb bie ©Itern haben nur 
gu oft begierig eine SSermebrung ihres Samilieneinfommens auf 
biefe aSeife ohne SlücffiSt auf bie folgen für ihre $inber gu er* 
reifen gefuSt. ©lücfliSermeife aber ftnb mir jeßt boS in einem 
0 tabium angelangt, roo ein aßanbel mögliS ift- 0S°n feit 1890 
ift eine ftänbige unb regelmäßige Abnahme ber befSäftigten §>alb* 
jeitarbeiter gu oergeiSnen. 3m Ießtcn 33eriSt bcr Sabriftnfpefiorett 
fteHen fte ausnahmslos bie ftänbige Slbnabme ber §albgeitarbeiter 2 ) 
feft; in einigen ©egirfen fanben fie biefe klaffe jeßt bereits „tbat* 
fäSIiS oerfSmunben". SieS geigt flar, baß es ben Unternehmern 
niSt mehr fo uncrläßliS unb fo einträgliS erfSeint, fte in bem 
früheren Umfange gu oerroenben. Slnbererfeits haben bie aotit* 
glieber ber SeytilgeroerffSaften SlngefiStS beS oon innen unb oon 
außen her maSfenben aßiberfpruS$ gegen biefeS 0pftem neuer* 
bingS befStoffen, baß feine $lbfSaffung notbroenbig fei, unb fiS 
gu biefem 3mecf mit einer gur ©rreiefjung ber SlbfSaffung be* 
grünbeten Bereinigung gufammengetban. Unter biefen Umftänbeit 
finb mir gu ber §>offnung berechtigt, baß bie SRooeHe beS fyabrif* 
gefeßeS eine oouftänbige ©efeitiguug biefer flägliSen ©inriStung 
enthalten roirb. Sie Annahme beS bt era uf abgielenben Antrags 
SRobfon 3 ) am 1. 5Dlärg im Unterbaufe fann biefe ©rroartung nur 
beftärfen. 

ferner mirb man boffcntliS halb in ber Sage fein, bie ©e* 
ftimmungen beS ©efeßeS oon 1895 über bie Ventilation unb 


l ) ©gl. bie SabeHen unb bic ©emerfnngeit bagu in bem ©ericfit 
beS Cbief Iospector of factories 1896 ©. 8 (c. 85,61. 1897). 

*) ibid. e. 53. 

3 ) ©gl. „@oj. praytS" 0p. 626. 















915 


©ogiale PrajiS. Eentralblatt für ©ogialpolitiF. Str. 34. 


916 


ben Sßinimal-ßuftraum für ben eingelnen Arbeiter in gabriFen 
unb ©toFftätten gu ergänzen. 3>aS ©efefe fdjreibt einen SJtinimal- 
Luftraum oon 250 StubiFfufe (engl.) = ca. 7 ShtbiFmeter pro SFopf 
roährenb ber gewöhnlichen ArbeitSgeit unb 400 SlubiFfufe (engl.) 
= ca. 11 $ubiFmeter roährenb etwaiger Ueberftunben oor. S£)ieS 
ift ein recht niebrigeS SRafe unb bie 6ad)üerftänbigen ftnb ft<h ba* 
rüber einig, bafe ein langer Aufenthalt in mangelhaft oentilirten 
©krFftätten bei einem fo geringen gur Verfügung ftehenben ßuft- 
raum für bie Arbeiter unb fpegiell für grauen gefunbheitSgefährlich 
ift. gerner erfdjeinen ©eftimmungen nothroenbtg, bie bie fofortige 
(Einführung oon ©djufcbecfeln an ben ©öebefchiffchen 
aller ©kbftühle anorbnen. 3ur 3*it fc^cint allerbingS ein geroiffer 
3meifel gu beftehen, ob eS möglich fein roirb, biefe ©chufemaferegeln 
gefefelid) anguorbtten, unb oiele Xaufenbe oon SBebfiühlen finb noch 
ohne ©chufeoorfehrungen, obgleich bei ber ftänbig gunebmenben 
©etriebsgefchroinbigFeit ber SBebftühle bie 3ahl ber jährlich oer- 
geichneten Unfälle an ben ©*ebef<hiffd)en angefid^tö beS gehlenS 
biefer ©chufeoorrichtungen rapibe roäcfeft. $)abei mären fie alle 
leicht gu oermeiben unb man müfete bemgemäfe unoergüglich ein- 
fchreiten. 4 ) ©chliefelich fcfjeint es gleichfalls nöthig, gefefelidse 
©orfehrungen gegen bie Gefahren, ber als Betriebs* ober 
£eu<httraft oermanbten EleFtricität gu treffen, ba ihre ©er- 
roenbung nunmehr bereits einen breiten Staunt einnimmt. igd) 
roünfchie, ich Fönnte meine Hoffnung auch auf ein Eingreifen gu 
©unften ber gahlreichen unb begrünbeten ©efeferoerben ber 2 oben¬ 
an ge ft eilten auSbehnen. Seiber aber ftnb fie bisher noch nie in 
ben Bereich ber gabrifgefefegebung einbegogen unb es fcheint 
feinerlei ©erbefferung beS traurig ungenügenden ©efefceS über bie 
©efcfeäftsftunben für Säben oon 1892 (shop hours legislation acts) 
für biefe ©effion in AuSfid)t gu ftehen. 

©kttben mir uns oon benjenigen ©eftimmungen ber aeltenben 
©efefegebung, bie oeraltet finb, gu ben gefefegeberifchen ©erfaßen 
ber lefeten gahre, fo ift auch hier ein reifes gelb für oerbeffernbe 
ShntigFeit oorhanben. 

ErftenS hinfichtlid) ber lebenSgefährbenben ©eroerbe. 
Unleugbar tragen bie bisherigen SRafenahnten betreffs biefeS 
©cgenftanbeS nur ben EharaFter oon ©erfuchen. ©iS 1883 hat 
man überhaupt bas ©ebürfnife nach einem befonberen Einfehreiten 
in gällen, too ber betrieb eines ©emerbeS mit ßcbenSgefäljrbung 
oerfniipft ift, nicht anerfannt. damals mürbe bie Eintragung oon 
©leiroeifefabriFen in ein befoitbereS Stegifter unb bie Einführung 
fpegieller ©orfeferiften für biefelben oerorbnet. Es folgte bas ©efefe 
oon 1891, beffen eiitfchlägige ©eftimmungen über bie lebenS- 
gefährbenben ©eroerbe ben ©taatsfefretär beS gnnern ermächtigten, 
befonbere ©orfeferiften für jebeS ©eroerbe, bas er für gefährlich 
erflärt, gu erlaffen. &odj hat eS bisher nur eine fehr fpärlicfee 
Anroettbung gefunben. ©on 1891—1893 rourben bie betreffenben 
©orfdjrifteit überhaupt nicht gur Anroenbung gebracht. 1893 er¬ 
nannte bann bie liberale Regierung eine „SEinifierialFomiitiffton 
für gefährliche ©eroerbe". SDiefe oeranftaltete eine forgfältige 
Prüfung ber ©erhältniffe oon 16 gnbufirien. ®rei baoon rourben 
als nidjt befonberS gefährlich alsbalb aufeer ©etraefei gelaffen, bie 
anbereu 13 rourben für gefährlich erflärt unb eilte Steüje oon 
©onberoorfdjriftett für fie in ©orfcfelag gebracht, gebodj hat baS 
SKinifterium beS gnnern bisher nur groet oon ihnen 5 ) für gefähr¬ 
lich erflärt unb ©pegialbeftimmungen nnterroorfen. 

©Soran liegt biefe Unthätigfeit? $E)er ©runb beruht in bem 
©efefe felbft, roelcfecS oerorbnet, bafe roenti ein ©eroerbe für gefähr¬ 
lich erflärt unb ©otiberbeftimmungen erlaffen finb, jeber Unter¬ 
nehmer in bem ©eroerbe bie Iefeteren anfechten unb Abänberitngen 
oorfcfelagen barf. 3>aS SJtinifterium beS gttnern ift oerpflicfetet, 
bie Einsprüche eutgegengunehmen unb bie ©orfcfeläge gu prüfen, 
©kntt fie abgelehnt roerben, barf ber Unternehmer einen ©efeiebs- 
fpruefe gur ©erättbentitg ober ©efeitigitng ber ©orfeferiften anrufen. 
$aS Ergebnis biefer lächerlichen ©ehaitblungSart ift, bafe in allen 
gälten, nt benen ©onberoorfeferiften erlaffen roerben, biefer ober 
jener Unternehmer Einspruch erhebt. S>ann Schliefet baS SKinifterium 
beS Innern, um nur ja bie SJtüfeen, Unfoften unb ©ergögerungen 
eines ©djiebSücrfaferenS gu fparen, einen Etomprontife burd) Ab- 
änberung ber angefochtenen Bestimmungen unb bamit roerben bie 
CTonbcroorfchriften fo lange oerroäffert, bis ihre 3 rc ecfmäfeigFeit 

x ) it'id. ©. 15—1H. 

5 ) dämlich öte Auffüllung oon fohlenfaurent SSaffcr unb btc 
^ulfautfirung oon ftmnnti mittelfl boppclfcf)iocfcllaurcr «ol)Ie. SeS 
Ajeiteren finb bann allcrbings bret ©eroerbe für gefährlich erflärt unb 
©pegialbeftiuimimgen ohne Borfrfjläge ber üDJtuifierialfomnttffion unter- 
uvurfen, uüe 3ünbholgfabrifatiou, baS ÜBoIlfortiren unb baS SRifrfjcu 
unb C'üefjeu uon jAefftug, Äanoncuinetall u. f. w. 


gerabegu iKuforifch roirb. 5lüerbingS fönnen fie auch f° DOn 
einem geroiffen geringen SRufeen feilt, aber bie Berichte ber gabrif* 
infpeftoren geigen ipre SöirfuitgSloftgFeit in praxi flar. 6 ) 3)ann 
befteht h^r ein fernerer Uebelftanb. 2)ie Xhatfadhe, bafe bie 35er* 
orbnungen oorauSfuhtlidh fo oiel 'Biberftanb finben unb bemgemäfj 
fo bebeutungSloS roerben, nimmt bem SDUnifterium beS gmtern bic 
Neigung, fie auf anbere ©eroerbe auSgubehnen. ®aS ift groeifelloö 
ber ©runb, roarum nur 2 oon ben 13 gu befonberer gürforge 
burch bie 3Rinifterialfommiffion oorgefchlagenen ©eroerbe bisher 
in biefer ^Richtung herangegogen finb. Es ift burchauS nothroenbig, 
bafe baS Stecht ber Unternehmer, ein ©chiebSgericfet gegen bie 33or- 
feferiften augurufen, Befeitigt roirb. 2)ie Erfahrung h a * geleB^t, 
bafe feine SBeibeijaltung ber Ergielung irgenb roelchen gortfehritts 
in ben SBeftrebungen, bie Slrbeiter in lebenSgefährbenben ©eroerben 
gu fchüfeen, oerhängnifeooll roirb. Ein berartigeS Stecht befiehl für 
bie Unternehmer ^inftd^tlidh Feiner eingigen atiberen 23eftimmung 
ber gabrifgefefegebung. ^)er SKinifter beS gnnern unb feine fad)® 
oerftänbigen Stathgeber finb gang geroife einfichtSooH genug, ber* 
artige 2$erorbnungen ohne EinfprudfeSmöglichFeit gu erlaffen unb 
bie Unternehmer ihrerfeits finb hinlänglich ftarF in beiben Käufern 
beS Parlaments oertreten, um eine Slnroenbung biefer SDtacht* 
befugniffe ohne ungebührliche (Strenge ober UngerechtigFeit gu 
fid)ern. 7 ) 

gerner bebarf bie ©efefegebung über bie Heimarbeiter 
bringenb ber Ergängung. S)ie Heimarbeiter (home workers) ober 
Slufeenarbeiter (out workers), roie fie genannt roerben, rourben guerft 
in baS ©efefe oon 1891 einbegogen, roelcheS ben SRinifter beS 
gnnern ermächtigte, oon ben Unternehmern aller ©eroerbe bie 
gtihntng unb Beibringung einer £ifte mit ben Stauten uttb Slbrcffen 
aller berjenigen Perfonett gu oerlangen, an roelcfec fie Slrbeit gur 
Ausführung aufeerhalb ihrer ©efchäftSräume auSthun. ®iefe Be¬ 
fugniffe rourben burch baS ©efefe oon 1895 auSgebehnt, in bem 
ber SJtinifter beS gnnern ermächtigt rourbe, oermittelft Perfügutig 
für ein ©eroerbe ober Steile eines ©eroerbeS iiberatt iit jebem be¬ 
liebigen ®iftriFte bie Aufeenarbeiter ben fanitären ©chufebeftimmungen 
ber gabriFgefefce gu unterftetlen. 23iSher finb foI<he SSerorbnunaen 
für oier ©eroerbe in eingelnen SanbeStheilen erlaffeit: baS Be- 
FleibungSgeroerbe, baS ©aloaniftrungSoerfahren, 6chranf- unb 
SRöbelfabriFation unb baS polflerg.eroerbe foroie biegdlenfabritaiion. 
Aber auch h^r ift gu £age getreten, bafe baS ©efefe in feiner 
jefeigeit ©efialt oon fehr roenig Stufeen ift. Es oerorbnet, bafe, 
roenn nach Erlafe ber S9eftimmungen bie gnfpeftoren Aufeenarbeiter 
an Pläfeen ober unter SSerhältniffen, bie gefunbheitsfd)äblich ober 
-gefährbenb erfdjeinen, bei ber Arbeit finben, fie bem Unternehmer, 
roeld)er bie Arbeit auSthut, eine Tarnung gu erteilen ha^^n; 
roenn bann nach SDtonatsfrifi ber Arbeiter an bemfelben plafee ober 
unter gleid)en ArbeitSbebingungen roieber angetroffen roirb, ift ein 
©erfahren gegen ben Unternehmer einguleiten. Aber gerabe biefe 
©eftimmung hinsichtlich ber einmouatÜchen ©erroarnung mad)t baS 
©efefe thatfächlid) bebeutungSloS. ^ie Aufeenarbeiter ftnb in ber 
Siegel bie Aermften ber Armen; fie leben in ben fdjauberhafteften 
6 pelutiFen unb giehen leicht unb fchnett oon ©pelunFe gu 0pelunFe 
um. ®ie golge ift, bafe fie, roenn ber gnfpeFtor fie aufgefutibeit 
unb bie SRittheilung erlaffen h^t, bafe ihre SebenSbebinguitgen ge¬ 
fährlich finb, unmittelbar aitSgiehen. Qhre neue SSohnftätte ift 
ebenfo fdjlecht roie bie bisherige. SUcfetSbeftoroeniger nuife nadf) 
bem abermaligen ©efuch roieberum eine einmonatltche ©Tarnung 
ertheilt roerben unb ingroifd)en giehen fie gu ihrer urfprünglichett 
SBohnftätte gurücf ober finben roieber eine neue @pelunFe, 'roorin 
fie häufen Fönnen. ä'urg, ber gange ©organa ift nicht oiel mehr 
als eine Slotnöbie, unb es ift fraglich, ui^h^r gu einem ge¬ 

richtlichen ©erfahren überhaupt gcFommen ift. i)ie S^ooelle mufe 
unter allen Umftänben ein unmittelbares gerichtliches Einfcfereiten 
gegen bie Unternehmer oorfefeen. ©ofem ©eftinttnungen barin 
Aufnahme finben, entfprechenb jenen, bie fo überaus günstig bei 
ben Aufeenarbeitern in 5RiethSFaferncn-©3erFftätten aeroirft haben^ 
roo bie ©erantroortung für bie gefunbheitlich unb fonft angemeffenen 
3uftänbe bem Eigentpümer ber öoFalität, in roeldjer bie Slrbeit 
gefefeieht, gugefchoben roirb, Fönnte man halb eine erhebliche ©er- 
befferung beS fiofeS ber Aufeenarbeiter ergielen. 

®aS finb einige ber Stillungen, in welchen bie greunbe ber 
gabrifgefefegebung unb ihrer Ausführung ^Reformen erwarten, ^er 


6 ) ©gl. fpegiell bie ©cricfjtc ber Herren ftnijoett (©cgir! ©irming- 
Ijaiu) itnb Hüd (®cgir! ber Stafforbfhirc-^öpfcrci) a. a! D. 6. 27 u. 29. 

7 ) Die Sieporttf über bie ©leiocrgiftungcn in ber ferantifd^en gn- 
buftrie unb bie PboSpbomefrofe in ber 3ünbboIgfabri!atton ftnb in ber 
„3og. prariv" 3p. 882 fdjon erwähnt worben. $ie Sieb. 



917 


©ogtole $rajts. dentralblatt für ©ogtalpolittf. 9h:. 34. 


©egenftanb ift bamit feineSwegS erfchöpft, bodE) ftnb bie meiften 
bcr Tt»id)tigcrcn fünfte, welche $ur 3«* fpnuhreif ftnb, Berührt. 
®ic öffentliche Meinung ift auf etnen Ausbau unb eine Verbefferung 
bcr ^abrifgefepgebung oorbereitet; wenn bie beseitige Regierung 
überhaupt geneigt ift, ben ©egenftanb in Angriff gu neunten, wirb 
fic faurn irgenb welche nennenSwerthe ©egnerfdpaft non Bebeutung 
gu befürchten Baben. 

ßonbon. 8. ©. ©alton. 


Bie obltgatorifdje Anrufung be? ®rnitrbegtrid)te 
ol*. (Eintgtutpamt in Ärbeitehämpfen. 


©ie Bereits erwähnt, ^at bie für bie BeratBung oon Wb* 
änberungen beS ©ewerbegerichtSgefepeS eingefepe WeichStagS- 
fommiffion befcploffen, folgenben neuen §. 62a eingufügen: 

drfolgt bie Anrufung nur oon ©eiten einer gartet, fo Bat ber 
3*orftpenbe pieroon einer ober mehreren ber ihm als Vertrauensmänner 
ber anberen gartet Befannten Verfonen Äemttnip gu geben unb gugleich 
nacB Vtöglicpfeit baBin gu wirfen, bap auch bie anbere Partei fic§ gur 
Anrufung beS dinigungSamteS Bereit finbet. 

Auch in anberen §äUen foü ber Vorftpenbe Bei ©treitigfeiten ber 
im §. 61 begegneten Art auf bie Anrufung ber dinigungSamter pin- 
guroirfen fu<pen unb btefelBe ben ^arteten Bei geeigneter Veranlaffung 
naBe legen. 

% er Vorftpenbe ift Befugt, an ben ©treitigfeiten BetBeiligte Verfonen 
oorgulaben unb gu oemeBmen. dr !ann pieroei für ben Saft be$ SRidEjt* 
erfcpeinenS eine ©elbftrafe Bis gu 100 Jf. anbroBen. ©egen bie geft* 
fepung ber ©träfe finbet Veftpwerbe natB ben Veftimmungen ber dioil- 
progeporbnung ftatt. ' 

Beoor wir auf biefe Anträge ber ftommiffton näher eingeBen, 
wollen mir an ber #anb ber bisher geltenden gefeplichen Be- 
ftimmungen beren ©irfung in ber ^ßrayis feftfteüen, bereu Mängel 
beleuchten unb aisbann unterfudpen, ob ber eingufcpaltenbe §. 62 a 
bie notpwenbig geworbene Abpülfe fcBafft. 

3 m ©efep über bie ©ewerbegeriepte oom 29. 3uli 1890 mürben 
audfj Veftimmungen über bie £pätigfeit ber ©eroerbegeridBte als 
dinigungsamt getroffen. §. 61 Beftimmt: 

£aS ©emerBegericBt fann in gatten oon ©treitigfeiten, roelcBe 
gwifepen Arbeitgebern unb Arbeitern über bie Vebingungen ber gort* 
fepung ober SBieberaufttapme beS ArbeitSoerpältniffeS entfteBen, als 
dinigungsamt angcrufen werben. 

§. 62 lautet: 

$>er Anrufung ift golge gu geben, wenn fte oon Beiben $peilen 
erfolgt unb bie BetBeiügten Arbeiter unb Arbeitgeber — leptere, fofern 
tpre 3apl meBr als brei beträgt — Vertreter beftetten, welche mit ber 
Verpanblung oor bem dinigungsamt beauftragt werben. 

$)ie Raffung biefer Beiben Varagrappen erfdpwert ein recht¬ 
zeitiges, wirffameS dingreifen beS @ewerbegeri<BteS als dinigungs¬ 
amt in Böthfam SRape. ©enn eS Beipen würbe, „baS ©ewerbe- 
gericht mup angerufen werben", bann würbe Bei jebetn bropenben 
ober auSgebrochcnen AuSftanbe ber 3mang für bie ©treitenben 
oortiegen, baS ©ewerbegeriebt gu erfucBen, oermittelnb eingu- 
fcBreiten unb bie im AuSftanbe befinbltdpen Arbeitgeber unb Arbeiter 
fofort gur geftfteHuna beS SpatbeftanbeS oor fein gorum gu 
laben. &urch baS pierburch 3 ur ?fli^t geworbene dingreifen beS 
©ewerbegerichts würbe oor allen Gingen einem Utnficf)greifen beS 
AuSftanbeS oorgebeugt werben, ber bann, wie Bei einem Branbc 
burdE) dinfdBreiten ber geuerwepr, auf einen engen SrieiS befdpränft 
bleiben würbe. dS würbe ein UeberpanbneBmen ber gegenfeitigen 
Seinbfeligfeiten unb Vepreffalien oermieben, fowie bie Verbitterung 
bcr ftreitenben Varieien. @8 würbe aber aucB, unb bieS ift Be» 
fonberS gu beachten, ben Agitatoren bic ©öglidpfeit Benommen, 
burdE) £>epen anb Aufreigen bauemben 3miefpalt gwifcBen Arbeit¬ 
geber unb Arbeiter gu fäen. ©an würbe weber oon gewiffen Ar¬ 
beitgebern baS ©dplagwort: „3B* SRejBt eigenen $aufe 

gu fein," fei BebroBt, no«B oon Arbeitern baS ©egenwort: „@ie 
wären ben AuSfaugungen ber Arbeitgeber recBtloS überantwortet," 
gu Boren belommen. 

®ur<B ben drfap beS 3öört<BenS „mup" an ©teile beS „!ann" 
in §. 61 würbe auebbie Beftimmung beS §. 62, bafj beibe ^Beilc 
anrufen müffen, hinfällig werben. ^)aburdB würbe baS ©efep 
für bie allgenteine SBoBlfaBrt unb inSbefonbere ber Snbuftrie nup- 
Bringenb auSgeftaltet werben. ®ie 23eBauptung ber ©egnet ber 
©ewerBegeri(Bte als dinigungsamt grünbet ft<B in ber £>aupifacBe 
barauf, bafe bie diniaungSämter fo wenig Bislang angerufen 
worben feien. $)amit fei erwiefen, ba& biefe Snftitution oerfeBU 
wäre. dS wirb babei oerfcBmiegen, bap in ber unpraftifdBen 


918 


Raffung ber §§.61 unb 62 ber Bouptfä<BKd) c ®runb für biefen 
SRangel gu fud^en fei. Sßenn bie ©emerbegericBte ftcB Bei allen 
AuSftänben lebiglidp ftreng an ben ©ortlaut ber §§. 61 unb 62 
geBalten Bütten, bann würben audp bie oerBältnipmäpig wenigen 
Anrufungen beS dinigungSamteS fcBmerlidE) erfolgt fein, wie burdB 
nadpfteBcnbe prägnante Satt«/ bie ftcB in ben jungften 3<*B r *n i* 1 
Berlin ereignet Baben, erwiefen wirb. 

Anfang 1896 Bradp ber grope AuSftanb ber ÄonfeftionS- 
arBeiter aus, an bem etwa 60 000 Arbeiter unb Arbeiterinnen, 
in Berlin unb Umgegenb BetBeiligt waren. dS mar weber Bei ben 
Arbeitgebern nodB ben Arbeitern eine ©eneigtBeit oorBanben, baS 
©eweroegeri(Bt als dinigungsamt angurufen. dagegen gelang 
es burep prioate UnterBanblungen mit Beiben Parteien, eine 
gemeinfame Anrufung B^BeigufüBren. $>urcB eintägige BerBanb* 
lung oor bem ©emerBegeridE)t würbe ber grope AuSftanb prooi- 
foriftB Beigelegt, ©enn bie baran gefnüpften drwartungen nicht 
in drfüUung gegangen ftnb, bann ift bieS nicht einem BerfdEjulben 
beS dtnigungSamteS gugn[(BreiBen, baS in fünf 9Jhmate bauember, 
angeftrengter Xfiätigfeit feines Amtes waltete, fonbern nur ben Be- 
tBetligten Arbeitgebern, bie, wie ft<B fpäter B erfl aSftelIte, baS 
dinigungsamt gu bem 3mecfe mipbraucBten, burdE) feine Snter- 
oention eine fdEjneHe Beilegung beS AuSftanbeS B^cBeigufüBren, um 
burdE) ©ieberaufnaBme ber Arbeiten bie günftiae ©aifon auS- 
gunupen unb alsbann burdp einen unerBörten ©ortbrudE) bie Arbeiter 
um bte drrungenfcBaften beS AuSftanbeS gu Bringen. 

AIS im 9Rai 1896 burtB bie 9Jtoifeier ein AuSftanb in ber 
©olIButbrandEje entftanb, ba waren moBl bie Arbeiter geneigt, 
baS ©emerBegericBt angurufen, bagegen leBnten bie BetBeiligten 
Arbeitgeber febe Bermütelung fchroff ab. ©ieS war um fo un- 
oerftänblidEjer, als im gebruar beffelben 3&BreS Bie Arbeitgeber Bei 
einem AuSftanbe in ben fämmtlicBen Berliner Betrieben biefer 
Brande gern bie Vermittelung angenommen Batten unb burdE) baS 
dinigungsamt bamalS nadp adjfttünbiger BerBanblung ber AuS¬ 
ftanb Betgelegt worben war. ©ie fich fpäter geigte, B°t int 9Rai 
1896 ber BerBanb biefer Arbeitgeber nur beSBalb baS dinigujtgS- 
amt nicht angerufen, weil er bie (Gelegenheit Benupen wollte, oie 
Arbeiter gu gmingen, aus ber Drganifation ber ^utmacBerarbeiter 
auSgutreten. dr Bat bieS baburdE) erreicht, bap er tBatfäcBlich nur 
folthe Arbeiter einftellte, bie fcBriftlidfj auf dprenwort erflärten, bem 
gadEjoereine ber §utmad^er nicht angugehören ober fofort aus bem- 
felben auSgutreten. $)ie Herren Begrünbeten ihr Verfahren bamit, 
bap fte fortan „Herren im eigenen §aufe fein wollten," unb burdE) 
baS Vorgehen Ber Arbeiter gu biefen ©apnahmen gegmungen 
worben feien. Snwiefern bie Arbeiter fich 9tecf)te angemapt Batten, 
bie mit ben Rechten ber Arbeitgeber foüibirten, xft Bis gum hantigen 
2 ^age ber ^enntnip weiterer Greife oorenthalten geblieben. ^aS 
gernbleiben ber Arbeiter oon ber Arbeit am 1. Sttai, baS wir 
ewip nicht Billigen, !ann hoch nicht als (Eingriff in baS $auSrecht 
er Arbeitgeber Betrachtet werben, ©ürbe bie Anrufung beS 
dinigungSamteS obligatorifch fein, bann würbe folgen Uebergriffen 
fowohl oon Arbeitgebern als auch Arbeitern fdEjon im dntftchen 
wirffam gefteuert werben fönnen. 

3m £odbfommer 1897 gab es in Berlin innerhalb beS Ver- 
BanbeS beutfeher ©etallinbuftrieller einen monatelangen AuS¬ 
ftanb, in bem auf Beiben ©eiten grope drbitterung Bcrrfdt)te. Alle 
Anerbietungen beS ©ewerbegerichts, oermittelnb eingugreifen, würben 
oon ben Arbeitgebern feproff gurüefgewiefen. Auch tu biefem 3alk 
war es ber prioaten 3nteroention oorbehalten, ben mapgeBenben 
Vcrfönlichfeiten in Arbeitgeberfreifen flar gu machen, bap, ehe fte 
ihre Drohung, bie in Berlin BefdE)äftigten 60 000 Arbeiter biefer 
Branche auSgufperren, wirflicp gur Ausführung brächten, fie hoch 
wenigftenS ber Allgemeinheit gegenüber bie Verpflichtung Batten, 
oor oem unparteiifchen gorurn beS dinigungSamteS bie ©rünbe, 
bie fie gum AuSftanbe unb gur Verhängung ber Arbeitsfperre ge¬ 
führt Baben, öffentlich flar gu legen. SRadj breiwöchentlichen Vor- 
oerhanblungen trat baS dinigungsamt gufammen, legte nach gwei- 
tägigen Verhanblungen ben AuSftanb bei, unb bis gum B^wtifi^» 
Xage ift ber Örieben in ben ©erfftätten beS VerbanbeS Der 
beutfehen ©etaHinbuftrieHen erhalten. 

©ie nothwenbig bie dinführung ber obligatorifchen Anrufung 
beS dinigungSamteS ift, Bat fich erft jüngft wiebet beim AuSftanb 
ber ©eper oeS „Berliner ßofal-AngeigerS" ergeben, ^er 
Verleger biefer hatte fich oon feinen ©epern unb Bud)= 

brurfern einen VeoerS untergeichnen laffen, wonach biefe fich ocr= 
pflidpteten, währenb ber $auer ihres ArbeitSoerhältniffeS in feiner 
IDffigin ber Drganifation beS VerbanbeS beutfeher Vuchbrurfcr unb 
©chriftfeper nicht angugehören. Auf ©runb biefcs VeoerfeS bat 
nun ber Verleger im 3anuar b. 3- einige ©eper entlaffen, weil fie 



919 


Sogiale $rajig. ©entralblatt für Sogialpolttif. Kr. 34. 


920 


ofene feine ©rlaubniß eine Verfatnmlung abgefealten Ratten, um 
über Sibfc^affung einiger Sißftänbe gu beraten. 3« Solge beffen 
legten 88 Sefeer, baoon ein Tfecil unter $ontraftbruefe, bie Arbeit 
nieber. Tie mieberfeolt angebotene Vermittelung beg ©eroerbe- 
gerid^te mürbe abgetefent. ©rft ttaefe feefeg SBocfjen gelang eg ber 
Vrioatoermittelung eine« Sitgliebeg be§ ©eroerbegeriefetg, eine 
Einigung groifefeen bem Verleger unb bem Vorftanbe beutfe^er 
VucfeDruaer unb Scferiftfefeer baourefe feerbeigufüferen, baß ber Ver¬ 
leger ben Aeoerg fallen liefe unb ben Verbanb anerfannte. Sären 
bie Parteien genötigt geroefen, fofort bag ©inigunggamt angurufen, 
bann mürben in einer furzen Verfeanblung bie Strcitpunfte flar- 
gelegt unb bie Augfpernmg oon gafelreiefeen Arbeitgroilligen, bie 
gum grofeen X^eile fefeon 8 big 10 Safere in biefer Dffigin ge* 
arbeitet featten, oerfeinbert roorben fein. 

Vei ben ftanalifationg- unb Safferroerfen beg Sa- 
giftratg finb im lefeten 3 aferc mieberfeolt angebliefe Arbeiter megen 
iferer 3 u 9 e feöngfeit gur Drganifation gemaferegelt unb entlaffen 
morben. Tie Arbeiter feaben begfealb bag ©eroerbegeriefet alg 
©inigunggamt angerufen, ber Sagiftrat feat jeboefe naefe längerer 
3 eit abgelefent, ber Anrufung Solge gu geben, inbem er einfadfe 
erflärte, bafe fein Arbeiter megen ferner 3 ugefeörigfeit gur Drgani- 
fation gemaferegelt roerben bürfe. Sir feaben ferne Veranlagung, 
gu begroeifeln, bafe eg bem Sagiftrat ernft ift, bag Sloalitiongreefet 
ber Arbeiter gu aefeten. Aber gerabe meil bieg ber gall, marum 
meigert er fi(fe, in feiner ©igenfefeaft alg grofeer Arbeitgeber oor 
bem unparteüfefeen gforum beg ©eroerbegeriefetg, beffen Vorfifeenbe 
er felbft gu ernennen feat, gu erfefeeinen, um feftftellen gu laffen, bafe 
tfeatfäifelidfe nur liebergriffe eingelner feiner Veamten oorlagen, mie 
fte ja in jebem gröfeeren Vetriebe einmal oorfommen fönnen? 
Sarunx meigert ber Sagiftrat ber £auptftabt beg Teutfefeen Aeicfeeg 
fiefe, öffentlich Anfflärung barüber gu geben, bafe ben in angemeffener 
Seife oon ben Arbeitern eingereiefeten Vefeferoerben, mie biefe glaub¬ 
haft behaupten, feäufig niefet einmal ein Vefcfeeib gu Tfeeil mirb, 
fonbem bafe bie ifem unterteilten Veamten furger £>anb bie Unter¬ 
gebner berartiger Vefcferoerbefchriften maferegeln unb entlaffen? 
.fiat ber Sagiftrat ber Stabt Verlin benn fefeon oergeffen, bafe bag 
©eroerbegeriefet alg Ginigunggamt im Dftober 1896 burefe feine 
Tfeätigfeit ben brofeenben Augftanb ber ©agarbeiter oerfeinberte, 
fennt er benn bie in feinem Kamen feerauggeqebenen Safereg- 
beriefete biefer Snftitution fo roenig, bafe er glaufet, (Streitigfeiten 
groifefeen ifem unb feinen Arbeitern niefet am fcfenettften unb roirf- 
famften oor biefem Sorurn augtraejen gu fönneu? Sill ber Sa- 
giftrat ber Stabt Verlin burefe fein Verfahren burefeaug bie Un- 
gufriebenfeeit ber oon ifem befefeäftigten Arbeiter oermeferen unb ben 
Sogialbemofraten neue Anhänger gufüferen? 

kommen mir nun gur llnterfucfeung über bie 3 roecfmäfeigfeit 
beg Snfealtcg ber Veftintmungen beg neu beantragten §. 62 a, fo 
müffen mir oor allen Gingen feftftellen, bafe bag, mag bie beiben 
erften Abfäfee enthalten, bereits feit Saferen in ber oon 

eingelnen ©emerbegeriefeten geübt mirb: Ter Vorfifeenbe eineg ©e- 
merbegeriefetg, ber märtet, big feeibe ftreitenben Parteien bag ©e- 
merbegeriefet anrufen, mirb fcfemerlicfe jernalg in bie Sage fommen, 
oermittelub in Aftion gu treten. Senn erft beibe Parteien bereit finb 
angurufen, gefefeiefet bieg niefet im Anfänge eineg Augftanbeg, fonbern 
erft bann, menn fte naefe langem Kampfe erfcfeöpft fiefe enblitfe nacfe 
Aufee unb Stieben fefenen. Aucfe finb bie im §. 62a in ben beiben 
erften Abfäfeen gegebenen Veftitmnungeu gu eng gefafet unb er¬ 
innern gu febr an ben bureaufratifefeen ©efcfeäftggang; eg fefelt ber 
©eift ber fcfenellen unb freien Gntfefetiefeung. tiefer fann tn SäHen, 
mo fcfenelleg §anbeln allein oiel llnfeeil oerfeiiten fann, nur gum 
Augbrucf fommen, menn bem Vorfifeenbcn Sänner ber 
ftänbig gur Seite ftefeen. Tiefe Art beg Vorgefeeng feat fiefe in 
Verlin beroäfert unb ifer allein finb bie ©rfolge beg Verliiter ©e- 
roerbegeriefetg, bie eg meit über Teutfcfelanbg ©rengen befannt ge¬ 
macht feaben, gu banfeit. ©inem roirfliefeen Vebürfitiß mill bie 
Veftitnmung beg Abfafeeg 3 abfeelfen, leiber trifft fie in ber oor- 
liegenben Raffung niefet bag Aiefetige. ©ine ©elbftrafe big gur 
.pöfee oon 100 , // ift fo geringfügig, bafe oon iferer Anmenbung 
für bie Vrarig ©rfolge niefet gu ermarten finb. Ter Verbanb ber 
Teutfefeen Vfetall - Snbuftriellen g. V. oerpfliefetet burd) feine 
Safeungen feine üJtitgliebcr, unter Vcrmeibung feofeer Monoentional- 
ftrafen, bei Streitigfeiten fiefe nur ben Vefcfeliiffcn beg Vorftanbeg, 
begro. ber Vcrtrauengfommiffion gn fügen. Ter in bereu Safeungcn 
feftgelegte ©runbfafe: „Herren im eigenen vmitfe gu fein unb gu 
bleiben" läfet eine ©inmifefeung britter $erfonen niefet gu. Seher 
ber beteiligten ©roßiubuftricllen mirb gern bie feöefefte Strafe oon 
100 t //. gafelcn, um baburefe bem ©eroerbegeriefet fern bleiben gn 
fönneu. Tic Strafe für bag Kiefeterfefeeinen miifete alfo oiel feofeer 


normirt unb mit ber Saßgabe feftgefefet merben, bafe niefet einmal, 
fonbem fo lange mieberfeolt roerben fann, big ber Vorlabung Sfolge 
gegeben mirb. 

Aug allen biefen Augfüferungen erfeellt, bafe bie ©infüferung 
obligatorifefeer ©inigunggämter niefet nur ber roirffamfte 
Sefeufe ber Arbeitgroilligen, fonbem audfe gleiefegeitig ber 
eingige Seg ift, ber gum Stieben gmifdfeen Arbeitgebern 
unb Arbeitnehmern füfert. 

Um aber reefetgeitig bei brofeenben ober auggebroefeenen Arbeitg- 
einftellungen unb Augfperrungen, fomie bei Uneinigfeiten groifefeen 
Unternehmern unb Arbeitern über bie Arbeitsbedingungen ein- 
greifen gu fönnen, rnüfete aug ber 3<*fel ber Veififeer beg ©eroerbe- 
geriefetg ein ftänbig er Augfefeufe oon gleüfe oiel Arbeitgebern 
unb Arbeitnehmern gemäfelt merben, ber alle Vorgänge auf bem 
Arbeitgmarfte oerfolgen mufe unb folefeergeftalt in ber Sage ift, 
gur gegebenen 3*ü oermittelnb eingugreifen; oorfommenben öaOg 
rnüfete er feine Arbeiten bem angurufenben ©inigunggamt unter¬ 
breiten. 

Verlin. D. Seigert. 


3Ulgettteitu gojid- mtb 


^ie Verfeanblnngen über bie „Seutenoife" im prettfeifdfeen 
Abgeorbnetestfeanfe« 

Sn brei Sifeungen roäferenb ber erften $älfte beg SRonatg 
Vfai erlebigte bag preufeifefee Abgeorbnetenfeaug bie 12 Anträge, 
bie bag ©rgebnife Der Sfommiffiongberatfeung über ben Antrag 
©amp unb ©enoffe» (oergl. Sp. 533) maren, in ber £auptfaefee 
burd) unoeränbertc Annahme. Sit Aücffiefet auf bie in ber Sanb* 
roirtfefefeaft feerrfefeenbe Arbeiternotfe mirb banadfe bie Regierung gu 
einer Aeifee gefefegeberifdfeer unb Vcrroaltunggmaferegeln aufgeforbert. 
©ntfpredjenb bem Aeicfegtaggbefcfelufe füll erfteng für ©cfinbemafler, 
Arbcitgoermittler u. f. m. bie Eongeffiougpfliefet, bag Verbot bes 
Vetriebeg biefeg ©emerbcg im llmfeergiefeen unb ifere fefeärfere 
Ueberroaefeung auggefprodfeen roerben. 

Ter gmeite Antrag forbert bie ©rfefemeruug beg Äontrattbruefeg 
a. burefe Veftrafung ber Arbeitgeber unb Stellenoermittler megen 
Verleitung bagu, b. burefe Veftrafung beg Arbeitgeber, roelefecr 
miffentliefe fontraftbriidfeige Arbeiter befefeäftigt, c. burefe ©ittfiiferung 
einer ©rfafepfliefet nad) Analogie ber §§. 124b unb 125 ber ©eroerbe- 
orbnung. Kaefe bem ©efefe oom 24. April 1854 fönnen bag ©efinbe 
unb länblicfee Arbeiter mit einer ©elbftrafe big gu 15 «//£ ober 
einer .?>aftftrafe big gu brei Tagen beftraft roerben, menn fie ofene 
©runb ober ofene gefefemäfeige llrfatfee ben Tienft ober bic Arbeit 
oerlaffen. Sie finb alfo feiertn anberg alg bie geroerbliefeen Arbeiter 
geftellt. ©ine Verfefeärfuitg biefer Strafbeftimmungen, bie geforbert 
mürbe, ging niefet burefe, roofel aber mürbe in bem erften Tfeeil 
biefeg Antrageg augbrüefliefe bie Veftrafung audfe ber „Tienft- 
ober Arbeitggenoffen" megen Verleitung gum Sfontraftbrud) 
aufgenommen. So fefer mir auefe ben ftontraftbrnefe oerurtfeeilen, 
fo erbliefen mir boefe in ber friminelleu Veftrafung beg £ontraft- 
bruefeeg ein Sittel oon äfenliefe fulturmibriger Aidjtuitg, mie bie 
meiter geforbertc Verfügung ber Scfeulgeiten auf bem platten 
Sanbe (^albtaggunterriefet, Soinmerftfeule, Seriengeit) unb bie Ve- 
feferänfung ber greigügigfeit. 

Sunge Sentc unter 18 Saferen foHen nämliefe niefet ofene auo- 
brücfliefee ©euefemigung Derjenigen, unter bereu (oäterlicfeer ober 
oormunbfefeaftlüfeer) ©eroalt fie ftefeen unb niefet ofene ben Kaefe- 
roeig eineg feften Arbeitgoerfeältniffeg aug iferern §eimatfeg- 
orte fortgiefeen bürfen. Tie ©emeinben follen neu Angiefecnbe ab- 
meifen fönnen, menn biefe niefet ben Kaeferoeig einer ben fittlicfeen 
unb fetigienifd)en Anforberungen entfpreefeenben Sofennng erbringen, 
mobei bag Sd^laffteüeuunmefcn gu befeferänfen ift. S^ Verbinbung 
ftefet hiermit bag Verlangen ber ©ittfeferänfung beg bigfeerigen 
Verfafereng, ben Arbeitgmarft burefe (^emäferung oon befonbereu 
Tarifoerbilliguitgen auf meite ©ntfernungen ginn Kaefetfeeil ber 
Sanbmirtfefcfeaft gu oerfefeieben. Tie ©ifcnbafenoermaltung ließ 
bagu erflären, baß fte im Vegriff ftefee, bie Jrage gu unter) uefeen, 
ob bic Arbeitcrrücffafertfarten infofern eingefd)ränft merben fönnen, 
alg fie auf ©ntfernungen über eine gerotffe ©renge feinaug nidn 
mefer auggegeben roerben. ©ine oollftänbige Vefeitigung ber ©e- 
fellftfeaftgfarten für Arbeiter fefeeine ifer untnöglid) gu fein. 

Seiler mirb eine größere Verücffid)tigung ber ©rntegeit ttttb 
beg großen Vebarfg an länblicfeeit Arbeitern in biefer 3 e ü oon 
ber Regierung ocrlangt. Sie fott roäferenb ber ©rntegeit unb 
bringender laubroirtfefefeaftliefeer Arbeiten bie Vefefeäftigung ooit 



921 


6ojialc $rajis. Eeutralblatt für ©ozialpolitif. Rr. 34. 


022 


Arbeitern in ben eigenen betrieben tßunlitft verringern, ben ©traf* 
nollsug banat entrichten, mehr Sforrigenben unb ©trafgefangene 
bei SMiorationSarbeiten unb lanbroirthfchaftUchen Arbeiten be» 
ftäftigen Iaffen, Rtannftaften beS aftioen RHlitärbienfteS beur¬ 
lauben; bie Einziehung ber Referoiften unb Lanbweßrleute gu 
militäriften Hebungen tßunlitft oermeiben unb burcb Reoifion ber 
Dienftoorftriften über bie Vtarftgebührniffe bie Rtannftaften aus 
länblichen Greifen nach ihrem $eunath$* ober ©eftellungsort ent* 
Iaffen. Die Erweiterung ber3ulaffung auSlänbifter Arbeiter wirb 
aeforbert, foroeit eS bie nationalen Rücffttten irgenb geftatten, ins* 
befonbere auch 3 um ©efinbebienft in nicht gemifd)tfprachigen Se- 
flirfen, fomie bie Vereinfatung ber non ben Arbeitgebern ben Se* 
hörben gegenüber abzugebenben VerpflußtungSerflärungen. 

Die Verpflichtungen ber ©oßnfißgemeinbe nach bem Unter* 
ftüßungSwohnfißgefeße feien burch ftärfere Heranziehung ber Ar* 
beüSgetneinbe $u erleichtern. Das Verlangen auf planmäßige An» 
fiebelung oon lleinen unb mittleren ßanbwirtßen, fowie oon lanb* 
wirtßftaftliten Arbeitern burch ©enoffenftaftsoerbänbe unb 
unter SJHtwirfung beS ©taateS in ba$u geeigneten Sezirfen ge¬ 
wann eine erhöhte Sebeutuna burch bie Antiinbigung eines Dota* 
tionSgefeßeS mit einer fjörberung oon 10 Millionen für biefe 
3mecxe, baS ber Vizepräfibent beS ©taatSminifteriumS noch für 
biefe Tagung in AuSfitt ftellte. 


3m Reform ber Verftterung8*©cfeßgebmtg beS Reiche# hol 

©taatsfefretär ©raf VofabowSfß in ber ©ewerbefommiffion beS 
Reichstages am 18. b. 2JJtS. angefünbigt, baß für bie nächfte 
©effion eine Reform beS UnfaIloerfi<herungS-©efeßeS unb 
für bie zmeitfolgenbe ©effion eine Reform beS $ran!enücrficße* 
rungS*©efeßeS in AnSficßt genommen fei. Die Abänberuug 
beS Alters* unb SnpalibitätSgef eßeS, weite bie gegen¬ 
wärtige ©effton befcßäftigt, ift in ber Zeiten Seratßung beS 
VlenumS oor ben Vfingftferien bis §. 51 (Rentenftellen) gebießen. 
Aus EentrumSfreifen ift eine Refolution eingebracht, bie Regierung 
möge bem Reichstag thunlichft balb einen (»efeßentwurf oorlegen, 
woourch im Anfcßluß an bie Snoalibenoeriithßrung bie VHttwen* 
unb 2Baifenoerfid)erung für bie in Fabrifen befdjäftigten Ver* 
fonen nnter entfprechenber Erhöhung ber Beiträge eingefüßrt unb 
ben übrigen Verfidjerten bie Setßeiligung im feege freiwilliger 
Verfiterung ermöglicht wirb. 2öir werben auf bie ©eftaltung beS 
©efeßeS nach Abfcßluß ber zweiten fiefung zurücffommen. 

Ifütforge für ArbeitSlofe in fßrenßctt, 3m preußifcßen Ab* 
georbneienßauS haben bie Abgeorbneten o. Vuppenßeim (fonf.) unb 
©enoffen ben Antrag eingebracht, bie Regierung $u erfuchen, balbigft 
einen ©efeßentwurf, betr. Fürforge für ArbeitSlofe, oorzulegen, 
welcher auf ber ©runblage a) ber Einführung oon ArbeitSnacß* 
weifen für ArbeitSlofe an ben Drten, an benen ein Sebürfniß be* 
fteht, b) fowie ber Seftrafung beS ÜRißbraucßS folcßer Einrichtungen 
feitenS ber ArbeitSlofen, c) enblich einer Setßeiligung beS ©taats, 
ber Vrooinzen unb ber Greife an ben Soften biefer Einrichtung, 
ben Sebenfen Rechnung trägt, welche feiner 3 e it her Serabftie» 
bung beS ©efeßentwurfs oon 1895 entgegenftanben. — danach 
haben bie Äonfematioen im 2Befentliten bte ÄHeberaufnaßme ber 
Seftrebungen für bie VerpflegungSftationen im Auge, benn um 
biefe ßanbelte es fit in betn angeführten ©efeßentwurfe (ogl. ,,©oz* 
VrafiS" ©p. 526). 

DaS ©efcß über bie Lohnzahlung in ftranfreit* Seit bem 
Qaßre 1894 wanbert ein ©efeßentwurf über bie 3 a ßlnng beS 
Arbeitslohnes zwifcßen ber franzöfifd^cn Deputirtenfammer unb 
bem ©enate hi« unb her. 3« ben ©ißungen oom 6. unb 8. De¬ 
zember o. 3- hat bie Deputirtenfammer ben leßten ©enatSentwurf 
neuerlich reoibirt unb amenbirt unb an ben ©enat zurücfgeftitft. 
Diefer Entwurf hat jeßt folgenbe Hnuptbeftimmungen: Die Arbeits¬ 
löhne müffen in ber LanbeSwäßrung bezahlt werben; abweicßenbe 
Abfommen finb ungültig. Arbeiter im3eitlohn müffen wenigftenS 
Zweimal im Rtonat ausbezahlt werben, bei ©tücfarbeit entfcßeibet 
baS Abfommen. Die Auszahlung hat an einem Arbeitstage zu 
erfolgen unb barf nicht in einer ©cßanfftube, Kantine u. f. w. oor» 
genommen werben, ©elbftrafen, ftrafweife Abzüge ober ftrafweife 
Zeitweilige Arbeitentziehung finb gefeßlicß oerboten; geftattei finb 
Abzüge für Arbeitsfehler, ©treitigfeiten heraus unterliegen ben 
allgemeinen Rormen über ©cßabenerfaß. ^lontraoentionen werben 
polizeilich beßanbelt unb finb mit einer ©elbftrafe oon 15 grcS. 
bebroßt, bocß oßne V^äjubiz cioiler Rechtsfolgen. — Da bie am 
©enatsentwurfe oorgenommenen Aenberungen nicht belangreich finb, 
ift anzunehmen, baß ber Entwurf enblich bo<h ©efeß wirb. 


$0|iaie 3«^änör. 

Dte ftaatHcße Regelung ber ©riffeltubuflrte in SReuungeu* 

Ueber bie fisfalifchen Setriebe ber ©$ief er griff eiinbuftrie im H er 5°9 s 
tßum RJeiningen ift oom ginanzminiftenum biefeS ©taateS eine 
Denffchrift oeröffentlicht worben, bie auch für weitere Greife großes 
Sntereffe ßaben bürfte. 2öir entnehmen ber uns oon ber herzog¬ 
lichen Regierung zugefanbten ©cßrift SolgenbeS: 

Die troftlofen 3 u ftänbe ber ©riffelmacher im vorigen 3aßr* 
Zeßt ßaben ben Entfcßluß wachgerufen, ben Setrieb in ©taatsßänbe 
Zu übernehmen, ba ja auch bie ©cßieferbrüthe für ©riffel ©taats* 
eigentßum ftnb. ES war um fo meßr Hoffnung auf gute Erfolge 
oorßanben, als ber ©riffelfchiefer faft ein Rtonopol beS ©taateS 
Rteiningen war, unb nur wenige ©riffelbrüche in Rachbarftaaten 
ober fonftwo oorßanben finb. Rur bie unfinnige $onfurrenz ber 
Hänbler, bie lleberprobuftion unb baS baburcß erzeugte ftete 
Unterbieten ber Arbeiter unter fidj hatte biefen 3nbuftriezweig fo 
herunter gebracht, baß eine Arbeiterfamilie faum oiel über eine Rterf 
auf ben Dag zu erarbeiten oermochte. Die greife würben immer 
weiter gebrücft, unb ber große Sorratß, ben bie Hünbler hatten, 
ließ auch für bie 3 u ^u n fi nichts anbereS erwarten. Die Arbeiter 
würben aber auch noch benachteiligt baburch, baß fie oft fein ©elb, 
fonbern SSaaren ober öebenSbebürfniffe als 3 ö ßfung erhielten unb 
Zu hohem angerecßnet befamen. 

Der ©taat, ber bisher ben gabrifanten bas Rohmaterial ge* ‘ 
liefert ßatte, trat nun mit ben Arbeitern biereft in Serbinbung, 
inbem er biefe felbft organifirte unb ißrer Vereinigung 
bie ©riffelbrücße oerpachtete. Sür ben Vertrieb ber VSaaren 
ßat ficß ber ©taat bie Rolle beS Verlegers Vorbehalten. Die oon 
ißm eingefeßte ©efcßäftsftelle nimmt bie Aufträge entgegen, unb 
biefe teilt fie nach gewiffen Rormcn ben Arbeitern zur Ausführung 
ZU. ©ofort ftiegen bie V rc ifc erheblich- @ine ©riffelmacßerfamilie 
hatte nun, troß ber notßwenbigen Sefcßränfung auf ein SRajrimal* 
quantum fertigen V^obufteS, einen ©ocßenoerbienft oon 15 JL 
Dabei ßaben bie Setriebe, ©riffelbrücße unb VerlagSgefcßäft, 

1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 

lTl86 40 637 56 246 74 333 89 560 54 464 54~318 48 215^ 

abgewogen unb eS fonnten baoon neben Silbung oon Referoen 
anfehnlicße Seträge aut ber ©taatsfaffe als Rente für ißren ©tein* 
brutbeftß zufließen. Die befferen ©eftäftSergebniffe führten aut 
Zu weiterer Erhöhung ber SBaarenpreife, unb bie Arbeiterfamilie 
fann jeßt 17 ,.//. pro Söote oerbienen. Eine Vergleitung mit 
©pielwaarenarbeitern, Porzellan- unb ©laSarbeitern eraiebt, baß 
bie meiften höheren 3<treSeinfommen auf bie ©riffelaroeiter ent¬ 
fallen. Aut bie in ßanb* unb Swrftwirtßftaft gezahlten fiößne 
finb niebriger. Droßbem fcßeint bei ben Arbeitern tßeilmeife Un* 
Zufriebenßeit zu ßerrften, weil man aus ben ©taatSretnungen bie 
Ueberftüffe beS ©taateS aus ben Setrieben fennt unb ficß be* 
rettigt glaubt, höhere für bie ©riffel forbern zu fönnen 

als ber ©taatSoerlag z^hll* Dbgleit nun eine weitere H c &nng ber 
immer not bürftigen Lebenshaltung ber ©riffelarbeiter gewiß 
wünftenSwertß ift, fo ift bot S u berüdffittigen, baß Rleintngen 
ein armes ßanb ift unb ber ©taat ben Rußen, ber aus ben ©riffel¬ 
brüten ißm zufließt, aut lieber zur Erfüllung allgemeiner Kultur* 
aufgaben oerwenbet. SebenfaHs liegt ein bebeutungSooller Finger¬ 
zeig in bem Vorgehen, welches ber gänzlich planlofen VrobuftionS* 
weife, bie bis oaßin in ber ©riffeiinbuftrie ßerrftte, erfolgreit 
entgegen zu wirfen oerfutt hat. 


^tbetterbetoegung. 


Das Enbe beS ©treifS ber belgtften ©rubenarbeiter. 

Der ©treif, weiter länger als brei SSoten ßinburt ben 
größten Dßeil ber beigiften Äoßleninbuftrie zur Untßätigfeit oer* 
urtßeilt ßatte, ift vorüber. Die Arbeit ift faft überall wieber auf¬ 
genommen, unb wo eS heute not nitt ber Fall ift, bürfte es bann, 
wenn biefe 3eilen im Drucf erfteinen, gefteßen fein. Der Vor* 
ftanb beS nationalen SunbeS ber Vtinenarbeiter ßat in feiner am 
15. ÜDtoi in Eßarleroi abgeßaltenen 3ufammcn!unft beftloffen, ben 
©eneralftreif fofort für beenbet zu erllären. Freilit ßat man bie 
Droßung beigefügt, baß bie Arbeit binnen furzem oon neuem 
eingefteüt werben foü, wenn bie Arbeitgeber bie zugefagten Lohn¬ 
erhöhungen nitt gewähren würben. Dies ift aber nitts weiter 
als eine RücfzugSfanonabe, bie Mittel ber Arbeiter finb erftöpft, 
unb fie werben fit hüten, in abfeßbarer 3 e *t ben ©treif wieber zu 
eröffnen, natbem biefer unter oerßältnißmäßig fo giinftigen Sc^ 



923 


Soziale Praxis. Eentralblatt für ©ogialpolittf. Ar. 84. 


924 


bingungen Begonnene Kampf mit einer Aieberlage geenbet h fl t 
Denn bie Arbeiterfcßaft ift Beftegt, fie oermodjte ißre gorberungen 
nicht burefjgufeßen, unb nur ben oon ber Regierung gurn groeiten 
Male einBerufenen Conseils de Tindustrie et du travail ift eS gu 
oerbanfen, baß ber griebenSRhluß noch einigermaßen ehrenoofl 
ausgefallen ift. Die griebenSbebingungen, auf bie man fich Bei 
ber Mehrgahl ber ©ruben geeinigt hat, lauteten etwa fo: Die 
Arbeiter fahren fofort roieber an; oafür roirb ihnen gugeRchert, baß 
feine Maßregelungen erfolgen follen unb feine EntjdjäbigungS* 
forberungen erhoben roerben. Die Direftoren oerpflichten fi<h 
ferner, in bem ©rabe, mie bie Marftlage R<h weiter Beffert, Lohn¬ 
erhöhungen eintreten gu laffen. S3ei einer größeren Angaßl oon 
©efeßRhaften tourbe eine fofortige Lohnerhöhung oon 5 o/ 0 , ftatt 
ber oerlangten 20 o / 0 gugeftanben. 

33on beginn beS KonflifteS an hatten bie Direftoren ben 
Stampf als eine Kraftprobe angefeßen. „28enn mir bieSmal nach* 
geben, treten mir bie öerrfdjap in unferer gnbuftrie enbgültig an 
bie Arbeiter ab," fo gaben oiele unter ihnen fid) auSgefprocßen. 
Der AuSgang beS Kampfes hat gegeigt, baß oorläuRg noch bie 
Arbeitgeber bie ©tärferen finb. Die äußeren Umftänbe toaren, mie 
toir fdjon beroorboben, bieSmal für bie ©treifenben außerorbentlich 
günftig. Söenn Re bennoeß unterlegen ftnb, fo bemeift ihnen biefer 
kuSgang enbgültig, baß bie 6 <bulb eingig bei ihnen felbft liegt, 
gn einem früheren Artifel mürbe bereits barauf hingeroiefen, baß 
eine ernftbafte gewerffchaftliche Drganifation unter ben belgifc^en 
(Grubenarbeitern fo gut mie überhaupt nicht beftebt, unb roo eine 
fol<be fehlt, fann felbft bie oorgüglichfte politifcbe Leitung feinen 
Erfaß bieten, ©oll ein ©treif erfolgreich fein, fo muß er oon 
langer £>anb oorbereitet fein, alfo über reichliche (Gelbmittel oer* 
fügen, er muß auf ein gegebenes 3 e ^ en überall gleichmäßig aus* 
brechen, unb bie ©treifenben müffen fo gefthloffen oorgeßen, mie 
bie oerfeßiebenen glügel einer ©cßlachtorbnung. Sefet aber gefebab 
es, baß g. 23. bie Arbeiter beS 23orinage erft tn bie 23eroeaung ein* 
traten, als in einem großen Dßeil ber fßrooing Lüttich bie Mittel 
bereits erfchöpft waren, gälten bie Direftoren einen eingigen feften 
Mißen in ber ArbeiterRhaft oerfpürt, mürbe ftatt nur etwa 70 % 
bie gefammte ©rubenarbeiterbeoölferuna fich am ©treif beteiligt 
haben, fo mären bie Arbeitgeber roafjrfcbeinlidj fofort gu 33er* 
ßanblungen bereit geroefen. Auch bie Hoffnungen auf baS ©oli* 
baritätSgefüßl ber auSlänbifchen, inSbefonoere ber englifcßen ©ruben* 
arbeiter erfüllten Reh nicht, unb fo fam benn bie auSlänbifche Kohle 
maffenroeife ber belgifthen gnbuftrie gu Hülfe. ®ie güßrer ber 
Arbeiter Rnb fich über bie Urfachen ber Mißerfolge burchauS flar, 
unb Re haben fofort in allen Minenbegirfen eine energifeße Drgani* 
fation für bie Errichtung oon ©eroerfoereinen eröffnet. 

Es mürbe bereits betont, baß bie Urfache beS ©treifs weit 
mehr auf fogialem als auf öfonomifchen ©ebiet gelegen hat, nnb 
natürlich ift bie fogiale KrifiS, unter berem 3 c i<h e n bie belaiRhe 
Kohleninbuftrie fteht, mit biefem ©iea beS Unternehmertums 
feineSroegS aus ber Melt gefchafft. Die Xheilnaßme oon AegierungS* 
beamten an ben 23erhanblungen ber Conseils de l’industrie et du 
travail, bie fonft befanntlicf) auSfd)ließ(id) aus Arbeitern unb Arbeit¬ 
gebern beftehen, hat fich an oerfchiebenen ©teilen als förberlicß er* 
miefen, unb eS brängt Reh beShalb bie Erwägung auf, ob es nicht 
rathfam märe, baS ©efeß oom 16. Auguft 1887 baßin gu änbem, 
baß überhaupt ein Unparteiifcher, ber aber nicht nothmenbig 23e* 
amter gu fein braucht, aßen Serßanblungen ber Conseils de l’in- 
dustrie et du travail, am beften rooßl in ber EigenRhaft als $rä* 
fibent, beiroohnen follte. Um baS ©leichgeroicfit oon Arbeitern 
unb Arbeitgebern unter aßen Umftänben gu magren, fönnte man 
bem UnparteiiRhen baS ©timmred)t oerfagen. Dod) wäre biefe 
Maßregel nur eine oon oielen unb feineSroegS bie bringenbfte, bie 
gu ergreifen märe; mir Rhicften Re nur oorauf, weil bie Ereigniffe 
felbft Re empfohlen haben unb weil fie burch eine einfache Aooeße 
gu einem oorhanbenen ©efeß gu oerroirflicben märe. 1 ) 

Meit tüirfiiiigSooßer mürbe bie Durchführung einer ©ruppe 
oon gorberungen fein, bie fich auf eine anbere Erfahrung beS 
foeben beenbeten LoßnfampfeS grünbeit. ES liat Rd) nämlich bei 
biefem Anlaß gang befonberS beutlich ßerauSgefteßt, mie oerfeßieben 
bie einzelnen (Gruben in 23egug auf görberungSbebingungen, 
Cualität bes Materials unb ©encraluufoften bafteßen unb mie 
oerRßiebcu beShalb bie finanzielle LciftuugSfäßigfeit ber einzelnen 
Aftiengefeßfchaften fein muß. Mäßreub bie eine feßr wohl in ber 
Lage märe, bie geforberten 20 % Lohnerhöhung unb oielleicht baS 
Doppelte gu gewähren, ift bie anbere mirflich außer ©ianbe, ohne 

M bic ©cicpgebung fonft für bie 2?efferuug ber Lage beS 

©rubenaibeitcr* in Belgien tl)im fann, bleibe hier unerörtert, ba mir 
uue? auf bas Verbal tu iß oon Arbeiter unb Arbeitgeber gu befcfjränfen haben. 


mit 23erluft gu arbeiten, bie Löhne auch nur um 5% ßeraufgu* 
feßen. Die Hauptwaffe ber Arbeiter unter ben heutigen S3erßält* 
niffen befteht in ihrer ©olibarität, unb es hiefee beShalb oon ihnen 
gu oiel oerlangen, wenn fie ft<h burch SRücfRdjten auf eingelne 
finangieß Rhmädjer baftehenbe Unternehmungen hinbern laffen 
foßten, gemeinfame gorberungen aufgufteßen unb generaliRrenb 
oorgugehen. ©ie roerben aus Einroänben foldßer Art höchftenS bie 
golgerung giehen, baß bie 33erftaatlichung ber 23ergroerfe eine 
Glothmenbigfeit fei. ©erabe AitgefichtS biefer ©achlage aber mürbe 
es im roohlnerftanbenen gntereffe ber Direftoren liegen, wenn fte 
als ©egengemicht gu ben Mittheilungen über bie gefammte Lage 
ber Snbuftrie, roeld)e bem Arbeiter heute oon aßen ©eiten gufließen, 
ihn auch über bie fpegiRRhen Eigenthümlichleiten beS 253erfeS, 
an welchem er beRhäftigt ift, aufflärten. Dies ift aber nur 
möglich, wenn Reh fefte, bauernbe SBegiehungen gmifchen Arbeiter 
unb Arbeitgeber herfteßen unb wenn bie Direftoren ben SBunfd) 
ber Arbeiter erfüßen unb ArbeiterauSfchüffe, bie Reh regelmäßig 
oerfammeln, auf jeber ©rube ins Leben rufen. 3 a h^ rc ^ e Streitig* 
feiten ließen fid) mit Hülfe einer folgen Einrichtung im Keime er* 
ftiefen unb für bie im gntereffe ber Unternehmer liegenbe inbioi* 
bueße 23ehanbtung ber Lohnfragen märe auf biefe 2Seife ein Organ 
geRhaffen. Auch mit ber gleitenben Lohnffala foßte man in ber 
belgifjhen Kohleninbuftrie troß beS wenig ermuthigenben englifchen 
23eifpielS ernftbafte 33erfuche machen. Die Arbeiter Rnb außer* 
orbentlich für biefe Reform eingenommen, unb wenn bie Einrichtung 
gut funftionirte, fo mürbe fie rooht für ben AftienbeRßer gunt 
Minbeften ebenfo oortheilhaft fein, mie für ben Arbeiter. 

gn einer intereffanten Auffaßfolge im „^euple" '*) hot 

t ector Denis foeben bie bisherigen Erfahrungen mit ber gleitenben 
ohnffala unb bie barauS gu Rhöpfenbeit Lehren unb H°ff nun 9 cn 
bargefteßt. Natürlich ift baS SBeftehen einer gleitenben Lohnffala 
ohne baS S3orhanbenfein oon ArbeiterauSfcßüffen unbenfbar. Sie 
im potitifdjen Leben in ben leßten 3 ahrhunberten bie große Maffe 
beS 33otfS Reh Organe gefchaffen hat, burch bic fie mit beit Macht* 
habern oerhanbeln unb Reh mit ihnen oerftänbigen fonnte, fo em* 
pRnben jeßt bie 3nbuftriearbeiter in ihrem befebränfteren Kieife 
baffelbe SBebürfniß. Es fteßt leiber feft, baß bie oelgiRhen Arbeit* 

S eber weit weniger als bie beulfcßen ober gar bie englischen ben 
;ug ber 3 e ^ unb bie 3*üh*n ^ er 3 c it oetftehen. Die öffentlich 
Metnung ift hier gu Lanbe noch f el fe r wenig foüal ergogen. Aber 
ber unausbleibliche ©ang ber Ereigniffe wirb unb muß barin 
SSanblung fchaffen. Die „©ogiale ^rafis" ift nid)t ber Ort, um 
auf bie politiRhe 3 u ^ ul! ft Belgiens einen 23licf zu werfen. Dies 
aber fei gefagt, baß in feinem Lanbe Europas Dem ©ogialiömuS 
fo wenig ihnt an Rttlicher Kraft ebenbürtiger ober überlegener 
©iberftanb enlgegenfteht mie in bem blüßenben gnbuftrieftaat 
23elgien. Die Arbeiterfchaft beS LanbeS beRnbet fich auf 
fogialiftiRhem 23oben, aber Re giebt Reh lR cr weniger als irgenbroo 
außer in Englanb mit Dheorien ab unb gum orthoboyen Maryis* 
tnuS befennt Reh fautn einer ber gührer. Der praftifche ©eift beS 
nieberlänbiRhen 23oifeS oerleugnet Reh auch in ber Arbeiterbewegung 
nicht unb in ihren großartigen unb fortroährenb weiter um Rd) 
greifenben Korporationen hat Re beroiefen, baß Re fßoRtioeS gu 
leiften im ©tanbe ift. Die ©rubenarbeiter unb ihre gührer Rnb 
burcbauS geneigt mit ben S3ertretern beS Kapitals auf einen AuS* 
gleich ber beiberfeitigen gntcreffen binguarbeiten unb, in ihrer treffe 
tauchen manche beachtenSmerthen Sorfcßläge 3 ) auf. Es ift Bebauer* 
ließ, &aß bei ben Unternehmern fo wenig guter ©iße unb tieferes 
23erftänbnife oorhanben ift. greilich gehörte gur ernfthaften An* 
bahnung eines fonftitutioneßen gnbuftriefpftemS ein geioiffer 
fonaler 2Bagemuth unb Bei ben Direftoren oon fapitaliftifcfjen 
Aftiengefeßfchaften bie Neigung gu fogialen Experimenten oorauS 
jufeßen, h^fei wohl in ber Dßat, Unmögliches oon ihnen oerlangen. 
Unb bennoch ift fein gortRhritt benfbar ohne Experimente. 

23rüffel. ©uftao Mat)er. 


51 ) Aummer oom 8. Mai, 9. Mai ff. 

8 ) Ein Seifpiel, baS mir nicht fritifiren moßen, roelcßeS aber für 
bie Ebarafteriftif ber fogialiftif^en Sorfcßläge oon gntereRe ift: 
S. ^ertranb, ein Veteran ber belgifcßen Arbeiterpartei entwirft im 
„^euple" oom 9. Mai bie folgenben (Gruttbgüge gu einem ©efep: 
Dem Kapital wirb aus bem Erträgniß ein 3inSmiiiimum oon 6%, beu 
Arbeitern unter ber Erbe ein Minimallohn oon 5 grcS., beneit über 
ber Erbe oon 4 grcS. gewährt. Der bann oerbleibenbe Aeft bes (Ge* 
winnS gerfäflt in brei gleiche Dftetle, ein Drittel fällt ben Aftiouäreii 
als gweite Dioibenbe gu, ein weiteres Drittel ben Arbeitern pro rata 
ihres Arbeitslohnes, baS leßte Drittel lommt in eine Aeferoe, um bie 
Miuimalbioibenbe unb bie Minimallöhne für bie feiten ungiinftigcr 
Koniunftur gu fiebern. _ 



925 


Sogiale PrajtS. Eentralblait für Sogtalpolitil. Nr. 84. 


926 


Beenbißtsna beS BergarbeiterauSftonbeS in Sleinroffefa. 3n einer 
am 15.9Rat gu ©ro&roffein abgehaltenen Berfammlung geigte fid) bei 
einem her AuSftänbigen eine weniger ftreifluftige Stimmung, 
dagumag bieBefanntmacfjung ber©rubenbireftion beigetragen haften, 
bafe ber 3 u ft an B Ber ©ruben e$ nicht mehr geftatte, bie gange 
Belegfchaft gleich angulegen; non jefet ab müßten bie Bergleute bet 
bem betreffenben Dberfteiger anfragen, mann fie bie Slrbett roieber 
aufnehmen fömtten. die Berfammlung legte bie Entfcheibung, ob 
angefabren werben folle ober nicht, in bie £>änbe beS oon ibr ge»* 
wählten AuSfdjuffeS unb biefer entfcfiieb fid) mit 15 gegen 
10 Stimmen für bie SBieberaufnabnte ber Arbeit. die direftion 
nimmt bie Äünbigung ber oier Arbeiter gurücf unb anerfennt ba* 
mit bie Koalitionsfreiheit; au&erbem genehmigt fie bieBilbung ber 
geforberten ArbeiterauSfchüffe; im llebrigen behält fie freie £>anb, 
in wie weit fie bie Berbefferung ber ArbeitSoerhältniffe Beroerf* 
fteEigen roiE. 

Streifs in OefterretA 1898. die öfterreidf)ifche ©ewerffchaftS* 
fommiffton pubügirt bie Ergebniffe ihrer Erhebungen über Arbeits* 
einfteEungen im Sabre 1898. Böir entnehmen biefer Beröffent* 
lichung, bafj ber Sfommiffion 217 Streifs unb 4 AuSfperrungen 
angemelbet würben, wooon fich 122 als Zugriffs*, 95 als Abwehr* 
ftreifs barfteEen. die Statiftif ber Äommiffion ma(ht auf BoE* 
ftänbigfeit feinen Anfprud), aber bie oorliegenben Ergebniffe reichen 
aus, Schlüffe über bie Drganifirung unb daftif ber Sämpfenben 
gu liehen. die Streifs, bie in ber Statiftif in Betragt fommen, 
umfa&ten 40160 ArbeitSperfonen, wooon 32 655 männliche unb 
7505 weibliche Arbeiter gu gählen finb. Berfäumt würben 
383 677 Arbeitstage, was bei einem durchfdjnittslohn oon 90 fr. 
einen Entgang oon 345 309 fl. 30 fr. an ßof)n bebeutet. An Unter* 
ftüfcungen würbe für bie Streifenben eine ©efammtfumme oon 

102 107 fl. 16 V 2 fr. aufgewenbet, fo bafe bie ©efammtfoften ber 
Streifs 447 416 fl. 46 V 2 fr. befragen. 

Bon ben 122 Angriffs ftreifs würben 46 mit Erfolg, 27 mit theil* 
weifent Erfolg, 27 erfolglos unb 22 mit unbefanntem Nefuttat beenbet. 
Bon ben 95 AbroehrftretfS enbeten 48 mit Erfolg, 19 mit theilweifem 
Erfolg, 21 erfolglos unb 12 mit unbefanntem AuSgang. das ©efammt* 
ergebnife aller Arbeitseinteilungen fteEt fich bemnadj, in progeitten aus* 
gebrücft, folgenbermaben bar: 41 ,01 % mit Erfolg, 21,19 °/o mit theil* 
wetfem Erfolg, 22,19% erfolglos unb 15,ei °/o mit unbefanntem Nefultat. 
ES ift 18 575 ftreifenben Arbeitern in 46 gäflen gelungen, ihre gorbe* 
rungen um Sohnerhöhung oon einem Eulben pro Kopf unb SBodje fo* 
wie eine halbftünbige Berfürgung ber täglichen ArbeitSgeit gu erringen. 
SnSgefammt hatten biefe Arbeiter bei 114 521 oerfäumten Arbeitstagen 

103 068 fl. 90 fr. an Sohnoerluft; nach einer Unterftüfcung oon 82 757 fl. 
91 l /a fr. gelang es ihnen, auf Erunb ber Errungenfchaften bie 
Eefammtoerlufte bereits innerhalb acht SBodjen gu beefen. 
Unter ben mit theilweifen Erfolgen beenbeten Angriffsftreifs finb foldje 
Streifs gu oerftehen, bie mehrere gorberungen, h au ptfä<hlrch bie Ber* 
fürgung ber ArbeitSgeit unb 15 bis 20 % Lohnerhöhung, gur Urfadje 
haben, wo jeboch nur eine oon ben beiben gorberungen, entmeber bie 
Berfürgung ber ArbeitSgeit ober eine Lohnerhöhung oon 5 bis 10 % 
errungen würbe. Ein foldjer tljeiiweifer Erfolg, ber trofc ber geringen 
Büttel unb fchwachen Organifation ber Betheiligten ergielt würbe, ift in 
27 gäflen mit 3104 Streifenben unb 62 918 oerfäumten ArbeitSftunben 
fowie mit einer Streifunterftüfcung in ber uhe oon 21 785 fl. 14 fr. gu 
oergeiebnen. Bach bem oerarbeiteten Biaterial brauchten bie Betheiligten 
oier Bfonate, um ben erlittenen Berluft gu beefen. 

gn 27 gäflen hatten 4316 Streifenbe mit 37 181 oerfäumten ArbeitS* 
tagen unb mit einer Unterftüjung oon nur 4747 fl. 1 fr. erfolglos gefämpft. 

28enn man nun fammtlidhe Angriffsftreifs bahtn beurtheiit, 
bafe 65 °/o mit Erfolg, 14 % mit theilweifem Erfolg unb 27 % 
ohne Erfolg Beenbet würben, fo ergiebt bieS einen wefentlidjen 
gortfehritt m ber oorftchtigen gührung ber Streifs gegenüber ben 
früheren Qahren. Aber nicht nur bte Angriffsftreifs weifen ein 
günftigeS Nefultat auf, fonbem auch bie Abwehrftreifs, beren 
Urfache in ben meiften gäEen in ben geplanten ßohnabgügen, Ber* 
längerung ber ArbeitSgeit, Ntafjregelung oon BertrauenSmännern 
u. f f. gelegen ift. 

5816 Arbeitern ift es in 41 gäflen gelungen, ben Unternehmer* 
gelüften begügltd) ber SfteljrauSbeutung erfolgreich entgegengutreten. gm 
Eangen famen hier 17 356 oerfäumte Arbeitstage unb eine minimale 
Unterftiifcung (1208 fl. 49 fr.) in Betracht. die Unternehmer muhten in 
biefen gäflen bie Btafcregelung oon BertrauenSmännern aufheben, bie 
Crganijation ber Arbeiter anerfennen unb noch babei fo manche ntinber 
wi^tige gorberungen, g. B. bie Einführung oon Raufen gewähren. 
Büt theilweifem Erfolg würben 19 AbroefjritreifS mit 7226 Betheiligten 
unb 82 779 oerfäumten Arbeitstagen uno einer Unterftüfcung oon 
10 837 fl. 84 fr. beenbet. §ier muhten ftch bie Arbeiter manche Lohn* 
abgüge gefallen laffen, bie ArbeitSgeit würbe nur in gwei gäflen oer* 
länger! unb bie Btahregelungen oon Arbeitern blieben aufrecht. da* 
gegen finb 1764 Arbeiter mit 21 537 oerfäumten Arbeitstagen unb einer 
Unterftüfcung oon 3608 fl. 88 fr. ooflftänbtg unterlegen. 


die gelbarbeiter in Ungarn. den jüngften SWelbungen aus 
Ungarn gufolge ift für biefen Sommer bei ben Erntearbeüen faum 
eine Bewegung ber gelbarbeiter gu erwarten. $)er überwiegenbe 
Zfyil ber lanbwirthfchaftlichen Arbeiter h a f bk 00 m ©efefce jefet 
oorgefdhriebenen Eertifxfate gelöft, unb bie ©runbbeftfcer fonnten fich 
aEe nothwenbigen ArbeitSfräfte im B3ege gerichtStnähiger Äontrafte 
fiebern. S)och h^t bie Bewegung ber gelbarbeiter fehr günftige 
Sßirfungen auf bie ßohnhöhe gehabt; währenb früher ber Schnitt 
für Vu ober V 12 ber gechfung übernommen würbe, ift h^wer a /o 
als Eflinimalgrenge betrachtet worben. Auch würben fefte ©elb* 
lohnoereinbarungen getroffen, desgleichen erfolgen h^uer bie fo* 
genannten Nacharbeiten, bie bisher unentgeltlich geleiftet würben, 
gegen daglohn. 

24 Stmtben Briefträgerftreif in $ariS. Auf bie Nachricht, 
bah ber Senat bie oon ber Kammer bewiEigte Erhöhung ber 
Briefträger*©ehälter um 1800000 grancS abgelehnt fyalt, 
weigerten ftch am 18. 9Nai früh Briefträger ihren dienft 
angutreten. B^rfönliche Aufforberungen beS UnterftaatSfefretärS 
blieben fruchtlos, die grühpoft blieb unbefteEt, im ßaufe beS 
dageS würbe ein Nothbienft eingerichtet. 3m Senat wie in ber 
Äamtner fam ber Streif gur Sprache; bie Negierung erflärte, fte 
werbe nicht butben, bah ein gro|er unb wichtiger 3^9 b& 
öffentlichen dienfteS ber BHEfür einer ^anb 00 E AngefteEter 
preisgegeben werbe. 3 u ^ cm f e ^ & cr ©tretf ber $oftbeamten ein 
gewaltfamer ^roteft gegen ein Botum beS Parlaments unb auch 
beShalb haöe bie Negierung bie Pflicht, feftgubleiben. 9Rit arofeer 
Ntehrheit biEigten bie Kammern biefe ^unbgebung. Am Abenb 
beS 18. würbe an aEe Briefträger ein amtliches Nunbfdjreiben ge* 
richtet, in bem ihnen angegeigt würbe, ba| fie, wenn fte am 19. 
ben dienft nicht auf nehmen würben, enbgültige Entlaffung gu ge* 
wärtigen hätten. 3n ber grühe beS 19. 3Eai war ber Streif be* 
enbet. 

die gegenwärtigen EinfommenSoerhältniffe ber Briefträger — 
fo wirb uns aus Paris gefchrieben — beruhen auf einem 1882 
erlaffenen Status, darnach werben fie mit einem fiyen ERinimal* 
gehalt oon 1000 grcS. angefteEt, baS fich in fünf Stufen nach 
unb nach ba& ERayimum oon 1500 grcS. erhöht. An Neben* 
einfünften begiehen fte bei ber AnfteEung eine einmalige 3uroenbung 
oon 80 grcS., ferner bauernb 1 % 00 m Betrage ber bur<h fie ab* 
gefegten Briefmarfen, unb 5 EtS. oon je 20 grcS. ber burch fte 
erhobenen ©elbbeträge, fowie 15 EtS. oon jebem Poftfparfaffen- 
buch, baS burdh ihre Bermittelung gelöft wirb. Aufeerbent erwächft 
ihnen aus ben fpftematifch gefammelten unb ©erteilten Neujahr^* 
trinfaelbem beS PublifumS ein anfehnlidfjer 3nfthnfe. die 
Penjionirung erfolgt nach ben aEgemein gültigen Negeln. 3« 
Paris wirb ihnen eine dheuerungSgulage oon 150 grcS. jährlich 
gugeftanben. An ber Aufbefferung oiefeS ©ehaltSftatuS wirb feit 
3 ahren gearbeitet. 

die ©ewerffchaften im Staate Neto-gorf. der lefete 3ahreS* 
bericht beS Arbeitsamtes für ben Staat New*9)orf enthält u. A. 
folgenbe dabeEe über ben Stanb ber gewerffhaftlidhen Drganifation 
unb bie ArbeitSlofigfeit innerhalb ber Bereine am 30. 3«ni 1897: 



Berid^tenbe 

aRitglteber* 

Arbeitslofe 


Eewerlfchaften 

»afjt 

% 

Baugewerbe .... 

252 

46 056 

23 

Sabafinbuftrie . . . 

52 

6 962 

8,9 

BefleibungSinbuftric 

51 

18 633 

15,8 

Äuttdjer. 

5 

2 036 

19,4 

NahrungSmittelinbuftrie 

31 

2 578 

14,8 

iifthler. 

4 

551 

33,4 

ElaSinbuftrte.... 

15 

881 

34,2 

öutmacher. 

14 

2 297 

10,8 

Eaftgewerbe .... 

15 

2 009 

31,8 

Eifeninbuftrie . . . 

127 

10 759 

13,2 

Leberinbuftrie . . . 

12 

2 336 

24,9 

Braugewerbe.... 

29 

3 353 

7,6 

Seetransport.... 

14 

2 860 

9,1 

Btetaflinbuftrie . . . 

12 

946 

22,7 

Bhtftfer. 

13 

2 168 

22,8 

Bucfjbrmfer .... 
Eifenbahnarbeiter . . 

62 

132 

13 133 

17,i 

3,i 

Strafeenbahnarbeiter . 

2 

9 745 


Steininbuftrie . . . 

32 

3 203 

23,i 

pflafterer. 

8 

5 114 

6,7 

ieytilinbuftrie . . . 
Sheateraroeiter . . . 

7 

10 

674 

1 174 

38,i 

54,8 

^ohinbuftrte .... 

21 

1 S70 

27,,- 

Berfchiebene Eewerbc . 

56 

10 082 

2 1 , ;i 

guSgefammt . . 

976 

151 206 

IS,, 










927 


Sogtale PragiS. ©entralblatt für Sogialpolitif. 9h:. 34. 


928 


VfaffenanSfpermttgeii in Sfanbittafctett finb jeßt an ber £ageS* 
orbnung. 3)ie Arbeitgeberoerbänbe greifen faft regelmäßig gu 
biefem Mittel, um partielle Streife gu befämpfen. So |at in 
Stocfßolm ein Streif bei oier Väcferfirmen bagu geführt, baß eine 
allgemeine AuSfperrung oom Väcfermeifteroerein beßhloffen ift. 
©benfo bat fid) ber „©tocffjolmer Vaumeifteroerein" für allgemeine 
AuSfperrung im Baufach im Anßhluß an bie gunbamentarbeiter* 
AuSfperrung auSgefprodjen, meil man bei ben Verhanblungen mit 
ben VaugeroerfSoerbänben betreffs ber ßöhne gu feinem Nefultat 
fommen fönne. (Sine allgemeine AuSfperrung im Vtalerfacfj in 
Stocfbolm bauert ßhoti längere 3 «t. — Sn atopenhagen bat ber 
©entraloerbanb ber Arbeitgeber anläßlich eines ßobnftreiteS ber 
£ifd)ler eine ©efammt*AuSfperrung ber Arbeiter in allen mit ber 
Vauinbuftrie oerbitnbenen ©eroerben oom 24. 3M an proflamirt. 


Ärbettwfd)«^ 

$cr Vajiarbeiterßbm? nnb bie Bauarbeiter. An bie bau« 
geroerblidjen Arbeiter $)eutfchlanbs erläßt bie ©entralfommiffion für 
Vauarbeiterßhuß in Hamburg einen Aufruf, bem mir golgenbeS 
entnehmen: 

3ur ©rringung eines oernünftigen SdjußcS für Sehen unb ©efunb* 
beit ber Arbeiter mie anberer Verßältniffe im Baugewerbe, um bie 
Sage biefer Arbeiter erträglicher ju gepalten, bebarf es einer energißhen 
Betätigung im Sinne ber lebten ftongreßbeßhlüffe (oergl. „Sogtale 
PrajiS" Sp. 700). Vor Allem roerbeit bie leitenben roie Vertrauens* 
perfonen ber baugeroerblicben Arbeiter nach ber Dichtung »orgugeßen 
ßabeit, baß fte neben ber agitatorißßen Beßaublung biefer f^rage in ben 
einzelnen Orten ^ontmiffionen hüben, bie ßcb ber Aufgabe untergießen, 
bie guftänbe auf ben Vauten fortgefeßt gu beobachten, non 3eit gu 3eit 
eine ftontrole in befonberer Begießung gu ben Unfadoerßiitungsoor* 
fünften ausüben unb oerfueßen, bie ortsbaupoligeilichen Scßußbeftim* 
mungen burchguführen unb ißre 23aßrneßmungen ber untergeteßneten 
.Stommiffton eitifenben. Die ©entralfommiffion roirb, ihrer Aufgabe ge* 
maß, bei unterem Vorgeben überall unterftüßenb unb beratßenb ben in 
ber Sache tbätigen perfonen gur Seite fteben. Sie roirb auch, nnt ben 
SanbeS», prooingial* roie Ortsfommiffionen ihre Aufgabe gu erleichtern, 
ebenfo unferem Vorgehen einen einheitlichen roie gtelberoußien ©ßarafter 
gu geben, es für nothroenbig halten, AnroeifungS* roie Aufnahme* 
feßemata ben Vertrauensleuten gugehen gu laßen, aus benen bie Diref» 
tioe unferer gemeinfanten Ißättgfeit leidet erfirfjttich ift. SBenn roir, un¬ 
beirrt um baS ©eßßrei ber Vaufpefulanten, aller Vorher» unb hinter* 
tnänner ber Arbeiterausbeutung im Vaugeroerbe, unbeirrt um bic 
Drohungen roie reaftionären Vfacßenfcßaften ber VaugeroerfSgünfter, 
unfer großes 3^1 »erfolgen, fo roerben roir — roie auch bie Aus* 
Iaffungen ber VegierungSorgane in ben leßten lagen über 
bie Stellungnahme ber NeicßSregierung gu biefer 3^age 
roieber beroeifen — bem 3iele Stritt um Schritt näher fommen. Vor 
Adern gilt es, für unfere Sache bie öffentliche Meinung gu erfämpfen. 
Ade $aftoren beS öffentlichen SebeitS: bie VMffenfcßaft, bie politißßen 
.Streife, bie Parlamente müffen roir für bie oder Kultur roie bem NecßtS* 
beroußtfcin ßoßnfpredjenben 3»ßänbe im Vaugeroerbe gu interefftren 
fuchen. 3« ber Preffe unb ben öffentlichen Verfammlungen barf bie 
grage nicht non ber lageSorbnung unb auch nicht aus ber DtSfuffion 
uerßhroinben! 

Die ©entralfommiffion für Vauarbeiterfcßuß gu Hamburg be* 
ftel)t aus 18 Vhtgliebern, bie SKaurer, 3inimercr, 3Raler, Vau* 
arbeitet, löpfer, Vautifdjler, Stuffateure, Dacßbecfer, Steinbilb* 
Bauer, Steinmeße, ©lafer finb. 28eitn bie Negierungen ber (Singel* 
ftaaten roirflich ernftbaft für einen anSreichenben Vauarbeiterfchuß 
gemäß ben Vorfcßlägen beS befannten NunbfdjreibenS beS ©rafen 
PofaboroSfp (nergl. „Sogiale PragiS" Sp. 751) eintreten roollen, 
tnuß ißnen bie fachfunbige Vtithilfe ber organifirten Arbeiter nur 
roiflfommen erscheinen. 

9tanm!jr • Sabenfdjluß nnb Vlimmalrußcgcit für $anbel$att* 
eßettte. Die NeichStagSfommiffion für bie ©eroerbenooede nahm 
egüglidß beS CabenfdßiuffeS folgenben Antrag §iße in gm eit er 
ßefung troß lebhaften ©infpnidjs ber Regierung an: 

Von 9 llhr Abcnbs bis 5 Uhr ViorgenS müffen bie Verfaufsfteden 
für ben geßßäftlicßen Verfehr gcfchloffeii fein. Veim iiabcnfcf)lnfj im 
2abeu fcfioit anroefenbe Muubcn biirfen noch bebient roerben. lieber l U 
nach 9 Uhr Abcnbs bis fpäteftenS 10 Uhr biirfen Verfaufsfteden für 
ben’gefrfjäfHieben Verfehr geöffnet fein: 1. in unoorhergefeheneu Aoth s 
fällen; 2. an hödificns 4° non ben CrtSpoIigcibehörbcn gu beftimmcu* 
ben lagen; d nadi näherer Veftimmung ber höheren VerroaltuugS* 
behörben für länbliiße OJcincinbcn, in roclcben ber WeidjaftSoerfehr fid) 
in ber .öauptfadie auf eingetne läge ber S^ocßc ober cingelne Stunben 
bes lages befchränlt. 

ferner mürbe bie Vorfd)rift, baß in ©emeinben mit mehr als 
20 000 ©iiiroofmern in offenen Verfaufsfteden bie ununterbrochene 


Sdubegeit für bie Angeftedten minbeftenS 11 Stunben betragen muß, 
auf ©eßhäfte mit minbeftenS gmei ©ebilfen unb ßebrliitgen ein» 
geßbränft. dagegen befd)loß bie Stommiffion, an ber Veftimmung 
feftgußalten, baß bie VUttagSpaufe für auSroärtS Vßobnenbe min* 
beftenS l l /2 Stunben betragen müffe. 

ttntcrftfdjmtg über bie Sage ber 3mfHüttenarbeiter. Am 14. April 
fanb in Verlin eine nom VeidhSfangler einberufcitc Äoitfereitg ftatt, in 
ber bie 2age ber 3infbüttenarbeiter befprochen merben fodte. AIS Ver¬ 
treter roaren aus Cbcrfchlefien ein Vergrath als 9iepräfentant ber Aftien* 
gefedfehaft ©. o. ©iefd^eS (Srben unb ein Argt Dr. VißhopinSfi anroefenb, 
bie „5Sabl" ber Arbeiteroertreter roar lebiglich burd) bie Unternehmer 
erfolgt. Von ben Vefnltaten ber tfonferengberatbungen ift noch nichts 
befannt. 3n Arbeiterblättern roirb folgenbc ©efcbidjte ergählt: Auf bas 
drängen ber 3infhüttenarbeiter in Antonienhütte hatte ber 9ieicf)Sfaitgler 
einen oon ben Arbeitern felbft empfohlenen Arbeiteroertreter gur Verliner 
^onfereng eingelaben. ®er fiütteninfpeftor gab jeboch biefem feinen 
Urlaub unb bebrohte ihn mit (intlaifung aus ber Arbeit, fads er bennodj 
nach Verlin reife, ^er Arbeiter mußte fid) fügen. — (SS flingt bod) 
faum glaublidh, baß ber VeichSfangler fich baS hätte gefaden laffen. 

9Raßuahtneu gegen bie getterbltdje ^inberarbeit in Berlin ttnb 
Bororten. SDie Vertreter ber Poligeibebörben unb ber ftäbtifchen 
Schulbeputation fmb übereingefommen, ben ©rlaß einer ^oligeioer* 
orbnung oorgufchlagen, melche für hinter unter 9 Qabren bie Bor* 
nähme geroerblidjer Arbeiten, inSbefonbere auch baS Austragen non 
Örübftücf unb 3eitungen, baS 5fegelauffeßen unb baS Aufmarten in 
V5irtbf<haften überhaupt oerbietet, für bie über 9 alten 

ßhulpflidjtigen £tnber aber bie Vornahme geroerblicher Arbeiten in 
ben 9ia<htftunben groißhen 8 llhr AbenbS unb 6 Uhr früh unter 
Strafe ftedt. ®ie Vornahme folcher gemerblicber Arbeiten, bie in 

f iauSinbuftrieden Betrieben ber ©Item unb ©rgieber geleiftet roerben, 
od nicht oerboten merben. dagegen fod eine bereits beftebenbe 
Voligeioerorbnung oom Sabre 1879, melche $inbern unter 14 3ah rcjl 
ben Straßenhanbel unterfagt, in £raft bleiben. Adgemein mürbe 
anerfannt, baß ein befonberer 9?othftanb oorliege, ber, fo lange ein 
bie Materie regelnbeS dteichSgefeß nicht oorhanben fei, nur auf 
bem SSege ber potigeioerorbnuntj abgeftedt roerben fönne. — S» 
Sdiyborf mirb ebenfalls eine ähnliche $oligeioerorbnung oorbereitet. 
©ine gleichmäßige Regelung ber jyrage ift für Verlin unb fämmt* 
liehe Vororte nothroenbig. — Soldje poligeioerorbnungen finb 
aber nur SRotbbehelfe bis gur Siegelung bind) SdeidjSgefeß. 
bleibt benn übrigens bie Veröffentlichung ber bereits im 5)egember 
1897 angeorbneten, am 1 . April 1898 abgeßhloffenen unb im faifer* 
liehen ftatiftifchen Amt Iängft bearbeiteten ©rhebung über bie $inber* 
arbeit? ÜnfereS 2BiffenS liegt fie feit mehr als einem halben 
Sabre im SfteicbSamt beS Snnern. 

fde^elung ber grauen» unb föttberarbeit itt Stalieu. ^ie 

£>auptbe)timmungen oeS oor Burgern ben Kammern oorgelegten 
©efeßentrourfS gur Regelung ber grauen* unb ^inberarbeit lauten 
nach bem „VorroärtS" folgenbermaßen: S)ie Veßhäftigung oon 
Knaben unter 15 Salden unb oon grauen in inbuftrieden Ve* 
trieben (barunter fmb gabrifen gu oerftehen, bie mehr als gehn 
Arbeiter befchäftigen unb in roelchen fich 3dotor befinbet), in 
©ruben unb in Veramerfen ift an bie ©rlaubniß beS Präfeften 
gebunben, ber bie ©rfaubtiiß ertheilt, roenn bie gu Vefdjäftigenben 
nach einer ärgtlichen Uitterfuchung für burcf>auS gefunb unb tauglich 
erflärt merben. ®ur<h föniglicheS befrei, baS nach Anhörung beS 
oberften Sanitätsraths unb beS Snbuftrieraths erlaffen roerben fod, 
roerben bie gefährlichen unb ungefunben Arbeiten Begegnet roerben, 
bie für Knaben unb ddäbchen unter 15 Safjren unb für minber* 
jährige grauen oerboten finb, unb biejenigen, bei roelchen Re in 
folchem Alter unter 3nnehaltung einer gefeßlid) feftgelegten ArbeitS* 

S ’t unb unter Beobachtung befonberer tec^nifdö*=h»pgicnifd^er Bor* 
riften befdjäftigt roerben Dürfen. Verboten ift bie Verfügung 
oon Äinbern unter 10 3ahren(!) in inbuftrieden Betrieben; oon 
Äinbern unter 14 Sahren bei unterirbifchen Arbeiten in ©ruben 
unb Vergroerfen; oon £inbern unter 12 Sahren bei ©rbarbeüen. 
VUnberjährigen grauen ift jebe Arbeit in ©ruben unb Vergroerfen 
unterfagt. Nachtarbeit in inbuftrieden Betrieben, in ©ruben unb 
Vergroerfen ift Knaben unb ÜRäbchen, bie baS 15. ßebenSjahr noch 
nicht oodenbet haben, unb minberjährigett grauen, bie Bei bem 
Snfrafttreten beS ©efeßeS nicht fdjon beßhäftigt finb, oerboten. 
©rei Sabre nacfi bem Snfrafttreten beS ©efeßeS roirb bie ^acht* 
arbeit aden minberjäbrigcn grauen oerboten; unter Nachtarbeit ift 
gu oerftehen bie Arbeit groißbeti 8 Uhr AbenbS unb 6 llhr Borgens 
oom 21 . September bis gum 20. Vlärg unb oon 9 UI)r AbenbS bis 
5 Uhr ädorgenS in ben anberen ddonaten. Knaben unb Idäbcben 
groifchen 10 unb 12 Sahren bürfen nicht länger beßhäftigt roerben 
als 6 Stunben täglich, nnb Minber oon 12 bis 15 Sapren unb 
minberjäbrige grauen nicht länger als 12 Stunben. $)ie Arbeit 



929 


Soziale $?a£i£. Eentral&latt für Sogtalpoliiif. Nr. 34. 


930 


mu& oon einer einftünbtgen Nuhepaufe unterbrochen werben, wenn 
fte weniger als 8 Stunben bauert, non einer gweiftünbigen, wenn 
fic länger bauert. Kinbern bis gu 15 3ab«n unb minberjährigen 
grauen mu& wöchentlich eine Nuhepaufe non 24 aufeinanber fol- 
genben Stunben gewährt werben; 2Bödf)nerinnen bürfen frübeftenS 
14 Xage nach ber Entbinbwtg wieber befdjäftigt werben. 


3Ubdtm)rrßii)entng. Spatkaffett. 


KranfaibcrfidjmingSpfltdjt ber berliner £>au$inbuftrtf(len. 

$sur<h bie £ageSpreffe wirb bie befrembenbe NHttbeilung oer- 
breitet, ber Ntagiftrat habe bie neue Vorlage ber ©ewerbebeputation 
gur Kranfenoerficberung ber §>auSinbuftrieIIen abgelebnt unb bie 
Sache auf gwei Sab« nertagt. Seit länger als brei Sauren ift 
bie Einführung ber gwangSroeifen Berfitherung in ber Schwebe 
gebalten worben. Eine Entfd)ulbigung liegt !auut mehr oor, nadf)* 
beut bie Äonfeftionäre aller Branchen einhellig erflärten, bie Bei* 
tragspflicht für bie ©efammtheit übernebnten gu wollen, wenn bie 
Beiträge progentualiter non ben effeftio nerbienten ßöhnen beregnet 
unb abgewogen werben bürften (nergl. ben Auf fab non D. Seigert, 
bie obligatorifche Kranfenoerficberung ber £>ausinbufiriellen. 3«>eite£ 
$>eft bes ScbmoIIerfchen SafjrbucheS, 23. Sabrg- ßeipgig 1899.) 
5)ana<h follte jeher Arbeitnehmer nach Ntofcgabe feines Arbeits¬ 
lohnes, ber SroiWenmeifiet nad) Ntofegabe ber $)iffereng beS non 
ibm empfangenen unb beS non ibm bezahlten ßobneS, alfo feines 
BerbienfieS unb gu minbeftenS einem drittel ber eigentlichen Arbeit* 
geber, ber Konfeftionär gur $5ecfung ber Kranfenlaft berangegoaen 
werben. $>ie ©ewerbebeputation batte aüerbingS — begeichnenoer 
Seife — in ihrem SSorfdtjIagc bie Äonfeftionäre gleichfalls frei 
laffen gu müffen geglaubt. $>iefe fogialpolitifche Kurgfidjtigfeit 
mufe um fo tieferes Bebauern benmrrufen, als non ben 170000 
|>auSinbuftrieflen, bie etwa in Berlin unb ben Bororten befd)äftigt 
werben, bie Ntehrgahl ber Konfeftion angeboren unb in ben un- 
günftigften ßohnoerhältniffen leben. 

$tc ttnfaHfoerftdjening in Defterreidj. 3m nädjt’ten 3ah*e foö, 
wie fcf>on erwähnt, eine reoibirte ©efabrenllaffeneintbeilung ber 
unfaHnerfichcrungSpflichtigen Betriebe in Defterreicb in Kraft treten. 
2)aS Nftnifterium beS Snnern b°t beSbalb eine Sifcung non 
Experten einberufen: 

hierbei gelangte oorerft bie grage gur S'isfuffion, ob es ben 
Sünfdjen ber Sntereffentcn entfprecfjcn würbe, wenn unter gefthaltung 
ber etitbeitUcheu ©efahrenftaffeneintbeilung int Allgemeinen bet eingeliten 
BetriebSgattungen, bei betten bie Erfahrungen ehtjelnerllnfanoerfidjerungS* 
onftalten über ben (Gefahrengrab wefentlidhe llnterfcfttcbc aufweifen unb 
bie Beobachtungsmenge fid) als eine binreidjenbe oarfieHt, im Berorb* 
nungSwege nad; Anftaltsbegirfen oerfchiebene Gefahrenflaffeti feftgefe^t 
würben. 2)iefe f^rage würbe nach eingehenber Beratfjung allgemein 
bejaht. Ueber bie weitere $rage, ob bie in ber geltenben Berorbnung 
oorgefehene Unterfcheibung ber Betriebe in foldje mit „geringerer", „ge* 
wohnlicher" unb „erhöhter" ©efaljr mit je einer befonberett ©efafjren* 
Haffe auch weiterhin aufredjtguerhalten fei, waren bie Meinungen ge* 
tfjcilt, bagegen würbe allgemein einer Anregung gugeftimmt, bas Sdjema 
für bie ©efahrenflafftfifation in einer feichen Seife abguänbem, bafc 
bei Einreihung ber Betriebe in bie ©efahrenpergente einer möglidhft 
weitgehenben Berüdfidjtiguitg ber UnfaHoerhütung Naum geraffen 
toerbe. ferner würben an ber .§anb bes iejteS unb ®dfjema$ ber 
gegenwärtig in Straft ftehenben KlaffififationSocrorbnung bie weiteren 
©runblagen für bie gu erlaffenbe neue Berorbnung erörtert, wobei auch 
bie grage ber Berütffidjtigung ber Berwaltungsfoften bet geftftellung 
ber ©efafjrenflaffen gur $)tSfuffton gelangte unb iitSbefonbere audj ber 
Söunfdj auSgefprod)ett würbe, bah uor ber Entfdjeibung über Einfprüche 
unb Nefurfe in Angelegenheit ber ©efatjrenflaffeneintfieilung ©utadjten 
fadjoerftänbiger Kommiffionen eingcholt werben, Schließlich würben 
gur Berathung ber für bie eingelneu Betrtebstitel feftgufejjenben ©efaljren* 
flaffen fünf Subfomites beftcllt, oon welchen jebetn mehrere Betriebs* 
gruppen gur weiteren Bebanbltntg gugewiefen würben. — 

2>ie fo bringenbe unb feit Beftanb beS ©efefceS erörterte 
Beform ber Unfalloerfidherung felbft b<rt «och immer feine greif* 
bare ©eftalt angenommen. 

3ur grage ber AlterSPerfitherung in @ng(anb. 3u einer 
neuen Brofchüre: .,01d age Pensions a ProposaP* bol ©barleS 
Booib*) fein populäres ^rojeft einer englifdljen AlterSoerforgung, 
bemgufolge jeber 65 jährige englifdje Untertban Anfprutb auf eine 
wöchentliche Benfion oon 5 s h haben folle, abgeänbert. Er bat 
bie AlterSgrenge auf 70 3ab*e biaauSgefchoten, bagegen bie 
Benfion auf 7 sh in ber Bßoche erhöht; in AuSnabmefällen follte bie 
BenfionSberechtigung fd)on gwifd)ett 60 unb 70 gabreit cintreteu 


*) Bonbon, Bhicmtllau anb Eo*. 


fönnen, bodh würben bann bie BBodhenbegüge bauernb gefdfjmälert. 
grauen follten jebodb immer nur ^öd^ftenS 5 sh in ber 3Bo<hc er* 
halten. 3Rr. Bootb oeranfcblagt bie Soften biefeS B™jeftS auf 
20 Millionen Bfunb jährlich, wooon öielleidht 15—20 B^ogent 
wegfielen, wenn bie bemittelten alten ßeute ihre B cn ft° n nicht 
regelmä&ig begieben würben, unb weiter wären 2 l ji BUÜionen 
Bfunb in Abrechnung gu bringen, bie heute für Armenunterfiüfcung 
(„outdoor relief**) außerhalb ber Armenhäufer in Englanb uno 
SßaleS oerauSgabt werben. 

3« einem X^cil ber Srabe* UnionS hetrfcht eine ftarfe Be¬ 
wegung für bie ftaatliche AlterSoerforgung, bie namentlich oon 
Nottingham aus geförbert wirb. 3n btefen Sagen fanb bort eine 
Berfammlung oon 181 ©ewerfoereinS * $)elegirten ftatt, um ber 
Agitation für ben Blau neue Straft gu geben. 

3ngwif<hen hat bie für bie Erörterung ber AlterSoerforgung 
gewählte llnterhauSfommiffton bereits einige ©runbfäfce aufgeftellt. 
danach wirb ein Alter oon minbeftenS 65 Saften für ben B e nftonS* 
empfänger feftgefefet, beS Weiteren mufe er weniger als 10 (Shilling 
fidbere Söodheneinnabme begieben unb minbeftenS 20 gab** einer 
eingeschriebenen §ilfsfaffe angebört haben. Nicht berechtigt gu 
einer Nente pnb folche B cr f° nen / e i nen ßahn oon mehr als 
5 , // mödhentlidj begiehen, bie eine Armenunterftüjjung wäbrenb 
ber lebten jwangig Sabre genoffen ober eine greibeitSftrafe erlitten 
haben. 2Bte man uns jeboch aus ßonbon fchreibt, hegen bie An¬ 
hänger ber AlterSpenfion nur geringe Hoffnungen, ba§ aus ben 
Berathungen biefeS StomiteS gebeihli^e Nefultate h^roorgehen. 

Hnfaatierftthemng in Nn§(anb. £as ruffifhe gtnangmintfterium be* 
fhäftigt fth gur Seit wieber mit bern bereits tm Sabre 1893 auSge* 
arbeiteten Brojeft ber ftaatlichen UnfaHoerftcherung für Arbeiter. $)aS 
Brojeft foH enbiieh ©efeh werben. ®ie ruffifdje Breffe befchäfttgt ftdj 
auch mit ber ffrage unb ift in ihrer SNefjrheit für etn folcheS ©efeb mit 
BerftcherungSgwang. ES wirb bei ber ©elegenheit auf baS rapibc 
SBadjstbum ber tuffifefjen Snbuftrie hingewiefen, in ber fchon im gabre 
1896 über l 8 /* Bftüimten Arbeiter thätig waren. Unter 3ugrunbelegung 
beutfeher Bcrhältniffe fämen auf eine folche Arbeitergapl jährlid) 6000 
Unfälle, wobürch 766 9Kenfhen getötet unb 1237 oöllig erwerbsunfähig 
würben. 


Ätteifcuadjniete. 


%it ArbeitSPermittelung, bie Unteruehmer- unb bie Arbeiter. 

3e mehr fi<h bie organiftrten Arbeiter jur Niitroirfung an ben 
ftäbtifeben unb paritätifdhen ArbeitSnacbwetfen bereit erflären, befto 
fchroffer wirb in manchen Arbeitgeberorganifationen bie ArbeitS* 
oermittelung als Kampfmittel in ber |>anb ber Unternehmer ge* 
forbert. 2Bir haben in ben lebten Numern ber „©ogialen Brayis" 
einige Beifpiele bafür mitgetbeilt (oeral. Nr. 31—33). £eute er¬ 
wähnen wir, bafe auch ber Berbanb beutfeher Bterfgeugmafcbinen- 
fabrifanten fich gegen gemeinblidhe ArbeitSnacbweife wenbet, ebenfo 
erflärt ber ©efammtoorftanb bes ArbeitgeberoerbanbeS für baS 
Nlaurer- unb 3i mmer 9 eroer ^ c Don Berlin unb ben Bororten, ba& 
bie ArbeitS oermittelung 0a<he ber Arbeitgeber fei unb bafe baber 
bie Arbeitnehmer auf oie Berwaltung ber ArbeitSnacbweife feinerlei 
Nechte befifeen. Auf ber XageSorbnung ber ^)elegirtenoerfammlung 
beS EentraloerbanbeS beutfeher 3nbuftrieHer am 3. Sani gu Berlin 
ftebt gleichfalls bie grage ber Drganifation beS Arbeitsnachweis; 
baS Neferat wirb gabrifbefifeer |>ecfmann führen, unb es famt 
fein gmeifel befielen, bafe bie Berfammlung fief) gleichfalls auf ben 
(Stanbpunft fd>rofffter Ablehnung aller gemeinblichen unb pari- 
täiifdhen ArbeitSnacbweife fteUen wirb. — Es ift bafjer bringenb gu 
wünfehen, bafe ber Antrag Noeftcfe-Bachnicfe auf Errichtung oon 
ftäbtifchen ArbeitSnadhweifen — nach Analogie ber ©ewerbegerichte — 
burth Neid)Sgefefc halb im NeichStage gut* Berhanblung fommen 
möge! Seine Annahme wäre bie befte Antwort auf biefe ein- 
feitigen Kampf- unb 9)ia<htbeftrebungen oon Unternebmeroerbänben 
auf bem ©ebiete ber ArbeitSoermittelung. Befanntlidh bat auch b\t 
preufeifche Negierung fich wieberbolt für gemeinbliche ArbeitSnadh- 
weife, neuerbingS auch für Betbeiligung oon Arbeitgebern unb 
Arbeitern auSgefprochen. 3m NegiermtgSbegirf ®üffelborf ift hierin 
auch bereits Erfreuliches gefcheben. 3n einer Sihuna bes Suter* 
nationalen BereinS ber ©aftbofbefifcer am 22. April in Berlin 
würbe mitgetbeilt, bafj bie Negierung ben Arbeitgebern nabegelegt 
habe, mit oen ftäbtifchen Arbeitsnachweis gufammen gu arbeiten. 
Sn Bapern, SBürttemberg, Baben, Bieiningen 2 c. haben bie Ne* 
ierungen bie Söfung ber wichtigen Aufgabe felbft mit Erfolg in 
ie $anb genommen. Sie ungemein ftarf bie Strömung in 

Arbeiterfreifen für bie gemeinblichen ArbeitSnadjweife ift, beweifen 
bie Berhanblungen auf bem ©ewerffdjaftsfongrefg in grauffuit 



931 


Sogiale prajis. Eentralblatt für Sogialpolitif. Kr. 34. 


932 


a. 3R. ®ic Einnahme unb Durchführung beS Antrag« Koeficfe wäre 
baher eine gang heroorragenbe Sörberung beS gewerblichen Stiebend. 

Der SBerbaub (abtfdjer 9rfiett£«a<fjtoetfe tagte am 8. 2Rai in 
EarlSruhe unter bem Vorfifc beS ©eheimen DberfinangratheS 
guchS unb im Seifein mehrerer KegierungSoertreter. Dem Ser* 
banbe gehören jefct 11 gemeinnützige ArbeitSnachroeiSfteßen an. 
Die Erwartungen begüglp ber weiteren AuSbehnung beS ArbeitS* 
nadfjroeifeS finb erfüllt roorben. Es mären im ©angen 49 455 Arbeit¬ 
geber, welche 71 782 Arbeitskräfte oerlangt höben unb auf ©runb 
welcher Oefuc^e 51 279 Arbeitskräfte eingefteHt roorben finb, gegen 
43 041, begro. 57 436, begro. 46 035 beS Vorjahres. Der SöhreS* 
beriet pbt befonberS tyxvox, bafj ber KadjroeiS oon italienifc^en 
Arbeitskräften in faum nennenSroertpr Söeife in Anfpnp genommen 
roorben fei. Die Nachfrage nach roeiblpen Dienftboten ift faft in 
allen Anftalten ftärfer geroefen als baS Angebot. Aebnlid^ oerhält 
es fp mit ben ßeplingen. Ilm biefem VHfeftanbe einigermaßen 
abguhelfen, rourbe oom Dberbürgermeifter £>olgroarth (^for^eint) 
ber Antrag gefieflt: Alle Anftalten mochten an fämmtlpe Vürger* 
meifterämter, Pfarrämter unb an bie Herren ßeper einen ent* 
fpredjenben Verpt ergehen laffen unb auf bie Unentgeltlichfeit beS 
Arbeitsnachweis aufmerffam machen. 2Rit greuben rourbe Be* 
grüßt, baß aud) ber fatholifche Arbeiteroerein unb ber fatholifche 
Dienftbotenoerein EarlSruhe bem Verbanbe fuh anpiießen. 


Äoljlfaljrteeitiridi hingen. 

Die achte Eoufereug ber Eentralftefle für Arbeitertooljlfahrtß* 
etttrptnttgen tu Stuttgart. Am 15. 2Kai trat in Stuttgart bie 
Eonfereng unter bem Vorfiß beS StaatSfefretärS a. D. o. £>ergog gu* 
famnten. Viinifter o. ^3ifd^ek begrüßte bie Anroefenben unter ftarfer 
Vetonung bes 3^8 Ber Söohlfahrtsbeftrebungen, bie unteren VolfS* 
pichten geiftig unb materieß gu heben, bie unheilooße, baS öffent* 
Ipe ßebert oergiftenbe ©egen faßlich feit groipen Arbeitern unb Ar* 
beitgebern gu milbern unb baS ©efühl ber 3 u fömmen gehörigfeit 
aller klaffen ftärfer auSguprägen. Der Vertreter ber Stabt Stuft* 
gart, ©emeinberath Stocfmaper, h°b in feiner Vegrüßung heroor, 
baß bie Arbeiterbewegung befto mehr ihren gefährlichen Eßörafter 
oerliere, je mehr fich bie Arbeiter oon ben anoeren klaffen politip 
unb materieß als gleichberechtigt angefehen roiffen. Die Ser* 
hanblungen brepen fp um Einberfchuß unb Wohnung»* 
frage, Die gürforge fü r @äuglinge unbemittelter Eiaffen be* 
geichnet ber ßWebiginalrath Dr. |>aufer*EarlSruhe in feinen ßeitfäßen 
als fogiale pflpt bes Staates roie ber prioaten SßohlthötigfeitS* 
oereine. Als Mittel empfehlen fp: 

a) ©efeblpe Veftimmuugen gum Schüße IppProangerer Perfonen 
im geroerblichen Setriebe, b) gefeßltche ©eroährleiftung oon Unter* 
ftüßuitgen burch bie Eranfenfaffen, c) Vefferung unferer gelammten ©e= 
burtS* unb Wochenbcttshpgiene burch Hebung bes ftebammenftanbeS 
unb görberung ber SSodjcnbcttSpflege, d) Afi)le unb Anftalten gur geit* 
wetligen unb gleichseitigen Aufnahme oon Säuglingen unb SOZüttern naclj 
Entlajfuug ber 2eßteren aus ber erften ©eburts* unb SSarfjcnbettSpflege, 
e) Anftalten gur gcitweiligen Aufnahme unb Verpflegung erfranfter 
Säuglinge, f) gefeplpe Drganifation beS öffentlichen EiuberPußeS unb 
Schaffung einer gut organiprten unb gut Übermächten Außenpflege. 
3. ©nt iiberwadfte unb gut geleitete Grippen finb für roenig bemittelte 
Scoölferungspichten oon Segen unb barum bei uns in erweitertem 
Umfange aiiguftreben. 

gür bie .gmltefinber empfahl Dr. Staube baS ßeipgiger 
finbcrftjftem unb bie aßgemeine Einführung ber ©eneraloormunb* 
paft, bie in Sachfen feit 13 fahren beftehe. Qn ßeipgig finb 
9239 ttinber bei untergebracht. ES roerben acht be* 

fonberS befolbete Pflegerinnen gehalten, bie in ©emeinfehaft mit 
bem Vlrgt ftrenge 91 ufficht führen im hiJöißniPen unb moralipen 
Sntereffe. 3freitoißige Pflegerinnen eignen |'p nicht, ^ie 9luffpt 
ift and) au f bie unentgeltli^ untergebrachten Einber auSgubehnen. 
Dr. Mlumfer (Frankfurt a. unb Pürgermeifter 2öalg*£>eibelberg 
fprachen fich in ähnlichem Sinne ans, elfterer unter Verurteilung 
ber Erippen. Dr. Oppenheimer*Stuttgart trat für ambulatoripe 
unb SäuglingSfranfcnbäufer ein. KegiernngSrath ?alcf) forberte 
Verbot ber gabrifarbeit ber grauen, ©eheimer Kath poft ftatt ber 
Sabrifarbeit bie .vmusinbuftrie für bie grauen, roooor Vlinifterial* 
rath ^hlel mpbriicflich roarnte: Er fei ein ©egner ber .§auS* 
itibuftrie, ba biefe bie ßöbne briirfe unb ba bie Jiausarbeiter ber 
gürforge entbehren, bie in beit gabrifeu oorgepricbeu fei unb bie 
ber mobenie Vienp gu beanfpripcu höbe, roenn er in ber ßagc 
fern moße, beit an ilpt gcftellten 9lnforberungen gu entsprechen. 


®ie Erleichterung ber VePaffung ber ©elbmittel für bie ge* 
meinnüfcige VouthÖtigfeit fah ber Verichterftatter VranbtS*2)üf)eI* 
borf in ber oermehrten ^erangiehung ber Sparfaffen neben ben 
VerfperungSanftalten, foroie aßer öffentlichen Verwaltungen unb 
Stiftungen, folange npt öffentliche Vaubanfen oorhanben feien. 
Oberbürgermeifter Vec! (VZannheim) begepnete bie Schöffung oon 
ßogirhaufem für Arbeiter unb Arbeiterinnen für noch ^ rop* 
tiger als bie oon Arbeiterroohnungen. ®iefe Anftalten, bie in Ver* 
binbuug mit Vibliothefen, ßefe*, Speifefälen u. f. ro. eingerichtet 
roerben müßten, bürften aber niemals ben Eharafter einer Söohl* 
thätigfeit höben. ®ie ©emeinbe höbe ben Vau oon Eiein* 
roohnungen burch Prioate, Vaugenoffenpaften unb gemeinniibige 
©efeßpaften anguregen unb gu unterftüfcen burch roeitgehenbe Ver* 
günftigungen, burch SKitroirfung ihrer techniPen nnb VerroaltungS* 
Organe, burch Einroirfung auf bie ihrem Einfluffe unterftehenben 
Snftungen unb Sparfaffen unb burch Uebemahme ber Vermittelung 
mit anberen hülftkiftenben Eorporatiotten (VerficherungSanftalten, 
VerufSgenoffenfchaften u. A.), nöthigen gaßs unter VürgPaftS* 
teiftung. Sn ber Vefprechung biefer Referate würben empfohlen: 
Einführung ber Katengahlung (Dr. glefch*granffurt a. 3K.), VBoh* 
nungSfommifftonen mtt einer 9teichS*Eentrale unb ftaatlp garan- 
tirte Vaupfanbbriefe (ßed)Ier*Stuttgart), Vauaenoffenfchaften ftatt 
ber Vauoereitte (Dr. ßiebrecht*§annooer), Unteritüpung ber Arbeiter* 
Vaugenoffenpaften burdh gabrifanten unb ©emeinben (Profeffor 
Albrecht*Verlin), ©eroährung oon Vau*S)arIehen bireft an Arbeiter 
(SDiefc*$)armftabt) nach bem Vorgänge ber fjeffipen VerficherungS* 
anftalt, bie 300 folget Darlehen oon 500 bis 6500 Jt gegeben 
habe, ^erangiehung ber länblidjen Kaiffeifenfchen ^)arlehnsfaffen 
(Sohnrep*Verlin), tilgbare oerginSliche ftaatlp garantirte Vau* 
pfanbbriefe (Dr. Scf)aeffle*Stuttgart) unb Anrufung ber AeicbS* 
gefefcgebung (prof. Eamp*granffurt a. 2R.). £)er ©rünber oer 
Stuttgarter ©ohnungSfolonie Dftheim, ©eheimer ^ofrath Pfeiffer, 
forberte gur Vrecfjung beS VauunternehmereinfluffeS in ben ©e* 
meinben auf. Er ift für bie ©erangiehung ber Arbeiter gur 9Rit* 
arbeit, auch ber Aftiengefeßpaften, roie es in Dftheim burch einen 
AuSPufe aus ben Arbeiterfreifen gepeben fei 

Vät bem Vhtnfdje, bafe bie Verhanblungen für bie Praxis 
gute grüßte tragen möchten, pioft ber Vorpenbe bie Verathungen. 

$te VeteitiißMitfl gur gürforge für fraitfe Arbeiter itt fieipgtg erftattet 
ihren oierten gahreSbcricht (2eipgtg 1899). gh^ 3iel, bie Ergängung ber 
ftaatlichenArbeitcroerftcherungburd) prioate ÜiebcSthätigfeit, hat fie babup 
erreicht, bab fie eine Acihe oon ganttlten roirthpaftlp roieber fo gefräitigt 
hat, bap ftefid) mit eigener Eraft weiter helfen fonnten. Es würben Unter* 
ftiijjungen gewährt an Empfänger oon Eranfengelb 30, an Empfänger oon 
gtioalibenrente 48, an Empfänger oon Altersrente 3, an Empfänger oon 
Unfallrente 18, an gamilien, bie gum Slieil oon Eranfenfaffen ober 
^noalibttäts*Verfid)erimgSanftalten gamilicnunterftüpung erhielten, 20. 
SSohl bie mciften Anträge auf gnoalibenrente in ßeipgig fmb auf An* 
regung ber Vereinigung guriiefguführen. Anträge auf Einleitung bc* 
^eiloerfahreuS würben 265 (229) geftellt, baoon 101 (135) ohne Erfolg. 
§tt etwa 300 (200) gälten würbe bie Stellung eines Antrages auf 
gnoalibenrente ocnnittelt. Eranfengelb würbe gewährt tu 253 gäßen, 
in benett ber Ernährer nach Ablauf ber Erantenunterftüfeung nod) 
weiter erwerbsunfähig franf war. gamtliemtnierftüfcung würbe loegeit 
aßgemeiner Kothlage in 4, weil ber Ernährer fid) in einer .^eilanftalt 
befanb, in 16 (27), VerpflegungSgclb in 56 (60), 2Bödjncnnncn=Unter= 
ftübmig in 29 (44), freie ärgtlidje Vebanblung unb SKebigin in 10 (8) 
gäßen* gewährt, gn 20 (15) gäßen würbe in golge Eingangs oon 
©efud^ert bei ber Vereinigung oon ber Drtsfranfenfaffe nach ben aus* 
geführten Erörterungen ber Anfpnp ber Vctrcffenben noch anerfannt. 
git 78 (76) gäßen erhielten bie oon uns Unterftüpten außerbem öffent* 
Iidje Armemmterftüpung. S« 3 gäßen würben gwar Unterftü^ungeit 
gewährt, biefe aber fpäter gurüderftattet. Vaare 9Bcihnad)tSgefd)enfe 
erhielten 63 perfoiteti oon 10 Ul. bis 30 JL unb im ©cfanimtbetrag 
oon 1109 Uf. $ic Vemiihungen beS Vereins erftreefen fich auf Er* 
Weiterung ber KefonoaleSceittenpflege itnb Sorge für geeignete SBohnuiig 
unb Arbeit. 


ttojinunpraefen. 


^t)^°^^eubau!cit unb Vaufpelulation. Einen für bie fchlimme 
Entroicfelung unferer VJohnungSguftänbe oerhängittpoßett Plifefianb 
beeft Dr. paut Voigt in einem biefer Üagc erpieneiten Schnfpcit 
„^ppothefenbanfen unb VeleihungSgrenge" (Verlin, Verlag oon 
©eorg Stilfe) auf. Er weift an 135 ©runbftiicfen in Verlin unb 
ben Vororten an ber .s^anb oon atntlpcm VZaterial nadh, bafe in 
ber Vegel bie .ssupothefenbanfeu eine bem gemeinen SBerth unb 
ben KupungSroerth weit überfteigenbe Velethung oorgenotnmen 
haben. Xamtt ift npt nur eine pwere ©efährbung ber pfaitb* 



983 


Sogiale $raji3- Ecntralblatt für Sogialpolitü. Br. 34. 


934 


Brief gläubiger oerbunben, fonbern eg wirb baburch auch ein Be«» 
benfltcfjer Anreig gu übertriebenen Kaufpreifen ober unseren Be* 
leihungen für ^rioatperfoneti unb ein f>öd)ft ungünftiger Einfluß 
auf bie Boben* unb SRiethpreigbilbung auggeübt: „X>te leidet gu 
erlangenben hoben Beleihungen erzeugen einmal unrmnig hohe 
Bobenpreife unb eine roilbe Spefulation, unb fie ergwingen 
groeiteng SRiethfteigerungen, ba bei ber üblich geworbenen Btethobe 
übertriebener bppothefanfcher Belaftung jeber fpätere Käufer ohne 
folche TOethgfteigerungen banferott werben würbe." £)ag Beweig* 
material oon Boigt wirb bei ber im preufjifd&en Abgeorbnetenhaufe 
Beantragten ©nquete über bie £>ppothefenbanfen fieser eine bebeui* 
fame Stolle fpielen/ 

Bau oon Arbetiertoohminfteit in kreglen. Slug ber fächfifdEjen 
$auptftabt wirb ung getrieben: 2 )ent im oorigen 3 ahre (je* 
grünbeten X)regbner Spar* unb Bauoerein, E. G. m. b. p., 
ber feit furgem unter beut ^roteftorate beg Bungen Sriebrich 
Auguft oon Sachfen fteht, ftnb neuerbingg burch eine, unter bem 
GbrenuorFifce beg Bringen abgehaltene Berfammlung £)regbener 
3nbuftrieHer namhafte Mittel gu einer umfaffenben Snangriffnahme 
beg immer bringenber nöthig werbenben Baueg oon Arbeiter* 
Wohnungen gur Berfiigung geftettt werben. Bon einer Angahl 
Öirmen würben im (fangen lOOOO J( Q?^h[^Sbeiträgc unb gwar 
auf 10 Qahre hinaug bewilligt, wogegen biefe firmen bag Be<ht 
erbalten, eine eittfprecbenbe 3 ahl ihrer Arbeiter, bie gugleich Bttt» 
lieber ber Genoffenfdjaft fmb, gur oorguggtoeifen Beriicffichtigung 
ei oerfügbar werbenben Söohnungen in ben Genoffenfdjaftghäufern 
angumelben. Um bag Unternehmen allen Arbeiterfreifen gugänglich 
gu machen, oerpflichteie fief) ber Spar* unb Bauoerein, ber bigher 
nur für Btttglieber beg ^regbner eoangclifchen Arbeiteroereing be* 
ftanb, biefen ^Saffuö feiner Statuten gu ftreichen. Bur im Stuf* 
fichtgrathe Bleibt bem eoangelifdben Arbeiteroereine, ber bie Ge* 
noffenfehaft ing Leben gerufen hat eine begrengte Bertretung gc* 
fiebert. X)a bem Berein gröfeere Kapitalien oon ber Berfidjerungg* 
anftalt für bag Königreich Sachfen unter günftigen Bebingungen 
gugefidjert finb, unb ooraugfid)tli(h auch bie Berwaltung ber 
ftäötifdjen Stiftungen unb bie fädbfifche Staatgeifenbabn in biefer 
Dichtung helfen werben, aufcerbem einige Baupläne fd&enfweife 
überlaffen fmb, fo barf erwartet werben, baft mit ber g>erfteÜung 
flciner Wohnungen in X)regben unb beffen Bororten in 3 u ^ un ft 
fchneU unb umfaffenb oorgegangen werben wirb. 


<Et|iel)ttitg unb fiilbnng. 


Xic GcfeUfdjaft für Serif titeg oon Softgfcilbmtg hielt am 13. unb 

14. 9J?ai in Sofen ltiticr bem Borfifce be§ Abgeorbneten liefert unb in 
(Gegenwart beg Dbcrpräfibenten gretherm o. 2Bilamowi|i*S?ölIenborf 
ihre 29. ^auptoerfammlung ab. Xer Gefcflfdjaft gehören u. A. 1543 Ber* i 
eine an, barunter “2 Arbeiter*, 234 Bilbungs* 83 faiifmännifdje, 107 I 
Lehrcruereine, 60 Olewerfuercine, 42 Beamtenocreine unb 174 Biagiftrate, I 
Gcmcinbe», Kirchen» unb Sdjuluorftänbe an. Xte ©efcllfdiaft hat oon 
ihrer EentralftcHc aug im ^ahrc 1898 297 Bolfgbibliothefen mit 
IS 512 Bänben neu begrünbet unb 96 bereits beftcfjetibe Bibliothefen 
mit 3098 Bänben unterftüfct, inSgefammt alfo 21 605 Bänbe uuentgelt* 
Iid) abgegeben. Bon biefen 393 neu begrünbeten ober imterftiifcien 
Bibliothefen entfallen 314 auf bie öftlidjeit Groningen. ben lebten 
brei fahren hat bie Gefeflfchaft 41 622 Biidjer für Bolfgbibliothefen 
unb an ftrebfame junge 2eutc unentgeltlid) abgegeben. Ein erheblicher 
Xljeil ber Bibliothefen entfällt auf baS platte £anb. Xie Öefcüfdiaft ift 
jept in 448 länblidjcn Crtfdjaften Durch 313 förperfdjaftlidje unb 135 
pcrfönlidje 2J?itglicbev oertreten, Geiieralfefrctär XewS gab einen lieber* 
blief über bag freiwillige ftortbilbungswefen im Borjahre. 29 Stabte 
gahlten für bie Bolfölefeinftitute gufammen 185000 Jir, allerbiugg eine 
geringe Summe gegenüber ben großen Aufwenbungen englifdjer unb 
norbamerifanifd)cr Kommunen. Xie geitgemäf; eingerichteten 2efeanftalten 
würben ftarf benufct. So lieh g. B. bie Bolfsbibliothef in i^ena 58 000, 
bie in rtranffurt a. Bf. 57 000 , in Xüffelborf 48 000, Stuttgart in 9 Bfo* 
naten 36 000, Königsberg i. $r. 27 000, Jyreibtirg i. S. 33 (XXJ, Karls* 
ruhe 27 000, Bfannheim 48 OCX), 23ieSbaben 51000 Bänbe aus; ben 
Berliner 27 Bolfgbibliothefen würben 600 (XX) Bänbe entnommen. 
Ebenfo erfreuten fid) bie öffentlidjen SefehaUen eineg ftarfen Befndjeg. 
Erfreulich fei, bag bie Staatgregierungen bie Bolfgbibliothefen neuer* 
bingg materiell unterftüpeit. Xie Borträge behanbelten bie Pflichten 
ber föebilbeten unb Bcfißenben in ben oft liehen ’Sßrouingen ((Mpmnafial* 
Oberlehrer (Sollmann), bag Bolfgfdjulwefen in ben Dftmarfen unb fein 
2tuffdjwütig fBiittelfdniHehrer ©utfrfie^ojen). lieber bag Sedhfeloerhält* 
nif) oon Bolfsbilbung unb wirthfdjaftlicher CSntwidelung fpradjen 
3- Xewg nnb Dr. (Srnft Schulfce*Bcrlin. Xie wirthfdjaftlichen folgen 
ber Bolfgbilbung geigten fid) oor SHIem in erhöhter $robuftion, in gu* 


nehmenber Sparfamfeit, in bem Berfchwinben roher Bergnügunggarten 
unb bem Sluffommen eblerer Erholungen, baneben in ber Abnahme ber 
Berbrechen unb ber Firmenlaften, 3 una hwe ber BaterlanbSliebe unb 
einer günftigen Beeinfluffung ber Bolfggefunbheit — fowohl bireft bnreh 
Berbrcitung hPflienifcher Kcuntniffe alg auch önreh Abnahme ber Xrunf* 
fucht u. f. w. nm wichtigften fei aber jene Steigerung ber perfön* 
liehen ^robuftiongfähigfeit, bie überall im (befolge ber BoIfSbilbungg* 
beftrebungen auftrete unb bie fich aug ber BirthIdjaitggcfcbidjte Eng* 
Ianbg, Stinerifag, ^ranfreidhS unb anberer Sänber erweifen laffe. Xen 
SBerth ber Bilbung für bie lanbwirthfdjaftlidje Bcoölferung lege eine 
Bergleirfjung, befonberS ber bänifchen unb ber irifcfjcit Sanbwirthfdjaft, 
bar. Xic Dberbiirgermeifier Bitting*Bofen unb Brinfmann*Koniggberg, 
ber Mbgeorbnete Emft, ber Banberrebner Dr. ^ohlmepcr, SReftor 
Xriesner-Bokn nnb L)r. BalI*Berlin betheiligten ftd) burch weitere 
Sieben, Berichte unb Begrünungen an ben Berhanblungen. 


<Daaerbegeriri)te. (Klnigungsöwtcr. Sdjiei^gcriitjte. 


fßroteft tum Untcrnehmrrn gegen ^tnignnggämtet. £>er „Berein 
beutfeher Söerfgeugmafdhinenfabrifen" in Sachen ber fogial* 
politifchen Snitiatinanträge an ben Staatgfefretär beg Beidhgamtg 
beg Snnnern eine Eingabe gerichtet, in ber eg u. 21. in bombaftifdher 
Uebertreibung Reifet: 

Xag Selbftbeftimmunggrecht beg gabrtfeigenthümerg, alfo ber 
Eigenthumobegriff überhaupt, würbe burdE) folche Bfafcnahntcn, mic 
obItgatorifd)e Schiebggerid)te ober Einigunggämter, §lrbeitgnachweife 
unb bergleichen, erheblich beeinträchtigt werben, ba eg hoch allenthalben 
eine unbeftreitbare Beredjtignng beg Arbeitgebers bleiben muß, Scute 
nach feiner eigenen Beurthcilung ihrer Eigenfdfjaften angufteHen ober gu 
entlaffen, unb ba, abgefehen oon ben an oielen Orten beftehenben OJe* 
Werbegerichten, baS allgemeine Becht ausreichenb ift, bie fich auS & ein 
Arbeitsoerhältnib etwa ergebenben Streitigfeiten gu fcf)Iichten. Xtc 
buftrie mii&te eg alg einen unerträglichen 3wang betrachten, ber ihre 
Schaffcngfreubigfeit lähmen unb bie fdjöpferifche Untemehmunggluft 
bradjlcgen würbe, wenn fie gehalten fein foHte, jebem aus beliebigem 
Erunbe gegen ben Arbeitgeber flagbar werbenben Arbeiter oor einem 
oielfach gänglid) fadjunfunbigen EinigungSantte Bebe unb Antwort gu 
ftel)en. Xer Icptc Beft ber gegenwärtig nur noch mühfam aufrecht er» 
haltencn unb hoch im ^intercffc beg Betriebes burdjaug nothwenbigen 
gabrifbisgiplin würbe ocrloren gehen, wenn ber Arbeiter wüfctc, baf* 
er jebergeit ben Arbeitgeber oor bas Sd)iebsgericht ober Einigunggamt 
forbern fönnte. 

X)ag ift ber £>errenftanbpunft, ber fnh meigert, mit bem Arbeiter 
auf bem 0fufje ber Gleichberechtigung gu oerhaubein, in ooüfter 
BacftheiL 

9{enerlt<he 8f8fle bon einigmiggamtltcher ober fchiebggericht» 
liehet fiüfnng bott Alrbeitgftreitigfeiteit in Englanb* Xie Bfai* 
Bummer ber amtlichen Labour Gazette berichtet wieber (ogl. „Sog. 
^rajis" Sp. 829) oon mehreren 0?äflen, burch Einigunggamt 
ober SchiebSgerid)t Arbeitgftreitigfeiteu frieblid) beigelegt würben. 
Unter bte Berföhmniggafte fällt ber Auggleicf) itn Baugewerbe oon 
Söigan, wo 3 immerleute, Xifchler unb X)achbedfer Lohnerhöhungen ge* 
forbert hatten, beggleichen bieLohnforbermtg ber'JBaler unbAnftreidher 
in Barrow in Öurne§, ferner eine Befchwerbe ber Kohlenarbeiter 
in ^olegworth- 5)urch gegenfeitige Bereinbarung ber Arbeitgeber 
unb Arbeiter würben Schiebgrichter befteHt für bie Sorberungen 
ber ÜKaler in Affjton unter Lpne fowie ber 3 t mt n er kute unb 
Slifchler in bem £öpferei*X>iftrift. X)ie jübifchen Sdhneiber in £>ull, 
bie Glagflafchenarbeiter in ?)orffhire, bie Spifcen*§ilfgarbeiter in 
Bottingham, bie Korbmacher in Birmingham haben in freier Ber* 
einbarung mit ben Unternehmern neue Arbeitgbebingungen erhalten. 
X>a& einem aro&en Streif in ber Baumwollweberei oon Lancafhire 
erft fiirglich ourcf) eine friebliche Bereinbarung oorgebeugt nnb oor 
einigen 9J2onaten in ber englifchen Kohleninbuftrie ein Abfomnteu 
burdh Berhanblungen gwifcheit Grubenbefitjern unb Bergleuten er* 
Sielt worben ift, haben wir fdjon früher gemelbet. Augftänbe unb 
Augfperrunaen mit ihren lärtnenben Begleiterfcheinungen gieljen 
freiüdh bie Aufmerffamfeit beg ^ublifumg mehr auf fich alg biefe 
meift in ber Stille oerlaufenben Berhanblungen. Angefid)tg ber 
aber auch in X>eut[d)lanb oorhanbeneit Bemühungen, ben frieblichen 
Augtrag oon Arbeitgftreitigfeiteu auf bem Bege oon Besprechungen 
ber Betheiligten burch gefejjliche Biafenahmen gu förbern, halten 
wir ben .£)inweig auf bie hierher gehörigen Xhatfachen in Englanb 
für fehr nufelich. 


eeranhoorüicfi für bte ttebaftion: Dr. «rnft Stande tn Berlin W , Bagreustjerftrafec 29. 




935 ©ojiale fragte. CcntralBIatt für ©ojtalpolitif. 9?r. 34. 93U 

S)i< «Mal« firavt*“ erfc&eint an jebetit ©onnerfitafi unb ift bur$ ade ©ut&Banblungen unb Zollämter (^oitaeitunflSnunmwr 7072) ju bejie&eit. ©er 
fftt ba« ©ierteliahr ift 9tt. 2,50. gebe Kummer foftet 30 $f. ©er ÄnjetgenptetS ift 60 $f. für bie breigefpaltene $etitieile. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
A. Troschel in Berlin W. 


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nach der Novelle 

zur Gewerbeordnung 

TOB 26. Uli 1897. 

Von 

Dr. Holtmann, 

Regierungsassesaor. 


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Revue d’ £conomie 
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Hgg. von Oaumrdty Gldo f Soh wrlodland und VIHoym Redactionssecretäre: 
J mj und Sonolion. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard, 
y. B5hm-Bawerk, Brentano, BQ eher, Clark, Cossa +, Foxwell, Issajer, t. Kördsi, 
Laveleye f, Levasseur, Loria, Macleod, Matqja, dn Haronssem, Menger, t. Hlaakowaki, 
Monro, ▼. Phlllppovleh, Plemas, Pigeonneau +, Rabbeno f, Sanzet, Sehmoller, Walras, 
Webb, Westergaard« — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs. 

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mitten im internationalen A r erkehrsleben gestanden hat, j 
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letzten Jahrhunderten des Mittelalters. 1899. 
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bolitil. 945 

Ser ©oannelifch*©ojiale Äon* 
flrefe in Äiel. 

Sarifoereintflungcn 

Sie Bcrgebung fißfalifcher Arbeiten 
in Preußen unb bie ©treifflciufel. 

3>ir Auslegung beö jüchfifchen Bcreinß* 
recht«. 

Sie 2Boljlen ber Arbeitöfammcrn in 
Amfterbnm. 

Snternotionaler Äongrefe für fogial* 
wiffenfehoftaebe« Unterrichtöwefen 
1900 in Pari«. 

f«anHRsal« Soglnlbolttif .... 949 
©emeiitbliche $ürforge in ber 2öoh* 
nuugöfrage gu Biüncfcen. 

©täbtijcbea SRcgulatiü für Vergebung 
oon Arbeiten an ArbeitSlofe in 
Offenbac^ a. 9)2. 

Altcrßberforgung bon ©emetnbe» 
beamten in©laögow unb Sartmouth. 

Vrbftterbftocgnna.950 

Betrachtungen übet bie bte«» 
jährigen Lohnbewegungen int 
©chneibergewerbe. Bon So» 
banne« Simm, ATbeiteTfefretäT, 
München. 

Ser jehnte internationale Bergarbeiter* 
fongtefe. 

Set erfte Äongrefe chriftlidjer ©ewerf* 
fefeaften. j 

Äongrefe ber ©oangelijchen Slrbeiter» | 
»ereilte in Altona. i 

Ser Berbanb ber fatholifchen Arbeiter» j 
beteine in Sübbeutfchlanb. | 


©in Berbanbfefeau« bet beutfehen ©c* 
werfocreine in Berlin. 

©nbe bc« Büderftreife« in München. 
Äampf um ben ;5el)nftunbcutao in 
Brünn. 

©ine SWaffenauöfpetrnng in SänemaTf. 
Bergarbeiterbewegung in ©übfranf* 
Teich. 

Srf»rfterf4«*.-.957 

Sabreßbericbtbctheffifchen ©e* 

werbe*3nf peftion. 

Sie ©ewerbeaufficht in SBürttemberg. 
ttefctitcvfeerlUfcmNM' Sparfaffen 959 
proportional» 2Bahl für bie 
Allgemeinen Ortßfranfen* 

Faffen in ft-rarnFfurt a. '1)2. Bon 
gabrifant Ph. $ e r a • 9)1 i 11 S, $K>nf« 
furt a. 3)2. 

Äongrefe ber ÄranFcnFaffen Seutfch* 
lanb«. 

Sie AtbeUerFranfenPeTfitfeerung in 

Defterreich. 

Sie ^pauptergebniffe ber öfterreichifchen 
Unfallftatiftif für bie $ahre 1890 biß 
1896. 

ßur Drganifation ber gewerblichen 
llnfallbetfiefeerung in ftranfreich. 

Sa« Äranfen» unb UnfaUoerficherangß* 
gefefe in ber (Schweig. 

Berficberung gegen ArbeitfllofigFeit in 
Amerifa. 

CBobtfafcvtteimHtfihingen .... 963 
greefe’ß Schrift „$abrifantenglüd". 
Berichtigung. 

SoMale Spgiene.965 

Scr SuberfulofeȀongrefe in 
Berlin. 

©tftbtiicfee ©efunbheitßinfpcFtorinnen 
in ©nglanb. 

Snhalt beö ©ewcTbegeridt« 92r. 9. 


Beilage: „Saß ©etoerfcrgericht“ 9hr. •. 


Abbrud fämmtlicher Artifel ift ßeihingen unb ßeitfehriften geftattet, jebodj nur 
mit »oller Quellenangabe. 


Bie ßftdiereiocrorimung in ber Prari-ä. 


Rian fanrt einer neuen ^rbeiterfchußoorfdjrift feinen fd)Ied^tereit 
3>ienft tf)un, als menn man ungebulbig alsbalb nach ihrer praf* 
tifdjen Vewäßrung, b. h- nach ber ITngufrie ben heit ber betreffenbett 
Sntereffenten forfdjt. Qn ben erften Sauren ^errfefjen aEerhanb 
UebergangSfchwierigfeiten nor, fac^lic^e unb pftjdjologifdje; 
fpäter glätten fic^ bie SSogen. flafftfc^e 33eifpiel biefer dr* 
faljrung f)at ber engtifc^e 3ef)n|tunbenarbeit£tag uon 1877 geliefert. 


! S3eim beutfehen 5lrbeiterfd)ufe non 1891 befinben mir unö erft 
im 3 tueiten 6tabium beß 2Cbflärung§DorgangS ber öffentlid)en 
^Reinung; bei ber SBäcfereioerorbnung Dom 1. Q>uli 1896 im erften 
6 tabium. 

3Senn bemnaä) eine augenblicflicfye ^erftimnuing ber 33äcfcr** 
meifter nur ein normales 6pmptom ift, fo rneift boc^ bie 33äcferei- 
oerorbnung oon 1896 gmei ^rfd)einungen auf, bie if>r gegenüber 
bem fonftigen Slrbeiterfc^uö eigentljümli^i fmb; baS ift einmal ihre 
überaus forgfältige unb langwierige Vorbereitung unb groeitens 
bas Vfifeoerbältnife ber fd^reienben Klagen über iljre Verberblidjfcit, 
oerglirf)en mit bem (Srgebnife ber t^atfdefilieren geftftellungen, bie 
burdb biefe Klagen boroorgerufeit finb. 9J7it biefent TOfeoer^ältnin 
unb feinen ©rünben befcf)äftigt fnb bie folgenbe (Erörterung. 

I. 

SBäbrenb Regierungen, VunbeSrat^ unb Parlamentarier mit 
Väcferpetitionen fortgefe^t überfc^üttet werben, wä^renb bie Vätfer* 
Innungen fd)on im £>erbft 1896 auf i^rem @ermania*VerbanbS* 
tage einen beinabe eiuftbüibternben Sllarm erhoben, beeilte fidb bas 
ReicbSamt beS Snnern, bereits am 23. September 1896 bie Re** 
gierungen um eine fcblcunige ©nguete gu erfud&en. 2)aS (Srgebnift 
biefer Erhebungen ift oom Staatsfefretär am 17. TOirg 1897 bem 
Reichstage fummarifd) nütgetbeilt worben, daneben höben wir bie 
fortlaufenben SahreSberichte ber ^abrifinfpeftion. Veiberlei Duellen 
gehen naturgemäß in erfter ßinie auf bie fubjeftioen $luSfagcn 
Der Rteifter gurücf, aber fie fmb both baS oerläffigfte ÜRaterial, bas 
wir höben. 

6 at wäbrenb ber bisherigen llebergangSgeit bie Verorbnung 
wirthfehöftlich ober fogial gefdßabet? ®iefe gwei Sragen fmb gu 
beantworten. 

Vorweg ift gu bemerfen, baß nach ben oorauSgegangenen ßr* 
inittlungen ber arbeitsftatiftifchen Slommiffion eine merfliche 
Schäbigung wirthfchaftlicher Prioatintereffen wefentliih nur ba gu 
erwarten war, wo bie Rfeifter bisher an frember Slrbeitsfraft 
Raubbau trieben unb nun gur Ä'ompletirung ihres perfonals ge* 
nöthigt finb. @S waren ja nur ÜDUnimalforberungen, bie ber 
VunbeSrath aEgemein oorfchreiben fonnte. 6twaS ungünftiger 
lautete bie fogiale Proanofe infofern, als bie $ontrole ber Ver- 
orbnung ungefchitfter Seife gum £f) e ü öuf ^Denuugiation ange* 
legt ift.' * 1 ) 

2>aS Srgebniß ber atnüiihcn (Ermittelungen ift ein bider Stridj 
burd) bie oon ben Wortführern ber Värfermeifier entworfenen 
Schrecfbilber. 

1. (Eine erhebliche wirthfdjaftliche Schäbigung höt in einem 
großen ber VerichtSbegirfe, fo bei ber Reichsenquete in 

Den meiften preußifchen Vegirfen, überhaupt in feinem eingigen Jafl 
fonftatirt werben fonnen. 3« ben übrigen Vegirfen ber Reichs* 
enquete befchränft fich bie Sdjäbigung meift auf Söüe, in benen 
entweber oorübergehenbe Umftänbe als mitwirffam h^ riJ orgehoben 
werben, ober aber fleinere Väcfereien großer Stäbte jeßt bie Äoften 
einer angemeffenen (Ergängung ihres ungureid)enben Perfonals 
gahlen tnüffen. Unb ähnlich lauten bie Sonberberichte ber gabrif** 


') Bcrtjl. „Soginlc prariv" o a l)i*g. V, 2p. 79 ff. 












940 


939 


©ogiale BrajiS. ©eutralblatt für © ogialp oltlif. Nr. 35. 


infpeftion. @8 geigt fi<h babei gugleich, bafc offenbar nur erfahrene 
AuffichtSbeamte im ©tanbe finb, ßegenben grünblich gu gerftören, bie 
ber Neuling für baare Bfünge nehmen mürbe, ©erabe in ©täbten, 
beren Snnungen befonbers laut über bie 3d)äblid)feit ber Berorbnung 
flogen, roie Hamburg, befagt ber amtliche ^oligeiberid^t baS ©egen« 
tfjeil.-) Seiber crgicbt ficf) aber auch, baß in mannen ©egenben 
bie Agitation ber Bteifter gu einer lajrett ft'ontrole geführt bat, bie 
notbroenbig ben SBiberftanb ftärfen mußte. AitS Bremen unb 
Stuttgart mirb benn aud) gerabegu berietet, baß oielfad) abfic^tlid^e 
Uebertretungen in ber Annahme erfolgten, bie Berorbnung roerbe 
bod) halb roieber aufgehoben. 3 m ilebrigen mar bie Durchführung 
augenfrbeinticb am leicbteften gerabe auf bem Laube, mo nad) ge« 
roiffen Brophegeiungen bie ©djäbigung befonbers fcbroer fein foule. 
Unb mo orbuungSmäßig fontrolirt mirb, geigt ficb fcfjon jeßt eine 
Abnahme ber ohnehin nicht übermäßigen 3a pl &er ltebertretungS« 
fälle. Der Dbermeifter einer preußifchen Begirfshauptftabt, anfangs 
erbitterter ©egner ber Berorbnmia, erflärt fc^on im hinter 1896^97, 
fie habe fich beffer beroährt, als er glaubte, unb fei nach feiner 
Anfid)t gang gut burd)führbar. ©leichgeitig berichtet ber ©hef ber 
babifd^en Sabrifinfpeftion, „baß bei allen neuen Borfcßriften be« 
güglid) beS Arbeiierfchußes bie Angaßl ber Uebertretungen in ben 
erften Monaten relatio oiel größer mar als hier", 3 ) unb feine fpäteren 
Berichte beitätigen ben Öortfdjritt biefer günftigen ©ntroidelung. 

3ur Beranfdjaulichung beS ©efagten mögen hier einige füb* 
beutfdje Urtheile folgen. 

(Sin Bädcrnteißcr einer mürtteinbergifdicn großen Stabt rrflärtc 
ßcm Wemerbein)'peftor, bie Berorbnung föitne ba unb bort an Bor« 
abenben ber Sonn« unb Zcßtage gemiffe Sdpoierigteiten bereiten, bie 
aber burd) intctifioes Arbeiten leirijt »ibermunben merbeit fönuen. Zm 
Hiitblid auf bie in ben Stuttgarter Bädereien beftaubeneu 3»ftänbe, mo 
ficf) fein eigener Sobit beinahe gu Dobe habe fdjinben muffen, betrachte 
er bie Berorbnung als eine ©rlöfnng unb nehme alle übrigen Be« 
idiroerlichfeiten gern in ben .Häuf. v Yn Baben nmrbe oon Anfang an 
„genau unb ftreng" reuibirt, im erften Zaßre nur Berroantungen et« 
theilt, im gmeiten geftraft; ber giinftige (Srfolg ift fchou ermähnt morben. 
Zahlreich maren g. B. 1897 bie Uebertretungen nur betreffs mehr for« 
mcüer SJtängel Oegiiglidj ber oörgefdiriebenen Nushänge; biefe mürben 
einfach ben Begirfsämteru mitgetheilt, „mas n ad) ben gemachten Wahr¬ 
nehmungen gur Herbeiführung eines georbneten ^uftanbes ohne Zuhilfe¬ 
nahme ftrafenbeu (Sinfd)reitens genügt". „BefonberS groß ift (1897) bie 
Zahl ber Berfehluugen in einer eiugelncu größeren Stabt. l£ß fdjeiut, 
baß mau hier es befonbers barauf ablegte, burd) eine große Zahl oon 
Uebertretungen bie Unburdjführbarfeit ber Bunbesrathsöcrorbnung bar« 
gutljun, man geigte menigftens nicht bas geringfte Beftreben, mit ber 
gugelaffenen ArbeitSgeit ausgufommen, unb machte oiclfad) aus eigenem 
Antriebe auf # bie oerfchiebeueu Uebertretungen aufmerffam." „Zn ben 
Betrieben, in'benen im Borfalfrc Uebertretungen feftgefteflt mürben, ift 
man mit ber guläffigeu ArbeitSgeit im laufenbeu Zähre ausgefointnen. 
(itue Ausnahme ntad)en nur 8 Betriebe ber obeugebad)teu Stabt." — 
„Nur in einigen meuigeu beträd)tüd)en Bädereien größerer £>rte mürbe 
barauf hingemiefen, baß man einen meitereu Cfen hergeftellt, ober einen 
(behülfen mehr eiugefteflt habe. Zomiemeit bies burd) bie Berntehrung 
ber Brobuftion mitbebingt mar, tonnte nicht feftgefteflt merben. Da« 
gegen fonnte in feiner ber fleineren Bädereien ermittelt merben, baß 
eine Berbefferung ber ©inridjtungen ober eine Bermehrung beS B cr “ 
l’onals megen ber Durchführung ber Berorbnung nötl)ig geworben fei" 
(1896). „Wo in eingelnen Anlagen gefeit umgebaut mürben, hanbelt 
es fid) um ausgefprodjenc Beroollfomuinungen beS Betriebs, bie früher 
ober fpätcr bod) oorgettommen morben mären. . . . einige. SNeiftcr 
fönnen jeßt nidit mehr bie Lehrlinge unb bie jüngeren ©ehilfeu nad) 
langer Nachtarbeit nod) ben gangen Bormittag ober aud) bis itt ben 
Nachmittag hinein gum Brotaitstrageu oermeuben. Das ift aber feine 
nad)tbeilige Wildling" I1S97). „Bei ben Neoifionen mürbe aud) banadj 
gefragt, ob bie Durchführung ber Berorbnung gu einer tiinfd)ränfung 
ber Brobuftioti ober gum Berlufte ber .Uunbfchaft geführt habe. ©rftereS 
mürbe in feinem ZaUe angegeben. Zn festerer Begießung fonnte nur 
ein äußerft geringfügiger ft all ermittelt merben, mouad) in einer Bäderci 
ein ciugiger Mimbc meggebliebeu fei, meil ihm an einem Sonntage 
megen oorgeriiefter Zeit ein .Huchen itugebadeu habe guriidgefd)idt merben 
miiifen" (1*96). „Auf auberc Naditheile mürbe oon bciY Bififteru nicht 
bingemiefeit. Nur an einigen fleiucu Drteu fugten einige Bieifter mit 
fleiuen Betrieben, bie Berorbnung fei ber Nuin bes BädergemerbeS. 
Als fie barauf aufmerffam gemadit lourben, baß in ihrem Betriebe bie 
guläffige Nrbcitsgeit lauge nidit in Nnfprud) genommen merbe, beriefen 
fie fid) barauf, baß biefe i^irfuiig in ben a ad)geitfd)riften mieber« 
holt uaehgemiefeu morben fei. Nus eigner Wahrnehmung fonnteu 
aud) fie nichts nad) biefer Nichtuug mittl)eilen" (ls<)7). 

-) „Sogiale Bi'aris" Zahrg.VII, Sp. lose». 

3 ) „efiuigeu biefer Borfdjriften mürbe mährenb biefer Z c il faß 
burchmeg entgegeugebanbelt, unb bod) fonnten fie alle im Berlauf oon 
gmei bis brei Zähren als ciugelebt gelten. Nod) niemals hat mau 
megen ioldier Wahrnehmungcu eine Borfdirift als unburchführbar be« 
A'iduict/' 


2. Der ©influfe auf baS fogtale ©inoernehtnen wirb Dielfad) 
toentger güttfiig beurtheilt; am ungünftigften, mo, mie in Bremen, 
bie Durchführung ber Borfdhrift gu roünf^en läfet; am günftigften, 
ido, roie in Baben, eine gielberoufgte Durchführung ftattfinbet. 3m 
Reichstag rourbe befonbers betont, bafe bie ©efellen jeht mit 
Denungiation brohen fönnen; ein ©efelle habe feinemBieifter cor« 
gehalten, in ben legten groei BJonaten fei bie Berorbnung 45 mal 
übertreten roorbett. BJan fann biefem Bieifter nur raihen, fi<h um 
feine Bacfftube mehr gu fummern unb bie Beobachtung eines 
heffifchen NufRchtSbeamten gu behergigen, bafe bie Berorbnung 
überall ba burchgeführt fei, roo ber Bcetfier felbft mitarbeite. 

^InbererfeitS tritt in ben Berichten auffällig h^or, baft uon 
ber oielfach erroarteten fogiatbemofratifchen Nufroiegelung faft nichts 
gu bemerfen ift. 2öo auSnahmSroeife oon berartigen ©rfcheinungeu 
berichtet roirb, fügt ber Beferent einige BJale auSbrücflich bin$n, 
bie fogialbemofratifchen 0 i)mpathien hatten aber Iängft oor (5rla& 
ber Berorbnung unb unabhängig ooit biefer ©inlafe gefunben. 
BeichStagSabgeorbneter Bielhaben, eilt Hauptanroalt ber ungu« 
friebenen Bädermcifter, fattn fich &aS Sßohloerhalten gerabc ber 
fchlimmften fogialbemofratifchen Bädergefeöen nur unter 3ahi^ s 
nähme beS ©eriiehts erflären, bie 6 ogialbemofratie habe eine Carole 
auSgegeben, man folle oorläufig ftill fein, ©eitbem hat bie Streif« 
beroegung oon 1898 bieS Überfluge Argument Dernidjtet; benn fie 
gilt natürlich als 2Öerf fogialbemofratifdher Bfache. Der Biagiftrat 
einer BÜttelftabt beS BkftenS, beren Bädergefellenfchaft früher mit 
ben Bieiftern in llnfrieben lebte unb fich grofjentheils ber Sogial* 
bentofratie gugeroaitbt hatte, berichtet gerabegu, ber fogialbetnofra« 
tifchen Agitation fei burd) bie Berorbnung ein roefentliches Stampf« 
mittel entgogen. Unb ber Dbermeifter in einer Stabt beS Dfteits 
oerfichert bem ©eroerbeinfpeftor, bie Berorbnung fei für bie ©nß 
roidlung unb ©chaffenSfreubigfeit beS BädereiperfonalS fegenSreich 
unb bagu angetljan, mit ber 3eit ein beffereS ©inoernehmen groifchen 
Bieiftern unb ©efellen berbeigiifithren. 

II. 

Nachbent roir bie Dhatfachen femteit gelernt, bleibt je^t übrig, 
fie gu erflären. Bkirum führt gerabe biefe Nrbetterfchutoor« 
fdjrtft, roenn auch in geringem Biaafee, gu fogtalen Biißhelligfeiten, 
unb roie erflären fich bie maßlofen Klagen angefichts ber in SSirf« 
Xidjfeit ungeroöhniieh geringen ©d)ioierigfeiten? Beibc fragen 
hängen gufammen, aber fie roolleit nach änanber beantroortet fein. 

Slnlafe gu einer geroiffen ©thabettfreube beS Arbeiters giebt 
jebe begrünbete Slrbeiterfchubbeftimmung; aber nur gegenüber 
bemjenigen Arbeitgeber, ber bisher feine Seute fchlechter beljanbelte, 
als bie Beftimmung forbert. Dagegen ift eine BloßfteHung beS 
humanen BädermeifterS, ben bie Borfd)rift gegen iüoijale ^on« 
furrenj burch minber humane Kollegen fchü<jt, jchlechterbingS un» 
erfinblich- 9Jian ergäl)lt groar ooit boshaften ©efellen, bie nach 
Ablauf ber guläfftgen ArbeitSgeit ben Bieifter teuflifcf) angrinfen: 
9iu, Bieefter, baden ©e aUeene! — als ob fie bieS Bergnügen 
fich nicht auch früher fchou hätten leiften fönnen; fie roürben aber, 
foflte ntan meinen, „hinausfliegen". @S hei&t roeiter, bie ©efellen 
gögen ie(jt auS ©h^ane bie Arbeit in bie Dränge; roarum traten 
fie baS früher nicht, ba hoch ber Bieifter fein griihftüdSgebäd 
(biefeS fpielt für bie 3 e ü e iutheilung bie Hauptrolle) fchoit immer 
piinftlicf) abliefern mufete? unb roarum geroinnt nicht ber Bieifter 
ben guten SBillen feines ©ehilfen auf bie einfadjfte Sßeife, inbem 
er einen Dfjeil beS Lohnes in 0 orm einer B^ämie für 3 C ^ S 
erfparnifj berechnet? ©S roar ja ein fjeilfamer Nebengroed ber 
Berorbnung, mit bem oerbreiteten „©chlenbrian" gu brechen. Unb 
hoch finb Sälle ber begegneten Art unb finb auch Denunziationen 
burch ©efeflen hif »ab ba groeifellos oorgefommen unb 
böfeS Blut gemacht. 2öie erflärt fich baS? 

1 . 3m ©egenfaß gn ben roidjtigften anberen Arbeiterfchufe» 
oorfchriften fiel ber Bädcrfchuß tu bie einer gef^äftlichen 
Häufte, unb biefe H au Ü e f)at bisher mit feltener Bachhaltigfeit an« 
gebauert. Biait hat bieS 3 u fammentreffen bisher nicht beachtet. 
Db bie ©efdjäftshauffe baS Bädergeroerbe bireft betroffen hat, 
etroa burch Biidgang ber Hauäbäderei unb Btehrfoufum oon 
ßu^uSgebäd, ift nicht gang fidjer. 3ebenfatts mn& aber bie gerabc 
im Bädergeroerbe fcbroer brüdenbe Arbeitslofigfeit 4 ) bei allgemein ge« 
fteigerter ArbeitSnachfrage fortbauernb abgenommen haben, aud) 
ber im Bädergeroerbe gleichfalls fefjr umfangreiche 3 u Ö a ng non 
Lehrlingen 5 ) mehr in anbere Bahnen abgelenft roorben fein; unb 
roer bie Arbeiterroelt fennt, roeiß, roie bis in bie lebte Bkrfftätte 


4 ) Sog. ^rnris If, Sp. 
5 i Sog. Braris V111, Sp. 




941 


Sojiale Braji$. ©entralblatt für 6ojiaIpoIitif. SRr. Br». 


942 


hinein baS Selbftbewußtfein beS Arbeiters erftarft, fobalb bic 
Arbeitsfraft meßr gefudjt wirb. SRicht überall ift gerabe in folgen 
feiten ber OTeiftcr in ber Sage, ©efeffen, bie auf Sachführung 
ber Berorbnung befielen, oor bie Shü* ?u feßen, obgleich bie 
babifcße Öabrifinfpeftion non foldjcn thatfräftigen Bäcfermeiitern 
berichtet. ^hatfäcßlich wirb auch bereits feitenS ber Bäcfermeifter 
über ©efettenmangel geflagt. Sie junebnienbe UnliebenSwürbigfeit 
ber ©efeflen ift aifo nicht notßwenbig eine golge ber Berorbnung, 
auch wenn fie aus Anlaß ber Berorbnung fid) äußert. Als 3 folge 
einer aufheßeitben Berorbnung ^ätte baS ©ebatjren ber ©efetten oer* 
muthlid) einen fojialbemofratifcben Auftrieb gehabt, was nid)t ber 
SaJtt war. Sie angeblich fo^ialbemofratifdie Streikbewegung oon 
1898 aber wirb erft oerftänblich als Brobukt eben jener Konjunktur, 
bie überhaupt bie ©efetten eigenwilliger uralte. 

2 . 3 ur Störung beS ©inocrneljmenS bietet bie oielfacb 
mangelhafte Sachführung beS Bäcferfd)ußeS breiteften Anlaß. Sie 
©efeüen werben erbittert unb finben ©elegeuheit gur Senun^iation. 
Ser ©egenfaß Bremen—Baben fpricht beutlid) genug. 

3 . Ser Bäcferfcßuß trifft Kleinbetriebe, nicht, wie fonft ber 
Arbeiterfdjuß gewöhnlich, große ©tabliffements. 3 m kleinen betriebe 
fpürt ber Arbeitgeber bie Stimmung beS Arbeiters unmittelbar; 
im ©roßbetiiebe bleibt fie mehr latent, fie wirb oon ben Korre* 
fponbenten ber öffentlichen Meinung weniger beobachtet, bis fie bei 
gegebenem Anlaß um fo plößlicher eflatirt. 

Sie fojial ungünftige Birtung ift aifo tbeils nur fcheinbar, 
tbeilS burch bie mangelhafte Kontrole oerfchulbet; biefe ledere 
aber theilweife wieber bie Birkung beS oon ben ÜReiftern erhobenen 
©ntrüftungSlärmS, — auf beffen Urfachen wir nunmehr eingehen. 

Abgefehen oon ber nothwenbig auch, in Bfeifterkreifen er* 
bittemben Birkung 6 ) einer mit ungleichmäßiger Bittkür burd)* 
geführten Kontrole ift bie Eigenart ber Bäckerei als Klein* 
gemerbe auch ^ er DOn entfeßeibenber Bebeutung . Sie be* 
troffenen Arbeitgeber wählen hier nicht nach £>unberten, fonbern 
nach 3 ^ataufenben. Ser größeren Kopfzahl entfpricht bie ftärkere 
^ungenfraft, aber auch ^ cr mächtigere politifche ©influß beS oon 
faft allen Parteien umworbenen £>anbmerkS; bie betäubenbe 
Birkung beS parlamentarifchen ScßattrohrS, baS biefe neue SRoth 
beS .^atibwerfs oerkünbet, fteigt ben Urhebern beS Spektakels, ben 
urfprünglichen Bortführern 311 Kopfe, unb fo ergiebt fich im fehler* 
haften ©irkel jenes ©reScenbo entrüfteter Klagen, oon ben Shat* 
fachen fid) mehr unb mehr ablöfenb, baS ber Ausgangspunkt 
biefer ©rörterung war. 

©S barf babei nicht überfein werben, wer jene „urfprüng* 
liehen Bortführer" finb. ©S finb nicht bie bieberen Bäcfermeifter 
als folche, fonbern ihre kottcttioen Organe: Sie 3 anungen unb 
bie jaeßpreffe. Sie finb innerhalb beS Berufes faft bie alleinige 
Duelle politifchen SenfenS; ein mcrfwiirbigeS Bcifpiel oon 
KotteftioiSmuS unb Btoffenpfpchologie, wie man eS in Arbeitgeber* 
{reifen nid)t erwartet, bis 31er Preisgabe beS eigenen Urteils; 
oon jenen babenfifchen Kleinbäcfern an, bie, im ©egenfaß 3U ihren 
eigenen ©rfahrungen unb Beobachtungen, aber im ©inllang mit 
ber Öachpreffe 3aß* für 3aßr mit ihrer perfon ftramm bafür ein* 
treten, baß bie Berorbnung ber „SRuin beS ©ewerbeS" fei, bis 
herab 311 jenen feltfamen Sutfmäufern, bie gerabe3U in 3wei Befen 
gefpalten ftnb, ein inbioibuetteS unb ein fo3ialeS, oon benen baS 
erftere unter oier Augen anberS auSfagt als baS 3weite in An* 
wefenheit wortführenber Kollegen. „ 3 dj kenne", erflärte 1897 ber 
Abgeorbnete §iße, „eine gan3e Steiße oon Snnungen unb Bäcfer* 
meiftern, bie anfangs ber Berorbnung als folcher 3uftimmten, unb 
erft burch bie Berliner Bäcfermeifter unb anbere Agitationen gur 
abfoluten Ablehnung gekommen finb". Sie praktifeße golge ift, 
baß, nach S a hlrcid>en 3 eugniffen, baS erforberlicße Bhnbeft- 
maß guten Bittens 3um ©inßalten ber Berorbnung häufig fehlt 
unb bie aus biefem ttRangel unoermeiblicß refultirenben Schwierig* 
feiten wieber willkommene Scßcingrünbe gegen bie Surcßfüßrbarkeit 
beS BäcferfcßußeS fehaffen. So greift in biefer mohlorganifirten 
gabrif öffentlicher Meinung ein Steib in baS anbere. 3 *ue fottef* 
tioen Organe aber, bereu ga^es Pflichtgefühl fich auf bie nod) 
ba3u fur3fi<htigc Bertretung oon Sonberintercjfcn ko^entrirt, finb 
allein oerantmortlicß 311 mad)en für bie gegen ben Bäcferfcßuß 
infeenirte, unoerantmortliche Stimmungsmache. Saß wir mit 
biefer Bofabel bem Sreiben jener Herren nicht 3U nahe treten, 
bleibt in einem Schlußabfchnitt biefer AuSeinanberfeßung 311 be* 
grünben, foweit nad) ber iRatur ber Sache für ein berartigeS 
llrtßeil bie objeftioe Begrünbung 3urcichen fann. 

Bgt. bie Aiwiiibrung be* Abgeorbneten .'oüpeben über feine 
baranf beyiglidjen (irmittluiigeii (Aeid)^iag, in. Januar ls 97 j. 


III. 

Sie Ungebärbigfeit ber Bäcfermeifter batirt nicht oon geftern. 
Ser innere Biberfpruch ber faiferlicßen So3ialpolitif mit ben all* 
feitigen Berbungen um bie ©unft beS §anbwerfs fant feban oor 
Sahren in bem rücfftchtslofen Biberftreben 3um AuSbrucf, baS ber 
im Bewußtfein feiner politifchcn ©ewießtigfeit nicht befcheibener ge* 
morbene Bäcfermeifter ber allgemeinen Sonntagsruhe oon 1892 
entgegenfeßte. Seine Klagen, bie in3mifd)en in ben £>intergrunb 
getreten finb, weil man ihnen nicht nachgab, erhoben fidj bamals 
in ber Sachpreffe bis 3U reoolutionären Srohungen, als es 1893/94 
mit einem STOajimalarbeitStage fpe3iett für bie Bäcfer ©ruft 311 
werben fchien. „SRoch fteht bie $ohen3otternburg unerfchütterlid) 
feft," fo fchrieb bie SReitjahrSnummer 1894 ber Bäcfer3eitung in 
einem anfeheinenb 00m Berliner Obermeifter Kunße oerfaßten, bie 
Sonntagsruhe ber Bäcfer fritifirenben Artifel, wie ich hoffe, 
für ewige 3 *iten! SRod) ftehen wir treu gu Kaifer unb SReid), aber 
ich hoffe unb wünfehe, baß enblich burd) eine weife ©efeßgebuug 
bie 3 ufriebenheit ber großen Btaffen beS BolfeS wieberhergeftettt 
unb nicht für einzelne beoor3ugte Klaffen Ausnahmen gefcfjaffeit 
werben. SaS walte ©ott!" unb bie ,)Attgemeine Bäaer* unb 
Konbitor3eitung" erklärte am 7 . Februar 1894 , für} oor ben amt¬ 
lichen Bäcferoernehniungen, in Sperrbrucf: ,,©S hieße Sanb nad) 
Berlin tragen, wollte man aud) nur ein Bort barüber oerlieien, 
baß ber hier beabfid^tigte neue ©ingriff in baS ©ewerbe einftimmig 
abgelehnt werben muß." ©S fcheint, baß wäßrenb biefer Ber* 
nehmungen felbft, Btitte gebruar 1894 , Konbitoren unb Bäder* 
meiftcr hinter ben ©ouliffen in bebenflicher Beife über bie 31t 
machenben AuSfagen ihre Bereinbarungen getroffen haben. 7 ) „©ifie 
3 reube war es, mit an^uhören, wie ©iner ben Anbern, welcher nod) 
nicht gebeichtet hatte, 3u belehren fuchte, baniit auch ja nicht wo 
ein fehler gemacht würbe, ber unfern Sutereffen fchaben könnte." 
Sann folgte (im Btär3) in 3wei Bäcfer3eitungen bie Auf* 
forberung, fich mit Borftellungen an ben BunbeSrath 311 wenben; 
fein Schritt bürfe unoerfucht bleiben, „um fo mehr, als ich feft 
über3eugt bin, baß wir im BunbeSrath eifrige gürfpredjer finben 
werben. 3 <h hj&e ^aS ©efühl, baß man in Sübbeutfchlanb ba* 
fo3iaIpolitifche Borgehen Preußens mit fehr gemifd)ten ©mpfinbungen 
betrachtet! unb wie könnte eS auch anberS fein." „Bis 3um Biai 
biefeS 3 ah*eS," fügt eine britte 5ach3eitfchrift h^u, „in weldjeui 
biefe Kommiffion abermals in Berlin 3ufammentritt, muß hiu* 
rei^enb beweiSfüßrenbeS Btaterial bafür gefammelt unb oorhanbeu 
fein, baß fo, wie jeßt bie sperren am grünen Sifd) befchloffen 
haben, bie Sache nicht geht." Unb nun bricht ein Schneegeftöber 
oon SunungSpetitioneu herein, baS bis heute anhält, unb beffen 
Schluß bei ben 3U feiner $ortfeßung reichlich oerfügbaren 
©elbmitteln nicht ab3ufehen ift. SieS Betitionen-Unwefen tritt 
1896 burch ben enblidjen Bott3ug ber Berorbnung in eine neue 
Bhafe. 

Sie Agitation jielte 3unächft auf ben Biberruf ber fd)on tot* 
geglaubten Berorbnung, fie beflritt bemgemäß bie ©efunbheits* 
fchäblichfeit ber bisherigen Arbeitsbauer uno barum auch bie SRecht^* 
fraft ber Berorbnung. Sie Dfterferi<>n 1896 — am 1. 3 uli fottte 
bie Berorbnung in Kraft treten — würben 3U einer grünblichen 
Bearbeitung ber Parlamentarier in ihren Bahltreifen henußt, unb 
balb hottteu bie ParlamentSwänbe wiber oon ben SReben ber 
URittelftanbSanwälte, bie mit gerabe3u blamabler llnkenntniß unb 
Oberflächlichkeit, 8 ) aber mit befto 3Uoerfi<htlicheren Behauptungen 
bie Berorbnung als redjtSwibrig unb fchäblich bekämpften, bie fie 
hoch felbft hatten fehaffen helfen. Sie bamaligen Sebatten habe r n 
für jeben Kunbigen gur ©oiben3 gebracht, mit welchen Schein* 
grünben gegen bie Berorbnung geftritten wirb. Sen Bäcfermeifiern 
würbe bamals aus bem Sttunbe bes fd)eibenben SRinifterS 
0. Berlepfd) eine leßte kräftige Abfage 3U Sheil. Sie Berorbnung 
trat in Kraft, unb ber für biefen 3 eitpunft nach 3 e itungSnachri<hten 
geplante allgemeine Berliner Bäcfermeifterftreif hat nicht ftatt* 
gefunben. Sie Agitatoren begnügten fich, einem SRatbe bes Ab* 
georbneten 0. Karborff folgenb, bie momöglid) mit Abficht h^bei* 
geführten Strafmanbate 3U Speftafelpro^effen auS3unußen unb auf 
SegimentSunfoften bie ^Rechtskraft ber berorbnung gerichtlid) bis 
in bie oberfte 3uftan3 beftreiten 311 laffen. Ser SRechtSfprud) bat 
meines BiffenS überall 3U ©unften ber Berorbnung gelautet, ber 
bemagogifd)e ©ffeft ift aber bod) erhielt worben. 

Ser Ablauf einer 3weiten Angelegenheit geftaltetc fid) für bie 

7 ) Bergl. bas Aäberc in meiner ^djrift über ben ^anmalarlieits- 
tag irn Bäcfergewerbc; Beilage 311 „Sibmoücis psabrlnulr', 1*94, B. i:w. 

8 ) Bergl. baS Aäbere in ben „Brenniidjen oabrbüdimr, 

Banb Ha, S. 887 ff. 



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94:1 


feogiale prajiS. ßentralblatt für Sogialpolittf. Nr. 3?». 


Päcfenneifter noch unerfreulicher. die Erörterungen über ben 
NlajimalarbeitStag hatten nebenbei ncrfd)iebentUd) eine bebenkliche 
Schmuferotrthfdiaft gur Sprache gebraut, bie, nicht ohne 3nfanitnen* 
hang mit überlanger ArbeitSbauer, in manchen Pädereien henrfdjt. 
Es tonnte baher nicht iiberrafchen, ba& fchon 1895 gunächft 
in Nürnberg ber Pkagiftrat eine Spegialoerorbnung gegen bie 
Bäcferfräfee erliefe. 2US berfelbe bann bagu fdjritt, bie tarnen ber* 
jenigeit Päcfenneifter regelmäfeig gu oeröffentlichen, bie fräfefranfe 
(behülfen befchäftigt hatten, erfudjte groar ber Pädermeifteroereiti, 
bas gu unterlaffen/ tourbe jeboch abfcfelägig befd)ieben mit einem 
.?iinroetS auf bie Äräpeftatiftit beS Nürnberger Spitals, Hamburg 
folgte 1897 mit umfaffenben Poligetoorfdjriften über bie gefunbe 
nnb faubere AuSftattung ber Patfräume, 1898 Bresben unb 
Lübetf, 1899 fcheint in Strafeburg etmaS AehnlidjeS im Bkrfe gu 
fein unb im NeidjStage geigt fitf) ueuerbittgS bie nationalliberale 
Fraktion bereit, gu einer berartigen Regelung für baS Neicf)Sgebiet 
bie £>anb gu bieten. 9 ) Gleichgeitig crfd)eint auch fd)on bie bisher 
oielfad) übliche Perroenbung oon Schultinbern gum Austragen oon 
Bacfroaare fyvc unb ba poligeilid) in Srage gefteHt. — Auf baS 
agitatorifcfee Gefchäft mirtten biefc unliebfamen Erfahrungen einer* 
feitS bämpfenb, anbererfeitS oerftimmenb. die Perftimmung oer* 
rath [ich in bem giftigeren don ber neueren Petitionen. die 
nieberbämpfenbe BHrkung aber tritt in einem entliehenen Sront* 
roed)fel gu Sage: ber Anfangs gum ^^eil mit grofeer Schroffheit 
abgelehnte Gebaute einer biofeen Abf<hroäif)ung beS PäderfchufeeS 
mirb jefct acceptirt. 

fragen mir fchliefelid) nad) bem fachlichen Gehalt ber Petitionen, 
bie übrigens in bebauerlichem Piafee als SnformationSmaterial 
oielbefchaftigter BolfSoertreter bienen, fo geftaltet fuh bie Antmort, 
foroeit unfere $enntnife reicht, fehr einfach; ber Gehalt ift faft 
gleich Null. Neuere Petitionen, g. 8, eine an ben BunbeS* 
rath gerichtete beS FnnungSoerbanbeS Germania oorn 17. SNärg 1899, 
nnterfcheiben fid) barin burch nichts oon ben älteren. Ntit erftaun* 
lieber Hartnäckigkeit mirb bie Bekömmlichkeit beS Bäcfergefellen* 
berufs entroeber mit ber burd)fd)nittlid)en Lebensbauer ber Bäder* 
meifter ober mit ber Äranfenfaffenftatiftif begrünbet, obroofel es 
hoch bis gum Ueberbrufe heroorgehoben morben ift, bafe bie lefetere 
foroohl megen ber Lebensalters* roie megen ber ArbeitSlofigkeitS* 
oerhältniffe im Bädergeroerbe feine mafegeblidjen 3 a &ten barbietet, 
^er alte, längft als AuSrebe erfannte 10 ) unb burch &te 20 bis 
40 jährlichen UeberarbeitStage in liberalster Seife berüeffichtigte 
HinroeiS auf bie Abhängigkeit ber Arbeitsbauer oon Natureinflüffen 
fefert gleichfalls rnieber unb mirb burch bie neue Entbecfung ergängt, 
bie gum Ausgleich foldjer Störungen oerfügbaren fleinen PUttel, 
mie Berroenbung oon mehr $efe, feien unter Umftänben für bie 
ftonfumenten gefunbhcitSf^äblich, gunächft für ben Plagen unb in 
roeiterer 3olge auch für baS SlUgemeinbefinben; roährenb es früher 
hiefe, bafe bei oorfidjtigem Perfahreii §öd>ftenö baS AuSfehen ber 
Pröbchen leibe unb aus biefem äfthetifefeen Grunbe bie Saare 
nicht fo gut fchmede. die Ergebniffe ber oon Bebet in extenso 
publigirten Enquete roerben als „unberoiefen" 11 ) begegnet unb auf 
baS burch ihn erregte Ekelgefühl ber PunbeSrathSbefchlufe gurüd* 
geführt, obgleich ber Gang feiner Porbereitungen beutlid) ergiebt, 
bafe gerabe oiefer GefichtSpunft uicht mafegeblid) gemefen fein kann, 
die Pernehmung entliehener Pertreter ber Gefeilenintereffen burch 
bie arbeitsftatiflifche Äommiffion mirb bemängelt; als ob nicht 
ebenfo entfehiebene Pertreter beS PteijterintereffeS gefragt morben 
mären! „Safe unter biefen AuSfunftSperfonen als Gefellenoertreter 
auch ein Geiftlicfeer einen plafe finben burfte, ift uns bisher un* 
erklärlich geblieben"; bie petenten fcheinen bentnach oergeffen gu 


'•') Abgeorbneter -v>affc am 17. N?ärg 1897. 

ll ’) £ter fei beifptelsioeife an eine Niiitheiluiig SMolfettbuhrS, bes 
fogialbemofratifdicn NJitglicbeS ber arbeitsfiatifüfehen .Hoinmiffiott, im 
ÜHeicfe*tage (22. April 189«) erinnert: „Als nun einmal bie Pädernteifter 
in ber Ntominiffion fo retfjt mit Empbafc gegen ben PiarimalarbeitStag 
gemettert liatteu, ging id) mit einem ber Päctermeiftcr uad) .ftanfe unb 
jagte: ES ift feltfam/ bafe btc Päcfermeifter meniger oont Gefchäft gn 
oerftehen fcheinen, als bie Wefeüen; bie Gefclleu miffen immer ?(ushülfs* 
mittel, bie S»?eifter nidit. ^a, jagte er, mir miffen's and), bas geht 
aud) gang gut, aber mir mofleu ben Gemerbeinfpeftor nicht in ber Pacf* 
fiubc haben." 

n ) Pei ber .Horrettur biefer feilen gehen mir Pcridjte über bie 
jüngften, anfdjeiuenb fdjmer belaftenbcu Piürgburger unb Siannheimer 
(^erid)tsocrhanblungen über uufauberc Päifcrcicu gu. Xer Naum oer* 
bietet, auf bas? uuäfthetifdic 2hema eiugugchcn, bns .{lautfledjteu, Nacht* 
topfe unb 5’äfolieu auf ber Pi'thue cridjcineu lägt. 2:ie Ihatfadie einer 
meit oerbreiteteu, menn audj feiuesmegs allgemeinen UnfauberFeit flaub 
ohnehin feft, mar and) bei nbrrmnfeiger ?lrbeitsbauer faum ntibeiv gu 
ermarten. 


haben, bafe biefer Geiftlidje als Leiter eines cjrofeen Gefeiten* 
oereinS mit befonberer Päcferabtheilung Gelegenheit gu merthoollen 
oergleichenben Beobachtungen h^- dergleichen Pergefelidjfeiten 
ftnb für bie 3u&erIäffigfeU ber Petenten ebenfo charafteriftifch, roic 
ihre fonftigen Entbecfitngen neueften datumS: 
ber Pkciftcr 1194 : 

Päcfer* unb tfonbitorgeitung, 

17. ftebruar : ^i'tr bie ber Erami* 
nation beimohnenbeu Herren ge* 
manu biefc bm Nnfchein, als ob 
bic .Stommiffionsmitglieber in ein 
paar Stunben bie gange Päderci 
erlernen moHten. 

Pädergeitung, 18. Februar: ^ie 
Pemchmungen gefefeehen mit einer 
Grünblid)feit, ioie fie faum für 
ntögltd) gehalten merbeit füllte. 

Allgemeine Päder* unb Äonbitor* 
geitung, 21. Pfärg: Pfau mufe bem 
Porfifeeubeu, $errn Unterftaats* 
fefretär Dr. oon Nottenburg, bie 
Ijöchfte Anerkennung bafiir gölten, 
bafe er bemüht gemefen, bie Per* 
hanblungen mit ber äufeerfteu 
Grnnblid)feit gu führen, unb es 
mirb mohl feine ArbeitSoerridjtung, 
feine Eiuridjtung nnb Eigenheit int 
Pädergemerbe geben, bie nicht oon 
allen «eiten beleuchtet morben märe. 

ES folgen bann in ber obengenannten Petition gehäffige Be* 
fihulbigungen gegen bie arbeüsftatiftifdje tfommiffion, bie iich eben* 
üürtig 'bcn ^rioolitäteu über bie Sonntagsruhe an bie Seite fteDen, 
mit mcldjeit ber fchon ermähnte Päcfermeifterkongrefe oon 1896 
fuh unterhielt. ES üt Doch ein gemagteS Unterfangen für bie 
loyalen Pädfenncifter, menn fie ben oermeintlichen Äampf gegen 
ben Umfturg u.it perfönlid)en 3»junen gegen bie eigenen Organe 
ber NeichSpegierung führen h c ^f en - dabei geben fie baS Por* 
kommen ungebührlicher AuSnufeung ihrer Gehülfen unb Lehrlinge 
felbft gu, miffen aber kein anbereS Gegenmittel in Porfchlag gu 
bringen, als — eine NooeHe gum Strafgefefebuch- 

Neben folgen phrafeologifchen Petitionen giebt es übrigem-' 
auch attbere, bie mit „umfangreichem Enquetenmaterial" arbeiten. 
3u ihrer näheren Eharakterifük mag h^f gu™ Schluffe ein burd) 
bie „Ntünchener Poft" an bie Oeffeiitlidhfeit gekommener, übrigens 
oon ben „inbolenten" Pfünchener Pädermeiftern nicht gur oollen 
3ufriebenheit beS SnnungSoorftanbeS beantmorteter Pfünchencr 
Fragebogen oom Nooember 1897 auSgugSroeife mitgetheilt 
merben. 

„PMr erfudfen Sie baljer bringcitbft, betliegcnben Fragebogen genau 
auSgujüllcn. Sic haben burd) biefc Peantmortung nicht int gcrittgftni 
etmaS gu befürdjten, ba bie Namen nidjt genannt unb nicht oeröftem= 
licht merben. 

Unt Fhnett btc Arbeit git erleidjtcrit, erlauben mir uns, ohucii 
einige Peifptele oon Peantmortungcn angugeben, nach toeldjcit cs 
Fhnctt nicht fehmer fallen bürftc, beit Pogett aitSgufüden, g. P.: 

2)urd) biefe Pcrorbnuttg bin ich nidit ntchr in ber ^age, täglidi 
gmettital Semmeln gu baden, mas einen täglichen Eimtal)nteauSfan oou 
. . M. beträgt, bas finb im Fahre . . M. 

£urd) biefc Perorbnung tourbe ich gegiouttgen, eine Protträgcriu 
gu nehmen, ba bas Prot itid)t eher aus bem Ofen fommt uttb ber (#c* 
hülfe in bie lleberarbeitsgeit luneinfommeit toürbe. Xiefelbe oerurfadit 
mir jährltdi eine Ausgabe oon . . J4. 

Fn Folge biefer Perorbnung bin ich gegmungen, einen eigenen 
^ausbiener git halten, mas mir eine NfehrctnSgabe oou . . M. oer* 
urfacht. 

£nrd) bie Einführung biefer Perorbnung mürbe irf) oon einem 
Gehilfen benungirt uttb gur Zahlung oon . . ,4t. oernrtheili, obgleidi 
bie Nichtcr unb Peififeer felbft gttgebett mufeten, bafe id) nidit attbers 
haitbeltt konnte. 

Seit Einführung biefer Perorbnung tttufe meine Nfagb oiel mehr 
Arbeit leiften nnb idi iljrctt Lol)it bcbcutenb erhöhen, tocil ber Lehrling 
I bie Arbeit innerhalb ber gcfefelidjcn ;]eit nicht mehr oerrid)tcn fami. 

I Seit Einführung ber Perorbnung finb meine Gehülfen oiel ntchr 
: int BMrthshauS als früher, toeil biefelbeit bei mir keine Äoft mehr er* 

| halten. F» Folge hoffen kommen fie nteiftcnS erft gu Pegintt bev Ar= 
beitsgeit gu .gtaufe nnb madien fchledjte, gleichgültige itrtb nadiläffige 
Arbeit, toas meinem Geschäfte 3diabeit bringt. 

£urcb biefe Perorbnung habe ich einen gröfeerett SBedifel unter 
meinen GelüUfen gu oergeiduteu mie früher, toeil iljr ganges Iraditeii 
nur bahin geht, fdincllftens fertig gu fein; fee beiden nicht mehr bei ber 
Arbeit, ertoerbeit fidt bentnach aud) feine richtigen deuutniffe mehr unb 
| merben fddechte Arbeiter, mas mieberum ber P?eifter büfeeu uttb ent* 
i pfilibeii mufe. 


Petition beS Pädcr-^nnnngStier' 
bonbeS ® ermonia o om 17 .2»? ä rg 1 8 9 s; 

ES ift uns bternad) Ieicfjt üe* 
grctflich, bafe ber .Vtotniuiffiott oon 
öortthereitt bie Neigung fehlte, bie 
Eigenart ber Pädereibetriebe ocr* 
ftchen gu lernen; fittbeit fidt bodi 
hödjft feiten afabemifd) gebribetc 
perfonert, meld)e ein liebeuoUes 
Perftänbnife für bas 0 an bin cif, 
feine Sorgen, bie Urfadiett, inetdm 
feinen Perfall oorberetteu, tntb bie 
Mittel bagegeu fid) gu eigen 
machen. 



945 


©ogtale BrajtS. EentralBlatt für Sogialpolütf. 9k. 35. 


946 


2Bir haben 3ßnen, oereßrter &err College, burch biefe Erläute* 
Hingen angebeutet, wie Sie ben beiltegenben Fragebogen beantworten 
follfen, uni) bitten Sie in 3ßrem eigenen ^ntereffe, benfelben richtig unb 
ber SBaßrßeü gemäß auSgufütten unb ifjn fobann an bie beüiegenbe 
Abreffe innerhalb ad)t lagen eingufenben." 

Blau bat bisher ni<ßts unterlaffen, um bem Bäcferfcßuß baS 
rußige Sicßeinleben gu erfahrneren, baS alle übrigen 2lrbeiterfcf)ufe- 
oorfeßriften gefunben haben, Bt'an bat ben Erlaß ber Borfcßrift 
über eine Reiße uon 3al)ren ßingegögert unb fuß bamit ben An* 
feßein ber Un faß liiffig feit gegeben. Der Btinifter, ber als ibr ener* 
gifeßfter Anwalt gegolten, ift furg nach ihrem Erlaß aus bem Amte 
gefeßieben. Der fogialreaftionären Strömung bat es beliebt, mit 
ihrem ganzen Schwergewicht unb ihrer gangen unbelehrbaren Rücf* 
ficßtslofigfeit fid) oorgugSweife gegen biefe Berorbnung 'gu menben. 
Die ungleichmäßige unb zaghafte Durchführung ber £ontrole bat 
ben BSiberftanb förmlich organiiirt. Der bureß finfenben betreibe*» 
preis feit 3aßrgeßnten ftaatlicß fuboentionirte Bäcfermeifterftanb ift 
burch bie BJittelftanbSagitation beinahe übermütßig gemacht roorben. 
Es fehlte jefct nur no<ß — unb 3citungSnad)ricßten beuten bereits 
auf folcbe glätte bin —, baß ber Bunbeoratß feine Berorbnung 
wiberruft unb bie uom ReicßSgefunbheitSamt für Racßtbäcfer ge* 
forberte gufammenßängenbe gwölfftiinbige Rußegeü noch weiter oer* 
fnqt, als es jefct faßon gefcheben ift, ober bie faßon jeßt febroierige 
$ontrole burch Einführung ber BJayitnalarbeitSwocße ooDenbS auf 
Denungiation bafirt. Radjbem baS franfe ©lieb ftücfweife bis gu 
brei Biertein abgefchnitten ift unb ber Patient noch immer faßreit, 
empfiehlt eS fid) gewiß, gunärfjft einmal mit einem ftumpferen 
Bteffer weiter gu jeßneiben. Die Bäder müßten nicht Söäcfer fein, 
wenn Tie nicht ein halbes 3 u ß*ftänbniß auSnufcten, um bie hart 
mitgenommene Berorbnung ooUenbS gu biSfrebitiren. 

Marburg. $. DIbenberg. 


ÄUgewthte Sozial- wtb SlittfjfdjitftepolUUt. 

Der Eoangelifcß-Sogiale Äongreß in Äiel. 

3um geßitten B2ale feit feinem Befteßen war ber Kongreß bieS* 
mal oerfammelt. Rocß einem BegrüßungSabenb fanb am 25. Btai bie 
erfte £jauptoerfammlung ftatt, bie oon etwa 1000 ^erfonen befugt 
war. 3n feiner einleitenben Anfpracße führt ber Borfißenbe, ßanbeS* 
öfonomieratß Robbe, aus, baß bie Hoffnungen, bie fich an bie 
©rünbung beS ÄongreffeS gefnüpft hatten, noch nicht in Erfüllung 
gegangen feien. Es fei bisher nicht gelungen, einen Ausgleich ber 
fogtalen ©egenfäße unb ber fircßlicßen Ridjtungen ßerbeigufüßren. 
Eine gewiffe ©leicßgiltigfeit habe fich in fogialen Dingen weiter 
.treife bemächtigt, ja man halte bie Erörterung ber fogialen Srage 
oielfach für unoereinbar mit bem Eßriftentßum. Söir wollen bie 
fogiale S^age auf bem ©runbe ber cßriftlicßen Etßif löfen. Es 
wirb uns gugerufen: Sinb benn nicht bie fogialen 3uftänbe beffer 
eworben? Es ift nicht gu leugnen, baß baS gewerbliche Ceben 
lüht, bie wirthfahaftlicßen unb fogialen Berßältniffe finb beffere 
geworben. Es finb bieS gum Dßeil bereits bie ßrüchte ber faifer* 
iichen Botfcßaften. Unb bennoeß foll mau biefe Berßältniffe nicht 
überfcßäßen. 3aimer größer wirb bie Abwenbung oon ©ott. Auf 
baS Aufblühen beS gewerblichen £ebenS fann ein S^ücffdjlag er* 
folgen. Üöenn man erwägt, baß 70% aller beutfeßen ^auSftanbe 
oon ber $ommunalabgabe befreit finb, weil ihr jährliches Ein* 
fomnten weniger als 900 , ' beträgt, wenn wir bie UeberfüEung 
ber ©oßnungen unb Schlafftellen mit ihren fittlichcn unb gefunb* 
Zeitlichen ©efahren in ben ©roßitäbten unb baS ßeerfteßen ber 
Wohnungen auf bem ßanbe in 33eirad)t giehen, bann fteht eS für 
uns feit, bafc uns noch c i ne Biefenarbeit beoorfteht. Saft fönnte 
uns oor ber Sftenge unferer Arbeit bange werben. Mein wir 
haben feinen ©runb, gu oergagen. 533ir fennen bie $raft unfereS 
EoangeliumS unb wiffen, bafe eS uns, wenn wir auf biefem ©runbe 
bauen, gelingen wirb, ja trofe aller Söiberfacher gelingen muß, bie 
fogialen unb fittlichen SNi&ftänbe in unferem Bolfe gu befeitigen 
unb fogiale Reformen gu fchaffen, wie fie unfer oolfSthümlid)er 
£aifer erftrebt. 

Den elften ©egenftanb ber DageSorbnung bilbete ein Bortrag 
beS B*of. ^aftan*Berlin über bas Berhältnijg ber lutherifdjen 
Kirche gur fogialen Srage. BMr haben bie Seitfähe, in benen biefer 
Bericht gipfelte, bereits in $r. 33 ber „Sogialcn BrayiS" mitae* 
theilt unb befdjränfen uns barauf, mitgutheilen, bafe biefe Dhefett 
mit einem 3 u f a h^ angenommen würben, worin ber Stongrejj bie 
Bitte auSfpridjt, bie Bertreter ber f^ftematifchen Dheologie möchten 


fich eifrig ber Söfung ber Probleme gumenben, bie ber proteftan* 
tifchen Ethif aus ber fogialen Bewegung ermachfen. 

Das 9öort erhielt fobann Ffabrifbefiher 3reefe*BerIin gum 
zweiten Referat über baS fonftitutionellc Spftem im Jabrifbetriebe. 
Referent ffiggirt gunächft bie Entmicfelung ber ©efchichte ber 
2lrbeiterauSfd)üffe unb djarafterifirt bie oerfchiebenen Slrten ihrer 
Draanifation. Die Einführung eines SlrbeiterauSfchuffes in einer 
fjabrif bebeute ben Slnfang beS UebergangeS gum fonftitutionellen 
Spfteni: bie Einräumung eines DbeileS ber |)errfd)aft an bie bis 
batjin ausfthließlich beherrfchten Arbeiter. Die Bortheile, bie bem 
Arbeitgeber aus ber Abgabe eines DheileS feiner Souoeränetät er* 
warfen, feien weittragenb. Er empfehle, ben Arbeiterausfchufj nicht 
ju flein gu geftalten. Aud) halte er eS für billig, bafc aud) 
ben Arbeiterinnen ©elegenheit geboten werbe, ihre Satereffen im 
AuSfchuß wahrgunehmen. Das nach ber Einführung eines Arbeiter* 
auSfd)uffeS entftehenbe Berhältniß gwifeßen bem Arbeitgeber unby 
ben Arbeitern fei gumeift befriebigenb; jeber Arbeitgeber, ber mit 
Aufrid)tigfeit an ben Berfucß h era ntrete, werbe finben, baß bie 
Befürchtungen wegen £ocferung ber Disgiplin unbegrünbet feien. 
Dhne ^ongeffionen feitenS beS Arbeitgebers werbe es freilich 
nid)t abgeßen. Die ArbeiterauSfcßüffe foUen mit bem Arbeit* 
geber über bie Arbeitsorbnung, bie ArbeitSoerhältniffe, itohn* 
unb ArbeitSoerträge, Schufcoorrid)tungen, Arbeiter * 9öohlfahrts* 
einrießtungen u. f. w. beratßen. Es liege nur im ßntereffe 

beS öabrifbetriebeS, wenn bei allen biefen Dingen ber aus 
freien SBaßlen ßcroorgegangene ArbeiterauSfcßufe gehört werbe. Die 
Arbeiter gewinnen babureß größeres Sntereffe an bem Betriebe, 
bie Arbeiten werben beffer unb fauberer auSgefüßrt, es werbe mit 
einem Söort tneßr Crbnung unb größere Äontrole in bem Betriebe 
gefeßaffen. Er fönne nur ben Arbeitgebern empfehlen, feinem Bei» 
fpiele 3olge gu leiften unb gwar in frieblicßen 3 e itcn bie Bilbung 
oon ArbeiterauSfcßüffen oorgunehmen unb nießt gu warten, bis er* 
regte 3eiten eintreten unb bie Ausfcßüffc oietteicßt oon ben Arbeitern 
abgeleßnt würben. Daß ein Satereffengegenfaß gwifeßen Arbeit* 
geber unb Arbeiter auch troß ber ArbeiterauSfcßüffe befteßen bleibe, 
oerfteße ficß oon felbft. Eine Satereffengemeinfcßaft werbe erft 
eintreten, wenn baS beim Referenten eingeführte Spftent ber ©e* 
minnbetßciligung allgemeine Anwenbung finbe. — Die Berfamm* 
lung ftimmte unter lebhaftem Beifall ben Ausführungen Öreefes gu, 
inbem eine Refolution angenommen würbe, bie bie erften Anfäpe 
auf bem ©ebiete fonftitutioneÜer AuSgeftaltung inbuftriellcr ©roß* 
betriebe begrüßt unb bie Erwartung ausfprießt, baß bie Staats* 
betriebe gerabe aueß in ber BJeiterentwicfelung ber ArbeiterauSfcßüffe 
oorbilblid) auSgeftaltet werben. 

lieber bie Bknblung beS BilbungSibealS im 3afammenßange 
mit ber fogialen Entwictelung fpraeß Brof. Baulfen*Berlin. Das 
beutfeße Bolf, ber preußifeße Staat haben, fo fcßloß er feine Aus* 
füßrungen, ein 3ntereffe, baß aüe BolfSgenoffen gur Dßeilnaßme 
ßerangegogen werben gu bem geiftigen lieben ber Ration. Allen 
©liebem beS BolfeS muß bie Rtöglicßfeit gur Entfaltung aller oon 
ber Ratur in ben Eingelnen gelegten Kräfte gegeben werben. 
Selbfterßaltung unb Selbftbur^feßung bes BolfeS unter ben 

Bölfern ber Erbe hängt baoon ab. Die geiftige Begabung wirb 
meßt flaiienmäßig oererbt. 3*ber bebeutenbeit Begabung muß 
bie s D?öglid)feit ber Entwicfelung gegeben werben. Die fitt» 

ließe Ergießung gehört in erfter Reiße ber Öamilie. Die BoifS* 
bilbungsanftalten müffen fo entmicfelt werben, baß fie ber 3ugenb 
oom 14. bis 20. fiebenSjaßre geiftige unb fittlicße $raft unb einen 

S alt gewähren. Diefe Arbeit im Dienfte beS BolfeS ift eine 

cßulbigfeit beS brüten StanbeS. Er ßat feine Bilbung bureß 

bie Arbeit ber anberen Stänbe empfangen, bie ißm oorauS waren. 
Er ßat nun bie Bfließt, ben oierten Stanb emporgußeben. Ein 
BilbungSftreben wie ßeute bei ben Biaffen ift nodj niemals ba* 
gemefen. 2Bir fönnen bie Entmicfeiung meßt aufßalten. Soll fie 
mit unferem guten Bhllen gefeßeßen? 9Bir wollen bagu bie $anb 
bieten. — Die oon uns ebenfalls bereits mitgetßeilten Dßefen 
beS Referenten („Sogiale B ra l*i § " ©P* ö94 ) fanben bie Billigung 
ber Berfammlung. 


Darifoercinigungett. Einer ber bemerfenSwertßefteu Befcßlüffc 
beS granffurter ©ewerffcßaftSfongreffeS war baS naßegu einmütßige 
Eintreten für bie Errichtung oon Darifoereinigungen gwifdjen Arbeit* 
gebern unb Arbeitern bcffelbett ©ewerbcS. Der giißrer ber bciitfdieii 
Bucßbrucfer, §>err Döblin, ßat mit fo triftigen unb übergeugenben 
©rüitben auf bie namentlich aud) für bie Arbeiter erfprießlicßcn 
folgen folcßer Bereinbarungen ßingewiefen, baß unter betn Ein* 
brurf feiner Ausführungen, bie ber praftifeßert Erfahrung im 




947 


©ogtale VrajiS. Eentralblatt für ©ogiatpolitif. 9lr. 85. 


948 


beutfdjen Buchbrucfgewerbe entnommen waren, fic§ faum ein 
nennenswerter Vöiberfprudj unter ben Belegirien oon einer halben 
Million Arbeiter erhob. BMr haben ftets in folgen Barifoer* 
cintgungen, bie je nach ben Umftänben einen engeren ober weiteren 
Umfang buben fönnen, gnftitutionen erblicft, bie für unfer fokales 
unb wirthRhaftlicheS fieben äufeerft fru(btbringenb gemacht werben 
fönnen. 3n welker Vkife fie gu wirfen oermögen, baS erhellt 
wieber aus bem biefer Bage im „Eorrefponbent" oeröffentlicbten 
^Srotofott über bie ©jungen beS BarifauSfchuffeS ber beutfd^en 
Buchbrucfer am 15. unb 16. Mai in München. Es trafen Reh ^icr 
Vertreter ber Bnngipale unb Eehilfen ber 9 Bariffreife beS ®e* 
werbet, bie gufammen gang ®eutfcf>lanb umfaffen. Anfang Mai 
gehörten ber Bereinigung 880 Drte mit 2704 girmen unb 
27 449 ©ebülfen an. Ber Bericht fonftatirt, 

bafe unfre Sariffadje in ber Bfjat eine fo allgemeine ift, baR ftd) bas 
v larifamt an allen Orten treuer Mitarbeiter gu erfreuen haben wirb. 
Biefe 3unerfi(bt labt uns hoffen, bab eS feinen ©tiüfianb in ber tarif* 
lieben Arbeit geben fann, fo lange nicht baS $iel, ben Barif aU 
Öobngefep burdjgcrungcu gu haben, an allen Orten crrcidjt 
ift. 0o lange bie Bartforgane fo emftlicb unb mit fo feltener Gin* 
miitbigfeit ihre Kräfte gur Erreichung biefeS einen 3iclc3 gufammen* 
faffen, fo lange ift AuSfid)t oorbanben, alle baS (bewerbe berübrenben 
gragen aus bem ArbeitSocrtragc mit Erfolg gu löfen. hoffen wir, bab 
cs un§ gelingt, bie gweifler in beiben Sägern gu übergeugen, bab Re 
unniip fid) bemühen, bie Angehörigen beS Gewerbes in gwei feinbliche 
Parteien gu fpalten, unb bab man nach ben Erfolgen ber Iepteu galjre 
eS oorgieljen wirb, an ©teile beS Kampfes parlautentarifcbe Verhatib* 
lungen unb Verftänbigungeit gu fefeen. Bie Bartfbehörben uno namentlich 
unfer Amt finb wäbrenb ihres Dreijährigen VcftehenS in einer groben 
3 abl oon gäflen als Vermittler angerufen worben unb gwar in ben 
weiften gällen mit Erfolg; in feinem gatle ift bie Vermittlung oerfagt, 
oielmebr erbetener Abhilfe bei tarifwibrigen Verbältniffen ftets ftf^riell 
cntfproäjen worben. 

Bie Bemäntlungen geichnetcn fid) burch mufterbafte ©adf)lichfeit 
unb Drbnung aus. 2Bo es nicht gelang, fofort gu einer Einigung 
gu fornmen, würben paritätifch gufammengefebte £ommiffionen be* 
auftragt, bie fiöfung ber ©chwierigfeit gu fuchen, fo g. B. in ber 
grage nach bem Barif für ©ebmafdjinen, wogu auf Antrag eines 
BringipaloertreterS, §>erm Büjenftein * Berlin, einfiimmiq erflärt 
würbe, „bab R<h bie Bariforgane um bie Einführung jener gu 
befchliebenben Erunblagen genau fo gu bemühen haben, wie um 
Einführung beS BartfeS." gerner würbe bas Barifamt, beffen 
©ip oon Mündjen nach Berlin oerlegt wirb, einftimmig beauf* 
tragt, ben AgitationSplan für baS neue EefcbäftSjabr gu entwerfen, 
bamit ber Barif, wie bieS auch in biefent gahre gefefje^en ift, 
immer weitere Anerfennung finbe. — Ein berartigeS gebeihlicheS 
3ufammenwirfen oon Arbeitgebern unb Arbeitern ift nur moglid), 
wenn beibe fich einer guten Drganifation erfreuen, Bie Barifoer* 
einigung im beutfeben Buchbrucfgewerbe ift ber befte Beweis, baR 
erft auf ber ©runblage ftarfer, wohl biSgiplinirter ©ottberorgani* 
fationen eine gemeinfatne Bhätigfeü fid) entroidfeln fann. gn feinem 
(bewerbe finb Arbeitgeber unb Arbeiter beffer organiRrt unb in 
feinem herrRht mehr ber fogiale grieben! „Bie ©d)affung ber 
Barifinftitutionen foUten nach unferm Ermeffen nicht fowol)t bem 
Tarife allein gu gute fornmen, fonbern auch bariiber hinaus eine 
höhere Bebentung für bie Begehungen gwifchen Unter* 
nehmer unb Arbeiter gewinnen unb fittüchere ®runb* 
lagen in fogialem ©iitne anbahnen h^fen," erflärt baS 
Olchilfenorgan.*) 

Bie Vergebung ftSfaltfdjer Arbeiten in Brettften unb bie ©treif« 
HetifeL Burch eine Verfügung beS Ministers beS gnnern wirb 
fünftig bei Vergebung Rsfalifcher Arbeiten in bie Verträge mit ben 
Unternehmern folgenbe $laufel aufgenommen: 

ArbeitSauSftänbc gelten nicht als höhere Gewalt unb 
begriinben fein Anrecht auf griftoerlängerung ober VreiSerbobuug. ^ t,s 
träge auf griftuerlängcrung fönnen nur in gang befonberen fällen in 
Verücffidjtigung gegogen werben unb unterliegen ber Genehmigung ber 
oberen Veljörbe, haben aber oon oornherein feine Ausfidjt auf Erfolg, 
wenn nidjt oom Unternehmer glaubwürbig nadjgewiefen wirb, bafj 
ber „Gewerffcbaftlicbe Verein ber Maurer Berlins" auRcr ©taube war, 


*) SSic audi in anbereu Berufen foldie ^artfabmaebungen gead)tet 
werben, bewein eine Mitteilung ber „granffurter 3 c d uli g" aus Vforg* 
heim. Strt haben bie Gijpfcr unb ©tuefateure mit ben Unternehmern 
einen Xarif oereiubart. 2lnf bie Mittheiluug beS VringipalocreiuS, bah 
ein Mitglieb beS Crtsoerbanbes ber OUjpfcr wortbriidjig geworben unb 
unter bem Tarife arbeite, würbe oom Ortsoerbanbe bie ©perre über 
beit ^arifbredjer ucrljängt mit ber Vegriinbimg, bafj berartigeS Xurdj 3 
bredieit eines Tarifs Meifter wie Arbeiter gleidierweife fdjäbigen muffe, i 


bem Unternehmer $üfe gu leiften. Mehroergiitungen werben inbefg aud) 
bei ^nanfprudjnahme beS genannten Vereins nicht gewährt. 

S)er gnnungSoerbanb beutfeher BaugemerfSmeifter h°t be* 
fdhloffen, gegen biefe ^flaufel eine Eingabe an bie Regierung gu 
richten. 

3ur Auslegung beS fächftfdjen VereiuSredhteS» Eine wichtige 
Entfcheibung hat baS fächfifch^ Vtinifterium beS gnnern in ©egug 
auf bie Auslegung beS VcreinSgefeheS getroffen. 2)ieS oerbietet 
befanntlich nach & en Befchlüffen beS lebten ÖanbtagS Btinberjährigen 
bie ^h e it na haie an Vereinen, welche fich mit öffentlichen, begro. 
Politiken Angelegenheiten befaffen, läfet aber bie Sheilitahnte an 
Verein Seinrichtungen gu, weldhe wie Oehr« unb gortbilbungSfurfe, 
Vergnügungen 2 i\, biefeS Eebiet nicht berühren. Nunmehr hat baS 
Vtinifteriuin lehtinftanglich bie Verfügung einer s ^oligeibehörbc be* 
ftätigt, bafe Vhnberjährige auch oon VereinSoeranftaltungen nicht 
politifchen EharafterS fern gu halten finb, wenn ber Verein ein 
notorifch politifdjer ift. 2)em in grage fommenben Verein ift bie 
Auflöfung angebroht worben, wenn er bie Btinberjährigen nicht 
oollftänbig auSfchlieRt. ®ie ^h^ilnahme an ben in 9tebe liehen ben 
Einrichtungen quatifigirt fid) nach ber Auffaffung beS BüniiteriumS 
als „^h c ilaahme an 3 u fammenfünften oon politifchen Vereinen", 
unb biefe fällt unter baS Verbot beS neuen VereinSgefeheS. — 
2)amit ift wieber eine ber Befürchtungen eingetroffen, bie bei ber 
Beratung beS neuen VereinSgefefceS in ©achfen oielfach gehegt, 
bamalS aber oon ben Anhängern beS AuSfd)luffeS ber Btinber* 
jährigen als gänglich haltlos hincjeftellt würben. 

Bie lEBahleu ber ArbeitSfammeru itt Amfterbam finb, wie man uns 

fd)reibt, mit befnebigenbem Erfolg ooHgogcn worben; bie Beteiligung 
ber Arbeiter war oiel größer als im |)aag. Aur bie Biamantarbciter* 
lammer ift nid)t gu ©tanbe gefommen, ba oon ben 10 000 Arbeitern 
unb aud) oon ben Arbeitgebern nur jedjS Verfeuern gewählt haben. Bei 
Vunb ber Biamantarbciter hatte fich nämlich baljin auSgefprodjen, bnf; 
bie lammet* in ber geplanten gnfammenfepung nnmöglid) einen guten 
Erfolg haben fönne, unb war baber gegen bie 2Sal)l. ErfreuliÄ ift, 
bafe bei ben ÜBaljlcn bie politlfche Gefinnung mehrfach aufger Betraii 
geblieben ift. ^n ber Äonfettionsfammer ift eine Aäljterin gewählt 
worben. — Auch in anberen ©täbten ^oHanbS haben bie Atahfcn für 
bie ArbeitSfammeru ftattgefunben, fo baR ihre üonftituirung bcmnädifi 
erfolgen fann. Biefe Kammern, bie auf bem Gefep ooni Mat 1897 
beruhen, fmb gemeinfame Vertretungen oon Arbeitgebern unb Arbrc/cm 
eines ober mehrerer Gewerbegweige in einer ©labt. 3h rc Aufgabe ift 
in eriter 2inie baS ©ammein oon gnformaüonen über Arbeiter* 
angelegenheiten, ferner bie Erftattung oon Gutachten an bie fiaatlidjen, 
prouingicüeu ber ftäbtifchen Vehörbeit, auf Anfuchen auch au Vnmite. 
Enblich foH bie Kammer als EiniguugSamt bienen. 

gnternatioualcr $ongreft für fo^ialwiffenfchafttichcS Unterrichts* 
toefen 1900* Unter ber Vatronage beS College libre des Sciences 
Sociales in Baris wirb anläßlich ber VöcItauSftellung ein inter* 
nationaler ÄongreR oeranftaltet werben, ber ftth mit ben gragen 
beS UnterridhtS in ben ©ogialmiffenfchaften befchäftigen foH. 5)ic 
BorbereitungSfommiffion, ber bie angefehenften frangöfifd)en gadj* 
leute angehören, hat fürglich baS Brograntm für bie ÄongreRarbeiten 
feftgeftellt unb eine Einlabung gur Bheilnahme oerfanbt. ©ie oer* 
weift barin auf ben fyofyn Söerth, welchen biefer erftmalige Aus* 
taufch ber Anfichten unb Erfahrungen in beit oerfdjiebenen Öänbcrn 
für bie görberung ber ©ache hat. BaS B r ogramm umfaRt bic 
folgenben B un ^ e: 

1. Unioerfitäten, höhere ©djulcn unb gadjfdjuleu. 

©taub beS fogialwtffenfchaftlichen UnterridjtS in ben ocr* 
fchiebeiten Öänbern. Verbefferungen. 

2 . Mittelfd)ulen. 

Gegenwärtiger ©taub. Verbefferungen. BtSfuffton ber grage, 
welcher Vlafc bem Unterricht in ben AnfangSgrünben ber 
SBirthf^aftswiffenfdjaft einguräumen ift. 

8 . Ber populäre ©ogialunterricht. 

Gegemoärtig erregter ©taub. Monographien über bic 
©pegialorganifationen, welche ftch in oerfihiebenen Räubern 
Ijerausgebilbet haben. 

4. ©d)affung eines internationalen SehrförperS. 

AuStaufd) ber Öehrfräfte gwifchen ben Unioerfitäten unb ©diuictt 
ber oerfdjicbenen 2äuber. Vilbung eines ©pegialjonbs für 
biefen 3 wecf. 

Ber SfongreR foll fünf Bage bauern. Baoon Rnb oier ber 
£öfung unb BiSfuffion ber Rapporte, ber lefete ber Erörterung 
unoorhergefehener gragen gewibmet. Bie Bljeilnebmer am £on* 
greffe begahlen einen Beitrag oon 25 grcS. Anmelbungen werben, 
wie man uns Rhrcibt, entgegeugenommen beim ©efretär ber 
OrganifationSfommiffion, 22 Rue Victor-Masse in Bari^- 



949 


©ogiale $ra£i$. ©entralblait für ©ogialpoUtü. Nr. 35. 


950 


fiotttmiittale Sozialpolitik. 


©enteinbfuhe grürforge in ber 2BoßmmgSfrnge gn SWüudjen.*) 

SJÜttel gur §ebung ber BoßnungSnotß in ERüncßen follcn jeßt non 
ber ©emeitibe felbft in Angriff genommen roerben (oergl. „©oktale 
BrayiS" ©p. 908). An bie beiben ©emeinbefoHegien ift ein oom 
erften Bürgermeister Unterzeichneter Antrag eingegangen, fie mochten 
auf bie Berbcfferung ber BoßnungSDerßältniffe baburcß ßingu* 
roirfen frühen, baß fie 

1. bie ©rbauung oon NHetbhäufcrn für ißre Arbeiter unb 93e* 
bienfteten ins Äuge faßen; 

2. einem bemnädjft gu griinbenbeit Vereine aus bem ©runbbefifc 
ber ©emeinbc in ben Vororten nach Bebarf je 1 bis 2 ha Baugrunb 
auf bie $)auer oon 99 fahren gegen eine jährliche ©ntfdjäbigung oon 
2% beS bergeitigen Berthes unter bem Sorbehalte beS unentgeltlichen 
NücffafleS ber ©runbftücfe unb ©ebänlichfeiten nach Ablauf obiger grift 
Zur Berfügung ftcHen; 

3. burch ©eroährung oon Darlehen aus ber ©parfaffe, foroett 
möglich, bie $apitalbefchaffimg erleichtern unb 

4. im .ftiublicf auf ben funftigen Nüdfatl beS ©igentbumS an bie 
©tabtgemeinbe bie 3 a blnng, begro. ©tdjerftellung oon ^5flafteritngö* unb 
NanbfteinfeßungSfofteu gang ober roenigftens tljeilroeife erlaffen. 

tiefem Antrag geht eine ausführliche Begründung ooran. S)ie 
Bewegung, „welche bie Bereitftellung Heiner, allen Anforberungen 
ber ©efunbßeitSpflege entfprechenber Bohnungen für Arbeiter, 
SHeinßanbroerfer, ©ubalternbeamte unb anbere, biefen roirtßfehaft* 
lieh gleichgeftellte Berufsarten gu bauernb billigem greife anftrebt", 
wirb als oollbered)tigt anerfannt. 2>ie^ ^rioatiinternehmungen 
haben bem Bebürfniß nicht gu folgen oermocht, abgefeßen baoon 
ift ber NlietßpreiS im Berßäliniß gurn ©ebotenen oiel gu ßocß. 
©ine Boßnung mit groei Heineren 3immern mit je einem genfter 
ift unter 200 faum erhältlich, eine folthe mit gmei größeren 
3immem, bereu eine Arbeiterfamilie oon feeßs köpfen minbeftenS 
bebarf, fofiet oielfach 300 c 4t unb mehr, ©o roohnen ca. 12% 
ber Münchener Arbeiter unb ber ihnen roirthfcfjaftlich gleicßgefteHten 
Berufsarten in einer ben bpgienifchen unb fittlicßen Anforberungen 
fciiteSroegS entfpreeßenben Beife. $)ie fanitären unb fittlichen ©es 
fahren biefer ^uftänbe roerben nadjbriicflich ßeroorgeßoben. ^ie 
gemeinnüßigen unb genoffenfchaftlichen Bemühungen haben ben 
llebelftänben bisher nicht gu fteuern oermocht. $>ie ©emeinbc felbft 
muß nun ßelfcnb unb föroernb eingreifen, foroohl aus ©rünben 
ber öffentlichen ©efunbbeitSpflege als auch in ©igenfeßaft als ©roß* 
Unternehmerin. D)er Bürgcrmeifter empfiehlt für ben Anfang gur 
Bermittelung beS UebergangS bie ^erftettung einzelner Heiner 
Käufer mit je brei ©toef werfen über bem ©rbgefcßoß unb groei 
Bohnungen in jeber ©tage im gefcßloffenen Baufpftem unter AuS* 
fcßluß oon Wücfgebäuben unb giügelbauten empfehlen. $>er ©runb* 
riß berfelben ift fo gebacht, baß ein in ber SUtte groifeßen groei 
Bohnungen gelegenes 3i^mer nach Belieben gu ber einen ober 
anberen Bohnung gezogen unb, ba es eigenen AuSgang auf ben 
Borplaß hat, als möblirteS 3rotmer an ein ober groei aHeinfteßenbe 
£eute gleichen ©efchlechts mit ©enehmigung ber BereinSleitung 
toeiter oermiethet roerben fann. 2)urcß biefe ©inrießtung roirb eS 
möglich fein, baS ©cßlafiiellenroefen gu befämpfen, infofern anftatt 
einer ©cßlafftelle ein reinliches, gut eingerichtetes 3^ m rr treten 
mürbe. 3nt ©rbgefcßoß wären Löben für bie Bebürfniffe ber 3n* 
mohner, eine Babeanftalt mit Braufen unb Bannen, eine Grippen* 
anftalt, eine BolfSfücße unb eine Lefeßalle oorgufehen gür bie 
äußere AuSftattung biefer Käufer müßten einfache, gefällige, jeboch 
unter fich oerfeßiebene Bauformen gewählt werben, um bem ©angen 
nicht ben ©harafter ber SJtietßfaferne aufguprägen. derartige 
$äufer foll — unter ber oben angegebenen Beihülfe ber ©tabt* 
gemeinbe — ein Berein bauen, in beffeti ©tatuten befonbereS ©C* 
roicht barauf gelegt roirb, baß biejenigen, für roelche bie SBohnungen 
errichtet roerben, BHteigenthümer roerben unb baher Jraft eigenen 
Rechts unb nicht in golge beS SBohlroollenS ber befifcenben klaffen 
ihre ^Bohnungen inne haben. 

©täbtifcheS 9iegnlatio für Bergebnng ton Arbeiten an ÄrbeitS- 
lofe in jDffenba<h a. SW. $)ur<h bie ©tabtoerorbnetenoerfammlung 


*) Als Unterlage ber gcmetnbltchen Äftion bient eine treffliche 
Arbeit beS Dr. Ä. ©inger, ©efretärS am ftatiftifeben Amt oon ÜDhüidjeit, 
über bie 'Bohnungen ber SJHnberbemittelten in 3Künchen, eine 
im Aufträge bes StagiftratsbireftoriumS herausgegebene 2)enffchrift 
(Serlag ber 3- Biubaueridjcn Buchbanölung, 2Jtünchen). §ier roirb oon 
funbiger .ftanb nicht nur ein Bilb beS Bohnungsclenbs ber Unbemittelt 
ten in ber bapcrifchen .^auptftabt entworfen, fonbent cS roerben auch 
Maßnahmen äur Serbefferung ber Serhältniffe oorgefchlagen. Beigefügt 
ift ein reichhaltiges Material über ©chritte anberer ©täbte gur Hebung 
ber Bohnungsnoth- 


ift am 10. 9Rai ein Wegulatio angenommen roorben, baS großes 
fogialpolitifchcS 3ntereffc bietet, ba cS thatfächlich eine Berficherung 
gegen ArbeitSloftgleit barfteüt unb in einem mit ^autelen oert 
fchenen Umfang ein offizielles Befchroerberecht bei Sohnbifferengen 
ein führt. 3n Öffenbach roerben groar fchon längere 3^it erroerbs* 
befchränHe ober geitroeife arbeitslofe ^ßerfonen gu ftäbtifdjen Ar* 
beiten (©traftenreinigung, Äanalarbeiten ic.) benu^t bei einem ben 
ortsüblichen iaglohn nicht erreiefjenben ßohnfah- Nunmehr aber fmb 
hierfür 30 000 , // im ©tat beS Bauamts eingefteHt, bie möglicher* 
weife noch überfchritten roerben. 3)aS Bauamt roirb fämmtli^en 
©efueben um Befchäftigung ArbeitSlofer ftattgeben, fofern biefe ben 
UnterftüßungSroohnfih haben. $>iefe Bebingung fchien erforberlich, 
um gu oerhüten, bafj in Solge biefer (Einrichtung erroerbSbefchränfte 
Berfonen h^r ben Unterftüßungsroohnfih erwerben, ißach §. 7 
fteht ben ©ingefteUten roegen ber £>öhe beS Sohnes ein Befchroerbe* 
recht gu an ben aus Bertretern ber Arbeiter* unb bürgerlichen 
Bartei beftehenben BauauSfchufe. 5)aS Wegulatio hat wie man 
uns fdjreibt, folgenben SBortlaut: 

§. 1. ©efuche arbeitsfähiger, aber geitroeife arbettslofer foroie er* 
roerbsbefchränfter B er fonen um oorübergeheube ober bauernbe Be* 
fchäftigung bei ber ©tabt ftnb bei bem Bauamt angubringen. 

§. 2. Bei ©tellung beS ©efudjs ift ber Nachweis gu erbringen, 
baß ©efuchfteller in Dffenbach umerftü^ungSroohnü^berechtigt unb 
arbeitslos ift. Birb biefer Nachweis nidjt erbracht, fo fann bas Bau* 
amt bie Bfrfonaloerhältniffe auf oorgefdjriebenem gormular feftftellen 
unb ermitteln Iaffeit, ob bie betreffenbe Berfon ben UnterftüfcungS- 
roohnftfe in 0ffenbach hat, foroie welche ©rünbe baS ©cfuch oeranlaffen. 

§. 3 ©ine Befchäftigung ooit B^rfonen, bie ben UntcrftiihungS* 
roohnfip in Cffenbach nicht haben, barf aus ben für bie Befchäftigung 
ArbeitSlofer oorgefehenen 80 000 M. nicht angeorbnet roerben. Auf bie 
30 000 ji. bürfeu Arbeiten, welche als ooranfcfjtagSmäßige angufeljeit 
fmb, nicht bcredjnet roerben. 

§. 4. $)aS ©tabtbauamt roirb gunächft bie ArbeifSfähigfeÜ unb 
*©igcnfchaft ber ©ingeftedten ermitteln unb biefelben ihren Kräften ent* 
fprechenb befchäftigen. 

§. 5. 'Sen ©ingefteKten roerben folgenbe Böhne bis auf BeitereS 
geroährt: 1. ben großjährigen Arbeitsfähigen jeboch geitroeife Arbeits* 
lofen, welche jür bie ihnen oom Bauamt guguroeifenben Arbeiten ge* 
eignet ftnb, pro ©tunbe nicht unter 22 /^; 2. diejenigen, rocldjc für bie 
ihnen gugeroiefenen Arbeiten nur mangelhaft geeignet finb, ben Btiitber* 
jährigen foroie ben ©rroerbSbefdiräuften je nad) ber in ©emäßheit beS 
§. 4 erfolgten ©infehäfcuna nach Hftaßgabc ihrer Beiftungcn pro ©tunbe 
20, 18, 16 unb 14 Afinberjährige, foroie ooöftänbig arbeitsfähige 
Icbige Bcrfonen foEen nur in befonberS bringenben gäEen Bcrücf* 
fichtigung finben. 

§. 6. Beträgt ber Berth ber Beiftungen weniger als 14 pro 
©tunbe, fo hat baS Bauamt mit Begrünbung ber Deputation für bas 
Ärntenroefen httroott Äenntniß gu geben, welche hernach Baaruttter* 
ftüpuug eintreten laffen fann. 

§. 7. ©egen bie ©infdjäpung in Bohnflaffen gemäß §. 5 B°f- - 
unb §. 6 fteßt ber betreßenben Bfrfoit baS Befdjroeröeredjt an ben Bau* 
ausfdjuß gu, roeldicr enbgültig cntfdjeibet. 

§. 8. ®ie Anftettung oon Arbeitern, roeltfje bas Bauamt für 
feine regelmäßigen Arbeiten benötßigt, roirb bureß biefe Beftimntungen 
nidjt berührt. 

.^öffentlich roirb nach ereigneter griff auch öffentlich amtlid)er 
Bericht erftattet, roie bie neue ©inrichtung funftionirt. 5)a in ber 
^hat hier ein neuer Berfuch norliegt, eine Befämpfung ber ArbeitS* 
lofigfeit oon ©emeinberoegen burchgufüßren, oerbient ber Borgang 
bie allgemeinfte Beacßtung unb, falls er fieß beroäßrt, Nachahmung. 

AlterSoerforgung bon ©emeinbcbeamteit ist ©laSgow unb 2)art- 
mouth- ^)er ©tabtratß oon ©laSgoro beabsichtigt, eine Friendly 
Society für bie Bebicnftetcn ber ©tabt gu grünben. ©S roären bicS 
6000 NHtglicber, gu beren Beiträgen bie Kommune aus ©igenem 
fooicl jaßlen würbe, baß bie Niitglieber 60 unb bie ©tabt 40°/ 0 ber 
©innahmen ber Friendly Society aufgubringen hatten. Auf biefe 
BSeifc rourbc ein hinreießenber B^nfionSfonbS gefeßaffen roerben, 
um 150 Beamten eine wöchentliche Bcnfion oon V ‘2 bis 1 £ ae* 
roäßrcn gu fönnen. — $>er ©tabtratß oon 2)artmouth hat oc* 
fcßloffcn, alten ftäbtifeßen Arbeitern, bie nießt meßr arbeitsfähig 
fmb, eine roocßcntlicßc B^afion oon 2 sh 6 d gu begaßlen. 


^rbeiterberoegung. 


Betrachtungen über bie bieSj[ährtgen Lohnbewegungen 
im ©chneibergewerbe. 

3n ber ©efeßiehte ber fogialen Kämpfe 2)eutfcßIanbS war nodj 
feine ArbeitSeinftettung gu oergeicßiten, bie in gleidßer Beife baS 
öffentliche Sntereffe erregte, roie ber ©treif ber ÄonfcftionSarbeiter 
im gebruar 1896. Nocß nie hatten fid) in 2)eutfcßlanb bie öffent* 



Soziale ©rajis. Sentralblatt für ©ojxalpolttü. Ar. 35. 


952 


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licpe Meinung, bie ©reffe aller Parteien, mit AuSnapmc ber „Haut 5 
burger Aacpricpten" unb ber „Aorbbeutfcpen Allgemeinen 3 e itung", 
fo rüdpaliloS auf Seite ber Arbeiter geftellt, roie in bem bamaligen 
Kampfe, ber in allen gefitteten Streifen als eine $htlturberoegung 
erften langes betrautet mürbe unb im SReicpStage ju ben benf* 
mürbigen ©erpanblungen oont 12. gebruar 1896 führte. 

gn ber ©efprecpttng ber nationalliberalen gnterpettaüon mürbe 
non ben SRebnern aller Parteien anerfannt, bap fcproere ©Üpitänbe 
in berStonfeftionSinbuftrie beftepen, bie einer balbigen unb grünblicpen 
Abpiilfe bebürften. der gnterpellant Abgeorbneter greipcrr o. §epl 
fpracfj fid) babin aus: „©Bcnn fid) in itnferer ©efeüfcpaftsorbnung 
folcpe ©iipftänbe jeigen, fo ftnb nach meinem Ermeffen diejenigen, 
roeldje bie jepige ©efeilfcpafisorbnung für eine richtige halten unb 
aufrecht erhalten motten, oerpflicptet, gegen berartige ©Ripftänbe 
energifcp aufsutreten." Er glaubte, bap nicht nochmals eine En* 
quete in biefer Sache erforbertid; fei, foitbern mar im ©egentpeil 
ber Anfiept, „bap, roenn man bie Enquete oom gapre 1887 genau 
unb grünblid) burchfiebt, man su ber ileberjeugung fomrnen mup, 
bap eine fofortige gefepgeberifcpe |)ilfe nothroenbig ift", 

Staatsfefretär oon ©öttidjer äuperte fich bamals jur ©eant* 
mortung ber Interpellation, bap er oollfommen auf bem ©oben 
ftelje, auf ben fich bw H crr Interpellant geftellt hatte. „gcp halte 
bafür," fo erflärte $err oon ©ötticper roeiter, „bap er ben ginger 
in eine ber fchlimmften ©Bunben unfereS roirtpfcpaftlicpen SebenS 
gelegt hat, unb ich halte ferner bafür, bap eS nicht allein Aufgabe 
ber ^Regierungen unb ©olfSoertretungen, fonbern oielmehr aller 
©aterlanbsfreunbe ift, bahin su ftreben, bap ber ^rebsfcpaben, ber 
auf biefem ©ebiete beftept, aus ber ©Belt gefcpafft mirb. ... So 
grop bie Schmierigfeiten fein mögen, fie müffen überrounben roerben," 
unb er „glaube, für fämmtlicpe oerbünbeten ^Regierungen oerfichern 
SU fönnen, bap fie bemüht fein merben, unb s^ar eifrig bemüht, 
an ber H e &ung ber ferneren ©Ripftänbe, bie auf biefem ©ebiet 
oorliegen, mitsuroirfen". 

©Ran fieht, bap an ©erfprecpungen bamals baS ©Röglicpfte 
geleiftet mürbe. ©Ber bamals, roie ber fo^ialbemofratifdje Abge* 
orbnete gifcper, noch smeifclte an ber durcpfüpruitg beS ©er* 
fprocpenen, mürbe umoittig abgetrumpft, gn ber ©reffe piep es 
S- ©., bap „Herr gifcper in feiner oon ©epäffigfeit unb §eperei 
erfüllten SRebe offen ben Aeib unb baS Unbehagen oerrietp, bap 
bie bürgerlichen ftlaffen fich ber Aotpleibenben fo roarrn angenommen 
hätten". Als ber StonfeftionSarbeiterftred überall fcpitell beenbet 
mürbe unb hinterher bie reichen ^onfeftionäre treulos bie einge* 
gangeuen Vergleiche brachen, ba mürbe allgemein um fo fdjnettere 
Hilfe burep bie ©efepgebung oerlangt, ©lätter aller ©arteien 
roaren entrüftet über baS ©erhalten ber ftonfeftionäre; fie forberten 
bie roeitgehenbften ©Rittei jum Scpupe ber pilflofen Arbeiter. 

diefe Vorgänge mü|fen immer roieber in baS ©ebäcptnip 
Suriicfgerufen merben, um baS „im Sanb ©erlaufen" ber bamals 
angefünbigten roeitgepenben Reformen mürbigen su fönnen. 

die oon ber ©teicpsfommiffion für Slrbeiterftatiftif oeranflalteten 
eingepcnben Ermittelungen über bie ArbeitSoerpältniffe in ber 
Kleiber* unb ©Bäfdjefonfeftion beftätigten oollauf, bap fraffe ©Rip* 
ftänbe beftepen. Sille aucp nur einigermapen geeigneten ©orfcpläge 
Su einem erfolgreichen gefepgeberifdjen Eingreifen mürben Ieiber 
fcpon in ber Slommiffion für Arbeiterftatiftif abgelepnt der bem 
SRekpStag im grüpjapr 1897 sugegangene ©efepentrourf blieb meit 
hinter ben ©orfcplägen ^urücf, roelcpe bie ©lationalliberalen gleicp* 
Seitig mit ber gnterpettaüon ipreS graftiouSgenoffen gretperrn 
o. §epl am 12. gebruar 1896 im $Reid)Stage einbracpten, nocp oiel 
meiter blieben fie aber surücf hinter ben berechtigten gorberungen 
ber beS ScpupeS fo bebürftigen Arbeiterfcpaft. 

der bamalige Entmurf fant megen beS Schluffes ber Seffion 
nicht iux Erlebigung. „V3ir finb peffimiftifd) genug", fo fctirieb 
icp bamals in biefen ©lättern („Sosiale ©rafis" 1897 $r. 36), 
„ansunepinen, bap im SRooember ober desember biefcS gapreS, 
roenn ber SReicpStag su neuer Seffion fid) oerfammelt, felbft biefe 
©eftimmungen ooin ©unbeSratpStifcpe aus als oiel su meit gepenbe 
Eingriffe erad)tet merben fönnen." Es mar aber nocp ein s u 
groper Optimismus, ansunepnien, bap fcpon im ??ooember ober 
desember 1897 eine neue ©efepesuorlage bem 9teid)Stage sugepen 
mürbe, ein Optimismus, ber oiellcid)t baburep entfcpnlbbar mirb, 
bap man fd)ort patte böfen ©Villen ooransfepen müffen, um oon 
oornperein ber ^Regierung, nad)bent fie burep ipre Vertreter in 
binbenber gorm eine Diitroirfunq an ber ©efeitigung ber fepmeren 
Vhpftänbe oerfprodjen, eine Verfdjleppung ber fo bringenben Vlu* 
gelegen peit susumutpen. 

s 3^un, bie erneute Einbringung einer Vorlage sum Sdjnpe ber 
MonfeftionSarbeiter pat länger gebauert, als angenommen merben 


mupte, unb burep baS ©Sorten ift fie niept beffer gemorben. Sie 
fonnte niept beffer merben roeü niept mepr ber ernftpafte V^ille 
oorpanben ift, bte beftepenben Vtipftänbe su befeitigen. die gefep* 
gebenben gaftoren paben fid), mie eS ja in ben ©Jotioeit s u * 
gegeben mirb, mit bem „©eroupifein" begnügt, baS gprige getpan 
SU paben, „um in ben ©rensen beS äRöglicpen bem ©hpftanb ein 
giel su fepen". 

die ©orfcpläge felbft paben in biefen ©lättern (SRr. 26 unb 
27) oon 51lfreb ©eher eine fo treffenbe ^titif erfahren, bap eS fid) 
erübrigt, näper barauf einsugepen. gnbem icp biefer Äritif unb 
ben ©orfcplägen, bie Sllfreb Söeber maept, im Allgemeinen ooll 
beipflid)te, mup icp nur in bem ©unfte roiberfpreepen, bap ©kber 
bie gefepgeberifcpeit Eingriffe auf beftimmte ©auSinbuftrien be* 
fepränfen miß. ©ian mürbe hierbei in ben bebenflicpen fjepler 
geratpen, bap bie ilebelftänbe ber Heimarbeit s^ar in ber einen 
gnbuftrie eingebämmt, bagegen auf eine anbere ©ranepe fort* 
gepflanzt merben. ©Ser bie fprungpafte Entmicfelung geioiffer 
HauSinbuftrien oerfolgte, mirb biefem Einroanb feine ©ereeptigung 
niept abfpreepen fönnen. Aber felbft auf biefe ©efapr pin ftimme 
icp aucp ^ er & cn ©orfcplägen ©3eberS inforoeit bei, bap man lieber 
in einseinen ©ranepen grünblicp mit ben beftepenben fraffen 9Kip* 
ftänben aufräumen foHte, als unter bem ©amen Scpupgefepgebung 
blope fansleiarbeit su liefern, bie für bie ©rafiS pro nihilo ift. 

5Sie bie dinge gegenmärtig liegen, paben mir uns mit ber 
dpatfaepe absufinbeit, bap ber fosialpolitifcpe SSeitblicf, unb roaS 
nocp fcplimmer ift, ber gute ©Bitte feplt, gefepgeberifcp ben Uebeln 
ber entfepieben auf ben Seib s u rüden, die Arbeiter 

finb oorerft oottftänbig auf fiep angemiefen, ben fampf für beffere 
3uftänbe s u füpren. die oielfacpen Oopnbemegungen, bie in 
biefem grüpjapr im Scpneibergeroerbe ftattfanben, patten biefen 
3med. greilicp roaren es peuer pauptfäcplicp bie ©fapfepneiber, 
bte beffere ©erpältniffe anftrebten. 

diefe Arbeiterfcpicpt ift fosial etioaS beffer geftellt als ipre 
fottegen in ber fonfeftion; aber aucp bie ÜRapfcpneiber (eiben 
feproer unter ben Uebeln ber oorroiegenben pauSinbuftrietten ©etriebS* 
form. diefeS Entpfinben ift niept bloS bei ben Arbeitern oor* 
panben: es mirb oielfacp aucp oon ben teepnifepen Seifern ber 
©ranepe, ben 3uf<pneibern, unummunben anerfannt. gn 5 
beS gacpblatteS: „der beutfepe 3ufcpneiber" äupern ftep meprere 
biefer gacpleute su ber grage. der* eine fepreibt: „gft ber An* 
fturm aus bem ©ros ber Scpneiber, in eine gufepneiberftettung su 
gelangen, burep ©efeitigung ber H au Sarbeit, Einführung oon 
©etriebSroerfftätten unb auSfömmlidpen ßopn bei mäpiger ArbeitS* 
eit erft gepöben, bann merben aucp mir rupiger unb erfolgreicher 
ür ©efferung unferer Sage, foroie beS gansen ©efepäfis unb 
Hebung unfereS Ieiber fo fepr peruntergefommenen H an ^ ,ücr ^ 
arbeiten fönnen. ©ept es bem Arbeiter im ©tapgefepäft jept oiel* 
leitpt beffer, als bem SJonfeftionSfcpneiber? 3Rit niepten! gn ber 
Saifon übermäpige Arbeitzeit, Attfpannung aller Mräfte unb 
£enntniffe bis sum Aeuperften unb in ber füllen 3^it, bie beinape 
fo lang ift mie bie gute, Arbeitsmangel unb barauS entfpringenben 
datteS sunt Erbarmen." 

Ein anberer 3ufcpneiber fepreibt: „tlnfere Aufgabe mupte oor 
Allem fein, barauf su palten, bap mieber ©Berfftätten eingefüprt 
merben, bie augenblidlicp immer mepr oerftpminben ... Es ift 
Sacpe beS 3ufcpnetberS, ben Epef auf bie Vorteile ber Söerfftatt 
unb bie ©aeptpeile ber Arbeit auper bem H au fe aufmerffam s u 
maepen. Einmenbungen maepen manepe EpefS megen ber ©lap* 
frage, fie finb in ben meiften gälten niept fticbpaltig, benn eS ift 
nid)t fcplititm, mettn aucp ein beffereS Sofa! su ©Berfftatt oermenbet 
mirb." 

©ei Einleitung ber Erhebungen über bie ©erpältniffe in ber 
Kleiber* unb ©Bäfdjefonfeftion beantragte ©erfaffer biefeS, aucp ba* 
©tapgefepäft in bie ünterfuepung ber ©tipftänbe einsubesiepen. 1 ) 
gebentafls unter bem Einbrud, bap fepmere ©iipftänbe nur in ber 
ftonfeftionSinbuftrie ansutreffen finb, lepnte aber bie Slommiffion 
in iprer ©teprpeit eine Ünterfuepung ber ©erpältniffe in ber ©tap* 
brattepe ab. 2Bie Unrecpt fie bamit patte, bemiefen u. a. bie 
jüngften Erhebungen ber barjerifepen gabrifinfpeftoren über ba* 
Scpneibergeroerbe. diefe Unterfucpungen finb übrigens ein neuer* 
lid)er ©elag, menn es überhaupt nocp eines folcpen bebürfte, ba* 
für, bap niept blop einseine ©ranepen, fonbern baS gefamntte 
©ebiet ber pauSinbuftrietten ©etpätigung einer roeitgepenben gefep* 
lidjcn Regelung bebarf. ES ift im Stapnten biefer ©efpreepung 
Ieiber niept möglich, bi e intereffanten Erhebungen eingepettb su 


M drurf[ad)cu ber Mommiffton für ArDeiterftatiftif. ©erpanbluuqcit 
Ar. 9 3. 11 . 




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©ogtale $rajt8. Eentralblatt für ©ogtalpolitil. 9fcr. 35. 


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würbigen. 3Öer ber fogialen Xriebfeber ber ßobnfämpfe in bec 
©cbneiberei näher nadjgeben will, fei auf biefe unb ähnliche Unter* 
fucbungen 2 ) ^ingeroiefert. 

Der Sabrifen* unb ©ewerbe * 3nfpeftor §crr $farl ißocUat^ 
in SHünchen, fd)rcibt am ©cblufe feiner Einleitung, bie auf ©runb 
ber Eingelbericbte oerfa&t ift: „Safet man baS Ergebnis ber Er* 
hebungen furg gufammen, fo ftnb bie Regelung ber Sohnoerhält* 
niffe unb ber Arbeitszeiten, bie Reform beS ßebrlingSwefenS unb 
bie §erftellung oon BetriebSwerfftätten biejenigen $unfte, welche 
behufs Berbefferung ber ßlrbeitemerf»ältniffe im ©ebneibergewerbe 
oor Sittern Berücfficbtigung oerlangen." Diefe Auffaffung beeft 
fief) mit ben Sorberungen, welche bie organifirten Arbeiter erbeben. 
Der im Auguft porigen 3abreS in Biannbeim tagenbe Allgemeine 
beutfebe ©djneiber* unb ©ebneiberinnenfongrefj oerpfliebtete bie 
©ebnetber unb Näherinnen erneut, mit allen ihnen gu ©ebote 
ftebenben Mitteln für bie Befeitigung ber Heimarbeit unb Erricb* 
iung oon BetriebSwerfftätten feitenS ber Unternehmer, foroie für 
Einführung fetter ßobntarife gu wirfen. 

Die Sohnbewegungen in biefem Qafytt batten nun ben 3mü, 
einen Dheil ber aufgeftettten Sorberungen gu oerwirflicben. Am 
umfangreiebften roaren bie ©treifs in Hamburg, Seipgig unb 
SRüncben; aufeerbem fanben noch Sohnbewegungen ftatt in Nlagbe* 
bürg, Berlin, Hagen, H e 'fbronn, $iel, BMeSbaben, Halberftabt, 
Bremen, Bielefelb unb einigen anberen Orten. 

Am bartnärfigften oerliefen bie AuSftänbe in Seipgig unb 
Hamburg. 3a Scipjig batten bie Arbeiter im Borjabre einige 
Berbefferungen erfämpft, oie im SBefentlicben in einer mäßigen 
ßobnerböbung bureb Einführung eines gweiflaffigen, genau 
fpegialifirten DarifeS unb tbeilroeifen Einführung oon Betriebs* 
roerfftätten beftanben. Die Arbeitgeber oerfuebten nun in biefem 
Sabre, ben gweiflaffigen bureb einen bebeutenb niebrigeren brei* 
flaffigen Sobntarif gu erfefcen, ein Borgeben, welchem bie Arbeiter 
mit einer entliehenen Abwehr begegnet finb. Das Nefultat ber 
Hamburger Bewegung mar eine allgemeine Erhöhung ber©tücf* 
löhne unb beffere Begabung ber Extraarbeiten. Die Säuberung 
ber Errichtung oon BetriebSwerfftätten war ebenfalls mit geftettt; 
fie fonnte aber nach Sage ber ©acbe nicht in ben Borbergrunb 
gerüdft werben. 

3n München batten bie organifirten ©ebneiber ein ootteS 
3abr planmäßig für bie Erreichung befferer Sofjn* unb ArbeitS* 
bebingungen oorgearbeitet. S3ei Ausbruch ber Sohnbewegung würbe 
baS ^ubiifum bureb gwei Slugblätter, bie in einer Auflage oon 
75000 Exemplaren gur Bertheilung gelangten, mit ben im ©ebneiber* 
ewerbe unb namentlich in ber HaaSinbuftrie beftebenben Ber* 
ältniffen befannt gemacht unb für bie Bewegung intereffirt. Diefe 
Slugblätter batten eine febr' günftige SBirfung unb oeranlafeten 
eine Anzahl ©efhäfte, BetriebSwerfftätten einguriebten begiebungS* 
weif? bie beftebenben gu oerbeffern. Unter bem Drucf ber öffent* 
lieben Meinung entfhloffen ficb elf ber größten ©efebäfte gur Er* 
ridjtuncj folcfjcr SBerfftätten. 

Dte Sohnbewegungen in ben übrigen Orten DeutfcblanbS 
waren weniger umfangreich unb würben tbeilS nur partiell gegen 
eingelne ©efebäfte geführt. Sn Bremen unb einigen anberen Orten, 
wo bie Vertreter ber Arbeitgeber mit ben Sobnfommifponen ber 
Arbeiter oerbanbelten, würbe in einigen Dagen ein beibe Xbeile 
befriebigenbeS Nefultat ergielt. 

Saffen wir baS ©efammtergebnife ber bieSjäbrigen Sobnbe* 
wegungen in ber ©cbneiberei gufammen, fo fann man feftftetten, 
bafc faft überall mäßige Sobnerböbungen erreicht würben. 2Seld)en 
SSertb biefe Bortbeile inbefe in einer Branche mit oorwiegenb 
bauSinbuftrietter Betriebsweife für bie Dauer haben, bebarf für 
ben Kenner ber Berbältmffe feiner befonberen Erläuterung. Sft 
bie furge ©aifon in ber ©cbneiberei oerftricben unb macht fich erft 
baS Ueberangebot oon ArbeitSfräften wieber geltenb, fo erfolgen 
Abgüge, benen wirffam nur erft wieber in ber flottgebenben ©e* 
fhäfteperiobe begegnet werben fann. ©aifonbraneben mit HauS* 
infcmftrie finb eben baS größte Htu^utfe für ftabile Arbeitsoer* 
bältniffe. Die organifirten Arbeiter finb ficb beShalb auch barüber 
flar, ba& ohne Einbämmung ber Hausarbeit feine ge* 
regelten ArbeitSoerbältniffe, feine Berfürgung ber 
ArbeitSgeit, feine wefentließe Hebung ber Sage ihrer 


2 ) Die 2>abreSbericbte ber königlich batjerifeben Sabrtfen* unb 
^emerbc^nfpeftorcn für bas Jahr 1898. — ©uftao Hcrgbera: 2)aS 
©ebneibergewerbe in München. — Dr. Auguft SSinter: ^aS ©ebneiber® 
gewerbe in Breslau. - ©uftao 2?tai)er: Äonfeftion unb ©ebneibergewerbe 
in Breslau. — 3ur Sage bcr Arbeiter im ©ebueiber* unb ©hub* 
macbergewerbe in Sranffurt a. 9K. ©ebriften beS freien beutfeben 
HoebftiftS. 


BerufSgenoffen ^lab greifen fann. ©ie finb ficb aber auch ber 
©cbmierigfeiten bewufet, bie ihnen entgegen fteben. ®ie ßobn s 
Bewegungen in biefem 3ab* geigen wieber, wie aufterorbentücb 
febwer es ift, praftifebe Bortbeile in Begug auf Einführung oon 
BetriebSmerfftätten gu ergielen. 

Grifft baS febon gu für bie immerhin noch beffer geteilten 
Arbeiter ber Biaafjfcbneiberei, um fo mehr für bie äu&erft fcblecbt 
geftettten Arbeiter ber ^onfeftion. S^ili^)/ wo bi e ©efebgebung 
in ber Hulfeleiftung ooÜftänbig oerfagt, ba bleibt oorerft fein 
anberer SSeg als bie gemerffcbaftlicbe ©elbftbülfe, fo wenig Bor* 
tbeile fie auch bei ber ©cbmierigfeit, bie Heimarbeiter gu organifiren, 
gunäcbft Bringen mag. Um wenigftenS auf biefem ©ebiete erfolg* 
reich Befferung gu fchaffen, feblägt Brofeffor ßujo Brentano oor, 
bie H e imarbeiter gwangSweife gu organifiren, ein Borfcblag, ber 
oon ber amtlichen „Berliner S?orrefponbeng" mit „fogialpolitifcber 
Dilettantismus" gefenngeiebnet wirb. Blan mufe ficb auch hierbei 
immer wieber fragen, was bat benn biefelbe Breffe, bie jept mit 
Behagen folcbe Urteile naebbrueft, 1896 barunter oerftanben, wenn 
fie oerlangte, „ba& ber ©taat felbftoerftänblicb nicht gleichgültig 
anfeben fann, wenn eine Hanboott@ro&fonfeftionäre grofee, abhängige 
Arbeitermaffen bureb s l)U6braucb ihrer Eapitalmacbt in S^olb unb 
Elenb ftürgte", ober wenn „bie Angelegenheit wieberum bringenb 
ber Aufmerffamfeit beS BolfeS unb ber tnafjgebenben Greife 
empfohlen würbe", unb fo fort? 

ES oerftebt ficb oon felbft, ba& in einer 3 e 'h mo bas Be* 
ftreben mafegebenber Greife auf bie Einbämmung ber Arbeiter* 
organifationen gerichtet ift, nicht gu erwarten ftebt, ba& bie Or* 
aanifation gefefciieb geförbert werben wirb. Ebenfo ftebt aber auch 
feft, bafe bureb bie $icbtgewäbrung jebweben ernftbaften gefehlten 
©ebufeeS ähnlichen Äataftropben wie im Sabre 1896 bie Bahn frei 
gemacht wirb. Die Beantwortung hierfür haben bann bie gu 
tragen, welche nur f<höne SBorte geben, aber feine entfpreebenben 
Dboten folgen laffen. 

Btüncben. SabanneS Dimm. 


Der gehtite internationale Bergarbeiterfongre§ f ber in ber 

Bfingftwocbe in Brüffel tagte, war oon 47 Delegiiten befebieft, bie 
1 433 000 Bergarbeiter oertraten. Englanb allein batte oon biefen 
47 Detegirten 32 entfanbt,' bie im tarnen oon 670 WO Arbeitern 
ftimmten, auf Belgien mit 125 000 Bergarbeitern entfielen 7 Dele* 
girte, aus Srunfreicb waren 4 mit 152 000 ©timmen, aus Deutfcb» 
lanb 2 mit 350 000 ©timmen unb aus Defterreich ebenfalls 2 mit 
140 000 ©timmen erfebienen. Ueber bie Berbanblungen wirb uns 
aus Brüffel gefebrieben: Die oon englifeber ©eite oorgefdjlagene 
Sorberung einer gefeblicben Einführung beS Acbtftunben- 
tageS in ben oerfebiebenen ßänbern würbe mit allen gegen 30 000 
©timmen, über welche bie beiben Delegirten aus SRortbumberlanb 
oerfügten, angenommen. Ein öfterreicf)if<her 3ufafcantrag, biefe 
Sorberung aud) auf bie an ber Oberfläche befhäftigten Bergarbeiter 
auSgubebnen, würbe einftimmig genehmigt. 3« ber Debatte waren 
bie Ausführungen beS Delegirten H arDe 9 ail 3 Derbpfbire oon 
Sntereffe, ber mittbeilte, ba§ oon 750 000 englifchen Bergarbeiteru 
fidE) bei einer Abstimmung ungefähr 600000 für bie gefeplicbe 
Einführung beS AcbtftunbentageS auSgefprochen halten, ©egenüber 
ben extremen Drabe*Unioniften, bie jebe ©taatSeinmifcbung ab* 
lehnten, wies er auf ben großen oorfährigen 9Rafd)inenbauerftreif 
bin, wo eS trofc ber oorgüglicben Drganifation nicht geglüeft fei, 
bie Sorberung beS AcbtftunbentageS burebgufefcen. Beim gweiten 
$unft ber ^ongrefeorbnung würbe eine Befolution ber „Miners 
Federation^ 4 einftimmig angenommen; banacb fotten für alle in 
ben Bhnen oorfommenoen Unfällen bie Arbeitgeber allein ent* 
fd)äbigungSpfliehtig fein unb bie Bergarbeiter feinem ©efefce 
guftimmen, baS ben Arbeitgebern erlaubt, bureb befonbere Sfontrafte 
mit ben Arbeitern ficb biefen Berpflicbtungen gu entgieben. Be* 
merfenSwertb war baS faft allgemein febr günftige Urtbeil, baS 
bie englifhen Delegirten über bie bisherige BMrffamfeit ihres 
neuen UnfattoerficberungSgcfepeS abgaben. Abraham (2£aleS) theilte 
mit, bafe bei 99 % aller Unfälle bie Entfdjäbigung an bie Arbeiter 
auSgegablt würbe, ohne baf; eine gerichtliche Unterfucbung über 
bie etwaige ©ebulb beS Arbeiters oom Unternehmer geförbert 
worben wäre, fßarrot (S)orffbire) bemängelte, bafe baS ©efep nur 
für bie Unfälle wäbrenb ber ArbeitStbätigfeit felbft Entfcbäbigungen 
gewähre unb nicht für ben Aufenthalt in ben Blinen überhaupt 
gelte. Auch frangöfifdjen Delegirten erfennen an, bafc baS guui 
1. 3«li in Sfraft tretenbe ©efefe eine bebeutenbe Berbcfferung in 
ber Sage ber frangöfifchen Bergarbeiter herbeiführe. Die belgifchen 
Delegirten fonftatirten, ba& ihr ßanb ber einzige Snbuftrieftaat 
fei, ber noch feine llnfattoerficherung befäfee; fie fritifirten ferner 



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©ojiale $rajt$. Eentralblatt für ©ojialpolitif. Ar. 35. 


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ben Entrourf, bcr ber Kammer oorliegt, aber gar feine Ausfid)t 
bat, in einer irgenbroie abfebbaren 3 ß ü aur Berhanblung ju 
fommen. Der brüte fßunft, ber jur DiSfuffion ftanb, bie (Sin*= 
fübrung eines gefcßlidjen ©ubmiffionSroefenS in ben oer® 
fdjiebenen Sänbern, mürbe einftimmig angenommen, nur bie Bcr® 
trcter non Aorthumberlanb enthielten ficf) bcr Stimme, nadjbcm fic 
bie Berfdjicbenheit ber Berhältniffc in ben oerfchiebenen Diftriften 
betont unb erflärt Ratten, bie ©eroerfoereine bitten biefe Forderung 
lofal burd) 3 ufeßen. Die bi^rauf 3 ur DiSfuffion gefleHie Aefolutiort 
ber ..Miners Federation 14 , baß ber Staat in aßen Säubern eine 
öffentli(b*recbtHd)e unb anSreichenbe Alters® unb SnoalibitätS® 
oerforgung eingufübren höbe, mürbe ebenfalls einftimmig ange® 
nommen. ferner f am au f belgifchen Eintrag bie Streitfrage 
*u Berhanblung unb man befchloß, daß bie oerfchiebenen nationalen 
Ausflüge ber Bergarbeiter ficf) fünft ; g nicht nur über bie 
Ergcbniffe ber Streifs in ihren Qänbern aufflären, fonbern audb 
bei ber Eröffnung oon AuSftänbcn in Bemäntlungen mit einanber 
treten foflen. Die Srage ber Begulirung ber Sßrobuftion 
mürbe bis gum nädjften Kongreß oertagt, hoch fprad) man fi(b 
bereits jeßt im ^rinjip einftimmig bafür aus. 

Der erfte Kongreß djriftlidjer @et»ertf4aften, ber oon fatho® 
lifdjer Seite einberufen mar, h a * S 11 Bftngften in Bfain 3 getagt. 
Wit bcacbtenSroertber Schärfe fpracb fich biefer Kongreß für inter® 
fonfeffioneffe unb polüifd) unparteiifebe ©emerffdjaften fomie gegen 
jebe Befchränfung ber beftebenben Koalitionsfreiheit ber Arbeiter 
unb für bie Aufhebung ber bie Koalitionsfreiheit noch befdjränfen® 
ben oereinSgefefclicben Beftimmungen fomie für bie gefeßlidje An® 
erfennung ber BerufSoereine aus. Es hotten ftd) 30 Delegirte 
auS Aorbbeutfcßlanb unb 18 aus Sübbeutfdjlanb eingefunben, bie 
37 ftimmbereebtigte El eroerff chaften, 0fachoereine unb Jachfeftionen 
oertraten. Solgenbe ßeitfäße gelangten gur Einnahme: 

1 . Die djriftlidjcn ©eroerfuereine finb interfonfefftoneU itttb poliüfd) 
unparteüfeh. 2 . (5S ift bie Bereinigung gleichartiger ©eroerfoercine in 
Eentraloerbänbe behufs befferer Durchführung bcr uorgefteeften 3tele 311 
erftreben. 3. Die Aufgabe ber chriftlicfjen ©eroerfuereine befiehl in ber 
mirtbl’chaftlichen, geiftigen unb flttlic^cn Hebung bes ArbeiterftanbeS. 
Diefclbe ift 31 t erftreben burefj: a) Durchführung ber beftebenben gefeß® 
liehen Beftimmungen unb ftörberung bes meiteren Ausbaues ber Sfr® 
bcitergcfefcgebung; b) burch genoffenfchaftlichc Selbfthülfc (Ergätt 3 ung 
ber Arbeiferuerfrcbcriing burch llntcrftiißuugS® :c. Kaffen) :c.: c) Siche® 
rung ber Bedjte unb Freiheit bes Arbeiters beim Abftfjluffe bes ArbeitS® 
oertrageS. 4. Die gefammtc Dljätigteit bcr dn'iftlichen ©eroerfoercine ift 
getragen oon ber Anerfcnuung gleicher beiberfeitiger Rechte unb Bfüthten 
oon Arbeitern unb Arbeitgebern. Arbeit unb Kapital finb bie auf® 
einanber angemiefenen gaftoren ber ^robuftion. 

^eroorgeboben mürbe, baß Unternehmer unb Arbeiter gemein® 
fame Sntereffen hätten, unb bah Streifs nur als leßteS Mittel unb 
roettn erfolgoerbeißend angemanbt toerben bürften. Als An® 
erfennung ber roirthfchaftlichen ©leidbberedjtigung ber Arbeiter mit 
bett Arbeitgebern mürbe bie oon ber Mehrheit beS AeidjStagS 
jüugft befürmortete Schaffung oon ArbeitSfammerit begrübt unb 
in bcr Dfjätigfeit ber Arbeitsfammern ein mertboolleS Mittel 3 um 
Ausgleich ber fo 3 ialcn ©egen f äße erblidft. 

Kongreß ber Etmngeliftbcn Arbetterfceretne itt Altona« Am 
23. unb 24. 3Rai hült ber ©efammtoerbanb ber Eoangelifcßen 
Arbeiteroereine, unter Borfiß oon Pfarrer Bieber, in Altona feine 
Delegirtenoerfammluna ab. Der Berbanb 3 ählt jefet in 359 Ber® 
eine etroa 70 000 IRitglicberu, aHerbittgS nidjt nur Arbeiter, foitberit 
aud) Bkrffüljrer, .^anbmerfSmeifter, Lehrer, Eieiftlidjc. 3u bem 
Jahresbericht mürbe benmrgcbobett, baß Staatsfefretär E)raf 'pofa® 
doroSft) anläßlich ber (Eingabe um ein Bcichs®B*ohnungSgefeß er® 
öffnet habe, es gehöre nicht 31 t ben Unmöglidjfeiten, einen ÄeidjS® 
frebit für biefen ^jmeef 3 U getoöbren. (Sollte fü ßr nicht ein Btiß® 
oerftänbniß oorliegett? Die Beb.) Der Berbanb ift ferner für 
Arbeitsfammern unb für obligatorifchc EinigungSämter eingetreten. 
Die Referate beS KongreffeS über bie fo^iale Bebeutung ber alt® 
teftamentlidien Propheten unb bie römifd)®fatbolifcheu iRämierorbeit 
laffeu mir bei Seite, ba fie mit ber Arbeiterbemegung nid)ts 311 
frbaffen haben; bcbauerlid) erfcheint uns babei bie auch fouft mehr® 
fach S» ^ a 9 e tretenbe fdjarfc fonfeffiotteflc ^olemif, bie ein 3 u s 
fantmenmirfen ber ohnehin nod) fdjmachen d)riftlichcit Arbeiter® 
organifationen oerhinbert. Auf Antrag Pfarrer Naumanns be® 
fantite fich bie Berfammluug nahezu einftimmig 311 bem Olrunbfah, 
„baf? bie eoangelifdjcn Arbeiteroereinc nid)t blofs rcligiöfen, fonbern 
ebeufo Rialen (iharnfter hoben", mas eigentlid) f elb f t ü er ft ä n b li cf) 
fein füllte, aber burch bie eigenartige Haltung ber rheinifd)®mcft® 
fälifd)cn Bereine oeranlaht mürbe. Das lepte Referat am erften 
läge hotte Boftor Dhimm®Steitin über bas Dhenia „ s Bie erhalten 
mir bas Vcbeit in uttferen Bereuten frifd)?" Beichtiger mar am 


folgenben Dage eine ^roteftrefolution gegen bie fog. „3u<hthauS® 
oorlage"; eS roirb in ihr 3 roar jeber DerroriSmuS oon Arbeit® 
gebern mie oon Arbeitern oerurtheilt, aber hin^ugefügt, bafe bie 
Berfammlung — aüerbingS nicht ohne B£iberfpru<h unter ^öhrutig 
beS Abgeorbneten ßranfen, mährenb Stöcfer entfehicben für bie 
Stefolution eintrat — bie beftebenben Beftimmungen ber ©eroerbe® 
Drbnung, befonberS im §. 153, fomie beS StrafgefefcbucheS für 
ooÖftänbig geitügenb unb bei gleichmäßiger Aumetibung nach beiben 
Seiten angettteffen holt unb in ihrer Berfchärfung ober in einem 
eigens h^o beftimmten neuen $efefc eine bebenflid)e ÜBebrohung 
ber freiheitlichen Rechte ber Arbeiter unb eine ©efahr für unfer 
Bolfsleben erblicft." Ueber bie Errichtung oon Arbeitsfammern 
hielt $jrof. ^>üpebcn®Eaffel einen trefflichen Bortrag; ber Delegirtentag 
„begrüßte bie auf Errichtung ber Arbeitsfammern gerichteten An® 
träge ber Abgeordneten |)iße unb 0 . §epl als einen ernften Ber® 
fuch, bie Srage einer getneinfamen, ber Berftänbigung bienenben 
unb nad) Berufen geglieberten Drganifation ber Arbeiter unb 
Arbeitgeber ber ßöfung näher gu bringen." Heber bie Biißftänbe 
bei ber jeßigen Berroaltung ber Drtsfranfenfaffen referirte ^aftor 
©ünther (Breslau). Die BHßftänbe beftehen nach ihm barin, baß 
über bie freien fmlfSfaffeu nidjt genügende Aufficßt geübt merbe, unb 
baß fie oft oon fo 3 iaIbeuiofratifcheu Agitatoren geleitet merben. Die 
DrtSfranfenfaffen füllten oeraflgemeinert, bie ^iilfsfranfenfaffen auf® 
gehoben unb als fieiter oereibete Beamte angeftellt roerden, bie 
politifcher Agitation fernftehen. — Die Angelegenheit foü auf ber 
nächften Berfammlung roeiter befprochen merben. 

Der Berbanb ber fatholifihen ArbeiterPereiue in @ftbbeutfd|(anb 

umfaßt gegenroärtig 281 Bereine mit 46 535 orbentlidjen 8 Kit. 
gliebern gegen 223 Bereine mit 40 456 Btitgliebern im Borjahre. 
Die nidjt 3 utn eigentlichen Arbeüerftanbe gehörigen 6184 außer® 
orbentlichen BHtglieber finb herbei nicht tnitge^ähit. Rechnet man 
bie Bereine in Elfaß unb in Reffen noch ^ a 3 U, melche in eigenen 
Berbänben organifirt finb, fo ergiebt fich für bie fatholifchen 
Arbeiteroereine SübbeutfchlanbS eine ©efammtmügliebe^abl oon 
circa 65 000 Bfitgliebern. Bon ben im Berbanbe organifirten 
Bereinen befißen i 02 Bereine eigene Sterbefaffen mit 22 454 BRit® 
gliebern, an roelcße im 3ahre 1898 25 784 für Sterbegelb 3 ur 
AuS 3 ahlung famen. 3n 105 Bereinen beftehen Kranfenfaßen, bie 
bei einem Stanbe oon 14 597 Biitgliebern 89 853 Kranfengdb 
auSbe 3 ahlten. Das ©cfammt®Baaroermögen ber bem Berbanbe 
angehörigen Bereine beläuft fich einfchließlich ber BeferoefonbS für 
bie Kranfen« unb Sterbefaffen auf 396 750 d(. Sech^ Bereine 
befißen Käufer mit Wohnungen für bie Bfitglieber mit einem Eie® 
fammtroerihe oon nahe 3 U 3 mei BliHionen. Die in ben Sparfaffen 
ber Bereine hinterlegten (Guthaben ber Bfitglieber betragen 
430 962 , t( für bie 3^hl °on 3357 Einlegern. 3öenn man be® 
benft, baß es oor 10 3ah* ß n in gan 3 Sübbeutfchlanb faum ein 
Dußenb fatholifcher Arbeiteroereine gab, bie 3 ufammen 2000 bis 
3000 Btitglieber 3 ählten, roirb man 3 iigeben müffen, baß auf bem 
EJebiete ber BereinSprünbung fleißig gearbeitet roorben ift. Der 
Delegirtentag roirb im §erbft in Nürnberg gehalten. 

Eitt BerbcntbShcmS ber beittfcheit ©ctoerfberettte tu Berliu, Der 

Eentralratlj ber ©emerfoeretne erläßt einen Aufruf, bcr bie ©riinbe für 
Errichtung eines BerbaubShaufcS Ijeroorljebt. Die oielfeitige £rgani* 
fation bcr ©emerfoereine bxaudn', mie nur irgeitb eine, einen Mittel* 
unb Sanunelpunft für bie bauptfädjlidjften BereinSthätigfeiten, für große 
unb flcinc Bcrfammlungcn unb Sißungen, für Berroaltungsburcaus, 
Arbeitsnadjmeis, Verberge, (')cfelligfcit u. j. m., unb 3 mar ebeufo für bie 
Berliner mie für bie ausmärtigeu Bereine unb (>lcnoffcn. And) fatfi® 
funbiger Jeftftellung laffe fidj ba« Bcrbaubshaus in geeigneter 2 age mit 
IOOcmjo^. baarer Anzahlung (:»noc»no .✓/. feften $ppothcfcn) enöerben. 
Durd) Antbcilfdjeine ;i 5 Ui. foü bas Kapital gcfaminelt unb bem Ecntral® 
ratl) 31 er Bcrmeubuug für bas Berbattbshaus übergeben merben. — 2Bir 
münfdjen biefen Bcftrebuugeu ben beften Erfolg! 

Eube beS BarfcrftretfcS in Biütitbett. Jn einer Bädergehülfenocr® 
fannnlung mürbe am 25. 9 Eai ber Bäderftreif nad) uiermöchigcr Dauer 
für beeubigt erflärt, ba 960 ©cbülfen bei 356 SReiftent 311 ben neuen 
Bebingitngen meitcrarbeiteu unb bie Jabl bcr nodj uorbaubenen 
Streifenbeu ßintcr ben 311 normaler oorljaiibencn ArbeüSlofen 
3 urüdbleibe. lieber bie SReifter, bie nodj nicht bcmiUigt haben, roitrbe 
bie Sperre oerljängt. 

Kampf um beit Behnfhinbeutag itt Brünn. Der große Aus® 
ftanb ber Brünner Deytilarbciter bauert unoeränbert fort. BHe 
bie Quittungen in ber Bokner „Arbeiterzeitung" bemeifen, fließen 
bic llnterftiißuugcn feitenS bcr öfterreidjifthen Arbciterfchaft oer® 
hältnißmäßig reichlid). AeuerbingS h<ü außerbem bie öfterreichifcf)e 
©emerffdjaftsfonuntfiion in BHeu — 311 m elften Blal feit ihrem 
Befteljen — eine eigene Streiffteuer auSgefdjrieben, monach jebern 
organifirten Arbeiter unb jebern So 3 ialbemofraten bie ^flid^t auf® 



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Sogiale fßrajiS. ©entralblatt für Sogialpolittf. 9h:. 35. 


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erlegt wirb, möcßentltcß toenigftenS fünf Äteuger für bie Brüntter 
Streifenben gu fteuern. 2>te ©rßebung ber Steuer erfolgt burcß 
bte Drganifationen. Bööcßentlicß groeimal erßält jeher Streifenbe 
einen ßatb Brot, einmal 2 kg 9KcßI, einmal 1 kg ©rbfen unb 
1 kg §>irfe ober SReiS unb einmal ©elb. So mäßig aud) bie 
Unterftüßung bei ben 12 OOO HuSftänbigen, bie mit ipen gamüien* 
angeßörigen 50 000 Sßerfonen auSmacßett, auSfällt, fo foH boeß ein* 
mütßig bie Stimmung für gortfeßung beS Kampfes fein, bis ber 
geßnftunbentag erreid^t fei. ®ie Strcifenben erfreuen ficß oieler 
Spmpatßien in ber Beoölferung oon Bninn unb Umgegenb. 

(Sine BfaffemmSfpcrrmtg ttt $äncmarf ift oon bem baS gange 
ßanb umfaffeubeu ©entraloerein ber Unternehmer (®änifcf)er Bteifter* 
unb Hrbeitgebcroerein) im Hnfcßluß an einen partiellen HuSftanb 
ber Sifdjler tßatfäcßlicß oerbängt ioorben. betroffen finb außer 
ben Stfcßlern (3500 9Rann) fämmtlicße Arbeiter ber Btafcßinen* 
fabrifen unb ©ifengießereien unb im Baußanbtoerf, alfo alle 
Scbmiebe, SRafcßinenbauer, gormer, Klempner, 3J?aurer, 3inimer* 
Ieute, Bfaler, Stuccateure :c. gufammen 30 000 9)tann, ungefähr bie 
§älfte ber organifirten bänifeben Arbeiter (70 000 bis 80 000 
Bfann). Hnfcßeinenb banbeit es ficb um eine Sprengung ber Or* 
ganifaüonen ber Arbeiter. $>ie centraliftrten ©etoerffcßaftSoerbänbe 
ifcänemarfs erlaffen bureb ißren Borfißenben, Janfen, ber erft 
fürglicb bem granffurter ©etoerffeßaftsfongreß beirooßnte, einen 
längeren Huf ruf an bie beutfeßen Hrbeiter um rafc^e §ülfe, ba es 
ficb um 100 000 brotlofer Biänner, grauen unb ftinber pnbele, 
bie fie aus eigenen Mitteln nicht längere 3«t unterhalten tonnten. 
— 2)ie ©emerffebaften haben M an ben ftänbigen HuSfcßuß gur 
©ntfeßeibung oon HrbeitSfonfliften gemenbet, um fein Urtbeil über 
bie HuSfperrung gu hören. 

Beraarbeiterbetoegnitg in Sftbfranfreüß. Huf einer am 
30. Hpril abgebaltenen Berfammlung ernannten bie Bergarbeiter 
beS BaffinS oon ©armaug: eine befonbere ^ommiffion unb be* 
trauten fie mit ber Hufgabe, bie gegemoärtige Sage beS HeoierS gu 
unterfuepn unb eine £ifte ber Befcßroerben aufguftellen, gu benen 
Beranlaffunaoorliegt. $)ie Äommiffion hat ipe Stubien beenbet 
unb am 19. ÜRai ber Unternehmer *Hftiengefeflfcßaft bie naebftebenben 
Sorberungen gur moblmollenben Prüfung überreicht. Bon ber 
©rtoägung auSgebenb, baß bie gegenmärtigen l*ö‘ßne meber bem 
geftiegenen HrbeitSquantum noch ber günftigen SHarftlage ent* 
fpreeßen, baß es ferner nötpg erfeßeint, eingelne ©ebräueße abgu* 
feßaffen, oerlangt fte: 1. bie ooüftänbige Hufrecßterßaltung beS oon 
ber HftiengefeUfcßaft unb ben Hrbeitern acceptirten ScßiebSfprucßeS 
oom 20. SJiärg 1892; 2. eine Soßnerßößung oon 40 ©tS. pro £ag 
für alle Hrbeiterfategorien; 3. gleichmäßigere Bertßeilung ber 
l'ößne; 4. ftrenge ©inßaltung beS Betriebsreglements oon 1891; 
5. Älaffifigirung ber §ülfSarbeiter nach HlterSrang; 6. Hnmerbung 
ber Hrbeiterfößne unter Beobachtung abfoluter Unparteiliebfeit unb 
ber Drbnung ißrer ©infeßreibung; 7. unmittelbare BHeberannaßme 
ber oom Bftlitärbienft guriieffeßrenben Hrbeiter in ihre Hangflaffe; 
8. Befcßäftigung aller arbeitsfähigen Hrbeiter bis gum Eintritte 
beS penfionSfäbigen HtterS; 9. Berbot für alle Beamten ber Hftien* 
gefeKfcbaft, ficb in bie innere Hngelegenpit beS Bergarbeiter» 
oerbanbeS gu mifeben, fotoie ftrenge Btoßregeln gegen jene Beamte, 
meltbe ihre Stellung mißbrauchen, um bie Hrbeiter eingufdjüdjtern. 
3um Schluffe ermähnt bie $ommiffion, baß fie ber Unternehmer* 
HftiengefeUfcbaft einen fiebengliebrigen HuSfcßuß gur $)iSpofition 
hält, um fornoßl meitere Hufflärungen gu geben, als auch bie 
llnterbanblungen über bie ©rlebigung ber Befcßiüerben einguleiten. 


^tbeUerfitju^. 


Jahresbericht ber pfftfcptt ©etoerbe-Jnfpeftioit. 

Seit 1. Juli 1898 ift baS ©roßbergogtbum Reffen in oier, 
anftatt mie bisher in grnei, HuffubtSbegirfe eingetßeilt; außerbem 
finb in biefem Jahre groei Hffiftentinnen neu eingeftellt morben. 
®iefe Beränberungen bemirfen eine erfreuliche Berftärfung unb 
©rtoeiterung ber Xßätigfeit ber Beamten. $)er eben erfebienene 
amtliche Bericht für 1898 legt baoon ein ooUgültigeS 3 eu QP& ab. 
®ie ©etoerbeauffießt in Reffen mirb oon bemfelben ©eifte fogial* 
polilifefjer ©infiebt getragen, in bemfelben Sinne oerftänbnißooüen 
©iferS geführt, ber unter gübrung unb Borgang Dr. &öriS* 
boffers nunmehr bie Jnfpeftion ber fäinmtlicben Staaten Süb* 
beutfcblanbs erfüllt. 2Öie bie Beamten BabenS, BapernS, 9Sürttem» 
bergS, ber BeicßSlanbe, fo eraeßten es aueß bie ßeffifcfjen für ißre 
Hufgabe, nießt bloß meebanifeß bie HuSfüßrung ber Scßußbeftim* 


mungen gu übermaeßen, fonbern fie fueßen aueß baS mirtßfcßaftficbc 
unb fogiale ßeben ber Hrbeiterbeoölferung gu erfaffen, um auf 
©runb ißrer ©rfaßrungen berechtigten Klagen Hbßülfe, begrünbeten 
BJünfcßen ©rfüllung gu feßaffen unb fo an ber Bhlberung 
ber Älaffengegenfäße mitguarbeiten. S)iefe Beamten finb merftßätige 
Organe ber Sogialreform, unb es ift in ßoßem SJtaße erfreulich, 
baß fie oolleS Bertrauen fornoßl bei Hrbeitgebern mie bei Hrbeit* 
neßmern genießen. 

Söenben mir uns gu ben ©ingelßeiten ber oier Berichte, fo 
füßren mir an, baß es für ben Begirf $>armftabt pißt: „Jm 
HUgemeinen fann gefagt merben, baß bie organifirten Hrbeiter 
ein beffereS Berftänbniß ber gefeßlicßen Beftimmungen haben als 
bie nießt organifirten" — ein nießt unroicßtigeS 3 eil 0niß für bie 
aueß fonft in fübbeutfeßen amtlidjen Berichten ßäußg mieberfeßrenbe 
©abrneßmung beS ergießlicßen ©influffeS ber HrbeiterberufSoereine. 
BefonbereS ßob fpenbet ber BJainger Beamte ber Bucßbrucfer* 
Organifation, „meil fie beftrebt ift, ben fogialen grieben gmifeßen 
Hrbcitgeber unb Hrbeiter gu oermitteln." fießrlingSgücßterei mürbe 
in maneßen Heineren Betrieben angetroffen, in großen Betrieben ift 
fie feltener gu finben. $ie 3aßl ber in gabrifen befcßäftigten Hr* 
beiterinnen ift im Berichtsjahre geraaeßfen, bie 3aßl ber oer* 
ßeiratßeten betrug 26 o/ 0 . Jn 33 Betrieben mürben 3uroiber» 
ßanblungen gegen bie Scßußgefep betreffenb Hrbeüerinnen ermittelt, 
beftraft mürben aber nur 8 Sßerfonen. Jn oielen gabrifen mirb 
meitgeßenbe Bücfficßt barauf genommen, baß oerßeiratpte grauen 
ficß nießt an eine regelmäßige HrbeitSgeit in ber gabrif binben 
fönnen, fie fommen fpäter gur Hrbeit unb oerlaffen fie oor Scßluß. 
Heber bie Bttrfungen ber Bädferei*Berorbnung mirb gefagt: 

„Hacßtßeiligc golgen ... auf bie ©efcßäfts* unb Hrbeitcroerßält* 
niffc, bie ocranlaffeu fönnten, eine Hbänberung ber Berorbnung gu be* 
antragen, finb nießt beobachtet morben. ©ine Hbänberung ber 
Berorbnung in ber 23eife, baß ftatt beS Sßormalarbeitstages eine Hör* 
malarbeitSmocße unter Beibehaltung ber acßtftünbigen täglichen Huße* 
geit eingefübrt mürbe, ober in ber 2Beife, baß längere als gmölfftiinbige 
Hrbeitsfchicßten bei gleichseitiger Berlängerung ber Hußegeit 3 uläffig 
feien, mitt uns nießt als gmeefmäßig erfeßeiuen, ba eine jebe Ber* 
iängernna ber täglidßen HrbeitSgeit oon 12 auf 13 ober felbft auf 
14 Stunoen unguträglicß für bie Olcfuubßcit ber Hrbeiter 
roirfeu unb bie Hbficßt ber Berorbnung in gragc fteEen mürbe/' — 

llnb an anberer Stelle pißt es für Btaing, bie Bäcferei*Berorb* 
nung ßabe ficß meßr unb meßr eingefüßrt; ößnlicß fprießt ficß ber 
Beamte für ©ießen aus. derartige Heußerungen oon ebenfo 
unparteiifeßer mie faeßfunbiger Seite foHten meßr gelten als ein 
$)upnb Petitionen oon Bäcfermeiftern. 

3)er Beamte für 3ßaing begrüßt bie Berfleinerung ber Jn* 
fpeftionSbegirfe, meil bie Hrbeiter babureß meßr unb meßr bie Be* 
amten fennen lernen unb Bertrauen faffen; ber Berfeßr mit ben 
Hrbeitern fei befonberS fruchtbar, er liefere gerabegu eine ßöcßft 
mertßoolle Unterftüßung ber HufficßtStßätigfeit. ^eroorragenbeS 
Jntereffe bieten bie Bemerfungen über bie meiblitße Jnfpeftion. 
^)er SÄainger Beamte berießtet, 

baß bie Hrbeitaeber im HHgemeinen bis jeßt eine entgegenfommenbe 
Stellung gur Hffiftentin eingenommen haben, ©inige Hrbeitgeber haben 
ber Hffiftentin befonbere Gelegenheit gegeben, mit Hrbciierimten gu 
fprecßeit, iubem fte beliebig oon ißr begeicßnetc Hrbeiterinnen aus bem 
HrbeitSraum ßerauSgerufen ßaben unb bort ohne ißre Hnmefenßeit eine 
HuSfpracße ßerbeifüßrten. Hnbere ßaben bie Hffiftentin bireft auf* 
geforbert, mit ißren Hrbeiterinnen im HrbeitSraum gu fpreeßen. SRancße 
Arbeitgeber geigten aHerbiugS beim ©rfeßeinen ber Hffiftentin in ißrem 
Betriebe eine gemiffe Unruhe, unb feßien ißnen ein Hnfprecßen ber Hr* 
beiterinnen nießt angenehm gu fein. 2)aßer mag es aueß fommen, baß 
bie Hrbeiterinnen ftets ben ©inbruef machten, als ob fie es niep roagten, 
über ißre Berßältniffe etmaS angugeben. SBenn aus ißnert etmaS ßerauS» 
gubefontmen mar, fo feßauten fie babei ängftHcß naeß ißrem Hrbeitgeber 
hin. ©S mirb beSßalb noeß eine geit oergeßen, eße bie oerfcßüdßtertc 
Hrbeiterin Bertrauen faßt unb bie Beamtin felbft auffueßt. 

Unb aus bem Begirf SDffenbacß feßreibt ber Beamte: 

SSaS fuß bis gur geit ber Bericperftattung feßfteflen ließ, ift, baß 
fuß meiblicße Beamte beffer als männlicße bagu eignen, bie fittlicße 
Stellung ber Hrbeiterinnen gu ben Hrbeitgebern unb gu ben mit ben 
Hrbeiterinnen gufammen befcßäftigten Hrbeitern, Huffcßem, SBerffiißrcm, 
Betriebsbeamten u. f. ro. gu beobachten, bie Uebermacßung ber Bcftim* 
mungen ber bie mciblicßeu Hrbeiter betreß'enbcu ^ßeile ber Gcmerbe* 
orbnung, namentlich aber bie ber Beftimmungen beS §. 137 Hbf. f» ba* 
felbft, melcßcr oon ber Befcßäftigung ber B3öcßnerinnen ßanbelt, gu 
übernehmen. $ann erfdjeint uod) bie Beobachtung ber fioßu*, B?ob* 
nungs* unb ©rnäßrungSoerßältniffe ber Hrbeiterinnen, fomie ber aus 
ber $abriftßätigfeit ber mciblicßeu gamilieumitglieber entfpringenben 
MuSlicßen Berßältniffe buriß meiblidje Beamte geboten. Um aber 1 biefeu 
groeef gu erreichen, mirb eS nun nicht genügen, ber Hffiftentin oor* 
neßmlicß biejenigen Betriebe, melcße Hrbeiterinnen in erßeblicßer gaßl 
^ befcßäftigen, gugutßeilen; fonbern alle gemerblicßcu Hnlagen, in mekßcu 



959 


Sogtale prajtg. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Sfr. 35. 


960 


Arbeiterinnen im betriebe Befcfjäftigt werben, in beiten alfo bie Ar* 
betterinnen nicht nur gum 3 u rid)ten ber fertigen Waaren für ben Ser* 
fanbt ober gur Steinigung unb ^nftanbbaltnng ber Staunte oerroenbet 
finb ober fonfüge an bie I;äu»Iid)e dhätigfcit ber grauen erinnernbe 
Sefdjäftigungen hoben, foHen oon ber Affiftentin beaufftdjtigt toerbcit. 

®a aud) bie baperifdjen Söeridjte günftige (Erfahrungen über 
bie Xhätigfeit ber weiblichen ©eroerbeauffidjt mittheilen, ift gu 
hoffen, ba& and) anberc Staaten — oor Allem preuften — ben 
gleichen Weg betreten werben. 

Mehrfach wirb in ben heffifchen Berichten Silage über bie 3*** 
ftänbe in ben 3i*9 e fei e n geführt, wo man bie Stinberarbeit in ber 
fchroffiten Weife oorfinbe: „3ebeg Minb, bag aug ber Schute 
fontmt, mu& fofort an bie Arbeit." Unb gwar finb h^r meift bie 
eigenen (Eltern bie wahren Schutbigen. — Xrofc beg günftigen 
©efdjäftggangeg rücft bie Berfürgung ber Arbeitszeit immer weiter 
oor. Sür Den Begirf Waing wirb mitgetheilt, bafj 64 % ber 
3?abrifen, bie Arbeiterinnen befdfjäftigen, eine Arbeitzeit oon 10 
ober weniger Stunben h fl ben, 84 o/ 0 fämmtlicher gabrifen haben 
11 Stunben unb weniger. 

3« bem Bericht für ben Begirf ©iefjen h*i&t eg: „betriebe, 
in benen bie Arbeiter wohtwoUenb unb gut behanbelt werben, 
föitnen ftch au f ifce &nte oerlaffcn unb befifeen in ihnen lang* 
jährige, treue unb brauchbare Mitarbeiter." d)er Beamte warnt 
oor ber atlmäligen Entfernung ber oerheiratheten grau aug ber 
gabrif: Sie werbe baburch nur in bie Heimarbeit gebrängt, wo 
fte beg gefunbheittichen Schuhet entbehre unb fief) bod) nicht um 
bie Minber fümmern fönne; „man müfjte benn gleichseitig mit bem 
Berbot ber grauenarbeit in gabrifen bem Manne einen entfprechenb 
höheren Berbienft garantiren!" — Eine längere alg 12ftünbige 
normale Arbeitszeit auch für erwachfene männliche Arbeiter foUte 
allgemein nicht geftattet fein. 

Wir muffen beg Staumeg wegen abbrechen, obwohl bie Berichte 
noch eine überreiche gülle oon lehrreichen Einblicfen in bie Ar* 
beitersuftänbe bieten. Wenn wir einen Wunfd) augfprechen bürfen, 
fo ift eg ber, bafe bie hauptfädjlichen Ergebniffe aug ben oier Be* 
richten in einer furgen einleitenben llcberfidht sufammengeftellt 
werben, wie bag für bie acht baperifchen gefd)ieht. d>amit würbe 
ein ©efammtbilb oon weit einbringlicherer Wirfung erzielt werben, 
alg eg jefct bie oerftreuten unb oft fich wiebertjolenben Eingel¬ 
mittheilungen gu geben oermögen. 

die ©ctocrbeanfftcht ttt Württemberg war am 26. unb 27. Mai 
Eegenftanb eingehender Berhanblungen in ber Abgeorbnetenfammer 
zu Stuttgart. Bon oerfchiebenen Seiten würbe Berfiärfung ber 
Auftld)t, größere (Gleich artigfeit ber Senate unb namentlid) Ein* 
fchränfung ber gewerblichen Minberarbeit, bie gerabesu bebrobli<h 
anwadjfe, geforbert. der Minifter beg 3nnern erflärte, eg fottten 
Swei neue .fpülfgfräfte ber Qlnfpeftion eingefteHt werben. Wenn bie 
weiblichen Beamten fich bewähren, werbe ihre 3 a f)l oermehrt 
werben, bie fonft in deutfdjlanb mit ihnen gemachten Erfahrungen 
feien günftig. Am beften würben fich bie direftrken oon gewerb* 
liehen Setrieben su Affiftentinnen eignen. der Hauginbuftne müffe 
man allerbingg Aufmerffamfeit guwenben, bürfe aber bag Minb 
nicht mit bem Babe augfehütten. der Minifter oerweift auf bie 
oom Aeiche oeranlafjte Enquete über bie Hauginbuftrie, bte jeben* 
faUg gefcpgcberifche Maßnahmen begweefe. 3^1 Zentrum 
eingebrachte Anträge, oon benen ber eine bie Regierung erfucht, 
gum Schuh ber Minber geeignete Ma&regetn gu treffen, unb ber 
anbere bie Augbehnunq beg Ar beiter fchupeg auf bie Hauginbuftrie 
oerlangt, werben mit (ehr großer Mehrheit angenommen. 


Ärbeiterorrfldjtrung. gparhafltn. 

ProportionaBWahf für bie Allgemeinen Drtgfranfenfaffcn in 
granffnrt a/M. 

Am 14., 15. unb 16. Mai fanben bie Wahlen gu ben Eeneral* 
Serfammlungen ber Allgemeinen Drtgfranfenfaffe in granffurt a/M. 
gum erften Stale nach bem proportional*Wahlft)ftcm ftatt. dagu 
wirb ltng oon bort gefdjrieben: 

Eg mag angegeigt erfcfjotiicn, über bag Serfabren fclbft gunärfjft 
einige Erläuterungen gu geben. Saut f, 47 Der am 23. degember 1897 
oom Scgirfsaussfdniü genehmigten Statuten erfolgt Die Wahl alle Drei 
oaljrc im SJfonat SJtai unter Leitung cinctf oom Ataffenuorftanbe aug 
feiner Witte gu beftcllenDcn Slugfdjuffeg oon minbeftenC’ ierfn* Witgliebcrn. 
Tie W'alil Der Ataffenmitglicber unD Arbeitgeber erfolgt in befonDeren 
Saliltcrminen, gu weldjcu Die s £>al)lbercd)tigten fed)^ ^odjen oorher 


Durch bie amtlichen Slätter eingulaben futb. Eleichgeitig mit ber Ein* 
labung jur SBahl forbert ber SBahlaugfdjufc gur (Einreichung oon 3Sapl* 
oorfdjlagsliften auf, bie ebcnfooicl Stimmen enthalten, alg nach ber 
Sefanntmadjung jeweilig Vertreter unb SteHoertreter gu wählen finb. 
Eine Sorfd)lagglifte bebarf gur Hnerfennung ber Uuterfcfjrift oon 
33 Wahlberechtigten unb muh 21 $age oor bem Wahltcrutin bei bem 
Wal)laug)d)u& eiugereicht fein. $crfoncn, bie tu mehreren giften alg 
Wahlfaubibaten eingegeichuet finb, werben oom Wahlaugidjuh fdjrift* 
lieh befragt, weldjer Öifte fie angehöreu rootfcn; erfolgt innerhalb fünf 
2agen feine Antwort, fo ftnb fte ber guerft eingegangenen 2i[tc gu* 
gurechnen. Eg fleht ben Einreidjern ber Sorfdjlaggliftcn bag Stecht gu, 
innerhalb fünf iagen, nachbent fie oom Wal)lau'gfdiuh über etwa ge- 
ftrid^ene Stanien ihrer Giften ftenntitih erhielten, foldje Öifteu entfprechenb 
gu ergangen. Adjt 2age oor ber Wal)l h at SBahlaugfchufe bic an* 
erfannten Stimntliften in ben amtlichen Sölättern gu oeröffentlid)cn. 2)ie 
Wahlberedjtigten üben ihr Stimmrecht burch geheime Abgabe einer ber 
anerfannten Stimmliften aug. Streichung oon Stauten ift guläfftg; 
Stimmgcttel, bic Aamett aug mehreren Sorfdjlaggliften enthalten, finb 
ungültig. 3 ur Ermittelung ber Erwählten wirb gunächft bie Eefammt* 
galjl ber abgegebenen gültigen Stimmgettel unb bie 3 a bl ^ er au f bie 
eingelneit Siften entfallenen Stimmgettel feftgeftellt. Algbann ift aug 
jeber Stfle berjenige 2l)eil ber Erwählten gu entnehmen, tueldjje ber 3ah( 
ber auf bie eingelne Stifte gefaüeuen Stimmgettel im Serhältnifg gur 
Eefammtgal)! ber abgegebenen Stimmen entfprid)t, unb finb diejenigen 
ewählt, bie auf ihrer lüfte bie entfprechenb meijten Stimmen erhielten; 
ei Stimmengleidjheit entfrfjeibet bie Steihenfolge. 

3m l?aufe ber Wahl fonnte biefen ftatutarifchen Seftimmungen 
burdjweg ohne Schwierigfeit etttfprochen werben unb eg cntwicfelie fidi 
folgenber Hergang: Eg waren bet 41 600 Sftitgliebcnt 142 Vertreter 
unb 47 Steüocrtreter auf Seiten ber Äaffemnitglieber unb 69 Vertreter 
fowte 23 Stelloertretcr auf Setten ber Arbeitgeber gu wählen, der 
Wahlaugfdjuh erliefe rechtzeitig bie Aufforberung oon Wahloorfdjlagg- 
Iiften unb big 22. April waren oon jeber Eruppe — Äiaffcnmitglieber 
wie Arbeitgeber — je gwei Öiften eingereidjt. Sei ben Äaffenmitgliebem 
ging eine ooügählige Öifte (Eruope 1) oont fogial*bcmofratifd)cn Oie* 
werffchaflgfarteß äug unb enthielt 142, begw. 47 Stamm, währenb Die 
anbere öifte (Eruppe 2) oon ben Ehriftlid)*Sogialen gufamtncngrfteflr 
war unb nur 17 Vertreter, begw. gar feine Stelloertretcr auftoieg. Sei 
ben Arbeitgebern beftanb eine ooQgählige öifte (Str. 1) mit Stauten oon 
grofjen unb fletnen Eewerbetreibenben aller Parteien, loäljrenb bte 
weite Öifte (Str. 2) nur 14 Vertreter, begto 7 Stelloertretcr lebrglid) 
ogialbcmofratifdjcr Arbeitgeber nannte. Eine britte Wahloorfchiaggiifte, 
oon ftäbtifchen Arbeitern ftamutenb, würbe erft bret Tage oor ber 5Wapl 
eingereidjt unb fonnte baher Ieiber nicht mehr gugelaffeu werben. 

Slug ben fchlenbeu Spanien ber einzelnen Öiften liefe fich unfehtoer 
erfennen, wie ftarf jebe Eruppe fid) fühlte, unb mit weldjer Wahl* 
betheüigung man aUfeitg rechnete, obfcfeoit eg wahlpolittfchcr unb praf* 
tifefeer gewefen wäre, ooDftänbige Öiften eingureichen, um bag Öntercffe 
an ber Wahl gu erhöhen, der Wal)laugfchuB prüfte bie einzelnen 
Öiften auf SWitgliebfcfjaft unb Wählbarfeit unb eg geigte fich, lütt 
einziger Stame gleidjgeitig auf mehreren Öiften ftanb. Eg folgte bie 
Seröffentlidjung ber oier Öiften nebft ber Sefanntmadjung, bafe ber 
Wahlaugfchub bie Stimmgettel fämmtlicher Eruppcn ben Sntercffentcn 
foftenlog gur Verfügung ftelle. den örtlichen Serhältniffen entfprechenb, 
würbe bie Stabt in oier Wal)lbegirfe für bie Äaffenmitgiieber eingetheilt, 
währenb für Arbeitgeber ein Wahllofal genügte. 

die Wahlbetheiligung war trop lebhafter Agitation feine gro^e; 
fte betrug bet ruttb 30 000 grofejäferigeu Ataffenmitgliebern unb obfdjon 
ein Sonntag unb ein Sftontag für bie Waljl berfelbcn beftimmt war, 
nur 13%, währenb oon etwa 8000 Arbeitgebern nicht mehr wie 3% 
oon ihrem Wahlrede Eebraudj machten. 

Eg erhielten: 

a) bei ben $affenmitgliebern oon 3943 abgegebenen gültigen 
Stimmliften bie 

Eruppe 1 = 3778 Stimmliften = 136 Vertreter unb 45 SteHoertreter, 

*2=165 » = 6 * *2 • ‘ 

l>) bei ben Arbeitgebern oon 228 abgegebenen gültigen Stimm* 
liften bie 

Eruppe 1 =173 Stimmliften = 52 Vertreter unb 17 SteHoertretcr, 

* 2 = 55 * = 17 * * 6 * 

dag ^ählgefchäft oerltef äufjerft glatt, ba oerhältnihmäbig wenig 
Streuungen oorfamen, unb fonnte bag Stcfultat noch am Abcnb beg 
britten Wahltageg enbgültig feftgeftellt werben. 

d)ie praftifche ®nrefefüferbarfcU ein eg einfachen proportional* 
Wahlfpftemg ift nunmehr auch in deutftfjlanb gum erften SKale 
bewiefin; möge bag ©pftem ftch weitere greunbe erwerben! 
Sranffurt a/SJ?. Ph- H cr 3-^ü^- 

iesgffl ber ^raitfettfaffen dentfdjlanbg. 3ut Anfd)lufe an 
ben duberfulofe4tongrefj (oergl. ben befonbereit Slrtifel in biefer 
Stummer Sp. 965) fatib auf Einlabung ber Eentralfommiffion ber 
berliner Mafien ein Mongief) ber Mranfeitfaffen dcutjdjlanbg ftatt, 
ber feine Sebcutuug namentlich in ber Sefunbung ber Eimnüthig* 

! feit ber auf gemeinfame 3ielc gerichteten Üöeftrebungen hnt- Maffen* 



961 


oorftänbc ber uerfcf)iebenftcn Bietungen roaren bcm SRufe gefolgt. 
374 Haffen unb Bereinigungen (öaoon 287 oon auSroärtS), bie 
gufammen nahezu 2 Millionen Btttglieber h ö & e n, roaren burch 
336 ®elegirte oertreten, oon benen allerbingS ein ^^eil ben 
Auftrag hai^/ fi<h ie&er Abftimmung ju enthalten, lieber Qwtd, 
3iel unb DrjjanifationSform ber beuifchen Hranfenfaffeitberoegung 
referirte Dr. Jyriebeberg; fein Antrag, baß bie beutfc^en Hranfen* 
faffen fidj 311 einem lofen, im SSefentlidjen agitatorifc^cu 3wecfen 
bienenben, namentlich für bie Beeiufluffung ber ©efeßgebung fid) 
bereit haltenben Berbanbe oereinigen, fanb nahezu einftimmige An* 
uabme. Die Aufgaben, bie jebe Haffe ober jeber Maffenoerbanb 
feiner Statur nad) fyat, foHen baburd) in feiner Bßeife beeinträchtigt 
toerben. Aus bem Referat beS AJbgeorbneten Bßurm über bie 
Stellung ber Hranfenfaffen jum neuen 3noalibitätj5gcfeö erfc^eint 
uns, neben bem Borfdjlage ber AuSbehnung ber Hranfenunter* 
ftiißung oon 13 auf 26 38od)en, ber 3Serfid)erung$pfIid)t auf bie 
lanb* unb forftroirthfdjaftlichen Arbeiter unb baS ©efinbe, baS 93e* 
beutungSoollfte ber $lait, & ie Hranfenfaffen unb ^noalibenoer* 
ficbcrungSanfialten zur Durchführung ber Arbeiterfd)ußbeftimmungcn 
als £>ülfsbeamte ber ©eroerbeauffid)tsbeamtcn h^ansujiehen. 3 U 
biefem 3wecfe feien Hontroleure zu befteüen. (Sine Hommiffion foll 
hierzu eine Denffchrift an ben Reichstag ausarbeiten. Bei bem Be* 
ferat über bie Befcbjlüffe beS 27. Deutschen AerztetageS (l)r. Qfreuben* 
berg) fam bie freie Aerzteroapl z lir Sprache. §ier jeigten fich in 
ber Distuffion ftarfe üßeinungSoerfchiebenheiten, hoch mürbe 
fchließlid) eine SRefolution angenommen, bie fiep in ber |>auptfachc 
gegen bie gefeßliche ^eftlegung ber freien Aerzteroahl menbet. 
Naturgemäß mürben auch bie ©rgebniffe beS Duberfulofe*HongreffeS 
befprochen, roobei es an bemerfenSmerthen Aeußerungen nicht fehlte. 
Aus Arbeiterfreifen erfolgte ein lebhafter Sßroteft gegen baS Hneipen* 
leben; ein Berliner Arzt empfahl in ben größeren Stabten für bie 
H raufen, bie in ben Anftalten feine Aufnahme fiuben fönnen, ($r* 
holungSbaracfen zu errichten; $rau Neimcr gab ftatiftifche Nachroeife 
über bie £ungenfchminbfud)t als BerufSfranfpeit ber Schneiber 2 c. 
Abgefeßt mürben oon ber DageSorbnung bie Referate über bie 
Stellung ber Hranfenfaffen jur UnfaHoerficherung unb über bie 
(Sentralifation ber Hranfenfaffen. Der Berlauf beS HongreffeS hat 
ermiefen, baß auf bem neutralen ©ebiete ber Arbeiterfiirforge ein 
3 ufammeuarbeiten oon Btänuern ber oerfchiebenften polüifdjen 
Bicf)tungen möglich ift; ber Umftanb, böß bie Beranftaltung fidjtlid) 
unter fozialbemofratifdjer Rührung ftanb, hat bie bürgerlichen 
Greife nicht oon ber SJtitarbeit abgehalten, mie ja auch auberer* 
feits bie So^ialbemofraten oon bem Duberfulofefongreß nicht fern* 
blieben, bem ihre Bertreter unb ihre B re ff c bie lebhaftefte Dheil* 
nähme jugemenbet haben. 

Die Arbeiterfranfemjerfichermtg in Ceftemidjt. Das öftcrreichiicbc 
BUuifierium bes Eimern oeröffentlicht ben oorläufigen Bericht über bie 
hauptfächlidjftcn (S-rgebniffe ber Hranfenoerficherung im ^afjre 1897. 
Berftdiert roaren burchßhnittltd) 2 285 233 (2 1K8 01U in 1896) ^erfonen 
bei 2927 (2921)*) Waffen. Die loirfliche 3al)l ber Berftcherten belief 
fid) auf 2 060 099 am 1. Januar, 2 421 310 am 1. Juli nnb 2 148071 
am 1. Dezember 1897. Die gefammten (Siimahmcn ber Hranfenfaffen 
betrugen 20 265 »44 fl., mouon 18 932 879 fl. burd) bie laufenben Bei* 
träge ber Arbeiter unb Unternehmer — erftere mit einem Drittel, 
leßterc mit jmei Drittel — anfgebradit mürben. Die Ausgaben bc* 
trugen 19 007 831 fl., mooon 16 745 507 fl. (15 252 194 fl.) auf bie 
£eiftungen ber Haffen für ihre BJitglieber in (SrfranfungS* unb Sterbe* 
fällen entfielen. Das Berichtsjahr mar bas bisher ungiinftigfte für bie 
.(tränfenfaffen, ba bie prozentuale NeferoefonbSbotirimg nicht unerheblich 
— mit 6,64 % ( 9 , 88 %) — hinter früheren fahren zurnrfblciben mußte. 
Aftio finb bloß 2018 .Haffen (2215), roährenb 909 Haffen (706) mit 
Defizit abjchloffen. Bon ben burcbfchnittlich 2 285 233 (2 188 010) 9KU* 
gliebern erfranften 888 647 (813 078) ^erfonen in 1 111 369 (1000 651) 
iSrfranfungSfäHen mit zufammen 18 736 400 (17 026 157) Hranfentagen. 
Dazu fommen noch 46 999 (45 558) ISntbinbungen mit 1 278 980 
(1 234 465) Hranfentagen. Die ^aT)l ber auf ein männlid)cS Btitglieb 
im $ahre 1897 burch jdjnittlirf) entfallenbeit Hranfentagc beträgt 8,is 
( 7 , 80 ) unb — bei oorläufiger Außeracbtlaffung ber ISntbiubungcu — 
bie 3ahl ber auf ein rociblidjeS Btitglieb bnrchfdjuittlich cntfallcuben 
Hranfentage 8,25 (7,-2), loetchc fid) bei ISiurcchnung ber iSntbiubungeu 
auf 10,75 (10,24) erhöht. — Die burchfcbnittlidjcn Höften eines Hraufen* 
tage* fteUten fich mie im Borjahre auf 81 Hreuzer, roooon 50 Hreuzer 
auf Hranfengelb, 15 Hreuzer auf ärztlid)c ^iilfe, 11 Hreuzer auf 
Btebifamente unb 5 Hreuzer auf SpitalSfoftcn entfielen. 

Die ^auptergebniffe ber öflerretdjtfibeii ttnfattflmtifilf fnr bie ^apre 

1890-1896. ?lus 5Bieu mirb uns gefebrieben: DnS öfterreidjifchc 
Unfatlüerfidferungsgcieb uom 28. Dezember 1887 fdjretbt im $. 14 bie 
in fünfjährigen Berioben erfolgcnbe Bcuifion ber Wefabrenflaffen*(5in* 
tbeilung ber oerfidjertcu Bcti’iebc uor. Da bas Unfalloerficheruugs* 

;: ) Die cingcflammertcn ^ifjcru Deziel)eu fid) auf ba* ^ahr 1896. 


' 962 


gefep mit bem 1. 9?ooember 1^89 burchfteführt morben ift, fo mirb bie 
Zroeite OlefabrenflafftfifationSpeHobe mif 31. Dezember 1899 ablaufen. 
Die ftatiftifd) feftgebalteneii (Svfabntngen bilbett bie (tfrunblage für bie 
©efabrcnflaffifitation ber einzelnen Betriebstitel. Diefe ftatiftifchen (Sr* 
fahrungen betreffen bie ^äufigfeit nnb Sthmcre ber Unfälle bezm. bie 
burch fie bebingte (Sntfd)äbigungsbclaftung unb bas ^rozentoerbältniß, 
in bem bie Beladung gur Summe ber in ben bezüglichen Betrieben 
ausbezablten ^Irbeitsuerbienfte ftel)t. 

Die territorialen ^IvbeUn^UnfallociftchcrungSanftnltcn h^bcu alv 
bie zur Durd)fiibrung beS UnfalloerfichcrungSgciepeS in Dcfterreid) bc* 
rufeneu Organe alljährlich eine betaillirte Stcitiftif in (STfiUluna ihrer 
gcfeplid)cu Berpflichtung cnisgcarbcitet nnb bcm Btinifterium bcS Innern 
öorgelegi. Da jeboch in bem JJeitpunfte, 01 meldjem bie 3uhresftatifiif 
aufgeftellt mirb, bic UnfaDsbelnftung nod) nicht genau bcfannt.ift, tu* 
bem noch nicht mit Sicherheit angegeben merben fann, ob bie Unfälle 
eine bauembe Belaftuug unb meldje fie zur ^olge haben merben, fo 
finb bie jal)reSftatifti)d)en (Srgebuiffe betreffs ber UufaüSbelaftung nidjt 
Zuoerläffig. Demnach burftc nicht cinfad) bie Summe ber jaljres* 
ftatiftifchen (SutfdjäbiguugSbelaftungeu als Olruublagc für bie Beuifiou 
ber Wefahrentlajfeneiiitbcilung augeuomnteu merben, uielmebr mar bie 
bebeutenbe "?lrbeitsbelafmng unoermeiblid), meld)e mit ber 9tcnauf= 
fteUung ber Statiftif für Sie ^ahre 1Ö90—1896 unter $mimeglaffuug 
bcS Iepten, alfo mie oben bargethau unftd)eren Jahres 1897, uer* 
bunben mar. 

Diefe neue Statiftif erforberte bie Arbeit eines SabreS zu ihrer 
^ertigfteflung, tropbem fie auf bie zur ©efahrenflaffcurcoi[iou unbebiugt 
erforberlidjen Daten befchrauft morben -mar, nämlid) auf bic betriebs* 
titelmeife (Srmittelung ber 3al)l ber Betriebe, ber Bollarbeitcr, b. i. bel¬ 
auf 300 Arbeitstage rebn^rten Arbeiterzabh her 3abl ber Betriebs* 
Unfälle, melcbc eine oorübergebenbe (SrmerbSunfäbigfeit oon meniger 
als oier Wochen (alfo megen ber in gleidjcr Dauer feftgefeplen Harenz : 
Zeit feine Belaftuug ber Berfichcrungsauftalteu) nad) fich ^ogen, bann 
ber Betriebsunfälle, bie eine morübcrgcbcnbc (SrmerbSuufdbigfeit non 
mehr als oier 2Sod)eit, eine baücrnbe (gänzlidie ober Ibeilmeife) iSr* 
merbsunfäl)igfeit ober ben Dob beS Berlepteu zur Aolge batten. 
Außerbem mürbe bie Sobrrfummc, ber Berficberungsbeitrag nnb bie 
Unfallbelaftung unb jmar abfolut nnb in Prozenten ber äohnfuimne 
ermittelt. Auch mürben bie beroorftedieubften UnfaUsurfadjeu betreffs ber 
fchmeren, alfo oon Daueriuoalibität ober bem lobe begleiteten Unfälle 
oon mehreren Anftalteu angegeben, moburd) ein menn aud) oorläufig 
nur fpärliches Bt'atfrial für bic 3mccfc ber Uujaflocrhütuug bcigcftellt 
mürbe, bas aber auch für bie ©cfahreuflafßfifatiou oon Bebeufuug fein 
mirb, ba aus biefeu Daten möglidiermeife Borfd)riften für bic Be-- 
urtl)ciluug ber Bctriebsgefabrcu merben abgeleitet merben fönnen. 

Die ftatiftifchen £muptcrgebuiß'e finb bic folgenben: (Ss mavni 
auf ein 3«br rebuzirt 6 741 849 Bollarbeitcr oerfichert, meldje in ben 
fahren 1890—1896 im ganzen 232 057 Unfälle erlitten, unb zwar 
153 428 Unfälle mit oorübergebenber (S:rmerbSunfähigfeit oon meniger 
als oier Söochcu, 49 189 Unfälle mit nadjfolgenber oorübergebenber 
cSrmcrbsunfäbigfeit oon mehl' als oier B>od)cn, 24 762 Unfälle mit 
undjfolgcubcr bauernber gänzlicher ober theilmcifer (Srmerhsimfähigfeit 
unb 4678 töbtlidje Uufälie. 

Der Beftanb bcS HapHalbccfungSptinzips hat zur ?volge, baß bic 
Unfälle mit bauernber (SrmcrbSunfähigfeit unb naih biefeu bic lobe** 
fäöc megen ber burch fie oerurfadjten Beuten an bic Hinterbliebenen 
ben 4pauptantf)eil au ber Belaftung haben. Die Wcfammtbelaftung ber 
Bcrfidjeruugsanftalten aus allen Unfällen betrug 34 464010 ftt., meld/cr ein 
(^efammtbeitrag oon 31 696 791 gl. gegouiiberftaub, mobei jebod) z» be* 
merfen ift, baß aus biefem Beitrage aud) bic im Durdifdjuittc aller 
Anftalteu bisher 0,i7°,o ber öohnfumme betragcubcit BermaltuugsauS* 
gaben ber Bcrridjeningsfumme gu tragen finb unb außerbem eine 
Dotirung ber Superrcferoe erfolgen füll. Die Olefammtlohnjumme b<*= 
trug 2 214 121 160 31. 

Drganifattott ber gemerbl )en Unfattoei fidjcrung in 
J^ranfrcich mirb uns aus gefebrieben: 3 n Solge B^rla* 

mentSbefcbluffeS mirb ber AuSführunqStermin beS ©efepes ootit 
9. April 1898, feiner 3 C ^ - öoit ber Begierung auf 1 . 3uni feft* 
gelegt, nun bod) noch um einen Blonat, auf 1. Sali 1899, oer* 
fdjoben. 3» beiben Iegislatioen Hörperfdiaflen maren mit Beginn 
ber Sommerfeffion neben ben AÖänberungSoorfcblägcn auch mehrere 
BertagungSanträge eingebradht morben, um cincrfeits bie Berbeffc* 
rungeit bcS ©efeptS in Stube oontefjnteri ju fönnen, nnb um anbei* 
feits ben Unternehmern 3cit Sn laffen, alle Borfefjrnngen zn treffen, 
bie baS Snfrafttreten bes ©efepcS nolljmenbig madjt. B?enn and) 
baS Bedangen einer halbjährigen Bcrfdjiebnng runbmeg abgeldjnt 
mürbe, fo fonnte man fiep Zülcpj ben ßrroägnngen bod) nicht oer* 
fdjUeßcn, baß bie fpäte Beröffentlichung ber AnSfiifjrnngSbefrete 
ben ©efchäftsitihabern in ber Dhat feßr menig 3 cit ließ, unter ben 
oerfdjiebenen BerficherungSinftitnten, bic ihnen 3111 * Beringung 
ftehen, bie iljren BetriebSoerhältniffen zmecfbienlidptcn auszumählen. 
Diefe Bi'ahl erfdjien um fo fdjroercr, als bis ^eulc nod) feines ber 
Snflitute in ber Sage mar, abfolut flarc Bebiuguugcn zu firiren. 
Die autonomen BerfidjerungSgefellfdjaften haben iljre Dartfe bem 
oergrößerten Bififo beS neuen ©efepcS noch nidjt angepaßt. (*s 
I bebarf fogar erft ridjtedicher (Sntfdjeibung, ob nnb mie meit bie 


Soziale ^rayis. dcntralblatt für Sojialpolitif. Br. 3, 



©ogiale ^ragiS. Gentralblatt für ©ogialpolifif. Rr. 3.">. 


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9(i8 


bigherigen Serficherunggoerträge burd) bag neue ©efefc annuttirt 
werben. SBag bie für bie Heineren ©eroerbetreibenben beftimntten 
folibarifc^ baftenben ©arantieoerbänbe betrifft, fo fehlen nod) faft 
alle ©efidjtepunfte für ihre Drganifation, ba bie SSerroaltungg* 
bebörbe oerfäumte, SRufterftatuten augguarbeiten. SSo bie SSer* 
bänbe cntfteben, bebürfen fie gubem noch ber abminiftratioen 
©tatutengenehmigung, bie big jejjt feinem einzigen ertbeilt werben 
fonnte. Um ber Verlegenheit ber Unternehmer abgubelfen, hatte 
ficb bie Regierung entfdjloffen, bie freie ftaatlidje Unfattrentenfaffe 
für bie 3 T °ecfe ber Uttfattoerficherung oerwenbbar gu machen. Rach 
bent gelteitbeit Reglement oerfid)ert biefe .taffe blofj gegen fi$e 
Prämien non 3, 5 imb 8 3rcg., benen eine ©taatgfuboen'tion gu* 
gefügt wirb. Rur burcb ein ©pegialgefefc fonnte ihr £hätigfcitg* 
bereich auf bag erweiterte Rififo auggebebnt werben, welcbeg ben 
Unternehmern burcb bie neue llnfattoerficherung erwäcbft, wogu 
aufjetbem neue Vrämientarife nöthig waren. $>ie ^eputirten* 
fammer hat bte Regierunggoorlage angenommen unb bie Tarife 
füllen bemnacbft neröffentlidjt werben. $ie prpfüfcben Schwierig* 
feiten hoben alfo bod) bie Rothwenbigfeit ergeugt, eine ©taatg* 
oerficberung gu organifiren, unb eg wirb augfchlieftlich non ber 
£>öhe ber $rämientarife abhangen, ob biefe ©taatganftatt nicht alle 
autonomen Verfid)erunggorganifationen oernicbtet. ^ie einmonat* 
liebe Verfchiebung beg Augführunggtermineg ber llnfattoerficherung 
wirb übrigeng feine Rad)theile für bie Slrbeiterfcbaft bringen. 

$ag Sranfett» unb UufaÜbcrftdjeningggcfch in ber ©d)ttetg. 

Rad) langen Verhanblungen hot ber Vuttbegrath in ber Vunbeg* 
uerfammlung ben Antrag geftellt, bie Veratljuug beg ©efefceg über 
Mranfen* unb UufallDerficherung mit Vefdjleunigung gn beenben 
unter Aufnahme ber Veftimmung, bafe bag ©efefc erft nach Sicherung 
ber finangietten ^Mittel in traft treten foll. 3ur Sinangirung ift 
eine befonbere Sinangquette in Angfidjt gu nehmen; alg foldje 
feblägt ber Vunbegrath ein Sabafmonopol auf folgenber ©runb* 
läge oor. 

1 . £ie Einführung bes labafmonopolg barf bic Qualität ber für 
beit (Mrofuheil nuferer Vcoölferimg beftimmten Sabafc unb Eigarrcu 
weber oerfdjledjtern nod; bereu VreiS oerteuern. 2. $en ©erhältniffen 
ber bei ber labafinbuftrie befdjäftigfen Arbeiter ift burcb beit Leiter* 
betrieb ber gegenwärtigen gabrifen in ©taatgregie weitgebenbfte 
Rcdwung gu tragen. 8. Xer ftortbeftanb ber oorbanbenen Iabaf= 
fulturen foll burd) Einführung bes SWonopolg nidjt in ftrage geftdlt 
werben. 4. Aus bem Reinerträge beg Sabafntonopolg foüeu ben 
tantonen nad) SMaftgabe ihrer Veuolferuitg 25°/o gugefchteben werben 
mit ber |Vcrpflid)timg, bie begüglichen Cuoten für bte Hebung beg 
i>olfgfd)ulwefeng gu oerwenben. 

Am 5. Suli traten bie eibgenöffifchen Räthe gu einer aufter* 
orbentlicben ©effion gufammen. 

Verfidjentug gegen KrbeiMloftgfeit in flnterifa. Slug ©an 
Srancigco wirb gemelbet, bafj bort falifornifebe tapitaliften eine 
^Berficherungggefenfcbaft gegrünbet hoben, welche bie Gntfdjäbigung 
für Vohnocrlufte in Jolge unocrmeiblicher Vefchäftigungglofigfcit 
übernimmt. 3)ie Vcrfid)crunggpolice garantirt bent ©tettettlofen 
auf einen gewiffen 3 e itnium, j c nad) ber £>öf)e ber bezahlten 
'Prämie, ober auch big gur Erlangung neuer Vefd)äftigung, 
bie Sluggahlung oon % feineg früheren Verbienfteg. ffeenn ber 
Verficherte bei probeweifer Uebernahme einer neuen ©teile einen 
geringeren Vohn begie()t, beeft bie Verfichcrungggcfettfd)aft ben j 
Ausfall. 


Xot|lfo^ct9eiitttit)tiiiigen. 

£>. Srcefeg Schrift „SaBrifantenglütf". £er befannte Sabri* 
faut £>. 5^reefe*S3erlin hot unlängft eine ©ebrift*) h era oggegeben, 
bie ben iitcl führt „Sabrifantettglücf! Gin SBeg, ber bagu führen 
fami." £er Verfaffer hot fchon 1896 „gfobrifantenforgen" oer* 
öffeutlicbt, worin er u. Sl. fehr erfreuliche Erfahrungen in ^Betreff 
beg in feinen 3-abrifen eingeführten ad)tftünbigen Sfrbeitgtageg i 
näher barlegt, ©eine neuefte ©dirift „^vabrifantcngliicf" befdjäftigt ! 
iid) augfd)lief3lich mit ber Eiewinnbetheiligung. Gr nennt fie bag 
„mirffamfte s Diittel gur S>erföhnuug gwifdjcn Slrbeitgeber unb | 
Vlrbciier unb eilig ber wirffainfteu gur .^ebung ber Vage ber | 
arbeitenben tlaffen" unb behauptet, „bafg eg fein Öohnftiftem giebt, 
bag eine gered)tcrc unb roiffenfdjaftlidjere EJruublage hot". j 

(liegen ben Giumanb, bag nur ber lluternehmer einen geredjten | 
Slnfprud) auf ben (Gewinn habe, bemerft Tvreefe, „bajj bie meiften | 
Vlftionäre fapitaliftifd)er (Gefellfdjaften bod) aud) mit ber Veituug j 

I Ei)ciiadi, Verlag uou "))l. '^ilcfcug. ^vrig M. j 


garniefttg gu thun hoben, trobbem aber ihre ^Dioibenben einftreichen. 
Rtan follte meinen, baft fo gut wie bie Slftionäre, auch bie 
gefteüten einen Slnfprucb auf einen gewiffen Sfntheil nom ?Rein* 
ertrage hoben füllten." 2)em Ginwanb, bafj eine Slntheilnahmc 
am (Gewinn nur guläffig fei, wenn bie Slngeftellten auch am 33er= 
luft theilnehmen, holt er entgegen: „Slucb bte $)ireftoren oon Slftien« 
gefeüfchaften begießen hohe Tantiemen oom ©ewinn. Gg ift aber 
noch nicmalg« Qemanbem eingefallen, fie and) gunt Serluft 
gugieheu. Söo bie Arbeiter aug ihren ©ewinnantheilen Slftien ober 
©efdjäftgantheile beg llnternehmeng enoerben, ftnb fie überall in 
gleicher Söeife wie ^ireftoren ober Sluffidjtgräthe, bie gleichzeitig 
Slftionäre finb, bem ^erlufte auggefefct." 

„5aft alle Unternehmer, fagtjrcefe, beflagcn fid) bariiber, bah bie 
®2ehrgahl ihrer Arbeiter bie ihnen übertragenen Dbliegenheiten nur mit 
geringer Sorgfalt unb öuft augführen unb ficDen bag geringe Siitcrfffc 
ihrer Veute bem oon ihnen felbft entmidelten Gifer gegenüber, ©ie 
überfeheit babei Iciber, wag biefe grofje Hcrfdjicbcnheit in ber 2trbcito= 
Ieiftung heruorruft. 2Bic tann ber Arbeitgeber ucrlangcn, bafj bei* Sn-- 
geftellte mit bem gleichen Gifer bic ©efrfiaftgintereffen wahrnimmt wie 
er, ba er für fid) felbft, bic AngefteHten aber für einen Anbern arbeiten 
ntüffni? icr i^ergidit beg Unteruehmerg auf einen befebeibenen 5hcil 
beg Reingewimtg erhebt ben AngefteUten oon ber einfadien ©tufe beg 
Entlohnten gu ber höhnen beg SKttnrbeitcrg unb ^etheiligten, uou 
bem ber Unternehmer anbere Veiftungen beanfprueben faitn unb er» 
retdjen wirb." 

$>ag Slutbeilfpftem foll iwifcbeu Unternehmern unb Arbeitern 
bag einigenbe Banb bilben, bag oem heutigen Öobnft)ftem, wie ber 
Anblicf lehrt, fehlt: 

„£ie Arbeiter ftnb, wie ber Unternehmer, benfenbe unb fithlenbe 
^ctcit, bie bie Arbeit ihrer £>änbe alg ihr ehtgigeg werbenbeg Kapital 
bent Unternehmer gur Mitarbeit aubieteu, um Arbettglciftuugen aug.ju» 
führen, bie er allein nidjt übernehmen fanti. ^)aB biefe 3)iaffe arbeite* 
williger £>äitbe bem Untcniehmerthum heute feinblid) gegeniiberffeln, 
anftatt an feinem Erfolge mit Hopf unb .fianb thcilgimehmen. ift bag 
einbringlidjfte Reichen bafür, bah in bent heutigen Vohufnitem nid)! 
aüeg jo ift, wie eg fein follte. Xie '©ctheiligung aut Unternehmer» 
gewinn fattn hier ^elfcnb eintreten. Rid)t alg eine einfache Vohngulage 
ober gar alg eitt Almofen, fonbern alg ein tteueg Vohnfnftetn, bag bte 
oorhanbetien ©egettiäfce überbrüdt unb alle 23etf)eiligten eineg Unter» 
nchmettg gu einer Familie oereinigt." 

3>er Serfaffer hat bie ©ewinubetheiligung 188-8 für feine Beamten 
an ©teile ber früheren Söeihnachtggratififationeu eingeführt unb 
mit einem Anteil oon 2% beg Reingeminng begonnen, ©either 
ift ber Antheil feiner Beamten auf .5% unb ber ber Arbeiter auf 
772% erhöht worben, fobafe gegenwärtig 1272 % gur SScrtheilung 
fomtiten. S)ie Slrbeiter erhalten % ihrer Slutheiie baar, bag le^te 
drittel fließt in eine oon ihnen oerwaltete Unterftüfcunggfaffe, bic 
bag Gigenthum ber Arbeiterfchaft ift. ^ie Anteile ber ^Beamten 
fchwanftett in ben Sahren 1888—1898 gwifchen 3% unb 24^4 °, 0 , 
bte ber Arbeiter gwifchen 0,43% unb 7 , 33 % ihrer fefteu ©.ehalte 
unb Vöhne. Qtt ber 3eit oon 1888—1898 flieg bie 3)urchfchnittg» 
gahl ber AngefteUten oon 114 auf 255 unb ber Utnfafe oon 
422 371,69 dt auf 1 127 076 f (C. 2)ag ift eine Steigerung beg 
Umfafeeg um 167 %, währenb tu bem gleichen 3eürautn ber ©e» 
fd)äftggeminn um 268% ftieg, unb gmar nach Abgug berAntheile 
ber ^Beamten unb Slrbeiter. „3ch h^be alfo" — fo bemerft ber 
SSerfaffer — „feine S3eraulaffung, mit ben Grgebniffett ungufrteben 
gu fein." 

$ertfbtißmtg. Qn bem Söecicht über bte ^onfereng ber Gcittral* 
fteUe für 2Sohlfahrtgeinrid)tungen in Stuttgart (oergl. ©p. 931) ift 
mitgetheilt, ba& £>err ©eh- £ber*Regierunggrath Dr. $oft [ich bei 
ber 33erathung über bie ©äualinggfürforgc für bie görberung ber 
.V>auginbu}trie auggefprochett habe. s Bie mtg gefd)riebett mtrb, be* 
ruht bieg auf einem 3rrthum ber ^Berichterftattung. §err^oft gab 
in ber Debatte feiner Auffaffung Slugbrucf, ba6 bie Grippe beg* 
halb, weil fie ber Arbeiterin bic äßöglidjfeit gewähre, ihrem 5kr* 
btenfie in ber ??abrtf nadjgugehen, in manchen ÖdUen eitt noth s 
wenbigeg Ucbel fei, bag bigweilett nicht gu oertneiben fei. ©runb* 
fab follte cg aber fein, nicht jebeg Siitb aufgunehmen, beffen Butter 
barunt nad)fud)t, fonbern genau gu prüfen, ob wirflid) bag 
briugenbe S -Bebnrfitiö oorlicge: „3n manchen Sötten fonnte ein 
Slugweg baritt gefunben werben, bafe man ber Butter burch §aug* 
nrbeit einen Skrbicnft oerfchafft, ber eg ihr ermöglicht, bte pflege 
iljrcg .Stinbeg felbft gu übernehmen." $err s ßoft hat alfo garuidjt 
oon ber .ymuginbujtrie im gewöhnlidjen Sinne beg SSorteg ge* 
fprod)cit, fonbern nur oon eittgelnen Sötten oorübergehettber ^)aug* 
arbeit, um ber Butter bie pflege il)reg £inbeg gu ermöglichen. 
N fi?ie ung $err $oft itberbieg fdjreibt, ift er ein entfd)iebener ©egiter 
ber .sSaii^inbuftrie. 




966 


965 


Soziale $ra£is. Gentrnlblntt für Sogialpolitif. Rr. 35. 


Sojtalc IJqgient. 

taBerfubf^feiigrrf in ©erlin. 

Vom 24. Bis 27. Rfai tagte im Reid)StagShaufe unter bem 
Vroteftorate her Kaiferin unb bem ©hrenoorfip beS ReidjSfanglerS 
dürften Hohenlohe ber Äongrefe gur Vefätnpfung ber XuBerfulofe, 
beffen äufeerer ©lang feiner inneren Vebeutung entfprad). Staats* 
fefretär ©raf o. ^ofaboroSfp, ber Vorfipeube beS ©entralfomiteeS 
, 5 «r ©rrid^tung oon ^eilftätten für Luitgenfranfe, eröffnetc ben 
Äongrefe im Ramen beS ReichSfaitglerS, bie Vorftpenben beS 
DrganifationSfomiteeS, £>ergog. o. Ratibor unb $rof. o. Lepben, 
leiteten bie Verhanblungen, ©ep. Kommergietirath o. RJenbelsfohn* 
Vartljolbp mar Schapmeifter unb Stabsarzt Dr. $annroip ©eneral* 
fefretär. X)ie beutfefeen unb bie auSlänbifdjen Regierungen haben 
ABgeorbnete entfanbt, eBenfo Sßrooingial* unb ©enteinbeBehörben, 
Unioerfitäten, Aergtefammern unb *oereine, Väber, VerufSgenoffen* 
fdjaften, Kranfenfaffeu, VerfithernngSanftalten, Teilftätten*Vereine 
unb fonftige gemeinnützige Korporationen. Xie 3al)l oon attbert* 
BalBtaufenb SE:^eiIne^mern ift an ftd) ftpon ein VeroeiS, mie meite 
Kreife bie Veroegung gur Vefätnpfung ber XuBerfulofe, biefer 
furdjtbarften VolfSfeiicpe, gezogen Bot. 

3für Xeutfcplanb allein Bot man bie 3ahl ber Lungenfranfen 
auf meBr benn eine Rüdion Beregnet, mouon jäBrlid) etma ber 
achte Bis neunte XBeil fierBeit, für granfreich mürbe bie gleiche 
3iffer oon $rof. Vrouarbel ßßariS) Beregnet. XaS Blüfjenbe Filter 
ift bie Befte ©rntegeit ber ßnngeitfchroinbfucht. Saft bie^älfte aller 
20 Bis 24jÜBrigen männlicBen (47,7 %) unb meBr benn ein drittel 
ber roeiBlicpen Snoalibenrentner (36, 8 %) finb ihre Opfer, unb bie 
3aBogänge 25 Bis 29 fteHen immer noch 45 unb 30,7%, baS 
Alter oon 65 Bis 69 3aBren nur 2,> unb i, 2 %. 3e tiefer baS 
fogiale Rioeau, je geringer bie ©iberftanbsfähigfeit. 3« Hamburg 
entfielen itacB ber RJittljeilung ber £>anfeatifcBen Verfid)erungS- 
anftalt (X)ireftor ©eBharbt*£übecf) 

2uberf.*3älle 

auf 1000 3teucr.ia^Ici* mit einem oMufoinnien über 3500 M 1 

* 1000 - * »non 2000-35CR) * 2 

* 1000 * = = 1200 2000 «= 2»/, 

= 10CM) * = = * ' 900 1200 * 4 

Sei ©infommeu unter 900 ,V/ mirb feine Steuer erBoBen; 
Bei biefer Stufe fmb minbeftenS fünf Sülle au XuBerfulofe angu® 
iteBmen. Stuf 10 000 Steuerzahler mit einem ©infommen üoer 
2000 , // fommen 15, auf biefelBe 3af)l mit einem ©infontmen 
unter 2000 JL 40 XobeSfäde an XuBerfulofe. 

©rünbe für biefe ©rfcheinung mürben nicht menige angeführt. 
ABgefefjen non ber Rechteren ©rnährung unb bem geringeren 
Sinn für bie Verhütung ber Aitftecfung, bie ifolirenbe Seljanblung 
unb Wartung ber Kranfen mürben in erfter Linie bie fc^fedjten 
©ohnungS* unb ArBeitSraum*Verhältniffe angefchulbigt. Statt 
20 cbm Luft im ©ohnrautn unb 10 cbm Luft im Schlafraum 
fommen oft nur 3—4 cbm Luftraum auf bie $erfon. ©efieigert 
mirb bieS ©lenb burch ben Rfaitgel an Lid)t unb ©afferleüung unb 
bie Veitupung folc^er Räume gleidj^eitig gu geroerhlichen 3mecfeu, 
burch bie TeimarBeit (Vrof. RuBeiter*Verlin). XaS ungeniigenbe 
Äranfengelb, bie mangetnbe Sid)erftedung ber t?amilic beS Sir* 
BeiterS roährenb ber Vehanblung oerhinbert ben rechtzeitigen Vegiitn 
ber Kur. ©irb biefe aber rechtzeitig Begonnen, fo ift bie ©e* 
nefuttg möglich, baS ift bie UeBergeugung, bie bie Vorträge ber 
mebiginifchen <vacBgeIehrten ^inlerlaffen. ©erben Bei ben fchmereren 
SäHen auch Riebifamente für nöthig Befunben, fo ift bie Bngieitifd)* 
biätetifdje Sehanblung in Befonberen Slnftalten unter richtiger 
Serroenbung ber #uft, beS Siebtes, beS ©afferS unb ber ©pmnaftif 
ber Sruft* unb ÄörpermuSfulatur baS attfeitig anerfannte erfolg® 
reiche Serfahren. e erfte Befonbere ^eitftätte für Sungeitfranfc 
ift groar in ©rtglanb fchon 1814 im Royal Hospital for Diseases 
of the Chest Begrünbet, unb ähnliche 2$erfud)e finb in allen fulti* 
oirten Staaten unternommen; aüein eine gielBemufete ftetig 
roachfenbe „fjeilftättenBemegung" Befteht erft feit gehn Sahnen unb 
Bat ihren Urfprung in ^eutfchlanb, mo S9rehmer bie £>eilBarfeit 
ber XuBerfulofe ermies, roo ihre (frfenntnife burd) Robert Kochs 
CSutbecfung beS XuberfelBagiüuS einen SSorfprung oor anberen 


^änbem gemann unb roo enblith bie SogiatgefefegeBung bie|>anb* 
habe Bietet, bie reichen Rtittel ber SerficherungSanftalten im Snter® 
effe ihrer 2krfi<herten nach bem Vorgehen beS XireftorS ©eBBarbt® 
SüBecf ber $eilftättenBeroegung bienftbar gu machen. 

Rur bem 3ufammenroirfen oon Staat, 55erficherungSanftaltcn 
unb prioater ©ohlthätigfeit mirb bie ©efriebigung beS Sebürf® 
niffeS gelingen; bie Äranfenfaffen reichen gur Öofung biefer Sluf® 
gäbe nicht aus. S)eitn etma 50 000 ^erfonen jährlich Bebürfen 
ber Aufnahme in folche §eilftätten, für bie Bei einer burchfchnitt* 
liehen §eilbauer oon 6 ©onaten 25 000 Söetten erforberlich finb, 
bie eine einmalige Ausgabe oon 100 RüHionen ©arf unb Bei 
4 c 4L täglichen Äoften beS Äranfen eine bauernbe Ausgabe oon 
jährlich 37 Millionen Rfarf erheifchen (ßanbeSrath ©eper). ©egen® 
roärtig fmb aber in X>eutfd)lanb erft 21 $>eilanftalten mit 
1486 Setten; eine Reihe roeiterer ift allerbingS im 93au Begriffen. 
X)er §>anbroerfer® unb ärmere Rlittelftanb ift oon bereu Senufeung 
leiber Bis jefet faft gang auSgefchloffen (§err §othe*9Rünchen). 

23ei biefern llmfang beS SebiirfniffeS uiufe ber Vorbeugung 
beS RuSbrucheS ber Äranfheit baS .s^auptgeroicht Beigemeffen roerben. 
X»ie RahrungSmittel (Rülch, Rinb®, Schroeinefleifd), ©eflügel) müffen 
burch e ^ nc 9 u t e ftaatliche (^efunbBeitSgefe(jgeBnng (R. Virchoro) 
Übermacht, bie ©Befchliefeung oon Xuberfulöfen unb bereu ©efaBren 
burch öffentli^e unb prioate Velehruug (Ri. Kirchner®Verlin) oer® 
rinaert ober oerhinbert roerben, bie Kinber oor ber Slnftecfung Be* 
roahrt unb erfranfte burch Minberheilftätten, Seehofpige u. f. m. 
auSaeheilt roerben (§eubner unb Salomon*Verlirt). 3m Qrofeen 
RiafeftaBe aber fann bie Schroinbfuäjt nur burch eine gielBemufete, 
planmäfeige Sogialpolitif befämpft roerben. ©ute ©ohnungS* 
gefefee unb Vauorbuungen, Slenberung ber gegenmärtigen, auf 
fchöne Jacoben gugefchnittenen Vaumeife, X)ingc, bie feit 30 3ahren 
Be* unb oerfprochen finb, müffen bafür forgen, bafe gefunbe ©oh s 
nungen auch für bie RiinberBemittelten Bezahlbar finb (RuBener), 
ber SlrBeiierfchufe B^i bk JaBrifhpgieue fefjärfer gu Betonen, bie 
^abrifen fmb mehr auf baS £anb gu oerlegen. ^er Vegriff ber 
(SrroerBSunfähigfeit ift bahin gu erroeitern, bafe bie rechtzeitige ©in* 
Ieitung beS §eiIoerfahrenS ermöglicht unb fo bie Slrbeitsfraft er* 
Balten bleibt. Unentgeltliche Sputumunterfuchungen in Staats* 
ober ©emeinbeinftituten, Siirforge für bie Familien ber Shranfen 
unb bie aus ber .^eilftätte ©ntlaffenen (Dr. Vannmip) müffen bic 
Teilerfolge unterftüfeen; fie bauernb fichern fann nur bie |>eBung 
beS fogialen RioeauS. Xer Vertrauensarzt ber ©entralfommiffion 
ber Kranfenfaffen VerlinS, Dr. ^friebeberg, erflärte, bafe unter ooder 
3lnerfennung beffen, roaS bie Regierung unb oor adern auch baS 
©entralfomite gur UeBerroinbung biefer VolfSfeuche gethan B a H 
bie Slrbeiterfchaft X)eutfchlanbs erft oon einer auf ber VafxS un* 
Befchränftefter Koalitionsfreiheit fed) aufbauenben ©rringung Befferer 
Gebens* unb ^IrbeitSoerhältniffe, oon einer burdjgreifenben ?lenbe* 
rung ihrer gangen ©riftengbebingungen fuh eine oödige unb enb» 
gültige UeBerroinbung ber XuBerfulofe oerfprechen fann. 

XaS ©eutralfomite Bade ben planmäfeigen Kampf gegen bie 
XuBerfulofe gu feinem Programm gemacht unb es Bat biefe $uf* 
gäbe fomeit als möglich gelöft, inbern eS Vertreter oder gaftoren 
unfereS VolfShauShalteS, oon Staat unb ©emeinbe, oon Riebigin 
unb VolfSroirthfchaft, theoretifcher unb praftifcher Sogialpolitif gu 
genteinfamer Arbeit gufammengufaffen oerftanb. Seine Verhanb* 
lungeu, bie im ftenograpBifd)en ©ortlaut erfcheinen roerben, ftedeu 
ein oodftäubigeS Kompenbium ber ©iffenfehaft oon ber XuBerfulofe 
bar. deshalb mirb ber Kongrefe ein Rfarfftein in ber ©efd)id)te 
ber SchminbfuchtsBefämpfung fein; XerVcginn eines plan® 
mäfeigen Kampfes gegen bie oerheerenbfte Volfsfeudje 
ift eine fogiale XBat ber VolfShpgiene! 


SüMtfcfee ©eftrabhettSmfpeftonimeit in ©nglanb. 3« VinningIjam 
unb 50?ancf)cftcr finb, rote ber „Vorroärts" berichtet, oerfuchi'rocifc 
vier grauen als ^nfpeftorinnen für ©efunbheitspflege angefteüt roorbeti. 
obre Aufgabe befteht barin, arme AamilienmiUter in ihrer Täuslichfeit 
anfgitfuchen nnb ihnen in allen V>ol)lfabrtSangelegenbeiten, roie bem 
lüften ber ©ohnränme, ber fnnftlicben Ernährung fleiiter Kittber :c., 
mit Rath an bie Taub gn geben. 3» Rtandjefter, roo biefe ßinrichtung 
fchon einige 3 c it befteht, foÜ fie ftd) beroäbrt haben. — Unferc „^nns?i 
pflege" verfolgt äbnlid)c 3i c R- 


X)ie gleichzeitig Bifnnit auSgegeBene Rr. 9 ber RfonatSfchrift I 
f ^aS ©emerBegeridh^ enthält; I 

Xie Lohnzahlung Bei oorüBergehenber RrbeitsBehinberung | 
nach S- 616 beS Vürgerlichen ©efefeBiichS. Von Stabtrath oon 
,3rattfenBerg, Vorfifeenbem beS ©eroerBegerid)tS Vraunfchroetg. — 
626 beS Vürgerlidjen ©efefebuchs unb §§. 123, 124 ber ©eroerbe* 


orbnung. — Rechtfprechung. Rtittheilungen aus ben ©tu* 
fdjeibungeu ber ©eroerbegerichte LubroigShafeit a. Rh-, Solingen, 
XreSben, Hamburg, Stettin unb eines fiibbeutfchen ©croerBcgerichis. 
— Allgemeines über ©eroerbegerichte unb ArBeitSoertrag 
Aus ben 3af)i'esBerid)ten non ©eroerbegeridjten. — SnhaltSangabe 
ber „Sozialen ^rayis". 


SerontworUidJ für Me «ebaftion: Dr. «ruft gtanefe tn »erltn W., SagreutMrftra&e 2«. 





967 ©ojialc prajis. ßmtralblatt jiir ©ojialpolitif. 5?r. 35._nfis 

2 j g~ TT~ ertdieint an itbem Sonnentag unb ift bur$ ade »mtbanblunsen unb tpoiUmter (<poitjeituii 9 «mu.iiner 7072 )ju bejicljen. Sn UreiS 

•' s ’" cu, v fflr baS ä) ierte i ja&t ift an. 2fi0. 3ebe Stamm«' foftet 30 $f. Ser «n}eifl enptei8 i ft 60 <|if. für bic btageipattene ttfetitjetle. 


(Soeben erschienen: 


Der Arbeitsnachweis. 

Eine sozialpolitische Studie 

von 

Dr. jur. Richard Freund, 

Vorsitzendem der lnvaliditäts- und Alters - Versicherungsanstalt Berlin and des Verbandes Deutscher 

Arbeitsnachweise. 

Erweiterter SonderabdrucK aus der ,,Sozialen Praxis“. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 

Preussische 

Gebührenordnung 

für 

praktische Ärzte und Zahnärzte. 


Herausgegeben von 

Dr« med, Ed. Müller. 


Gr. 8°.. 23 S. Preis 40 Pfg. 


Preis i Mark. 



Soeben erschienen: 


Der Export 

landwirtschaftlicher und landwirtschaftlich¬ 
industrieller Artikel 

ans den 

Vereinigten Staaten von Nord - Amerika 

und 

die deutsche Landwirtschaft. 

Studie 

von 

Carl Simon 

in Mannheim, 

König!* rumänischer Konsul für das Grossherzogtum Baden und die bayerische Pfalz, 

Gr. 8°, XII. u. 13a Seiten, Preis 2 M. 80 Pf. 


Verlag von Duncker & Hu mb tot in Leipzig. 

Die landwirtschaftiche 

Konkurrenz Nordamerikas 

in 

Gegenwart und Zukunft. 

Landwirtschaft, Kolonisation und Verkehrswesen 

in den 

Vereinigten Staaten und in Britisch-Nordamerika. 

Auf Grund von Reisen und Studien dargestellt 
von 

Max Sering. 

---1887. Preis 15 M. - 


Die Handelspolitik der wichtigeren Kulturstaaten 

in den letzten Jahrzehnten. 

Berichte und Gutachten, veröffentlicht vom Verein für Socialpolitik. 

3 Bände. Preis 22 M. 20 Pf. 

Erster Band: Die Handelspolitik Nordamerikas, Italiens, Oesterreichs, Belgiens, der Niederlande, Dänemarks, 
Schwedens und Norwegens, Russlands und der Schweiz in den letzten Jahrzehnten, sowie die 
deutsche Handelsstatistik von 1880 bis 1890. 1892. Preis 13 M. 

Zweiter Band: Die Ideen der deutschen Handelspolitik von 1860—1891. Von Walter Lotz. 1892. 
Preis 4 M. 60 Pf. 

Dritter Band: Die Handelspolitik der Balkanstaaten (Rumänien, Serbien und Bulgarien), Spaniens und 
Frankreichs in den letzten Jahrzehnten. 1892. Preis 4 M. 60 Pf. 


g. $tnridj$’fdje gudjIjanMung in geipjtg. 


ifljialpfdjr SrrldjiTit Handelspolitik Englands nnd seiner Kolonien 


Hilßdug krs g}tißntiM uk ij|rt JPibttlegug 

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Bcvutann Büljlcv. 

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IV, 272 Seiten. $?reis» SK. 4.40, gcb. 3R. ."».40. 

Tic erfte ebenfo grüiiblidie lüie fadiucrftdiiDittc 1 
xHrlu'it über biejen Hornmrf. I 


in den letzten Jahrhunderten. 

Von 

Karl Johannes Fuchs. 

1890. Preis 7 M. 20 Pf. 

(Schriften des Vereins für Socialpolitik Band 57.) 


ik'caniiDüiiüu) tue ötc Hfücigni; .pcUmuü) Weibel, l'eipjig. — iurlag nun $uncfei \ ymiiblot, iiayjtg. — ük’Dnuft bei ^ultud Sittcnfelb, Srrlin. 







VDL Inprgang. 


Berlin, bett 8. 3Suni 1899. 


flnmmtr 36. 


Soziale praiis. 

^ettfralblatt für ^ogtctrpoCifiß 

mit ber RtonatSbellage: 

Das (Bewevbegericht. 

(Organ bes Derbemt>es beutfdjer (Bemerbegerigte. 


Reue fjoige ber „Vfätter für fokale prajrtS" unb be$ „Soglalpolittften ©entralblattg*. 


©rfgeini a« jefcem Stnterfl*§» 

Rebüftton: Berlin W., Vafereutherftraße 29. 


Herausgeber: 

Dr. Cr»i(l «frandu. 


grd« »ierteliftlrlht 33 W. 60 gf. 


Verlag bon Tuncfer & 4>umb(ot, ßelpgtg. 


„©gufcbeß gewerbltgenölrbeitß« 
öerbältniffe«". Bon Dr. ©rnft 

Stande, Berlin.969 

©ie amtlige beutfge Streif« 
ftatiftif.974 

KHccmetnc ©«fttel« nub *«f£9» 

gBlttif.978 

©ie gefertigt Regelung ber 
©igarren»#außtnbuftrte. Bon 
®bgar Soff6, Berlin. 

©ie beruflige unb fojtale ©Ueberung 
beS beutfgen Bolfeß. 

•»»tele 3*n*»U ..981 

Sanitäre Berbültniffe im Bäder« 
gemerbe Sßfenß. 

©entralwerfftätten für Perlmutter« 
fnopfbregßler in SSien. 
tforporatioe ßobnregelung im 3i m * 
merergewerbe non Pari«. 
Bergarbeiteroerbültniffe in Spanien. 

ttdeiterbcinec«»«.982 

©eutfge gewerffgaftUge Arbeiter« 
fongreffe. 

©Ifter ©elegirtentag beß ©ewerf» 
Oereinß bex beutfgen Btafginenbau« 
unb Sfietallarbeitex ju Äugßburg. 


©er Aufiftanb ber Brfinner Textil¬ 
arbeiter 

©in ftongrefe ber ungatifgen ©emerl« 
fgaften. 

©er ©iamantarbeiterbunb in Amfter» 
bam. 

©ie SRaffenaußfperrung in ©änemarf. 
©er Außflanb in ben ©ifenwerfen 
non Se ©reufot. 

grtieblige Beenbigung beß Ärbeitß* 
fampfeS im Baugewerbe ©nglanbß. 

ttrbettßaagtoei#.986 

©ie Beamten bei fommunalen 
ftrbeitßnagweifen. Bon Stabt« 
ratb Dr. St. $lef g, ftranffurt a. 8H. 
©er ©entralöerbanb beutfger $n« 
buftrieüer unb ber grbeitßnagweiß. 
©in paritätifger Arbeitßnagweiß in 
Seipjifl. 

SünbligeArbeitßoermittelung in Baben, 
©er Arbeitßnagweiß ber beutfgen 
©ewerfbereine unb eoangelijgen 
Slrbeiteroereine &u ©reßben. 

8ittet«*if*t tteftritai.990 


3 ttl|aU. 


gbbrud fämmtUgex Artifel ift Bettungen unb ßeitfgriften geftattet, jebog nur 
mit ooQer Quellenangabe. 


„$d)ig genterbligen ^VrbetteoegälhttflTe?“. 


„2Senn immer," faat Abam Smith, „bie ©efefegebung bie 
3roiftigfeiten groiften Arbeitgebern unb Arbeitern gu regeln unter** 
nimmt, finb ftets bie Arbeitgeber ihre Rathgeber." TaS mar oor 
125 fahren fo, unb roenn mir uns ber Vorgeftit* e beS nunmehr 
oorliegenben ©efefeentrourfeS gum Stufee beS gemerblidjen Arbeite** 
oerhäliniffeS erinnern, fo müffen mir mit einem bitteren fiäcfjeln 
eingeftefjen, baß eS aut fytute nodh fo ift! Seit 3a^ren roirb bie 
Sicherung unb ©rroeiterung beS KoalitionSretteS mehr unb mehr 
ber Kernpunft ber gangen Sogialreform. Tie Arbeiter felbft, fo** 
roeit fie bewußt im Kampf um beffere SebenSbebingungen fielen, 
fpaaren fid) ohne llnterfdfjieb ber Rittung um bieS paHabium, 
einfid^tige bürgerliche Sogialpolitifer, barunter auch gasreiche 
Arbeitgeber, befürmorten biefe ^orberung, ber Reichstag h«t fich 
roieberholt mit großer SKehrljeit für größere BcroegungSjreiheit unb 
Anerfennung ber ©erufSoereine auSgefprochen, noch jüngft h^t 
eine impofante ^unbgebung für bie (Gleichberechtigung ber Arbeiter 
erlebt. 3Die oerbünbeten Regierungen aber pben hierfür taube 
Df)ten; ftc folgen ben Mahnungen einiger mächtiger Unternehmer«* 
oerbänbe unb treten, aHerbingS erft na$ langem Sägern, jefet mit 
einem (GefefceSüorfdjlage hetoor, beffen SSerroirflichung baS 


SloalitionSrecht auf bem Rapiere freilich unangetaftet läfet, in 
TOrflichfeit aber für bie Arbeiter aufs Aeufjerfte gefährbet. 

S)ie (Stifette gmar fieht hannloS genug aus: „0chuh beS 
gemerblichen ArbeitSoerhältniffeS," heifei U e - ® er wollte bas nicht? 
UnmiÜfürlich benft man ba an Riafenahmen sum frieblichen Austrage 
oon Streitigfeiten aus bem ArbeitSoertrage, an eine 8fortbilbung 
ber (Geroerbegerichte, an (SinigungSämter unb @<hiebSgerichte, an 
Arbeitsfammern. RichtS bergleichen! S)er Schüfe beS ArbeitS** 
oerhältniffeS mirb mit einem brafonifchen Strafgefefee erftrebt, ju 
bem, roie bie 2Rotioe bemerfen, eine fefearfe |imttbhabung ber %efutio* 
poli^ei hingutreten foH. Schon bieS eine Moment fennjeichnet 
bie ganx äufeerliche Auffaffung ber Arbeiterberoegung, roie üe in 
ben mafegebenben greifen jur 3 e ü mieber herrfd^t roährenb noch 
oor roenigen fahren roirflicfee (Sinficht in bie roirthühoftlichen unb 
fogialen s JRomente roie in bie pfptholoaifchen Äriebfebern beS 
Drängens unb Ringens ber Rtaffen nach öuft unb Sicht bie H<mb 
beS ©efefegeberS geführt hat- 

Aber fehen roir uns bie £enben$ beS ©ntrourfeS, ben mir 
weiter unten im Söortlaute mittheilen, an. An Stelle beS 
§. 153 ber ©eroerbeorbnung, ber aufgehoben roirb, tritt ein all** 
gemeines Strafgefefe, beffen SSeftimmungen fich gleichmäßig geaen 
Arbeitgeber roie Arbeiter bei mißbräuchlicher Anroenbung oeS 
ÄoalitionSrechteS roenben follen. tiefes ©efefe bringt gunächft 
gegenüber bem jefet geltenben RechtSjuftanbe eine ©rroeiterung beS 
perfonenfreifeS, in bem bas ArbeitSoerhältniß gefchüfet roerben fott. 
©S erroeüert fobann fefer erheblich ben ÄreiS ber Straftaten unb 
erleichtert ihre Verfolgung. Auch behnt es baS Strafmaß nach 
unten unb gang befonberS nach oben aus. Schließlich aber finb 
feine Vorfcfenften vielfach fo unbeftimmt, baß ber Eunft ber Aus«* 
legung ein ungemeffener Spielraum gefdjaffen roirb. Heber aE 
biefe $)inge roirb noch ju reben fein. Aber es fommt oiel weniger 
auf bie ©ingeloorfchriften an, als auf bie ©runbanfefeauung beS 
©ntrourfS. 

3n ben SRotioen roirb roieberholt baS Sßort gebraucht, Sicht 
unb Schatten fottten burch baS ©efefe für Arbeitgeber roie für Ar¬ 
beiter gleich oertheilt roerben. Qftbeffen bie Ausführungen ber Ve** 
grünbung Iaffen felbft erfennen, baß bei biefer Verteilung alles Sicht 
auf bie Unternehmer, aller Statten auf bie Arbeiter fällt. $)enn 
bie gefammten Rtotioe bilben faft auSftließlit eine heftige Anflage 
gegen bie Arbeiter; ihnen roerben alle Ausbreitungen gur &aft gelegt, 
fie allein roerben beS üftißbrauteS beS toalitionSretteS beftulbigt, 
oon ihrem Terrorismus allein unb nur oon ihren Hefeereien ift bie 
Rebe. Tie Verfehlungen ber Arbeitgeber gegen bie Koalitions¬ 
freiheit roerben nur gang beiläufig ermähnt. Tie „ftroargen 
Siften", mit benen t^atfäd^Xid) Slrbeitcr aufSahre hinaus oon jeher 
Veftäftigung in ihrem ©eroerbe auSgefperrt roorben fmb, roerben 
auSbrücflit gebilligt. 3ebeS Streifpoftenftehen ber Arbeiter fod 
ftreng beftraft roerben. Tie hunbertfaten Mittel ber Unternehmer, 
fit S u oerftänbigen unb bie Turtführung einer Abmatung gu 
ergroingen, roerben mit feiner Silbe berührt. SSer etwa glauben 
fönnte, baß bie ftrengere Strafe für eine geftäftsmäßige roiber** 
rettlit^ ©inroirfung auf ArbeitS- ober Sohnoerhältniffe aud) bie 
angeftettten Agitatoren ber Unternehmeroerbänbe treffen fönnte, 











971 


Sogiale SßrajtS. Eentralblati für Sogialpoltttl. 97r. 36. 


972 


wirb in bcn ©otioert beleßrt, baß bamit nur bie Agitatoren ber 
Arbeiter, bie „Streifreifen ben" genteint feien. 

tteberßaupt fcßlägt in ben ©otioen immer roieber bie Auf* 
faffung burd), baß eigentlich ber Streif bocß eine Auflehnung ber 
Untergebenen gegen ihre rechtmäßigen Herren fei. Es rnirb gwar 
platonifch gugegeben, baß bie Arbeiter ein Stecht höben, ihre Arbeit 
xu oerroeigeru, wenn ihnen bie Skbingungen nießt gufagen. Aber 
oaS §öcßfte, wogu man ft<h für bie $rajis auffchmingen fann, ift 
bie Einräumung einer „aewiffen fachlichen ^Berechtigung" für Aus* 
ftänbe. ©ang erregt roiro proteftirt gegen Streife, in Denen es fleh 
nicht um ßoßn-, fonbern um ©aeßtfragen hanbelt. Unb bei ben 
Arbeitswilligen fott eS fleh — fo wirb fchlechtroeg behauptet 
— „um rußige, in bie Staats- unb SRecßtSorbnung fieß feßiefenbe, 
für ben Staat befonberS nüßlicße Elemente ßanbeln, bie in ißren 
mit ben Staatsintereffen gufammenfallenben perfönlicßen 3ntereffen 
roirffam gu feßüßen eine wichtige unb bringliche Aufgabe ber 
Staatsgewalt ift." 3ft eS wirf lieh bie ^fließt beS Staates, ben 
Unternehmern billige unb willige ArbeitSfräfte gu fießern? ©ir 
bächten im ©egentßeil, bie Allgemeinheit habe aüerftärffte 
3ntereffe an einer wirtschaftlichen, fogialen, intettef tu eilen Rebling 
ber ©affen, unb in ber fiöfung biefer Aufgabe gehen gewiß nicht 
bie meift recht armfeligen Streifbrecher, bie bie ßößne brüefen 
unb bie ArbeitSgeit oerlängem, fonbern bie organifirten Arbeiter 
ooran. 

33ertßeilt bie Abficht beS ©efeßgeberS £icßt unb Schatten feßon 
feßr ungleich unter Arbeitgeber unb Arbeiter, fo ift nach *> er bis¬ 
herigen Sßrayis unferer ©erießte unb SSerwaltungSbeßörben gu er¬ 
warten, baß hier baS ©aß notß oerfeßiebener fein wirb. ©ir 
haben bereits in einem früheren Artifel auf bie jeßt feßon oorßanbenen 
3uftänbe ßingewiefen; wir finb beSßalb heftig angegriffen, aber 
nid)t wiberlegt worben. 3eßt fommt gerabe gur reeßten Qdt bie 
noch oor ber Sßubiifation beS ©efeßentwurfeS gefdjriebene SBrofcßüre 
eines berliner Staatsanwalts, bie gwar feinen eingigen neuen (Ge¬ 
hanten bringt, aber ein SöeweiS für bie in ©ericßtSfälen ßerrfeßen- 
ben Anfcßauungen ift. 3n ben Ausführungen ift mit feinem ©orte 
aueß nur ber ©öglidßfeit gebaeßt, baß auch Unternehmer wegen 
©ißbraucßs beS KoalitionSrccßteS, fei es gegen Arbeitgeber ober 
fei eS gegen Arbeiter, gur Stecßenfchaft gegogen werben fönnten. 
Es ift immer nur in fcßärffter SSerurtßeilung oon ben Arbeitern, 
ißrem Terrorismus, i^ren AuSfcßreitungen unb Stoßßeiten bie 
SRebe, für bie neue unb fcßärfere Strafen oerlangt werben, ©ir 
wollen in bem SSerfaffer ber 23rofcßüre nießt ben TtjpuS ber 
Suriften in ber Strafrechtspflege feßen, aber baS Vertrauen gu 
einer Süßt unb Schotten in ArbeitSfämpfen gleich üertßeilenben 
Sprutßprayis erßößt biefe Kunbgebung gewiß nießt. 

Kein Unbefangener wirb leugnen, baß bei AuSftänben unb 
AuSfperrungen Skrgeßen unb SSerbrecßen oerübt werben, bie büftere 
glecfen in unferem öffentlichen ßeben barfteHen unb ftrenge Strafen 
erßeifeßen. Aber bie ©efdjicßte ber Arbeiterbewegung feit ßunbert 
3aßren beweift, baß Strafgefeß unb Sßoligei ßier niemals ©anbei 
gefeßaffen ßaben; fie furiren auf Symptome, oßne ben Siß beS 
UebelS gu erfaffen. ©egen berartige feßwere Ejceffe in ber Aus¬ 
übung oerließener S^ecßte giebt es nur gweierlei wirtfame ©ittel: 
Tie Ergießung gu größerer ©efittung unb bie Erfüllung gerechter 
Sefcßtoerben ber Arbeiter. 3« Englanb feßlt eS nießt an um- 
faffenben unb erbitterten ArbeitSfämpfen, aber faft nie fommt eS 
babei gu ©ewalttßaten unb AuSfcßreitungen; bie Ergießung bureß 
bie Drganifation unb eine gefunbe Sogialpolitif ßaben ßier feßon 
oute Qrücßte getragen. Aucß in Teutfcßlanb ßaben wir naeß beiben 
Sichtungen Tyortfcßritte gemaeßt. ©ieberßolt ift eS in ben amt¬ 
lichen SößreSbericßten ber ©ewerbeauffießtsbeamten, befonberS aus 
Sübbeutfcßlanb, anerfannt, baß bie Drganifation auf bie Arbeiter 
ergießeitb, mäßigenb, berußigenb wirfe. Dffenficßtlicß bemüßen fuß bie 
Leiter ber Arbeiterberufsoereine, oor leichtfertigen Streifs gu warnen, 
©er freiließ in ben ©ewerffeßaften unb ©ewerfoereinen nur „Streif¬ 
oereine" erblicft, ber muß aud) leicßt gu ber Auffaffuncj fommen, 
baß eine Sefcßränfung unb Verfümmerung beS KoalittonSrecßteS 
eine SSerminberung ber ArbeitSfämpfe bewirft, gumal wenn er 
noeß beS ©laubenS ift, baß ber Staat bie Aufgabe ßabe, bem 
Unternehmer ArbeitSfräfte gu fitßem, bie unter alle Sebingungen 
fieß fflaoifd) beugen. Ter bebenft aucß nießt, baß mit ber $e- 
fämpfung beS SolibaritätSgefüßlS in ber Arbeiterweit einer ber 
ftärfften fittlicßen Kräfte unfereS gefammten SSolfSlebenS gefcßwäcßt 
wirb. 

llnb liegt benn wirfiieß eine gwingenbe SSeranlaffung gu biefem 
feßweren Eingriff in ben rußigen ©ang ber Entwicfelung oor? 
Tie ©otioc behaupten es, aber ber Beweis feßlt. Sie weifen auf 
Die 3 u naßme ber SRoßßeitSoerbredjen ßin, oßne ben 3 u f a nimen- 


ßang mit ber Arbeiterbewegung aufgubeefen. Sie berichten oon 
bem Anwacßfen ber Berurtßeilungen aus §. 153 ber ©eroerbe- 
orbnung, unb eS finb in ben 3ößren 1896 unb 1897 je runb 
250 gewefen! Sie fpreeßen in gang allgemeinen SRebewenbungen, 
oöEig im Stile ber Seitartifel befannter Unterneßmerblätter, oon 
ben ©efaßren beS StreifterroriSmuS, ber gu einer Bebroßuna ber 
StaatSorbnung füßre, unb wir fragen, wo finb bie amtlichen 
SRacßweife? Es wirb nun gwar noeß eine Tenffcßrift in AuS- 
fußt geftettt, bie baS feßlenbe ©aterial beibringen foH.*) Aber 
mag bem fein, wie ißm wolle, wer bie ©otioe lieft, ber fragt 
fieß oerwunbert: Öeben wir benn in Teutfcßlanb wäßrenb ber 
ießten 3aß« in einem 3 u f* an & e gewerblicher Kämpfe, bie alle 
Selbenfeßaften beS inneren Krieges entfeffeln unb unfer Baterlanb 
mit ber Branbfacfel ber 3roietracßt oeröben? Steßen wir nießt oiel- 
meßr in einer 3eit unerhörter gefcßäftlicßer Blütße? ©o finb benn 
feit bem £>afenftreif in Hamburg AuSftänbe gewefen, bie eine 
feßwere wirtßfcßaftlicße Senacßtßeiligung mit ficß gebraut ßaben? 
Eben gur reeßten Stunbe erfeßeint bie erfte amtliche beutfeße Streif- 
ftatiftif für 3anuar üiS ©ärg 1899. ©an feße fie fteß nur ge¬ 
nauer an unb man wirb finben, baß biefe 191 Streifs mit etwa 
8000 Arbeitern faft bureßgängig Heinere, eng begrengte, ^umeift 
nur auf einen eingigen ^Betrieb befeßränfte Streitigfeiten betrafen, 
bie für ben eingelnen Unternehmer reeßt läftig gewefen fein mögen, 
aber bie Allgemeinheit faum berühren. 

©ie aucß bie Eingelbeftimmungen ber Vorlage fein mögen, ber 
Sogialpolitifer wirb bie ©efammtwirfung ins Auge faffen müffen. 
Unb biefe halten wir für fo unßeilooH, baß baneben bie ©öglicß- 
feit, biefen unb jenen ©ißftanb gu ßeben, gar nießt in ©etraeßt 
fommt. Unter ber Teoife beS ScßußeS beS gewerblichen ArbeitS» 
oerßältniffes wirb bie gefammte Arbeiterbewegung gehemmt werben, 
ißre frieblicße Entwicfelung, bie gerabe in ber leßten 3 e ü 3ort- 
fdritte maeßt, wirb aufs Seue geftört, bie reoolutionäre Strömung 
geftärft, bie §ebuna ber unteren klaffen unb bamit beS ©e- 
fammtnioeauS beS Golfes erftßwert. TaS ©efüßl für 9fecßt unb 
©ereeßtigfeit in ben ©affen wirb erfeßüttert. TaS ©efeß wirb als 
ein SUaffengefeß empfunben uitb wie ein AuSnaßmegefeß wirfen, 
baS fieß gegen bie gefammte Arbeiterfcßaft wenbet gum ließen ber 
Unternehmer SSielfeicßt, baß zeitweilig mit ftrengen Strafen eine 
äußere SRußc ßergefteKt wirb, aber unter ber Tecfe wirb bie ©futß 
beS öaffeS unb ber Erbitterung gefeßürt. Tenn bie Arbeiter werben 
fieß Der Partei guwenben, bie am fcßärfften unb Ieibenfcßaftlicßften 
gegen bie S3efcßneibung beS ^oalitionSrecßteS auftritt. TaS werben — 
fo füreßten wir — bie folgen eines ©efeßeS fein, baS in Arbeiter* 
truß unb Unternehmer!cßuß baS §>eil fießt unb baS mit einem 
Scßlage bie allmählich ßeranreifenben fjrüxjßte ber Sogialreform 
oernießtet. ©ir ßoffen barum, baß ber AeicßStag fcßleunigft — 
unb gwar je eßer, befto beffer! — bie Vorlage in SBeratßung 
nimmt unb bem SBunbeSratße wie bem SBolfc feinen 
über läßt, baß er biefeS ©efeß nun unb nimmer billigt, baß er 
oielmeßr auf feinen alten gorberungen ber Erweiterung beS 
ft'oalitionSrecßteS beßarrt. ©öge er gur Unterftiißung biefer 
Öorberungen oerlangen, baß, wie oor 30 3aß*en in Englanb naeß 
ben blutigen Eyceffen in Sßeffielb eine königliche kommiffion bie 
©irfungen ber Koalitionsfreiheit unterfud)te, aucß bei uns, etwa 
oon ber Kommiffion für Arbeiterftatiftif, eine Enquete über fämmt- 
Iicße wäßrenb ber leßten 3nß« onS ber Ausübung beS KoalttionS- 
re^ts entfprungenen Sefcßwerben unb Urtßeile angefteUt wirb, 
©ir finb übergeugt, baß wie bamalS in Englanb fo jeßt in Teutfcß» 
lanb ftatt einer ^erfcßärfung ber ©efeßgebung bie ©ilberung bie 
Solge fein würbe! 

SBerlin. E. granefe. 

* * 

* 


*) SBei Scßluß ber Aebaftion fommt uns btefe Tenffdjrtft foeben 
gur .^anb, fie ift tnbeffen fo umfangreich, baß mtr fie nießt meßr für 
biefe Aummcr üermcrlßeii föunen. Es fei nur furg erwäßut, Daß ihr 
Scricßte oon AcgieruugSpräfibenien, CberftaatSanwälten, ^oligeioer- 
waltungeu unb .Oaubclsfammcim gu (Gambe liegen. TaS umfangreiche 
©aterial betrifft ßauptfäcßlitf) AuSfßrcitungen oon Arbeitern gegen ein- 
anber, ben 3waug gum Anfcßlnß an Koalitionen, ben ;gioang gur 
ArbcitScinfteßung, llcberwadjung ber Arbeitswilligen, ber Arbeitsjtätten 
unb ^crfchrSanlagen burd) Streifpoften, Klagen aus Arbeiterfreiieit über 
Terrorismus, Verfolgung Arbeitswilliger nadj Veenbigung beS Streifes 
wegen 9?idjtbetßeiligung. Sdjlicßltd) wirb ©aterial gum Aaißweis ber 
Ungitlänglidjfeit ber befteßeuben Strafbcftimmungen, insbefonbere Des 
ir>3 Der (Gewerbeorbmmg, beigebradjt. Tie gange Tenffdmft ift 
eine eiugige Antlagc nur gegen bie Arbeiter; man erfenut aus ihr, 
wie wenig cs fid) um bie Vergehen ber Arbeitgeber gegen bie Koali¬ 
tionsfreiheit hanbelt. 



973 


©ogtale $raji$. Eentralblatt für Sogtalpolltil. Br. 36. 


974 


$er „Eitttourf ehteS ©eftßeS gum Sdjitßt M getoerbltdjen Arbeit«* 
toerbältmffeS" 

hat folgenben SBortlaut: 

§. 1. SSer cS unternimmt, burd) förperlicßen Srnnng, $)rohiutg, 
(Shroerleßung ober FerritfSerflärung Arbeitgeber ober Arbeitnehmer gur 
Sßeilnahme an Bereinigungen ober Bern Drehungen, bie eine (Sin* 
roirfung auf 9lrbeitö* ober Sohnoerhältniffe begroeden, gu beftimmen 
ober oon ber Sfjeilnaljme an folgen Bereinigungen ober Berab* 
rebungen nbguhalten, mirb mit ©efänguiß bis 311 einem Jahr Betraft. 
Sinb milbernbe Umftanbe oorhanben, fo ift auf ©elbftrafe bis ju 
eintaufenb SD?arf gu erfennen. 

§. 2 . £ie Strafoorfchriftcu bes §. 1 finben aud) auf Denjenigen 
Anroenbung, welcher eS unternimmt, burdj förperlidjen QiDang, Drohung, 
(*hroerleßung ober Berrufserfläntng 

1 . gur Herbeiführung ober 3örberung einer ArbeiterauSfperrung 
Arbeitgeber jur (Sntlaffung oon Arbeitnehmern 31 t beftimmen 
ober an ber Annahme ober Herangiehung folcher 3 U Ijinbern, 

2 . 3 ur Herbeiführung ober görberung eine« ArbeüerauSftanbeS 
Arbeitnehmer gur Bieberlegung ber Arbeit gu beftimmen ober 
an ber Annahme ober Auf|ud)ung oon Arbeit 3 U hmbern, 

9. bei einer ArbeitcrauSfperung ober einem AnbeiterauSftanbe bie 
Arbeitgeber ober Arbeitnehmer gur Barfjgiebigfeit gegen bie babei 
oertretenen gorbernngen gu beftimmen. 

§. 3. SBer es ftch gum ©efdjäft madjt, Hanblungen ber in ben 
§§. 1, 2 bc 3 eid)neten Art 311 begehen, roirb mit ©efängniß nicht unter 
brei HRonaten beftraft. 

§. 4. 'Sem förperlicben 3ioange im Sinne ber §§. 1 bis 3 mirb 
bie Befcßäbigung ober BorentI)aItung oon Arbeitsgerät!), Arbeite 
material, Arbeitsergeugniffcn ober ÄleibungSftücfcn gleidjgeadjtet. 

£er Drohung im Sinne ber §§. 1 bis 3 mirb bie planmäßige 
Itebermadiung oon Arbeitgebern, Arbeitnehmern, ArbeitSftäftcn, SBegeit, 
Straßen, $läßcn, Bahnhöfen, SSafferftraßen, Hafen* ober fonftigen Ber* 
fehrscatlngen gleichgeacßtet. 

(Sine Berrufserflärung ober Drohung im Sinne ber §§. 1 bis 3 
liegt nicht oor, menn ber ißäter eine Hanblung oornimmt, 311 ber er 
berechtigt ift, iusbefonbere, menn er befugter SBeife ein Arbeit«* ober 
^ienftocrhäüniß ablehnt, Beruhigt ober fünbigt, bie Arbeit einffellt, 
eine ArbeitSeinftellung ober AuSfperrung fortfeßt, oben menn er bie 
Bornahnte einer folchen Hanblung in Ausßcht pellt. 

§. 5. 3Birb gegen $erfonen, bie an einem Arbeiterausftanb cber 
einer ArbeiterauSfperrung nicht ober nicht bauentb theilnchmcn ober 
tbeilgenommen haben, aus Anlaß biefer Btd)tbetbetligiuig eine Beleibt* 
gung mittelft Shätlidjfeit, eine uorfäßluhe Jiörperocrleßung ober eine 
oorfäßHcße Sadjbefcßäbigung begangen, fo bebarf es 311 / Berfolguttg 
feines Antrags. 

§. 6 . $3er Berfoncn, bie au einem Arbeiterausftanb ober einer. 
ArbeiterauSfperrung nicht ober nicht bauernb theilneßmcn ober tfjeil* 
genommen haben, aus Anlaß biefer Bicbtbetheiligung bebroßt ober in 
Berruf erflärt, mirb mit ©efäitgniß bis 3 U einem Saßre beftraft. Sinb 
milbernbe Umftanbe oorfjanben, fo ift auf ©elbftrafc bis 3 U eintaufenb 
SWarf 5 U erfeitnen. 

§. 7. B$er an einer öffentlichen 3ufammenrottung, bei ber eine 
Hanbluna ber in ben §§. 1 bis 6 be^eir^netcn Art mit oereinten 
Straften begangen mirb, tßeilnimmt, mirb mit ©efängniß beftraft. 

$ic BäbelSfiißrer finb mit ©efängniß nicht unter brei Monaten 
311 beftrafen. 

§. 8 . Soll in ben gäUeu ber §§. 1 , 2 4 ein Arbeiterausftanb 
ober eine ArbeiterauSfperrung ßerbcigefüßrt ober geförbert toerben uitb 
ift ber AuSftanb ober bie AuSfperrung mit Biicffidjt auf bie Batur 
ober Beftimmung beS Betriebes geeignet, bie Sicherheit bes Reiches 
ober eines BunoeSftaateS 311 gefährben ober eine gemeine ©efaßr für 
BJenfrfjenleben ober für bas ©igentßum ßerbeigufüßren, fo tritt ©efängniß* 
ftrafe nicht unter einem SBonat, gegen bie BäbelSfiißrer ©efängnißftrafe 
nid)t unter fechs Bfouaten ein. 

3ß in ?foIge beS ArbeiterauSftaubes ober ber ArbeiterauSfperrung 
eine Öefahrbung ber Sicherheit beS Beides ober eines BunbeSftaatS 
eingetreten ober eine gemeine ©efaßr für BJenfchenleben ober baS 
(5-igenthum herbeigeführt morben, fo ift auf 3 ll <hthauS bis 3 U brei 
fahren, gegen bie BäbclSführer auf 3 llf ßihauS bis 311 fünf fahren 31 t 
erfennen. 

Sinb in ben gäflen bes Abf. 2 milbernbe Umftanbe oorßanben, 
fo tritt Wefäitgnißfirafe nicht unter einem 3 ahre ein. 

9. Someit nach biefem ©efeß eine gegen einen Arbeitgeber 
gerichtete HanMung mit Strafe bebroßt ift, ßnbet bie Strafoorfcßrift 
auch bann Aitmenbung, menn bie Hanblung gegen einen Bertreter beS 
Arbeitgebers gerichtet ift. 

§. 10 . 4üe Borfdjriften biefeS ©efe^cS finben Anmenbiutg: 

1 . auf Arbeits* ober SMenftuerßältniffe, bie unter ben §. 152 ber 
©emerbeorbnung faUen, 

2 . auf aUc ArbeitS* ober 2)ienftoerhältniffe in folchen BeidiS*, 
Staats* ober Äommunalbetrieben, bie ber SanbeSoertheibigung 
ber öffentlichen Sicherheit, bem öffentlichen Berfeßr ober ber 
öffentlichen ©efunbbcitSpflege bienen, 

3. auf aUe Arbeits* ober X'ienftoerhältniffe in ©ifenbahn * Unter* 
neßmungen. 

§. 11. ^er §..153 ber ©emerbeorbnuug mirb aufgehoben. 


Bie atnllidje beutfdje Sfreik^ati|)itt. 


3Rit bem 1. biefeS haben für baS gefammte 

(Gebiet beS ^eutfeßen 9lei(hS bie auf bem BunbeSratfjSbefchluß 00 m 
10. 3uui 1898 berußenben amtlichen ©rhehungen über Streifs unb 
AuSfperrungen ihren Anfang genommen, bureß melche bie Unter* 
lagen für eine fortlaufenbe Statiftif biefer 00 m oolfSmirthfchaft* 
Ii^en unb fogialpolitifcßen Stanbpunfte aus fo bebeutfamen 
Kämpfe gmifcßcn Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gefdjaffen toerben 
foflen. hen beiben größten BunbeSftaaten, in Preußen unb 
Bauern, h a ^ c ^i e snnehmenbe roirthfchaftliche Bebeutnng ber 
ArbeitSeinfteüungen fc|on früher $u einer regelmäßigen ftatiftifchen 
Aufnahme biefer Borfommniffe geführt; eine Veröffentlichung ber 
3ahlen oon AmtSroegen ift allerbingS bisher nur in Bauern er* 
folgt. *) 3u einer Erhebung ber Streifs bur<h bie Behörben ift 
es übrigens auch feßon einmal für baS gan^e BeichSgebiet ge* 
fomrnen, unb sioar, als ben oerbünbeten Begierungen im 3ahre 
1890 eine Berfcßärfung unb ©rroeiterung ber ftrafrestlichen Be* 
ftimmunaen beS §. 153 ber ©etoerbeorbnung ange 3 eigt erfeßien. 
®S nmrbc bamals eine fchleunige Qählung ber in ber 3*it uoni 
1. Sönuar 1889 bis ©nbe April 1890 im $>eutfd)en Beicße ftatt* 
gehabten größeren geroerblichen Arbeitseinteilungen burch bie 
zftegierungSpräfibenten oeranlaßt unb beren ©rgebniß ber gur Be- 
rat|ung ber ®eroerbeorbnungS*BooeUe eingefeßten Bei^StagS* 
fommiffion oorgelegt. 9JUt biefer einmaligen ©elegenheüsftatiftif, 
bei ber eS fidß auSgefprochenermaßen nur um Beibringung oon 
Material für eine auf bem ©ebiete beS Strafrechts gur ^isfuffion 
fteßenbe Srage hanbelte, hot bie nunmehr für bie $>auer ins ßeben 
gerufene beutfdje Streifftatiftif feine BerüßrungSpunfte. 

2Sie erinnerlich, rourben gegen bie geplante amtliche Streifftatiftif 
fofort, als bie 00 m BunbeSratß über ihre Einrichtung, inSbefonbere 
auch über bie Raffung ber Fragebogen erlaffenen Beftimmungen gur 
öffentlichen Sfenntniß gelangten, h e fU0 e Angriffe gerichtet. Bon ber 
einen Seite rourbe ihr gum Borrourf gemalt, ihr raaßrer 3n)ecf fei 
gar nicht ber, eine unparteiifche Erforfchung ber roirthfehaftlichen 
Streitigfeiten groifchen Unternehmern unb Arbeitern gu ermöglichen, 
fie folle oielmehr im ©runbe genommen nur Material für eine ein* 
feitige Berfchärfung ber gegen ben ÜRißbrauch ber Koalitionsfreiheit 
geri^teten Strafbeftimmungen fchaffen unb einer Befchränfung beS 
$oatitionSre<hteS gu Ungunften ber Arbeiter bieBöege bahnen. Bon 
anberen Kritifern roieberutn rourbe ihr baS ^rognoftifon gefteHt, baß 
fie, beabfichtigt ober unbeabfichtigt, immer nur ein einfeitigeS, 
tenbengiös oergerrteS Bilb ber gu unterfueßenben roirthfehaftlichen Er* 
fcheinungen barbieten roerbe. ^)enn bie mit ber Erhebung bes Ur* 
materials betrauten DrtSpoligeibehörben roürben nur gu leidfft geneigt 
fein, feßon in ber bloßen Anroenbung beS Kampfmittels ber gemein* 
fatnen ArbeitSeinftellung eine Auflehnung ber Arbeiter gegen bie 
beftehenbe Drbnung gu fehen; fie roürben mit ihren Sympathien 
meiftenS auf Seiten ber Unternehmer flehen unb ihre Informationen 
faft auSfcßließlid) aus ben Kreifen ber Öeßteren begiehen. 3)icS 
fönne bann natürlich auch nicht ohne Einfluß auf alle biefenigen 
Feftftellungen bleiben, in benen bie moralißhe Scßulb unb Ber« 
antroortlicßfeit an ber Entfteßung eines ArbcitSfonfliftS gur Sprache 
gebracht roerbe. 

$)en in biefer §inficht erhobenen Bebenfen roirb nun, roaS 
ficher mit Befriebigung aufgunehmen ift, in ben Borbemerfungen 
entgegengetreten, roel^e baS Kaiferlicße Statiftifdße Amt feiner 
foeben — (in ben BierteljahreSheften gur Statiftif bes 2)eutfchen 
BeicßS 1899 II. &. 191 folg.) — für baS erfte Quartal 1899 oer« 
öffentlichten fummarifchen Ueberficßt ber Streifs unb AuSfperritngen 
ooranfeßieft. Es roirb bort nämlidh anSbrücflidh h^morgehoben, 
baß, um ein möglichft objeftioeS Bilb bes Sacßoerhalts gu ge* 
roinnen, bie DrtSpoligeibehörben gehalten fein füllen, bei ben oon 
ihnen eingugiehenben Erfunbigungen Arbeitgeber unb Arbeit¬ 
nehmer gleichmäßig gu benidfichtigen, unb baß ferner bei ber ben 
höheren BertüaltungSbeßörben obliegenben Prüfung unb BerooH* 
ftänbigung bes oon ben DrtSpoligeibehörben gefammelten s JBaterialS 
bie ©eroerbeauffichsbeamten in thunli^ft roeitem Umfange 
betheiligt roerben füllen. ^)amit bürfte feßon einem £t)eik ber 
gegen bie Unparteilicßfeit ber amtlichen Erhebungen gerichteten 
Angriffe bie Spiße abgebrochen roerben. 3m Uebrigen roirb bie 
befinitioe Bearbeitung beS gewonnenen BR.aterialS abgeroartet 
roerben müffen, beoor ein abfcßließenbeS Urtßeil über bie erft in 


*) Bür Breußcit hat ^ßrofeffor Dlbenbei-g^iarburg bie amilidien 
(irgebniffe ber streifftatiftif oorn 1 . 3anuar l s89 bis Sommer 1^97 in 
ber „Sogialen ^rartö" Br. 52 beS Jahrgangs 1898 oeröffemlichl. 




97« 




öo^ialc <prajis. Gcutralblatt fiir Sojialpolitif. 9Jr. 36. 


ihren Anfängen begriffene amtliche ©treifftatiftif abgegeben werben 
famt. $acb ber Dbjeftioität, bie bisher baS Kennzeichen fämmt* 
lieber Veröffentlichungen beS Kaiferlicbeu ©tatiftifeben Amtes ge* 
wefen ift, bürfte bis junt SRacbweife beS Gegenteils bie Annahme 
wohl berechtigt erfebeinen, bafe baffelbe aueb in feiner neueften 
©tatiftif biefclben ©ege ber flrengften Unparteiliebfeit wanbeln 
werbe. 

Bon einer Öeftlegung ber Begriffe „©treif" unb „AuSfperrung" 
ift in ben oben erwähnten Borbemerfungen abgefeben worben. 
(Sine für aüe Borfommniffe gleitbmä&ig oerwenbbare Definition 
biefer Grfd)einungen beS wirtbfäjaftli^en Gebens bürfte aueb ferner 
anfjuftcHen fein; oielfacb wirb bie Gntfcbeibuug barüber, ob ein ©treif 
ober eine AuSfperrung ober oielleicbt überhaupt feinet oon bfciben oor* 
liegt, nur itacb ben befonberen Umft. i:ben beS fonfreten JJaHeS z u 
treffen fein. 9lacf; ben uom Bunbcnitl) erlaffenen Befümmungen 
bat ficb bie neu eingerichtete ©tatiftif auf biejenigen wirtbfebaft* 
lieben Konflifte §u befdjränfen, bei benen „gewerbliche Arbeiter" 
betbeiligt finb. ©treifS in ber &anbmirtbfd)aft, fowie ©treifS oon 
Aerzten n. f. w. finb fonad) oon ber Aufnahme in biefe ©tatiftif 
auSgefcbloffcn. Umfang ober Dauer ber ArbeitSuntcrbredjung 
haben grunbfäglicb nichts mit bem ©efen beS ©treifS ober ber 
AuSfperrung zu tbun. (Sin ©treif fann an ficb aueb oon einem 
einzigen Arbeiter auSgeben. Bach ben für bie beutfebe ©treif* 
[tatiftif mabgebenben Beftimtnungen beS BunbeSrathS follen in* 
beffen ©treifS ober AuSfperrungen nur bann zur 9tad)meifung 
gebracht werben, wenn „mehrere" gewerbliche Arbeiter betbeiligt 
gewefen finb, wobei oon auSbrücflid)er geftfefcung einer beftimmten 
Bfinimalziffcr mit Siecht abgefeben worben ift. ©elbftoerftänblieb 
finb aber, wenn biefer Vorbehalt aueb in beit amtlichen Beftim* 
mungeit nicht befonberS zum AuSbrucf gebracht ift, in biefer 
©tatiftif nur foletjc Arbeitseinteilungen gu berüeffiebtigen, bureb 
welche bie Arbeiter eine „günftigere Geftaltung ihres Arbeitsoer* 
träges zu erzwingen beabfiebtigeu". (Sine, fei es mit, fei es ohne 
(Einhaltung ber KiinbigungSfrift, erfolgte Slieberlegung ber Arbeit, 
bie lebiglid) beSbalb eingetreten ift, weil bie betreffenbeu Arbeiter 
fünftigbin bei einem anberen Unternehmer ober an einem anberen 
Ort ober überhaupt in einem anberen (bewerbe tbätig fein wollen, 
ohne bafj bureb bie gemeinfam erfolgte Ginftellitng ber Arbeit 
irgenb welcher ^toang auf ben bisherigen Briuzipal auSgeiibt 
werben füllte, fann nicht als ©treif gewählt werben. 

Gilt entfebeibenbeS Bierfmal bürfte aueb nicht in ber längeren 
ober für^eren Dauer ber ArbeitSunterbrecbung z u finben fein. Gine 
oom gefainmten Arbeitsperfonal eines grofeen inbuftrielleii Gtabliffe* 
tnents plöfclid) ins ©erf gefegte Arbeitseinteilung, welche nur 
wenige ©tunben gewährt hat, fei es, weil bem burd) Uebernahme 
bebeutenber öieferungen bei gleichzeitiger Unterwerfung unter hohe 
BerzugSftrafen in feiner Bewegungsfreiheit behinberten Unternehmer 
nur bte fofortige Unterwerfung unter bie Sorberungen ber Arbeiter 
übrig blieb, fei es, weil bie Arbeiter, alsbalb zur Ueber* 
Zeugung gelangt, bafe auf Slaebgiebigfeit feitenS beS Arbeitgebers 
unter feinen Umftänben zu rechnen fei, febleunigft wieber zur Slrbeit 
jurüeffehrten — eine folcbc SlrbeitSeinfteHung oerbient boeb lieber* 
lieb als ©treif im ©inne biefer ©tatiftif regiftrirt 311 werben. 
Beim Gintritt ber erfteren Alternatioe wirb ja wohl aueb DOn 
feiner ©eite bie Zurechnung eines folcben BorfotnmniffeS z u ben 
©treifS beanftanbet werben, ba aller BorauSfidjt nad) bie ©ieber* 
aufnahme ber Arbeit nur bureb Bewährung höherer ^öhne, Ber* 
für^ung ber Arbeitszeit u. f. w. erwirft fein bürfte; aber auch im 
zweiten Salle würbe ein wirflidjer ©treif im ©inne biefer ©tatiftif 
Zu oer^eiebnen fein, freilich ein „erfolglos" gebliebener. 

Unter „AuSfperrung" wirb oielfacb nur bie oon „mehreren 
Arbeitgebern gemeinfam" auSgefjenbe BetriebSeinfteHung oerftanben, 
bureb welche ben Arbeitern bie Arbeitsgelegenheit entzogen werben 
foll, um fie zur Unterwerfung unter bie Sorberungen ber Unter* 
nebmer zu jwingen. Bom ©tanbpunfte ber neu eingerichteten 
beutfchen ©tatiftif aus foll inbeffen „jebe aemeinfame AuSfdjliefeung 
mehrerer gewerblicher Arbeiter oon ber Arbeit" als AuSfperrung 
gelten, alfo aud) biejenige, welche felbftftänbig oon einem einzelnen 
Betriebsinhaber fei eS gegen feine fämmtliebcn Arbeiter, fei es nur 
gegen einen Dljeil berfelben jmeefs Diird)fefeung feiner ©ünfebe 
oerhängt wirb. Airfjt um AuSfperrungeii im eigentlichen ©inne 
bürfte eS |idj bei ben feitenS ber Unternehmer oerhängten 
©cbliehungeu ber ©erfftätten haubein, 311 beneu bas Fernbleiben 
ber Arbeiter am 1. Biai bie Beranlaffung giebt. GS bürften bkr 
oielmebr 3JJafjnabmen ber Disziplin, ber Bergeltung für ein als 
unbcred)tigt angefeheucS Borgehen ber Arbeiter oorlicgcn, wenn 
baburd) auch oielfacb gleid^eitig eine Ginwirfung auf ben Arbeiter* 
ftanb für bie 3 ufuuft beabfidjtigt werben mag. 


Die $ad)meifuugen über ©treifS ober AuSfperrungeii foflen 
Zwar beftimmuitgSgemäfj „fofort" nach beren Beenbigung feiten» 
ber OrtSpoliseibebörben auSgefüllt unb „alsbalb" auf bem Dienft* 
wege ben böh eren BerwaltungSbebörbcn überjanbt werben. Gs 
liegt aber auf ber £>anb, bafe bie lebteren oielfaeb nicht in ber 
Sage fein werben, nun ihrerfeitS bie für bie ©eitergabe ber3äbl s 
farteu an baS $aiferti<be ©tatiftifebe Amt oorgefebriebene Snft oon 
14 Dagen nach ©eblufe beS CuartalS inne ju halten, ba ficb 
u beren Ablauf nicht immer bie Prüfung unb eoentuelle Grgänxung 
eS 3nhalteS ermöglichen laffen wirb, namentlich, wenn bie $acb* 
meifungen fleh auf ArbeitSfonflifte beziehen, bie erft gegen Gnbe 
beS BierteljahreS auSgebrodhen bexw. beenbet finb. Demgemäß 
fteht beim auch bem Slaiferlidjen ©tatiftifeben Amt für bie Auf* 
ftellung ber oon ihm „fobalb als thunlieb" SU oeröffentliebenben 
fummarifeben Ueberficbt in ©irfliebfeit nur eine oerhältnifemäfeig 
fnappe ©panne Z^it 3 ur Berfügung. Diefe Ueberficbten werben 
ficb baber auf bie BHttheilung ber wiebtigften ber in ben 
9?ad)weifungen enthaltenen Angaben befebränfen müffen unb aueb 
biefe nur infoweit bringen fonnen, als ihre 3afammenfteUung 
ohne geitraubenbe Unterfuebunaen unb Berechnungen ju beroerf* 
ftelligen ift. 9ia<bweife über ^rünbe, Dauer unb AuSgang ber 
©treifS 2 e. werben baher in biefen fummarifeben Ueberficbten nicht 
gefuebt werben bürfen, ba fie eine eingebenbe ©iebtung unb Be* 
arbeitung beS BfaterialS, fowie bie Grlebigung auSgebehnter 
©treiffrageu gur BorauSfebung haben würben. 

Die oom $aiferli<ben ©tatiftifeben Amt nunmehr ^um erften 
9)fal für baS erfte Ouartal 1899 gebraebte fummarifebe Ueberficbt 
ber ©treifS unb AuSfperrungeii bat bie Sorm einer Aufzählung 
ber einzelnen ArbeitSfonflifte unter Angabe ber Orte, an benen, 
unb ber Gewerbe, in benen fie zum Austrag gelangten, ©ofern 
ficb ber ©treif nicht auf ben ganzen Betrieb, fonbern nur auf 
einzelne in ihm oeitretene Arbeitszweige erftreefte, finb bie an bem 
AuSftatib betheiligten Arbeiterfategorien betaillirt nach ben einzelnen 
BefebäftigungSarten, in benen fie in bem betroffenen Betrieb tbätig 
waren, uad)gemiefen worbeit. Daburcb, bafc bie z uiI ächft nad) 
preufeifebeu Brooinzen bezw. nach BunbeSftaaten zufammengefafetcn 
©treifS innerhalb biefer politifeben Aahmeit wieber einzeln unD 
Zwar nach ber in ber Gemerbeftatiftif gebräuchlichen Aufeinanbrr* 
folge ber oon ihnen betroffenen Gewerbe zur Aufzählung gelangt 
finb, wirb allen Sntcrcffenten bie ÜRögIid)feit gegeben, etwa in bem 
Verzeichnis oorbanbene Süden aufzubccfen; benn bie Btöglicbeit, bag 
fieb trofe ber getroffenen ©afcregeln einzelne ©treifS 2 c. ber amtlichen 
^enntnifz entzogen haben fönnten, erfebeint feineSwegS ausgefdjloffen. 

3 m ganzen Deutfcben Aeicb würben, wie aus ber fummarifd)en 
Ueberficbt heroorgeht, innerhalb beS erften Quartals 1899 
191 ©treifS begonnen; 10 weitere Arbeitseinteilungen, beren Be* 
ginn bereits in baS oerfloffene Qahr fiel, haben fid) noch in baS 
erfte Bierteljabr 1899 hinein ober fogar noch über beffen Dauer 
hinaus erftreeft. Beenbet würben innerhalb ber erften brei Bfonatc 
beS 3ah^ 1899 oon ben zur erfteren Kategorie gehörigen ©treifS 
154, oon ben anberen im Ganzen 7, fo bafe ficb alfo bei Aufteilung 
ber fummarifeben Ueberficbt nod) 40 ©treifS in ber ©djmebe be* 
fanben, bezw. noch nidjt als beenbet gemelbet waren. Bon ben 
überhaupt bcenbeten 161 ©treifS — nur bezüglich biefer liegen 
nähere Angaben oor, ba binfid)tlitb ber noch nidt beenbigten bem 
©tatiftifd)en Amt nur bie blofje Dbatfacbe beS Beginnes mitgetbeüi 
wirb — würben inSgefammt 408 Betriebe ergriffen, bie bei Aus* 
brueb ber ©treifS im Ganzen 16 246 Arbeiter bcfdjäftigten. Die 
.§öcbtsabl ber in biefen Betrieben gleiebzeitig ftreifenben Arbeiter 
belief fieb auf 8129 Berfoncn, 50 % ber Gefammtzabl ber über* 
baupt in biefen Betrieben bei Ausbruch beS ©treifS befebäftigten 
Arbeiter. Daoon waren z u ^ fofortigen ArbeitSnieberlegung be* 
recf)tigt (hatten alfo erforberlichen Falles oorher rechtzeitig ge* 
fünbigt) 4784 (58, 9 0 / 0 ber ©treifenben), währenb 3166 (38, 0 o/ 0 
ber ©treifenben) fontraftbrüdjig gewefen finb. 

3n inSgefammt 145 Betrieben (35, 5 o / 0 ber überhaupt oon 
©treifS betroffenen) führte bie ArbeitSnieberlegung zum oölligen 
©tiUftanbe beS Unternehmens; barnnter befanben ficb 22 Betriebe 
( 5,4 o / 0 aller betroffenen Betriebe), in benen ber ©treif an fid) nicht 
baS ganze Unternehmen ergriffen, fonbern ficb uur auf einen ober 
einige 3 ro eigc befebränft hatte, in benen es aber boeb in weiterer 
iyolge zur oölligen BetriebSeinftellung gefoinmen ift. 263 Betriebe 
(64, rj % ber Gefammtzabl) würben nicht zum oölligen ©tiUftanbe 
gebracht; in 63 oon biefen (15, 4 o/ 0 ber Gefammtzabl aller be* 
troffenen Betriebe) waren nur beftimmte Befcbäftigungsarten oom 
©treif erfaßt worben. Die 85 zur BetriebseinfteKuug gefom* 
menen Betriebe, in welchen nur in einzelnen GcfcbäftSzweigen 
geftreift würbe, oertheilten fid) auf im Ganzen 7 <s ©treifS. 



977 


Soziale Brari?. Gcutralblatt für Sozialpolitik 9fr. 36. 


Bon brr Ofrfammtzabl ber überhaupt gezählten Streif? (201) ent» 
fäüt naturgemäß ber lueitanis größte 21)^1 (i26 = (»2,7 %) auf Beugen, 
mäfjrenb in Sad)fen nur 22 Streif? (10,9%), in kapern nur 20 (10%) 
uub in ben fämmttichen übrigen Buube?ftaaten ^ufamnieit nur <13 
(16,4%) jur Haihmcifung gelangten. Bon ber lederen Summe fam 
bie relativ größte Hnzahh nämlich 8 Streife (4 % aller Streite), in 
Hamburg jum Hu?bntd). Ucbcrhaupt nicht geftreift mürbe in folgcubeit 
Buube?ftaaten: Btcrflcnburg=Schmcrin, Sachfert=3s$cimar, S)ic dien bürg* 
Strcltß, Sad)ien=Hltenburg, Sd)marzburg=Sonber?haufen, Sdhmarzburg^ 
Hubolftabt, kalbert, 9teng älterer i'inie, Sd)aumburg*Üippe itnb ^?ippe. 
Unter ben preußtfrf)cn Brotnnzcn nimmt bie Stabt Berlin mit 36 Streif* 
(17,9% ber (^efamuitjahl aller im 9ietd) jur Hachmeifung gelangten 
Hrbeit?etuftellimgett) bie bei Weitem erfte «Stelle ein; in bebeutenbeut 
Hbftanbe erft folgen bie 9tl)einprooinj mit 17 Streik" (8,5%), bie Bfo* 
oinzen Braitbcitburg mit 12 ( 6 ,o%), H$eftfalcn mit 11 (f >,5 %) unb 
Sadifen unb £)annoucr mit je 10 (5,o%). 9tur je eine Hrbeit?ein* 
ftellnug ift für bie Brouitizen £ft* unb B>cftpreußcn, fomic für Bofen 
verzeichnet, gar feine für £>obcnzoHeru. Unter ben preußifrfjen 9tegie= 
rung?bezirfcn blieben gänzltd) oon Streife orrjdjont: Oluntbinuen, 
Bf arten merber, Möhlin, Brontbcrg, Cppeln, Stabe, Staffel, Jrier unb 
Sigmaringen. Hbgefeheu oon ^reufjen batte uon fämmtlicheu Bunbe?* 
ftaaten nur uod) Reffen unter ben beruheten Streif? einen foldjeu auf» 
Zitmeifcn, bei* eine größere Hn za 1)1 oon betrieben umfaßte; e? mar bie? 
ein oon ben Malern, SBcißbinbcru unb 9lnftreid)ern in S'armftabt in? 
Bicrf gefegter Streif, ber fid) auf 62 betriebe (15,2% aller im Heid) 
ergriffenen betriebe) mit ^ufammen 697 Arbeitern erftredfte, oon meldjer 
3nbl fid) 418, unb $mar alle unter Stontraftbrud), an ber Arbeit?» 
nieberlegnug beteiligten. 18 betriebe mürben burrfj biefen Streif ju 
völligem Stillftanbe gebradjt. 

^n ^reußen maren au Hrbcitsciufteflungcn, bie mel)r al? 5 Be* 
triebe umfaßt haben, bie nadjfolgcnbeu jit wählen: 


Bczcidjitung 
ber Streif? itadj £rt 

unb Öemcvbe 

3 al)l ber er¬ 
griffenen Be¬ 
triebe 

3 al)l in in ben 
Betrieben 

3 al)l ber zu 
oolligem 
Stillftaub 


in /„ bet 
im ^tcict) 
über« 
Ijaupt er« 
flriffenen 
Setriebe 

bei Htt?» 
brud) be? 
Streif? bc* 
fdjiiftigten 
Hrbcitcr 

yu-upzeuig 

ftreifenben 
Hr beiter 

gebrachten 

Betriebe 

0 

O 

Q 

0 

C 

in °/o ber 
»efdjäf« 
tigtru 

3 

s 

a 

in % ber 
uom 

Streif er* 
griffeneu 
Setriebe 

Sd)tteibcr in Sfönig?» 
berg i. Br. . . . 

55 

13,5 

054 

46*» 

71,i 

40 

72,7 

Schreiner unb «t>olz= 
arbeiter tu ä 8 ie?= 
baben . 

33 

S,i 

131 

101 

77,i 

11 

33,3 

Schuetbcr in Bod)imt . 

32 

7,8 

157 

32 

20,4 

11 

34,4 

Biaurer in Heumünfter 
i. . 

25 

; o,i 

ca. 450 

370 

82,2 



.V>au?zimntcrer in 
^len?burg.... 

13 

! 3 ,, 

s4 

| 84 

lOO,o 

__ 

1 - 

Xrofdjfettfubrmrrf itt 
Berlin. 

s 

3,0 

129 

127 

I «V 

S 

1<X ),11 

Bauunternel)mung in 
(5ber?malbe . . . 

6 

1,5 

40 

40 

1 

| 100,Ü 

— 

— 


3n?gefammt 140 ber im Xeutfd)eu Heid) überhaupt beruheten Streif? 
(*7,o% aller) haben fid) auf je einen betrieb befdjräuft; baoou ent* 
fallen auf Üßreugeit 88 ( 54,7 % aller Streif?), auf Bapern 10 ( 6 , 2 %), 
auf Sadjfen 20 ( 12 , 4 %) unb auf bie übrigen Bitnbe?ftaaten jufammen 
22 (13,7 %). Unter biefen nur je einen Betrieb erfaffenben Streif? 
maren nur 9 für Braßen, fomie nur je einer für kapern, Baben unb 
lSlfaß=Öotbringcn 511 verzeichnen, bei beiten bie fcödptzabl her gleichzeitig 
[treifenben Arbeiter minbeftcu? 100 betrug. 6 ? betrafen biefelbcn bie 
folgenben Wemcrbe: Seppidjfabrif itt Berlin (^abl ber bei Hud&rudj be? 
Streif? befchäftigten Arbeiter: 120 , .^ödbftjabl ber gleichzeitig Strcifenben: 
100 , bamnter fontraftbnid)ig: —), l*i?merf in £ranienburg (ea. 220 ; 
ca. 150; —), 9)ied)anifd)e Weberei in Hetd)enbadj in Sd)lefieu (ca. 500; 
ca. 500; ca. 500), Bfcdjanifdje Weberei im ^iüertbal (420; 108; 108), 
B?ed)amfd)e Weberei in l$fd)cuborf (188; 128; 128), iSifenerzbergbau in 
£>erborf (171; 162; 162), iSifeucrzbcrgbau in SEoßenrotf) (142; 112; 
112 ), 9)ied)auifche Stoffmeberei in Stentpen a. 9tb* <350; 200; —), Banb* 
fabrif in Baruteu*Hitter?ljaufen (320; 120 ; 112), Bfechanifchc Söeberei 
in Cbernborf in Bmjertt (111; 111 ; 111 ), Häljmafchinenfabrif in StarI?» 
ruhe in Baben (673; 109; 109) uub Babnbau in ^entfeh in iHfaß* 
yotljriugen (139; 139; -). ^n 7 biefer ftälle ftttb bie Streifen ben 
fämtntlid), in einem beinahe fämmtlid) foutraftbrüchig gemorbett. 

HSa? bie Bertl)cilitng ber im Heid) innerhalb be? erften Quartal? 
1899 bmtbeten Streif? auf bie einzelnen ©emerbegruppett anlangt, fo 
entfielen 30 (18,6% aller beeubeteu Streif?) mit zufammen 141 betrieben 
(34,6% aller überhaupt ergriffenen betriebe) auf ba? Baugemerbe, 20 
( 12 , 4 %) mit 20 betrieben ( 4 , 9 %) auf bie 2ertiliubuftrie, 18 ( 11 , 2 %) 
mit 25 'Betrieben ( 6,1 %) auf bie oubuftric ber Steine unb (irbeu, 18 
( 11 , 2 %) mit 18 'Betrieben ( 4 , 4 %) auf bie ^siibuftric her ^uifdiinen, 


^uftrumeutc uub Apparate, II (s,?"/».) mii ia betrieben ill,3%i) auf 
bie ^nbuftric ber $ 0 ^ uub Sdjnißfioffc, 14 (8,7 %) mit 17 Betrieben 
( 4,2 %) auf bie Bfetatlverarbeitung, 13 (s,i %) mit 98 'Betrieben (24 ,0 %) 
auf ba? Beftcibung?* uub 9teiuiguug?gemerbe, 11 ( 6 , 8 %) mit 12 Be¬ 
trieben ( 2,9 %) auf bie ^ubuftric ber Nahrung?» uub (üeuufunittet, 
5 (3,i %) mit 12 Betrieben ( 2 , 9 %) auf ba? Berfel)r?gemerbc, 5 (3,i %> 
mit 6 Betrieben ( 1 , 5 %) auf ba? polt)grapbifd)c Olemerbe, 4 ( 2 , 5 %) mit 
4 Betrieben (l,o%) auf bie £eberinbuftrie, 3 (l,»%) mit 3 Betrieben 
( 0,7 %) auf ba? £>anbe!?gemerbe. 

^ie übrigen 6 Streif? mit ^Kfainiurii 6 Betrieben uertheilteu fid) 
auf Bergbau, .ftütten* uub Salinenmefeu, chemifdje ^nbuftrie, ^subuftrie 
ber forftmirtbfdjaftlicheu 9febenprobufte, tfeudjtftoffe 2 c., Bapierinbuftrie 
unb füuftlerifd)e Wemerbe. 

Bon ben Streifeubeu, bereu .0 öd) ft za 1)1 im 9ietdj 8129 betrug, ent= 
fielen iu?befonbere auf uadjftebeitbe (^emerbegruppett: 


Olemerbegruppen 

bc 

abfolut 

.ymd)ftzal)l 
r Strcifenben 

itt % ber 

= z- s 

Z c ü 

i|li|i! |t B 

sU 2 5 1 K 

darunter maren 
fontraftbriidjig 

in % ber 
«5 ! . 03 

BO 3 Jp 0 

. öS, -co? 

abfolut 1 g~ i g-e 

i ^«.1 a£ B S 

i \t*$ K> 

0 . Ix»'S 5 3 

3 = j « 9 ? c £ 

i •" a» 1 *" 

Baugemcrbe .... 

1884 

71,9 

23,2 

492 

26,i 

15,5 

2 ejrtilinbuftrie . . . 

1745 

;> 2 ,s 

21,5 

1186 

68,0 

37,5 

Befleibiutg?» unb 9ici= 
uigung?geroerbe . . 

782 

59,5 

9,6 

47 

6,0 

1,5 

^ttbuftrie ber Steine 
unb (Arbeit.... 

779 

63,9 

9,6 

235 

30,2 

0 4 

^nbuftric ber BJafdjt* 
neu 2 c. 

709 

*>r. r 

8,7 

393 

55,4 

12,4 

3 nbuftrie ber Nah¬ 
rung?* unb (rtenufj* 
mittel. 

694 

53,5 

S,5 

276 

»V 

•V 

9)Zetaflüerarbcitung . . 

356 

35,, 

4,4 

76 

21,3 


Csnbuftrie ber .'oolz = uub 
Schttipftoffe . . . 

352 

52,o 

4,3 

46 

13,1 

1 ,» 

Bergbau, Jütten» unb 
Salinenmefeu . . . 

274 

S7,5 

3,4 

274 

l()(),o 

S,7 

Berfebr?gemerbc . . 

227 

7 5,i 

2,3 

13 

.),7 

0,4 


Hm bäufigften fam e? fottad), fotern nur bie uorfteheub bernor» 
gehobenen OJemerbegruppen beriicffichtigt merbett, im Bergbau, Jütten» 
unb Salinenmefeu, itäntlid) bei 100 %,' am feltenfteu im Berfehr?= 
gemerbc, nämlid) nur bei 5,7 % ber in ber betreffenben OJemerbegruppe 
Streifenbeu, 511111 Sfontraftbrud). 

Hu?fperruugeu finb im ganzen ^eutfehen 9feidjc 7 zu oerzeidjiteu 
gemefen, uon betten eine bereit? im Csubw uerbättgt morben mar. 
Bfit Hu?nabutc ber fid) auf ein Baugefchäft in Hlzei) (in Reffen) be= 
Ziebettbeu Hu?fperrung ftnb fämmtliche bereit? al? beenbet gentclbet 
morben. 2ic beenbeteu Hit?fperrungeu, uon benen 3 auf Brennen, 
1 auf Baperit uub 2 auf Sadjfett entfielen, betrafen im (Ganzen 9 Be= 
triebe; oon ben in benfelbett bei Beginn ber Hu?fperrung befd)äftigteu 
512 Hrbeitcrn mürben 95 (18,6%») au?gefpcrrt, bamnter 5 ( 5 , 3 % 
fämmtlidjer Hu?gefperrteit) unter Berlejutug be? Hrbeit?oertrage? feiten? 
be? Unternehmer?. 3 n oöUigent Stillftaub tauten nur bie 4 Betriebe, 
auf meld)e fid) bie im ftubrgemerbc in Berlin erfolgte Hu?fpermug 
bezog. 

3unt Schluß fei nodjtnal? barauf hingemtefeu, bafj bie ge» 
brachten norläufigen Ejarafter ber fmnmarifd)eit 

Ueberfuht entfprechenb, möglidjermeife nod) nad)träglid)en STorrek 
turen uittenüorfen fein fönnen. Bezüglich einer §Reil)e non Be» 
trieben maren, mie anmerfmtgSmeife unter ber lleberfidfjt beruor» 
gehoben roirb, bem STaiferlidben Statiftifd)en Huit überhaupt uod) 
ni(|t bie fämmtlidjen 3 a ^ eu SUQcgangett. 


Allgemeine Sojtfll- und nHrtj^djaftepolitik. 

^ie gefeblidhe Regelung ber (^tgarrett^audtttbttffrie. 

9Kit biefer Vyraae befchäftigte fid; bie mit 30. s D?ai in Berlin 
abgehaltene 0)eneraloerfamuiluug be? ,/^entfchcH Xabafoereinv'3 
ber bie Unternehmer faft ber gefammten beutfdjen £abafinbuftrie 
Zu feinen SKitgltebern zählt. 211? Bertreter be? 9ieid)?amte? bc? 
Snnern mohnten ber Berfaminluitg bie .sperren (Geheimer DIht» 
9fegierung?rath s Bilhelnti itnb ©ebeuiter Bcgieruug?ratt) Mod) bei. 
G? hanbeltc fid) um bie Stellungnahme be? Bereit!? \\\ ber be- 





979 


fanntcn Betilion ber SBtnbencr ^aubetöfauuner an bnt Staates 
fefretär beS Snnern, in ber um eine Enquete non BeichSwegen über 
bie (Sigarren«£>au$inbuftrie gebeten unb gugleich SSorfdjläge gur 
Befeitigung ber beftehenben SBipftänbe gemacht roerben. (3ScrgI. 
„Sogiale Brafis" 0p. 581.) S)er herein fyat es fich gur ^«focibe 
gemacht, burd) eine Umfrage bei feinen Btitgliebern im gangen 
^beutfetjen Beidj SBaterial gur Beurteilung ber grage gu fammeln. 
©s ftnb Antworten non runb 300 ginnen eingegangen, bie baS 
folgenbe Befultat ergeben: 

Hamburg s Ältona*€tteiiien: Bon 31 antwortenben girmen 
befebäfttgen 28 Handarbeiter nieift männlichen ©efdjlecfjtd, bie burd)* 
gängig am £rtc wohnen, wo bie gabrif fid) befinbet. Bon biefen 
werben in ber BMjrgabl ber gälte meift eigene ftinber im Älter non 
10 bid 15 fahren 3 bid r> 0tunben täglich befc^äftigt. $ic 3£ohn* 
räume genügen nidit immer ben gu fteflenben gorberungen, wieberbolt 
werben Sdjlafräunte als Ärbeitdraum benupt. 

Bremen mtb llmgegenb: Bon 22 firmen haben 17 Haus* 
Arbeiter, unb gwar uberroiegenb männlichen ©efcbled)td. Bei 9 girmen 
befchättigten bie HaudinbufirieUeit Kinber (meift eigene) im Älter non 

9 bis 14 fahren ooit 4 bis 7 Uhr im Sommer unb 4 bis 8 lU)r im 
hinter, £ie Arbeit finbet in ber Sobnftube ftatt. 

Begierungdbegirf SBinben, 2ippc, SBalbccf, Csnabriid: 
Bon 52 ginnen arbeiten 48 mit Handarbeitern übermiegettb rocibüdjen 
Mefdjledjtd, welche gum größten 2heil nicht an bem £rte wohnen, wo 
bie betreffenbe gabrif fid) befinbet. Bei ben Handarbeitern oon 
39 ginnen werben töinber befchäftigt; biefe ftehen im Älter oon 6 bis 
14 ga breit. 

0adjfen = Ältenbnrg unb Thüringen: Bon 17 ginnen De* 
fdjäftigt nur eine feine Handarbeiter, bie meift auf bem l'anbe wohnen. 
Bur bei 4 ginnen werben ftinber befdjäftigt, unb gmar im Älter oon 
s bis 14 gabren. BJobnungduerbältniffc werben als giinftig gefdjilbert, 
mit. Ausnahme oon Mit hl häufen. 

Bljeinprouing: 13 ginnen bcfchäftigen Handarbeiter, 9 nicht. 
Miuber im Älter oon 5 (!) bis 14 fahren werben oon ben Ärbcitcrn 
gweier gabrifanten befchäftigt. SohnungSoerhältuiffe finb befchränft; 
in Äachen wirb im Sdjlafraum gearbeitet. 

Helfen, granffurt a. SSt., Hanau: 17 girmeu haben Haus* 
arbeitet (meift Männer), 5 nicht, grembr Kinbcr werben uidjt bc* 
fdjäftigt. B>ohnräumc unb in einigen gällen bie Schlafräume bienen 
ald Ärbeitdftätte. 

Mannheim, H e tbelberg, Spcper, Kaiferdlautern: HauS= 
arbeiter werben mir wenig befchäftigt; einige oon ihnen arbeiten mit 
tiinbern im Älter oon 10 bis 14 fahren. 

Äönigreid) Sachfen: Bon 70 ginnen arbeiten 65 mit Hand* 
arbeitern faft audfdjlieplid) weibUtfjen ©efdjledits. Bei 45 girmen 
werben ilinber im Älter oon 8 bid 14 fahren befchäftigt; in 3 gällen 
baoou ftehen bie Kinber im Älter oon 6 bis 14 gahren. B$ohnitngS= 
oerhältniffe finb meift recht ungünftig, ba bie Ärbciter in alten Häufern 
nntergebra'd)t finb; im Sommer wirb in ber Milche gearbeitet, im hinter 
in ber Stube. 

Berlin: Bon 3 ginnen haben 2 Handarbeiter, unb gmar eine 
oorwiegenb männliche, bie anbere faft nur weibliche; eigene Minbcr oon 

10 bid 14 gabreit werben einige Stunben am Sage befchäftigt. 

Sdilefien: Bon 8 ginnen haben 3 Handarbeiter, meift ucr* 
beiratbete grauen. Miubcr oon 14 bis 16 gahreu werben gum Sbeil 
io Stunben befchäftigt. 

^ugleid) erflärteu ftd) oon 291 ginnen 23) gegen eine oölligc 
Bcfeitigung ber Hausarbeit, jebodj ftimmten oon 279 nicht weniger als 
206 für bas Berbot ber Befestigung oon Minbern unter 12 gafjren 
unb 41 weuigfteus bafiir, baß hinter unter 10 gaf)reu nicht befchäftigt 
werben follen. 

gerner münfdjten oon 240 girmen 121 einen befonberen Ärbeitd* 
raum, mähreub 119 bies nicht für uothwenbig erachteten. 

Auf ©runb biefer Befultate unb nach längerer eingehenber 
Debatte würben fobann bie folgenben Seitfäpe einftimmig ge* 
nehmigt: 

1. Unter Hausarbeit in ber ©igarreninbiiftrie wirb oerftauben bie 
Herfteflung oon ©ang* ober Halbfabrifaten (gu beuen ber gabri* 
taut bie Materialien liefert), außerhalb ber gabrifbetriebdftätte 
bes Ärbeitgcbcrs; ohne Unterfchieb, ob hierbei Hilf*P er foual be* 
fdjäftigt wirb ober itidjt. 

2. Xie Hausinbuftric in ber (Sigarrenfabrifation fantt in Dielen 
(tiegeuben bei ben gegenwärtigen Bcrhältniifen nicht entbehrt 
werben unb ift, wenn fic in ber richtigen Steife betrieben wirb, 
eine wirthidiaftlidi wohlthätig wirfeubc ©iuridjtung für bie be* 
teiligten Ärbeiterfreife. 

3. (5*s lägt fid) nicht leugnen, baß mehrfach, »owohl in Begug auf 
bie befdjäftigten Bcrfoueu, als auch hinfidjtlid) ber benujjteu 
Ärbcitsräume Mif;uänbe oorhaubcii finb, bereu Bcfeitigung im 
ontcrcffe ber betheiligten Ärbcitnehmer unb Ärbeitgeber geboten 
erfcheint. 

4. Hinfidjtlid) ber in ber Hausarbeit bcfdjäftigten 'ipcrfoneii erflcirt fid) 
ber Teutfdje Jabafoercin mit einem aflgemeiuen Berbot ber Be* 
fchäftiguiig oon Hiuberu unter 10 gahren einoerftauben : fowie 
bantit, bnf; giiriorge getroffen wirb, bafj bie gcfetflicf)e Beftim* 


9sn 


ntuug, wouad) Äinbcr unter 13 begw. 14 galjren tu ben gabriten 
nicht* befd)äftigt werben biirfen, aud) auf bie Hausinbuftric bei 
ber Befestigung frember ttinber Äntoenbung finbet. 

5. Hiuftchtlid) ber ÄrbeitSräunte mühte grunbfäfclid) beftimmt roerben, 
bab in Bäumen, welche gur Bachtruhe benuht werben, Haus* 
arbeü nidjt ftattfinben barf; ferner mühte bas Ürocfrteu bes 
labafs über bem £)fen bed ÄrbeitSraumS oerboteu fein. 

^)em Äutrage ber BUitbener Hanbelsfammer, ^bafe felbftänbige 
Hausarbeit nur oon grobjährigen ^erfonen auSgeübt roerben 
bürfe", rourbe nicht groljje gegeben, ba mehrere Bebner barauf 
himoiefen, bab es ftd) h* er Borfchrift hanbele, bie oiel- 

leicht im Sntereffe beS gfabrüanten, nicht aber in bem be$ Arbeiters 
liege. 

@S fanb fobann eine lebhafte BJeinungSäuberung über bie 
5 rage ftatt, ob bie Sabrifation oon Zigarren als foltije ber ©e* 
funbheit ben Ärbeitenben fchäbli^ fei. Bon befonbereut 
Sntereffe waren bie Ausführungen eines babifdjen gabrifanten, ber 
nachroieS, bab ungünftigen ©efunbheüSoerhaltniffe hauptfächlich 
auf bie früher in ben gabrifen fjerrfchenben ungeniigenben 9taum* 
oerhältniffe unb bie frü^eitige Berroenbung oon ^hnberrt gurücf* 
guführen feien unb bab in golge ber neueren ©cfebgebuitg eine 
wefentliche Befferung gu oergeichnen fei. @in beffereS Argument 
für bie Ausbeutung biefer Beftimmungen auf bie HawSinfcnftrie 
fönnte fthwerlich gefunben roerben. 

BSenit man auch bie feitenS beS ^eutfehen XabafoeretuS gc* 
madhten Borfdjläge nicht als weitgehenb genug erachten mag, fo 
muß bodh h e ^° or 8 e hoben werben, bab fie etnen bebrutfamen 0<hntt 
oorroärtS in ber Regelung ber Hausinbuftric bebeuten, befoubers, 
ba fte aus ben betheiligten gabrifantenfreifen felbft h e roorgehen. 
2Sie ber Borftbettbe fid) auSbriicfte, „fei man fich wohl bewußt, 
bab hier gunt erften Btale bie Brücfe, bie oon ber gabrif in 
bas Heim bes Arbeiters hinüberführt, ooit ber ©efcfc* 
gebutig betreten werbe." Seitens ber Bertreter ber Regierung 
würbe bie BJittheilung gemadht, bab eine ©rljebuttg über bie 
(5igarren*H au §inbuftrie ^ödjft wahrfcheinlid) flaUftttben werbe. 

Berlin. (5bgar Saffe. 


^ie (entfliehe ttttb fogiale ©lieberung beS Betttfdjen Bolfcft. 

Unter biefem 4itel hat baS £aiferliche Statiftifche Amt foeben ei« 
SBerf oeröffentlicfjt, baS bie drgebuiffe ber BerufSgähluug vom 
14. Suni 1895 ausführlich textlich gur ^arftellung bringt (Banb 111 
ber Statiftif bes 2)eutfd)en Beichs, Berlin 1899, ^Suttfammer & 
BJüblbrecht, ^reis 8 Jfi)- B$ohl liegen bie ©rgebniffe ber ge= 
nannten ©rhebung in ^abeüenform fd)on feit ©nbe bed 
SahreS 1897 oor unb auch textliche Abljanblungen über eingelne 
Sheile ber BerufSftatiftif Tmb in ben BiertelfahrSheften ber 
Statiftif beS 2>eutfchen Beides mehrfach erfreuen. ^aS jept oer^ 
öffentliche Böerf aber witt eine ausführliche unb gugleich ab* 
fd)liepenbeBearbeitungberBerufSgähluugbieten.©inleitungSweife wirb 
bie äufjerc ©ittrid)tung’ ber BerufSgähluug (ihr Anlafe, ihre Bor* 
bereituna unb Aufnahme, fowie bie BJethobc ihrer Berarbeüung 
nebft Äojtenaufwattb) aefd)itbert. Alsbaitn gelangt in oiergehn Ab* 
fchnitlen baS materieue ©rgebnip ber 3ähhmg ^ur Darlegung. 
Alle wichtigeren gragen, über welche bie drhebung Auffchlufe giebt, 
finb babei eingehenb beleuchtet, ©s wirb bargethan, welche Aus* 
behnung bie ©rwerbSthätigfeit im Allgemeinen unb welche fpegieÜ 
ber grauenerwerb, bie Shttber unb bie ©reifenarbeit h a *- 3 ur 
Klarlegung ber ©rwerbSthätigfeit in ben einzelnen Berufen finb 
biefe in 207 Arten gegliedert unb für jeben biefer BerufSgroeige 
bie Stärfe, feine ©ntwicfelung, feine geographifdje Berbreitung 
unterfucht. 2)ie fokale Schichtung wirb nicht blofj in Begug auf 
bie beiben H au ptflaifen ber Selbftftänbigen unb Abhängigen er* 
örtert, fonbern es werben bei ben Selbftftänbigen noch bk unbe* 
mittelte, bie Drittel* unb bie wohlhabenbe Kiaffe, bei ben Ab* 
hängigen baS technifche unb AuffidjtSpcrfonal, bie gelernten unb 
ungelernten Arbeiter, fowie bie Arbeiter, bie gantihenangehörige 
ihres Arbeitgebers finb, näher behanbelt. Anbere Abfchnittc ünb ber 
grage beS Bebenerwerbs, bem Alter, gamilienftanb, ber Beligion 
ber ©rmerbsthätigen, ben 2)ienftboten, nichterwerbSthötiaen gamilten* 
angehörigen, H au§ m^ lI fi r i e Öen, H au fi rern / Arbeitslofen gewibmet. 
$)ie meiften ber behanbelten gragen finb au per nach & em ^tanbe 
oon 1895 auch hmfidjtlich ^ er f e ^ 1962 eingetretenen ©ntwicfelung 
bei* einfcfjlägigen Berljältniffe bargejtellt, unb ebenfo nicht allein 
für baS Betch im ©angen, fonbern auch für bie eingelnen BunbeS* 
ftaaten unb unter Beriicffichtigung ber Berhältniffe oon Stabt unb 
Öanb. ©nblich ift gur genaueren Kenngeidjnung ber beruflichen unb 
fogialen ©lieberung beS SulanbeS biefe noch im Sichte frember 
Berljältniffe betrautet unb gu bem ©nbe ein Bergleich mit ben 


Sogialc $ra$id. ©eutralblatt für Sogialpolitil. Br. 36. 





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Soziale $rajri». EentralMatt für ©ozialpolilif. Ar. 36. 


anberen Miilturftaaten angeftellt. $aturgemäfe founten in ber lert* 
licpen Darfteüung nid)t alle Detailfragen mit zur Erlebigung ge* 
bracht werben. Um jeboep beren Beantwortung t^unlic^ft ju er* 
leichtern, wirb im Anhang ein umfangreiches Material oon Ser* 
hältnifejaplen unb oon fonftigen 3ufcunmenftellungen geboten, baS 
für roeitere Öorfcpungen mopl oorbereitet erfepeint. Aufeerbem ftnb 
*ur 3üuftration bebeutfamerer Ergebniffe 28 farto* unb biagrappifepe 
Beilagen bem Banbe angefügt. Das gefammte Väerf (oom Sc* 
ferenten Dr. gr. 3 a & n muftergiltig bearbeitet) giebt ein fo um* 
faffenbeS unb grünblicpeS Silb oon ber beruflichen unb fozialen 
©lieberung, wie es einftroeilen feinem anberen Lanbe jur Ser* 
fügung fiept, es wirb auf lange 3 e ^ hinaus für politifc^e unb 
roirthfcpaftliche Vtofenapmen wertpoolle ©tunblagen bieten. 


$o}iitle Jnftänfce. 

©öttffire Verpältttiffe im Särfergemerbe VMenS. Der Bericht 
ber 5franfenfaffe ber Wiener Sädfer pro 1898 roirft ein grelles 
Vicht auf bie fanitären Uebelftänbe im Bäcfergemerbe. Die Tabelle 
ber ErfranfungSarten, bie bem ß'affenbericpte beigegeben ift, zeigt 
bie bebauerliche Erfcpeinuitg, bafe fiep bie 3 a W SnfeftionS* 
franfheilen, ber fpppilitifcpen unb ber £>autfranfheilen erhöht hat. 
Die 3ahl ber 3nfeftionSfranfpeiten betrug im Berichtsjahre 471 
gegen 395, bie ber fppbilitifcpen 135 gegen 107 unb bie ber $jaut* 
erfranf ungen 202 gegen 196 im 3<*h re 1897. Die SnfeftionS*, 
foppilitifcpen unb fmutfranfpeiten weifen allein 6719 Sfranfpeits* 
tage mehr auf als im 3ctpre 1897. 3« bem ungünftigen ©e* 
funbbeitöguftanbe, über ben bie Säcfereiarbeiter ju flagen höben, 
bemerft baS Sacporgan „3eitgeift": 

Aad) jahrelangem Kampfe ber Organifation um Beteiligung ber 
fanitären Uebelftänbe unb bamit ber fanitätSroibrigen ftraufpeitfit finb 
wir bet bem Aefultat angelangt, bafe gcrabe bie eilte fauitärc ©cfapr 
für baS 'publifum btlbenben jtraufhetteu immer gröbere Dimeufionen 
annet)men. Alle Sorftelluugeu bei ben mafegebenben ttörpeufdjaften mtb 
bie oft mit großen Soften oerbuitbene öffentliche Agitation haben an 
ben traurigen Verljältniffen, unter betten bie Särferarbeiter leiben muffen, 
nichts jn ärtbent oermodit. Aatp wie uor ift bie Arbeitszeit eine über* 
mäfeig auSgebepnte unb baburd) bie Vorbereitung für Erfranfungen ge* 
geben. Ein grober 2fjeil ber ©epülfen hot noch £ogis beim SDteifter 
unb ift baburch einer regelntäbigen Steinigung entwöhnt. ES ift nicht 
für geuügenbe AeinigungSapparate oorgeforgt, fo bab ben (behülfen in 
ben meiften fällen bie Vtöglicpfeit jur Steinhaltung überhaupt feljlt. 
Die Sel)örbe fteht ber ganzen Eifere mit einer berouitberungSmürbigen 
Apathie gegenüber; felbft oftmalige Anzeigen oermögen eS nicht, fie 
aufzurütteln. 

Eetttraltoerfftatteit für $erlmuttcrfnopfbr<<h$!er ttt Vtfcit. 3 n ber 

Arbetterfcpaft bes &nopfbrerf)SlergemerbeS in 3Bten macht fich gegen* 
wärtig eine lebhafte Bewegung geltenb. ES wirb geflagt, bab bie 1896 
burch bie Vermittelung ber .ftanbels* unb ©ewerbefammer feftgefepten 
^opn* unb $reisfäpe nicht eingehalten werben, weil bie zapHofen 
.$auSinbuftrieflen bie beftehenben ©äpe unterbieten. 3 ur Erhebung ber 
3ahl ber .<pausiubuftriellen oeranftaltet bie tfnopfbrcdjslergemerffdjaft, 
welche hierzu eine Suboention oon ber $anbelsfamnter erhielt, bie ein* 
gepenbjte Umfrage. Die .fpausinbuftrieüen, beren es in BSien an bie 
Üaufenb giebt, foüen in (ientralwertftätten oereinigt unb auf biefe Art 
Zu einem Serfftattbetrieb zurücfgefüprt werben. 3 U biefem 3mecfe 
würben mehrere zahlreich befudjte Verfammlungen oon $auSinbuftrieHen 
biefeS ©eroerbeS in einzelnen Bezirfeu abgehalten, welchen bemnäd)ft 
eine ©efantmtoerfamntlung aller Sinter •’peimaibeiter ber Branche jutu 
3 werfe ber Raffung enbgiltiger Vefchlüffe folgen foll. 

Äorporatioe ßopnreaelung im 3immerergcwerbe Oon ißtiS. 

Unter Seiftanb einer Delegation bes AttpiteftenoerbanbeS pat fu^S* 
lieh eine gemifchte Sfommiffion aus Sertretern ber Arbeiter* unb 
Uuternehmerforporationen beS 3i m merergewerbeS im ©eine* 
bepartement einen Vertrag abgefchloffen, ber einen einheitlichen 
Öohn (90 ßentS pro ©tunbe) unb einheitliche oierze|ntägige 
3ahlungSperioben feftfept. Die Architeften ihrerfeits hö&en fich 
oerpflichtet, ben fiyirten ßohnfafc in bie Sebingni6h e f^ e 
träge aufzunehmen. 

Sergarbeiteroerhältniffe iw Spanien» Der- englifche tonful in 
Silbao berichtet: Der burchfchnittliche Dagelohn eines ©ifenerz* 
arbeiterS beläuft fid) auf ca. 3 SefetaS; Änaben erhalten IV 2 bis 
2 l / 4 ^SefetaS; Arbeiter, bie bas fen fortiren 3 1 / 4 unb Vorarbeiter 
ca. 4 1 /-2 VefetaS täglich. Die Vopnc ftnb jwar nicht fchlecht int 
Vergleiche mit ben Vö|nen anberer Arbeiter tn Spanien, aber bie 
ArbeitSoerhältniffe bei ber (Sifenerzgeminnung finb fehr fchwierige. 
©S ift z roar feine ©rubenarbeit, ba in ©teinbrüchen gearbeitet 
wirb, hoch ift bie Arbeitszeit eine überaus lange: im VMnter 


10 ©tiinben mit IV 2 ftiiubiger Diiltagspcwife, im ©ommer bagegen 
13 ©tunben mit 2 ftiiubiger VtittagSpaufe. And) bie V^ohnungS* 
oerhältniffc finb fehr fchlecht, ba bie Arbeiter oft gezwungen ftnb, 
in Varadfen z u moljnen, bie ben Unternehmern gehören unb in 
benen möglichft oiel Arbeiter zufammengepfercht werben. Aud) 
fonft fleht baS Drudfpftem in ooUcr Vlüthe; ein gegen baSfelbe 
im Sahre 1891 gerichteter ©trei! hotte bebauerlicher Seife feinen 
anhaltenben ©rfolg. 


Ätbciterbejueguttg. 

3tl»er!fd)ofi(id)t ärbeiterfongrefie ()aben in ber 
Vfingftwoche wieber in größerer 3 a hl ftattgefunbeu. Auf faft allen 
trat bie Deitbcnz Z u ^ a 0 e / ^urch Aenberung beS ©treifreglements 
unbefonnenen unb ausitchtslofen ©treifs thunlichft oorzubeugen, 
unb burch ben Ausbau beS UnterfiiifcungSmefenS, inSbefonbere ber 
Arbeitslofenoerforguna, ben Drganifationen größere ©tabilität zu 
oerfdjaffen unb bie 3 a W ^ er 6treifbre<her zu oerminbern. (Sine 
beacbtenSwerthe ©achlichfeit unb Vtäfeigung trat babei auf faft allen 
Verfammlungen zu Dage. 

3n Äöln tagte bie 9. ©eneraloerfammlung beS (EentraloereinS 
ber beutfefjen VöttAer, welcher, ba über eine Verfchmelzung mit ber 
Organifation ber Vrauer oerhanbelt tourbe, aud) ein Vertreter ber 
Vrauer beiwohnte. Die Verfchmelzung würbe inbeffen abgelchnt, 
hoch will man bei Lohnbewegungen folibarifch z u f ammen Ö e ^6 C11 - 
Die beantragte obligatorifd)e ArbeitSlofenunterftüpung auf centraler 
©runblage würbe mit großer Mehrheit abgelehnt, weil mau mit 
ber jefcigen ©inrichtuna, wonach eS ben 3 a hlfieÜen überlaffeit ift, 
auS örtlichen Mitteln ArbeitSlofenunterftüpung zu Z a 5tcn, auSzu* 
fontmen oermeint. Bezüglich eines einheitlichen Lohntarifs oerljiclt 
mau fich ffeptifd). Siegen ber Vielgeftaltigfeit ber Vött<herarbeiten 
werbe berfelbe wo 1)1 ein frommer BJunfch bleiben. Dagegen er* 
flärte man fnh für Vtinbeftlohne, ^erabfepung ber Arbeitszeit, be* 
fouberS für bie zebnftiinbige §öchftarbeitSzeit, fowie gegen bie bie 
ArbeitSfraft oermüftenbe Afforbarbeü. @nbe oorigen SapreS ^ä^Ife 
ber (Eentraloerein in 114 3ohtftföen mehr als 5000 s lßitglieber, 
bie aber häufig wechfeln. Auf bem $ongrefj waren 30 Delegirte 
Zugegen, bie 29 Vezirfe oertraten. 

Die Döpfer, 3i c Ö^ cr unb VerufSgenoffen h^u ihren 
11 Stongrefj in Velten in ber Viarf ab. ©S waren 34 Delegirte 
(17 Ofenfeper, 12 VSerfftubenarbeiter unb 3 ©epeibentöpfer) an* 
wefenb. ©ehr geflagt würbe über bie Arbeit auf Sauten bei un* 
oerglaften Öenftern unb bei offenem tfoafsfeuer. 2Ran fcplop fid) 
in biefer Beziehung ben Befdjlüffert beS lepten Bauarbeiterfchup* 
^ongreffeS an. Von 31 ©treifs würben im ©ergangenen Sah^f 
28 erfolgreich burchgefodpten. Die Einführung ber unterftüpung 
ber ArbeitSlofen würbe im befcploffen. 3unächft fott in 

allen Orten eine ArbeüSlofenftatiftif aufgenommen werben. 3» 
einer auch oom ©efretär ber ©eneralfommiffton ber ©ewerffepaften, 
Legien, befürworteten Stefolution würbe bie Schaffung einer felbft* 
ftänbiaen 3^9^*Organifation befeptoffen. DerVerbanb foH wieber 
ben warnen „Eentraloerbanb ber Döpfer unb BerufSgenoffeu 
DeutfcpianbS" erhalten. 

Der Verbanb ber Porzellan* unb oerwaubter Arbeiter 
beftplop auf feiner ©eneraloerfamtnlung in SRubolftabt eine Er* 
pöljung ber Beiträge unb ©emährung ausgiebigerer Unterftüpung, 
befonberS im 3?aHe ber ArbeitSlojigfett. Der Verbanb, beffen Ver* 
mögenSlage eine gute ift, beffen ÜJcitglieberzahl in ben lepten brei 
3ahreit aber ftationär geblieben ift, hot int lepten Soh^e an Ar* 
beitslofenunterftüpung allein 72 000 Jt gezahlt. SSiel geflagt 
mürbe über itiebrige Löpne, lange Arbeitszeit unb unaefunbe Ar* 
beitSräunie. ©ro&e Vorficpt würbe bei ©treifs empfohlen; unbe* 
fonnene ©treifs folleu oon VerbanbSwegen nidpt unterftüpt werben. 
Ein Antrag, ben neunftünbigeit Arbeitstag in ben Öabrifeti zu 
forbern, eoentuell zu erzwingen, würbe oem Vorftanbe zur Er* 
wägung überwiefen. 

Die ©eneraloerfammlung beS VerbanbeS ber in Sud)* 
brudfereien unb oerwanbten Berufen befepäftigten ®ülfs* 
arbeiter unb «Arbeiterinnen DeutfcptanbS, ber z- 31- 1428 Veit* 
glieber zählt, wooon etwa 650 Arbeiterinnen, tagte in Berlin, in 
©egenwart oon Vertretern ber Stein* unb Bucpbrudfer. Es würbe 
bie oom allgemeinen ©ewerffepaftsfongrefe in Sranffurt a. V2. bc* 
Züglicp ber paritätifdpen ArbeitSnacpweife gefaxte SHefolution gut* 
geheifeen unb bie Einführung ber ArbeitSlofenunterftiipung im 
Vtinzip befcploffen. 

Die 7. orbentlicpe ©eneraloerfammlung beS Eeutraloerbaubes 
aller in ber ©epmieberei befcpäftigteu Arbeiter tagte in Berlin 



ws;t Soginle ^ßrajri^. Ecutralblatt für Sogialpolitif. Rr. 3u. 9s4 


unb war oon 33 delcgirten aus 32 Stabten beflißt. Es würbe 
fonftatirt, baß ber Berbanb buid) bie (Sinfu^rung ber ArbeitS* 
lofen*llntcrftüpung ein feftereS fjunbament, namentlid) eine größere 
Stabilität ber Mitglieber erhalten pabe. der Berbanb gäplt 
2950 Mitglieber in 35 3apliteHen. (Sin dpeil ber Scpmiebe ge* 
bört bein MetaHarbeiteroerbanb an, tropbem imtrbe ein Antrag ber 
3aplftellen §aHe, Magbeburg unb Braunfcpweig auf Anfcpluß beS 
EentraloerbdnbeS an ben MetaHarbeiteroerbanb als Seftion ber 
Scpmiebe mit 29 gegen 4 Stimmen abgelebt, weil bic Scpmiebe 
gumeift in Meinen betrieben arbeiteten, auf bem ßanbe in länb* 
licpeu Anfcpauuugen erlogen feien unb menig 3ufammengepörig* 
feitSgefüpl bcfunbeten. durch Aenberung beS Streifreglements 
hofft man unbefonnenen AngriffSftreifS au fteueru. Eine Erhöhung 
ber Beiträge fall ber ArbeitSlofen*Unterftüpung gu ©ute fommen. 

Elfter delrgirtentag beS ©etoerloereinS ber beuffipeit 2Ra* 
fdjinenban* unb Metallarbeiter gu Augsburg. Unter ben gapl* 
reichen BeratpungSgeqenftänben ift non allgemeinem Sntereffe bie 
Berpanblung über bie grage geroefen, ob ber ©ewerfoerein fiep 
nach Snfrafttreten beS Bürgerlichen ©efepbutpeS als BerufSoerein 
eintragen Iaffen foH. Beibe Referenten, Kamin*Berlin unb §art* 
inaiin*düffelborf erflärten bieS unter ben obroaltenben Berpältniffen 
für unmöglich. §.61 Abf. 2 beS Bürgerlichen ©efepbucps laute: 
„die BerwaltungSbepörbe fann gegen bie Eintragung Einfprucp 
erheben, raenn ber Berein nach bem öffentlichen BcretnSrecpt un* 
erlaubt ift ober oerboten werben fann ober, wenn er einen poli* 
tifcpen, fogialpolitifcpeu ober religiöfen 3 wecf oerfolgt." §)ier merbe 
alfo bie £mupttpätigfeit ber ©cmerfoetcine, bie Befferung ber 
fokalen Berpältniffe ber Arbeiter betroffen. Unb §. 72 beS ©efepeS 
forbere: „der Borftanb hat bem Amtsgericht auf beffcu Bedangen 
jebergeü ein Bergeidjniß ber BereiiiSuutglieber eiitgurei<pen." $ßie 
ber ©eroerfoerein mit jept 34 000 Mitgliedern, bie in circa 600 Orten 
deiitfdjlanbs wohnen, ein folcheS Bergeidjniß machen unb einreichen 
füllte, bas habe man fid) wohl nicht überlegt. Auch ber Antrag 
Bad)nicfe*Roeficfe, ber bie gute Abficht habe, biefe Beftimmung 
abgufcpwäcpeti, werbe nichts änbern, benn foHte auch ber Reichstag 
guftimmen, fo werbe bie Regierung es nid)t tpnn. Es bleibe &aper 
ben BerufSocreinen nichts weiter übrig, als für bie BerufSoereine 
ein Rormatiogefep gu oerlangcn. die Art unb SSeife, wie heute 
bie ©efepgebung arbeite, laffe aflerbingS für abfehbare 3 e 't fcrft 
jebe Hoffnung auf eine rechtliche Stellung ber BerufSorganifationen 
ber Arbeiter fcpwinben. Unb hoch fei gerabe in unferer 3 e 't bie 
Rotbmenbigfeit ber Rechtsfähigfeit gang befonberS erwiefen. ®ieS 
treffe nidjt nur 311 bezüglich ber Sicperftellung beS BereinSoermögeitS, 
fonbern auch gang befonberS bezüglich ber öffentlichen SO^ätxgfeit 
ber ArbeiterberufSoereine. golgenbe Refolution würbe fobann ein* 
ftitnmig angenommen: 

„der 11. orbentliche delegirtentag beS ©ewerfoereinS ber 
beutfepen Mafdjinenbau* unb Metallarbeiter fpricht fein Bebauern 
aus barüber, baß trop wieberholter feit gapren gemachter Berfucpe 
eS in golge beS ftetigen SBiberftaubeS ber gefepgebenben Körper* 
fcpafteit nod) nicht gelungen ift, bie Rechtsfähigfeit für bie Berufs* 
oereine gu erlangen. Auch bie Hoffnung auf bas Snfrafttreten beS 
Bürgerlichen ©ejepbucpeS hat fid) als eine trüaerifdje erwiefen. 
Raep ben Beftinimungen biefes ©efepeS, inSbefonbere §. 61 Abf. 2, 
ift eine Eintragung in baS BereinSregifter für ben ©ewerfoerein 
ber Mafdjinenbau* unb Metallarbeiter unmöglich. gn Erwägung, 
baß bie BerufSorganifationen ber Arbeiter eines ftärferen gefep* 
liehen SdjiipeS bebiirfen unb ein Recht barauf haben, benfelben gu 
oerlangeu, muß bie Sorberung ber gefeplicpen Anerfennung ber 
BerufSoereine burch ein befonoereS Rormatiogefep aufs Reue er* 
hoben werben." 

der AuSftanb ber Brünier $egtifarbeitet bauert fort. gn 
©egenwart be* ©ewerbe*gnfpeftorS hat neuerbingS ber Bürger* 
meifter oon Brünn mit ben gabrifanten wegen Beilegung bes nun 
fünf BJocpen bauernben Streifs oerhanbelt. die gabrifanten er* 
flärten inbeffen fid) 311 Berhanbluugen mit ben Arbeitern nur unter 
ber Bebingung bereit, bap ber 3 e h n ftunbentag, beffen Einfüpruna 
bie Arbeiter erftreben, „auper grage gefteüt würbe". Unb boep 
haben 3 wei fleinere Sirmen fid) jept entfd)loffen, ben 3 e haftunben* 
tag 311 bewilligen, ber bereits feit längerer 3 *it tn oier gröperen 
Sabrifen in Brünn befteht. ®ie Sammlungen für bie Streifenben 
fließen noch inimer reicplid). 

©in ftongrep ber nngarifchen ©emerff(haften hat 311 Bfingften 
in Bubapeft ftattgefunben; er war oon 66 2)elegirten ber Buba- 
peiter Tyadjor^anifationeit unb ooit 38 ^elegirteu ber s }koüiu 3 * 
mganifationen befd)icft. ^ie ©ewerffd)aftsbewegung ift in Ungarn 
nod) fchwad). Es finb nur etwa 19 000 gewerbliche ftäbtifepe Ar* 


beiter gcwcrffd)aftlid) orgauifirt, währenb bic 3 al)l ber öffentlich 
mtb geheim organifirten ^anbarbeiter weit über bas doppelte be* 
tragen foH. Es würbe befcploffen, bic beftehenben <vachoercine gu 
SanbeSoereinigungen umgugeftalten, bie baS ArbeitSlofen* unb 
ReifeunterftüpungSwefen gu pflegen unb gu bem 3 ro «f bie Mit* 
gliebSbciträge 311 erhöhen haben. Ein Elferfomite foll bie Be* 
fdjlüffe beS tongreffes burchführen, s BiberftanbSfaffen organiftren 
unb etwaige Streifbewegungen überwachen, bie jeweiligen ©croerf* 
fepaftsfongreffe oorbereiten unb einberufen unb babin traepten, ba^ 
balbigft ein Arbeiterfefrctariat gefepaffen werbe. Uebrigen 

fpraep fiep ber^ongrep für ben gefeplicpen gepnftünbigen Maximal* 
arbeitstag, für 36 ftünbige Sonntagsruhe, für Einbegiepiing beS 
Kleingewerbes in bie ©ewerbeauffidjt, für .^erangiepung oon Ar* 
beitern gur ©ewerbeaufpept, für ©ewerbegeriepte, für bie obliga* 
torifepe Unfalloerfidjerung unb für oolle Koalitionsfreiheit aus. 
^)er oon ber Regierung geplanten EentralarbeitSoermittelung roiü 
man pep niept feinblid) gegenüberfteHen, wenn in bereit Berwaltung 
Arbeiter unb Unternehmer gleiche Rechte haben unb in Streitfällen 
feine Arbeit »ermittelt wirb; attberenfaHS foll ber Arbeitsnachweis 
naep Möglicpfeit oon ben Öacpoereinen oerfepen werben. Sie man 
fiept, befleipigte fiep ber Kongrep groper Mäpigung. 

®cr ^iamantarbeiterhttnb in Amfterbam« Anfang Mai hielt 
ber Amfterbamer $>iamantarbeiterbunb, ber am befteit otganifirte 
Arbeiteroerein .^oHanbS mit napegu 8000 Mitgliebern, feine Sapre^* 
oerfammlung ab. 2)itrcp Mitglieberbeiträge gepen jährlich 
300 000 fl. ober burcpfcpnittlicp 40 fl. pro Mitglieb ein. $>ie Mit* 
glieber beS BnnbeS werben fünftigpin in gwei Klaffen eingetpeilt 
werben. S^bes neue Mitglieb wirb auf ©runb einer ältlichen 
Unterfucpung einer biefer Klaffen ^ugetpeilt uttb pat als An* 
gehöriger ber gweiten, bei aHerbiitgs niebrigeren Beiträgen, fein 
Recpt auf Uuterftüpung im öaÖc oon Kranfpeit unb Snoalibität, 
fonbern nur bei UuglücfSfäflen. Alfopoliften werben ber gweiten 
Klaffe gugewiefett. §iir bie neu errid)tetc ©ewerffcpaftSfranfenfafic 
(opne BeitrittSoerpflicptung) fotten BunbeSärgte opne B r * D atpram 
angeftellt werben, denjenigen Mitgltebern, bie wegen iprer 3 Us 
gepörigfeit gum Bnnbe arbeitslos geworben finb, fiept ein Aecpt 
auf Unterftüpung gu. Streitigfeiten gwifepen ben Mitgliebern unb 
bem Bunbe foÖen burep ein SdjiebSgeiicpt gefcplicptet werben. 
3ur Borbcreitnng einer BunbeSalterSoerficperunq würbe eine Kom* 
miffion ernannt, daneben tritt ber Bunb für bie Einfüpning 
einer ftaatlicpen AlterSocrficperung ein. — der wieptigfte Söcfcplup 
war wopl ber, in ben Kampf gur Erlangung beS AcptftunbentageS 
eiugutreten opne Rücfficpt barauf, ob fiep Antwerpen, §>anau unb 
Rew*?jorf betpeiligen. Ein Antrag, gugleid) eine ßopnerpopung 
um 10% gu forbern, um ben bei bem Borperrfcpen ber Afforb* 
arbeit gu befürdjtenben ßopuauSfatl auSgugleicpen, würbe abgelehnt. 
Enblicp würbe bie Errichtung einer ©enoffenfepaftsbäeferei befdjloffen, 
wäprenb ein Antrag, gewiffe Sorten minberwertpiger diamanten 
oom Bunbe fooperatio bearbeiten gu Iaffen, einer Kommiffion gur 
näperen Unterfucpung iibermiefen würbe. 

die RiaffenauSfperrung in dänemarf pat gu einer großen 
Broteftoerfammlung oon ©ewerbetreibenben in Kopenhagen geführt, 
in ber bem Unwillen über bie ArbeiterauSfperrnng, bie gerabe ben 
auf bie Arbeiterfunbfcpaft augemiefeneu Meinen Mittelftano fcpäbigc, 
AuSbrucf gegeben unb ben Auegefpcrrten Unterftüpung gugefiepert 
würbe, die Staat^regierung ober ©emeinbeoertretung möcpten 
ipren Einflnp gur Beilegung beS Kampfes aufbieten. 3ür bie 
AuSgefperrten wirb jept auep in deutfcplanb gefammelt. 3n 
Scpweben unb Rorwegen follen bie Arbeitgeber ben AuSgefperrten 
ebenfalls Arbeitsgelegenheit oerweigern. Anfcpeinenb beabfieptigen 
in ben brei ffanbinaoifepen Sänbern bie Unternehmer bie 3 er * 
ftörung ber Arbeiterorganifation burep AuSfperrung. 

der AuSftanb in ben ©ifenwerfen non ßc ©renfot (im de« 

partement Saone-ßoire), über beffen Ausbruch man fiep in Jywmf* 
reid) fepr beunruhigte, ba er leicpt ben Auftop gu umfangreichen 
ArbeitSftörungen pätte geben fönnen, ging nad) fünftägiger dauer 
erfolgreid) gu Enbe. Aus rotrb uns barüber gefd^rieben: 

die Anlagen oon Ereufot finb baS größte inbuftrielle Unternehmen 
granfreieps unb bilben, äpnlid) wie bie Krupp’fcpen EtabliffementS, 
bie wirtpfcpaftlicpe BafiS für bie Beoölfermig eiiieS gangen Be* 
girfeS. 2c Ereufot mit feinen 30 000 Einwohnern ift uöüiq baoon 
abpängig. der Betrieb limfafjt Berg* unb §iittenmerfe, Mafcpinen* 
bau unb Kanonenfabrifation. Seitbem Sie Unternehmung oor 
etwa feepgig Sflpren in ben Befip ber gamilie Scpneiber über* 
gegangen ift, gilt fie als eine .podjburg beS patriarepalifepen 
3-nbriffcubaliSnuiS. Unter bem gweiten Maiferreid) fpielte ber 
Bater ber heutigen Snpaber eine fepr einflußreiche Rolle unb war 



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©ojiale fragte, ©entralblatt für ©ojialpolitif. Nr. 36. 


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mit Sa 93Iat) bcr 3«fpirator bcr ©ojialpolitif Napoleons. 3it 
Se Greufot felbft mürben SöohlfahrtSeinricßtungen aller Art ge* 
fcßaffen. Saft alle Befcßäftigten ftnb ju mäßigen Mietßen in ben 
Säufern ber So&nf untergebracht. ©ie erhalten freie .^eijung, ein 
drittel beS ßoßneS bei Kranfßeit unb bei ©injiehung ju mili* 
tärifcßen Uebunaen unb alljährlich ©ratififationen oerfcßiebener 
Art. Aerztlicße Beßanblung erfolgt auf Koften beS Unternehmers, 
ber aucß oßne jeglichen Sobnabjua bei ber ftaatlidEjen Alters* 
oerforgungSfaffe ^enfionen für alle Arbeiter fonftituirt. Die 
Sabriffparfaffe, bie gegenwärtig ein ©parfapital oon 9 Millionen 
SrancS repräfentirt, oerjinft bie ©inlagen mit 5 °/o- Sn ben leßten 
Saßren hat bie Sabrif auch begonnen, ihren Arbeitern ben ©rroerb 
eigener Böohnungen ju erleichtern, Konfumoereine ju organifiren 2 c. 
Sür bie Arbeiterfinber ejriftirt eine Neiße oon ©lementar* unb ge*» 
werblichen Sortbilbuncjsfcßulen. Nach ben Angaben ber Unter* 
nebmer belaufen fich bte jährlichen Ausgaben für biefe oerfcßiebenen 
SBohlfahrtSeinricßtungen auf Millionen 3*oncS, mäbrenb bie 
©efantmtlohnfumme nur 11 V 2 Millionen grancä beträgt. Nein 
fachlich befcßweren ficb bie Arbeiter auch feineSroegS über bie 
Bßilantßropie ißrer Brobßerrcn. Unangenehm wirft nur bie Art 
unbBßeife, in ber fie geübt wirb, ©ie artet ju einem ins Kleinfte 
geßenben BeoormunbungSfpftem aus, baS ben Arbeiter auch 
im ^rioatleben oöHtg in bie Kontrole ber Unternehmer bringt. 
Außerbem bienen bie BSoßlfahrtSeinricßtungen nach ben Bor* 
ftettungen ber Arbeiter nur baju, um bie toirfltd)en Söhne möglicßit 
niebrig ju halten. Scbe Sorberung nad) Aufbefferung roiro mit 
bem SimoeiS auf bie großen unentgeltlichen Bergünftigungen ab* 
geroiefen. Sn ber Dßat finb bie Sohnoerhältniffe oon Se ©reufot 
nicht befonberS gut. Das ©chlimmfte ift aber, baß bie Mad,t beS 
Unternehmers 311 fehr für politifcße 3mede mißbraucht wirb. 
Der einzige ©treif, ber feit 30 Saßren bort ju oerjeichnen mar, 
brach anS, als 1870 ber bamalige Seiter bie Arbeiterfcßaft für baS 
Blebiscit jur Urne führen wollte. Aud) ber gegenwärtige Aus* 
ftanb rourjelte weit mehr in ber Bestimmung ber Arbeiter gegen 
ba^ politi|ch mißbrauchte ^atronalfnftem, als bie offiziell forrnu* 
lirten ©treifforberungen erfennen laffeit. Diefe beziehen fich auf 
eine allgemeine Sohnerhöhung, auf ©infüßrung oon feften Aoance* 
mcntSoerhältniffen, halbmonatliche Lohnzahlungen, taftoollere Be* 
hanblung feiteuS ber Böerfmeifter, Befcßwerberccßt für bie einzelnen 
Böerfftätten. Namentlich in ben brei juleßt genannten Sorberungen 
fpricßt fich ber eigentliche ©runb beS AuSftanbeS aus. Die bis* 
ßerige Abroefenßeit fefter Normen in biefen Dingen mar bie Solge 
unb ber Sebel beS AbfolutiSmuS beS Sabrifherrn, ber fo fiets 
nach belieben ßanbeln unb ben Drutf inbioibuell auSübeu fonnte. 
©anj biefem ©eifte entfprang auch bie erfte Befanntntacßunq beS 
BefißerS nach bem Ausbruch beS ©treifeS. Sn einem an „mes 
ouvriers“ gerichteten Aufrufe forberte er einfache BtMeberaufnaßme 
ber Arbeit, bie inbeffen nur theilroeife erfolgte unb am folgenben 
Dage roieber aufßörte. Da ber AuSftanb gut organifirt mar, 
faßen fich bie Sabrifhcrren hoch jum Nachgeben gezwungen. Noch 
ehe baS oon ber Beßörbe eingeleitete ©inigungSoerfaßren praftifch 
cinfeßte, oerftänbigten fie fich mit ben Arbciterbelegirten unb oer* 
fpradjeit außer ben auf bie Sohnoerhältniffe bezüglichen Sorbe* 
rungen auch bie ©nthaltung oon jeher Maßregelung unb bie Au* 
erfennung beS aus bem ©treif ßeroorgegangenen BerbanbeS ber 
Arbeiterfcßaft. Unter biefen Umftänbeu hat am 3. Sw»i bie gefammte 
Belegfdjaft bie Arbeit roieber aufgenommen; aber es ift nad) Willem 
fein Sroeifcl, baß biefem erften erfolgreichen ©dritte ber Arbeiter 
im Kampfe um bie ©leichberechtigung noch weitere folgen. 

SrieMtche SBrenbiguug beS 3lrbeitSfampfeS im SangetoerBe 
©nglanbS. SDie SluSfperrung ber ©tuefaturarbeiter, oon ber in 
biefen Slättern beS Defteren bie Nebe geroefeu ift, hatte jmar 
feinen großen Umfang angenommen, aber fie barg bie ©efaßr in 
fich, baß ihre ^onfequenjen 3 U einem geroaltigen Äampf im ganjen 
Baugewerbe führen fonnten. ®em ift nun gliicflid) oorgebeugt 
worben. $>ur<h Bermittelung beS S cra u^geberS ber „SDaifi) Neros" 
©. %. Goof, ift ein frieblicher Ausgleich jroifchen Arbeitgebern unb 
Arbeitern in einer am 30. Mai in Sonbon abaehaltenett Konferenz 
bewerfftelUgt worben. 6 Unterternehmer* unb 6 Arbeiteroertreter 
unter Borfiß GoofS haben in fiebenftünbiger ©ifcung bie Differenzen 
erörtert unb bie Bebingungen beS ScicbenSfchluffeS feftgeftellt. 4)ie 
Urfache beS ©treiteS war, baß bei brei Sonboner Santen bie 
©tuefarbeiter bie Arbeit eingeftefit hatten, weil ein Bkrfführer fich 
geweigert hatte, ihrem Berbanbe beijutreten. darauf befchloß am 
6 . Märj ^ er Unterneßmeroerbanb, fämmtliche Arbeiter auSjufperren. 
4000 Arbeiter oerßelen bem ©cßicffal, fanben aber gumeift anberS* 
wo llnterfommen. Anfang April fdjeüerte ein AuSgleichoerfuch, 
nun ift er burd) SuterDention eines llnparteiifchen gelungen, ^ic 


Bebingungen finb in £ürje folaetibe: Söerfführer brauchen uid)t 
bem ©eroerfoerein ber ©tuefarbeiter anjugehören, bie SehrlingS* 
frage wirb burch aegenfeitige Bereinbarung feft geregelt, weber 
Unternehmer noch Arbeiter, bie an bem Bertrage fefthalten, bürfen 
in Berruf erflärt werben, bie Arbeitsabgrenzung wirb oon Sofal* 
fomiteS beftimmt, bie ©eroerfoereinSmitglieber geben eine genaue 
Definition oon folgen Nid)t*Unioniften, mit benen fie nicht zu* 
fammenarbeiten wollen, eine ArbeitSeinfteßung muß fe<hs Dagc 
oorher angefünbigt werben, bie jam ©rfaß währenb ber Ans* 
fperrung eingefteUten auSlänbifchen Arbeiter, Staliener, S^anjofen, 
Belgier werben aHmälig entlaffen unb bie cinheimifchen ©tuefaturer 
führen bie oon ihnen begonnene Arbeit weiter. — ©owohl oon beu 
Unternehmern wie ben Arbeitern würbe am ©cßluß ber Konferenz 
£>errn ©oof unb feinem Bottegen ©bwarbs ber wärmfte Danf für 
fhrc Bermittelung auSgefprochcn. 


JCtbeUsttadjttteis. 

Die Beamten Bei fotmmutalen ArBeitSnaihmetfen. 

Sn ben Berathungen beS britten ©eroerffdjaftsfongreffes hat 
bie Srage beS Arbeitsnachweis einen befonberS breiten Naiim 
eingenommen. Die fd)ließli<h gefaßte Nefolution befuubet einen 
erfreulichen Sortfdjritt im ©inne Derjenigen, welche bie Betßeili* 
gung ber Arbeiter an fommunalen unb paritätifchen ArbeitSnad)* 
weifen für an fich jaläffig unb roünfchenSroerth erflären, ohne 
beShalb auf irgenb welche gorberung bcr Arbeiter in Bezug auf 
bie theoretifdje ober programmatifche Behanblung beS Arbeits* 
nathroeifeS ja oergicf)ten. Die fehr langathmige Nefolution — bie 
Srucht eines mühfamen KompromiffeS — enthält aber einen ©aß, 
ber in fich unflar unb faft noch mehr als früher bie ©treifeflaufel 
geeignet ift, bie weitere ©ntroicfelung z u ftören unb ju fchäbigeit. 
©S wirb nämlich für bie fommunalen Arbeitsnachweife oerlangt: 
Rührung bcr ©efchäfte burch aus ben Ncißen bcr Arbeiter ßeroor* 
gegangene Beamte; 5Baht berfelben burd) bie Bcrwaltimgs* 
fümmiffiou. 

3ft biefe Sarberung theoretifch berechtigt? Sft fie burchfüßr* 
bar? §at fie praftifeße Bebeutung? 

Bei ber ©treifeflaufel fonnte ich, bei ooßer Bejahung bcr 
erften Srage, bie beiben anberen oerneinen, unb biefe Anficht (guerft 
oon mir oertreten in ber „©ozialen $rajis", 6 . Sah^Ü- 3p. 683), 
fobann auf ber Karlsruher Arbeitsnachweis * Konferenz 00 m 
13. ©eptember 1897 fann jeßt woßl als bie herrfeßenbe gelten. 
Bei ber oorliegenben „AnftellungSfrage" wirb auch bie erfte Srage 
felbft oon bem eifrigften ©eroerffchaftler bei unbefangener Be* 
traeßtung oerneint werben tnüffen. Auch Qemaub, ber mit bem 
britten ©eroerffeßaftsfongreß (©ingang ber Nefolution) 

au bem grunbfäßlicßen ©tanbpunft fefthätt, baß ber Arbeüsnadi* 
weis ben Arbcitcrorganifationen gebührt, 
wirb zugeben muffen, baß ein fommunaler Arbeitsnachweis aitbers 
oerroaltet werben muß, als ein rein in ben $änben ber Arbeiter 
befinblicßer. Unb zwar oerlangt ber Kongreß 

Berwaltung bureß eine, in gleicher 3 a bl uon ben Arbeitgebern 
unb Arbeitnehmern je in freier SÖaßt gewählte Komntiffiou 
birefter Bertreter unter Leitung eines unparteiifcheu Borfißcubcn. 
©eßt es nun an, wenn man eine folcße Kotnmiffion jmar oicl* 
leicßt nießt wünfeßt, rooßl aber als jur 3 c ü u oc h notßwenbiges 
Uebel anerfennt, ißr fofort bie Borfcßrift ju geben: „Sßr h a ^l 
bie Beamten m wüßten, aber fämmtlicße Beamten ntüffen aus bett 
Ncißen ber Arbeiter h erDor g c g a ugcn fein; fämmtlicße anberen 
©tänbe: Arbeitgeber, Beamte, ©eleßrte u. f. w. finb auSgefcßloffen"!? 
©in rein geroerffdiaftlicßer, allein in ben ,v>änben ber Arbeiter be* 
finblicßer Arbeitsnachweis mag fo oerfaßren — wenn er fitß aud) 
feinenfaßS ftatutarifd) in biefer Art binben wirb —, aber biefer 
rein gcroerffdjaftlicße Nachweis ift ja in bem ©tabium, für welches 
jene Sorberung berechnet ift, noeß gar nießt ba. Unb wenn er ba 
wäre, würbe feine Berwaltung eine reine Arbeiteroerwattung, mit 
AttSfcßluß ber Arbeitgeber fein, alfo baS ©egentßeil beSjenigen, 
was bie Nefolution „unter ben gegenwärtig befteßenben Berßäll* 
niffen" für zuläffig erflärt. 

Aber weiter! 2öaS oerfteßt bentt bie Nefolution unter beu 
„aus ben Neißen ber Arbeiter ßeroorgegangenen Be* 
amten"? ©twa nur bie £>erfunft ber Beamten, ißre frühere Be* 
fcßäftigung? ©0 baß bie Sorberung erfüllt wäre, wenn ber Beamte 
bie ©igenfeßaft als früherer gewerblicher Arbeiter uaeßweifen fönutc, 
aueß wenn er jeßt z- 33- portier, Sobrifauffeßer, fleiner Unter* 
nehmet u. f. w. wäre? ©idjer nid)t; gemeint finb oielmeßr bie 



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6ojiale $rctjis. ©entralblatt für ©ojialpolitif. Rr. 36. 


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Reiben bcr geroerFfcbaftlid) orgauifirten, fo^ialbemofratifAen „Haffen* 
bewußten" Arbeiter. $>er Beamte foll bis 3 U feiner 3Bat)l in ber 
geroerffcfjaftlidfjen Organifation aeftanben ^aben urtb tf)ätig ge* 
roefen fein, er foll fid^ burd) ©ifer unb Energie in biefer Be* 
Siebung empfohlen haben. ©rfüllt er biefe ©rforbcrniffe, fo roirb 
feine geroerffd)aftlid)e ober fojialbemofratifdje Berfatnmlung gegen 
ifjn ftd) erHären, auch roenn er bis jur 2Sabl nid)t Arbeiter, 
fonbern Rebafteur, ©eroerf fdjaftsbeatnter, Abgeorbneter ober roaS 
foitft roar. 3ft er fein guter „©enoffe", fonbern 3 . B. djriftlicb- 
fo 3 iaI, ©eroerfrereinler, Herifal, fo toirb feine 2 Bat)l ben ©eroerf* 
fc^aften, roie fie nun einmal tfjatfädjlid) finb, unmöglich als ©r* 
füHung ihrer 3orberung erfdjeinen. 3ft es aber, immer 00 m 
©tanbpunft ber t^eoretifdjen unb logifdjen ©rroägung, jitläffig, 3 U 
erHären: BHr (affen ben fommunalen Arbeitsnachweis 3 U; mir 
forbern aber, ba& bie BerroaltungSfotnutiffion nur jfoldje Beamte 
bcftellt, bie fpesiell unfere — oer geroerffchaftlicb organifirten 
Arbeiter — An fugten oertreten? 

Aber (affen mir bie Theorie bei ©eite, unb febett mir 3 U, roie 
ficb auf ©runb ber Refolution bie praftifdje Berroaltung geftaltet. 

2)ie fommiffton foH bie Beamten mä^Ien. $)ie fommiffion 
beftebt aus gleicboiel Arbeitern unb Arbeitgebern, unter Leitung 
eines unparteiifeben Borfibenbett. BMe roäblt bie fommiffton? 
©elbftoerftänblid) nad) ©timmenmebrbeit. BHe aber, roenn bei ber 
Abftimmung Arbeiter unb Arbeitgeber in oerfchiebener 3 a bl ans 
roefenb finb? ©ntfebeibet au<b bann bie blojje SRajorität ober 
bürfen bann nur gleidjoiel äRitglieber oon jeher ©eite ftimmen? 

3nt erfteren gatl entfteben natür(icf) lauter 3afalIS*Abftim* 
uuutgen; tyutt fehlen 3 mei Arbeiter unb nun roerben ihre ©enoffen 
überftiimnt, in ber näcbften ©ifcung mag es umgefebrt fein.*) 3 m 
anberen galt mirb eS eben gerabe bei ber Beamtenroafjl gewöhn* 
lid) 3 unt ©ticbentfcbeib beS Borfibenben fotnmen, menn nid)t etroa 
3 itfä 0 ig bie Arbeitgeber unb Arbeiter alle berfelben Partei unb 
bemfelben politifeben Berein angeboren. Aber ferner: $)ie fom* 
iniffion roäblt bie Beamten, ©ntläftt fie biefe autb? Rtufj bie 
fouoeraine fotnmiffion ficb Beamte gefallen Iaffen, rcelcbe ihre 
Borgängerin eingefefct bat? BUtffen bie fo 3 ialbemofratif<ben Ar* 
beiter, menn fie enblicb bie Majorität bei ber 2 Babl erlangt haben, 
bie Beamten bulbeit, welche — im Rbeinlattb 3 . B. - bie flerifaleit 
Arbeiter ber oorigen ^ommiffion eiugefefct haben? fonfequent ift 
natürlich nur bie gorberung, bafc bie fommiffiott bie Beamten 
nach 3 u falISmajoritäten ernennt unb entläfet,**) etma roie in Rorb* 
amerifa oielfacb bie Beamten nach ben Btäfibcntenroablen geroecbfelt 
roerben. $5afc aber bierburd) — gan 3 abgefeben oon ber materiellen 
£age, in welche fie gerietben — jjebe ©elbftftänbigfeit unb 3 « s 
oerläffigfeit ber Beamten 3 erftön mürbe, bebarf feines Rad)roeifeS. 

Aber ber unparteiifdje Borfifeenbe foll ja gerabe berartige 
s ^artci*AuSfdjreitungen oerbüten. ©eroifj; aber oielfacb fann er eS 
nicht, roenn bie Bfajorität gegen ihn bergcftetlt roirb. Unb roo er 
es fann — bei ©timmengleidjbeit — ift er in noch üblerer Bo* 
fiiion, roeil feine ©ticbentfcbeibnng ihm als Aft bcr 'Parteinahme 
ausgelegt roirb unb in ber Sßrcffe, Berfatnmlungen n. f. ro. bie 
äufjerfte Agitation entfachen tnujj.***) 

^ie lleberlaffung ber Wahlen an bie ans Arbeitern unb Ar* 
Zeitgebern, b. bv mie bie Berbältniffe liegen, aus pringipiellen 
©egneru sufatntnengefebte fotnmiffion ift hernach minbcftcnS be* 


*) 3» Sranffurt haben bic Arbeiter biefe $borl)cit aHerbtngs 
oerlangt. 3» bem (Sntrourf 0011 Abänberungcn bes bcftebeitben Statuts, 
betten Atdjtbenicffidjtigung burd) ben iWagiftrat eine ber ^muptbcjdjuier* 
ben bilbet, roeldjc bas bortige fo^talbcmöfratifc^c Blatt gegen ben bor* 
tigen foinuiunalen Arbeit*nnd)roeiS erhob, füllte namentlich bic befte(jenbe 
Borfdjrift (ÜDlitroirfnng oon gleicboiel Arbeitern unb Arbeitgebern bei 
jeber Abftiimunng) burd) bie Borfcfjrift ber bloftcn Majorität erfe^t 
roerben. 

■ Spf ) Auch bicfeS Aufiunen hatten bie ^ranffurter „ÖJeuoffeu" tljat* 
tädjlid) au bett A?agiftrat erhoben. 

Alles (Mefagtc ift ber praftifcheit Erfahrung entnommen. 3n 
Aranffurt batten bei ber SÖahl bes WefcbäftsführerS bic Arbeitermil* 
glieber ber Atommijfiou einen im politifeben unb geroerffdjaftlidjen Öebeu 
oerbienten „(rtenoffen", bic Arbeitgeber einen in ber 3nuungSberoeguug 
feit je thätigen Mlcinmeiftcr oorgefdjlagen. Beibe Alaubibaten roareu 
..aus beit Aeihctt ber Arbeiter beroorgegangen", ba bcr eine Zimmer* 
gefelle, ber anbere (Sonbitor getoefeu roar; b'ctbc roareit au fid) burchauS 
gnalifi.^irt 31 t ber ©tellung. -Zätte nun ber Borfi^eube mit ben Arbeitern 
gegen bic Innungen ober mit ben Innungen gegen bie Arbeiter ent* 
feheibeu, b. b. Bartei nehmen füllen'/ 2:cr BZagiftrat, roeldicr bie (5nt* 1 
fdieibuug halte, ba bie Mommiffion nidjt 311 umbleu bat, fonbern nur | 
>u hören ift, roählte bann feinen biefer Barleifrimpliitge, fonbent einen j 
britten, burd) feine o'rfabruug in ber Arbeitsoerinitteluug befoubers ge* ( 
eigneten Bäittn (früher Mommiv, ©obn eines rdjreiuersl. Unb bas 
marb bie •{■'augtbefdiroerbe ber JJrauffurter Arbeiter!! ! 


benflicb. 3 ft f^ 1 ' aber red)tlid) möglich? können bie ®cmeinbe* 
oorftänbe, Biagiftrate, Dberbürgermeifter, ©emeinberätbe u. f. to. 
oöllig auf jebc Antbeilnabme oer 3 icbten? ®ie ltnterfuebung biefer 
Rechtsfrage roürbe in oerroidfelte AuSeinanberfefcungen über bie 
©täbteorbnung in in ben anberen ©taaten führen, 

bie hier nur angebeutet roerben fotten. ©icber ift, bafj 3 ur $eit 
nirgenbs in $>eiitfd)lanb, bei feinem fommunalen ArbeitSnachroeis 
bereu Borftanb ein folcfjeS Recht 3 ufte()t (auch nicht 3 . B. in Bafel 
unb 3nricb). ^ebiglich iu ^öln ernennt unb entläßt bie ,,Ber* 
bau b So er f am mlung" bie Beamten, freilidj auch bi^ mit bem 
Recht beS CberbürgermeifterS 31 fr Betätigung beS BerroalterS. 

Aber biefe BerbanbSoerfammlung ift eben auch feine burd) 
birefte Bertreter ber Arbeiter unb Arbeitgeber in freier Bkhl 
gewählte tommiffiou, fonbern fte ift in fiinftUcher Bkife 3 ufautmen* 
gefegt aus ben $)elegirten ber oerfchiebenften Bereine, Sforporationen, 
3nnnungeit, ©eroerffchaften, fo baR allerbingS bie oben gefd)ilberten 
Bebenfen gar nicht auftreten fönnen, roeil nie eine ein 3 elne Bartei 
bie ÜKaforität in ber Äommiffton erlangen fann, inSbefonbere nicht 
bie ©eroerffchaftler, bie nur oier oon ben 18 SRitgltebern roähfcn 
bürfen! ^)afe bies ben SSünfchen beS ©eroerffchaftSfongreffeS ent* 
fpricht, ift faum an 3 unehmcn. 

BSäre nun aber für bie Sthätigfeit ber fommunalen ArbeitSnach* 
roeife oiel erreicht, roenn bie Beamten fämmtlid) „aus ben Reiben 
ber Arbeiter beroorgegangen" unb fämmtlid) oon ber ftommiffton 
ernannt unb oon tfji allein abhängig roären? 9Ran fönnte mit 
ber ©egenfrage antworten: Bßarb bei" AuffteHung jenergorbening 
angenommen, bafj bie Beamten ftch in ihrer AmtStbätigfeit nad) 
ber ^ommiffion 311 richten haben ober nidjt? Söarb bies angc* 
nommen, fo fommt eben AHeS auf bie ftommiffton unb faft nichts 
auf beren auSfübrenbeS Organ, bie Beamten, an. 3*ne beftimmt 
bie ©mubfäfee, nach benen bei ©treifs, bei unbilligen Arbeits* 
bebingungen it. f. ro. 311 oerfabren ift, prüft bie eingebenben Be* 
febroerben, entfd>eibet in allen 3 meifel£fragen; bie Beamten finb 
ieoiglicb für Befolgung ihrer Softrnftionen unb für prompte ©e* 
fcbäftSerlebigung oerantroortlicb; ihre perfönlidje BJeinung, ihr 
politifdjeS ©laubenSbefenntnife fommt nicht in Betracht. 28arb 
aber im ©egentbeil bie gorberung aufgeftellt, roeil ber ©eroerf* 
febaftsfongrefe an ben „aus ben Reiben ber Arbeiter beroor* 
gegangenen ;/ Beamten Organe 3 U finben glaubte, bie eoentueH aud) 
ohne unb gegen bie Sfomntiffion unb beren Borfibcnben bereit froh, 
bie Arbeiterforbermtaen 31 t oertreten, bie ©eroerffebaften über alle 
Borfommniffc am ArbeitSmarft 311 informiren, bann 3 eigt fuh 
toieber, baf) bic Berfaffer biefeS ©apcS, bem SSortlaut ber Refo* 
httion 3 ttm 2rob, bie fommunalen ArbeitSnacbroeife tbatfäcblicb 
nicht roo Ilten, auch nicht als UebergangSftabium. ©S märe 
offenbar eine ilnmöglicbfeit, bafe unparteiifebe BerroaltuitgS* 
fommiffionett burd) Bartcibeamte ihre ©efdjäfte führen Iaffen 
follen; cS ^iefjc baS einfach bie fommiffionett 3 U ©unftett bcr 
Beamten lahm legen. 

AücrbingS roäre freilich bei biefem ©alcul ©ines überfehen: 
baR nämlich bie Beamten roenigftenS bei ben grofeett Arbeits* 
oermittelungSftellen in ben .f>auptftäbten, in Berlin, BHinchett, 
3ranffurt, ©tuttgart u. f. ro. gar nid)t in ber Sage finb, im ©lilleii 
unb ohne Borroiffen ber fotnmiffion bei ber ©rlcbigung ber ®e* 
fud)e bcr Arbeitgeber ober ber Arbeiter ben einen Xbeil 3 U be- 
güttftigen ober 3 U benadjtheiligeit. Betrügereien fönnen natürlich 
oorfotntnett, wenn fie unehrlich, ber Beftechnng 3 ugänglich Rnb; 
rootttett fie aber eine beftitnmte flaffe oott Arbeitgebern surücffefcen 
( 3 . B. wegen ber fcblechien ArbeitSbcbingnngen, wegen unerlebigtcr 
Befchroerbett ber Arbeiter), ober eine beftimmte f laffc oon Arbeitern 
begünstigen ( 3 . B. bie ^ielberoufcten ©enoffen", bie burd) ©treifs 
brotlos ©eroorbenen 11 . f. ro.), fo roürbe bies fofort burch Bc* 
fchroerbett u. f. ro. 3 ur feitittniR ber f otttmiffion fomtnen, unb biefe 
müfjte entfehetben, ob fte baS betreffeitbe Borgehen billigen roifl 
ober nicht. 

freilich roirb cingeroanbt roerben, ba& ja auch nicht bieS^ber 
3 roccf ber gatt 3 en 3 ° r ^ e ntng fei, bafe tnatt lebiglith unb nichts 
AttbereS wolle, als bie ted)itifd) richtige Beforgung ber ©efchäftc; 
bie ans ben Reiben ber Arbeiter beroorgegangenen Beamten feien 
beffer als Anbere über bie Bebürfniffe itn ©eroerf informtrt, 
föttnten bie fteHenfucbenben Arbeiter genauer beurtbeileit unb mit 
mehr ©aebfenntnifj ben richtigen Wattn für ben richtigen Bfefe 
wählen. 

©S mag baf)itt geftellt bleiben, ob biefer ©inroaitb ftets ehr* 
lief) gemeint ift; richtig ift er nidjt. fein Beamter einer Ar* 
beitsnadjrocisanftalt fann in alleit Rächern gleicbntäRig beroanbert 
fein, alle ©etoerbe gleid)tnäftig genau fenneit: jeber roirb febr rafd) 
einen lleberblicf in biefer Be.jiehung geroinitett, unb je länger er 



989 


(Sogtale $ra$t$. ©entralblati für ©ogialpolttil. Ar. 86. 


990 


int 5Xtnte ift — je länger er auf gehört hat, Arbeiter gu fein — 
tun fo beffer. ©erabe rein ted^nifc^ ift nicht ber Beamte am beften, 
beffen frühere ^ptiafeit ben Kunben beS ArbeitSnadf)roeife$ ben 
Berbadjt einflößt, baß er geneigt fein werbe, feine früheren ga<h* 
enoffen ober feine $artetgenoffen, bie thtn bie ©teile nerfcfjafft 
aben, gu beoonugen, fonbern berjentge, non welchem Arbeitgeber 
unb Arbeiter wiffen, baß er fein gntereffe baran bot, anbere, als 
bie bent Auftrag am beften entfpredfjenben Arbeiter gu oermitteln 
ober Arbeitspläne angugeben. ©inem anberen Beamten roirb man 
minbeftenS gutrauen, baß er bie ©rlebtgung beS einen Auftrags 
oergögert, bis ein ^arteigenoffe gur H>anb ift, unb bie (Srlebigung 
beS anberen, roeil er feine greunbe oon ber Innung gern fdjneHer 
bebient, als bie außerhalb ber Snnuna fte^enben Arbeiter. (Sntfle^t 
aber erft ein foldt)eS BRißtrauen, fo ift bie ©ntwicflung beS 
fommunalen Arbeitsnachweis gelähmt, unb bie Aufgabe ber Kom- 
miffton ift es gerabe, burd) ffharfe Üebermad^ung ber Beamten, 
genaue Prüfung ber eingehenben Befchwerben, genaue ©inftcht in 
alle ©ingelbeiten beS ©efchäftsbetriebs bie Beamten gur rein fad)* 
licken ©eftbäftsbebaitblung angubalten. 

Raffen mir baS ©efagte gufammen! ®ie gorberung: ,,$)er 
Arbeitsnachweis ben Arbeitern, ber fommunale, b. b- unparteiifdbe 
Arbeitsnachweis nur als Uebergang", mag richtig ober unrichtig 
fein, jebenfaüs enthält fie ein flareS, beftimmteS Programm. 

©eßt man aber bingu: „AuSftattung beS fommunalen ArbeitS* 
nacbroeifeS mit Beamten, roeldbe lebigiich unb einfeitig Arbeiter* 
intereffen oertreten follen, bie aber gugleicb bezüglich ber ©rneuerung 
unb Amtsbauer auSfchließlich oon ben Sßajoritätsbefcblüffen ber 
BerwaltungSfommiffionen abhängig finb," fo oerlangt man etmaS 
tbatfä(bli(b unb logifcb Unmögliches, baS, wenn eS realifirt werben 
fönnte, ben Arbeiterintereffen nicht einmal nüßen würbe. 2)enn 
ent web er würben bie Arbeitgeber auf ben fommunalen Arbeits¬ 
nachweis oergichten, beffen Beamte lebigiich bie ©efchäfte ber 
Arbeiterforporationen beforgen, oon benen fie gewählt finb, ober 
es würben bie Beamten felbft, troß ihres UrfprungS aus ben 
Leihen ber Arbeiter, nadh ihrer 2Bafjl i|re s ßarteiangehörigfeit in 
ben £>intergrunb treten (affen unb nadh farger 3eit in ihrer ©e* 
merffchaft oergeffen werben. 2öiü man fommunalen Arbeitsnach¬ 
weis, fo müffen bei ihm für bie Beamten*©rneuerung bie Regeln 
gelten, welche wie bei allen für alle BeoöIfcnmgSHaffen beftimmten 
©inrichtungen, fo auch namentlich für bie Kommunaloerwaltung 
unb gang befonberS auch für ben Arbeitsnachweis gelten müffen: 
2)ie 3 u 9 e hörigfeit gu einer beftimmten Partei barf weber Aus* 
fdjließungSgrunb noch ©mpfehlungSgrunb für eine Sßahl 
fein, am wenigften aber eine auSfcf»IiefeIic§e Anwartfdhaft bafür 
oerleihen. 

granffurt a. 3D l K. glefcf). 

$er ©rotrafoerbanb betttfdjer gnbuftrieller ttttb ber Arbeits¬ 
nachweis. ©ine am 3.Quni in Berlin abgehaltene $>elegirten* 
oerfammlung beS ©entraloerbanbeS hot nach lebhafter ©rörterung, 
in ber bie ©rfahrungen in ben oerfchiebenen Snbuftriebegirfen mit* 
getheilt würben, folgenben Befdjluß gefaxt: 

„2>ie 2)eIcgirtenoerfammlung hält es unter SBürMgung beS SBertßeS 
ber oon Arbeitgebern geleiteten ArbeitSnachweife für eine unumgäng¬ 
liche Aothwcnotgfeii, bah biefe ArbeitSnachweife auch in 3ufunft au g s 
fdh Iiefjlidh in ben Rauben ber Arbeitgeber oerbleiben." 

tiefer Befcfjluß war gu erwarten, nadhbem ber ©eneralfefretär 
beS BerbanbeS fi<h auf ber ArbeitSnachweiSoerfammlung ber Unter* 
nehmeroerbänbe oom 5. ©eptember 1898 gu öeipgig unter 3urüdf- 
weifung beS „©chlag Wortes" oon ber (Gleichberechtigung ber Arbeiter 
mit bem Arbeitgeber, mit bem ein ungeheurer Unfug getrieben 
werbe — baS SBort ftammt aus ben gebruar*©rlaffen Kaifer 
SöilhelmS —, fidh für ben einfeitigen Unternehmemadhweis als 
2Jtac|t* unb Kampfmittel auSgefpodhen hotte. Aber ber Befchluß 
ift um fo bebeutfamer, als ber Borfißenbe ber 5)elegirtenoerfamm* 
lung, ©eh- Qinangrath 3enfe*©ffen, bie guoerfichtli^e ©rwartung 
auSgefprodjen hot, „baß es getingen möge, eine Drganifation gu 
feßaffen, welche unfere gelammte beutfehe Snbuftrie tn fleh faßt". 

©in paritättfdjer Arbeitsnachweis in ßetpgig ift oon einem gu biefem 
groetle gegrünbeteit Berein für Arbeitsnachweis errichtet worben. Soweit 
förperfchaftlich georbnete ArbeitSnachweife bereits oorhanben finb, foU 
beren 2hätigfeit unberührt bleiben. Bon ihrem eigenen ©rmeffen wirb 
es abhängen, ob fie fpäter in ein AuStaufcboerbaltmß gu bem neuen 
Berein treten wollen. 2)ie ArbeitSnadjweiSfteHe wirb in gwei Abthei¬ 
lungen gerfaHen: eine für männliche, bie anbere für weibliche Arbeiter. 
Sie Berwaltung liegt in ben §änben eines befonberen AusfchuffcS, ber 
aus je oier Arbeitgebern unb Arbeitern befteht. 25iefe follen je gur 


Hälfte burch ben AuSfcfcuß beS ©ewerbeaeridjtS unb ber DrtSfranfen* 
taffe gewählt werben. gür bie weibliche Abteilung wirb ein grauen* 
AuSfajuß geBilbet. SBäfjlbar gum Amte beS BereinSoorfißenben finb 
weber Arbeitgeber noch Arbeiter. 25ie ©rhebung einer ©infehretbe* 
gebühr oon 10 ^ für bie Arbeitfudjeuben würbe mit 85 gegen 80 (Stim¬ 
men abgelehnt. £>ie fogenannte (Streifflaufei würbe in folgenber gaffung 
angenommen: 

gm gaHe einer Arbeitseinteilung ober AuSfperrung hot ber Bor- 
ftanb bie Arbeitfudljenben h^oon gu unterrichten, ben Betheiligten aber 
eine furg bemeffene griff gu fepen, binnen beren fte baS ©inigunaSamt 
beim ©ewerbegeridfjt angurufen hoben. SBenn le^tereS nicht aefchieht 
ober eine ©inigung nicht gu ffanbe fommt, ober wenn fidh bie Borteien 
bem ©chiebsfpruche nicht unterwerfen, fo hot ein oon Arbeitgebern unb 
Arbeitern gleichmäßig befeßter Ausfluß gu befdhließen, ob ber Arbeits¬ 
nachweis für baS betheiligte ©efcßäft ober ben betheiligten ©efchäfts- 
jweig feine Shätigfeit einfteüt. SSähreitb ber griff bis gur Anrufung 
oeS ©ewerbegerießts (begw. bis gu beffen ©ntfeheibung) hot bie Shötig* 
leit beS ArbeitSnachweifeS gleichfalls gu ruhen. 

Sünbliche ArbeitSOermittelutig in Baben. er Berbanb 
Babifcher ArBeitSnadßweife (ogl. ©p. 931) h fl t nach feinem 
1898 er Bericht bie Sftidhtigfeit feiner Anfchauung Beftätigt gefunben, 
baß ber fianbwirthfehaft Beffer als mit Befonberen lanbwirthfchoftlichen 
ArBeitSnadhweifen mit einer allgemeinen, alle $weige umfaffenben 
ArBeitSnadhweiSanftalt unb burch bie Berbinbung untereinanber unb 
mit ben BerpflegunaSftationen ben richtigen AuStaufch.ber Arbeiter 
gwifchen ©tabt unb ßanb gu förbem. 2)ie Anftaltin greiburg hatte 
barin bie Beften ©rfolge, tonnte aber ben Bebarf an lanbmirth* 
fchaftlichen Btägben auSreidhenb nicht beeten. Aehnliche ©rfahrungen 
machten Konftang unb ^Sfor^^eitn. Konftang tonnte mit feinen 
gilialen unb BerpflegungSftationen 904 B er f° nen als länblidhe 
Arbeitnehmer einfteUen. Bon 352 SReferoiften beS XIV. ArmeeforpS 
würben burch greiburg, §eibelberg, Karlsruhe, 9Äannheim, 
heim unb ©dhopfheim 299 in Arbeit gebracht, gn ßahr, Offen* 
Burg unb KarSruhe werben oon ben Anftalten auch Heinere 2öoh s 
nungen nathgewiefen. 

5>er Arbeitsnachweis ber bentfehen ©ewerfrereme nnb ebangeltfchen 
Arbetternerebte gn $re$ben würbe 1898/99 (Berichterftatter AegierungS- 
ratl) B?. greiherr o. SSelct) oon ben Arbeitern in 731 gälten, oon ben 
Arbeitgebern für 614 offene ©teilen Bennßt. $)urcff bie Bermittetung 
würben 436 ©teilen nachweisbar befeßt; 181 ©teflungfuchenbe würben 
in niefft angemelbete ©teilen gebracht. Bon ben ©tellenfuchenben ge¬ 
hörten 317 ©ewertoereinen, 215 eoangelifchm Arbeiteroereinen, 29 bem 
Königlich ©ächfifdjen SKilitäroerein, bie übrigen ©efellen- unb güng- 
IingSoereinen ober gar feinem Berein an. Stichtmitglieber gahlen bei 
Benußung eine ©infehreibgebühr oon 25 ©onft ift bie Benußung 
für Arbeiter wie Arbeitgeber unentgeltlich- ®er Bericht fpricfjt ben 
SBunfch aus: „Btöge unfer Unternehmen, baS bisher in einträchtigem 
Sufammenwirfen oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gefchaffen unb 
oerwaltet worben ift, auch fünftig in gleicher SBeifc bem ©ebanfen ber 
fogialen Berftänbigung bienen, bem eS feine ©ntfteljung oerbanft." 
2)em SBunfche fönnen wir uns nur anfchließen. 


ßltcrurifdjt SCnjeigm. 

Annalen beS 2>eutf<hen Aeichs für ©efeßgebung, Berwaltung unb 
©tatiftif. ©taatSwiffenfctjaftliche 3 ei tl^ri|t unter Btitwirfung 
gahlreicher gachmäuner h^ouSgegeben oon Dr. ©eorg $irt§ 
unb Dr. Btaj o. ©epbel. 32. goh^Ö- l 899 - Br. 6 unb 7. 
Btünchen unb fieipgig, Berlag oon ©. pirth- gährli^ 12 §efte. 
Abonnementspreis: oierteljährlich 4 M. 

Socialstatistik. Bind I. Indledning indeholdende Forklaring angaaende 
de af Kommissionen ivserksatte socialstatistiske Undersogelser samt 
Oversigt over de vigtigste Resultater af den af samme udgivne 
Socialstatistik (Bind II og III). (Bilag til den pari amen tariske 
Arbeiderkommissions Indstilling.) Udarbeided yed Direkter 
A. N. Kiaer og Pastor E. Hanssen. Kristiania 1898/99, 
0. Christiansens Bogtrykkeri. 108 S. — Bind II. Statistiske 
Oplysninger om Alders- og Indtaegtsforholde etc. da begyndt at 
arbeide, og Indtaegtsforholde 1894. Tabeller-Rigets Byer. (Bilag 
til den parlamentariske Arbeiderkommissions Indstilling. Udarbeided 
ved Kommissionens Sekretariat. Kristiania 1897, A. W. Broggers 
Bogtrykkeri. S. 1—616. — Bind III. Tabeller-Rigets Bygder. 
Kristiania 1898, Thronsen & Co.’s Bogtrykkeri. S. 617—1303. 

Bericht über bas IV. ©efdfjäftsjahr ber Sßreußtfchen ©entral*@e= 
noffenfdjaftS-Kaffe für 1. April 1898/99. 

2) eff au, Bericht über bie Berwaltung unb ben ©tanb ber ©emetnbe- 
Angelegenheiten ber Aefibeitäftabt $effau pro 1. guli 1897/98. 

SSormS, BerwaltungS-Aecheufchaft beS BürgermeiftcrS ber ©tabt SSorms 
für 1897/98. 

Karlsruhe i. B., ©emeiitbe-Boranfchlag für bas AechnungSjabr 1899. 

Biagbeburg. Haushaltspläne ber ©tabt Bcagbeburg für 1899. 


«erantiDortltdi für bie »ebaftion: Dr. «rnft Stande tn »erlin W., »aijreutberftrafee 29 . 




991 ©ojiale $rart3. Gentralblatt für Sosialpolitif. Sßr. 36. 992 

©ic £r*itc*U Prärie“ erlernt an jcbcm ©onnerätag unb ift burdj alle öucbbanblungen unb ^oftamtcr (^oftaeitungönummer 7072) 3 u bejiefjen. ©er $rei3 
’ für ba8 SSicrtcljatjr ift 3 k. 2,50. $ebe Kummer foftet 30 $f. ©er «njeigenpreiS ift 60 g}f. für bie brcigefpaltene ^ctitjeile. 


Dcvfafl Innt IHtmltcv &• RuntWot in Xctyitia: 

©cv Arbeitsnachweis. 

©ine fojialpolitijdje ©tubie 

non 

Dr. jur. fUdjitrb grettttfr, 

fflorpfcenbem ber 3m>alibität8* unb iHltcr8-Bcrrict)crung8*«nftalt Berlin unb be3 BerbanbeS ®eutf(6er «rbeitSmadjroelfe. 

(Eriueiterter Sonbevabbrurii aus her „Sozialen ^lrariß“. 

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/erlag von GustavRscher in Jena- 


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rJfrwenschmerzen 


Behandlung und J 
durch Handg: 

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Mit 22 Abbild, iir 

Zweite gänzlich umf 
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Maegeli. 

i Text. 

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41I<»tvot' ^rlti'itKimrhmi'ttr s * e f eral beS ftommet » ieni<rts 0ftctta 8’ ® tutt fl“ rt ' 

lUUIUIjU l I. . j n j, cll g^jjjtfn be* &. $trtin3 für Jlrmcupflcge 
§eft 1. (1886, ?rei* 1 2R. 80 $f.) 

lieber bie gefrijüftignng brr ^rbeitshifen uni» bat 
Jtnrijuu'iö nun Arbeit nlö pittel wrrbeugeitber 

‘iürmeiritflfite ©ebattc in beit s HerI)an Mittigen beS ©. $ereinö für 'Armenpflege, 
llf» |U ♦ S^agbcburg 1887, tuiebergegebeti in ben ©Triften bc$ fßercinS 
.fteft 5. ($rete 2 3ft. 80 $f.) 

lieber pfrijüfttgnng arbeitelnfer dritter unb ^rbeits- 
mtdjmets als pittel ttorbeugettber Armenpflege. 

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pflege £eft 4. (1887, $rei£ 3 3k. 20 ^f.) 


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deutschen Bankgesetzes. (( 

Dr. Karl Helflerich. 

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Preis 3 Mark. Mitarbeiter sind u.« 

Geh. Rat v. Brandt, 

Der Eintritt des Zeitpunktes, zu welchem die Reichsregierung be- ßrinkmann, Prof. M. 
rechtigt ist, die Privilegien der Notenbanken aufzukündigen, stellt die Geh Rat Eulenburg 
deutsche Gesetzgebung nicht nur vor die Frage, ob diese Privilegien p ro f. S. Günther, W, 
verlängert werden sollen oder nicht. Die Gesetzgebung ist in der Lage, Gräfe, Prof. Meili, F 
die bestehenden Notenrechte unter veränderten Bedingungen zu erneuern, Rat p e i mann , Prof, 
und sie muss diese Gelegenheit zu zeitgemässen Aenderungen A Schultz, Prof. S< 
des Bankgesetzes um so sorgfältiger benutzen, als während der Gültig- Verworn Prof. Webe 
keitsdauer der Privilegien einschneidende Aenderungen ohne die Zu- ’ p ro f. Wis 

Stimmung der einzelnen Notenbanken kaum vorgenommen werden konnten. p r nh«nntnmprn nratis un 
Deshalb werden gelegentlich des bevorstehenden Kündigungstermins nicht _ M 

nur Umgestaltungen der Grundzüge unserer Bankverfassung, sondern Zu beziehen 

auch Aenderungen innerhalb des Rahmens der bestehenden Bankver¬ 
fassung einer eingehenden Erörterung unterzogen. 

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I^anMmch für Armenpfleger. 

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für in öcr öffentlicfeeu oöer priuaten 
Armenpflege tbätige Pcrfonen. 

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non ben Unterjcidinetcn 

GreUe «te Tiedemanu. •'£>nUlbu v g. 


Bcrantroortlid) für Dte «njeigen: peamutt) ©ctbel, ücipjig. — Bcrlag uoti üunder & yumblut, SJeipjig. — ©ebrueft bet Jultu« SittcnfcU), öftU». 












©erlin, ben 15. Sunt 1899. 


VIII. gajjrgmig. 


Uronmtr 37. 


Schale ptaps. 

^ettfrafSfaff fä* §>ogia£:poeifiß. 


mit ber SRonatSbetlage: 

Das (Scwcrbc^mcbt. 

Organ bes Oerbanles beutfdjer (Seroerbegeridjte. 

Neue golge ber „Slätter für fojtole $wjtg» unb beS „SojicilpoUttfcpen SentratBfattS*. 


. ©tflftdttft Ml Jtfc« $MUKrft*f* 


Herausgeber: 


f«w ^uxrnmm »«. w *u 


»ebattiom 8erttn W„ »(üjteutberftra&e 39. Dr. $mß JtaU&t* »«Ing toon Sun** & fmmMot, Selbig. 


Jnhnlt 


Die Metljobe bet Lohnarbeiter- 
©tatiftif ber preu$ifcben®tf en- 
babnoerwaltung. Sott Dr. ©. 
^irfcbbetß, ©barlottenburfl . 993 

VliawiM ©sfttal' »«I mtttfdifll* 
poltttl.999 

Sine Deoffchrift, tote fte nicht 
fein fall! 

Die ©eneraloerfammlung bcö SeteinS 
für ©oiialpolüif. 

©uOgeftaltung befi Dfterreid^ifd^en 
fcrbeitSbeiraibS. 

Befflifcbefl ©efefc, betreffenb bie ©id&er* 
beit unb ©efunbbeit ber in inbu- 
ftrieHen unb fautmännifcben Unter¬ 
nehmungen befcbäftigten Arbeiter, 
ftawaranale .... 1003 

Äontmunalprogtamm für Düffetborf. 
Die {Regelung ber Dienft- unb Sohn- 
öerbältniffe ber ftäbtifdjen Arbeiter 
in Mannheim. 

SlUerfi* unb SnöcriibitatSberforgung 
für ftöbtifche Arbeiter in Ulm. 
Strbeiterfchuh bei öffentlichen Unter¬ 
nehmungen in $ari6. 

SBeiblicbe ©tabt* unb ©emeinberätbe 
in ©nglanb. 

kommunale ©täbtebeleud&tung in 
©nglanb. 

Vxieiterbetoeflintf.1003 

Die SHufiftünbe befi Sabre« 1898 
in f£ran!reicb unb ba« ©e- 
fefc über Vermittelung unb 
Sd^iebSgericht Von Dctabe 
grefth» Vart«. 

Die groBeStrbeiterauöfperrung 
in Dänemart. 

Die $aut>tt>erfammlung be« beutfehen 
Verbanbe« taufmännifeber Vereine 
3U ©ifenacb. 


Die ©inrichtung eines Olrbeiterfefre* 
tariat« für Hamburg. 

Der Streit ber Vrünner DejtUarbeiter. 
SabreSberkbt bet Äeffefaiacbet-Srabt- 
Union. 

Kvtettcrf*«#.1007 

Die ©emetbe * ^nfpeftion in 
Defterreid). Von Dr. ©mtl ßoeto, 
VHen. 

Der ©rbeiterfchnh unb feine ©nt- 
Wicklung im 19. ^ahrhunbert. 

SÄnS bem Sahrefbericht beS grabrif* 
infpeftor« für SBeintar. 

ttrbeHerberfWhrruttg. ®#n?faffea 1010 
ßum frana&fifchen Unfalloer- 
ficherungögefeh oom 9. ttpril 
1898. Von ©eh. {Regierung« ratb 
Dr. ßac&er, Verlin. 

«9bctt*s«4»ett.. 1013 

ttrbeitSnacbroeife unb Verpflegung«» 
Rationen in Vreuben. 

©inheitliche öergleic&eube ©efc&äftfi- 
ftatiftif ber ttrbeit&nacbmeife. 

fSohmmgimeft«.1013 

©emeinnüfeige VaugefeÜfchaf t in ©trab- 
bürg. 

8lrbeitern>obnung$n>efen auf bet Vartfer 
SluSfteHung. 

©etorrbegerilbtc. ©fuigiraaS&utter« 

©dltcoSgerldite , . .1013 

Dienftaufficht über bie ©efdjäft«- 
führuug ber ©efterbegerichte in 
{preu&en. 

Sonboner ©inigungSamt. 
©inigungSämter unb ©ifeninbuftrie 
in ©nglanb. 

Ltterartfc*« Ümpi§«i.1014 


?rr grfawmlfn liefet $HMMer let „£ojUtea ^ai* M ift eine 

fgnoptifihe Ifrbnftiht her Jlrbetterfibuh- itnb ^ttrfsrge* <8e feh0etam$ 
tu ben micbtigfUit jtnlturlünbern 

leige legt. (?erg(. •«<$ Im feit liefet |lnmMer §v 1009). 


©bbrud färnrntlicher «rttlel ift ßeitnngen nnb ßeitfchTiften geftattet, feboch nur 
mit bottet Quellenangabe. 


Bie ülctljoiic ber £ol)narhdter-Stati|tik ber 
ftreugifdjcn €ifcnbaljmierniaUang. 

Sluf bem Gebiete ber ©ogialftatiftif finb bieder mir einzelne 
^beife gepflegt rcorbcit, unb jmar boBen einige ftaatlicfye nnb 
ftäbtifcfjc ftatiftifdje Slemtcr ()ier mtb ba Sof)iiftatiftifen, s Boi)Us 


ftatiftifen u. bergf. erhoben unb mitgetfjeilt, toöbrenb bie 
ftatiftif — yigletdj a(§ Bearbeiterin ber Umfragen ber SReidjS* 
fommiffion für Ärbeiterftatiftif — beren geleg enthebe @rb e Bungeit 
neben einigen anberen ßrgebniffen fosialftatiftifeber Slrt uer- 
offentliibt bah Bon einer allgemeinen ©o^ialftatiftif in größerem 
SWafiftabe, roelcbe ohne 9Uicfficbt auf jeweilige Strömungen unb 
(Sinpiiite nur ber objeftiuen Sinfbecfung fokaler Berbältniffe bient, 
unb u>el<bc mobl nur oon einem eigene hierfür befteCUeit Slmt be*» 
trieben roerben fönnte, ift Bisher feine Bebe, drft wenn ficb 3Rife» 
ftänbe auf fokalem Gebiete geltenb machen, pflegt bie amtliche 
©tatiftif einjufeben. 2)ieS gebt fo weit, ba^ an ben ©teilen, roo 
nicht gur STufbecfung oon BHfiftänben, fonbent oon 3 u ftfmben — 
gleichgültig, ob guten ober fcblecbten — eine amtliche ©tatiftif ein- 
feben miü, nicht feiten nur beSioegen ein SSiberftanb entgegen* 
gebracht toirb, roeil man als Urfache unb B?uufch beS ftatiftifchen 
Einbringens bie Slufbecfung oon Blijjftänben oennuthet. 3Ran 
mehrt fnh bagegen nicht immer toegen beS Böfen 4)emiffenS, 
fonbern um einer oeruieintlichen Kontrolle gu entgehen. Bicht feiten 
freilich hat ber ©tatiftifer fpäter bie ©enugthuung, bafj fein 
fpftematifcheS unb orbnenbeS Einbringen oon ber Anfangs miber* 
ftrebenben Behörbe felbft als ©ohlthat empfunben mirb, bah bie 
Bermaltung Singermeife erhält, unb bah SSorurtheile ^luhenftehepber 
gerftört toerben. 

Bun führt jebe gröbere Bermaltung ihre eigene ©tatiftif. Sit 
biefer ^infich.t muh man grocierlei unterfcheiben: bie eigentliche Ber* 
maltuugSftatiftif unb bie Bebenftatiftifcu. 3ur erfteren gehören 
bie für bie Rührung ber ©efhäfte unmittelbar für notbroenbig er¬ 
achteten 3ah^a/ 3« ben Iepteren Beimerf unb BerroaltungSabfaU. 
©o finben mir neben ber ©tatiftif ber Sfraufenoerficherung als 
Beimerf fiohnftatiftifen, ©tatiftifen ber Slrbeitslofigfeit, berechne^ 
aus ben Btitgliebergahlen ber Stoffen, neben ben Ergebniffen ber 
©teuerftatiftif Berechnungen ber Wohlhabenheit, neben ben Ergeb* 
niffen beS Betriebes ber Eifenbahnen fiohuftatiftifen ber Singe* 
ftellten u. bgl. m. 

^)er oon ber ©taatSeifenbahn * Bermaltung aufjuftettenbeit 
©tatiftif fonimt nun eine befonbere Bebeutung gu. §ier merben 
bie oerfchiebenften Slrten oon Slrbeitern befchäftigt, h^r fontmen bie 
oerfchiebenften ©egenben in Betracht, fo bah mir burch eine mirf* 
lieh eingebeube ©tatiftif ber Slrbeiteroerhältniffe in ben Eifenbahn* 
betrieben gugleich einen merthoollen Einblicf in bie Sage ber 
Arbeiter überhaupt erhalten mürben. 

ES mar beShalb ein glü cf lieber ©ebanfe, bah ber Berein für 
©ogialpolitif, in ber Slbficht, bie $>ienft®, Slrbeits* unb fiebenSoer* 
hältniffe ber unteren Beamten, ber Slngeftellten unb Arbeiter in 
ben BerfehrSgemerben überhaupt einer eingchenben Untcrfuchung 
gu unterziehen, fief) oor Slllem an ben SJhnifter ber öffentlichen 
Arbeiten in Breuften um Blaterial manbte, nachbem ber öfter* 
reichifche Eifenbahnminifter bereits gugefagt hatte, fich in ber oom 
Bereine gemünfd)ten Slrt an ben Erhebungen gu betheiligen. 

3>ie letzteren füllen fich auf bie fotgenben Banfte begießen: 

1. Sebensalter. 

2. Slrt ber Dienftlctftungen einfchltehltch ber Bcbenoerbienfte. 

3. ?lrt unb ßeitpunft ber Slnftellung: ctatSmähig unfimbluir ober 
tiinbbnr, al^ Lohnarbeiter mit ober olme Miinbigiuigsfriit, oerficljert 











995 


Soziale fragte. ©cntralBIatt für Sogialpolitif. Nr. 37. 


996 


ober penfwnSberecptigt, Sauer ber Befdjäftigung im HnffeHungSoerhältnift 
im lebten gapr. 

4. £>öfie be« feften Stenfteinfommen« pro Hflonat bcgw. SBodie ober 
Sag. gettjtefienbe Alters* ober fonfttge Sulagen. 

5. SlfforMobnucrbtcnft ber lebten 23ere<pmtng«pertobe unb Sauer 
ber ie&teren. 2Birflirf)cr Berbicnft be« Ickten gafjrc«. 

6. £>of)e ber au« Nebenuerbicnfteu bei ber Bcrfepr«anftalt flieftenben 
Bezüge in ber Icptcn Bcrcdjmmgsperiobe unb Sauer ber lepteren. 
Südlicher Serbien ft be« lefoicn gabrc«. 

7. betrag ber Prämien, ftilometergelber, Stunbcngelbcr, Nadjt» 
gelber iit ber lepten Bercd)tmng«pcriobe unb Sauer ber leptcrcn. Sürf* 
lieber Berbicnjt be« lepten gapre«. 

8. Angaben ber Naturalbezüge: SBopnung, geuerung, gclbnufcung, 
Sienfttleibung unb fonftige Bortpcilc. 

9. Sänge ber ?lrbcit«zcit unb ber Sienftbereitfcfjaft, Sag»* unb 
Nacftibienfi. Nupetage, Nupepaufcn ju £>aufc unb außerhalb be« #auje§. 
2Raplgeiten innerhalb ober außerhalb be« $aufe«. Urlaub. 

10. 9(u«fid)teii, in beffere Stellungen aufgurüdfen. 

11. Unterftüpunggfaffen. Bortpeile unb Beiträge. Sonftige SSopl* 
fahrtScinridjtungen. 

12. gamilienuerpälhtiffe, SBopnung, Schule, SSerbienft ber grau, 
$m0DerpäItniffe im SBopnort. 

$)er herein wollte fiep mit ©rpebungett in nur oier Begirfen 
begnügen, einem groftitäbtifepen (Berlin), einem mit ftärfftem Ber* 
fepr (etroa im rf)einifc^*ioeftfälifc^en 3 nbuftriebegirfe), einem mit 
ftarfem Berfepr (Bre«latt, SJtagbeburg, §atte, fmnnooer), einem 
mit fcpwäcperem Berfcpr. 

S>er preuftifdpe Niinifter lehnte jeboep eine gemeinfam mit 
bent herein für Sogialpolitif zu führenbe Unterfudpung grunbfäp* 
lieh ab unb oerwie« auf feine bem Slbgeorbnetenpaufe alljährlich 
oorgelegten lleberficpten über bie Sopnoerpältniffe unb 3lrbeit«geiten 
ber Slngeftettten. 

£)ie Iefcte biefer Ueberfichten (SJrucffacpen be« 2lbgeorbneteit* 
häufet Nr. 8, ber 19. Segi«laturperiobe I. Seffion 1899) batirte 
uom 3. Januar 1899 unb bezog ftch au f baä Necpnung«japr 
1897/98, „Bericht über bie ©rgebniffe be« Betriebe« ber oereinigten 
preuftifcpeH unb peffifepen 6taat«cifenbapuen". Slufterbem fontmt 
bie bem Slbgeorbnetenpaufe unter bem 10. Januar 1898 oorgelegte 
©enffeprift über ben Staub ber Betrieb«ficperheit, bie Betrieb«* 
einrichtungen unb ben Beirieb«bienft auf ben Staatsbahnen (S)rucF* 
fache Nr. 6 ber 18. Segi«laturperiobe V. Seffion 1898) in Betracht. 

S3ie bie Sitel biefer Beröffentlicpungen attbeuten, finb fie im 
SSefentlicpen beftimmt, bie Bctrieböergebniffe oor Slugen zu führen, 
uitb fo nehmen benn auch in bem 251 Seiten ftarfen £>cft be« 
Sapre« 1899, mit welchem mir un« gunäepft befepäftigen, bie 
SCrbetterperpältniffe nur einen fleinen Naum ein, bie BJopifaptt«* 
einrichtungen 7 Seiten, bie SNittpeilungen über Sohne, SÜenitgeit, 
Nupetage 12 Seiten. 

2 Ba« zunächft bie Sopnftatiftif anbelangt, fo befdpränfen 
ftch bie fNittpeilungen auf bie Angabe ber burchfctjnittlid^en Sage* 
löhne in ben lepten brei 3aprett für 37 Slrten oon 3lrbeit«ftellungen, 
wobei bie 3 a hl ^ er in beu einzelnen Stellungen Befcpäftigtcn unb 
bie S)auer ihre« 2 lnitelIung«oerhältniffe« nicht angegeben ift. ©« 
ift einfach bk Summe ber Söhne burch bie 3ahl ber 2lrbeit«tage 
bioibirt worben, wobei bie Ueberftunben in Sage umgewanbelt 
würben. 

S)abei ift nicht einmal ba« ©efcplecpt ber Sngeftellten unter* 
fchieben worben, fo baft man 3 . B. .<pülf«*graprfartenau«geber unb 
|uilf«*3lii«geberinnen, £ülf«telegrappi]4enunb§ülf«telegrapbi)tinnen, 
MÜlfSbapttwärter unb £mlf«bapnwärterinnen zufamntengerechnet 
hat; wenn für bie leptgcnannte Kategorie ein Sagelohn oon 
1,75 jft im S)urcpfcpnitt berechnet ift, weift man niept, wckpen 
Sohn bie männlichen unb welchen bie weiblichen beziehen unb ob, 
wenn gegen ba« Borjapr (mit 1,©* *,///) eine Steigerung einge* 
treten ift, biefe oielleicpt auf einer ftärferen Sctbeiligung be^ 
männlidjen ©cf<f)Ie(f)t 8 gegenüber bem SSorjabr beruht. 3£ettn 
burep c ine Sentcrfung ber niebrige SDurd)fchniit£fafe baburd) erflärt 
wirb, baft bie 3i3egcfd)ranfenmärterinnen mit eingerechnet worben 
ftnb, fo hätte bazu gejagt werben muffen, wie ftd) benn bie Söpne 
ber lepteren ben übrigen gegenüber ftcllen. 

2ln anbereu Stellen giebt bie 31 rt ber zufammengefaftten 
männlidjen 3>erfonen zu 33ebenfen 3lnlaft, fo, wenn $iilfsc*'i3cichen* j 
fteUer, 4lrahnmeifter, sSrücfenwärter al« eine Olruppe erfdjeiuen. , 

3lber and) tuo nur eine Jlrbcitsftellung für fiel) aufgeführt ift, 
befagt ber SiirdjfdjnithMofjn wenig. 3* mirb für S)iilfd*Sofo* 
tnottoheizer ein Sohn oon 2,^ //. egegen 2, 5l > - o tut Vorjahr) 
angegeben. Mi er ift ein Niicfgang gegen bas Vorjahr, toeldjcr 
nad) ber amtlichen Statiftif baburdj entftanben ift, baft höher ge*» 
lohnte Beizer auäfdjieben unb iit baö 33eamtenoerhältuift über* 
ttommen würben. Naturgetnäft fragt matt, ob bort, tuo gegen baö 


SSorjahr eine Steigerung be§ Surchfchnittölohne^ angeführt ift, 
ähnliche ßrflärungen zu madpen ftnb. 

©üblich wirb eilt S)urchfchnittöIohn für alle (behülfen im mitt* 
leren, ^ülföfrafte im unteren Sienfte, $anbwerfer unb Arbeiter 
beiberlei ©efchlechte burcpeinatiber gezogen unb eine bem SBorjapre 
gegenüber etwas päh^c 3ahl gewonnen, welche aber ganz ittuforifd) 
ift, niept nur weil, wie bie Statiftif felbft bemerft, bie Sohnfä&e 
in giolge ,ftärFerer Nadjfrage nach 3lrbeit§fräften erhöht, unb bie 
Söhne ber älteren Sebienfteten burdp Slufrücfen in J^ö^cre Sopn* 
flaffett geftiegen ftnb, fonbern weil ein foldfjeS S)uriheinanber über* 
haupt feine Statiftif barfteHt unb nicht« befagt. SNinbcften« 
muftten bie Sohnempfänger nach ©efchlecpt unb Stellung unb bie 
ba« Saht hiuburcp 33efchäftigten oon ben nur oorübergehenb 33e* 
fchäftigten getrennt, auch bie 3<*hi ^er Sohnempfänger angegeben 
fein. Sille biefe 2)ateit muffen übrigen« oorhanben gewefett fein, 
benn ohne fie hätten bie Summirungen unb S)urd)fd[)nitt«- 
Berechnungen niept oorgenommen werben fönnen. S)ie SKittpeilung 
ber wirflicpen 3 a ^ Ie u hätte weniger 3Hüpe gemaept unb richtig 
gruppirt tnepr befagt, al« bie berechneten Smrcpfcpnitte. 

Slucp bie bei fefter Slnftettung gewährten ©epälter muftten in 
ben Ueberjiepten mit angegeben werben. S>enn fo wie bie lieber* 
fiepten gegeben finb, tritt zu allen genannten Mängeln noep ber, 
baft fie fiep minbeften« in über ber $äfte ber grälle nur auf ?lu«* 
hülfen bezieht. So lernt man bie burcpfdinittlicpen Bezüge be« 

t ülf«rangirmeifter« fennen, aber niept be« Nangirmeifter«, be« 
iilf«wetd)enfteller«, aber niept be« Söeicpenfteller«, be« §ülf«bapn* 
Wärter«, aber niept be« Bahnwärter« u. f. f. 

©era&e umgefeprt liegt bie Sacpe bei ben beiben Nacpweifungen 
über bie täglidje S)auer be« planmäftigen S)ienfte« unb 
bie planmäßigen Nupftage be« ^erfonal«. ®enn pier finb 
mir 19 S)ienjtflaffen aufgefüprt, Bahnwärter, Söeicpenfteller, 
Station«beamten u. f. w., unb gmar au«fcplieftlt(h nur ber ftän* 
bigett ^ülf«fräfte, fo baft man im 3meifel ift, wie fiep bie Ber* 
pältniffe bei ben nieptftänbigen §ülf«bapnwärtern, gtülföroeicpen* 
fteüern u. f. w. geftalten, unb ob an fte al« niept feftangej'teüte« 
^erfonal befon&ere Slnforberungen geftellt werben. Unflar bleibt 
auep & er Unterfcpieb zmifepett ftänbigem unb nieptftänbigen $er* 
fottal. 

S)ie Sabelle felbft führt für jebe ber 19 Süenftflajfen auf, 
wie oiele eine S)ienftbauer patten bi« 8 Stunben, über 8 bi« 9 
u. f. w. ftunbenweife bi« über 15 bi« 16 Stunben. Nela/io* 
Berechnungen finb — wenigften« in ben Ueberfichten — niept ait* 
gefteät. &lei(pwopl wäre biefe Sabelle wertpooll, wenn bie Be* 
reepttung ber S)ienftbauer einheitlich überafl bie wirflicpe S)auer 
be« geleifteten S)ienfte« zu ®runbe gelegt pätte. ®enn ba ber 
planmä&ige ®ienft gu ©runbe gelegt ift unb au« ben bezüglichen 
Borfcpriften, welcpe al« Slnlage beigegeben ftnb, fiep ergiebf, baft 
ber S)ienft je naep ber Stellung bi« auf 16 Stunben au«gebepnt 
werben fann, fo ift e« naturgemüft oon Sutereffe, gu erfahren, 
wie oiel Beamte, wie oft, mit welchen Unterbrechungen unb mit 
welcpen gwifcpenliegenben Raufen S)ienftgeiten oon über 15 bi» 16, 
über 14 bi« 15, über 13 bi« 14 u. f. w. Stunben gehabt paben. 

Slbgefepen baoon, baft niept bie 3apl ber Sage, auf roclcpe 
ftep bie S>ienftgeiten (namentlich bie längeren) beziehen, mitgctpeilt 
finb, auep Slngabett über bie gwifcpenliegenben Raufen feplen, ftnb 
bie Raufen tpeil« eingerechnet, tpeil« niept eingerechnet. Beim 
Station«perfonal finb bie einftiinbigen 3Nittag«paufen niept al« 








997 


©ogiafe $rajtS. Sentralblatt für ©ogialpofttü. SRr. 37. 


998 


$)ienftgeit gerechnet, rooßl aber bie übrigen, beim 3ugbcgleituna8« 
unb Sofomotioperfonal bie fämmtlicßen bis gu fed^s ©tunben be* 
tragenben Raufen. Ss frnb aud) tyxzx ^urcßfcßnittsberecßnungen 
angefteßt, roelcße bie roirflitßen Berßältniffe mcßt erfennen laffen. 
Söie fo häufig bei fompligirteren Berßältniffen, oerfagen auch hier 
bie bem ßaien leiber fo geläufigen SDurcßfcßnitte. SS hätte für 
jebe Slrbeitsfteßuna ber StuSgäßlung etroa oorfteßenber für bie baS 
3aßr ßinburcß uno für bie oorübergeßetib Befcßäfügten je befonberS 
aufgufteßenbeit Tabelle beburft. S5ie 3<rftf ber Säue bebeutet bie 
3apt ber $)ienftleiftungen. 

©efbftoerftänblicß märe biefe Tabelle nach Btoßgabe beS 9Jto* 
terials, meines bem Berfaffer nicfjt befannt ift, namentlich au<ß 
für bie nur roäßrenb eines £ßeileS beS FaßreS Befcßäftigten gu 
mobifigiren. 

9Btr fommen enblicß gu ber Tabelle über bie planmäßigen 
Ruhetage, b. ß. itn ©inue ber Tabelle über bienfifreie 3 e » e » 
oon 18 ©tunben unb mehr. £ier ift in forrefter Söeife neben ber 
3af)l ber Beamten bie 3oßl ber S)ienftbefreiungen (Säße) ange* 
geben, mit Unterfcheibung ber ©onntage. 3- ©■ entfielen auf 
24132 Söeicßenfteßer 60 767 SDienftbefreiungen oon minbeftenS 
18 ftünbiaer $)auer innerhalb eines StalenbermonatS, roorunter 
41 893 ©onntage, alfo nach Slbgug ber ©onntage auf einen 
SSeicßenfteßer 0, 7 8 Befreiungen monatlich ober 9, 36 jährlich- Btan 
fann hieraus entnehmen, baß ein Bkicßenfteßer im Faßre 9 bis 
10 9M gufammenßängenbe bienftfreie feiten oon 18 unb mehr 
©tunben hat. 2öie oft bentgegenüber ungetoöhnlid) hohe ©ienft^ 
geilen oorfamen (12—13, 13—14, 14—15, 15—16 ©tunben) läßt 
fifh — wie bemerft— ber amtlichen ©tatiftif nicht entnehmen, 
oielmehr nur, baß bei 0 , 4 % ber SBeicßenfteßer eine $ienftbauer 
oon 15—16, bei 1 % eine folcße oon 14—15, bei 3 % eine folcße 
oon 13—14, bei 6% eine folcße oon 12—13, bei über 10% eine 
folcße oon über 12 ©tunben oorfamen. SflS felbftoerftänblicß roirb 
angenommen, baß bie 24 132 Söeicßenfteßer baS 3aßr ßinburcß 
angefteßt maren, anbernfaßS fann man biefe Rechnung überhaupt 
nicht anfteflen. 

Stoßer ben 2)ienftbefreiungen ftnb bann noch Stoßetage berücf* 
ficßtigt morben, aber leiber nicßt bie 3oßI berfclben, fonbern bie 
Beamten mit monatlich 1, 172/ 2 unb meßr als 2 Stoßetagen. 
$>abei ift als ein 9hißetag bie 3eit oon 24 bis nocß nicßt 30 
©tunben gerechnet morben ober autß 2 folcßer 3 c i^ cn oon 18 bis 
nocß nicßt 24 ©tunben u. f. m. Stod) hier fonnte nur eine Stabeße, 
welche, raie bie oben angebeutete, bie oerfcßiebenen SeficßtSpunfte 
fombinirt, Sinblicfe gemäßren; Borfpalte: bie einzelnen klaffen 
ber 2)ienftbauer: bis 8, 8—9 u. f. ro., $opf: 3<*ßi ber Stngefteßten, 
3aßl ber SDienftbefreiungen burcß Stoßetage, 3 a ^ ber ßinterein* 
anber geroäßrten freien $)ienftgeiten (Bußetage), morunter nacß 
$)auerflaffen: 24 ©tunben, 24—48 u. f. m. 

SSenben mir uns nun oon ben FaßreSpublifationen gu ber 
ftßon oben angeführten gu Anfang 1898 bem Slbgeorbnetenßaufe 
oorgelegten befonberen $>enffcßrift, fo fittben mir in biefer ein 
minber reichhaltiges, jebocß burcß bie ©egenüberfteßung ber Faß*e 
1892 unb 1897 intereffantereS 9J2ateriaI. Slucß finb hier bie 
Bttnbeft* unb $>öcßftgeßälter einer Stogaßl oon Beamten beS Stoßen* 
bienfteS angeführt, fobaß man roenigftenS bie unteren unb oberen 
SinfommenSgrengen fennt. Freilich ift baS baneben gefeßte $)urcß* 
fcßnittSgeßalt irrefüßrenb, meil es nur ben Biittelroertß aus bem 
9)tinbe)t* unb §>öcßftgeßalt oorfteßt. Sine forrefte $>arfteßung 
hätte bie 3&ßl ber Slngefteßten nacß ben Seßaltsflaffen, aber auch 
bie Bebeneinnaßmen mtt berücfficßtigen müffen. 

SllSbann finb ßinficßtlith ber Bußetage einige Belatioberecß* 
nungen, gum S£ßeil nocß gefonbert für ©taats* unb Sßrioatbaßnen, 
angefteßt. Qm llebrigen ift bie $)enffcßrift nocß meniger reich* 
haltig als bie Ueberficßten. 

Ss bebarf nacß bem eben StoSgefüßrten faum ber Bemerfung, 
baß bie ftatiftifdjen Btittßeilungen ber Sifenbaßnoerroaltung ber 
miffenfcßaftlichen Prüfung nicßt ©tanb halten. SlßerbingS fteßen 
fie nur eine Borlage an baS StöaeorbnetenßauS bar unb moflen 
moßl nur bem ftatiftifcßen Berftänoniß biefer Äörperfcßaft genügen. 
^)ie in ber leßteren mie überhaupt in Saienfreifen fo feßr ocr* 
breitete Unfitte, in oberflächlichen ^ur^fcßnittSgaßlen ftatt in ein* 
bringenberem ©tubium ber Berßältniffe Orientirung gu fudjen, 
füßrt leiber in Berbinbung mit ber ben Bermaltungeit meift 
feßlenben facßmännifißen ftatiftifcßen öülfe nicßt feiten gu ober* 
fläcßlicßen unb irrefüßrenbert ©tatiftiren. 5^ bie entfteßenben 
3aßlen mirb bann bie roiffenfcßaftliche ©tatiftif gelegentlich mit 
oerantmortlicß getnacßt. 

9iun_ fteßt, mie bemerft, ber (fifenbaßnoerroaltung ein meit 
beffereS ftatiftifcßeS Material oßne Weiteres gur Berfiigung, als 


fie aßjäßrlid) mittßeilte, ja bie mitgetßeilten 3aßfen finb aus biefem 
Bfaterial offenbar entnommen. $)ie Bermaltung fennt unb notirt 
ßößne unb SlrbeitSgeiten jebeS Singeinen. SS fann fonacß bie 
ungureicßenbe ©tatifttf nur in bem Mangel ober ber SRicßtbefragung 
oon ber Bermaltung gur Berfügung fteßenben ©tatiftifern liegen, 
unb aus biefem Srunbe muß bie Slbleßitung beS SlnerbietenS beS 
BereinS für ©ogialpoliüf, biefen Beiratß gu fteßen, auffaßen. SS 
märe jebenfaßs bringenb gu münfcßen, baß bie Sifenbaßnoermaltung, 
menn fie fcßon bie Btitroirfung beS BereinS für ©ogiatpolitif 
glaubt entbeßren ju fönnen, ißrerfeitS anfinge, roirflicße fogiale 
©tatiftif gu betreiben. SöenigftenS für bie allgemeine 9Hcßtung 
berfelben fönnten bie ©ünfcße beS BereinS für ©ogiatpolitif bie 
Söege meifen. 

Stn Singeinen möcßten mir gmeierlei unterfcßeiben: bie ©tatiftif 
ber Sinnahmen unb bie ber StoSgaben ber Slngefteßten. 

9?ur hinfidßttich ber erfteren ift baS Btaterial in ber §anb 
ber Bermaltung. ©eine ftatiftifdje Berarbeitung mürbe am beften 
in ber Söeife erfolgen, baß nacß £age-ßoßnflaffen unb Be* 
fcßäftigungSbauer bie Slrbeiter ber eittgelnen Slrbeitsfteßungen 
gruppirt mcrben. (Borfpalte: Sage*Soßnflaffen oon l,r 0 JC. 
fteigenb um je 25 ^opf: Befcßäftigungsbauer roocßenmeife). 
©tücf* unb 3cittoßn muß unterfcßieben, Sfeebenoerbienft berücfficßtigt 
merben. Sleßnlicße Xabeßen aus bem Material ber BerufSgenojfen* 
fcßaften tßeilt baS ©tatiftifcße Sfrnt ber ©tabt Berlin aüjäßrlicß 
mit.*) Bei ben baS gange 3aßr ßinburcß Befcßäftigten fann 
natürlich oon ber Befcßäftigungsbauer abgefeßen unb ftatt beffen 
im ^opfe ber Sabeße baS Sllter unterfcßieben merben. Slnbere 
roicßtige UnterfcßcibungSmerfmale finb bie3aßl ber mitguernährenben 
Singehörigen, baS SlUer im £)ienft, bie 2)auer beS BienfteS. £ie 
Trennung ber oerfcßiebenen ßanbeStheile ift felbftoerftänblicß. 

2öaS bie ©tatiftif ber SluSgaben betrifft, fo mürbe ber 
Sifenbahnoermaltung eine neue Stofgabe erroacßfen. ^ie SluSgaben 
ber Slngefteßten fmb ißr nicßt befannt, unb es ift ja bie Sftegel, 
baß ficß Arbeitgeber um biefe ©eite ber ßoßnfrage nicßt flimmern, 
obmoßl hier gerabe ber Sfernpunft ber graae liegt. ®ie Srage, 
ob ein fioßn auSreicßenb ift, mirb ja lebiglicß burcß bie SluSgaben 
beantmortet. Ss ift auffaßenb, aber für Den niebrigen ©tanb ber 
©ogialftatiftif begeicßnenb, baß bie oielen moßlmeinenben ©tatiftifen 
ber Slrbeitgeber unb Slnberer feinen Berfucß machen, in biefe roicßtige 
©eite ber Soßnfrage eingubringen. 

SlßerbingS ift oon amtlichen unb aucß oon prioater ©eite 
meßrfacß eine ©tatiftif ber Slrbeiterbubgets unternommen morben. 
Ss erübrigt ficß, in biefem 3 u f a wmenhange auf bie begüglicße 
fiiteratur näher eingugeßen. $iefe ©tatiftif ift baburcß befonberS 
erfcßroert, baß fie forrefter SSeife nur auf §auShaltungSbücßem 
aufgebaut merben fpnn, biefe aber feiten geführt merben, menn 
aber geführt, in unoergleicßbarer gorm aufgefteßt merben. 2ßan 
ßat moßl §auSßaltungSbücßer mit oorgefcßriebenen ^Optionen für 
bie eingelnen Sintragungen an Slrbeiter oertßeilt, bocß fmb bie 
Bücher unregelmäßig, fpäter gar nicßt meßr eingegangen. 

Unter biefen Umftänben ßat ber Berfaffer ben Berfucß ge* 
macht, furggefaßte Sonnulare für bie Sintragung beS Saßres* 
abfcßluffeS gu oertßeilen. 2)iefe oerlangten gunäcßft Slngabe ber 
(^röße ber Sauiilie, ber Sinnaßmen beS SrnäßrerS felbft, ber Sin* 
gehörigen, bie arbeitlofe 3^it im Qaßre überhaupt unb namentlidß 
megen Äranfßeü; bei ben SluSgaben merben folgenbe Baftoonen 
oerlangt: Söoßnung, ^Suug, Beleuchtung, Sffen unb Srinfen im 
Sausßalt, im SBirtßSßauS, Sigarren unb £abaf, Slrgt, SKebigin, 
Äranfßeit, 5Ueibuug uttbSSäfdje, Beiträge für Waffen, Bereme,©teuern, 
anbere SluSgaben, mie Slnfcßaffungen, Umgug, deficit beS BorjaßreS 
u. f. m. SBenn aucß ein großer Xßeil ber oertßeilten Fragebogen 
unbeantroortet blieb, fo ging bocß ein anberer £ßeil mit guter 
Stosfüßung ein (ogl. ©. 289—300 beS citirten BucßeS), unb es 
bürfte feinem 3weifel unterliegen, baß menn bie Bertßeilung oon 
ben Slrbeitern naßefteßenben Berfönlicßfeiten erfolgte, ber Srfolg 
größer unb bie Stosfüßung forrefter unb ooßftänbiger fein mürbe. 
3)ie ^erfönlicßfeit ber bie Fragebogen Stosfüßenben brauchte nicßt 
befannt gegeben gu merben; es genügt bie Befanntfcßaft mit ber 
bie Bertßeilung oeroirfenben BertrauenSperfon. 

SBenn fi!ß bie Sifenbnßnoermaltung, melcße meßr als 
300 000 Stogefteßte unb Slrbeiter befcßäftigt, bie Förberung einer 
folcßen ©tatiftif angelegen fein ließe, fo mürbe fie beS £>anfeS ber 
©ogialpolitifer, ber ©tatiftifer, ber Btenfdjeufreuube ficßer fein. 


*) 2)er Berfaßer ßat fie in feinem Bucfjc über bie „©ogialc 2age 
ber arbeitenben Älaffen in Berlin" (Berlin ISUT) mit bemitu, nament* 
ließ aucß Berechnungen über bie Sößne im Berfchrögcmcrbc mügetheilt. 
©. 234—239. 



999 


©totale $ra£t$. (Sentralblatt für Sogialpolittf. 9h:. 87. 


1000 


2>aS Leben unb Grroerben ber arbeiteitben klaffe in ben oerfcßiebenen 
Xßeilen beS VaterlanbeS mürbe !Iar gelegt unb ein Brauchbarer 
SlWafeftab gur Veurtßeilung unferer fogtalen 3Ser^ältniffe gewonnen 
roerben. 

©ßarlottenburg. Dr. @. fiirfcßberg. 


Mgettteitte Sozial- und Äirtjjfdjaftepolittk. 


(Sine $ettfftßriff, toie {ie ttiißt fein fall! 

$)ie $>enffcßrift, bie gur Unterftüßung unb Vertiefung ber Ve* 
grünbung beS ©cfeßentrourfeS gum Sd)uß beS gewerblichen 2lrbeit0* 
oerhältniffeS beftimmt ift, ßot in unferen Augen ein großes Ver* 
bienft. Sie räumt nämlich fcßonungSloS mit ber im ©efeßentrourfe 
felbft nod) aufrecht erhaltenen, in ben Mtotioen jeboch feßon ab* 
gefcßroäcßten Jiftion auf, baß bie Abfi<ßt bahin gehe, burch bie 
neuen gefeßlidjen Vorfcßriften baS KoalitionSrecßt an fich gu fcßiißen 
unb bet ber Vcftrafung oon Mißbräuchen biefeS Rechtes Ließt unb 
Schatten unter Arbeitgeber unb Arbeiter gleich 5 U üertßeilen. ^aoon 
ift in ber SDenffc^rift gar feine Siebe mehr. Sie ift in ihren 
107 Joliofeiten, in ihrer fritiflofen Anhäufung ungefichtetcn Ma* 
terialeS nicht nur eine einzige Anflage allein unb auSfcßließlicß 
gegen bie Arbeiter, fonbern fie offenbart auch eine folcf)c grunb* 
fäßlicße Abneigung gegen bie Ausübung beS KoalitionSrecßteS 
burch bie Arbeiter/ baß bie Burgein, aus benen ber ©efeßentrourf 
aufgeroachfen ift, jeßt jebern Auge bloßgelegt ftnb. Als Motto 
fönnte man biefent feltfamen ^ßrobufte beS grünen £ifcßeS füglich 
bie Borte geben: Jeber Streif ift eine oerroerfliche Störung bet 
öffentlichen £>rbnung. Ber fich nicht fügt, muß beftraft merben; 
fcßabe, baß bieS bisher nicht immer möglich mar! Mit ber Ver* 
öffentlicßung biefer SDenffcßrift ift ben ©egnern ber Vorlage ein 
großer bienft erroiefen, benn nun ift offenbar, rooßin bie Steife 
gehen foü. 

Schon bie (Sntfteßung biefer Arbeit ift in ßoßem Maße be* 
geicßnenb. Sie uermerthet baS Material, baS in Jolge beS oom 
SieicßSamt beS Snuern auSgeßenben StreiferlaffeS oom ll.$>ejember 
1897 (ogl. „Sog. Sßrajis" Jaßrg. VII, Sp. 409) aus ben ©ingeljtaaten 
eingelaufen ift. Aber mer ß at bieS Material aufgebracht? Jn 
erfter Linie Staatsanwälte, bann VerroaltungS« unb ^oligeibeßörben, 
guleßt ein paar §anbelSfammern. Man h a * fid) ni<ßt einmal 
bie Müße genommen, bie in Streiffachen ergangenen ©ericßts* 
urlh^ile — oerurtßeilenbe mie freifprecßenbe — ^eranguäie^en, 
fonbern bie ftaatSanroaltlicße Auffaffuug ber Jälle genügt. Von 
einer Vefragung ber ©eroerbeaufficßtsbeamten, ber fompetentefien 
Veßörben in allen fragen ber Arbeiterbewegung, ift erft recht feine 
Siebe; bie mertßüollen ^Beobachtungen unb Mittfjeilungen oieler 
Jahresberichte ber Jabrifinfpeftioit über Streifs unb Arbeiter* 
organifationen eyiftiren für bie $5enffchrift nicht. £>ann barf es 
gemiß nicht Bunber nehmen, baß — mit Ausnahme ber paar 
£mnbelsfammerberid)te (£>amburg, Altona, Marburg über ben $afen* 
arbeiterftreif 1896/97) — auch nicf)t bie eigentlichen Jntereffenten, 
meber Unternehmer noch Arbeiter bei biefer merfmiirbigften aller 
Enqueten über Streifs unb Streifeyceffe befragt rooroen fiub. 
StaatSanmalt unb ißoligei fpreeßen — bas genügt ber ;£)enffcßrift. 

StaalSanmalt unb s $oligei finb ungroeifelßaft tn unferer Staats* 
unb ©efellfdjaftsorbnung feßr nothmenbige unb fehr nüßlidje Jn* 
ftitutionen. Aber mir ßnben nie baoon gehört, baß fte in fogial* 
politischen Angelegenheiten bie meifeften Statßgeber ftnb — fchon 
meil ißre berufsmäßige Vefchäftigung mit ber bunflen Keßrfeite 
beS öffentlichen unb prioaten Gebens bie Unbefangenheit ißreS 
llrtheils trübt. $er Jnßalt ber ^enffdjrift liefert hierfür bie 
fchlagenbften Vemeife. Stidit nur baß jebeS Schimpfwort, jeber 
berbe ober roße AuSbrucf, ber in Aibeitsfämpfen fällt, fofort als 
fernere Vcbrohung gefaßt roirb, oßne baß man bie übliche Siebe* 
unb VcrfehrSmeife ber breiten Maffen beriiiffidjtigt; aud) gang 
harmlofe Aeußcrungen erfdjeinen als feßr bebenfltcß. Man muß 
mirflicß feßon feßr empfiublicß fein, meint man in ben Forlen: 
„Vfni fdjäm' ^id)!" ober: „Btr ftrafen (fließ mit Verachtung!" 
ober in bem Verlaßen eines MäbdienS auf beut Sanjboben eine 
ftrafmiirbigc .'oanbluitg finbet. derartige „Velege" für bie Stotß* 
roenbigfeit'härterer Strafbeftimmuugeu roerben aber 311 SDußeuben 
angefüßrt. Jubeffcn foldjc Lappalien oerfd)ioiubeu in ihrer Vebeutung 
oöllig gegenüber ber immer mieber ßeroorbreeßenben Sluffaffung, 
baß ber Streif au fich ein Vergehen fei. So rnirb mehrfach Ve* 
feßroerbe barüber geführt, baß ^Irbeiterausftänbe „planmäßig" — I 
mau beufe! — oorbereitet unb burchgefüßrt roorben feien; mit j 
einigem Sdjaubern roirb berichtet, mie forgfältig bie Streiflcituug | 


ißre Maßnahmen treffe, es mirb offen beflogt, baß biefer Agitator 
„fo oorfießtig" in feinen £>eßreben gemefen fei, baß man ißn nießt 
ßabe faffen fönnen, unb baß jener Slrbeiterfüßrer mit Vebacßt 2luS* 
feßreitungen oennieben ßabe,. „um ben Schein beS ©efefclicßen 
tßunlicßft 3 U maßren". 

Jn unferer gan 3 en Strafgefeßgebung unb Stecßtfprecßung 
ßerrfeßt fonft bie oernünftige §luffaffung, baß bie Baßmeßmung 
eigener Jntereffen unb baS §anbeln in pfpcßifcßcr ©rregung mil* 
bernbe Umftänbe bebingen. S)er §. 153 ber ©emerbe*Drbnung 
unb bie JuriSbiftion in StrbeitSfämpfen macßen jeßt fd)on eine 
SluSnaßme oon biefer Siegel. Suchen Arbeiter in 2luSftänben tßre 
Lebenslage 3 U oerbeffern, mobei fte oft in begreiflicher Leibenfdjaft 
ßanbeln, fo merben Mißbräucße beS StreifrecßteS jeßt feßon härter 
als fonftige ©rceffe beftraft. tiefer SluSnahme 3 uftanb foU alfo 
fünftig noeß ocrfcßärft merben, unb 3 mar mit einfeitiger Birfung 
gegen bie Arbeiter aüeiu. 5lucß hierfür null bie SDenffcßrift Vemeife 
bringen. 'Sabei giebt fie aber eine gang einfeitige S)arfteüung ber 
Vorgänge bei manchen großen Slrbeitsfämpfen, fo für £orgeloro, 
fo für Hamburg. Jnt erfteren JaHe ßat bie ScßmurgericßtSDer* 
ßanblung ergeben, baß baS mortbrüeßige Verhalten mehrerer Unter* 
neßnter, bie entgegen ißrer 3 ufttßerung ben Arbeitern bie 3 Us 
gehörigfeit gum VerufSoerein unterfagten, bie Slufreigung gu oer* 
bammenSmertßen 3luSfcßreitungen geboten ßat. Unb maS beit 
Hamburger §afenarbeiterftreif anlangt, fo efiftirt eine mtffenfcßaft* 
ließe Litteratur barüber, bie bie Vebeutung ber, übrigens oon un* 
organifirten Maffen oerübten @£ceffe in gang anberem Licßte bar* 
ftettt als bie ^enffeßrift, bie auch hier baS audiatur et altera pars 
gröblich oentacßläffigt. 38ie roenig StaatSanmalt unb ^Soli^ei bie 
Arbeiterberoegung mit oorurtßeilslofen Slugen betrachten, beroeiii 
bie ^ßatfaiße, baß erft biefer £age in einem JaHe oon streif* 
poftenfteßen baS ^ammergerießt in britter Jnftang, ebenfo mie bie 
Vorberricßter, ein freifprecßenbeS Urtßeil fällte, meil Sliemanb 
babureß beläftigt ober beunruhigt morben fei. ^)ie ^enffcßrifl 
mürbe barauS natürlich nur folgern, bie Lüde im Strafgefeß müüe 
auSgefüHt merben. 

^icßtig ift ungtoeifelßaft, baß bie ^)en!fcßrift aueß eine Sleiöe 
feßr ernfter unb feßroerer Verfehlungen gegen ©efeß unb Mt 
aufführt. ^aS leugnet ja aber aueß Sliemanb, baß fold)e labet 
nur oiel gu häufig oorfommen. Bir mollen uns über biefe 3fuS* 
feßreitungen aueß feineSroegS mit bem billigen £rofte ßimoeg* 
helfen, baß bieS in ber UnooHfommenßeit ber menfcßlicßen ©efeu* 
feßaft liege, baß ©efeße immer übertreten unb eingelne Miifetßäter 
immer ftrafloS bleiben roerben. Slein, mir halten es, gerabe aueß 
u ©unften einer gefunben ©ntmicfelung unferer Slrbeiterbemegung, 
iir nüßlicß unb notßroenbig, baß Mißbräucße beS ^oaliüonSrecßleS 
feßarfer Slßnbung unterliegen. Slber baß nießt alle jene £mnb* 
Iungen Mißbräucße ftnb, bie StaatSanmalt uttb s $oligei bafiir er* 
aeßten, bas beroeift bie 4)enffcßrift gur ©enüge. Unb bann forbern 
mir aueß hier gleidjeS Slecßt unb gleicßeS Maß für Arbeiter mie 
Slrbeitaeber. Söenn aber bie SDenffcßrift — mit ooßem Slecßte! — 
es oeroammt, baß Arbeiter SlitberSgefinnte mit feßmerem Serroris* 
muS ißren Abficßten gefügig ntaeßen, roarunt ßat fte fein Bort 
gegen bie gleicher ©efinnung entfpringenben, gleiche Btrfung 
iibenben, menn aud) anberer Mittel fieß bebienenoen §attblungen 
ber Arbeitgeber? Biffen StaatSanmalt, VermaltungSbeßorbe, 
Voligei mirflicß nießts oon ben „Scßroargen Liften", bie bie roirtß* 
fdjaftlicße ©jifteng oon Arbeitern oernid)tcn, oon Maffen*Aus* 
fperrungen 90113 Unbetßeiligter, bloß meil aitberSmo geftreift roirb, 
oon Maßregelungen, meil Arbeiter oon ihren ftaatsbürgerlicßen 
Stecßten ©ebraueß macßen? Biffen fie nidjts oon bem Perrons* 
muS maneßer Unterneßmeroerbänbe gegen DutfiberS ober Ab* 
trünnige, bie mit ©elbftrafen, Materialentgießung, VerrufSerflärung 
unb gefeüfcßaftlicber Accßtung bebroßt roerben? ^)ie 0enffcßrift 
enthält oon allebein fein Bort, fie fcßleubcrt Anflage auf Auflage 
nur gegen bie Arbeiter. Aber oielieicßt mitt bie Regierung nod) 
eine gtoeite SDenffcßrift oorlegeti, bie fieß lebiglicß mit ben Ver* 
fcßlungen ber Arbeitgeber gegen bie Koalitionsfreiheit unb bas 
KoalitionSred)t befaßt? 

ViS bies gefeßießt, ift unferes ©racßtenS bie jeßt oorlicgenbe 
^cnffdjrift in feiner Beife geeignet, bem ©efeßentrourf gum Scßuße 
beS gewerblichen ArbcitsoerhältniffeS ein brauchbares Junbament 
311 geben. Aid)t bie ©infießt eines Staatsmannes, fonbern ber 
Spürfinn unb bie Vcrfolgungofucßt eines ber Arbeiterberoegung 
ocrftänbnißloS gegenüberfteßenben StaatSanmalteS fprcdjen aus ißr. 
^ic Jorberung, ben ©efeßciitmurf furger $>anb noeß oor ber Ver* 
tagung bes Sfeicßstages abguleßnen, fann bureß biefe in ber ^cuf* 
feßr ift oermertßcte Mu]ter*(£nquete, mie fie nießt fein foü, nur 
beftärft merben. Ci*. 5 . 




1001 


Sogiale PrajtS. dentralblatt für Sogialpolttif. ©r. 87. 


1002 


Die Generalocrfammlnng beS ©ereinS für Sogialpolitif finbet 
oom 25. bis 27. September in ©reSlait ftatt. Stuf ber DageS* 
orbnung fielen folgenbe ©erathnngSgegenftänbe: 

1. Dte £>aitSinbuftrie imb ihre gefcfcluhc Regelung; Afferenten: 
(M). Dberregieriingsratb I>r. SBtlliclmi (©erlin), Dr. A. SScber (©erltn). 
2. Die Sage bes .fraufirgeroerbeS; Referent: profeffor Dr. Stieba 
(Seipjig). 8. Die dutroirfelungstenbeiigcn im moberncn ^ctaüfjanbel; 
Generalreferent: ^Srofeffor Dr. 2B. Somoart (©reSlau), Spegialreferenien: 
profeffor Dr. ©athgeit (Marburg i. £>.), Dr. ^tocfe, StjnbifuS bcr 
ftaitbelsfanuner in £amiouer. — tim 28. September fod ein gemein* 
farner Ausflug in bas o6erf(^Ieftf<^e gnbuftriereoter gur ©eftdjtigung 
üerfrfjiebcner Anlagen unternommen roerben. 

Die lefete Generaloerfammlung mar dnbe September 1897 in 
Köln, fie fd)lo& mit einer Kunbgebung für Sicherung unb Ausbau 
ber Koalitionsfreiheit. 

AnSgeftaltung beS ofterrei^if^at ArbeitSbeiratheS. ©ttt faifer* 
lieber Genehmigung rourbc bie 3 a hl & er SRitglieber beS bem 
crbeitsftatiftifchcn tote im öfterrei<f)ifd)en ^anbelsminifterium gur 
Unterftiifcung feiner ©Hrffamfeit beigegebenen ftänbigen ArbeitS* 
beiratheS oermehrt. 3 un ächit mürbe gmei urfprünglicb im ArbeitS* 
beirathe nicht oertretenen dentralftellen eine Vertretung eingeräumt, 
bie mit ©ücffichi auf bie Aufgaben, gu beren Löfung mitgumirfen 
bcr tlrbeitsbeirath berufen fein rcirb, roünfchenSmerth erfd)ien. dS 
finb bieS baS guftijminifterium, beffen ©iitroirfung bei ber ©or* 
bereitung legislatortfcher Arbeiten nicht roobl entbehrt roerben fann, 
ferner ber Dbcrfte SanitätSraib, melchent in fanitären unb 
hpgienifchen fragen, in Sachen ber Arbeiter*Kranfenoerficherung, 
ber ArbeiterroobnungSfrage unb bergleidjen mehr ein majjgebenbes 
©oturn gufommt. Zugleich mürbe bei Nahrung ber Rarität ber 
Gruppen im ArbeitS beiratl)* bie 3 a hl ber bom ^anbelSminifter gu 
ernennenben SDiitglieber um fech$, nämlich je gmei aus ber Gruppe 
ber Unternehmer, Arbeiter unb Fachmänner erhöht, um and) jene 
gntereffentengruppen unb Dichtungen berüeffiefttigen gu fönnen, 
roelche bei ben erften dmennungen im §>inbiicfe auf bie geringe 
3ahl ber gu befefcenben Stellen, feine ©ertretung finben fonnten. 
Die neuen drnennungen für ben Arbeitsbeiratb ftnb oom £anbels* 
minifter bereits ooHgogen. 

©etgifdjeS Gef eh, betreffenb bie Sicherheit unb Gefnnbtjeit 
ber in inbnftrietten nnb Janfraäu ttif djen Unternehmungen befdjäf* 
tigten Arbeiter, Aus ©rüffel mirb uns gefchrieben: to 
8. b. ÜKtS. mürbe in ber belgifchcn Kammer ein Gefefc mit großer 
Stimmenmehrheit angenommen, rocldjeS, menn bie ©egieruitg es 
energifch angumenben mageu foUte, einen tüchtigen Fortfehritt in 
ber Arbciterfcbubgefefcgebung beS LanbeS bebeuten mürbe. Das 
ange Gefefc befteht nur aus gmei Paragraphen; ber erfte baoon 
efagt, baf* bie Regierung baS ©echt erhält, ©erorbnungen gu 
treffen, bie geeignet finb, tn inbuftrieÖen unb faufmännifchen ©e* 
trieben, mo Gefahren in biefer $inficht oorliegen, bie Sicherheit 
unb Gefunbheit ber bort befchäftigten Arbeiter gu frühen. §. 2 
beftimmt, bafe ben Auffichtsbeamten ber ©egierung, melche bie An* 
roenbung ber in Folge biefcS GefefceS gu erlaffettben ©erorbnungen 
gu prüfen hoben, freier dintritt in alle piäfce unb ©äume, bie gu 
einem Unternehmen biefer to gehören, guftehen fott. tiefes Gefefc 
ift noch oon bem erften belgifcfjen ©ttnifter für Arbeit unb gn* 
buftrie, §errn ©pffenS, eingebracht, aber fein ©achfolger, §>err 
dooremanS, hat es mit dnergie unb Gef chic! in ber Kammer oer* 
treten. Die unbeftimmte Form beS GefeJjeS ift nur aus ben 
heutigen fogialpolitifchen 3aftänben in ©elgien heraus begreiflich. 
Der ÜRinifter für Arbeit hatte bie Unguträglichfeit eingefehen, bie 
barin lag, bafe er alle ©erorbnungen für ben Arbeiterfchiifc erft 
einer roenig arbeiterfreunblichen Kammer oorlegen foflte, unb er 
ma^te beSpalb ben ©erfuch, burch ein fo harmlos auSfehenbeS 
Gefefc, mie baS oorliegenbe, ein für alle 2M fich freie §anb gu 
oerfchaffen. dS hanbelte fi<h geroiffermafjen um eine fleine Ueber* 
rumpelung beS Parlaments, bie benn auch oorgüglich geglüeft ift. 
Das Gefefc giebt bem ArbeitSminifter bie roeitefigebenben ©oll* 
machten, um auf bem ©erorbnungSroege fräftig Arbeiterfcbufc gu 
treiben, unb eS fdjeint, baft es £>errn dooremanS bamit ernft ift, 
trofc ber geiabfehaft ber roirthfchäftlichen ©eaftionäre, bie er fid; 
mie fein ©orgättger bereits gugegogen hat, etroaS Süchtiges gu 
leiften. 2Bie mir hören, ift Hoffnung oorhauben, bafe auf Grunb 
beS neuen Gefe^eS gegen bie ht)Qienifch fchänblichen 3 u ftänbe, mie 
fie in ben meiften meiblichen Schneibereiroerfftätten ©riiffels befteljen, 
©laferegeln getroffen roerben. 


ftoutttnraale SojiaipoHtib. 


Kotmnttimlprogramiti für ^üffelborf» ©ei feiner dinführung 
entmicfelte ber neue Dberbürgermeifter oon ^iiffelborf, £err ©larg*, 
einige |)auptgcfid)tSpunfte, nach benen er bie ©erroaltung ber Stabt 
einguriebten gebenft. dr erflärte eS für oerfel)lt, lleberfchüffe gu 
einer augenbiicflid)en drleichterung ber Steuerlaftcn gu oermenben, 
fonbern fprach für bie Anlegung eines 9luSgleid)SfonbS für bie 
fdjlechten gahre. Schmanfungen in ber Fiaangmirthfchaft feien 
möglichft gu oermeiben; bie ©eineinnahmen ber ftäbtifchen inbu* 
ftrieüen Unternehmungen fotten regulirenb mirfen. $>ie inbireften 
dinnahmen ber Stabt miH er burd) drmeiterung ber ftäbtifchen 
inbuftrieüen SSerfe nnb burch toglieberung neuer Unternehmungen 
noch gu oermehren fuchen. 3öie ber ©cgierungSpräfibent Frejh^ 
o. ©heinbaben, ber ihn einführte, betonte er bie ©othmenbigfeit 
ber ftäbtifchen SSohnungSfürforge unb ber ©ereitftellung oon 
Mitteln für biefe 3mecfe. dine beftimmte ©orlaae ift freilid) noch 
nicht ausgearbeitet, bod) mirb fie im £>inblicf auf bie für 1902 ge* 
plante SluSfteüung auch aus ber ©ürgcrfdjaft geforbert. S)ie 
$ebung beS ßofalpatriotiSmuS, bie er anftrebt, ift für eine ge* 
begliche dntmicfeluug ber Jommunalen Angelegenheiten gemife nicht 
gu unterfdjäfcen. ©och iüngft betonte ber ©igepräfibent beS preufei* 
fdjen StaatSminifteriumS Dr. o. ©liquel bei ©eratl;ung ber Korn* 
munalmahlrefornt im preufeifchen Abgeorbnetenhaufe ben Seaen 
beS beutfehen SofalpatriotiSmuS, beffen Präger oornehmlich ber 
SRittelftanb fei. 

^ie ©egelttng ber ©ienft* unb Sohnber^ültniffe ber ftübtifchen 
Arbeiter in aWannheim, beren Grunbgiige m Sp. 671 mitgetheilt 
finb, hat eine drgängung burch bie ©ollgugsbcftimmungen erfahren, 
^anad) mirb bas auf einen gefefelidjen Feiertag fallenbe ©etreffnife 
beS ©odjenlohtieS auch bann bem Arbeiter oergiitet, menn er nicht 
an allen übrigen ^ageu gearbeitet hat, fonbern gum ^h e |^ &e* 
urlaubt ober länger ais adjt i^age franf ober gu einer militärifchen 
Uebung einbernfen mar. Für Feiertagsarbeit mirb eine befonbere 
©ergiitung oon einem 3eh n tel bes Jagelohnes gemährt. Arbeiter 
beS ftäbtifdjen IiefbauamtcS(Straheniinierhaltung unb©einigung?c.), 
bie an fich n’tftig, aber unguoerläffig, unpünftlich unb trunffiiehtig 
finb ober beshalb meniger leiften, folleu nach nuplofeit ©efferunaS* 

! oerfuchett entlaffen, bagegen nur roegen Alter ober Kränflichfeit 
nid)t oollleiftungSfät)ige Arbeiter nach gehnjähriger 2)ienftgeit unter 
allen llmftänben einen Sohn oon 2 ,70 erhalten. S)ie neue 
Sohnfeftfehung erhält rücfmirfeitbe Kraft, jeboch mirb bie 3 e ^t oor 
bem 1. April 1899 bei ©emeffung ber 3”lage nur gur .Jmlfte ge* 
rechnet, ^cr ©lehrfoftenaufmanb in Folge ber ©euregelung be* 
trägt jährlich 54 300 di, mit dinfchluß ber in ben brei oorauS* 
gegangenen gahren gemährten Sohuerhöhungen 133 150 JL ^)ie 
Sahungen für bie ArbeiterauSfd)üffe finb erlaffen; in biefem 
©touat finben bie SBahlen bagtt ftatt. ^)ie drgängung biefer 
Fürforgc foH eine Arbeiterpenfiousfaffe bilben. — dine gleiche fogiale 
gürforge für ihre Arbeiter fann aitberett Stäbten nur empfohlen 
roerben 2)te fogialbetnofratifdje „©olfsftiinme" in ©lannheim er* 
flärte benn auch runbmeg, baf} bie ftäbtifchen Arbeiter mit ber ein* 
ftimmig angenommenen ©orlage oorerft gufrieben fein fönnen. 

Alters* nnb guoaUbttätSOcrforgung für ftäbtifche Arbeiter in 
Ulm. Ulm ift nun aud) in bie ©eil)c ber — meift fübbeutfehen 
— Stäbtc getreten, bie für ihre alten unb ittoaliben Arbeiter forgen. 
Die ftäbtifchen Kollegien befchloffen am 6. guni bie drrichtung 
einer Alters* unb gnoalibitäts*©erforgungSfaffe für bie im Dienfte 
ber Stabt ftehcnbcit Arbeiter, diu Anfprud) auf eine gnoaliben* 
rente tritt nadj gehnjähriger ununterbrochener ArbeitSgeit in ftäbti* 
ftf)en Dienften ein, roährenb bie Altersrente nad) oollcnbetem 
65. Lebensjahr unb menigftenS 20 jähriger Dienftgeü gemährt mirb. 
Die ©enten bemegen fidj je nach ben Dieuftjahren groifchen 220 unb 
450 JL grgenb melche ©eiträge haben bie Arbeiter gu biefer Kaffe 
nicht gu leiften; bie ©enten roerben aus einem angnfammelnben 
Gruubfapital geleistet, für beffen Anfammlung aüjäljrlid; ber 
ftäbtifdjc dtat einen ©etrag oorfieht. Die ©erforguugSfaffe foll 
gunächft für bas in abgefchloffeiter ©erroaltung ftetjenbe GaS* mtb 
©3affermerf ins Leben treten. 

Arheiterfthnh bet öffentlichen Unternehmungen in Paris. Der 

Gemeinberath oon Paris ift fchon feit gahren ber eifrigfte Förberer 
ber Fair Wages*©eroegung in Franfreid). ©aebbetn cs ihm ge* 
langen mar, umfaffeitbc Sd;upflaufehi in bic ©ergebungsfontraftc 
über bie gu erbauenbe llntcrgrunbbabn, fomie über bie ©.'eit* 
auSftedungSarbeiten einguführen, fafjtc er fiirglid), gelegcntlid) ber 
I ©erhanblungen über bie Konftruftioit einer Drahtfeilbahn auf bem 




1003 


$ogiale $rajt$- Gentralblatt für Sogtalpoliit!. SRr. 37. 


1004 


$ügel bes Montmartre einen neuen Befd)tuß biefer Slrt. Qfür 
bie Bauausführung biefer XranSportanftalt roerben biefelben 
Sdaufeln oufgefteHt, mie für jene ber Untergrunbbabn. Sobann 
fnüpft er nod) bie folgeitben Bebingungen an Die 33etriebSfongeffion: 

1. 9Riubrftgcfjalte oon 150 grcS. monatlich für bie Bebicnftcten 
ober 9Rtnbejt«2ciglütnie oon 5 gres. für bie oorübergefjenb Befdiäftigten; 

2. SRartmalbicnftgcit non 10 Stunbcn unb 1 luöcfjentlidjer iHubetag; 

3. jäfirlid) ein grlmtägiger Urlaub otjne Sobnabgug; 4. gufidjerung beS 
migefdjmälertcn Lohnes mäbrenb müitäritrfjer Hebungen; 5. Gablung 
ber noQen Söbne bei ftranfbeit; 6. beSgl. bei Unfällen bis gur Teilung 
über bis junt ftrntengiifprurfj; 7. Unfallüerfirf)ernng auf Unternehmer* 
füften; bngienifif)er unb fidjerbeitlidjer Schuß uadj ben Borfdiriften ber 
Berroaltiingsbcbürben; 9. uneutgeltlirfjc ärztliche unb pbarmageutifeße 
Bcbanblmig; 10. befinitioe Aufteilung nad) grocijäbrtger ©ieuftgrit; 
11. Btlbuug oon Altersrenten bei ber ftaatlicßen SUterSuerforgungsfaffe 
aus gweiprogentigem 2of)nabgug unb fed)Sprogcntigcin 3 ll fdjuß au§ Be* 
triebsfoubs. 

SRacßbem bie Regierung unb baS Parlament bie faft gleichen 
Älaufein für bie Untergrunbbaßn genehmigt haben, ift mißt angu* 
nehmen, baß fie bem lebten Befcßluß beS ^arifer GemeinberatßS 
bie Sanftion oerfagen. 

Selfelidüe Stabt* nitb Gemeinberätfje fo Guglanb. -Sas §auS 
ber ©enteilten hat am 7.guni mit einer Majorität oon 35 Stimmen 
ben grauen Großbritanniens baS SRedjt oerließen, gu Stabt« unb 
Gemeinberätßen gu mäßlen unb geroäßlt gu roerben. ©ie Beratßuug 
ging um bie £onboner BerroaltungSoorlage unb bie burd) biefe ge« 
feßaffenen neuen Beßörben* refp. BerroaltutigSförper. Slbgeorbueter 
Gourtenei) batte gu biefer Vorlage ein Slmenbement eingebradjt, babin 
geßenb, baß feine "JSerfon bureb Geßßlecßt, bureb £>eiratß, burd) Sitter 
oon ber B3ä ß Iba r feit gum Stabtratb (Sllberman) ober Gemeiubcratß 
u. f. nt. auSgcfdjloffen werben fottte. SllS es nach längerer, erregter 
Debatte gur Slbftimmung fam, gerfplitterten bie alten Barteiformen 
oöllig; bie Mehrheit oon 196 Slbgeorbneten (gegen 161) beftanb 
aus liberalen, Monferoatioen, llnioniften, Babifaleit, gren. gür 
bie neuen grauenrechte ftimmten neben einanber Staatsminifter 
Balfour neben beut güßrer ber ßiberalen Sir GampbelI*Banner* 
matt, goßn SEorlep, StSquith, Sohn BurnS, roäbreitb bie Mi« 
noriiät oon bem fonferoatioen Minifter Sir M. .§icfS*Bead} geführt 
mürbe. Ginen praftifeßen Grfolg roirb ber Befcßluß freilich nicht 
haben; benn es ift außer allem Zweifel, baß baS DberßauS ihm 
beigutreten fich roeigern mirb. 

kommunale Stäbtebeleueßtung in Gnglanb. SluS einer 
famtnenftellung ber ßonboner 3eitfchrift „Lightning“ ergiebt fich 
beutlid) bie waeßfenbe ©enbeng ber „eigenen SRegie" ber Gemeinben 
begüglid) ber ftäbtifchen Beleuchtung; es finb nämlich eleftrifcße 
Beleuchtungsanlagen in Betrieb oon 83 Gemeinben unb bloß 
57 Bnoatgcfetlfcßaften; 69 Gemeinben haben ben $au eigener 
eleftrifcher Söerfe in Singriff genommen, mäbrenb in 13 Drtfcßaften 
bloß ber Bau berfelben oon ^SrioatgefeUfcbaften begonnen mürbe 
unb in 83 Gemeinben befaßt man fich mit ber gbee, eigene elef* 
trifeße Söerfe gu errichten, mäbrenb bloß in 11 folgen bie gbee 
ber Äongeffionirung oon prioaten Gefeflfcßaften oentilirt mirb. 


^rbettetbeniesmtg. 


©ie Slusftänbe be$ Jahres 1898 in granfreidj tmb baS Gefet? 
über Bermittelnng unb SchiebSgerichte» 

©aS Office du Travail oeröffentlicht foeben bie „Statiftif ber 
Slusftänbe foroie ber ©bätigfeit ber Bermittlung unb beS Sd;iebs« 
geridjtS mäßrenb beS gaßreS 1898". B3aS nun guerft bie SfuS« 
ftänbe angebt, fo entnehmen mir ber Ginleitung beS Buches bie 
naebftebenben bemerfenSroertbeflen 3uf ern - 3m Sab« 1898 faitbeit 
in granfreid) 368 SluSftänbe ftatt — alfo 12 mehr als im Bor* 
jabt'e —, au benen fich im Gangen 82065 SUiSftänbifcbe betbeiligten 
— gegen 68 875 im gab« 1897; biefe Steigerung goßt gutn ©heil 
auf "ben Slusftanb ber Barifcr Grbarbeiter mit 42800 ©beilnebmern 
unb ben Berfud) eines allgemeinen SluSftanbS im September unb 
Cftober 1898 guriief. Xrei gnbuftriegmeige lieferten allein gmei 
drittel ber Slusftänbe unb brei Biertel ber SluSftänbifchen, nämlich 
bie XeftiU, Bau« unb Metallinbuftrie. B?eun man biefe 368 SluS* 
ftänbe ooni Gefidjtspunft ber 3 e itbauer aus betrachtet, fieljt man, 
baß 242 meuiger als eine B?od)c gebauert haben, mäbrenb ber 
läugfte fid) auf 169 läge ausbebnte. £ie bauptfächlidjiteu llr* 
fadjeu ber Slusftänbe mären folgenbe brei: 1. Vobnfragcn (Qerab* 
fenmig ober gorberuug ber Grhöhuug ber Üöbne): 223 Slusftänbe 
= 60 ,g o. 2. ^erfouenfrageu (gorberuug ber Stebereinftclluug 


entlaffener Slrbeiter ober ber Gntlaffung oon Slrbeitern ober iBerf« 
fübrem): 61 Slusftänbe — eine geringere 3 a bl als in ben Bor* 
jabren. 3. Bedangen ber Berfürgung ber SlrbeitSgeit: 28 SluS* 
ftänbe, baoon 10 in ber Bauinbuftrie. 

gn CiinRcht auf ißre Grgebniffe oertbeilen ßcb ^i e 
ftänbe beS gabreS 1898 mie folgt: 1. Grfolg batten 75 Slusftänbe 
mit 10 594 SluSftänbifchen; beim Bergleich mit bem gabre 1897 
bemerft man, baß bie 3°bl & cr erfolgreichen Slusftänbe biefelbe 
geblieben ift (20 ,38 o. §. gegen 19,i 0 o. $.), bagegen ift bie 3abl 
ber SluSftänbifchen oerbältnißmäßig gurürfgegangen (oon 28, 8 o. £>. 
im gaßre 1897 auf 12,oi o. §.). 2. Beigclegt mürben 123 SluS* 
ftänbe mit 32 546 SluSftänbifchen. 3. Mißerfolg batten 170 SluS* 
ftänbe mit 38 925 SluSftänbifchen. 3um Schluß ber lieberficht 
über bie Slusftänbe noch eine Gingelßeit, bie oon gntereffe fein 
bürfte, namentlich in bem Slugenbliif, ba bie frangöfifche Kammer 
ben Gefcßentrourf über bie Bebingungen bei berBergebung offent* 
lieber Slrbeiten erörtert (ber Gntmurf erfennt als 9iorm ber Siöbne 
unb SlrbeitSgeit bie greife unb bie Stuubengabl an, mie fie jebeS 
0rtS oon ben Spnbifaten ber Slrbeitgeber unb Slrbeiter beS gacßS 
oereinbart finb). Bei 211 oon 368 SluSftänben gehörten bie Sir* 
beiter gang ober gum einem Spnbifat an; bei 113 SluS* 

ftänben beftanb ein gachfpnbifat ber Slrbeitgeber. ®ie Slrbeiter* 
fnnbifate haben ben SluSftänbifchen in 32 SluSftänben regelmäßige 
llnterftüßung geleiftet unb ißre Betbeiligung an ben Berbanblungen 
ift bei 41 SluSftänben oon ben Slrbeitgebcrit angenommen morben. 

$>er gmeite ^bcil ber Ginleitung beS BucßeS beljanbelt bie 
Slnroenbung beS GefeßeS oom 27. ©egember 1892 über Bermitt* 
hing unb SchiebSgerid)te groifchen Slrbeitgebern unb Slrbeitern im 
gaßre 1898. gn 94 gäHen ift bieS Gefeß gur Slnmenbung ge* 
fonimen; bie Slnregung bagu mürbe.oon ben Slrbeitern 57 mal, 
oon ben Slrbeitgebern 3 mal, oon beiben gemeinfam 2 mal gc* 
geben, unb ber griebenSrichter griff bei 32 SluSftänben oon Slmts« 
wegen ein. £ie Slrbeitgeber haben 32mal ben Bermitt* 
lungSantrag gurüefgeroiefen, bie Slrbeiter 1 Mal, Slrbeitgeber 
unb Slrbeiter gugleicb 5 Mal; in 4 gälleu eriblich lam bie Ber* 
mittlung nicht gur SluSführnng, ba bie Slrbcit aufgenommen tuorben 
mar, ehe jene in ^hätigfeit treten fonnte. GS bleiben alfo 52 gälte, 
in benen BermittlunaSaiiefchüffe gebilbet mürben; biefe SluSfchufe 
haben bireft 18 Slusftänbe, mittelbar 10 Slrbeitsfämpfe beenbet. 

SBas bie Xhätigfeit beS SchiebSaerichtS anlangt, baS nach betn 
Sinne beS Gefeßes uoit 1892 in Slnfprud) genommen werben foü, 
wenn ber BermittlungSoerfuch erfolglos blieb, fo ift eS nur 20 mal 
in ftäraft getreten unb hat bloß gmeimal gu einem Grgebniß geführt; 
es mürbe neunmal oon ben Slrbeitgebern, einmal oon ben Slrbeitern 
unb achtmal oon beiben Parteien abgelehnt. 

gm Gnberaebniß hat bie Slnmenbung beS GefeßeS über Bcrmitte* 
lung unb ScpiebSgerichte im gaßre 1898 30 SlrbeitSftörungen 
mittelbar ober unmittelbar beigelegt. Söenn man bieS Grgebiiiß 
mit bem ber fünf oorhergeßenben gaßre gufammenreeßnet, to er* 
giebt ßcß, baß, ©anf ber Beftimmungen beS Gefeßes oom 
27. ©egember 1892 oon feinem gnfrafttreten bis gum 31. ©e* 
gember 1898 auf eine Gefammtgaßl oon 2630 SluSftänben 
248 Streitfälle gütlich beigelegt morben finb. SluS ben ^hatfaeßen, 
bie ein genaues Stubium ber Söirffamfeit beS Gefeßes toährenb 
biefeS gcitrauntS oon 6 gaßren gu 3:age förbert, heben mir lebig* 
ließ bie 3 a ßlen ßeroor, bie ein llrtßeil über bie Stellung ber 
Slrbeitgeber unb Slrbeiter gur Bermittlung unb gum ScßiebSgerüßt 
geftatten. SBaS gunäcßft bie Slnregung gum BermittelungSDerfucße 
anlangt, fo haben bie Slrbeitgeber biefe Slnregung 22 mal, bie 
Slrbeiter 313mal, beibe Parteien 14mal gegeben, ber gricbens* 
rießter 232 mal. — 2>er Slntrag auf Bermittlungsoerfucß ift 180 mal 
oon ben Slrbeitgebern, 16 mal oon ben Slrbeitern unb 13 mal oon 
beiben Parteien gurüefgewiefeu morben. 

©iefe 3 a ßlen finb an fieß berebt genug, um ein weiteres Gin* 
geßen auf ihre Bebeutung iiberflüffig gu machen. Gs roirb genügen, 
gu bemerfeji, baß GbarleS gern) fürglicß auf ben ©ifcß beS 'Slb* 
georbnetenßaufeS ben Bericht uiebcrgelegt ßat, mit beffeu Slbfaffung 
ißn ber SlrbeitsauSfcßuß über einen Slntrag auf Slbänbcruug bes 
Gefeßes oom 27. ©egember 1892 über bie Bermittlung unb bas 
Sd)iebsgerid)t betraut hatte, ©iefer Bericßt fommt gum Scßluß, 
ben BermitteluugSoerfud) obligatorifcß gu maeßen. 

Baris. Dctaoe geftp. 

©ic große StrbeiterouSfpcrrttwg in ©änemarf. 

^er jeßige I.ock-out in ©änemarf, ber mit Stecßt fo großes 
Sluffeljen and) im SluSlanbe beroorgerufen bat, ift nidjt gegen bie 
Slrbeiterorgaiiifation als foldjc gcridjtet. Gs märe natürlich ben 



1005 


©ogtale $ragi&. ©entralblait für Sogtalpoltttl. 97r. 37. 


1006 


Arbeitgebern ni<fet unangenehm, roenn bie 3 C ^ fitfe fo gurücf- 
feferauben liefe, bafe man, roie in ben guten alten Sagen, überhaupt 
mit feinem fjathnerein gü thun hätte. 3n ber Shrflicfefeit liegt 
aber biefer ©ebanfe bem Serein ber Arbeitgeber fern. 3a, man 
fönnte im ©egentfeeü fagen, bafe bie Arbeitgeber eben eine noch 
ftärfere Arbeiterorganifation forbern, um bie Sicherheit gu erhalten, 
bafe bie 3mb rer ber Arbeiter eg in ihrer 9Racfet haben, Heberein* 
fünfte unb Abmachungen überall effeftio burefefüferen gu fönnen. 

Sie tiefer Iiegenben llrfacfeen ber Sperre finb, bafe bie Sari* 
fdjritte ber bänifdfeen Snbuftrie in ben lefeten Safergefenten unb bie 
rege Sautfeätigfeit in ben Stabten, namentlich in ber #auptftabt, 
roährenb ber lefcten Sahre, in Serbinbung mit einer weit um* 
fpannenben, feften SDrganifation ber Arbeiter, bagu beigetragen haben, 
bafe bie Söhne fefer geftiegen finb,. bie Arbeitzeit oerringert unb bie 
SRacfet ber Arbeiter im (Sanken oergröfeert ift. 9tacfe recht fefemierigen 
©eburtgwefeen ift eg jefet ben Arbeitgebern ber Saugewerbe wieber 
gelungen, eine grofee unb mächtige Arbeitgeberorganifation ben 
Arbeitern gegenübergufteflen. Siefe Drganifation, bie erft ein paar 
Safere alt ift, wollte fefjort im oorigen Safe« ihre Kräfte prüfen 
unb ftärfen burch einen Lock-out, mag aber abgemehrt mürbe, 
diesmal ift eg ©rnft geworben. Ser Anlafe mar ein 3roift im 
SCifthlerfach, ber aber unter anberen ttmftänben fefeon jefet frieblich 
abaelaufen märe. 9Jtan oerhehlt auch gar nicht, bafe bie wirf liehe 
Urfatfee beg Lock-out bie Uebergeugung ift, bafe bie Serfeältniffe 
auf ben Saupläfeen unb in ben Söerfftätten unb Sabrifen „uner¬ 
träglich" feien. Sie Uebergriffe ber Arbeiter, fagt man, werben 
täglich gröfeer; bie Arbeiter thun, mag fie wollen, fommen unb 
gehen, mann fie wollen, überwachen, bafe fein Arbeiter gu oiel 
fertig macht, forbern im ©angen bie Arbeitgart gu beftimnten :c. 
— furg bie Arbeitgeber fönnen, nach ife«n Slugfagen, launt mehr 
felbft bigponiren, wiffen h eu te nicht, wie morgen bie Sachen liegen, 
unb werben auf Scferitt unb Sritt oon ihren Arbeitern tracaffirt, 
immer mit ber Streif Drohung in ^interfeanb. 

3ft nun auch Sieleg feieroon übertrieben, fo ift eg hoch un* 
gweifelhaft, bafe bie Arbeiter mand)mai übermüthig auftreten, unb 
bafe tfeeilg ihre gegenfeitigen Arbeitgoerabrebungen, theilg ihr oft 
willfürlicheg Serfaferen gegen bie Arbeitgeber für eine gefunbe 
Arbeitöorbnung unb bag ©ebeifeen ber Snbuftrie gefährlich werben 
fönnen. Segwegen halten fich auch oiele, bie fonft Arbeiterfreunbe 
finb, bie aber mit eigenen Augen ber Sache in ben lefcten 3ahren 
gugefefeen haben, jefet etwag gurücf. 9Jtan weife wohl, bafe etwag 
Sofitioeg nicht burch bie Sperre gu erreichen ift, benn oiele ber 
wefentlichften Sefdfewerben ber Arbeitgeber laffen fich Tiid^t para- 
graphenweife abmathen . l ) Aber man meint, bafe bie jefcige enorme 
Stacfetentfaltung ber Arbeitgeber jebenfaHg ben Arbeitern unb ihren 
Führern geigen wirb, bafe bie Arbeitgeber fich hoch nicht alleg 
bieten laffen unb bafe fie gu guterlefet bie Stärferen find, unb 
man hofft bann, bafe wenn liefe bie Arbeiter biegmal haben unter¬ 
werfen müffen, ruhigere Serfeältniffe eintreten werben. 

Aber auch anbere Stimmen — aufeerhalb ber Streife ber Arbeit¬ 
geber unb Arbeiter — laffen fich hören. ©g wirb gefagt, bafe in 
mehreren ©emerben ber Lock-out fich mit beftehenben lieberem- 
fünften ben Arbeitern gegenüber nicht oereinbaren läfet. 2 ) ferner 
fagt man, bafe eine Stajfenaugfperrung wie bie jefcige halb reoo- 
lutionär ift, unb bafe, wenn ein folcher Scferitt oon fonferoatioer 
Seite alg erlaubt gilt, ein ©eneralftreif ber Arbeiter niefet mefer 
Sfteoolution, fonbern nur berechtigte SRotfewefer ift. 3nt ©angen, 
behauptet man, wirb biefer gmngerrrieg unfäglicfee Sitterfeit frifeaffen, 
bie felbft naefe bem „Srieben" immer unb immer neu auflodern 
wirb, unb eg wirb fiefe räcfeen, bafe man mit ber Srutalität ber 
©elbmacfet ofene SBarnung, ofene Künbigung Saufenben unb Aber* 
taufenben bag täglicfee Srob nimmt unb fie ing ©lenb ftürgt. 
©ndlicfe wirb feeroorgefeoben, bafe auefe oiele Arbeitgeber unnötfeig 
fdferoff unb wiHfürticfe in iferem Auftreten finb unb bafe übrigeng 
bie Arbeiter feinegwegg ofene ©influfe auf bie Arbeitgart fein bürfen, 

l ) SSenn bie Arbeitgeber forbern, bafe eine mit ber £>aupt* 
organifation ber Arbeiter getroffene Uebereinfunft audj ohne guftimmung 
ber einzelnen betreffenben Korporationen binbenb fein fotf unb bafe bie 
feft angeftellten SBerfmeifter unb ähnliche gunftionäre nidfet HÄitglieber 
ber gaefeoereine fein bürfen, fo läfet folcfeeg )icfe oielleicfet fiyiren. Sieg 
ift fefeon fefewieriger mit Aüdficfet auf bie „Leitung" unb bie „Ser* 
tfeeilung" ber Arbeit unb — mag bie £>auptfacfee ift — unmöglich 
in ^inficfet beg gangen modus vivendi gwifdjen Arbeitern unb Arbeit* 
gebenr. 

*) ©ine Art 3cfeiri)ggericfet, welcfeeS Arbeitgeber unb Arbeiter uer» 
fefeiebener gädjer oor Kurgem gewählt patten, ift in btefen Sagen mit 
ber Unterfucfeung befefeäftigt, mic weit bie Klagen ber Arbeiter in biefer 
.fünfidjt berechtigt finb. 


wenn fie ftd) niefet aufg SReue alg „Srobuftiongmittel" ftatt alg 
mitarbeitenbe Statfdfeen Betrachten laffen follen. 

Ser thatfäcfelicfee 3nftanb ift jefet, bafe etwa 40 000 Arbeiter 
auggefcfeloffen finb, eine enorme 3 a fel für ein Sanb mit nur 
2 1 /« Millionen ©inwofenern. 8 ) Sie Arbeiter follen in ihren Streif- 
faffen IV 2 Stittionen Kronen (8 Kronen = 9 J() haben, unb fie 
fangen erft jefet an Unterftüfcungggelb gu nefemen. öiergu fomnten 
bie Seiträge ber Arbeitenden — 1 big 3 Kronen für ben SRann 
wocfeentlicfe! — fo bafe ber SMberftanb oielleicfet Monate bauern 
fann. Auf ber anberen Seite wirb tfeeilg bireft, tfeeilg inbireft 
bie 3<*dl ber Auggefcfeloffenen feier unb ba oermefert; eg ift bafeer 
unmöglich, fefet eine genaue „Silang" gu giefeen. 

^ie fonferoatioen Parteien ftefeen gröfetentfeeilg auf Seite 
ber Arbeitgeber, boefe feat bie cferiftlicfe-fojiale Partei mit $ro- 
feffor SBeftergaarb an ber Spifee fefer energifefe fiefe ben 

Arbeitern angefcfeloffen unb forbert bagu auf, fie materiell unb 
moralifcfe gu unterftüfcen. S)ie bemofratifefeen finb giemlicfe 

oorfiefetig; fie forbern Scfeiebggericfet, Sermittelung :c., am ent- 
fefeiebenften auf Seite ber Arbeiter ftefet bie S)emofratie ber §aupt- 
ftabt. §ier feat man jefet auefe angefangen, bie gfreigeit 5 cr Arbeiter 
gu oerfürgen burefe beleferenbe Sorträge, 9Jlufeumgbefucfee 2 c.; ßeferer 
unb gfacfeleute ftefeen ooran in biefen Seftrebungen. ‘SDie ©elb- 
beträge aug bürgerlichen Kreifen gefeen fparfam ein; jefct oerfuefet 
man aber ben Auggefcfeloffenen gu helfen burefe Aufnahme ihrer 
Kinber in ben gramilien; biefe Bewegung ift namentlich oon 
unferer Sauernbemofratie auggegangen. 

S)em Auglanbe gegenüber ftefet bie Sacfee fo, bafe oorläufig 
beibe Parteien fiefe beftreben, folcfee Setriebe niefet gu ftören, bie 
für ben augmärtigen Serfefer arbeiten (g. S. ©mbaöage ber 
Sutteroerfenbungen in ber 3afebinber- unb Slecfewaareninbuftrie). 
Xfeeilweife gefcfeiefet bieg wofel audp, um bie Stjmpatfeie ber Sanb- 
beoölferung nidfet gu oerfefeergen burefe Semicfetung ifereg ©fportg. 
Sonft oerfeinbert ber Satriotigmug niefet, bafe in biefem Sruber- 
friege bie Arbeiter Seiträge oon ben Arbeiterfcfeaften beg Aug- 
lanbeg entgegennehmen, uno bafe bie Arbeitgeber oon ihren ffan- 
binaoifefeen Kollegen unterftüfet werben unb auefe ifere beutfefeen 
Kollegen aufgeforbert haben, feine bänifefeen auggefcfeloffenen Ar¬ 
beiter in Arbeit gu nefemen. 4 ) 

Db man in einer näheren 3 u ^nft einen Auggleitfe erreichen 
wirb, ift fefewer gu fagen. Sorläufig finb bie Arbeitgeber fefer 
friegerifefe unb bie Sefeörben paffio. S)ie Haltung ber Arbeiter 
ift ruhig, befonnen, feft. fBie lange aber bieg bauern wirb, fann 
man nid)t wiffen. S)ag gange ©yperiment ift jebenfallg ungemein 
gefährlich, traurig für Stieben unb Söofelfafert beg ßanbeg im 
Augenblicke —; wirb eg Srieben unb SSofelfafert in ber 3 u * un ft 
oergröfeern ober oerringem? 

Kopenhagen. — n. 

$ie ^aupttierfammlung beg beutfefeen SerBanbeg faufmäuutfefeer 
Sereine gu ©ifenaife» SDem Serbanbe gefeören jefet an 98 Sereine 
mit 127 115 SJtitgliebern. Son biefen finb 24 832 Sßringipale, 
95 528 ©efeülfen, 4893 Seferlinge unb 1862 föicfetfaufleute. S)en 
erften ©egenftanb ber £agegorbnung bilbete ber ©ntwurf einer 
SRooelle gur ©ewerbeorbnung, betreffenb bie Regelung ber Arbeitg- 
oerfeältniffe, ben gefunbfeeitlichen Scfeufe ber Angeftellten, fowie bie 
Sortbilbung ber ßeferlinge unb jugenblicfeen ©efeülfen im §anbelg- 
gewerbe. SÜacfe ber 00 m Referenten beantragten Sefolution begrüfet eg 
ber Serbanb faufmännifefeer Sereine mit Stuben, bafe in ber Wooette 
gur ©ewerbeorbnung drittel gur Sefeitiaung ber übermäfeigen Arbeitg- 
geit unb anberer auf bie ©efunbfeeit uno Seiftuiiggfäfeigfeit ber §anb- 
lungggefeülfen f cfeäblicfe wirfenber Uebelftänbe in Sabengefcfeäften ge¬ 
boten werben, betont aber namentlich, bafe er eg naefe wie oor für un- 
bebingt notfewenbig feält, für bag ganje S)eutf^e Sffeicfe einen 
allgemeinen Sabenfcfelufe um fpätefteng 8 Ufer Abenbg, 
mit Augnafeme ber Abenbe oor Sonn» unb geiertagen, gefefelitfe 
anguorbnen. ©in 3ufafeantraa, für ben Satt ber Ablehnung beg 
gefefelicfeen ßabenfcfeluffeg beffen ©infüferung burch bie ©emeinbe* 
befeörben auf Antrag ber Sleferfeeit ber betfeeiligten ßabenbefifeer 
im ©efefee oorgufefeen, würbe mit 62 gegen 41 Stimmen ange- 

8 ) 3« ben 40 000 Arbeitern gehören wofel minbeftenS 100 000 grauen 
unb Kinber, fo bafe in allem 6% ber bänifdjen Seoölferung bireft be¬ 
troffen finb, aber feunbertaufenb anbere werben inbireft in Sfitleiben» 
fefeaft gegogen unb im gangen ^anbe wirb bie Kataftropfee auf bag ge¬ 
lammte ©rwerbgleben läfemenb einwirfen. 

*) Sie Arbeiter oergeffen natürlich niefet barait gu erinnern, bafe eg 
Jefet bie Arbeitgeber finb, bie „international" unb „oaterlanbvlof^ auf¬ 
treten unb fiefe mit beutfefeen Arbeitgebern oerbinben, bamit biefe 
bänifefee Arbeiter augweifen follen 2 c. 



1007 


©ogiale $raji$. ©entralBlatt für Sogialpolittf. Nr. 37. 


1008 


nommen, nad)bem barauf hingeroiefen roorben roar, baß 134 000 
ber in ßabengefd)äften AngefteÜten unter 20 3 aßre alt feien. — 
gür bie ©rrtchtung non ©djiebSgerieten gur ©djlidjtung oon 
©treitigfeiten aus bem faufmännifdjen AnftettungSoerhältniß, bie 
nad) ber Slnfic^t ber 9J2ehrheit ber ®elegirten ait bie orbentlidjen 
©ericßte angugliebern feien, rourbe bie Befeßung burdj einen 
Suriften nnb minbeftenS einen Bringipal unb einen ©ehülfen fo* 
roie ein möglicßft befchleunigteS unb billiget Berfahren geforbert. 
— Hinfichtlid) ber Unterftüßung bei ©tellenlofigfeit erachtet ber 
Berbanb eine geregelte Unierftüßung bei uuoerfd)uIbeter ©teilen* 
lofigfeit für bringenb notbroenbig unb auch nad) ben in Württemberg 
emacßten (Erfahrungen ohne erhebliche St'ojten für erreichbar. — 3n 
em Referate über bie BerufSgählung mürbe für bie nächfte BoIfS* 
gäßlung im 3 ahre 1900 eine Arbeitslofengählung geforbert, bei ber 
baS faufmännifdje Berfonal oon bem lanbroirthfchaftlichen unb bem 
Snbuftrieperfonal getrennt aufguführen fei. — 3 m 3 ufammenhana 
mit ber Befreiung ber HanblungSgehüIfen oom Sn.oaliben* uno 
AlterSoerfid)erungSgroang mürbe eine befonbere BerficherungSanftalt 
für biefen Beruf oerlangt. — Unter Berroeifung auf bie (Eingaben 
an bas NeidjSamt beS Snnern oon 1895 unb 1897 roirb bie 
Nothroenbigfeit größerer ©inheitlichfeit in ber Ausführung ber 
gefeßlichen Beftimmungen über bie Sonntagsruhe im HanbelS* 
geroerbe mit tijunfichfter Berringerung ber guläffigen Ausnahmen 
unb Befchränfung ber ©onntagSarbeit auf bie BormittagSftunben 
bargelegt. Weitergehenb mürbe ein Antrag angenommen, roonach 
bie ©onntagSarbeit nach 10 Uhr BormittagS gefeßlich oerboten 
roerben fofl. 

Die ©tnridjtirag eine# ttrteiter*&efretariat3 für Hamburg ift in 

einer Berfamntlung ber Delegirten gum ©eroerffchaftSfarteH unb ber 
©emerffchaftSoorftanbe befdjloffen morben. Der Borfchlag ber Kartell* 
fommiifton ging baß in, oorläufig gmei ©efretäre, einen Bnreauoorfteher 
unb einen Bureaugeljülfcn angufteflen unb bie Benußung be# @efre= 
tariats nur ben S&ttgliebern ber bem Kartell angefdjloffenen ©einer!» 
fchaften gu geflohen. Die Dßätigfeit be# ©efretarichs füll fid) erftreden 
auf: Arbeiterfcbußgefeßgebung, llnfaüüerfuherung, gnnaltbitäts» unb 
AlterSoerfirfjerung, Ausarbeitung oon ©utathten fomie ©djaffung oon 
SKaterial, ©tatiftif u. f. m. liefen Borfcßlägen tourbe gugeftimmt. 

Der Streif ber Sriutter DegtUarbeiter ift nun entließ in baS 
©tabium ber Bcrhanblungen getreten. Stuf Beranlaffung be# 
£>ber*©eroerbe*3nfpeftorS hat im Beifein beS Bürgermeister# unb 
be# BegirfShauptmannS oon Brünn oorläufig eine unoerbinbliche 
Befpred)itng groifchen ben Unternehmern unb bem ©treiffomite 
ftattgefunben. Da bie Unternehmer glaubten, bie Arbeiter mürben 
mit Beginn biefer Woche „mürbe" fein, beantragte ber ©efretär 
ber ©eroerffchaftsfommiffton, §ueber*Wien, bie meitere Befprechung 
auf oiergehn Dage gu oertagen. ©S rourbe inbeffen bem Ober* 
©eroerbc*3nfpeftor überlaffen, fchon im Caufe biefer Woche gu 
einer gortfeßung ber Befprechung eingutaben. Anfdjeinenb ift bie 
Unterftüßung ber ©treifenben noch auf Wochen hmauS gefiebert. 
Die „Wiener Arbeitergtg." ift fehr fiegesberoußt unb erflärt, baß 
ber 3^^ftunbentag in Brünn eine unoermeiblithe 3:hatfache ge* 
morben fei. 

ftahrcSberidjt ber £effclmacher»Drabe*ttm 0 n. Der 46. 3ahre#* 
bericht ber Boiler Makers and Iron Shipbuilders’ Union, einer ber 
mächtigften ©emerffchaften, meift einen SJUtglieberbeftanb oon 
44 000 unb ein Bermögen oon runb 5 Bttllionen Ntarf'auf. Die 
©efammteinnahme in 1898 belief fid) auf faft 3 Ntillionen SJtarf, 
bie Ausgaben betrugen etroa 2 BtiKionen. 3nt Saufe oon 
32 Sahren hol bie ©eroerffeßaft für Unterftüßungen aller Art 
30 Btiüionen SJtarf auSgegeben, für ArbeitSfämpfe nur 2 Btiüionen. 
Der Beridjt ift ber lebte, ben ber langjährige ©eneralfefretär be# 
BerbanbeS, |>err Robert Slnight, geichnet, ba er roegen feines oor* 
gerürften Alters feinen ^ofteit nieberlegt. ©S ift in hohem Wafee 
begcichnenb für bie ?lnfd)auungen, bie in ©nglanb fjerrfc^en, roenn 
bei biefem ?lnlafe baS befannte Unternehmerblatt ^Engineering 44 
bcu 3‘ührer ber Ateffelmad)er*3:rabe*Union mit ben Worten begrübt, 
er habe feine $hatfraft in mürbigfter Weife feiner Aufgabe ge* 
mibmet unb rcenige Btänner oerbienten beffereS Sob als er. 2lucf) 
ber Wirffamfeit beS ©eroerfoereinS felbft roirb oon bem Blatte bie 
ooUfte Hnerfennung gefpenbet. 


3Ubeit*rfd)u|. 


2)ie ©etoerbe-Snfpeftiim in Oefterreich. 

^er eben erfthienene „Bericht ber ©eroerbe*3afpeUoren über 
ihre Slmtsthätipfeit im 3af)re 1898", ber roie alljährlich ba# 
malhoollfte fogiatpolitifdje Hi'atcrial bietet, morüber mir in Ccfter* 


reich oerfügen, geigt oor SlÜem, bafe trofc ber forhoährenben Ber* 
mehrung baS SafpeftionSperfonal noch nicht auf bie genügenbe 
§öf)e gebracht ift, um ben ftetig roadjfenben Hnfpriithen gerecht 
merben gu fönnen. $)ie Snfpeftoren roerben jebeS Saht mehr 
burd) fommiffionelle Berhanblungen, burch ben Berfehr mit Be* 
hörben unb erfreulicherroeife auch , mit ben Unternehmern itnb Sir* 
beitem in Slnfpruch genommen, fo bafe bie eigentliche SluffichtS* 
tjjätigfeit barunter leibet. ©S ift baher mit Bebauern gu fonfta* 
tiren, bafj bie 3aht ^cr im Berichtsjahre oorgenommenen Snfpef* 
tionen unb Beoiftonen oon geroerblichen Betrieben gegenüber bem 
Borjahre gurüefgegangen ift; namentlich fcheint ber fo roerthooÖen 
Befid)tigung fleingeroerblicher Betriebe eine roefentlich geringere 
Slufmerffamfeit gefchenft roorben gu fein als bieS in ben lebten 
Salden ber gaQ toar. Bei ben oerhältnifemähig geringen Stoffen, 
bie eine entfprechenbe Bergröfeerung beS ©eroerbe * Snfpeftions* 
perfonals oerurfadjen roürbe, lie^e ficfj boch erroarten, ba& bem 
Uebel halb griinblid) abgeholfen roirb. Wirb ber ©chroerpunft 
ber ©eroerbe» 3 nfpeftion in Slfienarbeit unb Slmtlidje# oerlegt, fo 
raubt man ber gangen ©inrichtung ihren urfprünglichcn ©h ara ft er - 

3m einleitenben allgemeinen Berichte roirb bie relatio geringe 
3ahl neu entftanbener Betriebe h^roorgehoben. $>iefe ©rfcheinung 
entfpricht ber ungünftigen £age ber Snbufirie in Defterreich, bie 
naturgemäß auch auf bie fiage ber arbeitenben klaffen eine em* 
pfinbliche Bücfroirfung auSübt. Namentlich tritt bieS in ber Slb* 
geneigtheit ber Unternehmer gegen technifche unb hpgienifche Ber* 
befferungen ihrer Betriebe gu £aae. S)aß bemgemäß begüglich ber 
Befdjaffenheit ber Slrbeits* unb Wohnftätten bie Klagen ber 3m 
fpeftionSorgane fich nicht geminbert haben, ift begreiflid). SBie in 
früheren 3af)ren liefert auch bieSmal baS SHeingeroerbe ben 
meiften ©toff gu Befchroerben. 3)er Borfchlag beS ©rager ©c* 
roerbe * 3nfpeftorS, ben Stleingeroerbetreibenben ftaatliche Begün* 
ftiaungen bei ber ©teuerleifhing gu geroähren, falls fie ihre mangcl* 
haften BetriebSftätten entfprechenb umgeftalten, bürfte faum auf 
fruchtbaren Boben fallen; baS Slleingeroerbe hat nicht bie SRittel 
gu relatio foftfpieligen Slnlagen. 

SDie roachfenbe 3.ahl ber Unfälle, oon roelchen bie Berichte 
Ntittheilung machen, ift roohl gumeift barauf gurüefguführen, baf> 
ber Angeigepflicht geroiffenhafter nadfigefommen roirb ate früher. 
2)och roirb auch barüber Silage geführt, baß bie Öottfdjritte aui 
bem ©ebiete ber UnfaHoerßütung recht geringfügige finb, unb baß 
biefer ßrage in ben betheiligten Streifen noch immer nicht ic neS 
Sntereffe entgegengebracht roirb, baS man Slngefidjt# ihrer Wichtig* 
feit gu erroarten berechtigt roäre. 

Ueber bie 2lrbeiteroerficherung roirb mitgetheilt, baß (ie im 
SUIgemeinen in befriebigenber Weife funftionirt. 3)ie meiften 
Silagen fcheinen baS geringe Ausmaß ber Stranfenunterftüßung unb 
ber Unfaüentfchäbigungen gu betreffen, ©roßen ©chroicrigfeiten 
begegnet bie Regelung ber ^ranfenoerfid)erung ber Heimarbeiter, 
bie h^nte noch gum größten Steile jeber Berfi^erung entbehren. 

©in ungünftigeS Sicht auf bas fogialpoliiifche Bcrftäubniß unb 
bie Durchführung ber 2 lrbeiterfd)ußgefeße roirft bie Dhatfache, baß 
bie 3 ahl ber gefeßroibrig befchäftigten jugenblichen Arbeiter unb 
grauen, bie in ben infpigirten Betrieben oorgefunben rourben, eine 
roefentliche Steigerung (1326 gegen 987) gegenüber bem Borjahre 
aufroeift. Diefer Umftanb erfdjeint befonber# geeignet, bie ©in* 
gangS betonte Wichtigfeit ber eigentlichen SnfpeftionSthätigfeit ber 
©eroerbe* 3 nfpeftoren gu betätigen. 

Die roie attjahrlid) gleichzeitig mit ber BetriebSreoifion uor* 
enommene ©rhebung über bie SlrbeüSgeit ergab, baß in 41, S <V 0 
er befuchten 4726 fabrifSmäßigen Betriebe 11 ©tunben täglidj ge= 
arbeitet rourbe, roährenb in 2203 Unternehmungen ober 46, r , o o 
roeniger als 11 ©tunben gearbeitet rourbe; in acht Betrieben 
( 0,2 c /o) mar achtftünbige SlrbeitSgeit, in fecßS Betrieben ( 0 ,i o. 0 ) 
rourbe 8 V 2 Stunben unb in 202 gabrifen (4 , 2 %) 9 ©hinten ge* 
arbeitet; 183 Betriebe ( 3 , 9 %) hatten eine 9 l / 2 ftünbige, 1017 
(21,:,%) eine gehnftünbige unb 787 (16, 7 %) eine 10 l / 2 ftünbige 
ArbeitSgeit. 3n 546 Betrieben (11, 6 %) betrug bie SlrbeitSgeit 
mehr als 11 ©tunben, unb groar roar in 456 Betrieben eine 
IIV 2 ftünbige unb in 90 Betrieben eine groölfftünbige Arbeitszeit 
cingeführt. Ueber 11 ©tunben roirb faft auSfd)licßlid) in ber Nah 5 
rungSmittelinbuftrie unb Unternehmungen mit ununterbrochenem 
Betriebe gearbeitet. Hinfidjtlid) ber Dauer ber Arbeitszeit in ben 
eingclnen gnbuftriegroeigen oerbient h^roorgehoben gu roerben, baß 
in fämmtlid)cn befuchten Betrieben ber graphifchen ©eroerbe bie 
Arbeitszeit roeniger als 11 ©tunben betrug unb baß in ben folgen» 
ben ©ciocrbeflaffen eine fürgere als bie elfftünbige ArbeitSgeit über» 
roog: in ber Btafchineninbuftrie (85,2 % aller befuchten Betriebe 
biefer gnbuftrie), in ber BefleibungSinbuftrie (69,i o/ 0 )^ i n ber 




1009 


©oktale $rajt$. ©entralblatt für ©ojialpotitil. SRr. 87. 


1010 


SRetattoerarbeitung (66 /4 o/o), in ber chemifchen Snbuftric (52, 3 o/ 0 ) 
unb in ber feramifchen Snbufirie (50,4 %)• Tem entgegen würben 
in ber Sßapierinbuftrie nur 34,2 °/o, in ber Xejtilinbuftrie nur 27 ,r 0 / 0 
unb in ber RahrungSmittelinbuftrie nur 19,i o/g ber befugten Be* 
triebe oorgefunben, bie eine fördere als bie etfftiinbige Arbeitszeit 
Ratten. , Eine Berfürzung ber Slrbeit^eit ift im Berichtsjahre in 
ber Siegel nur oon ben Untemebmern in £inficht auf bie ©e* 
fc^äft0l5figfeit zeitweilig oerfügt worben. 

Silit einer einzigen Ausnahme liegen baher auch feine neuen 
SBabrnebmungen über bas Berhältnifc zmifchen Arbeitszeit unb 
Arbeitsteilung oor; btofc ber Reichenberger ©ewerbe* Snfpeftor 
melbet: „gn einer Baumwollspinnerei unb mechanifchen Weberei, 
weldbe baS ganze Qahr regelmä|ig mit 10 ©tunben gearbeitet hat, 
ergab bie Nachfrage, ba§ bezüglich ber Baumwollspinnerei oon 
einer nennenswerten Beränberung ber pro Arbeitsftunbe erzeugten 
SJlenge nicht gefprochen werben fann. T)ie Berfürzung ber ArbeitS* 
Zeit ftnbet alfo ihren AuSbrucf in ber Berminberung ber erzeugten 
©aarenmenge. dagegen b a t in ber mechanifchen Weberei eine 
Bermehrung ber Arbeitsteilung pro ArbeitSftunbe fiattgefunben." 

Befonbere Erhebungen würben im SBeod^töiabre über bie 
Arbeitszeit ber 5teff eibener fowie ber Shitfcher unb Auf (aber im 
©pebitionSgewerbe gepflogen, fieiber ift baS einfdjlägige SHateriat 
nicht ooraelegt. Tie Arbeitszeit fcfjeint bei biefen wie bei jenen 
abnorm poch ja fein, bei ben Steffelheizern 11 bis 12 1 /2 ©tunben, 
bei ben ©pebitionSarbeitern 11% bis 13% unb währenb mehrerer 
Sllonate fogar 14 bis 15 ©tunben unb mehr. ES wirb oorge* 
fcf)Iagen, bie Söaarenabbolung möge oon ©eiten ber ©pebitionS* 
gefcbäfte in gleicher SBeife geregelt werben, wie bie grasten* 
annabme bei ben Eifenbahnen. 

Tie Einführung oon Arbeiteröerzeichniffen fowie bie Skr* 
breitung ber ArbeitSorbnung, wie namentlich bie Aufteilung ge* 
meinfamer ArbeitSorbnungen für ganze ©ewerbegruppen, ift in 
fteter 3unahme begriffen, hingegen wirb ber Einrichtung oon 
ArbeiterauSfchüffen nod) immer fehr wenig Beachtung gefchenft. 

Tie 3 a hl kr zur £enntni& ber ©ewerbe*gnfpeftoren gelangten 
Arbeitseinteilungen weift eine neuerliche Abnahme auf; fie betrug 
1896: 228, 1897: 178 unb 1898: 169. Tie SRehrzahl fdfjeint, 
nach bm Einzelberichten zu fc^Iiefeen, auch für bie Arbeiter un* 
günftig abgelaufen zu fein. 

SSien. Dr. Emil Soew. 


Ter Arbetterfdjnh unb feine Entwicfelnng im 19. galjrhmtbert. 

Unter biefem S^itel ift oon bem burch fein f>anbbuch beS gewerb* 
liehen Arbeiterfd)ufceS befannten RegierungSrath ©eorg Eoert eine 
furze Tarftettung ber gefcf)ichtlichen Entmicfelung unb beS gegen* 
roärtigen ©tanbcS ber Arbeiterfchufc* unb gürforge*©efefcgebung 
erfchienen, *) baS in feiner fnappen Raffung eine fehr itüpUche 
unb praftifefje ©arftellung beS reichhaltigen ©toffeS giebt. Teutfd)* 
tanb, 0efterreich*Ungarn, ©ro&britannien, ©chweiz unb granfreidj 
werben, ber Bebeutung ber ©ache gernä^, etwas eingehenber behanbelt, 
Skigien, Rieberlanbe, bie ffanbinaoifchen ßänber, Italien, Rufelanb, 
bereinigte ©taaten fürzer. geber Abfchnitt wirb burdf) eine ge* 
brängte hiftorifche Ueberficht eingeleitet, bann folgt eine bei aller 
Knappheit hoch baS SBefentlidje bringenbe Darlegung ber gegen* 
wärtig in $raft beftehenben ©efefee unb Berorbnungen zum ©chufc 
ber Arbeiter unb zu ihrer gürforge (Berftcherung). Eine werth* 
ootte Beigabe ift eine fpnoptifche Ueberficht biefer Beftimmungen 
unb Borfchriften für bie wichtigen Mturlänber. Turd) freuub* 
licheS Entgegenfommen beS Herrn BerfafferS unb beS Berlages 
finb wir in ben ©tanb gefefct, unfern liefern biefe fpnoptifche Tar* 
ftettung als Skilage ber heutigen Rümmer ber „©ozialen $rayis" 
ZU übergeben. ©ie ermöglicht eine rafdje unb zuu«rläffige 
Drientirung in biefen fragen unb wirb ftef) baher ihren Befipern 
oon bauernbem Rufcen erweifen. 

AuS bem ftaljreSberidt beS gabrifinfpeftorS für SBetmar. An ben 

Reuifionen in 59 Anlagen, bie Arbeiterinnen befrf)äftigen, betheiligten 
[ich bie frfjon im oortgen 3af)re angefteötcn zwei Ajfiftentinnen. 2rop 
ber überall wieberholten Erfunbigungen unb ber pcrfönlicfjcn Beziehungen 
beiber, bie unter ben älteren Arbeiterinnen mehrfach Bcfannte trafen, 
mürben ihnen nur in brei fällen SRittheilungcn über SEifeftäube ge* 
macht. — Tern gabrifinfpeftor gingen im ©aitzen wenige (nur 6) 3Rit= 
theilungen über Uebelftänbc unb ©ciehwibrigfeitcn roit ArbeiterauS* 
fdjüffen, Startell=©ewerffajafteoerbänben, Arbeitern unb ftranfenfaffen* 
oorftänben zu- ^er SRangel an Arbcitsfräften, bie fteigenbeu Söhne, oor 
i^üem aber eine in Etfcnach unb llmgcgenb ftattgefunbene Arbeite* 
einfteHung fämmtlicher Bauhanbwerfer unb Arbeiter hatte zeitroeife, 
auch iu ben ^abrifen, eine nicht zu oerfennenbe Erregtheit oerurfacht. 


*) Earl $ci)iuauus Bcrlag, Berlin. 


©eitere Arbeitseinteilungen famen niefit oor, ba bie Arbeitgeber bas 
gegenteilige, frteblidje Berhältnig burch Sohnerhöhungen (tn einzelnen 
gäHen bis zu 10%) aufrecht zu erhalten fuchten. Sn einer groben 
optifchen Anftalt (3cib Ä 3cna) mürbe ber gefammten Arbeiterfchaft am 
Schluffe beS Jahres ein ©eroinnantheil oon 9% beS Sohnes gewährt, 
in einer ©laShüttc erhielten fämmtliche Arbeiter ben Sohn oon fünf 
©ochen als ©eihnachtsgefchenf. Sine Sementfabrif gemährte megen 
ber ©teigerung ber Brotpreife eine ^heuerungszulage (bis z u 3 
möchentlich für bie gamilie). Sine Buchbrucferet führte ^noaliben* 
renten unb ^interbliebenenunterftühung burch einen Nachtrag zur Ar* 
beitSorbnung ein. Sine SRetallmaarenfabrif gemährte ihren älteren 
Arbeitern Baubarlehen. — $ie 3«ht öer im AuffichtSbezirf befchäftigten 
Arbeiter ift oon 16 684 auf 18 409 geftiegen. — Berfehlungen gegen 
bie Arbeiterfchupbeftimmungen waren oerhältuibmäbig feiten, ©egen 
Ueberftunben zeigten fomohl bie Unternehmer, als bie Arbeiter eine zu* 
nehmenbe Abneigung. 2>ie ©efunbheitSoerhältuiffe finb mit Ausnahme 
ber in Bleiweifaabrifen befchäftigten Arbeiter gi'tnftige unb ermöglichten 
es zahlreichen Traufen taffen, bei niebrigen Beiträgen ihre Seiftungen 
über bie gefc&lidjen BUnbeftleiftungen zu erhöhen. Auch bie ©ohnungS* 
oerhältniffe roerben im Allgemeinen als günftig bezeichnet, nur fei in 
einigen ©emeinbeit zufolge ber SReuanlage groper gabrifen eine Sr* 
höhung ber Btiethpreife eingetreten. ^aS ftttliche Berhalten ber Ar* 
beiter ift ein lobenswertes. 


ICrbeUeroerltdjcrnng. Sparbafftn. 


Bnm franzöftfehett UnfaUPerftchernngSgefe^ Pom 9. April 1898, 

welches trofc beS lebhaften SBiberftanbeS ber Snbuftriellen fpäteftenS 
mit bem 1. 3uli 1899 in £raft treten foll, ift foeben oon SÄaurice 
BeUom ein hanblicher Kommentar ] ) erfchienen, ber wieber bie 
arofce ©orgfalt beS BerfafferS bei Behanblung fo fcfjwteriger 
URaterien h^roortreten läfet. ’&er Kommentar zerfällt in z roe i 
£f>eile; ber erfte (©. 8—44) giebt einen furzen Bücfblicf auf bie 
unbefriebigenbe Rechtslage oor bem UnfaUoerftcherungSgefefc unb 
bie oergeblichen Berfuche, bie fchmebenbe Srage auf bem Boben 
beS gemeinen Rechts zu löfen; ber ztoeite bietet einen lleberbliif 
über bie zahlreichen Borentmürfe (©. 47—88) unb ben Inhalt beS 
gegenwärtigen UnfattoerftchernngSgefeheS 00 m 9. April 1898 
(©. 89—318); ber Anhang enthält ben £ejt beS ©efepeS unb ber 
Zur Ausführung ber Ariifel 26—28 beS ©efejjeS erlaffenen betrete 
00 m 28. gebruar unb 5. 9Rärz 1899 unb ber SRinifterialoerorö* 
nung 00 m 1.3Rärz 1899, betreffenb bie Einfe^ung eines BerficherungS* 
beirathS bei bem mit ber Ausführung beS ©efefceS betrauten 
§anbelsminifter. 

2)aS Enbergebnife ber fajft 20 jährigen Boroerhanblungen ftellt 
fich als ein ilompromife groifd^en ©enat unb $>eputirtenfammcr 
bar, oon benen ber erftere Iebiglich ein erweitertes §aftpfli<htgefefo, 
bie le^tere aber eine offentlich*re$tlidje 3u)angSoerficherung anftrebte; 
man oereinigte fich fchliejjlüh auf bie fogenannte %f)tovk beS 
risque profesbionnel, wonach 1. bie Arbeiter grunbfäplich für 
alle (nicht felbftoerfchulbeten) Betriebsunfälle oon ben Unter* 
nehmern zu entfehäbigen finb, 2. biefe Entfd)äbigungen nach gefefc* 
lieh feftgelegten ^JurchfchnittSfähen zu gewähren finb, 3. bas 
^rozefeoerfahren zu oereinfachen unb 4. entfprechenbe ©icher* 
heit für bie Entfchäbigungen zu bieten ift. 

3n Ermangelung einer obligatorifchen ^ranfenoerficherung 
fonnte ber ©efepgeber bie leichteren Unfälle (mit oorübergehenben 
golgen) oon ber Unfattoerfichernng nicht auSfchliefcen, fo bafe an 
©teile ber fogenannten ©artezeit oon breizehn Wochen in ^)eutfch* 
lanb unb oier ©ochett in Defteireich, mährenb welcher 3ßH ^ort bie 
Sfranfenfaffen eintreten, eine grift oon oier Sagen feftgefefct worben 
ift unb bie UnfaHentfchäbigungen erft mit bem fünften Sage nach 
bem Unfall beginnen. 

Bei oorfäfclicher Herbeiführung beS Unfalls, fei eS burch 
ben Arbeiter ober ben Unternehmer, ift bie Rechtslage bie gleiche 
wie in 25eutf<f)lanb, b. h- im erfteren gaE oertiert ber Arbeiter 
feinen EntfchäbigungSanfpruch, im le^teren gatt behält er feinen 
ootten EntfchäbigungSanfpruch nach gemeinem Recht; bagegen 
weicht bei grobem Berfchulben (faute inexcusahle) beS Arbeiters 
ober Unternehmers baS franzöfifche ©efep bahin ab, ba& im 
erfteren gatt bie Unfattrente beS Arbeiters h^rabgefefet, im anberen 
galt erhöht werben barf. 

£>ie gefepliche Unfallentfchäbiaung gewährt neben ben 
Soften beS H e il üer fahrenS (nach ber URebizinaltaye) unb einem 
BeerbigungSbeitrag (bis 100 grcS.) Tagegelber bei oorüber* 


A ) De la responsabilite en matiere d’accidents du travail, Coramen- 
taire de la loi du 9 Avril 1898 et des deerets du 28 Fevrier 1899 
portant regiement d’administration publique pour l’executiou de cette loi 
par Maurice Bellom, Ingenieur au Corps des Miues, Paris 1899. 



1011 


Soziale $ra£iö. Eentralblatt für Sozialpolitik Rr. 37. 


1012 


gehenber unb Renten bet bauernber ErwerbSunfähigfeit ober 
töbtlidfjem AuSgange beS UnfaßS, welcheSoßungen nach äljn* 
lidjen ©runbfäben wie im beutRhen Sfranfen* unb Unfaßoerffd)erungS* 
aefeR abgemeffcn finb. $)er Befürchtung, baR bie ben Unternehmern 
bet töbtlichen Unfällen auferlegten Samilienrenten bie Unternehmer 
oeranlaffen fönnten, lieber unoerReirathete Arbeiter eingufteEen, 
wirb oom Berfaffer u. A. bamit begegnet, baR bie bezügliche Be* 
laftung nur auf 0 , 63 % ber Arbeitslöhne au fcfjäfeen unb bem* 
gemäR faunt eine folcRe Einwirfung ju befürchten fei. 2 ) Ab«» 
roeichenb oom beutfchen UnfaßüerRdjerungSgefeR wirb eine Ab* 
finbung in Kapital geftattet, bei Renten unter 100 5rcS. allgemein, 
im Uebrigen bis ju x /4 beS RentenbecfungSfapitalS. 

Bon ben für bie erften 30, 60 ober 90 Xage zu Ieiftenben 
Unfaßentfcfjäbigungen oorübergehenber Art (Sfranfheitsfoften unb 
itanfengelber) fönnen ficR bie Unternehmer befreien, roenn fie nach* 
roeifen, baR ihre Arbeiter bei einer S'ranfenfaffe entfpredjenb oer* 
fichert finb unb fie (bie Unternehmer) minbeftenS Vs 3 U ben bezüg* 
liehen Saften beifteuern. 

Um fid) gegen bie Rentenzahlungen zu beefen, h fl ben fie bie 
SBahl z^iWen ber Berficherung bei einer $rioatgefeHfd)aft (bezro. 
bei ber burd) ©efeR oom 11. Quli 1868 eingeführten, aber bisher 
ganz roirfungSloS gebliebenen ftaatlidjen UnfaßoerRcherungSfaffe) 3 ) 
unb bem Beitritt z n einem ©egenfcitigfeitSoerbanbe (syndicat de 
garantie). Brioatgefeßfchaften, 4 ) roelche bie Berficherung nach bem 
UnfafloerficherungSgefeR übernehmen wollen, müffen fid) beftimmten 
Borfchriften mit Bezug auf $autionSleiftung, ^apitalbecfung, ge* 
trennte ©efdjäftsführung unb jährliche Rechnungslegung unter* 
werfen; bie ©egenfeitigfeitSoerbänbe mit Solibarhaft für bie SJttt* 
glieber müffen minbeftenS 5000 oerficherte Arbeiter unb 10 Be* 
triebSunternehmer (barunter wenigftenS 5 mit je 300 Arbeitern) 
umfaffen unb unterliegen im Uebrigen ber gleichen ftaatlichen Auf* 
ficht. Unternehmer, welche feine berartige Berficherung genommen 
haben, fönnen ftd) oon ben laufenben Rentenzahlungen burcR Ein* 
Zahlung beS RentenbecfungSfapitalS bei ber ftaatlichen Alters* 
rentenfaffe 3 ) befreien; fie finb hierzu oerpflichtet, wenn ber Betrieb 
eingefteßt unb anberweite Sicherheit nicht geboten wirb. 

Sür bas Entf(häbigungSfeftfeRungS*Berfahren finb nicht 
wie in $)eutfd)lanb befonoere Snftanzen, fonbepn nur gewiffe (Er¬ 
leichterungen unb BereinfacRungen Des orbentlicRen $rozeR* 
oerfahrenS oorgefehen. Ueber bie EntfcRäbigungen oorübergehenber 
Art (Äranfheitsfoften unb Sfranfengelber) urfReilt ber QfriebenS* 
richter beS UnfaßortS ab unb zwar enbgiiltig. Sür bie Renten* 
entfehäbigungen ift bagegen ber Sßräfibent beS BeairfSgeridjtS zu* 
ftänbig, welcher bie Betheiligten (Berechtigten uno BerpRichteten) 
oorlabet unb im Saß ber Bercinbarung beiber bie EntfcRäbigung 
feinerfeitS feftfeRt, anbernfafls aber bie Streitfache bem ©ericRtS* 
hof überweift, ber im fummarifeben Berfahren entfcReibet, aucR ben 
Unternehmer zu einer oorläuRgen, fofort oottftrecfbaren EntfcRäbi* 

K l oerurtheilen fann. ©egen bas Urtheil beS BezirfSgeridjtS 
beiben Teilen bie Berufung an bas JDbergeridjt unb gegen 
beffen EntfcReibung noch ber RefurS an ben $affationsljof offen. 
$)aS Berfahren erfter Qnftanz ift für ben Arbeiter foftenfrei; im 
Uebrigen fann, wie fonft, oon Saß 8u Saß baS Armenrecht 
bewilligt werben. 

T)a ber oerunglüefte Arbeiter lebiglidj einen prioatrechtlichen 
EntfcRäbigungSanfprucR gegen ben Betriebsunternehmer Rat, alfo 
nicht wie in ®eut|d)lanb, wo bie BerufSgenoffeufchaften Präger 
ber EntfcRäbigungSucrpflichtungen finb, gegen 3ablimgSunfähigfeit 
beS ScRulbnerS gefiebert ift, fo ^at ber franzöfifcRe ©efeRgeber zum 
Schuh ber EntfcRäbigungsbererfjtigten befoubere ©arantieeu oor* 
gefeRen. Sür bie EntfcRäbigungen oorübergehenber Art ($ranf* 
heitsfoften unb ^ranfengelber) erfebien bie Einräumung eines 

9 ) Tie prtoaten llnfaßucrficberuugSgcfenfdjaften berethitcn bie 
Prämien für ade Arbeiter offne Unterfrfneb beS gamiltenflanbeS unb 
ber Rationalität zu glcitfjcn Säbelt. Auf ©runb ber bcutfdjen unb 
öftcrrcidjifdjen llnfallftatiftif, lochte burdjfdjuittlid) auf 100 000 Betriebs* 
Unfälle nur 2200 = 2,2% mit tobtlirfjem Aufgange aufweift, wirb bie 
Erfpanmg, wehte Unternetmer burd) Einteilung lebiglid) liuoer* 
beiratheter Arbeiter erzielen würben, auf nur 20 ^-rcS. pro 10 000 Jyrcs. 
Völjue — 0,i* °/u oeraufdjlagt. Bgl. Bulletin du Comite permanent des 
accidents du truvail et des assurances sociales, Paris, X e annee (1899) 
p. 134 unb Bulletin de POfticc du travail, Paris 1899, Vl e annee p. 432. 

3 ) Bgl. „Tie ArbcitcrucriicRcrung int Anslanb" oon Dr. ^adjer, 
.Ju'ft IV ( A-ran freut) 3. 19/2K flg. unb Bellum 3. 232 flg. 

4 ) Tie prtoaten Bcrjidjcruugsgcjellfrfjajtcn fahlen nach ber oon 
Beflom (3. 182) mitgetlicilteu Statiftif burdffdinittüdj nur 37% ber 
%ämieucinual)mcn aü Entfrfjäbigungen, aber 32% an Berwaltimgs* 
lohen, arbeiten alfo breimal fo treuer als bie Sellfftuerwaltuitgsforpcr 
ber bcutfdien Arbciteroerfidjerung. 


gefehlidjen Borrechts am Bermögen beS SdjulbnerS wie bei 
anberen prioilegirten 3fort*rungen auSreichenb. 3n ben übrigen 
Säßen bagegen foß bei 3 a hf un 9 Sun W^9^ c ^ ^ eg ®<hulbnets bie 
ftaatliche AUerS.rentenfaffe bie bezüglichen Zahlungen aus einem 
bafür gefchaffenen ©arantiefonbs Ieiften unb fid) ihrerfeits an 
ben Schulbner fallen; ber ©arantiefonbs wirb baburch gefchaffen, 
baR bie gewerbefteuerpRichtigen Unternehmer einen Steuerschlag 
oon 4%, bezrn. bie BergwerfsbeRRer eine Xaje oon 5 (EentS pro 
^>eftar jährlich zu Z a ^ en h^en. — 

2>er Kommentar wirb für Sebermann, ber Reh über bie lang* 
wierige EntftehungSgeRhichte biefeS ©efefceS unb bie Bebeutung 
feiner einzelnen Beftimmungen unterrichten wiß, ein ebenfo zuoer* 
iäffiger als brauchbarer Süfwer fein. 

Berlin. ©. 3u<her. 




SfrbeitSnachtoetfe uttb BerpRegmigSftationen in $renRen. ^as 

preuRifche AbgeorbnetenhauS oerhanbelte am 8. 3uni über ben 
Antrag oon ^ßappenReim unb ©enoRen: 

Tte StaatSregierung zu erfudjen, balbigft einen ©efeRentwurf, Be* 
treffenb gürforge für Arbeitslofe oorzulegen, welcher auf ber ©runb* 
läge a) ber Einführung oon ArbeitSnachweifeit für Arbeitslofe an Trten, 
an benett ein BebürfniR befteht b) fowie ber Beftrafung beS BftRbraudjS 
folcher Einrichtungen feitenS ber ArbeitSlofen, c) enblid) einer Bethcili= 
gütig beS Staats, ber Benutzen unb ber Greife an ben ftoften biefer 
Einrichtung, ben Bebenfen Rechnung trägt, welche f. 3* ber Berab* 
fchiebung beS ©cfehentwurfS oon 1895 entgegenftanben. 

3u bem ©runbgebanfen beS Antrages fteßte Reh bie Biehrheü 
frennblich- Bon ber Regierung würbe erflärt, bie S* a 9 e ber Sur* 
forge für Arbeitslofe fei ©egenftanb ber Erwägungen ber Regierung. 
3u welchem Refultat biefe Erwägungen führen würben, fei no^ 
ungewiR; aber jebenfaßS fteRe bie Regierung ber Abficht, ben 
wanbentben ArbeitSlofen Dbbadj z u gewähren, fpmpathifch gegen* 
über. Aßerbingfc fei bie Berbinbung eines aßgemeinen ArbeitS* 
nachweifeS mit Den BerpRegungSftationen nicht ohne Bebenfen. — 
Blebrfad) würbe in ber Debatte bie Sorberung paritätifcher ArbeitS* 
nachweife oertreten. 2>er Antrag würbe fchlieRlid) einer kommiffwn 
überwiefen. 


(Einheitliche bergleichenbe ©efchäftSRatiftif ber ArBeitönachtotife. 

®ie öffentlichen ArbeitSoermittelungSfteßen ber Rhein* unb Btain* 
gegenb, unb zujor zunädjft bie m T)armftabt, S^anffurt a/3R., 
©ieRen, Btainz, Offenbach, SBieSbaben, 28ormS unb bie Ratural* 
oerpRegungSftationen S^ebberg, BuRbadh unb ©roR*^arben hu^en 
Zur Erzielung einer einheitlichen ©efd)äftsftatiftif SageSauSweife 
nach gleichem Schema oereinbart unb, begiitnenb mit April 1898, 
regelmäRig monatliche Berichte an baS ftatiftifche Amt ber Stabt 
Sranffurt a/SR. (fieiter Dr. Bleicher) gefanbt. $)er erfte QahreS* 
bericht auf ©runb biefeS Stoffes giebt unb erläutert bie michtiaften 
Ergebniffe biefer gemeinfamen, oergleichenben Statiftif, bie Bor* 
merfungSfrift oariirt nod) z^if^en einer unb zioei SBochen. Qm 
BerhältniR zur ©röRe ber Stabt ift bie SnanfpruchnaRme ber 
öffentlichen ArbeitSnachweife in BMeSbaben am ftärfften, ooritehm* 
lieh in Solge ber auSgebehnten ^hötigfeit ber weiblichen Ab* 
theilung; oon geringem Umfange bagegen noch in Offenbach unb 
©ieRen. 3u auen Stäbteu bleibt bie Rtelbung weiblicher ArbeitS* 
fräfte hinter bem Steßenangebot zurück T)er hauptfächliche ©runb 
bafür wirb in ber prioaten Bermittlerthäligfeit gefucRt, bie gleich* 
Zeitig $oft nnb Sogis gewährt. Bei ben männlichen Arbeitskräften 
überftieg, oon ©ieRen abgefeRen, baS Angebot bie Rachfrage. SDie 
Rachfrage nach gelernten Arbeitern war grÖRer als bie nad) 
ungelernten. S)ie Sluftuation beleuchtet bie folgenbe Statiftif. 
Bon je: 


granffurt BJicöbabeu Tarmftabt Offenbadj 
KX) ArBeitfudrcnbcii waren 

Zugereift. 

10 () offenen Steßeit waren 

auswärts. 

100 befehlen Stellen treffen 
auf jugereifte Arbeiter . 23, 2 

100 lieferte StcKeu treffen 
auf auswärt. Arbeitgeber 23, 0 


29,! 

35,3 

20,7 

49,7 

26,7 

15,4 

10,3 


23,2 

50,3 

(nur Tnänulid)c| 

20,6 

12,o 

23,o 

12,o 

1,8 

1,3 


^ie weiteren Erhebungen erftreefen fi<h auf ben Beruf ber 
Arbeiter — abgefehen oon ben Biaurern, finb es bie wichtigeren 
Bau* nnb BcffcibungSgewerbe in aßen Stäbten, bie ben Rach* 
weis am weiften in Aitfprudj genommen haben — unb auf bic 
monatlichen Sdjwanfuugeu ber T()ätigfeit ber Aemter, gefonbert 





1018 


©ogiale $raji3. ©entralblatt für ©ogialpolittf. Nr. 87. 


1014 


nach berufen bcr Arbeitfucßer. 2Bäßrenb in granffurt a/SÖ?., SMeS* 
Baben, SRaing unb Dffenbacß im Allgemeinen baS gange Saßr 
ßinbureß bie Nachfrage naeß Arbeit großer ift als baS Angebot, 
fo fmb in ©ortnS imb noeß ausgeprägter in $)armftabt roäßrenb 
ber ©otnmermonate meßr Arbeiter gefueßt, als fief) anbieten, unb in 
©ießen trifft bieS Serßältniß, abgelegen oon $)egentber unb Januar, 
immer gu. SBie roeit an biefer .Sßatfacße für ©armftabt bie ©en* 
tralifation ber ArbeitSoermittelung eines großen SfßeileS ber $ro* 
otng ©tarfenburg bur<ß bie ©entralahftalt für ArbeitS* unb Stoß* 
ttunqSnacßroeiS in $>armftabt unb ißre Filialen betßeiligt ift, läßt 
ber Sericßt nur oermutßen. ©r geigt, baß ßier ein feßöner Anfang 
gur Crganiftrung ber ArbeitSoermittelung oon ber ©tabt nach ber 
Ümgegenb gemalt ift.: - 


ttotjmntg^rorjtn. 


©erarimtüt?tge ©augefrllfcßöft in ©trnßbnrg. ©S mirb uns 
aefeßrteben: Qn ©traßburg im ©Ifaß ift auf Anregung ber 
feobnungSfommiffion ein aus 16 Herren ber oerfeßiebertften 93c* 
rufsgruppen unb ^arteirießtungen BeftebenbeS Kotnite gufammen* 
getreten groeefs ©rünbung einer „©emeinnüfcigen Saugefeflfcßaft 
©traßburg, ©ingetragene Senoffenfcßaft mit befdjränfter Raffung". 
®ie neue ©enoffenfdjaft miß ,,burcß ©rridjtung neuer ©äufer, fo* 
mie bureb ©rmerb ober ©rmietbung unb Umbau alter 
©ebäube gefunbe unb billige Stoßnungen für minber bemittelte 
Familien, oornebmlidß aus Arbeiterfreifen, auch für Nicßimitglieber 
ber ©enoffenfdßaft" befeßaffen. $ie ©äße beS ©enofienfcßafiS* 
antbeils ift auf 200 c ,1t, ber ©öcßftbetrag ber einem ©enoffen gu* 
gänglidjen Antbeile auf 100 feftgefeßt. $aS Komite b Q t ficb an 
ben ©emeinberatb ber ©tabt ©traßburg getoanbt mit ber Sitte, 
einmal beit ©enoffen eine SHoibenbe oon 3 o/o gu oerbürgen unb 
meiter einen regelmäßigen Setrag in ben ©emeinbebauSbalt ein* 
gufeßen, um ber ©cnoffeitfcßaft ein energifcßeS Sorgeßen in Nicßtung 
einer ©anirung ber engbebauten Siertel ber Altftabt gu crmöglicben. 
SDie ©tabtoerioaltung bat gu ben Anträgen eine freuitblicße ©tellung 
eingenommen, ©timmt auch ber ©emeinberatb ißnen gu, fo ift 
ein oerßeißungSoofler unb au<b für anberc ©täbte nacßabmenS* 
roertber ©cßriti gur Üöfung ber für ©traßburg BefonberS fcßTüierig 
gelagerten StoßnungSfrage getban. ©öffentlich läßt nun au<b ein 
brauchbares ©nteignungSgejeß meßt allgü lange mehr auf ficb 
märten! 

ArbeitcrtoobmmgSujcfcn auf ber ^arlfet Aueftetfung ®ie 
oereiniaten belgifcben ©efeHfdjaften für ArbeiterrooßnungSroefen 
haben oefdjloffen, fteß an ber Sßarifer SkltauSftellung oon 1900 in 
ber SBeife gu betbeiligen, baß fxe bafelbft eine ©traße mit gehrt 
Käufern errieten, roelcbe bie oerfebiebenen Stobelle in genauer 
©röße unb Ausführung gur 2)arfteflung bringen, nach benen bie 
©efellf(haften in ben leßten Otoßren in Selgien bie ArBeiterbäufer an* 
gelegt haben. Solls bie Mittel auSreicßen, miß man als ©egenftücf 
auch alte ArBeiterbäufer mit aßen ihren bpgienifcßen unb praftiftben 
Stängeln errieten, barnit ber Sefucßer Dergleichen fann. 2)aS 
Xerrain für biefe Arbeiterftraße mirb gratis geliefert. 3>aS Komite 
ber ißartfer AuSfteßung bat ©dritte getban, um bie entfpreeßenben 
frangöftfeßen Sereine gu einer Nachahmung beS belgifcben Seifpiels 
gu ermutigen. 


©rwcrbegeriifytc. (Eiuigungsärater. ödjlebssrjcrfdjtc. 


flicaftattffraii über bie (Stefcßäftifißnma ber ©etoerbegerüßte 
in Preußen. ©in getneinfamer ©rlaß beS SänifterS beS Snnern 
unb beS ©anbelSntimfferS roeift barauf bin, baß bie gefehlten 
Seftimmungen über bie Auffidjt in ©emeinbeangelegenbeiten an ficb 
unb, foroeit befonbere Seftimmungen nicht entgegenfteben, auch für 
bie $)ienftaufficbt über bie ©efcbäftSorbnung ber ©eroerbegeriebie 
maßgebenb finb, ba leßtere, mie ficb auS ber ©ntftebungSgefcbicbte 
beS meicbSgefeßeS oom 29. Suli 1890 ergiebt, im Allgemeinen als 
©lieber beS ©emeinbeorganismuS erfebeinen. ©emgufolge ift bei 
©eroerbegeriebten, bie nur für ben Umfang oon l'anbgemeinben, 
Aemtern ber ^rooing SBeftfaien unb Sürgermeiftereien ber Nßein* 
prooing errichtet finb, gemäß §. 24 beS 3 u flä n ^t9^itSgefeßeS in 
erfter Snftang ber Sanbratb als Sorjißenber beS treiSauSfcbuffeS, 
ber NegierungSpräfibent in ^o^ercr unb leßter Snftang als gur 
jE^ienftaufficfjt berufen angufeßen. 

Sonboner ©iutgungSamt« 2)er eben ocroffentlid)te achte Sabres* 
bericht beS London Labour Conciliation and Arbitration Board 


geigt, baß bie ^bätigfeit beS Amtes im leßten Sab« meniger als 
früher in Anfprucb genommen mürbe, maS barauf gurücfgefübrt 
mirb, baß im 3abre 1898 überhaupt meniger ArbeitSbifferengen 
unb ©treifS in ©nglanb oorlanten. 5)ie oor baS Amt gebrachten 
Säße mürben burdigebenbS in befriebtgenber SBeife, fei eS im 
‘23ege ber ©inigung, fei es bureb ben ©%iebSrtd)ter, bem fidj bie 
ftrettenben Parteien unterroarfen, beigelegt. 3)ergeit finb. 24 lieber* 
einfommen groifeben Unternehmern unb beren Arbeitern in $raft, 
bie bas £onboner ©inigungSamt gu ©tanbe gebracht bat unb bie 
eoentueß bureb biefeS Amt oon einer ber Parteien gu fünbigen 
fmb; bierbureb ift bie Kontinuität ber Amtstbätigfeit gemährt unb 
baS Amt fungirt bemgemäß als eine Art fogialpolitifcber Sebörbe, 
beren Kompeteng für eine Neiße oon Säßen obligatorifcb ift. 

©imgunaSämtcr nnb ©ifenmbitftne in ©nglanb. 3)ie britifeße 
3ron Srabe Affociation ßat fteß auf ißrer SaßreSoerfammlung am 
7. 3uni in Bonbon mit großer SBärme für bie frieblicße Beilegung 
oon ArbeitSitreitigJeiten bureß ©inigungSämter auSgefprocben. 
§err 2B. 3acfS betonte in einer längeren Nebe, er freue ftd>, baß 
bie fieitung beS SerbanbeS ber ©ifeninbuftrießen feinen Sßeil an 
ber bureß ben Arbeitgeberoerbanb beroirften Ablehnung ber oom 
$anbelSminifter gemachten SerföbnungSoorfcbläge baß c (oergl. 
„©ogiale ^rafis" ©p. 695). 3m ©egentbeil, ber SSerbanb trete 
bafür ein. 3« her Debatte fcßloffen fi% bie meiften Nebner biefer 
Artftcbt an, menn auch bie mit ber Ausführung jenes planes oer* 
bunbenen ©eßmierigfeiten nießt oerfannt mürben. — Sßbenfaßs ift 
eS benterfenSroertß, baß in ©nglanb troß beS großen SDlafcßinen* 
bauerfampfes 1897/98 bie ©ifeninbuftrießen ßJlagnaßmen gur Ser* 
ßütunq ober Beilegung oon ArbeitSftreitigfeiten bureß ©inicjungS* 
unb ^erfößnungSämter foroie ©cßiebSgcricßte begrüßen, maßrenb 
in S)eutfcßlanb gerabe bie Arbeitgeber ber ÜMaßinbnftrie bie 
fcßärfften ©egner folcßer Ntittel gum fogialen Sr^ben fmb. 


etttrartfdl* Attieigen. 


Unterfucßungen über bie 2age beS ©auftrgcmerbeS in 
Seutfcßlanb. 4. Sb. LXXX. Sb. ber Schriften beS Screim< 
für Sogialpolitif fieipgig 1899, Wunder unb $umbIot XIII unb 
461 @. SreiS 10 JH 20 ff. 

— in Deftcrrcicß. LXXXIL Sb. ber ©cßr. b. S. f. ©. Seipgig 1899, 
$uncfer & ©umblot LXXI unb 339 ©. $reiS 9 JC 60 3f. 

2)er oortiegenbe 4. Sb. über bie 2age beS ©aufirgemerbeS in 
S)eutfd)tanb, bem nodj ber 3. unb ein 5. Sb. folgen füllen, umfaßt: 
1. ©lfaß*2otbringen oon Dr. öeißenberger, 2. SBürttembcrg oon 
Dr. £)tto Srübingcr, 3. gürtß. oon caad. catn. Artßur ifiefer, 4. ben 
Anttsbcgtrf Xonauefcßingen oon Seopolb SBönter, 5. baS Äiüertßal oon 
Anton Sumider, 6. ben NegierungSbegirf Safen oon ür. ©ampfe, 7. bas 
©roßbergogtßuiu Clbenburg oon 2. 0. Sranbt, 8. u. 9. baS ©id)SfeIb 
oon Marl ferner unb cand. cam. Aubolf Aüßling, 10. Sennecfenftein i. ©. 
oon Dr. griß gledjtner, 11. Urberad) (©roßß. ©effen) oon Dr. 2Bilßelm 
9iotß, 12. ben Stabt* unb Sanbfreis Moln oon Dr. ©einrid) SJidjaelis. 

2)ie Unterfucßungen über ben öfterrfießifeßen ©aufirßanbel erftreefen 
fteß auf 1. 3Bien unb baS übrige Niebcrofterreicß oon Dr. Äubolf 
Mrobatfcß, 2. Steiermarf oon hr. Dtto oon 3wiebined * SübeUßorft, 
3. Krain oon ©. 2auß, 4. $rag unb Untgcgenb oon I)r. ©ugo SBeil, 
5. NorbmeftIid)es Sößmen (©anbelsfammerbeglrf ©ger) oon Dr. ©. ©aber* 
mann, 6. Sübbößnten (©.*M.*S. Submeis) oon i»r. g. ©romaba, 7. Aorb* 
bößmen (©.*M.*S. Aeidjenberg) oon ©airl Moftfa, 8 Scßlcficn oon 
Dr. Julius SÄattern, 9. ©aligien oon Or. Artßur Senis, 10. Sufoioina 
oon Dr. ©ubert SBiglißfi), 11. Iricft. tiefem Sanbe ift eine ©Ölleitung 
über „bie ©aufirfrage in Cefterretcß" oon Dr. ©. ©djmicblanb ooraus* 
gefdjidt, mcldje bie ©efd)id)tc beS ©aufirredjteS in Ceftcrrcidj, bie gegen* 
märtige ©eftattung ber Scrßältniffe unb bie gragen einer fünftigen 
Acform beßaubeln. 

SBenn aueß ber SJertß ber eingelnen ^arftellungen oerfeßieben ift, 
fo tragen fie boeß in ißrer ©cfammtßeit bagu bei, bem oorurtßeilstofcn 
Senrtßeiler bcr fdnoicrigen gvagc über bie mirtßfcßaftlicßc Sered)ttgung 
bes ©aufirgemerbcs ein retdjes Jßatiadicmnaterial an bie ©anb gu geben, 
auf Olrunb beffen er in bcr 2agc ift, fidj fclbft ein objeftioes Urtßeil gu 
bitben. Sntn man baS ©aufirgeioerbe oietfad) für bie niebrigfte Art 
gemerblidier 2ßätigfeit, gu ber ber Mampf ums Xafeiit ben Aieufcßen 
roingt, ja fogar für eine oerfcßleicrtc gonit ber Settelei augefeßen ßat, 
o ßaben bagegen, mie bcr ©crausgeber $rof. Stteba=2cipgig treffeitb 
bemerft, bie Unterfudmngen bcu Seiocis geliefert, baß biefent Scmeg* 
grunb auf Seiten bcr SBaarenßäitbler aueß ein Sebiirfniß auf Seiten 
ber Abncßmcr bcr S : aaren ober ber Lieferanten berfelbett cntfpredjeu muß. 

Seiträge gur Statiftif ber Stabt Karlsruhe. Jm Aufträge bes 
Stabtratßcs ßerausgcgcbcu oom Statiftifcßen Amt. u &r. - r >. 
Statiftifcßer Jaßresbericßt für 1898 mit ©rlänterungen. Marls* 
ruße i. S. 1899, ^ruef unb Serlag ber OK Sraim'fcßen ©of* 
bueßbrueferet. 


fitrantnortltcO für bie ftebaftton: Dr. (Kmft Stande tn Serlitt W v Sa^reutberftrage 29. 














VHJ. § ujjrptig» 


SDcrltn, ben 22. 3uni 1899. 


Hummer 38. 


Soziale pvarts. 

för £f> 03 iarpo£ifiü 

mit bet SRonatSbellage: 

Das ©etoetbc^eri^t. 

©rgan bes Derbanbes beutfdjer (Beit>erbegeridjte. 

«Reue golge ber „Blätter für fojtale sprayt«* unb be$ „Soztalpoltttfchen EentralblattS 4 '. 

©rietet tu iebrm £erail8geber: Are« bfmelilbmn 2W. 60 *f. 

Rebaftton: Berlin W., Bapreutherftrafce 29. Dr. (Stuft itdltlkt ©erlag Oon Wunder & Humblot, Ceipzlg. 


3nljalt* 


©a« neue 3nbalibenöerfidje« 
tungßgefefe. ©on SanbeSaffeffor 
@. bon SBifeleben, ©erlitt . 1017 
gSroteft ber Arbeitgeber« uttb 
Arbeitnehmer . ©elfter be« 
@ett>erbegeri$t£ ©erlitt gegen 
ba« ©efefc junt ©d&ufc be« ge« 
werblichen ftrbett«berb&lt« 
niffe«.1021 

■net»«««« «mini* ttitb fmmmmi* 

tßSi m .1024 

©in ©efefcentmurf über ben 
ArbeitSbertrag in benRteber« 
lanben. ©onDt.^^öönßanten, 
Amfterbant. 

©a8 füdjfifdje ©ereinSgefeft unb bie 
SWinberjähtigen. 

©eföränfung ber ©Tteerbßarbeit ber 
Äinber in ©nglanb. 

•**Uile S«f»*b* .1026 

Soge be« beutfäen ArbeitömarTt« im 
©toi. 

©etoetblidie ©Ijätigfeit bon Äinbertt 
in ©reöben. 

©pieltrieb unb ©paxfinn. 

ü?»fite¥»t»«tK«c.1028 

3Raffenau«fperrung unb ©e» 
neralftreif ber ©erliner 
SJtaur er. 


©er faufmänniföe unb gewerbliche 
$üf«bereht für weibliche AngefteQte 
ju ©erlin. 

©ie Öergarbeiterbewegung in grau!« 
reich. 

««fttittrVfts#.1030 

©ie ©erichte ber ©ewetbe« 
3fnfpeftion im ftönigreid& 
©Qchfen für ba« gabt 1898. 
©ewerbeaufficht unb Drtßpolijei. 

©•Stol« $*ttau.1031 

©ie Abnahme ber ©runlfucht 
in ©eutfchlanb. ©on Dr. SB. 
©obe, $übe«beint. 
greibäbet für ©tbulfinbet in Seeb«. 
SBohnungßwefen unb Sterblichkeit in 
Siberpool. 

©etoerbcgeriiftte. ©inignngfüttttee. 

•«ieb«gertdite.1033 

lHi(t|ei(iinteit be* 0 rwefi<fuidM$ 9 er fis, 
Stebighrt bon Dr. ©chalhotn, ©e« 
Werberichter, ©erlin. 

©er Streif ber ©erliner ©tein« 
fefeer bor bem ©emerbegeridjt 
al« ©inigungßamt. ©om ©or» 
fl|enben be« ©ewerbegericht« ©erlin 
©t. b. ©chula. 

©echtfprechung. 

Atffcriidf it*§#t§e».1038 


AbbrudC fümmtlicher Artifel tft ßettungen unb 3eitfdhrtfte« geftattet, ieboch nur 
mit boEer DneEenangabe. 


Sa* nette 3tiuaH&et!»erftthmtng*grfel|. 


3Rit ber Sinnahme ber 3m>alifonoerfiiherung3*RoDeIIe ^at ber 
neugewählte Reichstag eine ber Hauptaufgaben erfüllt, bie ihm bei 
feinem 3 u f annnen tritt am 6- ®e$ember 1898 in ber ^fjronrebe 
^ugewiefen morben waren. „$)er weitere Sluöbau ber fozialen 
©efefcgebung", fo lauteten bie barauf bezüglichen SSorte, „liegt ben 
oerbiinbeten Regierungen nach wie oor am .f>ergen. Sluf biefem 
©ebiete wirb 3hn* n wieberum ein ©efefcentwurf zugehen, ber ben 
«Rangeln ber Snoalibitätö* unb SllterSoerficherung in wefentlichen 
Beziehungen abzuhelfen fuefjt." 3 e fet, wo ber Entwurf bemnächft 
©efeb werben wirb, ftellt fidf) ba§ neue SSerf in ber &hat ein 
fosialpolitifcfjer gortfd)ritt oon ber höchsten Bebeutung bar. 

22er allerbingS ben s $lenar*Berathungen ber erften Öefung 
beiwohnte, fonnte wohl ben Einbrud gewinnen, ba& bie Vorlage 
bemfelben Sdjitffal anheimfallen würbe, wie ihre beiben ©or* 
gättgerinnen, über welche zwifthen ben gefefcgebenben gaftoren Feine 
©eri'tänbigung erzielt werben fonnte. *£a& baS Ergebnis ber ©er* 
hamblungen biegmal ein günftigereS würbe, ift in erfter £inie ben 
un aujßgefehten Bemühungen ber Rei<f)£regierung fowie ber oer* 


ftänbni&oollen Mitarbeit ber mit ber ©orberatbung betrauten 
28 glieberigen ReichStag^fommiffion z u banFen. S)em glücflichen 
Zielbewufeten 3uf<n*imenmirfen biefer beiben gaftoren gelang benn 
auch Ueberwinbung ber wahrlich nicht geringen ©djwierigfeiten, 
bie ber Reformarbeit fortwäbrenb entgegentraten. ®ie Snnaliben* 
oerfithcrung ift freilich auch ein ©ebiet, baS in unfere wirthfehaft* 
liehen unb fozialen ©erhältniffe mit einer Schärfe eingreift, wie 
wenig anbere ©efefce. Rieht nur, ba& bem ©elbmarft grofee SFa* 
pitalien entzogen werben — allein bie Snoalibitätsoerficherungg* 
anftalten wiefen @nbe 1897 einen ©ermögen8beftanb oon 538 964 526 jfL 
75 4 auf unb ihre ©innahmen bezifferten fich in bemfelben gahre 
auf 136 290114 t/ft 07 4 — auch S3aufpefulation (burch 

Unterftühung be§ ©aue« biftiger ^Irbeiterwohnungen), ba8 ^rioat* 
oerrtch^rung^wefen u. a. m. wirb mannigfach burch bie gnoaliben* 
oerfidjerung beeinflußt, llnb in welch giiuftiger 58eife, um nur 
baS BMchtigfte heroorzuheben, bie ©erhältntffe beS ärzlichen Stanbeö, 
bie gortbilbung ber ärztlichen fBiffenfchaft, bie grage ber @rri<h* 
tung oon Heilftätten oon ber gnoalibenoerficherung berührt werben, 
ift allgemein befannt. ^J)abei wirb burch ©riheilung oon Renten, 
B3ieberherftetlung ber ©rwerböfähigfeit in gewiffen gäßen, nament* 
lieh burch Aufnahme in Cungenhcilftätten unb ©enefung^häufer, 
baö ganze mirthf<haftliche, foziale unb auch ethifche Rioeau ber 
bem 5lrbeiterftanbe angehörenben Beoölferung£fdf)ühten in einer 
2Beife gehoben, bie auf unfer ganzes Staatöleben befrudjtenb ein* 
wirft, äufeerbem hot noch faft jeber Einwohner beö $)eutfd)en 
Reichs burch baö ^infleben oon Beitragömarfen fiih m 't ber 
oalibenoerficherung }u befaffen. Ä’ein SBuitber alfo, wenn bie Bc* 
rathung aerabe biefeö 3 TOe i9 e ^ unferer fozialen ©efefcgebung oon 
ganz oerfchiebenen ©efichtspunften auö erfolgt unb mannigfache 
«Reinungöoerfdhiebeuheiten heroorrufen mufete. 

daneben ift eö noch bie giille ftatiftifchen unb oerftcherungötechni* 
fchen SRaterialö, beffen eingehenbe Berücffiitigung bie ©erhanblungen 
über bie gnoalibenocrfttherung erfchwert. tiefem ted^nifchen ©efichtö* 
punft gegenüber tritt baö politifche SRoment faft in ben Hintergrunb, 
unb biefem Umftanbe ift eö auch zuzufchreiben, bafe bie parlamenta* 
rifthen Erörterungen über ben Entwurf in ber großen H au Ptf a .ä) c 
weniger oom ^arteiftanbpunfte aus geführt würben, als oielmehr 
oom Stanbpunfte eines Rtanneö, ber mit fühl abwägenber Heber* 
legung ben $ul8 unfereö fozialen Sebenö in ber $anb fühlt. So 
finb aerabe bie wichtigften Beftimmungen ber ©orlagc über bie 
oorgefchlagene ©ertheilung ber Rentenlaft unb über bie anberweitc 
Rentenberechnung auö biefem ©efichtSwinfel nüchterner Sachlichfeit 
oerhanbelt worben. Sludi bei ber Beratung über bie RentenfteHen 
gab hoch fchlie&lich weniger baS politifche Btotio ben Sluöfdjlag 
als bie bei näherer Betrachtung z u erwartenben hohen Soften 
unb baS gegen ihre Errichtung erhobene Bebenfcn, eö Fonnte ber 
Einfluß ber ©erfuherungSanftalten unb bie forgfame Rentenfcft* 
fefcung barunter leiben, ohne bafe ein entfprechenber Rupen aus 
ber neuen Einrichtung fich ergeben werbe. 

Rach bem neuen ©efefc wirb bie Errichtung oon Rentenftcllen 
folgenbermafeen oor fich gehen: ^iefelben follcn nur fafnltatio 
gefd)affen werben, nämlidh friv SBahrnchmung ber prinzipaliter 
ben unteren ©erwaltungSbehörben obliegenben ©efdiäfte ber ©or* 
Bereitung, Begutachtung k. ber Rentenfadjen. ^Dort, wo fie ins 













lull) 


Soziale $ra;ci£. ©cntralblatt füc ©ogtalpolitif. Nr. 38. 


1020 


£eben gerufen werben, fann bieS einmal gefepepen oom Vorftanbe 
ber VerficperungSanftalt unter 3uftiinmung beS AuSfcpuffeS unb beS 
bie VorftanbSbeamten befteflenben DrganS (ßanbeScentralbepörbe 
ober Stommunaloerbanb), bann aber auch burep bie £anbeScentral* 
bewürbe im 0aße beS gefcpäftlicpen VebürfnijfeS, inSbefoitbere in 
©egenben mit bitter Veoölferuna. Vebingung ber ©rrieptung fmb 
jeboep im lepteren *$aße bie Anhörung oon Vorftanb unb 
AuSfcpup ber VerficperungSanftalt (niept 3uftimmung, roie in gweiter 
üefung oom NeidjStag befdjloffen worben mar), fowie beS mit ber 
Verwaltung ber Angelegenheiten beS guftänbigen weiteren tom* 
munaloerbanbS betrauten Organe, ©urd) biefe Vepörbe begw. bie 
öanbeScentralbepörbe erfolgt naep Anhörung beS VorftanbeS auch 
bie ©rnennung beS Vorfipenben unb feinet ©teßoertreterS, wäprenb 
beren Amtsbauer unb Vegüge burch ben Vorftanb ber Verfiepe* 
rungSanftalt feftgefept werben. 3Me NegiernngSoorlage patte ^ Cs 
fanntlicp biefe Vefugniffe für bie ßanbeScentralbepörbe in Anfprucp 
genommen. s Dtit ber im Entwurf oorgefehenen obligatorifchen 
(Einrichtung oon Nentenfteßen ift auch bk bann beabfieptigte Heber* 
tragung ber Vefcplupfaffung über Nentenfadpen ftait ber Vegut* 
achtung faßen gelaffen worben. 

Abmeichenb oon ber NegierungSoorlage ift auch bie anberweite 
Verkeilung ber Nentenlaft geregelt worben, Urfprünglidp füllten, 
abaefepen oon Nentenfteigerungen in Solge oon SfranfheitSwocpen 
unb oon Nentenabrunbuitgen, bie ganzen Altersrenten fowie bie 
©runbbeträge ber Qftoalibenrenten oon fämmtlichen VerfiiperungS* 
trägem gemeinfam beftritten werben, alle übrigen Verpflichtungen 
fotften bie ©onberlaft jeher VerficperungSanftalt bilben. 3 U ^ Ortung 
ber ©emeinlaft waren bem ©emeinoermögen 3 /ä beS Vermögens 
unb ber Veiträge jeher VerficperungSanftalt guguweifen, gur Leerung 
ber ©onberlaft %. Sftach ben oom NeicpStag enbgültig gebilligten 
StommifRonSbefcplüffen foß baS ant 31. 2>egember 1899 im Vefip 
ber VerficherungSanftalten befinblicpe unb weiter ihr am 31.$)e* 
gember 1910 angefammelteS Vermögen, foweit es nicht ©emein* 
oermögen ift, gur 2>ecfung ber ©emeinlaft überhaupt nicht heran* 
gezogen werben. Nur noch bie Veiträge werben, unb gwar im 
©egenfap gum NegierungSentwurf in ööpe oon 4 /io gur 3)ecfung 
ber ©emeinlaft oom 1. Januar 1900 ab buchmäßig, auSgefchieben. 

©ntfprccpenb ber Nebugiruitg beS ©etneinoermögenS hat auch bie 
©emeinlaft .eine |>erabfepung erfahren. ®iefelbe wirb fortab nur 
noch aus brei Viertel fämmtlicher Altersrenten unb ben aßcrbingS 
erheblich oerringerten ©runbbeträgen ber Snoalibenrenten gebilbet. 
$er (Entwurf fcplug einheitlich für beibe Nentenarten bie ©runbbeträge 
für bie eingelneit Öopnflaffen in |>öpe oon 60, 90, 120, 150, 180 Jfc 
oor. $>iefe ©äpe ftnb aber nur für bie Altersrenten beftehen geblieben, 
für bie 3m>alibenrenten finb bie ©runbbeträge auf 60, 70, 80, 90 
unb 100 JL perabgefept, bagegen bie ©teigerungSfäpe auf 3, 6, 8, 
10, 12 4 für bie VeitragSwocpe erhöht worben (2, 3, 4, 5, 6 4 in 
ber Vorlage), $)aburcp hat fich audfj bie ööpe beiber Renten etwas 
oortpeilpafter gestaltet, was aus einem Vergleich ber gegenwärtig 
beftepenben mit ber fünftig eintretenben VerecpnungSweife erficptlicp 
wirb, inbem nach ber lepteren bie Nenten ftets einige 9Karf hö^cr 
finb. ©ie Altersrente fept fiep fortan gufammen aus ©runbbetrag 
unb NeicpSgufcpup, bie gnoalibenrente aus bem für fie beftimmten 
geringeren ©runbbetrag, bem NeicpSgufcpup unb ben ©teigerungS* 
fäpen. $)er Vereinung beS ©runbbetrags ber Snoalibenrente 
werben ftets 500 VeitragSwochen gu ©runbe gelegt. 

©ins ift an biefen neuen ©efepeSbeftimmungen befonberS be* 
merfbar. ©s haben barin bie oon ber NeitpSregierung mit oiel 
©efehief unb Nacpbrucf oertretenen ©ebanfen Anerfennung gefunben, 
einmal, bap bie auf ©runb beS SnoalibitätSgefepeS entrichteten 
Veiträge nicht oon ber eingellten VerfidjerungSanftalt, ber fie gerabe 
gugefloffen fmb, als prioateS ©igenthum reflamirt werben bürfen, 
fonbern bap fie gur ©rfiißung ber gefeplicp normirten 3roecfe bem ge* 
meinfamen Sntereffe ber Verwerten bienen, fo gweitenS aber auch ber 
©ebanfe, bafe gur fd)neßeit, prompten ©ntlebigung ber Ventenfad^en 
örtliche Drgane nicht entbehrt werben fönnen, benen ein ficherer 
unb rafcherer ©inblic! in bie ber Aufflärung bebürftigen Verhältniffe 
möglid) ift, als großen, einen weiten Vegirt umfaffenben Vehörben. 
SDaß burch biefe Neuerungen bie ©elbftoerwaltung beeinträchtigt 
werben wirb, wie man prognoftigirt, ift famn gu erwarten. 0b 
bie neu gu errid)tenben fiofaloehörben, wie man hofft, fich S u einem 
geeigneten Unterbau womöglid) für bie gefammte Arbeiteroerficherung, 
auSwadhfen werben, fann nur bie 3ufunft lehren. Viel, wenn 
uid)t alles wirb babei oon einer weifen, gmetfmä&igen Crganifation, 
namentlich in Vcgug auf bie Abgrengung ber Vegirfc, bie SBahl 
bes Vorfibenben u. a. m. abljängen.« 

Au&er ben Nentenjteßen hat noch eine anbere fafultatioe ©in* 
ridituug in bem neuen ©efejj ©ingang gefunben, uämlid) bie lieber* 


tragung ber Snoalibenoerfnherung auf bie ©ee*VerufSgenoffenf<haft 
unter gleichgeitiger Verpflichtung gur ©rrichtung einer SBittroen* 
unb ©aifenoerforgung. ©S bleibt abjuwarten, ob biefer ©dhritt 
oon ©rfolg begleitet fein wirb unb bann auch anbere Verufs* 
genoffenfehaften benfelben 2Beg befchreiten fönnen. 

Neben biefem Uebergtiff, wenn man es fo nennen wiß, in 
baS ©ebiet ber Unfaßoeriidjerung, bringt uns baS neue ©efefc 
audh einen engeren Anfchlufc an bie fttanfenoerftiherung. SBährenb 
bisher nur bemjenigen eine Nente gewährt werben fonnte, 
ber länger als 1 3>ahr ununterbrochen erwerbsunfähig gewefen 
war, ift biefe Sfarenggeit jeßt auf 26 Wochen abgefürgt worben, 
fo baß für eine grofje Anga|l ^affenangehöriger, nämlich für folche, 
beren ^ranfenfaffen fchon jeßt bie Hnterftüfeung auf 26 Wochen aus* 
gebehnt haöen, für ben gaß ber tranfheit unb Snoalibität in 3 Us 
funft ununterbrochen geforgt fein wirb. Um aber auch ben 9)Ut* 
aliebern ber übrigen Staffen, welche nur bie gefefelich oorgefchriebene 
äßinbeftunterftühung bis gu 13 SBodtjen fennen, bie gleichen Vor* 
theile gu gewähren, hat bie NeithSregierung eine Nooefle gunt 
ÄranfenoerficherungSgefeß mit eutfprechenben Veftimmungen in nahe 
AuSficht aefteßt. 

^)ie Verfuge ber ©ogialbemofraten, im SnoalibenoerrnherungS* 
gefefce fo nebenher bie Äranfenoerfidherung auch für baS ländliche 
©efinbe einguführen, würben fowohl feitenS ber Negierung als auch 
oom NeichStag felbft gurücfgemiefen. Abgefehen oon ben befonberS 
gearteten Verhältniffen beS platten £anbeS mit feiner Naturalien* 
1 löhnung, Arbeiteroerhältniffeu u. a. m., bie wohl nicht mit Un* 
recht bagegen angeführt würben, oerbietet fich jebenfaßS bie Stege* 
lung biefer Örage bei ber Verathung beS ^noalibenoerficherungS« 
gefepeS. 

dagegen geigte fitf) ber NeichStag in einem anberen fünfte 
ben ©ogialbemofraten Anfangs giemlich wißfährig. ®ie Äommiffion 
hatte nämlich in einem neu eingefügten §. 130a ben VerfuherunaS* 
anftalten bie Vefugnifc eingeräumt, für ihre Vegirfe Vorgriffen über 
bie oon ben Arbeitgebern Verficperten gum ©dpupe ber ^epteren 
gegen gefunbheitSfchäbliche ©itiflüffe gu treffenben ©inrichtungen 
unter Vebropunq ber 3 ul oiöerhant)elnben mit ©elbftrafe bis gu 
300 JC gu erlaßen. Vei ber gweiten Öefung im Plenum würbe 
jeboep biefe Veftimmung, ber man im Aßgemeinen nicht ahqeiteiqt 
war, wieber geftriepen, ba anbernfaßs baS 3aftanbefommen btS 
gangen ©efepcS gefäprbet worben wäre. 3)?an fonnte fiep aber 
auep ber ©inftept niept oerfcpliepen, bap eS folcpcr Control* 
organe bereits eine grope Angapl gebe unb bap eine gewiffe Sfon* 
gentration ber Aufficht beffer fei als eine S^fpfüterung, bie leicpt 
gu Neibungen ber eingelnen Drgane untereinanber führen unb bie 
Aufteilung einfeitlicper ©runbfäpe auf bem ©ebiete beS Arbeiter* 
fchupes erfdpweren müffe. ©cplieplith würbe auch bie oorgefepene 
Neoifion ber ^auSpattungen aßgemein als nidpt unbebenflicp be* 
geiepnet. 

2)aS gleidpe ©epieffat ber Ablehnung erfuhr trop ber gleichen 
©nmpatpie mit bem Vringip ber oon fogialbemofratifcper ©eite 
gefteßte Antrag, ben VerficpcrungSanftalten bie ©inleitung beS £>eil* 
oerfaprenS gur Vflicpt gu machen, anftatt ber jept ihnen gegebenen 
Vefugitip. AuSfcpIacjgebenb war babei mopl ber ©eficptSpunft, bap 
man gunäepft erft bie 'IBirffamfeit ber gaplreicpen neuen gu ©unften 
ber Verficperten getroffenen Veftimmungen über ©inleitung beS 
$eiloerfaprenS abwarten woße, epe man eine fo burepgreifenbe 
Ntapnapme, wie bie Verpflichtung gur $ranfenfürforge, auf bie 
VerficperungSanftalten übertragen fönne. 

VemerfenSwertp ift noep bie auf Veranlaffung ber Sfonfer* 
oatioen in baS ©efep aufgenommene AuSbepnung ber freiwilligen 
Verficperung niept nur auf VetriebSbeamte, Se^nifer, fieprer u. f.w. 
mit einem ^apreSarbeitSoerbienft oon mepr als 2000, aber 
niept übec 3000 fonbern auep auf felbftänbige ©ewerbetreibenbe 
unb fonftige VetriebSunternepmer, weiche niept regelmäpig mepr 
als gwei oerficperungSpflichtige ßopnarbeiter befcpäftigen fowie auf 
niept oerficperungSpflichtige ^auSgewerbetreibenbe. 2)ie VUrfung 
biefer Vorfcprift ift gegenwärtig noch gar niept gu iiberfepen. 9Äan 
mup fiep barüber flac fein, bap biefe einen gewiffen Anfap gum 
©taatSfogialiSmuS barfteßt, ba \a ber NeicpSgufcpup audp pier 
gewährt werben foß, unb bap bie eigentlid^e 3»bee unferer fogialen 
Verficperung, wonach ber Arbeitgeber für bie AuSnupung ber 
Arbeitsfraft beS Arbeiters eine Prämie gu gewähren pabe, mit 
ber ©inbegiepung felbftänbiger ©ewerbetreibenber eigentlich oer* 
laffen wirb. 

Vetracpict inan baS ©efep im ©angen, fo mup man beten neu, 
bap es in erfter ^inie bem fünftig erweiterten Streife ber VerficperteH 
ang wefentlid)c Vortpeile bringt. £>aS befte Vefenntnip hierfür 
aben bie ©ogialbemofraten abgelegt, inbern fie gum erftenSRale 



1021 


©ogtale $ragt*. ©entralblatt füc Sogtalpolittl, Rr. 88. 


1022 


unb groar gcfd^loffcn für bic Annahme beS ©ntrourfS ihre 
Stimme abgegeben fiaben. Db biefe 3^ ealpolitif ber erfte fic|t* 
bare (Erfolg ber Beraftein’fchen Schrift ift? ferner ift in ben 
fafultatioen Rentenftellen bie S u einem einheitlichen 

Unterbau für bie gefammte fogiale Berficherung gegeben. 
Unb fcßließlich haben bie eingefjenben Verätzungen unb ©rörte* 
rungen beS ©ntrourfS boch auch baS allgemeine Berftänbniß 
für bie 3noalibenoerfi<herung erroeeft unb oertieft unb ba* 
burch ben ÄteiS ber Mitarbeiter an bem ©erf unferer Arbeiter» 
oerficherung roefentlicf) erroeitert. Möge baS neue ©efeß gum ©ohle 
ber Arbeiter unb gum ^rieben ber Arbeiter mit ben Arbeitgebern 
gur Durchführung gelangen! 

Berlin. o. ©ißlebeit. 


Proteft ber Arbeitgeber- unb Arbeitnehmer' 
fieififeer ben (Bemerbegeriihtn Berlin gegen ban 
®efe| jum Sdjntj ben gemerblidfen Arbeitn- 
nerhalhtiffen. 


Der AuSfcßuß beS ©eroerbegerichts gu Berlin für ©utachten 
unb Anträge bezüglich gewerblicher ^fragen hat in feiner Sißung 
oom 17. 3uni einstimmig — Arbeitgeber unb Arbeitnehmer — 
befd)loffen, eine Petition an ben Bunbesrath unb Reichstag gu 
rieten, in melier um Ablehnung beS ©efeßentrourfs gum Schüße 
beS gewerblichen ArbeitSoerhältnißeS gebeten wirb. Die Begrünbung 
lautet folgenbermaßen: 

Der gur 3eit bem Reichstage gur Befchlußfaffung oorgelegte 
©efeßentrourf begeidjnet fich als ber ©ntrourf eines ©efeßeS „gum 
Schube beS geroerblichen ArbeitSoerhältniffeS". Sowohl bie Arbeit* 
geber als auch bie Arbeitnehmer haben ein 3ntereffe baran, gu 
ihm Stellung gu nehmen unb ftch bie Qrragc oorgulegen, ob baS 
geroerbliche ArbeitSoerhältniß überhaupt eines SchubeS bebarf, ob 
ber ihm bisher geroährte Schub als ein genügenber unb auS* 
reichenber fich erwiefen hat, enblich, ob es in ber Dßat beS außer* 
orbenilich rigorofen Schubes ber Borlage bebarf. 

©enn man bie gefcßichtliche ©ntroicfelung beS geroerblichen 
ArbeitSoerhältni[feS betrachtet, fo fleht man, baß es in früherer 
3eit unb noch in ber erften §älfte biefeS 3ah*h un bertS ein ge* 
bunbeneS roar. Der Arbeitgeber roar gegroungen, einer Snnung 
beigutreten unb fi<h bem 3wange ber Innung in Begug auf bie 
Regelung feines BerhältniffeS ju ben Arbeitnehmern, ebenfo roie gu 
feinem Mit*Arbeitaeber — abgefehen oon bem fonftigen 3n?ange 
in Begug auf bie Ausübung feines ©eroerbeS gu unterwerfen. Der 
Arbeitnehmer unterlag in gleicher ©eife bem oon ber Snnung aus* 
geübten 3roange in Begug auf bie Regelung beS ArbeitSoerhält* 
niffeS, burch welche ber $reis berjenigen Arbeiter, welche Arbeit 
finben fonnten, bie Sohnfäße unb alle Bebingungen beS ArbeitS* 
oertrageS geregelt würben. 

Der burchgreifenbe Unterfdjieb, welcher fich bei einer Betrag 
tnng ber Berhältniffe, roie fte burch bie ©eroerbeorbnung geraffen 
rourben, ergiebt, ift ber, baß an bie Stelle beS3mangeS nach jeber 
Richtung hin bie Freiheit gefeßt ift. Der Arbeitgeber ift berechtigt, 
fich feine Arbeiter gu fueßen unb gu nehmen, wo unb roie er fte 
finbet, unb bie Bebingungen beS ArbeitSoertrageS fo feftgufeßen, 
roie es feinem Sntereffe am erfprießlichften erfcheint. Der Arbeit* 
nehmer hat bie Sreißeit, feine ArbeitSfraft in bemjenigen ©eroerbe 
unb bei bem Arbeitgeber gu oerwerthen, roo er für feine ArbeitS* 
fraft bie ^öd^fte Beroerthung, ben höchiien fioßn finbet. 

Seit biefer Anerfennung ber Freiheit beS gewerblichen ArbeitS* 
oerhältniffeS batirt, barüber fann wohl ein 3.roeifel nicht obwalten, 
ber nie geahnte Auffchroung unfereS geroerblichen ßebenS, ber fich 
in bem lebten Menfchenalter ooHgogen ^at. tiefer Auffdjroung 
fällt aber nicht nur gufäUig geülith mit ber Anerfennung ber ©e* 
toerbefreiheit gufammen. ©r ließt auch innerlich mit ber Befreiung 
beS ©eroerbeS im Allgemeinen unb beS gewerblichen ArbeitS* 
oerhältniffeS im Befonberen oon ben gefeßlitßen Schranfeit in 3«* 
fammenhang. Rur eine oon läftigen ©infeßränfungen befreite §n* 
buftrie tonnte fich in ber ©eife entroicfeln, wie fich unfere 3nbufirie 
entroicfelt hat. Rur ein in feinen ©ntfcßließungen freier Arbeit* 
geber unb Arbeitnehmer roar unb ift gu ben ßexftungen befähigt, 
bie eine Blütße ber Snbuftrie erfordert. Die gange gewerbliche 
©ntwicfelung unfereS SaßrßunbertS beruht auf ber ©ertßfchäßung 
unb beften Berwerthung ber menfcßlichen Arbeit, auf ber ©rfennt* 
niß, baß nur biejenige Arbeit gweefmäßig burch nxenfchliche ArbeitS* 
traft oerrichtet werben barf, welche nicht burch bie Raturfraft ge* 


liefert werben fann. Der Menfth, als ein mit Vernunft begabtes 
©efen, ift im Stanbe, Mehr unb BeffereS gu leiften als biejenige 
Arbeit, gu ber bie Aufroenbung ber rohen Straft genügt. Mit an* 
beren ©orten: Unfere gange gewerbliche ©ntroicfelung beruht auf 
ber Berroerthung ber 3nteHigeng ber ©eroerbetreibenben foroohl beS 
Arbeitgebers als auch beS Arbeitnehmers. Rur ber Snteßigeng 
beS ©ewerbetreibenben oerbanfen roir unfere gewerblichen gort* 
fchritte, unb baSjenige ßanb h a t bie größten gewerblichen ©rfolge 
gu oergeichnen, beffen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer bie gebilbetften 
unb inteHigenleften finb. 

2)aS Streben ber benfenben unb intelligenten Menfchen ift 
aber naturgemäß auf eine Berbefferung feiner ßebenSoerhältniffe 
gerichtet. Rur ber benfenbe Menf<h, foroohl Arbeitgeber als Arbeit* 
nehmer, ftrebt oorroärts unb, roie im BolfSleben Sortfchritt nur 
benfbar ift burch einen 3ufammenfchluß berjenigen, welche gleiche 
Sntereffen haben, fo ift auch im gewerblichen fieben ein gortfehritt 
nur mÖgli^ burch 3afammengehen ber einem gleichen 3iele 
3uftrebenben, foroohl ber Arbeitgeber roie ber Arbeitnehmer, ©in 
Sortfchritt roirb nur im Kampfe errungen unb ein Slampf — auch 
ein frieblicher um bie belferen fiebeuS* unb ArbeitSbebingungen — 
fann nur burch bie Macht geführt roerben. $er ©ingelne ift 
machtlos, bie Bereinigung ©leichfirebenber ift eine Macht. &er 
wahre Sortfchritt, bie Berbefferung ber SebenS* unb ArbeitS* 
oerhältniffe, baS anerfennenSroerthefte unb am meiften gu förbernbe 
3iel aller benfenben intelligenten Menfchen fann nur burch Ber* 
einigung erreicht werben. 

$)aS Streben nach biefem 3i*k Ift gu förbem foroohl im 
3ntereffe ber Arbeitgeber, bie nur burch intelligente Arbeiter in 
ihren 3i^a unterftüßt roerben fönnen, roie im Sntereffe ber Arbeit* 
nehmer, bie, je höhere Anfprüche fie an ihre ßebenShaltung unb 
beren ©eroährleiftung burch ihre Arbeitgeber fteHen, gegroungen 
fmb, an fich felbft unb bie Rußbarfeit ihrer ArbeitSleiftung höhere 
Anfprüche gu fteHen. Unb ba in Begug auf bie Regelung ber 
ßobn» unb ArbeitSoerhältniffe bie Sntereffen ber Arbeitgeber unb 
Arbeitnehmer entgegengefeßte finb, ba mithin baS Beftreben beiber 
nach einer Berbefferung naturgemäß nur im Sfampf fich entfalten 
fann, fo ift es oerroerflich, biefem Sfampf größere Äinberniffe in ben 
©eg gu legen, als im Sntereffe ber Allgemeinheit unbedingt er* 
forberlich ift. 3ebe unnüße Befcßränfung ber Arbeitgeber unb 
Arbeitnehmer in biefem Kampfe um bie beftmöglichen ArbeitS* 
bebingungen fann nur auf bie ©ntroicfelung ber SnteÜigeng beiber 
klaffen oon ©eroerbetreibenben fchäblich roirfen, fie fann nur eine 

t emmung unfereS gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS unb unfereS 
ulturfortfchrittS fein. 

Bon biefem ©cfichtSpunffe muß jeher Arbeitgeber roie ber 
Arbeitnehmer jebe Befchränfung beS ©ingelnen in oer ©eftaltung 
beS gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS ebenfo oerroerfen, roie bie 
Behinberung in bem 3 u fatnmenfchluß ©leichftehenber gur ©r* 
reichung ihrer 3i^ e - über baS nothwenbige Maß hinaus* 

gehenbe ©infehränfung, roenn fie fich unk* bem Schleier „eines 
Schußes beS geroerblichen ArbeitSoerhältniffeS" oerbirgt, ift unferer 
3nbuftrie, unferer gewerblichen ©ntroicfelung, unferem ftultur* 
fortfeßritt feinblich- ©S fragt fich alfo nur, inwieweit eine Be* 
fchränfung beS ©ingelnen in ber Freiheit ber ©eftaltung feines 
gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS, inSbefonbere burch Bereinigung 
mit ©leichftrebenben gum 3^^ ber ©rfämpfung ber angeftrebten 
3icle unbebingt nothroenbig ift. Sowohl im 3ntereffe ber Arbeit* 
geber roie ber Arbeitnehmer roirb man forbern bürfen, baß bem 
©ingelnen bie ©ntfaltung feiner Berfön lieh feit, feines ÄönnenS, bie 
befte Berroerthung feiner Öähigfeiten ermöglicht roirb, foweit Anbern 
hierburch bie gleiche Möglichfeit nicht benommen roirb. Rur biefe 
Behinberung beS ©ingelnen, baS ©leicße gu erftreben unb erreid)en, 
barf ben Maßftab für ben gu gewährenben Schuß bieten. 

Man roirb besßalb ben eingelncn ©eroerbetreibenben, Arbeit* 
geber unb Arbeitnehmer, baS Recht gewähren rnüffen, fi<h mit 
gleichem 3kle 3ufkebcnben gu oereinigen unb ben Sl'ampf für 
feine Sntereffen gu führen, foweit nicht babureb in bie berechtigten 
Sntereffenfphären Anberer eingegriffen roirb. ©egen biefe ©ingriffe 
muffen gunächft bie allgemeinen ©efeße, roeldje auf jeben Staats* 
bürger, gleicßoiel ob er Arbeitgeber ober Arbeitnehmer ober nicht 
©eroerbetreibenber ift, Anroenbung finben. ©rft foweit biefe ©e* 
feße feinen auSreichenben Schuß gewähren, ift eine fpegieäe Be* 
fchränfung ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in ber Ausübung 
ihrer Rechte gum 3uiammenf<hluß behufs ©rfämpfung befferer 
ArbeitSoerhältniffe gerechtfertigt. 

tiefem leßteren 3^^ foüte §. 153 ber ©ewerbeorbnung 
bienen; benn eS ift flar, baß eine Bereinigung oon 3ntereffenten 
ebenforoenig wie jebe anbere Bereinigung im Staate, in einer 



Soziale $ra£iS. ©entralblatt für SogialpoUtif. Rr. SS. 


1024 


lü-23 


©emeinbe u. f. ro. befielen fann, roenn nicht ein gcroiffer 3wang 
oorpanbett ift, ber bic Sntereffenten oerbinbet, fiep ben Vcfdjlüffen 
einer Mehrheit berjenigen, mit benen fic gu gleichen 3wccfen gu* 
fammengetreten ftnb, gu fügen. Cpnc 3wang fann ein ©emein* 
roefen irgenb einer Art, fei eS nieberer ober höherer Drbitung, 
nicht beftchen. mir bie Arbeitgeber* unb Arbeitncpmer*Vercini* 
gungen gum Mampf nm bie Verbcfferung ber £opn* unb Arbeite» 
oerhältniffe fmb bie 3wangSmittel burch baS beftepenbe ©efep be¬ 
reite im pöcpften Bafte befepränft. Sebeö nur irgenb in bie per* 
fönlid)e RecptSfppäre ber (Singeinen roirffam eingreifenbe 3wangS* 
mittel ift burd) bie Strafbeftimmungen beS §. 153 ber (bewerbe* 
orbnung auSgefd)Ioffen. (Sine ©rtoeiterung biefer Veftimmungen, 
eine noch weitere Vefcpräitfung beS 5toalition^recf)tS föunte nur 
baburch gerechtfertigt roerben, menn bie beftehenben Veftimmungen 
nicht auSgereid)t hätten, ben oerlepten Rechten bie geniigenbe Sühne 
gu geben, $er RacproeiS, bap bieS ber 5aH geroefen, ift oon 
feiner Seite erbracht, am wenigsten burch bie Vegrünbung ber 
RegierungSoorlage unb bie ihr beigegebene $)enffcprift. Vergehen 
gegen bic öffentliche Drbnung roirb man burch feine auch noep f° 
brafonifepe Strafoorfcprift befeitigen fönnen. 

$)er Staat fann nur bie Aufgabe haben, für bie Verlepung 
ber Recptsorbnung eine betn ©rabe ber Verlepung entfpreepenbe 
Sühne eintreten gu lafjen. Unb bap bieS naep bem bisherigen 
Rechte in Vegug auf Ausbreitungen ber Arbeitnehmer in 
Mampfen um baS geroerbliche Arbeitsoerpälhtip nicht möglich ge* 
roefen, roirb Riemanb behaupten fönnen, ber ben ©ntfepeibungen 
unterer (Berichte in berartigen Süllen in ben lebten fahren gefolgt 
ift. (Sin Vebürfnip gur Verfcpärfuna biefer Strafbeftimmungen, 
bie einer weiteren Vefcpränfung bes MoalitionSrecptS gleichfommen 
roürben, beftept in feiner Beife. VoIIenbS ber bem Reichstage 
oorgelegte (Befepentrourf fpriept aber nicht nur eine Vefcpränfung 
beS MoalitionsrecptS aus. (Sr fommt einer Vernichtung beS 
MoalitionSred)tS gleich- Benn auch tpeoretifcp baS MoalitionSrecpt 
oon ber Vorlage noch anerfannt roirb, fo ift eS praftifcp für ben 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer unmöglich, fiep beffen gu bebienen, 
ohne fiep in ben gupangeln biefeS ©efepeS gu oerfangen. Ban 
föunte einen ^reis auSfepen für benjenigen, ber nach biefem ©e* 
fepentrourfe einer Arbeitgeber* ober Arbeitneper*Vereinigung bie 
Böglicpfeit geigl, einen Mampf um Aenberuitg geroerblicher ArbeitS* 
oerhältniffe gu führen, ohne gegen baS ©efep gu oerftopen. 

3ft aber bie Vetpätigung beS MoalitionsrecptS, ber Mampf um 
bie Verbefferung beS ArbcitSocrhältniffeS, ein foroohl im Sntcreffe 
ber Arbeitgeber roie ber Arbeitnehmer gu crftrebenbeS 3icl, ift biefer 
Mampf in ber (Sntroicfclung foroohl ber Arbeitgeber roie ber Arbeit* 
nepmer gur SnteHigeng unb gur höheren Multur begrünbet, fo ift 
bie Verpinberung biefeS MampfeS, roie fie burep bie Vorlage an* 
geftrebt roirb, für ben gortfepritt unferer geroerblicpen ©ntroicfelung 
für unfere Multur unpcilooll unb oerberblidp. Unb beSpalb rnup 
ber oorliegenbe ©efepentrourf oon jebem Arbeitgeber unb Arbeit* 
itepmcr, ber ein Qntcreffe an bem Öortfcpritte unb ber Vlütpe 
unfereS geroerblicpen CebenS pat, oerroorfen roerben. Benn eine 
Aenberung ber Veftitnmungen über bas MoalitionSrecpt unb gum 
Stpupe gegen AuSfcpreitungen bei feiner Vetpätigung erfolgen foll, 
fo fönnte tie nur in bem ber Vorlage entgegengefepten Sinne, alfo 
im Sinne eines oeränberten ScpupeS unb gröperer Sreipcit notp* 
roenbig fein. ®ie beftepenben ©efepe geben gegen jebe Aus* 
fepreitung mepr als genügenben Scpup. 

geg. £. Beigert. geg. Dr. £>ugo ©erfcpel. 

* * 

* 

3m Satereffe einer roirffamen Agitation gegen ben ©efep* 
entrourf erfuepen roir bie AuSftpüffe, Arbeitgeber* unb Arbeitnehmer* 
Vereinigungen ber ©eroerbegeriepte $)eutfcblaub*, in gleid)er 
Beife gu ber Vorlage Stellung gu nehmen. 

Verlin, ben 17. 3uni 1899. 

Verein ber Arbcitgeber*Veifiper bes ©eroerbegeridd* 
gu Verlin. 

geg. £. Beigert. geg. Dr. Hugo ©erfdjel. 

Sür bie Arbeit ne hmer*Vei fiper beS ©eroerbegerupt* gu Verlin. 

geg. Rubolf Billarg. geg. Al tu in Moerfteu. 


Allgemeine Sozial- uni ÄirtljfdjßftspolÜih. 

(Sin ©efepenttonrf über ben ÄrbeitSbertrag in ben Riebcrlanben. 

Ueber ben ArbeitSoertrag beftepen in ben Rieberlanben bis 
jept feine anbereu Veftitnmungen als bie mit einigen Abänberungen 
aus bem Code civil übernommenen brei Paragraphen beS Vürger* 
licpen ©efepbudjs. Rnr ber Seemann Soertrag ift eingepenb ge* 
regelt; eS gelten für ihn befottbere Veftimmungen über ArbeitS* 
orbnung, £rucf, £öfung beS ArbeitSoerpältniffeS opne Müubigung :c. 

3m 3apre 1891 rourbe ber bamalige Vrofeffor an ber Öet)bener 
Unioerfität Dr. 2. 2)rucfer mit ber Ausarbeitung eines (Befep* 
ettttourfeS über ben ArbeitSoertrag beauftragt. £urd) ben Regie* 
ruttgSroecpfel im 3apre 1894 rourbe bie Sacpe oertagt unb erft 
1897 roieber aufgenommen. (Ss liegt jept ein (Sntrourf oor, ber 
ben Mamtitern bentnäepft gugepen bürfte. formell ftellt fiep ber 
(Sntrourf als ÜRooeHe gum Viirgerlitpen ©efepbuep bar. Aber auep 
materiell enthält er nur prioatrecptlicpe Veftimmungen, namentlich 
über bie Ricptigfeit bes Vertrages unb baS Recpt auf ScpabenS* 
erfap, bageaen gar feine Strafoorfcpriften. 5)a jeboep in ^ollanb 
noep feine Veftimmungen gegen baS £rucfft)fteni beftepen (ein ©nt* 
rourf oom 3apre 1889 ift niept ©efep geworben), enthält ber ©nt* 
rourf unter ben Vorfcpriften über ben Sopn auep bie Veftinmiungen 
gur Vefänipfuna bes Srucf, bie in feinem anberen fianbe in bae 
Vürgerlicpe ©efepbuep aufgenommen finb, roo fie ficper gänglidi 
unroirffam bleiben roerben. 

©ine weitere ©igentpümlicpfeit beS ©ntrourfeS ift, bap er bie* 
felben Veftimmungen enthält für alle, bie irgenb einen Arbeit** 
oertrag abfcpUepen. Benn nämlich ber §. 1 ben ArbeitSoertrag 
beftimmt als ben 

„Vertrag, burch roeldjeu ber Arbeiter gegen übpn^ feine Arbeitskraft gang 
ober tpetlroetfe für eine befttmmtc 3 f it gnr Verfügung beS Arbeitgeber* 
ftellt", 

fo finb pier unter „Arbeiter" ebenforoopl Sabrifarbeiter, £>anb* 
roerfer unb ®ienftboten als §anbelSgepülfen ober Batpematifer 
einer VerficperungSgefellf^aft ober Secpnifer in einer Sabrif gu 
oerftepen unb unter Arbeitskraft ebenforoopl förpcrlicpe als in teilet* 
tue Ke. Qebocp fönneu biejenigen Arbeiter, beren täglicper ifopn 
pöper als 3 fl. (5 Jt) ift, bur% fcpriftlicpeu Vertrag bie im llebri* 
aeu groingenben Veftimmungen bes ©efepeS auSfcpliepen. Meine 
Anroenbung finbet ber ©ntrourf auf bie Seeleute unb auf bie im 
$)ienft bes Staates, einer V r0l) i n 3 °öer ©emeinbe befepaftigten 
^erfonen. Auep ber ßeprlingSoertrag roirb niept geregelt. 

3m ©ingelnen beftimmt ber ©ntrourf, bap Sraueit gur Ab* 
fcpliepung eines ArbeitSoertragS ber ©enepmigung bes ©pemannö 
bebürfen, bem auep baS Recpt guftept, ben ßopn in ©tnpfang gu 
nepmen. Binberjäprige fönnen nach Heberfcpreitung beS 18.Gebens* 
japreS opne ©enepmigung beS gefeplicpen Vertreters ben ArbeitS* 
oertrag fcpliepen. 3ür V^fatten unter 18 3dpreu ift ein ArbeitS* 
buep oorgeftprieben unb ber ßopn fann an biefe V er fanen felbjt 
nur mit fcpriftlicper ©enepmigung ihres gefeplicpen Vertreters aus* 
begaplt roerben. 

®ie ©rlaffung oon ArbeitS* ober Saöriforbnunaen ift niept 
obligatorifcp unb bie Arbeiter ober ein ArbeiterauSfcpup fmb nur 
bann oorper gu pöreit, roenn bie 3a&riforbnung Strafbeftimmungen 
gegen bie Arbeiter enthält. &aS Xrucfoerbot, roonaep bie £opu* 
gaplung in nieberlänbifdper Biinge oorgeftprieben ift, erftreeft fut) 
nidpt auf an ber ArbeitSfteüe gu gebrauepenbe RaprungS*, ©r* 
roärmungS*, VeleucptungSmittel unb Mleiber. Auep baS Verbot 
ber fiopngaplung in Scpanfroirtpfcpaften unb VerfaufSftellen hat 
ber ©ntrourf bebauerlicperroeife niept aufgenommen. Copneinbepal* 
hingen finb nur in folgenbcn fällen guläffig: 3m Salle ber Ver* 
abreiepung oon §auSpaltungSbebiirfniffen burep ben Arbeitgeber 
gum SelbftfoftenpreiS gegen fcpriftlicpe Vereinbarung, im pralle 
fepriftiiep angefepter Strafen im ^>öd;ftbctrag beS SagelopnS für 
ben ©ingelfaD, bei 2)arlepen unb enbiiep fann bei ber befiuitioeit 
Abrechnung über ben Scpidjtlopn guoiel begaplter Copit einbepalteu 
werben. 

Vegüglitp ber Haftpflicht roerben nad) Annapme bes Unfall 
oerficperungS*©efepentrourfeS im Allgemeinen biefelben Veftimmungen 
gelten, roie in 3>eutfd)lanb. 3m 'Jade „oorübergepenber Mranf* 
heit" beS Arbeiters mup ber Arbeitgeber ben oouen Sopn weiter 
begaplen, roenn niepts AnbereS oerabrebet ift, unb bie Moften ber 
Verpflegung unb Argneimittel tragen. 

Vegiigiicp ber Söfuttg bes ArbeitSoertragS opne oorperige 
Münbiguug trifft ber ©ntrourf im Allgemeinen biefelben Veftim* 
mungen roie bie §§. 123 unb 124 ber beutfepen ©eroerbeorbnung 
3ebod) gäplt ber ©ntrourf bie 3älle, in benen bieS guläffig ift, 




1025 


Soziale Vra^iS. ©entralblatt für Sogialpolitil. 9fr. 38. 


1026 


nid)t erfcböpfenb auf, fonbern er läftt bem freien ©rmeffen bes 
Vid)terS im einzelnen gaße einen weiten Spielraum. 3m Öaße 
bcS ftontraftbrucbeS finb ©ntfd)äbigungen im 12* big 36 fachen 
betrage beS £agelohnS ooraefehen. ©ine eigenartige Beftimmung 
enthält ber Entwurf über oie ßöfung beS ArbeitSoertragS, wenn 
fie im 3ntereffe einer Partei wünfcbenSwertb crfcbeint, g. 33. auf 
Seite beS Arbeitgebers im Jaße ber (Sinfc^ränfung bes Betriebes, 
ober im gaße ber .'peirath auf Seite bcS $>ienftboten u. f. tu. 3n 
biefen Säßen giebt ber Entwurf ben Parteien baS SRecfct, eine 
©ntfcheibung bes S^id^terö gu beantragen, ob bie fiöfung oeS Ar* 
beitSoerbältniffeS guläffig ift. $)er dichter h°t bann aud) bie 
gu Ieiftenbe ©ntfcbäbigung feftgufeften. 

Obgleich ber ©ntwurf in mehreren wichtigen fjällen nid)t weit 
genug gebt ober unwirlfam bleiben roirb, fo fteßt er bo<b, wenn 
er ©efeft werben follte, gegenüber bem geltenben 9tecbt immerbin 
einen gortfebritt bar. 

Amfterbam. 3- $• oan 3anten. 


$a$ fftcbftfdjc VercmSgefeft tmb bie äRtuberi&hrigem 3» 

melden feltfameu folgen bie im neuen VcreiitSgefcft enthaltene 
Beftimmung über ben AuSfcbluft ber Vtinberjährigen oon ben 
Vcranftaltungen politifeber Vereine unb politifeben Verfamtnlungen 
führen !aun, erbefit aus gwei fiirglicb ergangenen Urteilen fäcbfifdier 
©eriebte. 

$er Vorfiftenbe eines ArbetterbilbitngSocreiuS in Vegau 
würbe oom bortigen Scböffengcricbt gu 20 Jf. ©elbftrafe ocrurtfteilt, 
weil er gcbulbet batte, baft bie minberjährige ©attin eines Mitgliebes bei 
einem Sangfrängcben bes Vereins anwefenb war, bas oon ber Voligei als 
politifdje Verfammhtng betrachtet würbe. ©r batte gwar bie Minbcr* 
jäbrigen gum Verlaffen bes Saales aufgeforbert, aber jene $rau war 
troftbem geblieben, unb bie Verurtfteilung erfolgte, weil baS (Bericht ber 
Anftcftt war, ber Vorftanb babc bie Verpflichtung gehabt, bie ©nt* 
fernuug ber Miuberjäftrtgen auch burdjjufcften. 

Vom Schöffengericht unb fpäter and) oom 2anbgericht Bresben 
würbe ein Metallarbeiter gu 20 Jt ©elbftrafe oenirtbeilt, weil er als 
Leiter einer ©ewerffdjaftsoerfammiung bie Mtnbcrjährigen nid)t hinaus* 
gewiefen habe, als ber Vortrag nach ber Meinung bes iiberwarijenben 
Beamten burd) einige Vkubmtgen bas politifche ©cbict ftreifte unb 
biefer besbalb gu einem politifeben geworben war. Auf bie Vcränberung 
bes ©baraftcrS bes Vortrages hatte ber Veamte ben Vorfipcnbcn, ber 
jeboch nicht ber Anfidji war, baft ber Vortrag einen politischen ©harnftcr 
angenommen habe, nidjt aufmerffam gemacht. Xas Cbcrlanbesgericht 
bat bie eingelegte Aeoifiott oerworfen unb bie Strafe beftätigt. 

Bkuu über furg ober lang eine 9feuorbuung beS Vereins* 
unb VerfammlungSredjtS in Vfeufeen ober gar im SReicb in Angriff 
genommen werben follte, wirb mau ft<b biefer Säße erinnern 
muffen. Vestigia terrent! freilich banbeit es fid) um Urteile 
fätbfifcber ©erid)te, oon beiten baS £anbgericbt Verlin I, 2. Straf* 
fatnmer, foebeit (17. 3uui) in ber Vegrünbung eines freifprechcitbett 
llrtbeils betont bat, baft bem Angeflagtett ber Sabrljeitsbcwcis für 
feine Vcbanptuug, „bie Sprudjprajis bcS böcbften fädjfifcben ©erid)ts* 
bofeS habe oft unb oftne ilutfcbwcife bie Angehörigen ber Arbeiter* 
fategorie für miitbereu Rechts benn anbere Staatsbürger erflärt", 
in brei Säßen gelungen fei! 

Sefcbräitfang ber ©rtocrbSarbeit ber ftmfeer in ©uglaub. ©nb* 
gültig angenommen ift jeftt in ©nglanb ein oom liberalen Ab* 
georbnetett Vobfon eingebautes Stinberfcbnftgefeft, wonach gur 
§abri!arbeit Stinber erft oom gwölften 3af)re (bisher elften 3ab*e) 
an für ben hol&en Unterricht beurlaubt werben fönnen (ogl. „Sog. 
VrajiS" Sp. 626). 3)ie aßgemein beifällig aufgenommene An* 
nähme beS ©ntwurfs ift wefentlicb bureb bie ©rflärung bes Eabinets* 
mitgliebes Sir 3obn ©orft, eines ber Vertreter ©nglaitbs auf ber 
3nternationaleu Arbciterfcbuftfonfereng 1890 in Verlin, geförbert, 
baft bas UnterricbtSminifterium es für wohl möglich halte, bie 
länblieben Schulen in ben Sommermonaten gang gu fdjlieften 
unb biefen AuSfaß bureb erhöhte llnterricbtStbätigfeit im hinter 
unb Verlängerung ber Schulpflicht für bie jugenblicben länblicben 
Arbeiter bis gum 15. 3abr nach Schweiger iUufter gu becfeit. Von 
ben |>albgeitern ($albtagSfcbulen) finb 31 000 in ben Vautnwoß* 
fabrifen befebäftigt. ^)er Umfang ber ^iitberarbeit ift aber weit 
größer unb bebenflicber (ogl. Sp. 564, 588). 9£acb ©orfts 3Kit* 
tbeilungen finb in ©itglattb über 144 000 $inber, bie ben ooßen 
Scbulunterricbt tnitmacben, au|erbalb ber Sdjnheit regelrnäftig 
gegen Sohn tbätig. 2)aoon finb 131 unter 7 fahren, 38 469 
gwifeben 7 unb 10, unb 104 589 gwifdjen 11 unb 14 fahren. 
15 182 finb 3eitungSiungen, 76 173 Saufburfcben, 11 585 .Stinber* 
mäbeben, 9254 SöirtbfebaftSgebilfinnen unb 4619 Sftäbterinnen. Da& 
aud) hiergegen eingefebritten werben tnug, ift bie allgemeine Ueber* 
eugung. ^ie Sd)wierig!eit ber lleberwadjimg hat bas ßonbouer 


Sdjulatnt bagu oeranla^t, bas 5tampffelb gegen bie ftinberarbeit 
gunäcbfi auf bie Straften unb öffentlichen Vläfte gu befebränfen. 
©S feblägt bem £onboner ©raffebaftsrath ben ©rlaft einer Verorbnung 
oor, wonad) fein Äinb unter 14 Saftren oor 8 Uhr VtorgenS ober 
nach 8 Uhr 3lbenbS gu irgenb welcher gelegentlichen ©rwerbS* 
befebäftiaung auf Straften ober öffentlichen Vläfeen h^rangegogen 
werben Darf. Verfiöfte gegen biefe Veftimmung werben mit einer 
©elbftrafe oon 40 sh. für jebe Uebertretung geaftnbet, unb gwar 
fowohl bei ben Arbeitgebern wie ben ©Itern unb Vormiinbern. 
^en VeweiS, baft baS $inb über 14 3ahre ift, h°i ^ er Veflagtc 
gu erbringen. Virmingham, üioerpool, ßßanebefter unb Shcffielb 
haben febon ähnliche Verorbnungen erlaffen. Vor Aßem miiffen 
aber bie ©Item felbft gur ©infiebt gebracht werben, baft fie bureb 
bie lleberanftrengung ber Minber ihre ©Iternpflicbten unb bic 
Pflichten gegen Staat unb Schule gröblich ocrleftten. Sir 3ohn 
©orft forbert bie Veftrafung folcber graufamen ©itern. Sonft wirb 
bie ^inberbefebäftigung oon ber Strafte ins £>au$ oerlegt, wo fie 
leiber noch recht umfangreich ift. 


Soziale 3tt(l&it&e. 


Sage beS bentfdjen ArbeitSmarfteS im Wlai. ©ine inerfwürbigc 
©rfebeinung ift auf bem beutfeben ArbeitSmarfte eingetreten: Ar* 
beitslofiafeit als Solge giinftiger ©efcbäftslage! ,,^er Arbeits* 
marft^ führt herüber in ber neueften Kummer aus: S'ie Stöhlen* 
bergwerfe fönnen in ber £>o<bfonjunftur nicht mehr allen Anforbe* 
rungen gerecht werben, bieS führt bereits gu VetriebSein* 
febränfungen in manchen 3nbuftrieen; wenn fpegieß bie £)ocft* 
Öfen ficb einfebränfen müffen, fo macht fld) ber fo entfte§enbc 
Mangel an ÄofeS, Stoheifen unb ^albgeug an ben oer* 
febiebenften Steßen ber Viafchinen* unb ßßetaßinbuftric geltenb. 
So geigt ficb in ber |>ocbfonjunftur auf ber einen Seite Arbeiter* 
mangel, unb als helfen <$olge auf ber anberen Seite Arbeits* 
lofigfeit. Arbeitermangel fommt im Sohlen* unb ©ifengemerbc 
gwar in jebem Srübjabr fteßenweis oor. 2BaS aber in biefeni 
3ahr barüber berichtet wirb, iiberfteigt aßes fonftige Viaft. 9?ad) 
Schäftungen, wie fie in bie £ageSpre|fe übergegangen finb, foßen 
aßein im nieberrheinifdj*meftfälif<ben Vergbau gur 3*it 15 000 
Veraleute fehlen. Db ber Arbeitermangel nun freilich aßein an 
ber StoafS* unb ^ohlennoth fcbulb ift, beren ^folgen fo einfebneibenb 
für ben Arbeitsmarft finb, wäre noch gu unterfueben. ®ie wiber* 
fprucbSooßen ©rfebeinungen beS ArbeitSmarfteS treten auch barin 
gu £age, baft bie ArbeitSnacbweife ein günftiges, bie Äranfenfaffen 
weit efer ein nngünftigeS 3öh^n^ geben. ^)ie ArbeitSnacbweife 
finb anbanernb aufter Stanbe, fooiel Arbeiter gu befeftaffeu, wie 
oon ihnen oerlaugt wirb; auf 100 offene Steßen fainen im Slai 
biefeS 3®h reg n ^r 98,9 Arbeitfucbenbe (gegen 114,i im Vorjahr), 
hingegen hat im fiaufe beS Vtai ber ßRitglieberbeftanb ber Eranfen* 
faffen um 1 o/ 0 weniger gugenommen, als im Vorjahr (nämlich 
nur um 0, 6 % gegen 1, G °/o>- Aßerbings muft bei günftiger £age 
fcblieftlicb auch einmal bie 3»nahme ftoefen, wenn neue Arbeiter 
nicht mehr oorhanben fmb; aber eine gange Atigahl oon Waffen 
geigen bireft einen SRücfgang ber Vefd)äftigten. 3« manchen Ve* 
rufen ift bie 3af>l l>er Vefcbäftigten felbft geringer, als im Vor* 
jahre. 3m Baugewerbe geigt fid) jeftt, baft ein milber Binter auf 
baS Vaubebürfnift im Sommer oerringernb wirfen muft. 

©emerbliche Pott itttbent tu Bresben» 2)ic Stabt 

2)reSben hat Anfang 1898 ©rhebunaen über bie ©efammtgahl ber 
aufterhalb ber gabrifen gewerblich tpätigen $inber angefteßt; nur 
bie Vefcftäftigung in ber ßanbwirtbfcbaft, bem ©arten*, Dbft* unb 
s Beinban uno bem ©efinbebienft blieb entfprecbenb bem befannten 
©rfueften beS VeicbSfanjlerS, ber biefe ©djebungen anregte, aufter 
Vctracftt. ^5ie ©rgebnilfe finb im leftten Verwaltungsbericht ber 
Stabt mitgetheilt. oorfcbulpflicbtigen Alter fteftenbe erwerbs* 
thätige ^inber würben oon ben Beamten ber s BohlfahrtSpoligei 
nur 10 ermittelt, feineSfaßS aße. $)er Bericht Jagt unter Anberem: 

Sie ©rftebung in ben Schulen ergab insgefauunt 5 772 aufterhalb 
ber Gabrilen thätige ftinber, bas finb 17,o % bei* 33 822 .Hinber, bie 
eine ber Sdjulen bcfudjten, auf bie fid) bie Zählung erfireefte, ober 
13,7 °/u ber 42 184 Winbcr, bie überhaupt eine $>re»buer Volfsfchule 
bcjiidjicu; cs ift jelbftoerftänblid), baft fid) eine wefeutlid) gröftere 3ahl 
ergeben hätte, wenn auch bie im ©efiubebienfte beschäftig ton .Siinber ge= 
gäfjlt worben wären. . . . Aicftt mit enthalten finb in ber 3ahl ber 
gewerblich thätigeu fchulpflichtigen Alinber bic in ftinbcrbejrijäftiguugs* 
Anftalteu befchäftigten unb bie ©horfäuger. Sie Vefdiäftigmig bei 
fd)ulpflid)tigen Äiitbcr beftanb in ber Mehrgaftl ber ^älle (3 684) im 
I Austragen oon griihftücf, Mild) unb Leitungen unb in fonftigen Voten= 




1027 


Sogiale $rajri$. (Eentralblatt für Sogtalpolilif. Ar. 38. 


1028 


gängcn, in 1 580 JäHen itt gewerblichen .f>anbrei<himqen int engeren 
Sinne, in 249 hätten in joldien §>anbrei<hungen in Berbinbuitg mit 
Botengängen imb in 32 fällen in .fraufirett ttnb Straßenoerfauf. 3m 
(Gaftwirtbfchaftsgewerbe mären mit oerfdjiebenen Arbeiten 151, beim 
Xheater nnb bei Sdjauftcllungen 76 ftinber befdiäftigt. — 3m engeren 
Sinne gewerbliche Mitarbeit non Äinbern fmtb fic^ oorgugsroeifc 1. bei 
ber Anfertigung non Stirfereien, Spipeti, (Garbinen, BJottroanren unb 
23äfrf)c, 2 . in* ber Bud)binberei, ttartonnageu* unb Bapkrwaaren* 
oerfertigung (XiitenMeben), 3. bei ber Strotan** unb Strohgeflcdjt* 
^nbrifation KEtifettcneinnähen, Stuhlfledjten), ber Sdjneiberei unb ber 
Berfertigung fünftlirfjer Blumen unb ber Schuhmacherei, 4. in ber Xabaf* 
fabrifation (Abrippen). 

3ntere[fant, befonberS auch im £inblicf auf bie agrarifd)e 
^orberung ber Befchränfung beS Unterrichts in länblichen Schulen, 
ift baS 3 u 9 *f*önbniß S3eric^t@, baß bie BormittagSarbeit ber 
töinber in Bresben begünstigt roirb burch ben Umftanb, baß in 
manchen Spulen für eine Anzahl ftinber ber Unterricht er ft in 
ben fpäteren BormittagSjtunbeu beginnen fann, ba bie 
Baumoerhältniffe bieö bebingen, benn nur für bie klaffen 
ber Stufen I bis IV (14* bis 10jährige $inber) ift fe ein Unter* 
richtSraum oorhanben, für je 3 Älaffen ber Stufen V unb VI 
(9* unb 8 jährige) ntüffen 2 SRäume unb für je 2 Mlaffen ber Stufen 
VII unb VIII (7* unb 6 jährige $inber) muß ein Äaum genügen. 

Spieltriefc imb Sparfitm. Sie Lehre oon beit (GlüdSfptelen tourbc 
bisher nur itt ber Aedttsroiffenfdjait, aber oerfdjminbenb menig in ber 
Antioualölonomie unb Sojialpolitif eingehettber Betrachtung unterzogen. 
XiefeS Berfäunntiß fuefjt nun Aubolf Sieg hart in feinem trefflichen 
3Berfe: „Xic öffentlichen (Glücfsfpiele" (58ien, Berlag Mang, 1899) nach* . 
^uholcii. Beim (GliicfSfpiel im Sinne ber Aationalöfononiie hanbelt es 
ftch nach Sieghart in erfter Linie um bie Befriebigung jenes Bebürf* 
niffcs nach Hoffnung, baS ben 3J?enfrfjen jeberjeit beherrfcht. 3 m ruirth= 
idjaftlichen Sinne toirb es alfo barauf anfomnten, bas tiatnentlid) betn 
toirthfchaftlich Bebrängteit eigene Bebürfniß, auf eine Lageuerbepentng 
loenigitctts hoffen ju fönnen, berart gu befriebigen, baß ber Spieltrieb 
aus einer oolfsmirthlchattlich fchäblichen ju einer öfonomifd) niißlidjen 
Kraft umgeftaltet toerbc. Als baS Befte in biefent Sinne toirb oon 
Sieghart bie Ueberleitung ootit Spiel* auf ben Spartrieb, alfo 
oon einem umoirthfdjaftlichen 31 t einem toirtbidjaftlidjen Bebütfniffe be* 
3 cichnet. (Es muß bie (Gelegenheit geboten werben, mit bem (Einfaße 
eine (Glücfshoffnung auf einen Spielgewinn fo 3 U erfaufen, baß ber 
Spieleinfap 3 ur Spareinlage, alfo ber Spieler allmählich gunt Sparer 
exogen werbe. Unb bie (Gefahr ber Ausbeutung ber Beoölferung, bie 
ftd) über bie (Ergebniffe ber Sahrfcheinlid)teitsredjnung, über bas Ber* 
hältniß gwifchen (Einfaß nnb (Gewinn ^umeift faunt flar ift, fpridjt bann 
ebenfo für bas ftaatliche Lotteriemonopol mie bie oolfspäbagogifdje 
(Erwägung, baß oor Allem ber Staat in ber Lage ift, auf bie 2ranS= 
formation bes SpieltriebS 3 um Spartrieb binguwirfett. Xas Lotterie* 
ntonopol wirb bamit 311 einer Art oon gemeinnüßigem Monopol. 
Sieg hart tritt in biefem Sinne für bie Unttoanblung beS Meinen Lotto 
nnb ber in Xeutfdjlanb befteßenben ftlaffenlotterien in Sinfetilotterieti 
ein. Bei biefen hätte als (Grunbfaß gu gelten, bah nie bie (Einlage als 
folche, fonbern nur ein XßeU bes 3mSertrageS ben Spielgegenftanb 
bilben barf. Aatf) Xerfung ber Bertoaltuitgsfofien märe ein Xheil ber 
Bertoaltungsfoften für (Gewinnprämien 31 t oertoenbett, ein anberer bem , 
(Einleger gut 3 ufdireiben. Sieghart hat als Bermittler hierfür bie ftaat* 
liehen Boftfparfaffen im Auge. Mit Aerfjt oenoeift er barauf, baß bie j 
atljährlid) ben bürftigfteu BolfSfchichten burch bie Lotterie ent 3 ogenen | 
(Gelber 3 ur Kapitalbilbung ober als 3 e ft r pfcnnig für Alter unb Kranf* j 
heit Berroenbitng finben fönnten. (SS fei ein BJiberfprucß, baß auf ber 
einen Seite fooiel oon ber ftaatlidjen Sojialpolitif gefprochen 
merbe, baß aber auf ber anberen Seite berfclbc fo^iale Staat ben ioirth s 
fdjaftlich Schmadjen, ben er förberrt toill, 311 einem Spiele oerleitet, bei 
bem ber Staat bie Spargrofdjen beS Acrmften in Bitflionenbeträgcn 
an fld) 3 ieht. 5Rur meun ber Staat ben Spieltrieb atlntählidj 311 m 
Spartrieb er^ie^t, habe er ein gutes 9iedjt auf ben ausfehlieblichen Be* 
trieb ber (Glücffpicle. Sieghart loeift übrigens auch an einer ftüHe oon 
3 ahlenuergleicbungeit nad), mie fd)äblid^ bie heutigen formen bes öffeut* 
lidjen (GlürfsfpieleS beifpielSmeife in Cefterreid) auf bie (Entmicfelung ber 
Sparthätigfeit mirfert. 3a Defterreid) treffen baitad) auf 488 Spar* 
faffeu 3433 Spielfammlungen in 1701 Öottofollefturen. Xie 3 »»ahmc 
ber Spieleinlagen fleht im um gef ehrten Berhältitiffc 3 ur Bennehrung 
ber Spielein lagen. 3 U 3 c *ten mirthfdjaf tlidien AiebergaugeS, 
menu bie Spareinlagen abnehmen, madifcit bie Spieleinlagen 
überrafdjenb fdniell. Xtefer 3 nfantmenhang geigte fid; in ben 3 af)ren 
1868 bis 1873 überaus beutlidi. 3n biefen 3ahren bes Auffrfjmunges 
gingen bie Spieleinlagen bei gleid) 3 eittger Steigerung ber Spareinlagen 
3 urücf, mährenb oon 1873 bis 1878 , mäbrenb bes 5?rifenjahreS unb ber 
barauf folgenbeu uugüufiigeu 3ahre gan 3 umgefehrt bie Spareinlagen 
3 iirürtgingeu, bie Spieleinfäße aber ftarf mud)fen. Xas B?erf Siegharts 
bictci eine AÜUe oon Ausbliefen auf bie Theorie bes (Gliicffpieles, mie 
auf beffen (Eutipicfeluug unb beffen (Erfdjeinuugsformeu in ben oer* 
idiiebencn Staaten (5-nropas.t^ 

) Xett gleidieu (Grunbgebanten hat übrigens fdiou Aug. Sdierl in 
feiner 1894 erfdjieneiten Brofdjiire: „Xas ®iiniiterium (5ulenbnrg unb 
bas Stherlfdje Sparinftent" entmicfelt. 


Ktbeiterbenrgung. 

s JWaffenan«fpemttig unb (Gettcralftreif ber Berliner Bhutrer. 

Auf oerfchtebenen Bauten in Berlin unb Umgebung finb jiingft 
• Btitglieber beS (EentraloerbaubeS ber Btaurer mit ber Sorberung 
einer Erhöhung beS StuitbenlohneS oon 60 auf 65 Ai bei ber 
üblichen neunftünbigeu Arbeitszeit heroorgetreten. X)ie 3forberung 
mürbe auf einigen Bauten bcmiHigt, auf anberen abgelebt. X)ie 
Ablehnung touroe mit Shcberleguug ber Arbeit beanhoortet, mährenb 
auf ben bemittigenben Bauten bie Arbeit fortgefefct mürbe. X)er 
Berbanb ber Bauunternehmer Berlins unb ber Bororte erblicfte in 
ben XheilauSftänbeu eine „^erauSforberung" unb beantroortetc 
biefe mit einer allgemeinen AuSfperrung ber Btaurer. 
X)ieS hatte 3 ur bafe ber ©entraloerbanb ber s D?aurer ben 

allgemeinen Ausftanb proflamirte, bem fich auch bie Iofal 
organifirten Maurer, bie, obgleich fk feine gorberung gefteflt, eben* 
fats anSgefperrt roorben roaren, anfthloffen. Auch bie im herein 
„Arbeiter)chuh" organifirten chriftlichcn Maurer, bie ebenfalls oon 
ber AuSfperrung betroffen roorben maren, fchloffen fich bem 0treif 
an, motten aber burch eine befonberc fiohnfommiffion ohne SRüd* 
ftchtnahme auf ben lofalen unb centralen Berbanb mit ben Meiftern 
in oorrnhtiger Bßeife Uuterhanblungen anfnüpfen. 

Qn Unternehmerfreifen ift angeregt roorben, bie AuSfperrung 
auf gan 3 X>eutfd)lanb au^ubehnen, um ben „Uebermut^" ber 
Arbeiter enblich 3 U brechen. 3» bem 3mecfe roar oon bem fonfer* 
oatioen CanbtaaSabgeorbneten Bauineifter 8 feli[ch 311 Montag, 
19. 3uni/ eine äonferen 3 beutfcjher BaugeroerfSmeifter nach Berlin 
einberufen roorben. Berichtet roirb, bafj bie auswärtigen Berbänbc 
ftd) mit ben Berliner Unternehmern cinoerftanben erflärten, unb 
baß am 27. Swtti ein $?ongreft oon $)elegirten beS Baugeioerbes 
ftattfinben foll, um über weitere Maßregeln 3 U befchliefecn: bocf) 
fchien ein Angebot auf Bermittelnng oor bem ©eroerbegeridjte auf 
günftigen Bobcn 3 U fallen. 3 UDOr f^ on f tn ^ oom Berliner Unter* 
nehmeroerbanb bie Arbeitgeber in ber Bnroing ^ ur( ^ 9tunbfdhreiben 
aufgeforbert roorben, „feinen aus Berlin unb beffen Umgebung 
fommenben Maurer 3 U befchäftigen". 

3n Solge ber AuSfperrung unb ber B^oflamirung brs 
©eneralftreifS ruht auf ben Bauten Berlins unb ber Bororte, Jo* 
roeit Maurer unb beren £üilfsarbeiter (Stein*, Mörtel*, B?afjci* 

I träger 2 c.) in Örage fommen, bic Arbeit faft ooüftänbig. Auch ein 
I Xheil ber 3 immerer foll bereits 'Seierabenb erhalten höben, meil 
! für fie feine Arbeit oorhanben ift. Bei längerer X)auer beS 
! Kampfes muffen natürlich auch meiter bie X)adhbecfer, Klempner, 

I Bautifdjler, Xöpfer, ®lafer 2 c. in Mitleibenfdjaft ge 3 ogen 

roerben. Auf einigen Bauten inbeffen, auf benen ber 65 4*^ un b*n e 
lohn beroiHigt roorben ift, roirb weiter gearbeitet. 3 um ge¬ 
hören bie betreffenben Unternehmer bem Berbanb nicht an, 30111 
3T^eiI fehren fte fich nicht an beffen Befchlufe. Um auch hkr bie 
Sperre burd) 3 ufehen, h Q f ber Untentehmeroerbanb an bie Siefe* 
ranten oon Baumaterial ein Schreiben gerichtet, in welchem lejjterc 
aufgeforbert roerben, mährenb ber S)auer beS Streifes Bau* 
materialien roeber an folche Unternehmer 3 U liefern, welche fich bem 
Arbeitgeberbunb nicht angefchloffen hoben, nod) auch an biejeniaeit 
Mitglieber beS BerbanbeS,ioeIcheroeiter arbeiten laffen. £>ieMitglieoer 
einer befonberen AgitatioiiSfommiffion beS BerbanbeS füllen aufeer* 
bem bie Maurermeifter, bie weiter arbeiten laffen, perfönlidj be* 
fuchen unb fie oeranlaffen, ihre Bauten $u fperren unb bem Ber* 
banb bei 3 utreten. Öehterer foll benn auch bereits an Mitgliebern 
beträchtlich gewonnen haben. — (Gearbeitet roirb übrigens auch auf 
ben Bauten, bei benen Menfchenleben in (Gefahr fommen fönnen. 

X)ie Arbeiter fcheinen gunächft über Mittel 311 oerfügen; es 
finb ihnen folche auch aug & eit größeren Stäbten 001 t ben Maurer* 
orgaitifationen 3 ugefagt roorben. X)ie unoerheiratheten Maurer haben, 
mitBeifcgelb auSgcftattet, auf Bef chluß Berlin 3 um großen Xheil bereits 
oerlaffen. 9?ach bem „BorroärtS" foll ihnen in Den meiften fJäHeii 
außerhalb fichere Arbeitsgelegenheit nachgeroiefen roorben fein. Jrei* 
lieh roirb fich erft feigen uuiffen, ob baS 9tunb[dhreiben beS Berliner 
UnternehmeroerbanbeS an bie auswärtigen Meifter nicht (Erfolg hoi 

(Einige Berliner Blätter warnen oor einer Ausbehnung ber 
Sperre über baS gange Sfteich, weit bieS nichts weniger bebeuten 
roiirbe, als bie Lahmlegung ber Bauthätiafcit im gangen Gleiche 
mährenb ber Baitfaifon, roaS eine öffentliche Kalamität oebeute. X)aß 
bic Sorberung oon 65 4 Stunbenlohn baS mit allen Mitteln bes 
fdjärfften XcrroriSmuS arbeitenbe Borgehen ber Unternehmer nicht 
rechtfertigt, beroeift fchon bie Xhotfadje, baß biefer Lohn über 
Xanfenb Maurern bewilligt roorben ift. X)ie LebenSoerhältniife 
Berlins laffen biefen Lohn auch für Saifonarbeitcr, bie einen ^Ih ' 11 
bes 3ahreS feiern muffen, nicht 311 hoch erfcheinen, unb wenn bie 



1020 


©ogiale fragte, ©entralblatt für ©ogialpolttif. Mr. 3«. 


1030 


Arbeiter bic günftige BauFonjunFtur auSnüßeu wollen, fo Fann man 
ihnen bieS nicht oerbenFen. Bisher ftnb auch grobe Ausbreitungen 
ber Arbeiter, bie fid) im Allgemeinen großer Muße befleißigen, ntd)t 
gu oergeießnen geroefen. Bei ber Erregung, in ber fi<h bie 2fr* 
beiter in $olge beS ©efeßentwurfeS gum ©djuß beS gewerblichen 
ArbeitSoerhältniffeS befinben, Fönnte aHerbingS eine allgemeine 
AuSfperrung über baS gange S^eidf) leicht oerhänanißooH roerben. 
Unter biefen Umftänben fann man nur wünfdjen, Daß bie im 2Berf 
befinblühe Vermittelung beS berliner ©ewerbegerichts oon ©rfolg 
begleitet fein möge. _ 


Det Föufmamtifdje wtb getoerblidje $ilfsmetn für toeiölidje An* 
geftettte 3« Söerlii Mach bem SahreSbericßte für 189« entfaltete ber 
Verein eine rege Sljätigfeit gur Vefferung ber Sage ber Slngefteüten 
unb bemühte fid) namentlich um eine Verfügung ber ArbeitSgeit. SSäßrenb 
beS neunjährigen VefteßenS bes Vereins ift cs gelungen, bie 10 000. ©teile 
gu beferen, roooon auf baS gaßr 1898 allein 2500 Fommen. 'Sie gort* 
bübungSanftalt beS Vereins unb bie $anbelsfd)u(r mürben burdjfdjnitt* 
Uch in jebem Halbjahr non 600 ©chülerinnen befucht. @ut bewährt hat 
fid) bie ©inrid)tung ber gerienheime unb ©ontmerfrifchen, bie bei 
mäßigen greifen beit SRitgliebern gur Verfügung ftehen. Das alljährlich 
an bie Wefcßäftsin habet gerichtete ©rjudjeu um ©eroäbrung non Sommer* 
Urlaub unter gortjahlung bes ©ehalts ift oon ftets fteigenbem (Erfolge 
begleitet, gür bie Unterbringung bebiirftiger Vütglieber in einer 
©ommerfrif^e finb 4439 M. ausgegeben worben. ©tarf in Anfprud) 
genommen marb ber freie Medjtsratf) bei groei Verliner MechtSaumälten. 
Sie Vibliotß.F benußten burfrfifdjnittüd) 1200 Seferinneit. Das Vereins* 
orgait „SRittbeilungen für roeiblitfje AngcfieHte" erhielten bie VFitglieber, 
beren 3aßl am gabreSfcijiuß 11 362 betrug, unentgeltlich gitgefanbt. 
Ser ©efammtetat aller Veranftaltungen betrug 232 000 M . 

3«t Bergarbeiterbemegiinö in Sranftttih. Aus ^aris mirb 
uns gefcfjrieben: unmittelbaren Anfd)luß an bie Arbeitsein¬ 

stellung in beit ©chneiberfchen ©ifenwerfen oon ©reufot (oergl. 
„©oktale gratis" Mr. 36, ©p. 984) fiitb am 6 . 3uni in beit be* 
na^barten ©rubenbegirFen oon 9Rontccau»leS»3RineS (Departement 
©aonc-Soire) umfaffenbe BetriebSftörungeu ausgebrochen, melche 
burch bie Dheilnaßme einiger anberer ©ewerbegtoeige gu einem 
©eneralftreiF auSguarten broheit. Der ©dßwerpunFt ber Bewegung 
bleibt natürlich bei ben Bergarbeitern, bie beu ©runbftocf ber Be* 
oölFerung bilben uitb bis gum 17. Suni fämmtlich (etroa 10 000) 
ausftänbig geworben finb. 2luf Bennittelung beS VräfeFten haben 
fie nur bie gur ©icheruug ber ©ruben nöthigen ßeute gum 
Arbeitsantritte eittfanbt. Der ©treif fteUt [ich burchauS als eine 
Sortfeßung bes AuSftanbeS in ben ©cßneiberfchen SBerfen bar, 
beren hmüfdieS BetricbSfgftem, mit Ausnahme ber VSoßlfahrtS* 
einrichtuugcn, in ben ©rubeit oon Btontceau getreulich fopirt mirb. 
©igenthiimerin ber ©ruben ift bie AFtiengefeÜfchaft ©h a 9°* & @ 0 . 
mit bem ©iße in VariS. Die £ohuoerbältniffe in ihren Betrieben 
finb nicht glängenb. Mach ber amtlichen ©tatiftif ift ber burch* 
fchnittliche Dageloßu für Uutertagarbeiter 4,47 SrcS., mährenb ber 
Durchfchuitt für gfraitfrcidh 4,54 gfres. beträgt, wobei umaeFehrt 
bie burchfchnittliche Sah^probuFtion beS in SRebe ftcgcnbeu 
SReoicrS oon 316 Donnen pro Arbeiter ben SanbeSburchfcßnitt um 
14 Donnen iibcrfchreitet. Auch ift bie $ahl ber jährlichen Arbeits¬ 
tage oon 292 eine ber göchflcu aller frangöfifeßen Bergbaubiftrifte. 
Die ArbeitSoerhältniffe finben in einem abfolutiftifcßen VerwaltungS* 
fpftem ihre ©rgängung. Wach bem 3 ^ u 9 n ^6 ^cr ©treifenben wirb 
eine aus politischen Wcotioen entfpringenbe peinliche Äontrole aller 
Befchäftigicn förmlich organiftrt. 6 s egiftirt gu biefem 
befoitberer Ausfluß, burch ben alle Bewerbungen um Arbeit ge* 
prüft werben. Das genaue ©treifprogramm umfaßt bie folgertben 
Bunfte: 1. Daglöhne oon 6 gn:S. nebft 5% ©ewinnantheil für 
bie Bergleute; 2. ßöhne oon 4,50 gfrcS. für bie görberer; 3. Söhne 
oon 3 $*cS. für bie Sugcnblichen oon 16—18 3<*h* cn wnb 4. oon 
2,50 gfrcS. für fol<he unter 18 S^gren; 5. llnterbrücfung beS ae- 
heimen UebermachungSaitSfcbuffeS; 6 . Mrefte Bewerbung um Be* 
fchäftignng bei ber Betriebsbireftion; 7. Adjtftunbentag, ©in* unb 
Ansfahrt inbegriffen; 8 . 14 tägige 3«hlperioben unb 9. ©ntljaltung 
oon ^Maßregelung ber AuSftänbigen. 2Bie eingehenbs fchon bemerft, 
fanb ber AuSftanb ber Bergleute ein ©d )0 bei anberen Subuftrieen. 
©S gaben fid) bic Arbeiter einer ©pinnerei, ferner ber ©laShütten 
oon Blangp unb faft bes gefauimten Baugewerbes ber ©egenb 
angefchloffen, fo baß beträchtliche Drnppenmaffen gur Aufrecht* 
erhaltung ber Drbnung aufgeboten würben. Der glüefliege Aus* 
gang beS AuSftanbeS oon ©reufot erhöht ben s JRuth ber ©treifer, 
bie übrigens fofort bereit waren, baS 00 m Vräfeften eingeleitete 
legale ©migungSoerfahren artgunehmen, welches auch oon ber Be» 
tnebsbireftion acceptirt unb auf beren Verlangen nur oertagt 
worben war, um bie ©ntfeheibung ber Direktion ber Aftiengefeu* 
f<haft in $aris gu erwarten. Diefe leßtere hot nun ben ©inigungS* 


oerfueß mit bem Bemerfen, baß fie Feine offizielle Ä'ennlniß oon 
ben Befchwerben ber Arbeiter befiße, giemlid) brutal abgemiefen, 
was ben Siberftanb ber AuSftänbigen inbeffen nur erhöhen Fonntc. 




Die Berichte ber ©ewerbe-^nfpefttoit im Königreich ©achfen für 
baS 3toh* 1898,*) 

Die 3ah rc ^‘t ,er i ( hte ber fäcßfifchen ©ewerbeinfpeFtoren beftätigen 
auch biesmal bie in biefen Blättern — gulefct bei Befprechung 
ber oorjährigen Berichte im Soh^Ö- VII ©p. 1118 — oertretene 
Anficht, baß bie ©emerbeaufficht im gemerbreichften Öanbe Deutfeh* 
lanbs leiber weit weniger oon fogialpolitifdjen ©efichtSpunFten gc* 
leitet wirb als bie SnfpeFtion in beu fübbeutfegen ©taaten. ©S 
ift ben meiften Beamten noch nicht einmal gelungen, in ein be* 
friebigenbeS Verhältniß gu ber Arbeiterfchaft gu Fommen, mährenb 
fie auerbingS mit fichtlidjem ©tolge heroorheben, wie fehr fie fieg 
bes Vertrauens ber Arbeitgeber erfreuen. ©0 berichtet ber ©e* 
merbeinfpeftor für DreSben wörtlich: »Der VerFehr mit ben 
Arbeitgebern war wieberum ein überaus reger; gumeift 
hanbelte es fieg um SRücFfpradjen über projeFtirte Weu* unb ©r* 
weiterungsbauten gewerblicher Anlagen, gum eilen auch unt bie 
Durchführung oon behörblidjerfeits angeorbneten ©chußmaßnahmen 
Der VerFehr mit ben Arbeitern war bagegen ein feg wacher; faft 
ausnahmslos traten fie als Befchwerbeführer (jegen ihren Arbeit¬ 
geber auf." Der Beamte beS Sreiberger BegtrFs berichtet: „An 
Bureauftelle fprachen in 118 Säften Arbeitgeber unb Arbeitnehmer 
oor, um fid) in Angelegenheiten ber DampfFeffel* unb Sabrifen* 
Beauffichtigung fowie in ßohnftreitigFeiteit Math unb Auffchluß gu 
erbitten, ©elegenheit gu Unterrebungen mit Arbeitnehmern mährenb 
ber SReoifionen h at U<h Allgemeinen wenig geboten; hi^u 
muß bemerFt werben, baß bie Arbeitgeber, welche meift bei ben 
SReoifionen guaegen ftnb, ftd) leiegt oerleßt fühlen, wenn an ihre 
Arbeiter oon bem reoibirenben Beamten fragen gerichtet werben. 
Mur in einem Salle ftedte ber Arbeitgeber nach beenbeter SReoifion 
bem QnfpeFHonSbeamten anheim, fid) allein mit ben Arbeitnehmern 
gu befpredjen, mit bem £>ingufügcn, baß bieS in feinem früheren, 
außerhalb ©athfenS gelegenen feirFungSFrcife oon ben AuffichtS* 
beamten in biefer BJeife gehanbhabt worben fei." Dem Beamten 
liegt es offenbar gang fern, fid) ben Kopf barüber gu gerbrechen, 
ob baS Verfahren feines außerfädjfifdjen Kollegen fidj nicht gur 
Madjahmung empfehlen würbe, ©r regiftrirt es einfach als eine 
feltfame Dhatfadße, mit ber er weiter nichts angufangen weiß. Die 
hier ausgesprochene SRücffichtnahme fclbft auf Die ©efühle ber Ar¬ 
beitgeber läßt ben in allen Berichten einmüthig nachgemiefenen be* 
friebigenben VerFehr mit biefen in einem eigenthümlichen Siegte 
erfchemen. 3n ben Dienfträumen ber 3nfpeftion Söurgen erfegienen 
275 AuSFunftfuchenbe, oon benen 157 Befißer ober Leiter gewerb¬ 
licher Anlagen, 112 ArcgiteFten, BaugewerFSmeifter, SRafdßinen- 
fabriFanten ober Ingenieure, 1 .^anbwerFSmeifter unb 5 Arbeiter 
waren, lieber einen ftärFeren VerFehr mit beu Arbeitern als im 
Vorjahr berichten nur bie Beamten oon ÜReißen, 3 ro ^ au 
Aue. Das größte Vertrauen in ben Kreifen ber Arbeiter genießt 
ber ©emerbetnfpeFtor oon Annaberg, bei bem in 69 Süllen Unter¬ 
nehmer unb beren Vertreter unb in 53 BkrFführer, Arbeiter unb 
Arbeiterinnen um AuSFunft baten.**) Das Vertrauen ber Unter¬ 
nehmer gu bem ©emerbeinfpeFtor fegeint hiernach in bem ©rabe 
gu erFalten, in bem fieg basjenige ber Arbeiter fteigert. 

Angefid)tS beS ©efeßentwurfeS gum ©thuße beS gewerblichen 
ArbeitSoerhältniffeS miiffen natürlich bie 3Rittßeilungen ber Auf* 
ficßtsbeamten über ©treiFoergehen unb mangelnben ©cguß ber 
Arbeitswilligen befoubereS Sntereffe erregen, benn gerabe in 
©achfen wirb am lauteften über Arbeiterterrorismus geFlagt. hier¬ 
bei ift aber bie 3^hl °on Beftrafuugen, bie im oerfloffenen 
Sahrc gur Kenntniß ber SabriFinfpeFtoren geFommeit ift, eine gc» 
rabegu erftaunlidß niebrige. 3ßir haben fämmtlichc Sülle oon Be» 
ftrafungen, bie in ben Berichten erwähnt werben, ausgegählt. ©s 
finb beren nur fünf, worin brei wegen Vergehen gegen §. 153 ber 
©ewerbeorbnung, bie mit einmonatiger ©efängnißftrafe gebüßt 
würben. (Streitfälle werben im ©angen 33 berichtet aus 10 Bc* 

*) Sufammenaeftellt im Kgl. fädjf. äRinifterium bes Suueru. Dresbeu, 
Vudjbruderei oon g. Öommaßfd) (A. ©djröer). 

5i: *) Der gleiche Veamte hat aud) bie meiften Acotfioncn oorgenomiiicn, 
iubem er fämmtliche Veh'iebe feines Vegirfs reoibirtc, mährenb ber 
SabriFinfpeftor beS Vegirfs DreSben nur 34,7 % ber Betriebe reoibirtc, 
troßbem er einen neuen Affiftenten erhalten halte. 




Sogiale ^ra£i$. Gcntralblatt für Sogialpolitif. Ta. 38. 


10:12 


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Riffen. Sit brei Segirfen famen überhaupt feine Arbeitgaugftäube 
ober Augfperruncjeit oor. Die SRadjroeifungen finb infofern un* 
gleichartig, alg bie einen ^öericfjte nur in ben ber ©eroerbeaufficht 
ünterfteßten Setrieben Streife aufführen, roährenb bie anberen 
and) g. S. bie Streifg ber Sauarbeiter mit aufführen. Sßenn aud) 
nicht tjerabe häufig, fo ift bocf) in manchen Säßen bie 3afß ber 
angftanbigcn Arbeiter nicht angegeben. $ach ben Senaten roaren 
in ben fcfton ermähnten 33 Streiffäßen 1167 Arbeiter augftänbig. 
Am bcbeutenbften roaren bie Streifg irn fieipgiger Segirfe, roo ficf) 
an fedjg Streiffäßen 550 Arbeiter beteiligten. Die größte Aug* 
bebnung batte l)ier ber Streif ber ^Robeßtifcfjler, ber ficb auf 
19 Fabrifen unb 112 Arbeiter erftrerfte. Der Streif enbigte nad) 
Mroöd)iger Dauer mit einer fiobnaufbefferung um 11%, fo bafc 
oon nun ab 45 4 für bie Stmtbe beja^Xt mürben. §ier fam eine 
eingige Seftrafung oor: din Schloffer mürbe roegen Sebrobung 
ber Mitarbeiter im Sinne oon §153 ber ©eroerbeorbnuna 3 U 14 Dagen 
©efängnifj oerurtbeilt. Sebenfaßg liefern bie in oen Senaten 
niebergelegten Dhatfadjen feinen Seroeig für bie gunehmenbe Ser* 
robung großer Solfgmaffen, oon betten bie ®enff<f»rift fpridjt. 

Drop ber anhaltenb giinftigen inbuftrießen ftonjunftur bol 
fid) bie mirtbfdjaftlicbe ßage ber Arbeiter faum mefetttlicb oerbeffert, 
ba bie drböbung ber £öbne oon einer Steigerung ber Fleifdjpreife 
unb 3Sobnunggmietben begleitet mar. Die Angaben über &öbne 
finb red)t fpärlid). ^ieroon macht nur ber Annaberger Serid)t 
eine Augnabme, ber überhaupt gu feinem Sortbeile oon ben übrigen 
Sericbten abftid)t. Die niebrigften b^r nadbgeroiefenen Sabreglöfjne 
betragen 300—400 J(, bie fjöcbften 1500—1800 jtL Heber bie 
Arbcitggeit, bie Arbeitg* unb £ebengoerbältniffe ber Arbeiter, über 
bie Sfpcbologie ber Arbeiterberoegung erfahren mir überhaupt nur 
fel)r menig. Defto mejjr über SJoblfabrtgeinricbtungen, mag, fo 
bodt) man ihren Skrtf) auch oeranf^lagen mag, für bie fonftigen 
Mängel unb dürfen nicht 31 t entfdjäbigen oermag. Die Sabieg* 
berichte ber ©eroerbeinfpeftion erhalten eben erft babttrch ihren 
Skrtb, menn aug ihnen 31 t erfeben ift, melcbe SSirfung ber Ar* 
bciterfcbub int roeiteften Sinne auf bie Arbeiter felbft bat. 3« 
biefem Sinne foß ber ©eroerbeinfpeftor an einer groben Kultur* 
aufgabe mitarbeiteu, unb mir ftimtnen oößig bem alien SRofcber bei, 
menn er fagt, bafj eg menig Aemter giebt, bie in ber #anb eineg 
tüchtigen Mauneg mehr Segen ftiften tonnen, alg bag eineg Fabrik 
infpeftorg. Söettn er aber fortfäfjrt: „Darum ift ihre oerbältnife* 
mäßig grobe Angabi int Königreich Saufen eine ber fdjönftcn 
Seiten ber fäd)fifcben ©eroerbepolitif," fo müffen mir hoch auch 
auf ©runb ber biegjäbrigen Serid)te ^itt^nfiigen: Die 3a bl aßein 
macht e* ttidjt, eg bebarf oor aßettt beg richtigen ©eifteg, ber bie ©e* 
erbeaufficht leitet. Hub roenit auch jüngft itn Seidjgtag oon einigen 
fäd)ftfcf)cn Hbgeorbncteu ber gnbrifinfpeftion ibrcg Itanbeg ein ßoblieb 
gelungen mürbe, ber Sojialpolitifer mirb baritber anbei** bettfeti. 


©ctoerbeanffidjt unb Ortgpoligeu dine benterfengroertbe 
Sefanntmadjung erlabt bag Segirfgamt Shinfiebel (Dberfraufen): 

„9tadt Mittljrilung ber ©eiüerbcauffiditgbeamtcn finbett bicfc in 
ihrer ÜHeuifionstbätigfeit Seitens ber CrtSpoltgcibcl)örben immer ttod) 
nicht bie nötliige Unter[tübung, uttb c* fiitb fpe.peH bie formellen Sor* 
l'dirifteit ber (ttemcrbeorbmmg, mie bie Führung ricfttiger Arbeitsbücher, 
ititb gioar and) in ben banbiurrfaniänigen Setrieben, bie Anfdjlägc über 
bie Scidjäftigniig ber Arbeiterinnen unb jugenblidjen Arbeiter, bie 
Rührung ber Sonntags^ArbeitSuergcidjuitfc u. f. w., melcbe noch nnuer= 
hältnifunäbig oft 31 t Sean|tnnbungen ^tulaß geben unb Seitens ber 
Crtspoligcibcbörbcit bei ben Aeoifionen genauer 311 beachten mären. 
Tie Crt*poligribebörben merben balicr mieberbolt angemiefcn, nach ber 
be 3 eid)ucteu JHidjtung eine regere Tbätigfeit 311 entfalten. (Merabe bie 
rrtgpoli 3 eibel)ßrbcu uermögen auf bem V^ebictc ber ©cmerbeaufficht mit 
beiouberem drfolgc tbätig 311 fein, ba fie eincrieits burd) bie ^Ibfießung 
mabrgenommener Minftänbe ben Sotl 3 ug ber gefeplicben Seftimmmigen 
iidiern, anbererfeitv aber auch bie beteiligten Arbeitgeber burd) Sc= 
leljrung unb Sermabrnng oor Unaunebmlhbfeiten unb ingbefonbere 
Scftrafungen bemabren föuncn." 

3 ur llnfaßocrbütung im Saugemerbe mirb geforbert, bafe 
bie llnfafloerbiituuggoorfcbriften in* ^lafatform an ben Sauten 
auegebängt merben müffen unb baft poliere unb Arbeiter bie Sor* 
fdjriften aud) befolgen follen. Gute regere .Slontroße unb fofortige 
llufaß*Ait 3 eige mirb juttt Schluß in Anregung gebrad)t. 

$0)iale JQqgletie. 

Die Abnahme ber Dmnffneht in Dentfchfanb. 

3 m l^aufe ber lebten betben f)at Deutfchlanb bent= 

lul)e Aortfchritte in ber Sefäntpfung beg Alfoholigntitg gemad)t. 
Gütigen Fachmännern mar eg immer befaitnt unb idi habe biefe 


Sefferung feit 1887 immer betont, ba ich 3 cu 9 l ”ff e baoon faft ang 
aßen Dheileit beg SRctcheg erhielt. Seht liegen aber eine Menge 
3 ahlenmäfeiger Angaben oor; ber Serliiter Ar 3 t Dr. 0). Jeimann 
|at fie in einem Auffafce: „Dag Sorfotnmen oon Alfoholigtnuö 
in ben ^eilanftalten Srenfeeitg" für bie 3 eilfä) r W beg preußifd^en 
ftatiftifdjen Sureaug jufammengefteflt. golgenbeg ftnb für ben 
ßaiett bie lehrreichfteit 3 a bl en - 

Sn ben aflaemeinen .geilanftalten ^reufceng merben feit 1886 
jährlich 10 000 big 11 000 Drunffüdjtige Behanbclt; ihre ßah^ 
faum, obroohl bie 3 a hl fämmtlichcr Patienten biefer Anftalten um 
54 o / 0 3 ugenommen hat. Son hunbert in biefen itranfeuhäuferu 
behanbelten 5äßen fanten 1886: 2 ,7 auf Drunffucht 1895: 1,*». 
Die 3ahl ber Alfoholiften mar unb ift in biefen Käufern fid>cr£idj 
größer, hoch bag macht für ben Sergleich nidjtg aug. Dafe auf 
100 Alfoholiften afletnal 6 big 8 big 10 grauen fommen, fei ein 
für aßemal bemerft. ©eftorben finb an Alfoholigmug in biefen 
Anftalten 1877 big 1880: 290 big 348; 1881 big 1890 : 259 big 
476; 1891 big 1895: 226 big 306; bie hödjfte 3af)l war 476 im 
Sahre 1887. SHr fehen aßeg in aßem eine grofee Sermitiberung, 
ba ja bie 3 a hl fämnttlicher Patienten oon 379 335 auf 582 933 
geroadjfen ift. 

Gbenfo gut ift bag Grgebnife für bag ganse SReich. Auf 
100 itranfheitgfäße, bie in ben 5Xrattfenhäufern beg $Reichö behanbclt 
ftnb, famen 1886 big 1888: 2,7 oon Alfoholigmug, 1889 big 1891: 
1, 5 ; 1892 big 1894: 1, 3 . Son 1876 big 1885 mar ber Durch* 
fdjnitt 1076, oon 1886 big 1895: 1224; biefe 3nnabme ift roieber 
oiel fleiner alg bie 3nnahme beg aefammten tonfenbeitaitbeg. 
Siele Patienten an 0äufermahufimt fommen in bie Srrenhäufer, 
beren cg 1895: 225 mit 60 701 Satienten in ^reufcen gab. Sou 
100 ihrer männlichen Patienten litten oon 1886 big 1895 am De¬ 
lirium tremens: 7 — 7 — 4 — 4 — 5 — 4 — 4 — 4 — 4 — 4. 
Die grofee Abnahme geigt fich roieber 1887/88. Setrad)teit mir 
nur bte öffentlichen grrenhäufer Serling, fo fittben mir 1886 unter 
100 Serpflcgten 23 gäße Säuferbelirium, 1895 nur 12; 1886 bi* 
1890 itu Durchfchuitt 17,8, 1891 big 1895: 12 , 3 . Auch für gang 
Deutfchlanb finb bie 3ah^a ßünftig. Son ben männlichen ttraufen 
ber Srrenanftalten litten 1886: 14, 1 % am Säuferioahn, 1887: 
13^; 1888: 9, 0 ; 1889: 9, 4 ; 1890: 9, 8 ; 1891: 8,»; 1892 bie 
1894: 9 , 4 . 

Aud) bie Seridjte ber Stanbegbeamten beroeifen bie Abnahme 
beg Säuferbeliriumg. Sic finb ja gerabe in biefem Sanfte fehr 
mangelhaft, ba folche Dobegurfache lieber oerfd)miegen alg genannt 
mirb, aber biefe Sertufchung herrfdjt hoch immer. 9?ach ben Sc^ 
richten ber Stanbegbeamten jtarben in Sreufeen oon 1877 big 1887 
jährlich 3 ioifd)en 1080 unb 1429 Serfonen, ooit 1888 big 1895 
bagegen nur 544 big 664; 1887/88 finben mir eine plöfclidje Ab= 
nähme oon 1108 auf 582. 3teh* man a M) n0( ^ bag 2Bad)gthum 
ber Seoölferung in Setracht, fo ftarben 1877 001 t 100 000Üeben= 
ben männlichen 6Jeid)led)tg an Säuferroahnfinn 8, 0 ; 1881: S, 6 : 
1885: 9, 0 ; 1890: 4 /t ; 1895: 3 /5 . gür Serlin haben mir Angaben 
feit 1835; in ben fcd)g Sahrgehnten big 1894 ftarben bort am 
Säuferroahn im Sahregburchfchnitt 43 — 39 — 31 — 24 — 16 — 
33. Sei bem $Eöacbgtb»ni ber Seoölferung oon 265 122 au» 
1 677 304 bebeutet bag eine fehr ftarfe Serminberung. Sni gangen 
preufeifchen Staate ftarben oon 100 000 Männern gmifchen 30 unb 
60 Sahren, alfo bem Alfoholigutugaltcr, 1886: 23, 1 ; 1891: 11 ; 
1895: 9,i. 

Öehrreid^ finb auch bie 3ahlcn, bie ber Mebtginalrath 0011 
Hamburg liefert. Dort ftarben oon 10 000 dinmohneru au 
Alfoholigmug 1871: 1 , 03 ; biefe 3iff cr ftieg big 1888 auf 2, 04 , fiel 
bann im nächften Sahre plöjjlid) auf 0 , 7 6 unb hat feitbem 
nicht mehr überfdjritten. 

Aug aßen biefen 3al)len lefen mir leicht h^raug, bafe neben 
ben aitbaucrnben llrfachen größerer Mäfeigfeit noch eine gang be- 
fonbere im Sah** 1887 ciugetreten feilt mufe, unb bag ift bie in 
jenem Sah« erfolgte drböbung ber Sranntroeinfteuer. Daburd) 
ftieg ber S re ^ beg Sranntmcing erheblich, unb um bag nidjt fo 
I empfinblkb 3 U tnad)eu, griffen bie SMrtf)e unb §änbler gu beut 
1 Mittel ber Serbnnnung. 3Bie fd)toach X^eut^utage ber Srauntroein 
! in ber Siegel ift, roeife man in meiteren Mreifen faum. din Sor- 
! ftanbgmitglieb beg Sereiug ber Spiritugfabrifanten hat neulich in 
i einem Dorfe bei fünf SJirtfjeu Sroben entnommen; ihr AlfoboD 
! gehalt betrug nur 17,9—23, s %; bag Üiter foftet nicht unter 
: 0 , r ,o // Der drfolg biefeg GJefejjeg prebigt laut. 

! Die aßmäf)lid) unb aitbauernb mirfenben llrfachen grö| 3 crer 
Mcjhigfeit finb machfeuber s Bol)lftanb, beffere Solfgernähnmg, 
belfere Solfgbilbung, befonberg aud) beffere Aufflärung über bie 
I Gefahren beg Alfoholg. 6)erabe feit ber 3 C 6/ l ^o bie Abnahme 



lcm 


Soziale PragtS. Eentralblatt für §o$iaIpolitif. Rr. 88. 


1084 


ber Xnuiffud)t beutlid) wirb, haben mir eine frifeße 3 miahme 
BtäßigfeitS* unb ( 5 nt£>altfamfcitöüercinc uitb ißrer oorbeugenben 
unb rettenben Beranftaltungen. 2Sir triften, baß fte nur einen 
flehten Brucßthcil beS Bolfes birelt beeinffuffen, aber fie haßen 
mittelbar bocß auch Sernerfteßenbe bebäeßtiger unb oorfießtiger 
gegen ben Alfoßol, namentlich in feinen ftärfften Sonnen, gemalt. 

Um allerlei Einwenbungen bie <0pifee absubreeßen, oerweifen 
mir auf bie lleberfdjrift biefeS ArtilelS. ES ift barin nur eine 
Abnahme ber £runffucßt behauptet, b. ß. ber fcßlimmften Sonnen 
unb folgen ber Strinfleibeufd^aft. 3>aß baS Drinfen abgenommen 
ober ber Bierfoitfum ober baS BHrtßSßauSleben abgenommen 
batten, lehren mir nid)t; mir miffen auch re<ßt gut, baß ber 
©cßnapS auch jeßt noch baS beutfdje BollSgift ift, unb baß aße 
mitgetßeilten tröftlicfjen Angaben unS ni<ßt abbalten bürfen, ißn 
unb feine Sürfprecßer 311 befämpfen, ebenfo, toie mir ©ogialreformer 
fein nuiffen, auch menn mir fo^iaie Befferungeti feßon entließen feben. 

,J)ilbeSheim._Br. 2Ö. Bobe. 


Sretbfiber für ©djuIHitbeir. Der ©tabtratß oon SeebS bat be* 
fditoffen, ben ©dutlfinbern bie unentgeltlicbe Benußung ber tommunalen 
©djmiinmbäber gu aeftatten, unb befteHte für bie nötige Aufficßt oier 
Bcbminimlebrer für bie Shtaben unb gwei ©cbwimmlebrerinnen für bie 
SOtäbrfjen. 

BtoljitimgStoefett mtb ©terbltcßfeit ttt Stberpool. Der 3 al)re$berid)t 
ber ^ioerpooler ©anitätSbeßörbe pro 1898 tonftatirt, baß in manchen 
ber ärmeren ©tabtoiertel bie ßinbcrfterblichfeit nicht weniger als 50% 
betrage. ©roßen Einfluß üben bie Kellerwohnungen; in iHuerpool 
giebt es nod) immer 6000 folcßer, bie oon mehr als 24 000 perfonen 
bewohnt werben. 


(Beroerbegeridjte. <Etnigung*>6mter. Sirfjicbsigtridjte. 

^Ittlfleifungen ^etoerbegerießts Lettin. 

Aebigirt oon ©e Werber idjter Dr. © d) a I b 0 r 11 , Berlin. 

Der Streif ber Berliner Steilfeuer Hör bent ©ePrfcegtndu il$ 
EittignogSamt. 

Die BMfter * ber Berliner ©teinfeßerinnung pflegen mit ihren 
©efeßen oon 3aßr gu 3aßr bie Lößne fefigufeßen. ®iefe Loßn* 
abreben legen bie ber onnung nicht angefjörenben Sinnen auch 
ben Verträgen mit ihren Arbeitnehmern regelmäßig gu ©runbe. 
(58 ßanbelt fid) um Arbeitgeber unb Arbeitnehmer oon Berlin unb 
ilmgegenb. 

3 m öerbft 0 . 3 $. überreichten bie ©efeßen für ba 8 3 aßr 1899 
ber ©teinfeßerinnung einen Loßntarif, ber Erhöhung be 8 ©tunben* 
loßnes unb Berminoerung ber Arbeit 83 eit in Auöfnht nahm. Da 
bie Berhanblungett ber Basteien jeboeß S u feinem Eraebniß führten, 
fd)icften bie ©efeßen nunmehr jebem einzelnen Arbeitgeber ihren 
Loßntarif nebft biefen begrünbenbem Begleitfcßreiben. tiefer Sohn* 
tarif hat folgenben 3 nßalt: 

1. Tic tägliche ArbeitSgeit beträgt 9 ©tunben (bisher 10); biefelbe 
beginnt SRorgenS um 7 Itfjr (bisher um 6 ) unb enbigt AbenbS 
6 Uhr; 

2 . ©tnnbenlohn für ©teinfeßer: HRajimunt 65 4 (bisher 60 /$), 

Minimum 60 /^, ^unggefeflen im erften 65 /tj 

4 llebcrftunben (wie bisher) 50% Auffdjlag; als Radjtftunben gelten 
bie ©tunben oon AbenbS 9 Uhr bis Borgens 7 Uhr. 

5. an ©onnabenben ift um 5 Uhr ^eierabenb unter Wegfall ber 
Befperpaufe (mie bisher) ohne Sofjuabgug; 

6 . au ben fogenanuten .fteiligabeuben ift um 8 Uhr Seterabetib (mie 
bisher) ohne Öoßnabgng; 

7. alle nicht in biefem Darif angeführten pofitionen bleiben mie fie 
bisher mareit. 

Die ©efeßen berufen fid) barauf, baß burch bie jeßt nahezu 
aßgemein geworbene Einführung beS ASpßaltpflafterS in Berlin 
bie ©teinfeßerei mehr unb mehr an bie Peripherie ber ©tabt unb 
in bie Bororte gebrängt wirb; bei ben weiten Entfernungen unb 
bem Schien oon BerleßrSmitteln in ben frühen SRorgenftunben 
wären bie Arbeitnehmer oftmals nicht im ©tanbe, gum Beginn 
ber ArbeitSgeit (bisher 6 Uhr BtorgenS) auf ber Baufteße gu fein, 
gang abgefehen baoon, baß fie häufig bereits um 4 Uhr [ich auf 
ben BBeg machen müßten unb AbenbS früheftenS 8 l /2 Uhr nach 
$aufe Fänten. 3n Anbetracht biefer Shatfafhen unb bei ber 
ferneren, fogar bie geiftige Srifche beS ©teinfeßers beeinträch** 
tigenben Arbeit rechtfertige fich bie neunftünbige ArbeitSgeit, welche 
oon ihnen feit bereits fechS Sahnen angeftrebt werbe. 2 )ie ge* 
forberte Lohnerhöhung oon 5 /$ für bie ©tunbe (65 ^ ©tunben* 
lohn) hätten oerfchiebene SunungSmeifter in ben leßten brei 3ah re n 
fchon wieberholt freiwißig gegahlt. 


3 n ihrer ©ißung 00 m 22 . Biärg b. 3 ^- befchloß bie 3 nnuug, 
ben Lohntarif ber ©efeßen abguleljnen. Es würbe biefen mitge* 
theilt, baß bie 3 nnung fich nicht für befugt erachte, oor ber Drga* 
nifaüon ber gu erwartenben 3wanaSinnung*) auch für bie noch 
außerhalb ber 3nnung ftehenben Arbeitgeber auf bie oon ber ©e* 
feßenfehaft angeregten Lohn* unb Arbeitsfragen näher eingugehen. 
Eine Biehrgahl oon ber Snnung nicht angehörenben Arbeitgebern fdjloß 
fich in riner Berfantntlung 00 m 19. April er. ber Ablehnung au. 

Am 24. Btai würben barauf fünf Sirnten beS ©teinfeßer* 
gewerbeS oon bem ©efeßenauSfdjuß erfueßt, ben überreichten Lohn* 
tarif binnen 24 ©tunben angunehmen, mibrigenfaßS bie oon ben 
genannten Sinnen befchäftigten ©efeßen bie Arbeit nieberlegeit 
würben. ES würbe außerbem oon ben ©efeßen neu geforbert, baß 
bei jebem ©traßenbau fowie bei umfaffenben Reparaturen bes 
©traßenpßafterS Baububen gum Aufenthalt unb ©cßuß ber Arbeiter 
mährenb ber Eßpaufen unb währenb ungünftiger fBitteruna auf* 
gefteßt werben, unb baß ferner für auSreidjenbe Bebürfnißanftalteii 
©orge gu tragen fei. Rach Annahme ber Arbeitgeber würbe, 
fobalb bie fünf Sinnen ben BBünfcßen ber Arbeitnehmer entgegen* 
gelommen wären, feitenS ber ©efeßenfeßaft ber Berfucß gemadjt 
worben fein, weitere fünf Arbeitgeber gur Annahme ber offerirten 
Arbeitsbebingungen m brängen. Tie Arbeitgeber behaupten, baß 
bie ©efeßen bas ge|d)itberte Berfaßren folange beobachtet haben 
würben, bis ber Loßntarif überaß bewifligt worben wäre. ®icfc 
©acßlage bewog bie SunungSmeifter, in ©emeinfdjaft mit anbereit 
Arbeitgebern, am 26. Btai er. gu befcßließen: 

1. über bie Arbeitsbebingungen nadj Lrganifatioit ber 3waug»= 
innnuitg mit bem EejcffenauSfchuß gu ucrbanbeln; 

2 . feine neuen Eefeßen einguftellen; 

8 . am 81. 9ftai er. fämmtlidie 6 )efeßen 31 t entlaßen, menn nidjt bis 
3 U biefem Sage auf ben gejperrten Baufteöen bie Arbeit oon ben 
auSgebliebenen Eefeßen aufgenommen merbe. 

Racß Äenntnißnaßme biefeS BefcßluffeS lauten bie ©efeßen ben 
Arbeitgebern guoor, legten bie Arbeit nieber unb riefen bie Ber* 
mittelung beS EinigungSanttS beS ©ewerbegerichts an. Tie Arbeit* 
geber erflärten, ber Anrufung fuß nur anfcßließen gu mofieit, 
wenn oor bem BerßanblungStermine bie ©efeßen bie Arbeit wieber 
beginnen würben. ®ie Bteifter würben oon ber Erwägung ge* 
leitet, „baß eine Rieberlegung ber Arbeit, wenn aud) redjt* 
ließ guläffig, fo bod) fich als eine ©eßorfantSoerweige* 
rung barftelle, welcße gunäcßft befeitigt werben tnüffe". 

5)ie Arbeitnehmer fanben fitß nießt bereit, ben Anfprucß ber 
Arbeitgeber gu erfüßen. 

Arbeitgeber unb Arbeitnehmer richteten hiernach an bie ©etneitibe* 
oertretungen Berlins unb ber Bororte Eingaben, in welchen fie 
bie auSgebrocßenen $5ifferengen flarlegten unb bie Arbeitgeber uoeß 
um bie Unterftüßung ber Beßörben baten. AlSbann entfanbteu 
bie Parteien Aborbnungen an ben Bürgermeifter oon Berlin, $errn 
^irftßner. S)en Bemühungen beffelben gelang es, bie Arbeitgeber 
oon btr Rotßwenbigleit ber bebingungSlofen Anrufung beS ©e* 
werbegerießts Berlin als Einigungsamt gu übergeugen. Sufolge* 
beffen lam es am 9. 3«ni er. gu einer meßrftünbigen Berßanblung 
unb gu einem BergleicßSoorfcßlag beS Einigungsamtes, welcher oon 
ben Arbeitgebern unb Arbeitnehmern unter bem Borbeßalt an* 
genommen würbe, baß bemfelben bie am Abenb beS 9. 3um ftatt* 
ßnbenben Berfammlungen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gu* 
ftimmen würben.**) ©iefe 3 uftimmung unterblieb, .^iergu 
wirb bemerlt, baß gunäcßft bie Arbeitnehmer einftimmig ben Bor* 
fcßlag beS ©ewerbegerießts acceptirt hatten unb ißren Befcßluß auf* 
hoben, als ber Altgefeße bie Racßricßt überbraeßte, baß ber Ber* 
gleidjSoorfcßlag oon ben Arbeitgebern abgeteßnt wäre. 

©omit mußte baS ©ewerbegerießt bei bem Seßlfcßlogen beS 
EinigungSoerfucßeS Termin gur Sorifeßung ber Berßanblung nnb 
gur Säßung beS ©cßiebSfprud)eS anberaumen. Tie ©efeßen blieben 
in biefer Berßanblung (am 14. 3um er.) bei ben BergleicßSoor* 
fcßlägen beS EinignngSamteS fteßen, ließen aber ißre Sorberungeu 
begüglicß ber Baububen unb Bebürfnißanftalten faßen, dagegen 
maeßten bie Arbeitgeber ben Borfcßlag, bie ©efeßen foßten bie Ar* 
beiten unter ben alten Bebitigungen wieber anfangen. Sür biefen 
Saß feien fie bereit, ben Bergleicß, wie er oon bem Einigungsamt 
proponirt worben fei, für baS 3aßr 1900 mit ben ©efeßen eingu* 
gehen. Aßen Bemühungen ungeachtet war eine Einigung nicht gu 
ergielen. ES mußte besmeaen ein ©cßiebsfprucß ergehen, ©ein 
Snßalt, welcßer fidj im ©roßen unb ©angen mit bem Snßalt beS 

*) Tie 3mangStnmmg ift in ber ^mifdiengeit augeorbnet. 

**) Die Arbeitnehmer waren nrfprnngltd) für fofortige Aunnlnne 
beS Bergleid^Soorfcßlags, änberten ißren Entfdiluß in 'Jolge Berhaltens 
ber Arbeitgeber. 



1035 


Soziale tyragift. Centralblatt für @o&ialpolitil. Br. 38. 


1086 


^erg£cid)«oorfdilage 0 becft unb einftimmig befchtoffen würbe, ift 
folgenber: 

I. Xie tägliche Arbeit«seit im Steiitfepergcwcrbc l>at neun Stunben*) 
pt währen. Sic beginnt Bforgcn« 7 Uf)r unb enbigt Abcnb« 6 lUjr. 

> 5 irniad) wirb gearbeitet: 



Xagesseit. 


Arbeit«ftu üben. 

Arbeit«paufeu. 

Bon 

7 bk 

s 

Uhr . 

. . 1 Stuube 

— 

* 

8 

sy. 

= 

. . 

,'vrühftücfspauie 

= 

*7* - 

9 7,> 

= 

. . 1 Stuube 

— 

r 

9 ' 9 = 

974 


. . — 

Buhepattfe 


974 * 

W/4 

- 

. . 1 Stuube 

— 

= 

in s / 4 * 

11 


. . — 

Bithepaufe 

= 

11 

12 


. . 1 Stuube 

— 

* 

12 = 

1 

= 

. . 

Bfittagspaufe 


1 = 

') 

s 

. . 1 Stuube 

— 

= 

2 

2*4 

* 

. . 

Buhepaufe 

= 

^ '1* = 

3 

= 

. . 7-i Stimbe 

— 

= 

3 

3*4 


. . — 

Buhepaufe 


3'/4 = 

4 


. . % Stuube 

— 


1 

4 72 

* 

. . 

Befperpaufe 

* 

Vh = 

5 74 

= 

. . Stuube 

— 


5 74 = 

5 l r > 

* 

. . 

Buhepaufe 

= 

57 * = 

6 

* 

. . V ‘2 Stuube 

- 


Soititabenbs hat bie Arbeit um 5 Ubr, an beu Vortagen um* 
Client, Bfingfteu unb SBcibnadjten um 8 Ubr 41t enbeu. Sin beu 
Somiabeiibeu fällt bie Befperpaufe für bie Arbeitnehmer fort. 

Sin ben Vortagen oor Oftern, $fuigften unb Seif)nad)ten beträgt 
bie SWittagspaufe nur 7 » ©tunbe. Soweit l)iernacb bie Arbeitsseit ge* 
fiir^t wirb, fiub ^obuabjüge für bie auSfatlenbe Arbeitsseit nicf)t su 
machen. 

II. Xie Arbeitgeber werben für oerpflidjtet eraditet, für bie ;feit 
non 7 Uljr Borgens bi^ 6 Ubr Abettb« pro Stuube folgenben 2 oh» 411 
Salden: 

:i) für Olefellen: Biarimallohn 65 4, 

SKinimallobn 60 4 , 
b) für ^ungge feilen: 55 4 - 

Xie ^rühftücfs*, Mittag»» unb Befperpaufett werben nid)t besohlt. 

III. Aiir bie Ueberftunben, unb jwar non 6 bi« 9 Ulp* Abcnbs, 
fiub pro Stuube etitfrijliehlid) ber Biihepaufeii 75 4 i'ohtt 411 entrichten. 
Xie Biihepaufeii fiitben ftatt: 

oon 6 Ubr bis 6 ^/4 llbr, 


Xie Badpftnnbeii redjneit ooit 9 Ul)r Abettb« bi« 7 Ubr borgen« 
unb finb mit je 90 4 SU lolptcn einfchliehüd) ber Buhepaufen. aüi* 
Soiut tagsarbeit ift ebetifall« ein betrag oon. 90 4 pro Stuube ein* 
jdiließlirfj ber Bubepatijett su entrichten. 

Xie Bubepaufeit bei Nachtarbeit bleiben unocräitbert; bie Raufen 
bei ber Sonntagsarbeit haben beneit ber SSerftagSarbeit 511 eutfpredjen. 

Sei ber Fällung beS Spruchs würbe baS Einigungsamt im 
iiH'fentlidjen oon folgenben ©rünben geleitet: 

Xüe Parteien finb fleh nach ihren Erflärungen bariiber einig, 
bah ber Schiebsfprud) an unb für fidb burdbführbar ift. 3n£* 
befonbere haben bie Arbeitgeber ausgeführt, bah fie gewillt wären, 
ben bem Schiebsfpruche 40 ©runbe iiegenben Bergleid) 8 oorfchlag 
für baS 3ahr 1900 atsbalb anjunehmen. Sie behaupten aber, 
bah bie fofortige ©iiltigfeit beS Vergleichet ihnen grofee Badjtheile 
bringen würbe, weil pe bereits ihre ©efchäftSabfd)lüffe für ba£ 
laufenbe Safjr gemacht hätten. 3n Anbetracht beffen, bah bie Ar*= 
beitnehmer anerfanntermafeen fchon frühseitig ihre Jyorberungen ben 
Arbeitgebern unterbreitet haben, hat bas EiitigungSamt biefe für 
bie twrläufige Ablehnung angegebenen ©rünbe als ftichhaltige nicht 
anerfannt. das EinigungSamt ift oielmehr einftimmig ber lieber* 
Seuguitg, bah bereits heute ber £of)n 5 ufd)lag oon ca. 21 1 /2 <4 pro 
Xag ohne nennenSwerlhen Schaben feitenS ber Arbeitgeber be* 
willigt werben fann unb angefid)ts beS su leiftenben Arbeit«* 
quantumS bewilligt werben mufe. B$a3 bie oerfürste Arbeitszeit 
anbetrifft, fo hält baS EiniguiicjSamt bie ArbeitSseit oon 7 Uhr 
Borgens bis 6 Uhr AbenbS für eine auSreichenbe unb angemeffene. 
denn bie Arbeitnehmer haben, um snr Vaufteüe 411 gelangen, ber 
Negel nach weite Entfernungen surücfsulegen, fo bah fte fich fchon 
ein ober gwei Stunben oor beginn ber Arbeit auf ben B*eg 
Su machen haben unb nach Schluß ber Arbeit ber gleichen 3 e it be* 
biirfen, uni toieber 4 U ibretuBoohnungen sn gelangen. BJentt mau 
ferner noch bie wirflid) fchwere Arbeit ber Steinfeper in Rechnung 
Siet)t unb beriicffidjtigt, bah im £aufe ber 3abre baS innerhalb 
einer beftimmten 3eit 41 t bewältigenbe Arbcitspenfmn ein gröberes 
geworben ift, fo erfcheint eS nur billig, bah ber beginn ber Arbeit 
auf 7 Uhr feftgefept unb baß bie dauer berfelben nur eine neun* 
ftünbige ift. da |<hlieBli<h bie oiertelftiinbigeu Bul)epaiifeit in 

*) X. 1). neun Stunben ein f d) 1 ich li d) ber befouberen Buhe* 
paufeu. 


5oIge ber Arbeitsleistungen erforberlich werben, fo ift es gerecht, 
wenn diejenigen, für bie bie Arbeiten geliefert werben, auch bie 
Buhepaufen besohlen.*) AIS felbftoerftänblich wirb eS betrachtet, 
bafe fid} bei Vergütung ber Buhepaufen bie ©efellen sur Verfügung 
ber Arbeitgeber palten, umgefehrt bagegen, bei Nichtbezahlung ber 
Buhepaufen, würben bie Arbeitgeber an bie Arbeiter ein berartiges 
Verlangen nicht ftellen fönneit. 

die übrigen 3eft|'epungen beS SchiebSfprucheS ergeben fich 
Sum Sheil oon felbft, sum Xhcil haben biefe Seftfefcungen bereits 
in bem ©ewerbe bislang beftanben. der im 6 c$iebSfpru(he feft* 
gelegte Sohntarif entftammt hauptfächlich ben oon ben Arbeitgebern 
unb Arbeitnehmern bem EinigungSamt ein gereichten Tarifen. 

Auf bie Örage beS Borfipeitben unterwarfen bie Arbeitnehmer ftch 
fofort bem Sdjiebsfpruch, währenb bie Arbeitgeber biefen ablehnten. 

©S wirb eublid) bemerft, bah nach Angaben ber Arbeitnehmer, 
welche oon ben Arbeitgebern auf ihre Nichtigfeit hin angesroeifelt 
werben, etwa 300 Steinfefcer gu beu oon ben Streifenben geteilten 
93ebingungen arbeiten unb bah bei ca. 40 Arbeitgebern ca. 330 Ar* 
beitnehmer auSftänbig finb. 

Berlin. 0 . Schul*. 


ftethtfpredjtutg. 

Ein su Unrecht entlaffener Arbeiter geht feine« 
Sd)abeuSerfapanfprudieS nicht baburd) oerluftig, bah er bem 
djifanöfen — Verlangen beS Arbeitgeber«, gegen ^ort« 
Sahlung be« 2ül)ne« bie ÄünbigungSseit hinburch unthätig 
im Kontor 4U fipen, nicht nadjtommt. (Urtheil be« ©ewerbe* 
gericht« Berlin, Äammer 1 , 00m 26 . Aooember 1898 .) 

Klägerin, als Xirettrice bei ber Betlagteu befchäfiigt gewefen, 
forbert EntfchäMgung wegen grunb* unb fünbigungSlofer Entlaffung. 
Unftreitig ioar Betlagte Söillen«, ber Klägerin bie beaufprudue Vobu= 
entfd)äbigung auf bie Xauer ihrer Arbeitslofigtcit bi« längftens sum 
Ablauf ber tifmbigungSfrift s» sah len, hat aber oon ber .Htägeriu oer* 
langt, bah biefe fich 5 U ttjrcr Verfügung fteüe. 3n f^olge bepen iü 
Klägerin sur Beflagten gegangen, ift 0011 bereu Xireftor angewiefeu 
worben im Kontor — niept im Arbeitsraum - 41t warten unb bat 

ben 14 . unb ben 15 . Aooember über bort ohne öefchäftigiuig gefeifen. 
Am nächften borgen hat fie beu Xireftor gefragt, ob noch feine Arbeit 
für fie ba fei, worauf ihr biefer erflärt hat, fie erhalte feine Arbeit, 
fie hätte auch ferner lebiglid) ftill im Kontor 4« fipen; fie foDte fid) bod^ 
lieber auf einen Bergletdi einlaffen; er werbe ihr eoentueH, faß« fie 
anbere Arbeit 411 geringerem 2 ohn annchme, bie Xifferenj erfepen. 
Klägerin hat barauf erflärt, bah fte baS uuthätige Xafipen nidit aus* 
halte; wenn er Arbeit hätte, ftänbe fie 4U feiner Verfügung, ~ unb 
ift, ba ber Xireftor auf feinem Verlangen beftanb, gegangen. 

Unftreitig ift Klägerin nod) fyute ohne Arbeit unb noch bereit, auf 
Bedangen bie Arbeit aufsunehuten. Xem Klageanträge ift ftatt* 
gegeben. 

Aus beu ©rünben: 

Xie Anficht ber Beflagten, bah hie Klägerin fich burdj ihr Bei* 
halten ihrer weiteren SchabenSerfapanfpriidje begeben habe, ift 1111411* 
ireffenb. AüerbingS muh ber Arbeitgeber für befugt gehalten werben, 
ben Schaben, ben er felbft burd) oorseitige Entlaffung oerurfacht hat, 
bitreh nachträgliches Arbeitsangebot ab4uwenben. XaS blohe Angebot 
aber an Sie Arbeiterin, in feinen Bäumen bie ganse Künbigung«seit 
hinbitrch ftill itnb unthätig 411 ftpeit, ift basu nidp geeignet. 

3 u ben Cbliegenhpitcn bcs Arbeiters gehört wohl bie Berpfüd)* 
tutig 41t augemeffeuer vlrbeitsieiftimg, nicht aber eine foldje 411 un* 
thätigem ^piiibrüten. 

9 ®enn Klägerin es baber ablehnte, fid) im Kontor nüifpg aufsu* 
halten, fo fann barin ein Bcrfchulben ihrerfetts ittdjt gefunben werben, 
unb swar mit fo weniger, als fie ftch $ 11 ™ Antritt ber Arbeit jeberseit 
bereit erflärt hatte. 

Audi abgefehett htcroon fann Beflagte aus ihrem Borgehen feine 
Bechtc herleiteit. 3 hr Berlangett, Klägerin foüe eoentueU wochenlang 
ohne Bcfdiäftigitng iu ber ArbeitSseit ijittburd) im ©efd)äfts*Kontor 411* 
bringen, ntuh als ein unfittüche« uitb al« ein unerlaubtes angefel)en 
werben ($. «7 (Eittl. b. A. 2 .B.). Xetitt einmal hätte Befolgung 
biefe« Berlangett« Biemattbem Bupen, wohl aber ber Klägerin Schaben 
für ihre ©cfmtbheit gebradp. Attbererfeil« fomntt hinsu, bah Beflagte 
besto. ber 411 ihrer Bertretmtg berufene Xireftor ba« fragliche Ber* 
langen offenbar mit 41t bem 3 wecfe geftellt hat, auf bie Klägerin einen 
Xrucf au«4uüben, um fte 41t einer Ermäßigung ihrer berechtigten Au* 
fpritdjc 41t beftimmett. 

Au« einer berartigeu uncrlaubteu .'paiibluitg überfoutmt ber 
^aiibclttbc wohl Berbinblidjfcitrn, aber feilte Bcdpe (§. 34 , I, 
Ä.2.Ä.). 

Bad) allebeitt ift ber burdt bie oorseitige Entlaffung ocrurfadite 
Etitfd)äbiguug«anfprud) ber Klägerin begritnbei. 

;: ) Xie Arbeitgeber batten anfangs uorgefd)lageu, 75 4 (ftatt 65 41 
Stuubenlobu 411 sahlen, aber bie Buhepaufeu. außer Artfap 411 taffen. 
Xod) füllten fid) Die Arbeiter midi iu beu Baiifett 41t ihrer Berfiigiutq 
halten. 




1037 


Sogialc $raji$. Gentralblatt für Sogtalpolitil. 91r. 38. 


1038 


Anmerfung ber 9lebaftion. 2)ie gleite Gntfdjeibung würbe 
auch nach bem bürgerlichen Gefeßbudj gu fäflen fein. 91ach §. 616 ba* 
felbft ift ber Arbeiter nur gur Seiftung ber refp. Xienfte oerpfUdjtet. £ierin 
liegt allerbings and) bte ftd) behufs ber fieifiung gurSerfügung 

gu halten, Xiefe Pflicht aber entfällt, wenn ber berechtigte erflärt, 
baß er bie ArbeitSleiftung nicht mehr beanfprudje. 3ebenfaHs ift „un® 
tfjätigeS Xaftßen" etwas AnbereS als „gur Serfiigung ftcljen". ber* 
gleiche auch §-226 bcS bürgerlichen GefeßbucßS: „X>ic Ausübung eines 
iwedjteS ift unguläffig, wenn fte nur ben 3roed haben fann, einem 
Anbern Schaben gugufügen." 

Gebräuchliche SBeibnadjtSgefdjenfe an Gewerb egeßülfen 
finb unwiberruf lieh. (Urteil beS Gewerbegerichts berlin, Kammer 6, 
oom 20. Januar 1899.) 

Xer Seflagte, auf Sohngaßlung belangt, wiberruft ein SSeißnachtS* 
gefchenl unb will mit feinem Anfpruch auf 9tüdgaßlung fompenfirett. 

Seine Ginrebe ift oerworfen aus folgenbcn Grün ben: 

Gemäß §. 36 ber GefinbeorDnung — auf biefe Seftimmung fcheint fich 
Seflagter berufen gu wollen — fann aHerbiitgS bie&errfdjaft in allen fällen, 
wo SkibnacßtS* ober 91euiahrSgefdjenfe währenb eines XtenftjahreS 
gegeben werben, biefelbeit auf ben ^oßn anrechnen, wenn ber Xienft* 
oertrag im Saufe beS 3aßreS burdj Sdjulb beS GefinbeS aufgehoben 
wirb, Xiefe lex specialis fann jeboch für ben oorliegenbert 91ecßtSftreit 
feine Anwenbung finben, weil, wte unftreitig, bie Sllägerin nicht als 
Geftnbe, fonbern als Gewerbcgebülfiit beim beflagten befdjäftigt ge® 
wefen ift unb bemgemäß auf fte bie beftimmungen ber Gewerbeorbnung 
gur Anwenbung fommen. 3 n letzterem Gefeße aber finbet fich eine 
analoge borfchrift begüglidj beS SMberrufS ber oon bem Arbeitgeber 
bem Arbeitnehmer gegebenen Gefchenfe nicht, 3n golge beffen muh auf 
bie beftimmungen beS Allgemeinen Sanbrechts gurüdgegrißen werben. 
&ier befagt nun gwar §. 1090, Xßeil I Xitel 11: „3ft eine außergerießt* 
lidj gefdjloffene Scheidung feßon burdj bie Ucbergabe ooflgogen worben, 
fo finbet bennoch ber SSiberruf innerhalb 6 Monaten nadj ber lieber» 
gäbe ftatt." ^ebodj finb bie fogenannten GelegenheitSgefchenfe, welche 
allgemein üblich finb g. b. gu Skiljuacßten ober gu Neujahr, Mangels 
beS GrforberniffeS ber freiwillig feit nicht als Sdjenfungen im Sinne 
beS Allgemeinen Sanbredjts gu bchanbeln. Xiefelben erfolgen nach 
Maß ber Sitte unb beS Gebrauches unb hält ftdj ber Geber gu ber» 
artigen 3nwenbunaeu meiftens aus moralifdjen ober fonftigen Grünben 
oerpflidjtet. So beftinunt aud) §. 25 ber 91eichsfonfurSorbnung aus» 
brüdlidj, bah bie gewöhnlichen GelegenheitSgefchenfe ber Anfechtung ber 
Gläubiger als unentgeltliche Serfiigungcn nidjt unterliegen. Auch 
bei ber Durchführung ber UnfaHocrfidjerung enblich hat bas Reichs® 
SerftcßerungSamt bieAuffaffung angenommen, baßfogenannte SBeihuaißtS® 
gefchenfe nicht als eigentliche Gefchenfe im Sinne beS Allgemeinen 
ManbrecßtS angefefjen werben fönnen, unb gur Segrünbung angeführt r 
bah nicht barauf anfommt, ob ber Arbeiter gerabe einen flagbaren 
Anfpruch auf bas Gewährte hat, eS oielmeßr genügt, bah er baS Ge* 
währte nach auSbrüdlidjer ober ftiHfcßweigenbcr SBiHenSübereinftimmung 
ber betheiligten mit SKüdjtdjt auf feine Arbeitsthätigfeit in bem betriebe 
als einen wirthfdjaftüd)en Sortfjetl empfängt (cfr. §anbbucß ber Unfall¬ 
oerficherung S. 333 Anm. 15). 

Auch nach ben Sorfcßriften ber §§. 1169, 1170, Xßeil h Xitel 11 
beS Allgemeinen ^anbreeßts, welche oon ben belohnenben Scheidungen, 
burdj welche löbliche ^anblungen ober geleiftete wichtige Dienfte oer* 
aolt en werben, hanbeln, würbe bas fragliche Gefchenf nicht wiberruflich 
fein r ba berartige Gefchenfe nur wegen UebermahcS wiberrufen werben 
fönnen. 

* 

Unguftänbigfcit beS Gewerbegerichts für Anfprüche beS 
Arbeitnehmers wegen berrufSerflärung (güßrung auf ber 
„fcßioargen" Öifte eines Arbeitgeber-berbanbeS). — Urtheil 
bes Gewerbegerichts berlin, Kammer 2, oont 30. fanuar 1899. 

Kläger ift 1896 am Streif ber berliner ftutmaeßer betheiligt ge* 
wefen. Gr ift in golge beffen auf bie oom berbanbe ber berliner 
gilgßutfabrifanten geführte „feßwarge ßiftc" gefommen unb hat baher 
feitbem bei ben berbanbsmitgliebern Arbeit nicht finben fönnen. Denn 
ber berbanb macht bie 3SicbereinfteHung oon Streifern baoon ab* 
hängig, bah ber leßtc berbanbS=Arbeitgeber fchriftlich fein Ginoerftänbnih 
erfläri. Kläger hat im £>erbft 1898 eine folcfje GinwiHigungs-Grflärung 
oon ber beflagten — als bemjenigen berbanbSmitgliebe, bei bem er 
beim StreifauSbrudj befchäftigt war — erbeten, aber nicht erhalten. 
Gr h^t beSfjalb Älage erhoben auf AuSftetlung eines 3cugniffeS, worin 
feine SSiebereinftetlung empfohlen werbe, fowie auf SdjabenSerfajj wegen 
bergögerung ber AuSftellung. 2>ie Silage ift abgewiefen wegen fachlicher 
Unguftänbigfeit bes Gewerbegerichts. 

Aus ben Grünben: 

0b Kläger nach ^ en borfchriften bes Allgemeinen SanbrechtS über 
unerlaubte ^anblungen wegen ber angeblich oon ber beflagten oeran* 
Iahten berrufSerflärung Schabenserfafc unb befeitigung brobenbeit 
weiteren SchabcnS forbern fann, war fadjlid; nicht gu entfeheiben. 
Xcnn bas Gewerbegcrid)t ift — abgefeljcn oon hier nicht in betracht 
fommenben Streitigfeiten — nur gujtänbig für Streitigfeiten über Au* 
fpriiehe aus bem Arbeitsucrhältniffe unb über ben gnhalt beS Arbeits* 
geuguiffeS. Unter „ArbcitSgcugnih' 1 aber ift nur baS 3 eil Ü n ife gentäh 
^ 113 ber Olewerbeorbuung gu oerftehen, alfo ein 3 c ugnih über Art 

eeranhoortltc^ für bte Xebaftion: Dr. (Ern! 


unb Xauer ber befchäftigung, coentuell über güfjrung unb Seiftungcn 
beS Arbeiters währenb feiner befchäftigung. Gine anberweittge Gm* 
pfehlung, wie Kläger fte forbert, fällt nicht unter ben begriff beS 
„3eugntffeS". ^aher gehört, ein bcdjtsftreit über bie AuSftellung einer 
befottberen Gmpfeljlung nicht gur 3uftänbigfeit ber Gewerbegerichte. 
Gbenfowettig ift ber oorliegcnbe Anfpruch auf SchabenSerfafc ein An¬ 
fpruch aus bem „ArbeitSoerljältnih". Xettn nicht aus biefem, fonbern 
aus ber angeblichen berrufSerflärung, fowie aus ber gwei gahre nach 
ber Gutlaffung erfolgten berweigerung befonberer AnfteüungSempfehlung 
leitet ber Anfprudj fich i) er - würbe bie aitgeblidje berrufs* 

erflärung nicht auf baS beftaubene befottberc ArbeitSoerhältnih, fonbern 
auf bie Streifbetheiligung beS Klägers, welche wegen allgemeiner 
Arbeitsbebingungen ic. erfolgte, guriiefgufithren fein. 

Atimerfung ber 9lebaftiou: 92icht nur ber eine Kläger, fonbern 
eine gange 9ieihe oon ^utmachent werben nach ben bem Gericht ge* 
machten bHttheilungen oom berbanbe ber berliner gilghutfabrifanten 
wegen betheiligung am Streif 1896 noch nicht wieber befdjäftigt. — 
^as oorfteljcnbe Urtheil war berufungsfähig, ift aber nicht angefochten 
worben. 3 ur fa* Kläger feine Anfprüche im orbentUchen 9tcchtS* 
toege anhängig gemacht. 


ßütrtttffdie ^nielgett» 

geliy, ^ubwig. Gntwicflungsgefchidjte beS GigenthuntS unter fultur* 
gefchidjtlidjem unb wirthfdjaftlichem Geüchtspunfte, IV. Xheil, 
2. Hälfte, 1. Abtlj. Xcr Gittfluf 3 oon Staat unb Siedjt auf bie 
Gntwicflung bes Gigenthums. 2. Hälfte, 1. Abtf). (XaS bättel* 
alter.) Öeipgig, Xuitder unb ,f>umblot. XII unb 776 S. — 
15 M. 

bon ber umfangreichen GntwirflungSgefchichte beS Gigenthums 
oon geli£ ift ber gweite banb beS oierten unb widjtigften XheilS er* 
fdjienen, ber ben Ginfluß oon Staat unb 9tedjt auf bie Gntwicflung beS 
Gigenthums währenb bes Mittelalters beljanbelt. gn ben erften 108 Seiten 
wirb bie Gefdjidjte bes römifdjen Rechts oom Untergang bes römifdjen 
Reichs bis gunt 3ätalter bcS benificial* uttb lüehnwefenS bei ben 
Germanen unb btjgantinern weitergeführt, hieran fd;ließt fiefj eine auf 
bas römifdje 9tedjt guriiefgreifenbe, cingehenbe red^tsgefdjidjtliche 
SSBürbigung beS benificial* unb yehnwefens in ben oerfdjiebenrn i^änbern 
unb felbft in ben einzelnen ^rooingen unb gwar in Xeutfdjlanb, granf* 
reich, glanbern, Italien, Spanien, britanuien, bei ben btjgantinern unb 
Arabern. Xer wirthfehafts* unb fuliurgefchichtlidje Xh e ^ ^ er Aufgabe, 
bie fich ber berfaffer geftellt hat, fommt namentlich in ben Abfdjnitten 
über baS ^eerwcfeit, bie ftänbifdjc Glicbcruug beS bolfcs, bie Gutftehung 
ber Stäbte, über Gcfehgebung unb Siecht gur Geltung, bie in will* 
fommeuer SSeife burch bie wirthfchaftsgcfchidjtlich befonbers werthooßen 
Abfchnitte über bie Grunbbefifeeroerhältniffe, bas ginangwefen unb bie 
Mängel beS Gclbwefcns ergängt werben. Sein Urtheil über bie mannig* 
fadh beriidfichtigten fogialen berljältuiffe faßt ber berfaffer in bem Saß 
gufammen: „GS barf hernach behauptet werben, baß gang befonbers 
oie unteren klaffen niemals unoerljüllter auSgebeutet würben, als im 
3eitalter beS SehnwefenS." 

Xie Arbeiter*93erficherung in Italien. §eft 6 ber Arbeiter*SBer* 
ficherung im AuSlanbe. Gearbeitet oon Ur. 3ach er, Äaif. Geh- 
StegierungSratfj im SleichS-^erftchcrungSamt. ^erlitt, Verlag 
ber „Arbeiter*®erforgung" (A. Xrofcßel). 132 S. ^JreiS 3 JL. 
gn raicher golge erfdheiut nach $>eft 4 Igranfrcich) unb |>eft 5 
(Gnglaitb) nun als 6. .fteft bie Arbeiter-SSerftcherung in gtalien in ber 
leid;ett muftergiltigen ^Bearbeitung bur<h Dr. 36dher. ^auptfächlich 
ringt biefe $ublifation eine Xarfteüung bes GefcßeS über bie freien 
^ülfSoereine oom 15. April 1886 unb ber Unfall* fowie ber Alters- unb 
§noalibitätSoerfid)erung oom 17. Märg begw. 17. guli 1898. £>er oolle 
SBortlaut biefer brei Gefeße ift im italienifchen Urtejrt unb in beutfeher 
Ueberfeßuttg mitgetheilt. 

Stubien aus beut Collegium Sapientiae in gretburg i. Sr. 
Dr. Anton SHcßbach- Xie ^anowerfer unb bie Ärebitgenoffen* 
fchaften. greiourg i. Sr. 1899, GefchäftSftelle beS „Gßaritas* 
oerbanbes für bas fatßol. Xeutfdjlanb". VIII unb 132 S. 

£)aS fleine Sdjriftchcn giebt einen Ueberblid über bie Sdjulge* 
Xelißfcheit Sorfdjußoereine unb bie f>anbwerfcr* begw. 3»nungsbanfen. 
Xie gefeßlicheu Grunblagen für beibe gnftitute, fowie Seren Gefchäfts* 
grunbfäße finb furg unb überftchtlidj SargcftcHt unb mit reidiljaltigem 
ftatiftifdjcn Material belegt. £)er Serfaffer tritt gur Hebung beS 
^erfonalfrcbits ber .ftauöwerfer für bie Grünbung oon GentraDGcnoffen* 
fdjaftsfaffen mit Staatsuntcrftiißung nadj bem Sorbilb ber „^reußif^en 
GentraDGenoffenfdjaftsfaffe" ein, empfiehlt aber ben £>aubmerferu ba, 
wo Sdjulge-Xelißfdje Sorfdjußorrrine beftchen, lieber biefen beigutreteu, 
ftatt burd) Grünbung oon 3»nangsbanfen ihre Kräfte gu gerfplittcrn. 

3ahrbudj für Solfs* unb 3agenbfpie(e. Achter 3ahrgang 1899. 
.fterausgegeben oon G. o. Sdjendcnborff unb Dr. med. g. A. Schmibt. 
^cipgig 1899. 91. SoigtlänberS Serlag. 

Aunals of the American Academy of political and social Science. Yol. XIII. 
Nr. 3. Mai 1899. Philadelphia: American Academy of political 
and social Science; London: P. 8. Kini? & Son. Price per year 
$ 6,oo, per Number $ l,oo. 

3t antfe tn ©erlin W., ©apreut^erfttafee 20 . 












vm. £<tyffgang. 


Serlin, ben 29. 3um 1899. 


Rümmer 39. 


Soziale probte. 

($ent*atMatt füx ^ogiafpoüiiß 

mit ber ÜRonatSbetlage: 

Vas (Bewerbegericht. 

©rgan bes Decbanbes bcutfdjer (Setoerbegericfyte. 

Reue golge bcr „Rlätter für fogtale sßraptS" unb beS „©oglalpolitifdjen ©entralblatt$\ 

OtfitciMi an Jekro »onncrftaß. ^)€CQU§ÖCBer: frei« bicrteljitrli* 2 92« 50 ff. 

Rebaftton: Rerltn Rapreutherftrafje 29. Dr. € fit ft Rerlag bon duntfer & Humblot, Cetpgtg. 


3ttl|alt 


©aß foatalpolitifc^c ga^it bcr 
ReicBßtaßßfeffion. Son Dr. ©. 

granefe, Serlin.1041 

ßm SBotjnungßftage in©eutfdj* 

Ianb.1045 

VXaemetKf Orftol* unb BMttftfftaftf • 

*elMI.1047 

©ie Soljn« unb Slnftellungß» 
üerböltniffe bcr Arbeiter ber 
fcfcweiaerifd&enSunbeßöerwal* 
tung. 

Slmtlidje ©tf)ebungen über Qlrbeitß* 
fämpfe in Sreufeen. 

©ie Recptfpredjung unb bie Arbeiter* 
betoegung. 

©in britiföeß Urtfjeil übet beutfdje 
Arbeiter. 

©er Slrbeitßbeiratfj in £>efterieidj. 
befrei über „politifdje Stofcna^men" 
in Staren. 

StrbeitSftatiftif in Ungarn. 

Cnjiale ßnftftnfce.1050 

©nquete über bie Sage ber Heim* 
arbeitet in ber öfterreidiifäen Äon* 
feftionöinbuftrie. 

8trbeiteroerbäItniffe in ben ©ifentoerfen 
öon 2e ©Teufot in granfreidj... 

VvOeiterbetneanno.1052 

©er ©ejtilarbeiterftreif in 
Srünn. 

©ie ©eneralberfammlung beß Set» 
banbeß ber beutföen Snd&bruder. 
©er Streif ber Steinfefcer in Serlin. 
Slußfpetrmig unb Streif ber gönnet 
in Seipjig. 

©itbe beß Srauerfireifß in granffurt 
am SDfain. 

©et Sn^reßberiibt beß ©ewerffdjaftß» 
Oereinß 9föfinc$en. 


Krteiterf*»*.1054 

©ie franjBfifd&e gabrif» unb ©etoerbe* 
Snfpeftion über bie SefdjSftigung 
oon Äinbern unb weiblichen ißerfonen. 
Slrbeiietinncnfdjufc im englifdjen Han» 
beißgeroerbt. 

MtfiftternctfUbmiKi. fparfaffen 1055 
©ie Äranfenfütforge ber Set« 
fidjerungßanft alten ber gn* 
Palibitfttß» unb SllteTßPer* 
ficberung für 1898. Son Dr. 
Rotfjpolj, Serlin. 
gorberung bet RentenfteÜen füt bie 
Unfattoerficbetung in Defterreicb. 

©enofTenfdjaflßWefeii.1058 

©ie Snlmfotbatbeitet . ©e* * 
noffenfebaft im©teinaebgtunb. 
Son 3Rar 3Kap f Heidelberg 
Sntetnationaler Äongreg füt l&nb* 
licbeß ©enoffenfcbaftßwefen 1900. 

©ie ÄooperatiogefeÜfcbaften in ©ng* 
lanb. 

©¥}tcf»una »n* fBUtotnn.1060 

©in Setein füt oolfßtbümlicbe Hodj* 
fcbulfurfe |u Setlin. 

Soaialpolitifdje Unterricbtßfurfe in | 
cbriftlicben ©ewerffäaften. 
ünlverslty Extension in Defterreidj. j 
©rjiebungßanftalt für fojiale Arbeit | 
in Ülnifterbain. 

©ctoerfcegeviftfte. ©fntganflßümler. 

©diicOßgettdite. 1060 1 

griebenßfebtufe im Saugetoerbe. | 
Setbanblungen öor bem ©ewerbe* 
geriet Serlin alß ©inigungßamt. 
©inigungßamt für bie SRaffenauß* 
fperrung in Äopenbagen. 
fttmtiffl« 9l»s*tgeii.1062 


Äbbrud füntmtlidjer Ärtifel tft ßettungen unb ßeitfebriften geftattet, jeboeb nur 
mit ooHer Quellenangabe. 


i 


9a$ fbjialpolüifdje Jiijtt ber SUfdfptogpfeCftim. 


die Hoffnungen, mit benen mir nach ben Rkthlen im oorigen 
©ommer unb bei feinem 3 u fammentritt ben Reichstag begrübt 
haben, finb im Verlauf ber ©effion nic^t entläufst roorben. die 
Stagnation ber ©ogialreform, bie bie Safjre 1896 bis 1898 fenn* 
geidjnete, ift überrounben; es ift ein frifdjer 3ug fogialpolitifcher 
©chaffenSfreubigfeit im Reichstag. Schloffen bie lefcten ©effionen 
mit einer RuH ober foaar einer Unterbilang in biefer öinficht ab, 
fo buchen mir heute erfreulicher Söeife einen gang erheblichen ®e* i 
minn. 3 nmr ift an pofttioen ßeiftungen bis jefct nur bie Reform | 
beS SnoalibengefeheS, freilich an fid) fchon eine achtungSmerthe I 


S£hat, unter ^)ach gebracht, aber bie SRooeHe gur ©eroerbeorbnung 
unb bie SIbänberungSanträge gum ©emerbegerjchtSgefeh h a ^ e u 
ÄommiffionSberathungen paffirt unb liegen für baS Plenum beS 
HaufeS in umfangreichen Berichten gur groeiten Serathung fofort 
bei 3Bieberbeainn ber ©effion nach Ablauf ber Vertagung bereit. 
$och meit beoeutfamer gnb bie beiben großen £unbgcbungen beS 
Reichstages für baS ÄoalilionSrecht, oon benen bie eine, aus ber 
QniHatioe beS H au f c§ h^roorgegangen, für bie ©rroeiterung ber 
Drganifation eintrat, bie anbere aber ber fcharfen Rbroehr ber oon 
ben Regierungen angeftrebten 23eftf)rän!ung unb 3Ser!ümmernng 
biefeS ©ruitbrechteS ber beutfehen Arbeit galt. 

©benfotoenig roie mir h eu i c beabfid)tigen, baS Snoalibitäts* 
gefeh, bie ©eroerbeorbnungSnooeHe unb bie Anträge gum ©emerbe* 
geridjtSgefeh eingehenber gu erörtern — bieS ift gum Xheil f<hon 
gefchehen, gum aitbern £h e ü behalten mir es uns oor —, fann es 
uns in ben ©inn fommen, hi^ r e i« e K 5lbri6 ber Reichstags* 
oerhanblungen über baS DrganifationS- unb KoalitionSrecht gu 
geben. 28enn biefe S3Iätter bem ßefer in bie £>anb fommen, finb 
feit bem oorläufigen ©chlufemort ber Debatte faft acht Sage oer* 
gangen, unb bis biefe grage im Reichstage toieber auflebt, flehen 
noch fünf Rtonate beoor. SBorauf mir ben Slicf h^ite lenfen 
mollen, baS ift ein dreifaches: der Reichstag mill einen euer* 
gifchen SSormarfch in ber ©ogialreform unb hat babei bie grofee 
Rtehrheit ber Ration hinter fich; bie Regierung bagegen ift 
gaghaft ober gar conträr, im 3a unb im Rein flau; baS 
^oalüionSrecht fteht im RHttelpunft ber gangen ©ogialreform, alle 
anberen fogialpolitifchen Rfaftnahmen fmb ihm gegenüber gur geil 
nur gragen ber Sroecfmäfcigfeit, fo michtig fie auch an fich fein 
mögen, die Hauptfache, auf bie alle Reformfreunbe fich gegenmärtig 
oereinen müffen, ift bie ßöfung ber Aufgabe, roie auf bem Soben 
ber ©leichberechtigung mit ben Unternehmern baS SSereinigungs* 
recht unb bie SBeroegungSfreibeit ber Arbeiter geftchert roerben fann. 

3m Reichstag geht gegenmärtig bie Rtehrheit. bie eine ent* 
fchloffene ©ogialreform miu, oon oer äufeerften Öinfen bis fehr 
meit nach re( l^- Stör ben Umfchmuna ber ©timmung, bie noch 
oor mentgen 3ah«n h^rrfchte, ift bie Slbftimmung über bas 3«* 
oalibengefeh begeidbnenb: SBährenb 1889 feine Sinnahme unter bem 
mächtigen druefe beS gürften SBiSmarcf nur mit oerfchroiitbenber 
SRehrheit erfolgte, mar bieSmal nur ein mingigeS Häuflein bagegen, 
unb bafür ftimmten — gum erften Riale für ein fogialpolitifcheS 
©efep! — einhellig, laut graftionSbefchlufc, bie ©ogialbemofraten. 
Sluch fonft hat fich bie Partei fehr eifrig im pofitioen ©iune an 
ber 23erathung unb SSerbefferung ber Vorlagen betheiligt; bie Stuf* 
forberung ber Rtitarbeit ergieht eben unmiüfürlich gum Rtitfdjaffen 
auf bem ©oben ber gegebenen SSerhältniffe. 23on ben beiben Rolfs* 
Parteien ift bie fübbeutfehe oon je ooll Rerftänbnih für eine ge* 
funbe ©ogialpolitif gemefen, unb auch in ber freifinnigen regen fich 
jefct mand^e Äeime. die „greifinnige Rereinigung" gept auf biefetn 
©ebiete mit bem Slbgeorbneten Roeficfe, beffen energifd)e gnitiatioe 
um fo größere Rebeutung hat, ba er felbft als großer Arbeitgeber 
mitten im praftifchen Seben fteht. das Zentrum, unter gührung 
ber Slbgeorbneten Hib e lieber, hat feinen alten Ruhm in 
biefer ©effion treu bemahrt unb gemehrt; es bilbet mit feinen 
100 Rtitgliebern bie terntruppe für bie Fortführung ber ©ogial* 
















1043 


Sogtale Prajjs. ©entralblatt für Sogtalpolttif. Rr. 39. 


1044 


refonn im Sinne ber $aiferli<hen 23otfd;aften non 1881 unb 1890. 
Die fogiaIpoliti|<f)e Signatur aber bat in biefer Seffion baS Partei* 
roefen erbalten burdj bie fraftooHe ©nergie, mit ber fidj bie Ptebr* 
beit ber Rationalliberalen unter Geitung ber Abgeorbneten Paffer* 
mann unb Freiherr ben Problemen ber £>ebung unb 

3örberung beS ArbeiterftanbeS gugeroenbet bat. Damit ift gerabegu 
eine neue ©pod)e — nicht nur für bie Partei, fonbern für bie 
Sogialpolitif im Parlamente überhaupt angebrochen, £>eutgutage 
ftebeit brei Viertel beS SReic^ötage^ in ben grunblegenben fragen 
ber fogialeti Reform gufammen, unb nur bie ReichSpartei unb bie 
ftonferoatioen geben biet abfeitö. 

Unb mir fyatn bie Uebergeugung, baf; bieS im Reichstag 
oorbanbene Perbältnifc ähnlich auch im Polfe felbft berrfebt. Das 
Perftänbnife für bie Rotbroenbigfeit, bie ©infiebt in bie ©rfpriejjlicb* 
feit unb bie ©rfenntniß ber AuSfübrbarfeit oon Piafsnabmen beS 
Reiches unb beS Staates, ber ©etneinbe, ber georbneten Selbft* 
hülfe, bie berechtigte Pefchroerben ber breiteften Schichten befeitigen, 
bringenbe SÖünfche befriebigen unb gum Rufeen beS PaterlanbeS 
bie Waffen gu böserer GebenSbaltung unb ©efittung führen — 
baS Perftänbnifj für bie Schulreform als eine ber ©runblagen 
unfereS gangen PolfS* unb Staatslebens ift entfliehen im P$ad)fen 
begriffen. Unb groar nicht nur in ben Streifen ber Pilbung, bie 
in ber Arbeit ihr notbroenbigeS Korrelat ficht, fonbern auch in 
bem Streife beS PefifceS, ber mit ber Pilbung gufammen gebt. ©S 
ift in biefer f>infid)t in fyofytm unb erfreulichem PJafce begeiebnenb, 
baf} roie im Reichstage fo auch außerhalb beS Parlaments immer 
mehr einfiebtige Arbeitgeber unb Unternehmer öffentlich für eine 
Sogialreform eintreten, oon ber fie eine görberung beS inneren 
griebenS, eine Steigerung unferer GeiftungSfäbigfeit im SBett* 
beroerbe ber Stationen unb eine Kräftigung unfereS PolfeS für bie 
roffen poliüfchen, roirtbfüjaftlicben unb fulturellen Aufgaben er* 
offen. Sn noch nicht gang neun Sab^n ift ber rubige giufc 
unferer inneren ©ntroicfelung breimal unterbrochen rooroen, nach 
bem Satt beS SogialiftengefebeS guerft bie Umfturgoorlage, bann 
baS PereinSgefefc unb nun bie fogenannte 3ud)tbauSoorlage. 2öaS 
PSunber, bafj unter folgen Hemmungen ber Strom fnb nicht 
ein ruhiges unb breites 33ett graben fonnte, fonbern bafj immer 
toieber Strubel unb SSirbel ben frieblithen gortfebritt oergögerten 
unb aefäbrbeten! Aber manchen Geuten bünft ja freilich eine 
ftaatsfeinbliche Sogialbemofratie, gegen bie bie Regierung bie 
Ptacbt aufbieten foff, oiel bequemer als eine mächtige Arbeiter* 
beroegung, bie fich auf bem Poben ber heutigen Oronung hält, 
mit ber fid) aber bie Unternehmer felbft abfinben müffen! 

Die Ptocbt unb ben ©influfj fold^er (Elemente barf man auch 
für bie 3ufunft nicht unterfcbäfcen. 3b* SBefen ift auch in ben 
lebten ReicbStagSbebatten, namentlich oon bem Abgeorbneten Paffer* 
mann, fcharf gelenngeichnet roorben. Aber mir fürchten, bafj bie 
leitenden Greife fich »an ben ©inroirfungen folcher „Scharfmacher" 
— ber Rame ift ja terminus technicus geroorben — auch fünftig 
noch nicht frei machen fönnen. ©ineS freilich füllte beute fdjon ge* 
fdjeben: ©S ift ein Unfug, ja eines ber bebenfliebften Symptome 
unfereS öffentlichen Gebens, bafj Pre&organe, bie im ®ienfte ber 
einfeitigften Unternebmerintereffen flehen, gleichgeitig gu offigiöfen 
Shmbgebungen ber Regierung benubt merben, uub bafj umgefebrt 
attbefannte Regierungsblätter fich ohne Scheu als Sprachrohr oon 
befangenen Pttttbeilungen ber Unternebmerpreffe geriren. Seber 
Kenner unferer journaliftifchen Perbältniffe mirb uns barin bei* 
ftimmen, bafj bieS Unmefen febr meit oerbreitet ift, unb bafj es, 
mie faum etmaS AnbereS bagu beigetragen fyai, in meiten Kreifen 
bie Anfchauung gu erroeefen, als ob bie Regierung bie Qntereffen 
beS Staates oielfacb mit benen ber Unternehmer ibentifigire, mäbrenb 
ffe ber gangen Arbeiterberoeguna mifjtrauifd) ober feittblid) gegen* 
überftebe. PMr glauben gar niept, bafj biefe Auffaffung berechtigt 
ift: @S ift anguerfennen, bafj bie Regierung bicSmal m ber Sn* 
oalibitäts* unb in ber ©eroerbeorbnungSnooette oortreffliche An* 
fäfce gur Perftärfung unb ©rroeiterung ber gürforge unb beS 
Schuftes gemacht f)at, wenn fie auch im Perlaufe ber Perbanb* 
lungen bur<h 3ögcxnt unb PJiberfpruch biefen guten @inbrucf mieber 
oerroifebt but. Aber im öffentlichen fieben fott man auch ben böfen 
Schein meiben. Unb es ift gerabexu ein Unheil, bafe baS ArbeitS* 
mittigen*©efefc, bie ^enffchrift uno bie f>altung ber RegierungS* 
oertreter im Reichstag biefem böfen Schein mieber neue fieudjt* 
fraft gegeben bu^en. 

ÖS fann gar feinem 3u>eifet unterliegen, bafe bie (Einbringung 
beS ©efefcentmurfeS für bie Regierung ein fernerer Sebler ge* 
mefen ift. Sie but fich bamit bemüht in einen febroffen ©egenfab 
gu ber großen Piebrbeit beS Reichstages gefefct, ber erft oor roenigen 
P$o<ben in autoritatiofter Sorm fich für bie AuSgeftaltung unb gegen 


bie Pefdjränfung beS ^oalitionSrechteS erflärt batte. Sie bat bie 
aefammte beutfebe Arbeiterfchaft, fomeit fie überhaupt am öffent* 
liehen Geben fich beteiligt, in bie fcfiärffte Dppofition gebrängt: 
©emerfoereine, eoangelifthe, fatbolifche Arbeiteroereinc, bie auf bem 
Poben beS Staates, treu gu Sfaifcr unb Reich fteben, haben fidb 
mit berfelben (Entrüftung gegen ben ©ntmurf auSgefprocben mie 
bie noch 3 ur Sogialbemofratie baltenben Drganifationen. Auch 
aus Arbeitgeberfreifen bat es nicht an proteften gefehlt; im Reichs* 
tag maren grofee Unternehmer unter ben Rührern ber ©egner beS 
©ntmurfeS, Arbeitgeberbeififcer beS Perliner ©emerbegeriebts haben 
bagegen ©infpruch erhoben, ber Perein ber Schuh* unb Schäfte* 
fabrifanten bat ihn oerroorfen. 3)ie Regierung bat mit ihrem 
Porgeben beroiefen, baft fie meber mit ber 2M;rbeit beS Reichs* 
tages noch mit bem beutfdjen Polfc Fühlung bat, ba& fie ohne 
^enntnife unb Perftänbnif* ber fogialen unb roirtbfebaftlichen Strö* 
mungen ift, bie unfere 3 e tt burcbflutben. hinter ihr haben bei 
ber gangen trübfeligen Aftion nur eine Heine Schaar oon ©rofe* 
inbuftrietten im Ganbe fomie bie Rechte beS Reichstages geftanben, 
unb oon ben ^onferoatioen batte man noch ben ©inbruef, ba& fie 
nur mit halbem bergen babei maren. Aber baS Sdjulbfonto ber 
Regierung ift noch grö&er: ®er ©efefeentrourf mißt mit ungleichem 
ttRafe, oertbeilt Gicht unb Schatten ungleich’unb richtet fich 9 c 9 cn 
bie Arbeiterbemegung als folcbe. SDamit bat bie Regierung ein 
fdjmer auSrottbareS Riifctrauen in bie gefammte Arbeiterbeoölferung 
gepflangt unb fnh bie PSeae felbft ba oerleat, mo bie ©brlicbfeit 
unb ber ©rnft ihrer fogiafpolitifchen Peftreoungen nicht gu be* 
gmeifeln fmb. Unb bie unmittelbaren PHrfungen ber Porlaae felbft 
mürben burch ihre Pefürroortung oon Seite beS PunbeSratbStifcbeS 
noch oerftärft. Pon oornberein ftanb bie Regierung nur in ber 
Pertbeibigung, aber auch &i e f e rourbe nur matt unb lahm geführt. 
$>ie Solge mar eine unerhörte Rieberlage. Rieht einmal einer 
^ommiffionSberatbung mürbe ber ©ntrourf oom Reichstage ge^ 
mürbigt, fonbern nach oiertägiger Debatte befcbloffen, bie groeile 
Gefung nach ^ cr Vertagung im Plenum oorgunebmen. 

SDamit ift biefe Porlage befeitigt. bie Regierung gut 
beratben, fo giebt fie ben ©ntmurf felbft gurücf. Praucbte fie für 
irgenb eine mafjgebenbe Stelle eine Quittung, ber Reichstag b fl t 
fie ihr ertbeilt unb fie fann fie oorroeifen. 5)aburch mürbe ber 
2öeg frei für bie oom ©entrum angefünbigte Aftion für ben pon* 
tioen Ausbau beS SfoalitionSrechtS, ber ben Angelpunft ber SogiaU 
politif in ber näcbften Seffion bilben mirb. Seit fahren tritt 
ber Reichstag in Anregungen, Refolutionen, Anträgen bafür ein, 
nun ift uns ein oottftänoiger ©efefeentmurf in AuSficbt geftettt. 
UnfereS Dafürhaltens mirb er enthalten müffen: 3 ue tfi 53emegungS* 
freibeit unb Red)tsficberung ber PerufSoereine, roobei burch Reichs* 
efefe baS lanbeSgefefelidhe Perbot ber Perbinbung oon Pereinen 
efeitigt, bie Pertretung ber Perufsintereffen, auch roenn fie baS 
politifebe ©ebiet berühren, garantirt unb bie Red)tSperfönlicbfeit 
oerüeben mirb. Sobantt bie ©rrid)tung unb 2förberung gemein* 
famer Drganifationen, fei es in ArbeitSfammem, ober, maS uns 
ftjmpatbifcber, in freien Darifgemeinfcbaften, mie fie im Pud)brucf* 
geroerbe befteben, eoentuett mit 3agiebung ber ©eroerbeinfpeftoren 
als Unparteiifcher. Drittens bie Reform ber ©eroerbegerichtc, 
namentlich in ber Richtung einer ©rroeiterung ihrer Pefugniffe als 
©inigungSamt unb Schiedsgericht mit PerbanblungSgroang; mie 
fegenSreid) biefe Snftitution roirft, beroeifen gerabe jefct bie Por* 

B imGobnfampfe beS PtaurergeroerbeS gu Perlin (oal. Sp. 1060). 

nS ©infübruna paritätifcher, gemeinblicber ArbeitSnachroeife 
oon ReichSmegen. fünftens ©rriebtung eines ReicbSarbeitSamteS 
mit einem ftänbigen Peiratbe. §at man biefe „Drganifation ber 
Arbeit" gefebaffen, bann fann man baran benfen, Scbufcroebren für 
ihre ©rbaltung unb meife Penufcung gu fchaffen: Der Aufhebung 
beS §. 153 ber ©eroerbeorbnung unb ber Unterteilung ber Delifte 
gegen baS ÄoalitionSrecht foroobl bei ArbeiterberufSoereinen roie 
bei Untemebmeroerbänben aller Art, auch & er Krufts, Spnbifate, 
Kartelle, unter baS aemeine Recht mirb bie ©rmägung auf bem 
gufee folgen, ob bie Arbeiter berienigen ©emerbe, bereu gefieberte 
Ausübung im böd)ften Rufeen ber ©efammtbeit liegt (DranSport* 
gemerbe, ^oblenbergmerfe, PeleuchtungSinbuftrie), nicht in irgenb 
einer gorm ber Rotbrcenbigfeit beS Kampfes um bie ©jifteng unb 
bie $ebung ihrer GebenSfül;rung enthoben merben fönnen. 

©in Halbamtliches Örgan bemerft in einem Rachmort gu ber 
Rieberlage ber Regierung: „Die oerbünbeten Regierungen müffen an 
ber Hoffnung feftbalten, bafj in ben SRonatcn bis gur gmeiten 
Gefung beS ©efebentrourfs im Plenum beS Reichstags bie eingelnen 
Parteien ihre Stellungnahme gu ben ©runbgüaen beffelben einer 
einbringlichen Prüfung untergieben unb in $olge beffen oon ber 
Rotbmenbigfeit einer oeränberten Haltung fich übergeugen roerben. 



1045 


©ogfdle $rogi*. GentralBIott für Sogtalpolitif. Str. 89. 


1046 


Die Parteien werben pdp ber ©flieht itidjt entgiepen fönnen, faßS 
fic bem ©efefcentwurfe in feiner gegenwärtigen Raffung ihre 3^* 
ftimmung glauben uerfagen gu muffen, iprerfeitS bie ©ittel nach* 
guroeifen, mit benen ben AuSfdjreitungen ber „mobernen Arbeiter* 
Bewegung" wirffam entgegengetreten roerben fann. Die Anträge 
ber Stegierungen finb aus einer ftaatlidpen SRothwenbigfeit empor* 
ewaehfen." Diefe Ausführungen ftetten ben wirflicpen Dpat* 
eftanb oößig auf ben Kopf. Sine ftaatlid^e SRotpwenbigfeit ift 
es, oon biefer furgfichtigen unb mechanifcpen ^olitif ber Siepreffion 
enblicp abgulaffen unb fiep entfcploffen unb aufrichtig einer pofitioen 
Sogialreform guguroenben, wie fie bie gro&e ©eprpeit beS SfeidpS* 
tageS unb ber Nation forbern. Seicht ber Sleicpstag, fonbern bie 
Regierung ift auf einem falfcpeit ©ege. Qe eher fie umfeprt, befto 
beffer für ihr Aufehen unb ihren dinflujj, befto beffer für unfer 
©aterlanb unb unfer ©olf, baS für bie gebeiplicpe Fortführung 
feiner großen politifcpen, wirthfchaftlicpen unb Shilturaufgaben ben 
fogialen Fneben im Qnnern unb bie £ebung ber ©affen braucht! 
©erlin. _ 6. Fr an de. 


3nt HJoljituit erfrage In Betttfif)l(rab. 


Die ©opnungsfrage mürbe am 21. Funi im preufjifcpen Ab* 
georbnetenhaufe burch einen ooit ben Abgeorbneten Dr. ©eipe 
(fonferoatio), F«if) e * r °^n $eereman (dentrum), ©ößer (national* 
liberal) unb ©enoffen beantragten ©efefeentmurf roieber aufgerollt, 
ber in baS StentengutSgefefc unb feine ftaatlichen Dotirungen ein* 
begiepen miß „Heine ©eftfcungen, bie nur aus einem $aufe mit 
©artenlanb beftepen, rnenn ein fommunaler ©erbanb ober eine 
leistungsfähige gemeinnüfcige©augenoffen[chaftSlentengutSauSgeberin 
ift", unb roeiter beftimmt: „Für 1900 bürfett Slentenbriefe jum 
betrage oon 2 ©ißionen ©arf für biefen 3roecf oerwanbt werden. 
Für bie folgenben Fahre hat ber F^angminifter auf ©runb ber 
Berichte ber ©eneralfommifftonen ben öoepftbetrag ber gu biefem 
3roe<fe auSgugebenbe Stentenbriefe gu bestimmen." 

Der Antragfteßer Dr. ©eihe mies auf bie fojiale ©ieptigfeit 
beS eigenen £>eimS befonberS für Arbeiter put. ©on ben 
4000 ©ohnhäufem feines Streifes £>erforb feien 1700 digentpum 
oon ©igarrenarbeitern — unb feit 40 Fahren habe man bort noch 
nicht einem Streif erlebt. Der Antrag woße bie Stentenbanlen 
jur ©ilbung oon Stentengütern Heineren Umfanges, oon fogenanten 
Arbeiterroopnungen perangiepen. Der Staat laufe babei fein Stififo, 
mie bie 9feicpS*©erftchenutgSanftalt ®üffe!borf geige, bie 1730000 <AL 
bireft an Arbeiter gum ©au oon ©ohnungen — bisher ohne ©er* 
Iuft — auSgeliehen pabe. Arbeiter biete aufjer mit ber 

©opnung mit feiner ArbeitSfraft eine ©arantie. Fn ber ©eratpung 
ergriffen in mehr ober minber guftimmenben Sinne bie Abge* 
ordneten oon Stiepenhaufen (fonferoatio), F«ih err oon 3 c &life (frei* 
fonferoatio), Dr. §ipe (dentrum), ©ößer (nationalliberal), ©olb* 
fchmibt (freiftnnige ©olfspartei) unb ©raf gu ßimburg*Stirum 
(fonferoatio) baS ©ort unb betonten befonberS auch bie $otp* 
roenbigfeit oon Arbeiterfolonien in ber Peripherie ber Stäbte unb 
bie ©opnungSinfpeftion. Der ©icepräfibent bes preufjifcpen 
StaatSminifteriumS, Finangminifter Dr. oon ©iquel, fpra<h roieber* 
holt in „einigen perfönlichen ©emerfungen gu biefem Antrag", bie 
aber bie «Stellung ber Regierung im ©efentlidpen roohl roiber* 
fpiegeln bürften, gumal in ber ©etitionSfommiffion beS SteichStageS 
oom beauftragten StegierungSfommiffar gang ähnliche drflärungen 
über bie ©opnungspolitif ber Stegierung abgegeben rourben. 

Stach Dr. oon ©iquels Auffaffung bebeutet ber Antrag „bie 
©erantroortlidjfeit beS ©cfammtftaateS für baS gefammte ©opnungS* 
roefen im ßanbe" unb baS fönne „in ben .foitfequengen in oiele, 
oiele ©ißiarben hineingepett". Der Staat habe gunächft überhaupt 
feine Aufgabe, baS ©ohnungSbebürfni| gu befriedigen, es fei benn 
für feine eigenen ©eainten unb Arbeiter. Das StentengutSgefep 
biene einer grunbfäplicp gang oerfchiebenen Aufgabe als ber pier 
gu löfenben. Der Antrag paffe für bie Stäbte nicht — bie ftäbtifepe 
©eoölferung braune feinen ©arten unb fönne ihn auch nicht er* 
fcpwingen — unb bie gange £anbroirtpfcpaft habe oon ber Sache 
ebenfalls nichts, benn oie ©utsbefiper roürbeit nicht auf ihren 
eigenen ©ütern ©runbftiicfe gum digentpum an dritte geben. Fn 
ber ©opnungsfrage fteefe nicht nur oie Frage: ©ie roeit fann ber 
Staat mihoirfen?, fonbern auch bie weiteren Fragen: hätten bie 
Kommunen baS ihnen Dbliegenbe bereits geleiftet? Fn welchem 
©ape fönnten bie Kommunen bireft ober inbireft bie ©erbefferung 
unb ©ermehrung ber ©ohnungen für Arbeiter förbern? §abe 
man burch bie ©auorbnungen ben ©au folcher ©ohnungen er* 
leichtert? ober burch bie fommunale ©efteuerung in nennenswertem 


Umfang: $abe man ft<h bemüht, gemeinblichen ©runb unb ©oben 
für fotase 3n>ecfe bittig abgulaffen? Fnt Aßgemeinen müffe man 
biefe Fragen gur 3^tt oerneinen. 

Auf bie Frage, wie roeit bie ©orbereitungen ber Stegierung 
für ben ©rlafe eines ©ohnungSgefepeS gebiehen feien, erHärte ber 
©inifter: Seit gm ei Fahren fänben in biefer Frage ununterbrochen 
©eratt)ungen in fämmtlichen SteffortS ftatt, unb eS feien befonbere 
Äommiffarien ernannt worben, bie baS ©orgeljen ber Staats* 
regierung in ©egug auf ben ©au unb namentlich bie ©enupung 
ber ©ohnungen erörtern, dr habe urfprünglidj, ehe er ©inifter 
würbe, ein SteichSwohnungSgefep — wie es ©rofeffor £ipe 
forbere — für möglit gehalten, bas fi<h auf bie Steßung oon 
©iitimalforberungen befchränfe; namentlich bie foberaliftifche ©er* 
faffung SDeutfchlanbS fteße bem aber faft unüberroinblid)e Schwierig* 
feiten entgegen. 0b es auf bie $)auer unmöglich fei, fei freilich 
eine anbere Frage. $)er ©erfudj einer einheitlidhcn ©auorbnung 
fei gegenwärtig noch gefdjeitert; beShalb habe man gu ©oligei* 
oerorbnungen feine 3uflud)t genommen, bie benn auch g. ©. im 
Stegierungsbegirf ©üffelborf erheblidje drfolge ergielt hatten, ©an 
fönnte ba namentlich auch einmal mit ©erlin anfangen, was er 
(©inifter o. ©iquel) für befonberS erroünfd)t halten würbe. Stach 
früherem gelegentlichem ©efprädse mit ben ©ürgermeiftern fönne 
er bei ber ©erliner ©ürgerfepaft eine gro&e ©eneigtheit oorauS» 
fepen, bie fdjwieriae Aufgabe ber ©ohnungSinfpeftion unter ©e« 
theiligung ber SelbftoerwaltungSorgane gu lofeit. 

dr hoffe hoch, ba& fchlieplich, fei es burch ©eftimmungen 
aßgemeiner Statur für bie gange ©onarchie, namenttich — 
worauf er perfönlich bas entfdjeibenbe ©eroicht lege, in ©etreff ber 
©enupung ber erbauten ßofale — über ben obligatorifchen drlap 
oon ©oligeioerorbnungen in aßen StegierungSbegirfen, fei es 
wenigftenS burch oorläufig oerfuchSweife erlaffene Poligeioerorb* 
nungen für eingelne grofee Stäbte, ein roefentlicher Fortschritt er* 
reicht werbe. 2)ie ©orauSfepung fei eine ausgiebige ftänbige 
Sfontrole. $)ann fönne auch bie ©aufpefulation ficherer baS Fort* 
fchreiten beS ©opnungSbebürfniffeS berechnen, als jept, ba in bie 
alten ©ohnungen immer mehr neue ©emohner hineinfröchen. 
Seien einmal beftimmte ©orauSfepungen gefeplicper Art oorge* 
fchrieben, unter benen baS ©ohnen guläfftg fei, fo fönne bas nicht 
mehr oorfommen. dS fei bieS auch für anbere fogiale Fragen 
oon einer fehr gropen ©ebeutung, g. ©. für bie leichtfinnige An¬ 
häufung ber ©enfdjen in ben gropen Stäbten. 

3)er Antrag ging an eine Sonber-Sfommiffion oon 14 ©it* 
gliebern. Die in ber PetitionSfommiffion, wie oben erwähnt, anläptich 
einer Petition für ein SieicpSwohngefep abgegebenen drflärungen 
eines StegierungSoertreterS lauten nach bem amtlichen ©eriept: 

„Die AetcpSoerwaltung ift burdjbruugen oon ber popen ©ebeutung, 
rocldje eine ©efferung ber feopnungSoerpriltniffe ber unbemittelten unb 
ber arbeitenbeu ©olsflaffen für bie fogiale 9Boplfaprt unb bie fogiale 
l£tpif befipt. Demgemäp ift auep in neuefter 3eit bei ber ©eftaltung 
ber Stooeüe gunt ^uoalibcuoerficperungSgefep barauf ©ebaept genommen 
worben, für bie ©erficpenmgöauftalten bie ©öglicpfeit, Kapitalien gu 
SSopnungSgwecfen pcrgugcben, tpmtlidjft gu erweitern unb gu erlebtem. 
Unleugbar ftnb weitere wichtige Aufgaben auf biefem ©ebiet bur^ bie 
©efepgcbuug unb bie ©erwaltmtg gü löfen. 3 U begweifeln aber ift es, 
bap gerabe baS Steicp pier gunt Gingreifen berufen ift, unb niept otel* 
mepr ben ©unbeSftaaten bie erforberlicpen ©apnapmen gu überlaffen 
ftnb. Dies gilt fowopl oon ber SSopnungSpoligei, b. p. oom Grlaße 
bau* unb gefunbpeitspoligeilieper ©orfepriften über bie .f>erfteßung, 
©efcpap'enpeit unb ©enupung oon ©opnungSräumen, als auep oon ber 
©?opnungSfiirforge, b. p. oon ber Förbernttg ber ©efepaffung Billiger 
unb geeigneter ©opnungen für bie ärmeren 8cpicptcn ber ©eoölferung. 
Da fiep bie Petition auSfcplieplicp mit ber lepteren ?frage befepäftigt, 
erübrigt ein Gingepen auf biefenigen ©ebenfen, weld;e einem ©orgepen 
ber SteicpSgefepgebmtg auf bem (Gebiete ber SBopnungSpoligei entgegen* 
fiepen. Die Petition ift auf bie Grricptung befonberer ©epörben gur 
görberung einer pofitioen ©opnungsfürforge (SSopnungSfontmifftonen) 
unb auf ©etoäprung oon Sieicpsfrebit gu bem gleichen $u>etfe gerichtet; 
fie befepäftigt fiep fonadj mit Fragen ber SBopIfaprtspflege, toelcpe im 
Aßgenteinen Sacpe ber Giugelftaaten ift unb pier auep aus 3wed* 
mäpiafeitsgriinben ber SSirffamfeit ber fianbeSbcpörben gu überlaffen 
fein Dürfte. Das ©ebürfnift ttaep fterftellung billiger unb gefunber 
Heiner ©opnungen unb ttaep öffentlicher, inSbcfonbere auep finangießer 
Unterftüpung ber pierauf gerichteten ©eftrebungen ijt örtlicp in popem 
©rabc oerfepieben unb baper nur burep ^anbeSbepörben fadjgemäp gu 
beurtpeilen. ©enn aber bie Gutfipeibung bariiber, ob unb wieweit bie 
pofitioe ©opnungsfürforge burdj bepörbiidjc Dpätigfcit unb dewäprung 
öffentlidier HRittel ober öffentlichen ifrebits gu unterftüfeeu ift, in ben 
fänben oon ^aubesbepörben ju belaffeu ift, fo wirb auep bie @e= 
Währung oott Staatsmitteln ober oon öffentlichem 5ircbit 8adje ber 
Gingelftaaten bleiben mitßen. Die Petition bürfte baper nicht gur ©e= 
rürffteptigung gu empfeplen fein." 




1048 


1047 ©ogtale $rajis. ©entralblati für ©ogialpolitif. Nr. 39. 


JUlgemeine Storni- unb l irt^djoftepolitik. 

$tc Sohn* nnb AnffeÄungStief hiltttiffe ber Arbeiter ber ffhtoetgerifdfeei! 

BmtbeSberwattimg* 

Auf baS oon bem ©tänberatfe auf Antrag bcS ©ogialiftenfüfererS 
©ußfdfelegel im §erbft 1897 ergangene Boftulat: „$)er BunbeSratfe 
wirb eingelaben, gu prüfen unb barüber Beriefet gu erfiatten, ob 
niifet bie £ofen* unb AnfteflungSoerhältniffe ber minbeftenS gwei 
Sabre im $>ienfte ber BunbeSoerwaltung ftefeenben unb oollbe* 
fdfeäftigten Arbeiter gefefelid) gu regein feien", ift ein einaefeenb be* 
grünbeter Beridfet beS BunbeSratfeeS ergangen, ber bie Ablehnung 
beS Antrages empfiehlt. ©S feanbelt tiefe hierbei um etwa 20 Be* 
triebe mit 1700—2000 Arbeitern, ber Nfcfergafel nach im $)ienfte 
ber Niilitäroerwaltung. ©ie finb alle mit oerfchminbcnbeu Aus* 
nahmen ©dferoeiger Bürger, crtoachfen, männlidfeen ©efdfelecfets unb 
untergeben bem eibgeitofftfc^cn Sabrifgefefe. $ie bem BunbeSratfe 
mit bem ^oftulat unterbreiteten ©ünfdfee ber Arbeiter beziehen fidfe 
einerseits auf bie AnftelluitgS*, anbererfeits auf bie Sohn* 
oerhättniffe. 

$)ie in erfterer Begiefeung ocrlangte ©leidfefteüung mit ben 
eibaenöffifdhcn Beamten unb Angeftellten lehnt ber BunbeSratfe 
enffefeieben ab. Bei ber Anftellung ber Beamten hobele eg fi<h, 
fo begrünbet er feine Haltung, um eine ocrhältnifemäfeig Heine 
3ahi oon $erfonen, beren £üdfetigfeit burch eine Prüfung unb ben 
^robebienft, bei bem bie Braudjbarfeit bes Beamten mel fidfeerer 
m erfenneit ift, als biejenige eines Arbeiters, gewäferleiftet fei. 
Aucb erhielten bie Beamten für aufeerorbentlicfee Arbeiten feine 
©ntfdfeäbigung unb müfeten fidfe gubem einer Neuwahl untergiefeen. 
$>ie Anftellung oerbiete fi(h aber fchon im Sntereffe eines rationellen 
Betriebs wegen ber ©dferoanfuttgen beS BebarfS an Arbeitsfräften, 
bie g. B. in ber SfonftruftionSroerfftätte 60%, m ber ©affenfabrif 
17% betrügen, ferner fönnte man eine fnrge EüubiguitgSfrift 
als bas einzig roirffame 3)iSgiplitt* unb DrbnungSmittel 
nidfet entbehren. Aus gleichem ©ruitbe fei bie ©cfeaffuitg einer 
neuen Snftatu für bie Unterfudfeung bei ungerechter ©ntlaffung ab* 
gulefenen. ©benfo roirb bie Sorberung ber Arbeiter, bie 3 a h^ ber 
Seferliitge auf feöcfeftenS 7 % ber Arbeiterfcfeaft gu normiren, ab* 
elefent, ba in ben BunbeSbetrieben nur bie SNinbergafel ber Ar* 
eiter eine Sefergeit burchgumachen habe unb fidfe Die 3afel ber 
Lehrlinge nad) bem Beftanb beS BebarfS an Arbeitern ri(f)te. 

$)ie Sreigabe beS l.Nlai unb bie ©ewähruna eines oiergehn* 

S en Urlaubs in jebeut Safer roirb ebenfalls abgelehnt, ba bie 
erung oom ©tanbpunft eines rationellen Betriebes aus unb 
mit Niicffidfet auf bie Sßrioatinbuftrie bebenflidfe fei. Aufjerbem 
rourbe als ©runb ber ablehncnben $altuna eine Bermiuberung 
beS SahreSoerbienfts ober eine Beteuerung Der Arbeit um 0, 4 % (!) 
angegeben. 3>cr Adfetftunbentag rourbe abgelehnt, ba ber ©prung 
oon Der jefeigen 11* refp. lOftünbigen ArbeitSgeit gu ber 8 ftiinbigen 
ein gu gewagter fei unb auch fein ©runb eingufefecn fei, warum 
bie Bunbesarbeiter, bie ff<fe einer burchfchnittüch fürgeren ArbeitS* 
bauer erfreuten, oor ihren BerufSgenoffen fo fehr beoorgugt werben 
fottten. 

©aS bie Sofenoerfeältniffe anlangt, fo ift bem BunbeS* 
rath bie Sorberung ber gleichen Begabung ber Frauenarbeit an* 
nehtnbar, falls bie Arbeit bie gleite nach Seiftung unb ©üte fei. 
©ine regelmäßige obligatorifdfee Sofenaufbefferung oon brei gu brei 
Saferen im Betrage oon 300 SrcS. wirb mit Nücffidfet auf bie 
Berfcfeiebenartigfcit ber Arbeiter nach Steife unb Seiftungen abge* 
lehnt. 2)ie begehrten 3 u fcfeläge für Nacht* unb lleberarfeeit feien 
nur tfeeilroeifc höher als bie bereits in ben BunbeSroerfftätten üb* 
licfeen (25% fürSEagcS* unb 50% für Nachtarbeit). SDie ocrlangte 
©eiterbegafeluna bes Lohnes in ÄranffecitsfäHen roirb unter |>in* 
roeis auf bie tfeatfäcfelich fefeon beftehenben Nfißftänbe (©imulahon) 
abgelehnt, im Uebrigen werbe auch bie ftranfen* unb llnfadoer* 
fiefeerung Nefferung bringen. Nacfebetn in ber BolfSabftimmung 
bie Benfionirung Der Beamten abgelehnt worben ift, roirb auch 
bie SpenfionSberecfetigung oerroorfen. Qk Btehrgahl ber Betriebe 
befifee übrigens NlterS* unb ©terbefaffen mit beträchtlichen BunbeS* 
gufchüffen. £ie Normirung eines 3RinimallohnS rourbe abgelefent, 
ba fie gunt Slusfcfelufe ungefefeiefter, aber williger unb in ihrer 
£eiftungSfähigfcit geminberter, gebrecfelidjer ^erfouen groingc. 

^)cr BunbeSrath fd)liefet feinen Beriefet mit ber Bemerfung, 
bafe er, obgleid) jeber Xenbeug nach Bejferung beS ^ofeitcs ber 
Arbeiter in ben ©djranfen ber NJöglid)feit unb (^eredjtigfeit feolb, 
in ben ©ünfefeen ber Bunbesarbeiter biefe (Garantien nidjt erblicfen 
fönne unb baooit abfefeen muffe, ben Nnfpriicfeen ©eniger gu Un* 
gunften ber BJeferfeeit gu eutfpreefeen. ®as ©ofel ber Nflgeineinfeeit 


im Nugc befealtenb, werbe er beftrebt fein, audfe fernerhin foioohl 
in feinen ©tabliffementS als auf anbere ©eife bie ©ohlfafert beS 
fehweigerifdfeen NrbeiterftanbeS gu förbern unb gu heben. 

SDagu roirb uns aus ber ©chroeig gefeferieben: ff 5Ran mufe bem 
BunbeSratfe barin beiftimmen, bafe bie NnftcdungS* unb ßohnoer* 
hältniffc ber Arbeiter nicht in gleicher ©eife wie bei ben Beamten 
geregelt werben fönnen; allein er hätte bodfe auch nicht einen fo 
feferoff ablefenenben ©tanbpunft einnehmen unb herbei immer 
roieber bie öefafer für bie ^rtoatinbufirie unb ben Neib ber 
Sßrioatarbeiter betonen foflen. $>ie BunbeSbetriebe follten SRufter* 
anftalten fogialer Sürforge fein; ber Bunb foll nicht nur ben 
Slrbeiterfchufe anbefehlen, fonbern felbft audfe geigen, wie er i£>n in 
ber ^rajiS auffafet. Neib roirb er immer erroedfen, allein, roenr. 
er hierauf 9iücffic|t nefemen wollte, fo thäte er bann beffer, feine 

t ähbe in ben ©dfeofe gu legen, lieber eine Neihe ber oon ben 
rbeitent geftelltcn ©ünfefee benfen jefet fdfeon manche ßeiter 
gröfeerer ^Srioatbetriebe roeitfeergiger als ber BunbeSratfe; mir er* 
innern nur an eingelne ©ifenbafengefeHfcfeaften, unb es wäre boefe 
betriibenb, wenn beim beoorftefeeuben Üebergang ber ©ifenbafenen 
mit iferen 20 000 Arbeitern an ben Bunb bie neue Drbnung 
fogialpolitifcfe einen Nüdffdferitt bringen roürbe." 

tlmtlicfee Erhebungen über 3lrbeitSfämpfe in ißreufeen. ©ir 

haben fürglicfe fdfeon bei ber Befpredfeung ber erften amtlidfeen Streif* 
ftatiftif (oergl. „©ogiale BrafiS" ©p. 974) erwähnt, bafe bei ben 
©rfeebungen audfe Berichte ber ©eroerbeinfpeftoren unb ber Parteien 
felbft gur Berroenbung fommen. Nun roirb ber ©ortlaut ber 
hierauf bezüglichen Berfügung ber Nttnifter beS 3nnem unb für 
|>anbel unb ©eroerbe befannt; fte fdfereibt oor: 

„^a für bie in bie Nacferoeifungen über bie ©treifö unb 
SluSfperrungen aufgunefemenben Angaben bie DrlSpoligeibefeorbeit 
im ©efentUcfeen auf ©rfunbigungen bei ben Beteiligten ange* 
roiefen ftnb, fo erfdfeeint es, bamit ein möglidfeft objeftioes 
Bilb beS ©achoerfeältniffeS gewonnen werbe, erforberlicfe, bafe bei 
biefen bie Sntereffen beiber ifeeile berüferenben ©rfunbigungen fo* 
roofel Arbeitgeber als audfe Arbeitnehmer benicfRcfetigt werben. 
^)ie DrtSpoligeibefeörben finb bafeer mit entfpredfeenben ©cifungen 
für bie ©ammluna beS SNaterialS gu oerfefeen, unb es ift gugleidfe 
Anorbnung gu treffen, bafe bei ber Nachprüfung ber Nadferoeifungen 
bie ©eroerbeauffidfetsbeamten in tfeunlidfeft weitem Umfange 
beteiligt werben." 

$>äs ift eine in feofeem Niafee erfreulidfee, wenn audfe eigentlidi 
felbftoerftänblidfee Anorbnung. §ätte man ftefe biefer Nletfeobe 
auefe bei ber ^)enffchrift gum ArbeitSwilIigen*©efefe bebient, fo 
feätte biefe nidfet bie jefeige traurige Berühmtheit erlangt 

$ie Nechtfprecfenng unb bie Arbeiterbewegung« Aus 3uriften* 
freifen wirb uns gefdferieben: 3n ber Sorm mo^te ber Bortourf, 
ben ber Abgeorbncte Dr. Sieber in ber Neicfestagsfefeung oom 
20. 3uni ben ©eridfeten in Begug auf bie Aburteilung oon ©treif* 
oergefeen unb überhaupt alle mit ber Arbeiterbewegung uiimittel* 
bar ober auch nur mittelbar gufammenfeängenben ©traftfeaten 
maefete, oieHeicfet gu weitgegangen fein. ^)afe er ihatfädfelidj niefet 
unberechtigt war, bürfte Niemanb beftreiten, welcher bie Necfet* 
fpreefeung feit ben lefeten 3afe«n aufnterffam beobachtet unb ffefe 
babei bie Säfeigfeit einer objeftioen ©iirbigung audfe bewahrt hat. 
Unter ben gafelreicfeen unliebfamen Begleiterfdfeeinungen ber heutigen 
politifdfeen unb fogialen 3 u ffänbe in SDeutfdfelanb ift biefe Ser* 
irrung ber Nedfetfpredfeung mit bie aßerunerfreulicfefte. 'Siafe bie 
BerroaltungSbefeörben bei ber Auslegung ber ©efefee eiufeitig unb 
oorurtfeeilSooll oerfaferen, erregt fdfeliefelidfe feine Berrouitberung 
mefer, bafe bie $anbfeabung beS AnflaaemonopolS ber ©taats* 
anroaltfdfeaft oielfadfe niefet mit ber Dbiemoität erfolgt, bie boefe 
bie erfte BorauSfefeuttg für bie bauernbe Aufredfetfealtung biefer 
©inridjtung ift, überrafefet audfe nidfet mefer nadfe beit Erfahrungen, 
bie man hiermit in oerfefeiebenen Sänbern gemadfet hat; bafe aber 
audfe bie ©eriefete niefet im ©taube finb, fidfe oon bem Bann ber 
Älaffenoorurtfeeile unb Älaffenanfcfeauungen gu befreien, bafe bei 
ber feoefeften Aufgabe, bie überhaupt bem ©taate obliegt, ber reefet* 
gebenben unb recfetfprechenben, baS ©ubftrat ber gefelifdiaftlidfeen 
Nieinungen in ber ©eife ein einflufercicfecr Saftor ber Necfetfpredfeung 
wirb, in weldfeer bieS in ^eutfcfelanb ber Satt ift, baS Jonnte 
allerbingS auefe oon ben Beffimiften nidfet erwartet werben. 

©S ift fefer gut, bafe biefer ©rfdfeeimntg einmal audfe feitens 
ber aufeerbalb ber ©ogialbemofratie ftefeeitben Parteien Auf* 
tnerffamfeit gugeroenbet roirb unb baS Parlament feat, bei ooller 
©aferung bes ©runbfafeeS oon ber Stfeeilung ber ©ewalten, nidfet 
nur bas Ncdjt, fonbern gerabegu bie ^flicfet, fidfe hiermit gu be* 



1049 


©ogtale prägte. dentralBlatt für Sogialpolitif. Rr. 89, 


1050 


fcßäftigen. 3e fcf)ärfer unb unerbittlicher bie Kritif, bie an ber 
Rechtspflege geübt wirb, um fo beffer oor Allem, für biefe felbft, 
benn nur bann fann bie RedjtSübung bas ihr oerloren gegangene 
Vertrauen wieber erlangen, wenn fie fid) non ber Beeinftuffnng 
burch bie Anfcßauungen einer beftimmten klaffe frei gu machen 
weiß. Daß für bie dinfeüigfeit ber Rechtsübung ber Arbeiter* 
beroegung gegenüber bie ungureießenbe Ketttilniß biefer nicht in 
lefcter fiinie oerantwortlicb gu machen ift, unterliegt fchroerlich einem 
3meifel. Die einfeitige Ausbilbung ber Furiften, bie nach oer* 
fchiebenen Richtungen hin fo unbefriebigenbe drgebniffe ber Recht« 
fpreeßung aufguweifen hat, rächt fich auch hier. 

(Sin britifdjeS Uribett über beutfiie Arbeiter. „The Eogiueer“, 
ein für Arbeitgeber uno DecßniFer beftimmteS Facßblatt, unterfueßt 
in feiner lefcten Bfai*Rummer bie ©rünbe, warum bie britifche 
Snbuftrie neben ber amerüanifchen bie beutfeße Konfurreng gu 
achten, um nicht gu fagen gu fürchten habe. linier & en £>aupt* 
grünben für baS ©ebenen ber beutfehen Snbuftrie führt ber Ar* 
tifel an leitenber Stelle bie berufliche DiSgiplin ber beutfehen Ar* 
beiter an unb fagt barüber wörtlich: ,,B?ait fann jeßt in Deutfcß* 
lanb weber Fabrifeit noch Bßerfftätten irgeitb welcher Art bcfucheti, 
ohne feftguftetten, baß in ihnen allen bie DiSgiplin außerordentlich 
gut ift. BJögen Arbeiter in ihrer freien 3°^ am*) noch fo oiel 
fogialbemofratifch rothe Anficßten äußern, wie eS ihnen gefällt, auf 
ber ArbeitSftätte fiitb fie geljorfam unb haben DiSgiplin. Das 
Refultat bauon ift, baß fie mit einer „dinßcit" arbeiten, bie man 
feljeit muß, um fie gu glauben.— Das flingt anberS als bie 
„SDenffcbrift" unb bie beweglichen Klagen mancher beutfehen Ar* 
beitgeber über bie Btocbtgelüfte unb 3»d)tlofigfeit unferer Arbeiter. 

Der ArbeitSbeiraih tu Otfttvttid). Die nächfte (IV.) 0ißung 
finbet, wie uns aus B3ien gefchrieben wirb, am 10.3«li im 
ar beitsftatiftifchen Amte mit folgenber Tagesordnung ftatt: 

1. SRittheilungen. 2. ’SÖerti^t über bie am 2., 3. unb 4. SRai ab* 
gehaltene (iuquete, betreffenb bie Statiftif ber ArbeitSoermitteluug. 
3. Borbericßt über beit Arbeüerfchuß bei Vergebung öffentlicher Arbeiten 
unb Lieferungen unb SBahl eines AuSfchuffeS jur Beratung biefeS 
©egenftauöcS. 4. Bericht über bie ©rgebuiffc ber für beit 26. lefcten 
SRonatS einberufenen Enquete über bie Lage ber Heimarbeiter in ber 
Üonfeftionsinbuftrie. 

Der Arbeitsbeirath itt £)efterreicb entfpricht etwa ber Korn* 
tniffion für Arbeiterftatiftif in Deutfcßlanb. Söäßrenb aber ber 
elftere eifrig an ber Arbeit ift, muß bie gweite feiern. Die leßte 
0ißung ber beutfehen komntiffion, in ber bie AuSfunftSperfonen 
über bie Berßältuiffe im ©afi* unb 0<hanfgemerbc oernommen 
würben, bat ®ont 17. bis 21. Rooember 1898 ftattgefunben, alfo 
oor 7V 2 Btonaten! Das war bie eingige Tagung ber Korn* 
tniffion im gangen lebten Sabre, 3nni 1898/99. Unb noch hört 
man nicht bas ©eringfte oon einer diitberufung, bie befauntlich 
allein ber Regierung guftebt.. 

befrei über „poliiifdje Btaßnabmen" itt Statten, Durd) 
königliches ®efret oom 23. Suni werben folgenbe Blaßnabtnen 
angeorbnet: 

Rach Artifel 1 faitn bie poltget aus ©rüitbeit ber öffentlichen iurb* 
tuitig öffentliche ^ufammeurotUingen unb Berfammlungen oerbieteit; 
gittoiberhanbelitbe werben nach Artifel 434 beS «trafgefeßbucbeS be* 
[traft. Artifel 2 uuterfagt bei Strafe bis gu einem SRoiiat Haft ober 
Olelbftrafe bis gu 300 Lire bas öffentliche fragen ober AuffteHen oott 
aufrührerifchett Reichen, Stanbarteu ober dttiblcmen. Artifel 3 feßt feft, 
Öaß ber Riinifter bes Fmierti außer ben uerbrecherifdieit Bereinigungen 
aud; folrfjc auflöfett fann, welche begwecfeit, auf beut s Bege ber Tqat bie 
fogtalen (linrichtungett ober bie 0taatsoerfaffung untguftürgeu. Teit auf* 
gelöften Bcreiuen fteht Berufung an beit Staatsratf) gu. BJenn bie 
aufgelöfteit Berctne ftch aufs Reue foitfütuireit, fo werben bie Förberer 
ber Bewegung unb bie Borftänbe mit Haft bis gu 3 SRouaten ober 
©elbftrafe bis gu 1000 Lire beftraft. Artifel 4 befagt: „SLeun brei 
ober mehr Beamte, Agenten ober Arbeiter bei difettbahneit, ber poft, 
ben Telegraphen, bei Auftalten gur öffentlichen Beleuchtung mittels ©as 
ober ©leftrigität fidj gutit Ausftanbe uerabreben, werben fie mit Haft 
bis gu brei Bfonateu ober mit ©elbftrafe bis gu 1000 Lire beftraft. 
Die Förberer ber Bewegung unb bie Rührer werben mit Haft bis gu 
6 SKouaten ober au ©elb bis gu 3000 Lire beftraft." Tie Artifel 5 
bis 9 begiehen fich auf bie treffe unb beftimnten, baß alle ftrafred) Hießen 
Beftimntungen, betreffenb llebertrctungeu bcS Brcftgcfcftcs unb burd) bie 
^reffe begangene Berbred)eit auf ben oerautwortlidjeu Leiter eines 
Blattes unb auf bie Berfaffer unb Rtitarbeiter ber als ftrafbar begeid)* 
iteleit Beröffeutlichuug Attmeubuitg gu finben haben. Artifel 10 beftimmt, 
ba& bas Tefret am 20. £;uli in Äraft treten fofl. 

3)as Tefret geht fofort öem Parlament gu behufs Umtoanb* 
luncj in ein ©efefe. 2)er gufamnten mit bem Tefret oeröffentlidjte 
^Bericht beS RttnifteriumS an ben Völlig befagt: T)ie T)eputirten* 
famrner genehmigte am 4. Biärg b. 3$* mit fehr großer Btehrheit 


bie grunblegenben 3been beS ©efefcentmurfs. Ruitmehr aber hat 
eine Heine RHnöerheit ftch offen Me Berhinberung ber enbgültigen 
©enehmigung ber Bortage gum 3^ 6 c f e ^- AnaefichtS biefer 
ßage tnufe bie Regierung @orge tragen, ba§ ber 2öiÖe unb baS 
Recht ber RIehrheit obfiegen fönnen, baher hat ber SRinifterrath 
einftimmig befchloffen, bem Röntge oorgufchlagen, burch Berorb- 
nung bie wefentlidjften Beftimmungen biefer Borlage gu fanf* 
tioniren, bereu Wortlaut bem oom BartameutSauSfchuffe ange* 
nommenen entfpricht. Söenn biefe Berorbnung erft am 20. 3utt 
in £raft tritt, bleibt bem Parlamente oolle Rlöglichfeit, barüber 
oor ihrer Anmenbung gu beraten unb gu befchliefeen. 

ArbettSftatiftt! in Ungarn. Sie bie „Bub. torr." melbet, hat 
ber HmnbelSminifter fcj c drgäitgung ber oor einem 3ah*e in An* 
griff genommenen fabrif* unb lohnftatiftifchen T)aten ins Auge ge* 
fafet. Boährenb bie bisherigen Arbeiten bie (Schaffung eines 
ftjftematifdjen 3abrif*0tammbucheS unb befonberS baS 0tubium 
ber Arbeiteroerhältniffe anftrebten, füllen bie neuen Aufnahmen bie 
eingehenbe drforfchung ber ProbuftionS* unb ßebenSoerhältniffe ber 
Sabrifiubuftrie gum ditbgwecfe haben. Rieht eine giffermäfcige 
0tatiftif, fonbern bie getreue unb möglichft betaillirte Befchreibung 
jebeS 3ubuftriegweigeS wirb angeftrebt, fo baü nadh ber erfolgten 
Durchführung biefer Arbeiten jeber eingelne ^nbuftriegweig über 
eine betaillirte 0pegialbiographie oerfügen wirb. Der SRiniftcr 
plant bie Durchführung biefer Arbeiten gruppenweife burch 0pe* 
gialifteu an 0rt unb Stelle oornchmen gu laffen unb gwar foH 
baS gange Söerf burch SachfeHion ber ©ewerbeförberung ge* 
leitet werben. Borläufig fofien bie Arbeiten blofe auf bie fabrif* 
iitbuftrie auSgebehnt werben, währenb baS Kleingewerbe anläßlich 
ber am legten Tage beS nächften 3ah^ burchguführenben BolfS* 
gählung aufgenontmen werben foH # worauf bereits bei ber Rebi* 
girung ber BolfSgähluugSblätter Bebaut genommen werben foll. 
Die Arbeit foH tn ber möglichft größten Deffentlichfeit oor fich 
gehen unb eS füllen hiergn fowohl oor ber 3»angriffnahme ber 
Datenfammluttg als auch na ch ber Kompletirung bes RlaterialS 
bie ^eroorrageubften Fachmänner beS praftifchen fiebenS h^an* 
gegogen werben. 

Sojtal* Jnflätide. 

©nqnete über bie Sage ber Heimarbeiter in ber öftarreidjifchett 
ftonfeftionSinbnftrie. 2öie wir feinergeit berichteten, hat ber Beirath 
beS arbeitsftatiftifchen Amtes in Defterreich in feiner Sifcung oom 
20. Biärg befdjloffen, dnqueten über Me Lage ber Hrintarbeiter [ n 
ber Kleiber* unb SSäfchefonfeftion unb ber Bergarbeiter bes Dftrau* 
Karwiner ReoierS gu oeranftalteu. Begüglich ber dnquete über 
bie KonfeftionSinbuftrie würbe ein genauer plan burchberathen. 
Am 26. 3«ni hat nun biefe drhebung ihren Anfang genommen. 
3ur FragefteHung an bie eingelnen d^perten finb brei Fragebogen 
entworfen, unb gwar je einer für bie Konfeftionäre, bie 3mifchen* 
meifter unb bie Arbeiter, in bereu febein bie eingelneu Fragen nach 
©ruppen gfeorbnet finb. 

werben au bie Unternehmer Fragen geratet über ©egenftaub 
unb Art bes ©cfd)äftsbctriebes, über bie Söerfftättenarbeiter, unb gwar 
über 3mifchennteifter unb über bie unmittelbar befchäftigten Hrim* 
arbeiter. An bie ^wifdjenmeifter unb an bie Arbeiter werben gunädjft 
Fragen allgemeinen dljarafterS (über bie Branche, bie perföitlidjen Ber* 
hältniffe u. f. w.) gerichtet, bann folgen Fragen über bas Berljältnifc 
gum Arbeitgeber (Art ber Anwerbung, Art bes Berfehrs mit bem Unter* 
nebmer, Löhne, Ablieferung unb Abrechnung, Art ber Befchäftigung, 
Tauer ber Arbeit, drfahrungen mit bem ©ewerbegeridjt), |d)lief}lieh 
wieber AttgemetneS (Fahresoerbieuft, Auslagen, Lebenshaltung, 
Crgauifationj. Bei ben ;jwifchenmeiftern fdjiebt fich uod) eine eigene 
©ruppe oon Fragen, nämlich über Söerfftätte unb HülfSarbeiter 
(Arbeitsräumlichfeiten, Arbeit gu Haufe unb aufter Haufe, Lehrlinge, 
Art ber Anwerbung, Löhne ber HülfSarbeiter unb Anberes) ein. 

Arbeiteroerhättniffe itt ben ©ifentoerfe» oon fie (Srettfot itt 
pfrattfreich« lieber bie 3«ftanbe in bem größten inbuftrieüen dta* 
bliffement FranFrei.d)S, oon bem wir in Rr. 36 @p. 984 aus Anlafe 
eines allgemeinen AuSftanbeS gefprochen haben, entnehmen wir 
einer prioaten dnquete beS „DempS" bie folgenbeu Angaben. 2Bir 
erinnern hierbei, bafj biefe Unternehmung eine Hamburg bes 
patriarchalifchen FabrüfeubaliSmuS barftellt, in bem ber Arbeiter 
burch eine Füße oon BBohlfahrtSeinrichtungen in eine politifch 
mißbrauchte Abhängigfeit oerfefct wirb. B5as gnnächft baS Ber* 
hältniß oon Arbeitgeber* unb «nebmer im Allgemeinen betrifft, fo 
geigt fich ftets beutlidjer, baß baS ©efüßl ber 0oIibarität, baS 
nodj oor 30 unb 40 3ah«n berrfeßte, ficß feßr rafcß auflöft. Der 
Arbeiter oerlangt 0elbftftänbigfeit in feinem prioatleben, oor Allem 




1051 


Sogtale IßrajiS. (Sentralblatt für Sogialpolitil. 9fcr. 39. 


1052 


greiheit in feinen politifchen Anfchauungeit. (Gegenüber ber be* 
ftänbigen politifc^en Beoormunbung beS Unternehmers war es bem 
SogialiSmuS leicht, in ben Arbeitermafien breiten Boben gu finben. 
TaS gamilienhaupt ber gegenwärtigen ßigenthümer, ^err dugen 
Schneiber, ift Teputirter beS BegirfS unb repräfenttrt in ber 
inneren ^Solitif gemäfgigt-fonferoatioe AnRhauungen mit ntonardji* 
ftifdjer gärbung, roährenb bie Arbeiterfdjaft republifanifd)*fogialiftif(h 
gefinnt ift, troßbem aber bem Brobherrn gum Bkhlfiege oerhelfen 
mufj. Snbeffen geigt baS mit jeber föeuroahl 3 u fonftatirenbe An* 
warfen ber auf ben fogialiftifchen ©egenfanbibaien fallenben 
Stimmen fehr beutlid), bafj bie BSahl eines ArbeiteroertreterS im 
93 e 3 irfe nur noch eine grage ber 3 e *t ift* — Tie Unternehmung 
befchaftigt neben etwa 1200 Beamten gegen 10 000 eigentliche Ar* 
beiter. TaS (Sinfommen ber leßteren tft baS folgenbe: 


Tagelöhner. 2 , 50 — 3,75 grcs. pro Tag — 1 U b. ^erfonals 

(Gelernte Arbeiter . . . 4 ,40— 5, 00 = * — Vs * - 

$öf)er qualiftgirte Arbeiter 0,25—6,00 * * * — Vs * * 

3pegialifirte Arbeiter . . 6,00—8,00 * s , _ i; 8 s 

(Sinen Sohn oon mehr als 7 grcS. befommeit !aum 700 Arbeiter; 
barunter befinben Reh allerbingS folche, bie bis gu 15 greS. pro 
Tag begiehen. Trei Biertel ber Belegfdjaft bleibt mit ihren tag* 
liehen dinfünften bemnach unter 5 grcS. 

Sn ber bebrüefteften Sage befinben fid) bie Tag löhn er, bie 
in ber gabrif 3 U ben geroöhnlichften Tienftleiftungen oerroenbet 
roerben unb bie am roenigften oon ben 2öohlfahrtSeinridt)tungen 
profitiren. Sie finb in elenben SBohnungen in unmittelbarer SRälje 
ihrer BSerfftätten untergebrad)t, in benen fie für eine Diethe oon 
100 bis 120 grcS. nteift nur einen Baum für bie gange Familie 
befißen. gleifch figurirt fehr feiten auf ihrem Tifche. Kohlfuppe, 
Specf unb Kartoffeln bilben neben Brob bie ^auptnahrungSmittel. 
TaS übliche ©etränf ift entmeber BBajfer ober ein Abfub oon oer* 
fdjiebenen getroefeneten fjrud^ten, ber in glaRhen aufbemahrt roirb. 
Tie gamilten pflegen giemlic^ finberreid) gu fein. Bon 14 Sehren 
an föntten bie Knaben in ber gabrif 50 (StS. bis 1 grcS. am 
Tag oerbienen, bie Btäbchen werben roomöglich in ber Stabt be* 
fchäftigt. Bad) einer bireften Aufnahme fefct ft<h baS tägliche AuS* 
aabebubget einer Taglöhnerfamilie mit groei Kinbern in nieberem 
älter in folgenber Seife gufammen: 


Brob: 4 kg ä 26 (StS. 1,05 grcS. 

Sped: Vakg.o,«i 3 

Kartoffeln: 10 1 . 0,25 = 

Getränte.u,is = 

Sßohmmg: 120 gree. pro gabt* • * • Q/35 * 


gufamnten 2,40 gres. 


f>ingugufügen finb bie Ausgaben für Kleibung unb für öffent* 
liehe Steuern. Tie lefcteren belaufen fich für bie Tagelöhne oon 

2.50 grcS. auf jährlich 20 bis 25 grcS. Unter biefeu Umftänben 
ftnb faft ftänbig bie Söhne oon etma 1000 biefer Taglöhner ge* 
richtlidh befchlagnahmt, roaS nach frangöfifchem Bed)t bis gu Vi 0 
beS SöhneS möglich ift. 

Sn etwas befferen Berhältniffen befinbet fich ber gelernte 
Arbeiter. Seine gamilie ift gewöhnlich etwas Heiner, günf 
Kinber finb fehr feiten unb ber 3ufd)u§ ber Unternehmer, 60 grcS. 
für jebeS folgenbe Kinb, fdjeint nicht oielen gamtlien gu gute gu 
fommen. TaS tägliche AuSgabebubget biefer Schichten ift bei 

4.50 ÖrS. ßinfommen unb bei gwei Kinbern baS folgenbe: 


Brob: 3 kg a 26 (£tS.0,78 grcS. 

Bietn: 2 1 ä 50 (StS.l,oo = 

gleif dj: 1 kg.1,*> 3 

Butter, (Genüge :c.0,50 = 


Bhetl)e (3 Bäume): lso grcS. pro ga hr 0,50 = 
gufammen 3,98 grcS. 

Auch hier finb bie Koften ber Kleibung hingugufügen. §eiguttg 
ift wie für bie Tagelöhner frei. 

Ter Schulunterridjt ift unentgeltlich- Tie Knaben befugen 
bie ©emeinbefchulen mit Saienlehrern; bie Btäbchen werben oon 
Tonnen unterrichtet. Sieben ben (Slementarfdjnlen befteht eine ge* 
werbliche gortbilbungSfdjule mit 15 Sehrern unb etwa 100 Schülern, 
aus ber bie Monteure :c. aus ber gabrif h^roorgehen. 

(Sine befonbere Beachtung oerbienen bie K'onfutnoereine. Ta 
bie Sohngahlungen nur monatlid) gefdje^en, gehört bie Mehrheit 
ber Arbeiter biefen Bereinen an, bei benen fie einen Bionat Mrebit 
genießen. Bielfach wirb burd) biefeS Krebitgeben ber Bortbeil beS 
KonfumocreineS oöfüg iHuforifd), wenn aud) bie Bereine felbft fid) 
gut entwicfeln. (^s beftehen bereu gegenwärtig etwa 30, bie ihre 
iNagagine alle in eigenen Käufern untergebradjt haben. Sie finb 
übrigem?, obwohl anfänglich ootn Unternehmer fel)r geförbert, 
nach nach Serfgeuge gegen ihn geworben. Ta er bie Bil* 


bung einer eigentlichen ©ewerffthaft ftetS hintertrieb, fo nehmen 
bie Konfumoereiite im ©eheimen alle digeitfchaften gewerffd^aft* 
lieber Bereinigungen an unb bilben b e ute baS Zentrum ber Un- 
abhängigfeitSoeftrebungen ber Arbeiter. Ter thätigfte Seiter biefer 
(Menoffenfchaften, bem es wahrfdjeinlicb gelingen wirb, fie fämmtlich 
in einen großen Berbanb gufammengufaffen, ift ein auSgefprochener 
Sogialift. Tiefe @rfd)einungen tönneu in feiner Seife als Argu¬ 
ment gegen bie Konfunioereine ins Selb geführt werben. Sic finb 
nur ein Beweis, bafj ber Trang nach Unabhängigfeit hoch gum 
Siele gelangt, auch roenn ihm bie legalen Sege oerfdjloffen werben. 
Tie Arbeiter oerfolgen baS 3' e h ih r ^ Konfumoereine fo au^* 
gubilben, baR fie gegebenen gallS in ihnen bie Subfifiengmittel 
währenb eines großen AuSftanbeS finben. 


JUbeüttbettiegtmg. 

Ter TegtUarbettcrftreif itt Brünn* 

Bfan fchreibt uns aus Defterreich: Ten anbauernben Be* 
mühungen beS @ewerbe*3nfpeftorS im Bereine mit bem Statt* 
halter unb ber .£>anbelsfammer ift es enblich gelungen, ben Streif 
ber Brünner Textilarbeiter in einem AuSgletchS*Uebereinfommen 
beigulegen. ^abeu bie Arbeiter auch nidjt ben 3ehnR u n^ e ntag 
burchgefe^t, fo ift ihnen hoch eine Berfürgung ber ArbeitSgeit 
gugeftanben worben, bie bem S^nRun^^tage fehr nahe fommt; 
bie effeftioe ArbeitSgeit ift oon 62 3 / 4 Stunben wöchentlid) auf 
60V 2 im Sommer unb 60 im Sinter hcrabgefefet worben. An 
biefer Bebuftion ber ArbeitSgeit partigipiren 9000 Arbeiter. 9?adj s 
ftehenb bie Bebingungen beS llebereinfommenS, auf ®runb beffen 
bie Arbeit am 26. b. s JÄtS. wieber aufgenommen würbe: 

1. 3» fämmtlidicn BetricDeu ber Teytiliubufirie, mit AuSimbme 
ber Streichgarn* unb Bigoguefpiuuereieu wirb bie Arbeitsbauer, wie 
folgt, geregelt: 

3m Sinter, bas ift oom 16. Cftober bis 15. April, beginnt bie 
Arbeit um 7 Hin* Borgens unb bauert mit einftihtbiger SDttttagepauie 
bis V‘>7 Uhr AbenbS. gm Sommer, baS ift oom 16. Api*il bii* 15. £f* 
tober, beginnt bie Arbeit um '/a 7 llljr SKorgenS unb bauert mit ein* 
ftünbiger SKittagSpaufe bis 6 Uhr AbenbS. An allen Samstagen enbet 
aber bie ArbeitSgeit um 5 Uhr AbenbS. giir bie Auhepaufen wirb bie 
SÄinifterialoerorbnung oom 27. HKai 1885, 9tr. 82, als maß* 

gebenb anerfanut. 2. gn fämmtlid)en Betrieben ber Streichgarn* unb 
Bigognefpinnercien ftefjt eS ben Unternehmern frei, bie im Ab faß 1 
normirtc Arbeitsbauer eingufiihren. SSemt bie Unternehmer oon biefer 
Bered)tigung feinen (^ebraudj madjen, gilt bie im Abfaß 1 begcichnete 
Arbeitsbauer lebiglid) für bie Afforbarbeiter, währenb für fämmtlidje 
übrigen Arbeiter bie bisherige Arbeitsbauer aufrechterhalten wirb. Tie 
Unternehmer bewilligen ben für ben Tag entlohnten Arbeitern eine 
fiohnerljöhuiig oon 5 fr. pro Tag unb erflären weiter, nadj lieber* 
anfnahme ber Arbeit eine Lohnerhöhung ber Afforbarbeiter, ^aupi= 
fächlid) ber B?ulejennp=Spiimer, uorgunet)meu, unb wirb gu biefem Be* 
hnfe ein Komite ber Spinuerei*Uuternehmer unb ber Spiuuerei=Afforb* 
arbeitet* eingefeßt. 3. gnfofern burch bie eben getroffenen Bereitt* 
barungeu bie Beftimmuugen ber biSljer beftehenbeu ArbcitSorbnung be¬ 
rührt werben, wirb gur Boritahme ber nottjmenbigen Abänbcruugeu 
bas iiermaneugfomito ber Unternehmer unb bas Komite ber Arbeiter 
gufammeutreten. Tie burch bie eben getroffenen Bereinbarungen nidu 
berührten Beftimmungen ber gegenwärtigen ArbcitSorbnung bleiben bis 
gur (Genehmigung ber neuen ArbcitSorbnung aufrecht. 

gu bie neue ArbeitSorbnuug ift insbefoubere aufgunehmen, baß in 
allen Betrieben, auch in jenen, in benen eine Abfürgung ber ArbeitSgeit 
nicht bewilligt würbe, ber Beginn ber Arbeit fo feftgefeßt werbe, baß 
er in aßen Betrieben gu gleidjer 3 ei * erfolgt. 4. gn ben Spinnereien 
unb Appreturen wirb bie Badjiarbeü oom Samfiag auf ben Sonntag, 
falls unb infoweit oon ben Arbeitern barunt in ben eingelnen Betrieben 
erfucht wirb, aufgehoben. 5. Tie Arbeit ift in fämmtUdjcn Betrieben 
gleichzeitig aufgunehmen unb wirb beiberfeitS rüdfid)tlich ber Betl)eiligung 
ober Bichtbethciligung an bem leßteu Streif ein Oeueralparbon ert|eUt. 

Ter nun nach neun BSochen beenbigte Streif ift feineSwegS ber 
erfte Streif größeren UinfangeS, oon bem bie Brünner Söoü* 
inbuftrie betroffen worben ift. Schon 1875, als in ber Brünner 
BSollinbuftrie noch ber $anbroebftuhl oorljerrfchte, legten mehrere 
Tanfeitb Bieber bie Arbeit nieber, um einen ßohntarif für bie £mnb* 
weber 3 U crgiclen. Ter Streif enbigte nach fünfwöchiger Tauer 
mit einer Srieberlage ber Streifenben. Ter hierauf folgenbe Streif 
beS 3nh re ^ 1885 galt ber ooHeu Turdjfeßung beS gefeßlich bereits 
angeorbneten (SlfftunbentageS. Tic Arbeiter oerlangten Abfchaffung 
ber ÖrühftüdS* unb ^ad)mittag§paufe. AIS ihnen bieS oerweigert 
würbe, fam es gum Streif unb im Saufe beffelbeit würbe im 3«ni 
1885 bie gehnftiinbige ArbeitSgeit gum erften Bfal geförbert. Sdhott 
nad) Ablauf einer SLodje einigte» ftch Arbeiter unb Unternehmer 
auf eine wöchentliche ArbeitSgeit oon 62% Stunben. Bei bem 
britten großen Brünner Streif oon 1889, an bem fid) 15 000 Ar* 












1053 


Soziale Sßrajts. FEentralblatt für Sozialpolitik Ar. 39. 


1054 


beiter beteiligten, trnirbc neben einem feften ßoßntarif eine Bebu* 
Zieruitg ber tägigen Arbeitszeit auf 9 Stunbeu geforbert. Tie 
Arbeiter gingen aber halb non biefer urfpriingliten fjorberung 
ab unb oerlangten nur einen zeßnftünbigen Arbeitstag. Eine Ber* 
fünung ber Arbeitszeit mürbe bantalS nußt erreicht, unb aut ißre 
ßoßnforberungen oermot.ien bie Arbeiter nur tßeilroeife bunßzu* 
feßen. Troßbem bie oon einer Biaffenoerfammlung oon 10 000 
Textilarbeitern am 13. April 1896 an bie gröbrifanten geridjtete 
Sforberung, bie je^nftünbige Arbeitszeit unter ©eglaffung ber 
garüßftücfSpaufe proberoeife auf ein 3aßr einzuführen, oon ben 
Sabrifanten abgelebt tourbe, fam es bamalS nid)t zum Streif. 

BeacßtenSroerth ift folgenber S3erid^t ber ©iener „Arbeiter* 
Zeitung" über baS Enbe beS Streifs: „Ten BertrauenSmännern ber 
Arbeiter mürbe es nidjt leicht, einen beträdjtlid^en Tßeil ber 
3forberungen aufzugeben; aber fie fonnten unb burften bie Berant* 
mortung nitt auf fuß nehmen, einen oon Tag zu Tag härter unb 
ftroieriger unb oieileid^t aut jmeifelßafter merbenben Stampf fort* 
zufeßen, meil näßt alles erreitt mürbe. Sie fonnten meßt bie 
Berantroortung auf fit nehmen, baS heute Erreichbare etroa zu 

t efäßrben, unb ftließliiß eine Berfunipfung beS Streifs mit feiner 
)eSorganifation unb Temoralifation ßerbeizitfüßren, überbieS aber 
ber Brunner 3nbuftrie oielleicßt bauentben Stuben oßne jeben 
ftliefelit en $Rußen zuzufügen. So ftHeßt ber Stampf, roie er be* 
gönnen unb bunfygeführt mürbe, in ooller Drbnung. Tie 
Arbeiter merbeu nitt in übermütigen Siegesfubel auSbreten. 
Tie Brünner Unterneßmerftaft hat ftt ul® ein mättiger, hart* 
nädfiger unb gefäßrlußer (Gegner ermiefen; unb nur ber roaßrßaft 
großartigen TiSciplin ber Brümtec Arbeiter unb ber Hülfe beS 
gefammten Proletariats ift ber Erfolg zu banfen. Aitt Sieges* 
taumel alfo, aber berettigter Stolz auf ißre bebeutenbe uxoralifte 
ßeiftung unb ißren großen fozialpolitifcßeii Erfolg barf bie Brünner 
Arbeiterftaft erfüllen. Sie hat ben 3eßnftunDentag not nitt 
oötlig erobert, aber fie hat bie Baßn gebroten für bie ganze 
Textilarbeiterftaft Defterreit®." 


Tie ©encraluerfammliiiiq beS BerbanbeS ber beutften But* 
briufer hat bieSmal in ©amz, ber ©eburtsftätte unb bent Orte 
beS StaffenS beS ErfinberS ber Butbrucferfunft, ftattgefunben. 
BerbartbSbelegirte roaren 82 anmefenb. TaS AuSlanb mar burt 
einen Wiener unb ferner Telegirtert oertreten. Tie Berßanblungen 
begannen mit ber einftimmigen Annahme einer Proteft*Befolution 
gegen baS fogenannte „SudjtßauSgefeß", bie beut präfibium beS 
Beitrags telegrapßifd) übermittelt mürbe. 3 U bem Protefte 
glaubte ßt ber Serbanb umfomeßr berettigt, als im Butbrucf* 
geroerbc ber BeroeiS erbratt ift, baß es bei beiberfeitigem 
guten Villen rnöglit fei, auf bem ©ege ber Berftänbiguna bie 
roirtljftaftliten Kämpfe mefentlit Z u beftränfen. Tem Bmß* 
brueferoerbanb gehören 26 377 ©itglieber an. Seit ber leßten oor 
brei 3aßren in Breslau abgeßaltenen ©eneraloerfammluug bat ber 
Berbanb um runb 7000 ©itglieber zugenommen. Ter Vermögens* 
beftanb beS BerbanbeS, beS reitften oon allen beutften ©eroerf* 
ftaftSoerbänben, betrug Enbe ©ärz b. 3®- 2106 822 JL Tie 
©efammtfummc ber Unterftüßungen betrug in ben leßten oier Sauren 
Zufammen 3 202 865 J(, An Beifeunterftüßung mürben oerauSgabt 
501 899 J(, an ArbeitSlofen-Unterftüßung 449170, fonftige Unter* 
ftüßungS* unb UmzugSfofien 209 678 o//, Stranfen * Unterftüßung 
1374 890, 3noaliben*llnterftüßung 538 172 unb Begräbnißgelo 
79 055 jiL Tie (Zentral * 3uoalibenfaffe in ßiquibation oerfügte 
Enbe 3Rärz er. über ein Vermögen oon 769 365 *,//. Tie Sn* 
oalibenzaßl betrug 199. Es mürbe fonftatirt, baß bie Tarif* 
gemeinftaft überall zur Befferung ber roirtljftaftliten Sage ber 
PerbanbSinitglieber beigetragen baue. Tie Berßanblungen betrafen 
Zumeift interne Angelegenheiten beS BerbanbeS. 

Ter Streif ber Steinfe^er tu Berlin, über ben mir in unferer 
leßten Stummer (Sp. 1033—1036) auSfübrlit berittet haben, ift be* 
enbigt. Tie 3mtung bat bie fämmtliten urfprünglicß non ben Stein* 
feßern aufgefteHten gforberungen unterftriftlit bemiHigt, unb zmar 
bis zum 1. Sanuar 1901. Tie Steinfeßer haben alfo nunmehr bie 
neunftünbige Arbeitszeit unb 65 ,§ Stunbetiloßn; Ueberftunben 
merben mit 25 °/ 0 , Aa <f)t* unb Sonntagsarbeit mit 50 o/o Aufftlag 
bezahlt. Tie 3aßl ber günfzeßnminuten*Paufen betragt täglich 
fet®. «hätten bie Arbeitgeber oor att Tagen ben Stiebsfprut 
beS ßinigungSamtS, beffen Eingreifen unzmeifelbaft bie Cöfnng beS 
,tonflifts oorbereitet hat, acceptirt, bann mären fie mefentlit oortheil* 
hafter baoon gefommen. Taß fie jeßt natgeben mußten, ift, roie 
ber „SSonoärts" betont, auf baS anerfennenSroertb objeftioe SSer* 
halten ber SBehörben jurüdfzuführen, bie nat bem Befanntmerben 
beS StiebSfpruteS thre abmartenbe Stellung aufgabeit unb auf 


bie T^ertigfteHung ber Arbeiten brängten. 3n ben nahezu oier 
©ot^n, bie ber AuSftanb gebauert bat, ift nitt eine einzige Aus* 
ftrettung, ja nitt einmal eine Verhaftung oorgefommen, babei 
betrug bie 3ahl ber AuSftänbigen aufänglit roeit über 400. 

AttSfperrttitg irab Streif ber Ofamter itt fieißztg. 3n Leipzig fmb 
bie Bonner auSftänbig. Ten Anftoß zu bem AuSftanb gab bie Aus* 
fperrung fireitenber Bonner (186) tn einer Eießeret auf zmet Sabre 
aus allen ©erfftätten beS VerbanbeS ber SRctalltnbuftriellen! Tie 
Streifenben oerlangen Aiicfnabme ber AuSfperrung, allgemeine Turd; s 
führung ber 9'/jftünbtgen Arbeitszeit unb greigabe beS Arbeit** 
natmeifes. 540 gormer foüen bie Arbeit niebergelegt, 250 Leipzig 
oerlaffen haben. Aur 90 gormer, meift ältere Perfonen, füllen meiter 
arbeiten. 

Enbe beS JörauerftreifS ht grimffurt aut Plaiu. gn grauffurt am 
HÄain haben bie ftreifenben Srauer ben AuSftanb für beenbet erflärt, 
maS bas bortiac OJemerffdjaftsfartell aut 3 ur Aufhebung beS über bie 
Brauereien oerbängten Boqfotts oeranlaßte. 

Ter 3«btt3beritt beS ©emerfftaftStoereiitS VHntett für bas 

©eftäftsjahr 1898/99 ift foeben erfttenen. Aus bem Beritt (ber 
leiber niefjt burtmeg in ruhigem unb fatlit e *n Ton abgefaßt ift) 
ergiebt fit eine gtinftige Entroicfelung beS ©emerfftaftsoereins 
unb feiner roittigfien Unternehmung, beS ArbeiterfefretariatS. Tie 
3ahl ber in ©emerfftaften organifirten Arbeiter mämtüten unb 
meibliten ©eftletl® betrug am 1. Dftober 1897: 8563, am 
1. Dftober 1898: 11 517; es ift bemnat ein 3umat® oon 34 o/ 0 
bei einem Abgang oon 3669 zahlungSfäumigen ©itgliebern z« 
oerzeitnen. (Seitoem hat fit uamentlit bie Stneibergemerfftaft 
in ©ünten, auf ©runb beS erfolgreiten Streifs, in bemerfenS* 
roerthem ©aße oon 228 auf 1186 oerftärft.) ©as bie ©ruppirung 
nat Branten anbetrifft, fo ftanb ber ©etaHarbeiteroerbanb am 
1. Dftober 1898 an ber Spiße. ES folgen Stloffer, Butbrucfer 
u. f. m. — An bie britte ober oierte Stelle bürften inzmifdjen bie 
gemerfftaftlit organifirten Stneiber getreten fein. — Aut im 
oergangenen 3ah*e beftanb bie Hauptaufgabe beS ©üntener ©e* 
merfftaftSoereinS in ber Unterftüßung oon ßohnberoegungen. lieber 
ben St reinerftreif im Beginn beS SaßocS 1898 hat bie „Soziale 
prajiS" auSfüßrlit berittet. Einige Heinere partielle Streifs finb 
ohne Bebeutung. Tagegen beanfprutt ber in bem oorliegenben 
Beritt auSfüßrlit bepanbelte Stneiberftreif ein größeres Sntereffe. 
Tie 3orberungen ber ©eßülfen im Stneibergemerbe roaren %u* 
nätft auf bie Erlangung eines feften ßoßntarifs in brei klaffen 
gerietet, ber zum Tßeil fofort, zum Tßeif erft uat längerer Ar* 
oeitSeinfteßung beroilligt mürbe, gforner mürbe bie Arbeitszeit auf 
bie 3rit oon 7 Ußr Borgens bis 7 Ußr Abenbs feftgefeßt Tie 
gforberungen in h 99 ienift«r Beziehung führten zur Errittung 
bezm. Berbeffenmg einer Anzahl oon BetriebSroerfftätten; eS ift 
feßr erfreulit, baß in biefer Hinfitt bie Stneiberberoegung ben 
Anlaß zu burtaus nothmenbigeu Berbefferungen gegeben hat. — 
TaS Arbeiterfefretariat funftionirte zur äufrieoenheit. Ter Berein 
unterftüßt ben BolfShotftuloerein fomie anbere, BilbungSzroecfen 
bienenbe Unternehmungen. 




Tie franzbfifte gfabrif* unb Semerbc^uffeltioit über bie Be* 
ftäftigung Don ^inberu tmb meibliten Perfonen. Aat bem 

Bulletin de l’Office da Travail für Sebruar 1899 giebt eS in 
gfranfreit überhaupt 290 305 Etabliffements, roelte nat Maßgabe 
beS gfabrif* unb ©eroerbe*Auffitt®gefeßeS unter einer gemiffen 
Auffidjt fteßen, mobei aber bie Bergmerfe unb Steinbrüte, fomie 
bie Etabliffements ber ÜDtarine unb beS ©ilitär*TepartementS nitt 
mit in Aücffitt gezogen finb. Bon biefer ©efammhaßl mürben 
im 3aßoe 1897: 125 775 ober 42,3% burt bie Auf|itt®beamten 
beßttigt unb eingeßenber unterfueßt; baß unter biefen aber gerabe 
ßeroorragenbere roefentliter oertreten maren, geigt ber AuSroeiS 
über bie beftäftigte Arbeiterftaft, für bie ©efammtheit ftellte fit 
biefe auf 2 591 288 Äöpfe, für bie befittigten Etabliffements aber 
auf 1 755 351 ober 67,7 % ber ©efammtarbeiterftaft. $ür bie in 
ben befittigten Etabliffements beftäftigten Perfonen finb näßere 
Unterfteibungen nat unb ©eftlett in folgenber ©eife 

gemaeßt: 


AlterSflaffe 


3aßl ber Beftäftigten 
inäuiil. ©eftledjtS loeiM. Eefcßledjts 


12 bis unter 13 gal)reu . 

13 bis unter 16 fahren . 
16 bis unter 18 Saßren . 
18 bis unter 21 gaßreu . 
21 gaßre unb barüber . 


1092 
83 070 
63 076 


} 1036 442 | 


776 
77 SO7 
63 923 
99 991 
329 174 


guSgefamntt 1183 Gso 571 671 




1055 


©ogiale PrajtS. Eentralblatt für ©ogtalpolitif. 9fcr. 39. 


1056 


Die (Gefammtgahl bcr jugenblidjen Arbeiter (unter 18 fahren) 
ift bcmnach eine an fieß meßt unbebeutenbe, fie madjt 147 238 
männlichen (GefchledjtS unb 142 506 weiblichen (GefchledßtS aus, 
inSgefammt alfo 289 744 ober 16, 5 % ber gangen Slrbeiterfdjaft. 
Die weibliche Slrbciterfdjaft inSgefammt umfaßt 32,c % ber Slrbeiter* 
fdjaft überhaupt. Sfinber oon 12 bis unter 13 fahren bürfen nur 
befchäftigt werben, wenn fie eine Gefdjeinigung beibringen, baß fie 
für bie gu leiftenbe Arbeit plßpfifth genügenb gefräftigt unb in ber 
©d)ule weit genug oorgefchritten finb; Gerftöße gegen biefe gefefc* 
liehe 93orfd>rift mürben 1897 359 gur Slngetge gebracht gegen* 
über 273 396 unb 435 in ben brei Gorjahren 1894, 1895 unb 
1896; bie §auptmaffe biefer Stontraoentionen !am in ber Dejtil* 
inbuftrie, in ber (GlaSinbuftrie unb in ben 3iegeleien *>or. (Gegen 
bie gefehlte Gefchränfung ber SlrbeitSgeit — befonberS gegen baS 
(Gefefc ooin 2. SJfooember 1892, welkes bie Gefchäftigung ber 
roeibUd)en unb ber juaenblidjen Perfonen fomie ber Slinber regelt, 
aber auch gegen bas ©efefe oom 9. ©eptember 1848, weldßeS bie 
SlrbeitSgeit auch ber männlichen Erwachfenen für gemiffe klaffen 
oon Sabrifen unb (Gewerbebetrieben auf ein Gtoyimum oon 
12 ©tunben täglich feftfefet — ift inSgefammt in 3000 SfäHen im 
Sahre 1897 oerftoßen worben; 1895 unb 1896 betrug bie 
biefer Säße 3877 unb 5725. 3n bem Berichte ift auSbrücflid) bie 
günftige SSirfung beS ©efefeeö oom 2. Stooember 1892 begügli^ 
ber Gefchäftigung ber weiblichen unb jugenblidjen Perfonen fowie 
ber Stinber h^roorgehoben worben; bie SrbcitSgeit ift baburch für 
eine große 3ahl oon Snbuftriegweigen in fachgemäßer Greife be* 
fdjränft unb allgemein herabgefeßt worben, in eingelnen Snbufirieen, 
in welchen früher bur<hfd)iiittlich in ber 3Bod)e 72 bis 75 ©tunben 
gearbeitet würbe, ift jeßt bie burchfchnittliche SlrbeitSgeit auf 60 bis 
66 ©tunben in ber Söoche herabgegangen, babei ift irgenb eine 
merfbare SRücfwirfung auf bie Probuftion burch bie §erabfefeung 
ber SlrbeitSgeit nicht gu fonftatiren gewefeit. Das (Gefeß befdjräntt 
bie SlrbeitSgeit für Slinber unter 16 fahren auf 10 ©tunben täg* 
lieh, für jugeublidje perfonen oon 16 bis 18 Sah*™ auf H ©tunben 
täglich (inSgefammt in ber Söodje aber ferner auf 60 ©tunben) 
unb für Perfonen weiblichen (GefchledjtS oon 18 fahren unb bar* 
über auf 11 ©tunben täglidj ohne weitere Gegrenguna für bie 
SSodje; ber Bericht empfiehlt hier, eine einheitliche Gefdjränfung 
unb gwar eine folche oon 11 ©tunben täglich, 3 ur Einführung gu 
bringen, weil burch bie jeßige Geriebenheit in ber guläfpgen 
SlrbeitSgeit bie 23eauffid)tigung gu fehr erfchwert unb beSßalb häufig 
auch iHuforifch gemacht werbe. 

Sfrbeiieriutteufdjaß im englifdjett HcmbelSgetoerbe. Die fioit* 
boner „Early Closiog Association’s Women’s League“ (Srauenliga 
für seitlichen ßabeufchluß) hat ein« neue Drganifation gegrünbet, 
bie „League to secure seats for women in shops“. 3n einem 
fürglich abgehaltenen Meeting würbe bie ÜRotljmenbigfeit ber Ge* 
feßaffung oon ©ifcgelegenheiten für grauen unb ßßäbdjen, bie in 
£äben befchäftigt ftnb, ßeroorgeßoben unb befchloffen, fowohl an 
baS DberßauS als an baS §auS ber (Gemeinen eine Petition gu 
richten, in ber bie bem Parlamente oorliegenbe Giß, bie bie Sin* 
gelegenljeit regeln miß, bringenbft gur Sinnahme empfohlen wirb. 
Der &iga gehört u. Sl. bie $ergogin oon SSeftminfter, bie £>ergogin 
oon Gebforb, ßabt) Gatterfea, ßabp Hamilton u. Sl. m. an. 


3lrbettenierß(t)ernttg. topatkafftu. 

Die Äranfenfürforge ber SerftchernngSanftalten ber ^ubalibitätS- 
ttttb SUterSoarfiihenmg für 1898. 

3n erfreulicher Entmidfeluna begriffen war auch iui3uh rc 1898 
baS £>eiioerfahren, baS bie PerficherungSanftalten unb Waffen* 
einridjtungen gemäß §. 12 beS SnoalibitätS* unb SUterSoerfitherungS* 
efe^eS ihren SSerficherten angebeihen liefen. 9?ach ber fürglid) oon 
em 9?eid)S*$erficherungSamt oeröffentlichten ©tatiftif für bie £jeil* 
behaublung aus bem 3oh re l 898 finb bie SSerpflegungSfoften oon 
1 993 592 JL im Suh^e 1897 auf 2 769 330 jfl geftiegen, unb 
bie 3ahl ber aus ber §eilbehanblung entlaffenen perfonen §at fidj 
oon 10 483 auf 13 758 oermef>rt. Sin biefer ©teigerung hüben 
faft gleichmäßig bie an &ungentuberfulofe leibenben SSerficherten unb 
bie mit anberen Äranfheiten Gehafteten beiberlei (Gefd)led)tS ^h^ü 
genommen. 3m (Gangen würbe für 4937 £ungenfd)minbfü<htige 
— 1897: 3330 — ba$ g>eiloerfal)ren beenbigt, währenb biefeS 
fuh uuf 8821 an anberen Reiben Erfranfte — 1897: 7153 — er* 
l'trecfte. Gei beibcu Mategorien ift bemnach eine 3unahme oon 
1607 begw. 1668 GehanblungSfätten feftguftetten, ein erfreuliches 
3eid)en, wie fid) ber (Gebanfe, burch Uebernahme beS f>eiloerfahrenS 


bie 3noalibität ihrer Gerficherten gu oerhüten, bei ben GerficherungS* 
anftalten mehr unb mehr Gähn bricht. 

Doch wie im 3uh^ l 89 ?, fo beftehen auch jeßt bei ben ein* 
gelnen GerficherungSanftalten fowohl in Gegug auf bie 3uhl & er 
behanbelten Perfonen als auch bit bafür gemachten Slufwenbungen 
weitgehenbe Gerfd^iebenheiten. Der Äampf gegen bie ßungen* 
fchwmbfucht ift mit großen SJtitteln aufgenommen worben — über 
IV 2 Gtißionen Gtarf §at bie Gehanblung ber fiungentuberfulöfen 
erforbert —, aber geführt würbe er hauptfächlid) nur oon einigen 
wenigen Stnftatten, wie auS folgenber 3ufammenfteßung hcroorgeht: 


GerfidjerungS* 

anftalt 

tO ts 

iO-H. 

OA» 

oo® 

Daoon 

in 1 in nicht* 
flänbiger | ftänbiger 
Heilbebanblnng 

Ger* 

pflegungs* 

tage 

Stoffen* 

aufmanb 

JC 

Hanfeftäbte . . 

616 

616 

; 

i _ 

51410 

235 946,» 

Gaben .... 

555 

555 

— 

40 305 

166 563,80 

Hannooer . . . 

485 

435 

— 

32 470 

133 113,14 

Gerlin .... 

372 

371 

1 

33 191 

184 169,io 
180 040,40 

Slöntgr. ©ad)fen . 

297 

296 

1 

25 249 

Heffen=S?affan. . 

289 

289 

— 

20 627 

64 032,35 

©roßberg. Helfen 

284 

284 

— 

19 993 

73 918,06 

SHbeioprouing. . 

PenfionSfaffe ber 

234 

234 

— 

11471 

36 927,85 

Pr.©taatSeifenb. 

217 

217 

— 

13 082 

69 070/» 

SBeftialen . . . 

212 

212 

1 

13 064 

55 830,95 

3ufamnicn . 

3 511 

3 509 1 

2 

260 812 

1 099 112,u 

Ueberhanpt . 

4 937 

4 910 | 

I 27 

369 933 

1 548 364,io 


Demnach fyabtn oon ben 31 GerficherungSanftalten unb 9 Staffen* 
einrichtungen 9 Sluftalten unb 1 Staffe — bie £>anfeftäbte. Gaben, 
§annooer, Gerlin, Königreich ©achfen, $effen*9?affau, ©roßhergog* 
thum Reffen, 9th e inproüing, Söeftfalcn unb bie PenponSfaffe für bie 
Slrbeiter ber Preußifthen ©taatSeifenbahnen — allein fdjon 3511 
lungentuberfulöfe Gerfuherte in ^cilbehanbluug gegeben; auf bie 
übrigen 22 Slnftalten unb 8 Staffen entfallen nur im (Gangen runb 
an 1400 Stranfe. Eingetne Staffen unb befonberS mehrere baijerifdje 
Slnftalten finb überhaupt nod) nicht in ben ^ampf gegen bie ßungen* 
fchwinbfud)t eingetreten, bei anberen Slnftalten, wie Dftpreußen, SSeft* 
preußen, Pommern, ©chlefien, Gledlenburg, ift bieGetheiligung an bem 
^eiloerfahren gegen lungentuberfulöfe eine gang minimale; fie hoben 
nur 4—12 an ßungenfchwinbfucht behanbelte Perfonen aufguweifen. 

Seicht fo fraß finb bie Unterfd)iebe innerhalb ber eingelnen 
Slnftalten hinRth^^ beS ^eiloerfahrettS, baS für bie mit anberen 
ßeiben als ßungentuberfulofe Gehafteten eingeleitet worben ift. 
9)tit SluSnahme etner baijerifchen Slnftalt hoben ]tch faft alle anberen 
baran mehr ober weniger betheiligt. Des GergleicheS halber 

g eben wir eine ileberficht, welche ßeifiungen auf biefem (Gebiete 
er £>eilbehanblung bie oorbin angeführten Slnftalten ober Staffen 
gegenüber ben (Gefammtleiftungen aufguweifen hoben: 


Gerfidjernngs* 

anftalt 

& 

tii 

co 

Dauoit 

iu 1 in nicht* 
ftänbiger | ftänbiger 
Heil6ebanbtnng 

Ger« 

pflegungs* 

tage 

Stoffen* 

aufmanb 

je. 

Hanfcftäbtc . . 
Gaben .... 

191 

189 

2 

9 790 

48 775,h 

341 

338 

3 

13 868 

38 041,05 

Hannoner . . . 

588 

545 

43 

30 536 

111 453,90 

Gerlin .... 

400 

389 

11 

29 816 

121107,95 

Slönigr. ©ad)fen. 

196 

188 

8 

10 245 

58 042,97 

Heffcn=9iaffau. . 

275 

262 

13 

13 635 

38 248,74 

Öroßberg- HefK» 

201 

198 

3 

8 299 

31 052,57 
54 108,94 

Gheinproüing. . 
penfionSfaffe ber 

551 

544 

7 

21171 

pr.©taat§eifenb. 

109 

109 

— 

4 930 

24 032,89 
80 707,58 

SSeftfalen . . . 

464 

458 

6 

24 042 

^nfamnten . 

3 316 

3 220 

96 

166 330 

600 570,1« 

Ueberbanpt . 

8 821 

7 514 

1 307 

378 869 

1 220 966,13 


Smmerhin gaben obige Slnftalten 3316 Pfleglinge in Ge* 
hanblung, aber oon ben 13 preitßifdjen Slnftalten ift mit SluS* 
nähme Der Slnftalten ©acbfen*Slnhalt (98) unb ©chlefien (182) 
feine oorhanben, bie im GeridjtSjahre nicht mehr als 200 Be* 
banbeite Perfonen aufguweifen hot, ja Dftpreußen, bie ärutfte aller 
Slnftalten, ift mit 1496 Stranfen oertreten, oon benen aHerbingS 678 
— ungefähr bie $älfte — in nidjitftänbiger £eilbebanblung ftanben, 
b. h- Slpparate, Gäber unb ähnliche Heilmittel erhielten. 

Großer fommt biefer lluterfchieb in ber Gehanblung ber 
ßungentuberfulöfen unb ber mit anberen Stranfßeiten Gehafteten, 





1057 


Sogiale ^rajiß. ©entralblatt für Sogtalpolitif. Br. 39. 


1058 


nrie er Bei beit einzelnen BerftchermtgSattftalten gu Xage tritt3u- 
erft ift 3 U Beamten, baff bie Teilbehattblung ber ßungenfchwinb- 
fälligen itahegu einen hoppelten Äoftenauftoanb erforbert, als Bei 
beit an anberen Äranf^eiten ßeibenben. 2 )te Behanbluitg eines 
Suitgeniuberfulöfen oerurfachte burc^fd^nittlid^ 315 ,02 Ji. Ber* 
pfleg ungSfofteit gegen 159 ,20 - tf. Bei ben anberen ftranfeit. Batür* 
lich fc^recft bie mit großen Soften oerBuitbene ^eilBeBanblung ber 
ßungentuberfulöfen bie finangteE nicht gerabe glängenb bafiehenben 
Anftalten oon ber UeBernaljme beS TeifoerfahreitS aB. ©S fommt 
fjingu, baff ©rfahrungen über erhielte Teilerfolge noch wenig oor- 
liegen, unb bie Borftänbe oieler Anftalten, auch fold^er, bereit 
BermögenSftanb ein recht guter genannt werben fann, ftehen oor 
ber $raqe, ob bie aufaewenbeten Btittel mit ben Erfolgen unb 
©rfparniffen an Snoalibenrenten, bie man burd) bie (Einleitung 
beS T e ^ ocr f al & reilS 5 U madjen in ©inflang au Bringen finb, 
unb nehmen baher oor ber T<*nb eine aBwartenbe Stellung ein. Um 
fo freubiger ift baS Verhalten ber obigen Anftalten gu Begrüffen, 
bie mit großen SBitteln bie £ungenf<hwinbfucht gu Befämpfen fudjen, 
unb faEs ihre Anftrettgungen ber Erfolg frönt, wirb ihr Beifpiel 
auch bie anberen 23erfi<herungSanftaltcn gur Badjeiferung anregen. 
TicrBei muff aber Betnerft werben, baff unter ben angeführten An- 
ftalten oorgüglitf) folc^e oertreten finb, beren Söegirfe eine grobe 
inbuftrielle Beoölferung umfaffen, unter ber bie £ungenf<hwinbfu(f}t 
BefonberS oiele Opfer forbert. Unb biefe Opfer fud)t biefe Bös* 
artige $ranff>eit fich gerabe unter ben Sßerfonen aus, bie in ber 
Blütffe ber Sah« ftehen. gür einen Arbeiter mit Familie, ber 
erwerbsunfähig wirb, ift aber bie Snoalibenrente, gumal Bei ben 
theuren SeBenSoerhältniffen in einer ©roffftabt wie Berlin unb in 
ben Tanfeftäbten ober in ben groffinbuftrieEen S3ejirfen nur ein 
trauriger BothBeljelf, mit bem er fich unb f^tne Öamtlie nur fchwer 
bur<hfd)Iagen fann. deshalb geht baS BeftreBen biefer AnftaltS* 
oorftänbe bahin, ihre Bescherten oor ©intritt ber Snoalibität gu 
fchüfcen. 

Unb mit ben Bisher ergielten ©rfolgen fönnen im AEgenteinen 
bie BerficherungSanftalten gufrieben fein. Bach ben SaBeEen finb 
im Bfafimum 001 t ben oon ber BerfidjerungSanftalt Tonfeftäbte 
in TeilBehanblung gegebenen Sungenf<hminbfüd)tigen 93% mit 
feftgefteEtermaffen anbauernben T c ^ cr folgen entlaffen werben; es 
folgt bann Berlin mit 82 o/ 0 , §annooer, Königreich Sachfen, 2£eft- 
falen, ©roffhergogthmn T e ?f cn Ult ^ Bie SßenftonSfaffe für bie 
Arbeiter ber Sßreuffifchen StaatSeifenBahnen mit 70—80o/ 0 . S^id^t 
fo günftig finb bie Befultate, bie Teffen-Baffau ergielt h^t, es 
mürben nur 52% (Erwerbsfähige entlaffen, unb Baben h<E fogar 
nur 35% ©rfolge gu oergeidjnen. S)iefe Berfchiebenheit in ben 
gewonnenen Befultaten bürfte hauptfächlich auf bie Auswahl beS 
StranfenmaterialS gurücfguführen fein, unb gwar je nadjbem bie 
Patienten in bem Anfangs* ober oorgefchrittenen Stabium ber 
Kranfheit ftanben. 

2öaS bie Teilerfolge beS TeiloerfaljrenS im AEgenteinen Be¬ 
trifft, fo ergeben fie fich öu $ folgenber 3«fömmenfteEung: 



Auf 100 überhaupt 
ffänbig behanbelte 
Brrfonen würbe bei 
Abfchluff beß Teil- 
oerfahrens Teilerfolg 
ergielt, fo baff 3« s 
oalibität nicht gu 

Auf 100 überhaupt ffänbig 
behanbelte unb fontrolirte 
ißerfotieu 

St r a n f h e i t 

hat ber 1897 er- 1 
gielte Teilerfolg 
gebauert 

hat ber 
1898 er- 
giclte Teil 3 
erfolg ge¬ 
bauert bis 
g. Schluff 
beß 3affreß 
i 1898 


beforgeit war 

biß gum 
Schluff 
b.gahreß 
1897 

biß gutni 
Schluff 
b.3ahreß i 
1898 j 


im 

3«hre 1 
1897 ; 

im 

3«h 

1898 

A. Bei ben wegen 
£ungentuberfuIofe 
Behanbelten $er- 
fonen: 

a) Bet Scannern unb 
Srauen gufammen 

! 

68 

74 

61 

44 

69 

b) beiBlännern allein 

68 

74 

61 

42 

69 

c) Bet 3nme« allein 

68 

73 

64 

50 

70 

B. Bei ben wegen 
anberer&ranfheiten 
als wegen 2ungen- 
tuberfulofe behatt* 
Belten ^ßerfonen: 
a) öei Blännern unb 
f^raueit gufammen 

69 

73 

59 

46 

57 

b) ImHJlännern allein 

70 

73 

60 

47 

57 

c) Bei grauen allein 

67 

72 

56 

44 

57 


Tiernach finb bie T e ^ cr f°^9 e fö* £uBerfulöfe, wie in ber 
Statiftif beS Beid)S-BerficherungSanttS refumirt wirb, fowohl Bei 
ÄBfd)luff beS TeifoerfahrenS als nach Ablauf beS BehanblnngS- 
jahreS im 3ah rc 1898 güttftiger gewefen als 1897. gfür bie wegen 
anberer Öeiben Behanbelten fann gleithfaEs im Sah** 1898 eine 
Steigerung ber (Erfolge feftgefteEt werben, foweit ber 3eitpunft beS 
ABfchluffeS beS TeiloerfahrenS in Betracht fommt, währenb nach 
SIBIauf beS Wahres 1898 bie (Ergebniffe fnh etwas ungünftiger 
fteEen als (Enbe 1897. ®ie aus bem Sabre 1897 am (Enbe beS- 
felBen noch oorhanbenen ©rfolge fmb natürlich Bis gum Schluß 
beS QahreS 1898 Bei aEen Behanbelten — Bei ben fiungen- 
tuberfulöfen etwas mehr als Bei ben an anberen fieiben ©r- 
franften — nicht unwefentlich gurücfgegangen. immerhin muffen 
bie nach Ablauf beS gweiten KontroljahreS oerbliebenen ©rfolge 
auch Bei ben ßungentuBcrfulöfen noch als Befriebigenbe Begeidjnet 
werben. 

Berlin. Dr. Bothholg. 


gforbentna Ber Bentenfteflcn für bie ttnfaEoerftdjermtg in 
Oefterreidi. ©S ift BemerfenSwerth, baff ber ©runbgebanfe ber 
Bentenfteuen ber — freilich in febr abgefchWächter Sorm — jefft 
in bem neuen SnoalibenoerficherungSgefeff gur Berwirflichung 
fommt, auch io Oefterreich erörtert wirb, unb gwar hier für bie 
UnfaEoerffcherung. 3n einer am 30. ^egemBer 1898 aBgehaltenen 
BorftanbSfffeung ber HrBeiter-UnfafloerficBerungSauftalt für Bieber¬ 
öfterreich legte ber ®ireftor bar, baff oie Bergögerungen in bem 
©ntfcftäbigungSgufpruche wefentlich in bem bermafen umftänblichen 
©rheoungSmobuS Begrünbet feien, unb Beantragte, an beffen SteEe, 
foweit möglich, münbliche birefte ©rheBung burch S)ogflne 
ber Slnftalt treten gu taffen. ©S fei gu hoffen, baff bem oielfadfj 
aeäufferten Berechtigten 2öunfd)e fowopl ber Berlefften wie auch 
ber BetrieBSunternehmer nach rafdfjerem 3ufpruche ber ©ntfchä» 
bigung, foweit bieS in ber 3Ratf)t ber Slnftalt liegt, entfprochen 
werben fann, weshalb Bebner biefe ÜKaffnahmen als im Sntereffe 
Beiber ©ruppen gelegen Bezeichnet. Sn ber Debatte würbe biefer 
Slnficht einftimmig Beigepflichtet. $)ie Slnftalt, ber oft ber Bor¬ 
wurf ber BielffhreiBerei unb beS BureaufratiSmuS gemacht wirb, 
fönne, fo würbe Betont, burch bie Bornahme ber (Erhebungen im 
furgen B$ege 3 c ü oo^ 5 öhHof e unfruchtbare Befdjwerben erfparen. 




2)1 e ^almforbarbeiter-® enoffeufchafl tut Steittöchflrmtb. 

2te Taußtnbuftrie, bicfeS SfchenBröbel in ber mobernen ^nbnftric, 
Beginnt ficfj beS ©enoffenfchaftSprinEpS gu bebienen unb, wie wir fefjcrt, 
nicht ol)ne (Erfolg. J!in Jahrgang 1896/97 ö. BI. war oon ber ©c- 
noffenfrfjaft ber TolgarBeiter in ber 2Balfchaft Bernau bei St. Blaffen, 
im babifcfjeit Scffwargwalb bie Bebe, unb im oorigen Jahrgang ber 
„Sogialen ^rajris" ift Spalte 1253/56 berichtet über ben Bothffanb unb 
bie genoffenfchäftlicffen Selbfthülfe-?lnläufe ber (Glasarbeiter in Borb- 
böhmen. ?lber f<hon auf Spalte 282 beS oorigen Jahrgangs ift in 
einer furgen Botig au^ erwähnt, baff bie ißalmforbarbeiter in äDbcr- 
franfen ffd) gur ©cnoffenfchaft oereinigten, um ben britcfenben Botb- 
ftäuben gu entfliehen, lieber bie Sforbtnbuftrie unb bie Bertjältniffe 
ihrer hauSinbuftriellen Arbeiter, h at T- in feinem Buche über 
bie ^nbuffrie ber fröufifdfjen unb foburgifchett Begirfe fo eingeljenb unb 
intereffant berichtet, baff man nur nadjgutragen braucht, oaff, wenn 
audh offenes 2rucfft)ffem nicht mehr beftebt, bie Berhältniffe jener Br- 
beittr feit jener 3 e tt «och fortgefefft fchlechter würben. 2ie groffeit 
©ewinne, bie oon ben älteften Berlagsffrmeu ergielt worben waren, 
uermehrten beren 3ahl unb bie Sfonfurrcng brücfte bie greife ungeheuer. 
2 >ie 3«hl Ber Arbeiter mehrte ffdj aber ftetig, wie baS bei ber §aus- 
inbuftrie ja faft überaE beobachtet wirb, unb — mit ?litSnahme^ ber 
iertilinbuftrie — oermochten bie Berleger ben ^reisbruef abguwälgen 
auf bie Arbeiter, benen ffe einerfeits h°h c greife für Bohntaterial ent- 
weber bireft ober burch ^wifchenmeifter abnehmen lieffen, anbererfeits 
aber fehr fchlechte Bwifc für bie fertigen SBaaren gahlten, gleichviel ob 
folche nach Bluffer beftellt waren ober in Stapelartifelu beftanben, bie 
oon ben Arbeitern angefertigt würben, um nur befchäftigt gu fein. So 
fanfen bann bie StrbeitSoerbienffe, biß in ben lejjten Sahre» HrBcitß* 
oerbienffe oon 25- 40 ^ pro 5topf unb 2ag ober buvdhfchnittlich für 
eine gange Arbeiterfamilie oon 6—7 M . entfielen. 

2iefe troftlofen 3«ffänbe führten gu ernften (Erwägungen ber Ber* 
waltungßbehörben unb eß ift Der ^nitiatioe beß Begirfsamtmanns 
2>egen in ttronadj (Dberfranfen) unb beß yanbratljS Sdimibt in Coburg 
gu banfen, baff mau oor etwaß länger als einem Sahre gur (Gcnoffeit- 
fchaftsbilbuna fchritt. 2ie ©euoffenfehaft oon Arbeitern muffte aber 
alß außgefchfoffcn betrachten, baff ffe baß ^alm-Bobmaterial gu ben 
Äörben felbft bireft begieffen fonnte, ba btes in groffeit ^artbicen oout 
Außlanb fommt, unb muffte ebettfo als auSgefcijloffeu betrachten, bie 
fertigen haaren bireft in ben (Groffljanbel gu bringen, ba ffe feine Ber- 



1059 


©ogiale $rajt$. EentralBIatt für ©ogialpoltttf. Kr. 39. 


1060 


btnbuiigcn anfnüpfcn unb unterhalten lann f wie ber Bertrieb biefcr 
Brobufie eS erforbert. 9SaS man ergielen wollte, war Befeitigung ber 
3wifchcnmeiftcr, 85crbtlligung beS HohmaterialS unb Erhöhung ber 
greife burcfj Hufhebung ber' ummirbtgen unb unfinnigen Jfonfurreng, 
bie ficf) bic Arbeiter felbft machten. ES lag flav gu Sage, bafe bic 
Verleger audj nur gewinnen tonnten, wenn bie fortgefc^te Sßretisbrücferet 
burd) bie Arbeiter auf hörte, unb ntan hoffte ficfi bcShalb mit bcn 85er* 
legern babin gu oerftänbigen, bafe fte ber Eenoffcnfchaft Kobmaterial in 
großen ^oftcn mit einem mäßigen Weroiuu oerfaufen, U;r bie Aufträge 
erteilen unb bie fertigen haaren abnefjmen [bitten. 

£ic ©cnoffcnfchaft füllte nur bie BermittclungSfiefle gwtfdjeu 85er* 
leger unb Arbeiter werben, um eine georbneterc ^rciöbilbung ju erntög* 
üd)en unb baburtf) bcn Arbeitern 411 befferem 8 ?erbienft oerhelfen als 
bei bem üblichen anardjiftifdjen gegenfeitigcn Unterbieten, ohne bafj 
babei bie 8 ?erleger Kachtheile gehabt batten. ES fanb fidj aber nur 
eine Berlagsfirma bereit, ben Hbftdjtcn ber ©enoffcnfchaftsbegrünber 
ju folgen, bie Kfticugefellfcbaft in Liditenfels, bie übrigen blieben ntifc* 
trautfdb fern. Irofcbent fonnte bie ©enoffenfdjaft mit mehr als 200 ©e= 
noffen eröffnet werben unb fie tjat jefet bas erfte BetrtebSfahr hinter fid). 

Jbre eigentlichen 3 wecfe finb oorerft noch nicht erreicht, weil 
etnerfetlS bie'Verleger noch ihr HJrifetrauen nicht ablegten unb anberer* 
fcitö baburch auch bie Mehrheit ber Arbeiter ttodj nicht für bie ©enoffen* 
fchaft gewonnen werben fonnte. 

Xie^alntforbarbeit ift oorerft noch nicht lohnenbcr geworben, weil 
Tuh bie Arbeiter, nach wie oor, unterbieten ober hoch gu ben ihnen 
gebotenen niebrigen Lohn arbeiten, aber immerhin haben bie©eno|fen* 
|<haftSmitglieber etwas oor anberen Arbeitern oorauS beim Begug ber 
Kohmaterialicn, unb bie ©enoffenfehaft hat auch aus bem ^alntforb* 
gefchäft einen fleinen ©ewinn. ©te ift aber unter ben obwaltcnben 
ilmftäuben auch anberweit gu (Gewinn für bie ©efammtheit unb erheblich 
befferem 85erbienft für einen £beil ber Oien offen gelangt baburch, 
bah fit neben s J5almförben and» 8 Seibenförbe anfertigen lieh- $ie 
Arbeiter, bie fidj an biefer Jnbuftrie gu betbeiligen vermochten, haben 
cS bis gu ^amiiien*2Bod)cn=85crbienften uon 30 M. gebracht unb babei 
hatte bie OJcnoffenfcbaft nod) (Gewinn für fleh ergielt. ©0 ftnb g. 83. 
oon ber 3Rilitäroermaltung 9ftunitionSförbe bei ber ©euoffenfehaft be* 
[teilt worben, unb biefe Arbeit ergab, trofc ber niebrigen greife, bie bei 
folgen Lieferungen geftellt werben müffen, ben erwähnten 85erbienft für 
bie Arbeiter. 

(Gelingt es bem rührigen 35orftanb ber Eenoffenfcbaft, weitere 
Hufträge gu erhalten, bie nicht in ben Bereich ber ^almforbinbuftriellen, 
ber in ber Ecgeitb anfäffigen Verleger, fällt, fo wirb baS Unternehmen 
gang gut profperieren unb ben 3 wecf erfüllen, gebrüeften notblcibenben 
.pauSinbuftriellen gu einem befferen S)afein gu oerhelfen, audj wenn bie 
Verleger unb Hrbeitermehrheit nicht gu (fünften ber Ecnoffenfchaft um* 
geftimmt werben, £er Jahresabfchlufj ergiebt für bie Eenojfcnfchaft 
einen Gewinn oon etwa 12000 ein 83etrag ber gwar gu flein ift, 
um bic Lebenshaltung fo oieler Familien gu oerbeffereu, aber boch als 
Kefultat eines erften Jahres annehmbar erfcheint. $)er Eintritt in bie 
Ecnoffcnfchaft ift thunlirfjft leicht gemacht. $er Eefchäftsantheil ber 
Eenoffenfdjaft mit bcfdjränfter £>aftpfltd)t ift nur auf 40 JL bemeffen 
unb nur 1 .4L muft fogleich einaegahlt werben, ftreunben unb Eömtern 
ber ©adie ift bic Stfitglicbfchaft bei ber Eenoffenfchaft möglich unb 
fönnen folche ihre EcfdjäftSanthcile üoÜ eingahlen. $5er Banfier ber 
Eenoffenfchaft ift eine ^arlcfmsfaffe; es hat if)r an Betriebsmitteln 
bisher itidji gefehlt, obgleich fie ein uerf)ältmfjmäf}ig gröfjeres Lager halten 
muhte. Xer ©iß ber Eenoffenfchaft ift föaffenberg im Äoburgifchen unb 
eine Jwciganftalt bat ihren ©iß in SKittwiß im bapcrifchen Begirf 
Mronach iti Cbcrfranfen. 8 Sorerft arbeiten bie BorftanbSuiitglieber, bie 
nicht Hrbeiter ftnb, ohne Entgelt, 11 m ber ©acbe aufgubelfen. 

•ipeibelberg. _ Sföar 3Äap. 

^ntentationaler ft#igrc| für lättbltcheS (Bettoffenfchaftätoefeit 

1900. ©elegeutlich ber SeltauSftellung [oll im nächften Sahre in 
$ari* ein internationaler 5tongreh ber länblicben (9cnoffenfcf)aften 
oeranftaltet werben. $>ie ^nitiatioe bagu geht oon ben frangöftfeben 
(^enoffenfehaften aus, beren größter Beroanb, bie Union centrale 
des Sydicats des Agriculteurs de France, bie Borbereitungen 
übernommen hat. 855ie wir einer prioaten ÜKittheilung entnehmen, 
hofft man befonberS auf bie Beteiligung ber großen ©enoffen* 
fchaftSoerbänbe in ^Deutfchlanb. 2)aS genaue Programm für bie 
Mongreharbeiten ift noch nicht feftgefteHt, unb wir behalten uns 
oor, barauf gurüefgufommen. 

$ie SlooperatiogcfeÜfchafteit in Clnalanb. Tem 31. Jahres* 
fongreh ber britifchen ÄooperatiogefeEfchaften, ber unlängft in Ä5ioer* 
pool ftattfaub, lag ein Jahresbericht oor, bem folgenbe 2)aten ent* 
nommen finb. ©tatiftifche HuSweife lagen oon 1640 ©enoffen* 
[djaften oor, gegen 1840 in 1897; eine Bergleichnng ber $>aten 
ift jebodj fdjwcr möglich, ba im 1897 er Berichte fämmtliche irifche 
(^enoffenfehaften Aufnahme gefunben h a ^ ei 0 währenb pro 189* 
blofj 300 irifdie regiftrirte LanbmirthfchafiS* unb mild)ioirthfd)aft* 
liehe Moopcratiogefeilfchaften Beriicffidjtiguug fanben. 2)ie Jahl 
ber Biitglieber biefer 1610 ©euoffenfehaften betrug 1898: 1 646 078 ! 
gegen 1 591 155 in 1897. ^ic Ojefammtoerfäufe berfelben be* ! 

trugen 65 460 871 £ gegen 62 287 058 £ in 1897, ber (Gewinn j 


betrug 7 165 753 £ gegen 6 717 876 £ unb bie Jnoeftitionen be* 
gifferten ftch mit 11 681 296 £ gegen 10 817 251 £ in 1897. (Sineit 
Kücfgang fowohl in ber 3°^ oer ©enoffenfehaften als ber 3RU* 
glieber weifen lebiglich bie ^Srobuftiogenoffenftaften in dnalaitb 
unb ©chottlanb auf, bie oon 154 auf 147 gurüdfgingen unb Deren 
2Ritglieberjahl oon 35 784 auf 31 890 fanf. 

CTtjIeljung nnb fiilbung. 

@in Berein für OolfSthümliche ^ochfrfinlbtrfe gu Berlin ift 

baS ©rgebnife ber guten Erfahrungen mit ben oorjährigen 
fchulfurfeit. Jfaft alle UnioerfitätSlehrer Berlins werben if)m 
angehören. 2)er Berein fott bie Mittel für bie .fturfe aufbringen, 
ba bie Regierung eine ©uboention abgelehnt hat. 3)ie Eentral* 
ftelle für SßohlfahrtSeinrichtungen wirb, wie bisher, bie gefchäftliche 
Berwaltung führen. 

©osialpolitifdje UnterrichtSfurfe in djriftlidjcit ©etocrlf(haften. Jm 

Hufchluh an beit gu ^fingften abgehaltenen erften djriftlichen ©ewerf* 
fdhaftsfongreh foHen oor Hllem fogiale Unterrichtsfurfe eingerichtet 
werben. Jn einer Beipred)iing biefeS ÄongreffeS meinte jüngft ein 
latholifdheS Blatt, eS t^rrfdK oft eine gcrabegu unbcfd)reiblid)c (^leich- 
gültigfcit unter ber cbriftlidjeu Hrbeiterfchaft gegen HlIcS, was ihren 
©tanb betreffe. 5)aS müffe anbers werben, ^ie chriftlidjen Hrbetter 
müßten aufgerüttelt unb befähigt werben, an ihrer wirthfdjaftlicbeii 
Hufgabe gu arbeiten. Eine Befferung ihrer Lage müßten fie aber nicht 
auf betn SSege eines erbitterten ÄlaffenfampfeS mit ben übrigen ©efefl* 
fd^aftsllaffcn erftreben, fonbertt nur auf bem SäSege eines frieolichen 3 «= 
fantmenwirfcuS. $aS Etibgiel müffe fein ber 3 u f ammen f c hl u f> a ß c r 
chriftlid^en Hrbeiter. 

Universlty Extension in Oefterreiih. ^ie Ergebni[fc ber oolfs* 
thiimlichen llniocrfitätsfurfe in Oeftcrreidj finb, wie bie „Wiener Hrbeiter* 
geitung" fonftatirt, gufriebenftellenb. Jn biefem Jahve würben in 8 Sien 
in 4 ©erien 71 Äurfe abgehalten, bic oon 7148 $erfonett befud)t waren, 
^ic Eegenftänbe, bie auch in ben früheren Jahren am meiften bic Huf* 
merffamfeit ber .fpörer auf ftch gegogeit halten, waren Hftrotiomie, 
Hnatomie, Urgefchidjtc 11 . f. w. HuffaUeub ftarf ift aber auch ber Bcfudj 
ber philofophifchen iturfe. B^ährenb in Söien bie Entwicteluug im 
gleidmiäfngen (ftcleife fortfehreitet, ergaben fidi außerhalb SBicnS gerabegu 
übcrrafchenbc Erfolge. Xer erfte .Vturs in 8 iMener=Kcuftabt würbe 0011 
826 fßerfoneu, bie anberen &urfe in Kieberöfterreid), unb gwar ein 
gweiter SfurS in 9Siener*Keuftabt, je ein ^urS in Liefing unb in SrcmS, 
im (langen oon 1246 Spcrfoneii befucht. Huch bie Äurje in Briinn er* 
gaben ein gleich gutes Kefultat wie im oorigen Jahre. Xiefe 3 a hlen 
geigen, ein wie großes Bilbungsbebürfnifc bie weiteften ©chidjten ber 
Beoölfcrung in SLicu unb in ber ^rooing haben. 93?it gleidiem Eifer 
waren bei ber Einrichtung biefer auswärtigen Äurfe bie Hrbeitcrfdmft 
unb bie Leljrerfchaft tl)ätig. X)ie Kommunen oon B?icucr*Keuftabt mtb 
ÄremS gewährten ©uboentionen. Erfreulich ift cs auch, baß bie Uni* 
oerfitäten oon Erag unb JnuSbrucf, fowie bie böhmifhe llnioerfität in 
$rag, ferner bie Brunner technifdje §ochfdjule ebenfalls bereits oolfs* 
thümlidje Slurfc oeranftaltet haben, währenb an anberen £>odjfchulen 
ähnliche Juftitutionen in Borbereitung finb. 

förgiehttttßSanfitalt für fogiale Arbeit in Hlmfterbam. Bi au 
fchreibt uns: Jm ©eptember wirb in Hmfterbam eine Hnftalt 
eröffnet werben, bie oon großer Bebeutung werben fann. ©ie 
wirb Biaitner unb Jrauen bilben für bie Xhäügfeit in ber Hirnen* 
pflege, als Huffeher 0011 Hrbeiterwohmingcn, gur Jrörbcrung ber 
Hnnäherung oon ©ebilbeten unb niigebilbetcu (Xoi)nbec*Hrbeitt, 
gur ?5ürforgc für oerwaifte ober ocrlaffene Sinbcr unb, wenn 
möglidj, als Huffeljer iit gabrifen. 2>a man ^auptfäd>li<f) Jraueit 
erwartet, wirb bie Huftalt 0011 einer Jfrau geleitet werben, ^er 
Unterricht ift für fiehrliuge (oon mehr als 23 Jahren) unb 3uhörer 
(oon mehr als 20 Jahren) beftimnü. 2)er Lehrgang wirb gwei 
Jahre umfaffen: im erften Jahr wirb nur allgemeine fojiale 
B5iffenfd)aft (Kationalöfonomie unb ©ogiologie, ©taatSrecht, .^pgicnc, 
Hnnciifürforgc, Hrbeiterfdjiihgefehgebung, ©enoffenfd)aftswefeii, Hnti* 
Hlfoholbewegung u. f. w.) gelehrt werben, im gweiten Jahre bie 
fpcgiellen Memitniffe, welche.für bic genannten Berufe nötljig ftnb, 
mit praftifchen Hebungen. $>ie Huftalt hat eine xHngahl bebeutenber 
ÜJiänner gu gewinnen gewußt unb foll oorläufig auf für 

gwei Jahre in BMrhmg treten. 

<BeöJerbcgerld)te. (Tinigungsömtec. Sd)ieb$gerld)te. 

^riebenSfdhln^ im BaugetoerBe. 

Berhanbliutgeit oor bem ©ewerbegeridjt Berlin als 
EiiiigungSamt. 

Bermittelung beS Berliner ©ewerbegerichts als EiniguitgS* 
amt, bas in anerfennenSioertheftcr B5eife, ohne auf bie Berufung 
ber jtreitenben Iheile gu warten, felbft bic Jnitiatioe gur Bermüte* 



1061 


Soziale $ra£iS. ©entralblatt für Sojialpolittf. 9?r. 39. 


1062 


hing ergriffen fjat, ift erfreulitherroeife non ©rfolg gemefen. Sei 
ben am 24. b. 9JttS. im Vürgerfaale beS SRathhaufeS gepflogenen 
VergleidfjSoerhanblungen, benen and) ber Vorftfeenbe beS Zentral* 
perbanbeS ber SRaurer Seutfd)lanbS, Vöntelburg aus Hamburg, 
unb ber Vertreter ber 23 erlin er ©emerffchaftsfommiffton, Vlittarg, 
beiroohnten, mürbe nach adjtftünbiger Verathung ein Abfomtnen 
getroffen unb oon ben Vertretern ber beiben ftreitenben X^eile 
unterfdjrieben, baS, menn es oon ber ©efammtheit ber Unternehmer 
unb Arbeiter aufrecht erhalten toirb, eine grope ©rrungenfdhaft 
bebeuten mürbe, ba es auf eine Sarifgemeinfchaft hinausläuft, 
bie oon einer aus Vertretern ber Unternehmer unb Arbeiter be» 
ftehenben Äontmiffion (Sarifamt) Übermacht unb geförbert merben 
fott, moburch ftabilere Verhältniffe im Vaugetoerbe für be» 
ftimmte Sauperioben garantirt mürben. £)aS Abfomtnen befteht 
aus folgenben fünften: 

1. Sie Arbeit mirb am 27.gunt 1899 9ftorgenS mieber auf« 
genommen. Sie oon ben Arbeitgebern oerfjängte AuSfperrung mirb 
jum gleichen Sage aufgehoben. 

2 . Ser Sohn beträgt bis junt 31. Sejember 1899 einfehlieblich 
60 4 pro ©tunbe, oom 1. ganuar 1900 bis 30. ©eptember 1900 ein« 
fchliefelidh 62 l /a 4f oom 1- Cftober 1900 bis 31. Sföärj 1901 einfdjlieB« 
Iidh 6;> 4- Ser SohnfaJ für burch Unfall, Älter, gnoalibität minber 
leistungsfähige ©efeflen, fomie für gunggefellen im erften ©efetlcnjahre, 
fomeit biefelbcn bei ihrem Sefjrmeifter tpätig futb, unterliegt ber freien 
Vereinbarung. Sie ArbeitSjeit beträgt 9 Arbeitsftunben. Sen Ar» 
beitgebem unb Arbeitnehmern fteht eS frei, bas ArbeitSoerhältnijj j^ber« 

eit ohne Münbigung unb ohne Angabe oon ©rünbett aufjuheben 
alfo ÄünbigunaSauSfchlub). 

3. (SS miro eine ftommiffion gebilbet, meldje aus 9 Arbeitgebern 
unb 9 Arbeitnehmern befiehl. Sie 2BaIjl ber SÄitglieber biefer &om« 
miffion erfolgt burch bie Arbeitgeber bejm. bie Organisationen ber 
Arbeitnehmer. Unter ben Ärbeitnebnter*3ftitgliebern follen je ein HRit« 
alieb ber ©entralorganifatton, ber Sofalorganifation unb ber ©emerf« 
fchaftsfommiffion angehören. Sie ©efchäftSorbnung ber ftommiffton 
mirb oon biefer feftgefteHt. 

4. Ser unter SRr. 3 bejeidjneten Stommiffion liegt bie Regelung 
ber ArbeitSjeit, Raufen, Sohnoerhältniffe, Einrichtung ber 
ÄrbeitSftätten unb ähnlicher fünfte, fomie bie Schlichtung oon 
©treitigfeiten jmifdjen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern ob. 

5. Sei ©treitigfeiten jroifchen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern 
!ann gegen ©ntfdjeibung ber Äommiffton nur binnen brei Sagen nach 
ber Sefanntmadjung bie (Sntfdjeibung beS ©inigungSamtS beS ©emerbe» 
gerichtS angerufen merben. 

6. SiS jur enbgültigen ©ntfdjeibung burch bie Äommiffton ober 
baS ©inigungSamt bürfen Saufperren unter feiner Sebingung oerhängt 
merben. Aadj ber enbgültigen ©ntfdjeibung ftnb Saufperren nur ju« 
läffig, menn ber ©ntftfjeibung nidjt golge geleiftet mirb. 

7. Alljährlich im $erbft hat bie unter Ar. 3 bejeichnete ftom« 
miffion jufammen jutreten unb bie ÄrbcitS» unb fiofjnoer« 
häitniife für bie Sauperiobe beS nädfjften galjreS feftjufefeen. 
Ser ©ntfdjeibung ber ftomtniffton haben ftd) bie Arbeitgeber unb Arbeit« 
nehmer ju untermerfen. 3 u m «ften äJtale tritt bie Momntiffton ju 
biefent ^rceefe im §erbft 1899 jufammen, um über eine anbermeite geft* 
fefcung beS Sohnes für bie 3*il oom 1. Dftober 1900 bis 31. HRärj 1901 
ju bejd)liefen. 

8. ©omohl bie centrale mie bie lofale Drganifation ber Vtaurer, 
fomie bie ©emerffchaftsfommiffton oerpflichten ftch, ihren ganjen ©in» 
flufe jur Äufre^terhaltung biefer Sebingungen einjufefcett unb im SBiber» 
fpruch mit benfelben auSbredhenbe ©treifS nicht ju unterftü^en. 

9. SÄahregelungert in golge beS hierburch beigelegten ÄuSftanbeS 
finben nicht ftatt. 

©S ift alfo bie ftufenroeife ©inführung beS 65 /$*SohneS 
oorgefehen, aber bie gforberung ber Sefeitigung ber Slccorbarbeit, auf 
bie bie Unternehmer nicht oer^ten gu fonnen erflärten, oon ben 
Arbeitern fallen gelaffen morben. Sa auch & cr Sorpöcnbe beS 
©entraloerbanbeS ber Staurer in ber Ächtsehner-Äommiffion @ih 
unb Stimme haben foH, fo ift bamit auch sugleich bie Drgänifation 
ber Arbeiter als gleichberechtigt anerfannt morben. Ser Sor» 
fiftenbe beS ©entraloerbanbeS ber 2Jtaurer hatte oor bem ©inigungS» 
amt bie Hebung beS gegenfeitigen Vertrauens unb bie Schaffung 
eines ©egenfeihgfeitSoerhältniffeS marm befürmortet. S)aS fojial» 
bemofratifdje ©entralorgaif, ber ,,VormärtS", ift mit bem Äbfommen 
fehr jufrieben. SaS Vlatt fchreibt: 

„Sie Vereinbarungen, bie nun auf längere 3 ß it bie Sohnhöhe 
feftlegen, unb bereu Äenberung oon jebeStnaligen Verhanblungen jmifchen 
beiben Parteien abhängig gemacht ftnb, bringen für beibe Sheile nicht 
ju oeradbtenbe Vortheile. Sie Unternehmer merben nicht mehr bie ge« 
ringftc ©efdjäftsflaue ju einem Sohnbrud auSnühen bürfen, fie haben 
auf ber anberett ©eite auch nicht ju geroärtigen, baß bie gute Ifonjunftur 
bie Ärbeiter fofort ju Sohnforberungen anreijen fönnte. ©S mirb ein 
ftabileres Verhältnis Stab greifen, bie Unternehmer haben fefte Unter« 
läge für ihre Voranfchläge, fie haben auch nicht $u befürchten, ba& fte 

SerantnortltcQ für bte »ebaöimt: Dr. CS r rt ft 


„einjcln abgefchlachtet merben", bie Ärbeiter haben nicht mehr 3 a hr 
aus, gahr ein bei jebem Sau faft täglid^ um ihre gorberungen oon 
Veuem ju fämpfen, bie Äleinfämpfe, bie aufreibenb, fraftoergeubenb 
roirfen, fönnen eingeftellt merben. Ser ftantpf jmifdhen Kapital unb 
Ärbeit mirb barum nidjt aufhören, aber er nimmt anbere gormen an, 
mirb auf einer höheren ©tufe geführt." 

Saran fnüpft baS Vlatt bie Mahnung an bie Arbeiter, ihre 
Drganifation nun erft recht nicht ju oernachlafpgen, benn beren 
©tarfe biete bie befte ©arantie für bie Slufrechterhaltung beS 
©rrungenen. Sie Unternehmer hat bet „VorroärtS" meit fonjiltanter, 
im Allgemeinen meit entgegenfommenber aefuttben, als bie ber 
ÜRetaUinbuftrie gelegentlich beS gformerftreifs: ,Ebenfalls haben 
bie bieSmaligen Verhanblungen oor bem ©inigungSamte ben Ve« 
meis geliefert, baft bei gegenfeitigem ©ntgegenfommen unb Ver* 
hanbeln auf bem Voben ber ©leichberechtigung Sifferenjen in ben 
ArbeitSoerhältniffen leicht befeitigt merben fönnen. Sie „©Aarf» 
machet" finb mieber einmal ad absurdum geführt morben. ^offent» 
Uth bleibt biefer gfriebenSfchlup im Vaugeroerbe nicht ohne SRücf* 
mirfung auf anbere Snbuftriejroeige." 

3n einer am ©onntag, 25. 3>uni abgehaltenen Verfamm- 
lung haben bie Arbeiter — aUerbingS nicht ohne ftarfen SSiber» 
fpruch — befchloffen, bie Vorfthläge beS EiniaungSamteS anp* 
nehmen unb ben AuSftanb mit Vtontag, ben 26. ^Euni, AbenbS, 
als beenbet ju erflären. Sa bie Vertreter ber Unternehmer, bie 
Herren Söbler, SSeftphal unb Sadjmann, fchon oor bem ©inigungS* 
amt befannt gegeben haben, ba& bie SRehrheü ihrer SJlanbanten 
hinter ihnen |tehe, ift als fidler anjuneljmen, ba| ber Ausgleich 
auch ÜOn i^ rer ® c t te ^te 3aftimmuna erhält. Ser Vorfifcenbe beS 
Verliner ©emerbegerichts, §err oon ©chulj, fomie bie Veififcer, bie 
Herren Steigert unb Dr. ©erfchel (Arbeitgeber), fomie dürften unb 
Sfnoll (Arbeiter) haben ftd) burd) biefe VermittelungSaftion ein 
grofjeS Verbienft um ben fojialen grrieben erroorben. ^öffentlich 
gelingt es ihrem beroährien Saft unb ©efehief nun auch, &i e 
roeitereu, fleineren Sifferenjen, bie noch jmifdhen oerfchiebenen 
Arbeiterfategorien unb Unternehmern im Vaugemerbe fchmeben, in 
ben nädhften Sagen ju befeitigen. 

©intgtmgSamt für bie äRaffeuanSfperrung in fiopetthagem ©in 

im Sahre 1898 gemählter gemeinfamer AuSfchup jur ^Beilegung 
oon ArbeitSftreitigfeiten befcplop am 23. b. Vt., bem Arbeitgeber* 
oerbanb anjubieten, als ©inigungSamt im großen ßoefout im Vau¬ 
gemerbe unb in ber ©ifeninbuftrte (oergl. 6oj. VrariS ©p. 1004) 
m fungiren. SagS barauf hat ber AuSfchup einftimmig erflärt, 
baft bie ©perre im Sßiberfpruch mit ber früher jmifthen ben Arbeit¬ 
gebern unb ber Vtehrheit ber Arbeiter abgefchlojfenen Uebereinfunft 
fteht. Am 28. b. 3R. fott bie ©ntfeheibung fallen, ob bie ftreitenben 
Parteien gemittt finb, oor bem ©inigungSamt ju oerhanbeln. 


Cttentrlfdie Jlnjeige«. 

^lotfe, ©mit. Sie ©eroerbe»3nfpeftion in Seutfcfjlanb. 3hre ©nt* 
midelung, Organifation unb Aufgaben. Serlin 1899, ©arl 
§et)manns Verlag. 116 ©. SreiS l^o M . 
gür jeben, ber (ich für bie ©eroerbeinfpeftion intereffirt, hat ber 
Verfaffer ein redjt braudjbareS .^iilfsbüchlein geboten, gaft fämmtlicbe 
in Setracht fommenben michtigeren ©efefce unb Verorbnungen ftnb 
gröbtentbcils loörtlich micbergegeben. SaS ©anje mirb burd) einen 
furjen gefdjichtlichen Abriß ber ftaatlidfjen ©eroerbeaufftcht in Seutfch- 
lanb eingeleitet. SBerthooHer als ber Ipftorifcbe Sheil ift ber bem 
SBerfchen beigegebene ftatiftifche Apparat, ber es burch feine überjtdfjt« 
liehe Änorbnung ermöglicht, bie geroünfehten Säten eines feben gn- 
fpeftioitSbejirfS über 3 a bt ber Snfpeftoren unb Äfftftenten, ber Se¬ 
triebe, ber ber ©emcrbeaufftcht unterftellten Arbeiter u. f. m. fofort auf« 
jupnben. 

SBengler, Ä. SeutfcheS ©emerberecht (©ammlung faufmännifcher 
AechtSbücber). 2eipjig, Verlag ber §anbetSafabemie Seipjig 
(Dr. jur. Subroig ^mberti). 120 ©. $reis 2,75 M . 

Ser Verfaffer miu, mie er in ber Vorrebe ermähnt, Äaufleuteit 
unb ©eroerbetreibenben einen Ueberblid über bas roeite ©ebiet beS ©e* 
roerberechts oerfchaffen. SefonberS eittgehenb ift bie gnnungS* unb 
Ärbeiterfdjubgefe^gebung bargeftettt. ©in gutes alphabetifcheS ©ach» 
regifter erhöht bie Srauchbarfeit beS SüchleinS. 

^ontifer, 3Ä. ©ojiale ©ebanfett eines Dptimiften.' Serlin 1900. 
Dr. V. SBrebe. 48 ©. 

The foreign policy of the United States: Political and Commercial. 
Adresses und Discussion at the Annual Meeting of the American 
Academy of political and social Science (Supplement). 
Vtittljeilungen beS ©tatiftifchen Amtes ber ©tabt SreSben. 9. §eft. 
SreSben 1899, 0 . 3ahn & gaenfdf). 

rtatitfe in 8 eilin W., »aqrtui^erftrafec 39. 


1063 »Soziale $ra£i$. dcntralblatt für Sojialpolttif. Br. 39. 1064 

©ie »»S**?taU $lrart*" erföeint an jcbcm ©onnerStag unb ift burdj aUe BucbbanMungen unb gjoftämter (Boftjeitungdnummer 7072) $u beheben. ©er s 4?rei§ 
für ba« Bierteljafir ift 2J?. 2,50. Scbe Kummer foftet 30 $f. ©er Anzeigenpreis ift 60 $f. für bie breigefpaltenc ^etitjeile. 


Soeben bei Wunder & §umbiot in £eipaig erfdfjiencn: 

gttaate- ttttir foctalnJincttrttjdftlidTC^O^rdjmtößn. §erau§gegeben t»on ©. JJtdrmoUer: 


XVI. 23 ant>, 5 . Jpeft: 

§it mittlerr JebeitslMtuer 

in 

SttaM itttb Jnub. 

2km 

<E. SaUob. 

VI, 141 u. III Seiten. $rei§ 3 60 $f. 


XVII. 23 anb, 1 . Jpeft: 

fie fmmtjieJlrn ßfiieljuitgcu 

ber 


I flarniMdioi ganliiers p givrtie non 1285-1804. 

s £ott 


<5eora, Sdjneiber. 

X, 78 Seiten. 9>rci3 2 ©?. 


früher im gleichen Verlage cr]d)ienen unb ebenfalls burdj jebe xMidjljanblmtg 311 begu^en: 


Die tebcnsfäljiglieit 

ber 

|läbHfd)cn unb Iönblid|eu ßcunlhernng. 

58on 

<Iarl öallob. 

@r. 8 «, V, 98 <3. 1897. $rei3 2 «W. 20 

Bus bem Bor wort: 

„©ie uorlicgcnbe Arbeit hübet wohl beit erften Berfud) einer 
e^afteii Unterfiidjuitg ber üebcnsfäbigfcit ftäbtifrfier Bcoölferungeii 
aus ficf) beraub, ©er Umfang be* Stoffes gebot sunädift eine Be= 
fcbrätihmg auf eine Bnzafjl oon Olrofeftäbten unb ganzen Säubern 
wäljrenb ber neueften ^eit, wobei bic Stabte unifoioeuiger eine 311 
ungiinftige Beurteilung erfahren haben fönnett, als bie SterblirfjfcitS= 
oerhältniffe bcrfelbcn in ber Beujctt eine uerfjältniomäfüg bebeutenbere 
Beffcrung erfahren hoben als bie bes flachen üanbeS. Borausfidjtlich 
mirb eS bem Berfaffer uergönut fein, feine Unterfuebungeu über bie 
oorliegenbe gragc in gufunft weiter aus^ubehtien." 


§ur Siorinl- itnii ©twrrbeplitilt 

ber (Dcgenunut. 

lieben nnb ^lufTcttf* 

DDU 

<5uftar> Sd^mcUcr. 

©r. 8 °, XII, 472 8 . 1890. «|5rciS 9 SW. 

3 n h a 1 1 : 

Bebe jur (Eröffnung ber Bcfpredmng über bie focialc gragc in 
(5-ifcnad) beu 6 . Cftobcr 1372. — ©er moberne Berfehr im Ber* 
hältnis junt mirtfdiaftlidien, fociaien unb fittlttfjeu gortfeftritt. 1873. 
— ©ic focialc gragc unb ber preufüfd)e Staat. 1374. — ©ie 9tatur 
bes Arbeitsertrag* unb ber ttontraftbrudj. 1374. — ©ie Be form 
ber (tieiuerbeorbttung. Bebe, gehalten in ber ©eneralüerfammhmg 
bes Bereins für Sopalpolitif am 10 . Cftober 1877. — ©er lieber* 
gang ©cutfd)Ianbs jurn Sdutbsollfpftem. Bebe in ber General* 
ocrfammlung bes Bereins für Sojialpolitif am 21 . April 1879. — 
©ie SSiffenfdiaft, bic "parteiprinjipieu unb bic praftifdjeu ^tele ber 
beutfdicn foHtif. tSinleitenbc Sporte bei Uebemahme beS 3ßhrbudieS 
für Olefepgcbung :c. 1380. — ©ie OJcrcditigfcit in ber Bolfswirr* 
jehaft. 1880. — ©as untere unb mittlere gemerblidie Sdfulroefen in 
Breufeen. 1881. — ©er ©entfdie Bereit! gegen ben BUpbraudi geiftiger 
Wetränfe unb bic gragc ber Sdiaitffonjefpoucn. 1883. — Hermann 
Sd)ulje*©eli^fdi unb (Sbuarb Sa$fcr. 1884. — (rin Btahnruf in ber 
Wohnungsfrage. 1887. — lieber Wefen unb Berfaffung ber großen 
Unternehmungen. 1889. — lieber öeminnbeteiligung. 1890. — ©ie 
faifcrlidieu (Srlaffe nom 4. geBruar 1890 im Sicfjte ber bcunchnt 
Wirtfchaftspolitif oon 1866 — 1890. 


Soeben ist erschienen: 


Wohnnugen der Minderbemittelten in München 

und die 

Schaffung unkündbarer kleiner Wohnungen. 

Denkschrift im Aufträge d. Magistrats-Direktoriums 

herausgegeben von Dr. Karl Singer. 
Sekretär d. Statist. Amts d. Stadt München u. Oberbeamter. 

(Mil zaülr. Abbild, älterer u. neuerer ArbeiterwobiiQiiartiere.) 

1899. J. Lindausr’sche Buchhandlung i Sclnipping.) Preisft.öOM. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 

Moebe» erschien: 

Die 

Stellung des Handwerks 

in 

den hauptsächlichsten 
der ehemals zünftigen Gewerbe 

von 

Dr. Max Mendelson. 

Preis: 4,50 Mark. 




i%. 


Die Schaffung 
und Erhaltung 
einer deutschen 
Schlachtflotte. 

Von 

Adolph von Ulenckstertt. 

t 

fripjig, Hering non fundieriV’fkmfifof. 1899. 


Verlag von Duncker & Humblot: 

Die Kündigung des englischen Handelsvertrags 

und ihre Gefahr für Deutschlands Zukunft. 

Von Kurl Hallig«*». 

- Preis 40 Pfg. —--- 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 

Demnächst erscheint: 

Die Arbeitslosigkeit. 

Ihre Bekämpfung 

und 

Statistik. 

Von 

Paul Item«It. 

--— Preis 3 Mark. —-—- 



iJcrantinottlulj fiu Dte «liuciafu: £cnmutlj Deibel, fieipjifl. — Verlag oon Juutfcr & £uin[ilot, Seipiig. — (Sct>i\ic?t bet ^ultug StUenfelb, 2J:tIin. 









VIII. fojpgotis. 


Scrhrt, ben 6. 3>uli 1899. 


Hummer 40. 


Soziale ptayis. 

^enftrarMctfl für g>o 3 ta£polifiü 

mit ber ©hmatsbetlage: 

Das (Bewerbeigertcht. 

®rgan lies Derbanbes beutfdjer <5en?erbegericfyte. 

SReue golfle ber „SBlätter für fogiate ©raytS" unb be« „Sogialpolitifchen (SentralblattS*. 

«rf$eittt a« {rbem 2ointerf»cg. ^CCailÖgeBer: ©rri« t»fertel|S|rv!i(% 2 Vt. 60 ©f. 

JRcbaltton: ©erltn W., ©apreutherftrabe 29. Dr. «ftttttdtt. ©erlag üon ©Jumfer & |>umblot, Setpgtg. 


3uWt 


©ie gefepli<$e SRegelung ber 
iHrbettfiöerljaltniHe ber Keil* 
ner unb Kellnerinnen, ©on 
Dr. Slrtpur (£ot)en, ©iündjen. I. 

1065 

2)er81u8ftanbber9Raurett>0rbem 
©ett» erb eg erlebt aUCSintflung«* 
amt ©om gabrifant £). SBeigert, 
©etUn.1069 

ntfwetae 9nU&> nab eHrtbf6«ftl< 

*•!««.1072 

©a«Koalition«redjt bet niebet* 
länbifdjen Arbeiter, ©on Dr. 
nan 3anten, Slmfterbam. 

SBeljrfraft unb ©ojialreform. 

©tne ©efabr für bie Konfurrenjfäbtß* 
feit unferer ^nbuftTie auf bem 5Belt» 
marft. 

S5er öfterreitbifd&e £anbelSmmifter über 
bie Heimarbeit 

©a« neue ©tinifterium unb bie ©ojtal* 
politif in gtanfretdj. 

Sie 3ulaffung ber flauen jur Aecpt«* 
amoaltfdfraft in granfreüb. 

Urtbeil eine« Tuffifd^ert gabrifanten 
über ben ötptftfinbigen Arbeitstag. 

ftnanranalt ©•fttalpolttif.... 1076 
Keine grauen alö @emeinben>atfenrötf)e 
in ©reufeen. 

föleftrijitätsmerfe in mittleren unb 
Heineren ©tübten ©eutfdjlanb«. 
©täbtiföe« £pgtenifd&e8 Snftitut für 
©erlin. 

©täbtifdje ©cfeulärjte in ©djöneberg. 
9ieue ©ubmlfftonSotbnung in SRann* 
beim. 

SJa« Oberbau« gegen »eiblicbe ©e* 
meinberätbe in ©nglanb. 

Kommunale SRaferegeln gegen Suber» 
fulofe in ©tanepefter. 


AtterSpenfionen für bie ©emeinbe« 
arbeitet in ©ari«. 

Oogtale Baftänbe .1078 

Kinberarbeit in Sonbon. ©on 
©rneft Aoefl, Sonbon. 

KrteÜfder* mb Untern ebwer* er* 

lüsbe.1080 

©er 9ting ber Sapetenfabrifanten. 

©er ©erbanb beutfdjer ©djub* unb 
©cbüftefabrifanten. 

©in ©erbanb ber fübmeftbeutfdben 
©töbelfabrifanten. 

©et ©erein beutfeber SöeTfyeuQ* 
mafd)inenfabrifen. 

«*§cittrfte»tg«itg.1082 

©ergarbeiter«Unruben im 
©uljrreoter. 

3um griebenfif«bluffe im ©erliner 
©äugen» erbe. 

©er 32. ©rabe-Union« Kongreß. 

3ur ©ergarbeitirbettegung in grnnf» 
reich. 

ttttttterfto*.1083 

©oaialpolitif auf ©ee. 

©orfebriften über bie Arbeit«aeit in 
©eireibemüblen. 

©ie gabrifinfpeftorinnen in SSeimar. 
©olijeioerorbnung für Unterelfafe über 
I ©ätfereien. 

Arbeiterfcbufe in ber englifeben 3ö n b* 
poljfabrifaHon. 

fUbritcrtoerfidtermtg. Spar taffen 1085 
©iitbeitlicbe Crganifation bet brei 
SlrbeiteroeriicberungS^meige. 
©eruf«genoffenfcbaft«tag in Konftan^. 
©ie grage ber AlterSoerficperunfl in 
Oefterreicb. 


Snbalt be« ©eroerbegeriebtb 9ir. 10. 


Beilage* „©*# ©<»er*egrrtftt“ ft*. 10 . 


Äbbrucf fämmtlidjer Artifel ift geümtgen unb ß'ttfcbtiften geftattet, jeboeb nur 
mit Poller Quellenangabe. 


Bie gcfe|Ud)c Regelung ber 3UbeiteuedjäUniflc 
ber Jüellner trab fteUtteritraen. 

3n Kummer 29 bei* „Sozialen ^$ra£is" l)aben mir bie Sage j 
ber Arbeiter beS (^aft= unb SchaufroirthsgeroerbeS im 3 u fammen* 
bang mit ben tödriebsoerhältniffen betrachtet. 2)ie SReformfrage, 1 


ber mir un« nun guroenben, §at oon einer Vergleichung ber 
geroerberedjtlichen Stellung ber Kellner unb Kellnertnnen 
mit jener ber übrigen Arbeiter auSgugehen. $)a$ Urmeigtbum 
atter ©ogialpolitif: w ^lm fiebenten Xage fottft bu ru^en!" finbet 
auf fie feine Slnroenbung. 2lber nicht nur rec^tlicf) finb bie 
Kellner unb Kellnerinnen oon biefer SBobltljat auögefcbloffen, fon- 
bern auc^ t^atfäc^tic^: nur in einem Steile ber ©aftböfe o^ne 
SWeftaurationöbetrieb faßt bie 2hi8gebegeit etroa alle oier SBodjen auf 
einen Sonntag, im Uebrigen befielt bie Aufgabe be« Söirtbfrfjaft«* 
geroerbe« im Spfiem ber nationalen 2lrbeit«tbeilung nadb ber 
üblichen Sluffaffung unb nach ben ^b at f a ^ en gerabc befonber« 
barin, ben anberen Slrbeiterfategorien nach ben fauren Soeben 
frobe Scfte gu bereiten. 

$)en 23cfucb be« fonntäglicben ©otte«bienfte« roürbe 
biefe« an Rib oßerbing« nidbt binbern; benn auch ber Sonntag«* 
burft melbet ficb bei normalen Naturen erft in ber groeiten §>älftc 
be« Vormittag«. ?lber nidjjt ohne Seroegung lieft man, bafj ber 
fonnläglid)e Kircbenbefutb für ben Arbeiter be« 3Birtbfcbaft^0enjerbe« 
nicht ejiftirt, ja, bafe jene ßlföglicbfeit oon ihnen gar nicht in« 
2luge gefaxt roirb. S)ie Arbeitgeber fagen, fie fäben e« gerne, 
roenn ihre Bebienfteten Sonntag früh $ur Kirche gingen, aber e« 
fomme nicht oor; bie Arbeiter erroibem, ihr Schlafbebürfnifj fei 
Sonntag borgen«, nach bem anftrengenben Sam«tag, gröjjer al« 
ihr ^ebiirfni^ nah rcligiöfcr Erbauung; h a ^ e man nothbürftig 
au«gefd)lafen, fo begännen fchon bie SSorbereitungen für ben 
Sonniag«befuch ber ©äfte. 

Söitt man auf bem Sßkge, ben ber Arbeiterfchuh bi«her in 
$>eutfcf)lanb genommen fyat. fortfehreiten, fo roirb e« firfj bei einem 
etroaigen Spegialgefepe gum Schupe ber Kellner unb Kellnerinnen 
oor Adern barum hanbeln, biefe Arbeiterfategorien ben übrigen 
geroerblichen Arbeitern in 33egug auf bie Sonntag«ruhe 
möglichft gleicfjguftellen. 2)afiir fprechen nicht nur ade jene 
fogialpolitifchen Örroägungen, bie feiner 3*ü S^r 3feftfepung ber 
obligatorifhen Sonntagsruhe geführt h a ^en, fonbern auch 
roägungen ber ©erechtigfeit. tiefes 3^ ^ ann nun öuf groeifache 
Sßetfe erreicht roerben: 

1. 3J?an fatm bie S3eftimmungen über Sonntagsruhe auf bie 
©aft* unb Schanfroirthfch a f te n au«bebnen. @« ift für bie 
beutfehen 3nftänbe begeichnenb, bafe ein folcher Sorfchlaa nirqenb« 
aufqetaucht ift. N JJtan fann aber auch & cn ^Bebienfteten be« Söirth* 
fchaftSgeroerbe« einen Grfap für bie fehlenbe Sonntagsruhe oer* 
jehaffen, inbem man, ba« s $ringip ber Sonntagsruhe au« feiner 
religiöfen Umhüdung herausfhülenb, oorfchreibt, bap ihnen roöchenU 
lieh ein ooder Ruhetag gu geroähreit fei, roobei bie Söahl be« 
Ruhetage« bem eingelnen Arbeitgeber gu überlaffen roäre. 

2. s JJtan fann jenem 3^ au f inbireftem 2öcge nachftrcben, 
inbem man ben Mangel ber Sonntagsruhe burch einen Ausnahme* 
fchup in ben übrigen ArbeitSoerhältniffen, g. 23. biirrf) 23egrcngung 
ber täglichen Arbeitszeit, fompenfirt. 2)agu läbt and) bie lange 
tägliche ArbeitSgeit ein, bie roir in unterem eilten Artifel fonftatirt 
haben, hierbei latfen fid) roicber oerfd)iebeue Dcethobeu beufen, 
nämlich: a) 23egi*eugung ber 23etricbsgcit, Ij) 9MarimaIarbcitstag 
unb c) DÜnbeftruhegeit. Ade brei gorberungen finb fchon erhoben 
roorben. ^ie gorberung b oon ben Sogialbemofrateu (neben 












Soziale $rajiS- ©entralblatt für Sojtalpolttif. Ar. 40. 


1008 


1007 


üoEcm Bodjenruhetag); her Sorberung a neigen bie Konfcroatioen 
gu, aber auch ber §auptfd)riftfteEer nuferer Vfaterie, Vrofeffor 
Dlbenberg, hält biefen Beg für ben annehmbaren; 1 ) bie Minimal* 
ruhegeit ift in ben befannten Anträgen non o. §ei)I unb ©ettoffen 
enthalten. 

Öiir bie Begrengung ber BetriebSgeit fpricht, bafe fie an 
baS Snftitut ber ^Solijeiftunbe anfnüpfen fönnte; bagegen bie 
llnpopularität einer folgen ERafercgel. ©in etwaiger gefejlicfjcr 
BctriebSfd)Iufe müfete ferner bnrcf) baS gange Aeüfe einheitlich 
feftgelegt werben, bie lofalen Verfchiebenheiten, bie Bebitrfniffe beS 
burchrcifenben Qremben, beS nächtlichen ©eifteSarbeiterS, fowie aller 
berer, bei benen ber gefüllte Becher erft lange nach Mitternacht 
feinen ©rcnjnupen erreicht, fönnten nicht berücffechtigt werben. Die 
Bolijeiftunbe unb aEeS, was ihr ähnlich lieht, würbe ferner nur 
einen £h*il, aEcrbingS ben £>aupttheil, ber Arbeit ber Kellner unb 
Kellnerinnen, bie Bcbienung ber ©äfte, treffen; bie Arbeiten ba* 
gegen, bie fid) nicht oor ben Augen beS $ßublifumS abfpielen, 
j.B. bie AcinigungS* unb Vorbereitungsarbeiten, blieben ohne 
Befdjränfung unb S3eauffid)tigung. Die Schlinge ber ^oli^ciftunbe 
würbe cnblich, was bie ^auptfache ift, auch an ben ©aftfjöfen 
oorbeifaufen, unb gerabc in biefen herrfd)en, wie wir in beut 
porigen Strtifel auSgeführt haben, wa§ bie ArbettSjeit betrifft, jutn 
Dheil hie fdjlimmften 3 u feänbe. 

®ie 3Rinb eftruhe je it ift eine Vfobeforberung. Sic be* 
fämpfen helfet gegen ben Strom fchwimmen, unb bas ift gumal 
bann unangenehm, wenn man fchon felbft mit bem Strome ge* 
fchwommen ift. 2 ) Kein S^eifel: an fed) böte eine nicht gu gering 
bemeffene gefefelidje SRinbeftruhegeit oerbunben mit obligatorifchen 
„AuSgehejeiten" einen annehmbaren ©rfap für bie gcfepltdjc Sonn« 
tagSruhe. Sa, wenn nur bie ewige ©efdjuhte oon ben „Aus* 
nahmen" nicht wäre! Unb gerabe baS BirthfehaftSgewerbe mit 
feiner Unftetigfeit beS Betriebes ift geeignet, ben ©efepgeber be* 
jonberS „auSnapmefrcubig" ju ftimmen. BaS ift nicht afleS in 
ber Kommiffion oon ben Btrtpen als Anlafe gur Seftfepung oon 
Ausnahmen bezeichnet worben: Saifon, Witterung, 3al;reSjeit, 
geftlichfeiten, Märfte unb ÜReffen, Berfpätunaen oon ©ifenbahn* 
jügen, ©rfranfung beS VerfonalS u. f. w. Auf bie ßrage, wie 
oiel Ausnahmetage imSahre oerlangt würben, finb bei ber fdhrift* 
liehen Umfrage oon ben Kettneroereinigungeti bie 3 a hlen 50 bis 
100, oon ben Birthen bei ber Vernehmung bie 3 a ht cn SO, 100, 
150 genannt worben. Bürbe man biefe Ausnahmen julaffen, fo 
bebiirftc eS ber befannten fthiefen ©bene gar nicht mehr, um bie 
gefepliche VUnbeftruhejcit gu einer Scheinmaferegel ju machen, bie 
etwas gleich fehen, aber alles beim alten laffen würbe. Die ohne* 
bieS fefeon |o fdpoierige unb beim BirthfehaftSgewerbe wegen feiner 
eigentümlichen BetriebSücrpältniffe hoppelt fdiwicrige Auffecht 
über bie Durchführung einer gefcplicheit VJinbeftrnhejeit würbe 
burch bie 3alaffung oon fo oielen Ausnahmen gerabeju unmöglich- 
Das Bewufetfein aber, „bafe man bas Seinige gethan habeV) ift 
nicht geeignet, baS ©emiffen eines einfichtigen SojialpolitiferS gu 
beruhigen. Denn f ogialp olitif ehe ©efepe, bie nid)t burchgefiihrt 
werben fönnen, finb nicht nur nicht nüfelich, fonbeni gerabeju 
fdjäblid), weil fie bie fojiale ©efepgebung in Mifefrebit bringen. 

'Bill man bie tägliche ArbeitSjeit ber Kellner unb Kellnerinnen 
auf ein gewiffeS 9Rafe juriieffübren, fo oerfuche man es — aber 
nicht um ben ^reis ber Verfümmerung ihres Rechtes auf ben 
Bocfeenruhctag. AHnbeftruhejcit unb AuSgehcgeit finb enge be* 
grenjt. Sene ift Schlafgeit, biefe 3 c it 8 ur Beforgung oon Vrioat* 
gefchäften. 9iur ber oolle Bochenruhetag bringt eine wirfliche 
$aufe im (Einerlei ber Vcrufsthätigfeit, eine Vaufe — ausgebehnt 
genug, um Schlaf, Körperpflege, ©rholung, Vilbung, Vergnügen 
ju bringen, furj um bem Arbeiter ein menfchenwiirbigeS Dafein 
ju oerfdjaffen. Der SRuhetagS^wang würbe ein ftarfes ©egen* 
gewicht gegen bie fchäblicfeen folgen beS SlrbeitenS in ungefunben, 
mangelhaft gelüfteten SRäumen gewähren, er würbe ben oerhei* 
ratljeten Kellnern unb Kellnerinnen bie Rührung eines Familien* 
lebetiS, ber ganzen Arbeiterflaffe bie gemeinfame Vefpredjung oon 
Berufsangelegenheiten einigermaßen ermöglichen. „ 3 dl glaube/' 
tagte Kellner ShomaS oor ber Kommiffion, „bafe biefe .“»Gftiinbige 
SRuhejeit baju bienen mürbe, bie geiunbhei'tsfchäblidicu /eigen ber 
langen Arbeitszeit 311 beteiligen. Die 2lusfprad)en, bie auf nuferen 
Vcrfammlungen oon älteren unb jüngeren Kollegen ftattgefuuben 
haben, gehen immer bahiu, bafe fie ben Ruhetag oon ’»<> Stunbcn 
mit /reube begrüfeeu mürben." Beim er nidit gemährt mirb — 

M .Soziale Brarts" V. 3p. Ä7. 

,J i Boltsm. Beil.' 3 . „Allg. /,tg." lv4 Ar. Ihm. 

3 i Aiotioe fim (onnonrr einer (emerbcprb 111:ngc-n0p,e.Lfe» 3 ci»iim 

!'!i, 3. ‘J4. 


fügt DhomaS hinju — „bann nüpen bie gangen ©rhebungett 
ni^tS." (S. 77). 

BaS bie Öänge beS SRufeetageS betrifft, fo läfet fid) ja 
über biefen Vmtft ftreiten. 3<h perfonlich ^aiie einen Ruhetag 
oon 30 bis 34 Stunben für auSreicfjenb, aber auch für nöthig. 
3Äan ntufe hoch bebenfen, bafe man bem Birth bie Vtögltchfeit 
geben mufe, ben betreffenben Arbeiter am Dage oorher bis gutn 
Vetriebsfchlufe — fagen wir bis 1 Uf)t ^acfetS — gu befchäftiacn. 

Ausnahmen brauchten nur für 6 Bod)en im S^hre jugelaffcn 
gu werben, fo bafe etwa Saifonhotels waferenb ber brei Monate 
bauernben Sfteifefaifon ihren Vebienfteten nur alle 14 Dage einen 
ootten Ruhetag gewähren müfeten. 4 ) 

Sn Rotels ohne SteftaurationSbetrieb müfete ber Ruhetag ntin* 
beftenS einmal im Monat auf einen Sonntag fallen, ©ine meitergeljenbe 
Vefd^ränfung beS Sonntagsbetriebes halte ich nicht für möglich- 
’ Bährenb bie VHnbeftruhegeit bem Betriebsleiter oielfach läftige 
Seffeln in feinen täglichen DiSpofitionen auferlegen, ja bann unb 
wann ben Unternehmer gur ©infehränfung ber gefchäftlichen Dhätig- 
feit gwingen würbe (was ja an fid) nichts VebenflidjeS hat, aber 
gu einer Umgehung ber betreffenben Vorfd)riften gerabegu auf* 
torbert), währenb fee ferner auf anberer ©runblage getroffene 
befriebigenbe Arrangements unter Umftänben ftören fann — ift 
ber BochenrubetagSjwang technifch leicht burchfiihrbar, er ift eine 
wenn auch rabifale, fo hoch einfache flarc IRaferegel, bie nur eines 
nöthig macht: bie Vertretung beS rufeenben 2lrbeiterS. Sn fleinen 
Unternehmungen wirb ber Birth unb feine Samilie am Ruhetag 
perfönlidh gugreifen müffen, in gröfeeren Unternehmungen muffen 
unter Umftänben AuShülfSperfonen eingefteEt ober es mufe baS 
ftanbige V e rfonal um einen fog. „flieaenben KeEner" oermehrt 
werben. Da es natürlich oerboten werben mufe, bafe ber Arbeit* 
geber feinen Arbeitern bie Koften für ihre Vertretung am gefep* 
liehen Ruhetag auferlegt, fo wirb ber SRuhetagSjwang in oielen 
Betrieben bie BetriebSfoften oermehren. Aber nicht bebeutenb. 
£>ier geigt baS Drinfgelberwefen auch einmal eine gute Seite. Die 
AuShülfSfeEner 5 ) erhalten nach ber gegenwärtigen Uebung ent* 
weber überhaupt feinen Sohn ober nur einen geringfügigen Sofytt 
(gewöhnlich 1 Jf, im Dage); im Uebrigen finb fee, wie bie ftänbig 
befchäftigten KeEner, auf bas Drinfgelb angewiefen. 3 ur 
beS in Naturalien beftefeenben DhetlS beS Sohnes (Beföftigung) 
an ben eben Vuhenben wäre ber Arbeitgeber natürlich nicht oer* 
pflichtet; an feiner Statt erhielte ber AuShülfSfeEner bie Beföftigung. 
£ülfsfrä|te finb genug oorhanben; ob auch qualifigirte $ülfS* 
6äfte, ift in ber Kommiffion niefet feftgeftellt worben, ba fech bie 
©rhebitng leiber auf §iilfsfeEner nicht begogen hat. Die ©inführung 
beS Ruhetages wirb übrigens bie Veiftungsfähigfeit beS ganjen 
KeflnerftanbeS erhöhen, fo bafe bie KeEner mit ber 3 c ü vielleicht 
mit Ruhetag ebenfooicl ober gar mehr in ber Boche leiften werben 
wie gegenwärtig ohne Ruhetag, mit anberen Borten, bafe bie 
BetriebSfoften wieber auf ben früheren Stanb finfen werben. 

__ (S^lufe folflt.) 

4 ) Die gewählten AuSnahmewodjcn müfeten oor Beginn beS Sahres 
oon ben Unternehmern ber VerwaltungSbehÖrbe angegeigt werben. — 
Ber beiratbeten Arbeitern, bie ihre /amilie nicht am Drtc beS Be* 
triebe* haben, füllte ber 'Arbeitgeber auf ihren Buufdj ftatt beS Bocfeen* 
nthetages alle 14 Dagc eine gweitägige ununterbrochene Jluhegcti ge* 
mähren fümicn. — ©ine befonbere Behanblung erforbern ferner bte 
Saalgcfdiäfte, bie totale mit biofeem 3age*bctricb (7 Uhr 
Bforgen* bis 7 Uhr AbeubS) itnb bie Unternehmungen mit oollftän* 
big cm 3 di ichtw cd) fei (Biener ©afos). /u ben ©aalgefd)äften müfete 
ber Aubetag auf minbeftenS 4H ©timbeii ausgebehnt werben, ba hier 
an bcu Betriebstagen bie Scfilafgctt gang befottbers gufammenfehrumpft. 
Ba* bie hetben anberen Betriebsarten betrifft, fo tarnt fid) hier ber 
©efepgeber umgefehrt mit einer ober gmei wöchentlichen Ansgehegettrn 
oon otcr Stunbcn begnügen mtb baburdi biefe Betriebsarten felbft, bie 
einen tcchiiifcben unb fogialen /ortfd)ritt in ber Ausübung bc* ©e* 
werbe* barftcllen, gu förbern juchen. — Bohnt ber Arbeiter im ^paufe 
bc* Arbeitgeber*, fo mufe biefem bie Bcögliihfeit gegeben werben, am 
Auhctag ben Vcbeiwwaubcl be* Arbeiter* cinigeriuafecu im 2luge gu bc* 
halten. ©* märe baber gu beftimmni, bafe ber Arbeitgeber bem Arbeiter, 
ber in feinem \>auic wohnt, ooridnetbeu fann, bafe er an feinem Aubetag 
bie /eit oon in llbr Abeub* bi* 7 Uhr Borgen* (bei erwachsenen Arbeitern) 
begw. oon 7 Uhr Abeub* bi* 7 llbr Borgen* <bei Berfonen bis gu 
ls /abren 1 int .^aufc gugitbringen habe. - And) utödjte e* fid) fragen, 
ob ntd)t ber (')efepgebcr auf ein bi* gmei /abre einen lieberg ang * = 
guftanb Iierftelleit füll, bergeftalt: erfte 1111 b brittc Bunhe bc* Bonat* 
uuHer Aubetag, zweite unb vierte Bodjc halber Aubetag oon zwölf 
Siuubeti iBiununag imb Aadnnittng ober Aadjmittag unb Abeub) 1111 b 
\\mi Aii'.gelu'p'-ieM |p: oier 3timbeu. 

*’) .f>änüg Ktäiiter unb >>anbioerter im Aebenberuf, Bernebmuugen 
3. .“»s unb 7 



1069 


©ojtale $raji8. Gentralblatt für ©ogtalpolitif. 92r. 40. 


1070 


Bet bet Jlantet not betn (Bcmerbr- 

getidjt ab (Etnigung^amt.*) 


3m Biärg &• 3- nutete ber Berbanb ber Maurer Berlins unb 
bcr Bororte, bic fogenannte Lofal*Drganifation ber ÜDtaurer, an 
ben Bunb ber Arbeitgeber beS berliner Baugewerbes eine (Eingabe, 
in bcr folgenbe fünfte gur gcmeinfc^aftlidjen Befprecßung unb gum 
2Serfud)e etner frieblidjcn (Einigung unterbreitet würben: 

1 . ^eftlegung ber 9 ftünbigen Arbeitzeit unb eines 60 ^»ArbettS* 
loßnes pro ©tunbe auf längere $eit; 2. fteftfeßimg einer einheitlichen 
Arbeitzeit; 8. SRobalitäten ber Lohnzahlung an allen 3afjltagen unb 
an ben Borabenbeit hoher <yefttagc; 4. Abfdmffung ber Afforbarbcit im 
gefammten Baugewerbe; 5. prinzipielle Abfdjaffuug bcr llcberftunben 
unb (ürwäßriuig eines 3 l, fd)lages non ir> zf. pro ©tunbe, fofern in 
aufjerorbentlidjen gälten folrfje geleitet worben ift; 6. (Errichtung non 
Baulmben, bie uor ben (Einflüffcn ber Witterung gcfchüßt finb, nach zu 
nereinbarenben fiir alle Bauten glcidjmäßigen Beftimmungen; 7. in ahn* 
lidjer Weife foütcn Bereiubarungen über bie (Errichtung ausreichender 
Aborte mit ben ber .frpgieue enttpredjenbeu Beftimmungen getroffen 
werben; 8. Oicmährung bes erflen 3>2ai als Feiertag; 9. (Einfeßung einer 
gemeinfrfjnftlidien Momntiffion auf paritätifcher (Brunblage zur (Ent* 
fdjcibuug aller norfommenbeu Xifferengcn. 

Diefe ^orberungen würben oon bem Arbeitgeberbunbe mit 
einer furgen Begrünbung abgelebt. Der Sohn, fo würbe gefagt, 
muffe fidh ftets' nach ber jeweiligen Seiftutig ber betreffenben Ar* 
beitnebmer richten. Die befteljenben unb in 3 u ^ un ft entfteßenben 
©treitigfeiten füllten burd) ein lebiglid) aus Arbeitgebern beftehen* 
bes ©(biebSgericbt gefchlicßtet werben. 

SRadjbem bie Arbeitnehmer bie Hoffnung auf eine frieblicbe 
Beilegung ber ©treitpunfte aufgeben mußten, traten bie (Eentral* 
organifirten, im (Gegenfaß zu ben Lofalorganifirten, mit bem Ber* 
langen auf (Erhöhung bcS Arbeitslohnes non 60 auf 65 A \ für 
bie ©tunbe heroor. Diefe gorberuitg würbe oom Bunbe ber Ar* 
beitgeber abgelebnt, gleichseitig aber bie AuSfperrung ber SKaurer 
auf fämmtlichen Bauten ber BunbeSmitglieber angeorbnet unb 
burchgefübrt. Außerbcm würbe befcßlofien, gur beffereit unb erfolg* 
reidjen Durchführung ber AuSfperrung baS (Erfuchen an fämmt* 
liehe Baumaterialien*ßieferanten zu richten, an Bauunter* 
uebmer, bie fid) ber AuSfperrung nicht anfd)ließen, inSbcfonbere 
einen höheren Sohn als 60 pro ©tunbe gaßlen würben, bis gur 
Beenbigung ber AuSfperrung bic Lieferungen einsuftellen. ©cßließ* 
lieh würbe'bie (Einberufung eines SfongreffeS aller Arbeitgeber beS 
BaugewerfS in Deiitfcßlanb nach Berun in ©eene gefeßt zu bem 
3wetfe, bie AuSfperrung auf fämmtliche im Baugewerbe Deutfeh* 
lanbs befchäftigten Arbeiter auSgubeßnen. Die SKaurer Berlins, 
fowobl ber centralen als lofalen Giicßtung, wie bie (Gruppe ber 
Afforbarbeiter beantworteten bie AuSfperrung oon ©eiten ber Ar* 
beitgeber bamit, baß fie auf allen Bauten, auf beiten nicht ein 
©tunbenlobn oon 65 ,i| bewilligt würbe, bie Arbeit nieberlegten. 
Die Situation geftaltete fich bemnach wie folgt: 

a) bie Arbeitgeber hatten ausgefperrt etwa . . . 3 (»(KJ Btaun 

1 )) bie Arbeit liiebcvgelegt hatten etwa.4 ouo 

c) bie Arbeit fortgcfrßt, nach Bewilligung oon 65 

©tunbenlobn, hatten etwa. 2 000 * 

©ofort nach Beginn ber AuSfperrung besw. bcS AuSftanbeS 
leitete bas (Gewerbegeridjt offizielle Berbanblungen zu bem 3 roe( ^ e 
ein, ben ftreitenben Parteien bureb Anrufung beS (EinigungSamteS 
(Gelegenheit gunt SriebenSfdjluß zu geben. (Gleichseitig unternahm 
es ber Borftanb bes BereinS ber Arbeitgcber=Beifißer beS (Ge* 
werbegerichtS, wie in früheren ähnlichen Saßen, g. B. bem großen 
AuSftanb ber Bonner im Sah re 1S97, burch Berhanblungen mit 
ben einzelnen Arbeitgebern Bergleid)Soerhanblungen angubafjnen 
unb fanb bei einigen ber bebeutenbften Baufirmen, bie außerhalb 
beS BunbeS ber Arbeitgeber ftanben, baS erfte (Entgegenfommen. 
Diefcn (enteren fd)loß fich nad) längeren Berhanblungen auch ber 
Bunb ber Arbeitgeber an. 3» einer oon bem Borftanbe beS 
Bereites ber Arbeitgebcr*Beifißer bes (Gewerbcgerid)tS am 21. Suni 
cinberufenen ©ißnitg, zu ber fowohl Bertreter beS Arbeitgeber* 
bunbeS wie bunb freie Arbeitgeber eittgelaben unb erfreuen waren, 
würbe nach cingcßenber (Erörterung ber oorliegenben ©treitpunfte 
eiuftimmig befd)loffen: 

Wenn bic Arbeiter baS 6>cwer[iegerirfit als (EinigungSamt anrufen 
mtb fid) im Bringip bercitfiubeu laffnt würben, auf ber Bafis ooit zu* 
ttärfift itf. ©tuubcnlohu bic Arbeit wieber nufzuuehmen, biefer An* 

*) Wir ergänzen nuferen uorlnufigeii Beridjt in Ar. 39 (8p. 1060 
bis inr.2) burd) folgeubc authentifchc Xarftellung aus ber ßeber eines 
ber ArbciigeberbeiütUT in ber Bcrhanblung bes (EinigungSamteS. 

Xie Aeöattiou ber „©ozialeu ^rariS^ 


rufitng beizutreten unb bie ISrlebigung bcr übrigen ©treitpunfte ben 
Berhanblungen oor bem (Einigungsamte zu überlaffen. 

Aachbem ber Borftanb beS BereinS ber Arbeitgeber*Beifiher 
in ber folgenben AachmittagS*Berathung mit ben Arbeiteroertretern 
ber centraien unb lofalen Giichtung unter Hinzuziehung ber Ber* 
treter ber (Gewerffd)aftS*^omtniffton unb beS (EentraloeroanbeS ber 
Biaurer DeutfchlanbS bie llebcrzeugung gewonnen hatte, ba& bie 
(Grunblaae für eine Einigung gegeben fei, trat am ©onnabenb, 
ben 24. §uni er., baS (Einigungsamt zufammen. 3u ber öffent* 
liehen Berhanblung würbe oon beiben Parteien eine furze Dar* 
fteflung ber (Entftehung ber ^iubfeligfeiten gegeben unb bemnächft 
oon bem Borfihenben beS BunbeS ber Arbeitgeber folgenbcr Ber* 
gleichSoorfchlag gemacht: 

1 . Arbeitszeit neun ©tunben täglich (wtrflid)C Arbeitszeit), 
©onnabenb ift um 5 Uhr fteierabenb (ohne Bcfper). 2. Xie Xage oor 
beit grüßen geften (Weihnachten, Cftern unb ^fingften) ift um 4 Uhr 
fteierabcnb unb werben für ooll bezahlt. 8. Xie Lohnauszahlung finbet 
©onnabenb nach ©d)lufz ber Arbeit mögltchft auf bem Bau ftatt. Die 
Abredjmmg erfolgt oon Jreitag zu Freitag. 4. Xer SKarimallohn für 
tüchtige (Gefelleit beträgt für bie ©tunbe 60 #f, ältere unb inoalibe 
(Gefelleit erhalten einen Lohn oon 50 Snnggefelleit, bie noch nidjt 

ein ^al)r OlefcUe fitib, erhalten einen Lohn oon 45 •?{■ 5. Uebcrftunben 
werben bere<huet in ber 3eit oott 8 Ul)r Abenbs bis 6 Uhr Borgens 
unb werben mit einem 3ufd)lag oon 20o/ 0 bezahlt. 6. Xie Bergebmtg 
ber Arbeiten im Afforb bleibt jebem Arbeitgeber oorbehalten. 7. Gebern 
Arbeitnehmer unb Arbeiter fleht es frei, bie Arbeit zu jeber 3cit 
aufznfüubigen (alfo Äüubigimgsausfchlufj) ohne Angabe ber Öriinbc. 
8 . Bei eintretenben ^wiftigfeiten unter ben Arbeitnehmern, fowie zwifchen 
Arbeitgebern ober bereit Angeftcllten unb ben Arbeitnehmern ift zur Bei* 
legung ber 3uuitigfciten bie auf jebem Bau fofort z 11 wählenbe unb 
aus brei Arbeitnehmern beftchenbe ©chliditungsfommiffiou anzurufen, 
bie fich an ^ e u betreffenben Arbeitgeber ober brffen ©tetloertrcter als 
Cbmami z» wenben hat. ©oütc biefe ftommifjion einen ^rieben nicht 
herbeiführeu fönnen, fo ift ber aus 10 Arbeitnehmern unb 10 Arbeit* 
geberu bcftel)enben 3 c huerfommiffion bic Angelegenheit zu unterbreiten; 
ben Borfip führt ber Borfifoenbc bes ArbeitgeberbimbeS. Xer eint* 
fdjeibung biefer Stommiffion haben fich beibc Parteien z» fügen. 9. Bau* 
fperren finb für bic ^olge ausgefd)Ioffen; ©treitigfeiten zwifdjen Arbeit* 
gebern unb Arbeitnehmern entidicibct bie ^ehnerfommiffion. 10. Xiefer 
Bertrag gilt auf bie 3 eit uorn 28. 3uni ls‘»9 bis 1. April 1902. 
11. Um auch für bie 3ufunft ein gebeil)ltd)eS ^ufammeitwirfen zu er* 
Zielen, oerpflichten fid) beibe Parteien, alle fragen, bie fich auf Lof)n, 
Arbeitszeit :c. beziehen, bis fpäteftenS 1. Xezember eines jeben Sah^ 
ber 3ebuerfommiffion ju unterbreiten, mit ber Btafegabe, ba& beibe 
Parteien bie (Entfd)eibung biefer Efommiffion anerfennen miiffen. 

Heber biefen Borfchlag traten bie Bertreter ber Arbeitnehmer 
in eine Beratung, an bie fich fofort eine eingehenbe Befpredjung 
mit Bertretern beioer Parteien im BerathungSzimmer beS (EinigungS* 
amteS anfchloft. Bet biefer Befpred)ung machten fich naturgemäß 
bie fchroffen (Gcgenfäße ber Untere ffeilten in fchärffter N Weife geltenb. 
Der ruhigen, fachlichen Bermittelung ber einzelnen Üftitglieber bes 
©inignngsamtes gelang es jebod), bie Parteien gu einer Berftänbi* 
gung über bie Hauptpunfte gu bringen, fo baß nur eine Seftfeßung 
ber Dertnine, ait benen eine Lohnerhöhung ftattfinben füllte, als 
leßter Differengpunft übrig blieb. Diefe Seftfeßung würbe auf 
übereinftimmenbett SBunfth bem billigen (Ertneffen beS ßinigungS» 
amteS überlaffen. 

DaS fchließliche (Ergebniß ber 61/ 2 ftünbigen Berhanblungen 
unb Berathungen war ber folgen be BergleichSoorfchlag: 

t. Xic Arbeit wirb am 27. guni 1899 BiorgenS wieber aufge* 
nommen. Xie oon ben Arbeitgebern oerhängte AuSfperrung wirb gum 
gleichen Xage aufgehoben. 

H. Xer Lohn beträgt: 

bis gum 81. Xegember 1899 einfd)Ueßlicb: 

60 Sf pro ©tunbe (fechsgig Pfennige pro ©tunbe); 
oom 1. Sanuar 1900 bis 30. ©eptember 1900 einfchUeßlidi: 

62 73 &f (zweiiiubfcchsgig V» Pfennig); 
oom 1. Dftober 1900 bis 31. 3)2 ärg 1901 ein fd) ließ lieh: 

65 (fünfiinbfed)Szig Pfennige). 

Xer Loljnfaß für burd) Unfall, Alter, ^noaiibität minberleiftungsfähige 
(Gcfellen, fowie fiir 3uuggefeOen im erften (MefcHcnjahre, foweit biefelbeit 
bei ihrem Seljnneifter theitig finb, unterliegt bcr freien BereinDaruiig. 
Xie Arbeitszeit beträgt 9 (neun) Arbeitsftunben. Xcn Arbeitgebern 
unb Arbeitnehmern ftcijt es frei, baS Arbeitsoerljältiüß jeber >)cit ohne 
^iinbigung auf gu heben. 

IH. (ES wirb eine Ätommiffion gebilbet, weldje aus 9 (neun) Arbeit* 
gebern unb 9 (neun) Arbeitnehmern bcftcht. Xic Wahl ber ®itglieber 
biefer ftommiffton erfolgt biird) bie Arbeitgeber begw. bie Lrgauifationcu 
bcr Arbeitnehmer. Unter ben Aibcituehuiennügliebern foflcu minbeften» 
je 1 (je ein) Biitglieb bcr (Eentralorganiiatiou, ber Lofalorganifatiou 
unb bcr Öewcrff^ajtsfommiffioii angehören. Xie ('U'tdiaftsorbmmg ber 
Mommiffion wirb oon biefer feftgcftellt. Ten Bon'ip biefer Mommiffioii 
führt bcr Borfißcnbc bes Newerbegeridits |u Berlin, welcher in Be* 






1071 


Sogiale $rajiS. Gentralblati für Sogtalpolitif. Ar. 40. 


1072 


binberungsfäßen burd) ben Vorfifcenben ber III. Kammer beS Geroerbe® 
gerichtS oertreten roirb. 

IV. £er unter Ar. III begctdjncten Äomntiffton liegt bie Siegelung 
ber ArbeitSgcit, Raufen, Soijnuerfjältniffe, Ginricf)tung ber ArbeüSftätten 
unb äfmlidjcr fünfte ob. 

V. Vei Streitigfetten groifchen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern 
auf einer Arbeitöftätte ift gunätßft ein AuSfdjuß gu bilben, melier aus 
3 Arbeitnehmern befteht unb ben Verfudj einer Beilegung gu madljen 
hat. SRißlingt biefer Verlud), fo entfdieibet bie unter Ar. III begeidjnete 
Sfoimitiffion. Gegen bie <5ntfcfjeib«ng ber tfommifftoit fann nur binnen 
3 Sagen nad) ber Vefanntmadjung bie Gntfcheibung beS GtntgungS® 
amteS beS Gcroerbegeriditö angerufen roerben. 

VI. ViS gur eitbgültigen 'Gntfcheibung burch bie Äommiffton ober 
baS GinigungSamt bürfen Vaufperren unter feiner Sebinguug oerfjängt 
roerben. Aach ber cubgiiltigen Gntfcßcibung ftnb Vaufperren nur gu® 
läffig, roenn ber Gnticbeibung nicht ?voIge geleiftet roirb. 

VII. Alljährlich int £>erbft hat bie unter Sir. III bejeidjnete $om- 
miffton jufammeujutreten unb bie Arbeits* unb Sohnoerhältniffe für bie 
Vaupcriobe beS näcbften Wahres feftgufefcen. Ter Gntfdjeioung ber 
tfommiffton haben fich bie Arbeitgeber uno bie Arbeitnehmer gu unter® 
toerfen. 

3 um erften 9J?ale tritt bie Ätommiffton gu biefem 3 roecf int £>erbft 
1899 gufantmen, um über eine anbermeite ^eftfe^ung beS ßohneS für 
bie 3eit natu 1. Dftober 1900 bis 31. Afärg i901 31 t oefc^Iieften. 

VIII. 80100 hl bie centrale tuie bie Iofale Organifation ber StRaurer, 
fotoie bie Geroerf|cbajtsfoinmtjfton oerpflichten ftd), ihren gan 3 en Ginfluß 
für Aufrecbterhaltung biefer Vebtngungen etngufeßen unb im SSiberfpruch 
mit benfelbeu auobreebenbe Streifs nicht 31 t unterftüfcen. 

IX. 9Raßregelungcn v in 3oIge hierburdj bcigelegten AuSftanbeS 
finben nicht ftatt. 

tiefer SBorfcfjtag rourbe oon ben beteiligten Vertretern beS 
ArbeitgeberbunbeS unb ber außerhalb beffelbett ftebenben ^firmen 
oorbeljaltloS angenommen, oon ben Vertretern ber Arbeiter unter 
bem Vorbehalt ber Genehmigung ber bereits auf ben Sonntag, 
ben 25. 3uni, eiitberufenen Verfammlung ber Arbeiter. 3n 
biefer Iefcteren Generaloerfammlung ber auSftänbigen Arbeiter 
rourbe nach langen leibenfchaftlichen Debatten ber Ausgleich auch 
oon biefer Seite gutgeheißen, fo baß am 28. 3>mti bie VMeber- 
aufnahme ber Arbeit auf allen Vauftellen erfolgen fonnte. 

Vetradbtet man bie Vorgänge, bie gu biefem großen AuSftanbe 
führten, objeftio frei oon jeber Voreingenommenheit für eine 
Vartei, unb roirft man bie ßfrage auf, ob bie oon bem Vunbe ber 
Arbeitgeber oerfügte folgenfchroere SDRaßregel ber AuSfperrung roirf- 
lieh berechtigt roar, fo roirb man biefe Srage faum bejahen bürfen. 
T)ie Arbeiter hotten ihre ^orberungett gefteßt unb auf Vhtnfch beS 
VunbeS ber Arbeitgeber fdjriftlich formiilirt, fich oud) 3 U Verhanb- 
lungen bereit erflärt. $)aß biefer Vhmfdhgettel etroaS länger aus¬ 
gefallen ift, als man erroarten mochte, burfte bie Arbeitgeber nicht 
feunber nehmen, roenn fie einige (Erfahrung in bem Gange ber- 
artiger Verhanblungen hatten, ^ebenfalls roar es unflug oon 
ihnen, burd) eine ftrifte Ablehnung jeber Unterhanblung bie Ar¬ 
beiter oor ben $opf gu ftoßen. 2Benn bie Vertreter oor bem 
GinigungSamte erflärten, bie Ablehnung fei um bcSroillen erfolgt, 
roeil fich nur Vertreter einer eingelnen Gruppe gu Verhanblungen 
bereit erflärt, fo fann auch biefer Grunb bie Ablehnung ol;ne jebe 
SRotioirung nicht rechtfertigen. $>en Arbeitern roäre es ein Seichtes 
eroefen, auch bie anberen organifirten Gruppen gu biefen Ver- 
anblungen h^beigugiehen. 

Unb roenn bie Arbeiter burch btt weitere Anfpannung ihrer 
Sorberungen auf Grhöhung beS StunbenlohneS bann glaubten, 
einen 3roang auf bie Unternehmer ausüben gu fönnen, mit ihnen 
in Verhanblung gu treten, fo roirb man bies, roenn auch nid^i 
billigen, fo hoch begreiflich finben fönnen. Gine Veranlaffung, 
ohne jeben Verfud) einer Unterhanblung fogleich mit bem fchroerften 
Gefchüjj ber AuSfperrung oorgugehen, roobnrd) Taufenbe oon Ar¬ 
beitern ohne ihr Verfchulben bem junger preisgegeben, gleichzeitig 
aber auch eine Aeihe roeniger fapitalfräftiger Unternehmer ferner 
gefchäbigt unb an ben Aanb beS finanziellen SRuinS gebracht 
lourben, lag auch jeßt nodj nicht oor. Am Aflerroenigften aber 
roar cs notljroenbig, burch ben Verfuch, bic AuSfperrung über gang 
®eutfd)Ianb auSgnbehnen — ein Verfuch, beffen ooflfommcne AuS- 
fichtslofigfeit leicht oorauSgufagen roar — eine Grbitterung in 
ben Äampf gu bringen, bie leicht hätte oerhängniftooU roerben 
fönnen. 

SJiächten bic Arbeitgeber aus bem Verlaufe biefer Veroegung 
bie ßehre beS beutfehen SpriidjroortS giehen, ba^ ein magerer Ver¬ 
gleich beffer ift als ein fetter Vrogefc, bafe bie VJaffen im it'ampfe 
ei ft gemeffen roerben fallen, roenn burd) Verhanblungen feftgeftellt 
ift, baß eine frieblid;e ßöfung oon Streitfragen uid)t gu erzielen 
ift. Sie roürben bann erfennen, baß bie Dpfer, roelche im Kriege 
auf beiben Seiten faßen, in ben meiften Säßen unnüjj fmb. 2 )ie 


Haltung ber Arbeiter unb befonberS ihrer Säh^ in ben ge¬ 
pflogenen VergleichSoerhanblungen bürfte fie barüber aufgeflört 
laben, ba§ eS ben Arbeitern nicht nur um ben ftrieg gu tfjun ift 
unb bafe fie ein Verftänbnifj auch für bic ßage ber Arbeitgeber 
benhen. 

Vföchten bie Arbeitgeber aber auch ferner aus bem Verlaufe 
bicfeS AuSftanbeS lernen, bah bie Drganifationen ber Arbeiter für 
bie frieblid)e Veilegung ber Streitig feiten eine hohe Vebeutung 
haben unb bafc eS ein Sehttr roäre, fie auf gefefelidjem 3Bege 311 
oernichten. 2)ie Drganifationen ber Arbeiter, bie ihr Anfehcn ba* 
für eingefeht hoben, bah bie Vebingungen beS gefd)loffenen Ver¬ 
gleichs eingehatten roerben, roerben im Stanbe fein, bie Arbeitgeber 
oor ben GuigelauSftänben unb Sperren auf eingelnen Arbeitsstätten 
ju beroahren, roeldje bisher bie fchroerfte s ^Iage aßer Arbeitgeber 
oeS VaugeroerbeS geroefen ßnb. 

Aber auch für ben Gefefcgeber ergiebt fid) eine ßehre aus ben 
Vorgängen bei biefer Veroegung. ©ie GinigungSämter fmb im 
Stanbe, befänftigenb unb auSgleidjenb im Sntereffe beS fogialen 
SriebenS gu roirfen. GS fommt nur barauf an, bie ftreitenben 
Parteien gu Verhanblungen auf neutralem Voben, gu gegenteiliger 
Ausfprache gu oeranlaffen. ®ie GinigungSämter fmb "aber nicht 
im Stanbe, ihre SRiffion gu erfüllen, roenn eS ben Parteien über* 
laffen ift, fie nach ihrem Velieben angurufen; benn im Kampfe 
glaubt jeber Streiter burch bie Anrufung feine Schwäche an ben 
^ag gu legen unb feine ^oßtion gu oerfdjlechtern. SRic^t immer 
unb überaß finben fich unparteiifebe Vermittler, bie Soft, 3 e ü unb 
Gefchid hofan, fich ^cr ntüheooßen Aufgabe gu untergichen, ben 
Parteien ben Vortheil eines balbigen SrttbenS oorgufteßen unb fie 
gur Anrufung beS GinigungsamteS gu oeranlaffen. deshalb füllte 
ein gefejjlicher 3roang gur Verhanblung oor bem GinigungS* 
amte eingeführt unb bem Geroerbegerichte bie ßRöglichfeit gegeben 
roerben, burch — ber SBichtigfeit ber Sache entfpred)cnb — hohe, 
eoentueß gu roieberholenbe Gelbftrafen bei AuSftänben unb AuS- 
fperrungeit baS Grfdjeinen ber ftreitenben ^^cite auf neutralem 
Voben gum Verfuche ber Ginigutta gu ergroingen. Weift loirb bic 
Annäherung unb ber naturgemäß auf beiben Seiten oorljanbene 
SBunfdj, ben fthroeren pefuniären Schäbiaungen gu entgehen, gu 
einer Verftänbiguug führen, ^ommt aber auch Ginigung 
nicht gu Staube, fo fönnen bie Streitpuufte in öffentlicher toirtw« 
biftortfd)er Verhanblung aufgeflärt roerben, unb ber auf ®nmb 
biefer Aufflärung unb baran fich anfthließcnber Grabungen er* 
gehenbe Schiebsfpruch roirb burch fein Gereicht in ber öffentlichen 
uReinung nicht oerfehlen, ben Srttbensfdjluß gu befchleunigen. ßr 
roirb and) bie ßRittellinic finben, auf ber fich bie ^Parteien be* 
gegnen fönnen, um fich 8 U bauernbem Ginoerftänbniß bie §anb gu 
bieten. 

Verlin. _ Dtto Weigert. 


gemeine Sojlol* unb 


2>nS ÄoalitionSrcd)t ber nieberläubifchen Arbeiter. 

GS giebt faum ein ßanb in Guropa, roo bie leßten Spuren 
beS GilbenroefenS ber oorigen Qahrhunberte fo gänglich oerfchmunben 
finb roie in |>oßanb. Als §. 53 ber aßgemeinen Veftimtnungen 
ber Verfaffuug 001 t 1798 bie Gilben aufgehoben hotte, roar bic 
Arbeit unb bas Vereinsrecht ber Arbeiter gänglich frei bis 1810, 
roo großaub bem Aei<he Napoleons einoerleibt unb ber Code pönal 
eingefüt)rt roarb. Vefamttlid) beftimmten bie §§. 291 bis 294 
biefeS GefeßbucheS, baß fein Verein oon mehr als 20 ^erfüllen 
ohne Genehmigung ber ^Regierung errichtet roerben fonnte unb 
roer ohne biefe Genehmigung fein $auS gur Verfügung felbft eine*? 
genehmigten Vereins fteßte, ftrafbar roar. 2)a8 Vereinsrecht ber 
Arbeiter unb Arbeitgeber rourbe burch befannten §§. 414 bis 
noch mehr befdjränft. 

Aadj Ablauf ber frangöfifcheu ^errfchaft blieben biefe Vf* 
ftimmungeu aße in Geltung,*) ba bie Verfaffnng oon 1815 mit 
feinem 5Bort über baS Vereinsrecht fprad). 3n ber Verfaffuug 
oon 1840 rourbe baher folgeitber neue Paragraph aufgenommeu: 
„®aS Verfammlungs* unb VcreinSredjt ber Snlänber roirb au* 
erfamtt. ^aS (^efeß regelt unb befdjränft bicfcS Accht im o ,l b' r ‘ 
effe ber öffentlichen Sicherheit." Grft im 3oh re 1S55 fam bie|es 
Gefeß gu Staube. GS hob bie §§. 291 bis 294 beS Code penal 
auf unb beftimmte, baß für bie Grridjtung eines Vereins feine 
Genehmigung erforberlich fei unb baß ein beftehenber Verein uon 

■ ) Ter Oide I’emd ift in ben Aicbcrlanbeit erft 1886 nuföclielu'ii 
uuu'beii. 



1073 


Sosiale prajiS. ©entralblatt für So$iaIpolitil. Hr. 40. 


1074 


ber Regierung aufgehoben toerben fönne, wenn er Ungehorfam 
ober 3 uroiberhanblungen gegen bie ©efefce, ber Eßifjachtung ber guten 
Sitten ober ber (Störung einer Perfon in ber Ausübung ihrer 
Hechte Borfdjub leifte. Auf ©ruttb biefer Beftitnmunq ift oor 
einigen 3 ah rcn ber fo 3 ialbemofrattfdje Bunb oon ber Regierung 
aufgelöft worben, ba er nach feinen Statuten ben Umfturj beS 
Befiehenben mit allen gefefelic^en unb gefefewibrigen 3)htteln be* 
abfichtigte. 

das ©efefc oon 1855 regelte noch einen anberen ©egenftanb, 
ber eher in baS bürgerliche ©efefcbud) hätte aufgenommen werben 
miiffen: bie HechtSperfönlidjfeit. die Statuten eines jeben nach 
bem Sahre 1855 gegifteten Vereins, ber baS jus standi in judicio 
haben will, bebürfen für einen auf 30 3ohre errichteten Berein 
föniglicher, für jeben auf längere dauer gegrünbeten Setein gefefc* 
liehet ©enehmigung. die ©enehmigung barf nur aus ©rünben 
bes öffentlichen 3ntereffeS abgelehnt werben. daher hat bie He* 
gierung feine Sdjwierigfeiten gemacht, bie Statuten ber fo^ialbemo* 
rratifd^en Arbeiterpartei (errietet nach ber Auflöfmtg beS BunbeS) 
unb bie beS Heu*5Ralthuftanifchen BunbeS gu genehmigen. 

Huch bas BerfammlungSrecht würbe oom ©efefc ziemlich milbe 
geregelt. ©3 würbe beftimmt, bajj nur für eine Berfammlung im 
freien ©enehmigung eingeholt werben muft; bafc ber ^ßolijei ju 
jeber öffentlichen Berfammlung freier ©intritt jufteht, bafj baS 
fragen oon Waffen oerboten ift unb ba& „jebe Berfammlung, in 
welcher bie öffentliche Drbnung geftört ober bem ©efefc guwiber 
gehanbelt wirb, auf Attorbnung ber ^olijei fogleich auSetnanber* 
3 ugehen hat". da eS ber Sßolisei ziemlich frei fteht, 3 U beurtheilen, 
ob bie Drbnung geftört wirb, hat fte eine grofee Blacht befommen, 
aber fie gebraucht fie fehr milbe, ba fte nur, wenn eine grofte 
Schlägerei entftefjt, bie Berfammlung auflöft. ©enn 3 . B. ein 
Hebner fich eine ERajeftätSbeleibigung 3 U Schulben fommen läfct, 
löft fte bie Berfammlung nicht auf, fonbern nimmt nur ein Protofott 
baoon auf. 

@3 wären atfo bie Bebingungen für eine grofee ©ntroicfelung 
ber Hrbeiteroereine oorhanben gemefen, wenn nicht bie §§. 414—416 
beS ©. p. noch immer in Sfraft geftanben hätten. Sie finb erft 
im Sahre 1872 gä« 3 lich aufgehoben worben, ©twaige Aus* 
fchrcitungen ber Arbeiter bei Arbeitseinteilungen fallen jefct unter 
bie Beftimmuitg beS gan 3 allgemein abgefafcten §. 204 beS Straf* 
gefefebucheS, ber beftimmt: „9HU ©efängnife bis 3 U neun Monaten 
ober ©elbftrafe bis 3 U 300 ©utben (500 e /ff.) wirb beftraft: 
1 . wer einen Anberen mit ©ewalt ober ©ewaltsbrohung wiber* 
rechtlich etwas 3 U thun ober 3 U erleiben nöthigt; 2 . wer einen 
Anberen mit Befchimpfung ober Drohung ber Befdjimpfung etwas 
31 t thun, nicht 3 U thun ober 31 t erleiben nöthigt." ©eitere Be* 
fiimmungen über baS BereinSrecbt ftnb nicht oorhanben. 

So giebt es in ben Hieberlanben gar feine Ausnahme* 
beftintmungen für bie Arbeiter, bie als Bürger wie alle anberen be¬ 
trachtet werben. dtefe Xhatfache hat jeboef) auch einen Ha<htf)eil 
gehabt. Bon ber ihnen nach hem 3 fl h re 1872 oerlieljenen Freiheit 
haben bie Arbeiter ©ebrauef) gemacht unb eine Unmenge oon 
Bereinen gegrünbet, bie alle inSgefammt gleich fdjwach ftnb unb 
woooit oiele bie ©enehmigung ber Statuten befommen haben. der 
Artifel Arbeitseinteilungen in ber 3 weiten Huflage bes „$anbroörter* 
bucheS ber Staatswiffcnfchafteu" giebt baoon ein anschauliches Bilb. 
Bereine oon Arbeitern unb Arbeitgebern giebt eS in HoEanb faft 
nicht; biefe groei Parteien ftehen fich immer fcfjroff gegenüber; nur 
bie caloiniftifchen unb fatholifchen Arbeiterbünbe ftehen bei Streitig* 
feiten immer auf ber Seite ber Arbeitgeber, unb bieS hat einen 
großen §afe ber anberen Arbeiter gegen biefe er 3 eugt, ber ein 3a* 
fammengehen aller Arbeiter faft unmöglich gemacht hat. 3n ber 
lebten 3 eit wirb eine grofce gföberation aEer nicht flerifalen 
Arbeiteroereine geplant, ein projeft, welches hauptfä^Uch oom 
Führer ber diamantarbeiter, Polaf, unterftüfct wirb, oon bem 
aber noch nicht fiefjer ift, bafj eS 3 U pofttioen ©rgebniffen führen wirb. 

Amfterbam. 3- H- °an 3anten. 

©efjrfraft nnb So3ialreform. ©S ift in biefen Blättern 
immer wieber betont worben, bat alle Btofcnahmen beS Schubes unb 
ber gürforge für bie gewerblichen Arbeiter, foroie bie Hebung ber 
arbeitenden klaffen überhaupt auch ber ©ehrfäbigfeit unfereS BoIfeS 
3 U ©ute fommen. ©erabe weil immer gröbere db e ü e her Be- 
oölferung 3 U ber gewerblichen unb fomtnersiellen Sthätigfeit über* 
gehen, beren ©tnwirfungen auf bie ©efunbheit nid)t bie gleich 
günftigen finb, wie bie ber lanbwirthfdjaftiichen Befchäftigung, 
müffen Speich unb Staat unauSgefebt barauf bebaut fein, 3 ur ©r* 
haltung unferer ©ehrfraft jebe Berfümmerung unb ©ntartung ber 
Waffen 3 U oerhüten. diefe ©ebanfengänge finben auch in h°S> en 


militärifchen Greifen ihre nachbrücfliche Bertretung. ©ben erfdjeint 
aus ber Qfeber beS ©enerals 3 . '$). ©. oon Suime eine Schrift: 
„2>ie ©runblagen unferer ©ehrfraft" (Berlin, SHttler’fdje §ofbuch- 
hanblung), in ber u. H. folgenbe 2 forberungen aufgeftettt werben: 

Befonbere Sorgfalt ift im 3 ntereffe ber ©ehrjaftigfeit ber Hation 
ber richtigen Bemeffung ber Hrbeits* unb @rholnngä3etten für bie noch 

in ber förperltchen ©ntwtcfclung begriffene ^ugenb jujuwenben. 

5 )ie ^eran3iehung fdjulpftichtiger Ä'inber jn gewcrblid;er 2;^ätigfeit füllte 
aus Hüdftcht auf ihr förperlidjeS Öebeihen unb aus fittlidhen ©rünben 

än3lich unterfagt fein. 25 ie Äraft ber nad)folgcuben ©eneratiouen 

äugt in hohem Stfafje oon ber ©efunbheit unb Süchtigfcit ber grauen 
ab. bereit ^eran3iehung 3U HrbeitSIeiftungen, bie ihre Kräfte über* 
fteigt, fhäbigt bie gafunft ber Hation. . . . , SWöchteu diejenigen, bie 
berufen finb, 3ur Ausfüllung noch beftehenber Süden unferer Arbeiter* 
fdjufcgefehe beisutragen unb bie Ausführung biefer ©efejje 31t über* 
wachen, nicht erlahmen, die ©ehrfraft beS Sanbes üeht barans grofeen 
©eminn! .... Äultur* ober gefunbheitSwibrige ©ohnungS3uftnubc finb 

eine ©efahr für bie ©ehrfraft bes SanbeS.Leiber beftehen lehr 

unbefriebigeitbe 3 u ftänbe biefer Art oielfad) nod) in unfereni Batcr* 
lanbe .... gaft noch widriger als bie ©ohuungsfrage ift für ben 

Sfräftejuftanb ber Beoölfcrung bie ©rnährungSfrage. Bor* 

bebingung einer guten BolfSernährung ift ber Bcfiö auSreichenber SHittel 
3ur Hahrungsbefchaffung, wirthfchaftlicheS Berftänbnig ber grauen unb 
wirthfchaftlicher Sinn beiber ©efhlechter. 

3 « biefer gforberung ftedt ein gan 3 eS Programm für bie 
Fortführung ber So 3 talreform im 3ntereffe ber ©ehrfraft ber 
Hation! d>afj ein hoher Öffoier eS aufftellt, oermehrt feine Be* 
beutung. 

©ine ©efahr für bie ftonfnmn^fähigfeit unferer dftbnftrie auf 
bem ©eltmarft. ^auptfächlich wirb gegen eine energifdhe Fort* 
führutta ber So 3 ialreform ber ©inwanb gebracht, bafc bie bamit 
oerbunoene Belastung ber Sabuftrie unferen ©ettbewerb auf bem 
©eltmarft erfchwere. ©benfo wirb immer wieber auf bie ©efahren 
oerwiefen, bie nach biefer Hid)tung aus ber Arbeiterbewegung, ben 
Streifs, ben Forberunqen höherer Söhne unb fünerer ArbettS 3 eit, 
erwachfen. dhatfache ift aber bod), ba& bie Hrbeiteroerfichcrung 
unb ber fräftigere Hrbeiterfchufe fowie bie Steigerung ber £ebenS* 
haltung ber Arbeiter jeitüch 3 ufammenfallen mit etnent beifpiel* 
lofen Auffthwung unfereS ©irthf<haft 3 leben 3 , inSbefonbere auch 
mit einer AuSbehnung unb ©rftarfung unferer ©jportinbuftrien. 
Auf eine gan 3 anbere ©efahr weift ber Jahresbericht ber Breslauer 
£>anbelsfammer hin, wenn fte betont: 

die greife ber wich tigften Ber brau <h 3 arit fei, namentlich oon 
5 fohIe, ©ifen, 3 inf unb Tupfer, Gement, $013 2c. hoben nadjgerabe 
eine |>öhe erreicht, bie 3U einer ©infchräitfung beS BerbrauchS, 
3u einer Shmächung unferer AuSfuhrfähigfeit führen fanu. 
die Spnbifate rechnen eS fich als Berbienft an, bie Aufwärtsbewegung 
ber greife in mafcooKen ©rensen 311 holten, aber wenn auch 3U3ugeben 
ift, bag fie waghalftgen Spefulationcn unb Uebertreibungen Ginjclner 
entgegenwirfen, fo werben hoch namentlich bie greife ber Äof)len in 
einer ©eife erhöht, bafe eS für bie baoon abhängige ^nbuflrie noth c 
wenbig wirb, mit einem BreiSauffhlag ^ür ihre gabrtfate 311 folgen, 
ben fte bann immer wieber fo 3U benteffen beftrebt ift, bag ein Bortheil 
für fte babei h era u8fiebt. Bhtfj pe hoch bei bem hohen 3 m 3 fu& auch 
ein höheres ©rträgnife oerlangcn. Hach Q ü eTl bisherigen Erfahrungen 
führen übertriebene Preiserhöhungen su einer Einj'chränfung beS Ber* 
braudtS, unb toenn fich bie Snbuftrte, um ihn wieber 31t beleben, erft 
oeranlafet fteht, mit Preisherabfefenngen oor3ugehen, fo fchwinbet bas 
Bertrauen 3U ber Äoniunftur; bie Staufer werben mrüdhaltenb, weil 
fte an einen weiteren Hüdgang ber preife glauben; Das ©efchäftsleben 
ftodt, was einen ferneren preisftur3 3ur golge hot. 

die Breslauer ^anbelsfatnmer glaubt freilich, bie ilrfadjcn 
ber gegenwärtigen günftigen Stonjunftur feien glücflicherwetfe fo 
tiefgehenber Hatur, bafe angenommen werben fann, ein etwa ein* 
tretender Hücffchlag werbe Derhältnt&mäfetg rafch überwunben werben. 
Aber baS ©amungSfignal oor ben Kartellen, bas fie aufftedft, 
fottte hoch Beranlaffung geben, bafe man fich in amtlichen Greifen 
nicht blofe mit ben Bortheilen, fonbern auch mit ber Stefjrfeite ber 
Btebaitte näher befchäftigt. 

der üfterreichifchc $anbel8miittjiter über bie Heimarbeiter. 

Borige ©od)e begann im öfterreichifchen .f)anbelSmtniftertum bie 
oom arbeitsftatiftifchcn Amte angeregte ©nqüete über bie Sage ber 
Heimarbeiter in ber StonfeftionSinbuftrie. der Hanbelsmtnifter 
Barondipauli, ber bie©nquete eröffnete, führte hierbeiFoIgenbeS aus: 

,,©S ift felbftoerftänblich, bab bie denbens ber Enquete uidjt int 
©eringften eine nach irgenb einer Seite hin aggreffioe ift, noch fein füll; 
am .allcrmentgften aber, glaube td), fann bie dcnbett3 bafji» gehen, bie 
Heimarbeit auf biefent ©ebiete einfadj abfehaffen 31t wollen, das wäre 
nach meiner Anfidjt gar nicht möglidj. ©ohl aber erfdjeint es mir 
nothwenbig, bic Sage ber Heimarbeiter, über bie wir ja tut gn= unb 
AuSlanbc eine fo retdje Literatur an SHouograpbten befiben, genau 31t 
erforfchen, um uns ein flarcs Bilb bariiber 311 oerfd^affeit über btc 








1075 


©ogiale $ra£tS. Ecntralblatt für Sogtalpolitif. Ar. 40. 




1076 


Wängcl, bic nuf bicfcnt (Miete hcrrfdjcn, unb über btc SDtöglidjfeit 
einerAbhilfe. Es ift ja fein gu^cifcl, baß bie Lage ber Heimarbeiter 
beute in meljrradjer einer Sanirmtg bebarf. ES Ijcri'fel) t eine 

geiotffc Uuiirfjerhcit, ein Mangel an Stabilität, ittbem ber Heimarbeiter 
häufig ebne Arbcitsbudj, ohne Lrgauifation eine nidjt gcjtdjcrte fogtale 
Stellung Ijat. ES märe gemiß 31 t münjdjcn, baß eine Art SRegiftrirung 
ber Heimarbeiter in AuSfidjt genommen merbe; and) luäveu Ve« 
febränfungen betreffs beS Lehr ItngShaltenS burdj ^iiuidjcnmeifter 
inS ?luge gu fafjen. Außerbent füllte auch bas heutige Verljältniß ber 
Heimarbeiter 3 ur Kranfenoerfidjcrnng fefter geftaltet merben. ES 
ift ferner and) münjdjcnSmerfb, baß bas allcrbtngs oteüeicht unerjeplidjc 
3nftitut ber SmijdEjennteifter * n irgenb einer SSctfe ber gefepltdjen 
Kontrole unterftellt mürbe Ueberljaupt fdjeint bie Stellung ber 3 mtfdjen« 
meifter am nteiften einer Klärung gu bebürfen." 

das nette Sttinifterinm nnb bie Sicma&olttü in f$rattfreid). 
9)tan febreibt uns aus $aris: SSäre baS Kabinet BaIbe<f«Aouffeau 
unter normalen llmftänben gu ©tanbe gefommeit, fo mürbe 
groeifelloS eine Aera energifdjer ©ogialpolitif beginnen. der Vtinifter 
für §anbel unb Snbuftric ift ber fogialiftifdje Abgeorbnete Vttüeranb, 
ber flarftc unb praftifchft« ber frangöfifdjen Arbeiterführer; im 
Vautenminifterium fipt Vaubin, ein rabifai«fogialiftif<her Abgeorbneter 
ber jungen Schule, melier erft lürglid) bureb feinen bemerfeuS« 
mertben Rapport über ben Arbeiterfd)up itt öffentlichen Unter« 
ttebmungen befonbere Aufmcrtf amfeit auf ficb gelenft h a t- Aber 
auch bureb ^erfott bes iDiinifterpräfibenten erhielt baS Kabinet 
einen fefjr ftarfen fogialpolitifcben 3ug. Balbecf«Aouffeau mar 
ber eigentliche Vater bes MoalitionSgefepeS non 1884 unb noch 
beute ift er ber lebenbigfte Vefiirmorler beS meiteren Ausbaues 
jenes ©efepeS, um bett <$acboereinigiiitgen oolle juriftifche ^erföttlich* 
feit gu oerleihen unb ihnen baburch bas meitefte gelb ber dljätig* 
feit gu eröffnen. 2Bir geben hier einen AuSgug aus einer Aebe, 
bie 23albeif«Aouffeau als Vertreter beS gemäßigten Liberalismus 
im oorigen Qaljre in Aoubaij hielt: 

,,Aadj gemtffen großen AuSftänbcn ber lebten Sabre bat man 
oielfach bie Meinung oerbreitet, baß idj mein 2Berf oon 1884 bebauerte 
unb baran bäd)te, bas KoalitionSgefep miberrufeit gu laffen. Sä) habe 
barauf fiets mit bent Verlangen geantwortet, bie Aedjtc ber Eemert» 
uereine gu ermeitern, ihnen mit ber juriftifeben Sßerfönltdjfett bie 
Veredjtigmtg gunt OJeroerbe« unb HanbelSbetricbe gu geben. Sät habe 
bie fefte Uebergeugung, baß fte, f obalb fie bie Kapitalien ber Sparfaffen 
empfangen unb oerioenbcn fönneit, gemiffe Erfahrungen gemadjt unb 
eine unbestreitbare Soloabilität erlangt haben, bie Ergeuger ber genoffen« 
l'djaftlidjen Crganifaiionen, jener Präger ber großen Entmirflung 
merben, mcldjc in unfern klugen bic Höfling ber ’3uf»nft bilbet: bic 
Hernngteljung ber üfohnarbciterfchaft gum gemerblidjen unb fommergiellen 

Eigentbume.die Arbeit muß fid) aus ber ^folintug gur 

fotlcftiucnOrganifatton erbeben. dttrdj ben genoffcnfdmftlid^eu^ufammcn» 
fdjlnß allein fann bie Harmonie ber fogialen Kräfte gefiebert merben 

.das ift nicht SogialismuS, maS mir oorj'djlagen, bas 

ift fogialer ftortfepritt. Sir laffen uns nidjt entfallen, bas Kapital gu 
beseitigen, aber toir moüen es oerbreiten unb oertbeiien unb feinen 
Erwerb ermoglidjen. II faudra dans un avenir prochain que le capital 
travaille et par une reciprocite certaine, que le travail poss&de." 

Bir miebcrholcn, baß BaIbec?«Aouifeau feineSmegS ben rabifalen 
^arteifchattirungeu angehört, fonbern burchauS auf bem Voben 
beS gemäßigten Liberalismus fteßt, roie er in £>eutfdjlanb etma 
burd) bie s jiationalliberalen oertreten mirb. 

2)te 3 u l«ffnitg ber grauen gur 9ie(htSamoaltf(hnft tu ^raufreiih 
ift oon ber Teputirtenfammcr mit großer Majorität befdjloffeit morbeit. 
"lladj bem ootirten OlefeßcSoorfdjlage, melcber aller 5Babrfdjcinlid)feit 
nadj nud) bie .'Juftimmung bc* Senaten crlnngen mirb, füllen bie grauen 
gur ?lblciftuug beS EibeS unb gur Ausübung ber ’jßrariö eines Stcdjts« 
anmaltes gugelaffen merben, menu fie bie oorgefdjricbenen Bebinguitgen 
in ^egug auf ^lusbilbung unb SDtoralität erfüllen. 

Urtheif eines rufftfd)en ^abrifanten über beu achtftünbigen 
Arbeitstag. 'Beim bie iöriiuner <yabrifanten in bem nunmehr be* 
enbeten Xertilarbeiterftreif gegenüber ben engltfchen unb beutfehen 
23eifpielen giinftiger tüirt£)fd)aftlicfter SHefultate ber 2$erfiirgmtg ber 
^IrbeitSgeit fid) auf aubers geartete, ungünftigere 23erhältuiffe berufen 
fouuteu, fo trifft bas jedenfalls ber ilottfurreng DtnßlaitbS gegenüber 
nidjt gu. ^)cr Tircftor ber <ßapierfabrif beS AÜrften ^asfjemitfch in 
^obrobunt berichtet fdhou nadj fünf Dionaten feit bem liebergang 
oon 12« auf 8 « (!) ftiinbigc ^(rbeitsfchichten, baß fidj bie ^robuftion 
nur unt 30 5)htbel monatlich ober um 1 u /o oertljeuert höbe, mobei 
moljl gu beadjten ift, baß im erfteu halben Sol)re bes llebergangs 
oon ber laugen gur furgen ÜlrbeitSgcit in ber Hauptfadje noch bie 
für bie ^robiiftiou nngiinftigen Birtlingen einer foldjen Maßregel 
fid) geltenb machen, ba [ich bie mit ber ^erfiirgung ber Arbeitszeit 
oerbunbette Kräftigung unb größere LeiftungSfäbigfeit ber Arbeiter 
uidit über Aadjt einftellt. 

..Auf Ohmub fünfmonatlidier 2?eobadjtuugen", beridjtct ber rnififdje 
Sabritbircftor, „fatiit unb muß idj ben Arbeitern barin oollftäubig Acdjt 


geben, baß fie feit SSerfiirgung ber Arbeitsgeit bic übcniomnicncu 2?cr= 
pßi^tungeu Ijödjft gemiffenbaft erfüllen. S» tedjnifdjcr N 3egieljuiig gebt 
bie Arbeit, toenn nidjt beffer, fo bod) feineSmegS fdjlcdjter als früher. 
Xcr Sabrif toftet bcsbalb bieAeforrn faunt 1 °/o ber gefammtcu Arbeits« 
lobnfummeu; auf bie Arbeiter Uber h at biefc Aefornt, trop ber ocr= 
Ijältnißmäßig fehr furgen 3cit, fdjon jept eine mobltljucnbe Birfimg 
auSgeiibt. Üufer Arbeiter fiept jept fdjon munterer aus, btc frühere 
Slaiiljeit tft gefdjmunbcn. diejenigen Arbeiter, bie eine ^argclle Laub 
befipen, bebauten eS im lepten Sommer nidjt meljr mit bcgaljlten 
ArbeitSfräften, fonbern felbft. die lanblofen Arbeiter blieben audj 
nicht gurücf unb finb um iljre HouSmirtbfdjaft beforgt. 

Am Schluffe ber ^rofdji'trc Ijcißt cs: Aüc biefe Aefultate firtb aber 
nidjts int ^ergleidje bamit, maS oon ber Arb ei tSgc 1 1« erfii r gu 11 g nadj 
Ablauf oon 10—20 S^h^u gu ermarten ift." 


ftotnmintale Sojlatpolittb. 

Äeiwe grauen als (Semeittbettmifetträtbc in ^ceußett. ^et ber 

gmeiten ^Beratbuitg bcS AnsfüljrungSgefepeS gum bürgerlich eit öVcfcpbiidje 
int s !ßrcußifdjen Abgcorbnetenfjaufe (27. Sunt) mürbe über bic ^ulaffmtg 
ber grauen gum Amte eines 0)emeiubcmaifenratljes uerljanbelt. den Anlaß 
gab ein Antrag bcS Abgeorbnctcu ber greifinnigen bolfspartei 
L)r. Biemcr, git beftimmen: „3 U bem Amte cttteS (^emcinbeioaifcu« 
ratljcS föttnen audj Kranen berufen merben." 3«r Unterftüpung bes 
OlemcinbcratheS föntten nadj bem Eutmurf grauen als SSaifcupflcge« 
rinnen miberruflidj beftellt merben, ein 3ugeftänbniß, baß g-rauen gur 
mirffamen dljätigfeit in ber Batfenpflege geeignet finb. S» einer 91 eilte 
oon BaifenratljS=begirFen finb nun fdjon, mic bei* Antragfteller mit- 
trjeilte, S r uuen audj gu felbftänbigen Oiemcinbemaiienrätbcn geionlilt 
morben, matt märtet nur auf bie gefeplidje beitätigung. den 'Antrag 
empfablen ber JvraftiouSgeuoffe bes AntragfteHcrS Dr. £angcrljaits 
mit befonbercr Aücffidjt auf bie berliner berljältniffe, ber Abgcorbitcte 
ber Srcißunigert Bereinigung, broemel, unb ber Aatioualliberale 
Öoljuiann; er mürbe befäntpft oon bent Konfcroatiucn broefe unb 
bem Suftigminifter Sdjönftebt. diefer marnte oor einem gu rafdjcn 
borgeljcn auf biefem Oiebiete unb nahm für ^reußen ixt Anfprudj, baß 
eS giierft bie beffere Stellung ber grauen itt ber Baifcnpflcgc, mic fie 
baS biirgerlidje Wefepbudj bringe, angeregt habe. — der Antrag würbe 
abgelehnt unb bamit ber berfudj einer felbfiänbigen bettjeiligimg bei* 
S*ran an ber gemeinblidjen bermaltung mieberum abgemebrt 

(Sdcftruitätsmerfe tu mittleren unb flcineren ©tabten 2)entfch« 
(anbS. Auf ber 10. SahreSoerfantmlung beS furljeffifchen ©täbte« 
tageS in gulba (oom 22. bis 24. Suni) theilte Ingenieur l^obiet« 
^ranffurt a/A?. mit, oon ben 517 Stabten dentfchlanbs mit mehr 
als 10 000 Einwohnern hätten bereits 120 bis jept Eleftrigitäts« 
toerfe angelegt unb oon ben 2700 Stäbten unter 10 000 Ein« 
roohnern feien ebenfalls mehr als 300 im ÜBefiß cleftrifdjer (5en= 
tralen. 33ürgermeifter Strauß»£ierSfelb marnte baoor, bie Baffer- 
!räfte gn überfchäpett, maS bei Anlagen oon EleftrigitätSmerfeii in 
Heineren Stäbten fo oft oorfomme. 

StäbtifdjeS 4^gtenifc^e0 ^fnftitut für ©crlin. drop beS bis« 
fjerigen ablcpnenben Verhaltens bcS ÜiagiftrateS gegen ein ftäbtifdjes 
(^efnnbheitSamt befdjloffen bie Verlmer Stabtoerorbnetcn am 
29. 3mii, ben 2Jtagiftrat gu erfnehen, ihnen balbigft eine Vorlage 
über Errichtung eines ftäbtifdjen 3uftituteS für bie llnterfudjnng 
oon 9iahrnngS« unb EJenußmütelu, fotoie oon ©ebrautf)Sgcgen= 
ftänben, oerbunben mit einer bafteriologifdjen Abtheilung, gugeljen 
gu laffen, mobei eine fpätere Erroeiterung beffelben gu einem ftäbti« 
fdjen ©efunbheitSamte im Auge gu behalten fei. 

©täbtifdje ©dhnlargte in ©chöneberg. die Sthöneberger Stabt« 
oerorbneten befdjloffen am 20. guni enbgnltig bic Aufteilung oon 
Sdhulärgten. 3 U närfjft erfolgt bie Aufteilung auf l 1 /-) 3^hr gegen 
eine SahreSentfdjäbigung^ oon 800 J{, ^ba Sdjulargt erhält 
gur Hebermadjung gmei cd)ülen. Sie folleu bic neu eintretenben 
Kinber auf iljre Sdjnlfäljigfeit, törperlidje unb geiftige Vefdjaffen« 
heit unb ifjren allgemeinen EjefunbljeitSgiiftaub gu unterfucheu fomic 
beit ©efunbljeitSguftanb aller Kinber baueritb gu beobadjten unb bie 
gefunbljeitlidjeu Verljältniffe fämmtlidjer Schulräume bauernb gu über« 
machen haben, auf Atiorbnuitg ber Scfjulbeputation ober auf Buttfrfj 
bes Acftors E)utadjten abgeben, bei ber Ausmaljl ber Kinber für 
bie öerienfoloitien, bei Prüfung ber EJefndje um AuSfdjließung 
001 t eiiigelnen llnterrichtsfädjern unb bei öeftftellung oon Kraut« 
heilen, meldje bie Ausfäjließung ans ber Sdjule bebingen. 

Vegug auf bas Verfjältniß ber Aergte gu ben Lehrern unb Sdjiil« 
leitern hdßt eS in ber dienftorbmtng: „ES mirb oon ben Aergiett 
ermartet, baß fie ftets in gutem Einoernehmen mit ben Lehrern 
fjanbeln," unb „ein Acdjt gu Anmeifiingcn au bie Leiter ber 
Siljulen, an bie Leljrer unb Sdjulbieuer ftcljt ben Sdjulärgten 
nidjt gu". 





1077 


©ogtalc $rajri$. Genlralblatt für ©ogialpolitif. 9fr. 40. 1078 


$eite ©ubmiffiüÄSorbtntiia itt äRamtßritn. gtt VJannßeim ift 
bc^üglid^ ber Vergebung ftäbtifcßer Arbeiten Bcfcfjloffcn morben: 

Der gufdjlag erfolgt bet ©iibmifftoiten, mcmi Arbeiten tut SBertße 
von 500—f)000 .// tu grage foniitteit gum :Wittclprets, jebod) mit ber 
Vefdjrätifmig, baß Angebote, welche mit 2o% auf ober ab vom Vor* 
attfdjlag abwetdieti, überhaupt nicht bcrütffidjtigt, fonberit gletdj aus* 
gcfrfjtebcn werben. Vci größeren Arbeiten wirb jeborf; att beu Vfinbeft* 
forbernben vergeben. 9Rit biefer Aeuorbnung will man bie £>anbwerfcr, 
bie ttidjt redjtten fönnen aber liicfjt orbcntlidj rcdjiteten, barait gewöhnen, 
befferc Malfulation in tßrern betrieb einpfübren. Vet Arbeiten über 
5000 JL nimmt man att, baß es jid) um Großbetriebe banbelt, bie fauf* 
tnämttfrf) geleitet merben unb etwaige Unterbietungen, bie ihnen ©djaben 
bringen, auef) verfcßittergen mitffen itnb verfeßmergen fönnen. Die 
Arbeiten unter 500 M. SBerth [ollen freißäitbig natb einem DurnuS 
unter beit 'Bewerbern vergeben merben. 

DaS Dberbait# gegen weibliche Gemetttberätße tu Gtt glaub. SSie gu 
ermarten, bot bas frans ber Borbs ben Vefdjluß bes UnterßaufeS, ber 
bett grauen Gnglanbs bas Aedjt eitträutneu mollte, gu Genieinbcrätfjen 
gemdblt p merben (oergl. ©og. '£r. 3p. 1003), abgefeimt. 2Bie bei 
ber Debatte bes Uiiterßaufrs, ßiclt and) im CberbauS bie althergebrachte 
'parteifdjablonc in biefer grage nicht ©taub. 3uerft trat im Cberlmufe 
ber dar! von Mimberlci) uttb groar im herein mit fämmtlicßen 9J?U= 
glicbcrtt ber liberalen £ppofttion für bie ^ulaffuttg ber grauen in bie 
Gemeiubcoerwaltnug ein. Der ^remierminifter Borb ©alisburt) aber 
fprad) gerabegit bem Cbcrßatts bas Acdjt ab, beit Vefdjluß bcS Unter»' 
baufeS abguleßtien, meil tbaifädjlidj bie grauen fd)ott in ben alten 
Kathen gefeffen hätten, meldje bitrdj bie neue Crgauifatiott lebiglidj 
erfeßt merben füllten; es fotttnte baßer einer Beraubung gleidj, mentt 
man ben Tratten, ©ip mtb unb ©timniredjt in Gemeinbc* uttb ©tabt* 
rätljeit fept ooreuthalten mollte, bann befürmortetc ©alisbiirt) in marinen 
Porten bie ^iilaffitnfl ber grau als „ben befteit ©djupmall gegen gn* 
boleng unb ©elbftfudjt." Die grauen feien viel mehr unb viel tiefer 
von £>i!inauitcitsibeeu burcbbriutgett unb hätten ein meit richtigeres 
(Gefühl für bie fdjrerflidien Uebel, meldje bie riefigeit, in uniertt ntobernen 
Großftabten gufanimengcpreßtcn Volfsmengett erbrüeften, uttb biefe 
grauen entfernen, ßieße ein mächtiges SBerfgcug bes (Bitten uitgeredbter 
mtb felbftfiiditigcr BScife opfern. 3u gall bradjte beit Vefdjluß 
eine Acbe bes BorbfanglerS, ber als Monfequeng biefes GcfejjeS feßon 
ben Gingug ber grauen in baS Unterhaus brühen fah- 

Äoutmuualc Maßregeln gegen Dttüerfulofe tn BWandjeftcr. 
Dr. g. 9äuen, ©tabtargt von Btancßeftcr, hat bem ©tabtratb einen 
Gntrourf, betreffenb bie (Einführung ber Angeigepflicßt unb Vegifter* 
füßrung über gälte von Dubcrfulofe vorgelegt, für melcße gmeefe 
bie Gemeinbe bereits einen Betrag von 1500 £ auSgemorfen hat. 
Gin Gcmeinbeargt foK mit ber regelmäßigen gtifpeftion ber §>äitfer 
unb betn Vefttdje ber Patienten betraut merben, benen er, falls fein 
anberer Argt bie Veßanblimg leitet, ärgtlicßen 9?atf; erteilen foU; 
gleichzeitig Ijat er bie notbmenbige ^)eSittfeftiott unb afle ÜDtafj« 
nahmen mr thnnlicbftcn Verhütung von Vlnftecfung an 3 uorbnen. 
^)em (^efunbljeitsamte mären regelmäßige Berichte ju erftatten. 
2 ?or 2 lllem foüen biefe Maßnahmen von gnfpeftion unb regeB 
mäßiger SBeaufficbtiguug auf bie öffentlichen $lnftalten Hnmenbttng 
ßnben. 

3UtcrSpenfionen für bte ©emeinbearbeiter in $ariö. ®ie 

SllterSverforgung beS Slrbeiterperfonals ber ©tabt ^ariS Befctjäftigt 
bie intereffirten Greife fdjon feit langen gahren. Söi^^er roareit 
alle ^.Uäne jeboch attl S&iberfprudbe jmifchen ben Arbeitern unb ber 
©emeinbevermaltuug gefcheitert. ^>er öemeinberath neigte ftetS 
bap, einen ^Beil ber Soften für bie ©ilbung ber ^enfionSfottbS 
burdj ^oljnab 3 Üge 311 beefett, toogegeit fteß bie Arbeiter fträubten. 
Hut eitblich einen praftifdjen ©ebritt 3 U tfjun, entfdjloß ftcb ber 
0)emeinberatb im Sabre 1890 31 t einer proviforifdjett Maßregel 
unb gemährte aus Mitteln beS laufettben 33ubget£ allen invaliben 
ober alten Slrbeitern eine fährlidje Uuterftüßung, bie je nach bem 
2)ienftalter von 5 bis 25 gahren sraifdjen 140 unb 500 grcS. 
variirt. $iefe£ ©tjftem höt baS Unangenehme, etnerfeitS bie ©tabt* 
faffe 311 fefjr 311 belaften unb anbererfeits ein ‘DHßoerbältniß 
3 toifdjen ben gemährten $enfionen unb ben geleifteten Dienften be* 
ftehen 3 U Iaffen. 3)tan begann barum bereits 1895 an eine anbet;e 
Regelung 3 U benfen unb fdjlug vor, bie für bie ftäbtifcbeu 33e= 
amten geltenben (Einrichtungen auch au f bie Arbeiter au$ 3 ubebneit. 
darnach mären bie s ^enfionen bei ber freien ftaatlichen Alters* 
reuten faffe fonftituirt morben, unb 3 tvar aus monatlichen, von ber 
©tabt unb ben Arbeitern 3 U gleichen ^h e ^ en aufgebrachten ^ßrä? 
mien. (Regelt biefeS ^rojeft erhob ber Olemcinbearbeiterverbanb 
fo lebhaften SKiberfprud), baß es nicht gur Ausführung gelangte. 
®or ^urgent mürbe es iitbeffen von ber ArbeitSfommiffion beS 
(>iemeinberatf)S tvieber aufgenommen unb bann audj feljr raf<h iwi 
Plenum ber Mörperfchaft beßnitiv genehmigt. SDie h«»ptfächlichen 
©'ispofitionen bes ^rojeftes fiitb, mie uns ans fJSariS gefdjricbcn 
mirb, bie folgenbcn: bie ©labt galjlt jebett Dionat bei ber ftaat* 
ließen Altersreutenfaffe für jeben Arbeiter einen betrag von 7 ,; )0 gres. 


ein, melchen ein 4 progentiger Sohnabgug aufcrlcgt mirb. Aus 
biefen Prämien merben nach ben bei ber genannten Anftalt üb* 
liehen Regeln fßettfionen gebilbet, bie jeboch 1200 grcs. nicht- über* 
fteigen fönnen. gm ^obeSfalle ift bie Söitme beS Arbeiters gur 
|>älfte berechtigt. 2>aS penfionSfähige Alter mirb auf baS 50.8ebenS* 
jaljr feftgefeßt. geboch fönnen alle arbeitsfähigen Arbeiter ben 
^enfionSantritt bis gum 65. gahre verhieben. 


SofiaU 

^inberarbett in Sonbon. 

gebe Nation foftet eS eine SReihe Generationen, um ben befteit 
fBeg 3 ur Durchführung beS ©aßeS gu ßnben: Die gufunft gehört 
ber gugenb! Aber es machen flcß hoch auch in dnglanb Angetdhen 
bemerfbar, baß bie große SBebeutung ber pflege ber Äinbljeit unb 
bie Verlängerung ber GrgichungSjabre in fteigenbem 3Äaße ge* 
fchäßt mirb. Die immerhin entfd)iebenere Verbamtnung bes §alb* 
tagSfpftemS auf bem leßtjährigen Drabe UnionSfottgreffe mar ein 
millfoutmeneS Angeicßcn unb bie fürgliche Abstimmung in bem 
§aufe ber Gemeinen mit großer Vtajorität 3 U Gunften ber dr* 
pöhung &eS gefeßlithen Alters, in bem bie Vefchäftigung von 
Mirtbern, bie bem gabrifaefeß unterfteßen, guläffig ift, von 11 auf 
12 galire ift ein noch viel roid)tigerer AuSbrucf biefer Aufchauung.*) 
greilid) bleibt Gnglanb bamit immer noch meit hinter Deutfcßlanb 
uttb anberen geftlanbftaaten gurütf, mo baS 14. refp. 13. Gebens* 
jahr bie Grenge bilbet. Aber biejeniaen £inber, bie gur 3eit 
noch gänglich ungesüßt finb, außer bei befonberer Vebrücfung 
unb Ausbeutung, mo baS ©trafgefeß gur Verhütung von Graufam* 
feit gegen $inber einfehreitet, gießen bereits bie öffentliche Auf* 
merffamfeit auf fteß. Veuere Unterfuchungen- ßaben gegeigt, mie 
bebeutenb bie Angaßl ber fchulpflicßtigen Äinber unb folcßer, bie 
ttoeß bie ©cßule befueßen, ift, bie täglich viele ©tunben in ißrer 
freien geit mit drmerbSarbeit befdjäftigt merben, momit in vielen 
gätlen beflagenSmerthe Unregeltttäßigfeiteu im ©cßuibefuch, ©cßaben 
an ber Gefunbßcit unb Uebertnübung beS GcljirnS verbunben ftnb. 
diner fleinctt drßebung ßaitptfädjli^ in einigen 2 öeftenb*©chulen, bie 
im gaßre 1894 vom Toynbee Club unternommen roarb, folgte eine 
ettoaS auSgebeßtitere dnquetc vom Women’s Industrial Council, dine 
von bem Council eingefeßte Mommiffton bearbeitete bie drgebttiffe ber 
von ©ir goßti Gorft, Vicepräfibentcn beS ©taatSminifteriumS unb 
Abgeorbtteten, oeraulaßtendrßebungen, melcße eine noeß meitergeßenbe 
Unterfucßung bureß bie ©djulbeputation ltacß fieß gogen. dittige drgeb* 
niffc biefer VegierungSenguete finb vor jhtrgem veröffentlicht tvoroen. 

Der von ber ©cßutbeputation ßerauSgegebene gragebogen mar 
außerorbentlicß einfadj. 9iur bie feeßs foiaenben gragett maren 
gefteHt: 9?ame? Alter? gn melcßer Maffc? Vefcßäftigung? V^öcßent* 
ließe ArbeitSftunben? Vegaßlung pro SBocße? Die gurüefgefommenen 
Vogett finb bann von ber Veßörbe gufainmcngeftellt unb bie 
Seßrer ber ßonboner ©cßulen finb aufgeforbert morben, ein 
Duplifat biefer gragebogen an bie fionböner ©cßulbeputation gu 
fenbett, fobalb bie drgebniffe gälte geigten, mo bie $itiber meßr 
als 19 ©tunben in ber VSocße befcßäftigt morben maren. Vur biefe 
drgebttiffe finb veröffentlicht morbett. gßre Unvollftänbigfeit ift 
offenficßtlicß, ba fie tiicßt bie Sonboner greifcßulen lunfaffen, nießt 
biejenigen £inber, bie meniger als 19 l /2 6 tuttbett per Öocße ar* 
beiten, unb außerbem nur von einem Viertel ber öffentlichen ©cßulen 
bie gragebogen auSgefüllt gurüefgefeßieft morben finb. Dbgleicß 
nur eine tßeilmeife Ueberftdjt ber Dßatfacßen vorliegt, fo finb 
boeß bie drgebniffe intereffant unb begeidjnenb unb merben hoffent¬ 
lich Viele gum SRadjbenfen barüber anregen, unter roelcßer Aus* 
beutung bie itinber gu leibett ßaben, fei eS bureß bie Dürftigleit 
ißrer ßäuSli(ßen Verßältniffe, fei es bureß bie Gebanlenlofigfeit 
ißrer dltern ober Vormünber. Gs ift auch bemerfenSroertß, ob* 
gleich biefe Dßatfacße in bem Vericßt nießt ßervorgeßoben ift, baß 
viele ber Knaben, melcße baS V?eifte ermerben utib bie meiften 
©tunben in ber VSocße arbeiten, nießt bie ÄHnber ber ärmften 
dltern finb. ©ie fteßen auf einer etrnas ßößeren ©tufe, unb eS 
ift meßr Gebanfenlofictfeit als Votß, roobureß oftmals ißre frühe 
dinftellung in bie Veißett ber Grmerbsarbeiter ßervorgerufeu mirb. 

Siacßfolgenb baS fummarifeße drgebniß ber gragebogen, 
baS von ber ©cßulbeßörbe veröffentlicht morben ift. 

1143 £inber arbeiten 19 bis 29 ©tunben in ber V>odjc, 729 Min* 
ber arbeiten 30 bis 39 ©tunben in ber SBodje, 285 Siiiiber arbeiten 
10 unb meßr ©tunben in ber Sodjc. 

;f ) Die Vefdjlußfaffuug bc* Cbedntuiev iilu'r bie Vorlage ftdjt 
uodj aus. 



1079 


6ojtale fSrayiS. Eentralblatt für Sozialpolitik Nr. 40. 


10*0 


Bon biefeit finb 309 ftinber mit Hausarbeit befchäftigt 
8309 ©tunben in ber SBocße unb empfangen bafür bie ©efammt- 
fumme non 21 £ 9 sh 3 */2 d, was einen ®urd^fcfinitt non 
27 ©tunben für jebeS ftinb bebeutel unb einen Rainen ißennp 
per 0tunbe. 709 ftinber werben benußt zum 3*itung* unb NHlcß* 
austragen inSgefammt 21 662 ©tunben in ber Mocße unb erhalten 
bafür eine Dotalfumme non 94 £ 1 sh. 10 d. burcßfcßnittlich 
30 ©tunben für jebeS ftinb unb 1 d für bie ©tunbe. 1056 ftin- 
ber werben nerwenbet für Laben- unb gabrifbienfi unb Boten¬ 
gänge im ©anzen 31 923 ©tunben in ber Mocße für eine ©efammt- 
fumme non 121 £ 4 sh 11 d burchfcßnittlich 30 ©tunben auf jebeS 
ftinb unb 1 d in ber ©tunbe. 69 ftinber beforgen anbere Arbeiten 
wäßrenb 2001 ©tunben in ber SBocße unb erhalten eine ©efammt- 
fumme non 9 £ 12 sh 6 d, burcßfcßnittlich 29 ©tunben für jebeS 
ftinb unb V-i d in ber. ©tunbe. Fn einigen Fäden werben beit 
ftittbern außer ben Bezahlungen auch noch Mahlzeiten gewährt. 

Bielleicht werben bie Anregungen biefer allgemeinen Ergebntffe 
noch burch ^in^ufüguncj oon Einzelheiten einer ©chule erhöht; 
fieben folcßer ftnb veröffentlicht aus allen Dßeilen oon Lonbon, 
unb biefe füllen im (Ganzen unb ©roßen für bie ©efammtßeit 
tppifcß fein. AuS allen ift baS Ueberwiegen ber Befchäftigung oon 
Knaben erftcfjtlicf): baS AuStragett oon SRilcß, Berfaufett unb Ber- 
tßeilen oon 3 e itungeu, Botengänge für Labenbefißer unb bie Ber¬ 
atung oon oerfchiebenen niebrigen Arbeiten in Barbterläben.*) 

Der Huuptleßrcr einer ©chule in (Shelfea, einer Arbeiter- 
gegenb im Bkften LonbonS, bemerk: „Die Knaben, welche mit 
MilcßauStragen befcfjäftigt werben, flehen gewöhnlich um 5 Uhr 
auf unb fornmen zu fpät in bie ©chule. Snfolgebeffen fcßlafen fie 
wäßrenb bcS Nachmittagsunterrichtes auch mehr, als fie wachen. 
Diejenigen, welche mit 3^itungSoerfaufen befchäftigt ftnb, müffen 
fich bis z« feßr fpäter ©tunbe in ben ©tragen aufhalten." 

Bei Leitern ber größte Dßeil öer Arbeitszeit fällt in bie 3eit 
beS NachmittagSfchulunterrichtS oon Ntontag bis Freitag unb bie 
freien Dage (©onnabenb unb ©onntag) ftnb gerabe biejenigen 
Dage, auf bie bie meiften ArbeitSftunben entfallen. Es ift burch* 
aus nicht ungewöhnlich, baß bie Hälfte ber ©efammtarbeitSzeit ber 
ganzen SBocße fich auf biefe beibett Dage zufammenbrängt. 

Ueber bie Befchäftigung oon dßabeßen ftnb nur' oon z^i 
©chulen Fragebogen eingefanbt worben, in einem biefer, aus 
Öacfnep, fpielt bie lofale HauSinbuftrie eine Nodc, fo bie fünftlidje 
Blumcnfabrifation, ©cßuh- unb Bonbonfabrifation, aber bie Haupt* 
befchäftigung ber dfläbcßen ift nichtsbeftowenigcr in ben meiften 
Fädett nur häusliche Arbeit. Der Haupttßeil biefer Arbeit wirb 
naturgemäß z u H au fe getßan unb würbe auch nicht in ben Frage¬ 
bogen erfcheinen, ba fie nur unregelmäßig, gelegentlich unb nicht 
gegen Bezahlung gedieht. Außer bem fiaufe werben Mäbcßen in 
ber Siegel (in tninbeftenS z*oei drittel aller Fälle) nur als ftinber- 
mäbchen befchäftigt. 

Das ßauptfäd)lid)fte praftifdje Ergebniß ber ganzen Lonboner 
Enquete wirb wahrfcheinlich mehr z u finben fein in ber 

*) 3ur Ergänzung unferer ftatiftifchen Angaben über Umfang unb 
Art ber ftinberarbett in Etiglattb in ber „©oralen ^rajris" ©p. 1025 
geben wir hier noch eine Ueberfidjt über bie bezahlten £öf)ne unb bie 
wöchentliche Beid)äitigungsbauer in ©tunben. lieber bie wöchentlichen 
Berbienfte ber ©diulfinber finben fich folgettbe 3tffcrn im Berichte; eS 


oerbienen in ber Mocße: 

unter 6 d. 17 084 

6 d—1 sh. 47 273 

1 sh 1 d—2 sh. 40 240 

2 sh 1 d—3 sh.19 757 

3 sh 1 d—4 sh. 4 927 

4 sh 1 d—5 sh. 1 813 

5 sh 1 d—6 sh. 805 

6 sh 1 d—7 sh. 238 

7 sh 1 d unb mehr. 339 


Für 858 ftinber wirb fein Eclbuerbienft (Arbeit gegen ft oft) aus» 
gemieieu, 4851 arbeiten für bie Eltern unb für 5831 ftinber fehlen bc» 
Züglidje Angaben. Bezüglidj ber 3citbaucr ihrer Arbeit werben folgettbe 


Angaben gemadjt: 

Unter 10 ©tunben wöchentlich arbeiten . . 39 355 

10—20 = = = . . 60 268 

21—3<) = * * . . 27 008 

31-—In *: w 6 ■ ■ 9 77s 

41—50 = = = . . 2 390 

51 CIO * * = . . 575 

61—70 = f = . . 142 

71 80 - - . . 59 

über 81 - . ... 16 

Arbeitszeit unbefannt . 4 434 


144 026 


„öffentlichen Befprecßung einer feßweren ltngerecßtig?eit" — um Die 
Morte ber inneren ©cßulbeßörbe anzuführen — als in einem 
©efeß, welches oorbeugettbc Maßregeln gegen biefe NHßftänbe non 
bod) nur theorctifchem SSertße bringt. ES ift nicht zu erwarten, 
baß bie Befchäftigung aller ftinber unter bem fcßulpflicßtigen Alter 
gefeßtieß oerboten wirb. Die Durchführung eines folgen ©efeßeS 
würbe mit außerorbentlichen ©eßwierigfeiten zu fämpfett haben unb 
ein folcheS Eefeß würbe für eilten großen £h e ü ber Bertoaltung 
ein toter Buchfiabe fein, J weshalb eS vielleicht gar nicht einmal 
wünfdjenSwcrth ift. DaS einzige Felb ber ftinberarbeit, auf welchem 
mit Sicherheit Berbote roirflid) burchgeführt werben fönnen, ift baS 
ber ©traßen unb öffentlichen Bläße, unb um bem oorljanbenen 
Uebel zu fteuern, hui ein AuSfd)uß ber fionboner ©chulbehörbc 
empfohlen, gemeinfam mit bem Sonboner ©raffchaftSrath zufammett 
bie folgenbe Berorbnung zu oeranlaffen; 

§. 1. ftein ftiub unter 14 Sahnen foll in ber Huuptftabt oor 
8 Uhr Borgens ober nach 8 Uhr AbenbS zu irgenb welcher ge- 
Iegentlidjen Befchäftigung herungezogen werben. 

§. 2. ©elegentltche Befchäftigung (casual) ift jebe Befd)äfti- 

J ung zum 3 roec f e beS Erwerbes auf ©traßen ober öffentlichen 
»läßett — wobei foldje Befd)äftigungen, bie bereits burch beftehenbe 
ocrfaffungSmäßige ©efeße geregelt ftnb, auSgefchloffen jinb. 

§. 3. Sebe Berfon, bie ein ftinb in Uebertretung biefer Ber= 
füguug Befchäftigt, foll burch fummarifd)eS Berfaßren einer ©elb- 
ftrafe oon nicht meßr als 40 ©cßitling für jebe Uebertretung untere 
liegen. 

§. 4. Eltern ober Bormünber eines ftinbeS, bie folch ein 
ftinb mit irgenb einer Arbeit im Hunbel ober jum 3mecf beS Er^ 
werbeS befchäftigen ober geflohen, baß folch cm $inb zum 3mfd 
folcßer Arbeit engagirt wirb, fotten fo beftraft werben, als hätten 
fte felbft baS ftinb in Dienft genommen. 

§. 5. Der Beweis, baß baS ftinb über 14 Saßre alt war, 
foll ben Beflagten obliegen. 

Birmingham, ßioerpool, ÜRancßefter, ©ßeffielb hüben fdjon ber 
obigen ähnliche Berorbnungen erlaffen unb im Hmblicf auf 
oerfdjiebene ganz beftimmte Fälle ift zweifellos bie Hoffnung auf An¬ 
nahme ähnlicher Borfchrifteit auch hi er oorhanben. Aber im ffalI oon 
©chuloerfäumniffett in Folge oon wiberrecßtlicher Befdjäftigung oou 
©<hulfittbent follte bie väterliche Fürforge uttb baS väterliche Ber- 
antwortlichfcitSgefühi bie befte Abwehr gegen bie gegenwärtigen 
NUßftänbe fein. ES ift bcSßalb ein gutes 3 e i<h c n, baß in Bonbon 
fürzlicß eine Bewegung h^roorgetreten ift, h a uptfächlic| S u i' Liefe¬ 
rung oon itluftrirten oolfSthümlicßen Büchern für bie arbeitenben 
ftlaffen mit bem befottberen 3 lüe dP, auf bie Eltern einzuwirfen, bie 
3iele ber Elementarfchule mit oerwirfUchett z u halfen unb ihnen 
ben Bortheil Har zu machen, ben ihre ftinber burtß bie Annahme 
ber bargebotenen Erleichterungen hüben würben. Febe ©eneration 
!ommt meßr unb mehr unter ben moralifchen, intedeftueUen unb 
bilbenbeu Einfluß ber ©cßule, unb eS ift Hoffnung oorhanben, baß 
jebe ©eneration eine Berminberung ber Ntißftänoe erleben wirb, 
bie barauS erwaeßfen, baß Danfenbe oßne ©cßulbilbung auftoaeßfen 
unb in ben ftampf umS Dafein geworfen werben, ©egemuärtig 
inbeffen weift bie Dßatfacße, baß ßunbertaufenb ftinber im Lanbc 
täglich bie ©cßule oerfäumen, weil fte zur Erwerbsarbeit heran* 
gezogen werben, auf große unb bringenber Abßülfe bebürftige > JRiß- 
ftänbe ßiu. 2öie gefagt, ift inbeffen woßl bie befte H^ung beS 
UebelS gu erwarten oon ber H e &ung beS elterlichen Berautwortlid)- 
feitSgefüßlS, unb eS ift oiclletdjt oon großer Bebeutung, biefe 
^hatfaeße heroorzußeben uttb fte möglicßft weit zu oerbreiten. 
Lonbon. _ Ernefi AoeS. 

Arbeitgeber' ttnb Untenietjmertierbttiibe. 

Der Stliig ber tmämfaMfmkn (vgl. ,,©oz- Bra^iS", ©p. 338t 
ßattc befcßlofien, an bie Mitglieber beS DapetenßänbleroereinS nur 
Maaren zu liefern, wenn biefe fieß verpflichten, bie SSaaren mit 
125 o. H- Sfcußen zu oerfaufen unb bie B^ e if e fomit in ber oor* 
gefcßricbenett Höße ju halten. Eine bem Hänbleroereine nicht att- 
geßörenbe Finna in ftöln oerfaufte aber einzelne Sßaarett unter 
Dein oorgefchrtebenen B^/ morauf ißr oon bem Borfißenben Des 
FabrifantettoereittS bie briefliche Aufforberung zugimj, bem Bcrein 
eine freiwillige Buße oon 100 ,///, anzubieten, ba fonft bie ©perre 
über fte oerßängt werben würbe. AIS bie Firma bas Anfinnen 
ZurücftoicS, würbe fte auSgefperrt, worauf fie bei ber ©taat*- 
anwaltfcßaft ben Antrag einreießte, bie ftlage auf Erpreffutig ein- 
Zitleiten. Die ©taatSanwaltfcßaft entfpraeß bem Anträge, bai Er* 
mittelungSoerfaßren würbe cittgeleitet, uttb z a hHeid)e 3 c ugctt» 
oentehmuttgen würben attgeorbnet. FnSgcfammt würben oott bem 














1081 


©oktale prajts. Eentralblatt für So 3 talpolttil. Vr. 40. 


1082 


Fabrifantenoerein über 100 .fjänbler auggefperrt, welche bie 
©rünbung eine« Verbandes in AuSficht genommen haben. Auch 
bat eine Vtnjabi Sabrifanteit bie Einberufung einer Verfammlung 
angeregt, unt bie "Durchbrechung beg VingeS 3 U bewirfen. — ©ie 
bie' „VolfSstg." mittheilt, hat übrigeng baS ßanbgericht Berlin 
früher eine wlage beg VingeS gegen ein 33HtgIieb auf 3ahfong der 
füpulirten Buße abgewiefen, weil eg bem Verein gar nicht barum 
gu thun mar, feiii oermögenSrechtlicheg Sntcreffe, b. h- feinen 
Schaben bei Verfloß gegen bie BereinSbefchlüffe im Voraus oer* 
traglich feft 3 ufefeen, fnnbern lebiglich ber ©efichtSpunft obgeroaltet 
hat, eine friminaliftifcfjc Strafgemalt fidj über feine Mitglieder 3 U 
fichern. „Eine folche feft 3 ufefcen, liegt außerhalb beg Bereichs beg 
prioatrccf)tg und ift einzig unb allein Sache beg öffentlichen Vedjtg. 
Den Strafbeftimmunqcn beg ftägerifchen Vereins ifi deshalb contra 
jus publicum, ber Vechtfdjub 3 U oerfagen. Auch bag angebliche 
Anerfenntniß beg Beflagten ift man geig einer gütigen, rechtlichen 
©runblage wirfungSloS." 

Der Verband bentfdjer Schuß- unb Sdjäftefabrifanten hat auf 

feiner ©eneraloerfatninlung ben Antrag beg VorftanbeS beg Vereins 
beutfeher Schuhmacher abgelehnt, biefe Arbeiterorganifation alg be* 
rufene Vertreterin ber Arbeiterfc^aft ansuerfennen unb beffen Ver* 
mittelung in Streitfällen an 3 unehmen, wobei ber Schuhmacher« 
oerein erflärte, er fei „oon bem einigen Söeftreben geleitet, auf 
©rund gegenfeiüger Anerfennung ber Drganifation, oorfommenbe 
StonfCifte 3 roifchen Fabrifanten unb Arbeitern möglichft auf güt* 
lichem ©ege gegenfeitiger Vereinbarung 3 U erlebigen, alg eg auf 
langwierige Streifs anfommen 3 U laffen. Die fchneüc Entwicflung 
beg Mafdf)inenmefeng in ber beutfehen Schuhinbuftrie macht Äonflifte 
unb Differe^en in Be 3 ug auf ßohn* unb ArbeitSoerhältniffe un* 
üermeibiith, unb wag ift ba näherlieaenb, alg bah man innerhalb 
ber betheiligten Greife eine BaftS 3 « jehaffen fucht, burch bie biefer 
Entmidfelung Rechnung getragen wirb unb erbitterte Kämpfe 3 wif<hen 
Fabrifant unb Arbeiter bei einigem Verftänbniß unb reblichem 
©illen oermieben werben föntten". 

Ein Verband ber fübmefitbentfdien Möbelfabrilanten ift in 

Stuttgart gegrünbet worben. Vach §. 2 fteHt ft<h ber Verband 
u. A. bie Aufgabe: 

3n Streitfragen sinifcfjen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern einen 
Ausgleich anjuftreben unb womöglich eine beibe Deile befriedigende 
Vermittlung herbci 3 uführen; Beftrebungen, welche darauf gerichtet find, 
bie Arbeitsbedingungen einjeitig oor 3 ufchreiben unb 3 U biefem $wecf ge* 
plante AuSftäube gemeinfam abjuwehren unb in ihren folgen unfehäb* 
lieh 3 11 wachen; einheitliches handeln in allen fragen, welche für bag 
Verhältniß swifcheu Arbeitgeber unb Arbeiter oon grunbfäplidjer Be* 

beutung finb. 3 ebes einzelne Mitglied beS Verbandes hat ftetS 

nur mit feinen eigenen Arbeitern ober mit einem oon biefeu felbft aug 
ihrer Mitte gewählten Ausfdjuß 3 U oerhanbeln, bagegen finb Verband* 
lungen mit irgenb welchen niefjt 311 ber eigenen Arbeiterschaft gehörenben 

Mittelperfonen abjulehnen.Erflärt ber Ausfchufj einen Streif 

für nicht berechtigt, fo bat ber Vorftanb bas Vcr^eicbntß ber be* 
theiligten Arbeitnehmer fofort fämmtlicheu VerbanbSmitgliebern mit 3 u- 
theilen. Dann barf fein VerbanbSmitglieb einen ftreifeuben Arbeiter in 

feinem Betrieb befchäftigen.ginbet eine Beilegung beg Aus* 

ftanbeS nicht ftatt, fo hat ber Vorftanb bag Siecht, bie in ber nottj s 
leibenben gabrif oorliegenben Aufträge auf bie übrigen gabrifen 3 U 

oertheüen.Sollten bie Arbeitnehmer berjenigen girma, welcher 

bie Ausführung ber Arbeit übertragen worben ift, ftch weigern, bie 

Arbeit auS 3 ufiihren, fo finb bicfelben 3 U entlaffen.gür 3 u miber* 

hanblungen werben Äonoentionalftrafen oon 20 Jt. bis 5000 M. feftgefe^t. 

Die Arbeitgeber nehmen alfo für ft<h bag Siecht ftrafffter 
Drganifation in Anfpruth; fie allein fordern bie Entfärbung 
über bie Berechtigung eineg Streifg. Bei ben Arbeitern aber be* 
fämpfen fie bie Drganifation aufg Schärffte. 

Der Verein beutfeher ©erfäeugmafebinenfabrifen hat am 

17. guni in $oblen 3 feine erfte £muptoerfammlung abgehalten. 
Die Verfammlung nahm u. a. $enntniß 001 t einem Bericht über 
bie probuftionS* unb ejportftatiftifchen Erhebungen ber beutfehen 
©erf 3 eugmafchinenfabrifen für bag 3ahr 1897, aug benen h^oor* 
geht, bafe in 208 non überhaupt etwa 220 ßabrifen über 26 000 
Arbeiter befcf)äftigt würben, bie über 24 SHiUioneit SJJarf an ßöhnen 
be 3 ogen, unb bah bie oon biefeu gabrifen h^geftellten SRafchinen* 
unb ©afchinentheüe etwa 70 Millionen Sßarf barfteüten, fowie 
ferner, bah oon biefer .fjeroorbringung etwa 75 o / 0 inx gnlanbe 
blieben, 25o/ 0 aber auggefiihrt würben. Die gleichartigen Er* 
bedungen für 1898 werben oermuthlich noch ein wefentlich anbereg 
Vilb oon ber Vebeutung biefeg Eef<häftg 3 weigeg geben, ba in 
Öotge beg großen Vcbarfg an ©crfaeugmafchinen faft alle Betriebs* 
ftätten bebeutenb erweitert worben finb, bie §eroorbringung alfo 
3 weifellog eine bedeutende 3 nnahme erfahren hnt. 


Atbettetbetnegtntg. 

$crgarBeiter«ttnnthctt im SluhrrePier. 

Von einem Mitarbeiter wirb ung gefchrieben: ijßolnifche, un* 
organifirte ^ferbejuitgen unb jugenbliche Schlepper finb in einen un* 
befonnenen Streif eingetreten, weil fie fich burdh höh«c Shiappfchaftg* 
faffen*Ab}üge benachtheiligt glaubten. Eg ift 3 U blutigen 3nfammen* 
flöhen 3 Wifcheu $oIi 3 ei, bem requirirten Militär unb ben augftänbigen 
Arbeitern gefommen, bei welchen eg Dobte unb Verwunbetc ge* 
geben h fl t. Die y älteren, beutfehen, organifirten Vergarbeiter hoben 
mit bem Augftanbe nichts 3 U thun; eg ift im ©egentheil alles auf* 
aeboten worben, um bie heihölütigen jungen ßeute 3 urücf 3 uhalten. 
ßeiber find Verfammlungen, in denen über bie Sachlage Klarheit 
oerbreitet werben follte, oerboten worben. Schon im Mai b. 3 . 
erfolgten in bem Drgan beg alten Verg* unb §üttenarbeiter*Ver* 
banbeg ©arnungen oor Unbefonnenheüen, 3 u welchen fich junge 
Vergleute etwa wegen ber höhnen Veiträge ber jungen ßeute hin* 
reihen laffen fönnten. Sie hoben leider nid)tg gefruchtet, 3 umal 
eg durch Verfammlunggoerhinberungen unmöglich gemacht wurde, 
3 U ben unerfahrenen ßeuten 3 U reden. Den „Scharfmachern" finb 
freilich bie Vorfommniffe im SRuhrreoier willfommen. Sie fpredjen 
oon „fo 3 ialiftifchen E^ceffen", bie oon ber Parteileitung ber pol* 
nifdjen So 3 ialiften in Verlin gefchürt worben feien unb daher bie 
Berechtigung beg „Snchthouggefeßeg" Har barlegten. Da aber bie 
Unruhen durch bag Einfehretten oon Pol^ei und Militär rafdj 
unterdrück worben ftnb unb ben Schuldigen fthon auf ©rund ber 
begehenden ©efefee fchwere Strafen drohen, fo wirb jefct behauptet, 
bie „fcharfen Veden" im VeidjStage gegen bie 3 u ^thaugoorlage 
hätten den Uebermutl) ber Arbeiter entfacht unb fo bie Unruhen oer* 
aniaht. Etwas DhörichtereS famt man fich wohl faum benfen! Sollten 
wirflich bie VeichStagSoerhanblungen gerade auf bie polnifchen 
Pferbejungen unb Schlepper aufret 3 enb gewirft haben, während 
die ©efammtheit ber beutfehen Arbeiter ruhig bei ber Arbeit blieb? 
Dber glaubt man wirflich, bah ölohe ©efeheSbeftimmungen Aus* 
fchreitungen oerhinbern? Dann mühten ja auch bie ©efe^e gegen 
den Diebftahl biefen oerhinbern. ES ift fe|r be 3 eichnenb, wag bag 
Drgan beg alten VergarbeiteroerbanbeS, bie „Deutfche Verg* unb 
§üttenarbeiter*3eitung", unterm 1. b. Mts. fchreibt: 

„Am 20 . Mai 1899 bat fdjon der Vorjtanb beg Vergarbeiter* 
oerbanbeS eine bringende ©arnuitg au bie Vührfameraben erlaffen, ftch 
nicht durch das 3nfrafttreten beS neuen Statuts 31 t Dummheiten bin* 
reißen 3 U laffen. Durch einen Streif fann fein beffereS Statut geraffen 
werben. 9Sir fennen beffer als bie Behörden die Vorgänge in der 
Maffe; auf mehreren Stellen ift eS uns Danf ber VerbanbsbiS 3 ipUn 
gelungen, bie Kameraden oor Dfjorbeiten 311 bewahren. 3 m ferner 
Veoier haben wir aber feinen Einfluß. Uns hat ber AuSftanb über* 
rafefjt, wir mifchen uns auch nur infofern hinein, als wir bringend 
3 ur Aufnahme ber Arbeit aufforbern! 3ene polnifchen Arbeiter 
Ijat man faft mit Eewalt in Unmiffenbeü gehalten, fie füllten bienen 
als Stbujjwebr des Kapitals, jefct find fie eS, bie in offenen Aufruhr 
auSbrechen. So haben wir eS oorausgefagt, aber bie alles befferwiffenbe 
Vehörbe holte niefjt auf uns. Äameraben! Macht feine Dummheiten; 
bleibt ruhig an ber Arbeit! ES ift ja uttmöglidj, durch einen Streif 
bas Shiappfchaftsftatut 3 U ändern! Dies fönnen wir nur durch einiges 
Vorgehen aller Aelteften! Organifirte Bergleute! Sorgt 3h* für 
9tuhe! ©irft belehrend unb flüchtend auf bie Erregten ein! Bleibt 
ruljig an ber Arbeit!" 

Auch ber ©ewerfoerein ber chriftlichen Bergarbeiter fordert in 
Flugblättern 3 ur ©ieberaufnahme ber Arbeit auf unb warnt 3 U* 
aleiqi oor thoridjten Streifs, ©ürben bie jungen polnifchen Ar* 
beiter einer Drganifation angehören, bann würbe es jedenfalls 
nicht 3 U ben bedauerlichen Ausbreitungen gefommen fein, bie ein 
Dheil ber Seute mit bem Dobe ^at büßen müßten. Auch baS 
fo 3 ialbemofratifche „VolfSblatt" in Bochum hat in einem befonberen 
Aufruf bie Arbeiter im gan 3 en Vuhrreoier 3 ur Vuße unb Be* 
fonnenheit ermahnt unb fte aufgeforbert, auf bie Stimmen der 
bewährten ßeiter ber Drganifation 3 U hören unb ruhig bei ber 
Arbeit 3 U bleiben. (Bemerk fei noch, baß ein Berliner Blatt, bie 
„Däglithe Vunbfchau", in einer 3ufäjrift aus bem weftfälifchen 
Äohlenreoier ftch alfo oernehmen läßt; „Die 3 e( ^ eit nterben eg ftch 
überlegen muffen, ob fie, trofc beg Mangels an ArbeitSfräften, un* 
befehen polnifche 3aäügler aufnehmen. Es giebt wohl fein 
traurigeres 3 c iä) en für den Sfulturniftanb biefer ßeute, als ßattb* 
friebenSbruch unb Dobtfchlag aus Anlaß nicht oerftattbener Ertapp* 
fchaftSftatut*Paragraphen.") 


3m» FmlenSf<hlu§ im Berliner Bangetoerbe« Die Verein* 
barungen ber Maurer mit ben Unternehmern, bie oor bem Eini* 
gungSamte abgefchloffen worben ftnb, haben 3 war noch der Mritif 
3 weier Manreroerfaiitmlungen unterlegen, finb aber fd)ließlich au* 








1084 


1083 


©ogtale $raftS. Gentralblatt für ©ogialpolitif. 5Rr. 40. 


genommen worben. Sn^ioifdien finb aud) bie Vaußilfsarbeiter, 
bk bei bem griebcnSfißluß leer ausgegangen finb, mit Forderungen 
ßeroorgetreten, bie ebenfalls auf eine frieblid)e Darifoereiubarung 
ßinauslaufen, ebenfo bie 3i mmercr - ®a ingwifcßeti Verband* 
lungen eingeleitet morben finb, ift gu erwarten, baß eS aucß ßier 
gu einer Verftänbigung !ommt, eoent. oor bem GinigungSamt. 

$cr 32. Drude ttnion£*&ongret roirb in ber erften ©ocße 
des September gu ßioerpool feine Sißungen beginnen. Scßon jefct 
geben oon ben einzelnen ©emerfoercinen maffenfjafte SRcfolutionen 
ein. VefottberS fnjftallifiren fie fieß um bie Elrbcitcr*ilompenfaiionS* 
Eift. Die Vuilbcr Union beantragt, gu erfläreu, baß das ©efeß 
unbefriebigenb fei, nur gu Streitigfeiten Veranlaffung gebe; bie 
Grfaßrungcrt oon gwölf Monaten ßättcn beroicfen, baß es'feßr un* 
beftimmt unb oermirreitb fei unb außerdem feßr oiele Moften ocr* 
urfadje. Das ^arlamentsfomitee folle bei ber Regierung eine 
Abänderung beantragen auf breiterer VafiS. Die Union ber Docf* 
arbeiter oerlangt eine Elbänberuna gu bem 3mecF, den urfprüng* 
lieben ©eift ber Vorlage roieber rlar beroortreten gu Iaffen. Gute 
Siefolution oerlangt, baß das Spftem ber ^half time“ gang abge* 
febafft unb bas Miitimalalter ber Binder auf 14 Saßre erhöbt 
werbe. 

3ur Vergarbeitcrbewegung in Fratsfreid). Slug $aris roirb 
uns gefdjrieben: Der umfangreiche ElnSftaub in ben ©rubenbegirfen 
oon Montceait*leS*Miites, oon bem roir in 9fr. 38, Spalte 1029 
berietet buben, ift nach 25 tägiger Dauer mit roedjfelfeitigen 3 U * 
geftänbuiffen gu Gnbc gegangen. Die weiften 3ugeftänbniffe 
mußten allerdings bie Arbeiter madjen, bie nur bie roeniger wichtigen 
fünfte ihres Streifprogramms bureßfeßen fonnten. Gs war, fo oiel 
2Dfübe man fid) aud; gab, roeber ben Deputirtcn des Departements, 
nod) bem ^räfeften gelungen, ein regelrechtes GiniguugSoerfaßrcn 
gu Stanbe gu bringen, unb erft ber Gingriff beS neuernannten 
VautcnmiitifterS fonnte bie Unterncßmergefellfcßaft oeranlaffen, 
einige mißliebige ©erffüßrer gu uerabfdjieben, feine Maßregelungen 
gegen bie Streifer gu ergreifen, bie ©eroerffdjaft unbehelligt gu 
Iaffen unb einige Verbefferungen im EllterSpcnfioueitfpftem bureß* 
gufübren. Die £oßnerßößungS* unb ElcßtftunbentagSforberungen 
wies fie runbroeg ab. Gs befteßt übrigens fein 3 we ^f e ^ baß 
EluSftänbigen gum großen Dßeil aus politifcßen 9tücffid;ten auf 
bie J$ortfcßung beS Kampfes oergießteten, ba bie inneren ©irren 
SranfreicßS bie Sammlung ber republifanifcßen Parteien erforbern. 

Htbelkrfdju^. 


Sogialpolitif anf See. Der namburg*Elmerifa*£inie ift auf 
bie bem Staifer übermittelte Meldung, baß bie ©efellfcßaft befcßloffen 
habe, ißre fämmtlicben Sdjiffe mit einer Dkflabe*£inie gu oerfeßen, 
folgenbe Elntwort gugegaugen: 

„gbre Meldung, bic drridjtung einer $ieflabe*2mie betreffend, bat 
Mich mit l)ofier ftreube erfüllt. Sie geigen dadurch, baß Sie für 3ßre 
Ehigeftcütcu in jeder ©cife (Garantien fcßaffcn unb gu forgen ocrflcßcn. 
tiefes ift and) ein großer Scßritt oorwävts in ber Sogtal* 
politif auf See. Möge 3ßr gutes Veifptel retdilidie 9tad)al)incr 
fiuben. ©ilhclnt." 

Unter Dieflabe4?iuie oerfteßt man eine Marfe, bie angeigt, wie 
tief ein Sd;iff beloben werben barf. 3« Deutfcßlanb ift bie Ein* 
bringung biefcS SabegeidjcnS bem belieben bes SißeberS anheim* 
gefteÜt. dS ift nun nid)t auSgefd)loffen, baß unter llmflänbcn bureß 
gfaßrläffigfeit ober Verfd;ulbuug eine Ueberlabung bes gaßrgeuges 
oorfommt, bie auf bie Steuerbarfeit uttb Sdjwiminfäßigfeit beS 
ScßiffeS guriiefwirft unb Unfälle ocrurfadjeit fann. Um foldjeu 
Vorfommniffen oorgubeiigen, ßat man in Gnglanb 1876 ein ©efeß 
erlaffen, wcldjeS bie Einbringung ber Dicflabe*Marfen fordert; wor 
einigen gaßren ift bie englifcße Veftimnuiug nod) oerfdjärft worben. 
Der Gutfdjluß ber HamburgsElmcrifas^iuk, bie immerhin für ben 
Unternehmer befcfjränfcube unb läflige üabelinie eingufüßren, ift 
in ber Dßat ein El ft ber Fiirforge unb bes 3d;ußcs für bie 
Vemamuuig ber Sdiiffe. .vSoffentlid) ift bas baufenswertbe Vor* 
gehen biefer diefellfdjaft nur bie dinleituiig gu einer allgemeinen 
gefeßlidjeu diufüßning ber Sieflabelinie, di ne foldje Maßnahme 
befürioortet g. E3. and) ^rof. I)r. Stoerfs(9reifswalb; er fagt im 
3. drgängiiugsbaitb bes ©örterbudjs bes beutfdjeu dermal tun gS- 
red)tes: 

Sie Efolluöenbigteit eikes beniidn'U Iietlah.*gen‘i’i«> rinn ^ilnm ber 
bentniien Seeleute ift feit o.ahr^elniten oon pomubiger Seite betont nnb 
begrimilct morden. Os bandelt fi di bei geier.hdier At'itücllimg der S ief= 
ladeliiue darum, amtiirb \u beüimmen, wie weit ein S du ff beladen 
meiden darf, d b. mie lief es mit iemeiu Mörper ins Malier tainbeu 
darf, ohne daß die Oie igln* eutüebi, das Sdriif tonne bei fdileehteiit 


©etter burdi den Seegang oerniditet werben, ©enu bas oberftc Ded 
gu niedrig über bem ©aßer liegt, wenn alfo ber Aieibord gu flciu ift, 
föuucn überfd)lageube ©eilen bas Sdiiff gn feßr belaßen und baburd) 
gum Siitfeu bringen ober Mcnfcßctt über E3orb fpülen und bie Hilfen 
einfd)lageu. 

öorfdjrifteit über bie 9lrbettSgeit t» (Detreibetnübleit. 3« ber 

gatßpreffe ber organifirteu Müflergefellen werben bie uulängft oom 
SuubeSratl) erlaffenen E3eftimmungen über bie Elrbeitsgcit in 
treibemüßlen als ungureießenb angegriffen. Die Scrorbnung findet 
ltämlid) bloß auf die „bei ber E3cbienung ber Mahlgänge" be^ 
fd)äftigten Olebilfen unb Lehrlinge Einwendung (ocrgl. Et'r. 31 
Sp. 852 b. 331.), aber nid)t auf Hilfsarbeiter, namentlich aber nicht 
auf bie an ben ©algenftiihlen unb Dismembratoren befcßäftigten 
Elrbeiter. 9iad) ben EluSführuit^cn ber „EJorbb. Eilig. 3 c iUiug", 
die' fieß gegen biefe Eingriffe ber ^adipreffe menbet, ßerrfeßt in den 
©roßmüßlen der fontinuiriieße betrieb und eS ift in diefeu oßnc* 
dies eine ElrbeitSgeit mit längerer 9tußepaufe als der oon der 
Verordnung oorgefdjriebenen iiblicß. Der C9cfeilenfeßaft fei bie 
Sfußegeit in ooHeut Umfange gefiebert. Gs würbe den Elbficßteii 
ber Verordnung guioiderlaufen, wenn ihre Vorfcßriftcu nid)t aud) 
auf bie Vebiemingsmanufcßaft ber ©algenftiihlc angewenbet lüiirdeii, 
und eS liege aiuß fein ©rund gu ber Einnahme oor, baß den Vc* 
ftimmimgen bei ißrer Efugfüßrung eine fo enge EUiSlegnug {gegeben 
werden füllte, wie in jener greife oorausgefeßt wird. 3in Vsjegcio 
faß gu den EluSfüßrungen ber gaißprcffc "der organifirteu Müller 
erftreefe fid) die Verordnung auf alle bei dem eigentlichen Mahl* 
progeß beteiligten V^fonen; ißre Dragweitc fei alfo crßcblidi 
unterfd)äßt worden. — ©ir oermögeu gegenüber diefer offigiöfen 
ej'tenfioeu EluSleguug einer Strafoorfdjrift nufere Vedenfeu mär 
guriiefguhalten, ©enn fid) die Verordnung itad) der Elbficßt bc-> 
©efeßgeberS auf alle bei bem eigentlichen Maßlprogcß betbeiligtn; 
Verfoncn erftrerfen füllte, bann ßat er fid) jedenfalls einer 3ortmo 
lirung bedient, die der Mißdeutung fähig ift, und eine Elcudcriing, 
die den mirflicßen ©illen des GiefeßgeberS ungweifelßaft ginn Eins» 
bruef bringt, wäre am ’ißlaße. 

Die ^abrifinfpeftorimteu in ©eimar fotten fid) nid)t bewährt 
ßaben. Slmtlicß wird_ dort erflärt, daß „die oerfueßsweife 
gießung weiblicßer Eljfiftentcn gu ben ©efd)äfteu des ‘JabrifinfpcftotS 
im erften und gweiten Verwaltungsbegirf (©eimar und Elpolba) 
fid) nießt bewäßrt ßat, und baß ein Vebürfitiß gn deren 3orO 
befteßen nid)t oorßanben gu fein fdjeint". Vegrüubet wird biefe 
Grflärung damit, baß bie ©ewerbeanffießtsbeamtinnen gu wenig 
oon der weimarifeßen Elrbeiterfißaft in Elnfprucß genommen morden 
feien. Die ©eroerbeauffießtsbeamten für Vatjcrn, Hoffen und 
©ürttemberg fpreeßen fieß bcfanntlicß, gum Dßeil feßr lebßait 
für bk Vcißiilfc oon grauen in ber gabrifinfpeftion aus. gn 
j ©eimar mögen oieHeicßt perfönlicße und lofale llmftände mit* 
fpreeßen. 3cbenfalls befißt biefe Giugelerfaßrung feine allgemeine 
| VemciSfraft. Steßt man boeß neuerdings aud; in Preußen und 
| Sad)feu an amtlicßer Stelle ber Ginfiißrung weiblicßer Hüf^beamte 
I oiel freundlid;cr gegenüber! 

| Sßoltgeiocrorbnung für Unterclfaß über Väifereien. Den Vc* 

ßörbeu oerfeßiebener Städte, wie Hamburg (oergl. „Sogiale ^rariS" 

I VII. 3aßrg. Sp. 308 ) und Dresden (a. a. 0. Sp. 409), die "auf 
; ©rund des §. 120e Elbf. 2 der ©ewerbcorbnuug eingehende Vor* 

| fd;rifteu über die Ginricßtung und ben Vetricb oon Väcfereicn und 
| Monditoreieu erlaffen ßaben, ift munneßr aueß der Vcgirfs* 

I präfibent für Unterelfaß gefolgt. Die Verordnung, über deren 
| Vorbereitung wir fd)on in EJr. 4 d. VI. Sp. 96 bcrid;tet haben, 
j ftimmt in allen wefentlid;eii Vunftcii mit der Hamburger überein. 

| Elitßer den dort angeführten Veitimmungen ift nur uoeß folgenbe 
I Vorfcßrift über bk Scßlafräume beachtenswert: „Soweit die Elr* 

1 beiter uießt eigene ©oßn* und Sdjlafräume. befijjen, muß für jeden 
I berfelbcn ein befonberes Vctt oorßanben fein; inSbefouderc dürfen 
! aud) Da, wo mehrere Elrbeitsfd)id)teii ftattfinden, nicht etwa dicfelben 
; Vetten abwedjfelnd oon ben Sag* und Ecaeßtarbeiteru benupt 
; werden." Möge biefes energifißc Vorgehen in gaßlreicßen Vegirfen 
' 9^acßaßmuug finden im gutereffe ber Elrbeiter wie der Monfumeuten! 

Elrbeitcrfcßub in der cnglifdicn 3ündßoIgfabrifation. Die 

’NVomen’s Trade Union Lea^ue hat ein Memorandum über die 
Verwendung oon gelbem Phosphor bei der Gigcugung oon 3ünb* 
I;ölgd)eu oeröffentlidit, in dem folgende Maßregeln gum Sd;up 
gegen Die Vhosphoniefrofe oorgefdilagcn werben: 1. Verbot der 
i Vefißäftiguug jngenMidicr Elrbeiter unter 18 Saßreit bei dem Elr* 
beitsprogeß mit gelbem Vhosplior; 2. ärgtlidje gufpeftiou; 3. ge= 
i eignete Ventilation ber Elrbeitsräuuic; 4. befouderc ©afißeinridi* 

, tuugen; 5. Giuridituug befonberer Speiferäume und ©arberoben; 




1085 


©ojialc ^rajüs. Eentralblatt für ©ozialpolitif. Rr. 40. 


1086 


6 . Vcfdjränfuttg beS ^rozentfaßeS uon gelbem $f)o3pl)or in ber 
uertuenbeten Vtifdjung; 7. f&idjtroeife Vefdjäftiguug; 8, Aufteilung 
einer gabrifinfpeftortn für bie 3ünbf)olzfabrifen; 9. Ausbeutung 
bcS ilnfaducrficherungSgefeßeS auf bie 'ißfjoepliorncfrofe. 


^rbeitcroerpidjerntio. Spachaffen. 


Einheitliche Organisation ber brei ArbeiterPcrfidjerungSzttieige. 

Offiziös roirb roieber einmal behauptet, „baß bie Streife, welche Die 
3cit für eine einheitliche Organisation ber Arbeiteruerficherung ge® 
fumtnen glauben, fid) im Srrtljum befinben. Die Erörterungen, 
iüeldje uor einiger Qtit in bem juftänbigen Reid)Sreffort unter 3 Us 
Ziehung non in ber VerficherungSuerroaltiing fteljcnben Vraftifcrn 
ftattgefunben, Ratten ergeben, baß bie grage jur Entfcßeibung nicht 
reif fei, unb Aenberungeit in biefer Schiebung biirftcn faum ein* 

g etreten fein. Auch läßt baS in Aussicht genommene Vorgehen 
ei ber Reuifion ber VerficherungSgefeße einen Schluß in ber an« | 
gegebenen Richtung faum ju. s Äau miH junädjft bie Unfall« 
üerfid)erungS«Eefeßgebung reoibiren unb lief) bann uon feuern an 
eine Reuifion ber Kranfenuerfidjcritng machen. Seber Verfid)erungS« 
Ztueig mirb bemgetnäß einer befonberen Veßanblung unterzogen 
roerben. VSürbe man eine lTmaeftaltung ber Organisation beS 
gefammten Verfid)erungSroefenS bejrcecfen, fo mürbe auch rooljl 
eine gleichzeitige Reuifion ber einzelnen Eefeßc ftattfinben." Daß 
Zur 3dt oon ©eite ber Regierung eine einheitlidje 3 u fammen« 
faffung ber Kranfen«, Unfall« unb JnualibitätSucrficherung nicht 
geplant ift, roirb Riemanb beftreiten. Daß bie 3 u f un ff iroßbetn 
eine foldje Organisation bringen muß, ift unfere fefte lleberzeugung, 
unb roir hoffen, baß ber $Reid)^tag bei ber Reuifion ber einzelnen 
VcrfichcrungSgefcße jebe Riaßnahme förbern roirb, bie fpäter zu 
biefem 3iele fuhren fann. Die örtlichen Rentenjteden im neuen 
Jnualibengefeß finb folche 3eden bes fünftigen einheitlichen Ver« 
fidjerungSorganiSmuS. 

$eruf$genoffenfdjaftStag in Konftanz. Am 28. Suni oereinigteu 
l'ich bie bem Verbanbe ber beutfehen VcrufSgcnoffenfchaften an« 
gehörenben Delcgirten ber VerufSgenoffenfchaften in Stonftanz z u 
ihrer 13. orbentlicheu Versammlung, ber auch Vertreter ber Regie¬ 
rungen bes Reiches unb ber Einzelftaaten beiroohnten. Dem Ver« 
banbe gehören jeßt nach Eintritt ber guhrroerfS«VerufSgenosfcn« 
47 VerufSaenostcnfd)aften an. Rad) bem Verid)tc bes Ehren« 
mitgliebes oeS VerbanbeS, ReichStagSabgcorbnetcn Röficfe, Stedten 
fich bem Vefchluffe beS uorjäf)rigen VerbanbStagcS, auf ber ^ßarifer 
VöeltauSftedung gemeinsam mit bem Reichs« VerficherungSamt burd) 
eine befonbere AuSftcdung bie Erfolge ber beutfehen Arbeiter« 
oerfid)crung z u ueranfthaulidjcn (ogl. ,,©oz. $ra£is" VII. 3al)rg. 
©p. 708), folche ©djroieri gleiten oon ©eiten ber AuSftcdungS« 
fommiffion entgegen, baß ber Vorftanb oon feinem Vlane znriief« j 
gefommeu ift unb bem VerbanbStage oorfd)lägt, an ©tede ber 
VluSftedung ein 23erf zu fd)affett, bas beu EntiuicfelungSgang beS 
beutfehen Verufeigeuosfcnfchaft^roefenö anfd)aulid) barlegeu unb bem 
Reichs« VerficherungSamt übergeben roerbeit fod, bas bie ©chrift 
auf ber uon ihm felbftänbig gefd)affenen Ausftedung auslegen 
roirb. Der Referent bebauerte eS lebhaft, bafe auch an aderhöchster 
©tede bie Vebeutung beS VerufSgenoffenfdjaftSrocfenS nod) unter« 
fd)äßt roerbe, unb baß biefe Anstauung uiellcidjt mit bazu bei« 
getragen hohe, baß ber Verbanb mit feiner urs’prünglidjett Jbee 
nid)t burchgebruugen fei. Als ein Ausfluß biefer ablehuenbett 
Haltung inüffe aud) bie Richterrid)tung bcS uon fast bem gefammten 
Reicfj^tage befürworteten Rtufeums für ilnfaducrhütung angefeßen j 
werben. ES biirfe roohl erwartet roerben, baß bie Anfichten ber I 
obersten Verwaltung in biefer Veziehung fid) halb änbern unb I 
Hären, bamit bie VerufSgenoffenfchaften auf ihrem uorgezeichnetcn 
2Sege roeiterfchrciten fönnen. — Ueber bie Nahrung ber bcruf§« 
genoffenfcf)aftlid;en ©elbs'toerroaltuug beu 2luforberungen ftaatlidjer 
^ßerroaltungöbehörben gegenüber, bie ©teduug unb bie 2lufgaben 
ber Veauftragten unb bie Örage ber orbnung^mcifcigen Einfenbung ] 


ber Unfadanzeigen an bie OrtSpolizeibehörben unb an bie Organe 
ber VerufSgenoffenfchaften Sprach Süreftor SScnzel«Verlin/ber 
feine Ausführungen in folgenber, uon ber Verfammlung an« 
genommenen Refolution zufamntenfaBte: 

1. in bem §. 139 b ber öeroerbeorbnung eine Veftimntung aufzu s 
nel)meu, nad) welcher burtb Anorbmmg ber ^mtbeSregierungcn 
bic Aufsicht über bie Ausführung ber Unfafluerhütnng in beu 
berufsgcno[sensd}a[tlid)eu betrieben auf Antrag beS (yJenoffen« 
S'd)aftSoor)‘tanbes beu Veauftragten ber zuftänbigen VerufSgenoffen« 
fchaft auSfchlieblich übertragen roerben fann; 

2. beit §. 120e ber Ctferoerbcorbnung bahin zu erweitern, bafj ben 
VerufSgenoffenfchaften entroeber eine cntfdieibeubc SWitroirfnng bei 
beut Erlaf 5 oon UnfadoerbütungSoorfchriften feitens ber ftaat« 
lidicn Organe gewährt roirb, ober bafj bie Vetriebc berjenigen 
VerufSgenoffeufchaitcn, bic ben Erlaß eigener zwccfentfprcdjenber 
llufaUucrhütungsüorfdiriften unb eine roirffame Äontrole über 
bereit Durchführung nachzuroeifen oermögeu, auf Vefcblufj ber 
2aitbcsregieruug oott ber ^Befolgung ber ftaatlidjerfcits erlaffeneu 
Vorfchriften befreit roerben. 

ferner empfahl ber Verbanb bert VerufSgenoffenfchaftö« unb 
©eftionSuorftänben im Sutereffe eine» gebeil^lidjen 3ufammen« 
roirfcnS ber genoffenfd;aftlichen Organe mit ben ftaatlichen Ver« 
roaltnngSbehörben, bem Erfuchen ber lehteren um VHtthcilungeu, 
bie sie zut* D'urdsführung beS UnfaducrficherungSgefeheS für 
roünfchenSroerth era^ten, Jolge zu leiften. dagegen glaubt er 
ade Sorberungen biefer Vehörben, bie baranf gerietet finb, bie 
VerufSgenoffeitfchaften zu einer fortlaitfenben regelmäßigen Verist« 
erftattung für bie bienftlichen 3*oecfe ber ©taatsbel)örben h^uu« 
Zuziehen, als einen burd) baS ©efeö nicht begrünbeten Eingriff in 
bie gcnoffenfchaftliche ©clbftuerroaltung ablehnen z u müffen. — 
Droß energifd)en s BibcrfpruchS beS Abgeorbneten Vöficfe, ber bic 
roeitgehenbs'te Heranziehung ber Arbeiter zu ber Ventenfeftfebung 
befürwortete, unb trobbent aud) mehrere anbere Delegirte ihit 
unterftübten, würbe auf Antrag beS Referenten, gabrifbefiber 
Dr. Fachmann«Verlin, zum SnualibenuerficherungSgcfeb folgenbe 
Refolution angenommen: 

Da nad) ben Erflärungeu ber Regierung unb ben Verfjanblungen 
in ber Reid)ötagö=Ä'ouimiffton uid)t auSgefdjloffen ift, bafe bic für bas 
gnualibenuerficherungsgefeb uorgcfchencn Rentenfteden fünftig auch für 
bte Uitfaduerficherung zur Anroenbung fommen foflett, erflärt ber VerufS« 
genoffenfd)aftStag: „Die in beut Entwurf eines Suualibcnuerfidjerungs« 
gefebes nad) ben Vefchlüffen bes Reichstags in britter Verathuug uor« 
gesehenen Rentenfteden eignen fid), soweit fte als bcgutachtenbe Vehörben 
in Vetradjt fonirnctt, nicht zur Einführung in bie linfadoerfidjcrung, ba 
fte bas Verfahren oerlangfamen unb oertheueru. gnforoeit ihnen aber 
bie Vcfchlufjfaffung int Eutfchäbigungeoerfahren überroiefen roerben fod, 
finb )le für bic Unfadoerfidicrung uubraudibar. ©ie bieten roeber eine 
Ecroähr für eine genauere Prüfung ber llnfäde, noch für eine richtigere 
geftftedung ber Entfd)äbigmtgeu, als bic Organe, bcneit ttad) bem be« 
[tehenben Oiefcb biefe Aufgaben obliegen. Aud) gefährbeu bic Renten« 
fteden bic Einheitlidjfeit ber Erttnbfähc bei ben Entfdieibungeu ber 
erften gnftanz innerhalb ein unb berfclben Verufsgenoffcnfchaft.'' 

Die grogc ber Altcrsbcrforgung itt Cefterreid). 3n beu Ve« 

richten ber öfterreichifd)ett EJeroerbeinfpcftoren pro 1898 fehrt 
roicberbolt bie Silage über bic noch immer mangelnbe Alters« 
uerforgung ber Arbeiter roieber unb cS l)ut ben Anschein, als ob 
felbft in beit lluternchmerfreisett bie Anficht uon ber Rothroenbigfeit 
ber Arbeiter«AlterSueriid)erung bereits zum D)urd)brud) fällte, ©o 
berichtet ber (Grazer E)eroerbe«3nfpeftor: 

Einftchtsoode Unternehmer erflärteu roieberholt, fte würben bie 
Einführung ber obligatorischen Altcrsuerforgung mit greubert begrünen, 
felbft wenn ihnen hierburd) roieber neue Opfer auferlegt würben, gtt 
ber Regel forgen übrigens foldje Arbeitgeber fept fdjon für ihre Arbeiter, 
in ber Erfenntniß, baß es eilten alten, itt Ehren unb in fleißiger Arbeit 
ergrauten Arbeiter tief ucrleßen unb fränfen muß, roeittt er in feinen 
alten Dageu feiner .freimathg^meinbe zur Saft faden fod. Rieht nur, 
baß einzelne SBerfsinhaber fortlaufenbe Pensionen aus eigenen Mitteln 
bezahlen ober Unterftühungsoereinc mit ^ufdfiiffen aus ihren Mitteln 
gegrüttbet haben, fonbern es roirb uielfad) alten Arbeitern ber uode 
Sohn felbft bann nod) gezahlt, roeittt bic Arbeitsfähigfeit fdjau ftarf 
Zurüdgegangett ift. 


gleichzeitig hiermit auSgegebene Rr. 10 ber R?onatSfd)rift Rfittheilungen aus ben Entweihungen ber Ekroerbegeridjte Stuttgart, 
„DnS ©ctocrbegcrid)t" enthält: Vranbenburg a. ßubroigShafen am Rhein, Dortmunb/granfcnthal 

. ®te 3uläfsigfeit ber Verufung gegen llrtheile ber (bewerbe« unb beS Sanbgerid)ts Duisburg.—"Allgemeines über (bewerbe« 

gertd)te. 33on ©tabtratl) Enno, Königsberg i. Vr. — Der Elefeß« geriete unb ArbeitSuertrag. AuS ben Jahresberichten ber 

entrourf zum ©chuß beS geruerblid)cn ArbeitSoerhältniffeS. Von j Ekiuerbegerid)te. — VerbanbS « Angelegenheiten. Veitritts« 

^tabtratl) Dr. K. glefd), granffurt a. V?. — Red)tfpred)ung. erflärung. — JnhaltSangabe ber „Sozialen VrariS". 


ScrantroortIt(5 für btc SRebafttott: Dr. Cm ft ftmnde t n Sctlitt W., Saqreut^erftrafee 2». 




1087 Soziale VragiS. (Sentralblait für ©o^ialpolttif. Kr. 4o. l<xs 

2)ic „$*ftal# pvari»" erfcbeint an jebem ©onnerölag unb tft burd* alle Jöuc^ljanölungen unb ipojtauuei- iVmtjeitunftanuntiiKt 7072) *u beließen, ©er $reis 
für bat Vierteljahr tft 9K. 2,50. ^ebe Kummer foftet 30 Vf. ©er «rtjeiaenprei« tft 60 Vf- frtr bie breigefpaltene ^etit^etle. 

fw trften gattjajir 1899 frei jtottrfter & gjumblot in {eiptig j 

erfdjiettett: I 


$if, ber 3äoIfejäf)limg uom 2. Sejent&er 1H«5 
unb ber Vcruft* unb Okroerbejablung uom 14. guni 1895 in | 
ber ©labt Seipjig. Veavbcitet im ftatifüfc^cn 9lmt ber ©tabt 
^etpjig. II. ©heil. ©onberabbrud aut ben ftribtifc^en Vcr* I 
roaltuugtbfricbten für bie ^>af)re 1896 unb 1897. 5er. 8° | 
(VII, 73 ©.) 1 SK. | 

Felix, Ludwig, Entwicklungsgeschichte des Eigenthums 
unter eulturgeschichtlichem und wirtschaftlichem Gesichts- i 
punkte. IV. Theil, zweite Hälfte, I. Abtheilung. 

a. u. d. T.: Der Einfluss von Staat irod Recht auf die 
Entwicklung des Eigenthums. Zweite Hälfte, erste Ab- | 
theilung: Das Mittelalter, gr. 8° (XII, 776 S.) 15 M. 

Forschungen, Staats- und socialwissenschaftliche, heraus¬ 
gegeben von Gustav Schmoller: 

Band XVI, Heft 5: 

Die mittlere Lebensdauer in Stadt und Land. Von 
C. Ballod. gr. 8° (IV, 141 u. III S.) 3 M. 60 Pf. 

Band XVII, Heft 1: 

Die finanziellen Beziehungen der florentiniseben Bankiers 
zur Kirche von 1285 bis 1304. Von Georg Schneider, 
gr. 8“ (X, 78 S.) 2 M. 

%teunh, 9luf)arb, ©er Krbeiltuacbroeit. (5ine fojialpolitiftfic 
©tubte. (Jrmntcrtrr ©onbrrabbruef aut ber „©ojiafcn 
8° (23 ©.) 40 Vf. 

©tttltbti^ bet £|terreiif)ii<fjen Kccbt*/ berautgegeben non , 
SL ginger, €. granfl, X. Ullmann: 

III. «anb, V. Abteilung: 

(tirunbrifj bet ©erocrberedjlt unb ber 2lrbciterocrficbe= . 
rung. Von Victor SKataja. 5er. 8° (VI, 137 ©.) 

3 3K. 60 <#]., gebb. 4 3K. 20 Vf- j 
für öefeftgebung, Verwaltung unb Volftroirtfdjaft 
im ©eutfeben Keidh. .fterautgegeben non 01 u ft an ©d)m oller, 
gr. 8°. Kcue golge. XXIII. gafjrgaug. 

ISrftct -S?cft. (IV, 395 ©.) 9 SK. 20 Vf- 

(gnbalttangabe ogl. in Kr. 16 unb 17 biefet Vlattc*.) 

Sroctte* £>cft. (IV, 364 ©.) 8 SK. 

tgnbalteangabe ogl. in Kr. 28 unb 29 bicic* Vlattc*.) 


stict), m., Vei totpp. Ginc foctalpolütfc^c Keifeffi^e unter 
befonberer Verücfficbtigung ber 2lrbeiter*S!3obnungtfürforge. 
gr. 8° (X, 165 @. mit ©ft^en im ©e£t unb 3 grapbifdien 
©afeln in golio.) 8 SK. 60 Vf- 

91. ©at Verhältnis bet Verbrauchet ber Staffen 
$u bemjenigen ber „kleinen Seittc", ber 2£of)lbabenben unb 
Ketten unb bie SKarsiftifdje ©oftrin. ©onberabbrtuf aut 
©djmoüert gahrbueb für Gefepgebung. gr. 8° (48 S.) 1 SK. 

@d)riftett bet beutfeben Vereins für Armenpflege unb 2Bobl s 
tptigfeit: j 

40. $eft gr. 8° (IV, 145 n. XVI ©.) 3 m. 60 Vf- f 

©tenograpbifeber Veridft über bie achtzehnte gafiret* 
oerfamntlung bet b. V. f. A. u. SB. am 29. u. 30. ©cp* 
tember 1898 in Kürnberg. 

(gnfjalttangabc ogl. in Kr. 19 biefet Vlattes.) 

bet Vereint für ©ogiatyolitif: 

Vattb 80: gr. 8° (XV, 461 ©.) 10 SK. 20 Vf. 

a. u. b. ©.: Unterfuebungen über bie 5age be* $aufier* 
geroerbe«? in ©eutfrfilanb. Vierter Vaub. 

V<mb 82: gr. 8° (LXXI, 339 ©.) 9 SK. 60 Vf. 

a. u. b. ©. : Unterfucbungcn über bie 5age bet pctufier* \ 
geroerbet in Cfterreid). 

(Vanb 79 unb 81 ber ©du*, b. V. f. ©. roerben fpäter 
erfebetnen.] 

Siinoil, Carl, Der Export landwirtschaftlicher und land- | 
wirtschaftlich-industrieller Artikel aus den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika und die deutsche Landwirtschaft. Studie, 
gr. 8° (XII, 132 S.) 2 M. 80 Pf. 

bet Kalbet ber ©labt 5eipjig für bat I 
©sabr 1897. gr. 5er. 8° (IV, 824 ©.) I 

geb. in 5cincroanb 10 SK. 

"Ukncfftcrn, Slbolyt) Von, isin }?roccttt. X\c gdtiaffung | 
unb (IrbaÜuitg einer beutfeben ©djladjlflottc. gr. 8° (IV, | 
65 ©.) l SK. 40 Vf- 


Verlag von Otto Wigand in Leipzig, 

Das Ende 

des 

Marxismus. 

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SBerltn, ben 13. 3uli 1899. 


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CHrf#ctaf «m ftbm SommerUM. Herausgeber I frei« niertdiürliil 54 SR. 50 ff. 

Rebaftton: Berltn W., Bapreutherftrahe 29. Dr« Ctttfl ^tdtuktt ©erlag Pott 3)mj<fer & $um6lot, ßeipgtg. 


Strbeitetfdjufcflaufeln bet ben 
öffentlichen Arbeiten in ff ranf« 
tei<$. ©ott g. ottboefer, 

©arii.1089 

©ie gefefclit&e Regelung bet 
StrbeitSberbältntffe bet Keil* 
net unb Kellnerinnen, ßon 
Dr. Hrtbut ©oben, 3ttün$en. II. 

1094 

MtaRcteetofttel’ unb 

»KUH.1096 

$teufjif$e£ #errenljauS unb 
Reich« - ©efefcenttturf „aum 
©djutje be$ <jet»etblidjen 9tr* 
beitSöerbaltniffefi". 
ffrauenatbeit in ffabrifen. 
Rmmntaale •otUlpoltttf'. . . . 1099 
©et ©täbtetag bet ©ro&ina Saufen. 
Kommunale ©oaialpoliti! in Rorb- 
ametifa. 

«ciettee»ct»c«uut.1100 

Ro<$mal8 bie ©etgatbeüet*nntuben im 
SRubtreDtet. 

3 m ffierliner ©augetoetbe. 

Urteile übet ben ©rünnet Sejtit* 
arbeiietftteif. 

«ufttttevf**.1102 

Staatliche Qirbeitetfchubbebingungen 
bei ©taatäbauten in ©teuren. 

©ie ©<b»efeIfoblenftofi*©etgiftung bet 
@ummi»8trbeiter. 


Vtbeüevbetfici enmg- ©für (affen 1103 

©ie beutfefce ©ee«©eruf«genoffenf(baft 
1898. 

©ie »ürttembergifebe ^nbalibitötS* 
unb 8Uter8»©erfidjeTung8anftatt unb 
bie Kranfenffiiforge. 

0Y*4*#««*toci*.1104 

©in Beugm^ für ben unparteiischen 
5ltbeit8na<hn)ei8. 

©ie ©entralanftalt füt Arbeit«* 
nadjmet« in Siegni^. ©on Dr. 
©. SBiebenfelb, Siegni^. 

©ie Sbfttiflfcit bet Rtbeitabörfe in 
in ©ent 1898. 

fBublfubttfeburUttauifu.... 1107 
©et Kölner ©etein weiblicher ön* 
gefteüter. 

9ttiScetlen au* ^eilftöttenbewegung. 

COobnuugttnefeu.1107 

©ietter ©erbanbstag bet ©augenoffen* 
fcfcaften ©eutfcblanb«. 

Eingabe bet Eoangelifdjen Arbeitet* 
beteine a*» SBobnungflftage. 
2 Boljnung«fürforge in Stolp i. ©om. 

©e|ic|uttfl uub ©Ubnug.1109 

SoUöborlefungen. 

©et freimillige ©raiehungflbeitath füt 
fchulentlaffene Söaifen in ©etlin. 




1110 


Äbbtutf f&mmtlicbet ttttifel ift Bettungen unb ßeitfdjriften geftattet ( jeboefc nur 
mit boüet CueEenangabe. 




^tbettetfihtt|blitttrtltt bet ben öffieutlidjen Ätbeilen 
tn ^ntnbteid). 


&ie grage ber Einführung oon Schufcf lauf ein in bie 93er* 
aebungSfontrafte über öffentliche Arbeiten fteht in ßr^anfreid) oor 
ber gefefelid)cn Siegelung. $ie Deputirtenfammer ift bereits in bie 
Beratung eines entfprecfyenben ©efefcentmurfeS eingetreten, ber 
auf oerfchiebene Qnitiatioanträge aus ber Kammer inn oon ber 
Arbeitsfommiffion oorgelegt würbe. Praftifdje Bebeutung hotte 
oas Problem in granfreid) fdjon feit 3af)ren erlangt. ®ie Stabt 
poris, beren überwiegenb rabifal-fogialtftifcher ©emeinberath ftets 
eine energifche Arbeiterpolitif oertritt, oerfudfjte mehrfach, bei 23er* 

Ö ihrer umfangreichen Aufträge ben Unternehmern gemiffe 
chtungen gegen ihre Arbeiter aufguerlegen. 3» Ben adliger 
3ohren fam eS hierüber gu langwierigen RedjtSitreitigfeiten gwifd)en 
Ber (Stabt Paris unb ber BerwaltungSbehörbe, welche bis oor bie 
lebten Sultanen ber BermaltungSgerichtSbarfeit gebradjt mürben. 


3n golge biefer 23orgänge mar auch BaS Parlament fd)on in 
früheren SegiSlaturen burch oerfchiebene Anträge unb Petitionen 
für bie grage intereffirt morben. 5)ie Anregungen, welche mährenb 
ber lebten 3ah^e oon anberen in biefer Dichtung oorangefebrittenen 
ßänbern famen, fanben fo bereits eine einhetmifche tit fich reife 
unb bireft ber Praxis entworfene Bewegung oor, bie fte nur 
mehr auf jenes SRioeau genereller unb pringipteller Erörterung gu 
führen hotten, baS bie Schnelle gur IegiSlatioen giyirung bilbet. 

^)ie Reflexionen unb Argumentationen, welche heute in granf* 
reich gur gefeblichen ßöfung Des ProblemeS brängen, entfliehen brei 
getrennten ©ebanfenreihen: 

3n erfter ßinie fteht bie Reform beS herrfd)enben 93er* 
gebungSfpftem^, welihe aus rein prioatwidhfchoftlichen ©rünben, 
alfo ohne bireft fogialpolüifdje SRotioe, nöthig erfcheint, mit welcher 
allerbingS arbeitergünfüge Söirfungen oerbunben fmb. 2Bir fönnen 
hier nur [ehr flüchtig barauf eingepen. SDie marches administratifs 
werben wie überall bem minbeftnehmenben bcr oertrauenSmürbigen 
93ewerber gugeftanben, bie bei freier Äonfurreng ihre Anerbieten 
in Sorm oon Rabatten auf bie amtlichen ^oftcnanfchläge einbringen. 
3n perioben mirthfchaftlidjer ^rifen hot man nun gerabegu un* 
glaubliche Offerten erhalten unb bemgemäfc 93erträge abgefchloffen. 
3mifchen 1885 unb 1890 waren Rabattgewährungen ber Unter¬ 
nehmer oon 50—60o/ 0 nicht feiten. 2)ie Uebernahme eines Auf¬ 
trages gu folgen Sebingungen hot natürlich ungenügenbe ßeiftungen 

S c Solge: 2)er Unternehmer oerwenbet fchlechteS Rlaterial unb 
lec|t gelohnte Arbeiter, audh menn ihm baS 23ebingungSheft all¬ 
gemeine gegentheilige 23orf<hriften hierüber giebt. 3ebenfaus werben 
Sie ©araittien für ejafte unb gute fiieferungen unter biefen Um* 
ftänben fehr gering, unb auger ber fchärferen ^ontrole ber Aus¬ 
führungsarbeiten ermad)fen bem Auftraggeber leicht Progeffe unb 
weitere Unannehmlichfeiten, fo bah Bie Rufe nach Reformen nicht 
oerftummen. ds ift aüerbingS ferner, baS UnterbietungSfpftem 
burch ein befferes gu erfefeen, unb eS wirb wohl als fleinfteS ber 
möglichen Uebel beibehalten werben tnüffeit. Sbarum erfd^eint eS 
aber auch um fo nothwenbiger, ben mitfprechenben fogialpolitifcheu 
Erwägungen Raunt gu geben. $)er ©eneralrath ber Strahen- unb 
93rücfenbaubehörbe erflärt gwar ben Einfluh ber Rabatte auf bie 
Söhne für RuH. Als 23emeiS hierfür führt er an, bah Bei einer 
unb berfelben in Soofen oergebenen ^analftrecfe bie Rabatte für 
bie oerfd)iebenen Soofe gwtfchen 10 unb 40% oariirten, währenb 
ungeachtet beffen bie Söhne auf ber gangen Stredfe bie gleichen 
waren, bie Sohuhöhe bürfte in biefetn SfaEe allerbingS ber 
40%ige Rabatt in gröberem Riahe beftimmenb gemirft hoben als 
ber lOo/ 0 ige. UebrigenS wäre bie Einführung oon irgenb welchen 
Sohnflaufefn in baS 93ebingnihheft feineSmegS bie erfte Aenberung 
beffelben, welche in arbeiterfreunblichem Sinne oorgetiommen wirb. 
Bereits im 3oh*e 1888 gewährte man ben als 93cmerber auf* 
tretenben Arbeiterprobuftiogenoffenfchaften gewiffe Erleidhterungen 
in Begug auf bie gu ftelleitben ©arantien für oertragSmähige Aus¬ 
führung ber übernommenen Seiftungen. 

Eine gweite Reihe oon Erwägungen, welche, ohne eigentlid) 
fogialpolitifd)er Ratur gu fein, ber 93ermirfli<hung bes Arbeiter* 
fdjupeS in ben öffentlichen Unternehmungen ben B3eg bahnten, ent* 














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Sogiale BrajiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. Ar. 41. 


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{prangen ebenfalls unmittelbar ber ^rajis. Es finb bic ö f o n o m i f cß * 
rechtlichen Erwägungen im Qntereffe ber öffentlich)en 
Auftraggeber felbft. Da bie $oftenanfcßläge über bie gu oer« 
gebenbeu Arbeiten auf ortsüblichen ober objertio berechneten Ein* 
ßeitSpreifen beruhen, ba ben Bebingnißbefteit eine Lifte biefer greife 
beigeheftet wirb, atterbingS ohne oerpftichtenbe $raft für ben Unter* 
neßtner, ßot öffentliche Auftraggeber ein natürliches Sntereffe 
baran, bie Aufträge unter effeftioer Anwenbung biefer Säße aus* 
geführt 31 t fehen. Ein beträchtlicher £f)eil beS UnternehmergewinneS 
fließt jeboeß in ber Siegel auS ber Differeng gwiftßen ben offiziellen 
Annahmen unb ben wirflicßen äßarftpreifen. Sie ber Streif im 
^arifer Baugewerbe oom Dftobcr Ießten SaßreS ans Ließt brachte, 
beträgt bei ben Löhnen biefer Unterfcßieö in ber Siegel gwifdien 
15 unb 20%. So entftanb fd>on in ber erften .Jjälfte biefeS 3aßr* 
hunberts, gunäcßft aus rein abminiftratioen 3*oecfen, bas Beflreben, 
bie amtlichen ftoftenbereeßnungen, auf benen bie Berträge beruhen, 
möglichft mit ber BMrflidjfeit übereinftimmenb unb für alle offene 
liehen Unternehmungen uniform gu machen. Balb gelangte man 
bagu, biefe amtlichen ißreiSliften bruefen gu laffen unb fie gu oer* 
öffentlichen, fo baß fie auch ber Bnoatinbuftrie gugänglicf) mürben 
unb rafcß eine Storni für baS gefaminte Baugewerbe bilbeten. 
SDiefe gange Entwicflung marfirte fid) am fcßärfften in Boris, wo 
bie prix de serie regelmäßig ben BreiSoeränberungen enifpreeßenb 
reoibirt würben. Unb gerabe in ber grage ber Steoifion geigte 
fich bie praftifeße Tragweite ber Einrichtung. Die Da^en würben 
nicht als ortsübliche feftgeftellt, fonbern methobifch auf ©runblage 
ber ©efteßungSfoften berechnet, was namentlich für bie gijirung 
ber Loßnfäße oon Sichtigfeit würbe. 3m 3aßre 1872 fal) fich 
baher ber $arifer ©emeiuberatß oeranlaßt, biefe bisher auSfdjüeß* 
lieh oon Beamten oorgenommenen Sleoifionen in bie §änbe einer 
Äommiffion gu legen, welche fi<h aus 4 Architeften, 4 Sngenieuren, 
4 Beamten, 4 oon ihren Korporationen ernannten Unternehmern 
unb 4 oom ©ewerbegerießt begeichneten Arbeitern gufammenfeßte. 
Bei ihrem erftmaligen gunftioniren gab fich biß tommiffion lang« 
wierigen Unterfuchungen hin, um in jebem $reiSfaße bie Cuoten 
beS Arbeitslohnes, ber SJtaterialfoften, ber ©eneralfoften unb beS 
Unternehmerprofits genau gu fqriren unb baburch bie fünftiaen 
alle gwei 3öh re ftattfinbenben Sleoifionen gu erleichtern. Die beiben 
folgenben Aeoiftonen fonnten bamach oon ben Beamten allein auS« 
geführt werben. Anläßlich ber SeltauSfteÖung oon 1878 trat 
lebocß eine ftarfe fmuffebewegung ein unb man mußte wieber bie 
Unternehmer unb Arbeiter ßeraitgießen. gür bie Arbeiter erwuchs 
auS ben Berßanblungen bie Berpflichtung, fich mit ben prix de 
serie gufrieben gu geben unb feine Streifs gu prooogireit, um 
höhere Lößne gu ergmingen. Diefe Berpflichtung würbe in ben 
folgenben gwei gaßren mit einer unbebeutenben Ausnahme erfüllt. 
Anfangs 1880 jeboeß, als wieber beträchtliche ArbeitSftreitigfeiten 
ausbrachen, fchritt bie BerwaltungSbeßörbe gegen jebe Dßeilnaßme 
ber Unternehmer unb Arbeiter an ber Darifreoifton ein. Denn 
nicht allein, fo motioirte man biefe SJtaßregel, oerhüte bie forpora* 
tioe Siegelung ber Söhne bie Streifs nicht, fonbern fie habe auch 
bie natürliche Denbeng, bie greife ftets mehr gu erhöhen. Den 
Unternehmern war bie BoÖlifation ber prix de serie nie gang er« 
münfeht gewefen. 3h r bisher latent gebliebener Sunfd) nach Be* 
feitigung berfelben feßte nun aud) lebhaft ein, unb im 3 öhre 1882 
würbe ber Darif ber Stabt Baris gum Ießten SKale reoibirt unb 
oeröffentlicht. Die offizielle Antheilnahme ber Arbeiterfchaft an ber 
geftfeßung ber ArbeitSbebingungen, wenigftenS beS wichtigften 
fünftes, ber Söhne, hatte alfo ein gangeS 3ahrgßhat praftifcß 
fimftionirt. 

Bon bem Bfomente an, als bie prix de serie ber Stabt Baris 
nicht mehr bie SJtarftlage repräfenürten unb baburch ihren SSertß 
oerloren, machten fich biß britte Sleihe oon Erwägungen, bie rein 
fogialpolitifchen ©eficßtSpuitfte, mit größerer straft geltenb. 
Sflitgefprocßeii hatten fie auch bisher ftets. Der Barifer ©cmeiitbc* 
rath ergriff na<ß biefer Slichtung hi« fofort eine lebenbige 3 nitia« 
tioe. gunäcßft oerfueßte er nur, bie in ben leßten prix de serie 
angeführten Loßnfäße als Aiinima obligatorifd) gu machen unb bie 
3ulaffung ber lohnbriicfenben fremben Arbeiter gu Iimitiren. Balb 
gefeilten fid) biefer gorberung bie weiteren nach Stipulirung eines 
wöchentlichen AußetageS, ber achtjtiinbigen Arbeitszeit unb beS 
Berbotes ber Afardjaiibage. 3nbcffen alle biefe Berfucße ber 
SOhmicipalität fdjeiterten am BJiberftanbe ber Staatsregierung, 
welche ihre Befcßlüfie ftets annulierte. Saß bie Untcrnehmerfreife 
biefe Beftrebungen heftig befeßbeten, braucht nicht breiter auSge* 
führt gu werben. 3m 3 aßre 1891 appelhrte ber ©emeiuberatß 
an ben Staatsrath, ber bie Entfdieibung bis 1895 hingog unb bic 
Appellation cnbgiiltig ablehnte mit ber ilcotioirung, baß bie Ein« 


füßrung oon Arbeiterfchußflaufeln in bie öffentlichen BergebungS* 
fontrafte ber gültigen ©efeßgebung wiberfprädje, welche für biefelbe 
oöllig freie ftonfurreng ber Bewerber oorfeßreibe. 

Durcß biefe Streitig feiten beS Barifer ©emeinberatßs mit ber 
Aegierung, bie oon giemlicher Bewegung unter ben Arbeitern be* 
gleitet würben, gewann bie grage ber Scßußflaufeln ftets breiteren 
Boben in ber öffentlichen DiSfuffion unb bamit ftets günftigere 
Beurteilung. Die Bemühungen oon Barifer Deputaten, bureß 
©efeß ben StaatSratßSbcfcßluß aufguhßben, mißlangen gwar, unb 
oerfeßiebene im Barlament eingebrachte Anträge hatten feinerlei 
Erfolg, dagegen oerftanb man fich fßh* fßithf bagu, in eingelnen 
gälten wie in ben ©efeßen über bie Draanifation ber Meltaus« 
ftcüung oon 1900 unb für bie Erbauung oer Barifer Untergrunb« 
bahn gewiffe Schußbeftimmungen in bieBebingnißhßfie aufguneßmen. 
3m 3aßrß 1896 war baS Betern f^on fo reif geworben, baß 
ber oberfte ArbeitSrath fteß bamit gu befcßäftigen hatte. ®aS 
Arbeitsamt ftellte eine Enquete über bie analogen Berhältniffe im 
AuSlanbe an, unb bie ftänöige Eoinmiffion beS ArbeitSratheS legte 
in ber 1897 er Seffton biefer Körperfchafi einen eingehenben Aapport 
oor. $)ie Seffion war auSfcßließlid) ber Beratung biefeS oon 
einem Arbeitermitgliebe erftatteten AapporteS gewibmet unb fdjlofj 
mit einem bureßweg arbeitergünftigen Befcßluffe. ®er Befcßluß 
ging auSbrücflicß baßin, baß bie bie öffentlichen Abjubifationen 
regelnbe ©efeßgebung gu mobifigiren unb ftlaufeln über ortsübliche 
Sößne unb ArbeitSgeüen, einen wöchentlichen Äußßtag unb UnfaH» 
oerfießerung auf Unterneßmerfoften in ben Bebingnißßefteit guläffig 
feien. $>ie Einfeßung biefer ^laufeln foEe felbft obligatorifcß fein 
für alle Sfontrafte beS Staates unb ber Departements, bagegen 
nur fafultatio für bie Kommunen. 

3n Berfolgung biefeS BefcßluffeS beS oberften ArbeitSratheS 
würben bann bie oerfeßiebenen Bfinifterien angewiefen, fteß barüber 
gu äußern, ebenfo ber ©eneralratß ber Straßen- unb Brücfenbau* 
oerwaltung, ber fieß feboeß gegen jebe Btobififation ber heutigen 
©efcßäftsformen ausfpraeß. AicßtSbeftomeniger war nunmehr in 
ben AegierungSfreifen ber Boben oöllig geebnet, um bie auS ber 
parlamentarifcßen Snitiatioe ßeroorgegangenen Anträge rafeßer Se« 
ßanbluitg entgegengufiißren. 5)ie mit ber Borberatßung aller ein* 
gelaufenen Anträge betraute $ommiffion ber 5)eputirtenfammer hat 
tm April ißren Aapport fertig gefteHt unb einen feßr eingeßenben 
©efeßentwurf oorgelegt, beffen erfte Sefung im Bfenum bereits 
begonnen ßat. Erwähnt mag hier werben, baß ein früherer 
ftommiffionSrapport bureß baS Enbe ber oorigen Segislaturperiobe 
wtrlmtgSloS geworben war. 

2)er bem Barlamente jeßt oorliegenbe ©efeßentwurf enthalt 
$iSpofttionen über: 

1 . einen wöchentlichen Außetag, 

2 . bie Limitation ber 3^h^ öer fremben Arbeiter, 

3. bie ©arantie ber normalen Lößne, 

4. bie Begrengung ber ArbeitSgeit. 

Auf eine einheitliche für alle öffentlichen Arbeiten gültige 
Aeglementation ßat man jeboeß oergießtet. ^)ie ^ompetengen mürben 
oerfeßieben fijirt für ben Staat, für bie Departements unb für bie 
Kommunen, unb ebenfo würbe bie obligatorifcße ober fahiltatioe 
Einführung nießt gleichmäßig für bie ©efammtßeit ber obigen 
Stlaufeln auSgefprocßen. 

Die Einßeitlicßfeit ber Aeglementation wirb nur für bie oom 
Staate bireft abgefcßloffenen Berträge ßergeftellt, unb gwar für 
jebe Art oon Aufträgen, feien fte freißänbig ober auf bem BScge 
öffentlicher Submiffion oergeben. Die oerfeßiebenen Dienftgroeige 
ber centralen StaatSoerwaltung finb bemnaeß gehalten, bie fammt» 
ließen oben genannten ScßußHaufeln gu beobachten. 

gür bie Departements unb bie Kommunen tritt bie Obligation 
nur in Begug auf ben Auhetag unb bie fremben Arbeiter^ ein, 
währenb bie Anwenbung ber Loßn« unb ArbeitSgeitflaufeln für ftc 
fafultatio bleibt. 9Aan ßat fteß bei biefer Diftinftion oon bem 
Beifpiele EnglanbS unb Belgiens leiten laffen unb weiter oon ben 
Erwägungen, baß baS Barlament nur bie Befugniß habe, ber 
Eentralbeßörbe materielle Borfcßriften aufguerlegen, ba für bie 
lofalen unb bepartementalen Beßörben baS gleicße Aecßt ben ©e« 
meinbe« unb ©eneralrätßen gufteße. 

Der ©efeßentwurf beßnt alfo ben allgemeinen unb o&liga* 
torifd)en Scßuß nur auf bie Sicherung eines wöchentlichen AufK* 
tages unb bie Abwehr ber fremben Arbeiter aus. 

Die öffentlid)=red)t(icb organifirten Anftalten wie llnioerfitäten, 
S>ofpitnItT :c., werben berfelben Aeglementation unterworfen mic 
bie Beßörbe, ber fie unmittelbar untcrfteHt finb. 

Der Scßwerpunft, um ben bte gange Aeform graoitirt, liegt 
in granfrcich wie überall in ben Loßn« unb ArbeitSgeitflaufcln- 



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«Sogtale SßrajtS. ©entralblatt für Sogtalpoltttl. Ar. 41. 


1094 


3roar fdjeint bie ^ßeriobe ber aBfoluten Ablehnung berfelben oor- 
über gu fein; bod) fchrecft man noch fefjr guriitf oor ben Schwierig» 
feiten, roeldje bie quantitatioe Sformiruug biefer S3ebingungen mit 
fith bringt. ©ie foroohl bie 23erhanblungen beS obersten ArbeitS» 
ratheS als auch ber Kommiffion ber Deputirtenfammer geigten, 
muh bie 3bee, Minima für Söhne unb ßßayima für ArbeitSgeit gu 
fijiren, als oöflig auSfidjtSloS anerfannt Serben. Die meiften 
Anficpten neigen nadj ber 93erpfli<htung auf bie fair wages hin, 
auf ben taux normal et courant des salaires et la duree 
normale et courante de la journee de travail, tüie fiep ber in 
Stebe ftepenbe ©efehentrourf auSbrücft. Die S^ftftettung biefer 
formen foE erfolgen burch bie auftraggebenbe Vepörbe felbft, 
welche jebod) oerpflithtet ift, fooiel als möglich auf bie herein* 
barungen gurücfgu gehen, bie groifepen ben Unternehmers unb Sir* 
beiterforporationen ber ©emeinbe ober beS 23egirfS hefteten, ober, 
roo biefe mangeln, auf bie ©utaepten fpegieüer gemifdjter Korn- 
mifftonen. Die auf biefe ©eifc feftgefteHten Tarife finb ben 93e- 
bingnihpeften angufügen unb auf ben ©erfplähen angufcplagen, 
unb fönnen im Saufe ber Ausführung ber Arbeiten reoibirt 
roerben, faßs in ben betreffenben ©eroerbegroeigen fühlbare Ser* 
fepiebungen ber ArbeüSbebingunaen eintraten. Ünbefcpabet biefer 
allgemein oerpflichtenben Sähe ift bem Unternehmer geftattet, eine 
Angapl oon £>albarbeitcrn gu niebrigeren Söhnen gu Befd^äftigen. 
®oc^ ift bie Proportion berfelben gu ben S3oflarbeitern oertrags- 
mäfeig gu fairen. 

Sür bie Salle, in benen eine oorgängige unb offigielle Seft* 
fetjung ber anguroenbenben formen unmöglich mar, ift ber Unter¬ 
nehmer gegroungen, ftch an ben DrtSgebraucp gu halten. 

©aS bie Simitation ber3apl ber fremben Arbeiter betrifft, fo 
toirb fie für ben Staat oon bem betreffenben SRinifter, für bie De¬ 
partements unb Kommunen oom $räfefien, alfo ftets auf bem 
orbentlichen 23erroaltungSroege, entfprc(henb ben befonberen 23er- 
pältniffen, erlebigt. 

©ine Umgehung aller ber im ©efehentrourf e enthaltenen Schuh- 
oorfchrifteit burch ©eiteroergebung ber übernommenen Aufträge ift 
baburep unmöglich gemacht, bah ade Snbfontrafte oon ber auf» 
traggebenben Sehöroe genehmigt roerben müffen. 

3n Säßen abfoluter Aothroenbigfeit ift bie 23erroaltungS- 
behörbe ermächtigt, bie Klau fein über SBocpenrube unb Segrengung 
ber täglichen ArbeitSgeit au&er Kraft gu fefeen. Sebocp finb bie 
lleberftunben beffer gu begahlen, unb groar gu einem im 23orauS 
oereinbarten Sähe. 

Die Strafbeftimmungen beS ©efehentrourfeS enblich finb bie 
folgenben: 3ebe Serlehung ber Schupf lau fein !ann mit 1 bis 
15 SrcS. be|traft roerben, unb bie Sufce fann angeroenbet roerben für 
jebe eingelne $erfon, bie nicht in Uebereinftimmung mit ben ©efepeS- 
uorfepriften befefjäftigt rourbe. Sär ben Stücffaß erhöht fiep bie 
Sufee auf 16 bis 100 SrcS. ©iner Strafe oon 100 bis 500 SrcS. 
oerfaßen alle 23erfutpe, bie mit ber Kontrole beauftragten Beamten 
in ber Ausübung ihres Amtes gu hinbern. 

Die AuSficpten beS ©ntrourfeS auf ©rlangung gefeplitper 5lraft 
fteflen fleh gur 3 e ü giemlich gürtftig. Da er oon bem aßerbingS 
jeht gurüefgetretenen SRiniftenum Dupup in aßen fünften ange¬ 
nommen roar, fo befiht er faft bie Sebeutung einer AegierungS- 
oorlage, bie in ihren Öauptgebanfen auch jebem anberen 
Stabinet republifaitifcper Kongentration oertreten roerben muh. ®ie 
begonnene erfte Sefung in ber Deputirtenfammer ift noch nicht bis 
gur 23eenbigung ber ©eneralbebatte gebiepen unb giebt faum feftere 
AnpaltSpunfte für baS parlamcntarifche Scpicffal ber Angelegen¬ 
heit. *) ©S famen ©egner unb Anhänger gum ©ort. SRittlerroeile 
entfalten bie Arbeiterfreife eine lebenbige Agitation, um bie 23er- 
hanblungen gu befcpleunigen; fie gehen felbft fo roeit, burch An¬ 
drohung umfangreicher AuSftänbe, fogar beS ©eneralftreifs, einen 


*) 3» einer ber lebten Kammerfipungett erflärte auf bie Anfrage 
bcs Deputaten 23eauregarb ber ^räfibent beS mit ber Veratpung beS 
©ntiuurfS betrauten AuSfcpuffeS, ber SKinifterpräfibent unb ber .^anbels- 
minifter 2Äifleranb hätten im Schone ber ftommiffton auSeinanberfeht, 
mehrere ber in ^rage ftehenben Acformen fönnten im 2Bege oon De- 
treten eingeführt roerben. Der ^rogreffift ©corges ©raur legte hierauf 
im Aantcn feiner ^arteigenoffen 23crroahruug gegen ein SBertahren ein, 
aus bem mau fc^liepen mühte, baö ^abinet SBalbecf-Aouffeau rooßc baS 
Parlament nur bei Seite fdjieben unb eigenmädjtig regieren; bie 
.Hammer muffe ihr ?Jt'ihfaöen über eine fotchc Anmaßung gu erfennen 
geben. Die iWabifaleit unb bie Sogialiften fodjten bentgegenüber für 
bie 33orred)te ber Regierung. Der oom SRinifterpräfibcntcn 2i'albecf- 
Aouffeau befämpftc Antrag, bie Anfrage beS Deputaten Seaurcgarb 
in eine Interpellation umguroanbeln, rourbe mit 838 gegen 186 Stimmen 
abgelehnt. @S ift bies ein bebeutfamer Vorgang für bie güitfügen 
Au»ftchten bes ©ntrourfS. Die 9teb. 


Drucf auf bie legislatioen Äörperfchaften auSüBeti ju rooßen. 
Dhnc einfehneibenbe Aenbentngen bürfte ber ©ntrourf oon ber 
Deputirtenfammer beroißigt roerben. Dagegen befiehl grobe ©e- 
fahr, bab bie ßtefornt oom Senate ftarf rebugirt roirb; in fogial- 
politifchen Dingen nimmt baS Oberhaus bie ihm oerfaffungSmäbig* 
gugebachte fonferoatioe Stoße ftets etroaS gu roorttich- 

$aris. 3- ©chotthoefer. 


Bie gefe|itd)e Hegeluttg iet ^rbeitjsaerijöltöiflle 
ber ÄeUtter trab ftelltteritraett. 


DaS ftärffte Argument für ben Söochenruhetag unb gegen bie 
„SJfinbcftgeit" (eigentlich foßte fiie Schlafgeit ^cifeen) habe ifh mir 
auf gulejjt aufgefpart. Die längfte Arbeitsgeit hoben bie apf Ab¬ 
rechnung (im Subregiefpftem) angefteßten Dberfellner (oergl. ben 
oorigen Artifel). Soßen nun biefe Dberfeßner bei beginn ihrer 
„Sd)lafgeit" unb bei SBieberbeginn ber täglichen Arbeit immer mit 
bem Söirth ober einem Unterfeßner abrechnen? ober roie foß es 
fonft gemacht roerben, roenn ber lebte 3ug um 1 Uhr abgeht, ber 
erfte um 5 Uhr eintrifft, unb foroohl bie abreifenben als bie an* 
fommenben ©äfte etroaS gu gertiefeen roünfchen? ^ei einer Stuhe- 
paufe oon 30 bis 34 Stunben bagegen lohnt ft<h bie groeimalige 
Abrechnung. 

So fehr ich für ben StuhetagSgroang bin, fo muh ich anberer- 
feits baoor roarnen, mit biefer Sorberung, bie nichts weniger ift, 
als roofür fie fuh auSgiebt, noch eine anbere einfdjneibenbe Sor¬ 
berung, etroa, roie bie Sogialbemofraten rooßen, ben SKajimal- 
ar beit Stag gu oerbinben. Denn abaefehen baoon, bah ^ fraglich 
ift, ob nicht überhaupt bie SOtinbeftrupegeit bem SDtajimalarbeitStag 
oorgugiehen ift, befiehl bie ©efahr, baß baS ©ebot beS üföajimal- 
arbeitstageS ober ber ßßinbeftruhegeit bei ber Schroierigfeit ihrer 
Durchführung oon ben Arbeitgebern nur als groedflofe SBeläftigung 
empfunben roirb, unb bah biefer SOtifjerfoIg beS einen DheilS beS 
©efepes baS gange ©efep unb bamit auch & en StuhctagSgroan^ in 
23erruf bringen roirb. Alfo man befdjränfe fiep auf bie eine rabifale 
SKahregel, bamit aße ©nergie auf ihre Durchführung fongentrirt 
roerben fann. $at ftd) ber SBodjenruhctag in ber Uebung einmal 
feftgefept, fo ftept felbftoerfiänblich nichts im ©ege, auf weitere 
gefefcliche ©ahregeln gum Schuhe ber Sfeßner unb steßnerinnen gu 
ftnnen, roenn btefe Arbeiterflaffe nicht ingroifchen eben burch ben 
SfuhetaaSgroang ftarf genug geworben fein roirb, bie Sürforge für 
bie Befferung ihrer Sage felbft in bie §anb gu nehmen. — 

S3on ocrfdjiebenen Seiten roirb ben weiblichen $erfonen 
ein befonberer Schuh gugebacht. ßßan roiß eine SKinbeftruhegeit 
für baS weibliche Ißerfonal, roo man fie für baS männliche nicht 
befürwortet, ober man roiß eine längere SRinbeftruhegeit für bas 
weibliche als für baS männliche ^erfonal; Anbere rooßen feftgefeht 
roiffen, bah weibliche Ißerfonen über 11 Uhr (feltener 12 Uhr) 9fad)tS 
hinaus in ©irthfehaften nicht befchäftigt roerben bürfen. Obwohl 
ich natürlich anerfenne, bah weibliche erroachfene Arbeiter fchuh* 
bebürftiger finb als männliche, unb obwohl id> mir fage, bah bie 
.feßnerinnen befonberS auf gefehlten Schuh angeroiefen fmb, ba 
fie noch roeit weniger gur Setbfthilfe fähig fmb als bie Äeßner, 
fo fann ich mich bod) nicht bagu entfliehen, in Anfehung ber 
weiblichen perfonen einem 23erlangen guguftimmen, baS einer 
näheren Unterfuchun^ auf feinen ©ertf; nicht Stanb gehalten hat- 
Der an groeiter Steße genannte SSorfcfjIag läuft barauf hinaus, 
in Sübbeutfchlanb eine Stunbe beS 23etriebSfd)luffeS feftgufepen, 
bie in SRorbbeutfchlanb nicht gelten foß, womit wir auch ihn ab- 

Ä gu haben glauben. Pater beS ©ebanfenS ift ber ©unfeh, 
ßnerinnen in fittücher 23egiehung gu beffern. Alfo roieber 
jene SSermengung fittlichfeitSpoligeilicher ßRotioe mit ben fogial- 
politifchen, oor ber ich fd)on in Sfr. 29 gewarnt habe! ©benba 
habe ich mich für eine Spegialoerorbnung betreffenb bie Animir- 
fneipen auSgefprochen, bie natürlich baoon ausgugehen hätte, bah 
bie Animirfneipen nicht günftiger gu behanbeln finb als bie übrigen 
©irthfehaftsbetriebe. 

©aS bie jugenblichen $erfonen betrifft, fo roirb bie Dbat- 
fad)e, bah fie bem Schuhe beS Staates unterftefli roerben müfien, aud^ 
oon benen gugegeben, bie ftd) für ein ©efep gum Schuhe ber Meßner 
unb Äeßnerinnen fonft nicht begeiftent fönnen, namentlich auch 
oon ben Arbeitgebern (roie bie Vernehmung geigt). Der ehe¬ 
malige Korreferent 9lafp, ber einen fehr gemähigten Stanbpunft 
eingenommen hat, ift gu bem Urtheil gefouunen (Verlj. VII, 6), bah 
fith m ben 23erhältni|fen ber ßchrlinge bebeutenbe ÜRihftänbe er- 



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Sogiale $rajt«. ©entralBIatt für Sogtalpolittf. Str. 41. 


geben fjaBen, bic eine ABfteHung bringenb erforbern. Die Arbeit«* 
geit ber Seßrlinge muffe für jugenblitße in ber ©ntroitfelung Be« 
finblicße ^erfonen al« übermäßig angefeßen roerbeit. 23ebenft man, 
baß jugenblitße Arbeiter auf fremben Stßuß unBebingt angeroiefen 
finb, baß aber, roie männiglitß Befannt, ©Itern, Vormünoer unb 
Arbeitgeber ißren Betreffenben Sßflitßten nitßt immer natßfommen, 
fo muß man gugeben, baß Bier eine auffallenbe Sücfe in unfern* 
©efeßgebung oorßanben ift. 

3<B empfehle baßer, Alter«grengeit für bie 23efcßäftigung 
non jugenblitßen Arbeitern feft^ufefeen unb bie tägliche Arbeit«* 
Seit ber jugenblitßen Arbeiter gefeßlicß gu regeln, unb groar 
etroa fo: 

Kinber unter 14 3aßren unb jugenblitße roeiblitße ^erfonen 
groifeßen 14 unb 16 3aßren bürfen nur bann Beftßäftigt roerbeit, 
roenn fie gur Familie be« ©irtße« gehören. Diefe Vorfcßrift 
roürbe ben Bereit« gegenwärtig Befteßenben 3uftanben im ©angen 
entfpretßen. 

Öeßrlinge (Bi« gu 16 3aßren) bürfen groif<Ben 10 UBr 
ABenb« unb 7 llßr borgen« nicBt Beftßäftigt roerben. ^ ^erfonen 
im Sitter oon 16 Bi« 18 Saßren ift «ine ununterBrotßene neun* 
ftünbige Slatßtruße gu geroäBren. Die SRinbeftrußegeit ber jugenblitßen 
$erfonen unterliegt ni<ßt ben 23ebenfen, roie roenn fie für ba« 
gange (bewerbe eingefüBrt roürbe. Sic ift burcßfüßrBar unb iBre 
Durcßfüßrung ift fontrolirbar, roeil e« fid) Bei ißr nur um einen 
23rucßtßeil (nacB meiner Scßäßung etroa ] h) aller im ©eroerBe Be* 
ftßäftigten ^erfonen ßanbelt. ö ) 

©ir fommen nunmeBr gum fogenannten ßggieniftßen 
ArBeiterftßuß. Die Vaufteine bagu finb in ber ©eroerbeorbttung 
gum Dßeil Bereit« oorBanben, fie Braunen nur gufammengefügt gu 
roerben. 3n §. 33 Aßfaß 2 3ftf e * 2 9 ) roäre g. 23. hinter „ben 
poligeilitßen Anforberungen" eingufcBalten: „in«Befonbere bem 
§. 120 a ABfaß II" 10 ) ll ). ferner roäre gürforge gu treffen, baß 
bie ©rlaubniß gur 23etreiBung einer ©aft* ober Scßanfroirtßftßaft 
aucB bann oerjagt roerben !ann unb muß, roenn bie etwaigen 
Scßlafftätten ber Vebienfteten näBer gu Begeitßnenben Anforberungen 
nitßt genügen. ©nblitß roäre ba« SißoerBot unter ©träfe gu 
ftellen unb bem Arbeitgeber bie 23efcBaffung oon ©ißgelegenßeit 
gur ^fließt gu matßen. 3 ur @innaßme ber Beiben |>auptmaßlgeiten 
roäre ben Arbeitern auf tBr Verlangen je eine */ 2 ftünbige ununter* 
BrocBene $aufe gu geroäBren. 

Die im ©irtßf(ßaft«leBen eingig bafteBenben eigentBümlicBen 
fioßnoerßältniffe be« ©aft* unb StßanfroirtBfcßaftggeroerbe« 
legen ben ©ebanfen ftaatlicBen ©ingreifen« Befonber« naBe. ©« 
muß aber baoon abgeratBen roerben, unb groar nidgt nur au« 
pringipieüen ©rünben. ©enn ber Staat ba« Drinfgelberroefen 
abfcBaffen fönnte, fo roäre bie« ja feBr gut, aber er fann e« 
eben ni<Bt. @0 muß er ficB benn autß Beim ©irtßftßaft«geroerBe, 
roa« bie ßoßnfrage Betrifft, barauf Befcßränfen, für Klarßeit ber 
ßoßnabrebe unb für ßopalität i^rer Durcßfüßrung gu 
forgen, g. 23. bafür, baß ben Arbeitern ber oerbiente ßoßn nießt 
bureß Abgüge unb bergl. ßinterrücf« roieber entgogen roerbe. Da« 
ÜJtinbeJte, roa« in biefer 23egieBung oerlangt roerben fann, ift, baß 
bie großen ©aftBäufer, ©afe«, Sieftaurationen u. f. ro. nid)t günftiger 
BeBanbelt roerben al« bie gabrifen, benn e« Befteßt in ber Dßat 
fein ©runb, warum man ben Stßuß, ben bie gabrifarbeiter genießen, 

G ) Sic l’cßrgeit Beträgt gewößnlicß groei 3aßr<*- 

7 ) Sin einem Sage ber ©otße barf an bie Stelle biefer feften Stußc* 
geit bie bcmeglidje ber ^erfoncu gwijtßen 16 unb 18 ^aßren treten. 
Sicfc SluC’ualjtne ift unbebenflief); fie ift aber aud) nötfiig, bantit 
an ben Samftag Slbenben unb bei befonberen (^elegenbcitcn baö gange 
s perfonal gur Slrbeit berangegogen werben fann, uitb bamit bie ^ef)r» 
Unge and) ben SJaditbienft fenncit lernen. Slu« ber 23erneBtnung gebt 
beriwr, bafj bie Arbeitgeber bei biefer C5iufd)ränfung ber ^irintitg ber 
ÜHuücgeit ber ^ebrünge uidjt wiberftreben würben. 

^er i'üllftanbigfcit halber fei t;ier und) ber gang oernünftiae ®or* 
fdtlag erwäbnt, bie 23efd;äftiguug uoit jugenblidien ‘perfonen in Vofalcn, 
wo ^roftituirte uerfebreu, gu uerbieten. 

,J ) „SiH’r OlaftwirtBfdjaft, Sdjanfwirtbidjaft ober Äleinbanbel mit 
Branntwein ober Spiritus? betreiben will, bebarf bagu brr tSrlaubuif}. 
Sieie ©rlaubiiifi ift nur bann gu uerfagcu: 

.‘J) wenn bas? gum Betriebe bev (rtewerbes beftimmte 

ifofal wegen feiner Befdjaffeu bei t ober l'agc ben poligctlidjcn 
Stuforberungeu uid)t genügt/' 

1( ‘) „onvbcfotibere ift für geniigenbes? ^irfit, aitvreidu'ubeu Luftraum 
unb Vuftwedjfel, Beieitiguug bes? bei bem Betriebe eutftebeubeu Staube«?, 
ber babei cntwirfcltcu Siiufte unb Olafe, fowie ber babei emftebenbcn 
Abfälle Sorge gu tragen." 

11 1 Meüueriu Seirfiert (SreC'ben): „Sie Mellnerinncu leiben meiftetis? 
an Blutarmntl). Sae fommt oon ber fdiledjtcn Vuft in ben ^ofalen, 
oon bem Suuft unb oon bem ewigen Slbbebeit ber." (Bert). XVI. 89). 


nid^t au<B ben 23ebienfteten ber ©rofeBetrieBe be« ©eBerBergung«* 
unb ©rquicfung«geroerBe« geroäBren foH, ba unfere mobernen 
grofeftäbtifcBen ^otel« unb Sieftaurationen roirtBfc^aftlic^ SaBrifen 
gleiten, unb aucB bie Kellner unb Kellnerinnen unter ben SRife* 
ftänben leiben, bie gur 23eaufficBtigung be« 2lrBeit«oertrage« ber 
SfaBrifarbeitet burcB ben Staat geführt B a ^ cn - ^öB cr wären 
Borfdbriften gu erlaffen entfpretBenb benen ber ©eroerBeorbnung 
über bie 2lrBeit«orbnung unb ba« Strafgelberroefen in ben 
QfaBrifen. 12 ) 

Dagegen wirb fid) ber SJlifjftanb, bafe bie Kellner unb 
Kellnerinnen bem SöirtB gegenüber für ben ©ingang ber S 11 

Baften B^ben, obrooBI fte feinen ©influfe auf bie 3 u fammenfefeung 
be« ba« ßofal BefutBenben SßuBlifutn« B^Ben, ftBroer Befeitigen 
laffen, ba ber 2BirtB bie Angaben be« Arbeiter« über ben ©ntgang 
ber 3 e dje nic^t fontroliren fann. 13 ) — 

Die fcBroierigfte Srage ift bie nacB ben geeigneten Mitteln 
gur Kontrole oer DurtBfüBrung ber getroffenen SRafcregeln. 
Dafe bie Kellnerorganifationen ftarf genug bagu roären, 
baran ift ni(Bt gu benfen unb groar bi« auf ©eitere« felbft bann 
mdjjt, roenn bie ißolitif in 23egug auf 2lrBeiterBeruf«oereine geanbert 
roürbe. Slnbererfeit« bürfte bie DurcBfüBrung be« ©efefce« nicBt 
bem regelmäßigen ©ang ber Dinge iiberlaffen roerben: e« wäre 
nämlicB gu Befürchten, baß bie Drt«poligeiBeBörben Bei iBrer 
mannigfaltigen amtlicBen unb prioaten SüBlung mit ben SBirtBen 
unb Bei bem notorifdjen Politiken ©influß ber leßteren e« ait ber 
Slutorität unb ©nergie gur ßöfung gerabe biefer Aufgabe ermangeln 
ließen, unb fo Bliebe benn bie Durcßfüßrung be« ©efeße« im 
©efentlidBen ben Denungiationen entlaffener unb barum ft(ß gefränft 
füßlenber Arbeiter überlaffen — ein 3uftanb, ber natürlitß nic^fc? 
weniger al« Befriebigenb roäre. 

3(B benfe, baß fid) eine weitere 2lu«geftaltung unferer ©e= 
roerbeauffießt nitßt länger roirb ßinau«fcßteBen laffen. 2öir fteßen 
in einer 3fft ber 2lu«beßnung be« SlrBeiterfcßuße« über ba« ©ebiet 
ber 3öBrifen ßinau«. Sollen bie Betreffenben ©efeße nicht ein 
tobter Bucßftabe bleiben, fo müffen bie 2lufficßt«organe entfprecßenb 
oermeßrt roerben, fei e« bureß ©rroeiterung be« Befteßenben 3n* 
fpeftorate«, fei e« bur<ß Sdßaffung neuer Drgane, benen bie Durtß* 
füßrung ber neuen ©efeße au«fcßließlitß gugeroiefen roürbe. Dann 
bürfte autß bie 3cft fommen, wo ber gefeßlitße Scßuß ber Keüntt 
unb Kellnerinnen gur Dßat roürbe. DB babei gur 23eaufftcßtigung 
ber ©irtBfcßaft«Betrie6e Befonbere Drgane gu feßaffen, ober ob fie 
ber Drganifatioit ber ©eroerbeauffid^t nur angugliebern feien, Balte 
i(ß für eine relatio neBenfäcßlitße 3rage. ©rftere« ßätte ben 23or* 
tßeil, baß ben Betreffenben Organen oon ber ßanbe«regierung autß 
bie 2(u«üBung ber ©irtßfcßaft«poligei übertragen roerben "fönnte 
(2öirtßf(ßaft«infpeftion). 2lucß parüätiftße Vertretungen oon 
Slrbeitern unb SlrbeitgeBern (SlrBeit«fammern, ©eroerbegeri^te, 
2lrBeit«ämter) bürften fteß gnr Sluffitßt eignen, aber nur bann, 
roenn bie bie Sluffitßt felbft 2lu«üBenben ni%t ©eroerbegenoffen be« 
Arbeitgeber«, alfo nitßt ©irtße ober Kellner finb. Ceßterenfall« 
roürben nämlicß bie Arbeitgeber ben Auf|lcßt«organen al« ißren 
gegenwärtigen ober fünftigen Konfurrenten mit bem größten 9Riß* 
trauen Begegnen. Die Kontrole ßätte fttß oor Allem autß barauf 
gu erftreefen, baß bie Arbeitgeber ißren Arbeitern nitßt bie Ser* 
pfließtung auferlegen, an ißren Slußetagen in anberen Schrieben 
gu arbeiten, um ben Stußetag«groang bureß Au«tauftß ißrer Arbeiter 
gu oereiteln. 

SRüntßen. Artßur ©oßen. 


^Ugettttltw Sojtttl- traft Slirtljf^apbjJoWth. 


freußifcßei ^errenßau« mib 9teicß«*©efeßentttmrf „$um Sißu^e be« 
geroerblicßett ArBeit«Perßftltuiffe«", 

Da« preußiftße ^Serrenßau« Beftßäftigte ßcß am 5. 3uli mit 
bem Stei(ß«*©efeßentrourf gum Sdjuße be« geroerblitßen Arbeit«* 
oerßältniffe«. Den Anlaß bagu Bot folgenbe Vefolution be« ©rafen 
SRirbacß unb ©enoffen: ,,Da« §errenßau« fprießt feine 23efriebiguitg 
barüber au«, baß bie Königlicßc Staat«regierung im Vunbe^ratße 
für bie Vorlage eine« ©efeße« gum Sdjuße be« geroerblicßen 
ArBeit«oerßältniffe« an ben Slei<ß«tag eingetreten ift. Da« Herren* 
ßan« erwartet, baß bie Königlitße Staat«regierung an bem in oor* 

13 j $. 184a ff. 

13 ) Sie gegen bie SWinftänbc Bei ber Stellenoermtttliuig gu 
ergreifeiiben gefcplidicn ÄVaßregeln lulben ein Sßema für fitß unb werben 
baber liier nidjt bebanbell, ucrgl. übrigen« ben bem Äeidi«tagc oor= 
liegeubeu „(Entwurf einer OJcrocrbeorbunugsnooelle". 




1097 


Sogiale SßrajiS. ©entralblati für Sogialpolitif. Sir. 4L 


1098 


genannter ©efefteSoorlage eingenommenen Stanbpunft unentwegt 
feftftalten wirb." Tie beigegebenen „SRotioe" lauten Iafonifcft: 
„©in mirtfamer Scftuft ber arbeitswilligen Arbeiter foroie ber 
Arbeitgeber ift aus fogialen unb wirtftfcftaftlicften ©rünben bringlicft 
geboten." 

Ten 33erid^t ftätte ber frühere SleicftStagSpräfibent unb gegen* 
roärtige SleicftStagSabgeorbnete Dr. oon ßeoeftow übernommen. 
9Rit einer gewiffen 3 ur ätfftaltung erläuterte er ben ©efeftentwurf, 
ber im Sleicftstage oorgelegt ift, lieft auS ben oerlefenen beiben 
erften Paragraphen folgern, „baft barin fein ©ort fteftt oon ©e* 
fcftränfung Des KoalitionSrecftteS, auch nicht oon einer ©efcftränfung 
beS SlecftteS, unter Umftänben einen streif $u öeranftalten", fonbern 
nur oon einem Schufte gegen einen ungehörigen moralifch unb recht¬ 
lich oerroerflichen 3wang. SRit anerfennenSroerther Offenheit führte 
er über bie 3 uc fttb au 3beftimmung auS: ,,©on 3 ut hthauSftrafen ift 
nur in bem §. 8 bie Siebe; ich nehme an, baft biefe ©eftimmung 
hineingefommen ift auS ©rünben, bie ich ftie* nicht erörtern will, 
meine aber weiter, baft bie 3u<hthauSftrafen in bem gangen ©efeft 
fehr wohl entbehrlich wären, unb baft bas ©efeft in feiner ©irf- 
famfeit faum leiben würbe, wenn überhaupt oom 3 uc h^ au ^ 0ar 
nicht barin bie Siebe wäre." Seines ©racfttenS ift bie Ablehnung 
ber ©orlage im Reichstag baS ©aftrfcfteinlicftere. ©raf SRirbacft 
fanb bie Scotftwenbigfeit ber ©orlage in bem überftanbneftmenben 
eines oon ber Sogialbemofratie organifirten Terrorismus; erft bie 
Streifs hätten bie Koalition ber Arbeiter fteroorgerufen, unb baS 
führe gum KriegSguftanb gwifeften Arbeitgeber unb Arbeitnehmer. 
ÜRamenS ber „neuen graftion" erflärte oer Kölner Dberbürger- 
meifter ©ecfer, bie SReftrgaftl feiner politifchen greunbe wünfefte 
bie Arbeitswilligen gefeftüftt gu feften, foweit ein ©ebürfnift naeft- 
gewiefen werbe, gür ben Antrag ÜRirbacft liege gur 3 e ü fern 
©runb oor; er fei nieftt geitgemäft. Anbererfeits werbe bie ©irfung 
beS Antrages SRirbadft auf ben Sleicftstag oorauSfichtlich bie urn- 
gef ehrte fein, wie bie greunbe beS AntragfteHerS unb ber Antrag- 
fteller felbft fie wünfehen. Ter §anbelsmmifter ©refelb erflärte 
furg, eS fönne bie Staatsregierung nur mit ©efriebigung erfüllen, 
wenn ebenfo wie es in weiten Greifen beS £anbeS bereits ge¬ 
fächen fei, auch in biefem £aufe baS ©intreten ber ^Regierung für 
ben gefeftlicften Schuft beS gewerblichen ArbeitSoerftältniffeS An- 
erfennung finbe. ©r betrachte es als ooHfommen felbftoerftänblicft, 
baft bie ^Regierung an ber Auffaffung bei ber weiteren 
©eratftung ber ©orlage fefthalten wirb, bie fie bisher oertreten 
hat. Ter erft wenige Tage bem £>errenftaufe angehörige ©ertreter 
ber Unioerfität ©erlin, ©rofeffor Dr. 6demolier, rechtfertigte in 
gwar furger, aber fachlich gebiegener unb rhetorifch wirffamer Siebe 
bie Haltung ber SleichStagSmeftrfteit; feine „gnngfernrebe" würbe 
unter refpeftooller gefpannter Aufmerffamfeit beS §aufeS angehört, 
gür einen ©errath an feiner 35 jährigen öffentlichen ©ergangenfteit 
würbe er es haften, fo führte er aus, wenn er ftier nicht feine 
biffentirenbe Stimme erhöbe, ©r ftabe oon jeher ßroften 
Schattenfeiten beS heutigen KoalitionSrecftteS unbebingt anerfannt, 
eingebenf beS wahren ©orteS qon SlobbertuS: „gn hunbert gaftren 
wirb man Diejenige ©efeftgebung für oerrüeft haften, welcfte bie 
Ginfteflung oon Tienftleijtungen geftattet, bie gum ßeben beS 
fogialen Körpers nothwenbig finb." Tie Koalitionsfreiheit fei aber 
wefentlich auf ©etrieb ber Konferoatioen eingeführt, weil gegen¬ 
über beit befteftenben ©erftältniffen man gunäcftfi in ber KoalitionS- 
unb ArbeiteroereinSfreiheit hoch baS eingige SRittel faft, um in 
einem Staate ber freien Konfurreng auch ben unteren Klaffen bie- 
felben Siechte wie ben oberen, bie SRöglicftfeit gu gewähren, für 
höhere Loftne unb beffere ArbeitSbebingungen gu fämpfen. Ter 
©eg gum ibealen 3i*f SRobbertuS fei nieftt ber, baft man 
bie bisher fefton groften Sdjranfen beS KoalitionSrechteS noch er¬ 
höhe, baft man bie Strafen einfeitig oerfchärfe, ohne bie befteftenben 
falfcften geffeln beS ArbeiteroereinSrecfttS ju löfen. TerartigeS 
müffe oon ben Arbeitern als ilngereä)tig!ett empfunben werben, 
gaft fäntmtlicfte Paragraphen ber ©efefteS-©orlage feien bisfutabel; 
aber als Unterlage in ihrer ©egrünbung feftle eine guoerläffige, 
abfolut öffentliche ©nquete, fraft beren man unbebingteS 3utrauen oon 
Seiten aller Klaffen unb aller Parteien auf ben behaupteten Um¬ 
fang ber SRiftbräucfte, iftre Art, iftre golgen hätte h e 9 e n fönnen. 
Tiefes ©ertrauen fei für ihn, für bie weiteften Kteife nieftt oor- 
ftanben. gür iftn wäre eine folcfte ©orlage nur bisfutabel, wenn 
fie oerbunben wäre mit gewiffen Sleformen in ©egug auf baS 
ArbeiteroereinSrecftt unb auf baS beftehenbe KoalitionSrecftt. Tiefes 
Slecftt halte er für fo unoollfommen, unfiefter, ungleicftmäftig in ber 
Anwenbung in wichtigen Punften, für fo ungerecht, baft er es als 
unerträglich begeieftnen möiftie. AIS ©eifpiel erwähne er nur bie 
Unficherheit in ©egug barauf, ob bie ©erficfterungSgefefte auf bie 


Arbeiteroereine angewenbet werben follen, welcfte ©anber-, Streif-, 
Kranfenunterftüftung geben. 9la<h feiner ©mpfinbung wäre es 
gwifeften ber fonferoatxoen Partei, ben SRationalliberalen unb bem 
©entrum nieftt fo fehr feftwer, einen SRütelweg gu finben, wenn 
benen, bie bie Arbeiterintereffen oertreten, bie Arbeiter anerfennen 
unb förbent wollen, einige Kongeffionen gemacht würben. Statt 
beffen habe man bie berechtigten ©ünfthe ber Arbeiter ignorirt 
unb ftabe nur eine Strafnooeüe oorgelegt, bie gemift nid|t als 
rivilegium odiosum gemeint gewefen fei, aber in iftrer gfolirung 
en falfcften Scftein erweefe; oon ben 12 bis 14 SRiüionen Arbeitern 
maeftten bie Sogialbemofraten nur 2 SRiHionen aus, bie übrigen 
Arbeiter hätten fämmtlicft bie ©orlage aueft als gegen fic, iftre gnter- 
effen, iftr berechtigtes oereinSmäftigeS Auftreten gerichtet empfunben, 
oor allem aueft beSwegen, weil unfere gange moberne ©ntwicfelung 
ber ©olfSwirtftfcftaft auf KorporattonS- unb ©ereinSbilbung aller 
Art ftinwirft, bie ^Regierungen fie alle förbert, nur bie ber Arbeiter 
nieftt. TaS ftabe SRiftftimmung naeft allen Seiten erregt, in ber 
Majorität beS beutfeften ©olfes unb beS beutfeften SleicftStageS. 
gn monareftifeften Staaten fei es aber bie erfte Pflicftt ber Slegierung, 
baS ©ewufttfein mit allen SRitteln aufrecht gu erhalten, baft fie 
gleicfte Sonne fefteinen unb gleichen ©inb wehen laffe für bie 
oberen unb für bie unteren Klaffen, gürft ©iSmarc! ftabe bies 
©eftreben praftifeft betftätigt unb griebrieft ber ©rofte beSftalb fogar 
Ungerecfttigfeiten begangen. Tie Kartelle feien heute, troft iftrer 
©orgüge, oielfadft praftxfcfte Monopole, bie an gtwiffen Punften 
meftr ober weniger bie ©ewerbefreifteit tftatfä^liä) aufgehoben 
haben unb gegen bie DutfiberS gang bie nämlicften SRiftbräucfte, 
3mang, Scftäbiaung, ©ergewaltigung fieft erlauben, wie bie Arbeiter 
gegenüber ben Streifbrecftern. ©enigftenS hätten audft hier gefefc- 
geberifefte ©laftregeln angeftinbigt werben müffen. Tiefe Straf- 
beftimmungen feien für iftn nur bisfutirbar im 3ufa^^nftang 
mit einet Sleform beS ArbeiteroereinSrecfttS unb beS gefammten 
befteftenben KoalitionSrecfttS. — Tiefe Siebe ftätte oen AuS- 
angSpunft einer weiteren ©rörterung bilben fönnen; ©raf ©ir- 
adft befeftränfte fieft aber auf ein Paar Säfte, bie barin gipfelten, 
©ewalt, aufter ber Slotftweftr, barf Sliemanb, aufter bem Staat, 
anwenben. greifterr oon 9)lanteuffel begeidftnete baS als fcftmereS 
Unterfangen, gwifeften Konferoatioen, ©entrum unb Slationalliberaten 
einen SRittelweg gu oereinbaren, unb erwartete eine ©efferung burtft 
gefeftlicfte ^anbftaben gegen gewiffe fogiatbemofratifefte Agitatoren; 
im Uebrigen fei bie ©efeftgebung ber leftten 20 gaftre wefentlicft 
nieftt gu ©unften ber Arbeitgeber geftanben. Ter Antrag SRirbacft 
würbe mit_ 72 gegen 22 Stimmen angenommen; gegen iftn ftimmten 
bie Dberbürgermeifter ©ecfer, ©enber, ©üefttemann, ©unnemann, 
guft, ©iefe, gäger, Koftli, fiörfcft, Staube, ©eltman unb 3roeigert; 
ferner ber Öanbgraf Aleyis oon Reffen, bie ©rafen ©eftr-©eftren- 
ftoff, §utten-©gapsfi, Sefttieben, bie Profefforen görfter, Sleinfe, 
Slabp, Scftmoller, Riffen unb Sleicftsbanfpräfibent Kocft. 

SRerfwürbig ift, baft bie ferner Streifoorgänge oon feinem 
ber Slebner berüftrt würben, obwoftl oorfter ber Sleicftstag unb im 
©efonberen ber Abgeorbnete ©affermann in einem Tfteil ber TaaeS 
preffe für biefe Ausbreitungen bireft oer antwortlich gemaeftt würben 
Ter gange ©orftoft beS ©rafen SRirbacft unb feiner abeligen 
greunbe — ber eingige ©ürgerlicfte, ber für ben Antrag ftimmte, 
war ber in ben leftten ©oeften oielgenannte ßanbratft ©irfner- 
©abinen — war weit matter als man ftätte erwarten follen; er 
wirb auf baS Scftidffal ber ©orlage gum Scftuft beS gemerblidjen 
ArbeitSoerftältniffeS faum einen ©mfluft ausüben. 


granenarbeit in gslrifen. Tie ©ewerbeaufficfttsbeamten ftnb 
für baS laufenbe ©eriefttsjaftr mit ©rftebungen über bie ©rünbe 
unb ©irfung ber ©efeftäftigung oerfteiratfteter Arbeiterinnen in 
gabrifen beauftragt unb fouen in iftren näcftften gaftreSbericftten 
hierüber ©erieftt erftatten. Ter gragebogen oerlangt AuSfunft 
über folgenbe eingelne Punfte: 

„Slame unb Stanb (ob grau, ©ittwe, geftftteben, feparirt); Lebens¬ 
alter; feit welcftem Lebensjahre Sabrifarbeiterin; ©efchäftiguttg oor ber 
gabrifarbeü naeft ber Scftuljeit; befonbere ©eranlaffung gur gabrif» 
arbeit; ArbeitSgeit; Arbeitspaufen; wödbcntlicher ©erbienft; ©cruf unb 
wöchentlicher ©erbienft beS ©Zaunes; 3 a ftl ber gu oerforgenben noä) 
nidjt fcftnlpflichtigeH, fchulpflicfttigen unb fdftulcntlaffcnen, ber mit* 
oerbieuenben Ktnber im ^ausftalt; wöchentlicher ©erbienft ber leftteren, 
unb wer beaiifficfttigt bie gu $aufe gebliebenen Kinbcr. Gnbliä) ftnb 
noch Angaben über bie allgemeine ArbeitSgeit unb bie Shtftepaufen in 
ber gabrif gu machen." 

Scftlieftlicft folgt noeft bie grage, welcfte fittlicften unb wirtft- 
fcftaftlicften ©irfungen bie gabrifarbeit oerfteiratheter grauen gur 
golge ftaben. ©ie oerlautet, follen bie gragebogen in erfter fiitiie 



1099 


©ogtale f&rajt». Eentralblatt für ©ogialpoltttf. Ar. 41. 


1100 


an tie Unternehmer unb nur auSnaßm&weife an bie Arbeiterinnen 
felbft nerfanbt werben. Aller SBaßrfcßeuilithfeit nach werben bie 
(Erhebungen fehr Iücfenhaft auSfallen. Siele Unternehmer werben 
gar nicht in ber ßage fein, bei allen ihren üerßeiratßeten Arbeite* 
rinnen bie geteilten gragen beantworten, ba fie meßt immer 
ba$ nötßige Material werben ßerbeifißaffen fönnen, uielleicht aud) 
nicht immer wollen. Sei ben Arbeiterinnen wieber bürften bie 
fragen oielfach auf SMßtrauen ftoßen. ©ie grage nach &em ®in* 
fotntnen beS Cannes g. S. bürfte nicht feiten mit ber ©teuer 
u. f. w. in Serbinbung gebracht werben. ©agu fommt bie Ueber* 
laftung ber Auffichtsbeamten, g. S. mit ber ©ampffeßelreoifion, bie 
ihnen nicht einmal geftattet, alle ihnen unterftehenben Setriebe gu 
infpigiren. 

Um einer gu großen Einfeitigfeit ber (Erhebungen oorgubeugen, 
wäre e$ erwünfcßt, baß bie SertrauetiSmänner ber Arbeiter, bie 
Sertreter ber Arbeiterorganifationen, bie in ben Hranfenfaffen unb 
DrtSbeßörben ber Arbeiteroerficherung oorhanbenen Sertreter ber 
Arbeiter unb namentlich auch bie weiblichen Affiflenten ber Ge* 
werbeinfpeftoren in auSgebeßntem Stoße gu ber Erhebung heran* 
gezogen würben. 

ftotntmmale $ojialpoUtik. 

©er ©täbtetag ber $ro*tng ©atßfeit, ber am 30. Suni in 
Stüßtßaufen i. ©ß. unter bem Sorfiß beS DberbürgermeifterS 
©taube (£>aHe) tagte, oerhanbelte gunäcßft über Sorfdjriften gur 
Ausführung oon f>auS* unb Anfcßlußleitungen im gntereffe beS 
©cßubeS ber ftäbtifrfjen Kanäle unb ihrer orbnungSntäßigen 
gunfttonirung. ©er Sericßterftatter ©tabtbaurath Suters (Stogbe- 
bürg) empfahl 00 m fogial*ht)giemfißen ©tanbpunft bie beßörbuiße 
Aufficht über bie §auSentroäfferungSanlage. Son einer einzigen 
feuchten, oerpefteten SSoßnung fönne fieß unter Umftänben ber 
©ppßuS über eine gange ©tabt auSbreiten. — AtoitgelS obliga* 
torifeßer weiblicher Hocß* unb ^auSßaltungSfcßulen für fcßul* 
entlaffcne Stäbchen empfahlen Sürgermeifter Sanfi*Cueblinburg 
unb ©tabtratß Aedßenbacß-Stühlbaufen bie (Einführung beS §auS- 
ßaltungSunterricßteS in ben Gemeinbefcßulen nach bem 
oorbilbhchen Stufter oon Eaffel, £>anau, Saumburg, Sterfe* 
bürg, (Erfurt, Aiüßlhaufen u. f. w. ©ie Höften für bie Stuhl* 
häufer ©cßule betragen runb 12 000 J(, für baS Gebäube, 
16 790 1 4L für bie Einrichtung unb 2500 </1(. jährliche SetriebS* 
foften einfcßließlicß bes Geßalt$ für bie ßeßrerin. — ©ie Ein¬ 
richtung oon Solfsbäbern auf Höften ber Gemeinbe ein* 
fcßließlicß ber ©cßulbraufebäber befürwortete ©tabtbaurath Hortürn 
(Erfurt) nach ben günftigen Erfurter Erfahrungen, gür ein SolfS* 
bab, bas im SÖefentlicßen nur mit Sraufebäbern eingerichtet ift, 
genüge ein Aufmanb oon 25 000 bis 30 000 Jt ©er SreiS beS 
SabeS bürfe 10 4 in ber Segel nicht überfteigen, für ©eife unb 
§anbtucß fei 5 4 als 3 u fcßlag üblich. 3ur Aacßeiferung em* 
pfohlen wirb baS Seifpiel eines Solfsbabes in Stünchen, welches 
oon ber ©tabtaemeinbe unter 3 u hälf ena hme einer aufeßnlicßen 
©eßenfung gur 3 e it auSgeführt wirb. ©ie Soften belaufen fteß 
auf IV 2 Stillionen Starf, bie fertigftellung foü im gaßre 1900 
erfolgen. Es umfaßt ©cßwimmßallen unb Sßanitenbäber, Sraufe* 
bäber, römifch irifeße Säber, ©ampfbäber, mebtginifeße Säber, für 
Stänner unb grauen getrennt, auf einer Grunbfläcße oon runb 
4000 qm. Dr. ginde (^alberftabt) trat für Sräufebäber ein* 
fachfter Art ein. Sürgermeifter gifeßer (Stagbeburg) wies auf bie 
Stagbeburger ©oueßebäber hin unb bie bortigeit Abmachungen mit 
Srioatanftalten über bie Abgabe oon Solfsbäbern. ©onnabenbs 
müffe ber $retS beS SabenS auf 5 4 ermäßigt werben, für 1 4 
ein ©tücf ©eife, für 5 4 ein $anbtutß gewährt werben. Stagbe* 
bürg feße nichts bei biefen Einrichtungen su. ^rofeffor Dr. Hoßl* 
fchütter (£>alle) bc^eichnete als bas ibeale Sab baS falte, baS 
gluß*©d)wimmbab (13 bis 19° Seanninr). ©er neben bem Ae* 
aierungSpräfibenten o. ©ewiß als Ehrengaft erfdjienene Stiniftcr 
Freiherr 0 . Serlepfch betonte beim geftmaßl, bie Scrbanblungen 
hätten ihn flar erfennen laffen, wie wichtig bie Stitwirfung 
ber Scrtoaltung bei ber £öfmtg ber fogialpolitifdjen gragcit fei. 
©en obligatorifcßen gortbilbuncjSunterridjt aud) für Stäbchen halte 
er für nothwenbig, für noch n)td)tiger aber als gortbilbungS* unb 
.'pauShaltungSunterricht halte er bie Cöfung ber Wohnungsfrage. 

Slommuitale ©o^ialpolitif iit Aorbamcrifa. Aiw Amerifa fuib neuer- 


Sofiah Euinci), geleitet wirb, befifet feit jiuei fahren ihre eigene ©rüder* 
preffe, auf ber oon ihrem eigenen ^crfonal alle ftäbtifdjen ©rudarbeiten 
angefertigt werben nnb eine eigene Abteilung für eleftrifd)c Anlagen, 
©ie hat jefct auch eine Sabeanftalt, bie bas gaujc 3al)r über gebem 
jur unentgcltli^cn Scuupung offen fteht. ©ie Errid)tung oon 4 
bis 5 weiteren foldjeit Anftalten, einer Turnhalle unb — eines öffeiit* 
lidjett SBafdhhaufeS ift im Werfe. 3mei öffentliche ©piel* unb ©unt= 
pläjje fmb bereits im Eigenthum ber ©tabt; in biefem gahre ftcljt ein 
Setrag oon 200 000$ jür Anlegung oon flehten SarfS unb öffentlidjeu 
©pielpläpen gur Serfiigung. Auf einer ber ber ©tabt gehörigen .vmfeu= 
infein eröffnete ftc im oorigen gahre eine gericnfolonie, guuädjft für 
Sfnaben, beren 850 je eine Wodje lang ben Aufenthalt ht ber ©eelnft 
unter oerftänbiger Seauffidjtigung genießen burfteit; bie Höften beliefen 
fid) beiläufig auf l,ss $ pro Hopf unb Woche, ©as Unternehmen wirb 
in biefem ^ahre in uergröfjertent S^aßftabe fortgefept werben. Aeuer* 
bings finb and) abcnbliche, freie Sorleiungen für bas Solf in Schuh 
unb anbereu ©älen in oerfdjiebencn 5©^eilcn ber ©tabt auf Anregung 
beS SürgermeifterS eingerichtet worben, wie fie in Aew ?)orf fdjou feit 
mehreren fahren burd) bie ©djulbchörbc mit großem Erfolge oeran* 
ftaltet worben waren. Son einem ftäbtifeßen Crchefter werben nicht 
bloß im ©omnter offentlidje Hongerte in ben oerießiebenen ftäbtifchni 
^ßarfS oeranftaltet, fonbem auch an gmölf ©onntagabenbeu im Winter 
im größten Shipffaal ber ©tabt gu geringem EintrittSpreife. Hammer* 
muftfabenbe, bie oon einem ©treid/quarteti an Wodjcntageu in oet= 
feßiebeneu ©tabttßeilen unentgeltlich oeranftaltet würben, fanben eben* 
falls großen Anflang. giir eine amerifanifche ©tabtoerwaltung gerabegii 
cpo^emadienb ift bie beabfießtigte Einführung oon ^enftonen unb Auf)«* 5 
gehälterti für ftäbtifdje Angeftellte. 

$n ©an Francisco tritt mit bem 1. ganuar 1900 eine neue 
©tabtoerfaffung in fraft, bie auSbriidlidj ausfprid)t, baß alle öffeut* 
ließen 3mecfen bieuenben Anlagen, wie OJaS*, Waßertoerfe, ©traße«* 
bahnen :c. allmählich oon ber ©tabtgemehibe erworben werben unb enfc 
gültig in ftäbtifchem Eigenthum bleiben foHen. Wenn 15% ber Wähler, 
bei ber leptoergaugeuen Wahl ihre Stimme abgegeben, burd) Setition 
bie Uebernahnte irgenb einer Unternehmung in ftäbtifche Serwaltung 
oerlangen, muß binnen feeßs konnten ein ^rojeft ausgearbeitet unb 
foweit geförbert fein, baß es ber Abftimmung beS SoIfeS unterbreitet 
werben fann. * ©as neue SerfaffitngSgefcp enthält aud) in einer Aeific 
oon Eingelbeftimmungen eine ftrenge' ©ureßführung beS Erimbtapw, 
baß fern ftäbtifcher Seantter tu irgenb weldjer Art an Siefernngen für 
bie ©tabt betheiligt ober intereffirt fein barf. Ein Seatnter ober An* 
geflellter, ber beßiifs Erlangung feines Sofiens irgenb etwas an ®elb 
ober EelbeSwerth hiogegeben ober oerfprochen hat, foü nicht nnt \tmw 
Soften verlieren, fonberu für immer oon ber SeMeibuug eine* önent* 
ließen Amtes ausgefcßloffcn fein. Aüe Sücßer unb Aften ber Serwai 
tung, außer ben Aften ber 'sßoligei, foüen wäßrenb ber ©ienftftunben 
jebem ber Sürger 3 ur Einficßt oßen fteßen. 


^rbeUrtbemegting. 

Nochmals bte Sergarbeiter • Unruhen im Bfahrretrier. Son 

einem SRitarbeiter wirb uns gefeßrieben: ©er AuSftaub in §ernc 
unb lltngegenb ift nur oott furger ©auer gewefen. Ein gahlreicße^ 
SUlitäraufgebot forgte für rafeße Wieberßerftellung ber SUuhe. ES 
zeigte fid) bei biefer Gelegenheit, baß bie orgauifirten Arbeiter 
bie Arbeitswilligen,*) bie jungen unorganifirten polnifcßen 
Arbeiter bagegen bie ©fanbalmather waren — eine neue Se* 
ftätigung beS alten ©aßeS, baß gerate bie organifirten unb beßer 
gebilbeten Arbeiter tßöricßte Streifs unb Aufruhrfcenen gu oer* 
meibett fuchen. Es war behauptet worben, ber ©treif fei oon 
polnißhen ©ogialiftenfüßrern in Serlin angeftiftet worben, ©em 
gegenüber feßreibt bie in Serlin in polnifcßer ©praeße erfeßeinenbe 
fogialbetnofratifcße „Gageta Aobotnicga", baß fie oon bem plöß* 
ließen AuSbrucß beS AuSftanbeS felbft iiberrafeßt worben fei. 
£eßterer fei oßne oorßertgen Sefdjluß auSgebrocßen, naeßbem ben 
Renten oon ißrem fnappen Serbienft bie erheblich erhöhten Hnapp; 
feßaftsfaffenbeiträge für Sfai unb 3«ni in Abgug gebracht worben 
feien, ©ie Arbeiter hätten aus ißrer Stifte eine aus ^olen unb 
©eutfrfjen befteßenbe ©elegation an bie ©erfbireftion gefanbt unb 
eine Erhöhung ißreS ^oßneS oerlangt, aber feine Antwort erhalten, 
©as Slatt giebt gu, baß bie polnifcßen Arbeiter feßwer gnr £rga* 
nifation ßcrangugießen feien, aber bie £auptfcßulb fei in ’ber 
fcßlecßten ©cßnlbilbuttg unb in ber Ausbeutung ber polnifcßen Ar* 
beiter feitenS ber Unternehmer gu fucßen. gm ilebrigen forbert 
baS Slatt bie polnifcßen Arbeiter auf, fuß ber gewerffcßaftlidjen 
unb fogtalbetnofrattfcßen Organifation angufcßließen. Sngroifcßeii 
wollen bie organifirten Sergarbeiter beS AußrreoierS bei ben 3cdien 


bings abermals einige intcrrßante Serfucfie gu uergeidjuen, bie 2 hätig= ! Eine erfreuliche golge ber llnrtilicu ift, baß ßd) bei* EW'werf' 

feit ftabtifdjer Serwalnmg auf neue Gebiete unb Setricbe aus^ubeßuru. 0 er ein djriitlidicr S mg lc 11 tc unb ber fogenaunte alte Serba 11 b 
©ie ©tabt Softou in SDiaßadjufctto, bie gur jeit oon einem hcruor* für bie bemuädiit ftatlfiiibenbc Erfapwaßl bes Huappfdjaftsüoritaiibev 
ragenb tüchtigen Sürgermeifter mit fehl* uorgeidirittenen Aufiditen, gu gemetufamem Sorgeßen entfdjloßeu haben. 



1101 


Soziale £rajt*. (Sentralblatt für Sogtalpoltttl. 9tr. 41. 


1102 


baßin Dorfteüig werben, eS möge bei ber Annahme fretnber Ar¬ 
beiter eine fcßärfere AuSmaßl getroffen werben. 3a ben Greifen 
ber 3«ßea& e ftßer foH biegrage oentilirt werben, ob AncjeficßtS ber 
3ügeilofigfeit ber polnifcßen Arbeiter es nid)t srücdPmä^iö fei, bie 
Befcßäftigung folcßer tßunlicßft eingufeßränfen, unb bureß drßößung 
ber £ößne unb Berbefferung ber SöoßlfaßrtSeinricßtungett beutfeße 
Arbeiter in größerer Angaßl für bie Bergarbeit gu gewinnen, 
bisher ift bie polttiftße dinmanberung gerabe oon ben 3 c( ß c a be- 
giinftigt unb geförbert worben, fo baß fuß bie3aßl ber polnifcßen 
Arbeiter innerhalb ber lebten fünf 3aßre im Bußrreoier um runb 
40 000 oermeßrt haben foü. 3n ber ißreffe beS BußrreoierS fmb 
wieberßolt Klagen über bie 3ügellofigfeit unb Neigung gu ©eroalt* 
tßätigfeiten, bie fid> befonberS bei ben jungen polnifcßen Arbeitern 
geigen, laut geworben. Die3ecßen würben im öffentlichen Sntereffe 
gut tßun, wenn fie ben Borfplagen ber organifirten Arbeiter ©e- 
hör fünften unb halb eine Säuberung in ber Beleafcßaft oor- 
nähmen. dS crfc^eint auch angegeigt, baß bie 3e<ß™Mißer ihre 
Abneigung gegen bie Arbeiterorganifationen aufgeben, benn es fann 
nicht oft genug auf bie Dßatjacße ^tnöcmtefcn werben, baß bie 
Unternehmer gerabe mit organifirten intelligenten Arbeitern am 
beften fahren, ßeiber ift eine gewiffc treffe eifrig bemüht, auch 
bie ferner Vorgänge für bie fogenannte „3 uc ^)^ aug " ss ^ or ^ a Ö e S u 
fruftifigiren, obgleich fitf> gerabe bei biefer ©elegenßeit gezeigt ßat, 
baß bie Btacßtmittel beS Staates oöüig auSreicßen, um bie Drb- 
nung aufrecht gu erhalten, unb baf; gerabe bie oolle Koalitions¬ 
freiheit unb ftarfe Arbeiterorganifationen bie befte ©arantie für 
eine ftetige friebliche dntmicfelung beS gewerblichen fiebenS bieten. 

3m berliner Baugewerbe ßat be*. SriebenSfd^lug gmiießen 
Unternehmern unb Maurern oor bem dinigungSamt günftige SRücf* 
wirfungen auf bie übrigen 3® e i9 e BauSgemerbeS auSgeübt. 
Auch bie 3imnterer, Buße* unb bie Baußülfsarbeiter 
(Stein-, Mörtel- unb SBafferträger 2 C.) wollen auf frieblichem 9Bege, 
eoentuett oor bem dinigungSamt, mit ben Unternehmern über 
geftlegung ber Arbeitsbebingungen auf beftimmte Öriften oer- 
hanbeln. SBie in Berliner SRaureroerfammlungen mitgetheilt 
wurbe, fofl es ber uiebergefeßten gemifchten Kommiffion (aus 
Unternehmern unb Arbeitern befteßenb) mehrfach gelungen fein, 
Differenzen gu befeitigen. Auch fei bie Beßanblumj ber Arbeiter 
feilend ber SReifter unb poliere feit ber Darifoeretnbarung oor 
bem dinigungSamt eine beffere geworben. 

ttrißcile über ben Brüntter Dertilarbeiterfitreft. Die „Brunner 
SomttagS-3eitung", bas Drgan ber Sogialpolitifer in Mähren, 
fchreibt: 

„Der Brunner Textilarbettcrftreif ift ber größte Kampf biefer Art, 
ber tu Ccft er reich bisher auSgefochten wurbe. 3*oölftaufenb, gunt aller¬ 
größten Tfjctle unorgauiftrte Arbeiter, barunter mehr als bie .frälfte 
grauen unb HRäbcßcn, haben fich mit Aufopferung ihrer färglicßen 
drifteng um eines KulturfortfcfjritteS willen in einen oergweifelten Kampf 
eingelaffen. Durch acht Wochen hoben fie in mufterhafter Disgiplin 
au*gcharrt. Der Triebe ber Stabt war auch nicht einen Moment lang 
in defahr. Die leitenben Behörben ber Stabt haben ein hohes SRaß 
fogialpolitijcßer dirtficht befunbet, inbent fie mit ruhiger Dbjeftioität bem 
wirlhfdjaftlicßen Kampfe gufaljen, ohne fidj beoormunbenb unb parteiifch 
eingumengen. Bttiien in bem wüften Durcheinanber poüüfcßer Aath= 
lofigfeit unb trifter Zerfahrenheit aller 3 u ftänbe ift ber Berlauf beS 
Briinner Streifes ber erfte ^icßtblicl feit groei fahren. Die «fpaltnng 
ber Brunner Arbeitcrfchaft unb bie mufterljafte Objeftioität ber 
ftäbtifchen unb ftaatlichen Behörben, welche fidj unermüblicß für bie 
Bermittlung einfeßten unb ben ^rieben fdjließltd) erreichten, werben 
hoffentlich Schule machen. Die Aera beS Schießprügels in fogial* 
poiitifchen Kämpfen hot ihr dnbe erreicht." 

Selbft bie ^reffe ber Unternehmer oermag ben Arbeitern 
nach Beenbigung beS BiefenfampfeS bie Anerfennung für ihre 
mufterßafte Haltung nicht gu oerfaaen Der Brünner „DageSbote", 
ber mäßrenb beS gangen Streifs fd^roff ben Unternefjmerftanbpunft 
oertreten ßat, äußert fich jeßt folgenbcrmaßen: 

„Der Streif ber Brünner Textilarbeiter wirb in ber defeßießte ber 
Arbeiterbewegung gewiß eine ßeroorragenbe Stellung behaupten, nießt 
fowoßl ßinfitßtlicß beffen, was errungen würbe, fonbern hinftcßtlicß ber 
Art, wie ber Kampf geführt wurbe. Der Drganifation ber Arbeiter 
barf bie ßohc Anerfennung nicht oerfagt werben, baß fie fidj ißren 
Aufgaben uollfommen gewaeßfeu gegeigt unb ben Arbeitsausftanb in 
mufterßafter Äuße unb Orbnung mit Ausnahme ber geringen Unter* 
bred)ung in biefer SBodje bureßgeführt hat. AöerbingS ßat bie Brünner 
TejtUarbeiterfdjaft eine bcwunbeniswertße Ausbauer bewiefen, inbem 
fie mit ben geringfügigen Unterftüßungeu, bie ißr mäßrenb ber aeßt 
SBodjen gutheil geworben finb, fieß begnügt unb Staub gehalten hat. 
Sie fann fuß bes drfolaes freuen, für fteß unb ißre Arbeitsgenoffen 
eine weitere dtappe auf oem s Bege gu bem 3iUe beS 3fßaftaabentageS 
erreicht gu haben." 


Athrttarfitytfe. 


Arbeilerfcßith'Bebingimgfit bei Stoaidbaitteii in Brengen« Die 

in ben allgemeinen BertragSbebingungen für bie Ausführung oon 
Staatsbanten bereits oorgefehenen £>anbhaben, bie Unternehmer 
gur Befd)affung eines geeigneten UnterfommenS für ihre Arbeiter 
fomie gur Darbietung einer angemeffenen Beföftigung anguhalten, 
fmb einer anberen Raffung utttergogen worben (ogl. „eog. BrayiS" 
9Jr. 28 Sp. 751 ff. unb 3ah r 9- ^47 f.)! Die neuen, fünftig 

beim Abfdjluß oon Berträgen mit Unternehmern angumenbenben 
Beftimmungen lauten: 

„Der Unternehmer hat, foweit eS feinen Arbeitern nicht felbft mög¬ 
lich ift, angemeffene Unterfunft ober Berpflegung gu entfprecßcnbcu 
greifen gu ßnbeit, bie bagu erforberlrcßen dinri^tungen auf eigene 
Koften gu treffen, dr hat ben in btefer Begtehung an ißn gefteDten 
Anforberungen ber bauleitenben Beamten gu genügen. Auch i m Uebrigen 
hat er bcn;enigen Anorbnungen gu entfpredjen, welche gur Sicherung 
ber defunbßeit feiner Arbeiter unb gur Söaßrung ber Aeinlicßfeit oon 
ben bauleitenben Beamten getroß'en werben. Abtritte finb an ben ißm 
oon ben Seßteren angewiefenen Bläßen ßerguftfllen, regelmäßig gu bes- 
inßgiren unb bemuäcßft wieber gu befeitigen. Der Unternehmer ift ferner 
oerpflicßtet, auf ben BaufteHen bie gur erften ^ülfeleiftung oor Anfunft 
bes AnteS erforberltdjeu Berbanbmittcl unb Argneien naeß ben Stei¬ 
fungen ber bauleitenben Bcßörbe bereitgußalten. Die bauleitenben Be¬ 
amten fmb berechtigt, bie orbnungSmäßige Ausführung ber auf drunb 
ber Beftimmungen biefeS AbfaßeS getroffenen Anorbnungen gu über¬ 
malen." 

Der Btiuifter ber öffentlichen Arbeiten ha* gualeidh an bie 
nadßgeorbneten Behörben bie drmartung auSgefprocßen, baß bie 
bauleitenben Beamten einer angemeffenen Unterbringung unb Ber¬ 
pflegung beS bei ben Bauausführungen befchäftigten Arbeiter- 
perfonals ihre Aufmerffamfeit guwenben unb burd) häufigere Be- 
oifton ber SBohuftätten ic., inSbefonbere ber etwa erbauten Arbeiter- 
baracfen, fich baoon übergeugen werben, baß für baS Unterfommen 
unb bie Beföftigung ber Arbeiter gehörig geforgt ift, amß bie etwa 
erlaffenen Boligeiocrorbnungen Beachtung gefunben haben. Bei 
Bfüfung ber S^age, ob eS ber §erfteKung befonberer dinrießtungen, 
wie ber drbauung oon Baracfen, Speifeanftalten 2 c. bebarf, foüen 
nießt nur bie Sntereffeu ber Berwaltung, fonbern aueß bie eigenen 
BJüufcße ber Arbeiterfcßaft angemeffen berüeffteßtigt werben. 

Die Sißwefelfoßletifioff-Bergiftiittg ber ©ummi-Arbeitcr. 3a 

erfreulicher Steife beteiligen fuß immer weitere Kreife an ber 
fiöfuug ber fogialen Aufgaben. Bon befonberem SBertße ift bie 
facßoerftänbigeSRitwirfung berAergte. 3a einer foeben erfeßienenen 
SRonograpßie über „Die Scßwefelfoßlenftoff-Bergiftung ber ©ummi- 
Arbeiter"*) lenft Dr. Bubolf Caubenßeimer bie Aufmerffamfeit auf 
eine bisßer weniger befannte ©emerbefrattfßeit, bie um fo 
größere Beacßtuug oerbient, je meßr bie Batentgummi-Snbuftrie 
DeutfcßlaubS im Aitfcßluß an ben rapiben Auffcßmung berdleftro- 
tedßnif an Umfang gunimmt. Scßon jeßt befcßäftigt bie dummi- 
brarteße minbeftenS 5000 Arbeiter, oon benen naeß Sdßäßung beS 
BerfafferS etwa 20o/ 0 unter ber SBirfung beS naeß ben Unter* 
fueßungen C.’S ßöcßft gefäßrlicßen ©ifteS fteßen. Der aueß fonft 
oielfacß inbuftriell oerwertßete Scßmefelfoßlenftoff fteßt eine leießt 
flüeßlige, ftecßeub rieeßenbe ÖUiffigfeit bar, welcße in ber durnrni* 
fabrifation ba^u benußt wirb, bem Kautfcßuf bie nötßige dlaftigität 
unb §>altbar!eit m oerleißen. Bfan nennt biefen Brogeß, ber barin 
befteßt, baß bie fertigen dummifabrifate längere 3 e ü «ab wieber- 
ßolt oon Arbeitern in biegliiffigfeit eingetaueßt werben, Bulfani- 
firen. Dabei finb bie — meift weiblichen — Arbeiter ben giftigen 
Dämpfen beS ScßwefelfoßlenftoffS auSgefeßt. fießtere wirfen, ähn¬ 
lich wie dßloroformbämpfe, in größerer SRenge betäubenb, in oer- 
bünntem 3aftanb eingeatßmet, oerurfaeßen fie leießtere neroöfe unb 
gaftrifeße Befcßwerben — an benen naeß ben drfaßrungen bes 
BerfafferS fämmtlicße oulfanifirenben ©ummi-Arbeiter leiben — 
füßren jeboeß, wenn bie dinatßmung, wie es im gabrifbetriebe 
gefeßießt, Dag für Dag wieberßolt wirb, nießt feiten gu lang¬ 
wierigen Sßeroenleiben ober feßmeren, felbft unheilbaren ©eifteS- 
ftörunq,en. Aus bem ßeipgiger 3nbuftriebegirf allein, welcßer eines 
ber größten 3 c atren ber ©ummifabrifation barfteHt, ßat ber Ber* 
faffer, ein ßeipgiger Argt, über 50 fernere drfranfungSfälle gc- 
fammelt, unb er berechnet an einem großen ftatiftifeßen SRaterial, 
baß in ber ©ummibraneße ber Brogentfaß ber geiftig erfranfteu 


*) Dte Scßwefelfoßlenftoff-Bergiftung ber duntnü-Ar- 
beiter, unter befonberer Berücfficßttgung oer pfodjifcfjen unb neroöfen 
Störungen unb ber dewerbeßtjgtene oon Dr. sftubolf l'mtbenheimer. — 
Berlag oon Beit unb dontp., teipgig 1899 VII mtb 282 Seiten mit 
AbOiloungen im Dert nub 2 Tafeln. — Breis 8 '* f 




©ogiale $raji3. Centralblatt für ©ogialpoltttf. Bfr. 41. 


1108 


Arbeiterinnen 7 mal grö&er ift als in anberen, nic^t mit ©dhroefel* 
fohlenftoff arbeitenben $abrifationSgroeigen. Da gegenüber ber 
ausgebilbeten Vergiftung bie ärgtlidje $unft faft machtlos ift, fo 
fittb prophplafttfdje Bttafcnahmen um fo unerläßlicher. An 
ber £anb genauer in Sabrifen ausgeführter ßuftanalpfen unb 
oielfadjer praftifdfjer Verfuge, welche ber SSerfaffer in ©emeinfchaft 
mit ben ©anitäts* unb ©eroerbeauffichtsbehörben angefteHt l>at, 
roirb gegeigt, tuo bie gehler ber heutigen gabrifationSroeife liegen, 
unb welche Mittel es ermöglichen, biefelben git oermeiben. Daß IeßtereS 
praftifdj bnrtbfübrbar ift, roirb beroiefen burch bie günftigen fani* 
tären Verhältuiffe eines großen £eipgiger ©tabliffements, welches 
bie oon 0. angeregten bwenifcfjen Verbefferungen, bie ausführlich 
befchrieben unb burch Abbilbungen erläutert roerben, im Vulfanifir* 
betrieb eingeführt hat. Diefe praftifd) erprobten ©chußoorrich 8 
tungen fcheinen wohl geeignet, als VaftS für etroaige reidjs* 
gefefclicbe SBorfchriften gu bienen, bie nach Slnjicht beS Ser* 
fafferS gum ©chuß ber Arbeiter gegen baS beimtücfifehe iubuftrielle 
©ift, roelcheS alljährlich bie förperlidje unb geiftige ©efunbheit 
untergräbt, unbedingt erforberlicf) finb. Sine Angabi weiterer 
ärgtlidjer unb fogialpolitifcfjer Vorfd)läge gur ©anirung ber patent* 
gununi*3nbuftrie finb am ©d)luß beS Ruches gufammengeftellt. 
Das gebiegen auSgeftaticte Werften bürfte nicht nur für ärgtliche 
Greife, fonberu auch für 3nbuftrieHe, Stechnifer, ©eroerbe*Auf* 
fichts* unb VerroaltungSbeamte oon praftifchem Sntereffe fein. 


3 Ubetten>erßd)enrag. SiparkodTeu. 


Die leittfdje ©ee*93ernfSgenoffenf(haft 1898. Biach bem Ver= 
roaltungSbericht*) betrug bte 3 a hl ber eingetragenen Mauffahrtei* 
fchiffe am 1. Sanuar 1888: 3189, am 1. 3anuar 1899: 2627. 
Der Bh'icfgang ift jeboeb auSfchließlid) auf bie ©rfeßung fleinerer 
hölgerner ©egler burch größere eiferne ©egler unb Dampfer 
gurücfgnfübren. Denn bie 3altf ber h<>4 ernen Regler ging oon 
2332 im Saljre 1888 auf 1208 im Sabre 1899 gurücf, roährenb 
fich biejenige ber eifernen ©egler im gleichen 3eitraum oon 174 
auf 378 unb biejenige ber Dampfer oon 683 auf 1041 oermehrte. 
Die Abnahme ber ©chiffSgahl fällt bei ber grö&eren ßeiftungS* 
fähigfeit unb ben größeren Btaumoerhältniffen ber Dampfer alfo 
mit einem anfehnlichen unb ftetigen Auffchroung ber beutfdjen 
Äauffahrteifchifffahrt gufammen. Daneben finb noch 208 Hochfee* 
fifcher in bie ©euoffenfdjaftSregifter eingetragen unb groar 59 hölgerne, 
25 eiferne ©egler unb 124 Dampfer. Dte 3al)l ber Serficherten 
betrug 1888:37 795, 1889: 40 400, 1898: 48 648; ber anrech 8 
nungSfähige SahreSarbeitSoerbienft 1888: 21, 4 , 1889: 22, 6 , 1898: 
26,5 Millionen BRarf, bie Umlagen fliegen oon 163 000 im Sabre 
1888 unb 257 000 im Sabre 1889 auf 688 000 JL im Sabre 1898. 
Daoon rourben in ben gleichen Sahren an ©ntfehäbigungen begahlt 
10 000, 66 000 unb 459 000 ,/1(, unb für ben BteferoefonbS gurücf- 

Ä 29 000, 133 000 unb 46 000 Die VerroaltungSfoften 
jen im abgelaufenen ^Rechnungsjahr 182140 dl, roooon 
151 503 J( auf bie ©enoffenfehaft unb 30 636 J(, auf bie ©el* 
tionen entfallen. Bfadh ben Veamtengehältern mit 51 338 Jt ent* 
fallen hieroon bie größten SBeträge auf bie Ueberroachung ber Ve* 
triebe: 16 928 unb auf bie Äoften ber UnfaHunterfuchungen 
10 290 <JC. BBie fegenSreid) eine geregelte VetriebSüberroachung, 
roie fie burch bie ©infeßung eines ftaatlidjen HafeninfpeftorS in 
Hamburg geregelt roorben ift, roirft, geht aus bem SahreSberidjt ber 
©IbfchifffahrtS*söerufSgenoffenfchaft ßeroor. Danach haben fidj bie 
burch Unfälle oerurfadjten DobeSfäfle in ben fpegieÜ Hamburgifchen 
betrieben im Vergleich gu 1897 um etroa 50o/ 0 oerminbert. Dur* 
Unfälle heroorgerufeue fcfjroere Verleßungen, bei benen bie gegen Unfall 
Verwerten länger als fed)S BRonate haben gefeßlich unterftüßt 
roerben müffen, haben M) im Verhältitiß gleichfalls gegen baS 
Sahr 1897 oerminbert. leichtere Unfälle, bei benen bie Verfidherten 
fiirgere 3rit als fechS BRonate Unfallreute begogen, haben fidf) aller* 
bings etroaS oermehrt; es ift f)tcrbei aber in betracht gn giehen, 
bafg Hamburgs .staubet unb ©chifffahrt im Allgemeiuen fiel) oer* 
grö^ert haben, baß alfo mehr betriebe entftanben finb unb baß aud) 
bemgufolge bebeutenb mehr Arbeiter befdjäftigt rourben als 1897. 

Unfälle rourben gnnelbet 1888: 854, roorunter 654 23er* 
lehmigen unb 200 DobeSfälle, 1889: 1352 (903 Verlcßte unb 
149 DobeSfälle), 1898: 2419 unb groar 1957 Verlegungen unb 
462 XobeSfälle. Der Ööroenantheil fällt ben ftauffaßrleifchiffen 
gu, 1898: 2265 Unfälle 1 1838 Verlebte unb 127 DobcSfätle), 


1104 


roährenb auf oerroanbte betriebe 10 Unfälle, roorunter 2 %o be§* 
fälle, unb auf bie ^ochfeefifdjer 144 Unfälle, roorunter 33 DobeS* 
fäUe entfallen. Von gufammen 462 angemelbeten Dobe&fällen 
rourben 104 entfehäbigt. Unter ben DobeSfäUcn befanben fuß 179, 
in benen feine Hinterbliebenen oorhanben roaren. Abgeroiefen 
rourben bie ©ntfdjäbigungSanfprüche in 57 gälten, unent|d}ieben 
roaren \it in 31 gälten, ©elbfttnorb roar in 16 gällen bie XobeS* 
urfache. Von 1957 angemelbeten Verlegungen hatten nur 28 oollige 
unb 145 theilroeife bauernbe ©rroerbSunfähigfeit gur Solge. Von 
ben begabten 459 271,8« ©ntfdjäbigungen entfielen auf bie 
DobeSfälle 253 541,55 t 4i, auf Äoften für Unterbringung im&ranfen* 
hauS 27 711,82 Ji. Sn gällen ber ©rroerbSunfähigfeit rourben 
begahlt au 117 ^erfoneit bie Äoften beS HeiloerfahrenS mit 
5189, 8 6 an 1218 oerlehte ^erfonen 168 052, 78 Jt, an feh@ 
AuSlänber 4775 /8 5 jft Abfinbuug. 

Die toftrttettilitrfttfdje Sn^altbitätS* nnb AlterS-Verfuhennt^ 
aiiftalt nnb bte Sfomfenfftrforge. V3ir roerben aus ©tuttgart oon 
gefdjäbter Hanb barauf bingeroiefen, bafe in bem Auffafc beS §errn 
Dr. Vothholg in Verlin über „bie 5ltaufenfürforge ber Ver* 
ficherungsanftalten ber Snoalibitäts* unb AlterS*Verficherung für 
1898" („©ogiale $rayiS" Bfr. 39 ©p. 1055—1058) bie Heil* 
behanblungSftatiftif beS BteichS*VerficherungSamtS aus Amtlichen 
BJachrichten beffelben Bfr. 6 00 m 1. Suiti 1899 ©eite 482/83, 
©eite 484/85 unb ©eite 508/9 infofern unrichtig übertragen ift, 
als bie roürttembergifche VerficherungSauftalt in ber erften 
3ufammenfteHung auf ©eite 1056 ber „©ogialen ’prayis" oor 
2 BeftfaIen mit ben Sah^n: 


VerfrcherungS* 

anftalt 

ü B 

Jo*o'*a 

SS 

a ^ 
CO« 

Daoon 

in I in nicht* 
ftänbiger | ftänbiger 
Heiloehanblung 

Ver* 

pflegungs* 

tage 

Äoften* 

aufroanti 

M. 

Württemberg . . 

213 

212 

1 

12 041,6 

46 603 ,94 


unb in ber groeiten 3ufammenftellung auf ©eite 1056 ber „Sozialen 
^rayiS" ebenfalls oor s Beftfalen mit ben 3 ahkn: 


Verftcherungs* 

anftalt 

s. 

>»B B 

MÜ s 

fit 

Daoon 

in I tn nicht 8 

ftänbiger | ftänbiger 

Ver» 

pflegungS» 

tage 

Sofien* 

aufroanb 


00 

Heilbehanblung 

Ji . 

Württemberg . . 

543 

503 40 

24 029 

84 602,w 


aufguführen unb nicht mit ben übrigen Anftalten gufammem 
guroerfen roar. 


^rbeUpnoi^tiieip. 

©in fftr ben nnparietifthen ArbeiiSna<htteiS. 6r n,t 

©ünther, H cr ä°9 3 U ©chIeSroig*Holftcin hat gur eigenen Velehnn l 9 
Unterfuchungen über ben ArbeitSmarft angefteüt unb beren 
gebniffe in einer Vrof^üre mit bem Ditel nieberaelegt: „Arbeite 
nachroeis unb ArbeitSoermittelung. Von ©rnft ©ünther, H>ergog 
gu ©chleSroig*Holftein; ©tuttgart, Sßapieif unb Drucf ber Deutzen 
Verlagsanftalt." — Die Vrofchüre, bie nicht im freien 23 ucf)hänbler* 
oerfehr ift, ftellt fich «ach ben Vfittheilungen aus ihr als ein« 
ernfte Arbeit bar. Die oorurtheilslofe ©eftnnung, bie fie bur# 
roeht, erläutern folgenbe ©äfce: „3u ben Aufgaben, roel^e auf 
fogialent ©ebiete ber fiöfung harren, gehört eine groecfniäfeige Cr* 
ganifation ber ArbeitSoermittelung. 2»aS in biefer Vegiehuitg ot> n 
ber BieichSoerroaltung unb oon ben VunbeSregierungen in ben 
lebten Salden gefd)ehen ift, befchränft fich gumeift auf Anregungen, 
roelche nur gu oereingelten lofalen ©inri^tungen geführt ^aben. 
©ine utnfaffenbe gleichmäßige Regelung beS ArbeitSnadjroeifeS ftebt 
noch au$* $aS Vebiirfniß einer fold^en fann einem 3 roc ^ 1UC !! 
unterliegen." Der ©chlufefab ber gangen Arbeit lautet eben|o 
wörtlich: ,,©oE ber Arbeitsnachweis lebensfähig erhalten roerben, 
fo muß ftrenge llnparieilidjfeit für ihn bie Bforrn bilben unb ferne 
^ortbauer nid)t etroa oon einzelnen Veftimmnngen, fonbern lebtiV 
lieh oon Angebot unb Biachfrage abhängig bleiben." Vei ben 
nahen oerroanbtfd)aftlid)en Vegiehungen beS VerfafferS guin bcutfdK« 
Äaifer oerbient bicfeS 3 eu 9 «r 6 für ben unparteiifchen ArbcitSnii^ s 
weis unb bie Bfothroenbigfeit feiner Crganifation befonbere ve* 
ad)timg. 


) V?illi. -Velin, immburg, 1^09. 



1105 


©ojialc fragte. (Jentralblatt für Sogialpolitil. 9ir. 41. 


1106 


Die ©etttralanftoli für Arbeitsnachweis in Siegiiß, 

Die int SRooember 1898 eröffn etc Anftalt fcßließt ftd^ in ißrer 
Drganifation ben in Süb* unb VSeftbeutfcßlanb befteßenben Ver* 
banbSarbeitSnacßweifen an. Sie wirb gleich biefen non einem aitS 
ben Vertretungen beS Stabt* unb SanbFreifeS Siegniß, einer SReiße 
geroerblicfjer unb gemeinnüßiger Vereine unb einer Angaßl ffäbtifcßer 
wie länblicßer Arbeitgeber gufammenaefeßten Verbanbe unterhalten. 
Die Vertretung bes VerbanbeS unb Die Leitung ber Anftalt erfolgt 
burch einen auf gwei 3aßre gewählten VerwaltungS-AuSfcßuß, 
welcher aus einem Vorftßenben unb feeßs Vtitgliebern befteht. Von 
ben leßteren muffen je brei ber Stabt unb bem Sanbe angehören; 
bie SSaßl ber länblichen SRitglieber finbet in ber Sßeife ffatt, baß 
ein Sföitglieb oon bem kreiS-AuSfcßuffe beS SanbFreifeS, gwei oon 
bem lanbwirthfcßaftlicßen kreiSoereine gewählt werben; oon ben 
ffäbtifcßen SRitgliebern wirb eins oon bem Vtagiftrat, gwei oon 
ben Vertretern ber ftäbtifd^en Vereine 2 c. gewählt. Die leßteren 
follen möplichft ber Snbuftrie unb bem |>anbwerf angehören. Von 
ber Vethetligung oon Arbeitern am AuSfcßuffe hat einftweilen Ab« 
ftanb genommen werben müffen, ba es noch Schwierigfeiten macht, 
geeignete Iänbücße Arbeitnehmer gu finben. Der Vorfißenbe wirb 
oon bem VerwaltungS-AuSfcßuffe unb ben in Siegniß wohnenben 
aftioen ober inaftioen Staatsbeamten gewählt. 

(Sine Abänberung ber Saßungen barf nur burch Vefcßluß ber 
SRajorität fowohl ber ffäbtifcßen wie ber länblichen SRitglieber beS 
weiteren VerbanbS-AuSfcßuffeS erfolgen. 

Abgefehen oon biefen bie gleichmäßige uitparteiifche Verücf* 
ftchtigung ber ftäbtifchen unb länblichen 3ntereffen ftchemben Vor« 
fchriften hat wegen ber augenblicklichen Arbeiternoth auf bem Sanbe 
unb beS im ©egenfaß ßiergu in ben größeren Stäbten oor* 
hanbenen UeberangebotS oon Arbeitskräften bie Veftimmung ge* 
troffen werben mü|fen, baß in ber SRegel bie ftäbtifchen ArbeitS* 
ftellen ben ftäbtifchen Arbeitern oorbeijalten ftnb unb länblicße 
Arbeiter nicht in ftäbtifche VerufSarten oennittelt werben bärfen. 

Diefe Veftimmungen finb ittSbefonbere auch getroffen worben, 
um bem oon Seiten ber Sanbwirtße fo oft gegen bie Verbinbung 
oon ftäbtifchen unb länblichen ArbeüSnacßweifen erhobenen Ve- 
benfen, baß fie „ben 3ug in bie Stäbte" begünftigen, gu begegnen. 
Die Seiter beS VerbanbeS fiebert auf bem StanbpunFt, baß bei 
getrennten SRacßweifen bie tanbfliichtigen Arbeiter, welche gunäcßff 
ben gewerblichen Arbeitsnachweis auffuchen unb bie bort ange* 
botenen Stellen begehren werben, anftanbSloS in ftäbtifchen Stellen 
untergebracht werben; im beften galle werben fie abgewiefen unb 
fallen bann einem Agenten in bie $änbe, ber auch «in 3ntereffe 
baran hat, fie bem Sanbe gu erhalten, dagegen fann eS bei einer 
Vereinigung beS ftäbtifchen unb länblichen SRacßweifeS unter ben 
getroffenen lauteten bei einer fachgemäßen Leitung oiel leichter ge* 
fingen, bie nach &er Stabt brängenben (Elemente auf bie ben 
etwaigen höhnen Sohn ber ftäbtifchen VerufSarten bei weitem auS* 
gleichenben teureren SebenSoerhältniffe ßinguweifen unb fie baburch 
unter gleichgeitigem Nachweis einer Auswahl oon länblichen Stellen 
bem platten Sanbe gu erhalten. 

Die Erfüllung biefer Aufgabe liegt fowohl im Sntereffe beS 
platten SanbeS wie ber Stäbte, inbem baburch einerfeitS ber immer 
mehr broßenben ©ntoölferung beS erfteren, wie bem Anwacßfen beS 
Proletariats in ben leßteren entgegen gewirft wirb. 

3n golge biefer — ben Sntereffen ber Sanbwirtßfcßaft in 
oollem Umfange gerecht werbenben — Vorßhriften, ift es gelungen, 
ein Abfommen mit ber SanbwirtßfcßaftsFammer ber Prooing 
Schießen gu treffen, wonach Anftalt gewiffermaßen bie loFalen 
©efcßäfte oeS Arbeitsnachweis ber leßteren übernommen hat. 

Auch mit ber königlichen ©ifenbaßnbireFtion ßnb bezüglich ber 
Vahnarbeiter*VermitteIung Vereinbarungen getroffen worben, nach 
welchen fowohl ber Vebarf oon ArbeitsFraften wie ©ntlaffungen 
ber ©entralfteHe redfffgeitig mitgetßeilt werben. Seßtere ift babureß 
einerfeitS in ben Stanb gefeßt, bie ArbeitSFräfte bortßer gu nehmen, 
wo gerabe ein lleberfluß baran oorhanben ift, alfo meift aus ber 
Stabt, unb anbererfeits in ber Sage, bie ©ntlaffenen bortßin gu 
birigiren, wo ein Mangel an ArbeitSFräften ^errfeßt. 

mit ben Vereinen gur gürforge entlaffener Strafgefangener 
finb Verhanblungen baßin eingeleitet, baß bie Stelle gang bie 
©efcßäfte berfelben unb namentlich auch &« ratenweife AuSgaßlung 
ber Unterffiißung begw. beS erfparten ArbeitSoerbienffeS über* 
nimmt; es hat bies ben Vortßeil, baß ber ©ntlaffene täglich auf 
bem Arbeitsnachweis oorfpreeßen muß unb baburch leichter in eine 
paffenbe Stelle gebracht werben Fann. 

Auch bie £erbergSoereine unb SRaturaloerpflegungSftationen 
iibetweifen ber Stelle regelmäßig ihre Schößlinge. Innffcßtlicß ber 


Seßteren würbe es wünfcßenSwertß fein, baß fie gang unter bie 
Seihtng ber ArbeitSnacßweiSftelle geffeHt wirb. 

©in feßr wichtiges SRecßt ift ber Anftalt oon bem $errn 
SRiniffer ber öffentlichen Arbeiten ©erließen worben, baS S^edßt, be* 
ßufs Veförberung ber Arbeiter naeß auswärts biefen ©utfeßeine 
auSguffellen, welcße feitenS ber gaßrFartenauSgabeffeHen an 3aßlut\gS* 
ftatt angenommen werben. 

Die Vermittelung erfolgt für Arbeitnehmer unentgeltlich, jeboeß 
müffen fie eilte ©infdßreibegebüßr oon 20 ^ entrichten, welcße bei 
ber Abmelbung guriief gegeben wirb. Arbeitgeber haben eine in 
feßr mäßigen Säßen ßcß bewegenbe ©ebiißr gu gaßlen, welcße bei 
ber Anmelbung gu entrichten unb bei 3urücfgießung ober Nicht¬ 
erfüllung beS ©efucßeS gurüeferffattet wirb. Diefe Vorfcßriften be* 
gweefen bie ©erbeifüßrung recßtgeiiiger Söfcßung nießt meßr be* 
fteßenber ©efueße in ben Vücßern. 

Droß mannigfacher Anfeinbungen oon ben oerfeßiebenften 
Seiten unb oielfacßen ScßwierigFeiten ift es ber Anftalt gelungen, 
in ber Furgen 3 e ü iß«S VefteßenS bereits nennenSmertße ©rfolge 
ju ergielen. SRacß bem Abfcßluß für bie erften oier Vtonate feit 
ißrer Vegrunbunj ftnb im ©angen gemelbet worben 793 Stellen, 
unb gwar 537 für SKänner, 256 für §rauen; biefen ftanben gegen¬ 
über 399 Stettengefucße, unb gwar oon 333 Vtänneru unb 
66 grauen. Verücfficßtigt man bie nacßträglicßen 3 ur ütf3ießungen, 
— bie namentlich im Anfang feßr häufig waren, ba ber ©efcßäfts* 
füßrer einerfeitS noeß nießt bie erforberlidje ©ewanbtßeit befaß, 
anbererfeits aueß bie Auswahl noeß gu gering war unb fomit bie 
eigentlichen Vermittelungen ließ feßr oergöaerten — fo bleibt ein 
Stellenangebot oon 603 (444 2Ränner, 159 grauen) unb 223 Stellen* 
gefueße (184 Vtänner, 39 grauen). $)aS VermittelungSergebniß 
war 151 (124 Vlänner unb 27 grauen), alfo etwa 70 % ber 
enbgültig angebotenen ArbeitSFräfte; babei ßat bie VermittelungS- 
tßattgFeit mit jebem üftonat gugenommen unb im oierten Vtonate 
faft 100 % ber angebotenen ArbeitSFräfte erreicht. 

3 m ©ingelnen ßat fteß ßinficßtlich ber oerfeßiebenen Steige 
ber in Vetrad^t Fommenben VerufSarten golgenbeS ergeben: 

1 . An §>anbmerFern unb gelernten Arbeitern ift ein erheblicher 
Mangel oorßanbeit. 

2 . Vei ben ftäbtifeßen Arbeitern geigt fieß ein lleberangebot 
oon männlicßen ungelernten Arbeitern, baS fieß gwar buchmäßig 
nur auf etwa 100 köpfe beläuft (Stellenangebot 63, Stellen* 
gefueße 164), tßatfäcßlich aber weit ßößer ift, ba gegen 300 fieute 
wegen mangelnber ßegitimation gar nießt erft in bie Vücßer ein¬ 
getragen finb. 

3mn £ßeit mag bieS aHerbingS barauf berußen, baß feitenS 
ber gabriFen bie SRacßmeiSfielle meift nur für gelernte Arbeiter in 
Anfprucß genommen ift unb ißr Vebarf an ungelernten Arbeitern 
fomit nießt beFannt geworben ift; {ebenfalls ift ein £ßeil ber ßeute 
in ben gabriFen auf bireFte Anfrage eiugeftellt worben. 

Vei ben grauen geigt fuß baS umgeFeßrte Verßältniß, ein 
Vteßrangebot oon Stellen (139 gegen 56 ©efueße), baS fieß nament¬ 
lich auf $>ienftboten begießt. 

3. Vei bem länblicßen ArbeitSperfonal geigt fieß aud) 
unferer Anftalt bie Arbeiternoth in erfcßredfenbfter ?ßeife. @S 
würben oerlangt 350 männlicße unb 116 weibliche Perfonen, gu* 
fammen 466, unter Verliefficßtigung ber Abmelbungen 408 
(314 Sßänner 94 grauen); bagegen melbeten fieß nur 75 3Ränner 
unb 8 grauen, oon benen fuß wieber 25 unb 4 abmelbeten. 5)er 
Veft würbe natürlich fofort bei ber Vtelbung bureßweg gut unter* 
gebracht. Auch gelang eS, 12 2J?äitner unb 4 grauen, Die früher 
auf bem ßanbe gelebt hatten, burch Sßacßmeifung guter Stellen 
wieber bem Sanbe gugufüßren. 

©S wirb beabfirfjtigt, bie Siegnißer ^acßweisftelle gu einer 
©entralfteüe für ben gangen SRegierungSbegirF auSgubauen, fobalb 
erft noeß in aitbern Stäbten unb kreifen äßnlicße ©inrießtunaen 
gefeßaffen finb. S)ie in biefer Sfticßtung gegebene Anregung Des 
|>errn StegierungSpräffbenten ift allerwärtS günftig aufgenommen 
worben, unb in ben Stäbten begw. kreifen ©örliß, Sauban, £>irf<h* 
berg, SanbeSßut, Vunglau, ©olbberg, §at)nau fmb ingwifeßen 
bereits gleiche NacßweiSftellen naeß Siegnißer Vtufter eingerichtet 
ober werben in Fürgefier griff eröffnet werben. 3« einigen an* 
beren kreifen fmb ebenfalls feßon bie Vorbereitungen bagu im 
©ange, fo baß in bem SRegierungSbegirF Siegniß bie ^Reform bes 
ArbeitSoermittelungSwefenS halb oößig gur Durchführung gelangt 
ffin wirb. Dr. p. Söiebenfclb. 


Die Dßfttigfeit ber Ifleliflörfe tu ©ent 1898. Dem 3aßres* 
berießte ber ©enter Arbeitsbörfe gufolge gingen ißr im Saufe beS 
3aßreS 1898 2190 ©efueße um Arbeit gu, wogegen 3299 Naeß* 



1107 


Soziale $ragi*. EentralMait für Sogtalpoltttl. Kr. 41. 


1108 


fragen nach Hrbeitöfräften oorlagen; 1819 ^erfotien rourbe Arbeit 
befdjafft unb groar gu roieberholten Vtolen, roaS aus ber Statiftif 
jeboch nic^t heniorgeht, ba bie Arbeitfuchenben nur einmal regiftrirt 
merben. 


Äoljlfa{)rteiti«rid)t«tiQen. 

$er kölner Verebt toeifcltdjer Angestellter bat feinen erften (1898) 
3«hresberid)t erftattet. Er gemährt in feinem BereinShaufe wolle Benfion 
gegen 40 bis 55 M. monatlich, SNittags* nnb Abcnbtifch, giebt UebungS* 
furfe (feine llnterrichtsfurfc), vcranftaltct, befonbers Sonntags, Vorträge, 
gefefligen Berfehr, Spiele u. f. tu., unterhält Bibliothef, £cfcgimmcr, Unter* 
ftiipungsfaffe unb einen Ausfchuß für Mranfenpflcgc. Bei ber Stellen* 
Vermittelung mürben oon ©efd)äftsinbabern 311 offene Stellen ange* 
melbet, 350 ©efitdje liefen ein, vermittelt mürben 122 Stellen. &as 
geigt fchon, baff es trop beS Angebots an paffenben Bewerberinnen 
vielfach mangelte. 2>cr herein betont baber bie Notfjroenbtgfeit befferer 
gachbübuitg. SRit beit Sdtmeftervereinen in Elbcrfclb, granffnrt unb 
Berlin ift ein gegenfeitiger AuStaufd) vorhanbener Angebote angebabnt, 
jeboch ohne befonbcrcit Erfolg bisher. NechtShülfc mirb gemälirt. £ie 
grage beS frühen (^cfrfjäftsfcfjluffes ift vom herein burclj einen Stuf* 
ruf an bas? faufcitbc Bublifum aufgemorfen, rnorin auf bie VJißftänbe 
beS fpäten l'aben« unb (^cfcf)äftSfctjluffoS für Schaber tvie AngefteHte 
hingemiefen mürbe, Eine große Angabi namhafter firmen ift ihm bei* 
getreten. Auf bem 28cge freier Vereinbarung ^ofjft ber herein b^cr 
etwas gu erreichen, Etwas fonberbar aber nimmt [ich in bem Bericht 
eines Vereins, ber bie Sutercffen ber Angeftetlten in erfter Üinic 511 
mabren hat, ber Abfdptitt ans?, ber von ber gcfeplidjen Regelung ber 
grage beS früheren i'abenfdjluffeS hanbelt. Er lautet: „$aß auf 
rabifale ^&>eife nur burch bie ©efepgebung geholfen merben fann, mirb 
nicht beftritten merben formen, £aß cs aber roünfdienSiverth unb im 
Sutcreffe beS guten Einvernehmens givifcpen Bringipal mtb Angefteflten 
fei, foldje Verbältniffe bitrch ©efepe gu regeln, föuneii mir nicht gugeben. 
Reformen, bie ber freien Vereinbarung groifeben ©efchäftsinbabern unb 
Angeftelltcn entfpringen, mirfen verföhnlid) in fogtalem Sinne, ^roangs* 
maßregeln burri) ©c)cße bagegen nidjt." kaum ein Stanb ift feinen 
Arbeitgebern gegenüber fo ohnmächtig, mie ber ober bie faufmännifche 
Angeftcflte gegenüber feinem Bringipal. Eine „freie Vereinbarung" 
groifd)cn ©cfdjäftöinbaber unb Angeftelltcn über fragen, mie bie be* 
regte, flirtgt bes?l)alb faft mie ein fdjledjter Scßerg. 

äRiSceflcti gut i>ettfföttenbetofgung. S)er kalter fyat ge* 
nebmigt, baß für biefeS Saßr bie Nothe kreug*ßotterie gu fünften 
beS ^eutfehen Eetttral*komüeS gur Errichtung von £>eilftätten für 
i'ungenfrattfe gefpielt mirb. Sie 400 000 ßoofe merben ebenfo 
mie cs fonft bei ber Kothen kreug*£otterie ber gfall ift, burch 
Vermittelung ber königlichen ©eneral*i?otterie*&ireftion begro. ber 
königlichen £otterie*Einnchmcr abgefept merben. — {für bie Er* 
richtung einer fiungenbeilftätte im ©roßhergogtljum DIbenburg bat 
bie Staatsregierung einen 3*4^11(3 von 75 000,// bemilligt. $aS 
®eutfche Eentralfomite gur Errichtung oon £>eilftätten für ßungen* 
franfe will fleh mit 10 % ber Vaufoften, unb bie 3nt>aliben*Ver* 
ficßerungSanftalt DIbenburg mit einem erheblichen 3 u f<ba& be* 
tbeiligen. — ®ie ©örliper Stabtoerorbncten bewilligten am 1. 3uli 
auf fünf 3ab*e einen jährlichen Veitrag von 1000 t.//. unb eine 
einmalige Spenbe oon 3000 , // gur Errichtung oon Volfsßeil* 
ftätten für Sungenfranfe in Sdjlefien. — 3»i Öorftbegirf Vogel* 
fang bei ©ommern in ber Vrooin^ Sadjfen mürbe bie 00 m Vater* 
iänbifd)en 'grauenverein errichtete erfte Vungenl)eilftätte für Stauen 
unb Ntäbcßen mit ca. 15 Varacfen, in ber fich bereits 35 ^erfoneit bc* 
fittben, eröffnet. — 3n Korroegeit foll neben ber erften VolfSbcil* 
ftätte, bie 1897 in KefnacS eröffnet mürbe, ein 8t. Sorgens .jpofpüal 
für unbemittelte AuSfäfcige erbaut merben. SDer Staat unterftüht 
meiter eine Keifje oon Secbopijen für kinber ^ur Vefämpfung ber 
luberfulofe unb Sfropbulofe. 




Vierter Verbanbdtag ber Vaugenoffenfdjaften ^entfchlanbS* 

Am 1. unb 2. 3uli fano in Verlin bie alljährliche VerbanbS* 
oerfatnmlung ber Vangenoffeufchaften ^cutfd)lanbs ftatt. ^em 
Verbaubc gehören 33 ©enoffenfehaften an, bie ihren Sifc haben in 
ben Stäbten Arnftabt, Verlin, Vlumenthal, kaffel, ^armftabt, 
Ebersmalbe, Erfurt, Tyalfeitberg, Mer ne, £>afle a. S., Hamburg, 
©aitau, Seua, MönigSberg i. ^r., kreujnad), konftanj, Mulmbad), 
i3ibccf, ^ubmigshafen a. Kl)., Üangeubrecr, iiiegnib, Viaunheim, 
Cbcrurfel, Vobsbam, Vaberborn, Schalfe, Sd)leSrcig, Silberhütte, 
S premberg, Stettin, VJilhelmöburg unb Bitten berge. VerbanbS* 
bireftoren fmb Keid)StagSabgeorbneter Sd)raber, Üanbrath Vertholb 
aus bem Mreife Vlumenthal (Vrooin^ .Jannoocr) nnb Anbrefen* 
Hamburg, .^auptgegenftanb ber Verhanblung mar inSbefonbere 
bie Srage ber ©elbbefchaffung für bie Vaugenoffenfdjaften. Ilm* 


fragen haben ergeben, bafc oon ben $rooinjialban!en, ^rooinjial* 
hülfSfaffen unb ähnlichen Mommunalinftituten acht (oon fünfzehn) 
fich & crc i* erflärt haben, an Vaugenoffenf^aften ^ppothefenbarlehen 
ju gemähren, aber sum Sbeil bei fehr niebriger Veleihungsgrcnse, 
bei gicmlich erheblichen 3iaS* unb AmortifationSfähen; oon Vau* 
gelbem ift bei biefen Maffeit faft gar feine Kebe. Auch bie §ppo* 
thefenbanfen, beren grofee Verbienfte um bie görberung ber Vau* 
thätigfeit oor einigen Sagen im Abgeorbnetenhaufe fo rühmenb 
heroörgehoben mürben, geigen gumeift feine Keigung, ben Vau* 
aenoffenfehaften erheblid) entgegengufommen. ^>ie §>auptgelbqueüe 
bleiben banach bie SaoaltbenocrficherungSanftalteu, melche Enbe 
1897 35 ,% ViilUonen Viarf für Arbeitermohnungen h^gegeben 
hatten. Sie SnoalibenoerftcherungSanftalt ^annooer hat mit bem 
hannooerfchcn Sparfaffenoerbanbe bie Vereinbarung getroffen, bafc 
bie Sparfaffen baS ©elb gu 3 o/ 0 erhalten unb ihrerfeitS gu 
31/2 % an bie Vaugeuoffenfd)aften meiter geben follen. ^aburch 
merben bie ©elber münbelficher angelegt, roährenb bie Vergehe* 
rungSanftalt ben Vetrag ihres Verm^enS, ben fie für Arbeiter* 
mohnungen aufroenben fann — ein Viertel — gu groeiten .^pppo* 
tiefen oerroenbet. ^)a& biefeS Veifpiel in anberen ^rooingen 
^ßreufeenS Nachahmung finben merbe, mürbe allerbingS begtoeifelt. 
AuS ben ©enoffenfehaften heraus rourbe berichtet, bafe nach lieber* 
minbung ber erften Schmierigfeiten bie Vaugenoffenfchaften theils 
bei oerftänbigen roohlhabenben ^Scrfonen, namentlich auch bei Unter¬ 
nehmern ©elo befotnmen hätten, baf; inSbefonbere aber bie Ar* 
beiter ihre Erfparniffe bei ben Sparfaffen abgehoben unb bei ben 
Vaugenoffenfchaften gur Verftärfung ber VetriebSmittel angelegt 
hätten. — AIS Ergebnis feiner Keoifionen ftettte ber VerbanbS* 
reoifor Dr. Schneiber*VotSbam feft, bafe trofe mancher Vtängel ber 
Drganifation unb ber ©efchäftsführung, bie fich im £aufe ber 
3eit befeitigen laffen mürben, bie Vaugenoffenfchaften .^eroor* 
ragenbes ooer bod) AnerfemtenSroertheS auf bem ©ebiete be? 
SöohmmgSbaueS geleiftet hatten. 

Eingabe ber Evattgelifchen Arbeiterberetne gttr SBohnnngSfrage. Anf 
ber 5)elegtrtenvcrfammlung gu Altona mürbe oon ben £elegirfen bc$ 
©efammtverbanbes ber Evangelifd)cn Arbeitervereine XeutfdilanbS be= 
fchloffeu, an bie SRinifterieii ber cingelnen Vunbc?ftaaten, an bie Cber^ 
bürgermetfterämter ber größeren Stäbte unb an bie Vorfcänbe ber 
Snvalibitäts* unb AlterSverfidicruugsanftalten Kunbfdjreiben gu crVcv^cu, 
um biefc Veljörben gur iWitmirfung bei ber ArbeiterroohnungSfürforgc ein* 
gulaben. ®ic beit SRinifterien gu unterbreitenben gorberungen fmb in 
folgeuben 5 ^ifferu formulirt: 

1. Einrichtung von 2anbeSbaubanfeit ober fianbeSfrebitfaffen gur 
Vefd)affuitg ber »augelber für gemeinnüpige Vaugenoffenfchaften. 
2 . Vcfreiung von ber Umfapfteuer, von ©ebiibren für Kedjtsafte unb 
von ben lanfenben Steuern für folcpe Vereinigungen. 3. Villige Ab¬ 
tretung von fiSfalifd)ent Vaugelänbe namentlich in ber Nähe ber 
gropeit Stäbte. 4. Sftöglidjfte SSohnung^fürforge in Vegug auf ftaatlidjc 
Unterbcamtc unb Arbeiter. 5. Regelung ber VSobnnngspoligei namens 
lief) in ber Ntdjtung einer periobifch regelmäßigen, gefuubheüspoligei* 
üd)cn Nevifion ber VJiethmohnuugen nnb SchlaffteUcn burch befonbere 
SßohnungSinfpeftoren 

3n bem Nunbfchretben an bie SuvalibüätS* unb AlterSverficberung*' 
anftalten mirb biefen bie Nachahmung bes VeifpielS ber Anftalt für bic 
$roviitg Hannover (vergl. ben vorhergehenben Artifel) empfohlen. 

$as Nunbfchreibcn an bie Cberbürgermeifterämter tritt neben 
einer energifdicn fommnnalen V>ohuungsfürforge für Errichtung unb 
Vergrößerung von Anlagen, Vromenaben unb'Mtnberfpielpläpcti, für 
bie Aufteilung von ©emeinbefdjulärgten, für bie Errichtung ftäbtifrfirr 
Vabeanftalteu, für bic Momunalifirung ber Straßenbahnen, für Volte* 
bibliotljefeu unb für AlterSfparfaffen ein. 

SBohtttragSfürforge in Stolp t./Vom. Nach bem „Bericht über bie 
Vcrmaltung unb ben Staub ber ©emeinbeangclegenheiten ber Stabt 
Stolp i./Vom. vom 1. April 1898 bis Enbe Vtärg 1899"*) betrug bei 
einer Eimvohnergaßl von 26 193 bie gahl ber vorhaubenen SSohmnigen 
am 5. Niärg 1899 5945, movon 37 uubemohnt mareu. $ic vorhaubenen 
Wohnungen hatten gegenüber bem Vorjahr um 146 gugenonnnen, bie 
unbemohnten bagegen um 10 abgenommen, ©ebaut mürben im Verid)ts= 
jahr 20 Sohnhaujer, im Vorjahr 25, 1896 97 13. ^er „Vauverein gnr 
Erbauung von Arbeitermohuungeu" ließ givci Arbeiterhäufer im ©erthe 
von 27 OCX) M. mit je 12 A*ofjuungeu erbauen, ^ie Nad)frage uadi 
ben oont Verein abgugebenben Wohnungen ift eine fehr rege. Tic 
VJiethspreife fehmanfen gmifchen. 100 unb 160 M . Am Schluß bc? 
oahrcs gäbltc ber Verein 155 Vfitgliebcr unb eS fonnte gum erften 
V?al ein Ncingcunuu von 2 % an bie ©enoffeu ucrtheilt merben. ^cr 
„Beamten* äßopnungS* nnb Sparverein" mit 19 Vlitgliebcrn erbaute 
4 S^ohnhänfer. Er befipt an Wohnungen: 

3 gu je 5 Zimmern gum greife von . . 460—510 Jt 

13 = = 4 = * * * . . 345—425 = 

8 = = 3 = = = * . . 300—325 = 

8 * * 2 (£acbgefrfjoß) gum greife von . 125 

: ) £rncf ber g. geige)d)eit Bmhbrudcrci, Stolp i./Bout. 1899. 



1109 


Sogiale PrajiS. ©entralblait für Sogialpolttif. Rr. 41. 


1110 


3u jeber SBohnung geboren Keller unb Bobenraunt unb in jebem 
föaufe befinbet fic^ eine SSafdjfüche unb ein ©obenraum. 3)er Rbfchlufj 
beS @efd)äftSjahrS weift einen Ueberfchufj non 889 Uf. auf. * 


(Erjie^ttttg trnb fiilbttng. 


VolfStwrlefnngen. 9Ran ftreibt uns aus 3franffurt: „$>ie 
VolfSoorlefungen, biefc auf betn 3ufammenarbcitcn ber ©eiehrten 
mit ben organifirten Arbeitern beruljenbe, allen politifd^en Be* 
ftrebungen gleichtnäfeig neutral gegenüberftehenbe 0form ber VoIfS* 
bilbungSbeftrebungen, näbern ftch allmählich bem punft, roo fie in 
ben Bereich ber öffentlichen Verwaltung fommen unb non ibr 
nicht nur Xulbung, fonbern pofttine §>ülfeleiftung beanfpruchen. 
®ie0 geigte ftch neuerbingS, am 12. Quni, bei ber Koitfereng ber 
Rhein s Btoittf<hen SluSfdbüffe für VolfSoorlefwtgen gu granffurt a/3R. 
unb am 13. Quni, mo ber naffauifebe ©täbtetag ficb auf feiner 
Verfatntnlung in RübeSheint, roobl als erfter ber beutfehen ©täbte* 
tage, mit ben VolfSoorlefwtgen befd^äftigte. 3u Öranffurt batten 
ftet), ohne jebe öffentliche ©inlabung, ©rfuchen an Behörben u. f. ro. 
Vertreter ber RuSfchiiffe oon 3-ranffurt a/RR., Karlsruhe, RRaing, 
©BieSbaben, Dffenbad), fmnau, ©iefjen u. f. m. gufammengefunben; 
ferner bie Vertreter gabireicher Ueinerer Drte, unb unter ben 3 Us 
börern au&er bem Dberbürgermeifter non Sranffurt auch ber Ober* 
präfibent ber Prooing ©raf 3 cr ^b- ßrgebnifc ber Berljanblungen, 
an benen fich überall ©eiehrte, Vertreter gemeinnüfciger infiniten 
unb Arbeiter als Vertreter ber ©eroerf fünften, Slrbeiteroereine u.f.ro. 
gleichmäßig beteiligten, mar ber Befähig gur Bearünbung eines 
bauernben BerbanbS, ber bie Bewegung namentlich auch auf baS 
flache ßanb hinaustragen foö unb ©Raffung eines Korrefpottbeng* 
0rganS. Ruf bem ©täbtetag gu RübeSheint, roo ©tabtratb Qflefch 
(Sranffurt a/RR.) inSbefonbere über bie Bebeutung ber BolfS* 
oorlefwtgen für bie Heineren Drte referirte, fonftatirte nach an* 
geregter unb lebhafter XiSfuffion $err Dberbürgernteifier non 
$beu (©ßieSbaben) als Borfifcenber, baß nach einftimmiger Slnficht 
ber Vertreter ber ©täbte beS RegierungSbegirfS bie VolfSoorlefungen 
oon ben ©euteinben nach ^bunlicbfeit gu förbern feien." 

Xie erfte ©teile in ber Sörberung biefer Begebungen nimmt 
unbeftritten ber £antburgif<he ©taat ein. Von befonberetn 
Sntereffe finb hier bie ©rünbe, bie ben Bürgerf<haftSauSf<huß oer* 
anlaßt haben, bem ©enatSantrag auf ©mchtung eines eigenen 
©ebäubeS für bie Rbhaltung ber in jebetn ©Sinter non ber Juber* 
fd)ulbebörbe gu oeranftaltenben VolfSoorlefungen unb anberen reinen 
roiffenf<haftli<hen Vorlefungen abgulebnen. ©in oont ©taate oer* 
anfialteteS VorlefungSroefen für große RRaffen habe nur bann ben 
richtigen ©inn, wenn es auf görberung ber VolfSbilbwtg abgiele 
unb roenn bie Vorträge fo geartet feien, baß fie im ©roßen unb 
©angen beim £>örer nur bie abgefcf)loffene VolfSfcfjulbilbung oorauS* 
fefcten. Heber ben ©egen folcber VolfSoorlefungen fönne fein 
3meifel f)tvc[d)tn unb ebenforoenig barüber, baß ber ©taat für 
folche Volfsbilbung febr roobl Opfer bringen fönne, bie für eine 
noch fo oerebelnbe Unterhaltung ber ©ebifoeten allein nicht roobl 
aufgeroenbet roerben bürflen. Run fommt aber ber bürgerfchaft* 
liehe RuSfchuß auf ©runb ber bisher gemachten ©rfahrungen ju 
bem ©rgebniß, baß es gur 3eit fich noch gar nicht übeefeben laffe, 
in roelcbem Umfang unb in welcher 3abt für biefen 3roerf 3uf)öxet* 
räume gu erbauen roären, um bem SBebürfrtiffe befinitio abgubelfen. 
9tach ber ©tatiftif über ben ©efuch ber ©orlefungen betrug bie 
©efammtgabl ber £>örer im 3Binter 1897/98: 5686, 1898/99 ba* 
gegen 7882. ®er größte bem ©taate gur Verfügung ftebenbe 
|)örfaal, bie 2luta beS SabanneumS, fafet 450 £>örer. 3nt hinter 
1897/98 fei gu manchen dürfen ber änbrana fo ftarf aeroefen, 
ba& ropbl hoppelt fo oiel Sßerfonen, als eingelaffen roerben fonnten, 
batten gurüefgeroiefen roerben müffen. @S fei oor biefen ©or* 
lefungen man^mal ein gerabegu lebensgefährliches ©ebränge auf 
ber kreppe entftanben unb jeber ^ßlafe b a & e langes, oft ein* 
ftünbigeS ©Sorten oor Söeginn bet ©orlefungen erfauft roerben 
müffen. ®er 3luSfchub ift baber ber Meinung, bafe eS gar fein 
©ebenfen bat, roäbrenb eines ^rooiforiumS oon einigen Sabren 
SSorlefungen, für bie oiele b un & er t 9 ar taufenb unb mehr 
©Reibungen gu erwarten finb, in ©älen ber großen ©amburger 
©tabliffements gu oeranftalten. 

5)er freittitttge ©rgiebuitgSbetratb für fibitletttlaffeite ©Saifett in 
©erlitt r bet 3000 SRttglieber gälilt unb ein Vermögen oon runb 
40 000 M. befipt, fjielt am 30. 3uni feine britte Oieneraloerfammlung 
ab. ®urdi ÄabinetSorbre finb bem herein bie 9ied)te einer juriftifefjen 
^erfoit oerlieben worben; nach berliner ©orbtlb haben ficb freiwillige 


©rgiebungSbeirätbe in 2)armftabt, ÄotlbuS, Sempelburg unb Äopen* 
bagert gebilbet; Vertreter ber ©täbte ^ranffurt a. SR., Hamburg, 
©otbenburg unb Kopenhagen befuchten bas ©ereinSbiireau gum ©tubhtm 
ber 3i e l f wob Drganifation. ?tach einem unter bem Xitel: „Staatliche 
Kinberfürforge unb ©ermanifirung ber C’ftmarfen" aufgcftellten Drgani* 
fationSplan folt burch Schaffung oon SRufterpflegefolonien bie öffentliche 
Kinberfürforge in ben ®ienft ber ©ermanifirungsbeftrebungen gefteüt 
roerben. 2)er herein felbft, ber fich oater* unb eiternlofer, unehelicher 
unb bauernb oom Skater oerlaffener Kinber annimmt, um ihnen in ben 
auf ihren Austritt aus ber Schule folgenbert fahren mit ^ath unb 
$hat beiguftehen, oerfügt über 1600 Pfleger unb Pflegerinnen unb hat 
feit ber ©riinbnng oon ben 6862 gemelbeten Kinbern 485 mit 2822 M. 
unterftiipt. 3m lepten öeriebtsjabre würben 1220 Kinber untergebracht. 
Unterftüfct würben 222 Pfleglinge, unb gwar 115 SRäbchen unb 
107 Knaben; bie 156 einmaligen unb 66 laufenben Untcrftüpungen er* 
forberten 9818 M. ©ine große Hngabl Kinber roerben außerbem oon 
ben Pflegern unb Pflegerinnen bireft unterftüpt. 3nt §ahre 1898 
würben 671 Knaben unb 334 SRäbcben einem !8eruf gugefuhrt. 2)urch 
Vermittelung oon Sommcraufentbalt für fränfliche Kinber forgt ber 
Verein auch für bie ©efunbbeit feiner Pflegebefohlenen unb ergängt bie 
2hätigfeit ber Vereine für fterienfolonien. 


fittenarifdie 2lnjeigeH. 

^ie gachthauSoorlage oor bem Reichstage. Rach bem offigieüen 
ftenograpbtfchen Bericht. Berlin 1899. Vertag: ©jpebition ber 
Buchhanbtung Vorwärts. 192 S. Preis 25 /%. 

RauticuS, Jahrbuch für 5)eutfchlänbs Seeintereffen (Berlin, ©.S.SRittler 
& Sohn, König!. §ofbuc|hanblung). 

^DieS Buch ift beftimmt, über unfere Seeintereffen — Kriegs* 
marine, Seehanbel, Seeschifffahrt, Kolonien, &äfen, Kanäle u. f. w. — 
Huftlärung unb Kcnntniß in weiteren Kreifen gu oerbreiten. $>en 
Sefer biefer Blätter wirb es befonberS interefftren, baß auch mehrere 
fogialpolitifche drittel Rufnabme gefunben haben, fo bie Arbeiter* 
intereffen unb bie glotte, Rrbeiterfchup unb ^ürforge in ber SRarine. 
Sin oerfebiebenen Stellen bes Buches fommt ber ©ebanfe gum Slusbrucf, 
baß Seemachtspoütif unb Sogialreform ftch nicht nur nicht auSfchließen, 
fonbern fogar gegenfeitig bebingen. 

o. Blume (©eneral ber Snfanteric ^ ®.) r ^i e ©runblagen unferer 
©Sehrfraft. 3 M., geb. 4 M. ©. S. äRittler & Sohn, Königliche 
^ofbuchhanbtung, Berlin. 

Slusgehenb oon ben Änforberungen, bie ber Krieg an bie nationalen 
Kräfte ftellt, unterfucf)t ber Verfaffer, welche Verhältniffe unb ©inflüffe 
im Staats* unb VolfSleben ber ©ntwicfelung jener Kräfte förberlich 
ober fchablich finb, was inSbefonbere uns notb thut, um uns ftarf gu 
erhalten gur ©Sahrung unferer ©hre unb Unabhängigfeit, gum Sdhub 
unfereS Rechts unb unferer 3ntereffen, gur Sicherung unferer Kultur* 
entwicfelung. 2)er ©igenart bes ©egenftanbeS eutfprechenb, erftreefen 
ftch bie Betrachtungen beS Verfaffers auf bie oerfchiebenften ©ebiete 
beS öffentlichen Gebens, auf bas oolfSroirtbfchaftliche, fogiale unb poli* 
tifche, ebenfo wie auf bas militärifche. 

StatiftifcheS Sahrbw^h für baS X)eutfche Reich, h c rauSgegebeu 
im Kaiferlichen Statiftifchen Ruit. 20. Jahrgang. Berlin, $utt* 

, fammer & SRühlbrecht, 1899, preis 2 M. 

tiefes nüpliche Scrf behaubeit befanntlich alle biejenigen ©egen* 
ftänbe, über bie jährlich gufammenfaffenbe ftatiftifche Rachroetfe für bie 
beutfdjen Staaten gebracht unb Summen für bas Reich gegogen Werben 
fönnen, fowie bie ©rgebniffe periobifcher Aufnahmen, bie für bas 
gange Reich oeranftaltet worben finb, g. B. ber Berufs* unb (bewerbe* 
gählung oon 1895. 3« bem neuen 3al;rgang fmb nicht nur bie 3ahreS= 
reihen ber Radjroeife fortgeführt, fonbern auch mancherlei neue Bttt* 
theilungen aufgenommen, u. 21., einem Befdjluffe bes Reichstags • ent* 
fprechenb, eine Statiftif ber gum Börfenbanbel gugclaffenen SSertl;* 
papiere. ®ie üblichen Kartenbeilagen bringen biefes SRal 3üwftrationen 
aus fehr weit auSeinanbcr liegenben ©ebieten beS VolfSlebenS: bie erfte 
geigt bie Verfchicbenheiten ber ©eburtenhäufigfeit im Reichsgebiet, bie 
groeite bie geograpljifche Verbreitung ber leytilinbuftrie, bie britte be* 
gieht ftch auf ben SBertf) bes auswärtigen .fjanbelS, bie oierte auf bie 
1898 er Reichstagswahlen. 

Protofoll ber Verhanblungen bes britten Kongreffes ber 
©ewerffchaften 2)eutfchlanbS. 2lbgebalten gu Jrrtnffurt a/2R.= 
Bocfenheim oom 8. bis 13. 2Rai 1899. Hamburg, Verlag ber 
©eneralfommiffton ber ©ewerffchaften S)eü.tfchlanbS (©. 2egien> 
232 S. 

Bericht ber $anbelsfammcr gu Xüffelborf für 1898/99. 

©rftec Bauarbeiterfchuh s KongreB in Berlin am 20. unb 21. SRärg 1899. 
Verlag: 3 m Aufträge ber Kommiffion für Ärbeiterfchup 2Ij- 
Bömmelburg, Hamburg. 

Rcungehnter 3«hresbericht beS Schroeigerifcheu ©ewerbe« 
oereinS 1898. 23ern 1899, Budibrurferei Bucblcr cV ©o. 
Straßburg i. ©., £aS Kranfenfaifcnwcien ber Stabt Strasburg i. ©. 
im 3rtf)i' e 1898. 


Scramroortli^ für bte Kebaftion t E: Dr. (itemeit8 pclB, Scritn. 




1111 Soziale ^rajiS. Seittralblatt für Sojialpolitif. 9h:. 41. 1112 

©ie Vtavt*" erfdjeint an jebenr ©onnergtag unb ift burtfc alle Bud&ljanblungen unb ^oftämter (^oitjeitungÄnummet 7072) ju beiteten, ©et «Preis 

für baS Bierteljabr ift SK. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 Bf- ©et SäiijeigenpreiS ift 60 Bf- föt bie bteigefpaltene Betitjetle. 


Unt ben Bcjug ber älteren Sa^rgänge unferer HBodjenfdjrift ju erleichtern, 
taffen mir bie folgcnbe $dttneilige $tetl^etalfe|iittg eintreten: 

©o lange ber nur nodj geringe Vorrat an uollftänbigen ©jemplaren reicht, 

werben die enteil sechs Jahrgänge der Sozialen Praxis, t>.$. 

Üogiatyolitifdpe Gentrathtatt Jahrgang I—III (Januar 1892 
biö September 1894). unb baran anfdjließenb 

$>ie ® 0 giate $teitgi§, 3a(rgmtg IV—TI (Dftober 1894 bis Sep¬ 
tember 1897) 

fturn ermäßigten ©efamtbarpreife 001 s nur 36 SRarf für ba$ twffftättbige 
fegif§§|>l«t? abgegeben (ftatt bisher 60 HKf.), lieferbar fieipjig. (@8 fehlt in ber 
Serie nur bie Wr. 1 be$ III. 3ab*gang$ beS „©eroerbegeriqit", ber Beilage jur 
„Sozialen $rajt§".) 

3u biefen Bebingungen fantt jebe beffere SortimentSbudjljanblung liefern. 

Scipsig, im 3nit 1899. Bmtdut & fnmblot. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 


Arbeiter-Versicherung 

im Auslande. 

Bearbeitet von 

Dr. Zacher, 

Kais. Geh. Reg.-Rat im Reichs-Versichernngaamt. 

Heft V1I/VI1I. 

Dli Drbiltir-Iirslcliraii li Oistirriiik i. Ii|in. 


- Preis 3 Mark. -- 


fm allen ialbjntjr 1899 bei Hinüber & gnmbUrt in leidig 


erfcfjtenen: 


@tgebnif{e, ©ie, ber Boffdgäljlimg uont 2. ©c^ember 1895 
unb ber Berufs- unb ©emerbejäl)Inng uom 14. 3uni 1895 in 
ber Stabt Seipjig. Bearbeitet im ftatiftifdjen 2tmt ber Stabt 
2eipjig. II. ©beil. Sonberabbrurf aus ben ftäbtifdjen Ber- 
waltungSberidjteu für bie $afjre 1896 unb 1897. 2ej. 8° 
(VII, 73 3.) 1 SK. 

Felix, Ludwig, Entwicklungsgeschichte des Eigenthums 
unter culturgeschichtlichem und wirtschaftlichem Gesichts¬ 
punkte. IV. Theil, zweite Hälfte, I. Abtheilung. 

a. u. d. T.: Der Einfluss von Staat und Recht auf die 
Entwicklung des Eigenthums. Zweite Hälfte, erste Ab¬ 
theilung: Das Mittelalter, gr. 8° (XII, 776 S.) 15 M. 

Forschungen, staats- und socialwissenschaftliche, heraus¬ 
gegeben von Gustav Schmoller: 

Band XVI, Heft 5: 

Die mittlere Lebensdauer in Stadt und Land. Von 
C. BaUod. gr. 8° (IV, 141 u. III S.) 3 M. 60 Pf. 

Band XVH, Heft 1: 

Die finanziellen Beziehungen der florentiniseben Bankiers 
zur Kirche von 1285 bis 1304. Von Georg Sehneider* 
gr. 8® (X, 78 S.) 2 M. 

%ttUUh f SRidjKlrö, ©er Arbeitsnachweis. ©ine fojialpoIitif<f)e 
3tubie. Erweiterter Sonberabbrucf aus ber „Sozialen $ra£i§". 
8° (23 3.) 40 Bf- 

C«niiibnft bcs öfterreidjifdjcn Bedjts, ßeranögegeben uon 
21. Ringer, €. 7vraitfI, ©. UUmaint: 

III. Banb, V. Abteilung: 

Ofrunbrtß bes 0)ewerbered)t» unb ber Arbciterncrftcbe- 
rmtg. Bon Btctor Httataja. 2e£. 8° (VI, 137 3.) 

8 HK. 60 Bf-, gebb. 4 HK. 20 Bf- 

3ahv6nd) für Oiciepgebmtg, Berwaltung unb BolfSwirtfdjaft 
tm ©eutfdieit Hicid). ftcvau»gcgcbeu uon 01 it ft au 3 dj m o 11 er. 
gr. 8°. Bene folge. XXIII. Jahrgang. 

©rftes $cft. (IV, 395 3.) 9 SW. 20 Bf- 

(fobaltSaugabc ugl. in 9er. 16 imb 17 bicicS Blattet.) 
3 wette» .'peft. (IV, 364 3.) S SW. 

(oubaltvaugabc ugl. in SKr. 28 unb 29 biefe» Blattet.) 


Sieg, 9EÖ., Bei törupp. ©tue fociatpolitifche Bcifcffijje unter 
befonberer Berücffidjtigung ber 2lrbeiter-HBof)itungSfürforge. 
gr. 8° (X, 165 3. mit Stilen im ©ert unb 3 graptjifcben 
©afeht in folio.) 3 HK. 60 Bf- 

9Rat>, 9t. ©as Behältnis beS BerbraudjeS ber SKaffen 
Hu bemjemgen ber „Kiemen Srute", ber SSoblbabcnben unb 
Beiden unb bie HKarriftifdje ©oftrin. 3onberabbru(f au§ 
8djmoQerS 3«hrbuch für Oiefeßgebung. gr. 8° (48 3.) l SW. 

e^fitiftat beS beutfdjen BercinS für Armenpflege unb HBobl- 
tljättgfcit: 

40. $eft gr. 8° (IV, 145 u. XVI 0.) 3 HK. 60 Bf- 

Stenographier Beridjt über bie adj4etjntc ^afircd- 
uerfammlung be3 b. B. f. 21. u. HB. am 29. n. 30. 3ep* 
tember 1898 in Nürnberg. 

(3nb a ^ongabe ugl. in Wr. 19 biefeö Blatte».) 

<&d)viften be$ Berein§ für Sogialpolttif: 

Benb 80: gr. 8° (XV, 461 3.) 10 HK. 20 Bf- 

a. u. b. Unterfud)ungen über bie 2agc be^ öaufter- 
getuerbeö in ©eutfdjlanb. Bicrter Banb. 

Battb 82: gr. 8° (LXXI, 339 3.) 9 HK. 60 Bf- 

a. u. b. ©.: Unterfndjungen über bie 2agc be» §aufter- 
getuerbeS in Dfterrcitb. 

[Banb 79 unb 81 ber 3djr. b. B. f. 3. werben fpäier 
erfefjetnen.] 

Simon, Carl, Der Export landwirtschaftlicher und land¬ 
wirtschaftlich-industrieller Artikel aus den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika und die deutsche Landwirtschaft. Studie, 
gr. 8° (XII, 132 S.) 2 M. 80 Pf. 

^$£VUNl(iUttQ$l)£¥td)t bcs Bntljci- ber 3tabt 2etp,^ig für ba^ 
^aljr 1897. gr. 2ei\ 8° (IV, S24 3.) 

geb. in 2einewanb 10 HK. 

Söctltfftern, tnnt, (Sm froccnt. Sic Sdiaffimc, 

imb erfioltimg einet beutiefien Srfilorfiifloite. gr. 8° < IV, 
ß» ®-) i 11;. 40 


»ccantroortli^ für btc «itjcigcn: ücnmutlj @eibel, ßclpjta. — «erlag oon 2un<fcr & $>uoiblot, ßeipitg. — Öebructt bet grntu« ©ittenfelb, »eclin. 

















VIII. faljrganj. 


©erlin, ben 20. Jguli 1899, 


Hummer 42. 


Soziale prajte. 

^entxafbfaff für gjogtarpoltfiR 

mit bet SRonatSbeilage: 

Das (Bewerbegertcfjt. 

©rgatt bes Oerbattbes beutfdjer (Betperbegeridpte. 

Reue golge ber „Dlätter für fogtüle sprayte" unb beS „Sogialpolttifcben dentralblattS". 

i - 

<E*f4eini n Jebem Smraerftag* ^>erauSgeber: A*ete uictieljiljrli^ 2 V}. 50 $f. 

Rebaftlon: Detlht W., SBa^reut^erftrafee 29. Dl*. (Etltfl /tttttlbt« Verlag öoit ©>untfer & §um6lot, Seipgtg. 


3uk*lt 


©emetnnüfcigfeit unb ©enteilt* 
famleit bex AxbeiUnad&wetfe. 
Don Daftot ÜRöxc&en, Setzei bei 

©ielefelb.1113 

Daxitätifdje ©etnexffdjaft#* 
oxganifationen. Don Dxuno 
Doexftfc, ©efretör beS (Sentral* 
öexbanbe« bet in ©emeinbebetrieben 
befestigten Arbeitet, Detlin .1117 
WBgcwetnc ©tftial* nab ttirafSeftl* 

mmt .1120 

Regelung bex getoexbliiben SHrbeit 
fcbulpflidjtigex ftinber im ReglexmtflS* 
bejitf fßotebam. 

Anftebelung t»on Arbeitern unb flehten 
Seuten auf betn fianbe. 

6 a ) t a l j> o U t i f <$ e 8 e ftt m m n n g e b 
im dftex*eid>tf$et» Datcntgc» 
fefre. ®on SR. €»$toax|, Alten, 
©oaialpolitifdjex ftongrefc in ©enua. 
^Beilegung oon Axbeiteftxetttgfeiten in 
ReufübtoaleS. 

ftoBURanale •ostalpoltttl.... 1122 
©er jJbüttngifcbe ©töbtetog. 
£l)ätigfeit bex ©cbutärjte in ©arm* 
ftabt 1898/1899. 

CȤi*Ie &umn*e .1122 

©ie Arbeitslöhne in Söüxttem* 
bexg. Don Dr. Rubolf ©xäfcer, 
Dexltn. 

©te Sage beS beutfeben Arbeite» 
niarfteS im %nm. 

91 rbehgelex* unb Untevnebuterbet* 

bäube.. 1125 

©ex Detbanb bex Dietattinbuftxiellen 
unb bie Axbeitetnilltgen. 


fl(t»et*exte»egB«t.1125 

©te Jpexnex Dexgaxbeitex«£xawatte. 
Arbeiterbewegung im Daugewexbe. 
Dom Ducbbrudexoexbanb. 

ttobeft*erf4tt*.1126 

Doliaeioexotbnung aum ©$ufee bex 
Dauaxbeitex im Untexelfafe. 

©efefclidje Regelung bex AxbeitSöer* 
bäiinijfe im ©afiwirtljSgewerbe unb 
bie organifirien ©aftwixtbSgeljiifen. 
Axbeiierfdju|j in Rew*gjorf. 
Vrbehexbcrfifberung. fbatfaffes 1127 
DexufSgenoffenfdjaftStag in ftonftanj. 
Unfete Axbeitetberfidjexung unb bie 
Daxifex SBeltauSftettung. 

tUMttiiftffttoet«.1129 

Allgemeine Arbeite* unb 2Bol)nung8* 
nad&weiS»An|talt in Köln, 
kommunale# Arbeitsamt in (S^riftiania. 

«»ftttte m§lm$ .1129 

Axbeiterböbex in flaatlitben DetxiebS* 
ftätten. 

©ex ©influß beS DexufStoedjfelS auf 
ben ©efunbbeitejuftanb. 
@etoerbeeext*te. ©fntgitttgtäiiitex. 

©ftiebSgertditc.1130 

Im •f»eteegcrh|t» 9erCin. 
Rebigirt oon Dr. ©thalijorn, ©e* 
mexb eridjtex, Detlin. 

Uebet „@u tagten unb Anträge" 
bex ©eroexbegexidjte. Don 
SR. ü. ©cbulj, Dorf, be$ ©ewetbe« 
geriet* Detlin. 

©aS Dexlinex ©emerbegeri<bt als 
©migungSantt. 

Redjtfpxec&ung. 


Abbxud fämmtlicber Axtifel ift ßeitungen unb ßeitfdjxiften geftattet, jeboeb nux 
mit sottet ^Quellenangabe. 


(gemeintifi|igbeit unb dteraeinfninheit ber Arbeite- 
nadjniEife. 


33ei ben SBerbanblungen im $reup’db en ABgeorbnctenbaufe 
am 8. guni über ben Antrag o. $appenbeint unb ©enoffen, be* 
treffenb giirforge für ArbeitSlofe bureb ©infübrung nun Arbeite* 
nadjmeifen, waren bie Meinungen barüber geteilt, ob eine 25er* 
binbung ber Slrbeitenad^meife mit Verbergen unb 2SerpflegungS* 
ftationen in@ Sluge ju faffen fei. ^iefelbe SReinung8oerfd)iebenbeit 
trat auef) fefjon auf ber erften allgemeinen 2(rbeitenacbroei34frm* 
ferenj in Äarl^ru^e im September 1897 Ijeroor. Sc^on bamal§ 
geigte fid^, ba& bie 23eantroortung biefer grage roefentlid) baoon 
abtjängt, roa§ für Verbergen man meint, unb mag man fid) 


unter „25erpfIegunggftationen" oorftettt. 2ßer lefetere nur fennt 
unb auffa&t alg eine Strt BetteU^bfinbunggfietteit, ^oligeiafple für 
förperlic^ ober fittlid^ £eruntergefommene, iolerangpufer für 2lr* 
beitef^eue unb Öanbftreicf)er, bie für eine orbentlidje ©rroerbg* 
ttfätigfeit nid)t me^r gu gebrauten ftnb, ber befürdjtet mit 3leif)t, 
bafe eine fold^e 2$erbinbuna bie Strbeitena^meife bei ben orbent* 
lid^en Hrbeitfudjenben unb bei ben Arbeitgebern oon oorn^erein in 
sRifefrebit bringen müfete. 2Ber bei ber Rennung oon Verbergen 
an jene weniger als „geringen" ©aftmirtfjftfjaften benft, gegen 
beren gemeinf^äblit^e Art ber SteHenoermitteiung g. ©oroep oor 
einigen ga^ren mit Red^t gu gelbe gog, weil eö fid) babei um ge* 
minnfü(f)tige Ausbeutung ber (lüfte gum ^rioatport^eil ber SBirtfje 
^anbelt — ein Unwefen, beffen Abfteüung fi^on lange oor (£oroet) 
in ben Greifen ber inneren SRiffion geforbert worben war —, ber 
fann einen berartigen 25orfcf)lag überhaupt nid^t begreifen. 

gn 2Sirflid)!eit & fi^ a ^ er roeber um fold^e §er* 

bergen, nod^ um fold^e 25erpflegungSftationen; unb in 2Sirflic§feit 
^anbelt eS fidb Iängft nid^t me^r blofe um einen 33orfcf)lag bei 
biefer 25erbinbung, fonbern fie ift im ^anbwerf eine uralte, 
unb fte ift bei ben Reformljerbergen ber neueren Qtit, namentlid^ 
ben Verbergen jur §eimat^, feit ga^rge^nten nat^ SRögtidjfeit unb 
gur ooßen 23efriebigung ber Räd^ftbetf>eiligten unb ber Allgemein* 
beit oermirflidtjt, nidjt minber bei galjlreitben befferen DcrpfleaungS* 
ftationen ober SBanberarbeitsftätten. — $)ie SSerbinbung wirb auch 
JeineSwegS blofe oon ber lepteren Seite angeftrebt. 2Son Seiten 
eines fo gut organifirten, gemeinnüfeigen ÄrbeitSnaibweifeS wie 
beSjenigen in granffurt a. SR. fjat §>err Stabtratb Dr. i^. glefcf) 
fte oor einigen ga^ren in 3Sorfd)lag gebraut, oom Arbeitsamt in 
Stuttgart würbe fie neuerbingS angeregt als ein bequemes 
SRittel, um Arbeitfud&enbe, bie bereits auf ber SBanberfcbaft, ober 
ni(bt (burd) gamilie ober anbere ©rünbe) an ben lebten Arbeitsort 
gebunben finb, aber fein Reifegelb fyaht n, nach einer für fie paffen* 
ben auswärtigen ArbeitSftelle ober nadf) einer anbern ArbeitS* 
nac^weifefielle gu beförbern. 

dine difenbabnbeförberung unter ben nötigen 25orbebalien 
unb 25orftd)tSmabregein gegen SRipraud^ fommt babei mit in 
grage unb fommt fc|on jefet hier unb ba gur Anmenbung; fo Iäfjt 
ficb unnötig langes „2Banbem" unb gwecflofeS „SBalgen" bureb 
abgelegene, arbeitsarme SDiftrifte oemteiben unb bie 3 a ^ ^ er f° tf 
genannten 25erpflegungSftationen, bie oft genug im umgefepten 
Dcrpltnife gu iper "©üte fiep, oerminbern. — SSerwirflidbt ift 
biefeDerbinbung bereits auf gefefclidjer ©runblage in ben beutfc^* 
öfterreic^ifc^eu ^tonlänbem. SBüpenb naef) ber amtlpen 
Statiftif ber bortigen 814 SBerpflegungSftationen im gape 1895 
oon 1 495 983 3 u 9 ere iften‘ nur 43 125, b. b- je einer oon 35, in 
Arbeit gebracht würben, fanben burdf) bie 453 repSbeutfdben $>er= 
bergen gur §eimatf) unb bie mit 255 oon ihnen oerbunbenen 2$er* 
pflegungsftationen 112 920 Arbeitfucbenbe Stellung, b. b- je einer 
oon 23 3wgereiften. gm oorigett gabre b at fab bi ßC ® er * 
bältnife noch gebeffert: gn Arbeit gebraut 123 894, b. b- je einer 
oon 18. SDie Verbergen gur §eimatb als gemeinnüfeige SSolfS* 
©aftbaufer für minber 23emittelte bulben grunbfäfclidb in ihren 
SRauern feine „£anbftrei(ber" unb feinen gwecflofen, untbätigeit 
Aufenthalt ihrer ©äfie. — 2)er interfantonale Serbanb ber 













1115 


Sogiale $rapg. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 42. 


1U6 


8d)roeigerifchen VerpflegungSftationen ^at auf einer gemein* 
famen Confer eng mit 33 Vertretern gewerblicher Vereine am 2. Ok¬ 
tober oorigen Sabre« in 3 U 9 mit großer VJehrheit befdjloffen, ben 
Arbeitsnachweis in Verbinbung mit ben Verpflegung«* 
ftationen gu organifiren; bie auch bort bagegen norgebradfjten 
Vebenfen fdjlugen nid^t burch- Voßfommen bewährt l)at fich bie 
enge, auch räumliche Verbinbung aßgemeiner ArbeitSnachroeife 
mit Verein«Verbergen u. 81. in £>annooer, Düffelborf, Viele* 
felb, Verlin, Oranienftrafte 105, SKülhaufen i. E., ßüneburg, 
Apenrabe, Va beb erg bei DreSben unb nielen anberen Orten, 
ihre Verbinbung mit reinen VerpflegungSftationen u. 31. in ©ör- 
m, OuebUnburg, Sriebberg (Obergeffen), $onftang. Die 
Eentralifation be« Arbeitsnachweis in Oberbaben ftüftt ftch 
hauptfäd)li<h auf bie VerpfIegung«ftationen; ber Eharafter ber 
leftteren al« ^olüeiafgle ift bort rote auch in §>effen-Naffau 
unb Vkftfalen Durch ba« auSbrücflid)e Verbot ber Aufnahme oon 
ßanbftreidjern unb be« ßanbftreidjen« Verbärgen unb burch bie 
Vorfchrift aitögefc^Ioffen, baft bie festeren in getrennten UnterfunftS- 
ftätten oon ^oligeiroegen untergebradjt roerben müffen. Die legiere 
Vorfdjrift ift natürlich nielen OrtSpoligeiorganen l)ö<hft unangenehm, 
roegen ber Arbeit unb ber Sofien, bie für fie unb bie OrtS- 
gemeinben bamit nerbunben fxnb, roährenb bie Verpflegung«* 
ftationen non ben gröfterett $fr>mmunalnerbänben unterhalten 
roerben. 3>n ber mangelhaften Erfüßung ber Abroeftrpflicht ber 
Sßoligeiorgane gegenüber ben roirflieh arbeit«f(heuen ßanbftreichern 
ift überhaupt roeit mehr ber Vttfterfolg nieler VerpflegungSftationen 
begrünbet, al« in biefen felbft. 

23enn ©emeinnüftigfeit unb ©emeinfamfeit roefent* 
liehe Vierfmale ber öffentlich gu reaelnben ArbeitS- 
nachweife finb, fo barf bereu Verbindung mit Unter* 
funft«fiätten für roanbernbe Arbeitfuchenbe, in«befonbere 
mittellofe, nid)t aufter Acht gelaffen unb nicht abgeroiefen 
roerben. 

Vtenn ber freifonfernatine Abgeorbnete Vrütt bei jener Ver* 
hanblung ben Vefchluft be« Eentraloerbanbe« beutfeher ßjnbuftrießen 
hernorhob, e« fei unumgänglich nothroenbig, baft bie Arbeit«* 
nathroeife ausfd)lieftlich in ben §>änben ber Arbeitgeber oerbleiben, 
fo fann man nur erroibern: gür einen auSfchlieftlich oon ben 
Arbeitgebern beherrfchten Arbeitsnachweis fann ft<h bie A߬ 
gemeinheit unb ber Staat ebenfo roenig intereffiren, roie für einen 
auöfd)liefelid) oon ben $1 rbeitern beherrfchten. SSenn ber frei* 
ftnnige Abgeorbnete @olbfd)mibt nach ben günftigen Erfahrungen 
mit betn neutralen Verliner Vrauer-Nachroei« eine gleich^ cttliche 
Vertretung oon Arbeitgebern unb -Nehmern empfahl, fo trifft ba« 
für reine $achnad)roeife gu. 0o nüftlid) biefe für ba« betreffenbe 
©eroerbe fein mögen, fo finb fte hoch nid)t getneinnüftig in bem 
Sinne, baft fte gu einer unmittelbaren Staat«* ober kommunal* 
Aufgabe gemacht roerben fönnten. £>iergu eignen ftch nur all¬ 
gemeine Nachroeife, unbefchabet einer Sonberung nad) Verufen 
tn ihrem Vetrieb. Vei biefen aügemeinen Nadjroeifen ift eine 
gahlenmäftig gleiche Vertretung oon Arbeitgebern unb -Nehmern 
in ihrer ßeitung roeber möglich noch nöthtg. 2öie roiß man 
für bie nielen „ungelernten" Arbeiter, roie für bie nieten Sonber- 
berufe unter ben ©eiernten bie gutreffenbe Vertretung fonftruiren? 
Vom ©eroerbegericht, roo ein« befteht, ober non geeigneten 
Veruf«oereinen beiber Xheile giehe man einige unabhängige Ver¬ 
treter jeber Seite htngu; im Uebrigen forge man oor Aßem 
für einen perfönlich unb technifch tüchtigen, unparteii[<hen Ver¬ 
malter. Vertreter ber .ftommunaloerbänbe, welche bie Einrich* 
tungö* unb Unterhaltung«laft ber öffentlichen ArbeitSnachroeife 
gu tragen hätten, gehören in erfter Sinie in ben Vorftanb; Ver¬ 
treter nerroanbter gemeinnütziger Vereine fann man hingugieften. 
So roirb bie Unparteilichfeit gettügenb geroahrt unb ba« nötige 
Vertrauen ber Arbeiter unb Arbeitgeber gewonnen, fjür ben burch 
Öachnadjroeife unb önch^eife unter ft üftung ber ©eroerfoereine 
ober ©erocrffchaften an«reichenb oerforgten Arbeitfuchenben braucht 
ber allgemeine Nachweis unb bie gemeinnüpig-fommunale $ür- 
forge nicht eingutreten; aber ba« ift ein fleiner Vrogentfaft. Vkr 
forgt für bie anberen? 

3ur ©emeinfamfeit gehört auch bie Eentralifation, bie 
lofale unb interlofale. Vleiben bie roanbernben Arbeitfuchenben 
unb bie gu ihrer Aufnahme beftimmten Anftalten unberiicffidjtigt, 
fo führen biefe naturnothroenbig ihre befonberen Nacf)roeife weiter 
unb e« fomrnt feine Eentralifation gu Stanbe. Umgefchrt roirb 
burch Vcnuguttg ber Verbergen unb VerpflegungSftationen bie 
Ecutralifation unb ber AuStaufd) roefentlid) erleichtert. — Natür¬ 
lich wirb man bei Arbcit«tnangel Einheimifche nor Sretnöen, Ver- 
heirathete nor Unnerheiratheten beoorgugeu! Aber bei ftarfem 


Arbeitsangebot, roie jefct, ftnb für oiele Nachroeife bie Sremben- 
herbergen unb Verpflegung«ftationen bie eingige Oueße, au« ber 
fie ba« SNanfo an einheimifchen Arbeitfuchenben beefen fönnen. 
ES ift leicht gefügt unb theoretifd) richtig: ba« „VSanbern" unb 
bie „Umfchau" finb bei ben heutigen VerfehrSerleichterungen un¬ 
nötige unb ungeeignete SRittel, um Arbeit gu finben; Suofifteng- 
lofe foßen überhaupt nicht roanbem. — 2Bo foßen fie benn bleiben? 
Vkldje Drt«gemeinbe, welcher Ort«* ober ßanbarmenoerbanb er¬ 
möglicht Arbeitsfähigen unb §albarbeit«fähigen, wenn fie arbeit«» 
unb mittellos geworben finb, ba« Vleiben am Orte burd) Arbeits¬ 
ober Unterftübung«geroäbrung? $)a« Vleiben fo lange, bi« mit 
§ülfe eine« weithin centralifirten 3lrbeit«nach weife« iw Aß- 

gemeinen oiefleid)t norhanbeue SNöglichfeit, fie irgenbroo in Steßung 
gu bringen, gur 2Birf lieh feit geworben ift? — Auch nach glücf lieber 
Durchführung einer umfaffenben Eentratifation be« Arbeit«nach- 
roeife« roürben bie OrtSgemeinben roeber freiroißig bereit, noch 
burd) 3wang bagu gu bringen fein, arbeitsfähige aßeinftehenbe 
Arbeit«lofe, nachdem fte fubfiftenglo« geworben, am Orte feft* 
guhalten unb gu unterhalten, bi« fte burch ben Arbeitsnachweis 
eine fefte Verfügung roiebergefunben hätten. Eine folche gor- 
berung an bie OrtSgemeinben läfjt Ttch auch mit ber geltenben 
Sfreigügigfeit gar nicht oereinigen. Ubi labor, ibi panis, ubi panis. 
ibi patria! üeine Arbeit, fein Vrob, fein ^eim, feine öeimath! 
AI« ehrenroertber Arbeiter in A. broblo« geworben, mufe ber 
fort nach V. E. D. u. f. ro.; in 3- 3 «tcrt man ftcher fchon über 
ben „Vagabunben". Aber 3- f<h le &t feine arbeitslos ©eroorbenen 
ebenfo wohl ab roie A. 

Ein recht unfogiale« Verfahren, geroife! Aber fo lange es 
herrfcht — unb e« roirb noch i fln 9 c h err f<h c n — wirb ba« gerechte 
Verlangen nach einem fogialen Ausgleich nicht gur Vulje fommen. 
Der beftgeorbnete Arbeitsnachweis allem fann biefen Ausgleich 
nicht bringen; giuth unb Ebbe fehren in manchen ?lrbeit«arten 
jebe« 3>ahr, im ©efantmt-?lrbeit«Ieben aße paar Qahr roieber; bis 
gu einer aßgemeinen ArbeitSlofenoerfuherung ift ber 2öeg noch un* 
abfehbar roett. gür biejenigen Arbeitfuchenben, bie nirgenbroo unb 
barum überaß gu £>aufe finb, bebarf e« einer gern ein famen Sürforge 
ber ^otnmunaloerbäube, um fte, roenn jeber Arbeitsnachweis 
oerfagt, oor beut Verhungern unb Verfommett gu fdhühen. ArbeüS- 
nad)roeife ohne VerpflegungSftationen ftnb roeit weniger „gemein- 
nüftig", al« folche mit berartigen UnterfunftSftätten; fte überladen 
e« bem ortsfremben Slrbeitfuchenben, ftch „fedjtenb" mit ber be* 
fifcenben ©efeßfehaft hcrntngufchlagen fo gut er’« oermag, bi« ihm 
einmal roieber ein Arbeitsplänen roinft; ber Arbeitsfd)eue aber 
benufet biefen orbttungSlofen 3»ftanb gerne als Freibrief für fein 
lieberliche« Umhertreiben. — VerpflegungSftationen unb Arbeiter* 
folonien ohne 3lrbeit«nad)roei« wären aber gerabegu gemein* 
gefährlich, ba fte ihre Qnfaffen grofeentheil« ohne Noth bem er- 
roerbsthätigen ßeben entgögen. 

8ür bie fogiale VetrachtungSroeife giebt e« eine Voll«familie. 
Von jeber ehrettroerthen fyamtlie ift man gewohnt, bafe für ihre 
fchroächeren ©lieber bie ftärferen mit forgen. Ein fogial-gemein* 
nüfcig angelegter 3lrbeit«nachroeiS mufe ftch auch um bie fchroächeren, 
minberroerthigen ArbeitSfräfte mit bemühen. VSanbernbe 
Arbeitfuchenbe finb fchon an unb für ftch 9 e 9 ^n Einheimifche im 
Nachtheil, ^ie h a ^en feine Vegiehungen am Ort, fein Dach unb 
0fach, roo fte e« abroarten fönnen, bi« ftch Arbeit für fie pnbet. 
ArbeitSminberroerthigfeit unb SBanberei bilben einen circulus 
vitiosus, bebingen unb ergeugen fich gegenfeitig. Ein ,,g>anbwerf«* 
burfch" oon 30 ober mehr fahren thäte am beften, er fröd^e in 
eine ^öhle unb ftürbe. 3lber e« ftirbt fich nicht fo leicht — jeben- 
faß« ni^t fo leicht mit relatio gefunbettt Körper, al« mit franfem! 
Vei gefnnbem Sförper längere $eit arbeitslos fein ift für ben ge¬ 
wöhnlichen, au« ber $anb tn ben SRunb lebenben Arbeiter fd)limnter 
unb gefährlicher, al« franf fein. — Vielen ift überhaupt nicht gu 
helfen, geroife! Aber barau« folgt hoch nicht, ba& man Alle ohne 
|)ülfe laffen barf. 

Die Art unb^ßeife ber Verbinbung beiber Einrichtungen 
fann unb tauft eine oerfeftiebene fein. Die ©emeinfamfeit oer 
ArbeitSnachroeiS-Einrichtungen foß beren Vermaltem einen ooß* 
ftänbigen Ueberblicf über bie oorhanbenen Arbeitsgelegenheiten 
oerfchaffen; ohne ihre Prüfung unb 3uftimmung foß fein Ein* 
heimifdjer öffentliche Unterftüfcung, fein ©anberer „StationSoer* 
pflegung" erhalten. 3öo bie Verwaltung be« Arbeitsnachweis 
allein eine ooße Hraft in Anfprud^ nimmt, fann ber Verwalter 
nid)t gugleid) bie StationS-ArbeitSftätte unb *§crberge leiten, unb 
umgefchrt. Aber eine enge Verbinbung läftt ftch überaß her* 
fteßen, roenn nicht räuntltch, bann burch telephonifchen unb per* 
föitlicheit Verfehr ber beiberfeitigen Vermalter ober burch eine 



1117 


1118 


©ogiale ^rajris. ©cntralblatt für Sogialpolitif. Ar. 42. 


SRittelSperfon. Arbeitfucftenbe siüifd^en mehreren AacftweiSftelfen 
bin unb f)tx gu feftiden, ift miftlicft, namentlich bei 3ugereiften; 
Arbeitgeber fielen fieft aud) beffer babei, wenn fie nuftt oon einer 
Stelle gur anberen gu laufen brauchen, die Verberge ift bie 
natürliche „ArbeitSbörfe"; Tie !amt au<ft Snnungsfterberge fein unb 
ift es Dielfad). ©ine siüifdjen SJtciftern unb ©efelleu neutrale §ers 
berge ift bagu in oieler §infid)t geeigneter, als eine eigene, oon 
ben ©efeHen oft mit Vtifttrauen betrachtete Snnungsfterberge; eine 
folcfte ift für einzelne Innungen überhaupt nur in ©rofcftäbten 
möglich. „SnnungSgefcftenf" unb „StationSoerpftcgung" laffen 
fieft bann aud) am befielt mit einanber auSgleicfteu. gür ©in- 
hetmifefte ift eine anftr.ibige VereinSfterberge ober VerpflegungS- 
ftation ein ebenfo paffenber VermittelungSort mie jeher anbere; 
für 28anbernbe ift fie jebem anbereu oorgugieften. Amtlidje ©e- 
fcftäftSräume unb VerfehrSformen finb für biefen 3^^ wenig ge¬ 
eignet unb haben wenig Ausficftt, bie gewerbsmäßige Brioat- 
üermittelung mit ihrer ScftmiegfamFeit unb ©efdjäftSgemanbtheit 
mehr unb mehr gu oerbrängen. Öür eine Vtenge oon mittleren 
unb fleinen Stäbten ift ber ©efeftäftsumfang naeft beiben Seiten 
nicht su groß, als baß nicht ein unb berfelbe Verwalter beibeS 
beforgen fönnte, foioohl ben allgemeiuen Arbeitsnachweis als bie 
Leitung ber Verberge; unb gerabe um folche ^ßläfee ftaiibelt eg f ic ft 
oorgugSweife bei ber Verallgemeinerung beS Arbeitsnachweis. 
Aacft großfommunalen unb großbetrieblicften Viufterit läßt fid) ber¬ 
felbe nicht überall auSbilben; nicht ber Fompligirtefte, fonbern ber 
einfachfte ©efcftäftSapparat ift ber befte. Saft überall fann an 
VefteftenbeS angefniipft unb VorftanbeneS benußt werben. 

Herr ©olbfcftmibt fürchtete „poligeiliefte Veoormunbnng". die 
unteren Voliseiorgane, fowoftl bie auf ben Aatbhäufern als bie 
auf ben Straften, follen möglidjft aus betn Spiel bleiben; faeft- 
männifeft - gemeinnüßig foE bie Verwaltung fein. die ArbeitS- 
naeftweife ber „ftationslofen" Vereinsherbergen finb non „Veoor- 
munbung" ebenfo frei, mie alle anberen gemeinnützigen Aacft- 
roeife. Vei Stationsherbergen unb VerpflegungSftatiouen unb mit 
beufelbeti oerbnnbenen ArbeitSnachweifen finbet eine Veoormuubung 
nur benjenigen Arbcitfuchenben gegenüber ftatt, bie auf öffentliche 
Unterftüßung Anfprucft machen: unb ba mit oollem Siecht! ©S 
märe ein grober Verftoft gegen bie ©emeinnüßigFcit unb ftritte 
mit jeher rationellen Armenpflege, wollte man fort unb fort man- 
bern laffen unb auf anberer Deute Soften oerpflegen folche $er- 
fonen, welche eine für fie paffenbe Vcfchäftigung, weint auch 
oorübergehenb nicht in ihrem „Sach" unb oieHeicftt nieftt ooll ge¬ 
lohnt, angutteftmen fich weigern. Welche moralifchett diebftäftle an 
3eit unb ftraft, welche kniffe, Scftlicfte unb däufeftuugen üiele 
„Arbeiter" unb 28algbrüber fich ertauben, um nur nidjt arbeiten 
Sit müffen, ahnt Mancher nicht. Sin Sü^forgegefeft, weldjcS itidjt 
a u dj eine 3ucfttübung gegen berartige Sletnente ermöglichte, würbe 
an biefer Klippe unfehlbar fcheitern: wenn nicht fdjon bei ber 23c- 
rathung, bann fiefter bei ber Ausführung. 

Vethel bei 23ielefelb. ^ßaftor Vtördjen. 


florUätifdje (Benierbfdjafteüroajtifatioiun. 


die beruflichen Verbänbe ber beutfehett Arbeiter aller Vidj- 
titngen finb in ben Ießten Saften nicht unerheblich au ©röße unb 
AuSbehnung gewachfen. droßbem befißen aber bie weiften Drga- 
nifationen noch lange nicht eine berartige Stärfe, um ihre Auf¬ 
gaben wirtlich erfüllen gu fönnen. Aur wenige Sßrogent ber Ve- 
rufSgenoffen haben ftch ihnen bisher angefdjloffen. diefc unge- 
niigenbe Stärfe ber beruflichen Vereinigungen ift nun nidjt nur 
auf eine einzige beftimmte Urfacfte gurüergufüftren, foitberu es 
fpielen babei wohl mehrere Untftänbe eine Stolle mit. 

das Sohlen oon ^ilfsfaffeneinrichtungeu, ber mangelhafte 
Veamtenftab unb baS Veifeiteliegenlaffen oon Aufgaben, bie in 
beit 2£irfungSfteiS ber beruflichen Verbänbe hineingehören, finb 
gur Srflärung ber feftwaeften Drganifationen wohl in erfter ßinie 
gu nennen. Betreffs ber foeben erwähnten dinge ift ja nun in 
leßter 3^it ein gattg erheblicher 23aitbel snrn Vefferen, namentlich 
bei ben Verbänden fogialbemofratifcfter denbeng, eingetreten. SJtan 
führt immer mehr unb mehr baS UnterftiißungSmefen ein unb 
forgt für einen gröfteren unb beffer befolbeten Veamtenftab. der 
ießte Kongreß ber beutfeften ©ewerfftftaften wies ferner ber ©ettcral- 
fommiffion eine Steifte oon neuen Aufgaben gu, bie bisher oon 
gemerffdjaftlicftcr Seite oernaeftläffigt würben. 

AnbererfeitS wirb jebodj noeft immer ein Umftanb itberfeften, 
ber gleicftfatts gu ber heutigen Seftmäefte ber beruflichen Verbänbe 


feilten 2:fteil beiträgt. Ss ift biefeS ber partei-polttifche unb 
religiöfe refp. antireligiöfe Sftarafter, ben bie gegenwärtigen 
VerufSoereinigungen mit wenigen Ausnahmen faft alle meftr ober 
weniger befiften. 2Bir haben heute Verbänbe chriftlicft-itltramon- 
taner, cftriftlich-nationalliberaler, freifinniger unb fogialbemofratifAer 
Slenbeng. Sonberbarerweife beftreiten biefe SDrganifationen es aber 
faft alle, baft fie fteft mit parteipolitifcften ober religio fett Gingen 
befdjäftigen. Dft bewerft aber fefton bie ©rünbungSurfacfte, 
baft man fte tftatfädjlicft nur inSßeben rief, um beftimmteu partei* 
politifeften Veftrebungen entgegengutreten ober folche gu förbern. 
So würben g. 23. bie £irfch-®unferfcften ©emerfoereine gegrünbet, 
wie §err Dr. §irfcft in feinem Schriftchen „S)ie Arbeiterbewegung 
unb Drganifation in 25eutfchlanb" ergäftlt, um ben fogialbemofra- 
ttfeften ©ewerffeftaftsbeftrebungen non Schweizer unb S r itfd)e ent- 
gegenguarbeiten. S^tner müffen diejenigen, welche ben $)irfth- 
dunferfeften ©ewerfoereiiten beitreten wollen, auSbrütflicft edlären, 
baft fie fieft nicht gur Sogialbemofratie befennen. |>ierauS geftt gur 
©enüge fteroor, baft fie parteipolitifdfte 3wecfe oerfolgen. 

Vei ben VerufSorganifationen fogialbemofraiifcher denbeng 
ftaben wir äftnlicfte dinge aufguweifen. ©ewift ift es dftatfache, 
baft bie foaenannten ©ewerffeftaften — ich meine hiermit bie Be¬ 
rufsorganisationen fogialbemofratifcfter Stiftung — bei ber Auf¬ 
nahme oon SJtitgliebern weber naeft ber parteipolitifcften noch reli- 
giöfen Anfcftauung bcrfelbctt fragen unb in biefer Vegieftuitg am 
toleranteften oon allen VerufSoereinigungen oerfaftren. Aber es 
fteftt anbererfeitS ftiftorifch feft, baft namentlich in früheren Saften 
oon ben meiften ©ewerffeftaftsführern bie Drganifationen lebiglicft 
nur als eine VorbilbungSfcftule für bie Sogialbemofratie angefeften 
unb in biefem Sinne gearbeitet würbe. 2Bemt biefer Stanbpunft 
auch heute oon ben meiften ©ewerffcftaftSführern bereits auf gegeben 
worben ift unb fte in ben Drganifationen Körperfeftaften gur 
2öaftrung bex gewerblidften VerufSintereffen innerhalb ber heutigen 
efellfdjaftlichen Drbnung erblicfen, fo muft boeft anbererfeitS be- 
auptet werben, baft in oielen ©ewerffcftaftSorganifationen — in 
Verfammluncjen unb in ber SachP^ffe — nod) immer baS Haupt¬ 
gewicht auf bie Vtopagirung ber fogialbemofratifcften 2öeltanfd)auung 
gelegt wirb. Sanier ift es eine dhatfadje, baft in oicleit ©ewerf- 
SchaftSorganifationen wieberftolt religiöfe SraQen beftanbelt würben, 
die Srörterung folcfter Stagen war gwar nie Aufgabe ber ©ewerf¬ 
fchaften, ba aber oiele iftrer SRitglieber eine freibenfertfefte 2Selt- 
auffaffung befiften, fo glaubten biefe in ben Drganifationen gegen 
ben djriftlichen ©lauben auftreten gu müffen. 2Bieberftolt faften 
fieft benn aueft fefton bie Sentrallcitungen oon eingeltten Verbänben 
egwungen, auf bie Unricfttigfeit biefeS dreibenS ftinguweifen; nur 
at es meiftenS wenig genuftt. Ss ift garnieftt .abgulengnen, baft 
bnreft biefe dinge ben eftrifttieften ©ewerffeftaften für iftr Vorgehen 
beftimmte Stüfcpunfte geboten würben, inbem fie auf ben Atheis¬ 
mus ber ©ewerffeftaften fogialbemofratifcfter denbeng ftinmiefen 
unb fo namentlich in ben fatftolifcften ©egenben Ieicfttes Spiel 
hatten. 

daft bie eftrifttieften VerufSoereinigungen gleichfalls partei- 
polüifcfter unb religiöfer Sfatur fmb, ift woftl feftfteftenb. Sn 
iftren Scftriften, Verfammlungen wirb fortwäftrenb ber £ampf 
gegen bie Sogialbemofratie unb ben Unglauben als eine ihrer 
Hauptaufgaben begeieftnet. die cftriftlicften ©ewerffeftaften in ben 
fatftolifcften ©egenben fmb benn aueft Anftängfel beS ©entrumS, 
bie cftriftlicften Vereinigungen in ben eoangellfdjen ßanbeStfteilen 
bagegen fegeln im Sdfttwaffer beS SfationaliiberaliSmuS. 

Sfun erwibern bie VerufSorganifationen aller SÜcfttungen, 
wenn man iftnen iftre parteipolitifcfte unb religiöfe Siatur nad)- 
gewiefen ftat, baft fie nur im „Arbeiterintereffe" berartig ftanbeln. 
diefeS ift eben ber rnuube Vunft. darüber, was im Arbeiter¬ 
intereffe namentlich auf parteipolitifcftem ©ebiet liegt, ift bisher 
noeft feine ©inigfeit gefeftaffen unb wirb aueft oorläufig nieftt ge- 
feftaffen werben. 

daher follen bie beruflichen Drgnifaüonen fieft mit partei¬ 
politifcften unb reügiöfen dingen nieftt befeftäftigeu. Vcfiften fie 
einen parteipolitifcften, religiöfen ober antireligiöfen ©ftarafter, fo 
werben fie naturnotftwenbig immer einen dfteu ber VerufSgeitoffeu 
aus iftren Steiften auSfcftlieften: ben nämlid), ber fid) gu beit be= 
treffenben parteipolitifcften unb religiöfen Anfcftauungen nieftt be- 
fennt. da bie beruflichen Drganifationen aber gur ©rfiillung 
iftrer Aufgaben bieVtaffe ber VerufSgertoffen braudjen, fo feftäbigen 
fie fid) ftierbureft gang erftebtieft, finb gur Untftätigfeit oerbammt 
unb fmfen oielfacft gu VilbungS- unb disfutirflubs ftcrab. daun 
aber Fommt ein anberer Umftanb ftingu. Verfolgt bie Drganifation 
einer VerufSgruppe beftimmte parteipolitifcfte denbeitgen, fo foinmeu 
bie gegnerifeften Parteien unb grünben gleichfalls gewerblidje Vor- 




1119 


©ogiale $rafi8. Eentralblatt für SogialpoHti!. Sflr. 42. 


1120 


cinigungen. Eine Drgauifation erblicft nun iit ber anbcrcn ipreit 
finalen unb bie aegenfeitigc 53cfef)bung geht los. ®iefe roirb 
bann oft in ber peftigften unb unfdjönfteit Seife geführt, ber 
$ampf gegen ben eigentlichen ©egnor tritt in ben £>intergrunb 
unb iebe planmäßige AFtion gur Durdjfüprung ber toirFlidjen Stuf* 
gaben roirb unmöglich. Dft geht bie gegenseitige ©epäffigFeit fo 
roeit, baß man feine ‘sßringipien nerräth unb ber Brubcrorganifation 
in ben dürfen fällt, falls bicfe irgenb ein Unternehmen gur Ber* 
befferung ber Berpältniffe plant. Siele Arbeiter, bie fi<h gern 
einer beruflidjen Bereinigung anfdpließen möchten, roerben burch 
biefe Borgänge angeroibert unb bleiben berfelben haper fern. DeS* 
halb muffen bie Drganifationen, roelcpe ihre Aufgaben roirFlicp er* 
füllen roollen, paritätifch fein, fie müffen SRaitm für bie Anhänger 
ber oerfdjiebeuen politifdjen unb religiöfen Aufhaltungen bieten. 

tiefer StanbpunFt roirb natürlich non ben Bolitifern befämpft 
roerben, bie in ben beruflichen Drganifationen nur BorbilbungS* 
faulen für ihre Bartei erblicfen, ober ihnen bod) nur eine unter* 
aeorbneie Bebeutung beimeffen. Die beruflichen Berbänbe ber Sir* 
beiter müffen in biefer Begiepung genau fo oorgehen, roie bie 
Drganifationen beS Unternehmerthums, tiefes fragt bei feinen 
Bereinigungen — SqnbiFaten, AFüengefellfcpaften, gewerblichen 
Berbänben 2 C. — faft nie nach ber parteipolitifdjen unb religiöien 
Stellung feiner Biitglieber, fonbern nur roirthfcpaftlicpe jroecFe 
führen fie gufamnten unb beftimmen ihr fjanbeln. 

Sollen bie beruflichen Berbänbe fiep alfo oon ber ^Sartcipolitif 
fern halten, fo foHen fie hoch FeineSioegS gänzlich unpolitifcp fein. 
(Sine gange Beipe oon Dingen, roelche bie beruflichen Drganifationen 
behanbeln müffen, laffen fiep ohne baS Eingreifen beS Staates 
überhaupt nicht in ihrem Sinne erlebigen. Die Bauarbeiter, 
Berg* unb Seeleute brauchen, um fi<h gegen bie Gefahren ihrer 
Berufe gu fichern, befonbere Scpupgefepe. Sie müffen alfo eine 
politifche DpätigFeit entfalten. Die fragen ber grauen* unb 
ftinberarbeit, Unfall*, Alters*, JnoalibitätS*, ftranFenoerficpening, 
ÖauSinbuftrie, ©eioerbeinfpeFtion, ©eroerbegeriepte, Einigung«*, 
Arbeitsämter u. f. ro. — atteS baS finb Dinge, roelche bie beruf* 
liehen Drganifationen gu behanbeln haben. 

9lutt roenbet man hiergegen ein, baß biefe fragen burth po* 
Iitifche Parteien unb nicht burch berufliche Drganifationen gu er* 
örtern unb oertreten feien. Diefer Einroanb ift jeboch ooHfomnten 
hinfällig, ^olitifcfje Parteien fepen fiep aus allen möglidjcn Eie* 
menten gufammen unb biefe finb baher auch gang ungeeignet, über 
fpegielle Berufsfragen gu entfeheiben; bas roerben bie bireft inter* 
effirten Streife ftetS beffer Fömten. Sie ein Baugerüft aufgufteHen 
ift, baS roirb ber Bauarbeiter am Beften roiffen unb nicht ber 
Schneiber, Schuhmacher u. f. ro. Dann fagt man roeiter: Be* 
fcpäftigen ftd) bie beruflichen Bereinigungen mit ben ermähnten 
Dingen, bann müffe bie Erörterung btefer fragen unbebingt einen 
parteipolitifchen EparaFter aunehmen. 

Aitcp baS ift nicht gutreffenb. Senn 3 . B. bie Bauarbeiter bie 
Sfraae beS BauarbeiterfcpupeS erörtern, fo haben fie Icbiglich ihre 
§orberungen an bie Drgane beS Staates gu formiiliren, brauchen 
aber noch lange nicht fortlaufenb gu betonen, baß nur biefe ober 
jene Partei für fie eintreten roerbe. Der lepte Kongreß ber beutfdjen 
Bergarbeiter hat auch bereits in biefem Sinne gearbeitet unb es 
pringipieU oermieben, fiep mit feinen Jorberungen gleich einer bc* 
ftimmten politifdhen Bartei gu oerfchreiben. 

Semt bann ferner noch eingeroanbt roirb, baß bie BereinS* 
gefepgebung eingelner beutfeher Staaten bie Befchäftigung mit 
folgen Jragett ben centralen Berbänben gar nicht gulaffe, fo ift 
barauf JolgettbeS gu erroibern. Die begüalidjen EkfcpeSbeftim* 
mungen laffen ftch einmal fepr leicht baburdj umgehen, baß nun 
bie Drganifationen ihre DpätigFeh in öffentliche Berfammlungen 
unb ftongreffe oerlegen. AnbererfedS ift eine allgu große furcht 
aud) gar nicht am Btafce. $)ie roirthfdjaftlidjen Drganifationen 
ber iluternehmer Fümtnern fidj um bie fraglichen Ekfepcsbeftini* 
mungen nicht unb erörtern trop ihres centralen EharafterS fort* 
gefept fragen fogialpolitifcher 9latur. Der lepte Mongrcß ber 
beutfdjen (>3croerffrf;aften bepanbelte baher fdjon bie fragen ber 
E)croerbeitifpe!tion unb beS ftoalitionSredjteS, ohne baß bisher ben 
Drganifationen baburep irgenb welcher Schaben erroadjfen ift.') 

i: ) Sir möchten bieicn Ausrühnnigeu nidjt beitreten, bie uns uicf* 
mein* recht bebenflidj für bie ArbeiterluTiiisucrciuc eridjeiiicn. Sir he= 
luiriTii uielmehr mit allem Aarijbnuf auf ber Aorbmmg ber Aufhebung 
bes geiehlidjeii Berbots ber Berbiubimg oon Bereuten in Brennen (5j. s 
bei Bereinsgefepes), roie bie# erft fiirglieli iit Bauern unb 3adifen ge= 
feljehen ift, roäbrenb iu aubereu Buubevftaateu bie« gang ueraltete Ber* 
bot tihou lauge nidjt mehr eriftirt. 

2ie Bebaftion ber „Bogialen Bmriv". 


2Sen« idj nun uodj einen Blicf in bie 3oFunft roerfe, fo 
glaube ich behaupten git fönnen, bafj es bie Berbänbe fogialbento* 
fratifeper Senbeng fein roerben, bie fid) guerft ben neutralen 
Eharafter aneignen. 2)ie Siad)t ber 2:ljatfathen roirb fie gu biefem 
Stritt treiben. Semepr ihnen bie ^onfurrettg ber cpriftlichen unb 
anberen Drganifationen auf ben £eib rücft, femepr roerben fie ge* 
groungen fein, fiep gu paritätifdjen Berbänben umguroanbeln. ^ie 
Borgänge in ber Bergarbeiter* unb in ber fdjroeigerifdjen Eteroerf* 
fepaftsberoegung geigen bereits bie gufünftigen Sormen. 

Berlin. Br. Boerfcp. 


^Usemelite Söjtol- und ttirtjjfiijaftepolttUt. 


fHegeluug ber getocrbUcheu Arbeit fcpulppiiptiger ^inber im 
fRegierungSbegtrf Der BegierungSpräfibent gu Botöbam 

pat eine Ilmfrage über ben Stanb ber geiuerblidjeu Arbeit fcpul* 
Pflichtiger Sfinber in ben eittgelnen Drtfcpaften beS BegirfS oeranlapt, 
auf ©runb bereit eine einheitliche Regelung ber gewerblichen Be* 
fcpäftigung fcpulpflicptigcr Stinber für ben gangen »tegicrungSbegirf 
beabfidjtigt roirb. Die Blagiftrate oon Eparlottenburg unb ÜRigborf 
roollen beffenungeaeptet befonbere ^5oliäciöerorbituhgeu über biefen 
Elegenftanb erlaffen. ?n Eparlottenburg foK bie Befcpäfttgung 
oott Scpulfinbern oon 6 Upr SlbenbS bis 6 Upr Borgens oerboten 
werben. 3» SHig'borf pat ber oon ber Stabtoerorbneten*Ber* 
fammlung gur Beratpung ber Srage eingefepte Slusfcpup befdjloffen, 
beit Stabtoerorbneten oorgufcplagcn, beit Blagiftrat um Erlas 
einer Bo^ioerorbitung folgeitbeu 3npaltS gu erfuepen: 

1. Sdjulftnber biirfen in öffentlichen EtabliffementS, Etaftnnri^ 
fdjaften it. f. ro. gur Bcbieimng ber Eäftc nidjt uerroenbet roerber.. 
2. Sdjulfinbcru ift bas Jycilhaltnt 001 t haaren auf öffentlichen Bläfcm 
unb Strapeit nnterfagt. 8. Die geroerblidje Befdjäftigung oon Minbeni 
unter 10 fahren ift nidjt gefteittet. 4. Ddjulfintier über 10 ^sahre 
biirfen im Sommer oott 8 Upr ?lbenb§ bis n‘/a Upr Blorgenei unb im 
Sinter oon 8 Upr 'JlhcnbS bis 6 l 2 Upr friip nicht befdjäftigt roerben. 

Wtipebelmtg Pott Arbeitern unb fletnen Snttctt auf bem^anbr. 

Hm bieS 3^i P förbern, pat fiep in Berlin bie „Dcuffdie ^ln* 
fiebelungSgefellfdjaft, ©ef. m. befepr. f)." gegrünbet. Sie roirb fidj 
fapungSgentäft befepäftigen mit ber Sluftpeiluttg oon G)ütern unb 
Slnfepung oon 9lttficblerit unter ^luSfcplufe jebcS fapitaliftifcpen 
Sonberintereffcs, mit ber Hnfcpung beutfifjer Bauern, öattbroerfer 
unb Slrbciter unb ber 5luSftattung ber gu bilbettben Eknicittbcn. 
Dem 9luffidjtSratp gepören u. Sl. an Blinifterialbireftor Dpiel, 
©epeimratp Boft, CanbeSöfonomieratp 9lobbe, B^ofeffor Scriitg. 
Die preufgifepe Regierung pat ber EJefeUfcpaft bereits einige Domänen 
gur B a rs e ßi run 9 mtb Beftebeluttg überlaffen. 


Sogtalpolitifcpc Bcftimmmtgcn im neuen öfterreupifdjen Bß^ntgefcpc. 

Das öfterreicpifche Baicntgefcp oom 11. Januar 1S97 (Eiefep, 
betreffenb ben Sd)up oon Erfinbuitgen, Beidjsgcfepblatt 9lr. 
roeldjcS am 1. Januar 1899 in Sirffamfeit tritt, culpält cbcto'o 
roie bic DurdjführungSocrorbuungett bagu (Slcicpsgefcpblatt 9?r. löO 
bis inel. 162 aus 1898) eine Sfteipe oon ^luSnapmcbeftim* 
ntintgen gu (fünften ber Arbeiter nnb ?lngc.ftclltctt, foroic 
ber mittellofen Bcrfoiten im Allgemeinen. 5 bes Elefcpcs bc* 
ftimrnt pinfidjtlid) bes Anfprucpcs auf ein Bedeut, bap Arbeiter, Auge* 
fteHte unb Staatsbebienftete als bie Ürljebcr ber oon ihnen im Dieiifte 
gemadjten Erfinbungeit gelten, roenn niept burch Bcrtrag ober 
Dienftesoorfdjriftnt ctroas AnbereS beftimtnt rourbc. Jebodj" haben 
BertragS* ober Dienftcsbeftimiuuugcn, burep roeltpe einem in einem 
©eroeriSsimtcrncbmeu AngefteQten ober Bebienfteten ber angemeffene 
9lupeit aus ben oon ipttt gemachten Erfittbiingen entgegen tidrb, 
Feine redjtlidje BBirFuttg 

Den bei armen Erfinbertt häufigen Jätlen, ba§ ber Vöioeit* 
antpeil an beut EJcioimte aus ber patentirten Erfinbung bemjenignt 
gufällt, ber bie (oerpältntfgmäfgig geringen) Moften "ber Batcm* 
crrocrbuitg trägt, roirb burdj bie li-1 uitb 118 oorgebeugt, 
roonadj eine Stmtbiutg ober felbft eine gänglidje Erlaffuug bei 
Ekduiprett gewährt werben Faun. Es roirb näutlid) feftgefept, bafg 
bemjenigeii, toeldjcr feine BlittellofigFcit nacprocift, foroic Arbeitern, 
roelcpe nadjioeislidj auf ihren Arbeitslohn befdjräitFt finb, fofcrtt fie 
baS Bateilt als Urheber ber Erfitibiiug für fiep nadjfndjen, bie 
Anmclbegebiihr (10 fü, bie JahreSgebüpr fiir baS erftc Batentjnhr 
(20 fl.) ober audj bloft bie erftc JapreSgebüpr bis guitt Ablaute 
bes brüten Aiüitat« uad) ber Jälligfeit ber gioeiteit Japresgebiihr 
geftunbet ober, wenn bas Bateut mit 'Beginn bes grocitcu v \al>res 
erlifdjt, pitgliep erlaffeit roerbeit iaim. Die glctdje Erlaffuitg ber 



1121 


©ojiale SßrajiS. Ecntralblatt für «Sojtalpoltttf. Nr. 42. 


1122 


©ebüßren wirb bcr bezeichnten klaffe von ^atenterroerbern audj 
für jene gälte gewährt, wo im Saufe beS BerfaßrenS für bie frei- 
willige Aenberung ber Beitreibung (5 fl.), für eine Befcßwerbe 
(10 fl.) unb für eine Berufung (25 f(.) bie hier angeführten EJe* 
büßrenfäbe ju entrichten ftnb. 

Sie SDurchfüßrungSoerorbnungen ermeitern noch bie 3^ücf 
nabme auf mittellofc Erfinber baburdb/ baß fie ihnen bie 3Nögli<h* 
feit gewähren, fit zur Nedjtsburdjfeßung eines BatentanwalteS 
ober aut eines NecßtSanwalteS 31 t bebienen. Nach §. 16 ber Ber« 
orbnung, betreffenb bic berufsmäßige Bertretung oon Parteien in 
Batentangelegenßeiten burt Batentanwälte unb autorifirte latent« 
tedjnifer (NcichSgefebblatt 9fr. 161 aus 1898) famt bas Patentamt 
auSnaßntsioeife auf Anfuchcn einer Bartei, weite ihre Ntittellofig* 
feit nadjweift, fowie eines Arbeiters, weiter nachweislich auf feinen 
Arbeitslohn befeßränft ift, wenn bas Begehren nitt mutbwillig 
erfteint unb ben einfcßlägigen gefeblicßen Beftimmungeit nitt 
offenbar wiberfpridjt, biefer Bartei zur oorläufigen unentgeltliten 
Wahrnehmung ihrer Rechte oor bent Batentamte einen Batent* 
anwalt ober einen im Brioattedjniferregifter eingetragenen Brioat* 
tecbnifer beiorbnen. git einem fokßen gälte hat biefer Bertreter, 
wie bie Berorbnung feftfeßt, bas Sntereffe feiner Bartei mit bem 
nämliten CSifer zu wahren, als wenn er oon biefer felbft beftellt 
worben wäre. SDie Entlohnung für bie Bertretung biefer Bartei 
gilt als geftunbet. X)ie Auswahl beS beijuorbneitben BertreterS 
erfolgt burt ben Bräfibenten beS BatentamteS ohne Einräumung 
eines Befcßwerbezuges. 

X)a ben Batentanwälten unb ben ihnen gleicßgeftetlten beßörb* 
lit autorifirten Brioattechnifcru bie Bertretung oon Bartcien in 
©treüigf eiten über bic Suriicfnaßtne, NicßtigfeitSerflärung ober 
Aberfcnnung eines BatcntcS, fowie in allen nitt techuifcben Sin* 
gelegenbeiten unterfagt ift unb in folten gälten .bie gnteroention 
eines NecßtSanmaltes erforberlit ift, oerfügt eine weitere Berorbnung 
über bie Begünftigung mittellofer Berfonen unb ber auf ihren 
Arbeitslohn befeßränften Arbeiter in Batentangelegcnheiten (Neicßs* 
gefeßblatt Nr. 163 aus 1898), baß biefen Brrfoneu auSnabmsweife 
bie oorläufig unentgeltliche Bertretung burt einen fit freiwillig 
melbcnbeit Aboofalen in beit oor bem Batentamte ober Batent* 
gerittshofe ftattfinbeuben münblicßen Bcrhanblungen bewilligt 
werben Fann. 2>ie (Gebühren ber Aboofaten gelten als geftunbet. 
Es_ erfeßeint für .ben $fenner ber in Betratt fommenbeit Berßält* 
niffe nitt zweifelhaft, baß fit eine weitaus geniigenbe Auzaßl oon 
Aboofaten fiir biefe Art oon Barteienoertretnng melbeit wirb. £>ie 
leßtcitirte Berorbnung regelt aut bie Beibringung ber Nacßmeife 
über bie BermögenSoerhältniffe, oon weiten bte 3uerfennung ber 
in Nebe ftehenben Begünftigungen abhängig geniatt wirb. Bei 
Arbeitern wirb feftgefeßt, bah bas 3eugniß barüber, bah fte außer 
bem ßoßne aus ihrem anzugebenben Arbcitsoerbältniffe ein auber* 
weitiges Einfoutmen nitt beziehen, 001 t bem Arbeitgeber ausge* 
fertigt fein muß. 

Wenn erwogen wirb, baß unter ber Wirffamfeit beS bis 
1 . Sanuar 1899 in itraft ftehenben Batentgefeßes aus 1852 bie 
Erlangung eines Batentes ohne 3aßlung bcr (Gebühren oöttig un* 
möglich unb bie Nechtsburcbfeßung in Batentangelegenheiten in 
Defterreicß oennöge eigenartiger Berßältniffe, bereu ^Darlegung $u 
weit führen würbe, befoubers Foftfpiclig war, baß ettblit ein 
Ä’oftenzufprut aut galle bes Öbfiegens nid;t ftattfanb, wirb 
bie Tragweite ber befproeßenen Begünftigungen oollauf gewürbigt 
werben föniteit. 

Wien. 2R. ©eßwarz. 


©ozialpolitifcßer t®igre| in <3enua. Bom 23. bis 29. 0t« 
tober b. 3 S. wirb in ®enua ber erfte italienifcße fozialpolitifcße 
Kongreß tagen. ®erfelbe bezroerft bie Berbreitung beS fozial* 
wiffenftaftliten Unterritts unb bie X)iSfuffion einschlägiger 
Xbeuieit in brei ©eftionen, ber biftorifcb*pbiIofopbif<hen, juriftifcß* 
öfonomi[chen unb bio*etbnoIogif<ßen ©eftion, in bie fit ber $on* 
areß theilen wirb. Anmelbungen (NtitgliebSbeitrag 5 ßire für ben 
Bezug ber ^ongreßberießte) finb an ben „Circolo di Studi Sociali 
deir Universitii di Genova“ z u ritten. 

Beilegung Oon Arb eitsflreitigf eiten in NeufübtoaleS. Ein 
Eefeß, betreffenb bie £>intanbaltung unb Beilegung oon ArbeitS* 
ftreitigfeiten ift fürzlit in ber Kolonie NeufübwaleS in Äraft ge* 
treten. SDie Bill ift ber entfpretenben engliften natgebilbet, bie 
baS $anbelSamt ermächtigt, Unterfutungcn oon ArbeitSftreitig* 
feiten einzuleiten, Einigungsämter zu bilben, 3 e ugen, wie oor ©e* 
ritt einzuoemehmen unb gegebenen gaHs aut einen binbenben 
©cßiebsfprucß 5 U fällen. 


ftomntttnale SojialpoUHb. 


^er ^höringiftc 8tübtetog. bem 78 ©täbte angehören, tagte 
unter bem Borfiö beS DberbürgermeifterS B a ^ft tf 2Srimar am 
9. 3uli in ©reiz- $>ie Berhanblungen würben mit bem Beritt 
über bie 6 tnlarztfrage eröffnet; in ber $auptfa<he würbe baS 
Beifpiel B^ieSbabenS als oorbilblit hingeftellt, bie S^othwenbigfeit 
bcr ärztlidjcn Unterfutuugen aller Stnlfinber unb bie Be* 
obattung bes ©efuubheitSzuftanbeS aller klaffen, fowie einer guten 
©tnkßlefunbhcitSpflege betont. 9?at einem Beritte über bie Ein* 
ftränfung ber SRequifitionen wegen Behänbiguttg in ©teuer«, 
Bolizei* unb anberen Angelegenheiten unb mögtitfte Benußung 
ber Boft fowie über ben Bortheil oon ©arnifonen für bie ©tabt, 
traten Babft*2Bcimar unb Dr. §uhn*©era für ftäbtifte Sethhäufer 
ein. — ©obann würbe eine Briition an bie SReitäregierung be« 
ftloffen, bereu ©inn bahin geht, Ellern unb Ehegatten, wenn fie 
ihre SRährpflitt gegen ihre Äinber bezw. gegen einanber in ftulb* 
hafter Bkife oernatläffigen, mit ©efängniß, fattS milbernbe Um* 
ftänbe oorüegen, mit $aft z u beftrafen unb baneben bie übliten 
ianbeSpolizeiliten Btaßnahmen über fie z u oerhängen. Es 
wirb eine lanbeSgefeßlit oorzuftreibenbe ortsftatutarifte ^Regelung 
ber AnfteHungS*, BcfolbungS* unb B c nfionSoerhältniffe ber Be* 
amten geforbert. £)ie Sonnenabfuhr wirb für mittlere ©täbte empfohlen. 
3u ber grage ber öffentliten Bütereien unb ßefehallen theilt 
Bürgermeifter 0ftcrtag*©otha mit, baß 40 Kommunen Büttel für 
BolfSbibliothefen unb ßefehallen bewilligt höHen unb mit bem 
Befud) fehr zufrieben gewefen feien. 2)ie ßefehallen feien gewiffer* 
maßen bie gortfeßung ber Bolfsftule. 2)ie Bibliothefen feien in 
Berbinbuitg mit einer ßefehalle hoppelt fegenSreit; fie feien bie beften 
BunbeSgenoffen im Stampf gegen baS BHrthShauS. Ueber bie 
öffcntlite ßefehalle theilt Dr. Bktjbemann bie günftigen Erfurter 
Erfahrungen mit, auch bie übrigen SRebner erfennen ihre moralifche 
BJirfung an. 0berbiirgermeifter ©inger*3ena erflärt biefe Ein* 
richtung» für wünfchenSwerth, aber für nothwenbiger noch bie 
ßöfuug ber Arbeiterwohnungsfrage. 

ber Schulärzte in $armftabt 1898/1899. ^ie 

^armftäbter ©chulärzte haben 1898/1899 bei Unterfuchung oon 
5502 ©chülern ber BoIfS* unb Btittelfchulen bie allgemeine £on* 
ftitution in 1447 ( 26,3 o/u) gälten „gut", bei 3775 ( 68, 6 2 %) Unter* 
fuchten „mittel" gefunben, währenb bie 9tote „fchlecht" im ©anzen 
nur 280 (ö , 0 8 %) mal oorfommt. 2308 ErfranfitngSformen würben 
beobachtet, am häufigften Blutarmutlj, nämlich bei 553 ( 10 , 5 o/ 0 ) 
Bläbchen unb 142 ( 2,5 o/ 0 ) Knaben, fobann ©frofutofe, Rachitis, 
5tno<henerfranfungen, Erfranfungen oon Btunb, 9tafe unb §als 
267 ober 4 , 8 o/ 0 . Ungefähr 80o/ 0 ber unterfu^ten Äinber hatten 
fchledjte 3ähne. Barafiten (ßaufe bei SRäbdjen, iträße bei Knaben) 
würben runb 200 mal gefunben. $>ie Aerzte hielten 206 ©prech- 
ftunben unb ©chulbefudje ab, 597 (10,8%) $inber würben unter 
bie bauernbe Uebermachung gefteflt, 294 ( 5 , 3 o/ 0 ) finb beim Unter« 
rieht befonbers zn beriicffichtigen. An bie Eltern gingen 507 fdjrift* 
Iid)e BÜtteilungcn. 2)ie ©chulärzte haben eine eingehenbe Einzel* 
unterfuchung ber ©d)üler nach ben abgeänberten Borfchriften außer 
bei ber Aufnahme im 3., 5. unb 8 . ©chuljahr oorzunehmen; im 
Allgemeinen werben fämmtliche ftinber einer Älaffe h a Ibjährli^ 
minbeftenS z^^imal befichtigt. ÄranfhritSoerbächtige, fowie bie 
unter bauernber ärztlicher Ueberwathung ftehenben Ä'inber werben 
einzeln nnterfucht. 


Arbeitslöhne tu Württemberg. 

Unter biefem Xitel hat Dr. ßofch*©tuttgart eine inftruftioe 
Unterfuchung oeröffentlicht. *) X)er Autor befpricht bie ©chwierig* 
feiten, welche fieß ber elften geftftellung beS Arbeitslohnes entgegen* 
fteHen, bie Bielgeftaltfgfeit ber ßohnformen, bie feßwere Berechnung 
ber 9taturallößne, bie fo oft in metßobifch*falfcher Weife falfulirten 
„^urchfcßnittslößne", bie Neigung ber Unternehmer ßößere, ber 
Arbeiter nicbere ßoßnfäße anzngebeit u. A. m. ßofcß oerlangt 
nießt nur bie ^onftatirung ber täglichen Arbeitszeit, fonbern auch 
ber tßatfächlichen gaßreSoerbienfte feßon wegen ocS häufigen Bor* 
fommenS oon ©aifonarbeit. Er macht aud) auf bie Bebeutung 
bes WechfelS ber Arbeiter für ben ßoßn aufmerffam, ber bis jeßt 
noch nießt gemeffen fei. Enblicß wirb beßufs ^onftatirung bes 


*) SSiirttembergiidie Jahrbücher für ©tatiftif mib ^anbesfuube, 
Jaßrgang 1897. 'Stuttgart, W'ohlhaminer, 1898. Y, 3. 129—214, 



1123 


Sogiale $rajt$. <£cntralblatt für Sogialpolitif. SRr. 42. 


1124 


„relatioen Arbeitslohnes" (StobbertuS) b. h- beffeit Berhältniß gu 
©runbrente unb llnternehmergeroinn als conditio sine qua non 
einer ejraften Sohnftatifiif geforbert, mie natürlich, ein Bergleich 
ber BreiSfäfte für bie nothroenbigften SebenSbebürfniffc beS 
Arbeiters. 

0o hadjgefpannten Anforberungen entfpridjt nun leiber baS 
Bier Bearbeitete Material nur im Befcfjeibenen ©rabe. ^ie roürttem« 
bergifdjen Sohuangaben aus früheren 3 e i* en ftnb ungenau unb 
lücfenBaft, nic^t minber bie non tem beutf<Ben £>olgarbeiteroerbanb 
unb ben beutfdjen ©eroerfoereinen oerfutf)ten Statiftifen unb in 
nod) BöB^rem Btaße Angaben non Unternehmern. So benufet benn 
Sofch hauptfäd)lich &aS SKaterial ber Arbeiteroerficherung, 
roeid)eS er burd) fpegialifirte Eingaben oielfad) brauchbarer machen 
fonnte. 

3ni 3aB^ 1895 toaren ber Arbeiteroerfidjerung untermorfen 
im Reiche begro. in Württemberg: 

1. ber äranfenoerficherung 7 , 5 Million eit begro. 237 000 fßer* 
fonen; 

2 . ber UnfaHoerfid)erung in 64 gemerBIichen BerufSgcnoffen« 
fdjaften 5,3 Blillionen begro. 170—180 000 Betriebsbeamte unb bnrcf;® 
fdjnittlid) befchäftigte Arbeiter; in 48 lanbroirthfd)aftlid)en Berufs« 
genoffenfehaften 12 /3 Millionen (??) Berfidjerte; 

3. ber Alters« unb 3noaIibitätSoerfid)erung ca. 11 üDiiHioueit 
begro. 390 000 $erfonen. 

Mithin fehrt ber ©runbftocf non mehr als 5 BUIIioneit Ber« 
fieberten im D^eicB unb etroa 180 000 in Württemberg in allen 
3 ber Berficherung roieber. 

2>ie ©egeniiberftellung ber 9lefultate ber AIterSoerfid)ernng 
liefert für Württemberg folgenbeS 3iffc r nbilb: 


SotjnHaffe I. 
= II. 

III. 

= IV. 


im 3aB*e 1891 
42? } 63 ' 5 > 

ii;i} 36 ' s0 /» 


int £Saf)re 1896 


i7, c \ 
40, 5 / 


26 , 9 1 

14,98 / 


41,88 ° / 0 


danach barf eine allgemeine Sohnfteigeritng mährenb biefer 
fßeriobe als roahrfcheinlich angenommen roerben. freilich fennt 
man nicBt bie Qaijl ber nerficBerten fjSerfoiten; man roeiß auch nid)t, 
ob bie Soßnfäfte überhaupt genau eingefdjäftt mürben, unb eitblich 
fehlt jebe tenntniß barüber, mie fich bie BeüragSeinheiten jebeS 
SahteS gur 3 a ^ ber SSerficBerten verhalten. 

Beffer fteht eS fcBon um bie lohnftatiftifche Ausbeute ber 
£ran!ennerficBerung. 3ot 3ah rc 1895 mürben in Wiirttem* 
Berg 451 $ranfenfaffen mit 236 972 (barunter 46 730 meiblicBen) 
BUtgliebern gegäßlt, morn nocB bie unbefamtte 3aBl ber Sttitglieber 
eiitgefchriebener frölfsfaffcn famen. Stellt man nun bie Büttel« 
jähe ber „ortsüblichen STagclöhne" aus ben 3öB re » 1884, 
1890, 1893 unb 1898 einanber gegenüber, fo ergeben fich 
Söhne oon 112 /5 begro. 117, 5 begro. 140, 0 begro. 133, 7 4 . tiefes 
Befultat ift offenbar unrichtig, nicht bloß meil es Buubgreiflichen 
□:hö*f ac B en toiberfpridjt, fonbern hauptfächlich, meil bic BeredjnungS« 
meife gang unguoerläfjtg ift. Stellt man bagegen biejcitigen ©e« 
meinben gufammeu, melcBe in ben genannten Sahrett 2 di ober 
mehr ortsüblichen £agelohn an ermachfene männliche Arbeiter auf* 
roeifen, fo ergiebt fich ein gutreffenberes Bilb, nämlich bie Säfte 
oon 228, 277, 313, 383 4/ alfo eine ununterbrodjene Sohn* 
fteigerung. TDie 12 größeren Drte toeifeit Säfte oon 196,9, 204, 3 , 
228 /3 , 236,5 4 auf, mithin Erhöhungen oon 8 , t begro. 24, 0 
begro. 8 , 2 %. 

^as brauchbarftc Material haben enblich einige gern erbliche 
Berufs genoffenfehaften geliefert, bic Sofcft gur Berarbei« 
tung unb Biittfteiluug oeranlaßte. Bei ber BaugeroerfS« 
Berit fSgeno ffenfdjaft fällt ber ftarfe Wedjfel ber 2lrbeitöfräfte 
auf. 3m 2)urd)fd)nitt ber 3«B^ 1890—96 mar je ein eingeftettter 
Arbeiter nur 75,o ^age, alfo etma ein SSierteljaljr in einem unb 
bemfclben Öefcftäftc thätig. SDabei hat fid; ber Saifomharafter 
biefer Olemerbcs nod) oeri^ärft. 1 / i aller gezahlten Söhne ent« 
fallen auf bie SanbcShauptftabt, obmoftl biefe nur etma V 10 aller 
betriebe enthält. 2)ie Söftnc fiitb in Stuttgart um j / 3 höher, 
überall aber im Warfst ft uni begriffen. 


l^or 3 Üglich unb nachahmenSrcerth für alle ähnlichen üBcrmaU 
tungen ift bie Sohnftattftif bei ben mürttenibergifcheii Staats« 
eifeti bahnen. $on 1S91/92 bis 1895/96 flieg bereu 3ah*‘eS« 
lohn oon 770,03 auf 822,9t </1( t mährenb er 1895/91 fdjon auf 
854,02 r f( ftanb. 3m 3ahi*e 1895/96 toaren iuSgefammt 6138 ?lr« 
beiter bei ber Staatsbahnoermaltung befchäftigt. Süinfterljaft mie 
bie Statiftif fanit bas Epitheton „Df 11 iterbetrieb" freilich ber s - 8 er= 
maltung nidit juerfannt merbeu, fo lange bie Söhne fo niebrige 
fiub, bic fid) 3 . bei ben gelernten Arbeitern ber Wcrtjtätteu« 


oerroaltung auf etma 1100 f // unb bei ben ungelernten auf ca. 
800 ,/ff beliefen, mäljrenb fie bei ber allgemeinen Oerroaltung unb 
ber Oahnoerroaltung gar nur 700 bejro. 637 dt. 3ah re 3b>h n 
betragen. 

®ic fiibbeutfchc £ejtiUOerufSgenoffenfchaft hat fehr be« 
taillirte Eingaben gemalt, danach erhöhten fid) bie Söhne 1887 
bis 1896 im SHeith um 23,5, in Württemberg aber um 30%, mährenb 
bie 3al)l ber Arbeiter um 18 be^ro. 23 % amoud)S. Mein, roaS 
roitt ein Steigen beS 3ah*c‘Slohne£ oon 527 ,35 auf 585,44 dt. bc* 
fagen? 3agleirf) jeigt bie Statiftif, bafe in biefer erbärmlich ent« 
lohnten 3 nbuftric bie 3 a hl ^ er ermachfenen männlichen £e£til* 
arbeiter ftetig fällt. 

3n ber bebeutenben SJlöbel* unb ^olgmaaren«3nbuftrie 
Württembergs mar nach Eingabe ber OerufSgenoffenfd)aft 
1894—96 eine Sohnfteigcrmtg oon 243 be^ro. 244 auf 246, 7 4 
roahrnehmbar. S)ie Steinbrucharbeiter erhielten im 3ahcc 1896 
250,7, bic Orauerciarbciter 296 4- dagegen rouchS innerhalb 
ber laugen ^ßeriobe 1868—96 ber Sohn ber £abafarbeiter nur 
oon 433 auf 449 ,% dt. pro 3ahr. Md) hi c r läfet fich ^°S ftetige 
Mroachfen ber meiblidjen Mbeiter bis auf 50% ber ©efammtjahl 
fonftatiren. 3He Salinen« unb Saigarbeiter hatten relatio 
hohe aber ftarf [chmanfenbe Söhne oon 702 auf 894 <,4i r ebenfo 
bie ber Mbeiter in 3urf er fabrifen, Brauereien unb ©rofe« 
töpfereien. £ie Söhne ber ©laSarbeiter fanfen beftänbig, 
bie ber Schont ft einfeg er finb exorbitant niebrige bei ftarfem 
Mbeiterroechfel. Slm beften flehen fich innerhalb biefeS burchauS 
unerfreulidjeit 3'ff c rnbtIbcS bie Mbeiter an ben Srafcen« unb 
Onnatbahnen mit 800 Begro. 1100 di. 3ahreSoerbienft, beffen 
£)urchfd)nittö|afte bnreh Einftellung oon niebriger entlohnten 
legenheitSarbeitern herabgebriieft roerben. 

9iadh beit Berechnungen oon Sofch belief fich bie ©efammtgabl 
aller Mbeiter in Württemberg mährenb beS 3ahreS 1895 auf ins* 
gefammt 411 327 (barunter 148 289 roeibliche), maS 20% ber 
ortSanroefcnbcn ©efammtbeoölferung bebeutet. Sin biefe mürben 
ruitb 1 U OäHiarbe 3Rarf 3ahceSlohn auSgegahlt. Smierbalb 
einiger beffer entlohnten Snbuftrieen oermehrte fich 1891—95 bie 
3ahl ber BoIIarbeitcr (b. h- ber an 300 Xagen Befchäftigfen) oon 
61 654 auf 69 442, ihr 3af)reSlohn oon 685,gc‘ auf 708,9 di 
Gegenüber allen früheren Sohnangaben bebeutet baS eine etfySUfye 
Steigerung, ^a imd) ber BerufSgäljlung oon 1895 36 % aller 
Mbeiter roeuiger als 20 3ah*e alt maren, fo erhielten bie älteren 
burdjgänqig ein häh ere ^ Einfommen als jene gur fjriftung bes 
SebeitS ungenügenbe Summe oon 708 di 

3 n einer fehr inftruftioen Tabelle ftcllt Sofch bie auf jeben 
eingelnen BerufSgmeig burchfchnittlich entfaHenbeit Arbeitstage gu* 
fammen. Es ergiebt fich barauS, ba& bie Bergleute unb EHaS* 
arbeiter oott begro. gu % befchäftigt maren, roenn man 300 ^age 
als SRormalgaljl bcs 3 ah^ annimmt. 3 mif(hfn % bis % unb 
barüber maren bie Arbeiter in Steinbrüchen, Straßenbahnen, 
3 ucfer« unb ©laSfabrifen in berfelben Unternehmung thätig, bie 
Bauarbeiter aber rocfentlid) fiirger. 

2)ie greife ber ScbenSmittel maren im ©angen gefallen, ba* 
gegen hatten bie 9ttiefhSpreife angegogen. Sofch macht barauf auf* 
merffam, baß bie f<Broäbifcl)en Arbeiter fich not B iu 3 U geringem 
©rabe ber ^oufumuereine behufs $erabbrücfung ber ®etailpreifc 
bebienten. 

3m Schlußmort fdjilbert ber Autor bie fd)Iimme Sage ber 
bäuerlidjen Beoölferung Württembergs, hierauf eingugeheit ift um 
fo roeniger angängig, als fpegialifirte 9teformüorfd)läge nicht ge* 
macht werben. 

So unooUrommen unb liicfenhaft auch biefe SRefuItate in Solgc. 
ber fehleubcit Unterlagen fmb, fie befiften immerhin ihren fpmpto* 
matifchen Werth nub fie geigen oor Allem, maS hoch mit bem 
oorhaitbcnen Material ber ArbeiteroerficBerung immerhin angu* 
fangen ift. £>offcit mir, baß mit bereu Ausbau unb innerer 
Seftigung fid) aud) Berbefferungen in lohnftatiftifcher Begiehuitg 
menigftens anbahnen laffen unb baß baneben 9teid), Staat unb 
Stabt burd) periobifche fpegieÜe Erhebungen baS fdjroierige Problem 
ber Söfung näljer bringen. 

Berlin. t 91 ub 01 f ©röfter. 

e Sage beS beulfc^ett ArbeitSmarlteS im 3««^ im 

oorigen ÜDfonat beridjtete merfmürbige Erfd)einung ber Arbeits* 
lofigfeit als öolge giitiftiger ElefcftäftSlage bauert fort. „^Ter Ar* 
beitsmarft" berichtet hierüber in ber neueften Mmmer: iic Börfe 
batte gegen s JWitte bcs Monats 3uni mit einem Biale baS ©efiibl, 
baß bie Monjimftiir umfdilagen miiffe, unb gab ihrer Stimmung 
I burd) einen ftarfcn Mursriicfgaug Ausbrucf. 







1125 ©ogiale $rajt$. Eentralblatt für ©ogialpolttif. 9>lr. 42. 1126 


©o fernen auch bie Börfe in ber nach bem 16. 3uni folgenben 
Böo<he fid^ roieber erholte, fo Braute fie burdf) ben auffälligen $urg* 
rüdfgang hoch bie gefpannte Sage beg Hrbeitgmarfteg gum Hug* 
brudf. Aufträge in $üße unb gütte unb trofcbem ergroungene Befchäfti* 
gungglofigfeit in oielen Betrieben megen Sohlen* ober ELfentnangel! 
Sin Hugbrucf biefer unruhigen uno in fid^ roiberfprud)gooßen 
©timntung ftnb bie mit elementarer ©eroalt aitgbredjenbeit ©treifg 
jugenblidher HrBeiter (Herne) unb Hnbrohwtgen non Hugfperrungen 
(Maurer), bie fdjneU auftaueben unb fcfjnell roieber oerfcbminbeit. 
£>ah im 3)ur<bhbnitt aller ©eroerbe bie Situation nod) immer 
üBerroiegenb günftig ift, geigen bie Hrbeitgnadf)roeife, Bei benen im 
3uni auf 100 offene ©teilen noch nid^t einmal 94 Hrbeitfucbenbe 
famen (gegen 113 im Borjabr). $te 3af)l ber Befcbäfticjten nach 
ben Äranfenfaffen ift im Saufe beg Bfonatg eine $Heinigfcit ge* 
ftieaen, roäbrenb fte im Borjabr noch nidjt gang gleich ge* 
Blieoen mar. 


Arbeitgeber' mtb llntemtjttirmerbänöe. 

$er Berbanb ber Bfetaflinbnftriefleu unb bie 9rbeitgftttttgcu* 

Hlg Material für ben ©efebentrourf gum Schufte beg geroerblicben 
Hrbeitgoerbältniffeg ermähnen mir folgenbe Heuherungen beg 
gaBrifanten $aul ,§edfmann oom Berbanbe ber Bktaßinbuftrießen. 

Er fagt: „Bfeine Herren, ba mir im ©efammtoerbanbe Bin* 
fid)tlicf) ber Hrbeitgnadftroeigfteßen einen 3afammenbang über gang 
2)eutfd)lanb haben, fo mirb, menn in Hamburg g. SB. ein Hugftanb 
ber Former proflamirt mirb, burcB unfere einfache Drganifation 
natürlich fämmtiidhen Hrbeitgnadhroeifefteßen refp. fämmtlicBen Sßit* 

t liebem beg ©efammtoerbanbcg entfprecBenbe Btittbeilung gemacht. 
)ann ift eg für einen Berbanb mie Hamburg ober Berlin natiir* 
lieb feBr einfach, bie Seute auggufperren, meil eine ßRittbeilung an 
bie Hrbeitgnacbrocigfteßen genügt. Huf biefe Sßeife fönnen bie 
Scuteoon allen Sßcrfftätten beg Berbanbeg fern geBalten merben." 
. . „Bor anbertBalb Sabren broBte mieber ein gormerftreif, ber 
Bei ber Sirma 3Jf. 33orftg Begann. Er bat nur menige BSocben 
gebauert. Böir mären aber, um bie ©treif(affen gu leeren, ent** 
fcbloffen, unb 3 mar alle bie oereinten Hrbeitgeber Beding, melcBe 
inggefammt 31 OÖO Hrbeiter BefcBäftigen, fämmtlicBe Bkrfftätten gu 
fcBUefeen, um auf biefem SBege in möglicBft furger 3 e ü SRuBe unb 
Srieben mieber Berguftelien." 


Arbeiterbewegung. 

$ie ferner Bcrgarbciter*$raroaßc bürften einen $R a f f c it p r o g e h 
gnr Öolge Baben. $o<b immer mirb oon Berbaftungen jüngerer 
Bergleute gemelbet, bie ficB an ben Äraroaßen BetBeiligt, Begm. iBre 
ftameraben BcbroBt Baben foUen. Eg Baben auch Bereitg Sofal* 
termine unb 93efid^tigungen beg ^batorteg feiteng ber Hnflage* 
BeBörbe ftattgefunben. Sngroifcben Baben bie Hern er Unruhen ber 
©eneraloerfamnilung beg Bereing für bie bergbaulichen Sntereffen 
im Dberbergamtgbegirfe 2)ortmunb Hnlah gegeben, für bag „3ud)t* 
bauggefeft" eingutreten. SE)ie grage beg ©djufteg ber Hrbeitg* 
rotßigen fei burcB bie ferner Straroaße jebenfaßg afuter gemorben. 
Eg tnüffe in biefer Begebung unBebingt etrnag gegeben. Btan 
Bebauerte, bah im BetcbStaae bie Vorlage fo fdEjroff abgemiefeit 
morben fei. 3meifellog meroen bie ferner Vorgänge unb bag gu 
ertoartenbe ©eridBtgurtBeil näcBften hinter im SReicBgtage Bei ber 
SöciterberatBung ber 3acBtBaugoorlage noch eine 9ioÖc fpielen. ®ag 
Organ beg alten Berg** unb .f)üttenarbeiter*Berbanbeg Bat jüngft 
in einem faft fünf ©palten langen drittel bie ferner Borgänge 
BefprotBen unb babei Befonberg B e n>orcjeBoBen, ba& bie poImftBen 
Arbeiter gemöBnlicB in ben 3 e£ B en ^°I° n i e a ifolirt geBalten mürben. 
„Sleiu SuftBau<B mobernen Smpfinbeng" biirfe au fie Beran. 3)ie 
Bertrauengleute beg Berbanbeg liefen ($efaBr, geprügelt gu merben, 
menn fie in bie $ßolen**$olonien gu geBen oerfud)ten. ^)ie lieber* 
Ballung ber polnifcBen Arbeiter fei für bie ferner Borgänge oer** 
antroortlicB niacBen. 

^IrBeiterBetoequng im BaugetoerBe» Baugemerbe gieBt eg 
g. 3- eme ftarfe nrbeiterBeroegung. Bon oerfcBiebenen ©eiten mirb 
über ^lugftänbe ber Btourer Berichtet, Bei benen eg gutneift um 
(SrBöBung beg ©tunbenloBneg unb gerabfebung ber Slrbeitggeit 
fid) Banbelt 3« 3n>idau ftreifen fcBon feit längerer 3 e ü ^ie 
Biaurer. SöäBrenb bie BeBörben ßcB urfprünglicB neutral oer** 
hielten, Baben fie neuerbingg gegen bie Arbeiter Partei ergriffen, 
iubem bie ©treifpoften megen „groben llmfugg" beftraft unb bie 


anfommenben Btaurer oon bendßoligeiorganen gur HnnaBme oon 
Slrbeit berebet unb gu ben Slrbeitgfteßen begleitet mürben. @g 
foßen fogar gmei gugereiften ßRaurern, benen bie ©treifleitung 
SifenbaBnfaBrfarten gur SRiidCfaBrt gelöft Batte, bie Bjßetg oon ber 
^oligei roeggenommen morben fein, bamit biefelben nid^t abfaBren, 
fonberit Arbeit neBmen foßten. SRachbem ein ©inigunggoerfaBren 
oor bem Dberbürgermeifter refultatlog oerlaufen ift, rooßen bie 
Arbeiter bag ©emerbegericht alg (Sinigunggatnt aitrufcit. 

Bom BttcBbrurferoerbanB, SRad^träglicB mibmet bag Organ 
biefeg Berbanbeg, ber Seipgiger ©orrefponbent, ber unlängft in 
3Raing abgeBaltenen ©eneraloerfammlung (f. ,,©og. B^ig" 9Rr. 39, 
©p. 1053^ oerfchiebene Slrtifel, aug benen mir einige fünfte Beraug** 
greifen rooßen. B?ag bie grage ber aud) bei anberen Arbeiters 
organifationen immer nteBr in ben Borbergrunb tretenbeu ^arif** 
gemeinfcBaft betrifft, fo fonftatirt ber „(Sorr.", bah in SRaing 
aße ^elegirten auf ®runb ber gemachten ©rfahrungen Batten gu* 
geftel)en müffen, bah ^arifgemeinfehaft aßentBalben nüfelidB für 
bie ©eBülfenfd)aft unb ben Xarif geroirft Babe, feine Stimme 
Babe ftd) bafür erBoben, bah nach Ablauf ber SarifgemeinfcBaft 
eine Erneuerung berfelben nid)t roieber angeftrebt merben foße; 
eg fei oielmeBr betont morben, bah eg im 3ntereffe ber EieBülfen 
geboten fei, bie 2)auer einer folcBen nicht unter brei 3aB*en 
feftgufefeen. „?öir flehen nach mie oor auf bem Boben ber Huf* 
red)ierBaltitng beg geroerblidjen griebeng unb miffen feBr rooBl, 
bah Bi er w f% on e i ne Ö an S B eröorra genbe Garantie für eine innere 
Erftarfung beg Berbanbeg unb für ein gefnnbeg ©emerfoereing* 
leben »gegeben ift. fämpfe fud)t man nicht, fonbern man oer- 
meibet fie, folange eg geht. Unb in unferer Sarifgemeinfchaft 
glauben mir ben feint ber Eutroicfelung für einen genügen mirth s 
fd^aftlichen fonftitutionaligtnug gefuttben gu Baben, ber im 
BürtBfchaftgleben bodt) noch gur Geltung fommen mirb, trofc aßer 
3ud)thaugoorlagen." 2)a ber Berbanb in erfter Sinie bie Er* 
ringung unb bauernbe Erhaltung oerbefferter Sohn* unb Hrbeitg* 
Bedingungen erftrebe, fo tonnten feine Unterftühunggeinrid)* 
tungen nicht ©elbftgmecf, fonbern nur Mittel gum 3mea fein, unb 
eg Babe beghalb bett Anträgen auf Erhöhung ber fraufenunter* 
ftütjung nicht entfprodjen merben fönnen. tiefer 3 roe ^9/ obgleich 
er in feinem befottberen 3ufaminenhange mit ben gemerffd)aftlichen 
fielen flehe, fofte bem Berbanbe jährlich runb 400 000, ^. 2)a* 
gegen fei ber Bcgug ber Sfteifeunterftühung erleichtert unb bie Sn* 
oalibenunterftühung unb bag Begräbnihgelb erhöht morben. Biit 
ber internationalen Berbinbung ber Buchbrucfer fteht cg 
anfeheinenb nicht befonberg gut. $cr „Eorr." erflärt menigfteng, 
bah bie Hoffnungen, roelche f. 3- an bie ©rünbung beg inter* 
nationalen ©efretariatg gefnüpft morben feien, fich nicht erfüßt 
hätten. Hflerbingg feien 19 Berbänbe im ©efretariat oertreten, 
aber nur menige baoon feien oon Bebeutung unb bie Snformationen 
beg ©efretariatg aug biefen Berbänben feien gleich ^Ruß. Qfranf* 
reich, Stalien unb Belgien ftänben bem ©efretariat gänglid) fern 
unb bag feBr in Betracht fominenbe Englaub fei für ben Beitritt 
noch nicht gu geroinnen gemefen. 9htr ^eutfchlanb, Oefterreich, 
bie ©dEjroeig unb Elfafj * Sothringen feien bie Präger biefer 3» s 
ftitution. 

Arbeiterfd)u|. 

Boligetpeporbnung gttui ©d|ü|e ber Bauarbeiter tut Uuterelfah« 

^5er Begirfgpräfibcnt für bag Unterelfah, ber oor Burgern eine 
Boligeioerorbnung gu ©unften ber Bäcfereiarbeiter ergehen lieh 
(oergl. $r. 40 ber „Sogialen $rajig" ©p. 1085), Bat folgenbe 
Begirfguerorbnmtg gum Schuhe ber Bauarbeiter erlaffen, bie fid) 
an ähnliche Berorbnungen auf biefem ©ebiete anlehnt: 

„ s Ber in ftjentetnben mit mehr* alg 10 000 C^inmoBncnt Bauten 
unternimmt ober herftetlt, bereu Hugfitörung eine ^ütbnuer oon mein* 
alg gmei BJonaten in Hnfprud) uinuit, ift uerpfliditet, für bie Arbeiter 
a) befonbere, ber Hrbcitergal)! entfprecBenbe, gur Benutmug mäbreub ber 
Hrbeitgpaufeu unb gum Sdjuhe gegen bie Unbtlbcn ber Witterung bet 
ftimmte Unterfuuftgräume, meldic mit Eiuridjtungeu gur Bermabruug 
ber Kleiber, gur Äörperreinigung, gum Ermärmeu ber ©peifett oeriehen, 
mit 2ifd)eu mtb Stühlen auggejtattet unb bei faltent fetter ermärmt 
fein müffen, gu errichten unb in reiulidjcut 3uftaube gu erhalten, Tinern 
er nicht burcB ben gircig* begm. ^oligeibireftor megen befoubercr ört* 
Ud)cr Schmierigfeiten augnahmgmetje baoon entbuuben mirb; 1*1 be= 
fonberc, ben Huforberungeu beg §. 120b ?lbfaü 4 ber Olemerbeorbunng 
eutfprcdjenbe Bcbürfuthanftaltcn hcrguftclicu. Sie ooriielieiibeu Be- 
ftimmuugen fönnen burd) bie Ärcivbireftoreu auf C'lemeinben mit ge* 
ringerer Bcuölferuugggaljl ober auf beftimmte Sheile beg .Mreife«, mo 
bie Bauthätigfeit gröberen Umfang anuimmt, für aumeubbar erflärt 
merben. — ^su Räumen, in meldien oifeue A-euer cMoafvtörbe u. f. m.i 



1127 


©oglale $ra£ts. Ecntralblatt für ©ogialpoltül. Ar. 42. 


1128 


ober fjeifje Jveuergafe gunt AuStrocfnen oerroenbet roerben, bürfen Bau* 
Arbeiter nur bcfchäftigt roerben, roenn für geregelte Ableitung ber ent* 
ftefjenben ©afe unb für reichliche 3ufuf)r frifdjer Öuft tu btc Staunte ge* 
forgt ift. — SBä^renb ber falten jabre^ett bürfen Bauarbeiter im 
Innern oon Bauten nur bann ftänbig bcfdjäftigt roerben, roenn bie 
ArbcitSrännie bitrd) geeignete Spür* unb ftenfierabfdjlüffe gegen baö 
©inbringen ber Kälte gefdmpt ftnb. — Bauunternehmer ober Bau* 
meifter, roeldje bett oorftcl)enbcn Beftimmungen guroiberfjanbeln, roerben, 
foferu nicht eine höhere ©träfe oerroirft ift, nach §. 471 3Ufrr 1» beS 
franjöfifcheit ©trafgefepbuebe* beftraft." 

©efepliche Siegelung ber ArbcitSbcrhiUimffe im ©ctfiroirthö- 
etoerbe unb bie oraaniftrten <$aftn>irtf)3gef)ülfrn. AngefidptS ber 
eoorftehenben gefepfidpen Siegelung ber ArbeitSoerpältniffe int 
©aftroirthSgeroerbe bat bie Berliner güitfer4Tomntiffion einen Auf* 
ruf an bie organiftrten ©aftroirtpägehülfen gerichtet, in roeldpem 
biefelben aufgeforbert roerben, int ßaufe beS Sommers in allen 
größeren Stabten Btoffenoerfammlungen gu neranftalten. lleberaü 
foÜen Kommtffionen gebilbet roerben, roelcpe fidp neben ber Be* 
fpreepung ber allgemeinen fragen mit ber Erörterung ber Iofaleit 
Berpältniffe befaffen foüen. 3n Begug auf baS in AuSficht 
ftefjenbe Scpupgcfep foüen in Anlehnung an bie Befchlüffe ber 
Stortgreffe ber organifirten ©aftroirthägehülfeit folgenbe Öorberungen 
oertreten merben: 

Die tägliche Arbeitzeit ber ©aftroirthSgepüIfen barf groölf ©tunben 
nicht iiberfdjreiten unb mufe fichi, mit Aiicfficpt auf bie Art beS Betriebes, 
eiufdjliefelid) ber Raufen, auf hörfjftens 15 ©tunben oerthcilen. ©enterb* 
liehet rociblidjes Dienftperfonal fomie jugenblidjc Arbeiter unter 
16 fahren bürfen nicht länger als 10 ©tunben befdfjäftigt merben. 
Beibeit Kategorien ift eine ununterbrochene Aupegeit oon 12 ©tunben 
git geroähren. Die Bcfdjäftigung jugenblicher Arbeiter unter 16 fahren 
ift oon 10 Uhr Abenbs bis 6 Uhr früh 3 « unterlagen; 2. ben ©chilfeu 
ift ein regelmäßiger roöchcntlicper Aupetag oon 36 ©tunben, ber alle 
4 Wochen auf einen ©omttag fallen muß, gu gemährett; 3. für jngcnb* 
Iidte Arbeiter unter 18 fahren obligatorifdjcr gacpfdjulunterricpt; 
4. Unterftellung ber gaftroirtpfdiaftlitfjen Betriebe unter bie ©enterbe* 
auffidjt; 5. aiisretcpcnbc Bezahlung ber Kellner itt Betrieben, bie beut 
©taate begro. mittelbar ober untniittlbar uittcrftehen; cnblich 6. Berbot 
ber ©teflenoermittelung gegen ©ntgelt. 

3nt ^erbft foÜ ein aÜgemciner 3acpfongre& ber ©aftroirtpS* 
gepülfen gufammentreten. 

Arbciterfcpup in Rero*?)orf. Die ©efepgebung beS Staates 
Rero* s $orf hat am 1. April einige Arbeiterfcpupbeftintmungen oon 
Sntereffe befdploffen, bie gunt S:^eil fofort, gunt Dpcil am 
1. September l. 3. in Kraft treten. Die roieptigfte biefer Bo.r* 
Triften bezieht fiep auf bie Heimarbeit in ber KoitfeftionS*, Dabaf* 
unb anberen Snbufirien. Das ©efep oon 1897 geftattete bie Be* 
nupung oon BSopnräumen für bie geroerbemäfeige Herfteüung ber 
oerfchiebenen Artifel burch bie SJiitglieber ber Familie felbft; bem 
neuen ©efepe gufolge mu& nunmehr auch in beut gaüe, menn 
nur gamilienmitglieber mit ber Heimarbeit befdpäftigt ftnb, eine 
Sigeng ermirft merben, bei beren Erteilung bie 3 a ÜH ber Heim* 
arbeiter in jebem BBopnraum berüdfidptigt mirb, inbem für jeben 
Arbeiter 250 Kubiffufe Suftraunt bei Dag unb 400 bei Äadpt ge* 
rechnet merben. Der gabrifinfpeftor faitn Artifel, bte in ben 
Staat importirt unb unter ungefunben H^ntarbeitSoerhältniffen 
ergeugt merben, als „tenement made" tnarfiren laffen. — Eilt 
anberes ©efep betraut ben ©eroerbeinfpeftor mit ber Aufficht über 
bie ©eriifte an unb in Haufern, begiiglich melier oerfchiebene Bor* 
fcfjrtften getroffen roerben. — Die 3at)l ber Snfpeftoren ift oon 36 
auf 50 erhöht roorben. — Ein ©efep oon 1897 fept bie ArbeitS* 
geit für grauen unb 2Jtäb<hen unter 21 3apren auf pöchftenS gehn 
Stunben pro Dag ober 60 Shmbeit bie BSocpe feft, unb gmar hat 
bie Befchäftigung in bie 3^it oon 6 Uhr früh bis IängftenS 9 Uhr 
AbenbS gu faüen. Diefe Beftimmung ift nunmehr auf fämmtliche 
Arbeiterinnen ohne llnterfchieb beS Alters auSgebehnt roorben. 


^rbeilemer|l(i)ennig. SparhafTcu. 

BerufSgenoffenfthaftStag tn ^tonftang. 3» betn Berichte über 
ben BerufSgenoffenfchaftStag in Ä'onftang in Ar. 40 b. Bl. Sp. 1085f. 
finb einige Unridjttgfeiten unterlaufen, auf bie mir oon guoerläffiger 
©eite aufmerffam gemacht merben: 3n feinem Sieferat gur 3*rage 
ber Befd)itfung ber Barifer B3eltau«ftcllung hat ber AeichS* 
tagSabgeorbncte Bocfufc nitfjt baoon gefprochen, baß an „aller* 
höchster Steüe" bie Bebeutung beS Bcrnfsgenoffciifct)aftSmefcus I 
uod) unterfdjäpt merbe, fonbern nur fein Bebauern guut AuSbrucf | 
gebradjt, baß nad) feiner Bieinung bei ben hohen unb höchsten | 
AeidjSbehörben bie B}id)tigfeit einer Ausfteiluiig ber auf bem { 


©ebicte ber beutfehen Arbetteroerficherung erhielten begro. gu er* 
martenben Befultate noch unterfchäfet merbe, mofür aud) bie 
Steüungnahme gu bem oon faft aüen Parteien beS Reichstages 
befiirroortetett Brojeft eines SDfufeumS für Unfaüoerhütung als 
BemeiS gelten fönne. — $>ie Örage ber SÖahrung ber berufs* 
genoffenfchaftlichen Selbftoermaltung ben Anforberungen 
ftaatlicher BerroaltungSbehörben gegenüber ift u. A. in 
Qfolge ber Anforberung beS babifchen SKimfteriumS beS 3nnern auf* 
gemorfen roorben, monach ben BerufSgenoffenfdjaften bie Ber* 
pflichtung auferlegt merben foüte, ben mit ber Durchführung byc 
Unfaüunterfudhung betrauten Behörben oon aüeit erfolgten Renten* 
bemiüigungen unb beren Abänbening fortlaufenb BZittheilung gu 
machen. Als Ergebnis ber Beratung biefeS ©egenftanbeS ift 
nicht, mie es auf Sp. 1086 unfereS Blattes helfet, bie Abänbcruitg 
ber §§. 139b unb 120e ber ©eroerbeorbmtng geforbert, fonbern 
ben " BerufSgenoffenfehaftS* unb SeftionSoorftänben empfohlen 
roorben, im 3ittereffe eines gebei§Itd)cn 3ufammenroirfenS ber ge* 
noffenfchaftlichen Organe mit ben ftaatlichen Behörben bem Er* 
fuchen ber Sefeteren utn SÄittheilung, bie fte gur Durchführung beS 
UnfalloerricherungSgefefecS für münfchenSroerth erachten, oon Satt 
gu ßaD nad) 9Aögli<hfett gu entfprechen. Dagegen glaubte ber 
BerufSgenoffenfchaftStag aÜe gorberungeit biefer Behörben, bie 
barauf gerichtet finb, bte BerufSgenoffcnfchaften gu einer forllaufen* 
ben tittb reaelntäfeigen Berichterftattung für bie bienftlichen 3 rce ^ 
ber StaatSbehörben heranjugieljcn, als einen bnreh baS ©efefe nicht 
begrünbeten Eingriff in bte genoffenfchaftliche Selbftoerroaltimg ab* 
lehnen gu müffen. — ©egen bie oon uns (Sp. 1086) ermähnte, 
oon Direltor 2SengeI*BerIin beantragte Refolutioit mürben in ber 
Berfammlung Bebenfen geltenb gemacht, bie u. A. barin beftanben, 
bafe bie ßanbeSregierungen ihre Rechte unb ^Pflichten auf bem 
roidjtigen ©ebiete ber Uiifaüoerhütung nicht an Angeftellte einzelner 
Draantfationen, inSbefonbere nicht an bie lebiglich aus Arbeitgeber* 
freifen hcroorgegangeuen Borftäitbe ber BerufSgenoffenfchaften ab* 
treten lönnen unb roerben. Diefetn Einmaitbe cntfpred)enb mürbe 
ein oom ReichtagSabgeorbneten Roefiäe gefteüter Antrag angc* 
nornmen, roelcher lautet: „Der BerufSgenoffenfchaftStag beauftragt 
ben gefchäftSfiihrenben Ausrufe 1. mit bem Reid)v*BerftdjenmgS* 
amt tn Beraihung gu treten, auf melche Steife ben in Begug auf 
bie llebermadjung ber Betriebe heroorgetretenen Uebelftänbeu to\xI* 
fam gu begegnen ift; 2. geeignete Bcittel in Erroägung gu giehen, 
um biejenigen BerufSgenoffenfchaften, bie ber Aufgabe ber Unfall* 
oerhütung ihre Aufmerffamfeit bisher noch nicht in geitiigcnbcm 
Btafee gugemenbet haben, gu einem entfehiebeneren Boraebcn auf 
biefem ©ebiete anguregen unb inSbefonbere iiberaü bie AnfteÜuug 
einer auSretchenben Angahl technifch oorgebilbeter Beauftragten 
ur mirffamen Ueberroathung ber Betriebe herbeiguftihren; 3. über 
ie im Sinne ber 3iff ern 1 unb 2 gu machenben Borfd)läge betn 
Berbanbe auf bem nächften BerufSgenoffeufchaftStage gu berichten." 
©egenüber ber Refolution, melche itt Begug auf bie eoentuclle 
gufünftigeBerroenbnng berReittenftellen beiDurd)fübruug 
ber llnfaüoerficherung aefafettourbe, hat Roeficfe nicht nur bie 
Beteiligung ber Arbeiter bei geftftcüung ber Renten für noth s 
menbig begeidjnet, fonbern auch bie Rentenfteüen inSbefonbere ba, 
mo anbere Organe nicht auSreichenb oorhanben finb, bcgiiglid) ber 
llnfaüoerficherung für burchauS brauchbar unb groeefroäfeig er* 
Hart, namentlid) fofent feinem Borfd)lage gemäfe, bei Abänbernng 
ber ttnfallöerficheruugSgefcfee ben fich für biefe ergebenben Ber* 
häUniffen Rechnung getragen mürbe. — Bknit übrigens auch bie 
fonftigen Rebner bie Rentenfteüen burchmeg befänipften, fo rourbc 
bod) anbererfeits mehrfach gugegeben, bafe bie Beteiligung ber 
Arbeitnehmer begro. Berfid)erten bei bem RentenfeftfepungSoerfahreu 
in einer anberen gornt ben berufSgenoffenfchaftlitcn Sntercffen 
burchauS nicht miberfpräche. 

ttnferr Arbetteroerficherung ttnb bie ^arifer MeltauIfteOnttg. 

Schon auf früheren SßeltauSfteÜungeu, fo oor Aüem auf ber in 
Ehicago 1893, ift unfere ftaatliche Arbeiteroerficherung bttrt 
ftatiftifc^c DabeÜcn, Blobeüe u. f. ro. oertreten gemefen. Es ift gu 
biefem ReichS*Bcrftd)erungSantt auch e iu befonberer 

ßeitfaben gur Arbeiteroerficherung beS Deutfteu Reiche heraus* 
gegeben roorben. 23ie jüngft in einer Monfereng oon Traufen taffen* 
oorftänben u. f. ro. mitgethcilt rourbe, foü bie AuSfteüuug in Baris 
baS gefammte Kran feit*, UnfaÜ*, 3noaliben* uit b AlterSoerfidie* 
nmgSioefen tttitfaffen uitb in groei Abteilungen: eine terapeutifdie 
unb eine ftatiftifchc, gcrfaÜen. Die crftcre roirb aud) oerfchiebene 
Riobeüe, fotoie bilblicfje Darftellungen oon H c Wcüen, Unfall* 
ftationen n. f. ro. umfaffeit, mährcub bie leptere im B.'e|entlid)cn 
lid) auf bie. Beibringung oon roi|fenfd)aftlid) * ftatiftiftem Biatcrial 
bcfdjräiifen roirb. Bon bem Borfipcitbeit ber 3noaIibitätS* uttb 



1129 


Sogtale $ra£tS. dentralblatt für Sogialpoliti!. Ar. 42. 


1130 


AlterSoerficherungSanftalt Berlin, Dr. 3rcnnb, ift in ber oben er* 
wähnten $onfereng ber ©ebaitFe angeregt worben, bemnädjft eine 
beutfdje SonberauSfteEung für Hrbeiterfcfju^ unb Arbeitcroerfiche* 
ruttg in Berlin gu oeranftalten. dS foE ber ©ebattfe and) Aus* 
ficht auf Vcrwirflichung Rahen. 3ür bie Vertretung nuferer 
Arbeiteroerficherung auf ber Varifer AuSfteEung Rat baS ÄeicR 
50 000 Ji bewiEigt. 


3Urb*ttesui$tt)ei$. 


AÖgcmeiuc Arbeit#» nttb VMnnngSnadjuiciSimfialt ttt Göln. 

3)ie oon ber Stabt Slöln burch Stefluna ber ©efcRäftsrämne unb 
einen Vaargufdjufc bis gu 8000 <yff, jabriidj unterftüpte AEgemeine 
ArbcitsnachweiSanftalt Üöln (Vorftpenber V. d. gwwerlänber) Rat 
in iRrem fünften ©efdjäftSjaRr (1. Quli 1898/1899) 12 156 männ* 
licken fßerfonen rneift bauernbe ^öefdjäftigung unb 5944 weiblichen 
Verfonen Stellung oerfcRafft. 3n ber männlichen Abteilung 
würben 93, 4 % ©efudje ber Arbeitgeber unb 67, 34 o 0 ber Arbeit* 
neunter, in ber weiblichen 54,2 4 % ©efucRe ber Arbeitgeber unb 
97, 8 8 % ber Arbeitnehmer befriebigt, gegen bie Vorjahre wieberum 
eine drRöRung ber VermittelungStRätigfeit. Vei ben weiblichen 
35ienftboten war bie Nachfrage wie in einer VeiRe größerer Stäbte 
ftärfer als baS Angebot. 3)te Hausfrauen befcRäftigten baher mehr 
als bisher Vup* unb Stunbenfrauen unb im ©aftRofSgewerbe ift 
man oielfacR bagu übergegangen, ntännlidjeS ^ßerfonal für bie 
robe Hausarbeit einguftellen. 3ur §eranjiehung weiblicher Kräfte 
ebiente ftch ber Arbeitsnachweis auch fortlaufenber 3eitungsan* 
geigen. — An biefe Anftalt ift ein gleichfalls unentgeltlicher 
SBoRnungSnacRmeis für Arbeiter unb fleine AngefteUte ange* 
gliebert. Seit (Eröffnung beS ÜBoRnungSnachroeifeS (i. April 1898) 
bis gum 30. 3nni 1899 würben 3051 unmöblirie SBoRnungen ge* 
melbet unb 6020 gefragt, bagegen möblirte 209 angeboten unb 
nur 76 gewünfcRt. 3)ie Nachfrage nach fleinen VJoRnungen war 
wefentlich größer als baS Angebot. 35er Vericht fteflt feft, „bap 
paffenbe unb gefunbe SBoRnungen für Arbeiter unb fleine Ange* 
fteEte nicht in genügenber Angahl oorhanbnt finb". VefonberS 
fcRlimm fteRe es für FinberreicRe Samilien unb unter ben Heineren 
Hanbwerfern für bie Schuhmacher. 3)ie ungulänglichen VerfeRrS* 
mittel erfchwerten ben Ausgleich burch Wohnungen in ben Vororten. 

kommunales Arbeitsamt in dhriftiaitta. 3)aS im Januar 
1898 errichtete fotnmunale Arbeitsamt in dRriftianta hat int erftett 
3aRre feines VcftanöeS eine erfolgreiche ^^ätigfeit als unentgelt* 
liehe ArbeitSnad)weiSfteEe inaugurirt unb oon ben 5378 Arbeit* 
fucRenben 2695 placirt. 3>ie Leitung beS Arbeitsnachweis bilbet 
ein gur Hälfte aus Arbeitgebern, gur Hälfte aus Arbeitern be* 
ftehenber AuSfcRup; bei Streifs unb AuSfperrungen ftetlt ber 
Arbeitsnachweis für ben betroffenen Snbuftriegweig begw. Vetrieb 
feine 3Rätigfeit ein. 3>aS Amt foE auch als dinigungsamt thätig 
fein, fowie als ScRiebSgericht, hoch nur im dinoerftänbnip ber 
Streitparteien. 3m SaRre 1898 würbe eS nur gmeimal um 
Snteroention erfucht; in einem 3aEe bewirfte baS Amt auch eine 
dinigung, im anbern lehnlen bie Arbeiter bie dinigungSoerfuche 
beffelben ab. 


Sojiale 4)t)gi tut. 


Arbeitcrbnber in ffoatttdjen VetriebSftatten. i ie MunitionS* 
fabrif in Spanbau befdjäftigte nach bem lebten Vericht beS Ve* 
gierungS* unb ©emerberatReS für ben VegierungSbegirf $otSbam 
750 männliche unb 2355 weibliche Strafte, bie gufammen im Iepten 
3aRre über 44 000 ^Bannen* unb Vraufebäber genommen Raben, 
baS macht auf 5ßerfon unb Sah* 14,2 Väber. 3$ie 1650 Arbeiter 
ber ©efd)üpgicfjerei benupten 1500 SBannen* unb 24 240 Vraufe* 
bäber (15, fJ Väber). Auf bie 2100 männlichen unb 250 weiblichen 
VefcRäftigten beS geuerwerfSlaboratoriumS entfaEen 60 000 Väber 
(25, t ). 1850 Arbeiter ber ArtiEeriewerfftatt nahmen 21 000 2Bannen* 
unb Vraufebäber (11,3, nnb bie 744 Seute ber ^otsbamer difen* 
baRn*HauptwerFftatt 3972 ^Bannen* unb 11 220 Vraufebäber (20, 4 ). 
£aS Vaben finbet währenb ber ArbeitSgeit unb ohne SoRnabgug 
ftatt. 3n beit Spanbauer SBerfftätten müffen aEe Arbeiter, welche 
mit gefunbReülicR bebenflidjen Stoffen in Verübrung fommen (wie 
Vlei, 3ittf/ Cuetffilber u. f. w.) wöd)entlich minbeftenS gweimal 


haben. Väber nebft HanbiucR unb Seife erhalten fie untfonft. 
SDie übrigen, nicht gunt Vaben oerpftid)teten Seute gaRlen für Seife 
unb $anbtud) ein fehr geringes dntgelt. 3tt ber difenbahn*^aupt* 
werfffatt gu 5potSbam erhalten bie oerpflichteten Öeute ebenfaEs 
aEeS drforberliche umfonft, bie Uebrigen gahlen 10 $ für ein 
^Bannen*, 5 ^ für ein Vraufebab. 3?er oon eingelnen Unter* 
nehmern oft oorgebrachte dinwanb, ba& ein ^rioatmamt nicht in 
ber fiage fei, ben Arbeitern währenb ber ArbeitSgeit ohne Sohn* 
abgug (Gelegenheit gum Vaben gu geben, wirb — fo fagt ber Ve* 
rieht — für Stiicflohnarbeiter baburch wiberlegt, baR bei ben ge* 
nannten ©erfftätten ein Vücfgang beS ArbeitSoerbienfteS burch 
für baS Vaben gegebene freie 3 e *t nicht eingetreten ift. 2)er Ar* 
beiter bringt im (Gegenteil burch bie erhöhte SeiftungSfähigfeit 
ben Verluft an ArbeitSgeit burch rafdjere Arbeit fehr * balb 
wieber ein. ®er Vericht beweift guglcid), wie gern bie Arbeiter 
oon Vabeeinrid)tnngen (Gebrauch machen. 

$er (fiaflui beS VerufStoeihfelS auf ben ^efitnbheitS^nftanb. 

Ueber ben dinflufe beS VerufSmechfelS auf ben ©efunbheitSguftanb 
gewiffer befonberen (GefunbljeitSgefabren auSgefe(jter VerufSgruppen 
berichtet ber VegierungS* unb (Gewerberath für bie ^rooing §an* 
nooer in feinem lefeten Jahresbericht: 3nt 3)orfe Viünchchagen bei 
Veljburg wohnen übermiegeitb Sanbfteinbrucharbeiter, welche in ben 
benachbarten Vriichcn unb bei Stabthagen unb SDfterwalb befchäftigt 
finb. 3)ie „SteinbruchSfrantheit" forberte bort jährlich gahlreid^e 
Opfer. Um fich oor ihr gu fdjütjen, haben Reh bie Stute eine 
anbere 3hätig!eit gefucht, unb ber glücflid)e 3 u faE hat fte in einen 
Veruf geführt, oon bem fie bisher wohl faunt eine rechte Vor* 
fteEung hatten, fie werben Schiffer, oormiegenb £eringSfif<her. 3m 
3uni gichen aus Münchehagen aEein etwa 80 Mann nach dntben, 
dlsfleth, (Geeftemiinbe unb nad) anberen §äfeit unb fommen ge* 
fräftigt unb auch mit refpeftablcn lleberfchüffen erft im Gtooember 
nach $ au f e gurücf, um bann wieber etwa fed)S Monate in ben 
Steiitbriidjen gu arbeiten. 3>iefe Unterbrechung ber ungefunben 
Arbeiten, welche oon Seuten aus ben benachbarten Vegirfen nach* 
geahmt wirb, hat fegeuSreiche drfolge gehabt, benn bie gällc oon 
Schwinbfucht uub Sungenentgünbung haben ftarf abgenommen. 


Gtewerbcgeridjtc. (Tinigungsämtet. öd)iei?getid)tt. 


28 iU^(ifu»igen bos ^terfitr. 

Aebigtrt oon ©cwerbertchter Dr. S d) a I h o r u, Verlüt. 

Ueber „(Gatodjtett irnb Anträge" ber dJemerbcgerichte. 

Süngft war mehrfach in ber 3ageSpreffe bie Vebe oon ben 
„(Gutachten unb Anträgen ber ©ewerbegerichte" auf (Grunb beS 
§. 70 beS (GemerbegerichtSgefeheS. 3 ds hat ftch gegeigt, ba& über 
bie ©rengeit, welche ber ^hätigfeit ber ©ewerbegerichte nach biefer 
Vichtung hia gefteeft finb, giemliche Unflarhcit h^rrfcht. 

2Bir werben oerfuchen, bie Tragweite, welche bie Vorfchrift 
beS §. 70 a. a. 0. nach Abficht beS ©efefcgeberS hat, feftgufteEen. 


l ) 3)en AnlaR bot ein oon bem AuSjdjuffe beS Verliner (Gewerbe* 
gcricfjts berathener unb angenommener Antrag an ben Aeidjstag unb 
ben VunbeSrath gur drhaltung ber ÄoalitiouSfretheih welchen mehrere 
Veifi&er biefeS AnSfchnReS gur Agitation gegen ben dntmurf eines (Ge* 
fefceS gum Schule beS gewerblichen ArbeilSuerbältniffeS oeroffentlichl 
haben (f. unter Anberem 9ir. 38 biefer ^citfrfjrift oont 22. ftunt 1899). 
Mehrere ben dewerbegerichten nicht wohlgesinnte Rettungen benubten 
ben Aufruf jener Veifiber, um gegen bie (Gcwerbegerid)te, inSbefonbere 
gegen ba§ Vcrliner (Gewerbegerid)t Stimmung gu madjen, inbern bie Ve- 
hauptung aufgefteüt würbe, baR bas Verliner ©cwerbegericht bie $unb* 
gebuitg ber Veifiber oeranlajjt habe. 3te oon uns georadjten Verichti* 
gungeu fd)einen nicht genügenb beFannt geworben gu fein, benn in 
„£>anb in |)anb w Sritfdirift für bie ©efammtoertretung ber ^ntereffen 
oon Snbuftrie unb §anbel (Ar. 7 ooui 1. Juli 1899 ®. 72) wirb 
wieberum bem Verliner ©ewerbegericht oorgeworfeu, agttatorifd) in 
bie dntwicfelung ber CGefebgebung eingegriffen gu haben. "SBir möchten 
beSwegen nodi einmal betonen, ba| baS Verliner ®ewerbegerid)t oon 
bem prioaten Aufruf ber VeiRber erft burch bie Leitungen .Mcnntiiig er= 
hielt, ©ctheilter Meinung Faun man freilich fein, ob es überhaupt 
richtig — unb gulaffig — war, ben an ben AeidiStag uub VunbeS* 
ratl) gerichteten Antrag für bie Agitation gegen beit (Gcfcpentumrf gum 
Schule beS gewerblichen ArbeitSuerhältniRcs nupbar gu madjeu, umfo* 
mehr als man tjat feheu muffen, bnf? bie CGegucr ber (Gewerbegerirf)te 
oon bem Aufrufe ber Vcifiper (Gebrauch madjen, um bie tSiuruhtuug 
ber OJewerbegerichtc gu bcFämpfeu. 



©oktale $raji§. Eentralblatt für Sogialpolittf. 9ir. 42. 


1132 


1131 


S'er Paragraph 2 ) ift erft burd) Vefd)lufe ber VI. Kommiffion 3 ) 
in bcn ©efefeeiitrourf, bclr. bie ©eroerbegeridjte ^ineingcfommen. 
Aus bem Vericfjte biefer Kommiffion erpeHt, bafe man urfprüng* 
lid) nur eine s #flirf)t ber ©eroerbegeridjte einführen wollte, „gu 
antworten, wenn fie gefragt werben". V7an erroog babei, bafe biefe 
ben ©eroerbegerichten aufguerlegettbe £fjätigfeit bort, roo ©emerbe* 
fammern nicht beftänben, erroünfcht fein mürbe. Es rourbe 
ferner für fehr roerthooll erachtet, gegebenenfalls auf biefe Weife 
©utadjten erhalten gu fönnen, welche — im ©cgenfafe gu ben ©e* 
roerbefammern, beren Vfttglieber auSfcfjliefelich Arbeitgeber feien — 
foutrabiftorifd) groifdjen Arbeitgebern unb Arbeitern unter ber un* 
parteiifdöen ficitung eines unbeteiligten dritten feftgeftellt roorben 
feien. Sn groeitcr Sefung gab man aisbann ben ©eroerbegerichten 
noch baS 9te<ht, auch gehört gu rcerben. Es mürbe bei ber Ve* 
rathung ber Kommiffton ausgeführt, bafe biefeS SRc<f)t „bie ©e* 
merbegerid)te noch mehr befähige, btejenigen Sunftionen gu 
erfüllen, meldje man fon)t non ©emerbefammern gu er* 
märten pflege." 

$ad) aHebem ift beabfidjtigt, burcf) bie SSorfdjrift beS §. 70 
a. a. 0. ben ©eroerbegerichten, foroeit ©utachteu unb Anträge in 
Jrage fommcn, biefelbe Arbeit, mie fie ben ©emerbefammern ab* 
liegt, guguroenben. 4 ) Wenn mir erfahren mollen, rocldje Vefugttiffe 
ben ©eroerbegerichten hiernach guqeöacht finb, müffen mir bie bieS* 
begli glichen Aufgaben ber ©emerbefammern in ^Betrad^t gieren. 

$a in bem KommiffionSbericf)te bie ©emerbefammern ber 
fönigreidje Saufen unb Vaperit ermähnt merben, fo befchäftigen 
mir uns gunädjft mit ben ©crocrbefatnmern biefer Staaten unb 
ben für fie ntafegebenbett gefefelidjen Veftimtnungen. 5 ) 

3)aS fächfifdje ©efcp oom 23. Suni 1868 über bie Abänbe* 
rung mehrerer Veftimtnungen beS ©eroerbegefefecS oom 15. 0!tober 
1861°) hat im § 17 unter 3iff er 12 folgenbe Veftimmung: 

2)ie £>anbelsfammern unb ©emerbefammern finb beftimmt: 

a) bem Vtinifterium beS Snnern unb berSRegierungSbeljörbe 
beS VegirfS als fachoerftänbige Drgane in fragen gu 
bienen, welche $anbel unb ©emerbe bes gangen l'anbes 
ober bes VegirfS ange^en. ©oroeit cS bie Verhältniffe 
irgenb geftatteu, foflen biefelben — begiehentlicf) bie 
£>anbelsfammer ober bie ©emerbefammer — bei jeber 
wichtigen Angelegenheit biefer Art gehört merben; 

b) bie Kammern finb ferner, eine jebe in ihrem Bereiche, 
bie Vertreter ber gemeinfdjaftlidjen £>anbels* unb ©e* 
merbeintereffen unb befugt, felbftftänbige Anträge unb 
Wünfdje an baS Sflinifterium beS Snnern ober bie 9te* 
gierungSbehörbe beS VegirfS gu richten. 

$)ementfpre<henb ^at beShalb g. 39. 9feguIatio unb ©efchäftS* 
orbnung für bie §anbelS* unb ©emerbefammer Bresben oom 
9. iVai 1878 7 ) burdj $ 17 unter Anberent eine gemifdjte, aus SOUt* 
gliebern beiber Abteilungen gufammengefepte ftänbige Kommiffion 
fiirfogiale@efehgebung unb eine ftänbige^ommiffion ber ©e* 


9 ) §. 70 lauict: Tns Qlemcrbegertd)t ift oerpfItd)tet, auf 
Wnfiulicu uon ©taatäbehörben ober be^ 33orftanbeS beS 
.st onimuna locrbanbes, für meldjcn baSfelbe errid)tct ift, 
(shitaditeil über gemerblidie a rngen abgttgebcn. ^ur SJorberci* 
titng ober Abgabe bernrtiger ('Hitddjten tonnen Ausfdjiiffe aus ber SJtitte 
be*? (Heroerbegcriditö gcbilbet merben. 

Xiefe Auöidjüife müffen, jofern egt fidj um fragen Ijanbelt, meldic 
bie ^mereffeu beiber Üheile berühren, jit gleidien i heilen aus Arbeit* 
gebern unb Arbeitern gufammengefept fein. 

oii gleidjer Steife ift bas (slemerbegeridjt beredttigt, in 
gemerb lidieu Aragen, mcldte bie feiner fsierid)t$barfcit unter* 
fteheuben betriebe berühren, Anträge an 3Jebörbeu unb au 
Vertretungen oou .stomniunalOerbänben gu ridjten. 

Aähcre beftimmt bas 'Statut. 

a ) Veridjt ber VI. .stommiffion, betreffenb ben berfclbeu gur Vor* 
beratlumg übermiefenen (slcicpeutmurf, betreffenb bie (shmerbcgeridüc 
(Ar. - r >l Aeidjstag, 8. yegtslatur* s periobe I. Seifion ls'.io 3. 32 u. 33j. 

4 ) 3iebe hierzu Alefd), ^at? (slemerbegeridit als Arbeitsfammer, 
Vlätter für iogiale Vraris oom 2ö. Januar 18ü;{ Ar. 4 3. 31 u. 32. 

b ) ^u Sadtfeu unb Vapern bilben bie (siemerbefamment ber Aegel 
nad) Abtheilungeu ber .s8aubelv= unb ('Semerbetammer. (Viörterbud) 
ber Volfviiürthfdjaft uon hr. 0'liier, I. Vb., v Viiu lstis S. suö, unb 
.s>anbmörterbud) ber Staatsmiiieufdiaft, III. Vb., ^ena lsü2 3. 1037). 
v'sn Vripüg befiehl feit 1^*'^ bie (siemerbefammer fclbftftäubig neben ber 
bortigen {saubelsfammer rVerorbuuug bes .'.Vinifteriuinv bes Innern 
oom H>. Suü l sr »8, bie >>anbels* unb (^emerbefaunner beireifeub §. 4, 
( 'W'ien- unb Verorbniiugsblatt oom ^ahre l^ns, Abth. I 3. 437 ff.). 

'') (slefep unb Verorbnungsblatt oom ^ahV-e Isdx Abth- I 3. 333 ff. 

T ) Bresben, Vudibruderei oou a. VonuuaOfeh (A. 3diröer) 

3. 7 unb s. 


merbefamnter für ©emerberedjt gur Vorberatung ber midhtigeren 
Vorlagen unb (Eingänge oorgefeben. 

diner gleichen SBirffamfeit, melche bie fächfifdhen ©eroerbe* 
fammern auf bem ©ebiete ber fogialen ©efepgebung uitb beS ©e* 
merberedhts entfalten, haben fich audh bie baperif^en ©emerbefammern 
gu mibmett. ^eit baperifchen «§anbels* unb ©emerbefammern 
fotnmen folgenbe hi^ intereffterenbe Dbliegenheiten gu: 

1. biefelben haben ben ©taatSbehörben als begutad)tenbe 
Drgane in fragen gu bienen, melche «ftanbel, 3abuftrie 
unb ©emerbe beireffen, biefelben finb, foroeit thunlid), 
bei jeber micfjtigen Angelegenheit biefer Art git hären. 

2. Sie finb gur Wahrnehmung ber Sntereffen oon ^anbel, 
Snbuftrie unb ©emerbe beS betreffenben SRcgierungSbe* 
girfS berufen unb baher befugt, bie gur Öörberung berfelben 
geeigneten Einrichtungen gu berathen unb bei ber gu* 
ftänoigen Vehörbe anguregen. 8 ) 

3ur Erlebigung biefer ©efchäfte ift nach äer ©efchäftSorbnung 
ber £sanbelS* unb ©emerbefammer für Dberbapern ein AuSfdjufe 
befteUt. ^)er WirfungSfreiS beffelben umfaßt anfeer atten bie 
^anbelsgefefegebuug u. f. m. betreffenben ©egenftänbeu aud) alle 
©emerbe unb Snbuftrie beriihrenben fragen, ooruehmlich auch bie 
©eroerbegefefegebuttg. 9 ) 

Eilte ähnliche Stellung, mie in ©achfen unb 93apern, ift ben 
©emerbefammern in Vreufeeti unb ben übrigen beutfd)en Staaten 
eingeräumt roorben. 10 ) 

j 3m Anftfjlufe an bie burdj bie ßaitbeSgefefee gefdjaffeneti ©e* 
merbefammern fittb burch bie fogenannte SnuungSnoueUe ooit 
1897 für gang ^eutfdjlanb ^anbmerfsfammern als ©emerbefammern 
lebiglich für baS ,^anbmerf berufen. 2)ie öanbeScentralbeljörben 
berjenigen VunbeSftaaten, in roeldjen fsanbelS* unb ©eroerhe* 
fammern gur Vertretung beS ^anbmerfS oorhanben finb, fönnen 
nad) §. 103 q ber genannten 9looelIe biefen S'orperfchafteit bie 
Wahrnehmung ber rechte unb Pflichten ber |>anbmerfsfantmer 
übertragen, menn ihre SRitglieber, fomeit fie mit ber Vertretung 
ber Sntereffen beS ^anbroerfs betraut finb, aus Wahlen oon .s>anb- 
roerfern beS ÄammerbegirfS heroorgehen unb eine gefonberte Ab* 
ftimmung ber bem §anbmerf angeljörenben VHtglieber geftchert ift. 
Wenn bie ©emerbefammern biefe Vefugniffe empfangen haben, \o 
haben fie nach §. 103g 3iffer 3 (ftehe and) §■ 103e) a. a. 0. Ve* 
fchlufe gu faffeit über bie Abgabe oon ©utachteu unb Anbringung 
oon Anträgen bei ben Vehörben unb ben gefefegebenben 
^'örperfchaften über ©egenftänbe, melche bie ©efammtintereffen, 
inSbefonbere bie ©efefegebung über bie Verhältniffe beö 
.^anbmerfeS betreffen. 

Wie mir bereits angeführt haben, finb nach §• 70 bc*3 
©eroerbegeridjtSgefefeeS bie ©eroerbegeridjte begüglich ber ©utad)len 
unb Anträge mit ben ü)?ad)tooflfommenheiten ber ©emerbefammern 
ausgerüftet. Viit ber s D2afegabe, bafe bie gemcrblichen fragen, 
melche gur Entweihung ftehen, bie ber ©eridEjtSbarfeit ber ©emerbe* 
geriete unterfiehenbe Vetricbe betreffen müffen, 11 ) gebührt nad) 
uuferen Erörterungen ben ©eroerbegerichieu baS 9ie<ht, Anträge an 
bie Vehörben unb gefefegebenben £örperfd)aften gu richten, ebenfo 
mie fie gur Abgabe oon ©utachteu oerpflichtet finb. $)ie ViUigfeit 
fpridjt aufeerbem bafür, bafe bie gcmerblichen Arbeiter, meldje eiugig 
unb allein in ben ©emerbcgerichten eine birefte unb umfangreiche 
Sntereffcnoertretu-ng 12 ) haben unb nur oon hier aus bie Wünfchc 
unb Vebürfniffe beS ArbeiterftanbeS unoerfümmert mafegebeubeu 
DrteS oorbringen fönnen, befonberS auch ben gefefegebenben 
Safloren nach äer §anbmerfS* unb ©emerbefammern ihre 
Anträge gu unterbreiten im ©taube finb. ©omeit es fich um ©ut* 

8 ) ülefefc* unb VerorbmuigSblatt für baS Königreich Vapern 
Ar. 42 . Vtündjen, bcn 8. Aooetnber 1889 ©.359 ff. Königlid) Aller* 
fjöd))te Verorbnnng bie §anbcis* unb ©emerbefammern unb bie Vcgtrfs* 
gremien für .vsanbel unb ©emerbe betreffenb >?. 2. 

§. 3 biefer ©efdjäftsorbnnng, Vciindjen 1890, Kgl. .J>of* unb 
Unioerfitätsbuclibrucferei oon Dr. (i. Wolf u. ©ohn. 

lü ) «i'saubioörterbud) ber ©taatSmiffenfchaften Vb. III ©. 1035 unb 
Wörter!)udi ber Volfsioirtlptfjaft oou Dr. (ilfter Vb. I 1898 ©. 893 ff. 

I 1 ‘) biefelben ©diraufeu, mcldie beit ©emcrbegeriditeit in ibreni 

| Antragsrcdjt nadi 70 gefept finb, (verba: tu gemerbiidjen Stagen, 
mcldie bie feiner (s)erid)tsbarfeit unterftebenben Vetricbe 
berühren) füllen nugciüdicinlirij glcidifafls bcn ©taatsbehörbeit :r. 
nad) AUf. 1 bes Varagrapbett cntgegenfielieu. tiefes beuten uns bie 
Eingangsworte bes Abf. 3 bes 'Paragraphen gleid)er Weife“ an. 

19 ) Vei ben .vsaiibioerfsfammcru joirft ber ©eiellenaux'fdmfe nadi 
103 k ber Aiuuingsnooelle mit bei Abgabe oou ©utaditeii unb Er 
fiattuug oon Veriditen über Angelegenheiten, meldic bie Verhältniffe ber 
(Mellen (©ehülieuj imb Lehrlinge betreffen. 



1133 


©ogiate $raji3. ©entralblatt für ©ogialp oliiif. Ar. 42. 


1134 


ad^tcn hanbelt, ift biefer ©ebanfe, wie oben Bemerft, in betn 
ÄommifftonSbericht ähnlich gutn'AuSbrudf gelangt. 

Sei biefer 6acf)laae palten mir bafiir, bah biejenigen fnf) im 
Unredpt bcjtnben, welche behaupten, bah baS Serliner ©emerbe- 
geriet bei ber Beratung beS Anfangs gebadeten Antrages an 
ben SunbeSrath unb ben AeichStag feine Eompeteng Übertritten 
habe. 3 roci f e ^ 0g g?f)t ber ©efepentmurf betreffenb ben ©d)np beS 
gewerblichen ArbeitSoerhättniffeS bie SerlragS- unb EoalitionS- 
^reifjett fäntmtlicher ©ewerbetreibenber an. S)erfelbe fteHt ft<h fo- 
mit als eine gewerbliche Srage bar, welche bie ber ©eridhtsbarfeit 
ber ©emerbegerichte unterftehenben Setriebe berührt. 13 ) 2>ah bei 
berartigen Anträgen bie Antragftetter meift oon politif<heu ©efidpts- 
punften geleitet werben, lägt ftdp nicht oermeiben. Seim ©emerbe- 
recht b^ben bie politift^en Parteien ftets eine grofee Stoße gefpielt. 
Skhrfcbeinlid) roirb fid) bieS in 3ufunft nicht änbern. 

3um ©d)luh möchten mir barauf pinmeifen, bafe bie ©emerbe- 
gerichte oon ihrem AntragSrecpte bisher mohl ausgiebigen ©ebraudf) 
gemacht haben, bah fie aber Ieiber oon benSehörben, meniaftenS foroeit 
baS Serliner ©eroerbegericht in Betracpt tommt, gur Begutachtung 
gemerblicper Qragen nur fehr feiten perangegogen futb. Aitfcpeinenb 
fehlt baS Sertrauen. 

@S bürfte fich übrigens empfehlen, gu überlegen, ob nicht 
burch bas ©efep feftgulegen toäre, ba| ©utaepten nur mit ©t- 
laubnih ber erfudhenben Sehörbe, Anträge niemals dritten gu- 
gängig gemacht roerben bürfen. 14 ) 

Serlin. 3R. o. ©djulg. 


$a£ Serliner ©ekoerbegericht als ©mignngSamt. S)aS fchneße 
©ingreifen bes Serliner ©eroerbegeriebts als ©iniaungSamt 
im jüngften SRaurerftreif bafelbft hat nicht nur oerpinbert, bah 
ber ßopnfampf in biefem ©eroerbe fich über gang S)eutfchlanb 
nuSbehnte, fonbern es hat auch, mie ber folgenbe Satt geigt, 
bie weitere gute S3irfung gegeitigt, bah man nunmehr be¬ 
ginnt, felbft in ©treiffadpen fich ben Anorbnunaen unb Aatpfcplägen 
beS eingelnen Borfipenben gu fügen, ohne erft ben 3ufammentritt 
beS ©inigungSamteS gu begehren. 

Sei bei girrna 3- u. Sr. — einem gröberen STapegierergefcfiäft 
— wollte ber Arbeitgeber unter Anberem nicht bulben, bah feine 
Arbeiter ihre Serfammlunaen in einem im gabrifgebäubc belegenen 
ßofal abhielten. S>ie Arbeiter erblicften pierin eine Sefeinoung 
ihrer Organisation unb legten, 20 an ber 3apl, am 24. 3uni er., 
nachbem ber @pef baS Serhanbeln mit gtoei gang jungen, als 
S)eputirte gewählten Arbeitern abgelehnt hatte, Die Arbeit plöplicp 
lieber. S>er Borfipenbe beS Serliner ©ewerbegerichtS lub fich 
hierauf bie Parteien nach einigen Jürgen, getrennt geführten Bor- 
oerpanblungen bereits gum l.Suli er. gu gemeinfamer Sefpredhung 
Dor. 3m ßaufe beS oon ihm geleiteteten AteinungSauStaufdpeS 
«rflärten beibe Parteien aus freien ©tücfen, auf bie ©inberufung 
beS ©inigungSamteS oergichten unb ben Sorfplagen beS Borfipenben 
folgen gu motten. $>ie S)ifferengpunfte würben herauf gur 3u- 
friebenpeit beiber Xpeile fchnett beigelegt, inSbcfonbere würbe baS 
Serlangen beS Arbeitgebers, bie Serfammlungen in 3nfunft nicht 
mehr in bem £>aufe abguhalten, in bem bie ©efchäftSräume fiep 
befinben, als berechtigt anerfannt. Xie Arbeit würbe bemnädhft 
won allen AuSftänbigen unoergüglitp wieber aufgenommen. 


Wedjtfpredjmig. 

©proerlepungen geben bann feinen ©ntlaffungSgrunb 
aus §. 133c 3 . 5 ber Aeicp3-©emerbeorbnung, wenn fie 
burch ©proerlepungen feitenS beS Arbeitgebers prooogirt 
ober mit folgen erwibert finb. (Urtheil oeS ©ewerbegerichtS 
Serlin, Kammer 1, oom 30. April 1898.) 


I3 ) Ursprünglich hatten wir Attftanb genommen, ben Antrag an 
ben SunbeSrath uno ben Aeicpstag gur Serhanblung gu bringen. 2Sir 
wollten geftiipt auf §. 85 giff. 2 lepier Abfap beS Serliner DrtSftatutS 
bie Serhanblung nicht gulaffen. 

u ) Aach Artifel 80 beS OrtSftatutS für baS ©ewerbegerietjt Augs¬ 
burg finbeu bie Serhaitblungen, Serathungen unb Sefcpluhfaffungen 
über ©utachten unb Anträge beS ©ewerbegerichtS in geheimen 
©ifcungen ftatt. ©ine fold)e Sorfrfjrift enthält bas Serliner ©tatut 
nicht, ebenfowenig baS oom Sänifter für .fjanbel unb ©ewerbe f. g. oer- 
öffentliche Aormalftatut. Cb oiellcidht fdjort auf ©nmb analoger An- 
wenbung beS §. 53 beS ©ewerbegerichtSgefepeS unb bantit beS §. 200 
beS ©erichtSoerfaffungSgefepeS eine Serpfiichtung ber AuSfchubmitglieber 
gum Stitlfcljwcigen über bie Sorgänge in ber ©ipung augunchmen ift, 
mag unentfehieben bleiben. 


Klägerin ift bei ber Seflagten als Sfaeftrke thätig gewefen unb 
am 15. Januar 1898 ohne SJunbigung entlaffen worben, ^er Seflagte 
hat an biefem Sage ber Klägerin ben Sormurf beS SJicbftaljIS gemalt. 
Klägerin hat barüber ihre ©ntrüftung geäußert — nadh Sehauptung 
beS Seflagten hat fie ihn einen frechen Äerl genannt Seflagter hat 
ihr barauf eine Ohrfeige gegeben unb fie entlaffen. Sn bem wegen 
S)iebftahlS eingeleiteten ©trafoerfahren ift Klägerin redfjtsfräftig frei* 
gefprodhen. Sh* Anfprudh auf ©ntfdhäbigung wegen unbefugter ©nt- 
laffung ift anerfannt. 

Aus ben ©rünben: 

$er oom Seflagten als ©ntlaffungSgrunb angeführte Sorfatt oom 
15. Sanuar berechtigte Seflagten nicht gur fofortigeit ©ntlaffung. 93enn 
ber Seflagte ber Klägerin bamals ben Sormurf beS ^iebftahlS machte, 
fo war eS burcfjauS cntfdhulbbar, wenn biefe ihn einen frechen Äerl 
nannte; benn ber Sormurf war, wie bas ©trafoerfahren ergeben hat, 
ungerechtfertigt unb muhte bas ©hrgefüljl ber Klägerin fchwer oerlepen. 
UeberbieS ift nicht einmal erwiefen, baf} Klägerin jene SBorte gebraucht 
hat, unb follte fie eS wirf lieh unb gu Unrecht gethan haben, fo würbe 
bie barin enthaltene Selcibigung burch bie ihr unmittelbar barauf oer* 
abfolgte Ohrfeige mehr als ausgeglichen fein. SBcgen ©hrenfränfung 
fonnte fich alfo Seflagter nicht befchmert fühlen. 

$)a$ Urtheil würbe oom ßanbgeridht I Serlin beftätigt. 

Aus ben ©rünben: 

(Sowohl ber Umftanb, bah ^er Seflagte burch feine leichtfertige, 
ehrenfränfenbe Sefdhulbigung bie Klägerin gu einer hrftigen ©egen* 
äuherung herauSforberte, als audh, bah e * feinerfeitS biefe Aeuherung 
burch eine Sfjätlichfeit erwiberte, taffen ben Sorgang als ungeeignet 
erfefjeinen, in An wenbung beS §. 133 c g. 5 ber ©emerbeorbnung eine 
©ntlaffung gu rechtfertigen. 

* 

Sfaifeier als ©ntlaf fungSgrunb. hierüber oerbreitet fich ein 
Urtheil beS ©ewerbegerichtS Serlin, Kammer 8, oom 1. 3mu 1899 
wie folgt: 

... ©S fann feinem Sebenfen unterliegen, bah bas Ausbleiben aus 
ber Arbeit gerabe am 1. Hftai ohne bie ©enehmigung beS Arbeitgebers 
als ein „unbefugtes Serlaffen Der Arbeit" im Sinne ber ©ewerbe- 
orbnung (§. 123 '&r. 8) aufgufaffen ift. §ter hanbelt cS fi<h nicht mehr 
um ein gelegentliches, etwa auf Sequemlidjfeit bicfeS ober jenes Ar¬ 
beiters gurücfgufübrenbeS, unb bafjer im ©tngclfalle entfchulbbareS 
Ausbleiben, wie etwa beim Slaumontag-Siachen; h ie r wirb otelmehr 
bemüht unb gumeift mit oereinten Kräften gefeiert; eS breljt fich 
eine Machtprobe ber gangen Arbeitcrfchaft gegenüber ben Arbeitgebern. 
SBer baher am 1. 3Rai abfidhtlidh aus ber Arbeit bleibt, obwohl er 
weih/ bah ber Arbeitgeber gegen baS geiern ift, bricht feinen ArbeitS* 
oertrag; er hanbelt bemüht re^tSwibrig, alfo „unbefugt" im Sinne beS 
©efepeS. 

Sm oorliegenben gatte fann jebodfj bem Seflagten ein folcfjeS 
redhtSwibrigeS unb unbefugtes Serfjalten nicht oorgeworfen werben. 
35enn inbem ber Seflagte bem Äläger auf beffen auSbrüdlidheS Se* 
fragen, ob er am 1. 9J?ai mcgbleiben fönne, erflärte, „wer nicht arbeiten 
wifi, ber läpt eS," fo burfte ber Kläger beS ©laubenS fein, bah & bem 
Seflagten gleichgültig fei, ob Kläger am 1. 3Kat arbeite ober nicht, 
©r burfte alfo bie (Genehmigung gu feinem Ausbleiben oorauSfepen. 
$ent gegenüber faitn oon einem „unbefugten", bem SSillen beS Se* 
flagten wiberftrebenben gortbeiben aus ber Arbeit feine Aebe fein. 


Serfahren (§§.30, 55 A.®., betr. b. ©ew.©er.; §.477 ©.^p.O.). 
Unguläffigfeit ber Serufung gegen ein gewerbegerichilicheS 
Urtpeil oor gehöriger 3uftellung beffelben; 3uftellung 
burdh bie Partei unwirffam. (Urtheil beS Sanbgericfjts I Serlin, 
©ioilfammer 8, oom 6. ©egember 1898.) 

Sie Serufung muhte als unguläffig oerworfen werben. Senn fie 
ift erft nach Ablauf ber einmonatigen Aothfrift, welche nach §• 55 
Abfap 3 beS ©efepeS, betreffenb bie ©ewerbegericfjte, mit ber an ben 
Seflagten unb SerufungSfläger bewirken gufteüung, nämlich am 
9. Auguft 1898, gu laufen begonnen hat, eingelegt worben. Söäre, wie 
ber Seflagte ausguführen gefugt hat, bie am 9. Auguft 1898 erfolgte 
3uftellung ungültig, fo wäre bie Serufung oor gufteüung beS Urtpeils 
eingelegt, unb fte würbe baher nach ber auch für baS Serfahren oor 
ben ©emerbegeridhten gültigen Sorfchrift beS §. 477 ber ©toilprogeh* 
orbnung wirfuitgSloS fein. Ser Ieptgenannte Paragraph gilt für Das 
Serfahren oor ben ©emerbegericfjten nur infoweit nicht, als in biefem 
Serfahrctn bie SerufungSfrift unabhängig oon bem ^arteibetriebe gu 
laufen beginnt; bie grift beginnt nach §• 55 Abfafe 3 beS ©efepeS, bc» 
treffenb bie ©ewerbegcrichte, für jebe Partei mit Der an fie bewirken 
gufteüung; ber SerufungSfläger muh baher abmarten, bis an ihn bic 
gufteüung beS gewerbegerichtlichen UrtpeilS oon AmtSwegcn bewirft 
wirb (§. 30 ©.©.©.) unb eS ftef)t ihm nicht frei, fchon oorljer burd) 
eine gufteüung beS UrtljeifS an ben ^ßrogehgegner bie grift beginnen 
gu laffen. hiernach fommt eS barauf nicht ait, bah ber Seflagte gu* 
gleich mit ber SenifungSfchrift auch baS angefochtene Urtheil ber Klägerin 
gugcfleüt hat- 


»erantroortUc^ für bie Rebaftion L S.: Dr. CSlemenSpetB/ Serlin. 





äJerantroortlict) für t>ic öiueigeu; vcllinmij (Seibcl, fceipiig. — Verlag uou Dunffer & Cmmblot, Scipiig. — öcbrucft bet 3ultu$ eittcnfclb, Serlin. 





















vrn. fourgtng. 


Öcrlir, ben 27. 3uli 1899. 


Rümmer 43- 


Soziale praris. 

^enftrafßraft für ^ogiafpofifiR 

mit ber SRonatSbettage: 

Vas (Bewerbe^etricht. 

©rgan lies üerbanbes beutfdjer <5et»erbegeridjte. 

Reue golge ber „Slätter für fogtale ©rajtS" unb beS „Sojialpolitifchen EentralblattS". 

©rffteiitt an |ebettt Bonnerftag. Herausgeber! ©ret« öierlelffibrlltb 2 9t* 50 ©f. 

Rebaftton: Verttn W., VapreutherftrQjie 29. Dl*« ®m(l Verlag Don ©uncfer & Humbtot, Seidig. 


3 nl|alt 


©ogiale Kampfmittel mtber bi« 
Heimarbeit, ©on Dr. Eugen 
®(b»ieblanb, ©rtoatbojent, SBien 
1137 

lUtaeateiae Ooiial* unb CNttbf AaVtff * 

pofittf.. 1143. 

$>ie KrifiS im frangöftfcben ©ogialtS- 
muS. 

Frauenarbeit in ^abtifen. 

£cr Sdjufc ber 9ltbeitS»tttigtn in 
£djtoeben. 

Soanuinale CestalHoltttl... 1145 

Sommetferien für ftäbtifdje ölrbeiter 
in Berlin. 

(Stabii^er ober prioater ©etricb Don 
Straßenbahnen. 

StäbtifcbeS ©ieftrigitöttmerf für 
^pciliöcnftabt. 

©arjeflining eines Rittergutes burdj 
bie ©emetnbe ftelbfitd). 

Arbeiter unb Komunalpolitif in @ng» 
lanb. 

*rbetterf*n*.1146 

®ie ©etterbeauffidjt in 61faß* 
Sotbringen im Sabre 1898. 
©on Dr. 61. ©erlin. 

St^gelegenbeit. für öabnerinnen in 
©nglanb. 

Hrbeitev«ievfi(bemma-9t»arfaffeti 1150 
Sie ^ranfenfüTforge ber Snbalibitötö* 
unb snterSDerfidjerungSanitalten. 

3ur 9(uSbebnung ber Unfafloetftdje- 
rungöpflidjt. 


Stabtfölnifdje ©eifidjerungSfaffe gegen 
9lrbeitSlofigfeit im 2öinter. 

©enoffenfdxtftStoefeo.1151 

9luS bem RedjenfdjaftSbertc&t 
beS ©erbanbeS ftbrneigerifcber 
Konfumöereine pro 1898. ©on 
©rof. Dr. 3«i- ©latter, 3»«$* 
©tatiftif ber ©rtoerbS* unb SBirtb* 
fibaftSgenoffenfcbaften. 
©TobuftionSgenofjenfdmft als ©Uttel 
gegen SlrbeitSIofigfeit. 
©enoffenfdjaftStoefen in Stalien 1898. 
©eutfcticr Ianbn>irtbf<&afttidjer ©e* 
noffenftbaftstag D<w 1899. 
CBobnmigStDefen ......... 1153 

DBobnuugSreform in ©tündjen. 
©on ©aul ©üfcbing, 3Jtünd&en. 
SRilberung ber SBoRnungSnotb burd) 
©ereine. 

ßur SBoRnungSfrage in fjrranf» 
furt a. 9J1. ©on ©tabtratb Dr. 
Frlefcfe, ^Tanffrirt a. SW. 

•vfttebmm muh «Ubnva.1157 

HoAfcbute für HanbelS« u. Sozial« 
roiffenfdjaften in Franffurt a* SW. 
goribilbungSfdjuIen. 
HauSbaltungSunterricbt in ©onner 
©olfsfcpuien. 

Hodtftbulfurfe für SWannbeim. 
©ollSDorftettungen beS SWannbeimet 
HoftbeatcrS. 

Scbüleroorfteflungen in SWagbeburg. 
OefterreidiifcbeS Äunftgetoerbe im 
HauSbalt beS Arbeiters. 

gitetsrif^e Mnnettm.1158 


tflhbrud fümmtlicber Slrtifel ift ßeitungen unb 3*Üfättften geftattet, jebodj nur 
mit ootter Quellenangabe. 


Soziale ßctmpfmittel miber bie Heimarbeit. 


^rüft man bie Vcfchwerben, welche oon Seiten ber gabrifanten 
wie ber fleingcroerblidjen Rfciftcr unb feitcnS Der Strbeiterfc^aft beS 
Elrojg* Tüie beS Kleinbetriebes gegen bie Konfurrcng ber oerlagSmäfjig 
betriebenen Unternehmungen erhoben werben, fo erficht man, baf; 
bic Unternehmer fich über bie briicFcnbc Konfurreng Beilagen, 
welche ihnen bie technifch rücfftänbigcn ^Betriebe ber Verlags* 
inbuftrie bereiten, währenb bie Rrbeiterfchaft mit Rachbrucf 
auf bic elenbe Sage ber oerlegten Unternehmer wie Arbeiter hin* 
weift. 3)iefc, ein Uebel an fuh, hinbert and) bie Erreichung ber 
3iclc ber Vkrfftättenarbeiter. 3m Vkfen Befd)meren fid) fonadj 
Unternehmer wie Arbeiter über ben Konfurrcngbrucf, ber ihnen 
ouS bem SBeftanbe ber SSerlagSinbnftrie erwädjft. 

Neffen fiaupturfadje ift, bafe biefe Setriebäorganifation — 
welche ihre Verbreitung gewiffen prioatwirthfcfiaftlidien Vortheilen 
oerbanft, bic- fie bem Verleger gegenüber ben Unternehmern anberer 
Vetricbäformen bietet — gu fefjr wefentlichem Sheile baburch Ve« 


ftanb erhält, bafe bie oerlegten SWeifter wie (Gehilfen einem BeifpieL* 
iofen Öohnbrucfe unterliegen. * 1 II. ) 

^urch bie aufgebeeften ÜeBelftänbe fieht ftch aber auch ba3 
^ublifunt, als ^onfument, berührt, unb baburch wirb es erfläijich, 
bafe bei ber mobernen Regelung ber Heimarbeit in Englanb unb in 
Slmerüa namentlich fanttätspoligeiliche E3efi<ht§punfte — 
gunt Schule ber Verbraucher wie beS H eimar ^ e ^erS — h er *wrtoten. 

^ie Sohnregelung, wcld^e noch ber oätcrtich beoormunbenbe 
^oligeiftaat beS oorigen Sah^nnbertS fehr wohl in ben Vereich 
feiner Vorfchriften gegogen hut, liegt ben mobernen Staaten, oon 
Sluftralien abgefehen, fern. ^)ie europäifchen unb amerifanifchen 
Staaten überlaffen h^nte ben $atnpf gegen ben Sohnbrucf ber 
Selbfthilfe ber Arbeiter. 

I. 3)ie Arbeiter haben nun in Englanb, fowie in ber Schweig, 
mehrfache Verfuge gur Einfchränfung ber HnnSinbuftrie unter* 
nommen, welche allerbingS nur lofale Erfolge hotten. 3<h oer* 
weife auf ben Äantpf ber englifchen Schuhmacher, namentlich 
in Sonbon, um ihre Äonfeftionäre gur 2lbf<haffung jeglicher 
Heimarbeit gu gwingen. tiefem Veifpiel folgten bie Arbeiter ber 
Itleiberfonfcftion in ^eutfchlanb eine 3 ei t lang, als fie 
im Qahre 1895 unb 1896 bie Errichtung feftcr Vetriebsftätten 
fcitenS ber $onfeftionäre ergwingen wollten. 3hm gu folgen rüften 
fich gegenwärtig bie Schneiber in Ehicago unb 9iew*2)orf. 3fh 
erinnere ferner an bie Verfuge ber Schweiger Schneiber in 
Vern, Saufannc, ©enf unb 30^^ S ur Aufhebung ber H eim ^ 
arbeit burch bie Errichtung gemeinfamer ^Berfftätten für bie oor* 
bem oereingelien Heimarbeiter, fowie an ben gleichen erfolgreichen 
Verfudj ber Sßeerfchaumbilbhauer in SBien, welchem bem* 
nächft weitere ähnliche Verfucfje folgen werben. 2 ) Erwähnen wir 
fobann bie Errichtung folcher VSerfftätten feitenS einiger Unter* 
nehmer in Sönbon, weld^e fie gegen ein ^Iafcgelb an Verlags* 
arbeiter ber Schneiber ei oermiethen.*) 

II. Vorwiegenb aus fanitätSpoligeilichen ©efichtSpunften ift bie 
©efefceSoorfchrift mancher Sänber entftanben, bafe ^auSinbuftrielle 
^robufte ein befonbereS $enngeicf)en tragen müffen. So 
orbnet baS „5lrbeitSgefeh" oon Rew*|)orf oon 1897 an, bafe be* 
ftimmte ^leibunaSftürfe, ferner ©elbbörfen, gebern, ^unftblumen, 
Eigarren unb Eigaretten in bem gatte, bafj fie in H^mbetrieben 
beftimmter ?lrt hergeftettt würben, welche feine Ergeugungsüceng 
Befipcn, an auffälliger Stelle mit einem ^ettel gu marfiren finb, welcher 
minbeftenS oier 3oß I an 9 f ein U11 b in £lein*Eicero*Verfalien bie 
Sluffchrift TENEMENT MADE tragen mup. liefen offigietten 
3ettel— auf bem bie Söorte Tenement Made fowie bereu Einrahmung 
in rother garbe gebrueft finb unb welcher, auf fteifeS Rapier 


9 ©ergl. Die Sleufcerungen oon 21 HanbelS* unb ©ewerbefarnnterrt 
unb 67 Unteniehmer* unb Hrbeiteroereinigungen in Dcfterreich über bie 
Regelung ber Heimarbeit in meinem „3mciten w unb „dritten Vorberichi 
über eine gefepliche Regelung ber Heimarbeit; erftattet an bic nieber* 
öfterretchifche Houbels* unb ©ewerbefammer", SBien 1897. 67 u. 16 6. 
in ©rofeoftao. 

2 ) ©ergl. über biefe ©erfuepe mein bemnächft ericbcinenbcS ©ut= 
achten: „3iele unb s Bcgc einer Hetmarbeitsgefepgebung." SIMcn 1899, 
©?ang’fdier ©erlag, Anhang II. 

3 1 Sherweli, Sife in 3Seft*9onbon, 1897, S. 118. 












iraö 


Sogtalc Prägte. Gentralblatt für Sogialpolitif. 9fr. 43. 


11.40 


gefpannt, linfs mit einer Defe oerfehen ift — barf $iemanb 
entfernen ober oeränbern. Tesgleid)en bat ber gabrifinfpeftor 
biefen Settel an ©egenftänben ber obbegeidjneten ?Irt angubringen, 



wenn fie unter unreinen ober ungefunben Umftänben oerfertigt 
mürben. $ieoon mirb baS lofale ©efunbheitSantt fofort oerftänbigt, 
baS bie ©aaren gu beSinfigircn unb fobann bie 3 e *kl 3 U ^ nts 
fernen bat, 4 ) Tic am 1. (September 1899 in £raft tretenbe Slrbeits* 
qefcfc * SRooeße oom 1. 2lpril b. 3- bat bicfe Pefthnmungen im 
©efentlid)en beibehalten, in bie SReibe ber ermähnten ©aaren and) 
Schinne eingercibt unb eine allfällige Prüfung ber oon ausroärts 
cingcfübrten ©aaren jener 51 rt oorgefehen. 5 ) 

Hier ift alfo bie Pfarfirung auf beftimmte ©aaren befchränft 
unb nur auf ben gaü, bafe biefe unter aefeb* ober gefuitbheitS* 
mihrigen Perhältniffen fjergefteüt mürben. 

5(ebnlid) in PfaffachufettS. TaS unter bem 9. Pfarg 1898 amen» 
birte ©efeß oon PfaffachufettS oom 22. guni 1894 beftimmt in §. 47: 
„©er SRöcfe, heften, Peiufleiber ober $IeibungSftücfe rcclcber 51 rt 
imitier, bie in einem 3inSgebäube ober ©ohnh au f c bergefteüt mürben, 
obue bafe bie begnaliche Familie im Pefih einer ßtceng geroefen 
märe, oerfauft ooer gum Verlauf barbietet, bat jebeS ber* 
artige Ä'leibungSftücf mit einer Tafel ober einem 3 et i e ^ S« üerfeben, 
melche guminbeft 2 3oß ßänge unb 1 3°ß ^Breite haben unb in 
leferlicber Trucf* ober Schreibfebrift bie ©orte .,Tenemeot Made“, 
fornk ben tarnen beS Staates unb ber Stabt, begro. ber Drtfdjaft, 
morin bie Kleiber ergeugt morben finb, enthalten muß/' Um* 
gebuugen biefer Porfchrift finb ftrenaftenS oerboten. 6 ) 

gn 9feu*0eelanb bagegen erfireeft ficb ber PfarfiruitgSgroang 
auf alle bausinbuftrieß gefertigten ©aaren fdjlechthiu. §. 23 beS 

neufeelänbifdjcn gabrifgefebcS oom 18. Dftober 1894_beftimmt, 

bag „jeher Pefifcer einer gabrif ober ©erffteße, roelcher Stückarbeit 
in eine prioatroohnung ober in eine nicht als gabrif regiftrirte 
$ftäwnlid)feit auSgiebt, jehern SUeibungSftücfe ober fouftigen Db* 
jette, meines gang ober gum Theil in einer unregiftrirten ©erf* 
{teile ober pnoatroohnung oerfertigt mürbe, einen gebrueften 
3ettel nach Pfafc ber Beilage gum ©efefc anbeften laffen mufe, es 
fei benn, baß her gabrifinfpeftor eine SluSnabme hieoon im 
Vorhinein guaelaffen bat." 3 U 9^ C4 4) wirb beftimmt, bafc jeher tauf® 
männifebe Verleger, „jeher Kaufmann, ©rofthänbler, §änbler, 
5lgent ober 5luStbeiler oon ©aaren", melcber geroöhnliche ©etuebe 
ober S'bobbpftoffe auSgiebt, bamit barauS burch Stiicflöhner ober 
Heimarbeiter PerfaufSgegcnftänbe oerfertigt roerben, im Sinne 
biefeS Paragraphen als gabrifunternefimer gu betrachten ift. Sie 
Pfarfirungsifarte muß minbeftenS groci Duabratgoß haben, auf 
ftartonpapier gebruett fein unb folgenben Tegt tragen: 


Verfertigt von. 

.strasse Nr. . 

in einer 

Privatwohnung 

oder 

nicht eingetragenen Werkstätte. 


Auf Grund des Fabrikgesetzes angebracht. 


Die gesetzwidrige Entfernung oder Verunstaltung 
dieses Zettels ist bei Strafe verboten. 


l ) §§. 102 unb 103 brr i'abor l'aro uom 13. Pfai 1*97. 

5 ) Pergl. ben Wortlaut ber brgüglidjcn Poridjriften in Sdiroicb* 
laub, ^ielc unb ©ege :c., 9lnbang I. 

6 > *2)er ISonceffionSgioanq für .ftcimbctriebr befiimniter 51 rt mürbe 
in PfaffadmfettS 189s eingenihrt. oimdangc ber betrieb ein freier mar, 


©er bauSinbuftrielle (Srgeugniffe ohne biefen Sattel oerfauft 
ober gum Verläufe auslegt, ift gu einer ©elbbufee bis gu 10 £ oer* 
halten; unb mer folcfje 3ettel roißfürlid) oor bem Perfaufe entfernt, 
oerfaßt einer folgen bis gu 20 £. — freilich ift gu bemerfen, 
bafe ber begriff ber ,/gabrif ober ©erffteße" in 9feufeelanb jebeS 
£ofal umfaßt, morin gm ei ober mehr Perfonen mit geroerblicher 
Arbeit befchäftigt roerben. Taljer trifft ber 3elklgroang bloft bie 
oereingelten Heimarbeiter; gmei Scbmeftern beifpielsmeife ober 
Ptutter unb Tochter fönnen Arbeit nach Haufe nehmen, ohne baß 
besbalb biefer entroertbenbe 3 ctt el an ihren ©aaren angebracht 
mürbe — biefe arbeiten eben in einer ber gefefclichen Regelung 
unterftebenben „gabrif". 7 ) 2lßerbingS ift bie ©emerbeinfpeftion in 
^eufeelanb roeit roirffamer als anbermärts. 

^)er s Diarfirung bauSinbuftrießer Probufte fcblechtbin, ohne 
SBerücffichtigung ber fonftigen Umftänbe ihrer Hcrfteßuna, liegt un* 
groeifelbaft ein fogialpolitifd)er ©ebanfe gu ©runbe. 3llS in 9feu- 
feelanb bie obliaatorifdje ©farfirung aßer Pröbufte ber Heimarbeit 
in grage fam, bemerfte ber bortige oberfte ©emerbeinfpeftor: meint 
bauSinbuftrieß gefertigten ©aaren ein 3ettet mit ber Eingabe, baß fie 
Sdjroibbubenarbeit finb, angebeftet mirb unb jemaitb im publifum 
münfeht, fi<b eine gitfeftion gu holen ober baS Scfiroibbubenftjftem g U 
unierftüßen, ftebe es iljm immer frei, begleichen ©aare gu faufen. 

III. $)kfe Perfebmung bauSinbuftrießer Probufte bilbet bas 
©egenftücf beS in dnglanb häufigen SermerfeS auf 23üd)ern: Tie 
Seher feien gum ©emerfoereinStarife entlohnt morben. ©äfjrenb 
bie anbere Segeichnung bie ©aare ftigmatifxrt, foß ftc burch biefen 
Iobenben Permerf bem ftonfumenten anempfoblen roerben. 

TaS gleiche 3iel mirb in Äorbamerifa burch bie fogenaunfe 
„©eroerffd)aftSmarfe" (Union lsabel) angeftrebt. T)iye ift barf 
burch bie propaganba ber ©emerfoereine im ©ege ber greibeit 
arofeer Perbreitung gelangt unb bilbet bisher eine amerifamidic 
ligentbümlichfeit. Tie Perlagsinbuftrie mirb burch ©infübnntft 
biefer s D^arfe infofern berührt, als ihre Probufte ber barin liegen* 
ben knempfeblung entbehren ntüffen. 3 un ächft ift bie IRarfe ein 
PeroeiS, bafe bie ©aare, melche fie trägt, oon geroerfnereinlen 
Arbeitern bergefteüt mürbe; „ift bie ^onfurreng im ©eroerbe fein 
heftig, fo ift fie lebiglid) ein Mittel, um ben Unternehmer 
oeranlaffen, bloS geroerfoereinte Arbeiter gu befdiäftigen uttb ba* 
burch bie 3ablung ber ßRitgliebSbeiträge für bie ©eroerffd)aft \u 
fiebern", fagt ein 5lutor. 8 ) 5JHt ©emerfoereinlerit ift jebod) bie 
Porftellung leiblich guter £ ohne unb 3lrbeitsbebingungeit oerbunben. 
Planche amerifanifthe ©emerfoereine trachten fogar eine ©arantie 
für bie gute Dualität ber marfirten ©aaren gu aeroinnen. 9 ) 5lllein 
im 5lßgemeinen finb bie begüglichen ©eroerffchaftsftatuten giemlid) 
lay abgefafjt unb roerben auch fof gebanbbabt. 

Tie ©emerffchaften laffen ihre befonbere Pfarfe regiftriren unb 
geben bann beren 5lbbrücfe gegen eine geringe ©ebübr an bie Unter* 
nebmer ab, melche fie unter^ontrole ber Vlrbeiterfcbaft an ihren ©aaren 
anbringen laffen. Tie ßigarrenarbeiter flehen fie in Streifenfarn 
über ben 9fanb ber (Sigarrenfifte, bie (Sipriifer in Gbkaao — egg 
inspectors — melche Gdjtbeit unb ©üte ber ©ier beglaubigen, auf 
bie Seite ber Sdjacbteln, bie gleifdjaufbereiter unb paefer ber 
großen Schlachtböfe auf bie gleifcbembaßage, bie Photographen 
auf bie Sftücffeite ber Pilber; Päcfer prägen fie in bie Prote ein, 
Pagelfchtniebe laffen fie auf ben topfen ber Hufnägel anbriiigeu, 
©agenbauer preffen fie auf bie Sifce, 3iegelarbeiter in bte Parf* 
fteiiie ein; bie Sdjneiber nähen fie in bie Taften ber einzelnen 
tleibuugsftücfe ober an bie £eibroäfd)e, itnb Parbiere hängen fie als 
gemerffchaftlid)e Peftätigung* beffen, baß fte bie ©ebilfen entfpredienb 
entlohnen unb ihnen bie oon ber ©eroerffdjaft bebungeite freie 3eit 
gemähren, im Schaufenfter ober im Sofale auf. Tabei mirb feitenS 
ber ©emerfchaft burch 5lngeigen aßer 5lrt foroie feitenS einiger 
Pereine burd) glugblätter 10 ) für bie Plarfe Propaganba gemacht, 


beftanb ber ^ettclgmang für hau»inbuftrieUe (irgeugniffe befttnumer 
?Irt fehl echt hin. pgl. meinen „3meiten" Porberidjt, S. 44. 

7 ) Per gl. Sdjmteblanb, ©ine oorgcfd)rittene gabrifgcfepgcbimg. 
Tic gahrifgefepe ber Äolonie Peii=Seelanb oom 18. Cftober 1894 unö 
12. Cftober 1896. ©icn 1897. 3. 13, 28 ff. unb 84. 

fj v a. ()). ProofS, The Trade-Fnion Label, im Bulletin of the 
Department of Labor, Piärg 1898, 'S. 209. 

■') So beftimmt bae^ Statut ber internationalen Pereintgung ber 
(ligarrenarbeiter üRorbarmcrifaS: „iteiuesfafls barf bk ©emerffaiaftv* 
marfe oon einer Tvabrif uermenbet roerben, roeldie roeniger ?lrbcitj?lolm 
gahlt alv 6 Tollar^ für bav laufenb. (ibenforoeuig foll eS für 3igarren 
omoenbet roerben, roeldie unter 20 Tollars baS Taufcnb u^rfanft locrbcnF 
10 ) Ter Pcro = 5)orter Social Reform Club bat eine Serie gefälliger 
Heiner Profdiürcn heranvgegeben, morin ©efeu, ©ertl), ©cfdiidite ber 
©emerfidiafkmarfe, ihr gefeßlidicr Sdmib einzelne Warfen u. f. ro. be? 
i fprorfieu roerben i.l’üfon Label Leaflets“, 9fr. 1 biv lo|. 






1141 


©ogiale IßrajiS. Eentralblati für ©ogialpolttif. 9ttt. 43. 


1142 


b. h- auf bic ßefer eingewirft, bamit bicfc bei ihren Käufen nad) 
bcr 3J?arfc fragen. £5aS „$ero ?)orf Journal" veröffentlicht foeben 
in einer Beilage auf rnei&em Martenpapier unter bern 3Titel Union 
Label Bulletin bie Abbilbungen non an bie oierjig ©eroerffchaftS* 
marfen in ihren Driginalfarben unter Begegnung ber Art 
i^rer Anbringung. £>ie Ortsgruppen ber ©ewcrff«haften be* 
forgen eine tnünblidje ^ropaganba, burd) Befuge bei |>änb* 
lern, welche fie erfuchen, nur ntarfirte 2Saarcn gu oerfaufen. 11 ) 
0ogar bie Brief um fdßäge ber ©ewerffchaft finb in ben £)ienft 
ber Sßropaganba gefteflt, inbem fie mit ber ©emerffchaftSmarfe 
fammt einer Erläuterung ihrer Bebeutuitg bebrucft ftnb. Unb 



See that all Clothtaf, Cloaka, Overalls. Shirta 
and Rubber Clothing bears tbe above Labil, as a 
guarantee ol being made under fair and santtary 
conditions. 



fnapp baruutcr prangt ber ftcgeläbnliche Abbrucf ber Xppographen* 
ntarfe, welche betätigt, bafe baS Eouoert felbft unter ©emeiffchaftS* 
bebingungen gebrucft worben fei. £>enn auch bie <8cper be* 
nu^en bas ßabel. bisher ift fogar bie einzige bcutfche ©emerf* 
fd)<iftSmarfe jene ber beutfd)en 0efcer AmerifaS, ber „X)eittfch* 
Atncrifanifchen Itjpographia". 12 ) 3<h faon mir nicht oerfagen, fte 
— tropbem gerabe bie £)rucfinbuftrie fein Berlagsbetrieb ift — 
hier gu oeröffentlichen. £)ie 0taaten %eoaba unb Montana foKen 



fogar jüngft gefefclich Borforge getroffen hoben, bah ©eher* 
marfe auf feiner offiziellen X)rudf|orte fehle, unb biefent Söeifpicle 
finb auch bereits einige ©tabtoerwaltungen gefolgt. 

Auel; gälfdjuttgen non ©emerf [chaftsntarfcn famen nor. 6ie 
haben in oerfdfiebeneti Staaten bereits oor 3ob*en gur Bewährung 
eines gefehlten Schußes für bie Btarfen geführt. 

And) würben Berfudje unternommen, um gu einer einheitlichen ©e* 
werffchaftSmarfe für alle (bewerbe gu gelangen, hoch bisher erfolglos. 

3» Europa befifct nur Eine ©ewerffchaft eine Btarfe nad) 
amerifanifchem SSorbilbe. Es ift bie englifche ©ewerffchaft ber 
Jvilghutmacher. ©Icich ben amerifattifdjen ©utmachern — welche 
jährlich an bie groölf äßißioiten Abgeidjen abfejjen — befeftigen auch 
bie Englänber ihre Btarfe unter bem £eberbanbe im Sitneru ber 
£>üte. 13 ) X)icfc englifche ERarfe würbe im September 1893 gum 
erften 2Me ausgegeben. 3h r Abbrucf folgt nach: 



(2)ie Buchftaben auf 
bem männlichen Arm 
bebeuten „Amalgama- 
ted Journeymen Feit 
Hatters“, auf bem 
weiblichen Arm: „Feit 
Hat Trimmers & Wool 
Farmers“.) 


ll ) Ein befonbereS AgitationSgentrum btlbcn bic Trades Union 
Uabel Leagues tu Albamj, Slodjefter, Ehicago unb Sftiltoaufee. 

la ) Englifd)! Gerraan-American Typographia, Stfe in ^nbtanapoltS, 
offigtefles Crgan bie „Xcutfd) s Amerifanifcbe Bucbbrucfer^eitung". 

,3 ) „Blanche Unternehmer, fo fagt ein Aufntf ber ©ewerffdjaft, 
zahlen für eine Arbeit, bic 6V2 Schilling merth ift, lVa Schilling, unb 


ÜJfach bem ©efagten erfcheint bie ©emerffchaftSmarfe als eine 
Empfehlung ber Arbeiter an bie gefammte Arbeiterfchaft fowie 
an bie ihnen wohlgertnnteit Angehörigen bcr anberen SHaffen, gu 
©unften beftimmter Waarett. 

X)iefe Bebeutung macht bie Eßarfe gu einer B*affe im Stob»* 
fampf. 

3h** SSichtigfeit als ERittel gur görberung beS AbfapcS ift 
in gabrifftäbten leicht gu ermeffen. $)aburch aber, bafg bie 
£>änbler nach marfirten SBaaren fragen, werben bie Ergeuger 
oeranlafet, bie Berechtigung gu ihrer Rührung gu erwerben, unb 
mancher Monfeftionär, ber eine eigene Bkrfjtätte befipt, benüpt 
ben Abbrucf ber Lsabel auf ©efdjäftsfarten gur Beflame für 
fid). 14 ) B$ie ber ©eneralfefrctäi ber Bereinigung ber anterifa* 
nifchen MonfeftionSarbeüer berichtet, fab fich bereits „eine gange 
Angaf)l großer gabrifanten gegwungen, bie an ßiefermeifter "aus* 
gegebene Arbeit gurüdfgu nehmen, weil bie betheiligten ©emerf* 
fchaften nachhaltig an bie ERitglieber ber ©emerf f «haften anberer 
©ewerbe, fowie an ©önner ber Bewegung appeUirten, ©efdjäften, 
welche mit folcheit nichtmarfirten Artifem §aitbel treiben, ihre 
Munbfchaft gu entziehen." 332an fönne annehmen, bap ein Detail* 
hänbler lieber feine qefd)äftlichcn Begiehungen gu einem in biefer 
£rinfi<ht nid)t einwattbfreien Unternehmer abbricht, als baß er bie 
iäbguuft feiner Munben auf fich läbt. X)ie 9Äar!e höbe mithin 
gute XMenfte getestet. 15 ) — Auf bem jüngften Mongreft ber Bereinigung 
würbe fogar befthloffcn, ihre Berleihung an bie BcbingUng gu 
fnüpfeit, bajg aud) bie .^anbelSangefteUten ber ginita ©ewerfnereiitlcr 
feien. 16 ) 

Einen allgemeinen Bonfott housinbuftrieUer SBaaren über* 
haupt empfahl oor Murgern Die „Consumers League“ in $em*?)orf. 
tiefer Örauenoerein, welcher feit einer 3feihe oon 3oh^ü burch 
bie Bropoganba oon Berfamtitlungen unb Borlefungeu bie Sage 
ber Arbeiterflaffen, namentlich ber weiblidjen Arbeiter, gu oerbeffern 
ftrebt, hot im 3oh^e 1897 einen fleinen Mreuggug wiber ben An* 
faitf houSinbuftrieß gefertigterBktaren unternommen; er giebt auch 
fogenannte „Bleibe Siften" oon ginnen aus, welche nach ben Er* 
hebungeit ber ßiga ben Briitgipien ber lefcteren gemäb oorgehen. 
2Sahrfcheinli<h werben bie Bereine ähnlicher Xeitbeng in Broirflpn, 
Bofton, ^hilobelphia unb Ehicaqo alsbalb eine gleiche ^ßropaganba 
entfalten. ES wirb auch angeftrebt, eine einheitliche allgemeine 
Consumers Label gu fchaffen, ein Seitenftücf gu ber gleichfalls 
geplanten allgemeinen ©emerffchaftSmarfe. tiefes Abgeichen würbe 
ben Mäitfem oie Beruhigung gewähren, bab bie marfirten BJaaren 
unter nach jeber Dichtung hin günfügen ArbeitSbebingungen her* 
geftellt würben. 17 ) §)infichtlich ber BefleibungSftücfc würbe feboch 
oon einem ©ewerbe *3nfpeftor beantragt, amtliche Btarfen gu 
©unften jener haaren einguführen, weld^c in ©änge in BScrfftätten 
hergeftettt würben, in benen alle Beftimmungen ber gabrifgefefee 
beachtet werben. Ein berartigcS amtliches Seugnib — bas ©egen* 
ftüdf gur heutigen, bic Btoaren bemäfclnben amtlichen B?arfirung — 
würbe auf bie Söahl ber Mäufer oon Einflub fein. 

IV. Einen namhaften Erfolg hotte freilich bie Bopfottiruug 
hausinbuftriett gefertigter BSaaren, wenn bie Monfumoereine fid) 
entfchlieben würben, alle nicht unter entfprecheuben Berhältniffen 
mtb gegen angemeffenen Sohn hergefteßten SBaaren oom Berfaufe 
in ihren Säben auSgnfd)lief 5 eti. 

X)ie englifchen Monfutnoerciite hoben fich bereits toieberholt 
mit ber grage befd)äftigt, Brobufte ber Schwijjmeifter oom Berfaufe 
auSgufchiiefeen; es ift jeboch bisher nicht gelungen, unter ben gahl* 
reichen autonomen Bereitten eine begiigfid)e Einigung h^beiguführeu. 
— 3tn ©angeit biirften übrigens gerabe in Englattb wenig honS* 
inbuftrieß oerfertigte haaren burch Moitfumoereine in Berfchr gebracht 
werben. 3uuöchft führen bie Monfunioereine in ber Begel beffere 
BJaaren als ber X)nrchfchnitt ber für gleiche Munbettflaffeit thätigen 
§äitbler. X)ann würbe fich ein ^onfumoereinsleiter, weiter 
wiffentlid) oon Schwihmeiftern ^crgefteHte 'Baareit führen würbe, 
erheblichen Unanncbntlichfeiten feitenS ber BereinSmitglieber aus* 
fefjen, faßs biefe Xhatfache befannt würbe. Enblich begieht ber weit* 


jährlidj fterben 35% ber gilghutniachcr an £nugenfurfit. öelfct mit, 
bieS gu änberu!" 

u ) BJandjc Unternehmer oerlangen gerabegn eine (Gewähr für 
Aeflame feitene ber ©ewerffchaft, faßs fie bereu Bebingungen au nehmen 
unb bie B?arfe eiufübren. 

15 ) .J>. 3Sl)itc, The Sweatiug System; ^eft 4 br* Bulletin of <1h> 
Departement of Labor, 3Rai 1896, Washington, 3. 374. 

16 ) The Garment Worker. Btonatsfchrift. ?tcw*Borf. Januar 189 s, 
8 . 11 . 

17 l Bgl. bie Auffähe oon 3t. ö. Aidiols mtb :Waitb Aathau in 
ber North American Review uon Cftober 1397 unb Jehruar 1898. 





Sogtalc $ra$i$. Gentralblatt für Sogialpolitü. Rr. 43. 


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1143 


aiifij größte X^eil ber tfonfumoeretne bie' meiften Sßaafen im SBege 
ber enalifcßen unb fcßottifcßen ©roßetnFaufSaenoffen* 
fcßaft Der Monfumoereine, beren GiitFäufer einerfeits firen* 
gen Auftrag haben, feine sweated goods gu Faufeit, wäßrenb 
anberfeits btefe GinFaufSgenoffenfdjaften eigene SabriFen befißen, 
in bencn fie bie non ben Monfnmoereinen benötigten SBaaren 
felbft bestellen taffen. Gine Anregung beS englifcßen ©ewerFfdjaftS* 
fongreffcS non ©laSgow (1892), m Berbinbung mit bem Berbanbe 
ber englifcßen ©enoffenfdjaften eine Xrabe Union £abel ehtgu* 
füßren, blieb ohne praftifc^c folgen. 18 ) 

X>aS gefeßlidje 5Sarn ungSgeicßen unb bie ©eroerFfcßaftS* 
empfeßlung finb bcibeS mistige Mampfmittel roiber bie Heimarbeit. 
Db bie BJaare ooit C^efe^ee megen als oerlagSmäßigeS Grgeugniß 
ftigmatifirt ober bureß bie organifirte Arbeitcrfcßaft als ni(ßt*ßauS* 
iitbuftrieHeS $robuft anempfoßlen wirb, ftetö toirb babureß ber 
M auf mann beeinflußt. SSirb bie als hmiSinbuftrielleS Grgeugniß 
marfirte 2Baare oom BnbliFum gemieben, roirb aueß ber M'auf* 
mann oermeiben, fie gu führen; roirb bie geroerFfcßaftlicß begeießnete 
oom ^ublifnm begüitfiigt, bann roirb ber Manfmann — 
unb ißm folgenb auch ber ^robugent — für baS güßren be* 
gicßungSweife Herfteüen berart marfirter Sßaaren Sntereffe gewinnen. 

BHen. G. Scßwieblanb. 


Allgemeine Stojtal- irob ttirtt)fd)nftepolttUu 


$ie ÄrifiS im fraiuöftfdjett Sozialismus. X)er Gintritt be$ 
fogialiftifdjen X)eputirten UWtlleranb in baS Btinifterium 2öalbecF s 
Rouffean bat ben frangöfifcßeit Sozialismus plößließ in eine feßarfe 
Mrifis getrieben, Btan fdjreibt uns bagu aus pariS: ®ie große 
ftrage, welcße bureß bie Bernftein’fcße Schrift oor bem europäifeben 
Sogtalismus gur prinzipiellen Grörterung aufgeworfen rourbe, ßal 
in granFreicß unerwartet eine praFtifcße ©eftalt gewonnen. Qn 
ftolge ber politifeßen Vorgänge waren bie Republikaner genötigt, 
ein Sfabinet gu bilben, baS alle Scßattirungen beS RcpubliFaniS* 
muS in ficb fongentrirt. Mehrere Berfucße, bie Xßeilnaßme ber 
l'infen mit bem Ginfcßluß ber rabifalften bürgerlidjen Partei abgu* 
grengen, mißlangen. . 3Ran mußte alfo bie reeßtsfteßenben ©ruppen 
bes auSgcfprocßenen Sozialismus ßerangießen, bereit ftibißfte 
<$üßrer &iHeranb unb Saures finb. X>ie Berßanblungen mit 
Rtilleranb waren gu Furg, als baß es ben fogialiftifcßen Parteien 
ntöglidj gewefen wäre, offiziell Stellung gu feiner Annaßme eines 
Portefeuilles gu nehmen. Xie erften Ginwänbe, bie oon feinen ©e* 
finnuitgSgenoffen bagegen erhoben würben, begogen ficb auch bureß* 
ans nicht auf bie prinzipielle Örage, fonbern lebtglicß auf bie $er* 


,H ) Xcr erwähnte Kongreß befürwortete btefe Maßregel aus Rite!* 
fid)t auf bie Rarfjtheilf, welche ber Berfauf oon SSaaren begrünbet, bie 
nidit unter rutfpred)eubcn Bebingmtgen Ijcrcgcftcllt werben, fowie gur 
Verbreitung jener, bei bereu Grgeuguug bie Bebingmtgen ber begiig- 
liißeu ©croerffdjaft beriicffidjtigt würben. Gin getnciufmnes Moinite beS 
(^ewerfoereinsfongreffes unb beS VerbanbeS ber cuglifrfjrii ©enoffen* 
fdmften iGooperntioe Union) füllte bie XurdRübruugouorfdjriftcn bc= 
rathen. Gine weitere Stefolution forberte, baß auf jeber BJnnrc ber Ramc 
bcs Grgeugers unb ber Crt ber ^crftellung fenntlid) gu tuadieu fei. Xer 
i'U'noffcuidjaftsfongreß oon Vriftol trat int Vtai 1H93 ben Ve= 
fdjliiffeu ber ('iewerfoereine mit Vefricbigung bei unb forberte bie ©e* 
uoifeufdmfteu Guglaubs auf, bereu Xurdjfiibrung thunlidtft gu beförbern. 

Bobann traten bas parlaiuentarifiße Montitee ber Wewcrffdiaftcn 
unb ber ?lusfdmß bes Wen offen fehaftsoerbanbes gufammen unb feßten 
folgcube Vorfditäge jeft: Xer pnrlaiiicutarifdjc t’lusfdiuß ber ©ewerf» 
fdmften bat ben Stempel, bie 9J?arfe ober ben Zettel gu beftimmen uttb 
ben eingelneu ©ewerffdjaften gugufdirciben; bie ^oriu ber Vcgeidjuuug 
ift im Giuoernelimen mit ber ©ewerffdiaft, weldjer fie bient, feftguftellen, 
biefer gegen Gr lag einer ©ebiibr guguweifeu unb als ^dmßntarfe ber 
Glewerffdiaft eingutragen. Xer ©ewerfuereiu haftet bem parlamrutari« 
[dien ?lusfd)uffc bafiir, baß ?lbgcidtcu nur au foldjc Unternehmer abge= 
geben werben, weldje fid) ben ©ewerfidtaftsbebinguugen anbequemt 
haben, lieber bie ;gahl ber ausgegebeneu ?lbgeidjeu unb bie SJameu 
ber biefe empfaugeubeu Unternehmer iß zeitweilig bem parlamentarifdjen 
','liisidmite Veridit gu erßatteu, bie yißc ber begitglidieu Grgeuger aber 
alllährlid) in ben Berichten bes Verbau bes ber Oieuofieufdjaften wie bes 
i ewerfid] a ft s fou gr ef i es gu uc r ü r f e u1 1idieu. 

Ta bie ('lewerfoereine bie Tenbeug haben, bas betreffenbe (bewerbe 
im gangen l'aubc gu umfaffeu, wäre bamit für jebes einzelne (bewerbe 
eine beitintmte ('lewerffdjaftsbegeichuuug eiugeführt worben. Tie Me* | 
werfoereiue Guglaubs oerhielten fid) jebodi biefer Anregung gegenüber | 
io gleidigiItig, baß, wie ber bem <'lenoneuidiaftsfongreffe gu Verth 1897 j 
evitaneie ('leiehäitsberid)t betont, bie gHugelegeubeit oorläufig auf fid) [ 
beruhen muß {Reports of Pertli Gongrcss 1^97 ; V(and)eßer, Gooperatioe ! 
Union, c. 7). 


fönlicbFeit beS £riegSminiftcrS beS neuen ÄabinetS, ber feiner 3 C ^ 
bie 9lufftänbe ber Kommune unterbrüeft bötte. Gine Hitzabl 
fogialiftifeber X)eputirten enthielten fiel) barum ber Slbfümmung, 
als bas SJtinifterium fein Programm in ber Kammer oorlcgte, 
roobureb fie übrigens bem neuen Stabinet tbatfäd)Ii(b S u ^ cr 
beit oon 25 Stimmen oerbalfen. X)ie unter ber Rührung oon 
SuleS ©ueSbe ftebenbe ©ruppe bflü e allerbingS feßon oon allem 
Slnfang auf bie UnoereinbarFeit opportuniftif^er XaFtiF mit ber 
fogialiftifdjen X)oFirin aufmerFfam gemacht. Q\x einer Floren Slftion 
natß biefer 9?id)tutig Fant eS jeboeb erft naeß Verlauf einiger 
iBotßeit. Slm 12. 3uli oeröffentlicßten 21 fogialiftifiße 2>eoutirte, 
wooon 5 für baS Stabinet geftimmt hatten, im herein mit nicßt- 
parlamentarifißen Süb^erit ein 9Kanifeft, worin in febärfften SluS* 
brücFen geqen bie äRitteranb’fcße $olitiF proteftirt würbe. 3$on 
ben orgamfirten ^ ar * e i en waren barin untergeießnet ber parti 
ouvrier franejais (©ueSbiften), ber parti socialiste revolutionnaire 
(Blanquiften) unb bie alliance communiste revolutionnaire. ®aS 
Sßanifeft marFirt eine auSgefprocbene Segeffton, ba es ben Austritt 
biefer Parteigruppen aus ber parlamentarifißen Bereinigung Union 
socialiste erFlärt. 

X)ie Argumentation beS BtonifefteS refumirt fid) feßr Furg 
in beut Säße, baß bie fogialiftijdje Partei als ^laffenpartei nie 
eine Regierungspartei werben Fönne. Sie b<t&e bk 3)iad)t nidjt 
mit bem Bürgertum gu tbeilcn, fonbern fic ißm gu entreißen, um 
barauS eine Btoffe ber Befreiung unb ber fogialen Reoolution gu 
madjen. X)ie Xbeilnabme an ber BolFSoertretung bübe für ben 
SogialiSmuS nur ein RUttel beS StampfcS. X)er ReoolulionariSimts 
fei ein mefcntliißeS BierFmal ber Stlaffenpartei. 

©ettau genommen, finb in biefetn Bruche nur alte ©egenfäfle 
unb Rioalitäten gum AuSbrucf geFommen. Seit ihrem SSMete* 
erwachen, gegen Gnbe ber 70er Stoßre, ßat ficß bie politifcße 
beiterbewegung in gfranFreicß in meßrere 3weige gefpalten, bie fuß 
gegenfeitig ßeftig befeßbeten. 3ßre Programme utiterfcßiebcn fidi 
weniger in ber XwFtrin als in ber Xaftif. Aus bem ©ucSbe fdjen 
parti ouvrier francais, ber fo giemlicß bie ©runbfäßc ber bemfdu’ii 
SogialbemoFratie angenommen ßat, fdßieb gunäd)ft bie poffibilirnfcßr 
Ricßtung, bie Federation des travailleurs socialistes eie France, 
welcße unter Brouffe’S Sfüßrung eine opportuniftifeße Xafrif befür¬ 
wortete. Aus biefer ©ruppe traten fpäter bie Atlemaniftew 
bie ficß als Parti ouvrier socialiste revolutionnaire gufammen* 
fcßloffen unb aus ißrem Programm bie Groberung ber politifcßen 
3)lad)t eliminirten. daneben eyiftirten bie oben fcßoit genannten 
Blanquiften, bie ehemaligen SFommunarben, unb namentlich bie 
unabhängigen Sogialifteu, bie ficß mit einem feßr unbestimmten 
Programm in ber Confederation generale des socialistes inde- 
endants gruppirten. Rtilleranb, SaureS, Bioiani, ^oumiere finb 
ie bauptfäcßlicbiten güßrer ber lebten Bereinigung. 

Bei bem erften VBaßlgange im April 1898 hatten bie ocr* 
feßiebenen ©ruppen erlangt: 


©ueSbiften.350 000 Stimmen, 

Blanquiften.32 000 

AHemamften. 42 000 

Bronffiften unb Unabhängi ge . 516 000 


gufammen ... 940 000 Stimmen. 


X)a bie Fleine Brouffiftifdje Börteiorganifation nur nod) bem 
Ramcn nad) befteßt, fo fmb ißre Bertreter ben Unabhängigen gu= 
gegäßlt. 

3m oorigen Saßre war eine äußerjicße Annäherung ber 
©ruppen gu Staube geFommen. s l)tan batte e m Comite d’entente 
gebilbet, gu bem bie fünf Drganifatiouen je 7 Beifißer cutfanbtcn, 
beren Viadjtbefuguiß aber feßr befcßränFt war. 2>ie Union socialiste 
ber fogialiftifcßen XJepntirten in ber Slammer befaß nie oiel Gin* 
fluß auf bie ©efammtpartei. Xie gegenwärtige MrifiS oerlicrt 
barum bei näherer Betrachtung oiel oon ißrer Bebeutung. 
SOUHeranb ßat in feinem ©efolge bie AUemaniften, Bronffiften mib 
bie Unabhängigen, alfo weitaus bie RJeßrßeit ber fogialiftifcßen 
BJäßlcr. Seine Anhänger, namentlich 3aureS, fueßen bie Segeffion 
roieber gu gewinnen unb bemüßeu ficß, einen förmlicßcu Kongreß 
gu Stanbe gu bringen, auf bem man ficß Flar über bie trennenbcn 
programmpunfte auScinanberfcßt. Sie oerlieren aueß nid)t bie 
Hoffmuig, aus biefem Moitgreß eine feftere Ginßeit ßeroorgeßen gu 
feßen als bie bisherige bloße „Gntente". Sie fueßen babei aller* 
bingS nid)t weniger bie Xoftnnären beS ReoolutionariSmus gur 
reaiiftifcßen ^olitif gu befeßren, weldje oon ben Unabhängigen 
oertreten wirb unb weldje na^ BUUeraitb barin befteßt faire 
sortir le plus vite ct le moins douloureuseincnt possible l'ordre 
socialiste de ranarcliie capitaliste‘\ 






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Sogtale $ra$*. ©entralblatt für Sogtalpolitt!. Rr. 43. 


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Das 3uftanbe!ommen beS KongreffeS ift ingroifchen gcficfjert 
roorben. Rad) einem oon ben brei ©ruppen auSgebenben Bianifeft 
foll bcrfelbe auf ©runb folgeuben llebercinfommenS tagen: 

Artifel 1. (Sin allgemeiner Kongreß beS frangöftfeben Sozialismus 
roirb burdj bie bent @inigungS*Koimte gugeborigen Drgamfattonen für 
ben fommenbert Blonat September nach $aris gufammenberufen gu 
bern 3roecf, gu entfdjeiben, ob ber Klaffenfampf, welcher bie ©runblage 
beS SogialiSmus biloet, ben ©intritt eines Sogialiften in eine Bourgeois* 
Regierung geftattet. 

^trtifel II. Damit biefer Kongreß ber roirflitbe AuSbrucf ber organi* 
firten Kräfte beS frangöfifd)en Sozialismus roirb, mirb er auf folgenbeu 
©runblageti fonftüuirt: 3«** ^elcgirte für jeben ber SBablfreifc, in 
beiten bie fogtaltftifdje Partei bei ben leßten Äammerroafjlen ben 33abl* 
fampf auf genommen bat. Außerbem ein Delegirter mehr für jebeS 
Daufcub fojialiftifcber Stimmen über 3000 beim erften SBablgang. Die 
3abl ber Delegirten für 1 SBabüreiS barf jebodj bie 3 a bl 5 nicht 
überfteigen (für jebe eingelne graftion). 

Frauenarbeit in ftabritot* Die in biefem Sabre oorgu* 
nebmenbe Erhebung über bie ©rünbe unb SSirf ungen ber Be* 
febäftigung oerbeiratbeter Arbeiterinnen in Fabrifen roirb Ieiber 
nicht nach einheitlichen ©eftcbtSpunften burebgefübrt. ©äbrenb ber 
preußi[d}e Öragebogen (ogl. Rr. 44 b. Bl. &p. 1098) mehr über 
bie roirtbfebaftuebe Seite ber Qrrage Siebt gu oerbreiten geeignet 
ift, faßt bie roürttembergifcbe Regierung faft auSfchließltcb bie 
bngienifd^e Seite ins Auge. Der Fragebogen forbert AuSfunft 
üoer foigenbe fünfte: 

1 . Welches finb bie ©rünbe für bie gabrifbefdjäftigung oerbei* 
ratbeter grauen? 2. $abeit fidj bei ber Befcbäftigung oerbeiratbeter 
grauen in gabrüen — allgemein ober in einzelnen Snbuftricgroeigen 
— erbeblidje Radjtbeüe a) in fittlid^er Begebung, b) in gefunbbeitlic|er 
Begebung ^eraudgefteOt, unb gutreffenben gafleS, melier Art ftnb biefe 
Racbtbeüe? 3. ©mpfiebt es ficb, bie oerbeiraibetcu grauen, foroeit fie 
ein ftauSroefen gu beforgen hoben, allgemein ober nur für eingelne 3n* 
buftriegmeige, eoentueü melcbe? a) oon ber Befdbäftigung auSgufcbließen, 
ober b) ihre 3alaffung oon ber Beibringung eines ärgtlidjen 3 CU 9 - 
niffeS ober oon bem Ratbroeife abhängig gu machen, baß Stbmaitgere 
unb Räbrenbe nur abgefonbert oon männlichen Arbeitern befdjäftigt 
merben, ober c) fie allgemein ober bodj mäbrenb ber 3 eit ber 
Scbroangerfcbaft ober mäbrenb fte nähren, fürger als bisher ober mit 
häufigeren ober längeren Raufen gu befdjäfttgen, ober d) fie binfid)tlid) 
beS B^öcbnerinnenfcbupeS (§. 137 Abf. 5 ber ©eroerbeorbnung) noch 
giinftiger gu [teilen, eoentueö in melier s Beife unb in meinem Umfang? 
4. Speiche 3Birfung hätte bie Befchränfung ber Befcbäftigung uer* 
beiratbeter grauen, roeldje ein £>auSroefen gu beforgen haben, a) auf bie 
SebenShaltung ber Arbeiterfamilien im Allgemeinen, b) auf bie männlichen 
Arbeiter, c) auf bie Iebigen weiblichen Arbeiterinnen im Befonberen? 

©ine Berbinbung beS preußifeben unb roürttembergifcben 
Fragebogens mürbe ein erfcböpfenbeS ©rgebniß liefern. Denn bie 
^unrte, über bie in Preußen AuSfunft oerlangt roirb, finb ebenfo 
wichtig. daneben fornrnt noch in Betracht, baß bie ©inbeitlichfeit 
ber (Erhebung burch groei fo ganx oerfchiebene ©rbebungSformulare 
ooüftänbig oerloren gebt unb bie Refultate feine Begleichungen 
gulaffen. Durch groei fo oerfebiebenartige ©rbebungen bürfte ben 
Intentionen ber Refolution beS Reichstags nur in ungenügen* 
bem Biaße entfprochen roerben-, welche babin ging, eS möge ben 
©eroerbeauffiebtsbeamten aufgegeben roerben, bie Fabrifarbeit oer* 
beiratbeter F rfl uen binficbtlia) ihres Umfanges gu unterfudjen, bie 
llrfadjen unb Folgen berfelben feftguftellen, bie Btöglichfeü unb 
3roecf mäßigfeit ber Befchränfung biefer Arbeit auf ©runb ber ge* 
machten ©rfabrungen gu erörtern unb Borfcbläge über bie Art unb 
Bßeife einer eoentueUen Befchränfung berfelben gu machen. ©S ift 
bieS ein roieberbolter Beweis für bie Rotbroenbigfeit eines Reichs* 
arbeitSamtS. B3aS bie Durchführung ber ©rl;ebung anlangt, fo 
follen bie F ra 9 e &ogen in Söürttembera ben in Betracht fommenben 
körperfebaften gugefanbt roerben. Bei ber anerfennenSroertben 
BorurtbeilSlofigreit, bie bie roürttembergifchen Fabrifinfpeftoren im 
Berfebr mit ben ©eroerffebaften gegeigt haben, barf man roobl 
annebtnen, bafe b«r auch bie Arbeiterorganifationen gehört roerben. 

^er Schuh ArbeitSwUHgen" in Sdhtoeben. Die Rooelle 
gum fehroebifeben Strafgefefe, über bie wir (Rr. 25 Sp. 665) ein* 
gebenb berichtet haben, würbe am 10. Fuli oon Völlig DSfar II. 
oor feiner Abreifc nach Rorroegen ooUgogen, trofebem üch ^aS 
ReichSgeri^t, beffen Blacet nach ber fehroebifeben Berfaffung er* 
forberltch ift, einftinimig bagegen erflärt batte. 


ftomtmtnale Sozialpolitik. 


Sontmerferten für ftäbtifebe Arbeiter in Berlin. Sommer* 
feriert roerben oon Berliner fiäbtifcben Arbeitern in einer ©ingabc 
an ben Biagiftrat geforbert. ©S roirb erfud)t, allen fiäbtifcben 


Arbeitern, welche minbeftenS fünf Fahre bi n & ur( f) im ®icnfte ber 
Stabt tbätig, oom Sabre 1900 ab einen alljährlichen Urlaub oon 
einer 2Bo<be unter Fortgablung beS fiobneS gu bewilligen. Der 
Anfang nach biefer Rüstung bi« ift in Berlin bereits gemacht, 
inbem bie Arbeiter ber DeSinfeftionSanftalt fc^on in biefem Sabre 
Urlaub in ber Dauer oon 3 bis 7 Dagen erhielten. 

@tättifcber ober prioater Betrieb Pott Straßenbahnen* Den 

Beifpielen, roo prioate Straßenbahngefellfchafteii ihre Pflicht gegen* 
über bem fabrenben ^ublifum unb ber Stabt oerlcbten, fchtießt 
fidh iefct bie ©barlottenburger an. Die Berlin*©barlottenburger 
Straßenbahn bat nunmehr gum brüten Biale bie gur ©infübrung 
beS auSfchließlich eleftrifcheit Betriebes gewährte Frift oerftreicben 
(affen. Am 28. S«ni befchloffen beSbalb bie ©barlottenburger 
Stabtoerorbneten einftimmig gegenüber bem bisherigen oertrags* 
roibrigen Berbalten ber Straßenbabngefellfchaft einerfeits unb 
gegenüber bem baS Rücftritisrecf)t begriinbenben §. 22 beS Ber* 
trageS anbererfeitS, bie ©eiterfiibrung beS ^ferbebabnbetriebeS nur 
auf einer unter befonberen Bebingungen ftebenben fiinie bis gum 
1. Sanuar 1900 weiter gu geftatten, aber unter Bermebrung ber 
Fahrten, im Uebrigen aber ben Btagiftat um Rücftrüt oom Ber* 
trage gu erfueben, wenn 1900 ber eleftrifcbe Betrieb nicht ein geführt 
begro. binnen brei ©ochen nicht bie binbenbe Berpflid)tung über* 
nommen ift. 

StftbtifcheS ©leftrigitätSroerf für |>riiigenftabt. Am 18. Sali 
berietben bie Stabtoerorbneten oon §>eiligenftabt eine Blagiftrats* 
oorlage, betr. bie ©rrichtung einer eleftrifchen ©entralbeleucbtung 
gu einem Äoftenaufroanbe oon 125 000 dt. ©ine gemifebte kom* 
miffion roirb befonberS bie Frage prüfen, ob bie Stabt felbft bie 
Ausführung ber Anlage übernimmt ober einer $rioatge[eHf<baft 
bie kongeffion überträgt, ^öffentlich läßt fte fidb burch &i c ^öf en 
©rfabrungen belehren, oie in Berlin unb anberen DrteS mü $rioat* 
gefeUfcbaften gemaiht roorben fmb. 

Bargedirmig eines Ritterguts burch bie ©emeinbe Felbf!rd|j. 

Die ©emeinbe Fribfirch im Amt Staufen (babifcbeS Btarfgräfler* 
lanb) bat baS o. ©effenbergfebe ©ut, baS in ber ©emeinbeflur 
liegt, gu 145 000 dt angefauft unb bie ©runbftücfe an ihre Bürger 
weiter oeräußert. Die Käufer gablen 7 o/ 0 beS ÄaufpreifeS für 
3inS unb rafche Dilgung unb eittfprecben bie gu gablenben Be* 
träge ben bisher begablten Bacbtpreifen. Sn 21 Fahren roerben 
bie Käufer ihre ©runbftücfe fcbulbenfrei haben. 

Arbeiter unb äommunafyolitif in ©nglanb. Böie rafch bie 
©influßnabme ber arbeitenben Klaffen auf bie fommunalen Auge* 
legenbeiten in ben englifchen Stabten roäcbft, mag barauS beroor* 
geben, baß eben jeßt gum erften 3Ral ein Arbeiter an bie Spiße 
einer fionboner ©emeinbe getreten ift; es ift bieS Btr. 2Ö. BtattberoS, 
feines 3^^nS ein Steinmeß, ber gum Dberbaupte beS KircbfpielS 
Batterfea gewählt würbe unb ber auch als folcher fein £>anbroeif 
weiter auSguübett gebenft. @r befißt großen ©influß in Arbeiter- 
freifen, unb man rühmt ihm auch namhaftes DrganifationStalent 
nach- — Die Arbeiterpartei in Brabforb bat baS foigenbe fom* 
munale Programm aufgefteHt: ©rrichtung eines Departements für 
ftäbtifebe Arbeiten, ©infübrung eines BtinimallobneS oon 6 ^ßence 
für bie Stunbe für ftäbtifebe Arbeiter unb BlapmalarbeitSgeit oon 
48 Stunben wöchentlich, AlterSoerfocgung nach 25jähriger Dienft* 
geit bei ber Kommune für alle Bebienfteten, V 2 d Straßenbahn* 
Fahrpreis, Bergemeinblichung ber Spitäler, Bergemeinblichung beS 
KoblenbanbelS unb unentgeltliche BolfSfongerte. 


Ärhelltrfi^ti^. 


Die ©eroerbeanfftebt in ©lfaß*Sotbringen im Sabre 1898. 

Die uns oorliegenben „BerroaltunaSberichte ber ©eroerbe* 
aufruhtsbeamten in ©lfaß*fiotbringen für oaS Fahr 1898" ‘) reiben 
Reh benjenigen ihrer fübbeutfehen Kollegen roürbig an. Der Fabrif* 
infpeftor für baS Unter*©lfaß nahm in 518 gewerblichen Anlagen 
620 Reoifionen oor, baoon 32 Sonntags, 9 Samstags, 15 Racßts. 
Fm Dber*©lfaß betrug bie 3 a bl Reoifionen 996, roooon 80 
in ber Racßt unb 81 an Sonn* unb Frittagen oorgenommen 
rourben. 460 Betriebe würben einmal, 177 groeimal unb 55 brei* 
ober mebrmal reoibirt. Sn Lothringen finb inSgefammt 1111 ge* 
roerbliche Anlagen reoibirt roorben, barunter 1053 einmal, 52 groei¬ 
mal unb 6 breimal. 26 Reoifionen würben 3 ur Radjtgeit unb 39 


Straßburg, Straßburger Drucfcrei unb Bcrlagsauftalt, oon». 
R. Schulß & ©o. 1899. 



1147 


Sogtale $rajt$. ©entralblatt für Sogtalpolittl. SRr. 43. 


1148 


an Sonn* unb gefttageu auSgeführt. Sie Qaf)l ber SReoifionen 
ift, namentlich im Bergfeich mit ben fäcf)fif(f)cn erfreulich hoch- 

2BaS ben Verfeftr mit Arbeitern unb Arbeitgebern anlangt, 
berichtet ber Beamte für baS Unter*©lfaft: 

„Sie feit 1889 befteftenben Sprcdj ft unben (an jebem Montag) merben 
in roadffenbem SRaftc non Arbeitgebern mie non Arbeitern benuftt. 
Solange fic oon oielgelefetten Leitungen in banfenSraerther SSeife jebe 
'Bod)e befannt gemacht mürben, fanb ifjre Vettuftung burd) Arbeiter 
unb Arbeiterinnen in oerntefjrteni Umfange ftatt. SRit bem Aufhören 
biefer Veröffentlichungen fanf ber Vejud) auf bas frühere 9Rnft. Ser 
3£unfd) nach SBicberaufnahmc ber Veröffentlichungen brängt fid) bcSftalb 
oou felbft auf. .freroorguheben ift jebod), baß mie früher bie SRehrgaftl 
ber Arbeiter hierljergemiefen mar oon Leuten, beuen unfere Verattjung 
Vortheil gebradit hatte, unb baft bie Verathuug ber Arbeiter fidj feinet 
megs auf bie Spred)ftunbe ober AmtSftube befchränft, fonbern bei jeber 
(Gelegenheit ftattfinbet. Vei Veoifionen, bei UnfaHunterfuchungen, in 
ber Vehaufung beS Veamten, oereingelt felbft auf ber Strafte oerlangten 
unb erhielten fic Aaift." 

©benfo fornmen gu bem Beamten für baS Dber*©lfaft bie 
Arbeiter unb Arbeitgeber jeber 3 e ^/ wenn ft* SRathS bebürfen, 
obgleich auch hier ein befonberer Sag (ber greitag) hierfür feft* 
gefeftt ift. SReiftenS ift es biefern Beamten gelungen, eine (Einigung 
gmifcheit Arbeitgeber unb Arbeitnehmern fjerbeiguführen ober bie 
gefeftlichen Befttmmungen fo flar gu legen, baft bie 3ReittungS* 
oerfchiebenheiten befeitigt mürben. Ser Mangel eines ©enterbe* 
gerichts in ©olmar §abt fich f<h° n mehrfach fühlbar gemacht. 2 ) 
Sroftbem eS ber Beamte für Lothringen an ber nötigen Strenge 
gegen bie Betriebsunternehmer nicht fehlen lieft, fann er berichten, 
baft fid) bas gute ©inoernehmen mit ben Arbeitgebern roeiter be* 
feftigt unb eine erhebliche Störung nirgenbs erfahren hoi- „3m 
Uebrigen", heiftt eS in feinem Bericht, „bin ich oon oom herein 
bei ben fleinen Unternehmern mit mehr ©ntgegenfommen empfangen 
morben als bei ben ©roftinbuftriellen. ©S ift MeS aud) leicht er* 
Kärlich- Sie 2öir!ung meiner toohlmoHenben SReoifionSthätigfeit, 
oerbunben mit iechnifcfjen unb anberen praftifdjen SRathfchlägen, 
ift mehr geeignet, baS Vertrauen bei bem auf fi<h allein ange* 
rciefenen Stleinunternehmer gn erroeefen als bei bem über ein fach* 
uerftänbigeS Verfonal oerfiigenben ©roftinbuftriellen. Ser per* 
fönliche Berfeftr mit ben Arbeitern innerhalb ber Betriebe mar ein 
offener unb oiel freierer als früher, unb mürbe nirgenbs burch 
baS eftebem theilroeife oorftanbene VHfttrauen ber Arbeitgeber 
ftörenb beeinflußt. Auch bie Arbeiterinnen machten h^ioon feine 
Ausnahme." SRach ben gemachten ©rfahrungen oemeint ber 
lothringer Beamte bie Bebiirfniftfrage gur ©infteÜung roeiblicher 
©efjülfen im AuffichtSbienfte. 

SaS Verbot ber Befdjäftigung oon Äinbern roirb am meiften 
in ben 3i c 9^ien übertreten. gm 0ber*©lfaft mürbe beSmegen ein 
3iegeleibefifter mit 100 JL ©elbftrafe ober gehn Sagen ©erangnift 
beftraft. 3n ben ©rünben Ijeifft eS: „Bknn auch bie £inoer nur 
auf SSnnfch ber ©Itern befeftäftigt morben fmb, um oon ihren 
Minbern möglichft früh unb oiel Verbienft gu erhalten, fo entlaftet 
ben Anacflagten bies umfomeniger, als er poligeilich oerroarnt mar. 
Söegen f orige feftten VerftofteS gegen bie Beftimmungen ber Äinber* 
arbeit, ber nach Lage ber Sache als einheitliche ©anblung gu be* 
ftrafen mar, erfeftien es angegeigt, auf recht erhebliche ©elbftrafe 
gu erfennen, umfomehr als bei berartigen ©eroerbeoergehen fonft 
ber baburch erreichte VermögenSoortheil bie Sache (strafe?) nicht 
fühlbar machen mürbe." Siefer leftte ©efichtspunft oerbient bei ber 
allgemein befannten milben Strafgumeffung, über bie oon 3afjo gn 
3aftr in ben gabrifinfpcftionSbertd)tcn geflagt mirb, bie meit* 
geftenbfte Beachtung. Auch in Lothringen famen aus bem gleichen 
©runbe groei Beftrafungen gegen 3i e 9*[eibefifter oor, mobei gu be* 
achten ift, baft ber Beamte nur in SBieberholunaSfällen Straf* 
angeige erstattete. Ser Beamte für baS Unter*©lfaft duftert fich 
eingeftenb über bie Befchäftigung oon Stinbertt in 3^9^™ : 

„Sic Auffaffuiig, baft eine foldje Befchäftigung eine gemerbltdie 
unb oon Aedjts megen oerbotett fei, finbet in ber bctbeiligtni Veoölfc* 
rmig überall 3^iberfpriid). Sie Arntutb unb ber iSrmerbsfiiiit ber 
©Itern, bie fie felbft gu übermäftiger Arbeit gmingen, melrfje bann ©r* 
fcftlaffung beruorruft unb ftilfc fudjcti läßt, ihre (Gemübntbeit an int* 
befefträurte .^errfdjaft über bie Minber, iftre ©rinnermig an bie eigenen 
Miubcrjabre, bie ihnen (Gleidjec- auferlcgten, ber £inblitf auf bie, afler* 
bingc- anberS geartete, ftiuberbcfdjäftiguug in ber ^anbrnirtlifdiaft, ber 
abfolute Mangel an guten Vcifpieleit innerhalb ihrer Mreife unb bie 
(Geioiftheit, baft bie Verbote ber Arbeitgeber nidjt tliatfräftig burch* 

‘ J l Vedit begeirfinenb ift folgeube Stelle be^ Veriditö: „©in Aabrif* 
bireftor äußerte fid) miftfallig bariiber, baft bie Arbeiter megen jeber 
Atleiuigfeit guut (Gemerbeaufmfttvbeaniten liefen. Ser Arbeiter fei bem 
Arbeitgeber gegenüber heute nteiftenthcilä int Vortheil, ba er ft er er bie 
©riefte oft genauer feuue alo leftterer." 


geführt merben, alle biefe Uinfiäube laffen baS Verftänbnift für bas 
gemerberedhtlithe ÄinbeSarbeitSoerbot bet ihnen nicht auffontmen. Auch 
bie Vetricbeinhabcr beftftett biefeS Verftänbnift gum Shcil nicht, jeben* 
faÜS mollett fic ihre Verautmortlidjfeit bei bett Verftöftcn nicht gugebeit. 
Ser ©inmanb, baft fic bie ftinber nicht angefteflt hätten unb nid)t aus* 
lohnten, baft bie ftittber gegen ihr Verbot oon bett ©Item oertoenbet 
mürben, baft fte nod) nie eine Uebertretung beS Verbots beobachtet 
hätten, nnb baft bie ©Itern allein recfttlid) oerantmortlich fein fönnten, 
mirb ftetS mieberholt. Manchem Arbeitgeber fefteint aud) thatfärf)lid) 
baS S^ahrnehmungSoermögen für biefes Vergehen abhanbeu gefoiiimcn 
gu fein. SSeitigftcnS hatte ein foldjcr, mit bem ich auf feinem 3t^Q<*l s 
felb bie 9ied)tsmibrig!eit ber Vefdjäftigung befprad), angeblicf) rtiäiS 
baoon mahrgenommen, baft bie ftittber unter unferett Augen, in 1 ins 
10 m ©ntfernung oon uns, SWaterial unb Vacffteine hrr&d* un b fort* 
trugen; felbft ber ctma 9jährige ^unge, ber als ftutfdjer einen ein* 
fpännigen SSagen mit Vacfftcineti begleitete, mcldjettt mir auSineichcti 
muftten, mar feiner Beobachtung angeblich entgangen. Vei einer 8ieihe 
oon Acoifionen maren geftfteHungen nicht möglich, meil ein gellenber 
Vfiff ober Schrei ober forcirtes £>unbegebeß bie Anfunft beS Beamten 
ben Beteiligten angeigte, fo baft bie $ittber 3eit hatten, fich gu oer* 
ftectcn ober, mit oom Siehm befdjmuftten ^)änben unb Kleibern miiftig 
ftehenb, bem Veamten gn erlläreu, baft fte nur mit Lehm gefpielt 
hätten." 

Sroftbem im Unterelfaft Verftöfte gegen bie Vorgriffen ber 
Befchäftigung jugettbUcher Vcrfonen in Srucfereien unb ©igarren* 
fabrifen feftr häufig maren, erfolgte nur eine Beftrafuttg unb auch 
in biefern 3?a0e fiel troft ber jahrelangen 3 UTO ^ er hanolung baS 
Urtheil fehr tnilb aus, ba bie IDrtSpoligeibehörbe beit erhaltenen 
Auftrag, ben V&eberetbeftfcer gu oermarnen, nur miinblich erlebigi 
unb ihre SReoiftonen nidftt ernft genommen hatte. Ser Beamte be£ 
gleichen BegirfS hält eine ftrengere unb allgemeinere |janbhabung 
ber bie Arbeitsbücher betreffenben Beftimmungen für bie gebeiblidjc 
©ntmicfelung ber jungen Arbeiter oon größter Bebeutung. Sem 
fortmährenben gmetflofett SSechfel ber ArbeitSftellen, bem Vertrags* 
bruch, bem ©ereittmachfen ber Sreulofigfeit in bie fittlidjen Begriffe 
ber jungen Leute mürbe baburch ein nach Lage ber Verhältniffc 
burchauS nothmenbigeS §emmnift unb ber £>erfteHung befferer 
ftänbe ber 3Beg bereitet merben fönnen. ©iner ber groftten 
Snbuftiellen beS BcgirfeS Dberelfaft fprach fteß über bie Schuft* 
gefefte für grauen unb £inber baftin aus, baft es nicht fdjäblid) 
fei, bie ArbeitSgeit eingufchränfeu. Sie Baffen, ber 
jeboch ftörten ben gangen gabrifbetrieb in heroorrageitbcr 'Seife. 
9Ran halte ja baraitf, baft biefelben eingehalten mürben, habe fich 
auch ßauf ber 3 e ^ baran gcroöhnt; er halte biefelben aber in 
tnoralifcher Begiehung nicht für oortheilhaft, ba bie Sagenblichen, 
troft ftrenger Beaufftchtigung, rnäftrenb biefer Raufen hoch nur 
baS Schlechte, maS S^ber gehört ober gefeijen, gegenfeitig aus* 
taufchten. 

Sie Befchroerben auS Arbeiterfreifen über bie Verroenbung ber 
grauen unb Vtäbchen gum gormen oon BadCfteinen, toirb aus bem 
Unterelfaft berichtet, haben nod) nicht aufgehört. Aber nur gang 
auSnahmSroeife gelinge es, bie roiberrechtliche Befchäftigung fo feft* 
gufteHen, baft eßte ftrafrechtlidje Angeige Ausficht auf ©rfolg haben 
fönnte. 3ai gleichen Bericht $eißt eS über baS ÄonfeftionSgeroerbe: 
„Auffällig ift bie oerhältniftmäftig oft h ero or treten be ^fbneigung 
ber Unternehmerinnen gegen bie UeberarbeitSgeit; fte mirb immer 
bamit begrünbet, baft bie Ueberarbeit franf, neroöS mache, ©ine 
Unternehmerin hatte megen ber fo erroorbenen SReroofität ben 
Betrieb oöttig —, eine anbere auf ßßonate aufgeben muffen." 

Begüglid) ber ArbeitSgeit ftnb im Unterelfaft roefentlicfte 
Aettberuugen nirgenbs mahrgenommen morben, roohl aber trat bie 
Neigung, burch ^ürgung ober 53egfaß ber halbftünbigen Vor* unb 
3RachntittagSpaufen bie Schichtbauer gu fürgen, oftmals h*n>or. 
V?an glaubte bamit intenffoere Arbeit unb für bie Arbeiter mehr 
gamilienruhe erreichen gu fönnen. Lefttere mürbe fich mohl babei 
ergeben, erftere aber nach ben oorliegenben ©rfahrungen ftcherlid) 
nicht, fo lange bie ©cfammtarbeitSgeit ihre bisherige gcroöhnlidje 
Sauer behält. SaS Bebürfttift nach AuSfpannitug ift uberbieS bet 
ben geroöhnlichen ArbeitSgeiten fo groft, baft überall ba, mo btc 
ArbeitSroeife unb bie Sisäplin es irgenb gulaffen, bie Raufen — 
felbft menn fte oertraaSmäftig meggefaHen ftnb — ft<h nad) unb 
nach immer mieber einfteflen unb bie ArbeitSgeit — nicht immer 
bie Arbeitsteilung — beeinträchtigen. 3n ber Sobafabrif ber 
beutfd)en Soloai)*2Berfe in Saaralben (Lothringen) ift bie im 
oorigett 3ah*e eingeleitete Aenberung ber gmölffttinbtgeu Schichten 
ber Äag* unb 9?ad)tarbeiter in adßtftiinbige nunmehr, nach £>eran* 
btlbuttg ber erforberlicßen Viehrarbeiter, ooUftänbig burdjgeführt. 
Sie Arbeiter erhalten benfelben Lohn mie für bie frühere groölf* 
[tititbige Arbeitsfchicht unb ba burch bie eingeführten Betriebs* 
ocrbefferitngen, burd) bie jeftige V^ehrleiftung ber Arbeiter, burch 



1149 


(Soziale PrajiS- dentralblatt für ©ozialpolittf. Br. 43. 


1150 


bic beffere Berwerthung ber Boh» unb Betriebsmaterialien, fowie 
burd) bic erhöhte Dualität ber drzeugniffe aud) ber Arbeitgeber 
feine merfbarc dinbufte erlitten hat, fo finb beibe %ty\k mit ber 
neuen dinridjtung feljr jufrieben. $)ie Arbeiter roaren urfpriinglich 
gegen bie Steuerung. Aus ben BHttpilungen beS Arbeitgebers 
läfit fich fdjliefjen, bafi bie ad)tftünbige Arbeitszeit für ben fontinuir* 
licken, Xag unb Bacp fortgefefeten ^Betrieb in ber Ammoniaffoba* 
fabrifation nicp nur jum einfeitigen Bortheil beS Arbeiters, 
fonbern auch im Sntereffe beS SabrifbefifeerS eingefüpt merben 
fann. difenhüttengewerbe liegen bie Berhältniffe ähnlich unb 
föitnte auch hier Me acbtftünbige ©d)icp im beiberfeitigen Sntereffe, 
beS ©ewerbeinhaberS unb ber Arbeiter, eingefübrt werben. 

$)ie Beftimmungen über bie Arbeitszeit in ben Bäcfereien 
ftnb nach beit Beobachtungen beS fvabrifhifpeftorS für baS Unter* 
elfafc im Allgemeinen als burdjgefiihrt zu bezeichnen unb in 
Lothringen finb über ihre Wirfungen mit geringen Ausnahmen 
ungünftiae Wahrnehmungen nicht gemacht worben. 3nt Ober* 
elfafj ba^n bie Beoifionen ber Bäcfereien ergeben, bafi in oielen 
bie Beinliripeit febr zu wünfihen übrig lagt. 

SDaS Bcrhalten ber Arbeitgeber gegenüber etwaigen Dr* 
ganifationS * Begebungen ber Arbeiter ift nach bem 
iotbringifeben Bericht faft ausnahmslos ein feinblicbeS. din 
mächtiger ©rofcinbuftrieEer oerfolgte felbft bie ©rünbung fatfjolifcher 
Arbeiteroereine mit SBifttrauen, ba er auch bie pe* gegebenen 
fozialen Belehrungen für oerberblich b^lt. Bach feiner Meinung 
habe bie Arbeiterbeooiferung feinen Anlafi, unzufrieben z u fein, 
wenn zu beren Unterhalt für eine auSreicbenbe phpfifcp dmäbrung, 
int BothfaEe burch Unterftüfcungen, geforgt werbe. 

3n zu>ei Betrieben im Dber*dlfafe würben feine ©trafen mehr 
oerbängt, ba bie Arbeitgeber zu ber Ueberzeugung gefommen finb, 
bajj ernftlicheS 3ureben mehr hilft als ©trafen. §m Unterelfafi 
erftreeft ficb ber drlaft oon ArbeitSorbnungen immer mehr auch auf 
Kleinbetriebe. 

3 n Lothringen finb nur 4 Arbeitseinteilungen oorgefommen, 
wooon brei auf ©djuhfabrifen entfallen. $)ie gelernten Arbeiter, 
bie burch ben Uebergang zum Sabrifbetrieb in Der ©«huhmaeprei 
ihre ©elbftftänbigfeit oerloren haben, finb p* r bie unruhigen 
dlemente. 

3)ie wkthfchaftliche Lage ber Arbeiterbeooiferung hat ungeachtet 
ber tbeilmeifen Lohnerhöhungen, im ©anzen genommen, feine 
Befferung erfahren. SDiefelbe rnufi oielmehr als ungünftiger wie 
im Borjahre bezeichnet werben, ba bie greife ber notbwenbigen 
Lebensbebiirfniffe, oon BteP unb Öleifcp Kartoffeln, überall in bie 
£>öbe gingen, wäbrenb etwa % ber Arbeiterbeooiferung auf bem 
früheren Lohneinfommen ftehen geblieben finb. 3n Lothringen 
werben, um bem Arbeitermangel abzuhelfen, maffenhaft frembe 
Arbeiter, namentlich Staliener, herangezogen. 3nbeffen hat nach 
bem Bericht für baS Dberelfafi in feinem drmerbSzmeige ein din* 
bringen ber Arbeiterinnen in bisher ben männlichen Arbeitern oor* 
behaltene Arbeitsgebiete ftattgefunben. 

Berlin. dl. £eifi. 

©iptelegenpit für Labnerinnen In ©nglnnb. $>ie Borlage 
für Anordnung oon ©ifcgelegenpiten für Berfäuferiitnen in dng* 
lanb unb 3nanb hat mt englifchett Dberijaufe ben entfihaften 
Wiberfpruch oon Lorb ©alisburp gefunben, ber fcf)on oor einigen 
Wodpn bie Annahme einer gleichen Borlage für ©dpitlanb oer* 
hinberte. $)ie Arbeitgeber, meinte er, würben bei folcher Bor* 
fchrift feine weiblichen Berfäufer mehr einfteEen. 2)er Herzog oon 
Weftminfter fefete irtbefi mit grofier Mehrheit eine abermalige 
Lefuitg burch unb brachte ein Amenbement zur Annahme, bafc bas 
©efefc auch für ©chottlanb gelte. $>aburd) ift bie lefcte Abftimmung 
beS DberhaufcS umgeftofien. $>aS ©efefc beftimmt in feinen erften 
brei Paragraphen: 

1. 3n allen Bäumen eines SabenS, WaarenraumeS, WaarenljaufeS, 
ober auberen defdsäjtSfteEen, wo Waaren bem publifum wirtlich im 
Kleinen oerfauft werben unb wo drhülfinnen mit biefem Berlauf be* 
fchäftigt werben, hat ber dcfchäftsinhaber in foldjett defdjäftsräumen 
hinter bem Sabentifch unb in ben Ausstellungsräumen ober einem an* 
bereu Crte, ben ein Sabeniitfpeftor auf drunb biefee defeps beftimmt, 
©i^gelegenheiten zur Senujjung feiner Angestellten Oorzufehen, unb 
Zwar nicht weniger als eine für je zwei in bem Baum befdjäftigte de* 
hülfimten. 

2. 3£er ben Berpfltcpungen biefeS dejepes nicht nachtommt, h fl t 
im fummarifdjeu Berfahren für ben erften Berftofe eine Bu|e, bie brei 
Bfunb nidjt überschreitet, oerwirft, für einen zweiten ober folgeitben 
Ber ft oh eine Bnfie nicht unter einem unb nicht über fünf Bfunb. 

3. $ns defefj foll für dnglanb unb Urlaub (uub ©djotilanb) 
gelten unb am 1. Januar 1900 in Kraft treten. 


&rbettemr|tyeritttg. Sporkalfm. 

c Kranfenfürforge ber 3uualibitätS* mtb AlterSoerficherungS* 
anftalteu. 3 U bem Auffah oon Dr. Bothholz in Berlin über bie 
Kranfenfürforge ber BerfidjerungSanftalten ber 3noalibitätS* unb 
AlterSoerficherung für 1898 („©oziale präzis" $r. 39 ©p. 1055 
bis 1058, ogl. auch 9lr. 41 ©p. 1104) erhalten wir oon ge* 
fihäfcter ©eite folgenbe weitere 3 uf<hrift: 

„3nbem Dr. Bothholz bie 10 Anftalten, bie bie gröfete ab* 
folute 3af)l oon entlaffeueu Lungenfraitfen aufweifen, namentlich 
heroorl)ebt, z^ht er aus Mefer 3afif ben ©d)lufj, bafi biefe An* 
ftalten bie eigentlichen 3 üh*e* ber §eilbewegung feien. SDiefer 
©chlufi ift uuzutreffenb, ba ber Berfaffcr bie ©röfee ber einzelnen 
Anftalten uub bie £>öhe ihrer dinnahmen ganz aupr Bücf* 

ficht iäfit. 

9iun zühten aber zum Beifpiel bie beiben Anftalten für bic 
Bheinprooinz unb baS Königreich ©achfen oereint um bie ootte 
§älfte mehr Berficherte, als bie acht baperifchen Anftalten zu* 
fammen. 2>azu fommt, bafi bei Anftalten mit oorwiegenb in* 
buftrieHer Beoölferung (zu biefen gehören bie beiben oben ge* 
nannten unb mehrere anbere ber fonft aufgeführten Anftalten) hop 
Beiträge niebrigen Aufwenbungen für Beuten gegenüberfiehen, wie 
bies zum Beifpiel h e roorragenb bei ben Anftalten Berlin unb 
!>aufeftäbte ber 8 faH ift. 

SSitt man einen einigermafeen richtigen 9Rafiftab an bie 
Leitungen ber Berficherungsanftalten legen, fo fann er nur im 
Berljältnih ber gefammten Aufwenbungen für bie .f)cilbehanblung 
Zur Beitragseinnahme (auch baS Bermögen ober bie 3 a hl ber 
Berficherten fönnte zum Bergleich h^rangezogen werben), gefunben 
werben. 

$)ann aber änbert fid) baS Bilb recht bebeutenb, benn es 
faßen zum Beifpiel oon ICO 000 Beitragseinnahme auf Auf* 
wenbungen für $eitzwecfe bei ben Berficherungsanftalten: Pen* 
fionSfaffe ber Preuffifchen ©taatSeifenbahnen 2223,53 M., 
falen 2152,ci JL, Königreich ©achfen 1346 ,71 Bheiuprooinz 

679,09 

dagegen: ArbeiterpenfionSfaffe ber Babifchen ©taatSeifen* 
bahnen 18 294, : y </# ., Borbbeutfche KnappfchaftSpenfionSfaffe 
7041,3! Jt, Braunfchweig 5315, 40 JC, Pofen 5012 ,19 ©d)les* 
wig*J)olftein 4037,cs JC. t Dlbenburg 3853 , 6 g JL, Württemberg 
3261,76 Jt, Dftpreufien 2374, 48 Ji, Thüringen 2309,59 alfo 
überall mep als bei ben oon £>errn Dr. Bothholz rühmenb her* 
oorgehobenen oier Anftalten. 

®ie BerficherungSanftalt für bie Bheinprooinz erfcheint bei 
biefer 3ufammenfteßung unter ben überhaupt oorhanbenen 40 Ber* 
fidprungSanftalten uub Kaffeneinrichtungen erft an 27. ©teile unb 
wirb zum Beifpiel noch oon zwei baperifchen Anftalten, ©chmabcn 
unb Beuburg bei 696, 39 Ji, unb Pfalz unb BegenSburg bei 
685,o fi Jt Koftenaufmanb für .ß>eilzwecfe übertroffen. (Bgl. ©. 482 
ber Amtlichen Bachrichten beS Bei^S*Berfi<herungSamtS 15. 3ahr* 
gang Br. 6 )." 

3ur AftSbcpmttg ber UnfaßPerftcherttngSpflicht ^ie Unter* 
ftettung beS ^anbwerfs unter bie UnfaöoerficherungSpflicht, ober 
weniaftenS einzelner eile beS §anbmcrfS, ift ein Wunfcp beffen 
drfüüuna oon einzelnen |>anbwerfSzweigen noch immer angeftrebt 
wirb. ©0 wirb ber nächfte beutfehe Stifchlertag wieber über bie 
Bilbung einer Xifchler*BerufSgenoffenfchaft berathen. 2)en „Bert. 
Pol. Bacp." Z u Solge ift inbefe faum anzunepnen, bafi ber ©e* 
banfe ber dinbeziehung beS £>anbwerfS in bie UnfalIoerfi(hernng, 
wie er Btttte ber neunziger 3ah« fogar zur Auffteßung eines be* 
fonberen ©efefcentwurfes gefüpt hol/ in naher 3ufunft Berwirf* 
iichung finben wirb. $>ie ©timmung, bie fich nach ber Beröffent* 
lichung beS dntwurfcS in ben 3utereffentenfreifen futtbgab, fei 
niep Dazu angethan gewefen, bi£ Begieruugen zu ermutpgen. Auf 
jeben gaE bürfte man zunächfi ben Abfcpufc ber dntwicfelung ber 
Drganifationsbeftrebuugen beS ^aubwerfs, wie fie gegenwärtig in 
Slufi ift unb noch otandps 3 ahr bauern fann, abwarten. ds fei 
beShalb auch anzunehmen, bafi mit ber für bie nächfte Tagung zu 
erwartenben UnfalloerficherungSnooeEe eine AuSbehnung biefeS 
BerficherungSzweiges auf bas §anbwerf nicht oerbunben fein 
werbe. 2)ie UnterfteEung neuer BefchäftigungSzweige unter bas 
©efeh bürfte fich auf ben Umfang befcpänfeii, ben bie BooeEeti 
ber Tagung 1896/97 aufmiefen. 

©tabtfölnifihe BerftchernngSfaffe gegen ArbcitSlofigfeit im 
B^inter. Bei ber ©tabtföluifchen BerficherungSfaffe gegen ArbeitS* 
lofigfeit im Winter melbeteu fiefi 189S/99 373 perfoiten zur Ber* 
fid)erung (1897/1898: 351, 1896/1897: 229). £aoon würben 



1151 


©ogtale $ra£is. Gentralblatt für Sogialpoliiif. $r. 43. 


1152 


26 gurücfgewiefen, t^eilö wegen ArbeitSunfäbigfeü, teils mangels 
ber für btefe Berfiterung erforberlidjen BorauSfeßungen ber Ar* 
beitereigenftaft unb ber DrtSanfäffigfeit. 282 SSerfid^erte galjlten 
bie 34 B*od)enbeiträge gu 25 4 8,50 dl für baS ©eftäfts* 

ja^t ein unb erwarben bamit ben Anfprut an bie Raffe. 144 
melbeten fit als arbeitslos; bei ber engen Berbinbung mit ber 
Allgemeinen ArbeitSnatweiS*Anftalt Röln empfingen 32 bereits in 
ber breitägigen Bkrtegeit anbanernbe Beftäftigung, bie übrigen 
112 batten nad) Abgug ber SBartegeit ein Anrecht auf Arbeit 
ober Tagegelb an gufatnmen 48S3 Verflogen, eS gelang, fie an 
285772 Bkrftagen gu befe^äftigen, für bie 20257? Bkrftage würben 
na^ftel)enbe Tagegelber auSbegablt: 

*» 90 KorCcivfltf.cte . . . { ^ »» J- M. = 2368,- M 

-- Hitucrljciratfjete . . {j.f 1 I ! ^75 I Z ^M!) ^ 

gufammen für 20257a Tage: 3343,24 M 

Tie auSgegablten Tagegelber oertbeilen fit auf 46 Anftreiter, 
40 Maurer, 5 £>anbwerfer unb 21 Tagelöhner. TaS Alter ber 
SSerficberten ftwanfte gwifeben 18 unb 40 fahren; ber ^aupttbeil 
fiel mit 106 SBerfidjerten auf bie SebenSjabre 31—40. Ter Skr* 
mögenSftanb ber Raffe betrug am 31. Biärg 116 163,60 <AC. Tie 
Tbatigfeit ber Raffe ift gwar gegenwärtig not beftränft; fie ift 
aber immerhin ein bübfdjer Anfang, bas Problem ber ArbeitS* 
lofen*Berfiterung auf breiterer als ber ©runblage oon Berufs* 
oereinen gu löfen; fie ift oiellcit.t berufen, bereinft einer ftäbtifeben, 
womöglich obligatorifäjen ArbeitSlofen*Berfitetung bie Bkge gu 
ebnen, wie fie neuerbiugS in Bafel oon neuem in Singriff genommen 
wirb (ogl. 0p. 905). 


(Benofjenfd) afte w ef«t. 

AtiS bem fReteaftaftsBeriihi beS BerbanbeS fttueigerifter 
Ronfitntbereine pro 1898. 

Ston mebnnalS war oon fonfumfetnbltd)er Seite in ber 
febweigerifeben ^Sreffe bie Sorberung aufgeftellt worben, es möchte 
ben Beamten beS BunbeS, ber Rantone unb bet ©emeiitben oer* 
boten werben, bie Stellungen oon BorftanbSmitgliebent, Ber* 
waltungSrätben, SRetnungSreoiforen :c. in Ronfumoereinen gu be* 
fleiben. 3 ur Begrüttbung biefer Sorberung würbe angeführt, bie 
Ronfumoereine ftäbigten, ja oerniebteten ben „Bttttelftanb", ber 
bie Steuern in ber ^auptfadje trage, auS benen bie Beamten be* 
folbet mürben. 

Troß ber offenbaren §a!tlofigfeit biefer Argumentation glaubte 
bie eibgenöffifebe Boftoerwaltung boeb, ficb ben SBünften ber flehten, 
aber lauten 0d)aar oon RonfumoereinSgegnern gefügig geigen gu 
füllen. 9 Ra<bbem fd^on Anfangs 1898 oerfud)t worben war, einen 
RreiSpoftfaffier in Gb ur S ur ^Überlegung feiner Stellung als 
Btitglieb beS BerwaltungSratbcS beS Gburer BerbanbSoereinS gu 
oeranlaffen, foHte im September beffelben Sabres gegen gwei ^ßoft** 
beamte in öugern oorgegangeit werben, bie im BerwaltungSratb 
beS Allgemeinen RonfumoereinS in Fügern faßen. Unter Berufung 
auf bie bunbeSrätblicbe Berorbnung oom 9. Sooember 1897, wo** 
nach „bie Stelle eines TireftorS ober BerwaltungSratbS einer (Sr* 
werbSgefellfdjaft, fowie bie aftioe Betätigung an einer inbuftrieHen 
Unternehmung überhaupt mit einer eibgenöffifeben Beamtung un* 
oereinbar" erflärt würbe, würben bie beiben ^oftbeamten „einge* 
laben", ihre Acmter im Ronfumoerein niebergulegen. 

Tie BerbanbSbireftion würbe oom ^räfibenten beS fiugerner 
BereinS oon biefen Borgängen unterrichtet unb um £>ilfe erfaßt. 
Sie trat fofort in Aftion unb erfuebte gunäd)ft bie beiben $oft* 
beamten, auf bem orbnungSmäßtgen Snftangenwege Befcbwerbe 
gegen bie erlaffene Berfügung ber RreiSpoftbireftiou gu erbeben, 
unter Berufung barauf, baß ber betreffenbe Artifel ber bmtbeS* 
rätblidien Berorbnung auf genoffenfetjafliebe Ronfumoereine feine 
Anmenbung finben fönne, ba biefe feine GrwerbSgefellftaften unb 
inbuftrielle Unternehmungen feien. Sanier bcfdjloß bie Tireftion, 
ben BerbanbSoorftanb gu oeranlaffen, eine Gingabe an ben Bor* 
fteber beS cibgenöffifdjen unb GifenbafmbcpartementS gu 

ritten unb baffclbc um SReftifigirung ber Biaßnabmen ber Dber* 
poftbireftion, refp. ber Rreisbireftion in Ungern gu erfneben. Ter 
BerbanbSoorftanb genehmigte in feiner Sißung oom 25. September 
ben Antrag ber Tireftion, befdjloß aber im Weiteren uod), eine 
Teputation gu £>erru Buubesratlj 3emp gu entfenben, um ihn 
and) uiünblid) oon bem 9tecbte ber Beamten, ißre freie $t\i ber 
RonfumgenoffenfdjaftSfacbe mibrnen gu biirfen, gu überzeugen. 


Am 1 . Dftober ging bie befd)loffene Gingabe an baS Boft* 
bepartement gugleid) mit bem ©efut um Bewährung einer Aubieng 
ab, unb nad)bem $err BunbeSratb 3«np fit bereit erflärt batte, 
bie Teputation beS BerbanbSoorftanbeS gu empfangen, begab ficb 
biefe am 8 . Dftober nach Bern. $ad) einem freunblicben Gmpfattg 
begannen bie Btitglieber ber Teputation nacbeinanber baS Unrichtige 
eines BerbotS ber Tbeilnabme eibgeuöffifcber Beamten an Ronfutn* 
oereinSoerwaltuugen bargulegen: 

1. bie Ronfumoereine feien feine GrroerbSgefeIIfd)aften; 2. pe 
haben einen burcbauS gemeinnüßigen Gb arfl tter; 3. in anberen 
Staaten fei bie oorliegenbe S^age längft gn fünften ber R’onfum* 
oereine gelöft, wie ein oorgelegteS englifdjes Blaubuch beweife: 

4. ein folcbeS Berbot hotte mannigfache bebenflicbe Ronfeguengen 
unb fei nur oom Stanbpunft gewiffer Sonberintereffen erflärlich; 

5 . ber Beamte höbe ein gleiches Becf)t wie alle anberen Staats* 
bürger, für fein üöobl gu forgen. 

Tarauf nahm BunbeSratb 3emp baS BJort unb erflarte ber 
Teputation, wie baS Berbot gu Stanbe gefommen fei. Bor ge* 
raumer 3eit hätte ein eibgenöffifeber Beamter, ber in ber Ber* 
waltung eines ßaufanner RonfumoereinS tätig gewefen fei, barum 
erfud)t, man möge ihm geftatten, auch fünftig ftcb an ber Rettung 
ber ©efeUfdjaft gu betbeiligen. Ter betreffenbe Bereut war eine 
Aftiengefettfcbaft unb betrieb ein Sfteftaurant, eine Bäcferei u. bgl. 
mehr. Gr mochte wohl früher einen gemeinnübigen Gbarafter be* 
feffen fyahm, fegt bagegen fei er im Bkfentlicben eine GrroerbS* 
gefeüfcbaft. AuS biefem’ Anlafc fyaht ficb uun ber BunbeSratb mit 
Der S ra 9 c ber Anwenbung ber Berorbnung oom 9. 9 ioocmber auf 
Ronfumoereine gu befaffen gehabt. Gr beauftragte gunädjft baS 
Suftigbepartement, bie S^age in grunbfäglidjer B&eife gn beguf* 
achten, ob Ronfumoereine als GrwerbSgefeüfcbaften gu bctrad)ten 
feien ober nicht. TaS ©utaebten beS SuftigbepartementS h°b e biejc 
Srage bejaht; geflößt bi^ouf, höbe bann auch ber BunbeSratb in 
gleichem Sinne entfliehen. _ r 

3n Solge beffen fei ber Borfteber beS B°fi s onb Gifenbabn* 
bepartements genötigt gewefen, ber Oberpoftbireftion Anweifung 
gu geben, baß bie eibgenöffifeben B°fifieamten fünftig nicht mehr 
fid) aftio an beit Ronfumoereinen füllten betbeiligen biirfen. J>err 
. BunbeSratb 3 cnt P erflärte nun weiter, bafe er ftcf) oon Anfang 
an mehr bem liberaleren Stanbpunft gugeneial 
ber oon ber Teputation oertreten werbe, unb er ge fiepe offen, 
baß er burd) beren Tarlegungen in feinen Ueber* 
geugungen beftärft worben fei. 3n Qolge beS SflefurfeS 
Der beiben Boftbeantten werbe bie Srage noch einrnaj oor ben 
BunbeSratb fontmen unb er werbe nicht oerfeblen, fit für bit Be* 
fugnifj ber Beamten, RonfumoereinSämter anxunebmen, auSgu* 
fpreten. Snbcffen werbe bie Gntfteibung wieoer oom ©utatten 
beS Snftigbepartements abbängen. 

Tie Teputation wollte aut & en Borfteber beS Suftigbepartc* 
mentS, BunbeSratb Dr. Brenner, auffuten, ber war aber nitt in 
Bern. Taber ftidte man ihm natträglit ein oom BerbanbS* 
fefretär ©erfaßtes SRemorial, in weitem namentlit natgewiefen 
. würbe, baß, rittige Ronfumoereine feine GrwerbSgefellftaften 
feien. Balb barauf oerfprat bei einer Befpretnng ber BunbeS* 
ratb Brenner bem BerbanbSpräfibenten, bie gange Srage not ein* 
mal grünblit ftubiren gu laffen, eoentueH aut barüber not e \ n 
befonoereS ©utatten eingubolen. Gr erflärte aud), baß, fofern bie 
Ronfumoereine auSftließticb für ihre Btitglieber tätig feien, ber 
Ueberftuß nitt ben Gbarafter eines GrmerbeS ober ©ewinneS b a & c - 

Sc|on am 21 . Dftober erließ bie Dberpoftbireftion auf Ber* 
anlaffung beS BunbeSratl)S 3 cm P ein SRunbftreiben an bie RreiS* 
poftbireftionen, burt weites bie frühere Gntfd)eibung, eS fei ben 
Beamten bie aftioe Tbeilnabme an ber Berwaltung ber Rottfutn* 
oereine ausnahmslos gu unterfagen, wieber aufgehoben würbe. 
TaS Bunbftreibcn erflärt, baß alle jene BerbänbSoereine, bie 
ihre Organisation gemäß ben Beftimmungen ber Normal* 
ftatuten für ftroeigerifte Ronfumoeretne gestaltet haben, 
nitt al$ GrwerbSgefellftaften angefeben werben fönnen uttb baß 
auf folte Bereine" bie Berorbnung oom 9. SRooember 1897 feine 
Anwenbung fiitbe. 

TaS war, furg gefagt, ber wefentlite Snbalt beS SRunb* 
ftreibenS. Tod) nur BunbeSratb 3emp erftroang fit S u biefer 
i ^)öbe ber Auffaffung, oerntöge weiter bie an bie brei Beamten in 
| Gl)ur unb Fügern ergangene Aufforberung^gur 9tteberlegung ihrer 
, RonfumoereinSämter rürfgängig gemacht würbe. Ter BunbeSratb 
: als ©efammtbebörbe änberte bei ber befinitioeu Drbnuttg ber 2 lu* 
gelegenbcit nur beu Artifel 3 feiner Berorbnung bah in unt, baß 
I fiiuftig Beamten bie 33efleibung oon Stellen geftattet werben fönne 
| in Sällcit, wo eS fid; „um lofale Beftrebmtgen oon oormicgeitD 



1158 


©ogtale fragte. Centralblatt für ©ogialpolittl. 9h:. 43. 


1154 


gemeinnütziger Slrt hanble unb ein 9ta<f)theil für ben eibgenöfftfchen 
SDiettft auggefdjloffen flehte", unb blieb bamit felbft hinter 
monard)ifcben Staaten mit ftrammer Seamtenbiggiplin, roie Preußen, 
gurüdf. Öffenbar ift ben Quriften beg Suftigbepartementg ber 
Önterfcfjieb groifchen Profit unb ©rfparniß, groifdjen ©rroerb unb 
Tonfilm noch immer nid^t flar geroorben. Sag Parlament (ber 
„Äantongrath") beg Äantong 3 ürid) crflärte fd&on vor etlichen 
©tonaten, baß bie fogenannte „Sivibenbe" ber Äonfumoereine, ber 
regten nämlich, bie ihre Ueberfchüffe ben Stonfumenten gurüdf* 
erstatten, fein dnverb unb alfo auch xtidjt gu befteuern fei. §offent» 
lief) roirb biefe ßtnfirfjt halb in ber ganzen ©chroeig maßgebend. 

3 üricf). $rof. 3 ul. glatter. 

©tatiftif ber Irüerbg* mtb f&irttf^aftögeuoffenf^affeit. Ser 

SlEgemeine Serbanb ber auf ©elbfthülfe berupenben beutfehen Gr* 
roerbg* unb S$irthfcf)aftggenoffenfchaften, ber 1571 ©enoffenfdjaften 
umfaßt, giebt, roie aüjäfjrlicf), 311 m allgemeinen ©enoffenfefjaftgtage 
fein Saljrbnrf) aug. 

9ta<h ben vorläufigen ©ttttfjctlungen bringt baSSajjrbudf) bie©efchäfts* 
refultate non 862 tötebitgenoffenfdjaften mit 497111 ©titgliebem. Son ben 
©titgliebcrn cutfaQeu 31,6% auf bas £>anbrocrf, 32,4% auf bic ^anbivirtß* 
fdjaft, 36% auf bie übrigen Serufgflaffen. £ic862©enoffenfdjaften arbeiteten 
mit 121 % ©liüioticn 9Jtarf ©efefjäftsgutbaben, 39% Millionen ©tarf ©efer» 
nen, 628% 9J?tflionen 5D?arf fremben ©elbern unb haben im Sabre 1898 
iljreit ©litgliebern 1 ©ZtEiarbe 907 Millionen ©tarf ftrebit gemährt. — 
Sag Jahrbuch enthält ferner bie (^efd^äft^bericfjte non 512 ftonfum* 
vereinen mit 431 439 ©litglteberu; biefe Vereine erhielten einen Verlaufs* 
erlog im eigenen 2ager in |>öbe noit 92 l /a ©Unionen ©tarf nub ge» 
mährten ihren ©titgliebem auf bie bezogenen SBaaren 10 ©Unionen 
©tarf Sivibenbe. Son ben ©titgliebem entfallen ruub 70% auf bie 
minberbegüterten Älaffen. — Ser im Sefib non 56 Saugenvffeufcbafteii 
befinbliche ^mmobilienroerth beträgt 14Vs ©tiöionen ©tarf; ihnen ge» 
hörten 16 425 ©Utglieber an unb fic arbeiteten mit 3 ©tiflionen ©tarf 
©efehäftggutbaben, 450 000 ©tarf ©efernen, 14 ©Unionen ©Utrf fremben 
(Melbern, fie errichteten im Sabre 1898 182 Käufer unb ftettten ihren 
©Utgliebern runb 1400 Söobnungeu gur Verfügung. 

(Sine ^robttftumggettofftnfdjaft alfl Mittel gegen ftrieitSlofigtett. 

Seit 1887 heftest in Srüffel eine ^robuftivgenoffenfehaft ber $affe» 
menterie*S(rbeiter; fte mürbe nach einem Streifgegriinbet, herum Öobn* 
erhöhung geführt uub nach langer Sauer verloren mürbe. Sie Oie* 
uoffeufchaft bcfcfjäfiigt aimfcfjlieblich Slrbcttglofe ober Arbeiter, bie in 
golge oon Streife« befcbäftiguugglog finb unb bem ©pnbifate ber $affe* 
ntenterie*Slr beiter angeboren. Wann bie ©enoffenfehaft nicht aHe Slrbeitg* 
lofen befchäftigen, fo roerben fte vom ©eroerfverein entfdjäbigt. Sic 
Arbeiter merben mit 50 Qtä. per ©tunbe befahlt. Sie ©enoffenfehaft 
hält auch einen Sabeu, roo en detail verlauft mirb, ber Slbfaß Betrug 
im lepten ^iabre 2000 big 2400 ftreg. monatlich unb bag vorhanbene 
'Baarenlager mirb auf etiva 20 000grcg. gefchäjjt. 

Sa8 ©enoffeufdjaftgroefeii in Italien 1898, ©ine eben oeröffent* 
lichte ©tatiftif giebt folgenoe Säten über bie italienifdbeit ©oope* 
rativgefeEfcßafteii im 3af)re 1898 : 3m letzten 3aljre rourben ins* 
gefammt 355 ©ooperativgefeEfchaften gegrünbet, roovon 58 auf bie 
üombarbei entfallen, gegen 453 ©ooperativgefeOfdbaften, bie 1897 
gegrünbet roorben finb. Unter ben ©eugriinbuitgen befinben fich 
25 Solfgbanfen unb $rebitgenoffenfdbaften, 77 Ianbivirthfdjaftliche 
Maffen, 129 $onfumgeiiof}enfd)aften, 14 ^robuftivgenoffenfehaften 
u. 91. 11 t., roie roechfelfeitige SerficherungggefeEf(haften, Saugenoffen* 
fchaften 2 c. Slufgelöft haben fich im Serichtgjahre 97 (kooperativ* 
gefellfchaften gegen 61 im Vorjahr. 

Scntfdjcr fanbtoirt^fd^afiltd^er ©enoffeiifdjaft$tag von 1899. 

Ser biegjäht'ige Sillgemeine SSereiugtag ber beutfdjcn Ianbroirth* 
fchaftlidhen ©enoffenf^afteit, ber urfprüitglich für ÜKittc Sluguft in 
Slugficht genommen roar, mufete in bie ©eptemberroochc vom 11 . big 
16. (September verfchobeu roerben. Sic öffentlichen Sorträge unb 
33erhaitblitngen fiitben bemnaef) aut 13. unb 14. ©eptember unb 
,^mar 311 Sreglau im £anbeghaufe ber ^rooinj ©chleften ftatt. 




SBohnanggreform in SRünchem 

©d)on feit einigen Sah^n ftefjt bie ^vac^t ber ©eform ber 
Slrbeitcrroohnuuggverhältniffe in ©tünchen im ©tittelpnnfte beg 
Sntereffeg großer Streife ber Söehörben unb privaten. Sag un* 
gemein rafchc 9lnroad)fen ber ©inroohnerjahl ber ©tabt, bie rapibe 
ßntroicfelung jur 3 nbnftrieftabt mußten auf bie Sauthätigfeit 
einen (Einfluß augiiben, ber fich nicht immer mit ben berechtigten 
Sorberungen ber §pgiene vertrug; unb anbererfeitg ergab fich 
aug ber ©ieigerung ber greife für ben ©runb unb 33oben auch 
eine roefetttlidjc uub im SSerhältniß ^um ©infommen ber Slrbeiter | 


unb ber ihnen roirthf<haftii<h ©M<hgefteflten bebenfliche ©rhöhung 
ber ©tiethgpreife. Saß bie hohen Söohnunggmiethpreife eine 
Sorberung beg hDljienifch nnb mbralifch vielfach feßr gefährlichen 
©chlaffteHenroefeng, überhaupt eine UeberfüHung ber an fi<h fefjon 
fleinen Wohnungen im ©efolge hotten, braucht, alg eine allgemein 
beobachtete Shatfache, hier faum befonberg ermähnt ju roerben. 

Sie Sorbebingungen für eine groedfinäßige Reform ber 3öoh* 
nunggoerhältniffe in ©tünchen, bie burdßaug geboten erfcheint, finb 
jefet gegeben, ©g hot ftch vor furjer 3 eit ein Ser ein gnr 
Serbefferung ber Söohnunggverhältniffe in ©tünchen 
unter ber Slegibe beg erften Sürgermeifterg v. Sorfd)t fonftituirt, 
ber fich ^ie ©rfteHung unfünbbarer Heiner 23ohnungen für bie 
©tinberbemittetten gur Slufgabe gemacht hot. Surch biefen Serein 
glauben feine ©rünber feinegroegg eine burchgreifenbe SRefornt beg 
Sohnunggroefeng in ©tünchen beroirfen gu rönnen, ©g foll nur 
ber Slufang gu einer gemeinnüfeigen, jeben ©chein von roohlthätiger 
Senbeng ftreng vermetbenben ShätigJeit auf bem Selbe ber 2öoh* 
nunggreform gemacht roerben, ohne baß man eingelneu Unter* 
itehmern (©taat, Sobrifanten) ober gemeinnüßigen Sereiuen (Sau* 
gen offen f djaf ten, Sau* unb ©par*Sereinen) bie ©elegenheit nehmen 
rooEte, für fich gleichfalls auf eine Sefferung ber SSoljnunggoer* 
hältniffe ber Slrbeiter hinsuroirfen. — Sigher ift feiteng beg 
©taateg ober privater Arbeitgeber in ©tünchen relativ roenig auf 
bem ©ebiete ber Söohuunggfürforge gefcheheu: Sie ©entralroerf* 
ftätten ber Jönigl. ©ifenbaljnen geroähren in 32 Slnroefen 1071 Sir* 
beitern in 262 Somilienroohnungen ein |>eim; eingelne ©roß* 
Brauereien haben Slrbeiterroohnungen (jufamuten 123) erfteilen 
laffen. Sie Saugenoffenfchaft ©tünchen, ber ©tündjener Sau» unb 
©parverein, bie Saugenoffenfchaft Somilienheim haben bigher in 
61 Käufern 277 SBohnuugen erbaut; ber Sau* uub ©parverein 
beg Saperifdjen ©ifenbaßnerverbanbeg roirb in ßaim bei ©tünchen 
big gum öerbft 1899 : 600 SSohnungen für feine ©titglieber er* 
richten. Sie fatl)oIifd)en Slrbeiteroereine ©tünchen*Slu*©iefing unb 
©tünd^en Söeft geroähren 186 Samilien ©öohuungen. 

Ser neugegriinbete Serein für Serbefferung ber SSohnungg* 
verhältniffe in ©tünchen, ber von aEen ©eiten alg ber Slnftoß gu 
einer umfaffenben Seforrn bezeichnet roorben ift (aud; von fogial* 
bemofratifcher ©eite mirb bag Unternehmen, natürlich unter heftiger 
Dppofilioit innerhalb ber Partei, geförbert), begroeeft bie .per* 
fteEung Heiner, aEen Slnforberungen ber §pgiene entfprechenber 
Somilienroohnungen foroie von ßogirhäufern für öebige, bie unter 
Sergicßt auf ©eroinn an Singehörige ber vorgenannten Serufg* 
arten vermiethet roerben foEen uuo vorbehaltlich ber ©rfüEung 
ber Sebingungen beg ©tiethvertrageg unter Slugfchluß ber ©teige» 
rung <bcg ©tiethginfeg feiteng beg Sermietherg unfünbbar fmb. 
Slußerbem foE für bie ©rrid)tung von Solfgh^imen, ©rholungg* 
unb ©pielpläßen für Äinber unb ©rroachfene geforgt roerben. Stach 
ben vorliegenben $länen roerben auch innerhalb ber §äuferblocfg 
©arten* unb ©pielpläße vorgefehen. Sie ©titglicbfchaft roirb er* 
roorben burch 3ohlnng eineg jährlichen Seitrageg von 20 « K. ober 
burch 3 c i<hnung eineg Slntheilfcheineg oon 300 JL Sluf Slntheil* 
fcheine, bie mit 3 V 2 °/o nerginft unb burch Sluglofung h e imgegahlt 
roerben, finb nach ber Slufnahme 75 c /ft eingugahlen; für Arbeiter 2 c., 
bie nicht im ©tanbe finb, fogleid) 75 gu entrichten, finb [inn* 
gemäße ©rleichterungen gefchaffen. Auch ift in befonberen SÖEen 
©tunbung ber Säten gu geroähren. Sür je gehn Slntheilfcheine 
roirb eine Slnroartfchaft auf eine Söohnung erroorben, bie (von beu 
Slrbeitgebern alg 3ei<hnern) auf Sritte (ihre Slrbeiter) übertragen 
roerben fann. Sie SBohnunggbenuhung, bie burch Uebertragung 
feiteng eineg Arbeitgeber^ entftanb, bleibt auch na ch Äünbigung 
aug bem Sienft beg Uebertragenben beftehen, big bag ©tiethg* 
verhältuiß gegenüber bem Serein nach Ablauf einer halbjährigen 
Äünbigunggfrift erlifdjt. Sie Seibehaltung ber von bem feiteng 
beg Slrbeitgeberg gefünbigten Slrbeiter bigher innegehabten S$ot) s 
nung roirb nadj ©Möglichkeit erleichtert. Söohnungganmartfdiaft 
unb Slnthcilgvergiufung gehen uad) bem Ableben beg Snhabcrg auf 
Söittmc unb Minber begm. (iltcru uub ©efehroiftern über. 

Drbentliche ©titgliebfdjaft gemährt bag Secht auf Sheilnahme 
an ber ©titglicberoerfammlung unb an ber Leitung beg Sereineg. 
Sluf einen Slntheilfcheiu entfäEt eine ©timine; jeboch ift eine 
begreffive ©rabation ber ©timmengahl nach ©taßgabe ber auf einen 
Slntheilgeigner vereinigten ©timmen gur Sermeibung einer ©iajori* 
firung burch ©roßfapitaliften ftatutarifch feftgefeßt roorben. Organe 
beg Sereing fmb: bie ©titglieberoerfammlung; ber von biefer er* 
roählte Serroaltunggrath, ber von bem Serroaltunggrath erivählte 
Sorftanb, ber von ben ©tiethern gu roähleube Drbnunggaugfchuß. 
3m SaEe ber Sluflöfung fäBt bag Sereingvermögcn ber ©tabt* 
gemeinbe ©tünchen mit ber Auflage gu, baffelbc gu feinem big» 



1155 


Sogialc $ra£t$. ©cntralblatt für Soginlpolitif. Ar. 43. 


1156 


ßerigen S^ecf weiter gu oerroenben. diejenigen Witglieber, bie 
bie Auflöfung befßließen, oergißten bantü gugleiß auf Serginfung 
uitb SRücfgaßlung ißrer Antßeüfßeine. — durß biefe Seftimmung 
foll bie übereilte Auflöfung oerßinbert roerben. 

Stößer finb für ben herein gur Serbefferung ber WobnungS* 
oerbältniffe in Sh'inßen bereits weit über 1000 Antßeilsfßeine 
gcgcidjuet roorben. An einer gebeßlißen ©ntroicflung beS Wertes 
fann nißt gegroeifelt roerben, roenn enblüß baS Serftänbniß für bie 
Aotbroenbigfeit ber Reform allgemein erroaßt fein roirb, unb roenn 
bie Arbeiter, beren Setßeiligung in erfter £inie roünfßenSroertb 
ift, über bie ernftbaften unb nüßlißen Seftrebungen beS Vereins 
oöttig !Iar fein roerben. die Segrünbung beS neuen SereinS ift 
nicht als ßöfung ber Wohnungsfrage in SJünßett, rooßl aber als 
bebeutungsootter Serfuß gur Hebung ber faFtifß befteßenben 
WoßnungSnotb gu begrüben. 

Wunden. $aul Süfßing. 

SRilbenrog ber WolmmigSnotß bitrß Vereine, droß beS Se* 
fdjluffeS beS ©entraloerbanbeS beutfc^er WauSbefißeroereine nom 
§>erbft o. 3-, baß eine WoßnungSnotb in ben beutfßen (Stabten 
nißt befteße, taucbt fie in immer neuen (Stabten auf. das 
Statiftifße Amt ber Stabt ©ßarlottenburg ßat, roie im Sabre 
guoor, mit llnterftüßung ber königlichen ^oligeibireFtion Anfang 
Siai eine Erhebung über leerfteßenoe Wohnungen unb ©efßäftS* 
loFale oorgenommen. danach ift innerhalb SabreSfrift bie 
ber leerftebenben Wohnungen ohne geroerbliße Aäume oon 1021 
auf 591 gurüefgegangen, am ftärFften bei Wohnungen oon 1 bis 
3 Zimmern, nämlich oon 221 begro. 203 unb 205 auf 30, 50 unb 
103, bei ber ©röße ber Stabt alfo gur 3 e ü eine gang Flare 
WoßnungSnotß. Aus oielen anberen Stäbten ßabeit roir Aeßn* 
lißeS regiftrirt. der Auffßroung unb ©rfolg ber Sauoereine be* 
roeift nach ber gleichen Dichtung. So ßat ber Sauoerein gu 
Bocholt i. W., eingetragene ©enoffenfßaft mit befßränfter $aft* 
Pflicht, einegolge ber 1897 er WoßnungSerßebungen beS iatßolifßen 
ArbeiteroereinS, troß feiner nur 78 Witglieber (barunter 36 ga* 
brifanten unb 19 Arbeiter) bereits 8 doppelßäufer mit 16 Woß* 
nungen gebaut, unb für 1899 ift ber Sau oon weiteren 24 Ar* 
beiterroohnungen befchloffen. 3ebe Wohnung umfaßt nach bem 
Sabresbericht 1 küße, 1 ketter, 3 untere Woßnräume, 2 obere 
Woßnräume, 1 Söller, 1 Statt unb 1 gutterboben. ©in über* 
beefter ©ang fteflt bie Serbinbung groifßen £>auS unb Stallung 
her. Sebe Wohnung bat einen Abort im Statt, eine $umpe am 
überbeeften ©ang; für je groei Wohnungen ift ein Srunnen ge* 
meinfdjaftliß. das gange 10 V 2 X 30 in große ©runbftüd Der 
©ingelroohnung roirb oon einer lebenben §ecFe umfchloffen. Sn 
bie 10 V 2 X 20 m großen ©arten rourben je 4 0bftbäume gepflangt, 
ber ©arten ßat einen 2 m breiten burch ein eiferneS ©ttter unb 
dßor abgefßloffenen Ausgang nach ber Straße, der Werth beS 
©runbftücfS beS eingelnen ©enoffen mit ©ebäuben oon runb 
4000 di ift mit 5 % gu oerginfen, roooon 1V 2 % als Amorti* 
fation bienen, der ©enoffenfßaftSantßeil beträgt 100 di. — die 
Serliner Saugenoffenfßaft fließt ihr 13. ©efßäftsjabr 
(1898) mit einer Silang oon 1 856 992 ^. ab unb fonnte 5 0/0 
©etoinn an bie ©enoffenfcbaftSmitglieber oertßeüen. Sei einem 
AeferoefonbS oon 19 674 di betrug ber ©jtrarefcroefonbs 
53 617 di., ber ©rneuerungSfonbS 4445 di, unb bie SRitglieber* 
gutl;aben 185 629 di , ber Seftanb ber Sparfaffe 89 594 dl 3m 
©angen hat bie ©enoffenfßaft in ber Umgegenb oon Serlin bis 
jeßt 176 Käufer mit groei ober brei Wohnungen, Sorbcr* unb 
Wintergarten befchafft. demnäcbft roirb bie ©enoffenfßaft für bie 
Arbeiter ber naß degel oerlegten SorfigroerFe 35 dreifamilien* 
bänfer als kolonie Sorfigroalbc am Saßnßof degel errißten. 
Wäbrenb fie früher Schroierigfeiten in ber krebitbefebaffung hatte 
unb auf bie ifitbülfc gemeiuniißig benfenber 3)iänner anaeroiefen 
roar — auch Staatsimnifter Freiherr o. Serlepfcß bat ißr einen 
Setrag gnr Serfiigung geftettt, ebenfo einen fleinen Setrag bie 
ScrficijerungSanftalt Sranoenburg —, arbeitet fie jeßt mit einem 
großen Sanfinftüut. — die s $ofener getneinnüßige Sau* 
genoffcnfdjaft (ogl. Sp. 907) bat ein ©rnnbftücf oon 600 qm 
erroorben. Sie null gunäd)ft 200 ^Irbeiterroobnungen oon 1 bis 
2 Stuben mit kließe, jebes Saßr 50 Wohnungen mit einem ©e* 
fammtaufroanb oon etroa 476 000 di. fdjaffen, die TOetße für 
eine Stube foll inonatlid) 4 / ;, 0 c U , für groei Stuben 8 bis 12 di. 
foften. — die Veipgiger geuieiunüpigc Sangefellfchaft bat 
mit bem 9iatbe oon i'eipgig einen kauf abgefd)loffen, roonad) fie 
ein ©elänbe oon 106 810 qm für 86 310 r K ., b. i. für ben 
Ciiabratmeter 81 gum Sau oon Samilienbäufern erroirbt. 3 ur 
©iiltigfeit beS Sertrages bebarf es nod; ber 3 ll ftinunung 


ber Stabtoerorbneten. — Sn SWündjen ift ber Serein für 
Serbefferung ber WobnungSoerbältniffe (oergl. Sp. 908) jeßt er* 
richtet, ©r roitt oor allem fleine gefunbe Wohnungen fchaffeu, bie 
bei ©rfüttung beS ÜJiietb^oertrageS unter ?lnSfchluß einer Stei* 
gerung ber &ietße für ben Sermietber unFünbbar finb. — Sn 
Stragburg bat bie ©enteinbe eine 3o/,jige ^insgarantie für eine 
Million gu ©uitften ber gemeimtüßigen Sangefellfchaft übernommen. 

— Sn Siegniß bat fuß aus bem 1898 gegrünbeten ÜRietßer* 
oerein ßcrauS eine WoßnungSgenoffenfchaft gebübet. dort ift bie 
WoßnungSnotb fo groß, baß baS ©erießt obbacßlofe Serfoncn, 
benen bie Sefcßaffung einer Woßnung oon ben Seßörben ohne 
©rfolg aufgegeben roar, freifprecßeit mußte, der SJiagiftrat ßat 
ber ©enoffenfehaft ein ©runbftüd gur Serfügung geftettt, aber 
unter Sebiitgungen über bie Srt ber Wäufer, bie für bie ©nt* 
roirfelung ber Saugenoffenfcßaft ßart genannt roerben, unb ähnlich 
ßat fieß bie SnoalibenoerficßerungSanftalt geftettt. ©leicßrooßl roirb 
bei bem bringenben Scbürfniß ein feßnetter Sluffcßroung erßofft. — 
Sn Süttringßaufen (Sfthcinlanb) ßat fid) aus ben kreifen ber 
Sürgerfcßaft ein gemeinnüßiger Sauoerein gebilbet; bie Stabt 
betßeiligt fieß an bem Unternehmen mit 3000 di unb übernimmt 
ferner bie ©arantie für ein darleßen oon 20 000 Al. — Sn 
Stabe ift eine Saugenoffenfcßaft m. b. £. gegrünbet roorben, bie 
ben 3roccf ßat, billige unb gefunbe Slrbeiterrooßnungcn gu errichten. 

— Snkrefelb ßat fieß naeß eingeßenben Serßanblungen, in benen 

baS Sorßanbenfein eines Mangels an fleinen Woßnungen in 
krefelb betont unb angeregt rourbe, namentlich beit Sau oon ©in* 
ober 3meifamilienßäufern in SluSficßt gu nehmen, ein gemein* 
nüßiger Sauoerein gebilbet. — Sa köln ßat bie gleicße 'Sftot gu 
äßnlicßen ©rroägungen geführt.— Sn Sramfcße beließt ein Sun* 
ocrein, ber bislang 15 C£infamilicii*Wohnßäufcr fertig gcftcllt Bai. 
der $rciS ber ©infamilienbäufer fteilt fieß bis jeßt aut 2000 bis 
3000 dt, oon bem ©rioerbcr müffen miubcftcnS 300 c 4L angegablt 
roerben. — der WoßnungSoercin Ulm gur Sefcßaffung gefuuber 
unb billiger Woßnungen für arme teilte ßat bis jeßt ßeute fdion 
neun doppelßäufer mit gufainmen 62 Woßnungen ßergeftellt, in 
benen 360 ^erfonen nntergebrad)t finb. Segaßlt roerben für biefe 
Woßnungen an Siietße pro Saßr 128 unb 270 dl ©S ihijen 
bem Serein noeß 5358 dt Stteingeroinn gur Serfügung, roomit 
3 3 /4 °/o dioibenbe an bie SIFtionärc oertßeilt roerben fö\\\\a\. — 
Sn Sranffurt a./i)i. ift groifeßen groei Stiftungen: Weißfraucu* 
ftift unb St. katbarinenftift unb ber ^FtieugefeUfcßaft für Heim 
Woßnungen ein ©rbbauoertrag gu Staube gefomnten. die dauer 
bes SertVagS ift 80 ber ©rbbauginS für je 20 2lr 240 dt 

jäßrlid). — der ?lltonaer Spar* unb Sauoeroein ßat Bereits 
277 Woßnungen erbaut unb im uäcßften Saßre fotten 93 Woßnungen 
erftellt roerben. 

&ux WoßmtngSfrage tu ^ranffnrt a. 9JF. „die Slftienbaugefefl* 
feßaft für Heine Woßnungen in Öranffurt a. 3R." ßat, um 
bie großen Arbeitgeber gur 3 e i(ßaung neuer Aftien gu oeranlaffen, 
Srojefte für Neubauten im Setrag oon meßr als 2 000 000 c/#. 
ausgearbeitet, unb fieß bereit erflärt, ben Aftiengeidjneru für je 
3 Aftien ä 1000 di baS ftteeßt gu aeroäßren, ben Siietßer einer 
Woßnung gu beftimmen. S^bocß fouen bie Wietßer im kontrafts* 
oerßältniß nur mit ber ©efettfeßaft fteßen, alfo namentlich nießt 
ber ©efaßr auSgcfeßt fein, rooßnungSloS gu roerben, roenn fic ben 
Arbeitgeber roecßfeln. die Stabtgemeinbe als größter Arbeitgeber 
innerhalb ber ©emarfung ßat fuß auf Anfucßen ber ©efettfeßaft 
bereit erflärt, bie S^aungSlifte eröffnen unb 200 Aftien 
gegeießnet, fo baß fie gegen 60 ftäbtifeßen Arbeitern Woßnung 
roirb geroäßren Fönnen.^ ^öffentlich folgen bie prioaten Arbeitgeber 
bem hiermit gegebenen Seifpiel. 

Son ben Neubauten fott übrigens nur ein dßeil auf ©runb* 
eigentßum ber ©efettfeßaft, bie £mlfte oielmeßr auf bem derrain 
beS katßarinen* unb WeißfrauenftiftS (einer öffentlißen Stiftung 
gur llnterftüßung alter grauen) errißtet roerben. die ©efettfeßaft 
ßat baS derrain oon ber Stiftung auf 80 Saßrc in ©rbbau 
(§. 1012 S. ©.S.) genommen, gaßlt roäßrenb biefer 3 f d Ber 
Stiftung baS aßtfaße bcS jeßt burß lanbroirtßfßaftliße Ser* 
paßtung erlöften SetrageS, unb giebt naß Ablauf ber ©rbpaeßt 
bas ©elänbe fammt ben oon ißr errißteten Woßußäufern, — 
beren SauFoften ingroifßcn amortifirt fein müffen — gurücf. Ser* 
ßanblungen roegen ßppotßefarifdjer Seleißung beS ©rbbaureßts, 
beßiifs ©eroinnung oon SauFapüal (§.1017, 1113 S. ©.S.) finb 
bereits eingeleitet. 

$oß ein anbercr feßr intereffanter Serfuß gur tßeilroeifen 
Höfling ber Wohnungsfrage roirb gur 3eit in granffurt gemaßt, 
der Sefiß oon Käufern mit Fleinen Woßnungen ift an fiß ein 
fißeres unb rentables ©cfßäft. 



1157 


©oktale ^rayis. Gcutralblati für ©ogialpolüif. Ar. 48. 


11 öS 


£roßbem roitt fein ftapitalift folcße Käufer erwerben, weil er 
bie Verwaltung fcßeut, uitb besßalb baut fein Bauunternehmer 
folrf^e Raufer, weil er weber fein (Mb feftlegen fann, noch AuS- 
fic^t hat, eS — burch ben Verlauf ber Raufer mit fleinen BSoß- 
nungen — wieber flüfftg machen gu fönnen. 

3n meinem bem Verein für ©ogialpolitif 1886 erftatteten 
(Machten über bie ©oßnungSnotß finb biefe „Hemmniffe ber 
SßoßnungSprobuftion" ausführlich bargclegt, unb es hat nunmehr 
ein theoretifch unb praftifch mit ben wirtschaftlichen Verhältniffen 
oertranter Banquier, Gaefar ©trauß, eine (Gefedfdjaft mit be- 
fchränfter Haftpflicht begrünbet, welche fi<h, gang auf jenen (Grunb- 
gebanfen berufenb, gur Aufgabe fteflt, bie Verwaltung non 
Häufern mit fleinen Wohnungen — non 2 bis 3 3 i*nroeni — 
gegen eine nach B^genten ^ cr Vfiethe berechnete Vergütung gu 
übernehmen, unb bann, wenn ihr bie Auswahl ber Miether über* 
taffen ift, auch ben Gingang ber Mictfjc gu garantiren. ©elbft- 
nerftänblich müffen bie Hauseigentümer, bie ftd) auf biefe Art eine 
nach menfchlichem Grmeffen abfolut fichere Aente oerfdjaffen wollen, 
ben Mietvertrag unb bie .pauSorbnung acceptiren, welchen bie 
(Gefeüfchaft ihren (Gefdjäften 311 (Grunbe legt; auch fönnen fie weber 
Miethfteigerungen noch Äünbigungen oornehmen'. 

Gs müffen eben bie Mieter in folgen §äufern baS Bewußt* 
fein haben, baß fa, f° lauge f* e vertragsmäßigen Verpflich¬ 
tungen erfüllen, gang ebenfo unabhängig unb fichcr wohnen, wie 
es in ben $äufern gutgeleiteter gemeintiüßiger (Gefedfchafien ber 
SaH wäre. "GS ift leicht möglich, baß ber Anreger ber neuen (Gc- 
fellfchaft Specht hat, wenn er hofft, baß bie Möglichkeit, ber Ver¬ 
waltung überhoben 311 werben, manche Sfapitaliften geneigt machen 
wirb, künftig foldße Häufer erwerben, unb baß biefe Häufer 
mehr als bisher ein ^aufobjeft werben, mit beffen Herftedung fid) 
bie Baufpefulation befchäftigen fann. 

granffurt a. M. ölefd). 


dtfielptitg unb fiilbnng. 

Hocßfcßnle für HanbclS- ttnb ©ogialwiffcnfcßaften in gfranf- 
furt a. SR. T)aS Snftitut für (Gemeinwohl hat ber ©tabt 
30 000 , // jährlich unter ber Bebingung angeboten, baß bie ©tabt 
einen gleichen Betrag für eine nach ber fogialroiffenfchaftlicheh 
Dichtung hin erweiterte HanbelShodjfchule gewähre. T>er in golge 
beffen an bie ©tabtoerorbnetenocrfammlung gelangte MagiftratS- 
antrag, einen ftäbtifchen 3ufd)uß oon 30 000 j!(. jährlich gu be¬ 
willigen, hat bie 3 u fti nttnun 9 beS ©onberauSfchuffeS gefunben, 
unter ber VorauSfeßung, baß über Aufgaben unb Drganifation 
ber Anftalt gwifdßen ben ftäbtifchen Behörben, bem Suftitut für 
(Gemeinwohl nnb ber HanbelSfatnmcr eine Ginigung erhielt werbe. 

gortBtlbnngSfchnlcn. Auf bem ©täbtetag ber Vrooinj ©achten 
am 1. Soli fam ber als Gßrengaft gelabene ©taatsminifter 
Dr. Freiherr oon Berlepfd) in feinem Xrinffprud) auf bie B>id)tig- 
feit ber gfortbilbungSfcßulen 311 fprcchen. Gr äußerte fid), bie Ver- 
hanblungen beS ©täbtetageS über HauShaltungSfchulen unb VolfS- 
bäber hätten flar erfennen laffen, wie wichtig bie Mitwirkung ber 
Verwaltung bei ber fiöfung ber fo^ialpolitifdjen fragen fei. Gine 
ber wießtigften fragen, an ber bie ©täbte mitarbeiten, fei bie gort« 
bilbungSfdjulfrage; hier halte er bie obligatorifcße Ginführung beS 
gortbilbungSuiiterridjtS für nothwenbig: 

„B$ir Flagen", fo äußerte fid) ber Aebner, „unb nidjt mit Unrecht; 

über eine gewiffe Verrohung ber jungen gabrifarbeiter in unfereu 

größeren ©täbten. Sa, meine Herren, wenn man fuß oorftedt, baß ein 

kinb oon 14 Saßren, faunt ber ©cßule entwaeßfen, in eine gabrif ge- 
[d)idt wirb unb nur Mittags nnb Abenbs mit feiner Familie gufammen« 
fouimt, feine weitere gortbübung überhaupt nießt gepflegt wirb, bann 
fann man fieß nießt wuitbem, baß bie ©Utenlofigfeit unter biefen Volfs- 
feßießten immer meßr an Ausbeßnung gewinnt. Tiefe Sugenb barf 
man nid)t ißrem ©cßidfal überlaffen, fonbern man muß ißr in 

obligatorifcßen gortbilbungSfcßulen eine fittlicße Grgießung geben." 

HattSßaltnngSttnterricßt in ben Bonner Volföfcßulen. Tie 

Bonner ©tabtoerorbneten haben befcßloffen, ben wahlfreien HauS- 
haltungSunterridjt in ben Mäbcßen-Volksfcßulen eingufiißren. Tie 
Mäbcßen beS 7. unb 8 . ©cßuljahreS follen an einem 2age ber 
V3ocße biefen Unterricht erhalten, ohne baß bie Vflid)tftunben er¬ 
höht werben. *2)ie 3Räbd)en, bie nicht an bem HauShaltungSunter- 
richt fid) betheiligen, haben bem fchttlplanmäßigen Unterricht beisu- 
wohnen. ^ie Soften für Ginführung beS Haushaltungsunterrichts 
finb auf 7500 Ji oeranfchlagt. ^ie 2)enffchrift beS ©tabtfchul- 
infpeftorS Dr. ©pringer erwähnt, baß oon ben im lefctoergangenen 


©chuljahr entlaffenen Biäbchen nur 6 % in ben HauSbienfi, ade 
übrigen aber in öabrifen, in baS (GewerbS- ober ©efchäftSleben traten. 

Hocßfchulfurfe für B^atmheim. 3n SRannhetm ift unter Vor- 
üß beS DberbürgermeifterS ein Komitee gufammengetreten, bas 
bort Hochfdiulfurfe eiit^urichten gebenft. s Dtan unterhanbelt jeßt 
mit ben H e ibelberger $>ogenten, bie Äurfe ab^uhalten geneigt finb. 
3um Einfang beS 2BinterfemefterS foden bie Borträge beginnen, 

BolfSOorftellnngen beS SRannheimer $oftheat$rl. Mann¬ 
heimer ©tabtrath hat in (Gemeinfd)aft mit feiner ^heaterintenbang 
befcßloffen, im fommenben ©pieljalir VolfSoorftellungen gu 
einem GinljeitSpreiS oon 40 /$ (80 4 für bie &oppelfarte) gu oer- 
anftalten. 2)‘ie Vorftedungen foden an ©onnabenb ^Ibenben um 
8 Ul)r beginnen unb es foden oorerft im nächften ©inter etwa 
oier ftattßnben. Man gebenft nur flaffifche ©tücfe gur ^)arftedung 
gu bringen. S)ie 3 uweifung ber Vläße gefeßieht in ber V^eife, 
Daß bie harten in oerfcßloffenen GouoertS in eine Urne gelegt 
werben, aus welcher man fid) nach Begabung bie harten in ber 
3aßl gieht, wie man Beträge gegahlt hat- 

©^uleroorfteduttgeti in Magbelmrg. Sie es in Hamburg ftßoit ein- 
geführt ift, ocrgl. Sahrg- VII, ©p. 6S4, follen nun auch inMagbeburg möglidjft 
aden Schülern unb ©d)ülerinuen ber VoIfS- unb Vürgcrfcßnlen Vor- 
ftellungcii im 9J?agbclmrgcr ©tabttheater gugänglid) gcniadjt werben. 
Xer oon ber 2el)rerfdiaft gewählte 'JluSfcßuß hat gur iHuffübruug oor- 
gefdilagen: Wilhelm 2:ell, Sungfrau oon £rlcan§, 2)te ©lode (feenifeße 
i'arfteliung mit lebenben Vilbern), SWinna oon. Vamhelm unb £ic 
HermannSfchlacht. 5üer 3luSfd)uß fdjließt fteß hier im SGefcntlicßen bem 
Hamburger Vorbilbc an. 

DefterretcßifcheS fnnftgcwerlt im Han^halt beS Arbeiters. 

5)aS öfterreießifeße Mufeum für ^unft unb 3nbuftrie in V^ien hat 
eine VreiSauSfchreibung für Gntwürfe funftgewerblicher Objefte er¬ 
laffen, bie in ihrer Einlage unb ihrem .f)erftedungSpreife für ben 
©<hmucf beS Arbeiterhaushaltes paffen foden. 3)ie Mittel gu biefer 
VreiSauSfdjreibuug — 4450 fronen — werben mit (Genehmigung 
beS faiferlidjen DberhofmeiitcramteS ben Gingängen beS Hoftitel- 
^ajfonbS entnommen, jenes Sonbs, in ben bie ^ajen für bie 
3uerfennung beS Hoftitels oon ben Snbuftrieden unb ©ewerbe- 
treibenben entrichtet werben. 2)ie neue MufeumSleitung wid ben 
ftunftfinn mehr als bieS bisher in 2£ien je angeftrebt würbe, in 
in bie große Maffe beS VolfeS tragen. Als fßreiSaufgaben würben 
geftedt: 1 . Gntwürfe für bie 2Bot)nungSeinrid)tung eines 
oerheiratheten Arbeiters. $)er HcrftedungSpreiS einer folcßen Gin¬ 
richtung einfchließlid) beS VJafchferoice fod 300 fronen (150fl. ö. V$.) 
nicht überfchreiten. 2 Gntwürfe für ein Vorgellan- ober 
! gapenceferoice für einen einfachen Haushalt (für 12 Verfonen). 

1 3. Gntwürfe für ein mit 2. harmonirenbeS (GlaSferoice unb enblid) 

1 4. Gntwürfe für ein gwecfentfprechenbeS i?einen-2)amaft-2:ifchgeug 
| für 12 Verfonen. 2)ie greife für bie V3ohnungSeinrichtuug be- 
1 tragen 2000, refp. 800 fronen, bie greife für bie übrigen Auf- 
I gaben je 400, refp. 150 fronen. 


fiitermrirdje Jtajeigett. 

! i'aß, Dr. ^ubwig, ftatferl. Aeg.-Aath, ^as ^rogeßreeßt in Unfall- 
I ücrftcberungsfadjen. Unter Veuußung amtlicher Cucflen bav- 

geftedt. Berlin 1899, Garl HepmannS Verlag. 648 ©. Breis 
10 M. 

^as Brogeßrecßt in UnfalloeifußerungSfacßen berußt nur in feinen 
Grunblagen auf gefeßließen Vorfcßriften. ©ein Ausbau ift mit Abfidjt 
ber Brarts ber mit ber Ausführung ber Unfadöer)ld)erungSgefepe be¬ 
trauten Snfiangen überlaffen loorben. ©0 hat fid) im Saufe ber geit 
ein Bi’ogcßredjt entwirfelt, baS wegen feiner ^ormlofigfeit unb Glaftigität 
überall nngetßeilten Beifall gefunben hat. BiSßer feßlte es an einer 
fpftematifißeu 5)arflcllung biefes in ben 14 Bänben ber „Amtlicßen Aad)- 
rießteu bc^ AeicßS-VerficßernngSamtS" gerftreuten unb in bem oon ber 
gleicßen Behörbe herausgegebeuen „Hanbbud) ber UnfaOoerücßeruiig" 
(2. Aufl., 2eipgig, Verlag oon Breitfopf & Härtel 1897) aueß nur in 
gweiter 2inie beßanbelteu Aed)tSftoffeS. 5)ie Vearbeitung beS progeß- 
recßtlicßen 2ßcileS ber gweiteu Auflage biefes bewäßrten Hanbbudjs 
hat bem Vcrfaffer bie Anregung gu biefer fpftematifdjen SarftcHung 
gegeben, bei ber außer bem Aftenmaterial beS Aeid)S-Verfi(ßeruugs= 
amtS aueß bie Aecßtfprecßuug anberer fteridjtsböfe — bcs AeidjsgcricßtS, 
beS B^euß. Dberoerwaltungsgericßts, beS SimbeSamtS für Heimatßwefcu, 
ber Gewerbcgeridite u. f. w. — berangegogen worben ift. Tao Budi 
bürfte für bie Verufsgenoffenfcßaftsüorftänbc unb namcittlid) für bie 
Vorftänbe ber ©d)iebsgericßte ein uncuthchrlicßcS Hanbbud) werben, 
©tatiftifeße Monatsfcßrift. H^auSgegeben oon ber f. f. ©tntifti» 
fcßcu Gentral-.dommiffion. Acue golge. IV. Sahrgang, Auti-Heft. 
B?ien 1899, Alfreb Hölber. 


©craturoorlli^ für bie »ebaltton t. 8.: Dr. (Siemens &cIb, Berlin. 





So.^ialc HrajriS. Gcntralblatt für Sojialpolitif. 9?r. 43. 1160 

©ie ,,£» 0 tlale $)ravie“ eridjeint an jebcm ©onnerötaa unb ift burdj aUe HudjljanMunßen unb ißoftamter (^oiticitungänummer 7072) ju beaieljen. ©er 
für bn$ Hierteljabr ift 9)Z. 2,50. ^ebe Kummer foftet 30 Hb ©er AnjetqenpreiS ift 60 $f. für bie breigefpaltene Hetitjetle. 


Zu Bismarcks Gedächtnis. 


Gustav Scbmoller, 

Berlin. 


JYIax Lenz, 

Berlin. 


6 ricb JVIarcfcs, 

Leipzig. 

Brste bis dritte, unveränderte Huflag c. 1899. 

preis 3.60 JW. r gebd. 4.80 JVI. 


Soeben bei ©lt lief er & u m blot in 2cip$ig erfdjicnen: | 

Siilirlmdi für fticiclijttiiiij, ^rriuftltung in) MMirtlW 15 ^5850 

tm^eutrdTßuitetcit* mBWSpWK'bwsJ 

JpcrauSgcgcbeit non ^3^ "««.m*« *« 

©uftttt» 5 d)tn«Ucr. „ D ^, J .“ 1 U 1 Z 1 L 

XXIII. latjtgnng, Drittes geft. fJriis 10 Pnrlt. 6r, " a " 

3ttf)alt*üücrfirfit: ©ie Getreibepolttif ber Zapfte, Hou Vilbel tu föaube. — ©ic Teilung , — — 

ber (irbc. <5ine 8tubte über ba* fociale Problem in beutfdjer Sage unb ©iebtung. Hon *>«* 

$ au 1 Hidit er. — Fragment ans einer „^bilofopbie beSGelbeö". Hon ©eorg Simmel. — «•“‘h** R4TU,d " 

SBirtirfjaftlidje llntcrind)ungen über bie Hclaftuug ber beutfdien ^nbuftrie burd) bie Arbeiter* *****»,« 

Her[icf}erung$= unb Sdjupgeiefogcbung. Hou gabrifbireftor Grcifjl. — lieber einen neuen 

Herfud) einer Arbeite* unb SHerttfjeoric. Hon '21'. 2eri£. — llcbcrficbt über bie neueren *"*“ aw <6 

Heftrebungen unb Hcfonmiorirfiläge in ber 2i>ol)uung*fragc. Hon ^egierungsaffeffor 0>raf 1 Dnck aiuj “ 

Sftoebern. ©ie fociale ^ufammenfcjuing ber Hcoölfermig im ©eutfdien Heidjc nadi ber r u venQ * ° Tt 

Hernfäjäfylung ootn 14. 3>uni 1895. Hon i'aul Möllmann. — Haiffeifcn. Hotten _ ~~ „, 

«tur (tfefdiidjtc be3 lanbioirtfcfyaftlicfjen OJenoffcnfdjafteioefenä in ©eutidjlaub. Hon ..■.■■ , :::"_ c . n r ,< - 

S. SBpgobjinsfi. — Heridit über bie 18 . SaljreSoerfamntlung be* ©eutjdjcn Hereins . -°*— * 

für Armenpflege unb SSofjltfjätigfeü. Hon (ituil 3Kiinfterberg. — $ur öfterreidjifdjen »"£«,_, a 

HenualtungSgefdjidjtc. Hon 7veIir Hadifabl. — ©ie gegenwärtige nnrtftfjaftlicfye 2age 

ber Spipeninbuftrie (Industrie des tulles et dcntelles) in Helgicn. Hott £>aubetefamnter* «ggg i 

fefretär Dr. ©ictrid). — 2itteratur. 


Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig: 

Ein Prozent. 

Die Schaffung und Erhaltung einer deutschen Schlachtflotte. 

Vou 

Adolph von Wenrkstern. 

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Die Bedeutung des Seeverkehrs für Deutschland. 

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Ernst von Halle. 

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Invaliden¬ 

versicherungsgesetz. 

Mit Gegenüberstellung 

des 

Invaliditäts- u. Altersversicherungsgesetzes. 


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Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35. 


Soeben erschien: 


Gesellschaft und Einzelwesen. 

Eine methodologische Studie 

von 

Dr. Tli. Ki.stiakowski. 

1809. Mk. 4.—. 

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Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig: 

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Eine soeialpolitisehe Reiseskizze 

mit besonderer Berücksichtigung der 

Arbeiter - Wohnungsfürsorge. 

Von 

W. Kley. 

— 1899. Preis 3.60 Mark. _ 


: ,Tiivitioorili(t) für öle ttiiseigen: pellmmij Wctbcl, üeivjtg. — *criaq ddu Sünder & immblot. Ucipftig. — ©eörueft bei Jultua Sutcnielb, Srrlm. 











VHL gtaftrsttng. 


SBerlin, bcn 3. ?(ugu(t 1899. 


Sttronner 44. 


Soziale ptajte. 

{$entxa£ßratf für ^ogiarpofifiß 

mit bet ©tonatSÖetlage: 

T>as < 5 eu>erf>e$mcht* 

®rgan bes Oerbattbes bculfdjcr (Betoerbegertcfyte. 

©eue golge bet glätter für fogtafe ^rajtS* uttb beS „Sogialpolittfdjen EentralölattS*. 

(frfgciitl n icke» Sximexftcg. ^)€CaU§geBer: frei« öicrtelj**rli* 2 BR. 50 «f. 

SRebaftton; ©erlin W., ©ahreutherftra&e 29. Dr« Ctttß ©erlag boit Wunder & Vumblot, Cetpgig. 


3 uh alt. 


© ie beutfdjen©olf«btbnotl)e!en. 
©on Dr. ©rnft ©c$ulfee, ©exltn. 

1161 

Hin cm etax 6 »4 Ul« unk ttUtUaftl* 

**IUtf.1168 

8lxbett8fainm<x bet ©tabt güticb 1898. 
^ottanbifdjeS 8trbeiterfefxetaxiat 
Bhcbeitexfefxetaxiat in SBxeßlau. 
SRinimaUobn unb äRagimalaxbeitdaeit 
in Blmfteibam. 

gfeftet Sobn füt Äettner in Hamburg. 

S«ftfais .1169 

$auftinbufttie al£ golge beä IxbeftS- 
mangels in bet ©foxgljeimex ©ijou* 
texieinbuftrie. 

SlxbeitSoexb&ltniffe in »euwgjotf. 
Sanbtoixtbfdjaftliefce VxbeitSlbbne in 
Englanb. 

ßöbne bei fommunalen ©xom»a$« in 
Englanb. 

fibbne bet fcJjmeigextfeben ©tfenbaljn* 
axbeitex. 

©exfdjtebung in bex ©xtoexbötljätigfeii 
junger üttäbdjen. 

SlxbeitSlöbne im englijcben unb amexi« 
lanifeben ©djtffbau. 

Btxbeitfllbbne in gnbien. 

tt£»citrrbetoegii«g.1171 

3ut Slxbeitexbemegung. 
^bxifilicbet SRaurexbexbanb ©eutfdj« 
lanbS. 

3ebnftunbentaa in bex öftexxeicfcifeben 
Seytilinbuftxfe. 

©txeifs unb (SinigungSömtex in gtcurt- 
xeicb 1898. 

©elgiftfcer Slxbeitexinnenfongxefe. 

«rtettexffttt*.1174 

©olijeiöexoxbnungen jum ©cJjufce bex 
Hxbetter auj Sauten. 

Sfxbeitß^eit in ben ©etxeibemöblcn. 
SRecbtSfxäftige ©exlautbaxung bon 
öxbeitSorbnungen. 

Slxbeitexfdjufr bei öffentlichen Siefexun* 
gen in Deftexxeidfo. 


Slxbeitexfdjufe in bex teramifeben 3n- 
buftrie ©ngtanbS. 

SlxbeitSoxbnungen in ©elgien. 

©ie ftonfexena bex bapexif eben gabtüen« 
unb ©e»exbe»3nfpeftoxen. 

Vxbeitertietfidiming. ©paxfaffest 1176 
3ux Dxganifation bet gemexb» 
lieben Unfallöexfiebexung in 
gxanfieidj. ©on g. ©ebott« 
boefex, ©axi«. 

©ie UnfaflöerfiebexungSboxIage in ben 
Btieberlanben. ©on Dr. 3. $. üan 
3anten, Bmftexbam. 
BÜtexSdexfoxgung unb Srmenfüxfoxge 
in Englanb. 

ltx»ett»it«4»rf#.1178 

Dbligatorifcbex Blrbeit£nacb»et8 bex 
©ääexinnung in ©xeSben. 
©tSbtifcbex 8xbeit£na<btt>ei6 für 
©ebbneberg. 

göxbexung bex gaebauöbilbung buteb 
ben SlrbeitSnacbtoei« in ©üffelboxf. 

©8obXfabxtfeimri4tniiaeu .... 1178 
©tiftungen, ©ermäebtniffe unb @e* 
febenfe ju ©unften bet Arbeitet. 

CBobnuuflSmefen.1179 

8lxbeitern>obnung£n>efen. 
2Bobnung8pflegegefeb in Sübecf. 

©eue fflrbeitexfolonie bei ©exlin. 
2Bobnung8oexböltniffe in amexifa» 
nifeben ©töbten. 

©MUUoIitif «• 0t*ftaftt»at im ©er* 

ftUMefes.1180 

Regelung bex Slibeittjett bex 3 U 8* 
fübxex unb £eigcx in granfrei dj. 
^Betriebsunfälle auf ben gxofe« 
bxitannifeben Elfenbabnen. 
Blxbeitöbexbältniffe auf ben italienifd&en 
Sabnen. 

Stlexaxifftc ttsftiti*«.1181 


Snbalt beö (SemexbegextcbtS 5Rx. 11. 


Beilage t „®*l ©efeexkegexidit" 9tx* 11« 


Ubbrucf fammtliebex Slrtifel tft ßeitunaen unb ge!tfe|xifte« geftattet, jeboeb nur 
mit bottex Quellenangabe. 


Bit btntffytn üolksbibliotytktn* 


ftatifiifd»c 2lmt ber Stabt S)ortmunb, ba8 ftc^ 
fetjon öfter burc^ bie Verausgabe allgemein intereffanter ftatiftifc^er 
Arbeiten oerbient gemalt bol/ 1 ) oeröffentlicbt foeben einen „33e* 

l ) 3 .©. im uorigen 3al)re burtb eine Arbeit über bas gort« 
bilbungsfebulmefcn (f. beit lanfenben 3abrQ an 9 l> cr «Sozialen 
i*r«ri*" 9ir. 12 5p. 920 t'.). 


rid)t über baS ©rgebnife einer Sftunbfrage bei 40 beut« 
feit Stabten, betreffenb ©olfsbibliotbefen unb ßefe* 
ballen" (23 Seiten 4°). £)erfelbe bef<f)ränft ficb im Slllgemeinen 
barauf, eine tabeüarifctie 3ufammenftellimg ber uerfebiebenen S)aten 
für bie SXnftalten in 40 beutf(ben Stabten ju geben unb räumt 
allgemeinen Erörterungen nur wenig Staum ein. Slber gerabe in 
biefer Slnappbeü jeigt er auf bas Scbtagenbfte, toie armfelig in 
S)eutf(blanb bie freien öffentlichen 33ibliotbefen, bie jebent Er« 
roaebfenen jugänglicb finb unb fiefeftoff für alle ©ilbuitgSfreife 
enthalten, fefbft in ben gatten botirt finb, bie biw bcrau^ 9 ^gnffcn 
mürben unb bie bod) febon bie beften biefer Slnftalten in $5eutfcb* 
lanb barftetten. 

3n ber £bat finb mir in ©eutfcblanb in biefer Schiebung 
noch recht weit gurütf, obwohl wir oerbältnifemäöig früh mit ber 
Errichtung folcher Slnftalten angefangen haben. ®enn wäbrenb 
Englanb etwa 00 m Sabre 1851 an public libraries errid^tete unb 
in granfreich bie bibliotheques populaires unb bie bibliothöques 
scolaires oon SWitte ber fecpSgiger Sabre ax\ entftanben, würbe bie 
erfte ^Berliner ©olfgbibliotbef f%on im Sabre 1850 eröffnet. Slber 
wäbrenb bie freien 23ibüotbefen EnglanbS, BiorbamerifaS unb 
tbeilweife auch granfreiebs ficb in auSgegeicbneter 3Beife entwicfelten, 
war baS ben beutfdben ^tnftalten unmöglich gemacht, ba fie mit 
gu geringfügigen ©elbmitteln oerfehen wurben. ©on gang oer¬ 
eingelten Ausnahmen abgefehen, haben bie beutfehen Stabtge» 
meinben es als außerhalb beS Greifes ihrer ©erpflid^tungen liegenb 
betrachtet, für baS Sefe* unb gortbilbungSbebürfnife auch ber 
Steile ber ©eoöüerung gu forgen, benen in ihrer Äinbheit nur bie 
©ilbung ber ©olfsfehute oermittelt wirb, unb bie bitreh ihren ©eruf 
fpäter feine geiftige gortbilbung, ja oft genug nicht einmal eine 
geiftige Anregung empfangen. Sn oielen gätten haben bie beut¬ 
fehen Stabtoerwaltungen wohl auch baS in breiten Schichten unfereS 
©olfes rorhanbene ©ilbungSbebürfnifc unterfchäfet ober gänglith 
geleugnet; unb fo fommt es bann, bafe in gahlreichen beutfehen 
Stäbten gwar Stabtbibliothefen beftehen, bie für bie Veranfdjaffung 
beS ©Materials für wiffenfchaftliche Arbeiten ber in ber betreffenben 
Stabt anfäfftgen Dberlehrer, guriften, Slergte u. f. w. forgen, ba¬ 
gegen bie bettetriftifdje unb populärwiffenfchaftliche Literatur im 
©ringip ober bodb in ©Sirflidjfeit auSfchttefeen — nicht aber freie 
öffentliche ©ibliothefen, bie Sebermann gugänglich finb unb aud) 
Sebermanu nüfelichen Öefeftoff bieten. 

2)agu fommt noch z™ anberer Uebelftanb, ber fid) in faft 
allen ben Stäbten bemerfbar gemacht hat, bie neben ihren Stabt¬ 
bibliothefen auch fogenannte ©olfsbibliothefen eingerichtet haben. 
SKan hat ben ©egnff beS SSorteS „©olf" in biefer Safammen- 
fefcung au^erorbentlich eng unb befcf>ränft gefa&t, inbem man 
nicht alle ©lieber unferer Nation barin eingefd^loffen, fonbern fein 
Hugenmerf im SBefenilichen auf ben ttßittelftanb unb fpäter auf bie 
unteren Stäube gerichtet hat. ©ian hat eS auf biefe Söeife be¬ 
wirft, bafe b e utgutage bem ©orte „©olfSbibliothef" ein gewiffer 
unangenehmer £mft anhaftet, ber nicht nur oon oielen Angehörigen 
ber arbeitenben Greife, fonbern auch oon gahlieichen ©liebem ber 
oberen 3 e batanfenb peinlich empfunben wirb. Es mibcrfprid)t 
eben unferem heutigen fogialcn Empfinben gu fchroff, eine Anftalt, 
bie allen Greifen ber ©eoölferung bienen fottte, fdjou burch ihren 














1163 


©oktale ¥r<$t$. ©entralblalt für ©ogialpolitif. 37r. 44. 


1164 


tarnen 311 einer BSohlthätüjfeitSanftalt gu ftempeln, unb eS ift ba« 
her gang erflärlidh, ba| iid) gewichtige Stimmen bafür erhoben 
haben, für bie Slnftalten, bie an Stoße unferer alten „BolfsBiblto« 
then" treten fallen, einen neuen kanten gu fdjaffen. Snbeffen »er** 
bient allen bisher gemachten Borfcfßägen gegenüber bie Beibehaf« 
tung beS ÜRamenS „Bolfsbibliothef" fchon um feiner $ürge willen 
ben Borgug. 

Shict) ift ja bereits hier unb ba bet Anfang bagu gemacht 
roorben, bie alten bürftigen BolfSbibliothefen in Sanftalten untgu« 
wanbelri, bie ben neueren Hnforberungen beffer entfprechen. $aS 
Beftreben bagu ift jept, foroeit [ich bas iiberfehen läßt, faft ößent« 
halben in $)eutfcf)lanb oorhanben. Ueberaß regt es ft<h, bie alten 
Einrichtungen werben umgeftaltet, neue werben gefdjaffen, unb in 
gahlreichen Drten ift eine ftetig wachfenbe Agitation am SBerfe, 
bie Einrichtung freier öffentlicher Bibliothefen unb ßefehaflen gu 
förbern. 3mar ftnb bie äußeren Erfolge bisher noch feine aUgu 
impofanten; feboch mehren fie ftch non 3 af)r gu 3 ah r > unb es 
fann feinem 3meifel unterliegen, bah bie Bewegung, bie namentlich 
feit etwa fünf bis fedhs Sahren einen Sieg nach bent anberen er« 
rungen hat, auch in ben nächften fahren an Stärfe gewinnen unb 
fchliefelith bagu führen wirb, bah man allenthalben im gangen 
beutfehen Sketche für baS Borhanbenfein freier öffentlicher Biblio« 
tiefen forgt, bie für ben Ermadjfenen ber nicht ftubirten unb nicht 
bireft wohlhabenben Streife gum SJHnbeften biefelbe Bebeutung 
haben, wie für baS Sftnb bie Schule. 

Bielleicfjt gelingt eS babei auch, getnäh ben Borfchlägen, bie 
gachleute wie Dr. E. SRörrenberg gemacht unb genau begrünbet 
haben, unfere Stabtbibliothen in ben företS biefer Entwtcfelung 
mit eingubegiehen. $>enn man wirb ftch ber Einficht nicht oer« 
ffliehen fönnen, bah Bibliothen, bie gefonbert oerwaltet werben, 
eine gange Bienge mehr ©elb brauchen, als wenn fie gu einer 
Bibliothef oerfthntolgen werben unb unter einheitlicher Seitung 
ftehen. Sluherbem wäre es ja thöricht, wenn man in berfelben 
Stabt gwei Slnftalten nebeneinanber beftehen liehe, bie gegwungen 
wären, gum Zfytil genau biefeiben Bücher anguf(hoffen. Einheitliche 
Berwaltung, Eentraltfation beS BücherbeftanoeS, bagegen möglichft 
2)ecentraIifation ber Bücherausgabe — bas muh oie ßofung ber 
EinheitSbibliothef fein, bie wir für bie 3ufunft forbern unb 
bie nicht nur ftreng wiffenfchaftliche Büdner, auch nidjt nur bie 
aßerpopulärften unb ein Bihcfjen beßetriftifdje Siteratur enthalten 
wirb, fonbern in ber alle Steige ber Literatur, 00 m einfachften 
Vornan bis gum bänbereichen wiffenfchaftlichen 3forfchungSwerf, 
oertreten fein werben — oorauSgefefct nur, bah fie mirflichen 
literarifdfjen SSerth beftfeen. 

BBie lange eS noch bauern wirb, bis wir gu biefer EinheitS» 
bibliothef ober gu einer ber nothwenbiaen Borftufen bagu gelangt 
ftnb, läfjt ftch heute natürlich nicht über)eben Um Ieichteften wirb 
bieS wohl in benjenigen Stäbten gefchehen fönnen, wo eine Stabt« 
bibliothef überhaupt noch nicht unb erft baS Sftubiment einer BolfS« 
bibliothef befiehl. 2öir befifcen eine gange Beihe folcher Stäbte in 
®eutfcfjlanb, unb hier mühte eigentlich bie BibliothefSbewegung 
am Ieichteften einfefcen unb am erfolgreichften wirfen fönnen. Eine 
biefer Stäbte ift £)ortmunb — wie wir ja überhaupt im Bhein« 
lanb unb Sßeftfalen eine gange Hngahl baoon finben fönnen. gn 
Sortmunb bat fich oor etwa SahreSfrift ein SluSfchuh gur Erridj« 
tung einer öffentlichen Bücher« unb ßefefjaße gebilbet, oeffen 2lgi« 
tation gwar oon ben ftäbüfcfjen Behörben gefördert, aber oon einem 
Zfyeil ber Stabtoerorbneten«Berfammlung unb ber Bürgerfchaft 
nicht mit giinftigen Slugen betrachtet wirb. So ift benn Der 2ln« 
trag gur Errichtung einer öffentlichen Bücher« unb ßefehaße, ber 
im oorigen 3a$re in ber Stabtocrorbneten-Berfammlung gefteßt 
würbe, auf ein 3 ahr oertagt unb eine .fommiffion gur genaueren 
Unterfudjung ber grage eingefefct worben. $)iefe Stommiffion hat 
fiefj bann mit ber Bitte um Ucberfenbung beS einfehlägigen Bta« 
terials an eine SReif>e oon BolfSbibliothefen unb ßefehaßen in 
gang 2>eutfd)lanb gewanbt, unb bas ftatiftifche 2hnt ber Stabt 
^ortmunb hat nun aus ben eingegangenen 2 )rncffachen unb Sßa<h« 
richten obenerwähnten Bericht gufammengefteßt. 

3)ie 2luSwaf)l ber 40 beutfehen Stäbte, 2 ) auf bie berfelbe fich 
begieht, ift, wie ber Bericht auSbrücflich heroorhebt, eine rein git« 
fällige, infofern als bie Stäbte berauSgegriffen würben, oon benen 


a J E* finb Vlltona, Berlin, Bonn, Branbcnburg, Bremen, Breslau, 
Bromberg, Ebarlottenburg, Rangig, 2armftnbt, 'Bresben, Xüjfclborf, 
Etfenacf), Erfurt, Elfen, Aiauffurt a, })l. f greiburg i/Br., Wotha, EJretf»- 
walb, ('heben, .'oagen i/BJ., .fmnnoocr, ^seua, Waffel, ilöln, Wönigsbergi/Br., 
Stömg*biitte i /£.«Schl., l'eipgtg, Jritbcrf, Bfaiitg, Binnnbcim, Biündicn, 
Nürnberg, Bfbrgbeint, Srfjweibnip, Stuttgart, Ulm, ädiesbaben. 


eS bem ftatiftifchen 2lmt ber Stabt $)ortmunb gerabe befannt toar, 
bah bort BoIfSbibUothefen unb ßefehaßen beftänben. BemerfenS« 
werth ift, bah ™ ber furgen Einleitung gu ber tabeßarifchen Heber« 
ficht einige allgemeine Bemerfungen über bie mit ben BolfSbiblio* 
th^fen unb ßefehaßen in ben eingelnen Stäbten ergielten 9lefultate 
oorauSgefchicft finb (foweit überhaupt gebruefte Berichte eingingen), 
unb bah biefe ausnahmslos baS auherorbentlich ftarfe 
Sefebebürfnih beS BublifumS tyxvottybtn, Söenn g. in 
einer Stabt wie Bromberg an eingelnen Sonntagen bis gu 
500 Bänben oerliehen worben finb, wenn in SRaing unb anberen 
Stäbten bie ßeferäume nicht ausreichten, fo bah c in £$eil beS 
SlurgaitgeS mit ^injugegogett werben muhte — Beifpiele, bie fich 
leicht genug oermehren liehen — fo wirb man eS begreifen, bah 
immer unb immer wieber in biefen Berichten bie Sformel roieber« 
fehri, bah bie Benufcung ber Bibliothefen unb ßefehallen 
bie fühnften Erwartungen überfliegen hatte. 

$)ie £abeße felbft, bie fich in gwei Slbtheilungen gliebert 
(erftenS 3abl/ Umfang unb Benu^ung, gweitenS Berwaltung unb 
Soften ber BolfSbibliothefen unb ßefehaßen 3 ) geigt bieS noch beut« 
lieber. 3Denn obwohl bie gröberen beutfehen BolfSbibliothefen faft 
fämmtlich berücfficfjtigt finb (nur Ebemnih, §aße, Karlsruhe, Hiei, 
Sübedf unb Btagbeburg hatten noch mit in bie Unterfuchnng ein« 
begoaen werben fönnen) fteßt fich ©efammtrefultat für 

37 oeutfehe Stäbte nur ein Bücherbeftanb oon inSgefammt 
414 741 Bänben heraus, währenb bie ©efammteinnahmen ber 
BolfSbibliothefen in 36 Stäbten (ba nicht aße Angaben ooßftänbig 
finb, hö&e ich bti ber Berechnung einige fortlaffen müffen) nur 
etwa 240 000 JL betrugen. — Es mag bei biefer (Gelegenheit er« 
wähnt fein, bah baS „ftatiftifche 3ah*&uch beutf<her Stäbte* 
in feinem fechften 3ahigang (1897) fchon eine ähnliche Statijtif, 
nur fürger unb mit weniger Eingelangaben, gebracht h fl ri ftc rm 
oon bem $>ireftor beS ftatiftifchen 2lmtS ber Stabt SRannheim, 
Dr. Schmibt, oerfaftt (S. 112 —119).4) 

Sluc| aus jener Statiftif, bie übrigens einige anbere Stäbte 
mit einbegog, anbere bageaen wieber nicht enthielt, bie in ber 
SDortmunber Statiftif berüafichtigt finb, ergab fich c m 9 an a 
IicheS Bilb: in 22 Stäbten waren 293 958 BolfSbibliothefSbäiröe 
gegählt, bie Einnahmen ber BolfSbibliothefen betrugen gufammen 
100 667 o-//, unb oon biefer Summe würben nur 50303 aus 
ftäbtifchen Bfitteln aufgebradht. 3ene 293 958 Bänbe hatten roähtenb 
eines SafjieS 1 311 704 Entlehnungen ergielt, fo bah jeber Banb 
im ®urchfchnitt faft oiermal oerliehen war. SDie 414 741 Bänbe 
ber ©ortmunber Statiftif waren währenb eines 3af)*eS 2 193 463 
mal ausgegeben worben, fo bah alfa ^ er jeben Banö 

eine mehr als fünffache Benufeuna berechnet. 

2 >iefe 3ahien Tmb trofe ber Borfidf)t, mit ber man oerfahren 
muh, memt man aus ihnen Schlüffe giefjen wiß, hoch auherorbent* 
lieh beweisfräftig. ®enn fie geigen auf baS ©eutlichfte, welch ein 
gewaltiges ßefe« unb SortbUbungSbebürfuih in unferem Bolfe oor« 
hanben ift. 3ftan braucht nur bie entfpred)enben englifchen 3 ahlen 
baneben gu haßen, um auf ben erften Blicf gu erfennen, bafg ber 
BilbungSbrang fich bei uns nodj in oiel gewaltigerer Bkife auhert 
als jenfeits beS Kanals. 3mar abfolut ift bie 3 a hl ^er Entieh* 
nungen, bie auf jebes eiligeine Buch fommt, in ©rohbritannie« 
gröber als in $)eutfcf)lanb: bie 5 BMßionen Bänbe, bie in etwa 
300 englifchen Stäbten oorhanben finb, werben im Sahre ungefähr 
25 bis 30 äJJißionen mal oerliehen, fo bah ieber Banb jährlich 
5 bis 6 mal benufct wirb. Hber bie Heine $>iffereng, bie fich fo 
in bem üßufcungSwertb jebeS Buches in Englanb imb ^eutfchlanb 
ergiebt, fchlägt in eine gewaltige Uebermacht beS beutfehen ßefe« 
bebürfniffeS um, fobalb man berücffichtigt, bah bie englifchen publie 
libraries in Iiberalfter Bkife ben gangen Xag über geöffnet jinb 
unb wöchentlich ungefähr 50 bis 60 Stunben lang Büdner au^- 


3 ) Sabeße I enthält bie Shibrifen: 3ahl ber BolfSbibliothefen — 
3ahl ber bamit oerbunbenen 2efehaßen - 3 a hl ber felbftftänbigen 
Öefchaßen — ©tnb baS ftäbtifd^e ober prioate Einrichtungen? — 3ahl 
ber oorl)anbenen Bänbe — 3 a hl ber im lefcten ^ahre entliehenen 
Bänbe — 3al)l ber B^fonen, bie bie Bibliothefen begw. ßcichaüen 
benuhten — Büttl)eilnngen über bie BeoölferungSfreife, beiten bie Be« 
nufcer angchören. Üabcne II bie Sttubrifcn: bie ?luSgaben für Bolfs* 
bibliothefen mtb 2efehaßcn betrugen int Icjten 3al)re für Bcfolbung 

— für Bi'uher unb ^citfchriften — für fonftige 3wcde — überhaupt — 
ber ftäbtifche 3afdjuh betrug überhaupt — aus SparFaffcnüberidiüf?cn 

— Sonftige ftäbtifche 3 l *menbungen (unentgeltliche ©tcßuttg uon 
Zäunten :c.) 

| 4 ) Eine britte oerbienftooße Arbeit ift bte 3 u fantmenftcüung non 

1 Dr. E. 9f örrenberg «Wiel: ,,^ie BücherhaIlen=Bewegung im 
^sabre 1807" (EomeniuS«Blättcr für BolfSergiehung 1898: aud) 

I Soiibcrabbriicf eriihictien: Berlin, (Gärtner 1898, 24 0.1 



1165 


©ogtale $ra|ts. Hentralblatt für ©ogtalpoltttf. 9h:. 44. 


1166 


geben, währenb bie meiften beutfdjen BolFsbibliotheFen fich noch 
immer mit einer wöchentlichen AuSleihegeit non etma 5 bis, roenn 
eS ho«h Fommt, 20 ©tunben gufrieben geben ober gufrieben geben 
muffen. ©predjen biefe ßahlen nicht eine berebte (Sprache? ©inb 
fte nicht ein mächtiger Appell an unfere ©tabtoermaltungen, enblich 
ihre BolFsbibliotheFen auf eine breitere finanzielle Bafis gu fteüen 
unb i^nen baburd) bie S0?ögtid)feit gu geben, ben Borfprung ein» 
Zuholen, ben bie Anftalten beS AuSlanbeS oor ihnen oorauShaben? 

©reifen mir einmal aus ber $>orhnunber ©tatifti! biejenigen 
©täbte heraus, in beren BolFsbibliotheFen mehr als 5000 Bänbe 
oorhanben ftnb — gewiß eine jämmerliche 3ahl- 2öie oiel foldje 
©täbte befinben ft<h nun unter ben 40, auf bie flcf) biefe ©tatifti! 
erftrecft? Bid)t mehr als bie §älfte! Unb babei oergeffe man 
nicht, baß bieS nicht etwa burdpeg ober auch nur ber Mehrzahl 
nach fommunale Anftalten ftnb, ja baß auch nicht einmal alle einen 
3ufchu& aus ©emeinbemitteln erhalten! 3cf) höbe biefe 21 ©täbte 
in ber nachfolgenben Tabelle mit ihren wichtigen 3ahlen (Einzahl 
ber BibliotheFen, Anzahl ber oorhanbcnen Bänbe, Anzahl ber im 
lefcten Qahr oerliehenen Bänbe, QahreSauSgabe, 3ofchuß ber 
meinben bazu) gufammgeftetlt. 3)ie ©umme biefer Angaben er» 
giebt, baß bie 



^ - 
- s 

s g 

«nsa^l 
ber oor* 
Iianbcnen 
Sänbe 

flnaafU 

ber 

Der* 

lietjenen 

Bänbe 

3nf>re«* 

BuSgabe 

faoon 
oon ben 
«e* 

meinben 

bei* 

gefteu ert 

Semcrfungcit 

Berlin .... 

27 

100 520 

600 

853 

40 510 

36 161 


Bonn .... 

1 

5000 

41 

141 

5 200 

1 100 


Bremen . . . 

14 

14 796 

39 

000 

1 500 

— 


Breslau . . . 

5 

15 084 

130 

985 

9 626 

8 405 


©harlottenburg . 

1 

8 351 

46 

481 

15 000 

15 000 


Rangig.... 

5 

6 965 

77 

600 

2 510 

500 


Bresben . . . 

12 

42 186 

152 

414 

15 950 

14 400 


^üffelborf . . 

3 

5 155 

48 

090 

6 339 

6 339 


^ranffurt a. 9R.. 

2 

35 300 

178 

589 

31040 

6 000 


63otha* . . . 

1 

5 000 

*26 

800 

2 000 

600 

* tn 'J SHonalrn. 

.^agen .... 

16 

8 207 

26 

847 

1 600 

1600 


Hanttooer. . . 

12 

11040 

43 

297 

3 594 

1 200 


Sena .... 

1 

9 500 

65 

998 

13 300 

— 


ÄFöln .... 

4 

13 000 

53 

362 

6 319 

6 319 


Königsberg i. J5r. 

4 

12 000 

60 

000 

6 166 

1700 


^cipgig* . . . 

6 

12 000 

14 

175 

4000 

3 000 

* Bejieht ftdj nur 

Btannheim . . 

1 

7 000 

40 

000 

6 700 

8000 

auf b. Bibliotijrten 
be# „Bcrelnb für 

BZünchen . . . 

5 

27 743 

173 

131 

13 570 

7 650 

Bolfbroohl*. San* 

©djmcibnib . . 

1 

6 500 

24 

119 

1 1800 

300 

bete Bibliotbefen 
mit sooo Bänben 








finb fortgelaffen. 

©tuttgart . . . 

1 

5 500 

*36 

313 

16 281 

— 

* in 9 Monaten. 

23ieSbaben . . 

3 

1! 077 

51 

421 

8 700 

3000 


3uf. 21 ©täbte . 

125 

361 929 

1 930 616 

211 705 

116 274 



125 BolFsbibliotheFen biefer 21 ©täbte zufammen 361 929 Bänbe 
befifcen (fo baß auf jebe ber BibliotheFen im 5)urchfthnitt nur 
2895 Bänbe entfallen), baß oon biefem Bücßerbeftanb jährlich 
1 930 616 Bänbe ausgegeben werben unb baß bie Ausgaben in$» 
gefantmt 211 705 M betragen, oon benen nur bie §älfte 
(116 274 -//) oon ben ©emeinben getragen toerben. 3«ht man 
Berlin ab, fo ergiebt fich noch ein oiel trübfeligereS Bilb: in 
20 ©täbten finb bann nur 98 BolfSbibliothefen mit 261 409 Bänben 
oorhanbeit, bie im Qaljre 1 329 763 mal oerliehen werben; bie 
©efammtauSgaben in biefen 20 ©täbten belaufen fich bann auf 
171195 JL f oon benen nur 80113 JL oon ben ©emeinben ge» 
becft werben. $>aS bebeutet natürlich noch nicht, baß Berlin nun 
mit feinem BibliotheFSwefen au ber ©pifce fleht, was eS eigentlich 
Fönnte unb müßte, ba eS barin oon bem fogenannten „wiffenfchaft» 
liehen Berein", ber jefct nicht mehr befteht, finanziell in ber wefent» 
lichften 2Beife geförbert worben ift. Aber in ben abfoluten 3 a hlen 
muß eS natürlich an ber ©pifce flehen; auch ift eS mir nicht un» 
mahrfiheinlich, baß eS an bie ©pifce treten würbe, wenn ber 
BibliotheFSoerwaltung, bie in ben f>änben beS 9KagiftratSbibüothe!arS 
£>errn Dr. Buchholß liegt, mehr finanzieller Spielraum gelaffen 
würbe. 

Berhälhtißmäßig am meiften geben wohl ©harlottenburg 
unb BBieS haben für ihre BoIfSbibliotheFen aus: ©harlottenburg, 
baS feine BolFsbibliothe! aus Fontmnnalen Bütteln erhält, 
15 000 c///, unb BMeSbaben, wo bie BolFsbibliotheFen oon bem 
bortigen 3meigoerein ber „©efellfchaft für Berbreitung oon BolFs» 
bilbung" unterhalten werben, einen 3öf £ h u & oon 3000*//. 3n 


beiben ©täbten ift bie BolFsbibliothe! mit einer ßefehaHe oer» 
bunlben unb noch oerhältnißmäßig neuen ©atumS: bie ©harlotten» 
burger Anftalt ift erft zu beginn beS oorigen SahreS eröffnet 
worben. 

®en höchften Sftufcungswerth ihres BücherbeftanbeS hoben 
bie BibliotheFen in Rangig, 2)üffelborf, Breslau unb 3ena 
ergielt: jeber Banb würbe in ihnen 11 (Rangig) begw. 9 (Büffel» 
borf unb Breslau) unb 7 mal ©ena) oerliehen. £)ie fdjwächfte 
Sfcufcung weift ßeipgig auf, beffen 12 000 Bänbe (in ben 
6 BibliotheFen beS „BereinS für BolFSwohl") nur 14175 mal 
oerliehen würben, fo baß auf jeben Banb nur wenig mehr wie 
eine Benufcung entfällt. 

3m ©angen ift alfo baS Bilb, baS bie ©ortmunber ©tatifti! 
oon bem ©tanbe beS BolFsbibliotheFSmefenS in unferen größeren 
©täbten entwirft, gwar ein etwas befchämenbeS, was bie §ürforge 
unferer ©emeinben für biefe BilbungSanftalten betrifft, aber hoch 
auch wieber ein fehr ermuthigenbeS, wenn man erwägt, welche 
SWefuItate bamit enielt werben Fönnen. $>a$ ©leidje gilt auch oon 
ben mit ben BibliotheFen oerbunbenen ober aber felbftftänbigen 
fie f eh allen, oon benen gang allgemein berichtet wirb, baß fie, 
falls fie nicht gar gu ärmlich auSgeftattet unb nicht gu ungünftig 
gelegen finb, außerorbentlich ftar! benußt werben. 5 ) 

©3 ift in hoh e m ©rabe erfreulich, baß eine beutfehe ©tabt» 
oerwaltung fich ber BFühe untergogen hot, eine ©tatifti! beS BolFS» 
bibliotheFSwefenS in unferen größeren ©täbten .hergufteÜen, unb es 
ift wohl mit «Sicherheit angunehmen, bah bie Hoffnungen berer in 
©rfüUung gehen, bie oon biefer Arbeit eine Sförberung ber 
BibliothefSbewegung erwarten, ©inb ja hoch bie in ber S)ort* 
munber 3ufatntnenftellung wiebergegebenen 3 a ^ cn berebt genug in 
ihrer ©djilberung beS BilbungShnngerS weiter Greife unferer Be» 
oölFerung einerfeits unb ber UnguIänglichFeit ber ihnen gebotenen 
Bilbungsmittel anbererfeits. 3otnal in ben großen Snbuftriecentren 
BheinlanbS unb B3eftfaIenS, bie in ber ©ortmunber ©tatifti! gang 
fehlen, weil fie (mit Ausnahme oon Barmen) auf biefem ©ebiete 
nichts aufgumeifen hoben, follte mit ber ©rrichtung freier öffent» 
lieber BibliotheFen fchleunigft oorgegangen werben, ßiegt eS hoch 
auf ber £>onb, bah gerabe bie BeoölFerung ber ©rohftäbte in erfter 
ßinie berücfftc^tigt werben muh, wenn es fi«h um bie ©Raffung 
guter ßefegelegenheiten für alle BeoölFerungSFreife hanbelt. 

Bur ein wichtiger $un!t ift bei ber $)ortmunber Arbeit über» 
fehen worben: baS ift bie DeffnungSgeit ber BibliotheFen 
unb fie f eh allen, ©iefe ift nämlich in ber &hat oon bem aller» 

f iröhten ©influh auf ihre Benufcung. 3ujar ift man ja wohl überall 
0 oernünftig gewefen, bie fiefehaHen gerabe beS 2lbenb3 gu öffnen 
— aber bie BolFsbibliotheFen oieler ber in Betracht Fommenben 
©täbte geben noch immer Bücher gu einer £ageSgeit aus, bie ihre 
Benutzung namentlich für zahlreiche Angehörige ber unteren ©tänbe 
faft unmöglich macht. BMe foH es bem Arbeiter, ber ben gangen £ag 
über befchäftigt ift, möglich fein, fich aus einer BibliotheF Bücher 
gu holen, bie nur gur BiittagSgeit auf oielleicht gwei ©tunben, unb 
auch baS nur an wenigen Xaaen in ber B$od)e, geöffnet ift? B3ie 
Foloffal ftar! gerabe bie DeffnunaSgeit einer BibliotheF ihren 
BufeungSwerth beeinflußt, wirb g. B. auf baS ©d)tagenb}te oon ber 
Berliner BolFsbibliothe! Br. 1 bewiefen, bie im ©efchäfts» 
jahr 1895/96 bei einem Bücherbeftanbe oon 4238 Bänben 
11 528 Bänbe oerlieh, gwei 3ohre barauf aber (1897/98), als bie 
BibliotheF nicht mehr in ber BtittagSftunbe, fonbern AbenbS ihre 
Bücher abgab, 5319 Bänbe 51 314 mal oerliehen hat — bie Be» 
nufcung jebeS einzelnen BanbeS ftieg alfo oon etwa breimal auf 
ungefähr gehnmal im 3ohre. Bo<h fchlagenber wirb baS Befultat 
ber Berfchiebung ber AuSleihegeit auf ben Abenb in einer anberen 
Berliner BolFsbibliothe! fein: ber 20. (bisher SSiefenftrafee 66), 
bie mit ber zweiten ftäbtifchen fiefeh alle (Baoeneftra&e) oer» 
oerbunben ift unb über beren Benufcung nach biefer Berfchiebung 
ihrer AuSleihegeit noch Feine offizielle ©tatifti! oorliegt. Bach ^ cn 
©rFunbigungen, bie ich eingegogen habe, werben oon ben öOOOBänben, 
aus benen biefe BibliotheF befteht, Abenb für Abenb 250 Bänbe 
ausgegeben — baS bebeutet auf baS 3oh^ eine Benufcwtg oon 
etwa 80000 bis 90 000 Bänben, fo baß jeber Banb bann im 
3eitraume eines tingigen 3oh^S 16 bis 18 mal oerliehen fein 


5 ) 3«h bin in biefem Auffa^ auf bie 2efehallen nicht genauer 
eingegangen, weil bas SBaterial, bas in ber $ortmunber Arbeit bar» 
über gegeben wirb, nicht fo reichhaltig ift, wie bas über bie Bolfs» 
bibliotbefen unb weil icf) auBerbem ber Anficht btn, bafe, wie bringettb 
nothwenbig auch bie Hinrichtung oon ScfcbaÜcn ift, bod) in erfter 
Sinie bie Berfchiebung ber AuSleihcgeit ber BibliotheFen felbft, Hr» 
leichteruttg ihrer BenubungSbebingungett uub Bermchrung uitb Ber» 
befferung ihres BücherbeftanbeS geforbert werben muh. 





1167 


©oktale $ra$i$. Eentralblatt für ©ojtalpoltttf. Str. 44. 


1168 


roirb — bie pöcpfte Benupungggiffer, bic mir überhaupt je 
oon einer Bibliotpef befannt geworben ift — eine 3apl, oon ber 
man meinen föitnte, baß fie Blinbe fepenb machen fann. 

Ein äpnlicpeg Beifpiel bietet Breglau bar, beffen Bolfg* 
btbliotpefen ebenfalls ftäbtifepe Einrichtungen finb. ftier ift bie 
Umgeftaltuitg beg Bibliotpefgroefeng gum großen ^^cil bag 58er* 
bienft beg ßanbtaggabgeorbneten SBetefantp, ber eg auch burep* 
fepte, baß bie Shtgleipegeit oon ben SRittagg* auf bie Slbenbftunben 
»erlegt roorben ift. Tie Unterpaltunggfoften haben fiep aßerbingg 
baburep, oerbunben mit ben Äoften für bie Bermeprung unb Er* 
neuenmg beg Bücperbeftanbeg, auf bag Tretfache gefteigert — 
aber bie Bücperbenußung hat fi<h in ber gleichen 3 e ü »ergehn« 
facht. Breslau roirb aller Boraugftcpt nach, wenn eg in gleichem 
Tempo weiter oorroärtggept, für bie Entwicfelung beg beutfepen 
Bolfgbibliotpefgroefeng maßgebetib werben. §at eg hoch erft fürg* 
lieh für biefe Slnfialten einen afabemifch gebilbeten Bibliotpefar 
angefteHt — eine ber roichtigften SRaßnapmen, um fte gu heben. 
33 igb*r war bie Taftif ber beutfdjen Bolfgbibltothefgoerwaltungen 
augfcpließlitp bie, bafür nur einen Bolfgfcbuneprer ober fonft 
irgenb 3 *ntanb im Nebenamt angufteßeit, ber froh war, baburep 
eine Slufbefferung feineg ©epaltg gu beroirfen unb ftch im Uebrigen 
gerabe fo »iel um bie ihm unterteilte Slnftalt fümmerte, wie ihm 
genau oorgefcpriebeit war. Natürlich giebt eg »on biefer Siegel 
(namentlich in Berlin) gasreiche Slugnahmen, aber bag hilft hoch 
über bie SRifere, bic an anberen ©teßen gu Tage trat, nicht pin* 
weg. Unb felbft wenn bie fo auggewählten Berroalter ein wirf* 
licpeg Sntereffe an ber ihnen unterteilten Slnftalt nehmen unb fich 
alle erbenflicpe SRüpe geben, fo fann bag hoch nie einen ©ach* 
fenner erfeßen, wie eg ber afabemifch gebilbete Bibliotpefar fein 
muß. Tag liegt ja für 3eben auf ber §anb, ber eine ungefähre 
Borfteßung baoon hat, welche Stenntniffe unb Fähigkeiten peutgu* 
tage oon einem SRanne »erlangt werben rnüffen, ber eine Bibliotpef 
teepnifeh gut leiten unb ihren ßefern mit faepmänntfepem Siath gur 
©eite fiepen f°ü. ©elbftoerftänblicp ift auch nicht jeber afabemifch 
gebilbete Bibliotpefar bagu im ©tanbe, bentt eg gehört eben mehr 
bagu, alg allgemeine Bilbung unb fachmännif(heg .(namentlich 
bibliothefarifcheg) Riffen, aber wo ftch biefe (Sigenfcfjaften mit bem 
Söunfcpe unb ber Befähigung paaren, ben ßefern mit jebem ge* 
roünfcpten Sfatp gur ©eite gu ftehen, ba wirb ber bibliotpefan)cp 
unb afabemifch gefaulte taufenbmal eher am Blaße fein, alg ein 
Bibliotpefar „im SRcbenamt", ber eg noch fo gut meint, bem aber 
alle wirflich faepmännifepen Slrbeiten oon einem Bibliotpefgfomitee 
ober fonft mem abgenommen werben. 

Sluch ift eg gang ficher, ba| bie ©täbte, bie ftch &agu ent* 
fcpließen, bie SReprauggaben für einen faepmännifeb gebilbeten 
Bibliotpefar im Hauptamt gu tragen, bag bocp nicht gu theuer be* 
gahlen. Tenn bann wirb in bie Berroaltung ber Bolfgbibliothefen 
ein gang anberer ©cpwung fommen, unb bie erhöhte Benußung, 
bie fid) bann ohne 3 n 3 eifcl einfteflen roirb, wirb bie aufgeroanbten 
Soften im Bcrgleich bagu alg geringfügig erfepetnen laffen. 

Slud) bie Bücher* unb ßefepafle, bie Fricbrich Sirup p für 
bie Slngefteßien feiner Söerfe in Effen errichten läßt, wirb oon 
einem afabemifch gebilbeten Bibliotpefar »erwaltet werben. Slucp 
roirb ftch biefe Slnftalt aller SÖaprfcpetnlichfeit nach gu einer ber 
erften in Teutfcplanb entwicfeln. 

Slucp in gabireichen anberen ©egenben unfereg Baterlattbeg 
gährt eg; überaß bricht fich Erfenntniß Baljn, baß unfer 
Bilbunggroefen unoollftänbig bleibt unb bebauerliche ßiiefen auf* 
weift, fo lange nicht allenthalben bie SRöglicpfeit beftebt, baß ein 
Seber, ber Bilbunggbrang in ftch oerfpürt, Bibliotpefen unb ßefe* 
haßen benußen fann, bie oon ber Slflgemeinbeit erhalten werben 
unb für bie SWgemeiitbeit beftimmt ftnb. Unb in erfter ßinie 
müßten unfere ©emeinben hier auf bem fßlane erfcheinen unb 
bie Errichtung unb Unterhaltung freier öffentlicher Bibliothefen in 
bie £>anb nehmen, fte werben bann halb inne werben, baß bag 
©elb, bag fte für biefe Slnftalten auggebett, nicht gum genfter hin* 
auggeroorfen ift, fonbern baß eg 3 infen trägt in ber mannig* 
faltigften SBeife: nicht nur, baft fid) halb in ber gefammten Be* 
oölferung bag fpmpathifdje ©cfiihl Bahn bricht, ba§ hier in ber 
£hat einmal eine allen Bürgern getneinfame Einrichtung gefchaffcn 
ift — auch gang birefte wohltl)ätigc folgen werben fiel) eittfteücn. 
s JJhtn roirb erfennen, wie ©ir 3 ol)n ßubboef einmal bei ber Eröff* 
nitttg einer ßonboncr public library tagte, baft Uitwiffenheit mcljr 
foftet alg BÜbung: 0 ) benn bie naturgemäße Folge einer jebeu an* 


c ) ©. bie fleine Srfjrift bes? Berfaffcr? „Engliiiljc Boltgbtblio* 
tbefeit" (Ijerauggcgcbcn oon ber (^efeüfd;aft für Verbreitung umi Volfg* 
lülbimg). Berlin 189s. 3. auf. 


gemeffenen unb eblen Erholunggmöglichfeit, bie man ben arbeiten* 
ben klaffen bietet, ift eine £>erabminberung beg Söirth^h 0 “^ 5 
befucheg unb aller bamit gufammenhängenben Sthorheiten, ein Sin* 
wachfen ber ©parfamfeit unb bag §>en>ortreten größeren Ernfteg 
unb größerer Berftän big feit in ber gefammten ßebengführung. Eine 
jebe ©emeinbe, bie ben Berfuch bagu mit einigermaßen aug* 
reichenben SRitteln macht, wirb bie SSahrheit biefer Behauptung 
erfahren. Sllejattber oon ^umbolbt $atte gang Siecht toenn 
er an Sriebrich oon Slaumer, ben Begrünber unferer Berliner 
Bolfgbibliothefen, fchrieb: „SJlit bem Bhffen fommt bag Senken, 
unb mit bem Renten ber Ernft unb bie Ätaft in bie SRenge." 

Berlin. Dr. Ern ft ©chulpe. 


Allgemeine Sozial- unb tÜrttjfi^aft^poUtik. 


Hrbettgfaimner ber ©tobt Bürich 1898. S)ie Slrbeitefaminer 
ber ©tabt 3 ün<he eine oon ber ©tabt nunmehr fuboentionirteg 
Unternehmen ber Slrbeiterocreine, hotte in ihrem gweiten ßebeng* 
jahre einen Berfepr oon 25 0CK) ^erfonen im Bureau gu be* 
mäßigen. 2434 ©cfuche um Slugfunft würben aeftellt, baruitter 
2023 oon Vtänitcrn, 411 oon ^auen. Unter biefen gehörten nur 
79S ben Drganifationen au, 1636 niept. S)ie Blchrgapl ber &iw* 
fnnftggefuche patte Ä'üubigungg*, ßopn* unb ^aftpflichtftreitigfciten 
gum ©egenftanbe. ©epr oiele Silagen betreffen bie ©tellcnoermittler, 
troßbem biefe fongcffiongpflichtig finb. S)ie ^aubpabung ber 
Slrbeiterfcbupgefepe fepte ba aug, wo bie Frauenarbeit einfept 2ic 
Slrbeitglofcn*Berftcperung, bie beantragt würbe, ift groar abgeroiefer?, 
ber Bericht fpriept aber bie Hoffnung aug, baß ein gweiter Slnlauf 
gur fommunalcn Slrbeitglofen*Berficperung oon Erfolg fein werbe. 

Tie ©cwerffcpaftgbeweguug maept feine Fortfcpritte, jonbern ging 
ftellenweife gurücf. Ter „neutrale, paritätifepe ccntralifirtc Slrbeite* 
naeproeig" ift am 10. Sanuar 1898 eröffnet, ©eine ©aßungen 
enthalten bie fogenannte ©treifflaufei. 1449 Bermittelungen foinUen 
oollgogen werben, 87,4 % ber Singebote. 355 ber ben ©ewerbe« 
inpabern gugeroiefeiten Slrbeiter nahmen bie ©teüc niept ait. Tie 
Sluggaplung ber Steife* unb Slrbeitglofenunterftüpung iji uon ben 
meiften ©eroerffepaften ber Slrbeitgfammer übergeben. Ein Slnpang 
beg Bericptg giebt über bie ßopubeweaungeit unb ©treifg wäpxetib 
beg ßapreg 1898 Slitffcpluß unb über bie ßoptt*, SÜtere* um s 
Slationalitätgoerpältniffe ber im Tiettfte ber ©tabt 3 ün^ ftepenben 
Slrbeiter. 

^oßänbifipeg Slrbeiterfcfretariat. Taten beg „Sociaal Weck* 
blad" gufolge waren 1898 bem 1893 ing ßebett gerufenen 
nationalen Slrbeitgfcfretariate 40 Slrbeiteroerbänbe mit 12 950 SRit* 
gliebern angefcploffen. Tag ©efretariat gab im Bericptgiapre ca. 

30 000 ^ für ©treifunterftüßungen aug. 

Slrbciterfefretoriat in Breglan. Tag ©eroerffepaftgfartett für 
Breglau unb Umaegenb fepte bic ©tatuten für bag im ßanuar 
1900 gu eröffnende Breglauer Slrbeiterfefrctariat feft. Tie Slu* s 
fünfte in ©aepen ber SlUerg* unb Snoalibenoerficperung foroie ber 
Unfaßgefepgebung erfolgen ntünblicp wie fcpriftlicp für 0 rtgan* 
fäffige unentgeltlich; Slugwärtige paben 104 $ortoentfd)äbigung 
gu entrichten. Unter biefen Bebmgmtgcn wirb jebem auf Slnfrageii 
Slntroort ertpeilt. Tienftftunben finb oorläufig an Söocpentagcn: 
Bormittagg oon HV 2 big 2 Upr unb Slacpmittagg oon ö l / 2 bw 
77-2 Uhr. 

SRimmaUopn unb SRasimatorbeitggeit in SlrnfSterbam. 3« 

Slmfterbam beftept fepon feit 1894 eine Berorbnung, welcpe ben 
SRinimallopn unb bie SRayimalarbeitggeit für ©emeinbearbeiten 
feftfept. ©epon feit mepr alg einem 3apr forbern bie Bauarbeiter 
eine Erhöhung beg Sopneg oon 23 Eeittg (38 ,3 a§) auf 25 EentS j 
(41,7 *1) pro ©tunbe. Ta eg fi<P jebod) fepon bei bem großen 
©treif oor ben Sfröitunggfeiern perauggefteflt pat, baß bie Slrbeit* 
geber bem Beifpiel ber ©emeinbe folgen unb bereit finb, ben ßopn 
gu erhöhen, fobalb bie ©emeinbe eg tput, fo pat ber ©emeinbe* 
ratp auf Slntrag mehrerer Slrbeiteroereine befcploffen, eine Stommiffion 
gu ernennen, um bie Frage ber ßopnerpöpung gu unterfuepen. 
©ieper roirb auep bie errichtete Slrbeitgfammer in biefer ©aepe 
wichtige Tienfte leiften. 

Fefter ßopn für fiettner in Hamburg. Eine Berfammlumi 
oon 3000 ©aftwirtpen unb §otelbefipern oon Hamburg unt» 
Slltona wäplte mit ben ^eßneroereinen eine 16 gliebrige gemifdjic I 
Mommiffion gur Einführung eineg feften ßopneg für bic Äeflner, j 
fowie gur Errichtung eineg gemeinfcpaftlidjen foftenlofen Slrbeit** | 
naeproeifeg. , 



1169 


1170 


(Soziale $rajis. ©entralblatt für Sogialpolitü. 9?r. 44. 


g»}tai e Jto gfatbe. 

$at*gmbttßrfe %U golge bei ftrbeitermangelS in ber fßforg* 
heim er BijouterieinbuftTie. Sie fehr lebhafte Befchäftigung ber 
SijouteriefabriFation in ^forgheim hat, roie ber Bericht ber HanbelS* 
Farnmer ermähnt, itn Herbft gu einem fehr cmpfinblichen Arbeiter« 
mangel geführt, ber fogialpolitifch nid)t mtbebenflief)e ©rf Meinungen 
im befolge hatte. Namentlich bie roegett ihrer manuellen ©efdjicF* 
lid^feit fo unentbehrlichen weiblichen SlrbcitsFräfte roaren fehr Fnapp. 
3u ber Siiouteric*3nbuftrie roirb baher in erheblicherem Umfange 
«utm erften Wale ber §auSfleiß h er a« 9 egogen, tiielfad^ roerben auch 
Bcrlegungen non Setrieben in inbuftrie*ärmere ©egenben mit 
günftigeren Slrbeiteroerhältniffen erroogen unb futb oereingclt auch 
bereits oorgenommen roorben. So erflärlich bieS auch erfebeint, 
fo bebenflid) ift hoch aus foriaIpolitifd)en ©rünben, mie ber Bericht 
gutreffenb ausführt, bie Berbrängung ber gabrifthätigFeit gu 
©unfieit ber HauSinbuftrie, ba bie in ihr thätigen ^erfonen bei 
unbefchränfter SlrbeitSgeit f Rechter begahlt roerben, in ungefiinberen 
Bäumen untergebracht finb, ber Bortheile ber Äranfcnoerßcherung 
nicht theilhaftig roerben u. 21. m. 3 roar roirb ja bie geplante 
2tu8bcbnung ber ©eroerbeaufßcht auf bie HauSinbuftrie auch ih r 
ein geroiffeS Waß fogialpolitifdjer gürforge geroährleiften, mit 
machfenber Secentralifation ber geroerblichen Xfjäiigfeit mirb aber 
naturgemäß bie roirFfame Sachführung fogialpoiitifcher Berorb* 
nungen außerorbentlid) erfchroert. 3Rit bem fiarfen Mangel an 
2lrbeitSfräflen in engem 3ufammenhang ftehen bie gegen früher 
gasreicheren Seftrafurtgen roegen Uebcrtretung ber ©eroerbe* 
orbnung, bie ber Bericht als ein ernfteS Symptom anfieht. Reform« 
oorfchlägen gur Wilberung beS Slrbeitermangels in bem Sinne, 
in 3riten gewöhnlichen ©efdjäftSganqeS an Stelle ber bisherigen 
gehnftünbigen eine neunftünbige 2lrf>eitSgeit gu feßen unter Be* 
feitigung ber grühftücfs* unb BeSperpaufen, in ber Hodjfaifon 
aber ber neuitftünbigen 2lrbeitSgeit nach halbftiinbiger $aufe noch 
groei roeitere Stunben oon 6 1 /* bis 8 1 /-/ Uhr hingugufügen, ftcht 
ber Bericht fFeptifdß gegenüber, ba bie hier in grage Fommenben 
Setriebe troß auSgebehnter mafchineller 2lnlagen hoch in leßter 
fiinie auf bie manuelle ©efd^iefIicf)feit beS eingelnen Arbeiters an* 
geroiefen ftub, beffen SlrbeitsFraft unb SßrobuFtionSfähigFeit er* 
tahrungSgemäß einer Steigerung nur innerhalb enger ©rengen 
fähig ift. Sie fiöhne ber Arbeiterinnen finb am ftärFften geftiegen, 
bis gu 25 o/ 0 . ^ßoliermäbchen, bie früher 16 bis 18 /$ Stunben* 
lohn begogen, erhalten jeßt 23 bis 26 2lber auch bk ßöhne 
ber Arbeiter finb hoher geroorben. 

&rbeit$oerf)ältmfjje in Neto*Borf. Stach bem Berichte beS 
2frbeitS!ommiffärS für ben Staat Nero*?)orF pro 1898 betrug bie 
3ahl ber 2lrbeiterorganifationen in biefem Staate am 30. September 
beS Berichtsjahres 1087 mit 171067 Witgliebern, roooon 7505 
ober ungefähr 4 1 /2°/o grauen; am 30. September 1897 roaren 
bloß 1009 Drganifationen mit 168 454 Witgliebern, worunter 
5764 grauen (ca. 3V2°/o) oorhanben. Allgemeinen fdßeint 
fich bie Drganifation ber Arbeiter rafch un ^ ftetig auSgubreiten. 
Sie organißrten 2lrbeiterinnen gehören bis gu 80o/ 0 ber Saba!* 
inbuftrie an, ber Neft entfällt auf bie Seftilinbuftrie, baS Such* 
bruefergeroerbe unb Sefchäftigung an Sheatern. Ser Bericht giebt, 
aHerbingS auf ©runb bloßer Schäßuug an, baß ungefähr 10 o/ 0 ber 
gefammten 2lrbeiterfchaft im Staate Ncro*?)orF organifirt fei. Sie 
ArbeitSlofigFeit hat im 3ahre 1898 geringere 2luSbehnung gehabt 
als im Borjahre; bagegen geht auS ben SimßfchmttSangaben für 
bie roichtigften 3nbuftriegroeige heroor, baß bie Sohnhöhe im Be* 
richtsjahre um beiläufig 10 0/0 gefunfen fein bürfte. Sie jüngft 
in 2lmerifa feüenS ber Arbeiter ber roichtigften Snbuftrien burc|* 
gefeßten Sohnerhöhungen haben biefen NücFgang oon 1898 roenigftenS 
fcf)on roettgemacht. 

Ser groeite Sheil beS Berichtes beS 2lrbeitSfommiffärS be* 
fdjäftigt fich mit ber ©inroanberung unb ber NüdFroirFung berfelben 
auf bie organifirten 2lrbeiter. ©S roirb fd)äßungSroeife ange* 
nommen, baß oon 1783 bis 1819 250 000 ^erfonen in ben Ber* 
einigten Staaten eingeroanbert finb, unb oon 1820 bis 30.3nni 1898 
lanbeten in 2lmerifa über 18 800 000 ©inroanberer. Hieroon ent* 
ßelen 4 970000 auf Seutfcßlanb, 3 800000 aufSrianb, 2 600 000 
auf ©nglanb unb SBaleS, ca. 1 200 000 auf Schweben unb 9ior* 
roegen unb ca. 1050 000 auf Sritifcf) * l&orbamerifa. $ahegu 
13 Btillionen ber ©inroanberer lanbeten in $ero*?)orf. 3n ben 
leßten fünf fahren entfielen non ber ©inroanberung 24, c % auf 
gelernte 2lrbeiter, 12, x o/ 0 auf tanbroirthfä)aftli(he Arbeiter, 36, 6 °/o 
auf Saglöhner unb 18o/g auf |>auSgefinbe. ©ine fchriftliche Um* 
frage bei ben ©eroerfuereinen über bie SBirfungen ber ©inroanbe* 
rung lieferte bie 2lntroorten oon 1039 Drganifationen mit 


175 959 Btitgliebern. ©S äußerten fich 774 ©eroerfoereine mit 
105 ’889 Btitgliebern, baß bie ©inroanberung fie nicht berühre, 
roährenb 265 Bereine mit 70000 SKitgliebern ober 39 /8 % ber 
©efammtheit über bie fchäblichen 9iüdFroirfnngen ber ©inroanberung 
SUage führten. Bon biefen 265 ©eroerfoereinen behaupten 120 
mit 34 304 Btitgliebern, baß bie ©inroanberung bie Söhne brüefe; 
außer in ber ©laSinbuftrie roäre ber Wettbewerb ber ©inroanberer 
in fämmtlichen 3nbuftriegroeigen gu oerfpürcn; beroorgehoben roirb 
bieSnamentlid^für baS Saugeroerbe, bie ©ifeninbuftrie, Seytilinbuftrie, 
SabaFinbuftrie, Seberinbuftrie unb baS Säcfergeroerbe. 

Ser Bericht beS 9iero*?)or!er SabrüinfpcftorS pro 1898 
Fonftatirt, baß nicf)t weniger als 50 o/o ber oorgeFommenen Be* 
triebSunfäHe ber Unad)tfamFeit unb SorglofigFeit ber Berleßten 
felbft gugufchreiben finb. 3 n fpi}iri rourben im Berichtsjahre 
28 920 ÖabriFen mit 472 784 2lrbextern unb 208 145 2lrbeiterinnen, 
ferner 3836 Betriebe beS BäcfergeroerbeS mit 16 832 Befdjäftigten 
unb 156 Bergbaubetriebe mit 4674 2lrbeitern. Bon biefer Arbeiter* 
fchaft oerunglüdEten 1110 ^erfonen; 34 Unfälle roaren töbtlich, 
133 feßroer unb 943 leicht. Ser gabriFinfpeFtor fchlägt oor, eS 
foHc gefeßlich oerboten roerben, eine unter 16 3nh^n alte $erfon 
an ober bei einer gefährlichen Wafchine gu befchäftigen; bie 2lrbeitS* 
geit ber grauen foll auf 10 Stunben täglich ooer 60 Stunben 
wöchentlich befcßränFt roerben, unb Shffelarbeiter unb feiger in 
gabriFen foUten nur auf ©runb ihrer nachgeroiefenen Äompeteng 
befefjäftigt roerben bürfen. 

Ser Bericht beS State Board of Mediation and Arbitration 
theilt mit, baß im 3ah* e Sfcooember 1897/DFtober 1898 bem 2lmte 
271 StreiFS unb Sotfouts beFannt rourben, gegen 243 im Bor* 
jaßre. 29 2luSftänbe entfielen auf baS 9iero*?)orFer $FonfeFtionS* 
geroerbe. Ser bebeutenbfie StreiF war jener ber 3^9ririarbeiter 
oon §aoerftranb, roo über 2000 2lrbeiter groei SRonate lang 
ftreiFten unb bie 2lrbeit auf 3 u f a 9 e ÜOn Sohnerhöhungen für bie 
nächfte Saifon roieber aufnahmen. Sie StreiFS in ber ÄonfeFtionS* 
branche in 9iero*|)orF roieberholen fich in golge ber niebrigen 
Söhne alljährlich; bie Arbeiter beabfichtigen bie ©rrichtung eines 
eigenen genoffenfchaftlicßen Betriebs. 

Sanb»i»trthfchnftti<hc 2trbeitSlS6iie in ©nglanb. ©rhebunaen 
beS englifcßen 2lrbeitSamteS, bie fich auf 149 SiftriFte erftreerten 
unb 172 616 lanbroirthfehaftliche Slrbciter umfaßten, ergaben, baß 
bie Söhne berfelben h cucr Bergleicße mit bem Borjahre un* 
gefähr um burcßfcfinittlich 4 d pro ^opf unb Woche geftiegen finb. 
3n manchen BegirFen finb bie Söhne fogar um 2 sh pro Woche 
geftiegen, roährenb fie in anberen BegirFen um 1 sh unb 1 sh 6 d 
geftiegen finb; für eine große 3 a W ber Arbeiter trat aüerbingS 
gar Feine Beränberung in ber Sohnhöhe ein. SaS 2lrbeitSamt 
notirt Sohnfteigerungen für etwa 30°/o ber länblicßen 2lrbeiterfchaft. 

Söhne bei Fomntnnalen ^ramtnaßS in ©nglanb. Ser Stabt* 
rath oon |)ull h fl t folgenbeS Sohnfcßema für bie Fommunale 
Straßenbahn feftgefeßt: Sie wöchentliche 2lrbeitSgeit beträgt 
70 Stunben, roooon bie BtahlgeitSpaufen in Wegfall Fommen. 3n* 
fpeFtoren erhalten 30 sh pro Woche unb mit jebent Sienftjahr 
1 sh mehr bis 40 sh pro Woche; Wotorroagenführer beginnen mit 
28 sh pro Woche unb fteigen bis 35 sh, unb erhalten Uebergeit 
mit 6 d pro Stunbe begahlt; ^onbuFteure beFommen 18 sh unb 
fteigen bis 25 sh unb erhalten für Uebergeit in ben erften brei 
3af>ren 4d pro Stunbe, fpäter 4 1 / 2 d; Stallburfchen erhalten 
21 bis 25 sh wöchentlich, feiger 28 bis 30 sh, Sagelöhner 25 bis 
27 sh pro Woche. Sie Stabt liefert auch bie Uniformen. 

Söhne ber f<hteei£erif<hett ©ifenbahnarbetter. ©ine SohnftatiftiF 
ber fcßroeigerifchen ©ifenbaßner, gu beren Aufnahme unb Be* 
arbeitung^ ber Bunb einen $oftenbeitrag oon 9000 grcS. leiftete 
unb bie fich au f H 7 ^9 ©ifenbahner erftrecFte, roooon 1249 oer* 
heirathete ohne unb 7540 mit 24 099 Srinbern, ergab, baß 1895 
oor ber Sohnberoegung bie jährliche Surchfcßnittsbefolbung 
1573 grcS. betrug, 1898 aber nach ber Sohnberoegung 1853 grcS., 
um 280 grcS. mehr, gleich einer Steigerung oon 17, 8 %• Sabei 
finb bie Dberbeamten in bie StatiftiF nicht einbegogen. Sie oon 
ben fünf Hauptbahnen jährlich gezahlte ßohnfumme beträgt jeßt 
25 482 725 grcS., roooon 39 540 ^erfonen leben müffen. 

Scrfdfiebttitg in bet ©ttoev&Stb&tigfett junget Wäbdjen. Breslau 
hat bei ben Slrbeiteriunen in ber ^ertilinbuftrie bem Jahresbericht ber 
HanbelSFammer" gufolge eine Bericßiebung baburch ftattgefunben, baß 
fich für junge äRäbdjen neue erroerbSjroeige, als Buchhaltertunen, 
2 elegraphiftiitnen u. f. ro. gefuttben haben, unb baß in bie Üitrfc, welche 
baburd; in ben Stellungen für Berfäuferinnen in Fleiuereit ©efdjäften, 
in ber HauSinbuftrie utto anberen eingetreten ift, folrfje Bhxbdjett auf* 
genommen rourben, bie früher als ftabrifarbeiterinnen Sefchäftigung 
fud;ten. @S ift, fo erfreulich baS au unb für fich fein mag, für bie 



1171 


©ogiale prajis. EentralBIatt für ©ogialpolitif. Ar. 44. 


1172 


gabrtfen baburdj ber AadÜbeil entftanben, baß nicht bloß meitiger 
Arbeiterinnen fiel; melbcn, fonbern baß bie fuß AJclbenben auch aus 
Familien fmb, iit benen bic häusliche Ergießung eine fchtcchtcre ift. 

Arbeitslöhne int englifdjen nnb amerifamfdjcn ©djtffban. Eine 
amerifatiifcße ©tatiftif oergIcicf)t bie £öpne, bie auf ben Bßerften in 
Sß^ilabclpljia uub $ull ge 3 al;lt roerben; es ergiebt fid) für Pßila- 
belphia ein Surtpfcpnittslohtt oon 9 sh V 4 d pro lOftünbigen Sir* 
BeitStag, roäprenb ber 9 flünbige Arbeitstag in §utt bunpfcßnittlid) 
mit 4 sh 11V 2 d befahlt mirb. Sie ®iffereng jeiat fiep beutlich 
auch im ©tüdflopn: in ^ß^itabelp^ta erhalten bte Arbeiter 11 sh 
5 1 /2 d pro 100 Aietnägel, in £ull bloß 7 sh 5 1 / 2 d; bie ent* 
fpreepenben Sagelöhne für biefe Arbeit finb 8 sh 4 d in ppüa- 
belphia unb 5 sh 3 d in §mH. 

1 Arbeitslöhne in Jjfttbien* Sie „Gazette of India“ oeröffent- 
licht folgenbe SurcpfcpmttSangaben für monatliche Arbeitslöhne in 
Vritifcp-Snbien: 

Ungelernte Gelernte 

Arbeiter Arbeiter 


Burma. 

. . . 11 bis 30 Aupicn 

10 bis 

45 Aupien, 

Affam. 

... 7-22 

12 - 

60 

Vorbmeftprooingen . 

... 3 


— 

Bombaq . . . . 

. . . — 

10 - 

30*) - 

Bengalen, punjab . 


5 - 

15 - . 


JCrbeitttberaetprag. 




3nt Arbeiterbetotgung. 




Sic ferner Unruhen, bie oon ben ,Scharfmachern" fo 
eifrig ausgebeutet roorben finb, befdjäftigen jept bie Gerichte. Vom 
£attbgcrid)t in Vocpum finb bereits oerfchiebene junge Bergleute 
mit polnifdjen tarnen 311 empfinblichen ©trafen oerurtbeilt morben. 
ViS jept ift noch feine eingige Verurteilung auf Grunb bcS § 153 
ber Gcroerbeorbnung erfolgt. Ser Gerichtshof pat nielmehr ftets 
einen Paragraphen gur Verfügung gehabt, ber ein fcpärfereS ©traf- 
maß ermöglichte. Von ben Verurteilten gehörte feiner einer ber 
beiben Vcrgarbciterorganifationen an. 

Auch bie neuerlichen Unruhen in Augsburg, bie gum Eiit- 
fchreiten bes Militärs unb gahlrcichen Verpaftungen führten, famen 
ben Scharfmachern" roie gerufen. 3 n Augsburg ftreifen bie 
Maurer. Sen äußeren Anftoß gu ben Unruhen gab ber Etnmarfcp 
oon ctroa fünfgig ttalicnifcfjen Maurern, bic oon gahlrcichen poligei- 
beamten unb ocrfchicbenen Unternehmern 00 m Bahnhof abgcpolt 
unb nach bem ©cplad)t- unb Aichhof tranSportirt mürben, mofelbft 
ihnen oom VRagiftrat ein UnterfunftSgebäube eingeräumt mar. 
Sett ftreifenben Vfanrern mürbe oerboten, mit ihren auSlänbifcheu 
Mollegen in Verfcpr gu treten. Aus biefem Anlaß fam es gu 
Verhaftungen, an mclthe fich bann bic Unruhen fnüpften, an beiten 
aber, roie allgemein berichtet mirb, bie ftreifenben Sttaurcr nicht 
befheiligt gemefen fein follen. Aabauluftige Elemente follen oiel- 
mehr ben Anlaß gu AuSfd)rcitungen beitupt h a bett. Auch hier 
biirften bie beoorltepenbeit GericptSoerbartblungen mehr Mlarßeit 
über bie eigentlich ©chulbigett bringen. Gegen bie Verhafteten ift 
Auflage megen Aufruhr, Auflauf unb Sanbfricbcnsbruch erhoben 
morben. Unter bem Vcrbadjte ber Aufreigung gum ,£>ansfriebenS- 
bruep ift aud) ber Vorfipenbe ber auSftänbigen Viaurer oerhaftet 
morben. Vteprfcpeinlidj mcrbeit auch in biefem gaüe bic (Berichts* 
oerhaublnngeu bemeifen, baß bic bcftchenben Gefepe ausreichen, 
um ben rabauluftigen Sanpagel ftreng gu beitrafen. Eigentümlich 
muß es jebenfaUs berühren, baß ©tabtocrmaltung unb poligei bie 
Unternehmer bei ber §erbeigichung ber Stalicner, bie ohnehin als 
bcbiirfuißlofe „Öopitbrucfer" nicht beliebt finb, unterftiipte. 

Siefe poligcilicpe Unterftüpung I)at fid) ja auch, roie bereits 
gemelbet, bei bem 'JÜiaurerauSftanb in 3 ro icfau in ©adjfett ge¬ 
geigt. Aur follen bort uidit gtalieuer, fonbern Egccpen bie ftreifen¬ 
ben Arbeiter erfeßeit. 2öic Arbeiterblätter berichten, fall ber auf 
bem Valjnhofe poftirte Gcitbarin mohl bie Agenten ber Vautneifter 
bulbeit, nicht aber bie ©treifpoften ber SWaurcr. Siefelbeu Arbeiter- 
btätter führen meiter barüber Vcfd)merbc, baß and) beim Vfaurcr- 
ftreif tu Sresben bie poligei bie Unternehmer uuterftüpc. 

VHe eigenartig eS manchmal mit bent ©(pupe ber ArbcitS- 
roilligen feiten«? ber Unternehmer beftellt ift, barüber toerben aus 
Viilfter (§olfteiui merfmiirbige Singe berichtet. Sort befinben 
fidi feit V>od)cti faft fämmtlidie i?eberarbei ter mögen £opit- uub 
ArbcitSgeitbiffcrengeu im AuSftaub begm. in ber AuSfperrung. 
Ser Verfließ, Morrigcuben au ©teile ber Ausftänbigeti gu befefjäf^ 
tigen, foll fehlgefchlagen fein, bagegeu fei ec« gelungen, 51 Arbeite- 

*) iiMtljrnib ber ’peft 27 bie« 42 Aupicn. 


fräfte aus Oberfc^Iefieit unb Vöhmen perangugießen. lieber ba* 
©djicffal bicfeS Arbeitertransportes berichtet ber „Vorroärte": 

„Surdj baS 3 u famntcuarbetten ber Poligei, Giienbahntiepörben 
unb beS Unternehmertums mar eS nicht möglich, ben getiten fefjott in 
Hamburg Anfflärttng gu geben über bie Singe in SSilfter. gn gpepoc, 
ber lepten ©tatiou oor SSilfter, mürbe ber SSagen loSgelcgt unb per 
Gjrtragug nad) ber galt unb ©cßüttfd)en gabrif, mo bis jept feilte 
fahrplanmäßige .{mlteftelle mar, gebracht. Sen Leuten mürbe fdfjon 
flar, gu meldjen Sienftcn fte beftimmt toaren, benn bas ftarfc poligei- 
aufgebot betrachteten bicfclbeti nicht als eine (Hjrencrmcifung. 9Äan 
hatte fie für eine neueingurid)tenbe gabrif, angeblich fünf Minuten oon 
Hamburg entfernt liegettb, angemorben. Aad)bem bie ©treifenben ihnen 
burdj SBort unb ©chrift Aufflärung gegeben, oerließen bicfelbett am 
anberen borgen bic gabrif. ©ätnrntlidje Ausgänge ber gabrif toaren 
oerfd)loffen unb als 28 3)?antt benfelben „oerbotenett A^eg" pafürten, 
auf bem fte hinein gef ommen, ujurbe aud) biefer Ausgang gu genagelt, 
unb fo mürben bie Öeute gleich §äftlittgen au ber Ausübung ihres freien 
SBMUenS behinbert. ©eitens ber ©treifenben mürbe ein gtußfahrgeiig 
requirirt unb baburch bic ^eutc aus ber ©efangenfd)aft befreit, g» 
einer Vormittags abgehaltenen Verfantmlung berichteten bic teilte über 
ihre Aitroerbung unb SrattSport h^rher- • • • Ser Vürgcrmctfier hat 
thatfädjlid) feftgeftellt, baß bie SBerbefontrafte nad) Wilstorf bei Ham¬ 
burg lauteten;' fpäter hatte man „orf" burdjftrichen ttnb „er" barüber 
gefeßrieben. Auch mürbe feftgeftellt, baß matt ben Leuten itt Statibor 
eine 2ifte oorgelegt, gur Aufgeidjttung tl)reS AamettS mit bem Venterfen, 
gleichseitig feftguftetlen, mie oiel perfonen gum Transport verfügbar 
feien. |)ier entpuppte fid) biefe perfonenlifte als ein Montraft, ooit 
bem bic Seute feine ©ilbe mußten. Auf ©runb biefer gefificüiiitg 
feitenS ber hiefigen Poligetbehörbe toaren bie 2eute oon ber Aufnahme 
ber Arbeit entbunben. ©ie ftnb fämmtlich toieber abgereift." firner 
ben ©treifenben fteßt ber Vcrbanb ber beutfdjen Seberarbeiter. 

3m Vunglau-ßömenberger ©teinbruchreoier ift ein 
©tein arbeitet ft reif ausgebrochen, ber fuß bereits faft über gar, 
©(hießen erftreeft unb auch aufVerlin iibergefprungen ift. Verliticr 
Unternehmer ftnb Veftper ber fchleßfdien Vrüdje unb bic Verfiner 
©teiuarbeiter bettupten bie Gelegenheit, um ihre fchoit im oorigen 
3ahrc oergebenS erhobene gforberung: ©tunbentotjn oon 70 4 bei 
achtftiinbiger ArbeitSgcit, gu erneuern. Sie Llrfad)c bes ©treifes in 
©(hiefien bilben ©treitigfeiten über bie Auslegung bes im SWärg 
1898 abgefchloffenen unb noch bis 1 . Viarg n. 3^" gültigen ^ohn- 
tarifs. Gs hanbelt fich namentlich um fjöljeve Vegaßlung be- 
ftimmter fchmieriger Arbeiten ber ©teinmepen. 3« einem ^U\\xw\ 
ber Gefchäftsleitnng ber ©teinarbeiter SeutfchlanbS an bic ge- 
fammtett Arbeiter ber ©teininbuftrie SeutfchlanbS mirb gur Unter- 
ftüpuitg ber AuSftänbigen (bis jept über 1100 Viann) eine (Sjtra* 
fteuer auSgefchrtebett, unb oor 3asug uadj ©djlefien getoarnt. Ser 
©treif ber Berliner ©teinarbeiter eparafterifirt fidp mehr als ein 
©pmpathieftreif. V3äre in Vuttglau ein Gctoerbegericht oorbanben, 
fo märe ber ©treif Dieileicßt fepott beigelcgt. Als oor einem 3abre 
bie bortigen Arbeiter bie Grridjtung eines folcpeu anregten, erflärte 
ber Vlagtftrat, ein Gern erbeg eridjt für Vunglan fei ein „Ünbittg". 

3n Berlin uepmen bie AuSgletchSoerpanblungen im 
Vaugemerbe biSper einen befriebigenbeu Verlauf. 3n beit Mreifen 
ber Vtaurer fepeint man fiep mit ben getroffenen Vereinbarungen 
mepr unb mepr abgußnbett. Vtit ben Pupern, 3i inmere rn uub 
VaupülfSarbeitern mirb megen ber oon biefen Arbeiterfatcgorien 
erhobenen Sorberungen unterpanbelt unb es finb fepon Grfolge er- 
Sielt morben. 3n Sonbon ift neuerbingS in einer gemeinsamen 
©ipung ber Arbeitgeber unb ber GemerfoereinSoertreter im Baufach 
bie Errichtung eines gemeinfamen AuSgleicpSamteS gur Verhütung 
unb Beilegung oon ©treifs befcßloffeu morben. SaS Amt foll bei 
allen bie AroeitSgeit, £oßn uub fonftige ArbeitS bebingungen be- 
treffenben ©treitigfeiten eingreifen. 3 n Hamburg broßt ein © treif 
ber 3immerer unb Vf au rer. Sie 3i™merer oerlangen bei 
neunftiinbiger ArbeitSgeit einen ©tunbenioßn oon 70 /$. (^egett- 
märtig beträgt bie ArbeitSgeit 10 ©tunben, ber ©tunbenioßn 60 iy 
Sie Arbeitgeber follen fid) bis gum 1 . Auguft erflären. 

SaS ©treiffomitee ber gormer ßeipgi^S ßat gur Uitterftüpnitg 
bes fieipgiger gformerftreifs einen Aufruf an bie gformer unh 
VernfSgenoffen Seutfd)lanbs erlaffen. Urfprünglicß befepräufte fich 
ber ©treif auf eine gabrif, in roelcßer um eine halbe ©tmtbe 
ArbeitSgcitoerfiirguna geftreift mürbe. AIS aber bie £cipgiger 
VtetaflinbuftrieUen oefcploffen, bie ftreifenben gormer gmei ^aßre 
oon ben VerbaitbSroerffteffen anSgufdjließen, falls fte niept inner¬ 
halb einer ejeroiffen grtft bebiitgungSloS gur Arbeit gurücffeprten, 
mürbe ber ©treif ein allgemeiner. 

Ser ©treif ber SWobelarbeiter itt ©tuttgart, an bem 
anfänglich über 1100 Arbeiter betbeiligt maren, unb ber 12 Stochen 
Dauerte, pat mit einem ©iege ber Arbeiter aeenbet. Sie unter bem 
Vorfipe bes ©tabtfd)iiltl)cißen Gauß geführten Verl)anbluttgen 
haben bas Ergcbniß gegeitigt, baß bie gabrifanten beit A'eunftunben- 











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©oktale $rajts. Eentralblatt für ©ogialpolitil. 9?r. 44. 


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tag ber bisher ben Stein beS AnftopeS bitbete, acceptirt haben. 
Aus ben getroffenen Bereinbarungen ift mitgutpeilen Einführung 
beS StteunftunbentageS unb 7 °/o ßopnaufbefferung für Afforb* unb 
©tunbenarbeit; Ueberarbeit totrb an ÜSerftagen mit 25, an ©onn* 
tagen mit 50 °/o 3uf^Iag oergütet, fott aber nur in bringenben 
gatten oertangi roerben; für §ülfeleiftung bei Afforbarbeit gur 
fepnetteren gertigftettung werben 20 °/o 3 u t’df)Iag begaplt; bie 
Befperpaufen bleiben abgefchafft; bie Arbeiter bürfen ihr mit* 
gebradjteS Effen roäprenb ber ArbeitSftunben oergehren; bie Ar* 
beiter oerfpreepen, bie in Arbeit gebliebenen Bottegen niept gu be* 
läftigen, roährenb bie gabrifanten oon jeber Bcapregelung ber 
auSftänbig ©eroefenen abfehen; gur Beilegung oon ©treitigfeiten 
roirb eine tfommiffion oon 5 Arbeitern unb 5 Arbeitgebern mit 
je einem Obmann eingefept, bie abroetpfelnb ben Borfip führen. 

Unter ben Arbeitern ber beutfepen Braunfoplen*Aeoiere 
gährt eS. Auf einer $onfereng ber BertrauenSleute be« Berg* 
arbeiter*BerbanbeS ber Braunfoplenreotere ÜDtittelbeutfeplanbS tn 
3eip rourbe fonftatirt, bap bie üöerfSbefiper auf bie ßopneingabe 
ber Arbeiter nicht geantwortet hätten. S)ie gorberungen follen 
nun noch einmal eingereid^t unb eoentuett ein ©treif oorbereitet 
roerben. 2)ie gefammten öfterreiepifepen Braunfoplenoereine fotten ihre 
Unterftüpung burep ttÄiteintreten in ben ßopnfampf gugefagt haben. 

gn $änemarf fott bie nun fepon Btonate bauernbe Staffen* 
ausfperrung oon 40 000 Arbeitern ber Btetatt», f)otg* unb Bau* 
branepe naep bem ©epeitern aller AuSgleicpSoerpanblungen noep 
burep bie Ausfperrung weiterer 15 000 Arbeiter ber ^ejtilbrancpe 2C. 
feitenS beS Untern epmeroerbanbeS oerfepärft roerben. ES würben 
bann runb 55 000 organifirte Arbeiter (napegu groei drittel ber 
im ©eroerffepaftsbunb organiftrten Arbeiter) auSgefperrt fein. S)ie 
gorberungen beS UnternepnteroerbanbeS (©enepmigung ber ©ta* 
tuten ber ©eroerffepaften, Hinterlegung einer ©elbfumme als Unter* 
pfanb für piinftlicpe Befolgung Der Borfepriften ber Unternehmer 
feitenS ber ©eroerffepaften, Anerfennung bes AeeptS ber Unternehmer 
gu BtaffenauSfperrungen) laffen erfennen, bap es ben Unternehmern 
um ßapmlegung ber tpnen oerpapten ftarfen ©eroerffepaften gu tpun 
ift. $>ie bänifepe Regierung pat fiep bisher neutral oerpalten; ob 
fie in biefer Aotte oerparren roirb, wenn bie Aotp in ben gamilien 
ber AuSgefperrten gröper unb baburep eine allgemeine ©cpäbigung 
perbeigefüprt roirb, mup bapingeftettt bleiben. Bon piioater ©eite 
ift man ben AuSgefperrten burep ©croäprung oon AaprungSmitteln 
unb burep Aufnahme oon Äinbern in Bauernfamilien ftpon mepr* 
faep gu Hälfe gefommen. 3mmer häufiger unb brängenber roerben 
ingroifepen bie Hilferufe ber bänifepen Arbeiter in ben beutfepen 
Arbeiterblättern. Vertreter ber bänifdjen ©eroerffepaften bereifen 
jept 2>eutfcplanb unb Englanb, um in Berfantmlungen für bie 
Unterftüpung ber AuSgefperrten gu roirfen. Sn ©aepfen ift einem biefer 
Übertreter, bem bänifepen fogialbemofratifepen ^arlamentSabgeorbneten 
0lfen oerboten roorben in Berfammlungen gu fpreepen, roibrigen* 
falls er fofort aus ©aepfen auSgeroiefen werbe. ES finb auep 
fepon Berfammlungen, in benen gu ©unften ber AuSgefperrten ge* 
fprocpeit unb gefammelt roerben fottte, oerboten roorben, fo neuer* 
bingS in Nürnberg. „Vorwärts" unb baS „Eorrefponbengblatt" 
ber H öni & ui: 9 er ©eneralfotnmiffion ber ©eroerffepaften ©eutfep* 
lanbS paben bringenb gur Hälfeleiftung aufgeforbert, beibe Blätter 
mit bem Hinweis barauf, bap es fiep um eine allgemeine Arbeiter* 
faepe panbele, naepbem ber bäniftpe Unternepmeroerbanb mit Erfolg 
burep Eirculare bie Unternehmer S)eutfeplanbs, ©cproebenS uno 
Norwegens aufgeforbert pabe, auSgefperrten bänifepen Arbeitern 
feine Arbeit gu geben, unb naepbem gu erwarten fei, bap bie lieber* 
laae ber bänifepen Arbeiter für bie Unternehmer aller ßänber baS 
©tgnal fein werbe, ebenfalls mit BtoffenauSfperrungen bepufS Ber* 
nieptung ber Arbeiterorganifationen oorgugepen. 


Cprlftlieper Sttaureroerbaiib $>enifsplanbS. 2)ie bisper pier 
im herein „Arbeiterfepup" orgaitifirtcn üßaurer paben befeploffen, 
einen Berbanb ber Btaurer unb oerroanbter Berufe für gang 
3>eutfcplaub gu grünben. 2)er Berbanb fott feine Atitglieber be* 
fonbers gegen bie häufigen Betätigungen burep anbersgefinnte 
Arbeiter fepüpen unb ipre Sntereffen gegen bie Bauunternehmer 
oertreten. Aaep bem ©tatutenentrourf fott ber Berbanb auf cpriftlieper 
©runbläge, jeboep unter AuSfeplup jealieper politifepen unb religiöfen 
gragen, bie roirtpfcpaftlicpen Sntereffen feiner SDiitglieber oertreten. 

$er 3epnjhmbeiitag tu ber öfterreiepiftpeu Segtifisrimfitrie. 

AHem Anfepeine naep pat ber Erfolg ber Brünner Arbeiterfepaft 
ber Berfürgung ber ArbeitSgeit auep in ber norbböpntifcpen Seftil* 
inbuftrie Bapn gebroepen. 3nfoIge Aaepricpten aus biefen Sn* 
buftriebegirfen paben fiep bort bereits mehrere Unternehmer ent* 


fcploffen, entroeber biefelben ArbcitSgeiten eingufüpren, bie ber AitS* 
gleich in Brünn feftftettte ober aber gleiep gum 3epnftunbentag 
übergugepen. 3n ben lepteren gehört ber ^räfibent ber Aeiepen* 
berger HanbelSfammer. 3Ran barf bemgemäp hoffen, bap es gu 
feinen weiteren ßopnfämpfen ernfter Statur um ben 3epnftunbentag 
in ber Seftilinbuftrie fommen roirb. 

©treifS mtb EiniguugSämter in graufmep 1898. 2)en ®aten 
beS „Office du Travail“ gu golge fanben in granfreidp im lept* 
oerfloffenen Sapre 368 ©treifS flait, an benen 82 065 Arbeiter 
(71 348 ttftänner unb 7955 grauen) beteiligt roaren. ®ie Aus* 
ftänbe betrafen 1967 Betriebe unb fte umfapten 1 216 306 ArbeitS* 
tage. $ie S)urepfepnittSbaucr betrug 15 iage pro Arbeiter, ©egen 
1897 bebeuten biefe $>aten eine niept unbebeutenbe ©teigerung per 
©treifberoegung, was oorgugSroeife bem gropen ©treif ber Sßarifcr 
Erbarbeiter gugufepreiben ift, an bem allein 42 800 Arbeiter be* 
tpeiligt roaren. Bon biefem AuSftanbe abgefepen, entfiel bie gröpte 
3apl ber ©treifS auf bie £ejtilinbuftrie (28, 6 o/ 0 ) unb bie Sfetatt* 
inbuftrie (15,77 o/o), üiapegu bie ^älfte aller AuSftänbe (45,6 %) 
galt ber ^urtpfepung oon ßopnerpöpungen. 

3)aS Ülefultat ber ©treifS in ben 1898 unb 1897 er» 

giebt fiep auS naepftepenben 2)aten (in ^rogenten): 

Streifs Streifen be 



1897 

1898 

1897 

1898 

Erfolgretdb roaren . . 

. 19,10 

20,38 

28,80 

12,91 

Erfolglos * . . 

• 46,63 

46,Q 0 

29,43 

47,43 

AuSgfeiep. 

. 34,57 

33,45 

41,77 

39,66. 


Auf ©runb beS ©efepeS oom 27. $)egember 1892 fanb in 
94 Streitfällen eine einigungSamtliepe Bermittelung ftatt; bieS fmb 
runb 25 o/ 0 ber AuSftänbe (gegen 21 o/ 0 in 1897). $>ic Snitiatioe 
piergu ging in 57 gätten oon ben Arbeitern, in 3 gätten oon ben 
Unternehmern unb in 2 gätten oon beiben Parteien gugleitp aus, 
roährenb ber griebenSricpter in 32 gätten ex officio interoenirte. 
Bier Streitfälle erlebigten fiep bereits oor Beginn einigungSami* 
lieper ^pätigfeit unb bei ben übrigen 90 gätten rourbe in 38 ber* 
feiben bie Bermittelung oon ber ©egenpartei abgelepnt: in 
32 gätten oon ben Arbeitgebern, lmal oon ben Arbeitern unb in 
5 gätten oon beiben ©eiten. ES oerblieben blop 52 ©treitfätte 
für bie einigungSamtliepe Bepanblung, unb pieroon rourben blop 
18 auf biefe üöeife beigelegt; einem ©epiebSfprucpe unterroarfen fiep 
bie ftreitenben Parteien blop in 2 gätten, fo bap niept mepr als 20 
oon ben 368 Streifs auf gütliche SBeife beigelegt roerben fonnten. 

Belgifeper Arbeiterinnenfongrep. 3» Eparlcroi tagte am 23.3»li 
ber erfte belgifepe Arbeiterinuenfongrep. gaft alle belgifcpen Arbeiter» 
organifationen patten ®elegirte gefepieft; auep aus bem Auslanbe 
roaren nieprere SDelegirte erfepienen. ^er Stougrep ftettte folaenbc 
gorberungen auf: 1. Berleipung beS aftioen unb paffioeit 5&apl* 
re^ts an bie Arbeiterinnen bei ben SBaplen in bie 3«buftrie* unb 
ArbeitSrätpe unb in bie gewerblichen ©djiebSgeriepte. 2. Ernennung 
oon weiblichen ©eroerbeinfpeftorcu, benen bie Snfpeftiou oon Üöerf* 
ftätten, in benen nur Arbeiterinnen befipäftigt finb, auSfeplieplicp 
oorbepalten fein fott. ©egenroärtig giebt es in Belgien nur eine 
©eroerbeinfpeftorin. SBeiter rourbe befeploffen, bap bei ßopn* 
fämpfen ftets ber ©runbfap gelten fotte: giir gleiepe Arbeit 
gleiepen ßopn. 


Mhtüttfäuk, 


$o(n(4Perorbnuugett gum ©epupe ber Arbeiter auf Bauten* 

®er ÜJtinifter ber öffentlichen Arbeiten unb bie Btinifter beS Snnent 
unb für H an ^ e I unb ©eroerbe paben ©runbgüge für ^oligcioerorb* 
nungen, betreffenb bie Arbeiterfürforge auf umfangrcid)en 
£iefbauten, ausarbeiten laffen. 2)ie ©runbjüge fepreiben bie §>erftel* 
Iung geeigneter Aäume gur llnterfunft für bie an Bauten befepäftigten 
Arbeiter bei ungünftiger Witterung unb in ben Aupepaufen, unb bie 
Errichtung geuügenber unb gefunbpeitSgemäper Aborte oor unb 
befepäftigenfiep auep mit bcrSorge für bic©efunbpeit ber in9fcnbauten 
arbeitenben ^erfonen. 3» lepterer Bcgicpung beftimmen fte, bap 
oom 15. üfooember bis 15. Btärg ©tuefateur*, s ßuper*, unb Xöpfcr* 
arbeiten in Neubauten nur bann auSgefüprt werben bürfen, wenn 
bie Üläume, in benen gearbeitet roirb, burep Spüren unb genfter 
oerfeploffen fmb, foroic bap in Aäumen, in benen offene Mofsfeiier opne 
Ableituna ber entftepenben ©afe brennen, niept gearbeitet roerben barf. 
ßeptere Borfeprift auf bie 3^it oom 1. Dftober bis Enbe April aus» 
gubepnen, wie bie ©eroerffepaften oerlangen, bürfte fiep fepr empfehlen. 

ArbeitSgeit in beu ©etreibemüplen* Bom banerifd)en Staats* 
miuifterium beS Snnern rourben bie ^oligeibepörDcu unb bie ©e* 




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Sogtale Sßrajig. Eentralblatt für Sogtalpoltttf. Ar. 44. 


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wcrbcaufiicptgbeamtcn barauf aufmerffam gemalt, baß fiep bie j 
Veftimmungen über bic Arbcitggeit in beit Gctreibemühlen oom 
26. April i899 auf alle bei bem eigentlichen Vtaplprogeife bcthei* 
ligtcn ÜjSerfoiten belieben, gleicpoiel ob bicfe bei ber Vebienung bcr 
Mahlgänge ober bei ber Vebienung ber Walgenftüple befdjäftigt 
finb (ogl. 0p. 1084). 

$te rcdjfgfräiHge Verlautbarung öon Arbeitgorbunngeu. ©ag 

öfterreicpifcpe .f>anbefeminifterium pat einen ®riaß an bie Statt* 
haltereien gerietet, ber eine enblicpe Regelung ber grage ber Ser* 
lautbarung oon Arbeitgorbnunaen auf Grunb ber Erfahrungen ber 
Gewerbegericpte begwecft. Sn oem Erlaß Reifet eg: 

$acp ben Wahrnehmungen ber Gewerbegericpte unterlaffen eg 
bie Arbeitgeber nicht allgu feiten, in beftimmter unb flarer Weife 
ben Arbeitnehmern gegenüber fid) über bie Vebingungen beg Ar* 
beügoertrageg gu erklären. Wan begegnet öfter ber Anficht ber 
Arbeitgeber, baß jcpon bie Vefcplüffe einer Gewerbegenoffenfcpaft 
über geroiffe Veftanbtpeile. beg Arbeitgoertrageg (g. V. pinficptlicp 
beg Augfdjluffeg ober ber ©auer ber Jfünbigunggfrift ober pin* 
fichtlid) ber £öpe beg Arbeitglohneg unb ber Art ber Lopnaug* 
gahlung) ohne Weitereg auch für bie Arbeitnehmer binbenb finb, 
auch wenn auf biefe befonberen Veftimmungen bei Abfcpluß beg 
Arbeitgoertrageg nicht Vegug genommen roorben ift. Eg fam 
weiter auch bie Anficht gum Vorftpein, baß beim Veftanbe einer 
Arbeitgorbnung f<hon bie ©patfacpe bei Genehmigung ber Arbeitg¬ 
orbnung bur<p bie Gewerbebepörbe ober ber Anfchlag im Arbeitg* 
Iofaie genügt, bamit bie Veftimmungen ber Arbeitgorbnung alg 
Veftanbtpeile beg Arbeitgoertrageg für beibe ©b e ü c Geltung haben. 

dagegen nehmen bie Geroerbegerichte, roie fiep aug ihren Ent» 
fcpeibungen ergiebt,, ben Stanbpunft ein, baß bie Arbeitgorbnung 
feine gewerblidpe Verfügung unb fein Vertrag, fonbern eine ein» 
feitige Veftimmung beg Unternepmerg ift, fo lange fte nicht burch 
Vereinbarung gu einem Veftanbtpeil beg Arbeitgoertrageg geworben 
ift. S>iergu ift aber — ben gefeßltcpen Vorfcpriften gu $olge — 
nach Anftcpt ber Gewerbegerichte nicht eilte oon beiben Vertragg* 
theilen abgegebene augbrüalicpe Erflärung barüber nothroenbig, baß 
bie in ber Arbeitgorbnung enthaltenen Veftimmungen alg Veftanb* 
theile beg Arbeitgoertrageg für bag Arbeitgoerhältniß maßgebenb 
finb, fonbern bie Geroerbegerichte halten eg für augreicpenb, wenn 
aug ben tfjatfadjlic^en Vorgängen bei ber Aufnahme beg Arbeitcrg 
ftth ergiebt, bah bie Aufnahme unter ben in ber Arbeitgorbnung 
begegneten Vebingungen angeboteri unb angenommen worben ift. 

$>iefe Annahme wirb nach ben oorliegenben Entfcheibungen 
ingbefottbere bann alg thatfäcplicp begrünbet angefehen unb bem* 
nach ber Schalt ber Arbeitgorbnung alg Veftanbtpeil beg Arbeitg* 
oertrageg anerfannt, wenn: 

1 . „cntroeber ein gebrucfteg Ejemplar ber Arbeitgorbnung 
bem Arbeitnehmer oor feiner Aufnahme mit ber Weifung 
eingepänbigt würbe, oon bem Spalte ber Arbeitgorbnung 
Stenntniß gu nehmen, ober 

2 . wenn bem Arbeiter bie wefentlichften Veftimmungen ber 
Arbeitgorbnung, ittgbefonbere jene über bie Sfünoigung, 
über bie Arbeitggeit unb über bie $öpe ober Art ber Ve* 
recpnung beg Arbeitglohneg, münblicp befannt gegeben 
werben, ober 

3 . wenn ber Arbeiter angewiefen wirb, oon bem Spalte ber 
angeschlagenen Arbeitgorbnung Äenntniß gu nehmen unb 
fobann in allen brei Sailen ber Arbeiter augbrücflicp ober 
ftillfcproeigenb burch llebemahme ber Arbeit fiep bamit 
einoerftanben erflärt, baß biefe Veftimmungen ber Ar* 
beitgorbnung alg Veftimmungen beg Arbeitgoertrageg gu 
gelten haben." 

Arbetterfcpnß bei öffentlichen Lieferungen in Defterreicp. s Aug 
ben jüngften Verpanblungen beg Arbeitgbeiratbeg hat man er* 
fahren, bah in ber Angelegenheit beg Arbciterfcpußeg bei Ver¬ 
gebung öffentlicher Arbeiten uno Lieferungen bereitg umfaffenbe 
Vorfeprungen getroffen finb. An fämmtliche EentralfteKen oon 
Defterreich-Ungarn, Vogitien unb ber Herzegowina, bie autonomen 
Vehörben, bie Lanbegaugfcpüffe, bie gröberen fommunalen Ver¬ 
waltungen in Defterreid), ferner bie ftatiftifepen Aemter ber 
europäifepen unb außerenropäifepen Snbnjtrieftaaten würbe ein 
Äunbfcpreiben gerichtet, mit bem Erfucpeu um Wittheiiung ber 
über bag 0ubmiffiongroefeu geltenben Vorfchriften. ®ie Erfahrungen 
unb Wahrnehmungen in auberen Staaten foflen bic Aicptfdjnur 
bieten für bie Siegelung ber Angelegenheit in Ccfterreicf). Sn einem 
wirb man bem Aeferenten, Winiftcrialfcfretär Dr. Vad), beipflichten 
fönnen: baß ben Erforberniffcn beg Arbeiter) cpußeg unb ben 
Wiinfcpen nach Verbefferung ber Arbeitgbebingungen bei öffentlichen 


Lieferungen, welche oon Seite uttferer Staatgoerroaltung , gu ocr* 
geben finb, leichter Rechnung getragen werben fönne, alg im inter¬ 
nationalen Wettbewerbe ber Vrobuftion, ba im erfteren Salle ber 
Stonfurrengfäpigfeit bcr peimifepen Snbuftrie gegenüber augroärtg 
nieptg im Wege fteht. 

Arbeiterffpup i» ber ferantifepen Snbuftrie England Alm 

18. Suli fanben im enalifcpen Hanbelgamte Äonferengen mit SSer- 
tretern ber feramifchen Snbuftrie ftatt, bereu roar / 

Amte birefte Snformationen über bie Verroenbung oon Vleiroeife 
unb bie Wöglichfcit beg Erfapeg beffelben burch em unfchablidpeg 
Vleipräparat gu oerfchaffen. $)er Äonfereng wohnten auch bie 
Vrofefforen Olioer unb Shagpe bei, bie ben Verist über ©lei» 
oeraiftnngen an bag Board of Trade erftattet haben. S)ie 
Sabrifanten fprachen fich bahin aug, bap fte gern bereit feien, bie 
Verwenbung oon Vleiweip fo weit alg möglid) gu befchränfen unb 
plaibirten für eine Verallgemeinerung ber regelmäßigen ärgtlichen 
Unterfuchuna ber Arbeiter in ben feramifchen Snbuftriegweigen, bie 
bigper auf Stauen unb Wäbcpen befepränft war. 

Arbettgorbuttugeu in Velaieu. Laut Gefep oom 15. Suni 1896 
müffen in fämmtltcpen belgifcpen Sabrifen Arbeitgorbnungen an* 
gefcplagen fein; burch heftet oom 31. Wai l. 3- ift biefe Ve* 
ftimmung auf alle Vetriebe auggebepnt worben, in benen roenigfteng 
fünf Arbeiter befd)äftigt finb. 

^ie ißßfereitg ber baperifepen Sabrifen* unb Getoerbeiufpef= 
toren, finbet am 6. Stooember im Staatgminifterium beg Snnern in 
Wiinchen ftatt. Gegenftattb bcr ^agegorbttung finb unter Attbeni 
bie Gewerbeaufficht in ben §anbmerfgbetriebcn, Spegialerpcbungen 
für bag Waurergewerbe im Sapre 1900, Vefdjäftigung oer^ 
peiratpeter Srauen in Sabrifen, ftatutarifepe Veftimmungcu über 
bie Lopugaplung, S^ormatiobeftimmungen über Unfalloerpütung unb 
Getoerbehpgiene, Sichcrhcitgoorfcpriften für Aufgügc, Werfftättcn* 
oentilatiou, Lopnftatiftif, Rebling bcr allgemeinen Vilbung bcr 
Arbeitcrbcoölferung, Vefcpäftiguiig oon Heimarbeitern, Errid^tung 
oon Spipenflöppetfcpulen. 


JCrbeUemetfii^emng. gpatkaflTeu. 


3nr Organifatton ber getoerblicpett Unfölloerftcpernng in fyranfreie^*^) 

Siacpbem bie Volfgoertretung noch furg oor bem Termine oer* 
fepiebene Ergängungg* unb Augfüprungggefepe ootirt patte, ift bag 
UnfaHüerftcperungggefeß oom 9. April 1898 am 1. Suli b. 3« in 
$raft getreten. ^>er einmonatlicpe Auffcpub, ben ber Anfangg* 
termin burep ben langfamen Gang ber parlamentarifcpen Verpanb* 
lungen über bie Augfübrunggmaßnahmen erlitt, wirb übrigeng 
feine SRacptpeile für bie Arbeiterroelt oerurfaepen. Auf einen fogia* 
liftifcpen Antrag pin ermächtigten bie beibett legiglatioen Körper* 
fepaften bie Regierung, alle gmifepen bem 1. Suni unb 1. Suli 
oerunglüeften Arbeiter naep ben Vorfcpriften beg Unfallgefepeg aug 
Staatgmitteln gu entfepäbigen. Eine Enquete über bie in biefem 
Seitraum oorgefommenen Unfälle ift bereitg im Gange. 

Wie gu erwarten war, übte bag Snfrafttreten beg Gcfepeg, 
weltpeg bie fämmtlicpen Soften ben Unternehmern aufbürbet, einen 
SRücffcpiag auf bie Arbeitgoerpältniffc aug. Saft überall 
maepte fiep bag Veftreben geltenb, einen £peii ber Laften auf bie 
Lopne abguroälgen. An oielen Drten, namentlich in SRanteg, in 
ÜRarfeilte unb SDiion fam eg begpalb gu Augftänben, bie gum 
Xpeil noep niept beigelegt finb. 2>ie Weprheit ber Geroerbetreiben* 
ben oergieptete jeboep barauf, bie Verftd;erunggfoften burep Lopn* 
rebuftionen auggugleicpen, unb eg erfcpcint niept waprfcpeinlich 
baß bie Drqanifation ber UnfaHoerftcperung eine bauembc SRücf* 
roirfung auf bie Lopnpöhe augiibe. 

Ebenfo erroiefen ftep bie Vefürcptungen über eine anbere un* 
günfüge 9tebenwirfung beg Gefeßeg alg übertrieben: ba bie Unfall¬ 
renten opne obligatorifcpe Solibarpaftung gebccft werben, fo riepten 
fiep bie Laften ber Unternehmer im XobegfaDe itacp bem Samilien* 
ftanbe beg Verunglücften. ©er Unoerpeiratpete, ber feine ober 
nur auffteigenbe Erben pinterläßt, oerurfaept weit geringere Ent* 
fcpäbigunggfoften alg ber Verpeiratpete mit bireften Erben. Aug 
biefem Grunbe patten fiep tpatfädjlid) bereitg mehrere Verficperungg» 
aenoffenfdjaften gebilbet, bie ipren 3)Htgliebern gur ^ßflidpt maepten, 
Samilieuoäter möglidpft aug ipren Vetrieben auggufcpließen. Eine 
entfpreepenbe Gefeßegreform war im Varlamente fepon angeregt, 
aber oerfepoben roorben, ba mau guerft bie praftifepe ©ragroeite 

) 3ieljc „3ogiale Ar. 30 u. 35. 



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Sogtale PrajtS. ©entralblatt für Sogtalpolittf. Ar. 44. 


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bicfcr mangelhaften Veftimmung abwarten wollte. Sie bürfte 
nunmehr gänzlich unterbleiben. 3 UI1 ä<hft erflärten einige prioate 
SBerfid^erungögefcÖfc^aften, bafc fie oerheirathete unb unoerheirathete 
Arbeiter gu gleichen Prämien oerfichern. AnberfeitS oeröffentlichte 
bas Arbeitsamt eine beruhigettbe Aufflärung. AuS ber beutfdhen 
unb öfterreicbifchen UnfaUftatiftif erhellt, bafc bie 3af)l ber mit 
Stob enbigenben Unfälle oerhältnifsmäjjig fehr gering ift, unb baß 
bie ßaften aus töbtiichen Unfällen gegenüber ber ©efammtfumme 
aller ©ntfdhäbigungen !aum ins ©ewidjt fallen. Aud^ bie Vor* 
theile, ‘bie aus ähnlichen ©rünben non ber Vefchäftigung aus* 
länbifcher Arbeiter erhofft mürben, rebugiren fi<h weit unter bie 
anfänglich gehegten ©rwartungen. 

9iacf) feinem Bortlaute, ber nur eine Anzahl oon ©ewerbe* 
gweigen aufgähtt, mie nach ben beutlich auSgefprochenen Abfichten 
ber ©efehgeber follte bas Unfattgefefc fich nicht auf bie ßanb* 
mirthfehaft erftreefen. Tiefe fonnte nur inforoeit in betracht 
fommen, als fte Ptafchinen mit mechanifcber Triebfraft oermenbet. 
Um nun alle 3meifel gu befeitigen unb namentlich auch bie 35er* 
antroorlUchfeiten genau gu fiyiren, hat man burch ein befonbereS 
©efefc oom 30. 3uni bie Vefiimmungen beS §auptgefehes bahin 
ergänzt, bafe für Unfälle bei lanbwirtbfdbaftlichen Pcafcfjinen ftetS 
ber VetriebSinhaber ber betr. Pfafdbinen haftbar ift, foroohl für 
fein eigenes mie für baS oon bem ßanbwirthe geftellte Arbeiter* 
perfonal, auch wenn es gur Öamilie beS lefcteren gehört. 

Tie neuen Verwaltungsorgane, welche burch bie Aus* 
führung ber VerfidEjerung nöthig werben, finb bis jefct noch nicht 
eingerichtet. Plan hat tn einem Nachträge gum Vubget nur bie 
$rebite geforbert, welche bafür in ber gwetten Hälfte beS Iaufenben 
Jahres erforberlicf) ftnb. darnach, burch ©efefe oom 30. Suni 
feftgefefct, werben für bie beim £anbelsminifterium gu febaffenbe 
©entralbehörbe 16 000 5rcS., für ben AuffichtSbienft bei ben oer* 
fchiebenen VerfidfjerungSanftalten 34 000 grcS. oerwanbt. 3m 
Parlamente hat man an bie ^Bewilligung biefer Ärebite für bie 
erftmaligen Ausgaben unb für ben Vetrieb im gweiten Halbjahr 
1899 jeooch bie Vebingung gefnüpft, bafj bie orbentlichen AuS* 
gaben in ben Jommenoen Sahnen 80 000 grcS. nid^t überfteigen. 

Tie Ausführung beS ©efefceS hat gegeigt, ba§ bie Verftche* 
rungsfreiheit allein nicht im Stanbe war, alle bie Anftalten heroor* 
gubringen, welche ben Vebfirfniffen ber oerfhiebenen Unternehmer* 
fategorien entfprechen. Beber bie fcf)on beftehenben Prämien* 
gefeÜEfchaften noch bie ©enoffenfehaften auf ©egenfeitigfeit waren 
int Stanbe, ihre $unbf<haft beträchtlich gu erweitern. 3m ©egen* 
theil, eS erfchien nothwenbig, burch befonbere legiSlatioe Pfaferegel 
bie beftehenben VerficherungSfontrafte oor ihrem Termin fünbbar 
gu machen. TaS ©efefc oom 30. 3uni giebt allen Unternehmern, 
beren betriebe in ben ©eltungSbereich beS UnfaUgefefceS fallen, 
baS PedEjt, binnen eines 3ah*eS ihre bisherigen VerfidherungS* 
oerträge gu fünbigen. Auf ber anberen ©eite entftanb in ben ge* 
werblichen Greifen bas lebhafte Verlangen nach ftaatlichen Anftalten. 
©in noch unerfebigter Antrag in ber Teputirtenfammer forbert 
felbft bie Schaffung einer großen ßanbeSoerficherungS* 
genoffen fchaft, bie mit Staatsmitteln gu grünben fei unb unter 
Staatsgarantie funftioniren folle. Verwirrlicht würbe bis heute 
nur bas erfte Projeft. Turdb ©efefc oom 24. Piai ift bie ftaatlidE)e 
freie Unfaürentenfaffe ermächtigt, ihre Operationen auch auf bie oom 
UnfaHgefefc oorgefehenen ©efahren ausgubehnen. Tie Prämien* 
tarife finb jeboch fo fyoty angufefcen, bafe fie fämmtliche Ver* 
maltungsfoften biefer ftaatlichen Verfidherung beefen. Tie mittler* 
weile oeröffentlichten Tarife haben jeboch bie Hoffnungen ber Keinen 
Unternehmer entläufst. Sie halten fich ungefähr auf ber gleichen 
Höhe wie bie Prämien, welche oon ben prioaten ©efeUfchaften er* 
hoben werben, unb es fcheint, als ob bie Regierung bamit ben 
Buftrom gur Staatsanftalt habe abfchmächen unb bie Vilbung oon 
freien Verficherungsgenoffenfchaften begünftigen wollen. 

Paris. 3. Schotthoefer. 


®ie ttnfalfocrfuheraogSOoriage itt beit Picbcrlanbcn. Tie be* 

antragte ©rrichtung einer allgemeinen VeichS*VerftcherungSbanf hat 
bri ben ©rofjinbuftriellen feit einigen Ptonaten einen großen Biber* 
ftemb ergeugt, ba fie behaupten, bafe ihnen bie 3mangSoerfi<herung 
utel tbeurer gu fteljen fommen wirb, als ihre iefeige fiage, wo fie 
bo^ auch ihre Arbeiter nach einem Unfall gu unterftiifeen pflegen, 
©re forbern baher baS Pedht, VerufSgenoffenf«haften bilben gu 
ourfen. 3h re r Agitation gufolge hat jefct ber Abgeorbnete 
Dr. Änpper eine Ptenge oon AmenbementS eingebracht, beren 
3wecf ift, wenigftenS fünf Arbeitgebern, oon benen jeher wenigftenS 
tünfgig Arbeiter unb bie gufammen wenigftenS 5000 Arbeiter be* 


fdhäftigen, baS Vecht gu geben, eine VerufSgenoffenfchaft gu bilben, 
bäen Statuten oon ber Königin aenehmigt werben unb eine giem** 
lieh fi<h ere ©arantie bem Staat barbieten rnüffen. Streitigfeiten 
wifd^en ber VerufSgenoffenfchaft unb ben oerficherten Arbeitern 
ollen oon einem S^iebSgerid^t aus Vertretern ber Arbeitgeber 
unb ber Arbeiter entfliehen werben. $)er ©infprud^ wirb in her 
gweiten Kammer am 8. September oerhanbelt werben unb es ift 
nic^t unmöglich, bafj bie Regierung i|r bis jefct feftgehalteneS 
Pnngip wirb oerlaffen müffen. 

Amfterbam. 3. H- ».an Sauten. 

AUevSOerforgnitg ttttb AYmenfürfor^e itt ©ttglanb. 3« ©ng* 
lanb werben bie DrtSarmen (Einher, rüftige Pfänner ünb 3rauen, 
Arbeitsunfähige) im Arbeitshaus untergebracht, ’&ie ©rörterung 
ber 3rage her gefefclicbcn AlterSpenftonen hat eine Parlaments* 
fommiffton gu einer Sieibc oon Sorberunacn auf Umänberutig her 
ArbeitshanSbehanblung gebraut, bie im feefentiiehen barauf fym* 
ausgeben, bie wiirbigen Vebürftigen oon ben übrigen Snfaffen bes 
ArbeitshaufeS gu trennen unb alle Einher, mit Ausnahme ber 
Säuglinge, außerhalb ber Anftalt untergubringen. 2>ie würbigen 
Armen foüen in befonberen 3immcnt fich am 2^age aufhalten unb 
ihre Pfahlgeiten einnehmen bürfen. 3u ben Sonberfchlaffälcn Ttub 
©ingelabtheilungen für jeben eingerichtet. Sie foUcu eine größere 
Freiheit genießen, Spagiergäuge .unb einen Ausgehtag tn ber 
'Boche bewilligt erhalten unb fiel) befuchen Iaffeit bürfen. 3h^ 
ArbeitSgeit wirb oerfürgt, fie erhalten ein Vecht auf Nationen oon 
Xabaf, Schnupftabaf, troefenen Xljee unb 3ucfcr. $)iefe Ver* 
quiefung oon Armenpflege unb AlterSoerforgung wirb bem 3uftanbe* 
fommen einer gefefclithen AlterSperficherung faunt förberlidj fein. 




Obltgatortfiher ArbeitSmuhweiS ber Vädfertmmttg in Bresben. 

^ie Väcferinnung in Bresben hat fich in eine 3mangSinmmg um* 
gewanbelt. 2>aS neue Statut enthält nun eine Veftimmung, nad^ 
welcher bie Pteifter oerpflid[)tet ftnb, nur oom Unternehmer*ArbeitS* 
nach weis gugewiefene ©ehülfeit gu befcöäftigen. Ber bagegett fehlt, 
wirb mit einer Vujje oon 20 J/ belegt unb muß attfeerbem folthe 
nicht legal nach bem Statut auf genommene ©ehülfett fofort ent* 
laffen, wenn er nicht wieberholt beftraft werben will. 5>a es fidE) 
um eine 3mangSinnung hatibelt, ber fämmtliche Vädfermeifter an* 
gehören müffen, fann fich ber ©ingelne gegett biefen Terrorismus 
nicht im geringften — burch Austritt 2 c. — wehren. 

Stäbtifcfyer Arbeitsnachweis für Schöneberg. Tie Schöne* 
berger Staotoerorbneten befchloffen unter 3 u ftimmung beS 9Ka* 
giftrats bie ©infiihrmtg eines oöHig foftenlofen ftäbtifqen ArbeitS* 
nachweifeS unb wählte in bie ftänbige VerwaltungSbeputation für 
biefen Arbeitsnachweis brei Arbeitgeber unb brei Arbeitnehmer. 
Tie Vermittelung für weibliche Arbeitfuchenbe fotl einer weiblichen 
Perfon übertragen werben, welche für ihre Thätigfeit, bie auch an 
Sonntagen auSguüben ift, jährlich 900 Jl. erhält. Ter Nachweis 
tritt am 1. Auguft in 5fraft. 

f^örbernna ber 3tohanSbitb«ug burch ben Arbeitsnachweis in 
Tüffelborf. Sas ©eutrajbüreau Des VerbanbeS gur görberuug 
beS ArbcitSnachweifeS int Peg.*Veg. Tüffelborf, bem bis jefet bie 
ArbcitSnachweiSftelleu oon. Anrath, Tüffelborf, Tuisburg, ©Iberfelb, 
©ffen, Hi^ en / Ätefelb,- Pt.*©labbach, Peu&, Aatingen, S^^e^bt, 
Solingen, Vierfen angefchloffen finb, hat eine Tenffchrift an bie 
Schulen feines VegirfeS oertheilen laffen, welche bie ©Itern unb 
Äonfirutanben auf bie Pothwenbigfeit unb Püßlichfcit ber gewerb* 
liehen gachauSbilbung unb bie ©efahr einer Vermehrung ber un* 
gelernten Arbeiter hiameift. Tic bem Verbanbe ungehörigen s J?a<h* 
weisftcllen oermitteln unentgeltlich &ehrlingSftel!en. 


Stiftungen, Verwächtniffe nnb ©efchenfe jn ©unftcu ber 
Arbeiter. Ter ©entraloerein für baS Bohl ber arbeitenben klaffen 
oeröffentlieht in bem „Arbeiterfreunb" jefet vierteljährlich bie oon 
Snbuftrieflen, prioaten unb Aftiengefettfchaften beS Teutfthen 
Reiches ben Arbeitern unb beren Angehörigen begw. beit un» 
bemittelten VolfSflaffen gemachten auherorbentUcheu ©efchenfe unb 
Stiftungen. Bährenb baS erfte Vierteljahr einen ©efammtbetrag 
aller ber Vebaftion befannt geworbenen ©efchenfe, Stiftungen unb 



1179 


©ogtale PrajtS. Gentralblatt für Sogialpolttif. Br. 44. 


1180 


Bermächtniffe von 5 804 317 JC ergeben ^atte, geigte baS gweite 
Bierteljahr non Anfang April bis Gttbe 3uni 1899 einen ©e* 
fammtbetrag non 6 493 886 di ; baoon 


entfielen auf: 

oon (42) 
Prioaten 

JC 

oon (134) 
Aftien- 
gefell* 
[«haften 

JC 

3n 

Suinnta 

JC. 

penftonS* unb UnterftüpungSfonbS, 
fowie Stiftungen für Arbeiter unb 
bereit Angehörige. 

530 642 

1 

2 042 934 

2 573 576 

Prämien, ©ratififationen, ©ewinn* 
antheile. 

50 OCX) 

1 320 005 

1 370 005 

nidht befonberö begeichnetc Arbeiter* 
woljlfahrtsgwecfe. 

200 000 

931 441 

1 131 441 

gur fiinberung ber golgen oon Ar* 
beitslofigfeit. 

— 

35 000 1 

35 000 

nicht befoitberS begeid)nete gemein* 
nüpige 3roccfe. 

135 000 

l| 

278 500 1 413 500 

Äinberfürforge. 

16 000 

I 9 013 

25 013 

Altenheime unb Bürgerafqle . . . 

30 000 

— 

1 30 000 

ftranfeiipflcge unb ©enefenenfürforge . 

217 600 

141 969 

i! 359 569 

BJohmutgsfürforge. 

36 000 

12 477 

j, 48 477 

GrgiehuugS* unb UnterrichtSgwecfe. . 

11300 

12 000 

;; 23 300 

BilbungSgmecfe (Bibliothefeu :c.) . . 

21 000 

— 

!; 21000 

Äirdjlidje 3merfe. 

11 000 

15 005 

jj 26 005 

.Hunjtpflege (Biufeen, 2)cnfmäler :c.) . 
Unterbringung unb Berpffegung er* 
werbsthätiger 3)?äbchen . . 

310 000 

2 000 

312 000 

125 OCX) 

— 

i 1 

ü 125 000 


1 693 542 

4 800 344 

1 6 493 886 


Au&erbem ohne befonbere Aufführung ber bewilligten Beträge: 
1 Penfionsfaffe, 1 Prämienfaffe, 2 Baupläne für AlterSoerforgungS* 
Käufer 2 c v Sahrfartenoerabfolgung u. f. w. 




9JirS. Sharman, Sefretär ber Womens Civic League, Ä geführte 
Enquete wirft auch ein intereffantcö Streiflicht auf amerifanifche 
BßohnungSoerhältniffe überhaupt. 2öir finben barin folgenbe 3u* 
fammenftetlung: 

Prozente b. Käufer Progentc b. Bcoölferung 
bewohnt non woljnenb in Raufern mit 

1—6 7—10 llu. me^r 1—6 7—10 11 u. mehr 
Per fönen perfonen 


Bew*?)ürf . ■ 

. . 27,7 

22,4 

49,8 

6,3 

10,i 

83,5 

Gfjicago . . 

. . 46,5 

22,9 

24,5 

22,9 

27,8 

49,i 

Philabelphia . 

. . 7l,o 

28,5 

4,3 

52,o 

35,2 

12,7 

Brooflqn . . 
St. SouiS . . 

. . 40,3 

24,o 

29,6 

17,8 

25,4 

56,6 

. . 52,2 

30,3 

16,4 

28,9 

34,8 

36,j 

Bofton . . . 

45,3 

31,4 

24,2 

22,5 

29,7 

47,s 

Baltimore . . 

. . 63,3 

30,i 

5,8 

44,5 

41,3 

14,i 

$onferS. . . 

. . 43,2 

33,o 

23,7 

21,7 

32,3 

45,9 


$)ie Enquete in ?)onferS befaßte ft<h oornehmlich mit 
587 Arbeiterwohnhäwfern, wooon 203 blofj je einen SRaum ent* 
galten unb non ebenfoniel H au ^ a ltangen mit 1004 perfonen be* 
wohnt werben; 165 Raufer enthalten je 2 BSofinräume unb werben 
non 1552 Perfonen bewohnt; 175 befipen 3 Söohnräume unb 
werben non 1739 Perfonen bewohnt; 51 Käufer ha&en 4 SRäutnc 
unb beherbergen 966 perfonen unb 43 Raufer hoben 5 ober mehr 
SBohnräume unb werben non 1258 Perfonen bewohnt. $as 
wichtigste (Ergebnip geht bahin, bap 75% ber Haushaltungen, 
ober 71 o/ 0 ber Beoölferung, über weniger als einen SRaum pro 
Perfon, Äüdhe inbegriffen, nerfügen. 


0,8 

1,56 

13,9 

25.7 
26,3 

14.8 

11.8 
2,3 


$)ie SJßiethpreife erhellen aus folgenben $)aten: 

Progent b. unterrichten 3Bof)nung. fofteten unter 3 $ rnonail. 

, . . * - - 15—20 = 

* = = * = = 20—30 * 

= s s * = = 30—40 = 

. = = = = - 40—30 * 

s = = = = = 50-60 * 

s s = s = * 60—80 * 

* = * * * über 80 * 


3m ^urdjfchnitt fieHt fidt) ber TOethpreiS pro 3öohnrattm im 
Arbeiteroiertel non $onferS auf runb 8 dt. pro Blonat. 


ArbeiterwohmmgStoefen. $er flÄagiftrat non Nürnberg hat 
bie Erbauung non norerft 108 Wohnungen für ftäbtifd^c Bebienftete 
befchloffen. — $>er rheinifche Berein gur görberung beS Arbeiter* 
wohttungSwefenS weift neue (Erfolge feiner Begebungen auf. 3m 
SRegierungSbegirf $)üffelborf finb eine SReihe getneinnüpiger Bau** 
oereine, u.A. in fieerbt, Weniges, Sfrap, Gffen, Gronenberg unb 
fiüttringhaufen gebilbet, währenb in anberen Drten, g. B. in 
Hrefelb, Dberpaufen, Sülicf), 3üchen, Grfrath, ^aiferSwerth, SRonS* 
borf unb HitrfcSwagen bie ©riinbung foldjer Bereine beoorfteht. 
3n SRabcoormwalb unb SRecS beabfidjtigen bie Sparfaffen mit 
Hülfe ber ©elber ber Berfi<heningSanftalt SRIjeinprooing Darlehen 
gwecfS (Erbauung non Arbeiterwohnungen gu gewähren. 3m 
Kölner Begir! ftnb neue Bauoereine in $öln*Ghrenfelb, $öln»Süb, 
in Bonn unb H enne f entftanben. 

3m SRegierungSbegirf Äobleng ftnb auf Anregung unb mit 
Hülfe beS 1'anbrathS beS Greifes Blapen gtoet Baugenoffenfchafteit 
entftanben (0tabt 2Rapen unb Anbernad)). GS wirb beabftchtigt, 
hier bie Bestrebungen auch auf Iänblidje ©egenben gu übertragen, 
um bie lanbwirthf3)aftlid)en Arbeiter fefehaft gu machen. 3n ber 
Stabt Xrier ift ein Baunerein in ber Bilbung begriffen. Sämrnt* 
liehe oorgebarfjten Bauoereine ftnb unter BMtwirfung ber £ofal* 
beworben entftanben. 

in Sübecf. 2)er fiübecfifche Senat hat 
bie Ausarbeitung eines SSohnuttgSpflegegefepeS oeranlafet, baS bie 
Befferintg ber Arbeiterwohnungsoerhältitific begtoeeft, oom 9Rebiginal* 
foliegiutn geprüft unb für gutbefunben worben ift, unb bemnächft 
ber Biirgerfchaft gur Befthluftfaffung unterbreitet werben wirb. 

5Reue Arbeiterfofonie bei Berlin, ^ie Berliner Biafd)incnbau=2lftien s 
gefcHfcftaft oormalö Sdjwarpfopff uerleqt tlircii gclanimteii ^nbrifbetrieb 
in bie (ücgenb jioifdicn Mötiigvwuftcrhaiifeu uub Reuthen unb bcab= 
[id)tigt bie Unterbringung uon 20no Arbeitern in eigenen Arbeiter 3 
bäujevn. !Sie 1(K)0 übrigen Arbeiter erhalten eine bequeme Bahn* 
oerbinbung mit Berlin. 

^ohaungSoerhältntffe in amerifanifchen Stäbtcn. ^ic Am riean 
Economic Association ueröffnttlicf)t eine Stubic über bie Arbeiter* 
wohrntttgSoerhältniffe in ?)onfcrs, einer Stabt oon 40 000 Gilt* 
wohnern in ber unmittelbaren Umgebung 9icw*?jorfS. ^ie oott 
gwei tarnen, s Diiß Butler, ^räfibcntiit beS Womens Institute, uub 


$0}ialpoltttfil)e J(a§nat)timt int öerhctjrsioeftn. 

Siegelung ber ArbettSgeit ber 3 vdfü^er unb *■ 

^ranfreich« 3n ber Sipung ber 2)eputirtenfammer oom 4. 3uli 
interpeüirte ber $>eputirte 3eaaeS ben Btinifter für öffentliche 
Arbeiten betreffs beS ©efejjentwurfeS Berteauf, ben bie Kammer 
1897 angenommen hat unb ber genaue Beftimmungeu, betreffenb 
bie ArbeitSgeit oon 3agSbebienfteten, enthält; bisher ift biefer (Eni* 
wurf bem Staate noch immer nicht unterbreitet worben. 35er 
BHnifter für öffentliche Arbeiten fonftatirte, bafc bie Regierung noch 
feine Qtxt gefunben, ftch mit biefer Angelegenheit gu befaffen, baß 
fie feboch nidht ermangeln werbe, bie BJünfche beS Parlaments in 
ber ^Richtung beS angenommenen ©efepentwurfs rücffjaltloS gu 
förberu. 

BetriebSunfä 0 e auf ben groftbritaumfdjen ©ifrubahueu» 5 )a *3 

BetriebSperfonal ber (Eifenbahnen in ©rofebritannien umfaßte (Enbe 
1895 mehr als 390 000 perfonen. 2)urch birefte Betriebsunfälle 
würben baoon im 3ah*e 1898 504 Bienfchen getöbtet unb 4149 
oerwunbet gegen 510 ©etöbtete unb 4129 Berwunbete im 3 a h re 
1897. Aufeerbem farnen im 3ah« 1898 auf ben ©ifeubahngrunb* 
ftücfen burch anbere Unfälle noch weitere 38 £obeSfäüe unb 
8830 Bermuttbungen oor gegen 56 XobeSfäHe unb 10 273 Ber« 
wunbungen im Borjahre. Söährenb beim Bureauperfonal erft ani 
11500 Pcrfoneu eine töbtliche Berunglücfung fommt, fällt bei 
manchen Arbeitergruppen, bie im ©leifebetriebe angefteüt ftnb, 
fchon auf 485 perfonen eine Söbtung. $)ie gahlreichen Unfälle 
waren bie Beranlaffung gur Ginfefeung einer föniglidjen Mommiffion 
gur Unterfudjung ber llrfachen biefer löblich unb nicht töbtlid) oer* 
laufenben Unfälle im Gifeiibahnbctriebe. 5E)ie Mommiffion, ber 
3ad)leute unb Parlamentarier angeboren, foH auch über bie bis* 
her eingeführten Sd)u(joorrid)tungen unb •Beftimntungcn berichten 
unb ihr Urtfjeil über Blittel abgeben, burd) bie im tedutifdien 
Gifeiibahnbctriebe unb im 5Sege gefeplicher Anorbnungen unb fee» 
hörblicher Berfiigungeu bie 3 a hi *> er Unfälle gu oerminbern ift. 

Ar6eitSPerhältniffe auf ben italiemfchen Bahnen. $>ie oon bei 
italienifdjen ^eputirteufammer angeorbnete Guquete über bie 














1181 


©ogtale $ragt*. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Rt. 44. 


1182 


ArbeitSoerhältniffe auf ben ©ifenbahnen Italiens ift eben bcenbet 
worben unb Ijat bie Regierung ben 600 ©eiten utnfaffenben Bericht 
hierüber oorgelegt. Die Borfdjläge ber UnterfuchungS*$fr)minifF»oii 
gipfeln in Jolgenbem: 

Die ©ifenbahngeftttf<haften werben oerhalten, bem SRinifterium 
für öffentliche Arbeiten ju Beginn eines Jeben Jahres eine ooff* 
ftänbige RamenSlifte aller Bebienfteten oorgulegen. Die Regierung 
behält fief) oor, über bie Aoancements, Remunerationen u. f. w. 
auf ©runb eines für alle Bahnen einheitlichen Reglements genaue 
Aufftdjt gu führen. Die Bahnen füllen oerpflichtet werben, für bie 
AlterSoerficheruna ber Arbeiter ©orge gu tragen. (Sine ©pegiöl- 
foramiffton foH Damit beauftragt werben, barüber gu machen, ob 
bas $erfonal jeber Bahn für bie eingelnen Dienftgweige genügenb 
grob 'ft um bie ©idjerheit beS BerfehreS nicht gu beetjtträdjtigen. 
Sin Reglement fotf genau bie Ruhepaufen für bie einzelnen 
Arbeiterfategorien fijiren unb gwar folt jeber Arbeiter in 24 ©tunben 
auf minbeftenS 7 ununterbrochene Ruheftunben Anfprud) hu^en. 
Die Regierung mirb genaue $ontroIe aller Arbeiterfchup*Beftim* 
rnungen, betreffenb baS @ifenbahn*DienftperfonaI, einführen. 


ßtterorifdir Anjetgeit* 

Jahrbuch für ©efepgebung, Berwaltung unb BoIfSwirtÖ* 
fdjaft im Deutfchen Reich- 28. Jahrgang. fterauSaegeben 
oon ©uftao ©chmoller. 3. $eft. Seipgig 1899, Wunder 
Sc gmmblot. 

Bon ben gröberen Auffäpen biefeS namentlich auch für ben ©ogial* 
politifer fehr intereffanteu §efteS firtb fjeroorgupeben „Die fogiale 3u* 
[ammenfepung ber Beoölferung im Deutfchen Reiche nach ber Berufs* 
jählung oom 14. Juni 1895". Bon bem trefflichen £ Ibenburger 
©tatiftifer $aul Sfoümann. gabrifbireftor ©reifcl untcrfucht bie Be* 
laftung ber beutfehen Jnbuftrie burd) bie Arbeiter*Berfid)erungS* unb 
©djupgefepgebung. Regierungsaffeffor ©raf Roebern giebt eine Ueber* 
ficht über bie neueren Begebungen unb Reformooruhläge in ber 
Wohnungsfrage. W. WpgobginSfi oeröffcntlidjt Rottgen gur ©efchichte 
beS lanbrnirtjchaftlidjeu ©enoffenfd)aftSwefenS in Dcutfchlanb. ©ntil 
SRünfterberg erfiattet Bericht über bie 18. Jahresversammlung beS beut* 
[djen Bereins für Armenpflege unb Wopltbätigfeit. .franbclsfamnter* 
©efretär Dr. Dietrich bespricht bie gegenwärtige mirthfchaftliche 2age ber 
©pipeninbuftrie in Belgien. Wilhelm Raube liefert einen Beitrag gur 
©etreibepolitif ber Sßäpfie. ©eorg ©intmel giebt ein Fragment aus 
einer ^^^ilofop^ie beS ©elbes". 3« einer ©tubie über baS fogiale 
Problem in beutfeper ©age unb Dichtung behanbelt Bcwl Richter „Die 
Dljeilung ber ©rbe" mit erftaunlicher Sitteraturienntnip, bie fich fogar auf 
bie Sofalgefdjidjte erftreeft. W. 2criS fritifirt bie neue Arbeite* unb 
Werttheorie oon 2eo oon Buch- Sitterarifdje Angeigen fd)lieben baS £>eft. 
Die Arbeiter * Bcrficfjerung im AuSlanbe. Bearbeitet oon 
Dr. jacher, Äaif. ©eh- Reg.*Rat im Rei<hS*Bcrftcherung$amt. 
föcft V1I/V11I. Die Arbeiter*Berfid)erung in Defterreidj unb Ungarn. 
Berlin 1899, Berlag ber Arbeiter*Berforgung (A. Drofdjel). 
133 ©. Breis 3 M. 

Die nunmehr erfdjicnenen $efte VII unb VIII beS oorgüglidjen 
©ammclwerfes, bas bie ©rnnbfäpe unb ©rgebniffe ber auSlänbifdjen 
Arbeiteroerficherung für ben beutfehen 2efer überfi^tlidj gufammenftellt 
unb ihm ben ©efcpeStert an bie $anb giebt unb fidj burd) bie 3noer* 
läffigfeit unb ©rünbüdjfeit ber Bearbeitung auSgeichnet, befjanbeln bie 
Arbeiteroerfidjerung in £efterreidj*Ungarn in gleich muftergiltiger Weife, 
wie bie bisher erfdjienenen §efte. 

©olp, ?rof. Dr. Sljeob. grfjr. oon ber. Borlefunaen über Agrar* 
rnefen unb AgrarpoIUif. 3 e na 1899, ©uftao gifcher. 294 ©. 
$reiS 6 M., geb. 7 M. 

Der burd) mehrere h^orraaenbe Arbeiten über bie länbUche 
Arbeiterfrage befannte Direftor oer lanbroirthfehaftlichen Afabcmie 
BoppelSborf, früher Brofeffor in 3^na, ber auf bem ©ebiete ber Sanb* 
ioirthfch a ft ab8 eine ber crficti Autoritäten gilt, hat bie (Srgcbuiffe feiner 
langjährigen afabemifchen 2ehrtl)ätigfeit in ben foeben erf^ieneneti 
^Borlcfungen über Agrarroefen unb Agrarpolitik gufammengefafet ©r 
geigt fotoohl bie prioaten wie oolfsmirthidjaftlichen 3* e ft melche bie 
2 anbioirthfchaft oerfolgt ober gu oerfolgen berufen ift. Die beftetjenben 
3 uftänbe werben flar, befiimmt unb objeftio gefefjilbert unb ihr tieferes 
Berftänbnib burd) bie Darftellung ihrer gcfchi^tlichen ©ntwicfelung 
ermöglid^t. Aus bem Bereite ber Iänblidjen Arbeiterfrage, ber ein 
eigener Abfdjnitt gewibmet ift, wirb namentlich bie 2eutenoth befonberS 


eingebenb behanbelt unb barauf bingewiefen, bah bie ©utSbeftper burdj 
eine humane Behanblung ihrer Arbeiter bem Mangel an laubwirth* 
fchaftlichen Arbeitern gu einem guten Dfjeile felbft abguhelfen oer* 
mögen, ©ine Befchränfung ber greigiigigleit hält Berfaffer meber für 
wünfchenSwerth noch für burdjführbar unb befürchtet oon ihr für bie 
fipnbwirtbftbaft felbft unangenehme golgen (©. 156). Sßenn audh 
gwifcheti ben Unternehmern unb Arbeitern ftets eine gemiffer ©egenfap 
oeflchc, fo fei er hoch in ber 2anbmirthf<haft oiel geringer als in ber 
3nbuftrie ober fönnte unb foHte eS hoch fein, ba bie gemcinfamen 
^ntereffen oiel größer feien, als bie wiberfirettenben (@. 158). Die 
(Erörterung ber grage, ob Deutfdhlanb ein Agrar* ober gnbuftrieftaat 
fei, erfdjeint bem Berfaffer unfruchtbar: ,,©S ift beibeS unb muh beibeS 
bleiben. Die Uebereinftimntung gwifchen ben gntereffen ber lanbmirth s 
fchaftlidjcn unb benen ber übrigen erwerbstätigen Beoölferung ift er* 
heblid) größer als bie gwifchen ihnen obwaltenben ©egenfähe. Die 
Öanbwirthfdjaft ift unb bleibt baS gunbament ber BollSwirthfchaft." 
Aber biefer ©tanbpunft hiu^rt ben Berfaffer nicht, gegenüber agrari* 
fchen Uebertrcibungen auch bas Recht ber übrigen Beoölferung mit 
Radjbrucf gu oertheibigen. 

L’Humanite Nouvelle. Revue intet nationale. 3 e Annee. Juillet 1899. 
Paris, Librairie 0. Reinwald; Bruxelles, Librairie Spineux Prix 
du Numero: France et Belgique 1 fr. 25, Etranger 1 fr. 50. 
Berichte über ben ©tanb unb bie Stiftungen beS ©ewerbe* 
oereinS für §effen*Raffau pro 1898/99. 

Äeferftein, Dr. $orft, Die Bebeuiung einer gefteigerten BolfSbilbung 
für bie wirtl)fchaftliche©ntwic!elung intfereSBolfeS. —Bäbagogifchc 
SRittel gegen ben ÄlfoholiSmuS (Bäbagogifche Abhanblungen. 
IV. Bb. §eft 2). Bielefelb, A. §elmidjS Buchhanblung (§ugo 
AnberS). 23 @. B^eiS 50 &f. 

Bach, SBilh- Äarl, Die Äommunalfteuerfreiheit ber preufcifthen BolfS* 
fchullehrer (Bäbagogifche Abhanblungen. |>eft 46). Bielefelb, 
A. $ehnid}S Buchhanblung (C>ugo AnoerS). 21 ©. 

Der angebliche Ruin beS SfleinhanbclS burch ben Saben* 
ftlufe (glugfehrift Rr. 5 ber BerufSgenoffenfchaft Deutfeh* 
nationaler £>anblung$gehülfen*Berbanb). Hamburg 1899, Drucf 
ber 5>anfeatifchen Drurf* unb BerlagSanftalt. 35 ©. Br^ 20 9 \Y • 
Rleilath, gofef ©raf, Der fogenannte unabhängige ©ogialiSmuS in 
Ungarn mit befonberer Rücfficht auf bie Bobrogfög unb bie Btittel 
feiner Söfung. Söien 1898, ©elbftoerlag. Drucf oon ©arl ©erolbs 
©oljn. 15 ©. 

Jahresbericht ber £>anbelsfammer für ben ÄreiS ©ffen. 1898. 
Deil II. 

Jahresbericht ber $anbelsfammer für ben AmtSbegirf 
Bforgheim pro 1898. 

Beridjt über bie ©emeinbe*Berwaltung ber ©tabtBerlin in 
ben Jahren 1889 bis 1895. Btit Abbilbungen. 3nmterDcil. 
Berlin 1899, ©arl £>eijmannS Berlag. 310 ©. 

II. Jahresbericht ber Arbeiterfammer ber ©tabt Süridj pro 
1 . Januar bis 31. Degember 1898. 
greiburg i. B. Radjweifung über bie ©inuahmen unb Ausgaben ber 
©tabt. 

©Ibing. $fämmerci*§aupt*©tat ber ©tabt ©Ibing pro 1899. 
Statistisch Jaarboek der Gemeeute Amsterdam. 3® Jaargang 
1897. Eerste Helft. Amsterdam 1899, iu commissie by Johannes 
Müller. Prijs f 1.57'/a- 

Barmen. Bericht ber ©täbtifchen Armenoerwaltung unb beS ©entral* 
SBaifenratheS gu Barmen pro 1898 nebft ben ©tats ber ftäbti* 
fchen Armenoerwaltung unb ber ftäbtifdjen Anftalt fiir oerlaffene 
Äinber pro 1899. 

Breslau, ©tjjuugSbcridjtc ber ©tabtoerorbueten oom 18. 2Kai bis 
30. Juni 1899; hiergu Referate oon ©. 319 bis 451. 

Beiträge gur ©tatiftif ber ©tabt Karlsruhe, im Aufträge beS 
©tabiratljes h^ausgegebeu oom ©tatiftifchen Amt. Rr. 6: 
Mranfenfaffenftatiftif für 1898. Karlsruhe 1899, Drucf unb Berlag 
ber ©. Braunfdjen ^ofbudjbrucferei. 

Brötofoll ber fechften orbentlichen ©efammtoerbanbs*Ber* 
fammhtng Deutfcher Berpflegungsftationen gu Berlin 
am 19. April 1899. 

Bericht beS BerbanbeS ber $anbelS* unb ©cwerbeoercine 
für bas öergogthum Dlbeuburg 1898. Dlbenburg i. ©r. 
Drucf oon ©erhärt) ©taDhtg. 

B^otofoll über bie 14. orbentlidje ©i^itug beS 6entral*Bor* 
ftaubeS beutfeher Arbeitcrfolonien am 20. April 1899. 


Die gleichseitig hiermit ausgegebene Rr. 11 ber RtonatSfdjrift 
„DaS (gtaoerbegeridji" enthält: 

Angriffe gegen eilte geplante Äompetengerweiterung ber G)e* 
merbegerichte; Abänberung beS GfewerbegerichtSgefepeS. — Ber* 
faffung unb Berfahren. Wahlberechtigung arbeitslofer Ar* 
beiter unb allein arbeitenber Unternehmer. — Red)tfpred)ung. 


BHttheilungen aus* ben ©ntfeheibungen ber ©ewerbegerichte §eibel* 
berg, ©tettin, Bremen, Hamburg, Karlsruhe, mtb ber Öaubgerichte 
SRannheim, ©tettin. — BerbaubS«Angelegenheiten. ©in* 
gegangene Jahresberichte. — Brieffaften. §errn A. R., ©ewerbe* 
gerid;t Hamburg. — §errn 0. 0t., ^alberftabt. — JuhaltSangabe 
ber /; ©ogialen BirayiS". 


Beramn>ortli<$ für btc «ebaftion i 8.: Dr. (Siemen B petfe, Serlln. 






11 Sil 


©ojiale $rajiö. (£entralblatt für ©ojialpolitif. SRr. 44. 


1184 


Die »>$*ttoU Vrarl#” etföeint an jebem Domterßtag unb tft burd alle 2hi$l)anblungen nnb fßoftamter (^oftaeitungönummet 7072) $u bejteljeit. Der ^JreiS 
für baß ©ierteljaht tft 2JL 2,50. 3febe Kummer foftet 30 $f. Der Änaetgenpreiß ift 60 tßf. für bie bretgefpaltene $etitjeile. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Soeben erschien: 

ZurFrage derLohnermitfelnng 

Eine methodologisch-kritische Untersuchung 

von 

Dr. Franz Eulenburg, 

Privat-Docent für Nationalökonomie und Statistik 
an der Universität Leipzig. 


Preis 3 Mark. 


Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig: 

Die Lebensfähigkeit der städtischen 
und ländlichen Bevölkerung. 

Von Carl Ballod. 1897. 2 M. 20 Pf. 

Die mittlere Lebensdauer in Stadt 

und Land. Von Carl Ballod. 1899. 3 M. 60 Pf. 


Sorbett bei Dunder & $umblot in fieipjig erfdjienen: 

§i|M fit itfe^ckng, Sttintai niii M$»ittfW 

im iUtttfdje« $letdj. 

§erau3gcgeben non * 

Onftav $1 (pttalle*. 

XXIII. |ah£0ira0« brlttes $eft. JfreU 10 Park. 

3nl)a(t$ill>evfid)t: Die ©etreibepolitif ber ^äpftc. SSon Wilhelm S?aub4. — Die Teilung 
bcr <5rbe. (Sine 6tubie über ba§ focialc Problem in beutfther Soge unb Dichtung. Sion 
<j$aul Stiel)ter. — Fragment au* einer „^hilofophte be*@elbe£". 93on ®eorg@tmmcl. — 
Wirtjchaftliche Uitterfuchungen über bie Belüftung ber beutjehen 2>itbuftrie burd) bie Arbeiter- 
Berftd)erung*= unb ©djufeaefefegebung. Bon ftabrifbireftor © reife I. — lieber einen neuen 
Berfud) einer Arbeite* unb Werttheorie Bon 58. 8e£i*. — Ueberficfet über bie neueren 
Beftrebungcn unb ^eformoorfdjläge in Der Wohnungsfrage. Bon 9degternng*af[effor töraf 
Bioebern. — Die fociale 3 u iammcnfefeung ber Beoölferung im Deutfchcn SHeicfje nach ber 
Seruf^ählnng oom 14. guni 1895. Bon $aul Äollmann. — SUaiffcifen. 9?otijen 
xur Wefdjubte beö Ianbnnrtfdjaftlidien ®eno||enfd)aft*wefenß in Deutfdjlanb. Bon 
W. Wpgobflinafi. — Bericht über bie 18. 3o§re#üerfammIurtg be* Deutfchcn Bereut* 
für Slrmcnpflege unb Wofjlthätigfeii. Bon @mil Biünfterberg. — 3 ur öfterreiditfeheu 
Bentmltimg*gefdjichte. Bort ftelij Bladjfahl. — Die gegenmcirtige imrtfdjaftliche Sage 
ber ©pifeemnbuftrie (Industrie des tulles et dentelles) in Belgien. Bon $anbelöfammer* 
fefretär Ür. Dictridj. — Sitteratur. 


König Ludwig IX. »* 

und 

*a <•£ fürst Bismarck 

tm Jahre 1870 . 

Von 

Louise von Kobelt 
9 

1. unb ». Staffage. 1899. 

Jttit einem jfaftftmilt be# liaiferbrtef#. 

9 I 

preis 1,20 ^1. I 



Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
A. Troschel in Berlin W. 

Zusammenstellung 

der 

Entschädignngssätze 

welche das 

Reichs-Versicherungsamt 

bei 

dauernden Unfallschäden 

gewährt hat. 

Zweite Auflage. 

-- 1899. Preis 1,20 Mk. —- 


_Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig: 

Ein Prozent. 

Die Schaffung und Erhaltung einer deutschen Schlachtflotte. 

Von 

Adolph von Wenckatern. 

- Preis 1.40 Pf. ——-- 


Die Bedeutung des Seeverkehrs für Deutschland. 

Von 

Ernst von Halle. 

-— Preis 60 Pf. - 


r 


Bering fron ^utufter & tfumblot in Xeipjig^ 




0tubien jur ^emtfdj=3Beftfättfdjen 

Bev$atrbeitevbett>e$un$ 



SSon Start Obenberg. 

1890. 2 SKatl 80 $fg. 


Z>et? KeUnetrbetruf. 

(Sine fociale 0tubte 



®on Sari JOlbettberg. 

1898. 1 Start. 


X>ev nTa£imalatrfceiteta$ 

im 33ä<fer= unb ^onbitorengetoerbe. 



S8on Sari Clbettberg. 

1894. 4 SKarf. 


i-eraniiDortltdf Sir ote -.'in,c n- n: vcUiftiftj Weibel, üeipiig. — Verlag Ion Zunder & humblot, fictojtg. — WcMnrfr bet 3uitudi Sittcnfclb, Serlin. 


























VIII. fflbrgang. 


SBetlin, beit 10. 9luguft 1899. 


flummtr 45. 


Soziale pvaps. 

{|tentrafßfatf für ^ogiafpofifiE 

mit bei BtonatSbetlagc: 

Das (Dewetrbe^etricht* 

(Organ i>es Derbanöes beutfdjcr <Beu?erbegerid?te. 

9?cuc golge bet „Blätter für fojtale PraytS* unb bcS „Sogtatpolitifcben ©eutralblattS". 

(SrMetn* an iefcew Sonntrftag. ,£)CCauSgcbcr! ?reifl biertelfibtlid) 2 SW. 60 $f. 

9?eboftlon: Berlin W., Bapreutherftrajje 29. DP« (Etttjl JtfUtdUt ©erlag öoti ©unefer & Jjumbtot, Seipgtg. 


JttljalL 


Wegatiöe unb pofititie ©emetf- 
t»er einSpoIitif. Bon ©rofeffot 

Dr. Sujo Brentano.1185 

Stc ^anblung6gebälfen*Orga« 
nifattonen im ©eutf <$en Welche. 
Sott Dr. 3. ©Ubermann, Berlin. 

1189 

Allgemeine Sozial« asb VSiribfitififi** 

l»oIi««.1194 

ATbeiterfefretariat in Bremen, 
©efefclttbc IRegdunn bet lanbtoirt!)» 
fdjaftlichen ArbeitSöerpältniffe in 
Ungarn. 

ftomminaU ionitlboliHl .... 1194 
Sßctfotflung ftöbtifc^cr Arbeiter in 
Stuttgart. 

(Stabtifcpe ©efunbheitsinfpeftorinnen 
in Birmingham. 

kommunaler Arbeitsnachweis in 
Sonbon. 

09)tale ftuftänbe . 1195 

©aS Broifthenmeifierfhftem in 
ber Berliner £>ol,$bearbei» 
tungSinbuftrie. Bon Dr. ©eorg 
91 eubaue, ©harlottenburg. 

©ie Bergarbeiter in Belgien. 
Arbeitgeber» unb Unternehmer* er» 


bänbe.1197 

©er Arbeitgeber-Bmtb für baS Bau¬ 
gewerbe ©eutfchlanbö. 

ilrbeiterbemegung .1199 


BiaffenauSfpemjng in ©änemarf. 

3ur Sage ber gorrncr in granfreicb. 
©ie ©rabe*UnionS auf ber Sparifer 
2BeltauS|telliing. 

©ine finnif^e Arbeiterpartei. 

Arbeiterfrau.1201 

lieber bie ©inridjtung unb ben Be» 
trieb ber SRoßbaatfpinnereien, ^aar* 
unb Borftenauricfctereien, foroie ber 
Bürften* unb ©infelmacpereien. 


Arbeiterberfiibemng. ©jMrfgffen 1201 
3nbaliben« unb Altersrenten. 
SnoalibitätS« unb AlterSberficherungS» 
anftalt SRljeinprooing, ^Jahresbericht 
für 1898, ©runbfäfce für ©ewähmng 
Don Baubarleben. 


RiioMtfUgt .1202 

Deffentliche Armenpflege in Hamburg 
1898. 

©enoffenfibaftOioefen.1203 


40. Allgemeiner ©enoffen» 
fdjaftßtag ju Berlin. 

©aß lanbmiTtbfcbaftlicbe ©enoffen* 
fchaftSroefen im ©roB^er^ogtpum 
Reffen 1873 bi« 1698. 

tKrgicbnng anb ©Übung .1205 

AuSbtlbung bon BolfSfdjultebrern für 
ben Unterricht an Iftnblicben gort* 
bilbungßfcpulen. 

Bletfterfurje in (Strafiburg. 

©ogial« $bgienc.1205 

©eutfdjer Berein für BolfSbbfltene. 

©etnerbegeriibte. ©inignngSätnier. 
@d)ieD$gertd}tc.1203 

©in nationaler Äongrefj ber Arbeiter« 
beififcer in ben franaBfifcpen ©e* 
merbegeriebten. 

kaufmännische <8chteb8getid&te. 

©ie ©inigungßoerbanblungen jroifeben 
ben Arbeitern unb Arbeitgebern im 
3immerergeroerbe in Berlin. 

©ojialpolitifdlpc Vtaftnabmeu in Brr» 
tebrSmefen.1206 

Arbeiterjüge in ©ariS. 

©ie ©ifenbapnarbeiter in ben Ber¬ 
einigten ©taaten. 


Äbbrud fümmtlicher Arttlel 4ft Bettungen unb ßeitfd&riften geftattet, iebod) nur 
mit bollet Quellenangabe. 


Ucgattue unb pofttiu* (Detuerknerein^polittb. 


I. perfönlid)eS. 

©er bergeitige prengifefje £mnbelsmini|ter t)at in ber Debatte 
©errenhaufes über bie fogenannte 3 uc ()^ au ^ üor l a 9 C auSge^ 
fproetjen, baß bie preufeifd^c Regierung nod) feinesroegS auf ben 
Ckbanferi oergidjte, ifjren Gntmurf eines ($efe|jeS 311 m Stufte beS 
gemerblidjen Arbeitemerf)ältni)jeS im Peidjstage gur Annahme gu 
bringen. Scitbem finb in gahlreidjcu 3 ^tungcn unb 3 e itfd>riftcn 
vHrtifel erfdjieticn, roeldje btc fecidjung biefe^ norbereiten 


| füllen. Sn ber ftreu^eitnng f)at fid) ber ^ricatbosent an ber 
! berliner llniocrfität, ,J)crr Dr. non SBemfftern, in ben S)ienft biefeö 
| (Strebend geftcllt. ^iefee ber Regierung Uitredd t^nn, roollte 
t man annefjtnen, ba& fie 311 bem non iljm enttoiifelten fonfufen, 
| nnberfpriid)£oollen „pofitinen Programm" in irgenb inelcfjer ^ 8 e* 
gie^ung ftänbe. Allein in feinen Slrtifeln roirb aud) eine Skr* 
nii^tung ber Gegner ber Vorlage nerfndjt, unb bei ber geiftigen 
Slrmfeligfeit, bie auf 0 eiten ber SSertbeibiger berfelben im Verlauf 
ber 9?eid)ötagöbebatte b erüor 9 e ^ eten ift, ftebt 311 befürchten, bafj 
man auf biefer Seite bie ©egner nun toirflid) für nerniebtet er*= 
achte. $>abci finben fid) in ben Sluffäfcen be^ §errn non SSemfftern 
Slnflänge an einige Sleufeeruugen, bie auch non Seite ber SÄegie* 
rungäoertretcr im Saufe ber 9teicb^tagöbebatte gefallen finb unb bie 
ber $ritif bebürfett. 2 )iefe ©rroägungen allein ncranlaffen mich, 
jene SXrtifel ber Mreuggeitung einer 33cleud)tung 311 untergieben. 

Db nc kleine Scbulb mup icb ben Sefer hierbei aud) mit meiner 
$erfon befaffen. |>err non SSencfftern erflart mich nämlich für 
biejenige $erfönlid)fcit in 2 )eutfd)lanb, mclcbc b«uptfäcf)lidi bafiir 
oerantroortlid) 311 madjcn fei, bafj augenblid'licb eine falfdjc 2 luf* 
faffung ber Swinge berrfcbc. üMjme id) bie Söorte in bem Sinne, 
in bem er fie meint, fo mürbe bie‘3 für mich eine grofee (Ihre be* 
beuten. ($% mürbe ber Stolg meinet SebenS fein, fönnte id) mich 
alö ben SBecfer jenes au ff cf)äu men ben 9ied)t£gefüblS be§ beutfd^en 
S?oIt'es betrachten, meld)e$ bisher bie Sinnahme einer feine fo^iale 
©ittmicflung fo fchmer bebrobenben Vorlage oereitelt hot. 2 )ocb 
groingt mict) bic ©ahrhaftigfeit, befcheibener gu fein. 3 ^ bin nur 
(Einer unter ben Saufcuben geroefen, roeld)e ihr Pflichtgefühl gum 
proteft gegen eine ^apregcl gegroungen h a ^ melche bie klaffen= 
gegeufäbe im beutfcf)eu Polfe für ^egennien bis gur 3 e rftörung 
jebes ßinhcitSgefiihlcS ncrfcharfen mürbe. Slber id) meifc bie mir 
oon £errn non ^euefftern giigebachte ©l)re nicht ctroa gurücf, um 
meine Peranlmortlidjfeit abgufdjroächen. giir baS, roaS id) mirflid) 
gethan höbe, übernehme id) gern bie Perantmortung. 

3nbeni ich bas, maS §err n. Söencfftern gegen mich oorbringt, 
ins Sluge faffe, gögert aHerbittgS bie §anb, bieS niebergufd)reiben. 
Por elf Saljren *) habe id) gegenüber einer cinfeitigen Peruriheilung 
ber kartellbilbungen beren Ilrfadjcn, natürliche Pcbingungen unb 
I Söirfungen bargelegt, bei (Erörterung ber legieren auf bie (Gefahren 
i nermiefen, meldje bamit fomohl für bie Slrbciter als auch für bie 
konfumenten nerbunben feien, unb bie ©egenmafjregelu betont, 
melche gur Perhiitung biefer (Gefahren nötljig mürben. Srofe biefer 
Peigabe erntete ich bamals uneingefchränfteS Sob fogar feitenS ber 
„poft", ber „Snbuftrie", unb anbercr ben Unternehmerintercffen 
bienenben Plätter. SBcnn id) nun mie bamals barlege, bafj bie 
Urfad)cn, Prinzipien unb Qidc ber kartcllbilbung biefclben feien 
mie bic ber Slrbeitcrfoalitionen, mufe ich erleben, ba§ «§err o. SÖcitef* 
ftern einen 3:heiX meiner bamaligeit Slusführungen mit einem anberen 


Bergt. 9Jlittbeilungen ber ©efellfchaft öfterreief)tfdjer BolfSmirtbr- 
I. oabrgaug. 2Sieit 1889. S. 76 ff., 134 ff., it>7 ff. feinet: lieber Me 
Urfad)cn ber Ijeutigeit fogialcn Potg. Seipgtg 18S9. ©ie tfjcorctifdjc 
Begriirtburig ber koalition fomol)l non Unternclnmingcn als aud) non 
Arbeitern finbet ftch bereits in meiner Sdjitft: ©er Slrbeiterocrfid)erungS= 
gmang, feine Boraitsfegungen unb feine golgen. Berlin lssi. 


















1 IST 


11SK 


Sogtalc VrayiS. dcntralblatt für Sogialpolitif. 9?r. 45. 


£ heile bcrfelbcn befämpft. 34 fclje barauS, bah id) aflcrbingS für 
falfc^c Auffaffungen ber Dinge, bic gegenwärtig in Deutfchlanb 
herrfdieu, verantwortlich gu machen bin, närnlid) für jene Argumente 
gu (fünften ber Kartelle, bie sperr n. VBcntfftern gegen mid) vor* 
bringt. Allein cS liegt bieS wirtlich nidjt an meinen bamaligett 
Ausführungen, foitbcru Icbiglid) an bem Vobett, auf beit fic bei 
$crrn d. SSencfftevn gefallen finb, unb für £>errn n. VBencfftern muh 
ich jebwebe Verantwortung ablehnen. 

9?id)t anbcrS verhält es fid) mit ben Venterhingen meinem 
Angreifers über bas Vcrljältnih ber Arbeitsteilung ber bcfdjäftigtcn 
Arbeiter gu bem in einem betriebe bergeftelltcn ^robuftc. Auch 
Ijicr werben mir Ausführungen, bie id) tut Olcgcttfap gu früheren 
nttb gegenwärtigen SRationalöfonomcn feit naljegu brcifjig 3flhren 
itt s Bori unb Schrift norgetragen, nur halb nerftanbett entgegen* 
gebalten. Aber auch hier wäre id) f)ötf)ftenS verantwortlid), "wenn 
$>err n. VBeucffteru mein Sdjülcr wäre. 

Unb barin erfcf)öpft fich feiueSwegS baS Amnutfjige biefer 
$olemif. Visher, fagt man mir, hätten biejenigen, welche baS, 
was id) g. 3t., ba fte !aum bie Sdjulbänfe brüeften, fchon lehrte, 
unvodftänbig unb nur halb nerftanben wiebergaben, mich mit „ 3 rr* 
gättgen meines 3tttedeftS" enfdjiilbigt, jept aber beanfpruept §err 
Don"V>encfftem in feiner „objeftiveu VSiffenfdjaftlidjfeit" gar baS 
5Red)t, mich ber bewußten dntftedung ber Dljatfadjcn gu geifjen. 
dS ift niiht genug, bah ein Vtann, "ber fo wenig logifd) gefault 
ift, bah er inbirefte Vöirfungen ber Kartede als öirefte begeid)ttet, 
mich über baS, was logifd) richtig unb unrichtig fei, belehrt; nicht 
genug, bah Sentanb, bcr nicht einmal weih, bah baS 3^1 &er 
©eroerfvereinSpolitif feit einem 3ahrl)iinbert weniger bie jeweilig 
hödjften Söhne als nielmehr Stetigfeit ber Vefchäftiaung bei 
Söhnen, bei benen fich leben läht, gewefen ift 2 ) unb bag bie 
roerfvereiite in biefem ihrem streben häufig fo weit gingen, bah 
fie non ihren Arbeitgebern gerabegu beit Abfcpluh nöu Kartellen, 
welche bie Stetigfeit ber ^robuftion fidjern füllten, verlangten/) mit 
Kennermiene über bie lebten 3 icle ber ©emerfocreine fpridjt; ich merbe 
non .Jjerrn non Vöencfftern auch über Unterfdjicbe gwifepen Kartellen 
unb Arbeiterfoalitionen belehrt, bie tl;atfäd;lidj gar nicht beftehen, 4 ) 
unb weil fein eigenes Denfoermögeu unb feine eigenen Kenntniffe 
ungureichenb ftnb, befdjulbigt mid) ber Vortreffliche, wo er auf ihm 
frembe Anfdjaitungen ftöht, bah id) „feit Karl Sföarf baS Unglaub* 
iitpfie an Verbreitung, was gegenüber ben flaren Dpatfacpen möglich 
fei," gcleiftet habe. 

tiefem Aiveatt ber ^olemif eittfpredjen benn auch bic übrigen 
Anfcpulbigungen, burch bie id) üernidjtct werben foÜ. 

Vknn id) bie Strcifbrecper als Arbeiter begeiepne, bie gu ben 
fcplecptcften Arbeitsbebingungcn gu arbeiten bereit finb, wirb bieS 

*) Vgl. Arbeitergilben ber (Gegenwart, II, 3. 30—40. 

3 ) Vgl. Stfjrifteit bes Vereins für Sogialpolitif, 45. Vanb, 3. 11. 

4 ) 3ut $apre 1844 fireiften bie (ftrubcnlenic bcS VfargniS non 
Sonbonbcrri). tiefer veröffentlichte barauf mehrere an feine Arbeiter 
geridjtcte dpifteln ooll „väterlicher Aathfd)läge." darauf gab ber 
Bonöoncr ..Vund)" folgenbe Antwort ber (ftrubenarbeiter an ihren bc* 
forgteu Vater ooit Bonbonbern) gum Veften: 

„Viarguis! — 3Bir haben 3hrcn Vricf empfangen, ber uns auf* 
forbert, ben (ftciuerfueretn gu uerlaffcn unb gu nuferer Arbeit guviicf* 
gutehren. Sir antworten barauf: 0 Vfnrquis! ncrlaffen Sic 3hren 
Verein, bamit bie Kohlen billiger unb bie Arbeit ber (ftrubciilcutc rridj* 
lieber werben. Sic befchulbigeit uns ber Vereinigung; wir, ViarquiS, 
befdjulbigcn Sie ber gleidien ^anblung. Sir verbinben uns gegen» 
feitig, um uns ben SBertlj nuferes Sdtwcihes git fiebern; 3ic gehören 
gu bem Kol)Icnoerbanbe, gu bcr Vereinigung ber llnternehmer, bie fid) 
gufammenfdjlüffen, um ben Kohlenprcis bodjguhalten, bas Angebot bes 
ViarfteS gu befdtränfen, um ftets einen gewiffeu ^rcis gu ergielen. 23iefo 
beim fann fid) bcr Aeidithnm verbinben, Arbeit jebodi nicht? 3ie be= 
fchwören uns, auf ben SHuin gu blicfeu, ben wir über uufere 3Beiber, 
unfere Kinbcr, liniere Öraffdtaft, unfer Banb bringen; als CSrwiberuug 
befd)wären wir 3ie, auf bas ülcitb, bas Unglücf, bie Beiben gu blidett, 
weldje währenb jebes ViiuterS bcr Olrubcubefipcrüereiu über bie Armen 
Bonbons bringt, für weldje bie Neuerung, wegen ber fid) hartnäefig 
bchauptenben boljen Vreife, gu einem uncrrcidjbarcn Bitjus wirb. 3ie 
melben uns, bah ^ie gu uns fomnten unb fortfaljrcn werben, uns aus 
nuferen Sühnungen gu vertreiben, irtbem 3ic befonbers 3orgc tragen 
wollen, bag 0*iuü= unb Viilitärmadjt 3buen gur .öanb fein wirb. 0 
tljciircr Vater! SBollen Sie fo 3Öre imterlidje Siebe ben Kleinen 3hrer 
(')rubenlcute geigen? — Kommen Sie gu uns, Viarquis, lütte fomnten 
Sie unb laffen Sic fid) nidjt träumen, bah wir Gtoil= unb Viilitär* 
gemalt brauchen, um Streitigfeiten gwifdjeu uns gu fdjlidjten. Aeiu, 
fürdjten Sie nidjts; uad) einem furgen (')efprädjc werben wir uns in 
^reunbfdjaft unb Biebe ncrgleidjeu. 3a biefer Hoffnung, tljcurcr Vater, 
ocrbleibeu wir 3hre licbeuofleu Kiuber bcr (itrube." 

2!4cfe Antwort, abgebrueft im 43. Vanb ber Sdiriftcn bcS Vereins 
für Sogialpolitif, S. 14, mag and) £>errn oou SBcurfftern genügen. 


mit einer dntrüftung benungirt, als ob ich ^4* etwas gang (Selbio 
ocrftänblidfeS bamit auSgebrücft hätte. 0ber meint ehva -CScrr 
oon Vücncfjtcrn, bah bie Arbeiter ftreiften, um fdjlechtere Arbeite 
bebingunqen gu erlangen, währenb ihr Arbeitgeber beffere gu bc* 
willigen bereit fei, wogegen ihre Arbeiter fid) wehrten, tutb baf; 
bie Sngenb ber Streifbrecher barin befiele, bafg fte auch P bieien 
befferen Vebingungeu arbeiten wollten?! 

SBenn er mir ferner gittn Vorwurf macht, bah id) ba, wo i# 
von anardjiftifd)en Elementen unter ben Streifbrechern fpraef), midi 
fo oorfidjtig auSgebrücft habe, bah ich bei einem Angriff auf bieic 
Stelle mich fofort verantworten fönne, fo erinnert bie« an jene 
fantofe Anflagc in ber ^enffchrift über AuSfchrcitungen bei Ar* 
beitsfämpfeit: „©röberc DrönungSfiörungcn 2c. würben von ben 
Streifleitcrn in ber Vcgel mit Vebad)t vermieben, um bett Schein 
ber ®efcplid)feit gu wahren!" 

3 'u einem gerabegu unvcrftänblicheu @aEimathiaS bectinnt mein 
Angreifer ben einen Abfap: „VJemt bie gefammte Arbeitevfdjafi 
^)cutfd)lanbs gemerfverctnlid) organifirt wäre unb nur eine .vnnbe 
von Arbcitsfcheuen unb Arbeitslosen außerhalb biefer Drganifatimi 
ftänbe, bann hätte Vreutano 5Ked)t", unb ben nädjfteit: „^rofeiftn 
Vrentano weih nur gu genau, bah bieS bas fd)wierigfte Problem bei 
gangen Qragc ift, toie bic ©cwerfocrcine gu rechtfertigen fein würben 
wennficebenbiegangeArbeitcrfchaft erfaßten." V3ettt gwei fid) fomi&er* 
fprechenbe Säpe hinter ciitanbcr paffiren föttnett, ber leibet an foldier 
Ünflarl)eit, bah rS ihm auch nidjt 31111 t Vorwurf gemad)t werben fann, 
wenn er weiter fehreibt: „3nt Angeficht ber Sfrage, wie fic itt dnglanil 
brennenb würbe bei ben grohen 2)ocfftreittgfciten, h^t bie Vren« 
tano'fch« Weisheit voUftänbig verjagt, dr hat es gngegeben, i\v; 
hier bie grofje Schroierigfeit liegt, h^t fich aber bariiber aus* 
gefdjwiegen, wie ihr gu begegnen wäre." 34 ^ a &e nl i 4 nur einmal 
über bie $$rage ber Drganifation ber ungelernten Arbeiter au* 
Aniah beS iOonboner 2)oifftreifeS auSgefprocheit; 5 ) wer bie Stelle 
itachlicft, wirb bie eben angeführten Vemerfungeit meines Angreifers 
als etwas völlig Uttverftänblid)eS anftaunen. Hub wie niemals bei 
fehlenbemÖaffungSvertnögen als leptes Kampfmittel bie2)enungialitm 
fehlt, fo enbet auch fü^ ber Angriff mit einer ©roteSfe, bic midi 
als wahren öeroftratuS Ijinfteilt, ber ba fagt: „Apres uous le 
deluge. SDaS ^ringip bcr dJetvcrfoercine foll unb muh ancrfaunl 

werben. 2)ie praftifdje Ausgcftaltung wirb ttod) eine "Släht non 
Safjren bauern, bann bin id) tot uttb ein berühmter Viann, til 
nach meinem $obe föitnen fiefj bie 0cnte bic Köpfe geriet)lagen!“ 

SBetttt ich ferner ausführe, bah bic Vetjriiubuug, welche bic 
Regierung bcr 3 u 4th ail ^ D °tIagc beigegeben, tm VHbcrfpru^ Hebe 
mit bem s $rittgip bcS Sd)upeS bcr nationalen Arbeit, bem fic fonit 
hulbige, be 3 eid;nct .'perr von ^Bcncfj'tcrn bieS als eilte beit Kenner 
meiner fonftigen Stellung gum Sd)upe ber nationalen Arbeit 
gerabegu oerblüffenbe Volte. Armer S>err von SBcncfftcrn, ber io 
leicht gu verblüffen ift! Angenommen baS, was er über meine 
fonftige Stellung in biefer Srage fagt, wäre richtig, fo ift es bodi 
ein felbftoerftäublichcS Verlangen, bah bie Vorlage mtt ben^ringiptcn 
ber ©irthfdjaftspolitif, weldje bie Regierung fonft proflamirt, in 
lleberciuftimmung fei unb ebenfo felbftPerftänblich ift, bah 
biejenigen, welche biefer ^olitif nietjt bulbigcn, baS 9?cd)t h alien - 
ben 3Btberfprudj gelteub gu machen, wenn AegienmgSmahnahmni 
h4 bireften dlegenfap gu biefer ^olitif fepen. 3ttt llebrigen 
erweift ftch aber Sperr von jScncfftcrn ebenfo wenig als Kenner 
meiner Stellung gunt Sdjupc ber nationalen Arbeit wie ber (Sriiiibe, 
bie tnid) gu einem ©egtter bcr ©ctreibegölle machen. s Bic ich über 
baS jprobugenteniutereffe im ©egenfap guut gntereffc ber Kon* 
fumenten benfe, ^abe id) in ber Kartcllbebatte ber VBiener volfs* 
wirthfdjaftlidjen ©efeUfchaft auSfüljrlt4 bargelegt. 6 ) teilte Dar¬ 
legung geigt, bah *4 {e itt pringipieder (Gegner beS SchupeS bcr 
nationalen Arbeit bin; wohl aber erachteich auf ber dntmidelunge* 
ftufe, auf ber Deutfdjlanb g. 3- angelangt ift, ben ^reibanbel 
ebenfo für ben wahren Sdjup ber nationalen Arbeit, wie bieS bic 
englifd)en Sttbuftriellen thaten, als fie vor 50 S^h^tt guin 3rei» 
banbel übergingen, unb meine ©egiterfchaft gu ben ©ctreibegöllcn 
beruht barauf, 7 ) bah fie, ohne ber Banbmirthfdjrtft ttüpen gu fönnen, 
gerabe bie nationale Arbeit aufs dmpfinbltchfte fähigen. 

Allein für J)crrn von VBentfftern finb foldjc Ünterfchcibungcit, 
wenn er fte überhaupt fennt, wot)l gu fein. Unb aus cbm biefem 
©rttnbc finb ihnt benn auch utilbernDe Umftänbe gugubidigen, wenn 
er einerfeits fuggerirt, ich fei ein Vorfämpfer ber Sogialiftninq 


5 ) Vgl. (ft. v. Sd)ulge=däocniip, focialen grieben, II S. 4Turf. 

6 ) Vgl. VUltheiluitgeit bcr CMefeUfdjaft öfterreidjifdjer VolfSwtrtlif 
.135/ 

7 ) Vgl. bic cntj'prcdjenbcn Ausführungen in meiner Agrarpolitik. 



1189 


©ogiale $rajt$. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Sfcr. 45. 


1190 


ber S r °&uftionSmittcl, anbererfeits fcßreibt, mir fomme eS barauf 
an, ben Eingefnen 31t ftärfcn auf Soften ber centralen ©eroalten! 

desgleichen erfcßeint es begreiflief), wenn mein Angreifer ftd^ 
gegen bie „gait3 freie Äritif" einer befteßenben Staats» unb 3 Birtß» 
fcßaftSorbnung erflärt. Er füßlt fieß als einen dßeil biefer Drbnung, 
unb naeß bem, waB er in feinen ÄreuggeitungSartifeln gcleiftet bat, 
bebarf eB in ber &b Q * feiner fef>r freien ftritif, um ibn 3U ge» 
fäbrben. 

gürft Sigmare! febreibt in ben „©ebanfen unb Erinnerungen", 
bie Uebergeugung, baß ber ©egner in Allem, roaS er oornimmt, 
im beften gaHe befeßränft, roabrfcbeinlicb aber böSroillig unb je» 
toiffenloS fei, beßerrfeße nocf) beute baS Sßarteileben. Es ift bies 
eine golge ber Ünfäbigfeit Sieter, fidEj in ben Stanbpunft beB 
©egnerS 3U oerfeßen. 3 m Sarteüeben mar bieS non jeher fo unb 
wirb auch in 3 ufunft fo bleiben. Aber eB märe traurig, wenn bieS 
auch für bie SBiffenfcßaft gelten faßte, grüner mar eS in ber 
SBiffenfcßaft anberS. ES ift betriibeub, baß fie beute fo gefunfen, 
baß man nach einer breißigjäßrigen, roobt nicht unrühmlichen 
roiffenfdf)aftlid>en Saufbaßn genötßigt ift, fieß gegenüber Angriffen 
311 oertßetbigen, bie im toiffenfeßaf fließen Jieben baSfelbe bebeuten, 
mie menn man einen im bürgerlichen Sebeit in Ehren Ergrauten 
bcfcßulbigt, filberne Üöffel geflößten 3U haben. 

Cscß merbe mich mit $errtt oon 2Bencfftern nicht mehr be» 
febäftigen. 3 Boßl aber beabfießtige ich, beS Weiteren auf einige 
Sragen eingugeßen, bie auch in feinen Artifeln berührt finb. Sie 
fmb auch in ber fonftigen diSfuffion beB Defteren beroorgetreten 
unb fönnen rnieber ßeroortreten. Aueß möchte ich mich über pofitioe 
©eroerfoereinSpotitif auStaffen. ßujo Brentano. 


Bie ^onbliinasgeijölfett-CPrgottirotiotie» im 
Bentfdjett Keidje. 

Aeßnlicß mie in Subuftrie unb £>anbroerf bat ftd> au<ß im 
.^anbelsbetriebe baS einftmalS patriardjalifc^e Serßältniß 3rotfcben 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer innerhalb beS lebten Saßtßunberts 
unb namentlich in beffen leßter $älfte aelocfert. Aber bie $luft, 
roelcße ben ^ßringipal oon feinen ©eßülfen trennt, ift im AUge» 
meinen noch nicht fo tief unb fo breit mie biejenige 3toifcben bem 
Sabrifßerrn unb feinen Arbeitern, 3mifcben bem |>anbroerfSmeifter 
unb feinen ©efeßen. 2öie febr auch ber faufmänmfche ©roßbetrieb 
oorbrinaen möge, er bat noch nicht biefelbe Dberßerrfcßaft erlangt 
mie in ben gemerblichen Setrieben, unb bei ben eigenartigen Ser» 
bältniffen gerabe beS mit ben Serbrauchern unmittelbar oerfeßren» 
ben detaitßanbels ift es noch burcßauS feine ausgemachte Sache, 
baß b^r ber ©roßbetrieb bie Dberßerrfcßaft fieß enbgiltig aneignet, 
daß er fieß auch weiterhin noeß beträchtlich ausbreiten mirb troß 
ftaatlicßer unb genoffenfchaftlicber ©egenmaßregeln, ift allerbingS 
anguneßmen. 

®iefe dßatfadßen finb für baS gegenmärtige Serbältniß groifeßen 
bem faufmännifeßen 'ißringipal unb feinen ©ebülfen oon auSfcßlacj» 
gebenber Sebeutung. SDton gebt burcßauS fehl, menn man für bte 
©eftaltung fo^ialer Serbältniffe auSfcßüeßlicß mirtbfchaftliche S 2 o» 
mente als maßgebenb atifießi. Eine große Steiße pfpcßotogifcßer 
isaftoren mir ft mit. 3 u einer ^abrif fühlen fieß fämmtlicße Ar» 
beiter, bie gut» unb fcßledßt gelohnten, roelcße dßätigfcit fie aueß 
ausüben mögen, als Einheit, aber in einem £>aublungsßaufe macht 
ließ in bem fo^ialen Empfinben 3mifcßen §anblungSgeßülfen unb 
•ÖauSbienern ober Sßacfern ein ganj erßeblicßer llnterfcßieb be» 
merfbar. Scßon .f)crfunft unb Sorbilbung läßt ben §anblungS» 
geßülfen fieß bem Arbeitgeber meit näßer füßlen, fieß als 3U ber» 
leiben fogialen Scßicßt geßörig betrachten mie ber ^ßrin^ipal, mag 
aueß fein Einfommen noeß fo niebrig fein. der jüngfte ßeßrling 
feßon träumt baoon, ein großer gmnbelsßerr 3U merben, unb fein 
QangeS Streben rießtet fieß barauf. AnberS ber Arbeiter; feiner 
°on ihnen träumt baoon, ein großer gabrifßerr gu merben, er ift 
fitß oon oornßerein Har, baß bieS naeß menftßlicben SorauS» 
feßungen eine Unmöglicßfeit ift, ja er benft aueß nicht einmal an 
oic Erlangung einer felbftftänbigen Eyiftenj überhaupt, benn aueß 
oce Erreichung biefes Zieles ift unroaßrfcßeinlicß. Es ift eben ber 
große Unterfdjieb groifeßen geiftiger unb meeßanifeßer ^ßätigfeit, unb 
^aofmännifeße Sßätigfeit ift eine meßr ober minber geiftige, 
Ijübft ba, too eine reeßl mcitgeßenbe ArbeitStßeilnng bureßgefüßrt 
JJJ* ?tacß bie ÜDtöglicßfeit, bereiitft Arbeitgeber 3U fein, ein eigenes 
©ef^äft 31t füßren, ift für ben §anblungSgeßüIfen beute noeß immer 
^arßanben. 4 )enn menn aueß bie 3 a ßl oer ©roßbetriebe ftänbig 3U» 
nimmt, fo ift boeß bie 3 aßl ber fleinen unb mittleren Setriebe 


noeß immer feßr groß, unb ißre Snßaber geßen faft auSfcßließlicß 
aus bem Stanbe ber .f>anbIungSgeßülfen ßeroor. 3 ft Semanb aber 
erft einmal felbftftänbiger ©ef^äftstreibenber, bann mirb es aueß 
fein Streben fein, ben Setrieb immer roeiter auS3ubeßnen, 3U einer 
ßößeren mirthfcbaftlicßen Stufe auf3unicfen. ©aS mag mit ber 
3 eit immer feßmieriger merben, allein fo lange bie Entmicfelung 
noeß nießt fo meit oorgefeßritten ift, baß bie Erreichung biefeS 
3 ieIeS eine ttnroabrfcßeinlicßfeit ift — unb ob biefe Entmicfelung 
fommeit mirb, läßt ftdß ßeute mit Seftimmtßeit nießt fagen —, fo 
lange fann aueß ber gmnblungSgeßilfe nießt „flaffenbemußt" in bem 
Sinne fein, mie es bie Steßrßeit ber Arbeiterfcßaft ift. Alle 
„logifdßen Setracßtungen", alle .jpimoeife auf üble 3 u ftanbe im 
^anbelSgemerbe, auf lange Arbeitzeit, niebrige ©cßälter, f^lecßte 
Seßanblung in oielen EinxelfäHen fönnen bie ©efammtßeit ber 
beutfeßen ©eßülfen oon oiefen ißren fo3ialen Empfinbungen 
nießt abmenbig maeßen. Sollenbs nießt in einer 3 *it, bie biefen 
©efüßlen burd^ bie Setonung auS3ei<ßnenber Sonberftellung ber 
§anbluugSgeßülfen in bem neuen .^anbelSgefeßbutße, bureß bie 
Semüßungen um Hebung ber Sorbilbung, um Ermeiterung unb 
Sertiefung ber gortbilbung reidßlicße Sfaßruitg 3uträgt. 

Aus biefen ©rünben ift es aueß Ieicßt erflärlicß, marum bie 
Serfucße, bie ^anblungSgeßülfen an bie „moberne Arbeiterbemegung" 
ansufcßließen, bisßer oon geringem Erfolg begleitet maren. 2 )ie 
3 uftäitbe im $anbelsgeroerbe, mögen fie noeß fo oieler Serbeffe» 
rungen bebürftig fein, bilben ßeute noeß nießt einen geeigneten 
Soben für gemerffcßaftlitße Drganifationen. 3 ft boeß überbieS bie 
inbuftrieÜe Arbeiterfcßaft felbft, bei ber alle Sorbebingungen ßier» 
für 3utreffen, nur 30m geringen £ßeile geroerffdßaftli^ organifirt. 
Ein offener, beharrlicher ftampf gegen Arbeitgeber ift oon benen 
nießt 3U erroarten, benen boeß immer bie SRöglicßfeit roinft, felbft 
Arbeitgeber gu merben, unb nur für bie Sanfgeßülfen oerringert 
fieß biefe SKöglidßfeit offenficßtlicß oon Saßt ju Saßr. • 

Alle biefe Serbältniffe müffen berücfficßtigt merben, menn man 
bie befteßenben Sereiuigungen ber ^anblungSgeßülfen einer Se» 
traeßtung untergießt. 9 )tan rann fie in groei große ©ruppen tßeilen: 
in eine bie Stebrgaßl umfaffenbe ©ruppe, roelcße ein 3ufauimen» 
arbeiten unb ein 3 ufuuimengeßen mit ben Arbeitgebern befür» 
mortet ober gum minbeften nidjt auSfcßließt unb in eine ©ruppe, 
bie bie tlaffenunterfcßeibung feßarf betont. 3u ber erfteren ©ruppe 
finben mir ßäufig Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in ©emeinfeßaft 
oereinigt, roenngleicß erftere in geringerer Angaßl. Es finb bieS 
namentlich bie in mittleren unb fleinercn Stäbten befteßenben 
„^aufmännifeßen Sereine", in benen ^ringipale nießt feiten bie 
auSfcßlaggebenben Sorftanbsämter befleiben. Aber bie fogiale 
SBirffainfcit leibet babureß nießt immer Scßaben, mie benn g. S. 
bem ftaufmännifeßen Serein gu .föln, beffen Sorfißenber ein $rin» 
gipal unb Sltitglicb ber §anbels!ammer ift, aueß oon ben „Haffen» 
bemußten" ©eßülfen ein Sormurf nießt gemaeßt merben fann. 
Aeßnlicß ift es mit einer gangen Angaßl anberer Sereine beftellt. 
$>ie meiften biefer Sereinigungen, beren ©rünbungSjaßr gum Sßeil 
in bie oiergiger 3uß^ guriiefreießt, fmb urfprüngücß lebiglicß 2BoßI» 
faßrtSoereine gemefen, b. ß. Serbinbungen gur Erlangung mirtß* 
fcßaftlicßer unb jefeUfcßaftlicßer Sortßeiie für bie SJtitglieber. All» 
mäßließ mürben*bie Aufgaben enocitert, mie eben bie örtlicße ober 
nationale Entmicflung ber Serbältniffe es mit fieß braeßte. Söenn bas 
neue beutfeße §anbeISgefeßbucß eine erßeblicße recßtlicße ober mirtß» 
fdt)aftlicße Sefferftellung ber faufmännifeßen ©eßülfen ßerbeifüßrte, 
fo ift unftreitig biefen Sereinen ein roefentlidßeS Serbienft gugu» 
feßreiben. Es barf ßier freiließ aueß nießt oerfeßmiegen merben, 
baß niancße biefer Sereine fieß gu einer ermeiterten fogialen £ßätig» 
feit im Sntereffe ber ©eßülfenfeßaft erft ßaben brängen laffen, unb 
baß biefe 3u9ßuftigfeit gu einigen reeßt bebauerlicßen Abfplitte» 
rungen geführt ßat. 

3u berfelben ©ruppe geßört aueß bie überroiegenbe Steßrgaßl 
ber in ben ießten neun 3 oßren gegrünbeten Sereine meiblicßer ©e» 
ßülfen, beren es nun etroa ein &ußenb giebt. 

Sei faft allen biefen Sereinen, foroeit fie überhaupt eine 
größere Sebeutung erlangt ßaben, fteßen bie Unterhaltung eines 
fpftematifcß auSaebilbeten SteHennacßroeifeS, Staßnaßmen im Suter» 
effe ber Sortbiloung ber Stitglieber (Unterhaltung oon §>anbels» 
unb faufmännifeßen SortbilbunaSfcßuIcn), ferner ©emäßrung oon 
Unterftüßungen an bebürftige ^titglieber, Seranftaltung ßanbels* 
miffenfcßaftlicßer mie aUgemein beleßrenber Sorträge an ber Spiße 
ber SereinSaufgaben. Sie leiften in biefer Segießung ßäufig feßr 
ErßeblicßeS unb oermenben hierfür große Summen. Wamenilicß 
bem öortbilbungSfcßulroefen mirb gur 3 e H 9 aiI 3 ßeroorragenbe 
Aufmerffamfeit gugeroanbt, ba oon oer l'öfung ber SÜbungStrage 
tßatfäcßlicß bie meitere Entmicflung unfereS M aufmannSftanbeS unb 



1191 


Sogtale $ra£t$. dentralblatt für SogialpolttU. Dr. 45. 


1192 


fetne fokale Stellung abfeöngt. Slud^ baS ^ranfenfaffenwefen 
finbet bei ihnen pflege, wie ja bie freien £)ülf0faffen gerabe im 
.VfruifmanuSftanbe oiele Anhänger befipen. desgleichen unterhalten 
manche BenfionSfaffen, beren wofeltfeätige Wirffamfeit nicht unter* 
fdfeäpt roerben barf. Biele biefer Bereinigungen gehören bem beut* 
fdjen Bcrbanbe faufmäunifcfeer Bereine an, beffen Xfeätigfeit in 
biefen Blättern öfters drwäfenuttg gefunben hat. tiefer Berbanb 
fud)t ba, roo bie Sntereffen ber ^ringipale unb Hngeftellten einanber 
gegenüberftefecn ober gegenüberguftefeen fcheinen, einen Ausgleich 
auf mittlerer ßinic feerbeigufüferen. (Sr umfaßt 96 Bereine (ein* 


fcfeliefelidfe gweier öfterreidjifcher) mit inSgefammt 126 000 Dfit* 
gliebem, roooon 24 700 ^ringipale unb 1800 Dicfeffaufleute finb. 
Seine alljährlichen ^auptoerfammlungen erfreuen ficf) bet Beachtung 
aller intereffirten Greife. 

HbfeitS baoon flefeen bie in oerfchiebenen Stabten oorhanbenen 
fatfeolifcfeen faufmännifchen Bereine, obroohl fic, abgefefeen oon 
ihrem fonfeffionellen dfearafter, nac h fogialpolitifcfeen $ln* 

fefeauung gu biefer Kategorie gehören. 

9Bir geben im Nachfolgenben über bie größten Bereine biefer 
2lrt einige Safylm für 1897, bie allgemeines Sntereffe beanfpruefeen. 



befiehl 

Safere 

Bfttglieber* 
Beftanb ! ) 

Bermittelte 

Stellungen 

©ewäferte 

Unter* 9 ) 

ftüpungen 

SBirft feaupt* 
fäcfelicfe in 

©emäfert raufen* 

feülfe begw. befipt eine 
©ingefdfer. ^ülfsfaffe 

gortbilbungSfcfeulmefeii 

Berlin. 

Berein junger Äaufleute .... 
jfauftnännifchcr £>ülfsuerein . . 
Berein ber Banfbeamteit . . . 
Berein bcntfdjcr .^aufleute (S>irfcfe s 
^uneferfefeer ©ewerfoerein) . . 
ftaufmnnmfdjer unb geroerbltdjer 
■f)ülf$oerein f. weibliche^ngefteßte 

59 

15 

7 

25 

9 

3592 

9418 (951) 
1596 (181) 

4409 

10 423 (404) 

756 

680 

46 

696 

1985 

13 530 

4 250 8 ) 

600 4 ) 

682 

Berlin 

Berlin 

Berlin 

gang ^eutfcfelanb 

Berlin 

freien Sfrgt u. Ärgnei 
beSgl. 
beSgl. 

©irtgefcfer.^ülfSfaffe 

(Eingefcfer. §ülfsfaffe 

Unterhalt eigene ^nnbelr* 
fefeute unb faufmämiiicbc 
gortbilbunbsanftalt. 

Unterfeält .^anbelsfchulc. 

Sranffurt a. B?. 
^aufmänntfefeer Berein .... 

88 

13 985 (548) 

2513 

508 

Sübbeutfcfelanb 

©ingefcfer.§ülfsfaffe 

Hamburg. 

Berein f.^anbluugsfommis o. 1858 
Seipgig. 

40 

53 951 (7170) 

5516 

3 730 

gang $eutfdjlanb 

©inaefdjr. ^iilfsfaffe, 
$enjtonSfaffe 

Unterhält 5ortbiIbiing#»U 

Berbanb beutfdjer^anblungsgefeülf. 

17 

45 855 (353) 

3621 

4 669 

gang SJeutfcfelanb 

©ingefefer. ^ulfSfaffe 

- 

SWannfeeim. 

.Haufniänntfcfeer Berein .... 

81 

2982 (696) 

518 

724 

Sübbeuticfelanb 

©ingefcfer.«gülföfaffe 

Unterhalt £>anbcl*idjnlr. 

Bfüncfeen. 

.(faufmännifefeer Berein .... 

24 

2590 (313) 

566 

— 

Sübbeutfcfelanb 

- 

Unterhalt ^ortbilbimgefife. 

Dürnberg. 

cHaufmännifefeer Berein Bterfur 

37 

4823 (990) 

Hl 2 

165 

Sübbeutfdjlanb 

— 

Unterfeält ^oiibrlbiuni«fdj 

Stuttgart. 

tfaufmänmfcbcr Berein . . . . 

22 

1234 (231) 

164 

2600 

Württemberg 

^ingefcfer.^iilfsfaffc 

Unterhält 7vottb\\bvvwg^Ä\. 


0 $ie 3tffem tu ben klammern geben bie gafeleit ber Bid)t=©ebülfcn an. 

2 ) BZit vlus|d)lub ber Unterftüpungen aus Traufen*, Begräbnis, BenfionSfaffeti. 

3 ) $)cr Bereut gemährte auperbem 8895 je $)arlefeit. (Sr betreibt lebiglich Stellennachweis unb gemährt Unterftüpungen. lic 
(Erörterung fosialer fragen ift grunbfäplidj auSgefdfeloffen. 

4 ) $)agu fomnten 9445 M. für ftatutarifdje SteHenlofen-Unterftüpung. 


®eu oor etwa fed)S Sah reit gegrünbeten „®eutfcfe*nationalen I 
§anblungSgehülfetioerbanb", beffen <§ip in Hamburg ift, haben 
mir, tropbem er über 20000 üJfitglieber gtf feien foll, feier nicht mit 
aufgeführt, weil feine WühlfafertSeinricfetungen hinter feiner auf bie 
Befäntpfung namentlich beS £eipgiger unb Hamburger BereinS 
gerichteten agitatorifchen Wirf famfeit röllig in ben $>intergrunb 
treten, dr bitbet bie llebergangSftufe gu ben oon ihm roegen 
ihrer Sabenfreunblicfefeit U nb bemofratifefeen ©efinnurtg ftarf be* 
fellbeten Bereinen „flaffenbewufeter" ©efeülfen, welche Den Snter* 
effengegenfap gwifdjen ©efeülfen unb Arbeitgebern fcharf betonen. 
Sein Stellennachweis ift bislang ohne erhebliche Bebeutung. dr 
hat jept eine Stellenlosen * Unterftiipung eingerichtet, über beren 
dntmicfelung noch fein Bericht oon Belang oorliegt. Seine ein* 
gefchriebetie .§ilfsfaffe ift oor einem Safer in ftraft getreten. 

3)ie Bereinigungen ber flaffenbewnfeten ©efeilfen fann man in 
brei ©nippen feilen: in bie rein fogiatbemofratifefeen mit oöllig 
politifd)etn dfearafter, in bie gemerffd)aftlid) organifirten unb in 
allgemeine beniofratifcfje. £>ic in oerfchiebenen Stäbten $>eutfcfe* 
latibs, wie Berlin, dreSben, Dtogbcburg, Dfüncfeen gegrünbeten 
„freien Bereinigungen ber itaufleutc" wie bie fid) an fie an* 
fdjlicBenben „öadjuercine für .vronbliiitgSgefeiilfinuen", beren Drgan 
bas in Berlin erfdjeiuenbe fialbmonatsblatt ,,£tr .ftanbelSaugefteÜtc" 
mar, erwarten alles Mcil ausfcfeliefelich oon bem 9lnfd)Iuft ber 
faufmännifchen ©cbtilfeit an bie politifdje fogialbemofratiidje Partei. 
Sic Diitgliebcrgabl ift nicht bctriidjtlid), unb fie hefigen fo gut roie 
gar feine Wohlfahrtseinricfetung. Shre Shiitigfeit ift eine rein 
agitatorifdic, unb fie finb mehr ober miubcr offene (Gegner rein 
bernfegeuoffenfdmftlidjeu oon ber politifdieit ^arteiftellnng abfehen* 
ben Sufqmmcnfdjluffes gur drgicliing befferer Arbeitsbedingungen, 
obren ©ruub bat biefe Anfdjauunq barin, bafe ber älteftc biefer 
Bereine in Berlin feinen Sip hatte, unb bah hier and) bas Bereins* 
organ erfdiien. Befanntlid) hat aber in Berlin in ben Streifen ber 
Arbeiterfdjaft bie politifdje Strömung bie Dberfeanb. ' 


$>a aber in anberen Stäbten, namentlich in Hamburg unb 
£eipgig, bie gewerffchaftliche Dichtung bie ftärfere ift, fo entftanb 
ein recht heftiger feänSlidjer Brubergwift gwifefeen ben beibeu $ar* 
teien, ber oor ehoa einem Safere gu einer gemerffchaftlichen Sonber* 
bilbung, ber ©rünbung beS „dentralocrbanbcS ber £>anblungS* 
gehülfen unb ©ehülfinneit 3)eutfd)lanbS" führte. Sw §. 2 bes 
Statuts helft* es auSbrücflich: „^arteipotitifefee Beftrebuiigcii finö 
auSgefdjloffen." Allein es ift fein Sroeifel, unb bie £eftiirc bcs 
BereinSorganS ,,^)aS £anblungSgehülfen=BIatt", baS fid) im erücn 
Safere feines BeftefeenS burefe feinen fachlichen, mafeoollcn $on oor* 
tfeeilfeaft auSjeicfenete, bemeift eS, bafe bie fojialbemofratiftfie Ält- 
anfchauuttg bie ©rüitber unb Seiter heute noch beljerrfdjt. Bei ber 
feit ber ©rünbuitg oerfloffenen furjen 3eit ift es unmöglich, ein 
Urtfeeil über bie jufünftige ©eftaltung su fätteit. ?lbcr eS ift 
anjuerfennen, bafe gu feinem Programm ber SteÖcnnadjweis ge¬ 
hört, eine ifjätigfeit, welche oon ben rein politifcfeen Bereinen 
mifetrauifch betrachtet, gum Sljeil lebhaft befämpft roirb, wenigftens 
fotoeit fie oon ben „alten" Bereinen auSgeitbt mtrb. ?lud) bie 
Steüentofen*llnterftüpung unb bie ©croährung oon Nechtsfdjup ift 
fapungSgemäfe feftaelegt. 

Sngroifcheti ift groifchen beibeu Dichtungen nach längeren 
Kämpfen eine „dinigmtg" guftanbe gefommen, welche eine Nicber* 
läge ber fogenamiten Sofalorganifation, b. h- in biefent Salle ber 
rein politifdjen Dichtung bebeutet. $ie lofalcn Crganifationeii 
follen fiefe banaefe auflöfeu unb ifere eiitgeliten NJitgliebcr follen bem 
deittraloerbanbc beitreten. 3bie Sadjfdjrift ber ,,.f)unbels=3(ugcftclltr 
ging ein, bagegen erfdjeint baS „ManblnngSgeliilfcu * Blatt" oon 
unu an in Berlin. Sb ber 3 lü iefpalt gmifdjen beiben Did)tungei 
baburdj oöllig befeitigt ober nur oorübergefectib beigelegt ift, läüt 
liefe feeute nod) nid)t überfefeen. 

3u ben ben Älaffeitgegenfap bctonenbeit ©efeülfen muffen wir 
aud) bie Bereine für faufmäuniiefee ?lngeftetttc gu Sranffurt a. B’. 
unb SRaing rechnen, bie faft ausfchliefelich agitatorifche unb auf* 





1193 


6o}ictIe $ra£ts. Gentralblatt für ©ojtalpoltti!. 9h:. 45. 


1194 


flärenbe Wirf famf eit entfalten. 3h* BereinSorgan war bie oor 
Kurzem wegen geringer ßeferzahleingegangene„Kautmännifd)e$reffe". 

SluS oer bisherigen Kennzeichnung ber einzelnen Drganifationen 
fann bereu Stellungnahme zu ben bie faufmännifche Gel)ülfenfchaft 
gegenwärtig bewegenben widjtigften Fragen leicfjt gefolgert werben. 
®tefe fragen finb, uachbem über bie fogenannte Konfnrrenzflaufel 
eine wenn and) allgemein nicht befrieoigenbe Gntfcheibung auf 
längere 3eit gefallen i|t: ber Sfchtubr*ßabenfd)luß, bie faufmännifchen 
6d)tebjjgerid)te, bie Frauenarbeit. Gute wirfliche BteinungSoer* 
fdjiebenbeit befielt nur über bie leßte Frage, wä^rettb über bie 
beiben erften grunbfäfclid)e Uebereinftimmung bei allen Bereini* 
gungen ^errfrf)t. Rur über bie Slrt ber SluSführung unb in ber 
Form, wie jene Forberungen öffentlich zum SluSbrucf gebracht 
werben, h cr *f<h* Smiefpalt. Ter Teutfcfje Berbanb faufmännifcher 
Vereine hat ft<h für ben Slchtuhi>ßabenfchluß unter 3ulaffung oon 
StuSnabmen auSgefprochen, begleichen ber Berbanb beutfcher 
£>anblungSgehülfeu, wogegen bie übrigen Bereinigungen einen aus* 
nahmslofenSlchtubr*ßaben|chluß gefeßlid) ^crbeigeführt fehen möchten. 

Leiter gehen bie Meinungen über bie Frage ber fauf» 
männifdjen Schiebsgerichte auseinanber. Tie Btehrzabl ber bem 
beutfchen Berbanbe faufmänuifcher Bereine angebörenoen Berbin* 
bungeit wünfcfjt hauptfäd)lich aus bem Grunbe, um fammtlicben 
£>anbIungSgehülfen im beutfchen Reiche bie Wohltat zu Tf)eil 
werben z u laffen, ben Slnfd)luß ber Schiebsgerichte an bie SlmtS* 
gerichte. lieber bie Unzwecfmäßigfeit einer folcfjen Bilbung fei bei 
biefer Gelegenheit nicht gefprodjen. (Sine Btinberzahl ber BerbanbS* 
ocreinc fowie ber ®eutfch*iiatioitale §anblnngSgehülfen*Berbanb 
forbern entweber felbftftänbige SchiebSgeridjte nad) Slrt ber Ge* 
werbegeridjte ober ben bireften Slnfchluß an bie Gewerbegerichte. 
Ter Leipziger Berbanb beutfcher £>atibIungSgebülfen will ooit einer 
Berbinbung ber Schiebsgerichte mit ben Gewerbegerichten nichts 
wiifen, weil leßtere für bie fo$ial niebriger flehenben Arbeiter unb 
.fmnbwerfer eingerichtet feien; er erflärt fi<h bemgemäß für felbft* 
jtänbige Gerichte. Sille übrigen Bereinigungen forbern, wie bieS 
ja aud) in ihrem Wefen liegt, SluSbehnung ber 3uftänbigfeit ber 
Gewerbcgeridjte auf Streitigfeiteu aus bem faufmännifchen Sin* 
ftellungSuerhältuiß. Tiefe 3 c *fplütoung ber Slnfichten unb bie 
gegenfeitige heftige Befeßbung tragen mit Schulb barau, wenn bis* 
lang in bicfcr Slngclcgeuheit non ber Regierung nichts gegeben i[t. 

Was bie Frauenarbeit anbetrifft, beren Wettbewerb ft<h bem 
männlichen fjaublnngSgchülfen immer fühlbarer macht, fo finb 
nur jroei Bereinigungen auSgefprochene Gegner: ber Seliger 
Berbanb beutfd)er' £mnblungSgei)ülfen unb ber Teutf<h*nationale 
£)anblungSgebülfen*Berbanb. 3mar fehen fie ein, baß bie Frauen* 
arbeit im .fwnbelSgemerbe nicht oerboten werben fann, inbeffen 
wollen fie mit allen gefeßlidjen Mitteln ihre Ginfchränfung herbei* 
führen, unb fie glauben bieS am beften burch SluSbehnung ber 
Schußbeftimmungen ber Gewerbeorbnung auf bie weiblichen 
.§anbluugsgehülfen zu erreichen. Tem ftefjt freilich bie Tßotfache 
gegenüber, baß jene Scßußbeftimmungen bie 3 a hl ber Fabrif* 
arbeitcrinnen nidjt uerminbert haben. Ter .spirfch^unäer’fche 
Gewerfoerein „Berein beutfcher Maufleute" befämpfte bis oor etwa 
brei Fahren bie Frauenarbeit auf baS ßeftigfte, ift aber jeßt fein 
auSge)‘prod)ener Gegner ber Frauenarbeit mehr, fonbern oerlangt 
Drganifation ber §anblungSgehiilfinnen als baS leßte Blittel zur 
Befeitigung fchäblictjer Konfurrenz. 3i e mlich unfreunblich ftcht ber 
große Hamburger Berein für ^anblungSfommiS ber Frauenarbeit 
gegenüber. Glicht, baß er fie öffentlich befämpfte, er erflärt ftd) 
aber gegen jebe Unterftüßung ihrer Organifation, weil eine folche 
ben Wettbewerb nur ftärfe unb oermehre. Tie übrigen Berbin* 
billigen beS ©eutfehen BerbanbeS faufmännifther Bereine finb ber 
Frauenarbeit weniger abgeneigt, unb bie §auptoerfammlung beS 
FaßrcS 1896 nahm nad) einem Bortrage beS Borfißenben beS 
Berliner faufmännifchen £>ülfSoereinS für weibliche Slngefteflte einen 
Befdjlnß an, wonach fie bie Frauenarbeit im ^anbelSgewerbe als 
berechtigt anerfennen. Beflagt würbe nur ber auf bie Entlohnung 
brüefenbe Wettbewerb, bem Ginhalt gethan werben ntüffe. Gin 
3ufaßantrag, baß bie befte §ülfe bagegen bie Drganifation ber 
weiblidjen Singeftellten fei, würbe auf Betreiben beS Hamburger 
Bereites abgclehnt. Taß bie fojialbemofratifchen unb gewerffchaft* 
lieh organifirteu $anbIungSgef)ülfen gernäfe ihren politifchen unb 
wirthfd)aftlid)en Sinfchauungeu über bie moberne Strbeiterbemegung 
bie Frauenarbeit als ein nothtoenbiges Glieb in ber allgemeinen 
wirthfd)aftlid)en Gntwicfelung anfehen, braucht nicht befonberS her* 
oorgebobert $u werben. 

3oni Schluft fei noch erwähnt, bafe oon ben Bereinen ber 
erften Gruppe ein eigenes Fachorgan befigen: ber .Hamburger 
Berein für |)anblungStontmis, ber Öeipgiger Berbanb, oer £)irfd)* 


^uncferfche Berein beutfcher Äaufleute, bie allgemeine Bereinigung 
beutfcher BuchhanblungSgehilfen, ber beutfch*nationale ^anblungS* 
gehiifcnoerbanb,ber faufmännif^e^ilfSoerein für weibliche^(ngeftellte. 
Berlin. _ 3- ©ilbermann. 


gemeine Sojtnl- null Mirt^fi^aftopoUtlk. 

Slrbetterfefretartat i« Bremen* ®ie Begrünbung eines 
Slrbeiterfefretariats in Bremen ift in finanzieller £>inficbt gefichert. 
Bon ben 4868 GewerffdjaftSmitgliebern (etwa bie §älfte ber 
organiftrten Arbeiter), bie an ber Slbftimmung fich betheiligten, 
haben — unb baS ift ein erfreuliches SRefultat — 4466 für einen 
obligatorifchen Beitrag ffdj erflärt, unb zwar unter biefen 3079 
für einen 10 ^Beitrag, 1387 für einen 5 /$*Beitrag. 9fur 
54 Slbftimmenbe paben an ber Slnftcht feftgebalten, bafe ein obliga* 
torifcher Beitrag nicht z u erheben fei, währenb 348 Slbftimmenbc 
gegen bie Grrid)tung eines Slrbeiterfefretariats ftch gewanbt haben. 

Gefehliihc Wegelinig ber lanbmirthfdKtftUihei! SlrbeitSberhättuiffe 
tu Ungarn. 3m ofPziöfen „Hefter 53lot;b" finbet fich folgenbe Brit* 
theilung: ,,®er große Grfolg, welchen baS Gcfeß über bie lanb* 
wirthfehaftlichen Slrbeiter fchon in ben erften jjwei Fahren feiner Sin* 
wcnbniig erzielte, ermuthigt ben Slcferbauminijter Dr. 3gnaz 5)arani)i, 
baS Wert ber SHegelung ber Slrbeiteroerhältniffe, foweit biefe fein 
Steffort berühren, eifrig fortzufeßen. F» ber 2:hat hat ber G.*Sl. II: 
1898 fowohl bei ben oorjährigen, als auch bei ben heurigen Grnte* 
arbeiten fich außerorbentlid) bewährt unb ben agrarfo^ialiftifchen 
Umtrieben mit einem Schlag ein 3tcl gefegt. Ta bie ^gubwirthe 
ebeitfo, wie bie betheiligten Slrbeiter bie zahlreichen Bortheilc richtig 
erfaunt haben, welche baS Gefeg ihnen gewährt, giebt ftd) in allen 
biefen Greifen nngefchntälerte Slnerfennung für baS aufrichtige, aHe 
Fntereffenten gleid)ermaßen berücfftchtigenbe Streben beS Banifters 
Taränpi funb. Wie wir nun erfahren, hat ber Slcferbauminifter 
für bie #erbftfeffion beS Reichstages wicber mehrere cinfchlägige 
Gefegentwiirfe oorbercitet. So foüen bie Rechtsoerhältuiffe ber 
fogenamtten itnbifarbeiter unb ber Unternehmer oon Ianbmirth* 
fdjaftlichen Slrbciten gefegiich geregelt werben, woburd) einem 
brennenbeu Bebürfuiffe entfprod)en werben wirb. Ferner beab* 
fichtigt ber SKinifter einen Gefcgentwurf über bie Untcrftiigung ber 
lanb wirthfehaftlichen Slrbeiter bei Unfall unb Fnoalibität ber ^egis* 
latioc oorzulegeit. Ter bezügliche Referentenentwurf ift bereits 
fertiagefteüt. Gs fann nur gebilligt werben, baß biefe Kategorie 
ber Slrbeiter nicht, wie bieS z- B. itt ^reußen gcfchehen ift, mit ben 
Fnbuftricarbeitern unter einen §mt gefteüt wirb, ba ja ihre fpezieflen 
Berhältniffe nur burch befonbere Berfiigungen richtig geregelt 
werben fönnen. SchUeßlidh würbe ber Entwurf einer Berorbnung 
betreffenb bie Bcrmittelung lanbwirtbfd)aftlicher Slrbeiten auSge* 
arbeitet. Btinifter Tarantji hat biefen Gntwurf ben Fadheiten 
behufs Begutad)tung iiberfenbet. Gr will bie Berorbnung noch im 
laufenben Fahre burchführeit, burch welche bie bisher fo grünblich 
unb mit fo giinftigem Grfolge oorgenomineuc Slrbeitsoermittelung 
beünitio organifirt werben füll." — So ganz tabcllos fdjeint jebod) 
baS Uontraftgefeg oom oorigen Fahre nid)t zu funftioniren, ba es 
auch heuer nid)t au Tifferenzen zmifchett lanbwirthfchaftlichcu Sir* 
beitem unb Slrbeitgcberu gefehlt hat. So haben fürzlid) auf ber 
Befigung beS Reid)StagS*Slbgeorbnetcn Äolotnan Brazat) etwa 
600 Schnitter bie Slrbeit eingeftellt. Wie bem „Mel. Grt." gcmelbet 
wirb, haben bie Slrbeiter bie Äontraftc gebrochen, weil bie Mott* 
oention nicht entfprad) unb weil fie in Folge ber fd)ledjten Grnte 
einen größeren Schnitteranthcil forberten. Dberftuhlrichter Banniß 
erfeßiett im Mreife ber Sdjnitter, um bie Differenzen auSzugleid)cn, 
was aber bisher nid)t aclnngen ift. Tie GutSoerwaltung wenbete 
ftch an bie Slrbeiterabthcilung beS SlcferbaumiuifterimnS um Sir* 
better, biefeS wies jebod) bas Bedangen ab. 


fiotttmimale Sojialpolitik. 

Berforgmtg ftäbtifcher Slrbeiter in Stuttgart. 3n Stuttgart ift bie 
Berforgungsfaffe für Slrbeiter am GaS* unb Waffcrwerf mS Üebeti 
etreten. Tie Fuoalibcnrcuten werben oon 220 d(. bis 650 J(. 
etragen, bie Sittersrenten werben git>if<hen 160 <1( unb 450 , K. 
liegen. Tie bisher noch nicf)t penfionsberechtigten Gemeinbeuntcr* 
beamten unb Bebienfteten, fowie bie ebenfalls bisher noch uidjt pen* 
fionsberechtigten Fubuftrielehrerinuen unb Lehrerinnen an Allein» 
finberfchulen unb ^inbergärten werben oon jeßt ab and) Bcnfion 
beziehen unb wirb bereu iliaj'imum fogar bis 80 % beS Tienft* 
einfommenS fteigen. Wittweu* unb Waifenoerforgung aller bicfcr 
Kategorien oon Slngeftellten ift ebenfalls oorgefeheu. 



1195 


©ogtale $rajt$. Sentralblatt für ©ogialpoliiif. $r. 45. 


1196 


(StäbtifcRe ©efunbhettStnfpeftorinnfn in Birmingham. SDer Stabte 
ratR oou Birmingham Rat, roie bereite mitgetReilt, meliere grauen 
als j.Health Visitors^ angeftedt. SSie nun ber ftäbtifdjc ErgtDr. £)\d 
berietet, ift biefer BerfucR bereite jept als überaus gelungen unb 
erfolgreich gu begcicRiten. Xic ^ufpeftorinnen Raben ^a^Ireicfje 
ErbettcrRäufer befudR unb fomitcn fdjoit in beu erftett Zagen ihrer 
ZRätigfeit inaitd)erlei Uebelftänbe abfteden, roaS ntangelnbe SHcitt* 
lid)!eit, fdjlccRtc Ventilation, Beniadfläffigung oon itinbern u. f. io. 
in ben Wohnungen ber unbemittelten klaffen anbetrifft, EucR in 
täranfReitSfädeii erroiefen fief) bie Health Visitors als fehl* mipIicR. 
Sehr roertRood namentlich ift bie llnterftübuitg, bie fie bem 
0auitätsbepartemeut bieten, inbem fie. baffelbe auf mancherlei 
Uebelftänbe aufmerffam machen, fiir roeldje bie .§auSeigcntRümer 
oerantroortlich fiiib unb gu bereit Ebfteduttg Re oon ber jtäbtifdjeu 
BeRörbe oerhaltcn toerben. Dr. §iH ift ber EnficRt, baR bie XRätig* 
feit ber Women Health Visitors bie RoRc BtortalitätSgiffcr in 
Birmingham merflidj toerbe herabfepen föitnen. 

ftommiutafer Ärldfina^tneii in fionbon. Der 3a^reS6erid>t 
bcS Islington Labour Bureau pro 1898 aiebt an, baR im Berichts* 
fahre 4091 ErbeitfucRcnbc (3690 männliche unb 401 roeiblidje) re* 
giftrirt mürben unb Rieroon 2099 ^erfonen Arbeit unb groar RäuRg 
bauerube nadjgemiefeit mürbe. 3)ie Beftrp felbft beefte ihren Bebarf 
an ErbeitSfräften aus ben SRegiftern beS ErbeitSnacRroeifeS unb 
befdjäftigte 1239 ErbeitfucRenbe. $>ie ftoften biefer fommunalen 
ErbeitSoermittelung ftedten fich im Berichtsjahre auf 216 £. 


Sojtol* Jttßattbe. 

$a8 3to*f4««metperf#cia in ber Berliner ^ol^bearbeitnngSinbufhrie. 

Bei jebem Unternehmen fommeti groei Erten oon SURfo in 
Örage, bas SRififo beS BtiRlingenS ber ^robuftion unb baS SRiftfo 
beS EbfapeS beS fertigen B r °^ u ^ eö - 3cber Unternehmer ift baRer 
bemüht, biefe beibe Erten oon SURfo, an roelchen fein Unternehmen 
f(Reitern fönnte, gu oermeiben. ZieS mirb ihm bann am beften 
gelingen, menit er baS Siififo auf anbere Schultern abmälgt. Beim 
Ebfape beS fertigen BrobufteS läRt fich öie$ RRmer machen, menn 
ber Unternehmer feine oöflige Selbftftänbigfeit behalten miß. EnberS 
oerhält es Reh beim BrobuftionSprogeffe. £>ier ift eS tnöglid) 
burch GinfcRieben oon 3mifd)enperfonen bit (Gefahren beS s i)HR* 
lingenS ber Brobuftion Enbere tragen gu laffen. Eis Beifpiel 
hierfür begieße ich mich nur auf bie Berliner $onfeftion mit ihrem 
3mifchenmeifterfpftem. Euch bei anberen Berliner Snbuftrien Rnbet 
fich bicfeS Spftem thcils ood auSgebilbet, theils in ber Borberei* 
iung. XieS ift befonberS ber gad in ber Berliner £>olgbearbeitungS* 
inbuftrie, unb groar nicht nur bei ben Branchen, roelcRe außerhalb 
ihres Betriebes auf Bauten arbeiten laffen, fonbern auch bei benen 
— unb baS ift befonberS intereffant — melche nur in eigenem, 
gefcRloffenen Betriebe probugiren. X>aS 3 ra if4enmeifterfpftem bei 
beiben, mie es fich mir bei meiner fünfjährigen XRätigfeit als 
©eridjtsfdjreiber beim Berliner Gleroerbegeridjt gegeigt hat, foll Riet 
näher bargeftedt merben. 

I. 

Schon feit langen 3ah ren ift bei ben BautifcRlereien unb 
ben guRbobenfabrifanten unb *.£>änblern Sitte, baS Ginfepen oon 
genftern unb ZRiircn refp. bas Verlegen oon guRböben auf Bauten 
an 3roifd)enmeifter gu oergeben. Xiefc refrutiren fich auSfcRlieRlicR 
aus ZiRRlergefeden ober früheren Biciftern. Eb unb gu über* 
nimmt and) ein Heiner felbftftänbiger ÜMfter bie EuSfüRrnng 
biefer Erbeiten. SebeufaflS finb bie 3mifd)emneifter ftets gelernte 
Erbeiter. X)iefe übernehmen bie genannten Erbeiten theils auf 
Oirunb eines fd)riftlid)en, tReils auf Olrunb eines münblidjen Ber* 
träges nad) 8tücfloRnfäpen, unb gmar fo, baR g. B für baS Gin* 
fepen eines gcnfterS ober für bas Berlegen eines CuabratmeterS 
guf 3 boben ein beftimmter Breis oerabrebet mirb. Gs fomtut and) 
oor, baR ber ^ojifdjenmeifter fämtntliche auf einem Bau aus* 
guführenben Ginfeper- refp. guRbobenarbeiten gegen eine Baufdial* 
fuiuine übernimmt. 

Xie Öage bes 3mifchenuicifterS iit feine fein* rofige. Gr haftet 
bem Unternehmer für orbnungsmäRige EuSführuug ber Erbeiten 
bis guin feftgefepten Xerinin. Brenn nad) biefer SRiditung bem 
Unternehmer eine (Gefahr broht, mirb ber ^iuiidicnmeiftcr ootn 
Bau gemiefen. Xas Enncljmeu, Vöhuen unb Beauffiditigeu ber 
Erbeiter fällt ihm allein gur Vaft, bod) nuiR er cs fid) gefallen laffen, 
baR ihm fein Erbcitgcber (behülfen gufeubet ober bie oon ihm En* 
genommenen emläRt. V>iergn fotnmt noch, baR ber 3mifd)en= 


meifter fämmtlichc ©efchäfte, mie EBholen beS ©elbeS, baS Ber* 
hanbeln mit bem Unternehmer ic. allein gu beforgen hat- SRidjt 
immer begieht er für biefe befonberen Pflichten eine befoitbere 
Bergütung, ba er feine Erbeiter gemöhnlich gu benfelben Stücf* 
lohnen, bie er felbft erhält, arbeiten IäRt. Behält er aber einen 
Xheil beS Stücflohnes für Rdh, fo ift berfelbe fo aering, baR ihm nur 
nothbürftig bamit bie 3 c itoerfäumniffe, bie er Durch bie genannten 
befonberen gunftionen hat, oergütet merben. X>a ber 3mifchen* 
meifter regelmäRig bei bem Giufepen begro. guRbobenlegen mit* 
arbeitet, fo muR er gang befonberS leiftungsfähig fein, falls er 
ben üblichen fiohn feiner ©ebülfen begiehen miH. X>aRer gehören 
benn auch bie 3mifchenmeifter gu ben tüchtigften unb intelligenteften 
Erbeitern biefer Spegialbranchen. 

Xie behülfen merben gemöhnlich oon ihm felbft eingestellt, 
hoch ntuR er Reh, mie oben ermähnt, gefallen laffen, baR ber Unter* 
neunter ihm Erbeiter gumeift ober entläRt. 5>ie ©eRülfen Rnb 
theils gelernte Erbeiter, XiRhlergefellen, theils ungelernte, ifepterc 
merben gegen Stunbenlohit (etma 35 bis 40 4) befd)äftigt unb 
haben nur ^anbreidjungen gu leiften. 9iicht auf allen Bauten 
fommen biefe gur Eumenbitng. 2Bo bie Xifchlergefellen Reh irgenb* 
mie ohne einen ungelernten Erbeiter behelfen fönnen, fehen Re oon 
ber GmfteUung eines foldjeit xib. Xie gelernten Erbeiter erhalten 
regelmäRig Stücflobn. X)a am Gnbe jeber ©oche bei biefen fich 
längere 3 e it hingiehenben Erbeiten nicht abgerechnet merben fann, 
fo erhalten bie Erbeiter ebenfo mie ber S^ifdienmeifter jebe ©ohe 
ein fogenannteS £oftge!b, meines gmifcheu 24 unb 36 c 4t fd}roanft. 
9ladh gertigftedung aller Erbeiten rechnet ber 3a>ifd)enmeifter mit 
bem Unternehmer ab unb bann Grfterer mit feinen (behülfen. $on 
bem ßohne biefer unb bes 3 l oifd)enmeifterS merben oorerft Die 
etroaigen EuSlagen für Sftägel 2 c. unb ber Cohn beS ungelernten 
ErbeiterS abgegogen. £)anit befommt jeber GJefeHe incl. ^roiRhen* 
meifter ben für feine Seiftungen oereinbarten Sohn, roobei, roie 
bemerft, für bie Bemühungen beS 3mifd)enmeifterS öfters etroaS 
abfällt. Selbftoerftänblid) mirb in berfelben Bkife mit bem 6Je* 
feilen abgerechnet, ber oor Beenbigung ber Erbeiten ausfrf/eibet. 
s J?icht feiten fotnmt es oor, baR ber 3mifd)enmeifter aus bm auf 
ihn entfallenbcn ßohn feine ©ehülfen begahlt, menn biefdben aus 
ben 3 a hI uli gen beS Unternehmers nicht ooll befriebigt roerbeu 
fönnen. Bfauchmal fommt es auch oor, baR ber 3miiä)nvme\)let 
feinen (behülfen mit bem Sohn, ben er oom Unternehmer erhalten 
hat, burchgeRt. 3^boch bürften berartiae Borfontmniffc nur Eus* 
nahmen btlben. X)aS .?>anbroerfgeug pflegen bie gelernten Erbciter 
RcR felbft gu beforgen. 

28aS nun bie BerficRerung beS 3roifchenmeifterS unb feiner 
Gtehülfen gegen ^ranfReit unb Snoalibität betrifft, — bcgüglich 
ber UnfaHocrRcRerung bin icR nicRt orientirt — fo liegen bie Ber* 
Rältniffe Ricr feRr im Ergen. öäuRg Hebt ber Unternehmer für 
ben 3 ro if<h en meifter bie SnoalibitätSmarfen unb melbet ihn bei 
ber ftranfenfaffe an. BielfacR unterbleibt bieS auch bei ihm. 
X)ie ©eRülfen merben meiftenS rneber gegen ^ranfReit nodi gegni 
Snoalibität oerRcRert. Xenn ber Unternehmer ReRt biefelben ge* 
moRnlich nicRt als feine Erbeiter an, mäRreub ber 3 lll ifchenmeijter 
fid) nur jür einen Borarbeitcr Rält unb fid) baRer gur Tragung 
ber auf ben Erbeitgeber ‘fallenben BerRd)ernngSbciträge nid)t für 
oerpflicRtet erachtet, gumal er auch fein GJemerbc angumelben als nicht 
oerbunben erfcReint. 3>n oerfd)iebenen fädelt, in roelcRen roegen ber 
Enmelbung jur Ätranfenfaffe ein BerfaRren eingeleitet mar, Rat — 
foroeit id) mtd) infonniren fonnte — bie betreffenbe BeRörbc gu 
©unften bes Unternehmers ben 3roifcRenmeifter als ben eigent* 
licRen Erbeitgeber beRanbelt. 

II. 

I Stann eS 5Riemanben, ber bie geroerblicRen BerRältniffe im 

I Berliner Baugeroerbe fennt, überrafcReu, baR ficR ebenfo mie bei 
j ben B u fe er n unb 8teinträgern and) bei ben Ginfepcrit unb 0fuR* 
j bobenlegern ein 3 rü if ( h enme iR er f9ftcm RerauSgebilbet hat, fo ift 
| bie GrfcRciuung, baR in ben gefcRloffenen Betrieben ber Biöbel* 
i tifcRlerei baffelbe 8pftem bei ber EuSfüRruug gemiffer Erbeiten 
i Eumenbung Rubel, ein 9?oount. EicRt bei allen Erbeiten, btc in 
I ber Biöbelprobuftion oorfommen, Rttbeit ficR 3mifcRenmeifter. Biel* 
i meRr ift bieS ber 3ad bei ber EuSfüRrung ber polier*, ber Bilb* 
j Rauer* unb ber XrecRslerarbeiten. 

! Bei bem Bolireti*) bilbetc ficR guerft ein 3mifd)enmeifter* 

fpfteut aus. ElS id) oor fünf 3aRren beim ©eroerbegend)t ein tr at, 

I 

i Xas "poliren oon Döbeln Rat fid) tm Saufe ber 3eit gu einem 

| Ecbfiigemcrbc ber Wöbcltiidjlerei beraiisgebilbet. trüber unb aud) jept 
nodi in fleinen Betrieben mit einem ober gmet Cstebülint geidiab rein. 




1197 


©ogiale ^rajig. dentralblatt für Sogialpolitif. 9ir. 45. 


1198 


feiert baffelbe eben erft Bei größeren Serfftätten ober oielmeßr Bei 
gabrifen eingefüßrt roorben gu fein. ift eg foroeit gefommen, 
baß in jeher Serfftätte, bie fooicl Söbel probugirt, baß ein ober 
groei ^olirer regelmäßige Sefcßäftigung finben, ein fogenannter 
^olirermeifter oUeiit fämmtlicßc $olirerarbeiten übernimmt, unb 
gtoar felbftoerftänblicß gegen Slfforbloßn. ©egenroärtig roerben in 
oerftßiebetten größeren Söbelfabrifeit aueß fogenannte S3ilb^aucr«= 
meifter unb drecßglerntcifter in berfelben Seife befcßäftigt. 

da ber $olirergroifcßcnmeifter bag Prototyp für alle 3nnfcßen* 
meifter im gefcßloffenen Setriebe ber Söbelbrancße BUbet, fo foll ber* 
felbe oorguggtocifc Serücfficßtigung finben. der ^olirermeifter über* 
nhnmt in ben betrieben mit größerer Söbelprobuftion bie Slug* 
füßrung fämmtlicßer ^olirerarbetten. Sßtn roirb ein befonberer SRaurn 
gu biefem 3n>ecfe angetoiefen unb ißm aueß bie erforberließen £>obeI* 
bänfe gur Verfügung geftellt. Seige, 0cßettacf, 0piritug nnb 0anb* 
papier befommt er oorn Unterneßmer geliefert, toäßrenb bie Fußlappen 
unb -ballen foroie 3^ß^inge jeher ^olirer felbft mitbringt. dem 
^olirermeifter bleibt eg überlaffen, bie Arbeiten allein auggufüßren 
ober für ft(ß ©eßülfen einguftetten. Sltterbingg Beßält fieß meift ber 
Unterneßmer oor, ©eßülfen bem Seifter gu überroeifen ober bie 
ißm nießt paffenben gu entlaffen, felbft, roenn fte oom Seifter 
felbft eingeftellt ftnb. der ^olirermeifter arbeitet ftetg felbft mit. 
dr ift geroößnlicß ein befonberg tiießtiger $olirer. Arbeitet er mit 
©eßülfen, fo beßält er fteß bie befferen Slrbeiten felbft oor. dag 
dinfommen beg ^olirmeifterg ift eing ber ßöcßften ber Arbeiter in 
ber gangen Söbelinbnftrie. dg feßroanft groifeßen 30 unb 45 ,At. 
pro Socße. dod) ift ber fßolirmeifter faft immer unter Slugfcßluß 
jeglitßer SHinbigunggpflüßt eingeftellt. 

die ^olirgeßülfen roerben tßeilg in Socßenloßn (18—27 J1), 
tßeilg in Slfforbloßn oom Seifter befcßäftigt. daß bie deßülfen 
3eitloßn erßalten, ift begßalb möglich, roeil bag Sßoliren fi(ß in 
bag Slbpußen, Seigen unb Sluftragen ber Politur gerlegen läßt. 
58ielfacf> roirb ben in Slfforbloßn befcßäftigten ©eßülfen eine biefer 
dßeilarbeiten übertragen. den leßten 0cßliff girbt geroößnlicß ber 
s #olirermeifter attein. der SSerbienft ber in Slfforb befcßäftigten 
$olircr ift um 3 big 6 <At pro Sodße ßößer alg ber ber 3ritloßn* 
arbeiter. die Soßnabrecßnung gefeßießt natürlicß in ber Slrt, baß 
ber ^oürermeifter mit bem Unterneßmer, unb ber drftere roieber 
mit feinen ©eßülfen am dnbe jeber Socße abreeßnet. Sludß ßier 
fommt eg oor, baß ber 3roif<ßenmeifter feinen ©eßülfen mit bem 
Soßn auf unb baoon geßt. 

die 3^if(ßenmeifter in ber drecßglerei unb Silbßauerei be* 
fcßäftigen ißre ©eßülfen nur gegen Slfforbloßn, roelcßer, roenn eg über* 
ßaupt gefeßeßen follte, nur um Senigeg geringer ift alg bag, roag 
ber 3rotf<ßenmeifter felbft erßält. diue SBefeßäftigung ber ®eßülfen 
in 3eitloßn fommt faft gar nießt oor, ba befonberg bei ber Silb* 
ßauerei eine oortßeilßafte Slrbeitgtßeilung nießt möglicß ift. die 
drecßgler befommen fämmtlicßeg Serfgeug oom Unterneßmer ge* 
liefert, toäßrenb bie Silbßauer außer ben Sänfen unb bem tßeueren 
,<panbroerfgeug ißre 0cßneibeeifen, 0ted)beutel 2 c. geroößnlicß felbft 
befeßaffen. 0onft liegen bie Serßältuiffe ebenfo roie bei ber 
$olirerei. 

Sillen biefen brei Stebengeroerben ber difcßlerei ßaftet bie* 
felbe Unflarßeit begügl. ber Slrbeiteroerficßerung an, roie bei ben 
dinfeß* unb Öußbobenarbeiten. der 3 TO ifeßenmeifter roirb ßier 
regelmäßig auf ben tarnen beg Unterneßmerg gur $ranfenfaffe 
angemelbet, ebenfo roirb für benfelben gefleht. Sei ben ©eßülfen 
aefeßießt bieg ßäufig roeber oon bem Unterneßmer, noeß oon bem 
3roifcßenmeifter. die Saften ber Unfattoerficßerung roerben natür¬ 
lich oom Unterneßmer getragen. 

III. 

Sft im Sorfteßenben im Sefentließen nur eine 0cßilberung ber 
gorm beg 3^ifcßeumeifterfnflemg gegeben, fo follen jefet bie fteß 
aug bemfelben ergebenben Sißftänbe unb Sorfcßläge gur SlbfteHung 


gefeßiebt baffelbe burd) ben Sijcßler felbft. 8onfi beforgen bag ^olireit 
eigeug bagu angeftetlte 2ente. ^iefelben braueßen nießt lifdjler gu fein, 
ßg finben fieß oielnteßr bagu muß 5t?eute aug aitberen (^crocrben, in 
benen fte nießt gut fortfomtnen tonnten. 9?ur bei ber ^ianoforte* 
fabrifation ftnb bie ^olirer faft augfd)Itcßließ gelernte 2ifd)Ier. Um 
bag ^olircn orbentließ au.gfüßren gu föunen, muß ber Üöctreffenbe eine 
befonbere ©cf^meibigfcit im .'panbgelenf befißen unb natürlicß eine 
größere Hebung. 2Sor etroa einem ^aßre taudjte einmal ein Scßrling 
in biefem (geroerbe auf, unb groar roar berfelbe minberjäßrig (16 ^aßre 
alt) uub fritßer 2aitfburfcße geroefen. dg fdjeint alg ob ftdi bie ^o* 
lirerei alltnäßlid) gu einem befonberen ©eroerbe mit eigenen Setrieben 
ßeraugbilben toollte, ba, roenigfteng in Serlin, aueß öfters ^olirer* 
arbeiten (befonberg bei ^ianofortefaften) ßauginbuftriell mit ©eßiilfen 
gemadjt roerben. 


berfelben näßer erörtert roerben. Sorerft fei bie grage entfeßieben, 
roer alg Arbeitgeber ber ©eßülfen angufeßen ift. 

Son ber roirtßfcßaftlicßen 0eite betraeßtet, ift Unterneßmer unb 
baßer aueß Arbeitgeber ber, roelcßer aug eigenen Sftoßftoffen Saaren 
anfertigt, um biefelben gu oerfaufeu, in unferem gatte alfo ber, 
roelcßer auf bem Sau bag Material gu ben dinfeßer* unb guß* 
bobenlegerarbeiten liefert, refp. ber digentßümer ber Serfftatt* 
Arbeiten. 3roifcßenmeifter unb ©eßülfen oerfaufen im ©runbe 
enommen nur ißre Slrbeitgfraft, genauer ißre Slrbeitgleiftung, an 
en Unterneßmer, ba fte in feinem 0tabium beg ^ßrobugireng 
digentßümer beg fertigen Sßrobufteg ober beg 9?oßmaterialg ftnb 
(augaenommen geringere Sluglagen). Quriftifcß oerßält fidß bagegen 
bie 0acße etroag anberg. 

0ft übernimmt ber 3roifd)enmeifter bie fragließen Arbeiten mit 
ber augbrücflidßen Sebinaung, baß er attein ben ©eßülfen für bie 
ßoßngaßlung gu ßaften ßat, roobei ißm natürlicß überlaffen bleibt, 
ob er bie Arbeit attein augfüßren ober roelcßeit Coßn er feinen 
©eßülfen gufommen taffen tritt. San roirb ißn baßer oom 
0tanbpunfte eineg Surifien alg ben eigentlicßen Arbeitgeber anfeßen 
müffen, obgleich er felbft feine eigene 0tettung gum Unterneßmer nur 
alg bie eines Slrbeitneßmerg auffaßt. 0o flar finb aber bie Slb* 
maeßungen beg S^ifcßenmeifterg mit bem Unterneßmer nießt, oiel* 
meßr roerben bem drfteren nur bie gefammten Slfforbarbeiten attein 
übertragen. ®aßer ift eg benn aud) oft äußerft feßroer, naeß bem 
ftrenaen SRecßt ju entfeßeiben, roer ber Arbeitgeber ber Oeßülfen 
beg Swiftßenmetfterg ift, unb ßierin liegt bie Urfacße adeS 0cßäb* 
ließen, roelcßeg in biefem 0pftem Befonberg für ben ©eßülfen liegt. 
3cß fann nießt fo roeü geßen, bag gange gefeßilberte 3roifeßen* 
meifterfpftem gu oerbammen unb feine Unterbrücfung gu roünfcßen. 
$>enn in einer roeit oorgefeßrittenen Solfgrotrtßfcßaft bilben fteß 
bei ^erftettuitg oon Saaren immer Unterneßmer ßeraug, roelcße 
nur Sßeile beg gangen Serfg probugiren. gcß erinnere nur bar- 
an, baß auf niebriger Sirtßfcßaftgftufe eine^erfon bag 0pinnen, 
Seben unb Späßen bcg£ieibeg beforgt, roäßuenb jeßt bei ung für biefe 
Serricßtungcn eine gange Slitgaßl oon ben oerfeßiebenften Unter¬ 
nehmungen befteßt. 9iur bie 0cßäben, roelcße bei einer roeitgeßenben 
Slrbeitgtßeilung fieß ßeraugftetten unb nießt oon felbft leießt oermiebeu 
roerben fönnen, finb gu befeitigen. ®tefe 0cßäben befteßen ßier bariu, 
baß für bie Soßngaßlung unb bie Tragung ber Saften beg Arbeit^ 
geberg g. S. ber ärbeiteroerneßerung bie 0cßultem beg 3roifcßen* 
meifterg, oon ber finangietten 0eite betraeßtet, gu unfteßer finb. 
Sebenfattg tritt bieg bann ßeroor, roenn bie genannten ^füißien 
beg Slrbeitgeberg einmal oom 3n)ifcßenmeifter oemacßläfftgt roorben 
finb, ba bie erforberlicßen ©elbgaßlungen bei feiner Sütellofigfeit 
naeßträglid) niemalg eingutreiben finb. 

Sein Sorfcßlag geßt nun baßin: AIS 3roif<ßenmeifter betraeßte 
man denjenigen, roelcßer bie lebiglicße Slugfüßrung oon Arbeiten 
außerhalb einer eigenen Serfftätte mit ißm nießt geßörenben 
Saterial ober an ißm nießt geßörenben dtegenftänben oon einem 
geroerblicßen Unterneßmer übernimmt, diefem Unterneßmer liegt 
eg ob, bafür gu forgen, baß bie ©eßülfen beg 3rotfcßenmeifterg 
entroeber auf ben tarnen biefeS ober beg Unterneßmerg felbft bei 
ber guftänbigen H'ranfenfaffe angemelbet, unb baß für biefelben bie 
erforberlicßen Sarfen gur Alters** unb Snoalibitätgoerfußerung ge* 
Hebt roerben. Unterläßt folcßeg ber 3 ro if<ß e nnteifter, fo ift ber 
Unterneßmer bafür oerßaftct. der Unterneßmer ßat bie Saften 
ber Unfattoerficßerung attein gu tragen. 0elb}toerftänblicß gilt ber 
3ioifcßenmeifter bem Unternehmer gegenüber lebiglicß alg Arbeit* 
neßmer unb ift aueß bementfpreeßeno gu oerficßern. 

Sag nun bie Soßngaßlung für bie deßülfen anbetrifft, fo 
foll ber Unterneßmer nur foroeit ßaften, alg er benSoßn nießt be* 
reits an ben 3 ro if(ß e nmeifter augbegaßlt ßat. gft Seßterer mit 
bem Soßn bureßgegangen, fo ßaftet ber Unterneßmer nur für 
culpa in eligendo fo groar, baß feine Haftung bann eintritt, roenn 
er bie Arbeiten an einen 3roifcßenmeifter übertragen ßat, ber ißm 
alg unfteßer betannt roar ober befannt fein mußte ober bann, roettn 
bie ©eßülfett birefte Segaßlung oerlangt ßaben. 

dieg ift bag ©eringfte, roag gur Sefferung ber Serßältniffe 
beg S^iftß^nnteifterfpftemg in ben genannten (Beroerben geforbert 
roerben muß. da oßne ©efeß*) btefe ^Eroberungen nid^t erfüllt 
roerben fönnen, fo müßten eutfpredjenbe Seftimmungen in bie be- 
güglicßen SReicßggefeße aufgenommen roerben. 

dßarlottenburg. Dr. ®eorg 9£eußaug. 

*) Sdioit nad) ben befteßenben ©efeßen bunte bet riefjtigcr AnS= 
legimg bie durdjfüßrung biefer §orbenuigeu gefießert fein, unb cz 
bebarf baßer feiner Slenberuug ber Weießgclmng. 

Tie 9lebaftioti. 




1199 


So$iale Prajte. ©cntralblatt für Sojialpoltttf. Nr. 45. 


1200 


Die Sergarbefter in ©elgien Die „Annales des mines" 
geben folgenbe 'Daten über bie belgifdjen $ohIenarbeitcr im 
3af)tc 1897: 

Die Arbcite^ahl betnig 120 382 ober 1136 mehr als in 1896 
uub oertheilte fid) folgenbermaheit: 



1 

l 

über 16 3nbrc 

unter 2ag 

81 678 

über £ag 

21 536 

9)iämilidie 

14-16 = 

4 223 

1 384 


12;— 1 4 = 

1 804 

1 147 


1 

über 21 gabre 

549 

1 554 

leibliche 

16—21 = 

87 

3 774 


l 

14—16 * 

— 

2 646 


88 341 32 041 

120 382 

Seit ber (Geltung bcS ArbeitcrfchuhgcfcfceS com Dezember 1889 
bat bie 3 n hl ber unter ^ a 9 befdjäftigten grauen unb Wäbcfjen im 
Mo bienberg bau um 3055 Arbeiterinnen ober 83 o / 0 abgenommen: 
Aiäbdjeu unter 16 3abren toerbett überhaupt nid)t mehr unter Dag 
beftf)ä|tigt. Die 3 a bl ber jngenblidien Arbeiter, bie in ben ©ruben 
felbft arbeiten, h a * fid) etrna um ein Drittel oerringert. \ 

Die ©efammtfumme ber ßöhne belief fiel) 1897 auf 
123 258 500 Srcs., roaS einem burd)fd)mttlid)en 3rtl)reSlol)u oou 
1023 TrcS. pro Stopf glcid)fommt; 1896 belief fid) biefer ßohu- 
burd)fd)uitt blofe auf 970 $rcS. Der burdjfdjuittlidje Ncttolohn 
ftclltc fid) pro Dag auf 2 ,*2 5rcS. für Arbeiter ober Dag unb auf 
3,72 Tyres. für Untertag*Arbeiter, roaS einer 4,4 pro^entigen Steige* 
ruug gegenüber 1896 gleidjfommt. — Die tätlichen Unfälle be* 
Offerten fid) mit 10,3 auf 10 000 Arbeiter ( 11,4 in 1895). — Die 
©efammtprobuftion betrug 21 492 446 t ober 180 t pro Arbeiter; 
ber ßofju betrug 5 , 70 Srcs. per Donnc unb ber jährliche Nein* 
geroiun 164 QrcS. pro Arbeiter ober 91 Centimes pro Donne. 


Arbeitgeber- unb üntenteljmrruerbänöe. 

Der Arbeitgebcrfoinb für ba$ ©angctoerbe DctstfdjlanbS fiat 
folgenbe 23efd)lüffc gefaxt: 3m Anf<f)lu§ an bie örtlidien Vau* 
arbeitgebcrocreitiigungen fiitb in gan^ Dcutfdjlanb obligatorifdje 
ArbeitSnadjrocife auf unparitätifdjer ©runblage ju erriditen. ©in« 
heitlidje GntlaffiuigSfcbeine, bereu Wortlaut oom Vorftanb feftgefefct 
ift, roerben im Aufd)luft an bie Arbeiisnadjroeife eiugefübrt. — An 
ben VuubcSrath wie an bie Ntinifterien färnrntlidjcr VuubcSftaaten, 
ferner an bie Ntitgliebcr ber fonferoatioen Traftion uub beS Sen* 
trumS mirb ein proteft gegen Errichtung paritätifdier ArbeitSitad)* 
roeifc gefanbt. — Die Arbeitgeberoerbänbe oon gaii 3 Deutfd)lanb finb 
311 oeraulaffen, Ncfolutionen 311 ßhuifteu beS ©efejjeutrourfes 3 um 
Sd)u(j beS geioerblidjen ArbeitSoerhältniffeS 3 U faffen uub biefe bem 
NcidjStag, PuubeSratf) unb bem NeidjSatnt beS Innern 311 über* 
feubeu. Diefe lepte Niittheilung ergiebt flar genug, rooljer bie 
Vorliebe ber Arbeitgeber für uuparitätifdje ArbeitSuachroeife 
itammt; fie fön neu fid) iiidit bnran gemöbneit, in bem Arbeiter 
einen gleidiberednigteu probuftiousfattor 31 t fel)en; fie roüufdieu and) 
in bem ArbeitsnarfjioeiS ein ^Machtmittel in ben .&änben 31 t Ijabeit, 
etmaigeu „llugchorfam" burd) Viafjregelungen uub Strafen 311 alinbcn. 

Arbeiterbewegung. 


SRaffenauSfperrttng in Dänemark Die bireft auSgefperrton 
Vcnifc finb: 

orgaitifirtc SRitglicber 

1. bie AJaurer.mit ca. 5 Oou 


2. = Zimmerer. ■* = 4 <)<H> 

3. = Difdjlcr.= = 4 000 

4. * SägciucrfSarbciter ... = = 1 000 

5. = ®2afdiinciiarbeiter . . . 6 000 

6. = Stuctateurc .... . ioo 

7. = Klempner.- * 1 000 

s. = Oielbgicner ...... - - 300 

9. = otiengieper.= - 1 300 

10. , Scaler.£ = 2 300 

11. = ungelernten Arbeiier . . . 27 «fii 


Tür bie erfteit ^efin ber genannten Berufe fouimcu nod) etiua 
1 n(H ) l)iu\u, bie uid)t orgamiirt finb; ungelernte Tubuftriearbciler 
giebt es etrna 50000 , fo bafi liier nur bie Mälfte organifirt ift. 
Os finb alfo in biefeu 11 Zeniten etioa 500110 orgauifirte uub 
20 000 unorganifirte Arbeiter. N Hiit Ausnahme ber Oleioerfe Ar. 5 
nub Ar. 11 finb alle Crgauifirteu ausgefperrt, unihreub in biefeit 
beiben uoeli eine Anzahl arbeiten. 


^nbireft oon ber AnSfperrung betroffen finb: 


organifirte SWitglieber 

1. bie Drechsler.mit ca. 300 

2. = Vilbhaucr.= = 150 

3. = Japegrer unb Dcforateure . . 850 

4. ? Sd)iffS 3 immerer.* = 450 

5. * Dfeitfe^er.=» = loo 

H. = Dadjbedev.= = 50 

3« biefeit berufen ift ber größere Dljeil ber Drganifirtei 
arbeitslos gemorben. 


©eitit mau einen Dnrcbfd)nittStaglol)n oon nur brei fronen 
regnet unb bie ©efammt 3 al)l ber AuSgefperrten auf runb 40 000 
annimmt, fo fotnmt bei einer Dauer ber AuSfperrung oon jefct 
Sefnt 2Bo(^en ein ©efammtlobnoerluft oon 7 200 000 Mroiten heraus 
(1 frone = l,j 0 Jfi ). 

Unterftübung mürbe oon ben Crganifationeti bis jefet ca. brei 
SJhflioneit fronen auSge 3 al)lt. Seit einiger 3eü ift mau mit ber 
Ausheilung oon Naturalien oorgegaitgen. §uman benfenbe ßeute 
aus bem $ürgertl)um b^^en Sammlungen oerauftaltet, um bie 
ßraucn unb f itibcr 3 U fpeifen. 

Die ©eneralfominiffton ber bcutfdjen ©emerffhaften quittirt 
bis jept über 25 874 ,K. für bie Dänen, barunter aHeiu oon ber 
(^eroerffdjaft ber 23ucbbrucfer 5000 t 4 (, oon ber berliner ©eiocrf* 
fd)aftSfommiffion 2600 jft. als 8 ., 9. uttb 10. Note. 

ßage ber Former tu ^franfretd) fdjreibt unfer ’i'arifer 
Niitarbeiter: NHttc 3uli b^l ^ 11 ^i^ fx*aii 3 ÖfifdE)ett Stornier in lütont= 
lu<;on ibreit 3 flb re ^fongreft ab, auf bem fic über bie allgemeine 
ßage i^reS ©crocrfeS berieheu unb ein AftionSprogramm auf* 
ftellten. ^aS 3 unäd)ft bie Daftif betrifft, fo cntfdjieb fid) ber 
fongrefj für ben Öeneralftreif, ber baS befte Ntiitel barfteüe, 
um ber Arbeitcrfd)aft 3 U il;rem $ielc 31 t oerhelfen. Die 
Sforberungen, melc^c ben Unternehmern unmittelbar oot^ulegen finb, 
untfaffen folgenbe fünfte: 1 . Abfchaffnng jeglidjer Art oon Voljiu 
absiigeit für bie llnfalloerficherung; 2. s Diaj;iinalarbeitStag oon 
10 Stunbeu mit boppelter ßöhnung für Ueberftituben; 3 . ikjeitu 
guttg ber Stiicfarbeit, ber Prämien unb ber ©ruppenafforbr: 

4 . roöd)entlid)e ßolinjahlitng au Stelle ber monatlichen; 5 . griiub* 
lidjerer ©efunbheitsfdjih in ben ^erfftätten; 6. ‘m'ftfetmug eines 
ßohnminimumS nach beu Iofaleu DnThältniffen. Leiter ya%\c 'Set 
fongreft eine Nefolntion, in roelcher energifch bie Örganifation ber 
allgemeinen Altersoerficherung oerlangt mirb. 

Die Drabc llntonS auf ber $arifer SeltauSfteflnng. ^luf ber 
Sßarifcr 'KeltauSftcflung roerben neben ben (Si^euguiffen ber Jabrifcn 
bie amcrifauifd)cn Drabe IluionS 3ur Aufdjaitung bringen, tocldie 
Tortfd)ritte ihnen ihre Crganifation ermöglidjt hat. (iin Aufruf 
theilt mit, ba^ bie fommiffiou ber bereinigten Staaten für bie 
ÄdtanSftcIIiiug in baris ben Drabe IluionS genügeuben 9 iaum 
eingeräiimt hat uub forbert bie borftänbe ber lluious auf, für bie 
Ansftellimg folgenbe Dinge ein3iireid)cn: 

1. (Sin Flugblatt, bas über bas (Sniilchni uub bie Aortfdjnitc brr 
Union Ausfuuft gtrbt. 2. Statiftif über ;3«bl, Sio unb 3)iitglicbcr>ahl 
ber ocrirfnebencu Crtcmerbäube, mit gleiib^citigcr Angabe über bas jahr* 
lidje 23ndjstf)um biefer bereine. 3. bei^eidmih ber crrciditen bcr= 
beffcruugeu tu Arbeitsftunbeu uub Arbeitcbcbiugungen, fomeit bieie 
berbefferungen ohne Streif erreidit mürben. 4’. ;jal)l ber iabrlidi 
unternommenen Streifs, unter gleidi.^citiger Angabe, mie uiele gemonnen, 
mic otele burd) gegenteilige* O'utgegenfommen beigelegt miirben imb 
mie uiele ucrlorcu gingen, hlriinbc ber Streif* finb an^ugeben. 

5. Aoti^en über bie jäbrlid) al* StiTifuutcriiütmug an bie beretn*mtf- 
glieber gezahlten Summen. 6. Sesgleidien über bie für ©obltbätig* 
feit* 3 medc oerausgabten (Selber. 7. (Sine ober mehrere Kopien ber 
bcrciusfiatutcn. 8. o'in ober mehrere (Sremptare ber beridjtc über 
bie jnhrlid)en Kongreffe. 9. (itn uollftäubige* (Sremplar ber bcrein** 
jeitidjrif t- 

Aiiherbem merbeit Photographien ber borftäubc ber Pereine, 
fomie Pilbcr 3111' (Srflärung ber oerfdjiebciien .panbmerfe anSgeftellt 
roerben. 

(Sine ftnnifdje Arbeiterpartei ift iit ber oergaugeueu 23 odie in 
Duru auf ber britten aügenieinni PolfSuerfammlung gegriinbet 
toorben. Das Programm ber Partei ift folgetibeS: Die miuifdie 
Arbeiterpartei ift auf jeglid)e P>eife beftrebt, für bie Arbeiter 
bie Freiheit ber Koalition imb ber Selbftnenoaltnng 31t erlangen, 
mas oor Allem oorauSfept, bah bie (Eigenart beS fiiiuifcheu Golfes 
erhalten unb gefdjiipt mirb. ^miad)ft 311 erftrebeu fei TolgenbcS: 

1. Allgemeines Stimm* uub 2 ßablred)t für jeben über 2\ oahrc 
alten (Sunoot)iier, fotoobl mäunlidjeit als and) rociblid)cn ©efdiledjis: 

2. bas Aed)t ber ©efepgebnug 1111b Pefteueniitg füll ben oom 

Polfe gcioähltcn Vertretern 3itfichen: oöllige MoalitiouS*, Ver= 

ein**, Aebc* unb prehfreiheit: I. aditftünbigcr Arbeitstag: 5. all* 










1201 


@ogiale $ra£tg. Eentralblatt für ©ogialpolttif. Sr. 45. 


1202 


gemeiner ^cfjuljroang; freier Schulunterricht in aücn Schulen; 
6 . bie Stilitärlaft ift gu ermäßigen, bie FriebenSbeftrebungen finb gu 
förbern unb gu uuterftüpcu; 7. oollitänbige ©leidjberecptigung ber 
Frauen itnb SRäniter; 8 . ein gefeplicpeS Verbot beS SerfaufS unb 
ber §erftellung ftarfer ©etränfe; 9. progreffioe Vermögens* unb 
Einfommeitfteuer; 10 . ftaatliche Arbciteroerficperung; 11 . unentgelt* 
liehe ©cricptsbarfeit unb unentgeltliche ärztliche §)ilfe; 12 . bie 
tfebenSbebiugnngett ber fianblofen, ber ^äepter unb Heilten ßaitb* 
roirtpc finb gu oerbeffern u. f. ro. 


3Crhclterfd)u|. 


Weber bie ©itiridjtuitg nttb bei Setrieb ber 9tafth** r ft’ta ne ™iett, 
$aar- unb Sorftengnridjterfictt, fotoie ber Sürften* nnb $infel= 
raadjereten haben ber Stinifter für .span bei unb ©enterbe, ber Kultus* 
miuifter unb ber Siiuifter beS Ämtern git ben am 1. 3uli b. 3* in 
straft getretenen Seftimmungen beS SunbcSratpS eine AuSfitprungS* 
anroeifung für Sirupen erlaffen, danach erfolgt bie in ben Sun* 
beSrathSbeftimmungen oorgcfchcne Befreiung ooit bent XeSinfeftionS* 
groange nur auf Eintrag beS Unternehmers. Xer Antrag ift fdjrift** 
lieh bei bem Öanbratpe angnbringeit, ber ihn mit einer Segut* 
ad)tung bem SRegierungSpräfibcnten einreicht. Die Prüfung nnb 
Entfcpeibung, ob ber SctriebSunternebmer bett SRacproeiS erbracht 
hat, bah er baS Material in oorfcpriftSmähig besinfigirtem 3 Us 
ftanbe begogen pabe ober bah baS Material nacproeislih bereite 
im AuSlanbe eine Sepanblung erfahren habe, roelcpe als ber oor* 
fehriftömähigen inlänbifchen Xesinfeftion gleichmerthig angufehen 
ift, erfolgt, toenn erioiefen merben fofl, bah bie Xesinfeftion inner** 
halb beS Xeutfcpen SReicpeS erfolgt ift, bnreh ben ßanbratp, menn 
erroiefen merben foll, bah bie Xesinfeftion beS Staterials im 
auherbeutfehen AuSlanbe erfolgt ift, burch ben SRegierungSpräfibenten. 
Xer oor bem Öanbratpe gu füprenbe Stacpmeis gilt in ber Siegel 
als erbracht, meint ber Untenefjmer bie amtliche, fcf>riftlid^e Se* 
fcheinignng einer beutfehen Staats* ober Kommunalbebörbe ban'iber 
beibringt, bah baS nach Öcrfunft, Stenge, Sefhaffcnpcit unb Ser* 
patfung, burch Frachtbriefe ober eine anbere amtliche Sacproeifnng 
ber Serfon beS ScrfänferS ober AbfeitberS unb beS Käufers ober 
Empfängers fomie beS Datums beS Empfanges feftgeftetlte Staaten* 
qnantutn an einem beftimmten Xage einer ben betreffenben Sor* 
fepriften entfpretpenben Xesinfeftion untermorfen morben ift. 9Jtit 
SRiicfficpt auf bie Serfdjiebcnartigfcit ber ©efepgebnng unb Ser* 
roaltnngScinrichtungen ber anSlänbifcpen Staaten, aus beiten bie 
hier in Setracht rontmenbeu SRopftoffe eingeführt merben, laffen 
(ich einheitliche Sorfhriften barüber, toie ber 9tacprociS einer im 
AuSlanbe auSgeftiprten, ber oorfepriftsmähigen, inlänbifchen, gleich* 
roerthigeu Xesinfeftion gu führen fei, nicht aufftellen. Xie $Re* 
gieruugSpräfibenten haben Paper in jebern Falle forgfältig 31 t 
prüfen, welchen S?ertl) fic ben ooit bem Unternehmer ehoa beige* 
brachten Sclegen beimeffert biirfen. 3n ber SRegel nnb falls nicht 
jeher ^meifel an ber orbnungSmähig erfolgten Xesinfeftion oöllig 
ausgefhloffeit erfcf)cint, ift bte beantragte Sefreiuttg oont XeSitt* 
feftionS* 3 roange uon foit ©rgebniffen einer bnreh geeignete Sach* 
ocrftänbige aitSguführenbett Kontrolunterfucpung beS Staterials 
abhängig gu machen. Xie burch bk Unterfucpung entftepenben 
Soften fallen bem Unternehmer gur £aft. XaS ber Kontrolmtter* 
fnchung unterroorfene Staterial gilt fo lauge als milgbranboer* 
bädjtig unb fomit als beSinfcftionSpflihtig, als nicht bie guftänbige 
Sehörbe auf ©runb beS ErgcbniffeS ber Unterfudjutig bie Sc* 
freiung 00 m XeSinfeftionSgroangc entfepicben hat. 


3t?bettenier|t4)entitg. SparkafTtn. 

Fnfcalibeit* nnb Altersrenten. 9Rit grober ©efeproinbigfeit 
nimmt, mie ber neuefte 00 m 9 f teid)S*Serfid)crungSamt aufgefteHte 
AuSroeis über bie am 1. 3uli b. 3- laufenben Fnoaliben* nnb Alters* 
rentett geigt, ber Ucberfrf)uh ber erfteren über bie le^teren gu. 9tod) 
im oorigen 3 af;re übermog bie 3 a hl ber Altersrenten bie ber 3 n* 
oalibcureitten nnb jetjt flehen bie lepteren gu ben erften fhon mie 
3 :2. Xie 3»aalibenoerficherung rcirb bei biefem Serfiherungs* 
gmeige halb fo Jibermiegert, bah fic bie Altersoerficherung ooll* 
ftänbig in ben ^djatten ftellt. 3n biefen Slätteru ift auf biefe 
Eittmicfclung nnb bie Aothmenbigfeit einer £>crabfepuitg ber Alters* 
grenge für Altersrenten mieberljolt aufmerffam gemäht. Xer 
fiirgere 9?ame 3noalibenoerfiherung (ftatt 3noalibitätS* unb Alters* 
oertidicrnng), ber feit Fahren in biefen Slätteru angemanbt 
morben ift, ift für bas neue aui 1. Fanuar 1900 in ilraft tretenbe 


^SnoalibenoerühcrungSgefep" ans ähnlichen Ermägiutgen gemäljlt. 
Xie Snoatibenrenten fheineu halb auch bie Unfaürenteu an 3 a hl 
gu überflügeln. 

3ttDalibit3tS* unb WlterSHerficherungSanftalt fRh e < n brobtng f 
3ahrcSbertcht für 1898, ©rnnbföhe für ©emühmng non Sau* 
betrieben. Sah bem neueften ©efd)äftsberid)t ber Anftalt finb 00 m 
1. 3anuar i891 bis 1 . 3uli 1899 Snoatibenrenten bemilligt 
morben an 27 728 männliche unb 7527 meiblihe, gufammen an 35255 
Serfonen. ^ieroon entfallen auf in ber £anb*.itnb Forftmirtpfhaft be* 
fdjäftigte Arbeiter6647, auf Snbuftric unbSergbau 22533, auf.panbel 
unb Serfehr 730, auf Xienftperfonal auher bem §aufe 1961, auf 
Staats*, ©emcinbe*, Wirhenbiener n. f. m. 887, auf Xienftboten 
im £>aufe ber ^errfhaft 2497 Renten. 3n ©egfall gefommen 
finb burd) Xob 10 361, burh Eintritt ber ErroerbSfähigfcit 183, 
ans anberen Urfahen 586 Stenten. — Son 22 894 im gleid)en 
3eitraum an 17 504 Stänner unb 5390 Frauen bemiQigten Alters* 
reuten entfallen auf bie Arbeiter in ber Sanb* unb Forftmirtfj* 
fhaft 9792, in ber Snbuftrie unb im Sergbau 8548, im £anbel 
unb Serfehr 516, Xienftperfonal auher bem $aufe 1627, Staats*, 
©enteinbe*, itirhenbiener u. f. m. 1411, Xienftboten im £>aufe ber 
^errfd)aft 1000. 3n Wegfall famen burh ^ab 9644, burch 3n* 
oalibität 183 unb aus anberen Urfahen 136 9tenten. 3n ®eil* 
behanblung ftanben 612 SDtänner mährenb 23 911 unb 284 Frauen 
roälirenb 10 507 SerpflegungStagen, mofür ein Äoftenaufmanb oon 
92 264 c 4i. erforberlih mar. Xie ^eilbehanblung mürbe im 
Fahre 1898 für 187 Slänner unb 47 Flauen, melhe an Zungen* 
tuberfnlofe erfranft maren, abgefhloffen. Xie 3al)^ ^er Ser* 
pflegungStage betrug bei erfteren 9333, bei tepteren 2138, ber 
koftenaufmanb 31 377, 75 begm. 5550,i 0 c^ 

Stad) ben „Allgemeinen ©runbfäpen für bie ©emährung oon 
Xarleljen gunt 3«>e<fe ber Förberuitg gemcinnüpiger, auf bie §er* 
ftettung geeigneter Arbeiter*Familienmohnungen unb Arbeiterhofpige 
gerihteter Seftrebungen" fönnen Xarlehen bemilligt merben an ©e* 
meiuben, Korporationen, öffentlihe Sparfaffeit, milbe Stiftungen mit 
K‘orporationSred)ten, fomie getneittnüpige Sauoereine unb Sau* 
qenoffenfhaften innerhalb beS Segirfs berSuoalibitätS* unbAlterSoer* 
fiheruugSanftalt 9?h^nprooing (iRheinprooiitg, §)ohengol!ern, Sirfent 
felb). Eingelnen Arbeitgebern fomie fonftigen Unternehmern, melhe bie 
Sefhaffung oon SBohnungen auSfthliehlid) für Arbeiter eines eingigen 
SetriebeS begmeefen, gemährt bie SerfiherungSanftalt Xarlehen nid)t. 
Eingelnen Arbeitnehmern fonnen Xarlehen bann bemilligt merben, 
menn eine ber oben genannten Sßerfonen als 6 olibarbürge mithaftet. 

SorauSfepung für bie ©emährung oon Xarlehen ift bie ©e* 
meinnüpigfeit beS Unternehmens unb Ftftfepung beS SJcqrimat* 
geminnes ber Korporationen u. f. m. burh Statut auf 4 <V 0 . Sor* 
gugSmeife merben Heinere Käufer für 1—2 Familien belieben. 
Sei Seleihung oon gröberen SOUethshäufern muh i^be Sohnung 
für fih abgefhloffen fein unb bie nötigen 9?ebenräume (Abort, 
Antheil an Keller u. f. ro.) haben. 3ebe SSohnung hat in ber 
Siegel aus minbeftenS brei Räumen gu beftehen. Xie Stiethpreife 
finb für bie Käufer niept hah er angufepen, als unter Serürffihti* 
gung beS gemeinnüpigen 3mecfS beS Unternehmens für eine an* 
gemeffene Serginfung unb Amortifation beS Saufapitals, für bie 
Unterhaltung berfelben unb für Steuern unb Sermaltuna erforber* 
lih ift. Auh im Falle beS Serfaufs fihert fih bie Anftalt bie 
Nahrung beS gemeinnüpigen 3mecfeS hinfihtlih Senupuna, Unter* 
oermiethuug, Skiteroeräuherung, 3 u fäffigfeit bauliher Seränbe* 
rungen u. f. ro. roenigftens für eine SReipe oon 3 a hren. Xie Xar* 
lepen merben auf Amortifation gegeben. Xer 3i n§ f u & beträgt 
3 o/p, bie AmortifationSquote 1V 2 u /o ^ie Serfiherungsanftalt 
bepält fid) baS SRecpt oor, eine oerftärfte Amortifation gu oerlangeu 
unb bas Xarlepen palbjährlih gu fiinbigen, menn nah bem Er* 
meffen beS SorftanbeS ber Eparafter ber ©emeinnüpigfeit nid)t 
auSreihenb geroaprt erfheint. XaS Xarlepen ift fofort einforber* 
bar, menn baS beliepene Dbjeft an anbere als bem SReicpSgefepe 
00 m 22. 3uni 1889 unterliegenbe Serfonen oerfauft mirb, menn 
baffelbe niept in gutem 3 uftanbe erpalten, unroirtpfd)aftlid) ober 
gmeefroibrig benupi ober niept gehörig gegen FeuerSgefapr oer* 
fihert gepalten mirb, ober menn bie 3^* unb Amortifations* 
quoten nid)t innerhalb groei Stonaten nad) Serfaü geleiftet merben. 
(Sergl. auh 1 6 p. 17 unb 9ir. 22 @p. 603 b. Sl.) 


3ltmettpflcgc. 


OefFcutlidie Armewpflege tu Hamburg 1898. 6eit bem 
1. April 1898 merben oont Hamburger Armenfollegium Frauen 
gur Stitmirfung in ber öffentlichen Armenpflege perangegogen. 




Sojiale $ra£t$. Eentralblatt für Sojtalpolitü. 9tr. 45. 


1204 


1208 


Am Enbe beS gahreS 1898 roaren fdjon 317 grauen neben 1569 
Armenpflegern in Hamburg tfjätig. TeS Weiteren fonftatirt ber 
Vericf)t beS ArmenFoflegiumS, baß ber milbe fBinter 1897/98 bem 
(irroerbeleben ber ärmeren klaffen burchaiis nid)t förberlich geroefen 
ift. SBäßrenb ein firenger hinter burjh S^necabfuljr, EiSgeroinnung 
u. f. ro. manche (Einnahmequelle für bie ärmere VeoölFerpttg er* 
fdjließe, habe bie anhaltenb milbe Witterung im Wegentfjeil bem 
WroS ber Arbeiter unb fpe^iell Sauarbeiter einen Theil ber ArbeitS* 
gclegcnheit genommen. So feien trop ber anbaiternb günftigen 
ioirthfchaftlichen Sage unb bcS überaus milben VöiitlerS 1897/98 
bie Anfprüdje an bie Armenpflege im lebten gapre bod) roteber 
geftiegen. V&ihrenb im gapre 1897 bie 3 a hl ber bauernb unter* 
ftiipten Parteien ftch auf 9046 belief, rourben 1898 9290 Parteien 
bauernb oon ber öffentlichen Armenpflege unterftüpt. Taburd) 
haben fid) bie Ausgaben für Vaarunterftüpungen um 85 200 di. 
erhöht. Sieben ber öffentlichen Armenpflege ift aber gerabe in 
Hamburg bie prioate ©ohlihätigfeit oon einer befonberS großen 
Vebeutung. 


©enoflenfrfjaflsujefVn. 

40. Affgetsteiittr ©enoffcnfchaftStag §» Verltn. 

gn ber erften Auguftroodic tagte ber (40.) Wenoffeufdjaftstag 
bes allgemeinen Verbanbes ber auf Selbftpülfe beruhenbeii beutfchen 
EnoerbS* unb ©irtbfdjaftSgenoffenfdjafteii jum erften s Dial feit Ve* 
ftebeti in Verliu. Sein Wrunbgiig roar bie banfbarc Erinnerung 
an Dr. Sd)ul 3 e=Telipld), ber oor fünfzig fahren mit ber Erriet)= 
tmtg ber s ^robuftioaffo ( yationen ber Tifdfler unb ber Schuhmacher 
;,u Tdipid) (1849) unb beS bortigen Vorfdiußoereins (1850) bie 
beutfd)e Weuoffeufchaftsberoegung begrünbet hat. Sein TenFmal 
(auf bem gnfelplap 311 Verlin) rourbe am 4. Anguft enthüllt. Es 
ift nad) bemoomMaifer griebrid) gur Ausführung oorgcfdjlage* 
neu, preisgcfrönteit Entrourf auSgefiihrt. Tie Mail er in griebrtd) 
hatte gur Enthüllung ein Schreiben gefanbt. Als (Säfte nahmen 
an beu Verhanbhmgcn unb Vegriißungen bes WenoffenfdjaftStages 
theil: Vertreter beS 9 feichSFan 3 lers, bes preußifeben ginanjmiriifters, 
bes guftigminifters unb bes i'anbroirthfdjaftSmimfters, beS 9teid)S* 
baufbireftoriumS, ber Stabtoeriraltufig, ber Aelteftcn ber Mauf* 
manufdiaft, bes EeutralausfdniffeS fanfmäiinifcher, gerocrblidier 
unb iubuftricüer Vereine, ber WeroerFoereiite, ber EentralfteÜe für 
S.'ohlfahrtseinriditungcn, bes Wroßen Verliner £>anbroerferoereinS, 
ber (Sefcllfd)aft für Verbreitung oon Volfsbilbung unb aitberer 
(Seuoffeufdiaftsoerbänbc. Von ben beutfchen WenoffenfcpaftSuer* 
bäuben roar ber (Cffenbacher) Verbanb ber laubroirthfd)aftlid)en 
(Senoffeitfd)aften unb ber roürttembergifdK, oon ben auslänbifchcn 
ber öfterreid)ifd)c, ber fdiroegcr, ber fran^öfifd)e unb enblid) ber 
internationale (Senoffenfd)aftsbnnb oertreten; ber Anroalt ber italieiti* 
[dien Volfsbaufen, SJiiuifter a.T. ^u.^atti, hatte fein gerubleiben ent* 
fchulbigt: fein Verbanb hat aber, roie ber öftcrreidjifche, einen Vronje* 
Ehrenfrentj für baS TenFmal geftiftet. Unter beu theilnehmenbeu 
9oo Viitglieberu roaren u. A. bie Vcid)StagS*Abgcorbneteu gacobS* 
föttcr (fouferoatio), nub VMirtn unb o. Elm (fojialbemofratifd)). Tie 
Verhaublnngeu leitete als Vorfipenber ber Tireftor bcS ftatiftifchen 
Amts ber Stabt Viiincpen unb oerbiente (Senoffeitfrf>nfter g. 
Vroebft ein, unter Anberent aitSfiibrenb, bie ©enoffeufdjafter feien 
ber Regierung baufbar für ben Scpup unb Sd)imt innerhalb beS 
Vahmens ber Wefepc, ber bie felbftftänbigc roirtbfdmftlichc Ent* 
faliung freilaffe. VkVbl als Autroort auf biefen Saß betonte ber 
Vertreter beS preußifeben gufti^minifterS, Webeimer Cbci^gitftijratf) 
ViorbanS, bie 9ted)tspflege fei .jperritt unb Wienerin bes fokalen 
Gebens: Herrin, iubeut fic ber roirthfd)aftlid)en Entfaltung baS 
Vett roeife, Turnerin, inbem fie nie oergeffe, baß biefe Entfaltung 
ihre oberfte Vid)tfd)iiur fein inüffc. Tie Regierung roiiufd)e bie 
Aeiibelebung bes (Senoffeufd)aftsroefenS fchr. — giir beu 9feid)S* 
fauler fprailj Webeimrat Wruncrt. — Aad) bem Verübt beS Au* 
umltes l)r. m. Eiliger ift int nerfloffeueu gal)re bie gal)l ber 
Mrebitgeuoffeufdmften roieber bebeuteitb geioad)fett, befotibers bie 
ber läublidieu. Tie geioerblidieu Vohftotf* unb Vier t'geuoff enf d)afreu 
haben einen fleineu ;>nmad)S erfahren, and) bie gabt ber geroerb* 
liehen ^robiittiogenoifeufdiafteu ift geioadifeu: bie geioerblidieu 
Viaga^ingeuoifeufdiafteu fiub um brei ^uniifgegangeii. Tie gabt 
her ianbroirthfd)aftlid)eu (Senoifenfdiafteu aller biefer Arten hat fid) 
iinuehrt. Tie gal)l ber Moufuiuuereine. ift ^nnnfgegangen ; ba* 
gegen bie ber Vaiigenoifenfdiaften um 52 geitiegen, ein erfreulidjeS 
; lei dien für bie Anertennnng, bie bie Violiunugsptiege gegenroärtig 
n n bet. Aadi ben ooiu Allgemeinen Verbaube geführten Eliten be* j 
itanbeu am 81. Viät'A I s 99: 0» >50 Mrebitgenoffenidiaften, 82 ge* 1 
roerblidie Aohitofigenoffeuidiaften, 1198 laubioirthfdiaftlidie Aob= I 


ftoffgeuoffenfehaften, 34 geroerblic^e SBerfgenoffenfchaften, 482 latib* 
roirthfd)aftliche üBerFgenoffenfdiaften, 67 gerocrblicbeSftagajingenoffen* 
fd)aftcu,106 lanbroirthfihaftlidic SJtagajiugenoffeufchafteu, 193 geroerb* 
liehe ^robuftiogenoifcnfdjaftcu/ 2017 lanbroirthiihaftliche VrobuFtio* 
geuoffenfehaften, 271 (Scnoffeufd^aftcn oerfchiebcner Art, 1373 Mon* 
lumoereine, 244 Vaugenoffenfchaften. 

©enoffenfdjaftsoerbänbe beftehen in Teutfchlanb 29. Ter all* 
gemeine Verbanb umfaßt 1571 ©enoffcnfdjaften, bie ftaatlich be^ro. 
prooin^iell in Unteroerbänbe gegliebert finb (ogl. Sp. 1153). 
Eigene ^robuFtion, meift Väcferet, haben 68 ber berichtenbeit Mon* 
finnoercine.*) — giir VolfSbilbungS* nub gemeinnühige 3 l0Cf te 
rourben oon ben bcrichtenben Mrebitgcnoffenfchafte.u feit 1886 
756 000 Jf. oeranSgabt. — Siach ber Vtitgiiebcrftatiftif oon 
492 VerbanbSFonfumocrcinen bilbeit bie abhängigen Arbeiter mit 
61,r,°/o ben größten Theil ber Vtitglieber ber Monfumoereiite; bar* 
auf folgen bie felbftäubigen ^anbroerfer mit ll,o% (41 692 gegen 
37 528 im Vorjahr). — Ter VerbanbSanroalt Dr. Erüger 
fchilbert eingeheitb bie Entroicfelung bes beutfchen (Senoffcnfdiafts* 
roefens in ben 50 gahren feines VeftehenS unb bie Sdpoierigfeiten, 

| bie feine Vegriinber gefunbeit haben, bis ben ©enoffenfdiafteit bie 
i ^techtsfähigFeit burd) baS preu&ifd)e unb baS oor ( uiglid)c beuifdje 
(Scnoffenfchaftsgefeh oon 1889 geroährt toorben fei. ßeiber hak 
bamit bie (Scfchgcbung nicht aufgehört, fonbern bie Montremiiu’ 
habe bie Siooelle oon 1896 burchgefept. TaS Enbe ber geuoffen* 
fdjaftlicheu Entroicfelung fei bei bem Steigen ihrer Aufgaben noch 
nicht abjufeheit. — Tie Vcfchlüffe bes WenoffenfchaftStagcS betrafen 
neben ben alljährlid) roicberfchrenben 9tcchnnngSfad)en unb 3Bahlen 
bie Anpaffnng ber Verbanbsfapnugen an bie Vcftiminuitgen kr 
Vürgerlidjcn WefepbucheS, bie Empfehlung an bie Mrebitgetioffen= 
fepaften 3 ur Vilbung oon Ehecfoerbänben, oon Mommiffioncn $ur 
Eiitfchäpung beS MrebiteS ber AufrtthtSrathSmitglieber nub giir 
AufftcEuitg oon MrebitfähigFeitSliften, §u einer oefferen Montrolc 
für bie Sparfaffcitbüd)er, bie Empfehlung ber Verpflid)tung ^ur 
Abzahlung bei Prolongationen unb gur jeitroeifen ^Benachrichtigung 
ber Vürgen über ben Umfang ihrer Verpflichtungen ?c. Ten 
Moitfnmocretnen rourbe u. A. bie Drganifation beS gemeiufdjiift* 
lid)en SaarenetttfaufS, bie Vornahme .jeitrocifcr VCmarenuntcr* 
fudjungeu burd) VerbaitbSreoiforen unb tnöglid)ft Eitiheitlichfcit \\\ 
ber Atiorbtiung ber gebrueftert gahreSbertchte empfohlen, gur Au* 
hahnung gleichmäßiger Taraberedpinngen follett Schritte bei beu 
§aitbelsfammcrn nnb 3oübchörbcn gethan roerben. Tie Vau* 
geiioffenfchaften Befprachcit in einer Sonberfipung eine Veihe fic 
angehenber grageu. 

TaS laitbkoirthfchaftliche @enoffenfchaftSro(fett tm €4ropergog* 
thmn Reffen 1873 bis 1898. Aus Anlaß ber 25 jährigen gubel* 
feier bes VerbanbeS ber l)effifd)en Ianbroirthfdjaftlidien Elenoffen* 
fchaften 311 V?aiit 3 (29. September 1898) ift ben VerbanbS*Ee* 
noffenfchafteit oom VerbanbSoorftanb eine geftfehrift geroibmet.*^) 
Tauad) umfaßte ber Verbanb, ber 1873 mit 15 Vereinen unb 
1070 VJitgliebern begrünbet rourbe, am 29. September 1898: 

501 Vereine mit 46 000 VHtgliebern unb groar 2 Eeutralaiiftalten, 
341 Spar* unb TarletmSFaffen, 113 Monfumoereine, 31 Ißolferei* 
geiioffenfchaften, 14 fonftige Elenoffenfdjaften. Ter Wefammtanfauf 
biefer Monfumoereine an lanbroirthfdjaftlidjen VebarfSartiFcln k. 
fteüte fid) 1897 auf 2 ,i Millionen SRarf SBertl). Ter Wefanimtumfap 
ber Spar* unb TarlehnSfaffen im gleichen galjre auf 79 ,0 3Ril* 
lioneu VtarF bei 44 ,g VÜHionen VFarF Vetriebsfapitai unb 
2 672 000 <Jt . eigenem Kapital. Tie Ianbroirthfd)aftlid)e Wenoffen* 
ßhaftsbanF Steigerte ihren llmfap oon 14, 8 Millionen 3Rar! im 
gahre 1884 auf 66,5 Millionen ViarF im gahre 1897 bei 

3,4 VJiülionen s JOJarF Vetriebsfapitai unb 542 000 dt. eigenem 
Mapital. Ter ©efammtumfap fänmitlidjer E)efd)äftSanftalteii bes 
Verbanbes (ber VanF, ber Eentralgcnoffenfchaft ber Monfum 
oereine unb fämmtlicher Wenoffenfdiaften) betrug 1897 166, 2 Pül*- 
lioneit s DtarF bei einem eigenen Mapital oon 4 165 000 üHarf 

1111 b 138 700 df Veferoeit. Tie ViolFcreien oerarbeiteten begro. 

oerfauften in 1897 26,-, Viillioncn Milo Viild). ghr gmmobiliar* 

9 Vgl. 5al)iluuh brs Allgemeinen Verbanbes ber auf Selbfihülrc 
beruhenbeu bcutidjen ErroerliS* unb SBivtbichaftSgeuoffeuidjafteii für 
lsbN (bes Jahresberichts neue Jolge), II. Jahrgang (40. Jolge bes 
Jahrcsberidjtsi. .^evausgegebeu oon Dr. .5aus Erüger, Anroalt bes 
Allgemeinen Verbanbes ber auf Selbfthülfc beruhenbeu beutfdien Er* 
roerbs* unb 3Birtln*dinftsgeuofieufdjaftcn. (Verlag oon g. Elitttcmag, 
Verliu ivro.) 

) Tas lanbroirtliidrrtftlidje o^enoffeufdiaftsrocfen im Wroßl)er3og= 
thmn Vi'üeu in ben Jabreu 1S73 bis lsns. Tarmftabt. goh- Eour. 
perbertidie A>oTburt)brucfrrei (Jr. Herbert). 189b. BabcupreiS 6 




i2or> 


1206 


©ogiale Vrajrtg. (Eentralblatt für ©ogialpolitif. 9tr. 4r». 


unb Vtobiliarbefiß hat einen Werth non 1,4 Millionen. — Ver* 
banbgreoifton, milchroirthfd)aftlicf)e Verfudjgftation unb Zentral* 
oerfaufggcnoifenfdjaften erweitern bie Wirffamfett beg Verbanbeg. 
Sem Dfifenbadier Verbanbc gehören 198 f;cffifd)e <Gcitoffenfd)aften 
nicht an. Saoon regnen 64 gu feinem Verbaitbe, 47 gunt 
Sonberoerbattb DBcr^cffen, 47 bem EReuroieber Verbanbe (SRaiff* 
eifen), 39 bem Allgemeinen berliner Vcrbanb, 1 bem Verbanb beg 
Vuitbcg ber &anbroirthe. Sic Anlagen geben in Wort unb 
grapl)ifd)er SarfteUung nad) amerifamfebem Gftufter mic in einer 
Marte genaue uergleid)enbe Augfunft über ben Stanb beg CGe* 
noffenfd)aftgtuefeng in Reffen, feine unb feiner (Einridfjtungen (Ent* 
roicfelmig, Erfolge, (Gefd)äftgthätigfeit unb bie Verhältniffe beg 
Vereing, foroie Vetfpiele oon (Grünbungen, (Einrichtungen unb 
(Entroicfelnng ber uerfdjiebenen (Genoffenfchaftgarten. 


(Et|ietjmig utth fiiUmttg. 

Angfcilbuttg oon VolfgfthitUehrerit für ben Unterricht an länb* 
lidjen SprtBUbnngöf^uIett. 3n ber 3eit oom 2. Dftober big 4. $o* 
nember b. 3- roirb an ber Sanbioirtbfd)aftgfd)iiIe in Siegniß ein 
Murfng gur Ausübung non 35olfefd)iilIc£>rcrn zur (Erteilung beg 
Unterrichte an länblidjen Öortbilbungeid)iiIen abgetjalten roerben, 
ber beit eriten Xt)eil cincg aug jmei Murfen beftebenben neuen (Gc* 
fammtlehrgangeg barftcüen wirb. S'ehrgegenitänbe beg beoor* 
ftebenben Mnvfite finb: (Ehcniic, Vflanzenprobnftionglcbre, 3oologic 
unb lanbn)irtl)f^aftlid)cö Uutcrrid)tgrocfen uebft Hebungen. Vom 
Staate merben ben Sebrcrn, bie au biefen Murfen tbcilnebmen, an* 
gemeffenc (Gelbzufchüffc gcroährt, wenn bie bezüglichen (Gemeinben 
zur ßeiftung fold)er llnterftiifeungen nicht rooblbabenb genug finb. 

Gtfeiftcrfurfe in Straßbnrg. Sie clfaß*iotl)ringifd)e Regierung 
beabfiebtigt im nächsten hinter in Strasburg ^anbioerfgmeifter* 
furfe zu nerauftalten, an benen felbftänbige .^aubmerfer aug ganz 
(Elfaß*£otbringcn tbeilncbmen fönnen. 3n biefen Murfen füll ben 
fmrtbroerfent (Gelegenheit gegeben merben, bie ted)nifef)cn Sort* 
febritte, bie in ihren (Geroerben gemacht werben, fennen zu lernen. 


Soziale {jgglene. 

Scntfdjer Verein für Volfßfiljgiene. Unter 3führnng ber §erren 
^räfibent Dr. Vöbifer, Dr. CGraf Souglag, Vtitglieb beg 3teid)gtagg 
unb Sanbtagg, (Gcbeimrath (E. u. Sepbett unb (Gebeiinratb Gtubncr ift 
in Berlin ein „Scutfd)cr herein fürVolfg*£>t)giene" gegriinbet roorben. 
Ser herein, roclcber fid) über ganz Scutfä)lanb erftreden unb fo* 
fort mit bem Anfang beg Winterhalbjahre^ feine eigentlidie Shätig« 
feit beginnen foll, bezroeeft, bie (Srgebuiffe ber f)i)gieuifif)cn /vorfdjimg 
unb Erfahrung allen Mreifen nufere-? beutfdjcit Voltes ^ugänglid^ 
Zu inad)cn unb aud) auf biefem (Gebiete ben praftifdjen (Gero um 
ber Wiffenfcbaft in ben Sienft ber Allgemeinheit gu ftellcn. Siefeg 
3iel foll erreicht roerben burd) öffentliche Vorträge, regelmäßige 
Vcreuisiißuugcit, tueld)e fid) in allgemein oerftänbiieber Weife mit 
hi)gienifd)cu fragen befchäftigen, öcraiiggabe populärer Oiigicnifdjcr 
Schriften uttb burch pefuntäre llnterftüßung ber auf bie .pebung 
ber Volfggefunbheit abziehlenbeit (Einrichtungen. Sie (Gefdf)äftgftcllc 
ift g. 3- Berlin W., 93?aaßenftr. 23, II. 


@norrbcgcrld)tc. (Einlgungsatntet. Sdjieösgeridjte. 

®ttt nationaler Kongreß ber Ärbeiterbeifif er in ben fran^üftfdhen 
^eroerbegeriebten rourbe oom 14. bi^ 16. 3uli in $ari§ abgehalten. 
Sie Sage^orbnung umfaßte alle bie 23efcbroerbepunfte, roelcbe in 
ben Slrbeiterfreifen gegen bie geltenbe (GcrocrbegeridjtSorbnung 
^eltenb gemacht roerben, roie es fid) benn überhaupt barum 
banbeite, bie oon ben Arbeitern geroünfehten Reformen genau zu 
tormuliren, ba ba§ Parlament fich halb mit ber Srage beschäftigen 
wirb. Ser Seputirienfammer liegen mehrere Einträge oor, bie je* 
boch feine£roeg$ ba§ Sntereffe ber Arbeitnehmer gu roahren fuchen 
unb gegenüber melden biefe ihre Sorberungen erheben. Ser Mon- 
Qreß oerlangt Au&bebnung ber (Geroerbegerid)t3fompetenz auf bie 
gefammte ßobnarbeit, felbft auf bie liberalen Berufe, foroeü fte in 
betracht fommen fönnen. Sie (Gerichte foüen ebenfo über alle auS 


bem Arbeitserträge entfpringenben Streitig feiten urtheilen fönnen, 
namentlich über Schabenerfaß, §pgiene ber Werfftätten, ßebrling«' 
fragen. Wag bie Drganifation ber ©eroerbegeridde betrifft, fo 
möchte ber Mongreß bie Wal)lperiobe für bie iöeifißer oon fed)g 
auf oier Qahre h^abfeßen. @r oerlangt ferner Wählbarfeit ber 
grauen gu 33eifißern, (Erroerb beg aftioen Wahlrechteg mit bem 
21. gabre, beg paffioen mit bem 25. Saßre; fobann Sefeitigung 
beg @ibeg unb Deffentlid)feit ber Sißuttgen. 

Manfmämtifche Sdjiebggeridjte g n b oon ber .^anbelgfammer in 
föalberftabt, ©chöncbecf unb ©tenbal errichtet roorben. Sic Mamrncr 
roählt nach ber „S. .f)anbelgroad)t" für jebc£ (ücind)t einen 'l?orfibenben 
auf bie Sauer oon brei fahren, ber fcinericitg für jeben Streitfall oier 
58eifißer beruft, fallg bie Parteien nicht oorgiehen, groei oon biefen felbft 
gu ernennen. ^Bet ©treitigfeiten groifdjen ^ringipalen unb Angefteüten 
j fteflen beibe Stänbc je eine .frälfte ber 'öeifißer. Sa? Verfahren roirb 
1 eingeleitct, falls eine giitlirijc lEinigung nidjt gelingt unb falls beibe 
Parteien fid) gur llnterroerfnng unter bie (^ntfdjeibnng beg (Berichte 
| bereit erflären. 

Sie (GintgunggPerhattblungen gtotfehen ben Arbeitern unb 
| Arbeitgebern im 3i*uui^wg^uierbe in Berlin. Sie Unternehmer 
im 3unmcrergeroerbc, bie bic 2?crhanbliutgen mit beit Arbeitern oor 
bem (Eiitigunggamt abgelcbttt hatten, ocrhanbelten burch ihre Gteuner* 
fommiffion mit ber Siennerfommiffion ber 3iuintever am 4. Auguft. 
lieber bie Anfbcfferung beg Stunbenlohng fallt eine (Einigung nicht 
gu Staube, roetl bic ÜnterneI)meroertretcr aii bie entgegenftehenbeu 
Sefchlüffc beg Arbeitgeberbunbeg gebiutben roaren. (Eg rourbe aber 
in Augftd)t gcftcllt, baß eine (Gencraloerfammlmtg beg Arbeitgeber^ 
buttbeg barfiber in weitere Unterl)anblungen treten roiirbe. Ser 
^Berliner „^Borroärtg" berid)tet herüber: 

„Um nun bie Skrbanblungcn nicht gänglid) fcheitern gu Iaffen, 
erflärten fid) bic Arbcitcruerircter bamit einoerftanben, baß ben Zimmerern 
hinftdjtlich beg Sohneg baffelbe beroifligt roirb, roag ben Stfaurern gu* 
geftauben roorben ift. ($cßt 60 S*f\ f oom 1. Januar n. 3- aö 62 Vg 'Tf 
unb oom 1. £ftober u. 3- an 65 ?f.) (Eine längere Scbattc ocranlaßte 
and) ber in ben Abmachungen mit ben Söfaurern enthaltene $nffu*, 
roonad) eg ben Unternehmern geftattet ift, mit Arbeitern, bie in tfolgc 
oon Unfall, Alter ober 3aoalibität miuber leiftuuggfäliig finb, befonbere 
Söhne gu oereinbaren Sic Vertreter ber gimnicrer beantragten, bem 
genannten ^affug bic ^efttmmung angufügen, baß in fällen, roo über 
eine mit bem Alter beg betreffenben Arbciterg begrünbetc geringere 
Sohngablung 9)?einunggüerfd)icbeuhciten entfteheu, bic Ad)tgehner* 
fommiffion entfcheibeit foll. Sic Vertreter ber Unternehmer roiber^ 
fprad)en gioar ber Aufnahme einer ioldjeit Aefttmmung in bie 
(Etnigunggbebingungcn, erflärten fid) jebod) bereit, Streitfälle ber bc= 
geichnetcn Art ber Mommiffion gur (Entfd)etbung gu unterbreiten. Sie 
übrigen fünfte ber mit ben Hftaurern getroffenen Vereinbarungen 
rouvben ohne roefentliche Sebatte angenommen." 

Stefer Vorgang geigt roteber, roie febr eine fräftige Arbeiter# 
organifation geeignet ift, eine friebliche Höfling uort Sifferengen 
herbeignführen unb oon rocld) bcbcutfamem (Einfluß für ben focialeu 
Sri eben ber Vergleich oor bem (Gcroerbegerid)t groifdjen ben Unter* 
nebmern unb Arbeitern im V^aurergeroerbe geroefen ift. 


Qojfalpolltifdje iRagnafctnen im Uerhetyrsmefeii. 

Arbritergüge in $arig. Ser Seputirte GK. fialoge (Seine) 
hat an ben GJhnifter für öffentliche Arbeiten ein Schreiben gerichtet, 
in bem er ihm mittljeilt, er roerbe ihn bei (Eröffnung ber Seffion 
neuerlich über bie (Einrichtung ber Arbcitergüge interpelliren. (Gleich* 
geitig macht er ben Vünifter barauf aufmerffam, baß mehrere 
(Eifenbahnen |)anbelgangeftellte, benen eg gelungen ift, ben Arbeitern 
auf ben Vahnen gleichgeftellt gu roerben, oon ber Vegiinftigung 
ber Venußung oon Arbeitergiigen augfchließen roollen; ber Sepu* 
tirte oerlangt bie formelle (Gleidhflellung ber ^anblungggehülfen 
unb fleinen Veamten mit ben Arbeitern auf ben (Eifenbahnen. 

Sie (Sifenbahnarbciter in ben Vereinigten Staaten. Sie 

Interstate Commerce Commission hat fürglia) if)ren Verid)t über 
bie amerifanifchett Vahnen im leßten gtgfaljahre erftattet. Sem* 
gufolge roaren 1898 874 558 Sßerfonen beim Vahttbetriebe in ben 
Vereinigten Staaten befchäftigt, bag finb 51000 mel)r alg im 
Vorjahre. Sie ©efammtfumme ber Söhne unb (Gehälter im Vc* 
richtgjahre belief fich auf 495 055 618 Sollarg ober 29 1 / 2 s Diil= 
hotten Sollarg mehr alg im Vorjahre. Sie fiöhnc unb (Gehälter 
machen 60 l /2 ü /o ber gefammten Vetricbgfoften unb ttahegu 40% 
ber 9tetto*(Einnaf)men ber Vahnen aitg. 


jBetantroonlid) für bie Jtebaftton t 8.: Dr. Ciemen« €>ec&, Serltn. 




I2<>7 Soziale ^rajris. gentralblatt für ©o^ialpolittf. 9?r. 45. 1208 

©ie ,,*?o?lale $lrart»“ erfdjeint an jebem ©onnerßtaq unb ift burdj alle ©ucpbanblungen unb ^Oiiämter ('iPoftjeiiiinflSnuinmet 7072) ju bejiefjen. ©er ^StctS 
für ba« Sierteljabr ift ÜJf. 2,5'). $cbe Kummer Foftct 30 $?. ©er Anzeigenpreis ift 60 $f. für bie breigefpaltene RSetitzeile. 


Verlag oon 3) int cf er & £>utnblot in Seidig: 


! ®9ftcm ber $<mbel$t>erträge unb ber 2Jteift* 
i bcgütiftigutig. SSon 3W. u. ©djraut. 1884. 2.40 TO. 
$>i( @«fdj< bev £anbcl#politif. ©on £ fj e o b o r 

.'perfcla. 1880. 3 3W. 

®ie 3been bev beutfdjen $anbet§botitit t>ott 1860 
bi# 1891. ©im SBaltljer £ofc. 1892. 4.60 20?. 

@efd tiäfte bev prenfcifd)=beutf d)cn (Stfen^öHe ttott 
1818 bi# j«v (öcgcnivnrt. ©on SWar ©ering. 
1882. 8 SW. 

®ie bev Sbftcvrcidjifd) * Ungavifdjcn 

WJoitrtrdjie unb be# Seiitf^cn ÜHcidjc# feit 
1868 unb beven näd)ftc 3»tunft. ©on 81. oon 
SDiatlcfouitö. 1891. 21 3 71. 

$ie £>anbel#politif Öftcrrcid)=Ungarn# 1875 bi# 

| 1899 in iljrcm SlcvtyäUni# juut $>vutfd)ett 

9icid)c unb ju beut Jucftlidjcn @nro|M. ©on 
: Sof). oon ©ajant. 1894. 4 SW. 

^ie &anbrf#politif 91ovbamerifa#, Italiens, Cftev= 
veid)#, Belgien#, bev 9iicbcvlanbe, &äncmavf#, 
©d)tvcbeit# unb 9?ovn>egcit#, 9tuft(anb# unb bev 


in ben lebten ^vje^nien, fotoie bie 
bentfdje 4panbel#ftatifrif Uon 1880 bi# 1890. 

©ericfjte unb ©uladjten, ueröffentlidit uora ©erein für 
©ocialpolitif. 1892. 13 SW. 

Sie £>anbel#poIiti( (Snglaitb# unb feinev Kolonien 
in ben teijtcn ^a^vjebttten. ©on Garl 3of)anneS 
gudf)§. 1893. 7.20 SW. 

Sie ftüiifoigutig bc# eug(ifd)en $anbel#t>evtvage# 

unb ipre ©efaljr für ®eutfdf)lanb§ 3ufunft. ©on 
Äarl Watljgcn. 1897. 40 ©f. 

©ertrage juv Okfdjicbte bev franjöfifdjen .$attbe(#= 
polrtif oon Solbert bis gur ©egenroart. ©on 
klejanber non ©raubt. 1896. 4.80 SW. 

Sie $anbel#b*rfttft bev ©altanftaaten (Rumänien, 
Serbien unb ©ulgaricn), S|mnienS nnb ^r«»b 
veid)# in ben lebten ^a^vjebnten. ©eridjtc unb 
©utadjten, oeröffentlidjt nont ©crcin für ©ociaI= 
politif. 1892. 4.60 2W. 

Sev intevnationnte 2öirtfd)oft#l>crtcl)r unb feine 
©ilattj. ©on 3ofepI) ©run^el. 1895. 4.80 SW. 


Verlage ooit Pnttkninmer & Mühlbrccht, Berlin, ift focbeiL 

erfdüenm unb burd) alle $ud)banblungcn 511 bestellen: 

Statistik dep Krankenversicherung 

im Jahre 1897 

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Gearbeitet tm Ifaifcrltdictt 3 tatifHfrficn ütnit 

(3tatiftif beö ©eutfdjcn Sieidje*, N. F. 2?aub 121) 

f) 3 rci^ 5 9 W. 

3ie ^ugebörignt »Cdäutciuugcu" locrbeti uuOercdjuct uadigclicfert. 

©liefe aintlidje 3tatiftif bietet eine uollfiänbigc Uelierfidjt über bie t5rgebiiiffe ber auf 
0 )niiiMagc ^e‘5 ('leiebes uont 15. 'siuii 1^83 orgaoifirtnt .Uranfciiocrfidjcntng ber Arbeiter für 
^abr l^OT nad) Mafiniarten, nadi Staaten unb .iröfu'iTti iienimltimgi’be.grfen. ouöbeimibere 
fiub barin »Hngabeu liier bie ;',alil ber Mranfenfaffen unb ihrer äVitglieber, über iSTfrnufiingö» 
falle, .Slranfljcitötagc imb 3terbcfälic, über (iimiahmeii, ?ht^gabcn, ?lftina unb ^affiua ber Kaffen, 
ioiuie über bie ©aucr ber Kranfenuntcrftiibung unb bas ^rü^culüerbältuijj ber Beiträge unb 
he© Kraufengclbeö 311111 ^ol)iie 31t finben. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 

A. Troschel in Berlin W. 

Das Streitverfahren 

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ReiehsvepsieheFungsgesetzen. 

Systematisch dargestellt 

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H. Seelmann. 

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Duncker & Humblot in Leipzig: 

Engelmann, J., Die Leibeigenschaft 

in Russ- 

Luxemburg, Rosa, Die industrielle Ent- 

land. Eine rechtshistorische 

Studie. 

wicklung Polens. 1898. 2.20 M. 

1884. 

3 M. 

Sperber, Otto von. Die socialpolitischen 

Thun, Alplions, Landwirtschaft 

und Ge- 

Jdeen Alexander Herzens. 1894. 3 M. 

werbe in Mittelrussland seit Aufhebung' 

ThUU, AlpbOUS, Geschichte der revolutio- 

der Leibeigenschaft. 1880. 

6 M. ; 

| nären Bewegungen Russlands. 1883. 

Rosenberg, 6. J-, Zur Arbeiterschutzgesetz- 

j 7 M. 

gebung in Russland. 1895. 

3 M. | 

Oldenberg, Karl, Der russische Nihilismus 

Mayer, Heinrich, Münzwesen u. Kdelmetall- 

von seinen Anßingen bis zur Gegenwart. 

1 Produktion Russlands. 1893. 

2.60 M. . 

1888. 3.60 M. 









Vin. faljrgana. 


fflerlin, ben 17. ?(ugufi 1899. 


Itummer 46. 


Soziale praps. 

^entrafbfaff fttr 

mit bet Bfonatöbettage: 

Vas ( 5 ewerbe 0 enci|t* 

(Drgatt bes Derbartbes beutfdjer <33ett>erbegertdjte. 

Beue golfi* bet „Blätter für fojtalc ^rajriS" unb be$ „Soatalpolttifchen (SentralblattS*. 

an jebem X«nnerfia«. |>ecau8geber I frei« btertetjlfrli* ML 50 ff. 

Bebaftton: Berlin W., Babreutherftraj 3 e 29. Dl*. Ctttß Berlag »on Wunder & £umblot, Seipalg. 


3tti|iilt 


Begatibe unb pofitibe ©cw«tf» 
öeteinßpoUtif. II. Bon ^tofeffot 
Dr.fiuio©tentano,äRütu$en 1209 


Bleivergiftungen in bet 
Töpferei. Bon ^elcne ©inion, 
Berlin.1213 


ftommoMlt ©a#*Ip#ttt£f .... 1218 
Äranfenfaffe für ble Beamten bet 
©tabt Scip|ig. 

©arife für ©trafcenbaljnen in 2J?agbe» 
bürg unb 3Rün$en. 
Branbenburgifdjer StSbtetag. 

Cijiik Ä»fümfe.1219 

©ie Arbeiter in bet franaB* 
fifd&en Bünbbolafabrüation. 
Bon $. ©d&ottboefer, fariß. 

©et beutfdje &rbeitßmarft. 
fiobnöetbaltniffe beß £aufigefinbeß in 
engüfdjen ©täbten. 
Äoblcnarbeiterlöbne in SHinoiß. 

Fair Wagea in BeW*$orf. 

ttr*etterbctoc«Kiia.1221 

3ur Bewegung in bet ©laß» 
furawaaren»3nbuftrie Botb» 
böbmen«. BonBobert^reufjler, 
SBten. 

ttrtettcvf*«* .1223 

Hitgültigfeit non Boliaeiöerorbnungen 
übet tfinberbefääftigung. 
2Jtafenüf)nten gegen bie gewerbliche 
Äinberarbett in Uelaen. 
ttvfceiterfcerfttfjetnita. ©parftffeu 1224 
Äranfenoetficbetungßftatifti!. 

(EtatifHf bet entfdjäbigungßpflic&tigen 
Unfälle föt baß 3>abr 1897. 


©t^obung bet UnfaDgefaljr burch 
unftönbige arbeitet. 

©aß Beicbß*Betftcherungßanit QU f bet 
fatifet SBeltaußfteHung. 
flietßbetfotgung bet ißrinatbeamten 
in Defietteicb. 

.1226 

Aufhebung bet Weferüiften • Ärbeitß» 
nai weife au ©unften tanbwirtb« 
fdjaftlicher Bachwetfe in Jpannobet. 

•cii 0 ffe»f 4 «ft«»cfe».1226 

Sanbwirthfchoftlicbe ©enoffenfchaften 
unb lanbwittbfcbaftlicb benu^te 
Bobenfläche in ben beutfc^en Bmtbeß» 
floaten. 

Beteiligung bet ©enoffenf(baften an 
bet Barifer SSeltaußfteHung. 

»otwmgttoefai.1227 

21. Berbanbßtag beß (Sentraloerbanbeß 
bet ftübtifchen £auß» unb ©ronb* 
beftfcer*Bereine. 

Söobnungßfürfotge bet Beichßpofi» 
Berwaltung. 

Öeerftebenbe 28ohnungen in Berlin, 
ftbeiletwobnbaufet füt lanbwirth» 
fcbaftlid)e arbeitet in £>ftpreufeen. 

©ctoatbegerichte. ©InigntigßämteK. 

©fttebSgertdite.1229 

©inigungßämtet in Belgien 1898. 
©aß Board of Trade alß C*inigungß» 
amt. 

9ilrt«ifp( ©«§**«<».1230 


ttbbrud fammtlicber Ätttfel üt ßeitungen nnb geitf^riften geftattet, jebod) nut 
mit üoUet Quellenangabe. 


ttegatitie unb pofititue (Bewerktiereinppolttik. 


II. Tie Stellung her Arbeit im $robuftionSprü 3 cfj. 

Alfo bie untergeorbucte Stellung bei* Arbeit im s $robuftions« 
prozefj fchon fofl es auSfchliefeen, bah man bas Moalitionsrecht bei 
Arbeiter aus Schein unb Siige, maS es jefct ift, jur 2öal)i*heit 
TDcrben laffe! Ta# ift nach bei* llebertreibung bei* fo^iat* 
bemofratifcheit Sehre eine llebertreibung in bei* entgcgencjefetjten 
Dichtung. 

Tic ältere Bationalöfouomie bat uon brei s ^robuftion^fa!toren 
gefprocben, Äatur, Kapital unb Arbeit; ans ib[rem 3 u f ainmens 
luirfeu lien fie ba# ^robuft bi'^orgebeu. SDabei badete man fiel) 
bie s JDhtn)irfuug bei* ^atur al^ bie einer freien ^abe, bie gebeut 
überall gleidjmäfjig 3111 * Verfügung ftebe: bie iWitmirfung be‘5 


Slapitate betrachtete man ai# bie »ergangener Arbeit; fomit blieb 
ai# §auptprobuftionafaftor bie Arbeit. Slbam Smitb bereits 
batte aber geschrieben: „Ta# $robuft ber Arbeit bilbet ben 
natürlichen Entgelt ober i^ohn ber Arbeit." SSor ban Uebergang 
bc# £anbe$ in ba^ Sonbereigenthum nnb »or ber Anhäufung he# 
Kapitals habe ber Arbeiter oiefen Ertrag auch »oll unb ganj er« 
halten, nnb wenn biefer 3 uftanb angebauert hätte, mürbe betn 
Arbeiter auch aller $ortbeil ber fteigenben $robufti»ität jugefloffen 
fein. Sluch mürben alle ^robufte entfprechenb ben 5 ortfd)ritten in 
ber $robu!ti»ität billiger geroorbeu fein. Slttcin feit ber Aneignung 
bee 33oben£ »erlange ber 23obeneigenthümer einen £h e ü beg @r* 
trag^ be # Arbeiters für Ueberlaffnng be # lobend, ©inen gmeiten 
Slbsng madjc ber Mapitaüft, ber ben Arbeiter nicht bcfchäftigcn 
mürbe, menn ihm fein Kapital nicht mit einem ©eminn mieber er« 
fe^t mürbe: aud) fei ber Arbeiter, ohne Ilntcrhaltömittel, baraitf 
angeroiefen, bah ipnt ein Hnberer mährenb ber 3lrbeit ba@ jum 
Sebeu 9iöthige oorfcf)ie&e. So merbe ber Arbeiter genötigt, ftatt 
ben »ollen Arbeitsertrag ju erhalten, mit einer ßohnabfinbung ft<h 
jufrieben 311 geben. 

Xann fam 9ticarbo. (h: prä^ifirte bie Itebre, monath ber 
iBerth eines (#uteS lebiglid) burch bie s IRenge ber 3 » feiner 
^erftellung nöthigen Arbeit beftimmt merbe, unb fam fonfequent 
3 u bem Sa^e, baft ber Anteil »on ©eminn unb £of)n an biefem 
SSerthe in umgekehrtem SSerhältniffc ftehc, bah ber ©eroinn nicht 
fteigen fönue anher oermöge eines Sinkens bes Sohns unb nicht 
finfen anher oermöge eines Steigens bcS Sohns. Ten Sohn lieh 
er abhängen »on bem 9)tah beffen, mas eine Arbeiterbeoölferung 
jemeilig als 311 m Sebeu nöthig erachte. (Sr mar aber nicht choa 
für niebrige Söhne, noch auf k) erfcfjienen niebrige Söhne nach feiner 
Sehre als eine Borbebingung einer blühenben 3ubuftrie unb 
fteigenben Ausfuhr. 3tn Öegentheil: h°h e Söhne führten nach 
ihm eben roegeu ihrer geroinnminberuben 2 Birfung 311 einer fteigen* 
ben Grrfebung »on nmlaufenbetn burd) fi^eS Kapital, b. h- uon 
Arbeitern burch SJIafchitien, bamit 3 um Sinfen beS "Berthes ber 
Sßrobufte unb folglich 311 einer Steigerung ihres Abfafces nnb ihrer 
(£rportfäbigfeit. 

Bon biefen Sehren A. Smiths unb Ütticarbos mar es bann 
nur noch ein Schritt 311 benen Smens unb £>obgSfinS. Droen 
»erncinte, bafj bas Kapital auf mehr als ben (Srfah feiner Ab« 
nupuug Anfpruch erheben fönne; ,?)obgSfin beanfpruchte für ben 
Arbeiter ben gefammten Ertrag ber Brobuftion. oeucr mollte fein 
3 iel auf bem Bege ber Bcform burd) (Benoffenfchaftcn erreichen; 
.s‘*)obgsfin fdjrccfic nicht »or reoolutionären Bütteln juriief. Beibe 
fauben zahlreiche begeisterte Anhänger, bie in bei* (Shflrtifteubemegung 
eine nicht unerhebliche Bolle fpielcn füllten. £anit fam .Starl Bf an;, 
beffen gortbilbuug ber ©ebanfen CmenS nnb fmbgsfins, mie 
man treffeub gefagt hat, als reoolutionäres ©cfpenft auf bem ©rabe 
ber heute als unhaltbar erfanuten ArbeitSmerththeorie thront. 

Allein fchon beoor Marl Biarj: bie Sehre »on ber Arbeit als 
bem alleinigen ^robufttonsfaftor 3 U fo einseitiger Ansbilbnng 
brachte, hatte in Xcutfdjlanb Saoergue«Beguilheu gegen bie Sei)re 
oon beit brei Brobuftiousfaftorcu (iinfpracbo erhoben, (fr »er« 
laugte, bah neben Aatnr, Mapital mtb Arbeit ber Staat als felbit« 
ftänbiger "^robuftionsfaftor anerfannt merbe, inbent ohne fein Bor« 

















1211 


©ojialc $raji*. Gentralölatt für Soaialpolitil. SRr. 46. 


1212 


banbenfeiit unb feine "Diitroirfung feincrlci 'jSrobultionSthätigfeit 
bcitfbar fei. llnb mit ber Icptereu Behauptung mar er ohne 
3 tocifeI im SRecpt, nur bap bantit bie 3 a h* ber bet ber ^dibuftion 
mitroirfenben gaftoren, um beit bi« babiit üblicpeit AuSbrudf 31t 
gebrauten, nodj feineSroeg* abgefcploffctt mar. Gin ebenfolcper 
gaftor finb bie jeroeiligcit Grrmtgcnfcpaftcn be* geidlfcpaftlicpen 
3ufammcnlebeu* bet SReufcpen, bie bent ^robujenten unentgeltlich 
3ur Verfügung flehen, unb bie mir unter betn kanten ber „Kultur" 
jufamnten^nfäffeu pflegen. G* giebt nur roenige Wüter, an bereit 
Herstellung ober 3 u roa r ftbringung nidjt alle biefe fünf Glemcnte 
beteiligt mären: jene Kombination, bie mir ijkobuit nennen, ift 
regelmäßig au* ihnen allen sufammengefept. 

Berftept man unter „gaftor" aber ba*, roa* ba* Sort fagt, 
fo crfcpcineu meber SRatur, nod) Kapital, nod) Staat, itocp Kultur, 
ja felbft niept bie Arbeit im üblichen Sinne al* ein gaftor be* 
'ßrobuftS, gu beffeit Herftellung fie Verroenbung gefuitben. Denn 
unter gaftor oerftepen mir ba* pätige, roclche* ba* ^robuft 
fepafft. Keine* ber fünf genannten fogenantiten 'ißrobuftionSfaftorcit 
aber fdjafft ein bestimmte* ^robuft; fie erfepeinen oielmepr alle 
nur al* Gientente, bie bei ber Herftelluug ber oerfepiebenften $ro* 
buftc Skrroenbung finben fötttten. Da*jenige, roa* ein bestimmte* 
^robuft fdjafft, tft oielmepr einzig unb allein ba* Grfcmten unb 
Sollen, b. p. ber Weift beseitigen, ber bie $robuftion*elctnente 
31t einem neuen s ^robufte oereint. G* giebt alfo nidjt fünf ipro* 
buftionefaftoren, fonbern nur einen einzigen, ben tnenfcplidicn Weift; 
alle fogenannten $robuftion*faftoren finb niept* anberc* al* ^ro* 
buftionSelemente, bie je nad) feinem Grfennen oon bent Betriebs* 
Unternehmer fei es 3U biefent, fei es 311 jenem ^robufte uerbunben 
roerben. Daher ift bentt ba* iit einem betriebe bergeftettte *ßro* 
buft nid)t ba* ^robuft be* Arbeiter*, ber bei feiner Herstellung 
Berroenbung gefuttben, fonbern be* BetriebSuuternehnier*, ber bie 
Arbeitsleistung be* Arbeiter* mit anberen Sßrobuftionselementen ju 
einem neuen s $robufte oerbunbeit pal- Unb 31001* gilt ba* für alle 
Arten oon Arbeitern, beren Arbeitsleistungen in ba* bergeftettte 
ißrobuft eingegangen finb, für bie Arbeiter be* Weifte* toic für 
bie Haitbarbeiter. Gin Banb Woetbe’fdier Webicpte ift ebenforoeitig 
ba* ^robuft Woetpe’S, ber ben Dert geliefert pat, mie be* Sepers, 
ber ipit gefept bat; Dejt unb Sap finb nur BrobuftionSclementc, 
roelcpe ber Verleger mtt anberen fgrobuftionSelemcn.tep 3ttr.Heo s 
ftellung be* Banbe* oereint bat; ber fertige Banb ift einzig unb 
allein ba* ^robuft be* Verleger*. Dem entfpredjcnb ift e* meber 
Woctpc nod) ber Seper noch irgenb ein aitbercr bei ber Herstellung 
be* Banbe* beipetligter Arbeiter, ber ben Grtrag be* Banbe* al* 
feinen Arbeitsertrag gait3 ober tbeilmeife in Einspruch nehmen 
fann: biefer Grtrag ift ba* Grgebnip be* Grfennen* unb Sollen* 
be* Unternehmer*. 

Grfcheint fomit ber Unternehmer al* ber einzige Sßrobuftion** 
faftor, inbem allein feinem Grfennen unb Sollen bie Bcrbinbung 
oorhanbetter $robuftion*eleinente 31t einem neuen ^ßrobufte 3U 
baitfen ift, fo gilt e* hoch, fofort irrigen unb mipoerftänblicpen 
Deutungen oorgubeugen. 

Daß $robu3ircn nicht fo oiel ift mie Stoff Schaffen, bebarf 
roohl für feinen Webilbeiett ber Betonung. Der Bfenfcp oermag 
fein Atom oon Stoff 3U fdjaffcit; Sitte*, ma* er fann, ift, oor* 
haitbenett Stoff berart 3U oeränbern, bap ihm erhöhte Brauch* 
barfeit 3ufomtnt. G* gilt bie* für ben Öanbmantt mie für ben 
Wemerbetreibenben, für ben Kaufmann mie für ben, ber tut* Dienfte 
leiftet. Allein nicht minber irrig mürbe e* fein, roollte man $ro* 
bn^iren mit bem Schaffen oon Scrtpett oerroecpfeln. Brobii^irett 
ift 3unächft nur ein tecpitifcper, Sertf) Schaffen ein roirtpfcpaftlidjer 
Vorgang. 3n einer SRaturalroirtbfdsaft mag ^ßrobn^trett rcgel* 
mäßig fo oiel fein mie Sertb fepaffen; betut ba* S3ebürfnif3, bent 
ba* 'probuft bienen foll, ift hier gegeben; in Slnpaffung ait biefe* 
toirb ba* ^robuft hergeftcllt; e* Iäfjt fiep aitttehmcn) bafs hier 
feincrlei $robuftion*elemeute 31t einem neuen $robufte oereint I 
roerben, auper, 100 e* oon oornherein feftftcht, bap ba* fertige j 
^robuft bem 9 ?ebiirfnip itt höherem $Rapc entspricht, al* bie ^ro* ! 
C!iftton*elcmntte, au* beiten e* 3ufammengc|ept ift, oor ihrer S>er* ! 
einigung. Slttber* in einer auf Slrbett*theÜung unb Daufds, auf 
Sonbereigcnthnm unb perföitlidjer Freiheit beruhenben Crganiiation 
ber S?olf*mirthfd)aft. Da tätigt e* uidit allein oon bem $iobir,enten 
ab, ob ba* hergefteüte s probuft Serth hat unb mie grop fein ! 
Serth iit: ba hängt bie* baoou ab, ob Diejenigen, betten ba* , 
i'robut't jur ^efriebigung ihrer 23 ebürfnifif bargeboten mirb, c* 
al* hierzu geeignet anerfeunen unb in meldiem s AK’at;c iie e* ba31t 
Mir geeignet eraditen. iRag ein i^robuft teilmiids nodi io oor;iig« 
Hth fein, fo iit baher bannt feine*meg* getagt, bau e* Sertb habe 
ober gar, bau fein Sörth ein hoher fei. De *g lei die 11 famt e* oor* 


fommen, bap ein ^robuft, beffen Herstellung grope Kosten oer* 
urfarfjt hat, geringen SBertfj habe unb umgefehrt, foroie, bap ber 
Ueberfcpup be* Serttje* be* fertigen ^robuft* über bie Kosten ber 
aufgeroenbeteu ^robuftion*elemente bei einem tedhnifcp minber oor^ 
3Üglidjen fprobufte gröper fei, al* bei bem oorgüglichereit. G* ift 
oie Aufgabe be* Unternehmer*, bie $robuftion*elemente fo 311 »er* 
toenben, bap ber Scrth be* fertigen fßrobuft* ben feiner Glementc 
oor ihrer Skrmenbnng möglicpft überfteige; je mehr bie* ber Jall 
ift, befto beutlidjer, bap er bie Glentente in ber Seife oermenbet 
hat, mie )ie ben oorhanbenen ^ebürfniffen jemeiftg am meisten 
entgegenfamen; im entgegengefepten gatte ift fein SBerluft, ba5 
3urücfbleiben be* Sertp* be* fertigen ^ßrobuft* hinter bem feiner 
Glemente oor ihrer SSerroenbung, bie Strafe für eine fcplecpte Gr= 
füttung ber Ünternehmerfunftionen. 

Desgleichen peipt eS ba* oben Dargelegte oottftänbig miß* 
oerftepen, toettn man bie Stellung be* Arbeiter* im ^robiiition** 
pro3ep al* eine oerglcicp*metfe unerpeblicpe piitfiettt, gefeproeige 
benn, roenn man foroeit gept, feine Arbeit oon bent ©egrtff ber 
nationalen Arbeit, mo man oon ber Sttotproenbigfcit, biefe 311 
fepüpen fpriept, au*3ufcpliepen. G* gab einft eine 3 e ^ ba ber 
Arbeiter iit bent betrieb, in bem er befepäftigt mar, auf ging; er 
mar nod) feine felbftftänbige SirtpfcpaftSeinpeit, fonbern mept* al? 
ein Sftäbcpeit in bem SirtpfcpaftSgetriebe feine* Herrn, gleicpoiel, 06 
biefer nur für ben 23 ebarf be* eigenen Hau*palt* ober für bett Dtarft 
probu3irte. Da* mar bie 3 e ü ber perfönlicpen Unfreipeit be* 2 h> 
beiter*. Da* Satercffe an bem gortfdjreiten feiner eigenen Sirtb* 
fepaft pat beit H errn 9^nötpigt, auep bem oon ipm befepäftigten 
Arbeiter ein Sntereffe an ferner fieiftung 3U erroeefen. Die*'bat 
3ur allmäligen Gman3ipation be* Arbeiter*, fcplieplicp 311 feiner 
oöttigen greierflärung geführt. So nun ber Arbeiter frei ift, m 
in unferer heutigen Sirthfchaft*organifation, ba ift er qleidpfall* 
ein Unternehmer: er hat nun ba* au*fdjlicptid)e SSerfügung*recpt über 
ba* ihm gehörige $robuftion*elemertt, bie 9 Utpung feiner Slrbeitsfrafh 
feine Arbeit; er roibmet fie biefem ober jenem $robuftion*3roeif, inbem 
er fi<h biefe ober jene gertigfeiten ermirbt nttb fie biefem ober jenem 
Käufer anbietet; er tf)itt ba* für eigene ^Rechnung unb Wcrnbc: 
er ift ein Unternehmer oon 2 lrbeit*leiftungen. Die grererflärung, 
inbent fie ihn für ftd) felbft oerantroortlich machte, h fl i ba^u 
gemgeht, unb gerabe in biefer feiner UnternehmereigeniäsaU 
Sich mirthfdjaftlid) feine greiheit. Dabei ift e* oofljtänbig gleich^ 
gültig, ob ber Slrbeitgeber, an ben er feine Arbeitsleistung »er* 
lauft, biefe feinen Knttben unmittelbar 3ur Verfügung stellt unb 311 
bem Öohite, ben er bem Arbeiter 3ahlt, noch e i» cn ^Reiftergroicpeti 
3ufd)lägt, mie bie* in oielett hanbroerlSntäpigen ^Betrieben nod] 
heute ber gatt ift, ober ob ber Arbeitgeber bie gefaufte Arbeit*^ 
leiftung mit anberen ^robuttionSclementen 3U einem neuen 
s $robufte oereint. Qn beibett gatten ift bie Arbeitsleistung be? 
Arbeiter* ein ^robuft, ba* biefer für eigene SRedjnuitg bem Arbeit¬ 
geber oerfauft. Unb geht biefe* fein ^robult im yoeiten galle 
aud) in bem höheren $robuft unter, bei beffen Herstellung e* ocr* 
roenbet mirb, fo oerhält fiep bie* genau fo bei ben ^Rohstoffen ui^ 
Halbfabrilaten, roelcpe fein Arbeitgeber oon beren Gängern fauft 
unb mit ber £eiftnng be* Arbeiter* 3U bem neuen ^robufte oer- 
eint. Sie bie Kopie, roeldjc ber Wrubenbefiper förbert, roie ba? 
Hctlbfabrilat, ba* ein gabrifant anbern gabrifanten barbictet, fo 
ift feilte Arbeitsleistung ein felbftäitbige* mirtpfcpaftlidjc* Wut. 
Sie jener Wrubenbefiper, mie biefer Grgeuger oon Halbfabrifaten 
felbftänbige Unterttepiner finb, fo ift bie* ber freie Arbeiter, ber 
feine Arbeitsleistung für eigene SRccpituitg ju 3 Rarft bringt. Die 
Wefcpgebung pat bie* anerlannt, inbem sic bie geftfepiing be* 
Sertpe* ber Arbeitsleistung ber freien Vereinbarung 3itnftpcu 
Käufer unb SSerfäufcr, b. p. ^roifepen Arbeitgeber unb Arbeiter 
übcrliep unb biefen für bie Steigerung jette* Sertpe* ber Arbeit?« 
leiftung gleich jebem Verläufer auf bie s Dlarttlagc uitb beren Kon* 
junfturcii oermies. 

Wait3 baffclbe, ma* oben über ba* SSerpältitip be* Setrieb** 
Unternehmer? 311 bem in feinem betriebe hergeftettten $robuftc 
gefagt roorbeit ift, gilt alfo für ba* SSerpältuip be* Arbeiter* \u 
feiner Arbeitsleiftiuig. Sic ba* Grfennen unb Sotten be* "Be* 
tneb?iiitteruehrncr* titaf^gcbenb ift für bie Hcrftclluttg jenes "proi 
butt*, io ba? be? Arbeiter* für feine Arbeitsleistung. Sie geiter 
ift er Brobu3ent, toeitn auep niept be* Brobuft?, bei beffen H cl; 
itelliing er thätig mar, fo boep ber Arbcitsleiftung, bie oon betn 
BctriebouiitcriiebiiUT 3itfammeit mit anberen ^robuftioitSclenienien 
31t biefer Heritelluiig nerroenbet morben ift. 

Sa? 11 tut bie rclatioc Bebeutuug ber Arbcitsleiitung be? 
Arbeiter? ttttb ber Dbätigfeit be? Arbeitgeber? für bie Hcntelluitg 
be? 0011 biefem 311 Biarft gebraditen Brobufte? angeht, fo ift fie 




1213 


Soziale $ratfS. Gentralblatt für Sogtalpoltttf. ftr. 46. 


1214 


je nach Ben Umftänberr utienblich oerfchiebcn. 2118 ber Verleger 
Eotta „f>ermann unb Torothea" gu $)iarft brachte, war ber Saitb 
fein ^robuft, feine Thätigfeit aber im Sergleich gur Arbeitsteilung 
©oetfjeS, bie gu biefer |>erfteßung oerroenbet mürbe, geroifc recht 
unerheblich- desgleichen giebt es Unternehmungen, für bereu Er» 
folg bie ArbeitSleiftuug ber in ihnen oermenbeten £janbarbeiter 
ttahegu AßeS, bie beS Arbeitgebers relatio unerheblich ift. Um* 
gelehrt giebt es Unternehmungen, für beren Erfolg bie dhätigfeit 
beS SeiriebSuntentehmcrs nahcgu 3lHeS bebeutet. Sor Aßem aber 
oergegenroärtige man fich, eine mie grofee Anzahl ber Unter¬ 
nehmungen Aftiengefeßfchaften finb; SetriebSunternehmer finb hier 
nid)t etma bie Ttreftoren; bie ArbeitSleiftuug biefer ift nur ein 
VrobuftionSelement, baS mit anberen bei ber ©erfteßung unb 3 Us 
marftbringung ber h e ^ c fküten Vrobufte Serroettbung finbet; 
Unternehmer finb h^* bie Aftionäre. Dber man benfe an ©rojg» 
runbbefifcer, roelche, oon ihren ©ütertt oft jahrelang abroefenb, 
iefe burd) Vermalter bemirthfch^fkn laffen; mir ift Einer oorge» 
fommen, ber im 23efifee einer großen Angahl ©üter nicht einmal 
mufjte, mo fie alle lagen. Solche gälte geigen frappant, mie thöricht 
es ift, baS Erfennen unb SBoßen beS SetriebSunternehmerS auf 
Soften ber oon ihm befchäftigten Arbeiter als bie einzig mähte 
nationale Arbeit h erait b 3 uftreichen. S^oc^ abfurber aber geigt fich 
bieS, roo biefe SetriebSunternehmer, mie nicht feiten, AuSlänber 
finb. ES ift ein _d)arafteriftifcheS SRerfmal neuzeitlicher inbuftrießer 
Entroicfelung, baß große Unternehmungen Setriebe innerhalb ber 
oerfchiebenften 3°Üö e bietc errichten. 9hcht nur, bafj mir deutfche 
an gasreichen Unternehmuugen in auSlänbifcfjeu 3oßgebieten be* 
theiltgt ftnb, es giebt eine gange Angahl oon Setrieben in TeutfA* 
lanb, beren Untemehmer gang ober übermieaenb AuSlänber fino. 
Tie Herren be SBenbel unb gasreiche elfäffifche Firmen, beren Sc¬ 
haber grangofen ftnb, bie Soloaproerfe, anbere Setriebe* in ben 
£>änbett oon Engländern unb Selgiern bieten bafür ben Seleg; 
auch öfterreichifche Firmen ftnb mir befannt, bie innerhalb beS 
bcutfchen 3oßgebiete8 Setriebe errichtet hßöen, um an bem Schuhe 
ber nationalen beutfchen Arbeit theilgune|men. ©8 Hegt mir geroifj 
fern, djauoiniftifch bagegen gu eifern; ich ermähne fie nur, um 
baS Unhaltbare gegnerifcher Tebuftionen flargulegen. Tenn 
melcf)e ift benn bie nationale Arbeit, bie in folgen gälten ge¬ 
büßt roirb? Tie ber Unternehmer ober bie ber befchäftigten 
Arbeiter? Soll unter ber nationalen Arbeit, beren Schuh man 
als Aufgabe ber Staatsgeroalt preift, roirflid) nur bie Thätigfeit 
jener fremben SetriebSunternehmer oerftanben merben? Soßen 
bie beutfchen Arbeiter, menn fie fich ihren Anteil an ben hohe« 
greifen erobern rooßen, melche ber „ Schuh bex nationalen Arbeit" 
jenen Werfen fichert, roirflich als Sünber gegen baS Staatsintereffe 
gelten? 28enn man italienifche, tfd)echifthe, polnifthe Streifbrecher 
als bie toahren Sertreter beS StaatSintereffeS hinficßt, melche „mir?» 
fain gu fchühen eine mistige unb bringliche Aufgabe ber Staats¬ 
gewalt ift", märe bieS bie Äoitfequeng. 

28enn es roirflich bie offigieße Auffaffuitg fein foßte, bafj man, 
toenn man oon „Schuh ber nationalen Arbeit" fpricht, unter bem 
Schlagmort nichts AnbereS als ben Schuh beS UnternehmergeroinnS 
oerfteht, ben Schuh ber ©runbrente gar nicht arbeitenber ©ruitb* 
befifcer mit inbegriffen, fo möge man bocf> oor ben nächften Wahlen 
bieS offen fagem Ta ber 9teid)Stag, ber aus biefen Wahlen heroor» 
gehh über ben Abfchlufe oon §anbelSoerträgen gu befinbeit haben 
mirb, bürfte eine authentifche Erflärung, maS unter bem „Schuh ber 
nationalen Arbeit" gu oerftehen ift, oon aßgemeinfiem Sntereffe fein. 

München. ßujo Srentano. 


filetoergiflmtgen itt ftet döpferei. 


Sklth grofje unb bebenflidje SRoße bie Sleioergiftungen unter 
ben ©eroerbefranfheiten fpielen, ift längft befannt. Sie gehören 
gu ben gahtreidjen Erfahrungen, bie gmar in Snfpeftorenbenchten, 1 ) 
aemerbehpgienifchen unb fogialpolitifchen gadjfdhriften niebergelegt 
jtnb, in ber TageSpreffe erörtert roeroen, bie aber praftifdje Ent» 
fdjlüffe gur Abhülfe bisher nur für eingelne Snbuftrien unb auch 
hier nicht burdjgreifenb, gegeitigt ha&en. für bie Sleiroeifj* 


l ) Aeljnli* mie in ben früheren Sahrgängen h^ifet es auch in ben 
amtlidjen SÖlittneilnngen aus ben gabreSberichten ber Eeroerbe-AuffnhtS* 
beamten für 1897 S. 359: „Unter beit EefunbhettSftörungen, bie auf 
Verarbeitung fchäblicher Stoffe gurücfguführen finb, treten mieber bie 
^leierfranfungen febr hctoor. $aft aus allen Auf fich tsöegirfen fntb 
foldje gemelbet." Sietje aud) bie A. 5Dt. a. b. g. b. ®. A. für 1896 
8. 547, fomie ben galireSbericht ber .ftönigl. ^reufe. Eemerberäthe für 
1997 S. 64—66 unb S. 75. 


unb Sleigucferfabrifen 2 ) unb für Affumulatorenfabrifen, auch für 
Suchbrucfereien. 3 ) 

gür bie anbern Sitbuftrien, aus benen Sleierfranfungen feit 
fahren gemelbet merben, mie Töpfereien, Slaubrucf», geilen», 
glafchen!apfel*gabrifen, 9KaIermerfftätten 2 c. fehlen reid)8gefehlid)e 
Sorf^riften gum Schuhe ber Arbeiter. T)aS ift um fo bebauertid)er, 
als bie Eiitmirfutig beS SleieS auf ben Organismus oon un* 
überfehbarer Tragroeite ift. 

T)aS Slei mirb theils in gorm oon Kämpfen eingeathmet, theils 
finbet es in gorm fefter Vartifelchen Eingang in ben Körper. Tie 
$ran?heit geigt fich in ber^9tegel gunächft burch Sleifaum am 
3ahufleifch, Släffe unb Schroäd)eguftänbe, führt gu plöhlichen ober 
aßmäligen Er?ran?ungen ber SerbauungSorgane, ber fogeitannten 
Sleifolif, gu Ertranfungen beS 9?eroenfpftemS, fiähmungen, 
^rampfguftänben, Telirien, gu ©elenferfrantungen unb Vieren» 
leiben. ErblinbungS* unb TobeSfäße in golge oon Sleioergiftungen 
fommen nicht feiten oor. 3n Englanb mürben 1896/97 oon 
1030 Sleierfranfungen 404 einer Spegtalprüfung untergoaen, bie auf 
biefe neun gäße oon Erblinbung unb ebenfooiel TobeSfäße ergab. 

Seicht immer führt inbefc baS aufgenommene ©ift gu unmittel¬ 
baren Erfranfungen. „28enn baS Slei als ©ift plöhlidier unb 
fchärfer mirfte, mürben mir mahrfcheinlich meniger oon feinen 
fchlimmen golgen hören, aber es ift langfam unb gleichenb in 
feinen Söirfungen unb eS fommt oor, baf* V^rfonen in hohem 
Stofte SDtonate, ja S^hre bleiburchfeucht finb, bis irgenb eine 
funftioneße Störung eintritt, bie baS latente ©ift in Aftion gu 
fehen fcheint. 3Ran fann ben Arbeitern nicht nadjbrücfüih genug 
jum Seroufetfein bringen, ba& felbft bie größte Vertrautheit mit 
oer Sleioerarbeitung ihn nicht arglos gegen bie unheilooße ©emalt 
beS ©ifteS machen barf." 4 ) üöornit mir aber feineSroegS an ber 
©renge ber ©efahren ber Sleioergiftungen angelangt finb. Sie 
machen nicht ©alt bei ber gegenroärtigen ©eneration. „3e länger 
bie Einmirfung biefer geroerblichen ©ifte anbauert, um fo oerberb* 
lieber geftaltet fich biefelbe, unb mie bie burch öen Alfohol be* 
bingten organifthen Seränberungen über bie Eingelinbioibuen hinaus¬ 
gehen unb ben SRachfommen unter ben gormen ber oerfdhieben- 
artigften neroöfen Störungen fich mittheilen fönnen, fo ift baffelbe 
als golge geroerblicher Sntoyifation, unb inSbefonbere bei Slei* 
arbeüem beobachtet, melche bie Neigung gur Erfranfung beS 
9ieroenfpftemS auf ihre $ad)fommen oererben." b ) (©ahrfcheinlich 
liegt hier eine ber Hrfad)en ber gasreichen unb gunehmenben gäße 
oon ©eiftesfranfheiten in ben unteren klaffen.) Es liegt auf ber 
£anb, bafe bei meiblichen Arbeitern biefe golgen noch meü mehr 
in ben Sorbergrunb treten. „So barf es als erroiefen betrachtet 
merben, bafj baS Auftreten oon 9JtenftruationSanomalien burch 
Aufnahme oon Slei in ben DrganiSmuS fehr begünftigt mirb." 6 ) 
gerner, bafe ber Einflug beS SleieS auf bie 5Kutterfchaft ein aufeer* 
orbentlich ftarfer ift, gur Unfruchtbar feit führt, gum AbortuS, gu 
grüh* unb Tobgeburten ober gur ©eburt franfer Äinber, bie meift 
fdjon als Säuglinge an Krämpfen fterben. 7 ) Aßein nicht nur bie 
Empfänglichfeit für bie $ran?heit, fonbern auch ihre ßebenS» 
gefährlid^feit ift. bei grauen nach gahlenmäfjig belegten englifegen 
Erfahrungen gröfeer als bei Männern. Auch ftnb jugenbliche 
Arbeiter für Sleioergiftungen empfänglicher als Erroachfene. 

Eine befonberS grofee Sßoße fpielt bie Sleioer gif hing in ber 
Töpferei, auf bie neuerbingS bie Aufmerffamfeit burch eine energifthe 
englifche 2lgitaüon gelenft roorben ift unb burch ein in biefer 3^** 
fegrift fchon befprocpeneS, im 3Kai 1899 erfchieneneS Slaubuch über 
„ben ©ebrauch oon Sleioerbinbungen in ber Töpferei, ben Einfluß 
beS SleieS auf bie ©efunbheit ber Arbeiter unb Sorfchläge gur 
Sermeibung feiner fchäblichen SSirfung." 8 ) 


2 ) Sefanntmachung, betreffenb bie Arbeit in Sleifarben* unb 3uder* 
fabrifen uom 8. ßuli 1893. 

3 ) SunbeSräthlicher Erlab, betreffenb ben Schuh ber Arbeiter in 
Anlagen gur ^erfteßung eleftrifdjer Affumulatoren oom 11. SRai 1898. 

4 ) Siehe Report on the Employment of Compounds of Lead in the 
Manufacture of Pottery etc. S. 14. (London, Eyre and Spottiswoode. 
Piice 5 l fa d.) 

5 ) 2Bet)l: Eemerbehpgiene Sb. 8 1897 unter ©erocrblidje ©ifte. 

6 ) Ebenbafelbft. 

7 ) Siehe hierüber „Report on the Employment of Compounds of 
.ead in the M. o. P. u i mie oben unb „A.nnual Report of the Chief In¬ 
spector of F. W. für 1897; fomie feine Sefpredjung in biefer 
fdhrift $Rr. I. Jahrgang vjii. 

8 ) Report on ihe Employment of Compounds of Lead in the Manufacture 
of Pottery mie oben, fomie „Sleioergiftungen in ber feramiidjen ^nbnftrte" 
9h\ 28, 3flh r 9 an 9 VII biefer ^kitfdjrift. — Sgl. audj Dr. Aogev oon Sodj, 
©efchichte ber Töpferarbeiter oon Stafforbfhire im 19. Sahrljunbert, 
Stuttgart 1899, SRündjener Solf^m. Stubien 81. St. XIII. 51ap. 3. 295 ff 



1215 


Soziale $ragt&. ©entralblait für ©ogtalpolittf. Nr. 46. 


1216 


©S hanbelt ftd) in ber Töpferei im Bkfentliehen um bie gum 
©lafiren bcr Söaarc oerwenbete Blaffe- Sür baS ©lafiren fomrnen 
oerfd)iebene Arten oon ©lafuren in Betracht: 1. bleihaltige ©la- 
furen, 2. bleifreie ©lafuren. Bleihaltige ©lafuren werben in 
Deutfdjlanb gur £auptfa<he für bie fogenanntegaoence ober ©tein- 
gut unb groar foroohl für bie feine gapence als für bie Nlajolifa 
genannten Bafen unb 3iergeräthe, für Dfenfacheln, SBanbfliefen 
unb baS gemeine Döpfergefdjirr oerroenbet. Die bleihaltigen ©la- 
furen finb je nach ihrem Bleigehalt unb ihrer größeren ober ge** 
ringeren LöSltd)feit mehr ober weniger gefunbheitsgefährlich. „Die 
©rfahrung lehrt aber, bafe auch nahegu unlösliche Blei* 
oerbinbungen noch giftig wirten." 9 ) ®ut burdjgefchmolgene 
©lafuntiifchunaen oon nicht gu hohem Bleigehalt, in benen Blei 
in fehr feft geounbenem 3 u f*anb enthalten ift (gefnttete ©lafuren, 
Bleifilifate), finben aber nicht einmal in allen fällen, in benen eS 
bie Ded)nif geftattet, Berwenbung, fonbern nur für feinere Söaare, 
weil ihre $erfiellung bisher als geitraubenber unb foftfpieliger 
galt. 10 ) ©röbere Thonwaaren werben fogar nicht feiten burch 
Aufbeuteln eines ©lafurpuloerS, Bleiglätte, SRennige, Bleiglang 
unb bergl. mit §ülfe eines ©trumpfeS glaftrt. Das ift bie ge* 
wohnliche Btethobe bei ben foaenannten ©efchirrhäfnern unb in 
ben Keinen Dfenfabrifen. n ) Alfa an ^ßlafeen, an benen, wenn fte 
überhaupt bem DitelVIl ber ©ewerbeorbnung unterftehen, bem 
§. 120a am wenigften Rechnung getragen wirb. 

©ine gewiffe ©inbämmung ber ©efahr für bie Arbeiter eines 
DheileS ber Snbuftrie gewährt bas SHeid^Sgefeö oom 25. Quni 
1887 im Sntereffe ber Stonfumenten infoweit, als ©&*, Drinf- unb 
^ochgefchirre nicht mit ©maiÜeglafuren oerfehen fein bürfen, bie 
bei halbftünbigem Wochen mit 4%iger ©fftgfäure Blei abfeheiben. 

Btit Nücfficht auf bie Arbeiter ift man bisher nur in Berlin 
eingefchritten, wo bie gahlreichen ©rfranfungen oon ©lafurarbeitern 
in fladjelofenfabrifen gum ©rlafe ber Sßoligeioerorbnung oom 
22. gatiuar 1888 geführt haben. 12 ) ©ie unterfagt in ber Töpferei 
bie Berwenbung anberer als oerfuchter ©lafuren, baS ift ge* 
fchmolgenes an Stiefelfäure gebunbeneS Blei (gefritteteS Blei, Blei¬ 
filifate), unb beftimmt über befonbere Borrichtungen für Abfaugung 
unb Bentilation, Anfeudhten ber ©lafuren bei ftaubabfoubernben 
Berrichtungen, ©efid)tsfchwämme, 2Bafd)ungen, BhinbauSfpülen, 
Berbot beS AufbewahrenS oon Nahrungsmitteln in ben ArbeitS- 
räumen ac. Drofebem ergiebt ein Bergleich mit bem Durchfchnitt 
ber Berliner Arbeiterbeoölferung bei benDöpfern noch immer eine 
erhöhte ©terblichfeitSgiffer. „Die ©lafurarbeiter finb auch 
alle mehr ober minber bleifranf." 13 ) ©S ift alfo flar, bafe 
bie beftefeenben ©chufeoorfchriften nicht genüaen. Qmmerhin ift 
hier wenigftenS ber ©ingriff angebahnt. Btit biefer eingigen Aus¬ 
nahme ftnb bie Arbeiter in ben Töpfereien DeutfdjlanbS gur^aupt- 
fache ben Bleioergiftungen ebenfo fchonungSloS preisgegeben, wie 
bie englifdjen Arbeiter, ober noch fcfeonungSlofer, benn in ©nglanb 
beftehen feit 1894 ähnliche BorbeugungSmaferegeln wie in Berlin; 
ber ©rfolg ihrer Berfchärfung in 1898 mufe abejewartet werben. 
Die englifche Agitation unb ihre ©rgebniffe ftnb fornit auch 
für uns oon erheblicher, bisher meines ©rachtenS nicht genügeno 
gewürbigter Bebeutung. 

Die Bewegung ift in ©nglanb bereits eine langjährige unb 
fann ft<h rafefeer ©rfolge nicht rühmen. Als gefährlich regiftrirt 
finb Töpfereien fefeon feit 1892, feit 1894 beftehen auf ©runb ber 
amtlichen ©nquete oon 1893 erlaffene ©onberoorfchriften für bie 
Dfeonwaaren unb BorgeIlan«3Nanufaftur, bie ftd) inbefe als burch* 
aus ungulänglich erwiefen haben unb 1898 in ebenfalls hö<hft an- 
ureichenber Söeife oerfdjärft worben ftnb. dagegen hat ©nglanb 
eit 1897, was uns oor allen Gingen fehlt, eine fpftematifche 
©runblage für bie Befdjaffung einer jährlichen ©tatiftif ber ©r* 
franfungen nach bem ©efchlecht ber Betroffenen in allen Snbuftrien, 


9 ) £cmin, Scbrbitch ber Sortfologie, II. Auflage, ©telje ferner 
Ijicrgu unb gum Aolgenbeu Dr. £>. £ ft, Lehrbuch bcr tcdpitfchnt ©hentie, 
II. Auflage, Berlin isp$; Albredjt, ^anbbudi ber praftifcheu ©ewerbe* 
hugiene, Berlin 1K96, unter „Sbonwaareninbuitrie"; it>ei)l, ©cwerbchijgicne 
Bb. 8 Iso? unter „©ewcrblidjc ©iftc"; 3ommerfelb, ftanbfuuh bcr ©c= 
wcrbefratiflicitcn Bb. 1 1898, unter „.frngiene ber ^lionmaareuarbciter"; 
Dr. .'o. Nafd), über Blciocrgiftungen bei Arbeiter in Atadjelofcnfabrifen, 
Arbeiten nuS bem Äaifcrlidien C'icfunbheittfamt Bb. 14. 

10 ) 3iel)e l)iergu 3p. 1216 unten. 

n ) 3icbe B?ei)I wie oben. 

I3 ) 3iebe Amtsblatt ber .Uöuigl. SM cg. 311 ^otsbam unb ber 3tabt 
Berlin 18ss 3. 42; and) unter Ä'aubcsbeborblidjc Arbrttrrfchuhoor* 
idtrirten", jufammengefteflt im Neidi^amt bes Csuuern, Berlin 1897. 

13 ) Siehe Oahresbcrid^te ber Atünigl. preuh- ©ewerberäthe für 1897 
Seite 75. 


in benen Blei-, Phosphor-, Arfenüoergiftungen ober Äarbunfel 
oorfommen, baburd), ba& bie Unternehmer, Snfpeftor unb Slmis- 
argt beS ®iftri!teS fofort fchriftlich über jebe einfehlägige geroerb- 
liche Bergiftung gu unterrichten h a & en - behanbelnbe Arit ift 

aufjerbem oerpfli^tet, oon jeber berartigen burch bie gewerbliche 
^hätigfeit oeranlajjten ^ranfheit unter Angabe oon Name unb ge¬ 
nauer Abreffe beS Sßatienten bem ©hief 3nfpector Äenntnifj gu 
geben, gegen eine ©ebühr oon 2V 2 ©h- unb bei ©efahr einer 
©elbbufge pon 40 ©h. im UnterlaffungSfaHe. 14 ) ©rft baburch höt 
bie Agitation eine gahlenmäfjige Unterlage erhalten, beren Er¬ 
langung auf eine anbere Sßeife als burch bie SRelbepflicht unter¬ 
richteter Qnftangen überhaupt nicht möglich erfcheint. 3n 3)eutfch- 
lanb fönnte gur ©rlangung einer fpegiftgirten ©tatiftif ber Berufs* 
franfheiten bie SNelbepflicht über gewerbliche Bergiftunaen junädhft 
ben Äranfenfaffen auferlegt werben; es ift baS ein feunfef), ber 
auch oon ben Snfpeftoren oielfach geäußert worben ift. 

3n ©nglanb hat fid) auf ©runblage ber SRelbepflicht ber 
Unternehmer unb Aergte für bie genannten gewerblichen Ber- 
giftungen ergeben, bafe oon 1239 Jätten im gahre 1897 
1030 auf Bietoergiftungen, baoon 446 allein auf bie SßorgeHan* 
unb Xhonwaaren-Qnbuftrie famen. 15 ) 3)ie Snfpeftoren ftnb ber 
Anficht, ba& bie ©efammtfumme ber ©rfranfungen nicht entfernt 
erfaßt ift unb bafj bei fteigenb genauer Beridjterftattung auch ihre 
3ahl entfprechenb gunehmen wiro. ^re&berichte, UnterhauSbebatten 
unb Deputationen haben nun gunächft m einer amtlichen Unter* 
fuchung ber ©ad)lage in ber Töpferei Durch eine <h e mifche unb 
ärgtliche Autorität 16 ) geführt, beren ©rgebniffe je^t in bem oor* 
erwähnten Blaubuh *0a the Employment of Compounds of Lead ä 
u. f. w. oorliegen. Die ©achoerftänbigen waren beauftragt, feft* 
gufteüen: 

1. Jßie weit bie ©efahr oerminbert ober befeitigt werben 
fattn, wenn man baS gewöhnlich gebrauchte Bleicarbonat (Blei* 
weife) entweber burch & 1C e1116 obez anbere weniger lösliche Blei- 
oerbinbung, g. B. ein ©ilifat (fiefelfaureS Blei), ober burch 
bleifreie ©lafur erfefet. 

2. 9Sie weit einige als unfchäblich ober weniger gefährlich 
wie baS Bleicarbonat erwiefene ©rfafemittel ben oerfdpebenen praf* 
tifdjen Bebürfniffen ber Sabrifanten entfprechen. 

3. Söelche BorbeugungSmaferegeln aufeerbent getroffen werben 
fönnen. 

Die Antwort auf biefe Sragen lautet bahin, bafe für fieben 
3ehntel ber gangen bleihaltige burch bleifreie ©lafuren 

erfefelich ftnb. ©o hat man gweifelloS leicht herftellbare, 
bleifreie ©lafuren oon genügenbem ©lang, Decffraft 
unb Dauerhaftigfeit für alle Arten häuslicher ©efchirre, für 
weifee, gelbe, feberfarbene unb gemufterte ©liefen unb ^adjeln, unb 
für benjenigen 3meig ber Döpferei, in bem Utenfilien für eleftrifd^e 
Apparate h^rgefteHt werben. Dagegen ift eS nach bem Bericht noch 
gweifelhaft, ob für bie§erfteHung oon9Kajolifa-©eräthenunbBtajolifa* 
kacheln ber ©ebraud) oon Bleiglafuren abfolut oermeiblich ift. 3n 
allen ©ätlen aber Iäfet fi<h bas jefet oielfach oerwenbete Bleicarbonat 
burch Bleifilifat erfefeen unb gwar burch nahegu unlösliches Doppel* 
felifat. „©^perimente im Negierungslaboratorium an ben Sßro* 
buften ber oerfchiebenften Unternehmer haben gegeigt, bafe ein allen 
Anfprüchen berfelben genügenbeS, nahegu unlösliches Doppelfilifat 
herftellbar ift, beffen ©ebrauch, gang abgefehen oon ber hpö^nifchen 
grage, für ben Unternehmer ein birefter Bortheil ift." 17 ) 

©rfahrungSmäfeig hängt bie gröfeere ober geringere ©djäblidh* 
feit oon ber 3nfammenfefeung beS ©ilifateS ab. „©in einfaches 
©ilifat mag weniger ftaubabfonbernb unb fiebrig, unb baher 
leichter oon ber Äaut gu entfernen fein, ohne beShalb fchwerer lös* 
lieh gu fein als Bleicarbonat." Bei ber ©chwierigfeit, feftgufteOien, 
ob einfaches ober Doppelfilifat gur Anwenbung fommt, (unb An- 
gefichts ber nach beutfehen Lehrbüchern überhaupt nid)t 


M ) @ief)e Ab[. I §. 29 beS Sabril* unb SSerfftättengefefeeS oon 
1895. ©-3 wäre gu empfehlen, auch bie Angabe beS Alters obligatorisch 
gu machen gur ©ewinnung eines fofortigen Ueberbücfs in 3al)ien. Als 
©runblage für eingehenbe Unterfuchuitgen genügt natürlid; bie englifche 
B?elbepflid)t. 

15 ) Ucber bie nähere Bertbeiluug biefer 3ahlen nach bem ©efchled)i 
fiche ben Annual Report of the Chief Inspector etc. für 1897, foioie 
feine Befprerfjuug in Nr. 1 Jahrgang 8 biefer 3eitfhrift. 

16 ) Brofcffor %. ©. Ühorpe, Principal of the Government Laboratory. 
Brofeffor IhomaS Clioer, Physician to the Royal Infirmary, Newcastle- 
upon-Tyne. 

* 7 ) Auf bie djeniifchen 3ufammeufehungen fann ich hier nicht ein* 
gehen, fte finb im Blaubud), auf baS id> bie Anfmerffamfeit ©acb- 
oeritänbiger gu lenfeit wünfehe, ausführlich enthalten. 



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©ogiale fßragis. Gentralblatt für ©ogtalpoltttl. Sfcr. 46. 


1218 


oollftänbig gu befeitigenben SergiftungSgefahr) muß in* 
beß, fo lange ber ©ebraudfj bleihaltiger ©lafuren geftattet ift, ber 
©efahr burch Verbote unb SSorbeugungSmaßregeln Einhalt gethan 
werben. 

Sahin gehört oor allen Gingen ber SluSfchluß weiblicher unb 
jugenblicher Arbeiter oon ben gefährlichen Sefchäftigungen in ber 
töpferet. Ser englifche SBerid^t ift h^r gang infonfequent unb 
brüeft fich, mit einem $uge nach ben Unternehmern, mit bem an- 
beren nach bem SSolfSwohl blicfenb, fo aewunben au«, baß es bei 
nicht fehr genauer Prüfung fdjwierig ift, ba« genannte SRefultat 
auSguIöfeit. 3nfonfequenter SBeife bleibt es für bie fehr gefährliche 
ßRajolifamalerei offen, ob grauen oerwenbet werben foHen ober 
nicht. E« hängt bie« gurn Shell auch bamit gufammen, baß biefe 
unb anbere Shätigfeiten in ber Söpferei an ftch leichte unb für 
grauen geeignete ftnb; aber gerabe bed^aUb fann ihr SluSfdbluß 
als Stimulus gur Einführung bleifreier ©lafuren bienen. 3eben* 
faß« finb bie hieraufbegüglichen Seftimmungen für unfere SBleigucfer*, 
bleifarben* unb $lffumulatoren*3abrifen weit entfehiebener al« bie 
englifchen borfchläge. 

3n begug auf bentilation, Slbfaugung unb SReinlidfjfeitS* 
oorfdfjriften ift in bem englifchen bericht auf bie oerfdjärften be* 
ftimmungen (Special Rules) für Shon- unb ißorgeßanwaaren oon 
1898 hingeroiefen unb beren Ergängung burch bie gorberung oon 
Öußböben, bie eine grünbliche Reinigung ermöglichen, oerlangt, 
gerner werben über bie Slrme gehenbe ©ummihanbfehuhe unb 
Sangen mm galten ber gu alafirenben ©egenftänbe empfohlen, unb 
bie Slu«behnung ber für grauen unb Miuber in ben „Special 
Rules“ oorgefehenen fnftematifchen ärgtlidjen Unterfuchungen unb 
SRegiftrirungen be« befunb« auf äße bleiarbeiter in ber Söpferei. 

,,E« ift augenfcheinlich," erflären bie berichterftatter, „baß unfere 
Erhebungen bagu angethan ftnb, ben in ber Deffentlichfeit herrfchen* 
ben Einbrucf oon ben ©efahren in ben eingelnen 3meigen ber 
Söpferei gu oerftärfen. — 3 ro eifello8 fönnten behörben, wie bie 
be« $oft*, Arbeit«*, $rieg«bepartement«, ber Schulen, Firmen* 
häufer, Hfple unb $ofpitale, wenn fie auf ber Lieferung bleifreier 
SBaaren beftänben, wie fie gum größten Sheit ohne Schaben für 
bie b$aare unb ohne oermehrte Soften h er fießbar Futb, in hohem 
9Raße für bie aßgemeine Einführung bleifreier Söpfermaaren 
bahnbredEjenb fein." 

Sluch in äßen beutfehen gächfehriften ift ba« berbot ber ber* 
wenbung nicht gefritteter ©lafuren unb bie Einführung be« blei* 
filifat« bringenb empfohlen. „Sroecfmä&iger wäre eS," heißt eS 
bei SBepl unb a. 0., „Erfaßmittel für bie bleiglafur einguführen." 
„Ser bleiglafur ift leichte ©chntelgbarfeit, große SBiberftanbS* 
fähigfeit gegen rauhen Semperaturwechfel unb ©lang eigen, hoch 
finb werthooße Erfaßmittel befannt geworben." ©o ift fchon 1897 
in ber barifer ©efeßfehaft für öffentliche ßRebigin unb ©ewerbe* 
hpgiene burchau« gebrauchsfähige« Söpfergefchirr ohne bleiglafur 
gegeigt worben. 

bor aßen Singen finb nun für bie Einführung folcher 
Söpferwaare, ben Erfaß ber bleiglafur burch bleifreie ©lafur, 
aße £>ebel in Bewegung gu feßen. Slßein e« ift leiber faum an* 
gunehmen, baß man fidf) felbft ba, wo an ber borgüglicfjfeit be« 
Erfaßmittel« fein 3meifel mehr befteht, wie für häusliche ©efdhirre, 
weiße unb farbige giiefen unb $?adjeln, unb Utenfilien für eleftrifche 
Apparate, oorerft entließen wirb, ben ©ebraudf) ber fo oer* 
hängnißooßen bleiglafur gu unterfagen. 

Sroßbem muß bie grunbfäfelicf)c gorberung ber Einführung 
bleifreier ©lafuren aufgefteßt werben. Sa wo fie ftch gunächft 
nicht bureßfeßen läßt, ift mit aßer Energie auf ba« berbot ber 
berwenbung anberer al« Soppelfilifate, ben Erlaß entfprechenber 
BorbeugungSmaßregeln fowie ?lu«behnung be« für blei* unb 
^ffumulatorenfabrifen bereit« geltenben berbot« ber befchäftigung 
weiblicher unb jugenblicher Arbeiter auf bie Söpferei gu bringen. 18 ) 


,8 ) ben Slmtl. SRit. a. b. b. b. ©. Ä. für 1896 heißt e« ^terju: 
„SRacß ben im begirfe gemachten beobachtungen holte tdj eS für 
wünfdjenSwerth, baß jugcnblidje Arbeiter oon allen $abrifaiion«gwetgen, 
in benen blei ober bleihaltige ©toffe oerwenbet werben, auSgefdjloffen 
unb im llebrigen ähnliche beftimmmigen getroffen werben, wie fie für 
bie bleifarbenfabrifen bereit« erlaffen finb." 2Bie fepr ba« Eieiche für 
weibliche Arbeiter gilt, tann wohl nach ben oben wiebergegebeiten Er* 
fahrungen nicht mehr begweifelt werben. SSie wenig übrigen« bie bis¬ 
herigen ©(huhoorfchriften in bleifabrifen gureidhenb ftnb, lehrt bie 
^$ra£iS. Sie berichte ber Eewerbeinfpeftoren liefern auch ^ier$u reiche« 
3J?aterial. ©o futb in einer mit ben neueften technifrfjen unb fanitären 
Einrichtungen uerfehenen bleifabrit währenb 15 SRonaten 141 Arbeiter 
ein* unb 124 wieber ausgetreten. 2Rit anberen SBorten, bie gefammte 
%x beiter[chaft wirb aße gwei Sftonate entlaßen unb burch neue Kräfte 


E« finb baS gorberungen, bte fi<h gweifello« in Sälbe burchfefecn 
laffen. 

gerner ift barauf hingumirfen, baß wir enblich eine ©runb» 
läge für eine ©tatiftil ber ©ewerbefranfheiten unb ihrer berthei* 
lung nach ©efchle<f)t unb Sllter in ben eingelnen unb befonber« in 
ben gefährlichften 3nbuftrien erhalten. £>ier ift ber in Englanb 
eingefd)lagene, oben erwähnte 3öeg ber 3Mbepfü<ht für bleiweiß*, 
^ho§Phor*, ^Irfenifoergiftungen unb Slarbunfel oorbilblich- 

Sie 9iothwenbig!eit einer folgen ©tatiftif ift auch Dt)n ^ cn 
Snfpeftoren oft genug betont worben, ©o bei&t e« in ben Ä. 9R. 
b. ©. 31. für 1896: ,,2öa« ben ©ewerbe*3lufficht«beamten noch 
gebt, ift eine guoerläffige unb umfaffenbe ©tatiftif gewerblicher be* 
rufSerfranfungen, bie für bie erforberlichen ^pgienifc^cn 9Raß* 
nahmen ebenfo unentbehrlich ift, wie bie Ä'enntniß ber Unfäße für 
bie 3me<fe ber Unfaßoerhütung." 

2Bir ha&en am beifpiel ber Söpferei gefehen, wie fi<h in 
Englanb eine folche ©tatiftif für bie öffentliche Meinung unb bie 
Einficht in bie SRothwenbigfeii be« Einfehreiten« bewetSfräftiger 
gegeigt hat al« aße Sheorie. Sßomit nicht gefagt ift, baß man 
oor ihrer befchaffung überhaupt nicht eingreifen foß. Sa« hieße 
ähnlich hanbeln, wie jener Leiter in ber feüfte, ber, al« er oon 
einem berfchmachtenben um §ülfe angefleht würbe, gwar abftieg, 
um ihm SBaffcr gu reichen, aber oorher in aßer ©emüthlichfeit 
fein $ferb abfattelte. Unterbeß war ber Anbere gefiorben. 

beriin. $ eie ne ©imon. 


fiotttmtraale «o^aipolitik. 

firanfettfaffe für bie beamten ber ©tabt Seipgig. Sie oon 

ben Unterbeamten be« batße« ber ©tabt Seipgig ernannte $otn* 
miffion gur bornahme ber borarbeiten bei ber geplanten ©rünbung 
einer Äranfenfaffe für biefe beamten hatte fid) an ben bath mit 
bem Erfucßen gewenbet, ba« Unternehmen gu genehmigen unb gu 
unterftüßen fowie eoentueß bie Dberauffi<f)t über bie klaffe gu über* 
nehmen. Ser 9tath hat baraufhin gunächft ein oerficherung«* 
tedhnifche« ©utachten hfrbeigegogen unb biefe« ber Äommiffton mit* 
getheilt, babei auch erflärt, baß er geneigt fei, ba« Unternehmen 
gu förbern, unb gwar nach befinben auch ^ ur£ h ©ewäbrung eine« 
beitrage«, wogu er fich jeboch bie EJenehmigung be« Plenum« unb 
bk 3aftimmung ber Herren ©tabtoerorbneten oorbehalten müffe. 
E« ift beabfichtigt, fein Äranfengelb, fonbern nur 2lrgt unb 
Slpothefe gu gewähren. 

Tarife für ©traßenbahuen in üRagbcbttrg unb München. Sie 

SDRagbeburger ©tabtoerorbneten befcfjloffen am 10. Sluguft, namentlich 
im Sntercffe ber borftäbte buefau unb beuftabt, ben 2Ragiftrat 
gu erfuchen, mit aßen SRittcln barauf hinguwirfen, baß ber 3 c h n * 
Pfennigtarif auf aßen Straßenbahnlinien möglichft halb eingeführt 
wirb. — 8rür fitrgere ©treefen würbe in b?ünd)cn ber günfpfennig* 
tarif eingeführt. 

branbenbnrgifcher©tübtetag. 2luf bembranbenburgifchen©täbte* 
tag, ber am 18. unb 19. September unter bem borfiß oon Dberbürger* 
meiftcr Dr.2lbolf*3ranffurt a./0. in^otSbam abgehalteu wirb, wirb, 
abgefchen oon ben bechnungSangelcgenhciten, bürgermeifter Hncfer* 
Sanb«berg a./SB. über bie berfidjerung ber ©emeiitben gegen 
Haftpflicht, bürgermeifter b?olf*Spanbau über ba« becht ber ©e* 
meinten gur 9lbweifung$Reuangicheuber unb?lu«weifung Unterftüßtcr, 
0berbürgermeifter £oelße*Spanbau über bie Srage fprechen: Sinb 
0uitttung«büd)er bei ber Abhebung oon ©uthaben au« ftäbtifchen 
©parfaffen gwedfmäßig? ferner wirb ©tabtfcbulratb Dr. ^cufert* 
Eharlottenburg über bie 5ortf<hritte ber Sd^ulen für fd)wad)be* 
gabte Gintec (bie ©tabt Eharlottenburg befißt bereit« gwei befonbere 
§)ilf«f<hulen für fd)wad)bcgabte hinter mit in^gefammt adit Sehr* 
fräften), 0berbürgermeifter itoelße*Spanbau üoer bie Äranfenfaffen 
gegenüber felbftoerfdjulbcten Äranfheiten unb bürgermeifter SReper* 
branbenburg über bie Schulärgte referiren. Leiter finb noch folgenbe 
fragen gur Erörterung gefteßt: a) bie Einführung eine« einheitlichen 
©nftemS ber $hirgf<hrift bei ben ©emeinbeoerwaßungen (Referent 
0oerbürgermeifter 253erner*5lottbu«); b) erfdjeint e« gweefmäßig, bie 
Entwürfe oon ^Soligeioerorbnungeu auch ^ en ^tabtoerorbneten oor* 
gulegen? (Referent ©tabtoerorbnetenoorfteher-Steßoertrcter <5ränfel« 
Sanbsberg); c) bie 2lnmahnung auswärtiger oergogeiter Steuer* 
gahler (^Referent ber borfißenbe); d) 9tabfaprerwege. 


erfefet (f. 3ahre«berid^te ber Äöntgl. $r. Eewerberäthe für 1897 S. 76). 
Ebenbafelbft erflärt ber Ecwerberatlj für $ot«bam eine gcjctcliche ber* 
fürgung ber 9lrbeitSgeit auf 8 ©tunten, auSfchließlidj bei* Raufen für 
bie Elafurarbeiter, für bringenb geboten. 



1219 


Sogiale BrajtS. Gentralblatt für ®ogtalpolitt!. 9fr. 46. 


1220 


Soziale Itafföttftt* 


Die Arbeite* in ber fraagöftfdjeu 3ünbl|o4faBrifattim. 

Seit bcm gahre 1890 ift bie fcan^öftfcfjc 3ünbhoIginbuftrie 
in bcn §änben beS Staates monopolifirt, ber fie oöllig in eigener 
Siegie betreibt. ®ie ©efammtprobuftion erhob ftch 1897 auf über 
33 SRtHiarben Stücf, roooon etwa 31 s / 4 SMiarben in H°lS unb 
li /2 SMiarbeit in 2BacbS. 3um roeitauS größeren %tyil ber 
fabrigirten 3ünbhölgd)en roirb geroö^nlic^er Phosphor oerroanbt; 
ber armorphe B*)o8phor fommt bei !aum 7ß in Slnroenbung. Der 
inlänbifdje Verbrauch becft fid) faft auSfd)lieplich aus ber hrimifthen 
Brobuftion, ba fich bie Einfuhr frember 3ünbhölgchen jährlich auf 
uur 45 V ‘2 SRiHionen Stücf beläuft. Die unerlaubte, aber im Ber* 
borgenen ben noch betriebene Brioatfabrifation liefert fchroerlich er* 
hebuche Quantitäten. Die SRoheinnahmen aus bem 9Ronopol 
betrugen im gleichen gahre 28 711 433 grcS., bie SRegiefoften 
8 269 875 grcS.; ber Staat bezieht bemnad) eine jährliche SRein* 
einnahme oon etroa 20 BttHionen Francs. 

Die £erfteHuug ber 3ünbhölgd)en erfolgt in fieben getrennten 
Bianufafturen, roeldge nach einer ftatiftifchen Aufnahme beS HrbeitS* 
arnteS 1 ) im gahre 1895 ein Slrbeiterperfonal oon 676 9Rännern 
unb 1444 grauen befdjäftigten. Die 3^hl be* jugenblichen 2lr* 
beiter ift oerhältnifjmä&ig gering, nur 3, 5 o/ 0 beim männlichen unb 
6,3 °/ 0 beim meiblichen ©erfechte. Die mterSflaffen oon 19 bis 
45 gaf)ren fteüen bie iiberiotegenbe Bfrbrheit, nämlich 83 % ber 
männltchen unb 88 o/ 0 ber meiblichen Slrbeiter. 

Die ^IrbcitSoerhältniffe finb bie nämlichen roie in ben übrigen 
Staatsmanufafturen. Die Berroaltung fuboentionirt bie HiffS* 
faffen beS ^erfonals mit 3ufd)üffen in gleicher £>öhe ber Arbeiter* 
beiträge. Sie hat ferner bei ber ftaatlicijeu freien NlterSrentenfaffe 
einen ^enfionSfonbS angelegt, ber aus Prämien in ber £>öhe oon 
4 °/ 0 ber Löhne gebilbet mirb. ®ie fälligen ^enftonen richten [ich nach 
ben für ben betreffenben Arbeiter geleifteten Eingahlungcn; hoch 
ergänzt ber Staat biefe $enfion auf 600 grcS. für bie Männer 
unb auf 400 grcS. für bie grauen, roemt ber Antritt nach 30 Dienft* 
jahren ober nach ooüenbetem 60. Lebensjahre erfolgt. Das effefHoe 
Lohneinfommen ftettt fich im Durchfd)nitt für bie männlichen Arbeiter 
auf 0,50 grcS. pro Stunbe, für bie meiblichen auf 0,.% gres. Die 
täglidjc 2lrbcitSgeit ift 10 Stunben. Die folgenbe Tabelle giebt 
einen Ueberblicf über bie thatfächlühen EinfommenSoerhältniffe in 
beu einzelnen Btonufafturen unb beren Betriebsumfang. 


SRänner grauen 

SRittlerer 1? o l)n SRittlerer 2 o Ijn 

3aIjl pro Stunbe 3 rt hl pro ©tunbe 
grcS. gres. 

Bantiu. 209 0,«o 353 0,4o 

Satntines. 170 0,40 275 0,39 

Dijon. 14 0,55 6 0,39 

2li;r. 41 0 , 3 s Hl 0,20 

Starlet Ile. 63 0,55 424 0,35 

BegleS. 54 0,56 121 0,31 

Drclage .. 125 0,43 184 0,40 


3uf. ... 676 0,50 1444 0 , 35 . 


®ie Hrbeiterfchaft ber 3üubholjmanufafturen hat mit bem 
gahre 1890 begonnen, 2 ) fich geroerffd)aftli<h gu organiftren. ES 
beftehen heute fünf lofale Bereinigungen in SRarfeitte, BögleS, 
Drelage, SaintineS unb Bantin, rnelch« feit 1893 in einem 
9£ationaloerbanbe, ber Federation des ouvriers et ouvrieres des 
Mauufactures d’allumettes de France gufantmenaefchloffen finb. 
Der Berbanb umfafjt mit 1528 Biitgliebern über Dreioiertel 
beS Bei'fonalS unb pflegt alljährlich einen Stongrefc gu oeran* 
ftalten, auf bem bie'Slngelegenheiten beS ©croerfeS erörtert roerben. 
Der bieSjäfjrige ftongrefe fanb 00 m 24. bis 30. gult in Singers 
ftatt. ?luS ben Beiljanblungen, aus benen übrigens nur fpärliche 
Nachrichten in bie Ceffcntlichfeit brangett, erhellt, bafj für bie 5lr* 
beiter uielfacfje Okiiube ju Befchraerben oorliegen. 9Ran bringt 
namentlich auf alle tedjnifcheu Berbeffcruugen, bie im gefunbheit* 
lidieu gntereffe ber Arbeiter nöthig erfd)cineu ober bie Arbeit er* 
leichtern föuuen, ferner auf Öcmähniug oerfd)iebener Bergünfti* 
gungen allgemeinerer datier. Qi e auf bem bieSjährigen ilongreh 
feftgeftellte genaue gorberungSlifte umfaßt bie folgenben Bnnfte: 
1. >>eritellung ber .J)ölgehen in Staatsbetrieb an Stelle beS bis* 
hörigen (Siufaufs; 2. Nbfchaffung ber frembeu Einfuhr fertiger 


l ) Office du Travail. Repartition d<*s salaires du personnel ouvrier 
<l;m> 1 cs mauufactures de Tetat etc. 1896. 

,J j Amiuaire des Syudicats profcssionnels. 1897. 


3ünbhölgchcn; 3. achttägige ßohngahlungen; 4. 12 £age jährlichen 
Urlaubs ohne öohnentgiehnng; 5. unentgeltliche ftranfenpflege. 
Ueber eine SReihe non gragen, roie Lohnerhöhungen, Opportunität 
eines SHuSftanbeS ic., ift ber Stongrefe gu feiner Einigung gelangt. 
(Sine Delegation, roelche bie obigen gorberungen nertrat, rourbe 
bereits nom Direftor ber Staatsmanufafturen unb bem ginang* 
minifter empfangen, ohne inbeffen geneigtes ©ehör gu finben. 
gn golge biefer Slbroeifung befd)lo6 bie Sentralleitung beS Ber* 
banbeS, fich mit ben lofalen Bereinigungen über bie Sage gu uer* 
ftänbigen unb fich weitere BoHmachten geben gu laffen. 

Baris. g. Schotthoefer. 


Der beutfdje ÄrbeUSmarft geigt gegeuroärtig ein Büb mit 
roiberfpruchSnoUcn 3wQ cn > bic in ber Berliner s lRonatS|chrift ^Der 
ÄrbeitSniarft" roie folgt gufammengefafet roerben: gn ber gefammten 
Berg* unb SRctaKiubuftrie einerfeits flotteften ©efdhäftSgang, 
anbererfeits bie nun nicht mehr neue @rfd)einung, bafe bei bem 
intenfioen Berbraudj an Stöhle unb ^albgeug ÜRangel eiutritt unb 
3lrbeitSlofigfeit nach f l( h gielht. gn ber Xcytilinbuftric, bie bisher 
an bem allgemeinen Aufblühen nicht theilnahm, fchlägt bie Lage 
fo fthnell um, ba& roeibliche Hrbcitsfräfte fteHenroeiS fchon nicht 
mehr gu befchaffen fmb. (Sin SluSbrucf ber allgemein unruhig ge* 
roorbenen Lage ift ber noch immer anbaucritbe grofec Umfaiti ber 
Streifberoeguncj in Deutfchlanb. 9?ach ben Strcifmonateu Slpril 
unb s Jl)?ai mit je 84 neubegonnenen Streifs ift bie 3ol)l S^ar, roie 
alljährlich, im guni gurüdgegangen, aber nur auf bie immer nodi 
beträchtlidhe §öhe oon 52 unb h«t fich auf ungefähr ber* 

felben .£>öhe (48) gehalten. Bei bcn s #rbeitSnad)roeifen beefteu fnfj 
im guli ungefähr Angebot unb Nachfrage (roähreub im Borjatir 
Ucberfchufe roar); auf 100 offene Stellen famen 100,7 Beiocrber 
(gegen 112,5 im Borjafjre). Die ungeh e R rc ©u«ft beS guni aber, 
bie'einen auffallenben, gang bireften mbeitermangel gegeitigt hotte, 
ift nicht mehr oorhanben. 

Lohnberhälitttffe beS ^auSgefinbeS in englifchen Stäbtrn. Das 

englifche Labour Departement oeröffentlicht eben einen Bericht von 
Bhf* Sollet über fmuSgefinbelöbne. gn ber Einleitung oerroeift 
3Rr. Lleroellpn Smith barauf, bafe bieS ber erfte Berfud) ^e\, b\e 
©elblöhne beS §auSgefinbeS ftatiftifch gu erfäffeft; bisher fei man 
ben Schmierigfeiten einer folgen ErbdMRQ überall aus bem ^Bege 
gegangen, bie namentlich barin gelegen feien, bafe nicht leicht eine 
genügenb grofje 3ohl oon Haushaltungen ber oerfchjebenen klaffen 
Der Statiftif gu ©runbe gelegt roerben fonnte, roie aud) barin, 
ba& ber ©elblohn ja nicht bie eingige gorm ber Entlohnung oon 

t auSgertnbe fei unb im ÜRonatS- ober gahreSlohn auch houfia 
ntfehäbigungen für $oft unb Quartier enthalten feien, gür 3Ri| 
EoüetS Statiftif roirb felbftoerftänblich audh feine Bottftänbigfeit 
ins gelb geführt, aber fte fann both barauf ?lnfpruch madhen, rer* 
läfclid)e DurcbfchnittSbaten gu liefern, bie SlnhaltSpunfte gu Ber¬ 
gleichen mit ben SRefultaten fpäterer Aufnahmen geben. 

Das Btaterial, baS ber nicht unintereffanten Statiftif gu 
©runbe liegt, ift auf oerfthiebene Söeife gefammelt roorben. giir 
Haushaltungen ber bemittelten klaffen rourbe eine Umfrage in 
Brioatfreifen (bei ben Btitgliebern ber Royal Statistical Society 
unb ber British Economic Association) ocranftaltet, bie ein hübfcheS 
Ergebnis ergielte; baS Material für H aug ^oItungen ber unteren 
Schichten rourbe burch Aufnahmen bei Der Metropolitan Association 
for Befriending Young Servants, bie 9lrbeitSnachroeife in 31 Lon* 
boner Diftriften hot, gefammelt, inbem burch brei Btouate h*nbur<h 
bie bei Engagements flirten Löhne regiftrirt rourben. gm ©angen 
erftreefte fich bie Aufnahme auf 2 067 Hofhaltungen m it 
5453 meiblichen unb 326 männlichen Dienstboten; oouftänbige 
Daten lagen für 5338 roeibliche unb 230 männliche Dienstboten 
oor. DiefeS oerarbeitete Material umfaßt foroohl Lotibon als 
anbere Stabte in Englanb, Sd)ottlanb unb grlanb. Daß bie oer- 
fchiebeiten klaffen oon HouShaltungeu ooHe Berücffichtiguiig ge* 
funben hoben, geht aus folgenben Daten heroor; bie 5338 roeib* 
liehen Dienftboten gehörten folgenben HouShaltungeu an: 

512 roaren in Hofhaltungen mit 1 Dienftboten, 

1342 * * = * 2 

1158 * = = 3 

796 * i» = =4 

522 = = - r, 

335 = = = 6 

673 = = = mehr als 6 Dienfiboten. 

Der Lohnburd)fdjnitt für roeibliche Dienftboten in Lonboii 
! [teilt fid; auf 17 .€ 18 sh pro gahr. Nichtiger erfcheint uns bie 









1221 


©oztale fragte. CentralBIalt für ©ojtalpolttil. 9h:. 46. 


1222 


gcftftcttung ber SurcpfcpnittSlöhne in bcn einzelnen nad) 3®hl ber 
Sienftboten rangirten £auShaltungSflaffen; biefe fteßen fiep für 
Lonbon rote folgt: 

Haushaltungen mit 1 Sienftboten .... 14,9 £, 

- * 2 * .... 16,6 s 

* * 8 * .... 18,8 8 

51 »4 * .... 20,7 s 

* 8 mehr als 4 Sienftboten 28,9 8 . 

©erben bie SurcpfcpnittSziffern mit SfKicffid^tna^me auf bas 
Silier (AnfangSlöpne) forrigirt, fo ergiebt fiep ein ungefährer 
Surtpfipnttt ooit 17 £ 14 sb. Stuf ähnliche GSetfe gelangt GRiß 
Sollet $ur Angabe eines SurcpftputttSlohneS oon 15 £ 10 sh für 
bie anberen ©täbte in Englanb unb GBaleS, unb oon 17 £ 6 sb 
für bie brei größten ©täbte ©cpottlanbs, roährenb für 3 rlanb eine 
oerläßlicpe SurcpfcpnittSziffer nicht gefunben roerben fonnte. Gfttß 
EoßetS ©tatiftif geht weiterhin [ehr ins Setail, inbeut baS oor- 
liegenbe GRaterial foroohl nach toer als nach Kategorien beS 
£>auSgeftnbeS, roie auch uaip HauSpaltungSflaffen oerarbeitet er* 
fepeint. Sei GBieberpolung ber Aufnahme bürften ft<h jebenfaßs 
intereffante Ergebniffe oon aßgemeinem GBertp perauSfteßen. 

Kobleuatbeiterlöhue itt 3ßinotS» Einem englifdjen Konfular- 
beriete über bett Kohlenbergbau in QUinoiS zufolge ift bie Lage 
bcr bortigen Kohlengräber nicht günftiger als jene ber englifcpen 
Bergarbeiter. Sie Söhne in Amerifa roerben pro Sonne geförberte 
Kohle befahlt unb groar oerfeptebett nach Slrt ber Arbeit (H>anb* 
arbeit ober GJlafcpinenarbeti). Ser größte STheil ber Kohlenförberung 
(78,27 %) in 1899 rourbe burchf<hnittli<h mit 44 ,09 EentS pro Sonne 
befahlt; bei GJfafcpinenarbeit fteßte ftch ber Arbeitslohn für bie Sonne 
auf burcpfcpnittlith 31,37 EentS. Sie 3aplung ber Lopne erfolgt 
Zumeift jroeimal im Bfonat, hoch erhält ein Sljeil bie Söhne au* 
wöchentlich unb ein anberer bloß jeben GJionat. Ser Konful be- 
rechnet ben ArbeitSoerbienft beS Bergarbeiters auf 1 sb 5 d bis 
1 sh 6 d pro Sonne, roooon noch bie Koften beS ißuloerS abiu* 
rechnen ftnb, baS bie Arbeiter felbft befahlen müffen. Sa Die 
jährliche Arbeitszeit bloß 180 Sage betrage unb bie BerpflegungS* 
foften eines Arbeiters mit 100 £ im 3apr zu oeranfcplagen finb, 
meint ber Konful, baß bie Bergarbeiter in ©tefforbfptre ober 
GöaleS ftch nicht fehlerer als jene in SßinoiS ftänben. 

Fair Wages io Gle»*§§yi Sie ©efeßgebung bes ©toateS 
G£ero-g)orf hat int Btoi eine Aeitberung beS ©efeßeS oom Sah« 
1897 beireffenb ben Arbeiterfchuß bei öffentlichen Arbeiten ange¬ 
nommen, bie fogleich in Kraft getreten ift, Bisher geftattete 
nämlich baS ©efeß, baß bie Arbeiter, bie bei öffentlichen Arbeiten 
bireft ober burth ©ubunternehmer befepäftigt roerben, für eine Ejtra* 
Zahlung lleberftunben arbeiten; biefeS roirb nunmehr abfolut oer- 
boten unb bie achtftiinbige Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten barf 
nicht mehr Übertritten roerben, GfothftanbSfäße ausgenommen. 
Bezüglich ber Söhne roirb bie 3ahfang ber ortsüblichen Lohnfäße 
oorgefchrieben. (Gleichzeitig roirb ftatuirt, baß jeber Bürger beS 
©taateS Klage auf ©uSpenfton ober Abfeßmtg eines jeben Beamten 
erheben fann, ber roiffentiieh gegen bie Beftimmungeit bes neuen 
(GefeßeS oerftößt; beSgleichen tann oon Sebennann reeßtsfräftige 
Einfpracße gegen einen mit ben ©efeßeSoorfcpriften nicht in Einflang 
ftehcnbeit Bertrag ober gegen bie Bezahlung gefeßroibriger Arbeit 
aus öffentlichen Mitteln erhoben roerben. 


TUbettnbetoegimg. 

3«r Bewegung io ber ^laSfnrztoaarcn-Subnftrie GforbböhmenS. 

Sie gegen ben Giotpftanb in ber ©laSfurzmaaren-Snbuftrie 
GJorbböpnteitS unternommenen Aftionen, über welche bie „Soziale 
^ßrafiS" ausführlich berichtet hat, finb bort, roo fie mit bern 
nötpigen Ernft geführt würben, nicht opne Erfolg geblieben. Siefe 
Erfolge in einer 3nbuftrte, beren trifte Sage bereits fo groß war, 
baß bie Sntercffcnteit an einer Rettung oerzroeifelten, beanfprud)ett 
aügemcineS Sntereffe, umfomehr als fie zum Shell 3 ro eige 
.^auSiitbuftrie berühren, roo eine Befferung erfahrungsgemäß z 11 
bett feproieriaften Aufgaben gehört. 

GJttt biefetn hausmbuftrießeu 3u>eige meinen wir bie ©las* 
pcrlenbranchc beS SfergcbirgeS. Sie norbböhntifche (Glasperle, 
bereu Abfaßgebietc in Glußlanb, im Orient, Subien, Epittct unb in 
einigen Speilen AfrtfaS liegen, hat in feinen ähnlichen ober anberen 
SDeforationS* unb ©cßmncfarttfeln eine Konkurrenz. 3ßr Abfaß 
war feit 1886 ein fteigenber. Sroß biefer giinftigen Bebingungen 
hatte bie innere Konfurrenz, bie burch bie SiberftanbSlofigfeit ber 


hausinbuftrießen ^erlenarMter ins Angemeffene gefteigert roerben 
fonnte unb bie eine BerfchTechterüng ber SSaarenqualität zur Qolge 
hatte, ben Snbuftriezroeig att bcn SRattb beS AbgruttbeS gebracht. 
3u Anfang beS BorjahrcS .roarert bie greife berart gefunfen, baß 
900 Arbeiter bem §imgertobc entgegenfahep ürib Sidferanten unb 
%porteure fein Sntereffe ineßr hatten,, bcn Artifel zu führen, weil 
ber Profit in feinem Berhältniß zutn Jßififo unb zur ßfegie ftanb. 
Sie Union ber (Glas* unb ferantifchen Arbeiter rüttelte bie Arbeiter 
troßbem auf, unb ffpj .traten in eine Bewegung ein, bit oon 
Dr. SSeißfopf unb oou. ibeuik Snhaber ber Atohölusfabrifeu SRicbl 
unterftüpt rourbe, weil -bje beibep ^(genannten .einfahen, b,aß cS 
ein Bcrbrechen unb eine Shorheik fev bie Aröeiterfchaft eines fo 
wichtigen 3nbuftriezn^igeS, - -bcr J>ie heften Ausfichten auf bem 
Btarfte hat, aus purer . .Subifferenz preiszugeben,. - ^ Bet ber 
im ©ommer 1898 - oovgcnommepcn (Snquetc einigte man 
fich auf bie Errichtung eiwer r ^robuftiogeiiöffenfd|aft ber 
Berlenarbeiter unb Stcfcranten, jbereit^ : 3iet fein müßte, 
Btinimallöhne aufzufteßen unb bie f -im Sahre 1890 beftanbenen 
BtinimalarbeitS* unb r Sieferpreife attmahlich roieber zu erringen. 
Sie girma SRiebl unterftüpte biefeS Unternehmen baburch, baß flc 
ißm ein Kapital oon Ji 156 000 auf zehn Sahre unuer* 
ZinSlich pr Berfüguna fteßte.. Samit war ber Befcbluß reaKfirbar, 
fo baß ftch bie (Genoffenfthaff bereits am 9. J)ftober fonftituiren 
fonnte. Sie Erfolge finb gerabeju überrafchenbe. Obwohl fid) 
ber Eenoffenfcbaft bie Befdjränftheit uieler Sieferanten, Efporteure 
unb Arbeiter hinberlich entgegenfteßte, hat bie (Genoffenfchaft in 
ber furzen 3 e 't ib«S BeftanbeS aße §in;bernitfe bereits über* 
rounben. Sie Sieferanten finb fämmtlim bis auf sroei, bie fich 
bereits angemelöet, bocfji z ur Strafe für ipr hartnäckiges gefthalten 
an ben früheren (Gewohnheiten noch nicht aufgenommen finb, 
Btitglieber ber (Genoffenfchaft. Sie ©enoffenfehaft ift zur einzigen 
EinfaufSqueße für bie Exporteure geworben, Die nun, ob fie woßen 
ober nicht, z« ben feftgefepten Breifen laufen, müffen, bafür jeboch 
bie ©arautie für eine rafche Beoienung unb tabellofe Söaare haben. 
Ser Umfap ber ©enoffenfehaft, ber im erften Btonate 8000©ulben 
betrug, hatte in biefem April bereits 40 000 ©ulben erreicht unb 
ift feitbem roieber gefiiegen. Sie SBaarenqualität ift eine weit 
beffere geworben unb ber Abfap fteigt fo, baß bie 3 a h^ ^ er 
befchäftigten Arbeiter oon 900 auf 1200 geftiegen ift. Surd) eine 
roeitauSgebreitete uiib uprtrefflich oxganifirte Kontrole roirb bafür 
aeforgt, baß foroohl Lieferanten rote. Arbeiter bie Beftimmurmen 
ber ©enoffenfehaft nidjt umgehen fonnem Saburch ift bie Ein¬ 
haltung bcS BHnimallohneS gefiebert unb auch bie Arbeitszeit ift 
eine fürzere unb gleichmäßige geworben, Sßährenb Anfang 
I beS BorjahreS ein ^erleHgr.beiter bet bnnhfchnittlich 14 ftünbiger 
| Arbeitszeit günftigenfaßs 2 bis 5 ©ulben wödjentlid) . oerbieute, 
beträgt baS ÜJHnimum nun bei täglich zefinftünbiger Arbeitszeit 
6 ©ulben in ber Bloche.. SteS ergiebt 3 e v^aufenbe, welche, bie 
Arbeiter innerhalb beS furzen BeftanbeS ber ©enoffenfehaft an Lohn 
mehr erhalten haben. BMr haben bie Arbeüerfdjaft roährenb beSGioth® 
ftanbeS fennen gelernt uno. faheu fie; in einer maffenhaft befuchten 
Berfammlung im Biai roieber, Sßas wir ba an Beränberungeu, 
an LebenSfreubigfeit, Ausbau^: unb feftem SSoßett roabrnahmen, 
roirb uns unoergeßlich .bteiben! Sie ©enoffenfehaft Jieoeutct für 
baS Sf^rgebirge ein ©tucf Kultur, unb ihr Beifpiel lehrt, baß ein 
Gtothftanb in ber ©laSinbuftrie GforbböhmenS, folange fie feinen 
Beränberungeu oon außen ausgefeßt ift, einzig unb aßein bem 
unlauteren fcetfberoerb ber ©efchäftsleute im Sabuftriegebiet felbft 
Zuzufcpreiben ift unb zu -btt! ünnÖthißfl^u Singen gehört. Aepnlidp 
rote in ber B^ttßnmche ßnb bie Erfolge in ber Kriftaßeriebranche. 
Sa bie Betriebsart hier feine hauSinbuftrieße ift, mußte auch e i ne 
attbere gorm zur Simhfühtuttg ber üon beu Arbeitern geforderten 
BUnimalarbcitSlöhne angeroenbet werben. SicS gefepah burd) ben 
Abfcplnß einer Konoentum 'Ajoifcpett ben Egporteureu, Erzeugern 
unb GlopglaSfabrifanten/mit Hinzuziehung oon BcrtrauenSmännern 
bcr Arbeiter. 3n einer am 8. GJtai l. 3. ftattgefunbeneu Ber¬ 
fammlung rourbe nun-über bie Gtefultate ber Konoention roie folgt 
berichtet: 

Sie Konoention zahlt heute 115 SDtttglieber, roooon 42 ßrporteurc unb 
78 Erzeuger ftnb. ©oweit bie in ber Sohnlifte enthaltenen Artifel in Be¬ 
tracht fommen, ftnb an beren £>erfieflung itacp beit genau rruirteit Säten 
1606 Arbeiter betheiligt, woodit 1142B?änner unb 464feetbcr finb. Jttbiefer 
3iffer ftnb bie ungefähr 450 SlÄann zähleitbcn Arbeiter oon ^ohannesberg, 
bann 346glacon 8 unb bergleichen©djlcifer mtb fdjlicßlich 41tuecl)fclnbc, baS 
heißt balb birnel-, halb [(hwarzglaSfajleifenbe Arbeiter nicht utitinbegriffeu. 
Öaut ber feinerzeit erhobenen Säten weichen bie Söhne für bie Soljn- 
liftenartifel um 80 bis 40 unb häufig auch noch mehr Prozent oon bcr 
Sohnlifte ab. Sie ^riSmen unb Birnelartifel, bie einen großen Sheil 
ber obigen Arbeiterfcpaft befchäftigen, hatten nahezu bur^wegS einen 



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©ogtale $raits. Gentralblatt für ©ogtalpoltttf. Sfr. 46. 


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Äuffdlfag gu regifirtren. Veranfchtagt man, um ber möglidjft 

naljegufommen, beit $urdjfdjnttt$lohn oor ber Soljnregulirung auf 
70 fr. unb rechnet utan eine burc^fcfjnittlid^e 30 %ige Stegulirung, fo 
ergiebt fidg oom Sanuar biefeö SaljreS bis beute bei runb 100 SlrbeitS* 
tagen eine 3ÄebrauS$afjIung non 48180 ff. unb feit guli oorigen 
Saures, in meinem Sfeonat bie SWinimanobnlifte roteber allgemeine 
Slufnabme fanb, bis beute einen SRebrbetrag non 119 486 ,40 fl., mit 
anberen Sorten, jeber Arbeiter oerbefferte fich in biefem 3eitraum um 
runb 74 fl. 

2)ie oben ermähnte Berfammlung, melier auch Vertreter ber 
Steidjenberger |>anbel 8 fammer unb beS ©remiumS ber (Importeure 
in ©ablong betroofjnten, fa&te eine Steifje oon SSefd^Iüffen, burd) 
roeldjc bie noch feruftchenben Sntereffenten ber Äriftafleriebrandje 
pm Beitritt gur Äonoention oeranlafjt roerben foHten. $)ie Liefe* 
rauten, roel(be bereits SJtitglieber ber Äonoention finb, merben oer* 
halten, an ©rporteure beS ©ablong*£annroa!ber SnbuftriebegirfeS, 
bie fid) ber Äonoention nodj nicht angefcbloffen, feine in bie Äon* 
oentioit einbegogenen Saareti gu liefern. $>ie außerhalb beS 
©abloitg*2:annroalber SnbuftriebegirfeS ejiftirenben firmen, bie fid) 
mit ben in bie Äonoention einbegogenen Slrtifeln befaffen, müffen 
einen Sluffcblag oon 10 o / 0 für Lieferungen, bie ihnen oon ©fpor* 
teuren ober Lieferanten gemacht roerben, galjlen. 

$ie ©laSfabrifen höben bie Verpflichtung, SHdjtmitgliebern 
ber Äonoention feinen $)rucf ber in ihr einbegogenen Slrtifel gu 
liefern. 2>iefe Bebingungen ftnb feit 12 . SM in Äraft getreten. 
$ie ©lasbrutfer befdjloffen, ber Äonoention als fpegiell organifirter 
Äörper beigutreten. 

Sie man fieht, ftnb bie Beftimmungen ber Äonoention barauf 
gerichtet, es ben ^roteftanten auf bie Malier unmöglich gu machen, 
fich ber Äonoention gu entgiehen. 2 )ie Bortheife, melche feit 1 . Suli 
o. 3 . burch bie Äonoention errungen mürben, finb in ber £hat 
cbenfo iiberrafchenb mie bie in ber Vcrienbrandje unb eS geigt fich 
auch h^r, ba& ber burd) Vertrag feftgelegte 3 u fammenfchluB baS 
eingige Mittel ift, baS Siebereintreten eines ^othftanbeS gu oer* 
mciben unb bie Snbuftrie au f e i ne f e [f e ©runblage git ftcllen. SJodj ift 
biefe ©infidjt nicht überall eiitgefefjrt. 3n>ei ber bebeutungSooHftcn 
Branchen finb es oor Slllem, bie noch unter mahrhaft aitardjifti* 
fdfjen 3 uftänben gu leiben höben. S)ie eine ift bie oon uns in 
biefem Blatt gulefct befprodjene Befafofteininbuftrie, bie anbere bie 
©ejpicttenringbrandje. $ie Bemegung in b^, Befahfteininbuftrie 
ift un oollen ©ange, bod) gmeifeln mir baran, ob bie Arbeiter unb 
jene menigen (Importeure unb Lieferanten, bie Verftänbnift bafür 
haben, ohne äufeere SKithilfe im ©tanbe fein merben, Sanbel gu 
fchöffen. 

Hier roirb bie Regierung, melche auch ber ©enoffenfehaft ber 
perlen arbeitet eine ©uboentioit gugemenbet hat, fjclftnb eingreifen 
müffen, meitn fie nicht roill, bafe bie Arbeiter fd^ließlich non ber 
Vergroeiflung übermannt merben unb in ungefejjlidjeu Husfdjrei* 
tungen ihr §eil fuchen, mie bieS befanntlidfj 1889 aefdjah. Sn 
ber ©eroiettenringbrandje fteljt bie ©adjc etroaS günftiger. Hier 
mürbe ein SlftionSfomitS einaefefct, roeldjeS im ©inoernehmen mit 
ber Union ber ©laSarbeiter bereits ©djrittc unternommen fjöt, gu* 
nächft cinfjeitlidjc greife burchgnführen. Heber bie 3nftanbe in 
biefer Branche unb über ben bisherigen Verlauf ber Bemegung 
berichten mir in einer ber nädjften Hummern. 

Sien. Stöbert ^reuftler. 


UrbetterfiCjtsfc. 

Ungültigfeit tum fßoligetotrorlmuugcu über &inber6efdjäfttguug 

2)aS DberlanbcSgericht Scna hat einen ©eraer Bädfermeifter, bei 
trofe entgegenftehenben DrtSftatutS ©djiilfiitber oor Beginn ber 
VormittagSfchiile gum SlnStragen ber Srüfjfiücfsbrötchen benuht 
hatte, freigefprodjen, ba fein ©chuloorftanb baS Stecht höbe, bie 
©chulfiuber in ihrer freien 3 c 't gu beauffichtigen ober in bie Ver* 
fügung über ihre freie ^eit eiugugreifen. 2)ie Befdjäftigung ber 
©djulfinber fei burch StcidjSgefefc geregelt unb eine bem lederen 
gegen iiberftcljeiibe Voligeiocrorbnnng nid)t gu Stedjt beftehenb. 
ä)icfc rein formaliftifdje ©ntfd^cibung — mie fie ähnlich feiner Qtit 
in Hamburg ergangen ift — geigt aufs Stcue, mie nothmenbig eine 
drroeiternng beS renhSgefefelidjen ©chnheS ber ©djulfinber ift. 

SRaßnahmett gegen bie gewerbliche Äinberarbett in Helgen« 

2)urch eine $öIig e inerorbnung Des VtagiftratS mirb bie Verroenbung 
fchulpflichtiger Äinber, melche baS 11. Lebensjahr noch nicht ooü* 
enbet haben, gu geroerblichen Arbeiten, inSbefonbere gum ÄuStragen 
oon Bacfroaaren, Vtilch, 3 e ü un 9 en u - f- ro v f on) i e S um Hegel* 


auffefeen, gu fonftigen $ülfeleiftungen in ©chanfroirthf(haften, gum 
Seithalten oon Blumen unb ähnlichen ©egenftänben oerboten. $ie 
Beschäftigung foId)er Äinber, melche baS 11. Lebensjahr oollenbet 
haben, mit geroerblichen Arbeiten barf nicht oor 5 Uhr SRorgenS 
beginnen unb nicht über 8 Uhr SlbenbS hinaus bauern, di ift 
biefen Äinbern innerhalb beS 3ßitraumS oon 5 Uhr VtorgetiS bis 
8 Uhr 9lbenbS — abgefehen oon ben ©cbulftunben — eine Sreigeit 
oon minbeftenS 3 ©tunben (für bie ©rholung unb für bie 
fertigung ber häuslichen ©chularbeiten) gu geroähren. 


&tbettea)erftyentttg. $pmrba|ren. 

ÄrftttfeiitierftchertmgSfitatifti!« Stach ben lebten Veröffentlichungen 
beS ©tatiftifdjen ÖmtS beftanben in ®eutfd)lanb am ©cfjluffe bce 
SahreS 1897 22 477 Äranfenfaffen (gegen 22 111 imSahrc 1896). 
2>a nicht atte biefer Äaffen baS gange 3ahr hinburch thätig 
roaren, betrug bie 2)urd)fchnittSgaht ber Äaffen 22 000, bie $)urdj* 
fchnittSgahl ber Vtitglieber 8 337 119 (gegen 7 944 820 im Söhre 
1896). 2luf jebe Äaffc fanten burchfchnittlich 379 SJtitgtieber. 

2)ie größte SJtitgliebergahl, nämlid^ 3 850 858, hatten bie 4548 
DrtSfranfcnfaffen aufgumeifen; bann folgten 6974 Betriebs* 
(3fabrif*) Äranfcnfaffen mit 2160 074 ÜDtitgtiebern, 8587 Äaffen 
ber ©emeinbe*Äranfeitoerficherung mit 1 370 822 SJtitgliebern, hier* 
auf 1422 ©ingefchriebene §ülfsfaffen, bereit SJtitglieberbeftanb 730985 
betrug, aisbann in geroaltigent Slbftanbc 593 3nnungS4lranfen* 
faffeit mit 145 819 unb 261 LanbeSredjttidje ^iilfsfaffen mit 58 603 
SJtitgliebern. 2)en ©djlufj bilbeten 92 Baufranfenfaffen, bereu 
SJtitgliebergahl 19 958 betrug. 

Bei fämntlichen genannten Äaffen famen 2 964 937 ©rfran* 
fungSfälle mit 51 513 783 ÄranfljeitStagen oor, fo ba^ burchfchnitt* 
lieh auf 1 SJtitglieb 0 /S 6 ©rfranfungSfäüe unb auf einen ©rfranften 
17,37 ÄranfheitStage entfielen. Sie ungiinftig es mit ben (Sefunb* 
heitSoerhältniffen ber Bauarbeiter fteht, bcmeifeit bie Bau*Äranfcn* 
faffen, bei benen auf ein Vtitglieb burchfchnittlich 0,52 ©rfranfimgS* 
fälle fanten, fo baft alfo über bie^älfte ber Vtitglieber erfranft finb. 

2 >ie ©innahmen (einfchlie^lich ber gurüefgegogenen $ap\ta\\e\i), 
bettugert im 3a|re 1897 bei allen Stoffen 167 810060 «n 
Beiträgen unb ©intrittsgelbcrn gingen allein 135 486 710 ^ ein. 
5)ie Ausgaben (auSfchlieblich ber ÄapitalSanlagen) ftclltcn fid) auf 
133939781^, Darunter bie für ÄranfljeitSfoften auf 120487910. Ir 
(gegen 109 722 779 <At> int Vorjahre). 

Von ben Äranfheitsfoften entfielen auf Slrgthonorar 
26 914 241 <Ai, auf $lrgnei ttnb fonftige Heilmittel 20 699 812 Jl, 
auf Slnftaltsoerpflegung, ©terbegelber, Unterftiihungen oon Södi* 
iterinnen unb gürforge für StefonoaleSgenten 21 142 918 c M. Sin 
Äranfenaelbern mürben 51 730 939 ^. aegahlt. 2)ur<hfdjnittlicb 
fam auf ein VHtglieb für Äranfheitsfoftcn eine SluSgabe oon 
14,45 JL Sluch hi^ hatten bie Bau*Äranfenfaffen biefen 3)urdj* 
fchnittsfab am meiteften überfchritten, ba bei ihnen auf ein 3J?it* 
glieb 20 , 74 ,4i. für ÄranfheitSfoften fanten. 

5)er Ueberfchufe -ber Slftioeit über bie Vaffioen betrug bei allen 
Äaffen 133 457 564 Jf. (gegen 120 769 326 Jf im Vorjahre). 
Unter ben 5lftioen befaitben fid) bie angefammelten Steferoefonbs 
in ©efammthöhe oon 119 627 754 Jt. (gegen 107 856 665 ^ im 
Sahre 1896). 

Slufeer ben bei oorgenannten Äranfenfaffen oerficherten Berfonen 
maren im 3aljre 1897 nod) bei ben ÄnappfdjaftSfaffcn 526 067 
Berfonen oerfidjert (gegen 496 946 im 3ah r e 1896). 

©tatiftif ber entfchäbtgungSpflichtigen Unfälle für baS 3«hr 
1897. ^ie 00 m SteichS*VerrtcperungSamt in Singriff genommene 
Unfattftatiftif, bereit Höften bnrdj einen befonbers im ©tat oorge* 
fehenen Soften gebeeft merben, ift fomeit geförbert, bafj mit ber 
S)rudflegung ber Tabellen unb ©rgebitiffe hat begonnen roerben 
fönneit. 2)ic fehr umfangreiche Slrocit roirb im Laufe biefeS mtb 
beS nächften Sah^S crfcheincn. ©in Vergleich mit ber für ba* 
Saht 1887 ootn StcichS*VerficherungSamt angefertigten ähnlichen 
©tatiftif roirb intereffante ©rgebniffe liefern. 

©rhäbnug ber Unfallgefahr burch nnftänbige Arbeiter. Die 

bem StcidjSoerfidjerungSamt oorlicgeitben Siachmeifungen geigen 
roieber oielfadj eine 3nnahute ber eutfdjäbigungSpflidjtigen lltifäflc 
gegen bas Vorjahr. Siir biefe 3nnahmc finb bie oerfdjiebcnften 
©riinbe ntaf^gebenb, einer ber roidjtigftcn aber ift bie ©inftellung 
ungeübter Slrbciter. Sm Begirf ber rbeinifd)*roeftfälifdjen Hütten* 
unb SalgmerfS*Berufsgenoi|enfchaft ift bie 3 a ht ber ftäubigen 



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©ogtale $ro£t$. Eentralblatt für ©ogtalpoltttl. SU. 46. 


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Arbeiter oon 58% im Safere 1896 auf 54, 2 % im Safere 1898 
gefunfen, am tiefften in ber ©eftion II ber ©enoffenfcfeaft unb 
gwar oon 52,7 auf 48,2%. *£>ier fanb alfo bcr gröfete Arbeiter* 
wecfefel ftatt unb in ihr ift bcitn auch bie 3afel bcr Unfälle oon 
10,3 auf 13,3 für je 1000 Arbeiter geftiegen, wäferenb in bcr gangen 
©enoffenfcfeaft bic Unfälle fi(fe oon 10, 2 auf 10,9 oom Daufenb ge* 
fteigert hatten. ©3 gefet bicS auch aus Tabellen über ben progentfafe 
ber Verlebten im erfteit Safere ber Pefcfeäftigung auf ben Werfen feer* 
oor. 3m gangen Pegirf fteigerte fiefe biefer Progcntfafc oon 38, 4 im 
Safere 1896 auf 43,3, bagegen bei ber gmeiten ©eftion oon 46,7 
auf 55, 8 . 3Rit ber Verringerung ber 3afel ber ftänbigen Arbeiter, 
alfo bei oermefertem Arbeiterwecfefel, fteigt bie 3afel ber im erfteit 
Sabre ber Pefcbäftiguitg oerlebten Arbeiter. 

Das $ei<h$*Perfidjerttitß0aiiit auf ber Parifer PMtistSftettttttfj* 

9?acf» einem Nunbfchreiben beS SReimSsPerficherungSamtS an bte 
PerufSgcnoffcufdiaften loirb man fid), ftatt ber urfprünglicb 
beabfiefetigten Ausstellung oon Lobelien auf bie Ausstellung einer 
gro&eti 3 a *fl oon Photographien befeferänfen, bie Ptafcfeinen unb 
anbere PetriebSeinrid)tungen, bie mit ©ebuboorfebrungen oerfefeen 
fiitb ober bureb eigenartige ©eftaltung ©efeufe gegen bie PetriebS* 
gefahren bieten, fomie ©erätfee gur uttfaHfidberen Pebienung oon 
PetriebSeinrichtungen barftellen. Diefe Photographien f ollen in 
befonberS fonftruirten Apparaten oorgefüfert werben, ferner roirb 
beabfiebtigt, eine cjröfeere 3^bl d&arafteriftifcf)er Ptafcfeinen, ©erätfee 
unb anberer PetnebSeinricfetungen in 3Rutoffop*Apparaten ber Art 
gur DarfteHung gu bringen, bafj bie ^anbfeabung ber Ptafcfeinen 
unb ber babei m Petracfet fommenbett ©icherbeitSoorfebrungen nach 
Art ber fogenannten lebenben Photographien fic^tbar wirb. Die 
^enifögenolfenfdbaften finb bureb baS erwähnte Punbfdjreiben erfmbt 
worben, geeignete Photographien gu fammeln unb im Saufe bes 
©eptember betn Peicbs*Perfid)erungSamte gu übermitteln. Eoentuell 
foflen bie PerufSgenoffcnfcbaften beftimmte Einrichtungen, bie ficb 
für bie erwähnte DarfteHung in P?utoffop*Apparaten eignen, bern 
9teid)S*PerficherungSamte unter Angabe ber betreffenben gabrifanten 
begetdjneu. 

AlterSOerf orgaua ber Prioatbeamten ttt Ocfterreieb. 3m oer* 
ficberungStecfemfcben Departement beS öfterreiefeifeben PtinifteriumS 
beS 3»nern ift ber ©efefeentwmf über baS allgemeine obligatorifcbe 
Penftonsrecbt ber prioatbabnen fertiggefteflt worben. Diefer Ent* 
wurf bürfte gunäcbft ber Peratfeung in einer Encjuete untergogen 
werben, ehe er bem Parlamente für ben SaH beS 3 u fanimentritteS 
beffelben unterbreitet wirb. Pknn ber Entwurf ©efefeeSfraft er* 
langen unb bem großen Greife ber Prioatbeamten bamit bie Ptög* 
liebreit einer penfion für bie 3 e ü &eS Altert unb ber 3noalibität 
gewährt werben follte, würbe einem feit Saferen angeftrebten 
PSunfcfee einer Daufenbe umfaffenben PerufSflaffe enblicfe Rechnung 
getragen werben. 

Der Entwurf beS oerficberungStecbnifcben Departements beS 
PtinifteriumS beS Snnern Bafirt in feinen ©runbgügen auf ben 
Pringipien, welche feinergeit in einer gemeinfdjaftlic^en Pefprecfeung 
ber Prioatbeamten*©ruppen feftgefteDt würben unb in golgenbem 
gufammengefafjt werben fönnen: Die PenfionSberedfetigung ift eine 
allgemeine, obligatorifcbe unb umfcfelie&t bie prioatbeamten unb 
PrioatangefteHten aHer Kategorien unb auch bie nicht penfionS* 
berechtigten AngefteHten beS ©taateS. Es werben nicht b!ofc bie 
AngefteHten rein prioater Unternehmungen, fonbern auch jene ber 
öffentlichen PerwaltungSförper, welche feine ©taatsämter finb, wie 
ber ©emeinbeoertretungen, ©täbte :c., penfionsbereebtigt fein. SSie 
oerlautet, beftimmt ber Entwurf, bafj bie PenfionSoerfid)erung für 
alle prioatbeamten männlichen unb weiblichen ©efcf)lecbteS oom 
18. bis gum 50. ßebenSiafere obligatorifch ift. Die PenfionS* 
oerfiefeerung wirb auch für folchc prioatbeamte obligatorifch fein, 
bie fich bereits aus einem anberen Ditel einen Pufeegenufc gefiebert 
haben. 

Die Perforguitg foll ben prioatbeamten für ben SaH ber Sn* 
oalibität unb beS Alters, ferner ben SBittwen unb Ptoifen oon 
prioatbeamten gu ©ute fommen. Die Eingablungen werben in 
progentuellem Perfeältmffe gu ben Pegüaen fielen unb bie Koften 
oon Unternehmern unb Peamten gememfam getragen werben. Die 
für bie SSerforgung gu Ieiftenben ©ingahlungen finb auf ©runb 
einer Durd)fd)nittSprämie berechnet, welche nicht mehr als 10 bis 
12 % ber Vegüge beS Prioatbeamten beträgt. Sluf ©runb ber an* 
gefteÖten SBeredjnungen ergiebt fich, menn ein Prioatbeamter 
eine oiergigjährige ©ingahlung Ieiftet, er mit Erreichung beS 
65. ßebenSjahreS ungefähr 75 o/ 0 feines ©ehalteS gu biefer 3rit als 
SRuhegenufi erhält. Die SyterSoerforgung ber prioatbeamten wirb 
unter ftaatliche Kontrole geftetlt. Der «bfaffung beS ©efehentwurfeS 


gingen umfaffenbe ftatiftifche Erhebungen über bie ©fanbesoerhült* 
niffe ber Prioatbeamten oorauS. Die Regierung liefe 100 000 Bfrage* 
bogen für bie Unternehmer unb 520 000 3ähtfarten für bie Hn* 
aeftellten auflegen. Pei biefen Erhebungen würben im gangen 
reiche 25 922 Unternehmer unb 99 537 prioatbeamte gegähß, oon 
benen 3920 bem weiblichen ©efflechte angehören. * Pon ben 
99 537 Stageftellten ftehen 61900 im Dienfte gewerblicher unb 
^anbelsbetriebe, 17154 finb in lanb- unb foritwirthfefeaffliehen, 
4204 in Perg* unb £nittenbetrieben, 8057 bei Slboofaten unb 
Notaren in ©teHung. Der fpegieHen Pefdjäftigung nach finb etwa 
19 000 technifche, 7000 lanbwirthfchaftliche, 8000 forftwirthfefeaft* 
liehe, 4000 abminiftratioe unb fommergielle Peamte, 15 622 Pu<h* 
halter, 2320 Peifenbe, 1681 fiehrperfotien, 1409 Kongipienten, 
370 ©chriftfteller, 1838 Slergte unb Slpothefer unb 1179 Ärtiften. 
Unter biefen prioatbeamten bienten etwa 18 000 6—10, 18 778 
11—20, 9716 21—30, 2871 31—40, 1006 mehr als 40 Safere. 
Die ©tellenloftgfeit pro Safer beträgt 1,75% unb bauert burefe* 
fcfenittlich 167 Dage. 3m Sllter oon 50 Saferen wäfert fie 248 Dage, 
im SUter oon 60 Saferen 341 Dage. Pon ben gegäfelten 99 537 
Prioatbeamten finb 55 541 oerfeeirathet, oon biefen haben 41 652 
Aufammen 107 752 Kinber. Die ftatiftifefeen Erhebungen bilbeten 
oie ©runblagen für bie Perecfenungen oerficfeerungStechnifcher SRatur. 




Knffeebnitg ber 9)efernißett*9lrbeItSiiaihtoeife $tt Sinken lanb* 
tvirtfefihaffliiher 9{ad|toetfe in ^annoOer. Staä) neuerer Pe* 
ftimmung finb bie Perfucfee mit ber allgemeinen SlrbeitSoermittelung 
für gu entlaffenbe Ptannfcfeaften einguftellen unb bie ©eneral* 
fommanboS angewiefen, in 3nfunft auSfcfeliefelicfe bie in ben ein* 
gelhen Prooingen oon ben fianbwirtfefchaftsfammern bereits einge* 
richteten SlrbeitSnacfeweife für länblidje Arbeiter möglicfeft gu 
unterftüfeen. Eine urbeitSoermittelung für ftäbtifefee ©teilen ober 
für bie 3nbuftrie foH unterbleiben, ebenfo bie Petfeeiligung ber 
Kriegcroereine bei ber Durchführung ber oon ben ©eneralfommauboS 
naefe Penefemen mit ben Saubwirtfefdiaftsfammern gu treffenben 
Ptafenafemen. Der Dberpräfibent ber Prooing ^annooer hat nach 
bem „|>ann. Eourier" im Einoerftänbuife mit ben ©eneral* 
fommanboS beS IX. unb X. SlrmeeforpS folgenbe SluSfüferungS* 
beftimmungen für bie Prooing |>annooer erlaffen: DieKommanoo* 
[teilen überfenben bie ßiften oerjenigen Ptannfcfeaften, bie naefe 
iferer Entlaffung eine SlrbeitSfteHe wünfefeen, an bie Sanbmirtfe* 
fefeaftsfammern 2 c. Die Sanbrnirtfefcfeaftsfammer forgt für bie 
Veröffentlichung ber ßiften. Die Arbeitgeber fefeen fiefe bireft mit 
bem ©olbaten, ben fie als Arbeiter wünfefeen, in Perbinbung. © 0 * 
wofel bie Arbeitgeber als bie ©olbaten finb gu benachrichtigen, 
bafe, wenn ber Arbeitgeber binnen aefet Dagen feine Antwort er* 
feält, ber ©olbat auf bie ©teile oergiefetet, wäferenb ber ©olbat, 
wenn er nicht antwortet, mit bem Perftreicfeen ber grift nicht mefer 
beftimmt auf (Gelegenheit gur Arbeit bei bem betreffenben Arbeit* 
geber reefenen barf. 3 ur icfenellen Erlebigung oon Anfragen finb 
ungewanbte ßeute im Druppentfeeil tfeunlicfeft gu unterftüfeen. 




Saubtoirthfcfeaftltihe ©euoffeufcfeafteti nab laubtoirthfcfeafflich 
beu«|te Pobcujläche in ben bentfefeen PnnbeSftaaten. 9cad^ ben 
neueften ftatiftifefeen Perecfenungen beftanben am 1. Suli 1899 im 
Deutftfeen 9teicfee 12 736 bem ©enoffenfcfeaftSgefefe unterftellte lanb* 
wirtfefcfeaftliche ©enoffenfefeaften. ©efet man nur ein halbes Safer* 
efent bis auf baS Safer 1894 gurücf, in welchem noefe niefet fealb 
0 oiel, nämlicfe erft 6031 lanbwirtfefcfeaftliche ©enoffenfefeaften be* 
ftanben, fo ergiebt fiefe baS nie raftenbe PorwärtSfcfereiten bes lanb* 
wirtfefcfeaftlithen ©enoffenfcfeaftSwefenS in allen ©auen Dcutfcfe* 
lanbS. Namentlich feaben in biefen 5 Saferen bie norbbeutfefeen 
Pegirfe ben Porfprung ber füb* unb meftbeutfefeen gum grofeen 
Dfeeil eingefeolt. Das wirb am flarften, wenn man gufiefet, auf 
wie oiel $eftar Iaubwirtfefcfeaftlicfe benufeter Pobenfläcfee in jebem 
Pegirf eine ©enoffenfefeaft fommt. ÜJiit §ülfe ber Siften unb 
Dabellen bes Allgemeinen Perbanbes ber beutfefeen laubwirtfefcfeaft* 
Ucfeen ©enoffenfefeaften in Dffenbacfe finb barüber bie folgenben 
Daten gu gewinnen: 



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Soziale fragt«. Gentralblatt für Sogtalpoltttl. 5Rr. 46. 


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Sn ben Söbten 1894 bi« 1899 fam'büwbfdjnittlicb auf 5836, 
4904, 3913, 3296, 2970, 27.6! ha cin-e knibroirtbfc^aftUd)c ©c* 
noffenfebofl im (Deutfd)en Sleidj; bie ©efefeung ba* fid) ülfo 
mehr als oerboppelt. 9Jod) rafdjer f$rät ;fie oornmrt«, roenn man 
freußen attein. in ©etrcuht gie$t, bcffen '3>unf)fd)nitte fid) immer 
mtbr bem SReichSbuircbfcbnitt ndfitrh utifcr:für bic betreffenben Sab** 
8820,. 6824, ,5094, 4090, 3698, 3451 ira für jebe ©enoffenfchaft 
lauten. £üeß ba* feinen ©rwrb> bctrin,j baß 1 namentlich bie öftlidjen 
prooingen crft feit 1894 lebbaf^ .irt; Iwä ^enoilenfdjaftgberoegung 
eintraten ; beuili# seinen bie« fb<e,(Durd)rfdiüitte für Oftpreußen, roo 
1894 auf 16 476, 1899 ftboit auf7464; &a eine lanbroirtbfcf)aftiicf)e 
©enoffenfchaft loinmt, für; Weftpceußen: (1894 auf 24 618, 1899 
auf 6936 ha eine; ©enoffenfchaft), fite Pommern (1894:25 502, 
1899.: 6881), für ^Ifefiejl (1894;; i5 097, 1899 :2910), für 
©ranbenburg (auf 32 780 kgto. 5315 ha):imb fofen (31 582 begro. 
4569 ha); and) bie übrigen frooingeu; baeunter alte ©enoffen* 
fdjaftögebiete roie $)annoper (1899 .atof 3290 ha eine ©enoffen* 
fcbafk), Weftfalen (2559), §effen«*Äaffau (1120) unb tttbeinpreußen 
(1309) b a bein unaufbaltfame gorlfchrüte gemalt, fie roaren im 
$)urd)fd)mtt 1899 über hoppelt fo. ftarf -befefet roie 1894. p>a$ 
ungefähr gleite Sn nähmet)erbältnift. geigen bie meiften übrigen 
©ebietetfjeile. $>a« retbtSrbeinifcbe Königreich ©apern mar 1894 
auf 4441 unb ift jept auf 2238 ha mit einer ©enoffenfchaft befept. 
3m Königreich Sad)fen finb bie 3 a ^ en 16 143 unb 7224, im 
Königreich Württemberg 1700 unb 1264; in ©oben 2887 unb 
1860, im ©roßbergogtbum Reffen 1022 uni* 765. (Die baperifd)e 
Sftbeinpfalg bat gegenroärtig bte bid^tefte ©efepung mit lanbroirtb* 
fd)aftlid)en ©enoffenfcßaften in (Deutfcblanb (eine ©enoffenfchaft fc^on 
auf 521 ha), es folgen bann bet Sfaib« nach; Reffen, £>effen*$affau, 
Walbedf, Württemberg, Slbeiupreußen, ©oben/ Koburg*©otba u. f. m. 

©ethdligung bet ©enofenfdjnfteu an bet farifer Wfltait«* 

a . Sin her f arifcr Wcltausfieflung füllen fid) aud) bie ©e* 
djaften allgemein betbeiligen. (Dte frangöftfcben ©erbänbe 
ftellen in ben 3ad)abtbeilnngen ihre« ßaube« für ßanbroirtf)fd)aft, 
|>aitb!Perf, Strbeitenooblfabrt^eiTrricbtungen u. f. ro. au«. (Die eng* 
fifdje ©roßbanbelsgcfellfcbaft her Künfumoereine (Wbole Sale- 
Society) will alle bie ntaiiuigfacben Waarcit gur 9 lnfcbauung 
bringen, bte fie ben gfqmilien ihrer Vfa Wittionen Witglieber 
liefert, unb cbcnfo bie galjlretd)en non t^t in eigenen SRiefenfabrifett 
bergeftcflten Waaren, injonbcrfiett Kleibungsftüde unb ,§au«* 
baltmtgsbcbürfniffe. (Der ©erbcntb her engltfdjen ©enoffenfc§aften 
ftettt Saf)re«6eric§te liub 0 d)riftcn ait«, ebcnfo her allgemeinerer« 
Banb her beutfdjicn ©ttoerb«? wt$ TOhbfd)aftSgcnoffenfcbaften gu 
l£l)arlottenburg. ©cfonbers lebhaft, ift man baruni bemüht ge« 
ttrefen, Jbie rcid)faltige ?lu^ftel[ung be« allgemeinen ©erbanbe« her 
beutfdjeu lanbroirtbtd]aftticbcn ©drroffenfe^aften (Offenbarer ©er* 
banb), beffen oielfeitiqe SpcgTalfrtrteu, grapbifd)c 3 )arftettungen, 
Literatur unb Sormniarfatnntlmigcn, Spcrrfartenautomaten zc. auf 
ber bieSjcr^rigeit, bentfren Ianbroirtbfib a f*Ii 4 cn 2Iu«ftettung gu 
gra.nffurt große« Slnffeljcu erregt bähen,: für fari« gu erneuern. 
Äti« (Deutfcblanb roirb ferner für bic 9 fii«ftettiing feiten« her ©cn* 
tralfteüe fnr 51 rbeiterroof)lfa 1)rtöeinricfjtnugen eine ©efammtbar« 
fteflnng her Woblfafjrt«pflcge in ^cntfiblanb oorbercitet, in her 
auch ba« ©enoffcnfd)aft«mdfen eingcljenDc ^ 3 erü(ff!cf)tigung finbet. 
fieiber ift e« Bei bet Süorbnuncj her Weltan«ftellnng nicht möglich 
geroefen, bie internationale ©enoffenfd)aft«au«ftellung an einer 
(Stelle untergubringen; oielmehr muß jeher SBerbanb in her Slb« 
theilung feine« i 3 anbe«. au«ftcljen.., ^ie S 3 etheiligung 2 )eutfchlanb« 
an ben internationalen .^ongii»ffen btr4tün[innoereine unb ben 
Ianbmirtl)fchaftlichen 0)enoffen)d)afteu, tüie au her oierten ©eneral« 
nerfammliing be« internationalen ©enoffenfdjaft«bunbe«, bie im 
(Sommer 1900 mährenb befc ^n«ftdlung itt ^ari« ftattfinben, er« 
fdjeiut nad; ben neueften refpredjungen ebettfaU« gefiebert. 




2t Ikrbonlittg be« CeuträUMtbrntbe« bet ftSbttf(hen $att«« unb 
©nmbbefl#tr*rmtn^ ^er preuf;it.d)e öanbe«oerbanb ftäbtifd^er 
^aus* unb ©ntnbbefiher«rcrfine befdiloß am 8. ?luguft in Glberfelb, 
beim ßaitbtage um SKilbcrung bc^ Momntmialabgabcngefepe« gu 
©liufteu be« ftäbtifchen JjSau«befibe« unb ftärfere Meiangidjung her 
©roßgemerbetreibenben gu ben bitrd) ihren iöe&ieb ueranlaßtcn £djul« 
unb ärmcirfafteu gu petitionireu,. ferner um Sb*ug«fähigfeit ber 
fonununalen ©ruub«, 0)cbäube», ©etoexbe« unb iBetrieb«)teuer, fomie 
einer auörcicfjcnben Sbnubung«guote bei ber ßiufommenfieuer«93er« 


anlagung. Saugen off enfebaften unb Saugefellfcbaften foöen au« 
9ieicb«* / @taat«« unb Äommunalmitteln nur infomeit — uub groar oor« 
übergebeub — unterftüpt roerbeit bürfeit, al« ba« genoffcufdjaftlicbe 
Sauroefeu in erfennbarer Weife im (Sinne ber ^rioatmobltbätigfeit 
au«geiibt roirb ober bie prioate Sautbätigfeit in Öolge Eintritte« 
außergeroöbnlicber ©reigniffe ben Sebarf an Wohnungen nidjt beeft. 
Slnberenfall« fott bie Unterftußung Sehern gegeben roerben, roelcber 
Slrbeitermobnungen nach befonberen, oon ben Staats« begip. 
^ommntialbebörben gu gebenben formen erridyteit mitt. Wie in 
ben Sorjabren „fann bie §auptuerfanuulung nicht anerfenneit, baß, 
non oereingelteit Satten abgefeben, eine WobnungSnotb in ben 
Stabten befielt", eine ©rflärung, bie fdjled)t gu ben fparfainen, 
aber heutigen Eingaben ber preußifeben ©eroerberätbe für ba« 
Sabr 1898 ftiimnt, bie befonber« über bie ungerechtfertigte f)öbe 
ber ^Rietbpreife bei ttWangel unb ungulänglicber Sefcbaffenbeit her 
Wohnungen (Dftpreußen, Königsberg i. ^Sr., Stabt Rangig, ©örlip, 
©rfnrt, ®agbeburg :c.) berichten. — 

Som 9. bi« 11. Shiguft tagte eben bort ber ©entralnerbanb 
ber ftäbtifchen £>auS« urtb ©runbbefiper«Sereine ©cutfchtanb«. 
©r fprach ftef) für bie gefepliche 3ulaffung einer Serfidjcrung 
be« 3Rietb«oerlufte« unb be« gefdjäbigtcn Snirreffe« in Solge 
©intritt« elementarer ©reigniffe au« unb bereit Su f nab me in 
ein etroaige« beutfehe« 9teid^S«Serficherung«gefeb. ^er non ber 
Komntiffion ausgearbeitete einheitliche 8Rietb«ocrtrag fott al« 
©kunblage für Wietb«oerträge nach oem Sürgcrlicben ©efepbuebe 
benußt roerben, lofale Senberungen bleiben erlaubt. Was bie 
£>au«befiber fid> bercut^nebmen gu biirfen glauben, geigen einige 
Paragraphen be« ©ntrourf«. ^er urfprünglicbe §. 9 oerbot bie 
Sufnabmc anberer ^erfoiten al« gamilienangebörigcr (SraUf Kinber 
unb 93ebienftete) über oier Wochen bi naug - Sft biefe Srift oon 
oier Wochen auch mit ber SBcgriinbuitg geftridjen roorben, baß es 
hoch oorfommeit fönne, baß Semanb feine Butter ober fouftige 
Snoertoanbte gur Kür aufnebnten rootte, fo ift ba« SBerbot 
baue ruber Sirfnabme anberer ^ßerfonen al« Sfamilienangeböriger 
befteben geblieben. ^)ie §§. 17—18 unb enblid) 13 lauten: 

§. 17: $5te beigebrudte ^)au«orbmmg gilt al« SeftanbibcÜ öc« 
Vertrage«, unb berechtigt bte SRidjtbeacbtung oerfelben nach brrimaltger 
SRahnung ben 25ermiether gur Künbigung be« Vertrage« mit breitägiget 
Künbigimg«frift. 

§. 18: 3öetm ber $ermietf)er roegett 23erfioße« be« SKiether« gegen 
bie SBertraggpfücbten, gemäß ben Seftimmungen be« 6)efepe« ooer 
biefe« Vertrage« (9Jichtgahlung ber SKiethe ober Berlefcung ber ^aus« 
orbmtng), oon feinem Künbigung«redjt ©ebrauch maebt, h a fl et her 
SJhether bem SBermiether für ben Su«fatt an 3)Hetbe für bie gange 
$Bertrag«bauer. 

§. 13: HÄietber haftet bafür, baß bie eingebraebten Sttobilien unb 
SKooentien fein freie« ©igentljum uitb mit feinem ^fanb belaftet ftnb. 
Soßte bie« unrichtig fein, ober ber 3Rietl)er bie« fein Mobiliar nidu 
pfanbfrei in bie SJ?ieth«räume einbringen, fo ift ber 2krmietljer jebergeit 
berechtigt, oom Vertrage guriiefgutreten. 3 inu 3 l ® e£ l c her Siisütumg 
biefe« gefeblid^en ^fanbrecht« fteht bem 3?ermiether ba« Siecht gu, bie 
SDHethräume im SBeifeiu eine« 3 eu gen gu betreten. 2)affelbe Stecht ftebi 
auch einem ©eauftragten be« $krmietf)er« gu. 

^)ie SSerfammlung empfahl bem SSorftanbe, bie Silbung oon 
$fanbbriefinftituten für ben ftäbtifchen ©runbbeftp überatt mit 
Statt) unb &bat gu unterftüßen, foroie für bie Sförbcrung unb 
Sefferung Beftebenber öffentlicher Seuerfogietäten begro. Schaffung 
neuer Sogietäten burch ^rooingen ober Stäbte eingutreten unb 
außerbem mit bem SSorftanbe ber oereinigten Seueroerficberiing«* 
gefeüfcfjaften über günftige ©ebingungen in SSerbanblung gu 
treten. (Die Srage ber Sicherung ber 23auforbenmgen fonnte 
wegen Wangel an Söctbeiligung nicht oorberatben roerben. 
bie Stäbtereinigung fteHte her $8erid)terfiatter (Bauratb peoeling« 
©berSroalbe) folgenbe ©runbfäbe auf: 

1. ^ei ©roßftäbten fommt oorroiegetib bie Schmemmfanaltfation 
mit Seriefelung in betracht. 2. ©ei mittelgroßen Stabten tritt neben 
ber Sdjioemmfanalifation bie Drennfanalifation mit ©ericfclung ober 
fiinftlichcr Reinigung in SSettbemerb, 3. ©ei inittelfleiuen Stabten ift 
ba« met)r ober ntinber ooßftänbigc Drennfpftein angebracht, mobei bie 
gäfalien entmeber burd) Kanalifation ober burd) organifirtc Abfuhr be« 
feitigt merben. 4. ©ei fleinercti Stabten ift bie organifirte ?lbfnbr, 
namentlidj mit bem Doimettftjftem, ba« gioecfmäßigfte. 5. ©ei 1 unb 2 
ift centrale SBafferlcitnug nothmenbig, be«glcichen bei 3, außer meitn 
Säfalienabfuhr ftaiifinbct; in biefem gaüe ift and) für gaü 4 bie 
SBafferleitung au«gejchloffen. 

(Die balbige allgemeine ©infiibrung einer Wobnuuc^^ = 
beauffiebtigung unter Witmirfung oon öttwöroirthen, Wietliem 
unb Berglen hatte ber ©erid)terftatter (©aumeiftcr §artmig = 
DreSbert) in feinen £eitfäfccit für ioünfd)cn«toertb erflärt, eine ^e= 
fcblußfaffung über biefe grage rourbe aber bi« gum Häuften 2?er» 
banbstage oertagt, ber in ©rfurt ftattfinben fott. 



1229 


Sogiale $ra$i8. Gentralblatt für 6ogiaIpoIitif. 9fr. 40. 


1230 


©öopmmgSfürforge ber 9leühSpoß-©erttMlhmg. Um fiep über 
bie SBohnnngSocrhältmffe ihrer Ünterbeamten gu unterrichten, ner*» 
anftaltet bie 9ieid)£poft*©enDaltung an ber £>anb eines Fragebogens 
oon 21 Fragen Erhebungen über bie ©efdjaffenheit beS ©aufeS, 
feine Entfernung oon ber ^oftanftalt, bie 3al)l ber ©Sohnräume 
unb bereit Einrichtung, beit SJiiethSpreiS, bie 9frbengelaffe, Abort, 
©Safferoerforgung 2C., über bie 3af)l ber gum gauSftaitbe gehörigen 

f erfotten begro. ber ©chlaffteHeninhaber uno Ißenftonare. Eine 
al)l anberer Fragen follen ben hhgienifdpeh ©Serth ober itnwerth 
ber Wohnungen feftftellen. Fn Sägern haben bie ähnlichen Er*» 
hebunaett über bie ©SohnuttgSoerhältniffe ber Eifenbahubcamten ein 
oielfach recht betrübenbeS Silb ber ©Sühngelegenheit unb beS ©Sohn*» 
bebürfttiffeS ergeben unb ^Infäfee gur Abhülfe gebracht. ©Sir fürchten, 
biefe Erhebungen ber 9?eichSpoft**SernmItung narben fein beffereS 
23ilb ergeben, unb hoffen, baß ihrErfolg eine planmäßige ©SohnuttgS*» 
fürforge ber ©erwaliung bort fein toirb, too'.baS ©ebürfniß e£ 
erheifdjt. 

Beerfjtepatbe SSopnunge* in ©erlim Xrop ber hohen 3 a hl 
ber leerftehenben ©Sohnungen laffen bie JiauSeigenthümer mit bem 
Steigern ber ©fretljpreife nicht nach- 12 253 SÖohnmtgen unb ©e»» 
fcpäftslofale haben in Serlin nach ber oon ber ©runbfteuer» 
oerwaltung angeftellten Erhebung gu Seginn biefeS FapreS leer* 
geftanben. Xer SahreSmiethSmerth biefe Sftäume belief ftch auf 
8 734 784 .41 Ibl ©Sohnungen ftanben bereits ein ganges Fahr, 
516 IV 2 3£h*/ 240 gwei S^hre, 264 brei Fahre, 162 oier Fahre, 
91 fünf Fahre unb 214 noch länger leer. Son ber ©efammtgahl 
waren 8446 ©Sohnungen ohne ©efchaftSräume, 686 folche mit ©e* 
ÜhäftSräumen unb 3121 ©efdpäftslofale ohne Sohnungen. Segen 
9ieubauS waren 914 Sohnungcn unb ©efchäftslofale unoermiethet. 
©on ben leeren Sohnungen hatten 4323 nur ein 3intmer, 1908 
beren gwei, 1557 waren fogenannte ©frttelroohmtngen mit 3 bis 
5 3intmern, 510 große Sohnungen mit 6 bis 10 3imment unb 
34 folche mit mehr als 10 3 intmern. Sei einer Angahl ber ©Sop* 
nungen fehlten nähere Angaben. 

Arbeiiertoopnpättfcr für lanbtturtpfcptftlidic Arbeiter in Oft* 
prenßen. Xcr ©orftanb ber oftpreußifdjen SanbroirthfcpaftSfammer 
hat eine Sfommiffion gewählt uitb biefer 51 t ihren Arbeiten 2000 dt 
gur Verfügung gefteüt. Es füll ein ^reiSauSfcpreiben erlaßen unb 
gur Einretchung oon Saupläneu unb Artfcplägeu für länblicpe 
Arbeiterroopnungen aufgeforbert werben; für bie beften Arbeiten 
follen greife oon 800, 500 unb 350 dt . gezahlt werben. Au£ 
ben prämiirten Arbeiten foll bann baS für bie prooingieüen Ser** 
hältniffc geeignetfte ^ßrojeft gufammengefteßt werben. Xtefe ben 
Erforbentiffen am meiften entfpreepenben Arbeiten werben bann 
oeroielfältigt unb an Sefiper unb fonftige Fntereffenten 311111 greife 
oon 1 dt abgegeben werben. 


(ftewerbtgeridite. (fcmigungsSmter, Sd)iti»sigerid)tc. 


Xie EinignugSämtcr in Belgien 1898. Xen 1898 in Selgien 
amtirenben 30 Conseils de Prud’hommes würben 7872 Streitigfetten 
oorgetragen, was einer neuerlichen Steigerung ihrer Xpätigfeit 
gleichfommt, bie 1896 bie Erlebigung oon 7624 unb 1897 oon 
7470 Streitfällen umfaßte. Xem „Bureau de Conciliation“ würben 
7821 StreilfäEe aus bem Arbeitserträge oorgelegt; in 5060 Fällen 
ober 65o/ 0 würbe eine Einigung ergieß; iit ben oor baS ©eriept 
ber Prud’hommes oerwiefenen 1108 Streitfällen erfolgte in 54 o / 0 
ber Fälle eine Erlebigung burth Urtpeil, in 491 Faßen erfolgte 
ein gerichtlicher Ausgleich unb ber SReft war gu FapreSfdpluß noch 
in Schmebe. FnSgefammt würben 70o/ 0 ber Streitfälle im etni* 
gungSamtlichen Seae erlebigt, fei es oor bem EiniguugSamte, fei 
eS oor bem ©ewerbegeriept. Xie umfangreichften Agenten weifen 
auf bie Aemter oon Eharleroi mit 1200 Streitfällen (918 in 
1897), fiütticf) mit 1157 (1008 in 1897), Sörüffel mit 904 (963 in 
1897) unb Steiles mit 744 (689 in 1897) Streitfällen. 

Xa8 Board of Trade als EinigungSamt. Xie Berichte beS 
englifcpen |)anbelSamteS über feine einiguttgSauitliche Xpättgleit 
aut ©runb beS ©efepeS oont Fahre 1896 finb etwas unregel* 
mäßig. Xer erfte umfaßte bie erften gehn Monate ber Sirffatnfeit 
beS ©efepeS, unb ber gweite, bett ©fr. ©ateman foeben erstattet hat, 
umfaßt einen mehr als hoppelt fo großen 3 e üraum, nämlich bie 
3 eit 00 m l.Fali 1897 bis 30. Fnni 1899. Iropbem ift bie 3ahl 
ber FäEe, über bie berietet wirb, gering; währenb in beit erften 
gepu Monaten bas ManbelSamt in 35 Faßen internenirte, bc** 
frfiäftigte es üd) als Einigungsamt iit ben folgenbeu gwei Fahren 

Seraniroonlitlj für bte JtebafUen: Dr. Srnft 


nur mit 32 Streitfäßen, .oon welchen 22 als „auf ©runb beS ©e- 
fepeS beigelegt" auSgewiefeit werben. ©on aßen 67 Streitfäßen 
feit Fnfrafttreten beS ©efepeS würben 41 einigungSamtlich beigelegt. 
Xie übrigen 26 Fäße umfaffen 12, in welchen bas §anbelSamt bie 
einigungsamtliche Fnteroentxon, bie gefordert würbe, ablepute; 
7, in welchen zwifepen ben Parteien bireft ein Ausgleich gu Staube 
femt währenb ber Sßerhanblitngen mit beut Board of Trade, unb 7, 
in benen baS gianbelSamt etne Einigung nicht ergielen fonnte. 
SSon ben 41 beigelegten Streitfäßen würben 26 im SBege beS 
EiiügungSoerfahrenS unb 15 burch SchiebSfprud) beigelegt. Fa 
2 Fäßen interoenirte baS .sjanbelsamt aus eigener Fmtiatioe, 
in 12 Faßen auf SBunfch beiber Parteien, in 14 auf Verlangen 
ber Arbeiter unb in 4 auf jenes ber Arbeitgeber. 

XaS Board of Trade bemühte fi<h auch weiterhin um bie 
Errichtung oon Fach 5 unb XiftriftSeinigungSämtern unb es würben 
oier neue folche ins öeben gerufen; ihre ©efammtgahl beläuft fidj 
nunitiehr auf neitiigehn. 


fttennrtr^t SUtjetgat. 


.tlei), Dr. 2B. Set Äntpp. Eine fogialpolitifdie 9teifeffigge unter bc= 
fonberer Serüdftd)tiaung ber Arbeiter**5Bol)nungSfürforge. Wlit 
oielcn Sttggen, grappifthen Xafeltt unb Sabeßen. Seipgig 1899, 
Xnncfer & £mmblot. 165 S. S^eiö 3,60 M. 

XaS Süchlein fcpilbert in anfcpaulither 9öeifc, wie ber Segriinber 
beS größten oaterlänbifcpen Etabliffements fiep burd) unermiibltche SluS* 
bauer unb Sebarrlidjfeit aus Kummer unb Sorgen, bie tpn fdjoit als 
oiergebnjäbrtgp Änaben 2ag unb Stacht brüeften, emporgearbeitet pat. 
95efonbers etitgepenb wirb bie SSopnungSfürforge bepanbelt. Für bte 
3659 Arbcitermopmmgeit ber Fi rma ift ein Anlagefapital oon 
12256075 .//. erforberlicp gewefen, bas ftep gu 2,i % oerginft. ^ei ben 
ftep fteigernben Sobenpreifen unb Saufoften läßt ftep baS Eottagefpftem 
nicpt rttepr burcpfüpren. Xie Scprift fann Febem, ber ftdp für bie fogial* 
politifepen SKaßnapmen beS größten inbuftrießen ltnternepmenS Xeutfcp* 
lanbs intcrefftrt, empfoplen werben. 

o. Sobcn. XaS FnoalibenoerficperuttgSgefep ootn j*’-'I™ 1 -unter 
fortlaufenber SRumuterfoIge ber ^arägrappeit nadj ber 5Befamtt« 
mad^uttg oont 19. Fult 1899. 2ertauSgabe mit .fperoorpebung 
ber Steuerungen, Sgorbemerfungen^ 6 Anlagen (entpaltenb bie 
wieptigften SunbeSratpSbefcplüffc) unb Sacpregifter (SKeinpolbS 
Furiftifchr §anbbtbliotpef. ^anb' 107). 2cipgtg 1899, Albert 
Serger (Serig’fd)c Bucppattbluitg). 128 <3. $rei$ . 1,60 
Xiefe panbltcpe 2ejctauSgabe eignet ftep befonberS baburep gur 
rafepen Einarbeitung in bas neue ©efep, baß bie neuen Seftimmunaen 
gegenüber beit biSper geltenben burep lateinifepeu Xrucf pcroorgepobeit 
finb. 

SBeißweiler, F-> Settfaben für preußtftpe ©emctuberätpe unter ber 
^errfepaft beS SSürgerltcpen ©efepbucpeS. 6. gänglicp umgearbeitele 
unb oermeprte Xoppelauflage. ^annooer unb Berlin 1899, 
Earl 90teper (Enftao ^5rtor). 78 S. ^reis 1 M ., tn Partien 
biütger. 

Faprbitdjer für Statiönalöfonomic. Eegrünbet oon SSrutto 
§tlbebranb. ^erauSgegeben oon ^3rof. Dr. F- Eonrab in 9Ser s 
binbung mit ^rof. Dr. Ebg. Soening unb ^rof. Dr. SB. 2ejiS. 
III. Folge- 17. unb 18. $8b. SWonatlicp erfepeint ein lieft, 
6 §efte bilben einen ©anb. fpreiS beS ©anbeS 15 M., beS ein» 
gellten |>efteS 3 M. 

Le Mouvement Social ist e. Revue bismensuelle internationale. 
No 12 et 13. Paris, Georg Bellais, 17 rue Cujas. Prix: France 
et Belgiquo 0,40 fr.; autres pays 0,50 fr. 

Statistische Mededeelingen, mitgegeven door het Bureau van 
Statistiek der Gemeende Amsterdam. No. 4. De gemeentelijke 
Incomstenbelasting in de Belastingjaren 1894—95 en. Amsterdam 
1899, in commissie bij Johannes Müller. Prijs f. 0,40. 

Urifere Englanbretfc! ©eriept beS EefcpäftSfüprerS unb ber Auf- 
ftcptSratpmitglieber ber EroßeinfaufS = Eefeßfcpaft Xeutfcper 
Äonfumoereine mit befepränfter Haftung über bie ©ciicptignng ber 
Co-operative Wholesale Society Limited unb ber englifdien 
Äonfumoereine. Hamburg 1899. .^eransgegebeu im ©eriag ber 
EroßeinfaufS=Eefeßfcpaft iteutfdjeu Monfumoereine mit befdjrantter 
Haftung. 

The Quarterly Journal of Economies. Vol. XIII. July 181)9. 

Xo. 4. New York and London, Macmillan & (’n. 

Annals of the American Academy of politieal and social 
Science Vol. XIV. No 1. July 1899. London, P. S. Kiirj 
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Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
A. Troschel, Berlin W. 


KrankenversictieFangsgeseti 

vom 

1 5. Juni 1883 
IO? A prill892* 

Mit Einleitung und Kommentar 

von 

Julius Hahn, 

Amtsgerichtsrath. 

Zweite, umgearbeitete und reich vermehrte Auflage. 
1898. Preis 6 Mk. t geh. 7 Mk. 


Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig. 



Englische Wirtschaftsgeschichte, fine Ein¬ 
leitung in die Entwickelung von Wirt¬ 
schaftsleben und Wirtschaftslehre. Von 
W. J. Ashley, M. A. Autorisierte Ueber- 
setzung aus dem Englischen von Robert 
Oppenheim. 1896. Geb. in Leinewand. 


I. Das Mittelalter. 


4.8O Mk. 


II. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. 

iO M. 

Zwei Bücher zur socialen Geschichte Englands. 

Von A. Held. Aus dem Nachlass heraus¬ 
gegeben von G. F. Knapp. 1881. 16 Mk. 

Das englische Arbeiterversicherungswesen. 

Geschichte seiner Entwickelung und Ge¬ 
setzgebung. Von Wilhelm Hasbach. 
1883. 10 M. 

Zur Geschichte der englischen Arbeiter- 
Bewegung im Jahre 1871. 1872. 1.60 M. 

Das englische Armenwesen in seiner histo 
rischen Entwicklung und in seiner heutigen 
Gestalt. Von P. F. Aschrott. 1886. 10M. 

Die Entwickelung des Armenwesens in 
England seit dem Jahre 1885. Von 

P. F. Aschrott. 1898. 1.40 M. 


Englische Auswanderung und Auswanderungs¬ 
politik im XIX. Jahrhundert. Von Kar 

Rathgen. 1896. 6.80 M. 

Agrarische Zustände in Frankreich und Eng¬ 
land. Auf Grund der neueren Enqueten 
dargestellt von F. Frhrn. von Reitzenstein 
und E. Nasse. 

Die englischen Landarbeiter in den letzten 
hundert Jahren und die Einhegungen. Von 
W. Häsbach. 1894. 9 M. 

Die britische Genossenschaftsbewegung. Von 

Mrs. Sidney Webb (Beatrice Potter.) 
Herausgegeben von Lujo Brentano. 1893. 
Geb. in Leine wand. 4 M. 

Untersuchungen über die englische Eisenbahn¬ 
politik. Von Gustav Cohn. Zwei Bände. 
1874 75. 20 M. 

— (Dasselbe.) Neue Folge. (1873—1883.) 
1883. 5 M. 

Die Handelspolitik Englands und seiner Kolonien 
in den letzten Jahrzehnten. Von Carl 
Johannes Fuchs. 1893. 7.20 M. 

Eine neue Ära Englischer Socialgesetzgebung. 

Von Otto Bielefeld. 1898. 2.20 M. 


.iu'vantroortii.i) für fcte 'Ansagen; tfcümmij Weibel, L'eipjtg. — Verlag oou Duncfev Al ijea'sig. — Webrucft bet Sultuä Sittenfelb, Setlin. 












vm. golprgaiqj. 


®erlitt, beit 24. ?(uguft 1899. 


|lummer 47. 


Soziale prajte. 

^entrafbfaft für ^ogiarporifiE 

mit ber SRonaiSbetlage: 

Das (Bewerbegevich*. 

0rgan bes Detbanbes beutfdjer <5en>erbegerid?te. 


«Reue golge bet „©Iftttcr für fo^tate ^raytS* unb beS „Sozialpolitifchen ©eutralblattß*. 


drfdeiiit ** Jefcem Sottner»«!. 


fRebaftton: Sertin W., ©apreutberftrabe 29. 


Herausgeber: 

Dr. drnjl «frandte. 


»tri« »iertelj«*rl«t 2 ». 60 Vf. 
Verlag Don $umfev & Humbtot, Selpzig. 


3 »l)alt. 


9 ?egatiDc unb pofitiüe ©ctoetl* 
oerein«poIttif. III. ©on ©rofcffot 
Dr.&uio®tentano,9Rfin4)en 1233 
IB|awtM90ili(* unb 9Slgf$f4*ftf- 

»•Mit.1237 

SoatatpoUtifcpe Sßünfcpe 3 Ut 
nädjftcn ©olf«aäblun 0 . ©on 
Dr. J&iifcbberg, (Sborlottenburg. 
ßioonflSinnung unb 9W>eit«nacbtt>et«. 
Ster 3 etjnftunbentag in ber öfter* 
reidnfdjen Sejtiltnbuftrie. 
Mrbettßebtr» unb Uttlcvnebmcrber* 

bünbe. . . ,.1240 

$):r beutfcpe Strbeitgeberbunb für ba« 
©außeroerbe. 

12. dentralberbanbttag be« ©äder« 
SnnunßSöerbanbe« „©ermania". 
STeutfd)« Stiftplertaß. 

«tbeUcvbctottuug.1241 

<£ie beutfc^en ©etoerffcpaften 
im Sabre 1898. 

Slrbeiterfefretariat unb Stabtratp in 
SDlannbeim. 

£)ienftboten*©erIammtunßen in ©erlin. 
£)ie ^Berliner 9toD!utfcber unb Spe* 
bitionSarbeiter. 

555eutfd)nationaIer £anblunß«ßef)ilfen* 
©erbanb. 

(Jinißunß im englifdjen ©lafcbtnenbau. 
©ie ÜRaffenauöfperrung in ©änemarf. 

ftetetterfVtt».1245 

(sdjufc ber in beutfcben 3 ünbbo 4 * 
fabrtfen befdjäftißten Arbeiter. 
SBauarbeiietjibub in ©Opern. 

©nglifdje SlrbeiteifdjufebiU«. 
ft«bfitcff»erfUb<nmfl.@»«*ta1V«i 1246 
3 ur ©teHung ber Siebte au ben 
ftranfenfaffen in Sachen. 


SRentenfteUen für bie 3> nöa ltbenöer* 
ftcberung unb ber ©erbanb eöange* 
Iifcber ®rbeiterbereine SBÜrttemberg«. 
aUet«penfton8*Borfd)Iäße in ©nßlanb. 
Untcrftübunfl bet Frlendly societies 
burcb ben ©raffcbafi8ratp in (Sljefptre. 

.1248 

©iaatlidje 9Bobminß«reform in ©apem. 
@emeinbli<be 2öopnunß8fürforße für 
ftäbtlfcpe Arbeitet unb ©ebtenftete in 
Nürnberg. 

jEBobnungfifürforge in ßeipaiß*ßin* 
benau. 

Eöofjnungflöerpöltntife in tfatlörupe. 

4H§teb»ut «mb «Übung.1250 

#anbel«fdjule für toeibltdje SingefteUte 
in Hamburg. 

Unentgeltlicbfeit ber Seprmittet in 
Büritb. 

©emegung gegen bie gortbilbung«* 
faulen in ©nglanb. 
©dperbeaevUbte. «inigungfümlev. 

e«teb* 0 ert*tc.1251 

9aU9<i(uitgen tes »rwcrtegeri^ts ?Jrr(m. 
Sftebigirt non Dr. Sdjatporn, ©e* 
toerberidjter, Serlin. 
SRetbtfpretbung. 

Sft ber Arbeitgeber befugt, einen 
unter ßünbigung«au8fd)lufc an» 
genommenen Arbeiter im Saufe 
einer ibm übertragenen Afforb» 
arbeit au entlaffen? 

©eilegung eine« Streif« in Stuttgart 
burcb ©ermittelung. 

©rrieptung eine« pribaten Schieb«* 
geriet« in ©unalau. 

Aeforai ber ©eioerbegericpte in granf* 
teidj. 

8tier*rtf4e ttnaetgeu.1254 


Abbrud fämmilicpet Artifel tft Bettungen unb 3*itfcprtften geftattet, feboeb nur 
mit Poller Quellenangabe. 


Ucgatioe unb pofUioe ®twrrhtiereln?poUtik. 


III. Sie llncntbebrlichfcit ber ftoalitionSfrcibcit. 

Bir haben gefepen, bie tnobente BirtpfchaftSorbnung fjat 
ben Arbeiter jebern anberen Verfäufer gleicpgeftellt, ber feine Baare 
für eigene SRedjnung unb ©efa^r uerfauft. 0ie bat bie geftftellung 
ber Sübeitsbcbingungen bem entfprecffenb ber freien Vereinbarung 
gtuifeben Käufer unb Verläufer iiberlaffen. S)er Arbeiter bat gleich 
jebern anbereit Vcrfäufcr baS Dtecfjt, bei fteigenber Nachfrage* nach 
Sirbeit belfere HrbeitSbebingungen git forbern, unb ber Arbeiter 
bat bem entfprecbenb ben berechtigten ?(nfprucb, ba§ Vebörbett unb 


öffentliche Meinung ihn biefeei Stecht ebenfo ungeftört anSnuhen taffen, 
tüte fte bieg anberen Vcrfäufcrn geftatten. ®ie inbioibualiftifchc 
Stationalöfonomie oerroeift ben Arbeiter rote jeben anberen Verfäufcr 
auf bie SluSnuhung biefer Äonjunftur für bie Vefferuitg feiner Sage. 
Umgefebrt macht fie ihn auch ucrantroortlich, roenn bag Angebot non 
Slrbeit bie 9tad)fragc überfteigt. V5ie jeber aubere Verfäufcr muß 
er fi«b bann eine Verfchlcchterung feiner Slrbeitsbebingungen ge¬ 
fallen Iaffen. SBarunt, fagte fie ihm bann, bift btt ba? SBarutn 
foÜ. ber ©efammtbett bie Verantroortung für ben Scicbtfinn beiitcr 
(SIterrt im Heiraten unb ^inbererjeugen aufgebürbet roerben? 
HöcbftenS bal man bie alten @becrf<broerungen lange Beit bei- 
behielt, big man fie bur<b (Srmabnungen gegen unDorfidjtige Hei- 
ratben erfefete. SDRan fanntc atfo, roo ber Sohn unter bag SJiaB 
beffeit fanf, roag uad) Vta^gabc ber üblichen Scbcngbattung alg 
jum Scbcn unentbehrlich anaefeben rourbe, nur bett acfchlechtlichen 
Streif alg SRittcl ^ur Stnpaffung beg Slngebotg ber Vlrbeit an bie 
Nachfrage. 

®iefe Sluffaffung, roelctje an bie Stelle ber alten Stegclung 
ber Slrbeitgbebiitgungen fei eg burch Herfommen, fei cg burch bie Ve- 
börben getreten ift, bat ben Slrbeitcrn ben Vorteil gebracht, baft 
bantit bie ©leichbeit beg Stcrf)tS beg Slrbeitcrg gegenüber bem 
Arbeitgeber unb allen übrigen ©efeUfthaftgflaifen jur prinzipiellen 
Äncrfeitnung gelangte. Allein fo unfehäbbar biefer gort- 
fchritt roar, fo lag ihr hoch ein burebgreifenber gebier z u 
©runb, ber ben Stufen beg neuen Prinzips für ben Arbeiter 
oöllig iEuforifch machte. Sic überfab bag, roag ben Arbeiter oott 
anberen Verfättfern unterfebeibet. ^ie Vkare, roeld^e ber Arbeiter 
oerfauft, feine Arbeit, ift untrennbar oott feiner Sßcrfou. giir 
beren ©yiftenz aber ift ber Arbeiter nicht oerantroortlich. Cl)ne 
fein Batbun foinmt er zur "Belt; inbein er beranroäcbft, entroiefdt 
fich mit ihm feine Arbeitgfraft, roäbrenb feine Armutb ib« uötbigt, 
bie Siithung berfelben, feine Arbeit, fortroäbreub zu Vfarft z« 
bringen, um nur leben z» föitnen. Hat er nichts alg feine Arbeit, 
fo ift er, um feine ©yiftenz z u Triften, zu fortroäbreubem Angebot 
unb Verlaufe berfelben gezwungen, ©g roar alfo roie Hobu, roenn 
man ben Arbeiter gleich jebern anberen Verfäufer für bie VerfanfS- 
bebiitgnngcn, bie er erzielte, inbioibuett oeranttoortlich machte. ^)er 
inbioibuelle, fich felbft überlaffene Arbeiter trug gar feine Verant¬ 
wortung für bie Baare, bie er burch 9foth fortroäbreub zum 
Äaufe anzubieten gezwungen roar. 

$)cr gebier jener inbioibualiftifchen Auffaffutig, welche an ber 
Biege ber blutigen Birtbfchaftgorbnung ftanb, machte in boppelter 
Beije ft«h fiibloar. ©inmal brachte bie untrennbare Verbinbung 
ber Arbeit mit ber ^erfon il;reg Vcrfäuferg eg mit fich, bafs ber- 
jenige, ber bie Arbeit taufte, bamit, unb zwar notbroenbig, auch 
eine H^ffhaft über bie ^erfon beg Arbeiters erlangte. ^)er 0rt, 
an bem bie Arbeit geleiftet roirb, ift notbroenbig auch ber Aufent¬ 
haltsort ber ^erfott beS Arbeiters; feine Vefchaffenbeit ift grunb- 
bebingenb für Seib unb Scbeu bcffelbcn. SDie Arbeitszeit beftimmt 
nidbt nur bie 2)auer, für rocldje bie Arbeit geleiftet roirb, fonbcrit 
auch bas VJafj ber ©rfchöpfung ber ^erfoit beS Arbeiters, bas 
SRafe ber 3^it, welche ihm zur ©riteuerung feiner Kräfte, zur ©r- 
bolung, ©rbeiterung unb Vilbung, zur ©rfüllung feiner Pflichten 
gegen feine gamilie, gegen ©emeinbe unb Staat bleibt. 2)ie lim- 













1T.US 


12 ’) '> 


Soziale Gcniralblatt für ©ogialpolitif. Ac. 47 . 


gebuug bes Arbeiters bei feiner Arbeit, feine ArbeitSgcnofieu, bc- 
beuten nidjt nur jvörberung ober Becinträriitigimg feiner Leißling, 
fonbern and) ba* Wulfs, in beut ihm Leib ntib Leben, teufen mtb 
©ittlidjt'cit toäbrenb ber Arbeitslciftung burri) bie, wcldjc mit iljm 
arbeiten, gefäljrbet tuerben. B*er bie Ärbeitsbcoitigungcu bcftiuimt, 
beftimutt alfo nidjt bloß ^Diafs uub ^rcis ber Arbeit, fonbern 
gleiduritig über bas gange pbijfifdje, geiftige, moralifdje unb biirger* 
iid)e ©afeiit bes Arbeiters, uub halb geigten firi) ■ bie Aadjtheile 
ber einfeitigen Bcftiuimung' biefer Arbeitsbebincjuncjcn burdj *bcn 
Arbeitgeber fo groß, baß ber Staat fidj genötßigt fab, gefeplidjc 
Beftimmungeu gutn ©cßupe ber ^erfou bes Arbeiters gu erlaffen. 
Es ift ber ber Arbeitcrfdjußgefeßgebung, ber Hcrrfdjaft beS 

Arbeitgebers über bic $erfon bcS Arbeiters gefeplidjc Grcugcn 311 
Rieben, ©afjer beim ber §. 105 ber bcutfdjcit Geroerbeorbitung bic 
tveitfieflung ber Arbeitsbedingungen nur mehr infoweit ber freien 
Vereinbarung oon Arbeitgeber uub Arbeiter überläßt, al^ nidjt bie 
AeidjSgefepe befonberc Beftimmungeu über jene gctrPffen tjnben. 

Allein baS ift nicht bie einzige Art unb SBeife, wie ber bar* 
gelegte gehler in ber unterfdjiebSloS gleichen Veljattblung beS 
Arbeiters mit anberen Verläufern fidj geltend mactjte, unb eS ift 
unridjtig, memt oon ©eiten ber Regierung im AeidjStag bie Aeußc- 
rung fiel, baS .Btaljlredjt unb bie Arbeiterfdjupgefepgebung machten 
baS KoalitionSredjt ber Arbeiter oöflig entbehrlidj. ©enn abgefehen 
baoon, baß galjlreidje Beftimtnungen ber Arbeiterfdjußgefeßgcbung 
praftifdj unburdjfüfjrbar finb, wo fic nicht oon ber llnterftüpung 
oon Arbeiteroraanifationen getragen roerben, ntrgenbs enthält bie 
Arbeiterfchupgejepgebung bie geringftc Bcftimmung über bie Lohn¬ 
höhe, nnb Graf s J?ofabowShj bürfte auch ber lepte fein, ber bie 
Höhe ber 3U gahleubeu Löhne uon parlamentarifdjen Befdjlüffeit 
abhängig 3U machen gewillt märe, ©er nur mit ©urchfehnitts- 
eigeitfdjaften begabte Arbeiter aber, ber bie große Ateffe bildet, ift 
außer wo, wie in ber neuen Söelt, eine Süße unangebauten LanbeS 
oorhanben ift, beffen Anbau er fid) guwenben fann, ober, wo er 
in ber alten SBelt einen eigenen Ader ober fonftigeS Vermögen be- 
fipt, oon bem er eoentneU gu leben oermag, ifolirt oöllig außer 
©taube, irgeitb welchen Einfluß auf baS Angebot ber Arbeit 3U 
üben. Ohne fein Verfchulben gur Vklt gefommen, gwingt ihn bie 
Aotlj, feine Arbeit fortwährenb angubieten. Vknn er felbft gar feine 
Kiitber erzeugte, würbe dies befteh JallS erft baS Arbeitsangebot 
einer 3ufünftigen Generation minbern unb audj bann nur, wenn fein 
Verhalten nicht burdj baS anberer, leidjtfinnigerer Genoffen neutrali- 
firt würbe. Aber felbft in btefent Stolle würbe fein Verhalten nur 
erfolgreich fein, wenn man nicht $olen, ©fdjedjen, Staliener — man 
hat ja fogar fefjon oon Ehtnefen gerebet — in bem Ateße herangöge, 
als eine AJinberung ber Arbeüergahl eintreten würbe; ber aitem- 
pfoljleue gefchlcdjtliche ©treif müßte alfo ein internationaler fein. 
Ai an fieljt, felbft bie Aegepte der inbioibualiftifcheu National* 
öfonomie fönnen nicht ohne Aufforbcrung 3U planmäßigem Ver¬ 
halten ber gefammten Arbciterfdjaft ausiommen, nur baß ihre 
Vorfdjläge an Unburthfüljrbarfeit bie toüften Vhnntafien utopifti- 
fdjer ©ocialiften weit hinter fidj Iaffen. ©inft nun bie Nachfrage 
radj Arbeit, fo ift ber ifolirtc Arbeiter nidjt im ©taube, durdj 
AJinberung bcS Angebotes oon Arbeit ein ©iufen beS Lohnes 
unter feine ^robuftionSfoften 31t hinbern. Um überhaupt uerfaufen 
3U fönnen, muß er fogar mehr Arbeit anbicten; mäfjrenb bie Aach' 
frage abuimmt, fteigt alfo baS Angebot unb ber s ^rciS finft nodj 
tiefer, ©teigt bie Nachfrage, fo rüden gunädjft biejenigen ein, bic 
mährenb ber fehlenbcn Aadjfrage burdj Armenuutcrftüpuug erhalten 
mürben; bie Aadjfrage muß alfo feljr intenfio fteigen, bis fie ab- 
forbirt finb nnb bis ber Lol;u fteigt; er fteigt erft fpät, unb auch 
bann fteigt er nidjt fo hoch wie ber VnüS anberer Vtearen bei in 
gleidjem Alaße fteigeuber Aadjfrage. ©0 ift es beim ba, wo ber 
Arbeiter feiner Crganifation angehört, als Siegel ber Arbeitgeber, 
ber ben Lohn einfeitig feftftellt, unb baß bann ba, wo ber Arbeit¬ 
geber mit Leidjtigfeit Arbeitswillige finbet, bie felbft einer plöp- 
iidjen Vermehrung in ben Vefteliuugen genügen, ber Lohn bis 
unter baS Vlinimum beffen finfen fann, was 3U einem ehrbaren 
Leben nötljig ift, seigeu bie ^uftanbe, wie fie in berVerlineriton* 
feftionsinbujtrie herrfd)en. 

Vcim Verlauf ber Arbeit hot alfo bie Lehre, baß bie freie 
Monfurren3 ifolirter Sobioibuert bem eigenen oiitcreffe ber Arbeiter 
wie bem der Gefammtheit am nteiften bienlidj fei, am friiljeften 
oerfagt. Unb bic Arbeiter hoben in allen Vcrufen, außer in jenen 
ungelernten, in benen, wie 3. V. in bem ber cnglifdjen Hafen¬ 
arbeiter, ber Abfall aller VerufSarteii unb aller Gefellfdjaftsflaffen 
’idj 3iifammcnfinbet / oon Anfang an bieS begriffen. And) als bie 
alte gewerblidje Crbnung fidj anflöfte, hulbigten fie nirgenbs ber 
Monfurrenj. 2 Bie bie brafonifdjen MoalitionSoerbote beS 18 . unb 


19 . SohrljonbertS ihr ^{ufammcnhaltcn nicht gu erfdjiittern ücr- 
modjt hotten, fo blieb and) gegenüber allen nationalöfonontifcfjen 
predigten über bie Vorgügc beS MonfurrengpringipS ihr ©aljl- 
fpraef) ftets: Silier für Äße, Alle für Ginen! 3 n einigen 
Stößen Ijat ihre neue Crganifation fidj unmittelbar aus jenen 
alten Gefellenoerbiubungen entwidelt, wie fie gur 3onftgeit, fei 
es gebuldet, fei es oerboten, eriftirten; in anberen Stellen Ijat 
ber alte' Geift ber ©olibürität oöllig neue Vereinsbilbungeu 
gefdjaffen. Unter oft furchtbaren Entbehrungen, trop (^cfärtgniß, 
ja felbft trop Anbropung oon ©obcSftrafe fmb fie ihnen treu ge¬ 
blieben. §ier ift es nicht nöthtg gewefeu, fünftlich Sonungcn in§ 
Leben gü rufen;mit ber befonberen Aufgabe, baS Geineingefühl gu 
weden unb ©tanbesintereffen unb ©tanbeSeljre gegenüber ben ab- 
weidjenben Sntereffen Eingeluer gu wahren, ©ie Gilben finb hior 
fpontan aus bem Vebürfniß ber Arbeiter erwachfen, unb es erroerft 
eigenthümliche Vorfteflungen oon Unparteilichfeit unb Geredjtigfcit, 
wenn man fieht, wie häufig biefelbeit ^ßerfonen, welche bas 
SnnungSpringip für fo oortrefflich holten, baß fic es eoentneU fo¬ 
gar burch 3 roa ng gur Geltung gu bringen oerfudjen, feine ärgjten 
Sieinbe ba finb, wo es gang oon felbft geheißt. VSäfjrenb fic tonft 
nicht genug über baS Verberblidje beS SnbiütbualiSmuS gu flagen 
oermögen, fpredjen fie oon ber Aothwenbigfeit, felbft burdh 3roang 
bie tnbioibueße Freiheit gu wahren, fobalb es Arbeiter finb, welche 
bie praftifdje Aupanwenbung auS ihren eigenen Lehren giehen. 
Ober gefchteht bieS hkr etwa beShalb, weil man erfannt hot, baß 
in ber Lage beS Arbeiters es nur bie Drganifation ift, welche bie 
fonft fo gefchmäljtc inbioibueße Freiheit gür Wahrheit gu machen 
oermag, unb groar bie Freiheit gegenüber bem Arbeitgeber? 

SuS bic heutigen Arbeitergilben fich gu cntwideln begannen, 
waren es gunächft nur bie Arbeiter eines unb beffelben Vetnebes, 
bie gemeinfam auftraten, um ihre 28 ünf<he begiiglich beS Arbeits- 
oertrageS gur Geltung gu bringen. Allein eine fo bcidjiänfie 
Koalition geigte fich gang unfähig, ben Arbeitern irgenbmie gu 
itüpen. ©enn fo lange bie Koalition auf bie Arbeiter nur eines 
Betriebes fich erftredte, war eS für ben Arbeitgeber Icidjt, feine aus- 
ftänbigen Arbeiter v burch anbere gu erfepett. ©ie Erfahrung brängte 
bie Arbeiter naturgemäß gn Drganifationen, bie äße Arbeiter eines 
unb beffelben Berufs uub gwar nicht nur an einem unb bemjcibcu 
Orte* fonbern an aßen Drtcn beS LanbeS, au benen baS Gewerbe 
betrieben wirb, gu umfaffen beftrebt finb. ©0 finb in Euglanb, 
ba, wo nrfprüngltch mehrere Gewerfoereine in einem uub betn- 
felben Gewerbe beftanben, biefe gu einem Verein oerfchmolgen 
worben, unb auch in ©eutfchlanb wirb es, faßs bie Gewerfoereins- 
bilbung wirffam werben foß, unentbehrlich fein, baß bie oerfdjicbencn, 
nicht fadjmäßigen ©onberiutereffen unter ben Arbeitern eines unb bcs- 
felben Berufs, bie beute in befonberen failjolifcbcn, eoangclifdjen, 
fortfdjrittlidjen nnb fogialbemofratifchcn Gewerffchafteu oertreten 
werden, gegenüber ben Sachiiitereffen gnrüdtreten, baß einljeitlidie 
Sadjocreine entfielen, bie ihren Atitgliebern ebenfo wie in Euglanb 
jebwebe beliebige politifdje, religiöfe ober fonftige mit ben : §adj- 
intereffen nicht gufammenhängeiibe Anfchauung gu oerfolgcu ge- 
ftatten. 

28 o btefeS 3^1 erreicht ift, werben bie Gewertoereine gu 
wahren nationalen Korporationen ber Arbeiter eines unb beffelben 
Berufs. 2 Bie bas englifdje Skifpiel geigt, finb fie bann wirflid) 
im ©taube bie Auffaffung, wcldje bem rechtlich, freien Arbeits¬ 
oertrag gu Grnitbe liegt, gur 'Baßrbeit gu machen. SBie anbere 
Verläufer oermögen bie Arbeiter bann ihre Arbeit gu oerweigern, 
wo ihnen ein ihnen nidjt genügenber VreiS geboten wirb. V>ie 
anbere Vcrfänfer oermögen fic ißr Angebot nun ba gurüefgu- 
giefjeti, wo es bie Aadjfrage überfteigt, um es bort gu ntadjen, wo 
cs Ijiutcr biefer guriidblcibt. 2Bie bei anberen Söaaren wirb fo 
für bie Arbeit eine Aitsgleidjiuiq ber greife an oerfdjiebcncn ©rlcit 
hcrbetgefüljri, wobei Lofalgufdjfägc bie oerfdjiebene Ihfucnmg an 
ben ciugelneu Crten gu berücfudjtigen geftatten. Bei finfeubee 
Aadjfrage oermögen nun bie Arbeiter ißr Angebot cntfprcdjenb gu 
mindern unb bamit einem unoerhältnißmäßigcn ©infen des Lohn- 
einfommcnS oorgubeugen. Bei fteigeuber Aadjfrage oermögen fie 
bie Konjunftur gleidj anberen Vcrfaufcrn ausguuupen. ©ie Gleidj- 
fteßung beS Arbeiters mit anberen Verläufern, oon ber bic ber 
moberneu Gcfepgebung gu Gritnbc Iiegenbe Auffaffung beS Arbcits- 
oerhältniffeS ausgeht, wirb alfo erft burch gewerfoereinlidie 
Drganifation ber Arbeiter gur Wahrheit. 

©0 erfdieiut bie Koalitionsfreiheit gang unentbehrlich, foll 
nidjt bie Aeftfepung beS ^reifes ber Arbeit, ohne baß bem Arbeiter 
eine anbere Suhl als gwifchen Annahme und Verhungern bleibt, 
bem Gutbünfen bcs Arbeitgebers, feinem Sßohlwoßen ober feiner 
Gemtnufnrfjt, iiberlaffen bleiben, ©as Eingige, wie ber Arbeiter 



1237 


Sogiale $rajt$. ©entralblatt für Sogialpolitif. Kr. 47. 


1238 


optte Koalitionsfreiheit oor biefer einfeitigen <5cftftcCTung burtp 
feinen ©egner im ^reiSfampf beroaprt roerben fönnte, märe bie 
Seftftellung beS ßopnS burd) ben Staat. (Sine folcpe hat früher 
ftattgefunben, als ber Arbeiter nocp niept gleicf)bered^tigter Staats»* 
bürger mar unb bie Herrfcpenben ihm einfach oftropirten, mas fie 
nach feinem Stanbe für ihn angemeffen erachteten, unb ben, ber 
batnit nicht gufrieben mar, mit Karbatfcpftreicpen bebrohten. Koch 
heute märe bieS baS S&eal Vieler, bie eine Kücffepr biefer oer* 
aangenen 3uftänbe herbeiführen möchten. AnbererfeitS ift eS auch 
Die Sorberung einiger rabifaler Xpeoretifer, melche barauf rechnen, 
bap bie Arbeiterfcpaft fich in ben ©efip ber StaatSaeroalt feiert 
unb bann f<hon bafür forgen merbe, bap bie ßopnfäpe nicht gu 
niebrig mürben feftgefefci merben. Aus ben Hintergebanfen beiber 
einanber entgegenftebeuben Parteien, mel<he fo bie Kücffepr gur 
ftaatlichen ßopitregulirung münfchen, Iäpt fidh f<pon ermeffen, gu 
roelchen unerträglichen roirtpfcpaftticpeu unb politifcpen 3 u flönben 
eine folche ^olitif führen mürbe. 

Allein abgefehen baoon, rooher benn bie ©epörben nehmen, 
melche in ben ©enterben, bie für ben Abfafc nach aupen arbeiten, 
gu beftimmen oermöchten, roeldpen ßohn ber Arbeitgeber gu gahlen 
oermag unb melchen nach ßage beS ©MarfteS bie Arbeiter gu forbern 
berechtigt mären? ©S gehört ein burd) bie im 18. Saprliunbert 
mit ber behörblichen ßeitung ber Snbuftrie gemachten Erfahrungen 
ungetrübter ©taube an bie aHeinfeligmacpenbe Kraft beS AffefforiS* 
mus bagu, um glauben gu fönnen, bap fich auSreicpenbe Sßerfönlich- 
feiten fänben, melche für alle Snbuftriegroeige ßohnfeftftellungen gu 
machen oermöchten, mit benen beibe Parteien fich gufrieben gu geben 
im Stanbe mären, ©in folcper ©Iaube erfcheint um fo erftaun* 
lieber, menn man bie ©rfaprungen ins Auge fapt, bie man felbft 
bei ScpiebSgcricpten mit außerhalb ber Qntereffentenfreife ftehenben 
SchiebSrichtern gemacht pat. 1 ) % 

$)aper benn auch unter ben englifcpen Arbeitern nur oer* 
fcproinbenb menige fich finben, melche eine ftaatlicpe geftfehung ber 
ßöpne befürroorten. 2 ) Auch öiefe pflegen aber ihre ©efürroortung 
auf ©efepäftigungen in folgen ©eroerben, melche ber auSroärtigen 
Konfurreng nicht auSgefept ftnb, unb auf bie ungelernten Arbeiter 
gu befchränfen. gür biefe gälte märe eine ftaatliche geftfefcung 
eines ßohnminimumS allerbingS äpnlid) benfbar, mie es Lepren 
für mancherlei anbere ©efepäftigungen giebt, unb fogiat ift fie fym 
nicht abguroeifeu, ba eS ben Ungelernten aus befannten Urfacpen 
fehr ferner ift, fich fo gu organijiren, bap es ihnen möglich mirb, 
egenüber ber einfeitigen ©eftimmung ber ArbeitSbebingungen burd) 
en Arbeitgeber ein ©$ort mitgureoen. &ie ich fdjon 1890 ge* 
fchrieben höbe, 8 ) roerben bie „ungelernten Arbeiter beShalb ftets 
mehr oom Staate oerlangen" als oie gelernten. Allein auch menn 
alle ihre ArbeitSbebingungen burch ben Staat feftgefept mürben, 
märe bie Organifation ber ©Mitglieber beShalb nicht roeniger unent* 
beprlicp. ©enn ohne bie Mithilfe ihrer Organifationen mürbe eS 
oöüig unmöglich fein, bie oom Staate feftgefepten ArbeitS* 
bebingungen pünftlich gur ©eltung gu bringen. $>aS geigen bie 
©rfaprungen, bie man bisher fepon auf bem ©ebiete Der §auS* 
inbuftrie mit ber Arbeiterfdpupgefepgebung gemacht pat. 

©Müncpen. ßujo ©rentano. 


3U1 ge meine Sojiol- mtb XMttyfilpaftapiUtttlt. 

Sogtatyolitiftpe Söünftpc gur nächften ©olfSgäpfaug. 

©egen ©nbe biefeS 3oP*punbertS, gu Anfang 2)egember 1900, 
mirb mieberum eine allgemeine ©olfSgäplung im ©eutfepen Keicpe 
ftattfinben, unb eS fragt fich, ob nicht aus biefern Anlap befonbere 
SSünfepe, namentlich oom fogialpolitifrfjen Stanbpunfte aus, geltenb 
in machen mären, mie ja auch oor & en Säpluttgen beS 3»oprc$ 1895 
Der Untergcichnete im „Sogialpolitifdjen ©entralblatt" oom 14. $a* 
nuar 1895 auf Sßunfcp beS bamaligen Herausgebers ben gleichen 
©egenftanb bepanbelte. 

©S ift in ber jüngften 3*it bk S^oge ber inneren 2Sanbe* 
rungen unb bamit bie ber Arbeiternotp auf bem ßanbe oiel er* 
örtert morben. ©efonberS im preupifepen Abgeorbnetenpaufe mürbe 
bieS mit großer ©reite behanbelt, aber für ben Unbeteiligten blieb 

l ) ©gl. „Schriften beS ©eretnS für Sogialpolitif" 46. ©anb 
0. XXIX ff. 

8 ) ©gl. SptjerS, „The Labour Question“, Sonbott 1894, 0. 61. 
©eoffrei) Sbrage, „The Labour Problem“, Sonbon 1896, 6. 77 ff. 

8 ) ©gl. ©. o. 6chulge*@äüernife, „3ttnt fogialen grieben" II, 0.483. 


ber ©inbruef gurücf, bap man über ben Umfang, bie Urfache unb 
ben 3 roct t bk Herfunft, baS 3^1 nnb bie 3)auer biefer SBanbe* 
rangen bei allen Parteien gleich ungenügenb unterrichtet unb baper 
gang oerfchiebener Anficht mar. 

Kun glauben mir, bap bie nächfte ©olfSgäplung einen null* 
fommenen Anlap bieten foüte, biefer Srage näher gu treten.*) ®ieS 
!ann gunächft baburch aefchehen, bafj für jeben Arbeitnehmer auf 
ben auSgufüllenben 3öhtpopieren bie (Soh^ ©lonat beS 

3ugugS) erhoben mirb, eine Srage, bie längft oon ben ftatiftifchen 
Aemtern oerfchiebener ©rofjftäbte bei ben ©olfSgählungen regel* 
roofjig geftellt unb auch auf ben Sonnularen ftets aut beantroortet 
mürbe. Aber bieS mürbe nicht genügen. ©S müßte eine meitere 
Srage nach bem Orte, oon mo gngegogen, bem lepten ©Wohnorte, 
geftellt roerben, roobei eine Anleitung barauf hinguroeifen hotte, 
ba& nicht etroa ber lepte Ort ber $)urdf)reife, fonbern ber eigentliche 
lepte ©Wohnort ma&gebenb ift. 

AllerbingS fleht auf ben 3ofjtforten oorauSpchtlich eine S*oge 
nach bem ©eburtsorte unb oielleidjt eine folche nach ber 9J2utter* 
fprathe, fobafe man aus biefen Angaben auf bie ^erfunft beS 3u* 
gegogenen fchliepen fann, inbeffen ift biefer Sd^lup bo<h feineSmegS 
{icper. 9Äan mürbe g. ©. nicht annehmen bürfen, bap aus Kup* 
ianb nach ©Seftpreupen unb oon hier nach eingeroanberte 

$olen bireft oon Kuplanb nach Holftein gemanbert fiub, ba fie 
3toifchenftationen, g. ©. in ©kftpreupen, gemacht hoben fönnen. 

Aber man fann meiter einroenben, bap biefe S*ogefteIIung, 
meil eS fich um eine ©Sintergählung honbelt, nicht ben gemünfepten 
©inblidf gemähren mirb. tiefer ©inmanb märe niept unberechtigt, 
benn bie Sragen hätten in ber Spat bei Gelegenheit ber ©erufs* 
gäplung oom 3uni 1895 geftellt roerben rnüffen, mie in bem oben 
ermähnten Auffape beS ©erfajferS f. 3- oorgefcplagen mürbe. Aber 
menn auep ber geeignetefte 3eitpunft oielleicpt oorüber ift, fo ift bie 
Sacpe boep roieptig genug, um menigftenS für ben $)egember* 
Termin unterfuept gu roerben, ba boep eine ©erufSgäplung fo balb 
noep niept roieber in AuSpcpt fiept. 

Kun fann jeboep ferner burd) eine eingepenbere S^ogeftellung 
bie ©fomentaufnapme beS ©Monats ^egember gu einer Aufnahme 
für ben ©efcpäftigungSort mäprenb beS gangen SopreS 1900 gc* 
fialtet merben. ©Man fann nämlich fragen: „An melcpen Orten im 

ßaufe beS QapreS in Arbeit (Stellung) gemefen? Sanuar.. 

Sebruar . . . ., ©Märg . . . ., April . . . ., ©Mai . . . . u. f. m. 
bis Kooember." 

®ie S^oge ber ©öanberungen pängt bann auch mit ber 
ArbeitSlofigfeit gufaramen, einmal infofern, als ArbeitSlofigfeit 
bie Urfacpe ber Abmanberuitg bilbete, bann mo fie bie Solge ber* 
felben ift, bie Solge mieber entmeber in ber Hinficpt, bap am Orte 
Der ©inroanberung bie gemünfepte Arbeit niept gefunben mürbe, 
ober bap anbererfeits na% ber Kücffepr in bie Heimatp eine 3 e it 
geroünfepter ober au^ unerroarteter ArbeitSlopgfeit eintrat, ©r* 
möglichen boep bie pöperen ßöpne, melcpe bie öftlicpen ßanbarbeiter 
in ben ©$eftprooingen mäprenb ber ©Monate iprer Spätigfeit in 
biefen erhalten paben, ihnen oielfacp naep Kücffepr in bie Heimatp 
©Monate ber Küpe. ©Man tpäte alfo gut, auep S*ogen naep ber 
ArbeitSlofigfeit mieber aufgunepmen, inbeffen niept in ber bet ben 
3äpfungen oon 1895 geroäplten Sormulirung, roeldje nur ein 
AugenblicfSbitb gemäprte, fonbern in einer fiep auf baS gange 3apr 
begiepenben SragefteHung. 

©S mürbe bann in ©erbinbung mit obigen S*ogen bie Sormu* 
lirung etma folgenbermapen lauten: 



Aufenthaltsort . 


Optte Arbeit (3opl ber 
SBocpen). 

S)aoon franf (3opl ber 
©Jotpen). 


*) Kacp ber (Srmiberung beS Staatsfefretärs beS ^imeru am eine 
Anregung beS Abgeorbnetcn ©rafen Äanip int Aetcpstag am 21. ©färg 
bS. ift anguneptnen, bap biefer 3Bunfcp erfüllt merben mirb. $5ie 
geftftellung ber Fragebogen für Me närfjfte ©olfsgäplung foU auf einer 
©erfammluitg ftaatlicper Statiftifer ©Mitte September in ©oftoef erfolgen 

S)ie ©ebaftiort. 






i2S9 


©ogtale BrojtS. (Jenttftl&latt für ©ogialpottti!. 9fct. 47. 


1240 


Wir oerßeßlen wt* mcßt, bdß bic Aufnahme fo betaittider 
Berßältniffe mit ©cßroierigfeiten oerbunben tft, aber mir glauben, 
baß bie Wid)tigfeit ber @acße, bie SEotßroenbigfeit, brennenbe 
fragen unferer BolfSroirtßfcßaft aufguflären, bie SRüße oerloßnt. 
©elbft wenn bie Erhebung ni<ßt bureßroeg in allen SanbeStßeilen 
baS geroünfcßteBefultat haben follte, fo mürbe ein unooHftänbigeS 
Ergebniß nocß immer beffer fein, als bie jeßt gu beflagenbe oott- 
fiänbige ftatifiifcße Unfenntniß beS Umfangs unb ber Bebeutung 
ber inneren Wanberungen gum 3toe(fe beS BroberroerbS. 

Sine anbere fogialpolitifcße Aufgabe für bie näcßfte BolfS* 
gäßlung, roelcße auiß mit ben inneren Wanberungen in Berbinbung 
gebraut roirb, ift bte Erforfcßung ber Wohnungsfrage. 

Auch hier ift bie ftäbtifeße ©tatiftif oorauSgegangen, unb eS 
märe an ber 3*it, baß nunmehr bie ftaatlid^en Aufnahmen eine 
©tatiftif ber ©runbftiicfe unb Wohnungen in ben ©täbten unb auf 
bem £anbe in Angriff nehmen. 

TieS gedieht am beften bureß befonbere ©runbftücfsfaden 
für jebeS ©ntnbftücf unb WoßnungSraden für jebe Wohnung. 

Bei ben bebauten ©runbftücfen mürbe in ^Berlin g. B. nach 
ber ©todroerfßöße, ber 3ahl ber oermietßeten, ber unoermietheten 
Wohnungen unb ©efcßäftslofale unb bem BttetßSpreiS gefragt; 
auch °b ©arten, Brunneit gum ©runbftücf gehören, mie lange eS 
fich in ben §>änbert beS gegenwärtigen EigentßümerS befinbet, 
mürbe ermittelt. 3Rit 9^ürfftd)t auf fänblitße Berßältniffe fönnte 
bonn nach bem Borßanbenfein oon ©taflen u. bgl. in Woßußäufern 
gefragt roerben, feit mann unb mie bie ©runbftüde erroorben finb 
u. f. m. 

Sei ben Wohnungen rnirb nur nach ber 3 a hl ber tilgbaren 
unb nnheigbaren 3im mcr / naiß bem Borßanbenfein oon Küchen, 
Widßfcßafts* unb ©efdjäftsräumen, nach ber Höhenlage gefragt, 
fornie ob Tienftrooßnung, Sfreirooßnung unb bergt, ©eßt man mie 
in Berlin bie Wohnungsfragen fogleicß auf baS Bergeicßniß ber 
föauSßaltungSmitglieber, fo erhält man leicht bie Wöglicßfeit, bie 
tfaßl unb Slrt ber Einrooßner bei ber AuSgäßlung mit ber ©röße 
ber Wohnung gu fombiniren. 

Wir finb uns beroußt, mit biefen Borfcßlägen feineSroeaS bie 
fogialpolitifchen 3orberungen für bie nädßfte BolfSgäßlung erjeßöpft 
gu - haben, ; alauben aber, baß ßier menigftenS, michtigere ©eficßts* 
punfte berührt finb. 

Eßarlottenburg. Dr. E. £irfcßberg. 


BmattgStatnutg unb Ar&fitSiiadjtoeiS. Aus SKagbeburg 
roirb uns gefeßrieben: „3n 9ir. 44 3ßn:S gefcßäßten Blattes oom 
3. Auguft roirb unter ber SRubrif „ArbettSnacßroeiS" bie Blit* 
tßeilung gemacht, baß baS neue ©tatut ber Bäcfcr*3mangSinnung 
in Bresben eine Beftimmung enthalte, rconach bie 3unungSmit* 
glieber bei Bermeibung einer Drbnungsftrafe oon 20 <stL oerpflichtet 
finb, nur oom Unterneßmer*ArbeitSnacßrociS gugeroiefene ©ehülfen 
gu befchäftigen begiehungSroeife anbermcit angenommene ,§ülfS* 
fräfte fofort gu entlaßen, ©ie bemerfen ßiergu gutreffenb, baß ftd; 
bie 3nnungSmitglieber, ba eS fich um eine 3wangSinnung ßanbelt, 
gegen biefen Terrorismus bureß Austritt nicht mehren fönnten. 
TaS ift richtig, aber — unb barauf möchte icß mir im Sntcreffe 
ber ©aeße ßinguroeifen erlauben — biefer Terrorismus ift 
nur ein papierner, benn jene Beftimmung ift gmeifelloS geifeß* 
mibrig unb baßer ungiltig, braucht alfo oon ben Setheiligten nicht 
beachtet gu roerben. Tie gmnbroerfcrnooelle enthält grcar feine 
auSbrücflicße Beftimmung, toeld;e bie Aufnahme oon Borfcßriften 
ber ßier in 3frage fteßenben Art oerbietet. TaS ift aber auch nießt 
möglich, falls fid) ber ©efeßgeber md;t in eine Äafuiftif oerlicren 
roollte. 3n biefer Begießung entßält nur §. 100g bie auSbrücflicße 
Beftimmung, baß bic 3n>angsinnung ißre Bfitglicber nid)t in ber 
JMtfcßung ber greife ißrer Waarett ober 5i?eiftungen ober in ber 
Annahme oon ÄUnben befdjränfen barf. ^Keines SracßtenS ßätte 
es and) biefeS auSbrücfließen Serbots nießt gebraud)t. Tenn ein 
berartiger 3u)ang ift unoereiitbar mit bem Wefeti unb bem 
Sßarafter ber 3»uangSittnung. Taffelbe gilt ßinficßtlicß beS ?lrbeits^ 
nadnoeifeS. 2lber and) aus bem ©efeße fclbft läßt fieß bic Un* 
guläffigfeit ber obigen Seftimmungen oßne Weiteres ßcrleiten. 
Ten Sunnngcn ift gur $ßicßt gemacht, bic „giirforge" für ben 
9lrbeitSnacßroeiS; fie füllen im mirtßfdjaftlidjen unb fittlicßcn Suter* 
effe ber ©efcllen Sinricßtungeu treffen unb unterhalten, tockße ge* 
eignet finb, bie ?lrbcitSoermittelnug gu förbern. Ter Erfüllung 
biefer gefeßlidjen Slufgabc bienen aber nid)t Sinridjtungcn, bic 
unmittelbar gu einer feßroereu ©djäbiguug beS SortfouunenS ber 
©cfcüeit fiißren müffeit. 


„«ueß ßier in SKagbeburg ßöben faft fämmtlicße 3roaitgS* 
innungen — äugenfcßcinlicß einer Anregung her ©entralftelle 
folgeno — ben Scrfucß gemacht, Seftimmunaen, mie folcßc in bem 
Tresbener ©tatut enthalten ftnb, in bie ©iatuten aufguneßmen. 
Ter ßieftge SRagiftrat ßat fie für nnguläffig erflärt unb ißre 
feitigung oeranlaßt, unb ber SegirfSauSfcßuß als bie in Preußen 
für bie Genehmigung ber Statuten guftänbige Seßörbe ift ber 
Äuffaffung beS ’magi|trats beigetreten." 

Ter 3eßnftunbentag in ber öfterreidjifeßen TejtiHnbufitrle. 

Ter Serbanb ber Saummollinbuftriellen CefterreicßS ßat ein 9htnb* 
cßreibeit att feine Witglieber gerießtet, in ber auf eine roenig 
ogialpoIitifcßeS Serftänbniß ocrratßenbe Weife gum Äampf gegen 
Sie Slrbeitcrfdjaft aufgeforbert mirb, bie fteß bemüßt, eine S3er* 
fürgung ber SlrbeitSgett burebgufeßen. TaS 3^uubfcßreiben oermcift 
auf bie gegenroärtia in 9iorDböhmen ßerrfeßenbe Seroegung beßufS 
Erlangung beS 3*ß n ftunbentagcS unb fäßrt fort: 

„Äuf @runb ber oorliegettben Seritßte mürbe mit Bebauern 
fonftatirt, baß eingelne ftirnten bem Bedangen ber 9lrbeiterfcßaft nad) 
«bfürgung ber SlrbeitSgeit oßne größeren Wiberftanb ftattgegeben ßaben, 
meil barnit für bie aefammte öfterreidjifeße Subiiftrie ein gefäßrlicßes 
^räjubtg gefeßaffen uno ein einheitliches Borgeßen in biefer hodjmiditigen 
grage oon oornßerein unmöglich gemacht mirb. Ter (ientralauSfcßuß 
perßorreScirt feineSmegS eine Berfürgurtg ber ÄrbeitSgeit unter allen 
Umftänben, er ift aber übergeugß baß bie Berfünung unter ben gegen* 
märtigen Umftänben bie ohnebieS prefare Sage Ber öflcrreichtfd^cn 3» = 

buftrie nodh oerfchärfen mirb. “ 

©chlicßlich rnerben bie Biitglieber aufgeforbert, „einer einfeitigen 
Berfürgung ber SlrbeitSgeit im eigenen ober in oermanbteit Be* 
trieben nad; Kräften entgegenguarbeiten". S^acß bem drgebnifte 
beS Brünner Streifs ift raum gu ermarten, baß bie Arbeiter* 
beroegung ftillfteßen roerbe, unb es ift baßer feßr bebauerlid;, menn 
ber 3dt>uftrieHenoerbanb nießt beffer Stellung gu neßnten meiß als 
in bem ermähnten Kampfruf; ber Drganifation ber Arbeitgeber, 
ber angeblich fogialpolitifcß oorgefeßrittene äeute angeßören, mürbe 
bie Aufforberung gu friebfertiger Berftänbigung meit beffer ge* 
ftanben ßaben. GS ift nießt auSgefcßloffen, baß biefe unoerftänbige 
Haltung noeß gu ernften Soßnfämpfen füßrt. 


Arbeitgeber- trab itnteraeJjmemerbäiibe. 


Ter bentfiße ArbeitgeberBmtb für baS Baugewerbe oeranftaltet 
am 10. Dftober in Karlsruhe im Anfd;luß au bie BerbanbStage 
ber beutfeßen Baugcroer!s*BerufSgenoffcnfd;aften unb beS SnnungS* 
oerbanbeS ber beutfd;ert BaugeroerfSmeifter feine erfte orbentlicße 
©eneraloerfammlung. Auf ber TageSorbnung fteßen ©tellung* 
naßmc gum ßntrourf beS ©efeßeS gum ©cßuß beS gemerblicßen 
ArbeitSoerßältniifeS, ^oßnbemegungen im Baugcioerbe Teutfd)lanbS, 
©teffungnaßine für bie weiterhin eingufdjlagenbe Taftif beS BunbeS 
unb bie Einführung obligatorifcßer ArbeitSnad;rceife auf nn* 
paritätifeßer ©runblage unter Beriicfficßtigung einheitlicher ©nt* 
laffungSfdheine. §infid;tlicß biefer maeßt ber Bunb befannt, baß 
bie EittlaffungSfcßeine feineSmegS (?) jur ©cßaffung „fdhroarger 
ßiften" bienen, uielnteßr, ba aus ©treiforten ©efellen nießt ein* 
aefteßt roerben foHen, ein offenes ftampfeSmittel, ebenfo mie bie 
Aufforberung ber Arbeiter ^3ugug ift ferngußalten", roerben foHen. 
— @S ift anerfennenSmertß, baß ber Berbanb öffentlich Sugcfteßt, 
baß bie Arbeitgeber im Baitgemerbe fteß berfelben Mittel in 3oßn* 
fämpfen bebienen mie bie Arbeiter. Befaiiutlid; ßaben ocrfd;iebene 
©eridjte bic Aufforberung „3 U S U 9 fernßalteu" für ftrafbar erflärt. 
Bielleicßt laffen fie fieß jeßt bureß bas Berßalten ber Arbeitgeber 
eines Befferen beleßren. 

12. GentratoerbaiibStag beS Bäffcr*3nnuttgSoerBanbeS ff Gcr* 
mania". Unter Anmefenßeit ooit 200 Telegirten ßat biefer jeßt 
32 000 Biitgüeber gäßlenbe SunungSocrbanb am 15. unb IG. Augnft 
in s D?agbcburg getagt, gaft an erfter ©teile ber Beratßmigen 
ftanb natürlich roicber ein flammenber Broteft gegen ben BJarimaU 
arbeitstag im Bäcfergeroerbe. Einftimmig mürbe folgcnbe ~9tefo* 
lution angenommen: 

„Tte gum 12. BerbanbStage ocrfanuneltcn beutfeßen Bäcfermetftcr 
proteftiren fortgefeßt gegen bic Bcrorbnung beS Bimbesraths oom 
4. SKärg 1S98, meil eine Berechtigung gunt 'Erlaß berfelben nid)l uor- 
licgt, ba bie BürauSfeßungcn, meldjc ber §. 120e Abi. 3 beaufpmdit, 
nicht uorlmnbcn finb. 3ie crfudieu beit fteid)#fauglcr, beim BunbeSrath 
bie Aufhebung ber Berorbmmg gu beantragen; foötc bic Aitihcbuiig 
aiiv Ghiinbeu, bie fid) nuferer Beurteilung entgießen, unguläffig ober 
unburd;|üßrbar fein, fo molie ber Biinbesrath an 3teÜc bei* jeßt gu» 




1241 


1242 


Soziale ißtajis. ©entralblatt für Sozialpolitik Br. 47. 


läffigen Arbeitszeit entweber eine Bukett oon acht Siunben vbet oon 
Zehn Stuubeu pro Dag unter ©ewäljrung non 50 Ueberarbeifötagen 
pro 2*»atir nerorbnen. ferner wolle berfelbe bejütnmen, baft bie wirfjfah 
Schuftigen, weldje bie Berorbnung übertreten, zur Beftrafnng herauf 
gezogen werben, forotc auch, ba& bie Berfolgijug ber Uebertretung 
innerhalb acht lagen nach ber lf)at ju geirfjefjen ’ijpt." 

©aS non biefem neuen Sßjroteft wie all ben früheren Zü 
galten ift, bas erhellt aus ben unanfechtbaren Ausführungen $ro* 
feffor DlbenbergS in Br. 35, SdfjrQ- VIII biefer ^itfdjrift; tnir 
fönnen uns besijaib jebeS weitere ©ort fparen. ©eitere Befolutionen 
n>urben gegen „bie bem Bäcfergewerbe befonberS befd)ioerIidje unb 
fd^äblid^e Sonntagsruhe" unb gegen ben obltgatorifrfjen £abenfdhlu& 
gefaxt. (Sin AuSfchufl foH bie Bereinigung ber fübbeutfdben 
JnnuugSoerbäitbc mit ber „Oermama" anbahnen. 3n jebem Be* 
Zirf foll ein (Eentrai*3nnungSarbeitSnacbwetS gefd^affen werben. 
Sdiliefjlidj mürbe befchloffen, eine Statiftif über ArbeitS* unb 
fiohnnerhältniffe im gefammten Berbaitbe aufzufteüen, um ben 
einseitigen Darftellungen ber ©ebüfcn entgegentreten z u fönnen. 
— Die (Erhebungen ber Ämnmiffion für Arbeiterftatifüf über bie 
ArbeitSoerhältniffe im Bäcfergewerbe werben wohl trofe biefer oon 
ben Tieifteru angeftrebten (Enquete für jeben Unbefangenen ihre 
mafjgebenbe Bebeutung behalten. 

Detitfcher Difrfjlertag. Der in ßübedf oerfammelte 16. beutfehe 
Difdjlertag befdjlofz bie ©rünbmig eines SchufcoerbanbeS beutfeher 
Difchleritinungen gegen unberechtigte gorberungen ber ©efeHen, 
unb fprach fid) einftimmig für bie 3mangSinnungen aus. 


3Ubettttbtnie0tmg. 

Die benifdjen ©etoerff (haften int Saljre 1898« 

Das 3ah r 1898 hat ben beutfd)en ©ewerffdjaftSorganifationen, 
wie bieS fchon auf ihrem Äongrefc Anfang Tiai in granffurt a. T 
(oergl. „Soziale BrajiS" Sp. 889ff.) feftgcftettt würbe, einen er* 
heblidien 3uwa<hS gebracht. Die 3afjl *h r er Tritglieber ift um 
runb 80 000 geftiegen. Auch bie beiben oorhergehenben Saljre 
1897 unb 1896 weifen ein ähnliches ©athSÜjum auf, wäfjrenb 
baS Sah^fünft 1891 bis 1895 entmeber nur eine mäßige Ber* 
mehrung ober fogar eine zeitweilige Abnahme gebracht hatte. Der 
im „Äorrefponbenzblatt ber ©eneralfommiffion ber ©ewerffchaften 
DeutfdtjlanbS" jefet erftattete Sahresbericht bemerft in feiner (Sin* 
leitung m biefer ©r[cf)einung, „bafo bie ©ewerffchaften DeutfchlanbS 
in ber 3cit beS wirthfehaftlichen BiebergangeS einen Berluft an 
Tritgliebern aufweifen, währeitb bei ber anhaltenb günftigen Äon* 
junftur ber lebten Jaf)re eine fortgefefcte Steigerung ber Tritglieber* 
Zahl fid) Z c ^t-" 3a, es wirb fogar ber Berfuch gemacht, Ziffern* 

Ä ben 3 u f°mmenhang ^txiifchen ber ©ewerffdjaftsbewegung 
en Schwanfungen in ber Ausfuhr beutfeher gabrifate „in 
ber BorauSfebung, bafe an biefer bie ©efchäftslage abzufchäfcen 
ift," nachzuweifen, wie folgenbe Dabelle getgt: 



SJrit» 

Differenz gegenüber 
bem Borjahre 

SSerth ber Aus* 

Differenz gegen* 

3ahr 

glteber* 
Zahl ber 

fuhr beutfeher 
gabrifgte 

über bem Bor* 
jahre 


Berbänbe 

abfolut j 

% 

JC. 

JC 

1891 

277 659 


_ 

2 049 300 000 

— 98200000 

1892 

237 094 

— 40 565 

— 14,61 

1949 600 000 

— 99 700000 

1893 

223 530 

— 13 564 

— 5,73 

1 998 000 000 

+ 48400000 

1894 

246 494 

+ 22 964 

+ 10,27 

1 879 400 000 

— 118 600 000 

1895 

259 175 

+ 12 681 

+ 5,14 

2 179 500 000 

+ 300 100 000 

1896 

329 230 

-h 70 055 

+ 27,00 

2 301 200000 

+ 121700 000 

1897 

412 359 

-h 83 129 

i + 25,30 

2 304 500 000 

+ 3 300 000 

1898 

493 742 

+ 79 879 

+ 19,30 

2 396 100000 

+ 91600000 


Befteht bie Ueberzeugung oon einem folchen 3ufammenhang 
ber Dinge in ben Ieitenben ©ewerffchaftsfreifen, fo müßten biefe 
im eigenen 3ntereffe ber oon ihnen oertretenen Bewegung unb z»m 
Bu^en ber organifirten Arbeiter beftrebt fein, alle Tta&nahmen zu 
unterftüben, bie eine günflige Äonjunfiur befeftigen unb förbern 
fönnen. 3n ©ngfanb gefdjieht baS oon ben Führern ber Drabe* 
UnionS wenigftenS in Bezug auf eine fräftige §anbels*, Äolonial* 
unb Ttarinepolitif. Dafj in Deutfchlanb bie unzweifelhaft oielfach 
oorhanbene ©inficht noch zu wenigen thatfachlichen ©rgebniffen ge* 
führt hat, ift leiber nur zu befannt. freilich tragen auch bie Be* 


gierungSfreife an biefem rücfftänbigen Berhalten ber Arbeiter ihre reich* 
liehe SWttfdhulb, ba fie bie gemerffdjaftlichen Drganifationen fortgefefct 
burch (Eingriff* b*r ©efefcgebung, Berwaltung unb Polizei an ihrer 
freien (Entfaltung hemmen unb baburch baS Btifetrauen auch 9 e 9 e u 
ÜRabnahmen erhalten, bie bem wirthfehaftlichen Sluffchmung nüben 
unb fomtt* ber fcbeitermelt zugute fommen. 

3« euter genauen Ueberftiht werben 57 Drganifationen auf* 
geführt mit' inSgefammt 493 742 ©itgtiebern, bazu fommen noch 
17 500 Arbeiter in Sofaloereinen. ©emerffdfjaftiich finb alfo runb 
510 000 Arbeiter organifirt. 3u ©ewerfoereinen, fatbolifdfjen unb 
eoangeiifchen Srbeiteroereinen mögen weitere 250 000 Arbeiter 
ftehen. 2lngeü(htS ber oerhältiiifcmäfjig furzen 3eit ber Drgani* 
fationSbeftrebungen ift baS immerhin eine gary ftattliche 3ahl, unb 
ihr beftänbigeS ©achsthum beweift, bafe bie Bewegung unaufhalt* 
fam fortfehreitet, freilich gegenüber ber ©efammtmaffe ber gewerb* 
liehen Arbeiter in Deut[chlanb ift ber Sßrozcntfafc ber organifirten 
nur mä&ig: er wirb für bie ©emerffchafter faum mehr als 4 bis 
5 o/ 0 betragen, währenb bie britifchen Drabe*UnionS mit ihren 
l 2 /s Btillionen ©itgliebern etwa ben 6. bis 7. Dheil ber gewerb¬ 
lichen Arbeiter beS &anbeS umfaffen. BefonberS fd^wadh ift bie 
Drganifation ber beutfehen Arbeiterinnen, fie zahlt« inSgefammt 
1898 nur 13 481 SRitglieber, was einen Berluft oon 1163 gegen 
1897 bebeutet Der Bericht bemerft bazu: 

Der Büdaang in ber 3aljl ber organifirten Arbeiterinnen ift über* 
aus ÖebauerUd), benn bie Antbeünabme beS weiblichen ©efdjjlechts an 
ber ©rwerbsthätigfeit befinbet ftch in fortgefefeter Steigerung. . . . Die 
Schwierigfeiten, welche ber Drganifirung oer Arbeiterinnen entgegen* 

K en, fmb jeboch feineSwegS z u unterfd)äben. ©S ift zu berüeffuhtigen, 
bie jüngeren Arbeiterinnen in ber Hoffnung, burch ben ©intrttt in 
bie ©h« aus ber gabrif auSfcheiben zu fönnen, wenig Beigung z«*9 e U/ 
an ben ernften Begebungen ber ©ewerffchaften theilzunehmen. Die 
oerheiratfteten Arbeiterinnen betrachten ben Arbeitslohn oielfach als 
einen 3u|dfju& z u bem ArbeitSeinfommen beS Cannes unb fmb nur 
fctjwer bafur zu gewinnen, biefen 3uf<hub burch ben Sohnfampf zu er* 
hohen. . . . 3mmerhin aber wirb baburch, bafj 13 500 Arbeiterinnen 
heute ben ©emerffhaften angehören, ber Beweis geliefert, bafc es oer* 
fehlt ift, baootuzu fprechen, bafe bie Arbeiterinnen h«ute norif) nidht für 
bie Drganifation reif wären. Bodj ftehen SWiHionen Arbeiter, bei 
benen bie gefchilberten ungünftigen Borbebingungen nicht oorbanben 
finb, ben ©ewerffchaften fern, obgleich in Bezug auf Agitation für bie 
Heranziehung biefer’Arbeiter bisher mehr gethan ift, als für bie Dr- 
ganifiruna ber Arbeiterinnen. 3ahrz«hute waren erforberlich, um bei 
einer halfen Million beutfdjer Arbeiter bie ©rfenntni& oon ber Both* 
wenbigfeit ber Drganifation h«röeiz u füh re u. So fnher, wie wir barauf 
rechnen, baß nidht eine gleich lange 3cit zur Drganifirung einer weiteren 
halben SKülion Arbeiter nothwenbia fein wirb, fo ficher ift barauf zu 
rechnen, bafe troh aller Schwierig feiten, bie entgegenftehen, auch bie 
Drganifirung ber Arbeiterinnen zu einer fortfdfireitenben ©ntwicfelung 
fommen wirb. 

©aS bie einzelnen ©ewerffchaften betrifft, fo fteht an ihrer 
Spifce ber ©itgtieberzahf nach bie ©ewerffdhaft ber Metallarbeiter 
mit 74160; es folgen bie 9Raurer mit 60175, bann bie §oiz s 
arbeitet mit 48 589, bie Deytilarbeiter mit 27 679, bie Bergarbeiter 
mit 27 300, bie Buchjbrudfer mit 24 020, bie 3tuimeret mit 22 104, 
bie Dabafarbeiter mit 15 613, bie Sabrifarbeiter mit 15 101, bie 
Schuhmacher mit 13 727, bie Hafenarbeiter mit 10 037 unb bie 
Steinarbeiter mit 10 000. Aüe übrigen ©ewerffchaften haben 
weniger ©itglieber; einige zählen überhaupt nur ein paar hunbert. 
©ie bie Bfitgliebenahi, fo ift auch bie innere Äraft unb SeiftungS* 
fähigfeit ber einzelnen Drganifationen fehr oerfdhieben unb ungleich* 
werthig. Beben ben Buchbrudfern, bie 56 JlL 21 4 für jebeS 
©itglieb ihres BerbanbeS aufbringen, ftehen mit einem Saftes* 
beitrag oon 33 Jt. 88 4 Äopf bie ^utmacher; auch bie Bilb* 
hauer leiften 26 J(. an ihre Äaffen, bie Hanbfdhuhmadhcr faft 
18 Jf, bie ©igarrenfortirer 21 M, bie ©aftwirthSgehülfen eben* 
fooiel. Aber es giebt auch Drganifationen, wie bie ber Barbiere, 
Hafenarbeiter, Dapezierer, wo ftch bie Jahresbeiträge zmifchen 
1 J(, 71 4 aab 2 JL 97 4 halten. ArbeitSlofen*Untcrftühung 
haben 19 ©ewerffchaften eingeführt; bie Beträge fchwanfen zmifchen 
50 4 unb 1 JL 50 4 täglich- Der Bericht empfiehlt biefe Art 
ber Unterftüfcung zum Behufe ber Äräftigung ber Berbänbe mit 
folgenben ©orten: „Die Drgantfattonen, bie ihre üftitgltebcr 
wä|renb ber 3eit ber ArbeitSlofigfeit unterftüben, werben auch in 
ber 3ett ber wirthfehaftlichen Depreffton einen nennenSwerthen 
SBitglieberoerluft nid)t aufzuweifen haben." 

Die ©efammteinnahmen ber Drganifationen für BereinSzwecfe 
überftiegen 5V2 Trillionen, bie Ausgaben 4 ! / 4 Trillionen Ttarf. Daoon 
würbe für Streifs runb ein Biertel aufgeweiibet (1073 290^). 
Die für Unterftübungen atter Art (Bed)tSfchub, ©emafercgelten* 
unterftübung, Beife*, ArbeitSlofen*, Äranfen*, Snoalibeuunter* 



1248 


1244 


©oktale ©rajtS. Gentralblatt für Sozialpolitif. ©r. 47. 


ftnfcung 2 C.) oermcnbeten Mittel belaufen fi<h auf etwa 1 300 000 JL 
$ie Ausgaben für bie treffe unb bie Agitation betrugen 
655278 , Jf , für Konferenzen unb ©erfammlungen mürben 68693 <stt., 
für ©enoaltungSmaterial 165 926 Jt. unb für ©ehälter 140 423 JL 
aufgemeubet. SDic lefeteren ©often ^aben in einigen, einfeiligen 
Unternehmerintereffcn bieitenben ©lättern eine ebenfo fcharfe mie 
unbillige Kritif erfahren; es mar ba mieber einmal bie ©ebe oon 
ben „Agitatoren, bie ftd) oon ben Arbeitergrofchen mäfien". 9Bie 
fdjlec^t bie ©eroerffd)aftsbeamten unb ©ebaf teure, ohne bie fid) 
both Drganifationen oon £>unberttaufenben nic^t fdöaffen unb er* 
halten Iajfeit, im Allgemeinen befolbet merben, bafür h a & e n bie 
©erhatiblungen beS lebten ©einer ffchaftSfongreffeS ©eroetfe erbracht 
— jebettfalls tonnen ihre ©ehälter entfernt feinen ©ergleidj aus* 
halten mit benen ber ©cneralfefretäre ber Unternehmeroerbänbe, 
bie auf ihrem ©ebiete, mie ber Abgeorönete Freiherr o. $et)I im 
©eichstag feljr richtig h crü0r ho&, bie gleichen Aufgaben ju erfüllen 
haben mie bie ©emerffdjaftsbeamten für bie Arbeiter. — An ©er* 
mögen befaßen bie beutfefjen ©emerffchaften Gnbe 1898 tnSgefatnmt 
4 373 313 Jfi, baoon in ber Hauptfaffe 3 880 092 ,1(. 

$ie 3flhf btt ©emerffchaften, roelche in ber Statiftif geführt 
finb, hat [ich im %crt)vt 1898 gegenüber 1897 ein roeniq oeränbert. 
$er ©erbanb ber glö&er unb bie Drganifationen ber Biographen 
finb für 1898 aus ber Statiftif fortgelaffen. SDer ©erbanb ber 
glöjjer fann als aufgelöft gelten. 2>ie Biographen finb in &ofaI* 
oereinen organifirt, unb eS fehlt biefen an einer Gentralftelle. 
9teu geführt in ber Statiftif finb bie ©erbätibe ber ©ud)brutferei* 
hülfSarbeiter, ber gorntenftecher unb ber ©tofehiniften unb §eijer. 
Sie fchon bemerft, haben bie ©emerffchaften 1898 mieber einen 
beträchtlichen 9JHtglieberzuroad)S 3u oerzeichnen> unb groar oon 
79 879 ober 19,30 % gegenüber 1897. tiefer s Mtglieberzuroa<hS 
entfällt jeboch nicht auf alle Drganifationen. Gs ift im ©egentheil 
in einzelnen ein ©üefgang in ber S)titglieberzahl ju oerzeichnen 
GS oerloren an ©fitgliebern: ©rauer 488, ©ärtner 50, ©laS= 
arbeiter 424, ©olbarbeitcr 10, Hafenarbeiter 963, H»l mat h e r 200; 
Konbitoren 12, ßithographen 965, 5DtüHer 24, Schuhmacher 125, 
Seeleute 523, Steinarbeiter 1500, Steiitfeher 37 unb ©ergolber 29, 
Zufammen 14 Drganifationen 5350 ©iitglieber. 42 Drganifationen 
hatten einen SRitglieberzumachS oon zufammen 85 229, mährenb 
eine Drgdnifation ben gleichen SRitglieberftanb mie 1897 behielt. 

Sie 'ber leptc ©emerffchaftsfongref} in $rattffurt a. s 4)t. bar* 
gethan hat, roenben fi$ bie ©emerffchaften immer mehr praftifchen 
Aufgaben zu: paritätijeheu ArbeitSnadnoeifen, Xarifgemeinf(haften 
mit ben Unternehmern, ber Grrichtung oon Arbeiterfefretariaten, 
bem ©au oon eigenen ©rroerf(<haftsf)äufern, bem Ausbau beS 
UnterftnfeungSfaffenioefenS u. f. m. 9Kit Gntfchiebcnheit roirb auch 
bie feibftänbige, oon ©arteipolitif unb Religion unabhängige ©e* 
loerfjcbaftsbeiuegung betont, obroohl ebenfo entfehieben erficht mirb, 
ba& bie grofec SJtehrzahl ber gemerffchaftlich orgänifirten Arbeiter 
fi<h politifch z ur ^ozialbemofratie befennt unb Den Sahnen biefer 
©artei folgt. $)arin mirb auch folange fein Sanbel eintreten, als 
bie Regierungen ben ArbetterberufSoereinen überhaupt mit SDtife» 
trauen unb Abneigung gegenüberftehen unb fie burch ihre 9Raft* 
nahmen immer mieber in bie fchroffe Dppofition brängen. 


Ar1ieit?rfefrrt«rtat unb $tafetrat| in 9hnm|eiut. Mehrfach ift in 
biefen ©lättern heroorgefjoben morben, bah oiele ©ehörben in Sübbeutfd)* 
lanb in ber gnfiitution ber Arbciterfcfretariate eine Hilfe für bie Gr* 
lebigung ber ihnen ztifoittmeubcn Aufgaben ber Arbeiterfürforge er* 
blicfen. Reuerbiugs bat baS Arbeiterfefretariat in SRamiheim eine Slrt 
amtlicher Anerfemmng erfahren. gn ben int Aufträge beS StabtrathS 
herausgegebenen „Statiftifdien ‘’Dionatsberidjten ber Stabt ^Mannheim' 
merben oon nun an laut Stabtrathsbefdjlub bie Statiftifen über bie 
©enufcung beS Slrbciterfefretariats oerüffentlicht. 

^ienffboteu-SerfaMwlnttgen tu ©erltu. 3n ©erlin machen zur 
3eit ©erfammlungen ber ^ienfiboteu oon fich reben, bie ©lätter 
fprecheu fogar oon einer „^ienftboten^croeguug". ^)ie erften 
©erfammlungen mareit oont llnterftühungSoerein ber ^)ienerfchaft 
einberufen unb füllten aucjcnf<heinli<h ben 3mecfen biefeS ©ereinS 
bienen, ©ian oermahrte lieh in biefen ©erfammlungen entfehieben 
gegen fozialbetnofratifdje 2:enbenzen, erfannte and) an, bafe es gute 
Herrfdjaften gebe, bod) mürben bie ©efinbeorbnungen, bas ©cfinbe* 
oermiethungSmefcn unb befonberS bie Schlafräume, bie Grnährnng 
nub bie ©ehaubluitg mand^er ^ieuftmäbchen einer fdjarfen Kritif 
unterzogen intb oor Ellern eine ^Ibfchaffung ber ©cfinbeorbuung 
unb ©leichfteOung ber ©ienftboten mit ben gemerblichen Arbeitern 
geforbert. 2)ie erften ©erfammlungen mürben oon einem Stfjeil 
ber ©reffe nicht ernft genommen, ja gerabezu „oerulft", anberc 
©lätter riefen nadj ber ©olizei, mieber anberc fpradjen oon fozial* 


bemofratifcher ©fache, ©on biefer fann tnbeffen nicht gefprochen 
merben, ba eine oon ber Sozialbemofratie einberufene ©erfamm* 
lung, in ber fiil^ ©raun über bie ©ienftbotenfrage referirtc, 
nur oon einzelnen $>ienftmäbchen befucht mürbe, obgleich in früheren 
®ienftboten*©erfammlungen müitblich unb burch 3 e ^ e ^ 8 U ^ cr 
fozialbemofratifchen ©erfammlung eingelaben morben mar, roa# 
mieber zur Solge §atte, bafe oon ben Ginberufem ber früheren 
©erfammlungen oor bem ©efuch bet fozialbemofratifchen ©erfamrn* 
lungen geroamt mürbe. So maren in ber Iefcteren roohl oiele 
„©ettoffen unb ©enofRnnen", aber nur menig ^ienftmäbchen er* 
fdjienen. grau ßilp ©raun erflärte beim and) am Schluffe ihre« 
©eferats, bafj man bie ^)ienftmäbchen burdjauS nicht z^ Sozial* 
bemofraten preffen rooHe, man molle bie 2>ienfimäbchen nur er* 
muntern, fich 8« organifiren unb einig aufzutreten. $>ann mürben 
fie oon felbft ins fozialbemofratifche Säger fommen. 3n einer 
©efolution mürbe bie §lbfchaffung ber ©efinbeorbnungen unb ber 
©ienftbücher (oon benen in ©erlitt allein jährlich einige £aufenb 
„oerloren" gehen), Aufhebung beS KoalitionSoerbotS, Hnterftelluna 
ber $)ienftboten unter bie ©emerbeorbnung unb bie Kranfen- unb 
Unfalloerfidjerung, Grrichtung öffentlicher, ftaatUcher ober foutmu* 
naler 2lrbeit$na<hroeife h5r 4)ienftboten unb behörbliche Kontrole 
ber Sohnungett ber ^)ienftmäbchen geforbert. — 3 un Öchft niirb ftch 
erft noch zu 8 e i0 cn hu^cit, ob eS ft^ bei ben ®ienftmäbchen*©er* 
fammlungen um me|r huubelt, als um eine fpontait an bie Dber* 
fläche getretene ©emegung, bie zubem burch bie©eife- unb Serien* 
Zeit begiinftigt mürbe. GS ift {ebenfalls zu benicfftchtigen, baß bie 
©erfammlungen in ber Hmipt[acbc bisher nur oon $>tenftmäbchen 
aus fogenannten feineren Hciufem, feine^njegg aber oon ben 
„©Jäbchen für 5lHeS" aus Heineren bürgerlichen Hciufent befugt 
maren. $)abei foH burchauS nicht oerfannt merben, bafe im ^ienft* 
botenroefen ernftc Uebelftänbe oor|anben Ttub, nur herrfcht anfeheinenb 
unter ben $ienftboten felbft über baS, maS fie roollen, feine oolle 
Klarheit, ©cformbebürftig erfcheint zunächft baS 5)ienftoermitte- 
lungSmefen, ganz abgefehen oon ben ©efinbeorbnungen, bie in 
unfere 3 e ^ nicht mehr paffen. 3m fiebrigen macht fich ein Um* 
bilbungSprozefe infofern bemerfbar, als baS Softem ber Äufmarfe* 
frauen in ben ©ro&ftäbten ftarf zunimmt. 9fad$ ber lebten ©erufS» 
Zählung hut fief) bereu 3«hl erheblich ftärfer öermehrt als bie ©e* 
oölferung foroohl als bie 3<*hl ^ cr meiblichen GcmerbSthättgen 
überhaupt, mährenb bie 3 a hl ber eigentlichen $)ienftmäbchen im 
©üefgang begriffen ift. 

$ie ©erliiter ©ottfntfeher mtb SpebitimtSorfteiter, bie fid) burch über* 
lange Arbeitszeit, 9>?ichtinnehaltung ber ©aufen unb über baS Straf* 
aelberfi)fient auf manchen SpebitionShöfen befdnoert fühlen, fmb in eine 
Öohnbemcgung eingetreten. 9SBie ber „©orroärts" berichtet, bauert bie 
Arbeitszeit int $ur<hfdjmtt bei allen ©crliiter SpebitionSftrmen für bie 
Stoflfutfcher oon 5 1 /« Uhr früh bis 10 Uhr AbenbS ohne ©aufeit. 3n 
ber Hochfaifon mirb bei einzelnen girmen oft bis 2 auch 3 Uhr früh 
gearbeitet. 3ür biefe faft übermeitfchlichen Stiftungen mirb ein ^obn 
oon 16 bis hödjftens 22 M. in ber Söoche gezahlt. 3m SpebitionS* 
gemerbe fennt man bas ©ezahlen oon Ueberftunben überhaupt nicht, 
©on bem fargen Sohne mirb noch 1 JC refp. l,so .4t pro Socljc als 
fogenannte Kaution in Abzug gebracht. $>abei ift ber Siollfutidier ge* 
Zmüngen, fein grühftücf, fein SKittageffen, ©efper, Abenbbrot in ber 
Kneipe einzunehmen, maS hoppelte Ausgaben oerurfacht. gür bie gamilte 
bleiben bann 10 — 12 , im günftigften galle, menn ein paar ©rofdben 
2rinfgelb oerbient merben, 14 jk. für bie ganze SBodje. ^ic Sohn* 
fontmtffion ber ftolifutfcher unb SpebüionSarbeiter, oon benen nur 
ctma 250 organifirt finb, fjut folgettbe gorberungen anfgefteöt: gür 
©obenarbeit ein SDUnbeftlohn oon 21 j/. f für bie Kutfcher 22 M. pro 
3Boche. Güte beftimmte Arbeitszeit mirb nur für bie ©Obenarbeiter 
oerlangt; für bie Kutfcher mirb geforbert, bafe nad) 7 bezm. 8 U^r 
AbenbS feiner oon ihnen mehr auf bie 2our gcfdjicft merben barf. 2)ic 
©Obenarbeiter oerlangen für Ueberftunben 35 bie Kutfcher nach 
9 Uhr AbenbS 50 4 pro Stunbc. 

fceiitfihwitioiiöler 3u bem Auffafc „$ic 

HanblungSgehilfen*Drganifatiouen im S)eutfdben Sieidj" in 9?r. 45 ber 
„Sozialen ©rajris" erhalten mir oon ber ©ermaltung beS „^eutfeh* 
nationalen HanbluitgSgel)üfen*©erbanbeS w in Hamburg folgenbe 3u* 
fdtrtft mit ber ©itte um Aufnahme: „2Benn and) unfer ©erbanb, 'ber 
übrigens nicht 20 000, fonbern z«r 3^t nach Abzug aüer Streidiuugcn, 
Austritte u. f. ro. 30 165 ©fttgliebcr zählt/ ein huuptfädjltcheS ©croicfjt 
auf bie ©ehanblung fozialpolitifd^er Sagesfrageu im Hu»belsgemerbc 
legt, fo hat er banebeu bodj eine 9ieil)c oon ©?ohIfahrtSeinnd)tiingcii 
für feine SJcitglieber getroffen, bie fich mit benen anberer ©erbänbe fchr 
moljl mcffcii tonnen, ^ir ermähnen bie oöllig foftenfreie Abthcilung 
für 9tcdjtsfdjup, bie in biefem 3ahre bereits 842 gäfle (Klagen, A 11 S* 
fünfte, giitlidje ©ercinbanmgen) erlebigte, ferner 36 Oiehilfen zur CJr* 
laugung eines 3 PI ig»MfcS ucrljalf unb bie Auszahlung oon 3906 .✓/. 
Zuriidgclialtcncr ^öbne bemirfte. ®ie ©erfnherung gegen SteQenlofig* 
feit, Die bie SDfitglieber ohne befonbere ©eitragSleiftung im galle uii* 



1245 


©ogtale graste, ©entralblatt für ©ogtalpolittf. Nr. 47. 


1246 


oerfchulbeter 5CrBci4dlofi0fet4 511 m Seguge einer SKonatSrente oon 25 M. 
bi« gur Tauer non 3 SRonaten Berechtigt, hat in ben 19 SÄonaten ihre« 
Seftehen« 8428 Jl. Renten auöbegahlt. Aufcerbem gelangten non ber 
tlnterftüfcungsfaffe für nothleibenbe Serufögenoffen int Saufe ber lejjfen 
l l h 3uhre 3160 M. gur Sertheilung." . . , 

Stttigssg im englif<h«t ^affhinexbatt. 3 U beginn be« Sßlire« 
forberten bie Stafchinen arbeitet in Lancafbire eine Lohnerhöhung 
non 2 sh für bie 28o<he, unb nach längeren Unterhanblungen ge* 
ftanben bie Unternehmer eine ßobnfteigerung non 1 sh wöchentlich 
au, bie nom 1. Suli eintreten foßie, fall« bie ©efdjäftslage um 
oiefe 3*ß eine ßohnfteigerung rechtfertigen follte. 3m 3uli be¬ 
haupteten bie Unternehmer aber, bie ©efihäftslage hübe fuh ner* 
fchlechtert, unb al« fie bie Lohnerhöhung oerroeigerten, fünbigten 
bie Arbeiter in 3Äib-ßancafbire. Um etnen auSgebebnten ©treif 
gu oertneiben, ber 7000 Arbeiter umfaßt hätte, mürben fofort neue 
Unterhanblungen in ßonbon eingeleitet unb man einigte fidf) auf 
folgenbe SBeife: (Ss mürbe ein Unparteilicher geroäbß, bem bie 
Prüfung ber ©efchäftslaae ber Stofdfinenfabrifen in 2Rib*ßancafbire 
nom 1. Hpril bi« 30. 3uni b. 3- obliegt; beoor er feine (Snt* 
fdjeibmtg mittheilt, tritt jeboch für brei Stonate eine Lohnerhöhung 
oon 1 sh in ber Stoche in Kraft. Lautet bie (Sntfiheibung be« Un* 
parteiifchen gu ©unften ber Arbeiter, fo erhalten fte ben rücf» 
ftänbigen ©biHing ab 1. 3uli nachgegabß, roogegen im anbern 
gaße eine Nücfgablung ber Lohnerhöhung feiten« ber Arbeiter 
nicht gu erfolgen hat. 

$ie ^«jfeuauSfperrmig in $&neinarf, bie nun fchon brei 
Monate bauert, ift nach uem ©Reitern ber lebten Vergleich«* 
oerhanblungen 00 m Unternehmeroerbanb auf rocitere 10 000 Ar¬ 
beiter (©chneiber, (Sementarbeiter, ©chloffer unb ©chtniebe, (Srb- 
arbeiter) au«gebehnt roorben, fo bafe nunmehr im ©angen über 
50 000 Arbeiter (nahezu groei drittel aller gemerffchaftlich organi* 
firten Arbeiter) au«gefperrt fmb. (Sin (Snbe be« Kampfe« ift 
umfomeniger abgufeben, al« bie Unternehmer noch mit roeiteren 
AuSfperrungen brohen unb bie Arbeiter unbebingt au«harren 
motten. 3n einem neuerlichen Aufruf an bie beutfchen Arbeiter 
um materielle Unterftüfcung erflären fie, bafi fie nicht nur im eigenen, 
fonbern im Sntereffe ber Hrbeiterfc^aft ber gangen S$eß für ihre 
Drgaitifgtion fäptpfen müfetcn,, ba, ihre ?}ieberlage ba« ©igpaJ .gu 
äbnTtdjen ®Ea|fenau«fperrungen auch in anberen Länberu geben 
mürbe. 3n ben anberen Länbern, oornehmlich in Teutfcblanb, 
roirb für bie AuSgefperrten eifrig gefammett unb e« finb auch fchon 
beträchtliche ©ummeit gufammengefomtnen. Son ben groei bänifd)en 
©eroertfchaftsfübrern, bte SDeutfajIaitb bereiften, um in Serfamm* 
lungen für bie AuSgefperrten gu roirfen, ift ber eine au« ©djleSroig* 
£>olftein au«gemiefen roorben, bem anberen mürbe in ©achfen 
unter Anbrobung ber AuSroeifung oerboten, in Serfammlungen 
gu fprechen. 3ieffi man ©röfie unb SeoölferungSgiffer in Setracht, 
fo ift ber iefeige Kampf in TänemarT ber größte, ber bi« jefct 

Ä bem organifirten Unternehmerthum unb ber geroerffihaft* 
w anifirten Arbeiterfchaft ftattgefunben hat. 


raum ehtfteh^uöen 3>ampfeu in ©erührunö fbmm^U. ' ©elbftoerftäpblitfi 
ift bafür ©orge gu tragen, bafj bie Arbeiter ©elegcnbeit haben, fi<h 
orbnungSmäffig gu roafepen." 

©mmrbeiterfihitb 9tyn*. $ie (Sentralfommiffion für Sau- 
arbeiterfchuh gu Hamburg erläfit einen Aufruf an bie baugeroerb¬ 
lichen Arbeiter im Königreich kapern, roorin barauf hingemiefen 
mirb, bafi e« ber Gentralfommiffion, bie in 38 Drten Sapern« 
oerfucht hat, bie SertrauenSperfonen gur Silbung oon LoTal* 
fommiffionen anguregen, mtr in fieben Drten gelungen ift, folche 
(Einrichtungen gu fd)ajfen. Tie Nothroenbigfeit ber ßofaßommiffionen 
roirb au« ben boh cn UnfaßSgablen in kapern nachgemiefen. Tie 
3ahl ber Serle^ten, für mache llttfaßangeigen erftattet mürben, 
ftieg oon 1811 ober 36,64 °/oo ber Serficherten im gab^e 1886 auf 
5212 ober 56, 0 7%o im Sabre 1897, bie 3 a hl öer burdj Unfälle 
©etöbteten oon 59 im Saht* 1886 auf 101 im 3ab*e 1897; fie 
betrug in ben 12 Sahnen gufammen 1062. Tie baperifche Sau* 
berufggenoffenfthaft hat gur S3eauffi^tigung oon 13 732 betrieben, 
in melchen 92918 Skrficherte befchäftigt roerben, nur gmei Beamte 
angefteüt unb giebt für 5Beauffict)tigung ber Setriebe nur 58 ^ pro 
Setrieb au«, S)a in Sapern ben Saububen, ben 2lbort«anlagen, 
ber genjter* unb Koaf«ofenfrage fein Sntereffe entgegengebracht 
roerbe, roerben bie Lofalfomntiffionen aufgeforbert, btefeit fragen 
ihre befonbere §lufmerffamfeit guguroenben. Slud^ roirb ein eigene« 
Saugerocrbe-Snfpeftorat geforbert. (Snblich roirb eine grünb¬ 
liche Reform UnfaHoerfid)erung«gefehe« oerlangt, bamit ben 
Arbeitern ein genügenber (Siitflufi auf bie Serroaltung unb bie Sln- 
ftellung ber Seauftragten ein geräumt roerbe. 

($ugttf<he SlrbeiterfchuhbUlt«. 5)ie am 9. Sluguft beenbete 
©effion oe« englifchen Parlament« hat eine 9teihe oon (Snhoürfen 
unerlebigt gelaffen, bie einen Slu«bau ber ^Irbeiterfchubgefehe be* 
groedfen. darunter befinbet fich eine Sill oon £ennant, Sunt« 
unb ©ir (Sharle« ®ilfe, betrefienb bie 2lu«behnung aller ©anität«- 
oorfchriften auf $>eimarbeit«ftätten; für bie gefunbheitlidjcn Ser* 
hSIttiiffe fold)er Wohnungen foUen foroohl ,jpau«eigenthümer al« 
Stiether unb Arbeitgeber haftbar gemacht roeroen. ^)ie Sill fieht 
weitere Arbeiterfdjugbeftimmungen auch in Sfabrifen oor, forbert 
Sorfchriften bcgiiglich be« Licpte«, ber Kanalifirung unb 5trinf* 
roaffer« in Jabrifen foroie ber Sentilation. ^De«glei^en .roirb eine 
Neuregelung ber Seftimmungen ^infid|tnd> ber grauen- unb 
Kinberarbeit oörgefchlagen, auch foll ben Textilarbeitern, eoentueE 
allen gabrifarbettern, ein wöchentlicher $atbruhetag au&er bem 
©onntag obligatorifch geroährt roerben. @ine anbere Sill oon 
Norton, Taoit unb SDilfe forbert, bafi e« ben Arbeitgebern gefefc- 
lich unterfagt roerben folle, ihre Arbeiter gum Austritt au«, einer 
Sereinigung ober gum Seitritt gu einer fofehen gu oerhalten ober 
bie« gu einer Sebingung be« ArbeitSoertrageS gu machen. (Sine 
anbere Sill oon Sroabpurft, £>aoeIocf unb ©ir SBaßer gofter be¬ 
faßt fich mit Trudoerboten; ßohnrücfhaltungen unb ©trafabgüge 
foUen oerboten roerben unb e« follen bie Trucfgefefcc auch auf 

t eimarbeit au«gebehnt roerben; in jebem gatt foEt ba« ©efefe bem 
rbeiter bie 3 ö plung feine« gangen Lohne« garantiren. 


Arbcitarftyttfe. 


©<l«h ber in 3ünbholgfabrife* Befchäftigteu Arbeiter, ©ine 
00 m preufiifchen $anbel«minifter im April 0 . 3* oeranlafjte 
Unterfuchung barüber, worauf bie bei ben Arbeitern in 3ünbholg- 
fabrifen oorfommenben §autau«fchläge gurüefguführen finb, hat 
ergeben, bafi unreine Paraffine, bie als fogenannte Tunfmaffe oer* 
roenbet roerben, bie ©rfranfungen oerurfa^jen. 3u einem Nunb* 
fchreiben über bie ©efunbheitsfd)äbigungen in 3äabholgfabrifen 
führt ber SJtinifter au«: 

,,©« fepeint al« feftftetjcnbangenommen roerben gubürfen, ba^bte^aut* 
au«fd)Iäge nur bort auftreten, roo bie billigen, mit allerlei $robuften ber 
troefenen TeftiHation oerutireinigten Paraffine oerroenbetroerben; jebenfallS 
Tann nicht begroeifelt loerben, baß bie «£>autait£fd)läge, roo fie früher beob* 
a^tet roorben finb, oerfchroanben, nad^bem bie gabrifanteu ftatt be« früher 
oerroenbeten ungereinigten Paraffin« 3 ur Serroenbung reinen Paraffin« 
übergegangen roaren. Audj bie (Einführung mafdjincrier Sorridjtunaen 
gum AbfiiKen ber ^ünbhölger hat auf ben ©efunbljeitSjuftanb ber ba¬ 
mit Befchäftigten ^erfonen günftig geroirft. danach ift barauf ^u 
halten, baß in ben günbholgfabrifcn thunlidjft gereinigte« ^arafpn 
oerroenbet, bafe aber, roo bie« nicht gedieht, auf eine möglichft 00 H* 
ftänbige (Entfernung ber bei ber (Erwärmung be« Paraffin« entftchenben 
Kämpfe mit Nacpbrud hingeroirft roerbe unb bafi bie al« befonber« 
empfinblid) fich erroeifenben ^erfonen nur mit Serrichtungen befchäftigt 
roerben, bet benen fte roeber mit Paraffin, noch mit ben im ^araffinir- 


Jirbclttmerflitjeröttg, «parHulfc». 


3#* ©icttttttg ber Aerjte gn bett Kranfeufaffen roirb au« 
T)re«ben folgenber Seitrag oerieptet: 3m Königreid) ©achfen ift 
ben Aergten ber SetriebSfranfenfaffe ber Staatsbahnen ein 
neuer Sertrag Oorgelegt roorben, in bem bie ärgtlichen Honorare 
niebriger (!) al« bie 1 JL betragenben Ntinbeftfäfee ber ärgtlichen 
©ebührenorbnung bemeffen roerben. (Stoa 200 Aergte haben fich 
mit ben Sebingungen ber (Sifenbahnoerroaltung einoerftanben er- 
Tlärt. Sefet haben aber bie ärgtlichen SejirfSoereiite, welche bic 
©runblage ber ftaatlichen Aergte-Drganifatton bilben, gegen beit 
Abfchlufi biefer Serträge ©infpruch erhoben, fie beabfidfitgen aud), 
gegen bie Aergte, welche fich bereit« gegen bic (Sifenbahnoerroaltung 
willfährig gegeigt haben, mit aßen ihnen gu ©cbote ftehenben 
Mitteln eingufchreiten. S)a bie SegirTsoereine bie Sorlegung oou 
Serträgen oerlangen fömten, forbern fie bie Aergte, bie folgen 
bereit« gugeftimmt haben, auf, ihre 3ufage gurüefgugiehen, toibrigen^ 
faß« ein ehrengerichtliche« Verfahren gegen fie eingeleitet roerben 
würbe. Segrünbet roirb ba« Sorgehen ber Segirf«oereine mit 
bem .gnnroeife, bafi bie SetriebsfranfenTaffe ber 8taat«bahnen fich 
nicht in einer Notblage befinbe unb bafi beöroegen Tein ©runb 
oorliege, ihr auf bie Smibeftfäfce ber ©ebiibrenorbnung einen Nad)- 
lafi gu gewähren. 



1247 


Soziale frafi*; ©entralMatt für Sogialpoltttt Ar. 47. 


1248 


ftmteuftettett für Ue 3utebe»tietft<bftttng tt«b %& Bertel 
etantgefifiber Arbeiteröerchte Württembergs. 5)er Berbcntb eoan* 
elifrf)er Arbeiteroereiite Württembergs bittet in einer Eingabe an 
ad Minifterium bed Snnern um (Einrichtung non prtlidjen Renten* 
ftetten. Bie Eingabe begrünbet bad Bebürfntß nach folgen 
Aentenftetteu mit bem £>tnweid auf bie ©efcbäftdoerfcbleppung bur<b 
bie Dberämter, bie gttweilen ihren ©nmb in mangelhaften Hennt* 
niffen unb Erfahrung junger Beamten te e - £aß bent gegenüber 
bie Aufteilung „niebergeprüfter" Berwaltungdfanbibaten empfohlen 
wirb, um an ben Höften gu fparcn, halten wir für oerfebrt. Benn 
bad ©lefeß ift fo fompligirt, baß bie Aufteilung eined juriftifch ge* 
bilbeten Beamten notßwenbig, unb bie ©efdjäfte ber Drtdbehörbe 
für bie Arbeiteroerficherung finb fo umfangreich, bie babei auf bem 
Spiele ftehenben Sntereffen ber Arbeiter fo wichtig/ baß bie An* 
Heilung afabetnifd) gebilbeter Beamten, bie übrigend roohl faurn 
in einem anberen ßanbe billiger arbeiten ald in Württemberg, nicht 
gu theuer erfdjeint. Bie Eingabe, ber mir fonft natürlich in ihrem 
©nbgwecf durchaus guftimmen, führt refumirenb aud: 

Hofer gbeal wirb natürlich eine Aentenfielle fein, oon ber bem 
Aachfnchenben auch gleichseitig ber Befreit) über fein ©efud) ertheilt 
wirb. Allein, abgefeßen baoon, baß fuß biefe Sßätigfeit ber Berftthe* 
rungdanftalt in burchaud anerfennendwerther Weife oolljieljt, möchten 
wir mit Anbern glauben, baß ftd) oorläuftg ein fdjrittmeifed Borgeben 
auf bem gu betretenden Bfabe empfiehlt, möchten aber an (Sin l)ol)ed 
Äöttiglidjed Minifterium bie bringende unb ergebene Bitte richten, 
bicfent $nnft eine fortwährende wohlwollende Aufmerffamfeit gu 
fchenfen. ©d ift außer allem 3weifel, baß bie Aentenfteflen oor allem 
anberen geeignet ftnb, oerföhnenb gu wirfen unb baburdj bagu bei* 
juiragen, bah bie fogialen ©egenfäße immer mehr ausgeglichen werben 
ünb auch bagu, baß bie fogialen ©efeße ft<h endlich ber Beliebtheit er* 
freuen, bie fte oerbienen. 

Äfterdpeuftotid-Borfchlftfle in &nglattb* Bie Homtniffion bed 
englifchen llnterhaufed gur ^Srufung ber beftehenben Alterdunter* 
ftüßungd* unb Benjlondeinridjtungen für würdige Bedürftige (ogl. 
„Sogiale Brarid" ©p. 929 unb 1178) behandelt in ihrem Bericht 
fieben oerfchieoene Borlagen darüber, fdßägt aber baoon feine gur 
Annahme oor, fonbern fprniulirt felbft allgemeine ©runbfäße. 
Biefe ftüßeu fich h<wptfächli<h auf bad in Bänemarf eingeführte 
Alterdpenfiondfpftcm unb auf bie ungefähr 250 in Geltung flehen* 
den Berforgungdpläne ber Wol)lfal)ridpfIegcr. Sie ftiputirc'ff 
folgende Bedingungen für bie Benfiondberechtigung: „Ber männ* 
lidhe ober weibliche Benftondcmpfänger muß britifcher llnterthan 
fein, 2. er muß 65 Söhre alt fein, 3. er darf während ber leßten 
20 ßebendjahre nid)t eine 3ud)tf)aud* ober ©efänqnißftrafe erlitten 
haben, 4. er darf in beit leßten 20 Sahren oor feiner Forderung 
der Alterdpennon, außer mebigitiifchcr, feine Unterftüßung aud ber 
Ärmenfaffe erhalten haben, ed fei denn in außerordentlichen Satten, 

5. er darf nicht mehr ald 10 jf(, wöchentliched ©infommen haben, 

6, er muß nach heften Hräfteu, fei ed durch feinen gleiß ober durch 
oerftänbige ©parfamfeit, oerfucht haben, für fid) und feine nächften 
Angehörigen Borforge gu treffen, 7. er muß im Begirf ber Ben* 
fiondbehörbe wohnen." ©d fptt nämlich in jedem Armetihaudbegirf 
eine Beufioudbef)örbc 3ur Annahme oon ©efuthen unb ©ntfeheibuna 
über bie Berechtigungen eingerichtet werben, ©tefe Behörde fott 
aud einer Hommtffion oon 6 bie 12 Mitgliedern beftehen, bie oon 
den Armenpflegern aud ihrer Bütte gewählt werben. Broß biefer 
3ufammenfcßiing fott bie Hommiffion oom Armenrath unabhängig 
fein und, nach Borfcßriften, bie oon ber Dridbeßorbe gu erlaffen 
find, durch andere 'Mitglieder ergäugt werben; unbefchabet der 
Mehrheit der Armcnpflcger fötten and) andere öffentliche Körper* 
fchafteit in ber Hommiffion oertreten fein, ©ie .Höften ber Benfion 
fotten oon den allgemeinen Begirtdarmenfonbd getragen werben, 
dem ftaatliche 3»fä)iiffe entfprecßenb ber Beoölferung bed Begirfd 
gegeben werben fotten, aber nur bid gur £älfte ber oeranfdjlagten 
Benfiondbcträge. Ber nähere Hoftenoerthcilungdplan fott während 
ber Barlamentdferien durch fompetente Sacboerftänbige audge* 
arbeitet werben, Bie B en t’ion fott eutfprechenb der ortsüblichen 
^ebendhaltuiig nicht weniger ald 5 und nicht mehr ald 7 sh. die 
Wod)e betragen unb durch bie Baft audgegahlt werben, ©ie fott 
auf minbeftend drei gabre gewährt unb bann erneuert werben, ift 
aber jeder 3eit widerruflich- Bie Audfiihniugdbeftimmungeu gelten 
gunärfjft für ©nglanb unb Waied, fönnen aber fmngemäß auf 
Sdjottlanb und Srlanb andgebchnt werben. 

^ie Sfommiffioii hält eine Aenbermtg bed Armengefeßed ald 
©rgängung gu biefen Borfchlägen für nothwenbig (ogl. €p. 1178) 
unb fcßließt fich iw Attgemeinen den Borfchlägen ber .J)eimftätten* 
(Cottage Homes)Hommi)fion an aud) begüglidj ber Bläue für ©r* 
riditung oon getrennten .s^audeheu für alte würdige unb bedürftige 
©hepaare bei den Arbeitdt)äu)eru, ebenfo begiiglid) ber Hlaffififation 


ber Armen, ©in gebruefter Borfchlag eined Mitgliedes ber Äom* 
miffton, Mr. äeeft), fpricht fich 0CÖ en jede Alterdpenfion and; er 
meint, baß durch „ein ausgedehntes unb flaret präciptted Spftem 
der Armenflaffififation bad B^ablem anfeheinenb am beften gelöft 
werben dürfte". — Sn den Borfchlägen ber Äommiffion ift bie Ber* 
quiefung biefer Alterdoerforgung mit ber Armenpflege oom Stand* 
punlie unterer beutfehen Alterdoerficherungdgefeßgcbuug recht peinlich- 

3ur llnterftühung ber Äommiffion ift oom Arbeitsamt bed 
£mnbeldminifteriiimd eine Ueberficht über die ftaatliche Alterd* 
oerforgung in europäifchen Ländern audgearbeitet worben. Bon 
den 11 ßänbern haben eigentlich nur ©eutfchlanb und ^änemart 
ein allgemeines Alterdoerforgungd- ober llntcritüßungdfpftem. 3)ad 
bänifefje Spftem fieht für jede bedürftige unbefd|oltene Berfon 
über 60 Sah^c eine befonbere Altcrdunterftüßung oor. 5)er ©m* 
pfänaer braucht feine bireften Beiträge gu begahlen unb bie .pöhe 
ber Benfion ift nicht gefeßlich feftgelegt, fie muß für den Bewerber 
unb feine gamilie audreidjen. 2)ie Annahme biefer Ilntcrftüßung 
hat feine Bermtnberung bed Wahlrechts im ©efolgc. Sw 3ahre 
1896 wurden 36 240 ‘ Betonen mit 14 223 Angehörigen mit 
4 326 340 c/fL unterftüßt, eine Summe, bie gur $>älfte oom Staat, 
gur §älfte oon den ©lemeinben getragen wurde. 3)er Bericht er* 
wähnt eine gwangdweife Berficherung für 3^ianb nach einem ©e* 
feß oon 1890, ftettt aber feft, baß bisher noch feine Berficherung 
banach gegahlt worben ift. 

Unterftäßttug ber Friendly societies durch beu ©raffch«ftdrat| tu 

©heffhre, $er ©raff^aftdrath oon ©ßefhire hat eine Berfügung erlaßen, 
ber gufolge alle durch ihn angeftellten Arbeiter Mitglieder irgend einer 
der woßlfunbirten „©enoßenfd)aftcn ber greunbe" fein müfjen. Alle 
Arbeiter, bie einer biefer ©eicllfdjaftcn beitreten, erhalten eine ioöd)cntlicfje 
Zulage oon 50^. Ber ©raffchaftdrath will feine neuen Arbeiter ein= 
[teilen, bie ftch ni$t ber Borfchrift bed (Eintritts fügen. 


Motyumijpmtfm. 


Staatftdje Wohnungdreform in Baßem. BHinchener Blatter 
oerbreiteten oor Sfurgem bie Aachricht, baß die Regierung an den 
ßanbtag eine Borlage gu bringen gebenfe, in ber gum Bau oon 
Wohnhünfern für die bei der föniglid) baprifchen Staatdbahn an* 
geftettten Arbeiter unb Bebienfteten bie Summe oon 30 Millionen 
Marf oerlangt werben fotte. Bie Mieten füllten einer Berginfung 
bed Sfapitald mit 3% entfprcchen. Biefe pofttio auftretenbe Aach* 
rid)t flang gwar fefjr erfreulidß, wenn man bie fd)wachen Berfuche 
der Staatdbahnoerwaltung gur Aeform ber Wohnungen in Betracht 
gieht aber ber llmftanb, baß fefte 3iff e ^n in fo h*>h cm Betrage 
genannt wurden, mußte etwas Mißtrauen erweefen. An guftänbiger 
Stelle eingegogenc Snformationen haben benn auch, wie man und 
aud München fcfjreibt, ergeben, baß die Mitteilungen in der Brrifc 
gum Bheil unrichtig find. Atterbingd beabfichtigt bie Aegierung 
eine Borlage, betreffend bie ©rridjtung oon Arbeitenoohnungen 
für bie Staatdbal)narbeiter u. f. m., an ben neuen Sanbtag m 
bringen, boöß find Betaild noch nicht gur Beröffentlichung gereift. 
Sebenfattd ift bie beftimmte Angabe, baß bad B^ftulat 30 Miüioneu 
betrage, unrichtig. 

(ScmeiuMiche Wohnungdfürforge für ftäbtifdje Arbeiter tt«b 
Bebieuftete in Aümberg. Burch Bcfchlüffe ber ©emeinbebehörben 
oom 10. und 21. gebruar 1899 war beftirnmt worben, baß gu* 
nächft für ftäbtifche Arbeiter unb Bebienftete gefunbe unb behag* 
liehe Mietwohnungen gegen mäßige Miethpreife — feine Bienft» 
Wohnungen — befdiafft werben fotten. Aach einer amtlichen (Er* 
bebung werben gur 3 e ü l 555 nicbere Bebienftete unb Arbeiter oon 
ber Stabtgemeinbe Aürnberg ftänbig befchäftigt; bie nur oorüber* 
gehend auf furge 3 e ü befchäftigten Arbeiter find nicht mit einge* 
rechnet, ebenfowenig bie £ehrer, bie ftäbtifchen Dberbeamten, Be* 
amten 1. und II. klaffe u. f. w. Bon biefen 1555 Arbeitern unb 
Bebienfteten find 105 = 7% im Beftß oon Bien ft Wohnungen. 
700 = 45% haben bie ©rflärung abgegeben, baß fte auf eine 
ftäbtifd)e Miethwoßnung refleftiren. Bon ben Miethdluftigen ftnb 
8 % ledig, 19 % oerheirathet ohne unoerforgte Hinber unb 73 o/ 0 
oerheiratbet mit unoerforgtett .Hindern. Aach ihrer Bcrufdftettung 
gehören gu ben 700 Miethdluftigen 403 Arbeiter (Dberauffefyer, 
$luffef)er, Mafchiniften, Monteure, §audbiener, Arbeiter, Jage* 
löhner u. f. w.) unb 297 Bebienftete, darunter 9 BoUseiwacbt* 
tneifter, 130 Sd)ußlcute, 39 Boten, 15 ©efätt*©innebnter, 27 gunf* 
tionäre, 9 Haitgliften, 7 Affiftenten, 11 Schreiber u. f. w. Bie 
fämmtlichen Miethdluftigen wünfd)en, baß bie ftäbtifchen Mieth* 
Wohnungen mit ben üblichen Bequemlichfeiteit, indbefonberc mit 
1 Hüche, 1 Speifc*, 1 Boden*, 1 Heller* unb 1 Wafcbfücbenantbeil 



1249 


©ojioJt $ra£i$. Eentraßblott für ©ogialpölttil. Sir. 47. 


1250 


oerfehen ftnb. Setterhin beattfprudien oon ben 200 StethS? 
luftigen 

165 = 24 °/ 0 eine Stethwoljnung mit 1 3iimner uhb i Kammer 

= 1 * ■ ■ * 2 Kammern 

5 1 = * 3 S 

* 2 

«2 i s 1 

* ,2 -■ =2 =• 

*' 2 '* = 3 

= 8 

s 3 s * 1 s 

= 3 * 3 2 3 

* 4 3 3 1 3 

6 = 1 % ein möblirteg Sintnter, 

b. b- 80% wünfchen big gu 3 Sohnräumen, währenb bie übrigen 
20% über 3 So|nräume beanfpruchen. 

Ein mit ber weiteren Prüfung ber SBoIjnunggfrage betrauter 
Unteraugfchufc ber ©emeinbebefjörben berietb nunmehr auf Erunb 
biefcr Errungen unb mehrerer eingeholter ®u tagten auswärtiger 
Eenteinben unb ^ßrioatunternebmitngen. $)er Referent, 9ted)tsrath 
Sedfb, frf)lug mehrere für biefe Sohmniggbauten in Setracht 
fontmenbe ftäbtifd^c Erunbftücfe oor. Sei ber Auswahl biefer 
Saupläfce nahm ber Ausrufe Darauf föücfficht, ba& feine fo* 
genannte Arbeiierlolonie, baS ift fein eigeneg ©tabtoiertcl, für Die 
ftäbtifchen Scbienfteten unb Arbeiter gefdjaffen werben fofl, fonbern 
bafj in Sücfft d)t auf bie oerfd)tebene SerufSfteHung ber Sebienfteten 
bie ftäbtifchen Kleinwohnungen gruppenweife in ben oerfchiebenen 
6tabttbeilen errichtet werben, ferner, bafe bie Saupläfce an §aupt- 
Stabialftra&en unb in möglichfter Siähe non Straßenbahnlinien ge« 
legen ftnb, weiterhin baß eine entfprechenbe Eutwäfferung, fomie 
bie Suleiiung non Saffer unb (Sag ermöglicht ift, enblidfj baß ber 
Serif) ber Saupläfee ein entfprechenber ift, b. h- nod) eine an* 
gemeffene Sergiufung beg gefammten, für ben fraglichen 3 n,C£ * 
non ber Stabtgemeinbe aufgewenbeten Kapitals guläßt. Sei ber 
grage: „Sie fall gebaut werben?" war ber Ausfluß einftimmig 
ber Anfchaüung, baß geräumige, fyJk, trocfene gefunbe, überhaupt 
möglidhft gute unb babei boch einfache unb billige Kleinwohnungeä 
hergeftettt werben füllen, bann, baß womöglich Eärten, unb jeben* 
fallg enifprechenb große §öfe gum Aufenthalt für Kinber unb Er- 
wadhfene bei ben Raufern oorgufehen ftnb, unb baß bei bem Sau 
ber Käufer alles einförmige, fchablonenhafie unb fafernentnäßige 
gu oermeiben ift, baß oielmehr bie $äufer ein gefälligeg AuSfeben 
haben unb ein abwechslungsreiches Silb geben unb oon ben 
prioaten Käufern ft<h nicht unterfcheiben füllen. S)ie Sohumtgen 
follen gumeift aug 3 Sohnräumen (1 3immer unb 2 Kammern 
ober 2 3tmmern im b 1 Kammer) beftehen; eiugelne Sohnungen 
ftnb fleiiter hergufteHen mit 1 3«™™* unb 1 Kammer. Sei fämmt* 
liehen Sofjnungen muß ftetg 1 Küche oorhanben fein, auf beren 
praftiftfje Eintfjeiluna befonbers gu fehen ift. 3tn Uebrigen foHen 
bie Wohnungen mit ben üblichen Sequemlichfeiten, wie mit 
1 Soben unb 1 KeUerantheile u. f. w. möglichft felbftftänbig aug* 
geftattet werben, bamit fie für ficb abgefchloffen gehalten werben 
fönneu; gemeinfam füllen nur folche Einrichtungen, wie Safch* 
füchen u. f. w. fein. ®rei folche Kleinwohnungen futb in ber 
Siegel gu einem gaufe fo gu oereinigen, baß leßtereS je 1 Sohmntg 
imErbgefchoß, im Dbergefdjoß unb im $5achgefd)oß enthält. Um 
bie Anlage- unb Saufoften. gu oerringern, ferner um ben $>äufern 
ein beffereg Augfehen geben gu fönnen, finb feine Eingelhäufer gu 
erbauen, foubern ftetg 2 ober 3 berartige Käufer gu einem Ee- 
bäube gu oereinigen, mit anberen Sorten: dg wirb oorgefchlagen, 
tljeilg 2)oppelhäufer, theilS breitheilige Käufer gu errichten. 

Sei ber grage: „Sie oiele Käufer foHen gebaut werben?" 
einigte fid) ber AuSfd>uß bahin, gunächft einen Serfu<h gu machen 
unb erft, wenn ber Serfuch gelingt, Kleinwohnungen in gröberer 
Angabi, etwa big gu 200 mit einem KapitalSaufwanb big gu einer 
StiHion SWarf herguftellen. $>emgufolge wirb begutachtet, auf ben 
befonberg geeigneten Sauplä^en, nämlich 1. an ber gürtherftraße, 
2. auf bem SubwigSfelbe an ber Siegengburger 0traße, — oon 
welchen Släfeeti ber erftere an bem weftlichen, ber lefetere an bem 
öftlidjen Umfrcig ber Altftabt Slüntberg unb beibe an öauptlinien 
ber @trabenbahn ober hoch in beren $äbe gelegen fmD, gunächft 
je 6—10 §äufer (theilg 2)oppelbäufer, theilg breitheilige «öäufer) 
mit ie 54 Kleinwohnungen aufguführen, fo bab für ben Anfang 
108 gute, gefunbe unb billige Kleinwohnungen für ben fraglichen 
3wecf gur Serfügung ftehen. 

SDiefeg (Suta%teu beg Augf<huffeg würbe in ber (Sefammtfibung 
beg Stagiftrateg oom 28. Quli einftimmig genehmigt unb bag 
©tabtbauamt fofort oom SRagiftrat beauftragt, fo halb atg nur 
irgeub möglich, bie erforberlichen Släne unb Koftenaufchläge aug- 


guarbeiten, wobei auch ber bur^fchnittti^e $erfteHunggpreig für 
je eine SBohnung ün drbgefchob, im BbergeT^Ob unb im SDadjs 
gefchob berechnet werben foll. 

SBohnuuggfürforge ht Se^gtg-fiinbe’natt» $>er Serein für Er¬ 
bauung billiger Wohnungen h^t nach feinem foeben erfchienenen 
Sericht währenb ber lepten Drei 3a^ e 13 §äufer mit 121 
^Bohnungen, bie oon 480 Köpfen bewohnt werben, erbaut. $)er 
Seftqnb beg Sereing beläuft fich auf 62 Käufer mit*529 Söohnungeü 
unb 2110 Sewohnern. 2)er Ein'heitgpretg pro- Duabratmeter nuh s 
baren SBohnraumg beträgt 3,74 JL jährlich. $>er ÜJtietheinnähme 
pon runb 47 000 c /# fte|en Aufwenbutigen für bie Käufer oon 
32 000 c JL gegenüber, unb eg fonnte bag Anlagefapital oon 
2 438 519 c /ft mit 2, 62 % üerginft 'werben. 3m nächlten 3abr füll 
auf Eutribfcher Starfunji eine neue Anlage in Angriff g&iopimett 
werben. Ein gweiter Serein („Oftheim") h<*t im Iefeteii Sahre 

20 Käufer fertigfteHen laffen. 

föohnunggperhiltntffe in Kavfgrnh^ ^tatiftifche Amt ber 
0tabt Karlgruhe fe(jt feine 3 ähl«ngen ber Ieerftehenben SBohnungen 
regelmäbig fort. 2)ie Erhebung am 1.3uli ergab, baft 292 Wohnungen 
leer ftanben, *= 1,4 % aller ©ohuuitaen. Sleue SBohnungen würben 
1898 1011 hergeitetit. (Segen Aprif hat bie3ahl ber leerftehenbeu 
Sohnungen um 19 abgenommen, bagegen war fie um 128 gröjjer 
alg am 1. 3«li 1898. Stad) Eröfee oertheilen ftch bie leerftehenbeu 
Sohnungen wie folgt: 14 Eingimmermohnungen, 50 3meigimmer- 
wohnungen, 81 breigimmerige, 58 oiergimmerige, 42 fünfgimmerige, 

21 fechggitnmerige, 7 ftebengimmerige unb 9 Sohnungen mit 8 

unb mehr 3immer. 2>ie ber gur Serfüguug fteheitben 

Sohnungen waren: 

für 1 3immer. 80— 180 M. 

- 2 - . 144— 330 3 

3 3 - ......... 216- 1 50 3 

3 4 3 . . . .. 300—1000 3 

3 5 3 .. 600-1800 3 

3 6 3 . . .. 700 - 2000 3 

3 7 3 . 1070-1900 3 

3 8 unb mehr3immern. , . . r . 900—2800 3 

An billigen 3mei-unb . 5Dreigimmerwohnungen ift fortgefebt 
großer Saugel. SDiefe Sloth wirb fich bei ber lebhaften Se- 
fdjäft^gung in allen ÖrtbnftriegWeigen mb bem Kanal- uitb ^afetM 
bau in nachfter 3^1 mohl nod) fteigern. 


nnb jCUUrnnj, 


^anbelgfdpile für tteiüliche HngefteDte in ftämburg. San fihreiöt 
ung aug Hamburg: „®er Serein „^ubuftria" gur görbenmg ber tm 
§anbel unb (Bewerbe tl)ätigen weiblichen Angeffellfen Hamburgs wirb 
am 1. Oftober eine .ftaubelgfdjule eröffnen. Sorläufig ift ein einjähriget 
Kurfug norgefchen, bie Stuubenjnbl beträgt wöchentlich 24. feer mit 
ben Sorarbeiten betrauten Kontmiffion ift eg gelungen bie erften Sehr» 
fräfte ber männlichen §anbelgfch«Ie beg Sereing für ^»amburgg Eomntig 
oon 1858 für bie @chule gu gewinnen, gur bie erften fünf ^ctljre ift 
ein jährlicher 3 u hh u & üon 2 —8000 Jl. non prioater 0 etfe gugefidhert 
worben. San hofft guoerftchtlid), in wenigen fahren ber Hamburger 
Kaufmannfchaft burch biefeg Unternehmen eine Angahl gut gefdjuuer 
weiblid)cr Arbeitgfräfte gnguführen imb bie beredjtigtcn Klagen, bag 
bie uugefchulte Arbeitgfraft ber grau bag Eehalt beg Samteg herab* 
brüdt, gum Schweigen gu bringen. Sann unb 3rau muffen heute ben 
Kampf umg 2)afein in gleicher SBeife aufnehmen, gleiche Öeiftungen be* 
hingen gleichen Sohn, ohne Unterfchieb non welchem Eefchledjt Ü c aug* 
geführt werben." 

Unentgcftttdjfeit ber Sehmittel in Bär!#, giir bie unentgeltliche 
Serabfolgung oon Sehrmitteln unb ©djreibmatcrialien in fämmtlidjen 
Solfgfchulen hat bie Stabt Sürich int 3ahre 1898 bie ©unune oon 
90 252 grcg- auggegeben, bei 160 000 Einwohnern 56 Etg. pro Kopf 
ber Seoölferung. 

Settegima gegen bie ^ortbUbmtggabenbfchuleti in Englanb. 2)ie 
ÄugbUbung beg unentgeltU^en Abenb'Sortbilbunggunterrichtg, bie Ec* 
Währung oon freiem 3rid)eitmaterial u. f. w. in Englanb hat eine Ecgen» 
bewegung oon Schulen heroorgernfen, bie ähnlidje Sehrgwcde oer= 
folgen. 2)er Aubiteur ber lotalen «Sdjulbeputation hat bie |>anblungg 3 
weife beg Sonboner 0 djulamteg für ungefefeli^ erflärt, eg habe fein 
Stecht, bie Steuern gur .Unterhaltung foldjer über ben 3wedt oon 
Elemcntarfchulen hinauggehenben Sehranftalten gu oerrocubeu. 2)iefc 
Auggaben Dürften nur gemacht werben, wenn ber Eraffdjaftgrath/ bie 
für biefe Ergiehnng oerautworlidje Seljörbe, finangielle ^ülfc leifte. 
$5ag Sonboner 0d)ulamt hat gegen biefe Entweihung Scfdjwerbe ein* 
gelegt. 


135 = 19 % 

3 - 0 , 430/0 

16=2 o/ 0 

253 = 37 % 

29 = 4 % 


1 = 

35 = 
49 = 
2 = 


0,14 o/ n 3 

5 % * 

7 °l o * 

0,3 % 3 


1 = 0,140/0 










1251 


6ogiale $ra£tS. ©entralblatt für SogtolpoliitF. 9h. 47. 


1252 


dinigimgsaitttrr, 

Pittfdfnttgen 

Bebigirt oon ©emerberid>ter Dr. @ <h a 1h o r n, Berlin. 

ftedjtftredjnng. 

Sft bet Arbeitgeber Befugt, ehtett unter ftüttbigmtgSaitSfdjtoj? augettomutcueu 
Arbeiter int Saufe einer tynt übertragenen Aftorbarbeit gn entlaffen? 

Xie grage ift verneint in einem Urtfjcil bes ©ewerbegeridjtS 
Berlin oom 15. 2>ejember 1898 unb in bem hierauf ergangenen Be* 
rufungsurtheil beS ßanbgerichts I Berlin. Sie ift bejaht in gwei 
weiteren Urtheilen beS ©ewerbegeridjts Berlin oont 21. 9iooember 1898 
unb 9. SRai 1899. 

1. Urttjeü beS ©ewerbcgeridjtS Berlin, Kammer 5, com 
15. Xegetnber 1898. 

Xie ArbeifSorbnuttg beS Betlagten enthält feine Befümmung bar* 
über, baß ber WinbigungSaijSfchluß auf AFForbarbeit Feine Anwenbung 
gu finben f»abe, wol)l aber in 9tr. 4 bie BenterFung, baß ber jcbeS« 
utalige, bem Arbeiter mit jeher neuen Arbeit übergebene SFommijfionS* 
gettel bie nähere Angabe über bie Arbeit, itiSbcfottberc ob eS ßohn* 
ober AFForbarbeit fein folle, enthalte. Aus bem gcl)len einer befonberen 
Äünbigungsmobalität für ben gaü ber AFForbarbeit unb aus ber ©leid)* 
Teilung ber AFforb* unb ber ßohnarbeit ift gu folgern, baß ber in 9Fr. 1 
ber Arbeitsordnung oorangeftellte WmbigungSaitSfdjluß für beibe gälle 
gu gelten habe, baß bie getroffene .HünbigungSbeftiutmung' bas gange 
Arbeitsoerhältniß beherrscht. Xer 5lnfic^t beS Wägers, baß baS SSefen 
ber AFForbarbeit es oljne SBeitereö bebinge, baß ioäl)renb i^rer Xauer 
eine ßöfuug bcS ArbeitSuertrageS auSgefdjloffen fei, ift nid)t beigu* 
pflirfjten. Xie Uebertragung einer AFForbarbeit ift Iebigließ eine herein* 
barung über bie Art unb £>öfje ber ßoljngahlung unb nirfjt bie Be* 
ftdlung eiueö SBerFeS. 

2 . Urtbeil ber 8 ;©toilfammcr beS ßanbgeridjtS I Berlin 

vom 28. 9Rärg 1899.. 

Xem ©ewerbegeridjt tft bariu beigupfltd)ten,’ baß ber Kläger auch 
mäfjrertb berjenigen 3*ih tn ber er gegen AfForblohn im Betriebe bes 
Betlagten gearbeitet ßoh ber Beftimmung ber ArbeitSorbnung, nach 
welcher jebergeit bie ©ntlaffung erfolgen burfte; unterworfen war. (Sine 
oon ber ArbeitSorbnung abweicbenbe Beftimmung ift für bie Xauer ber 
AFForbarbeit oon ben Parteien nicht getroffen worben unb au$ bem 
SBcfen ber AtForbarbeit ift nicht gu folgern, baß entgegen jener Beftim* 
mung ber ArbeitSorbnung bie Söfuug bes ArbeitSuerbältniffeS erft mit 
Beenbiguug ber AFForbarbeit erfolgen barf. Xie Ianbrecbtlicbeu Bor* 
febriften über ein oerbungenes SSerf (§. 922 ff. I 11 . AUg. ßanbred)tS) 
ftnb für baS BertragSoerhältniß ber B a *tcien febon beSljalb nicht an* 
wenbbar, weil ber Wäger gewerblicher Arbeiter im Betriebe beS Be* 
flagten war unb als foldjer unter ber Stufficbt beS Betlagten gearbeitet 
bat, auch an bie ArbeitSorbnung gebunben war. Selbft eine analoge 
Anwenbung ber©runbfäße über bis SSerFoerbingung wirb baburd) nicht 
begrünbet, baß nicht bie Arbeit fchled)tl)in. fonbern bie gu einem ©rfolge 
hinleitenbe Arbeit bebungen unb erft für bie Arbeit unb ben ©rfolg 
yablnng gu leiften war (oergl. görfter*©ccius, ^reufeifebes Brwatre<bt, 
6 . «ufl. JJ. §. 188, 9Jote 69). Xie Xauer bes 9lrbeitSoertrage$ war auch 
nicht in Beziehung auf bie Bollenbung ber jebeSmaligen, bem Kläger 
gugewiefenen lltforbarbeit beftimmt (§. 905 I, 11, 91. S.$.); benit ber 
9lrbeitSoertrag ift abgefcfjloffeu worben ohne Bejiebuitg auf bie Ueber¬ 
tragung einer 9lFForbarbeit. SBenn bem Arbeiter bie Arbeit gegen 
Sfforblobn (Stiictlobn) unb nicht gegen 3 eitlobn übertragen wirb, fo ift 
bieS nur oon Bcbcutung für bie Süljuberecbuung, fofern nicht eben aus 
einer auSbrücFlicben Beftimmung bes 2lrbeitsoertrageS erhellt, bafe bie 
^auer beffelben oon ber Beenbiguug ber 9lfForbarbeit bat abhängig ge¬ 
macht werben foHen. 2luf eine folcfje Beftimmung bat fich ber SUäger 
aber nicht berufen Fönnen unb beinhalt ber 9lrbeitSorbnuug ftebt ipm 
entgegen. 

8 . Urtbeil beS ©ewerbegerichtS Berlin, Äammer 3, oom 
21. ftooember 1898. 

(SS fragt ftih, ob bie 9lbrebe, baß ^ünbigung auSgefdjloffen fein 
folle, ben kontra beuten eines gewerblichen Hrbeitsuertrages bas Bccbt 
giebt, bas 9lrbcitsoerbältnifj oor Beenbiguug einer fdjott wirflid) ange* 
fangeneu 9lfforbarbeit 31 t Iöfeit. hierbei ift baooit auS 3 ugeben, bah bie 
9lbrcbc bcS .(tiinbigungsansfcbluffes 311 nichts anberent bient unb bienen 
foll, als bie gewerberecbtlidje Aiinbigungsfrift bes §. 122 ©ewerbeorbnung 
auf 3 ul)eben, bafj fie aber niefjt ohne Breiteres alle auf bie £auer bes 9lrbeitS* 
oertrages be 3 iiglid)en Beftimmuugen bes Brioatred;tS anher Äraft fc^en 
foD. Bei ber quäftionirten 9lbrebe bleiben alfo bie Borfdmften beS 
91.S.91.1 2 it. 11 unberührt. 2 )ort werben bie „Berträgc mit gebungeuen 
^anbarbeiteru . . unb bie „Berträge über ein uerbuugenes B>erf w 
getrennt oon einanber abgebattbelt. GS ftebt aber nidüs bem entgegen, 
baf 3 ein BertragSocrbältnifj beibe 9lrten oon Berträgeu über 4)anb* 
hingen enthält, 1111 b es ift iusbefonberc wol)l möglidj, baf? mit einem 
„gebungeuen .fraubarbeiter" ein B?erfocrbingungsocrtrag bei ^oitbauer 
bes Xienftmietl)eoertrages gcfd)loffrn wirb. Beftaub alfo im oorliegen* 
ben tvall ein ^ienftmietheoertrag 3 wifdjeu ben Parteien feit ^uli 1898, 
fo enthält bie innerhalb biefes BertragcS jwifdjen Parteien getroffene 
Vlfforbabrebc über jebcs einzeln au 3 uftrcid)enbe e\cnfter einen B>erf= 
oerbingungsoertrag. 9fun fpridjt 3 war bas 91. ß.B. im §.925 a. a. £. 


nur oon SBerfoerbingungen an ^SSBerFmeifter ober Äünftler" unb eS Fann 
besbalb jweifelbaft erfcheinen, ob auch ^ mit bem Kläger, einem ein* 
fachen SJtalergehülfen, gefcbloffene Bertrag unter bie SBerFoerbiitgungen 
ber §§, 925 ff. cit. 3 U fubfumieren ift. Berücffichtigt man aber, bafe ber 
Spracbgebraudj jur 3^it ber (Emanation bes Allgemeinen ßanbredits ein 
anberer war, als beute, unb ba& man inSbefoubcre auf gewerblichem 
©ebiete ben „SBerFmeifter" ber ©ewerbeorbnung, ben „AFForb" bcS heutigen 
gewerblichen ßebenS noch nicht ober wenig Fannte, fo wirb man nicht 
fehlgehen, wenn man als ben ©ebanFen beS §. 925 cit. annimmt, er 
wolle nid)t jebweben ßieferungSoertrag, fonbern nur ben mit einem 
„SSerfoerftänbigen" über ein oon ihm „su fertigen bes BSerf" als einen 
SBerFocrbingungsoertrag anfeben (fo auch ©cciuS, Breufj. Brioatredjt, 
II. Buch §. 138, III). Zubern nuu ber BeFIagte bem Kläger, einem 
SBerFoerftänbigen, eine Ansahl Senfter gu einem beftimmten AFforbfa^ 
gum Anftreichen übertrug, fd;lo& er mit ihm einen SBcrFoerbingungs* 
oertrag innerhalb bes beftehenben ArbeitSoertragcS. $ie 
BoHeubung beS oerbuttgenen SBerreS gu htubern ift aber bem Arbeit* 
geber nirgenbs in ben ©efefcen ein Aecht gegeben: ber AuSfcblufc bcS §. 122 
©etoerbeorbnung ergreift — wie oben bargethan —bieeingelne AFforbarbeit 
itidjt, §§. 925 ff. A. ß.A. I 2it. 11 ftatuiren ein foldjeS 9lecht ebenfalls nicht, 
unb bie allgemeinen ©runbfäfce ber §§.869 A. ß.A. 1 $it. 11 , welche 
gemä {3 §. 925 cit. gur Anwenbung tommen füllen, enthalten ein folches 
Bedjt ebenfalls uid)t. 35Bohl aber ift bort in §§. 888 , 889 a. a. £. eine 
©chabcnerfahpflidjt für ben 2 >ingenben feftgefe^t, welcher bem ©e* 
buugenen bie Erfüllung bes nod) beftehenben BertrageS unmöglid) macht, 
©iner foldjen AedjtSoerlepung aber hätte fid) nad) Borftehenbem beT 
BeFIagte gegenüber bem Kläger tt*o^ bcs^unbigungsausfchluffes idjulbig 
gemalt, wenn er ihn ohne einen gefefelichen ©runb (§. 123 ber ©ewerbc* 
orbnung als AeidjSrecht bricht ßanoeSrecht) oor BoHenbung feines 
AFForbeS entlaffen hat. 

4. Urtheil beS ©ewerbegeridjts Berlin, Kammer 5, oom 
9. Hfl ai 1899. 

Aach ber mafcgebenben SabriForbnung ift eS „beiben ^heilen ge- 
ftattet, baS ArbeitSoerhältnifj jebergeit gu löfen". 5)iefe Beftimmung Fann 
jeboch h^r nicht in Betradjt Fomntett: 2)ie Borfchriften ber Arbeits* 
orbnung Fönnen gweifelloS bur<h befonbere Bereinbaruitgen für ben 
©ingelfafl befeitigt ober abgeänbert werben. Unb eine folche Berein* 
barung liegt b ic r nor. 2 )em ÄFlägcr ift innerhalb bes beftehenben 
ArbeitSoertrageS bie §erftellung eines beftimmten AFForbeS (oon 50 eap 
9telaiS*B?agnetcu) gegen bie beftimmte Bergütung oon 100 M. über¬ 
tragen worben. Aach ber Aatur biefeS Glefchäftes ift es als 28ifle ber 
Barteieu angunehmen, bnfe bie übertragene Arbeit jebcnfaDS fertig ge* 
ftcHt, b. h- alfo, bah innerhalb ber ®erfteflungSgeit eine Stiinbigvmg nicht 
erfolgen folle. Xer BeFIagte Fand biefe Auslegung beS AfForboertrages 
nicht burch bie bloftc Behauptung wiberlegen, oafe er einen folchen 
SBUIen ttjatfächÜch nicht gehabt habe. Xenn im Berfehrsleben Fommt 
es weniger auf bie eigene fubjettioe Meinung, als barauf an, welchen 
@inn bie Glegenpartei nad) Giebraudh unb BerfehrSgewohnheit aus ber 
©rFlärung entnehmen muhte. Aun ift es aber nicht nur üblich, bafj AFForb** 
arbeit gu beenbigen ift, fonbern eS entfpridjt bies aud^ ber Befchaffenheit 
ber Arbeit. Beibe Xheile haben regelmäßig übereinftimmenb ein Jntereffc 
baran, baß bie Arbeit oon ©inunboemfelbeu fertig geftellt werbe. Xem= 
nach burfte audj .Wäger eS als ben BSiflen bes BeFlagten anfeben, baß 
er für bie Xauer ber übertragenen AFForbarbeit feft gebunben fei, wie 
aud) er burch bie Uebernahmc ber Arbeit gtt ihrer ^ertigfteflung oer* 
pflichtet war. SBoHte BeFlagter biefe Auslegung oermeiben, fo mußte 
er entweber itt ber SabriForbnung ober bei Uebergabe ber Arbeit aus* 
briicflid) h^norheben, baß aud) bei AFForbarbeit jebergeit Winbigung 
guläffig fein foUe. £>at ht^nach ber BeFIagte baS Arbeitsoerhältuitj 
oorgeitig gelöft, fo ift er bem Wäger gum ©rfaße beS ocrurfachten 
SdjabenS, b. h* gur 3ahluug ber oertragsmäßigen ©cgenleiftung ab* 
güglid) bes etwa ergiclten anberweitigen BerbienfteS oerpflichtet. 


AnmerFung ber BebaFtion: Xie Streitfrage wirb fidj allaemeiu* 
gültig nicht entfdjeiben laffen. ©s wirb in jebern cingelnen ^aO gu 
prüfen fein, unter weld)en BorauSfeßungen bie fragliche Arbeit über* 
tragen ift. SBirb feftgefteüt, baß bie ©ntlöhnung in AFForb (nach ber 
STOenge ber geleiteten Arbeit) lebiglid) als eine Art ber ßohnbemeffung 
gewählt ift, fo muß ber Winbigungsausfchluß uubebingt burchgreifen. 
©0 etwa in gälten, wo ber Arbeiter im SSefentlichen nur bie Btafchine 
gu bebienen hat, wie g. B. beim BlediauSftaugeu. ^n oieleit gäücn 
bebeutet aber bie Uebertragung einer AFForbarbeit auch an beit im feften 
Arbeitoerhältuiß ftehenben Arbeiter ein BFeßrereS, als nur eine Berein* 
barung über bie ßohnbemeffung. SBirb beifpielswcife bie $erfieüung 
eines ©elbfdjranFeS, einer 9)tafd)inc ober eines gaeabenpußeS beiit 
Arbeiter übertragen, fo gcfd)iel)t bieS faft burchgängig — oergl. and) 
bie nädjftfolgenbe ©ntfeheibung, am ©djluffc — in ber beiberfeittgen 
Borausfeßnng, baß ber Arbeiter bas gange BSerF fertigftellen unb ben 
©rfolg vertreten foll. An ber Beenbiguug bes ^erFeS burd) ©tnutib* 
benfelbeii haben beibe Barteten gntereffe, befonberS ber Arbeitgeber, ba 
bet geteilter Arbeit bie ©iite bes SerfeS gu leiben, bie £>erftcllungs= 
Foften aber gu fteigen pflegen, demgemäß werben in ben Arbeits* 
orbnungeu häufig befonbere Aad)tl)cile gegen biejettigen oorgefeben, 
weldje ohne geredjte Beranlaffung oor Beenbiguug einer AFForbarbeit 
auf hören. 

gn folchcu gärieu muß — auch beim gehlen einer auSbriietlichen 
©rllärung — fdiou burch bie Uebertragung unb bie Uebernahmc bes 



1253 


Soziale $rajiS. ©entralblatt für ©ojtalpolitif. SRr. 47. 


1254 


Kerfes? bie aßgomeine Vereinbarung beS EünbigungSauSfdjluffeS als für 
t?ie Sauer ber Arbeit befritigt gelten. 

Vei biefer Äuslegung beS ÄfforbvertrageS als einer befonberen 
Vereinbarung ber Parteien bebarf es, was bie grage ber voreiligen 
^öfung bes ÄrbeitSverbältmfjeS betrifft, nidü bes 3uriicfgreifcnS auf 
bie Ianbrccbtlifben Veftiuimungcn über ben Werfvertrag. ^nt llebrigeu 
bürftc ivobl nidjt 31 t leugnen fein, bag ein Äfforbvertrag ber ge* 
fibüberten Ärt, wenn nicht ein Werfvcrtrag im Vabmeu beS ÄrbeitS* 
Vertrages, fo Dorf) als ein Vertrag ansufebeu ift, ber foroohl Veftanb* 
tlietlc brS ÄrbeitS* roie foldje bes Vkrfoerirages enthält. (Sine fefte 
(Mren^e ^mifchen ÄrbeitS* unb Werfoertrag läßt [ich eben nicht mehr 
Sieben. 

Sas Vürgerliche ©efcpbiich hat auf biefe moberne ©eftaltnng bcS 
ÄrbcttsvcrbältniffcS leiber feine geniigenbe Äücfficht genommen; es wirb 
baljer in 3ufunft 511 ßJieintmgSvcrfdjiebrnheiten fommen, ob insbefonbere 
ber für ben Werfuertrag gegebene § 649 bes Vürgerlichen ©efcfcbudjS, 
ber bem Vefteller eines Kerfes 3 tvat\ jebereit ein ÄiicftrittSrecht giebt, 
ihn aber von ber ©cgeuleiftung nicht entbinbet, auch auf bie gebachten 
Äfforbvcrhältniffc Änroeitbung ju finben hoi- Sch. 


3m Änfchlufj hieran roirb nachftchenb cinllrtheil beS©ewerbe* 
geriajts Verlin, Äiammer 5, vom 21.3unil898 mitgetheüt. ®aS* 
i'elbe behanbett einmal bie uerroanbte grage, ob ber mit einer 
größeren Äfforbarbeit betraute Hrbeiter biefe Arbeit auf 
Verlangen unterbrechen unb eine anbere Arbeit vornehmen 
mit ft. Äufjerbent jeigt es, bafc ber beflagte Ärbeitgeber — eine grofte 
Verliner Äfiicngefcflidjaft — bie allgemeine Veftimmung feiner 
gabriforbnung über EiinbigungSauSfdjluB auf Äffvrb* 
arbeit nicht bejogen roiffen rooßte, obwohl biefe Auslegung ihm 
ungünftig mar. 

Ser Shötbeftanb mar folgenber: 

Ser Kläger, feit etma einem $ahr bei ber Veflagten gegen Äfforb* 
lohn als gräfer beschäftigt, ift ohne Eünbigung entlaffeit worben, meil 
er fich rocigerte, feine angefangenc Äfforbarbeit (§erfleßung von jmei* 
hunbert Ereisfägeu) ju unterbrechen unb eine anbere Äfforbarbeit, bie 
ein Sritter unbeenbet halle liegen laften, sunädjft fertigsufteDen. Kläger 
beantragt 3ahßmg beS ganzen ÄfforblohneS für feine angefangene 
Ärbeit. Siefem Verlangen ift ftattgegeben. 

ÄuS ben ©rünben: 

Äadj ber ÄrbeüSorbmmg ber Veflagten, beren ©ülügfeit nicht be* 
mängelt ift, ift aHerbingS feber Arbeiter verpflichtet, feinem Vorgefepten 
„in Ve 3 ug auf bie Ärbeit unb alle Giurichtungen ber gabrif ©ehorfam 
31 t leiftcn" unb „bie iljtn 3 ugemiefenen Ärbeiten . . . gemiffeuhaft aus* 
3 ufül)ren". Siefe Vorfdjrift ift jeboef) nur als eine Orbnungsbeftimmung 
an 3 ufchen, fie giebt feinesfaßs bas Siecht, bie Veftimmungen beS eigent* 
Itdjen ÄrbeitSvertrageS cinfeitig 3 U änbern. So fann 3 . V. bie #öhe 
beS ÄrbeitSlohncS vom Ärbeitgeber nicht wißfürltch geänbert merben. 
Äutfj bie Uebertragung unb Ännaljme einer Äfforbarbeit ftellt ftdj als 
eine befonbere Ärt ÄrbeitS vertrag bar. Saher barf auch in eine 
Äfforbarbeit ber Ärbcitgeber nicht cinfeitig eingreifen. ©benforoeitig fann 
er bem Ärbeiter eine beftimmte Äfforbarbcit au^wingen, eS fei benu, 
bafe ber Ärbeiter — was aHerbiitgS bie Siegel fein wirb — von vom* 
herein 31 er Ucbernafjme beftimmter Ärbciten 3 U feftfteheuben Säpeu fich 
verpflichtet hat. 

Viag es nun auch richtig fein, bah ber Kläger foldje Verpflichtung 
ftülfchmeigenb eingegangen ift, fo folgt hoch baraus nicht, bafj er auch 
eine bereits von einem Änberen angefangene Ärbeit hätte übernehmen 
müffeu. Senn für bie Volleubuug foicher Ärbeiten giebt eS fidler feinen 
fcftftehenbeu 2ohnfa$. Sie h^ cr 9 e 9 cl1 1,011 ber Veflagten in Ve 3 ug ge* 
nommenc Veftimmung; „Sie 3 ugemiefene Ärbeit ift gemiffeuhaft ausju* 
führen" regelt hoch nur bie Ärt ber ÄuSrührung. 3cbenfaflS fann fie 
ben Olrunbjap nicht abänbern, ba& nur bie innerhalb ber ©rennen 
beS jeweiligen ÄrbeitsVertrages 3 ugemieiene Ärbeit ausgeführt 
31 t merben braudjt. 

Ser Eläger mar ferner aus bem ©runbe 3 ur Slblehnung berÄuS* 
biilfSarbeit berechtigt, weil er noch anbere Äfforbarbcit nicht beenbigt 
hatte. Senn ift bem Ärbeiter einmal Äff orbarbeit übertragen, fo muh 
ihm audj ©elegenheit 3 U ihrer alsbalbigen Äusführung gegeben merben. 

Wenn banach ber Kläger einen befonberen ©runb 3 U feiner ©ttt* 
laffung nidjt geboten hat/ f° mar nicht er, fonbern bie Veflagtc an ber 
Siichtbecnbigung ber Äfforbarbeücn beS Klägers fdjulb. 

. Vtitfjin fann bie Veftimmung ber gabriforbnung feine Änroenbung 
finben, wonach ein Ärbeiter, ber bie Äfforbarbeit burch eigenes Ver* 
fchulben nicht beenbigt, hö^ftenS Änfprud) auf Stunbenlohn für bie 
wirf lieh gelciftete ÄrbeitS 3 eit hat- Vielmehr muff bie Veflagte bem 
Kläger ben vollen auSbebungenen Äfforblohn 3 ahlen, ba er unftreitig 
3 itr Weiterarbeit bereit mar unb alfo alles gethan Ijat, was feinerfeits 
3 ur Erfüllung beS ÄrbeitSvertrageS erforberlich mar (§§. 907, 918. 1.11 
beS Ällgemeiwen SanbredjtS). ÄDerbingS enthält bie ÄrbeitSorbnung 
bie Veftimmung, bah Äünbigung nicht' ftattfinbet unb bie ©utlaffung 
jeber^eit — aljo audi oljne hefortberen ©runb — erfolgen fann. Vad) 
ber von ber Veflagten felbft gegebenen ÄuSlegung )oß jebod) biefe 
Veftimmung nur auf Ärbeit tnt Zeitlohn ÄnmeuDung finben; für Äfforb* 
ärbeiter foß ber ©runbfafc gelten, bah junächft bie betreffenbe Ärbeit 
311 beenbigen ift, bergeftalt, bah nic^t nur ber Ärbeiter, ber burch bie Ve* 


flagte an gertigfteßung gehinbert wirb, ben voßett Sohn erhält, fonbern 
aud) bie Veflagte ihrerfeits eventueß auf Voßenbung ber Äfforbarbeit 
beftehen fann. Sa fidj bie Veflagtc felbft 311 biefen — für ben vorliegend 
ben gaß ihr ungünftigen — ©runbfäpeu befennt, fo beftaitb gegen ihre 
Slnmenbung fein Vebenfcn. 


Vetfegmtg eines Streifs in Stuttgart burch Vermittelung. Ä111 
11 . Äuguft ift eine 12 Vovd)cn bauernbe Vemegung im Klempner* 
geroerbe 311 Stuttgart burch eine Vereinbarung 3 tvifd)en Vieiftent 
unb ©ehülfeit 31 t (5nbc geführt worben, 'bie 3 mar ben Ärbeitent 
nidjt fofort bie erftrebte Vcrfi^ung ber ÄrbeitS 3 eit, mofjl aber bie 
ÄuSfidjt auf eine folche in'fpäteter 3 C ^ aab eine namhafte Sohn* 
erphnug gebracht hat. Sie ©iniguitgSverhanblungen würben von 
bem Vorfibratea beS ©emerbegerichtS, ©emeinberath Stocfmaper, 
geleitet unb führten 3 U folgenbcn fdjriftlid} feftgclegten Äbmachungen; 

1. Sie Vertreter ber Ärbeiter vernichten für auf bie ©irtführuijig 
einer fixeren ÄrbeUS 3 cit als 10 Stunben, merben aber auf bie gor* 
berung 3 urücffommen, wenn bei ben -SKaurern, Steinmeben otir 
Zimmerern eine verfügte ÄrbettS 3 eit vereinbart wirb. Sie Vertreter 
ber Ärbeitgeber erflären fich ihrerfeits bereit, eine Verfügung ber 
ÄrbeüS 3 eit 3 U 3 ugeftehen, fobalb folcje auch im gejammieu Vaugemerhe 
g5lab greift. 

2. gür Ueberftunben tvirb bis 9 Uhr ÄbenbS 25 %, nach 9 Uhr 
ÄbeubS, fomie für Sonntagsarbeit 50 % Öohn 3 ufchIag f^ahlt. 

8. Äuf bie 311t 3 cl t beS ÄuSbrudjS beS Streifs bcsahtten Äfforb* 
nub Saglöhne wirb eine Sohnerhöhung von 10 % gemährt. 

4. ©S wirb ein SRinimallohn in §öhe bcs jeweiligen orte¬ 
üblichen SaglohnS be3aljlt. 

5. ©S wirb achttägige 2 ohn 3 ahIung verabrebei; fie hat je greitags 
ÄbeubS fofort nach Scblufj ber Ärbeit 311 erfolgen. 

6 . Vei auswärtigen Ärbeiten wirb ohne Uebernacfjten ein 2ohi; s 
3 ufd)iag pon 20 0 ( o, mit Uebcrnad)ien von 45 % gemährt. 

7. ©S wirb gemeinfdjajtlich eine für fämmtUthe hiefigen glafd;ner= 
unb 3uftaflationSgefd;äfte gütige Werfftattorbnung aufgefteßt. 

Viit biefen Vereinbarungen erflären beibe Parteien ben Streif 
für Beenbet; bie Ärbeit foß am nädjften ßttoutag mieber aufgenommeu 
merben. ©ine Venadühciligung ober Veläftigung wegen beS StrciFs 
ober wegen Vorfomniffen mährenb beffelben barf beiberfeits nicht ftatt* 
finben. 

Errichtung, eines privaten SchtebSgerichtS in Vnn^lau. Sehr 
BeachtenSmerth ift bie Selbsthilfe einiger Vuuslauer ginnen, über 
bie ber ©emerberath für lüegui^ alfo berichtet: 

„ 3 ur ^efeitigung von früher häufig vorgefommenen Sohn* 
ftreitiafeiten aller Ärt haben bie beiben girrnen 3 ciblcr tt. SBitnmel 
unb Earl Schilling in Vunslau für ihre fämmtlicheit Steinmcpn 
unb Steinbruehbetriebe burch Statut ein ftäubiges SchiebSgeri^t 
errichtet, bas aus Vertretern ber beiben girmen uttb aus Vertretern 
ber Ärbeiter gebübet ift. Saffelbe regelt bie SohnFjöp unb bie 
Sohtt 3 ahIuttg bei vorfontmenbeit Streitigfeiten. ©S umfaßt etma 
500 Ärbeiter. ©S foß fich bisher gut bewährt haben. Sie tut* 
mittelbare Veranlaffung gur ©cridjtung beS Schiebsgeridht gab ber 
Umftanb, baft 120 Ärbeiter ber Vritche oon Earl Schißing in 
Vkrtha bie Ärbeit nieberlegten, als ein VJanit roegeit fiohnftreitig* 
feiten entlaffen worben mar." 

Ser Vun 3 lauer VFagiftrat mar, wie früher gemelbet, ber 
Meinung, bafe Viut 3 lau etrt ©ewerbefchiebSgericht npt benöthige. 
©infichtSvoße Ärbeitgeber unb Ärbeiter pben fich bafjer erfreulidjer* 
weife felbft geholfen. 

^Reform ber ©etnerbegerichte in gfraufretch. S>ie franjöftfche 
VarlamentSfommiffion, Sie bie Vorfdjläge von S^ittreiy, Veauregarb 
unb Cannes, betreffenb bie Vcform beS Prud’hommes-©cfebeS 31 t 
prüfen hatte, beplofe eine Äenbcrmtg ber ©efeheSbeftimmungen 
in Vorfchlag 311 bringen. Sie wichtigfte Neuerung wäre bemgemäfe 
bie Schaffung faufmannifeher ©emerbcgerichte, bie für Streitigfeiten 
3 mifd)en .J)anblungSgehilfen unb Vrin^ipalen fompetent wären, 
©ine anbere Neuerung betrifft bie ©rtheilung beS SBahlrechteS an 
bie grauen, vom 21. Sabre angefangett. 2)te Eompeten 3 ber ©c* 
werbegerichte foß Streitfäße, bie fich nnt einen Vkrtf) bis 31 t 
2000 grancS haitbeln, betreffen. ®ie 3 weitc Snftaii 3 bilbet bas 
©ivilgericht. 


ßitemrifdje 3ta}etg*tt. 


.©ulenburg, Dr. granj. 3 nr grage ber 2 of)nermttteluiig. ©ine 
metl)oboIogtfch 5 fntifdje Unterfuchung. 3ena 1899, ©uftau gifdjer. 
150 S. SßreiS 3 Jf. 

Vericht beS Sdiularstes Dr. !ljaben über feine ^hätigfeit 
in ber ftäbtifchen Enaben- unb Viäbcheitfdjule 311 
©iefeen vom 1. guli 1898 bis 311 m 1. Äpril 1899. ©iefeen, 
W. Eoßer'fche Vudibrucferei ($. EIcbcrt). 


Serantraortlt^i für bte KebaUlon: Dr. ttrnft graitde in Battn W., »aqrcuibcrftrafee 29. 




.^cranttoorHid) für Die Ameisen: VcUmutli (»eitel, «eipjig. — Verlag uoit 2untfci & $uuil>lot, SciPiig. — Öebrucft bei gultuS eittenietb, »etlin. 








VÜL gtaljrgaiig. 


SBerlin, beit 31. ?(uguft 1899. 


Ilummer 48. 


Soziale prajis. 

^entrafbratt für ^ogictfpofififi 

mit ber SRonatSbetlage: 

Das (Bewerbegericht. 

©rgan öes Decbanbes beutfdjet (Seroerbegertcfjte. 

SJcite gotge bet „Slättcr fiit fojtote Sprayt#" unb be# „Sojialpolitifcfjen (SentralMatt#*. 

(Jrfditint a» jrbcm £.natt 9 «|. .flCrnuSljeBer: Urets bierleljUtUA X St. SO Vf. 

SRebattton: SBertin W„ Sabreutberftrafee 29 . Dr. Cttlfl «frUttAc. ffiertag tooit ®untfer <fe £>um6[ot, Ceipjtg. 


3 tti|Alt 


©ie „arbeitSipilligen". RegattDe 
unb poftttoe ©ett>et!Detehtflpolüif. IV. 
© 01 t ©rofeffor Dr. Sujo ©rentano, 

©{finden.1257 

tUI**wetee**si«l« trab 

frrftttt.1262 

©ex einljettlicpeäHtetljSbertrag. 
©on Dr. 2. Fulb, 9tetbt«an»alt f 
SRainj. 

©ie berufSgenoffenfcpaftUc&e 
©rganifaiion berSlrbeiter unb 
bie Gentrumdpattei. 

©ie nationale SBeprfraft unb bie 
^eranjiebung auilänbifcper Arbeiter, 
internationaler ftongtefc für Äinber* 
föufc in ©eft. 

3Wafjnabmen gegen bie SlrbeitSlofigfeit 
in üieufübtoale«. 

ftoaunmtale ©o&ialpaltttl.... 1266 
kommunale Anlagen §ut gßrbetung 
ber inbuftrie. 

WrbeiterDertreter unb ftübtifcpe fJtegie* 
arbeit in Sattetfea (Sonbon). 
kommunale ©trajjenbapnen in @ng» 
lanb. 

St|i»Ie Buftösbe. 1267 i 

©rtoerbßtpättgfeit ber ßarlStuper 
SolfSfcpulfinber. 

ÜJtinimallöDne bet ftäbtifdjen Arbeiter 
in 3ürict). 

©etoinnbetpeiligung ber Arbeiter in 
©rofebritannien im Sabre 1898/99. 
SUfopolißmuß unb ©erpreßen in 
Ftanfteidj. 

Arbeitgeber« unb Unternebmerber« 

bänbe.1268 

©opfott but(b ein ÄarteÜ. 

Arbciterbeivetnnfl.1268 

8lu8 ber ©eTliner ©emerffdjaftSfom» 
miffion. I 


Ölblepnung eine» «rbeiterfefretariat« 
burcb bie ©emerfjcbaften in &ant« 
bürg. 

©er elfaB»Iotbtingif(be Textilarbeiter« 
©erbanb. 

SluSftanb bet öeipjiget gformer. 
©etoegung ber Hafenarbeiter ,8lnt* 
toerpenß. 

Sapteßfoitgrefe ber Trabe Untonß in 
©Ipmoutp. 

©ie Srbeiterbemegung in Rufftfö» 
©ölen. 

«tbetterf*«*.1271 

©ie iapteßbetid&te ber niebet* 
Ifinbifdjen arbeitßinfpeltoren 
fftr 1897 unb 1898. ©on Dr. 3- £. 
Pan ßanten, SHmfterbam. 
©reuBtjcpe ©täfibialbetfügungen jum 
©c§u|e ber &inber. 
ßur ^Regelung ber Äellnetinneufrage 
in Reffen. 

Unfafloerbütung in ©elgien. 

©cpup ber grauen« unb Äinbetarbelt 
in granfreicb. 

Slrbeiterfdjupflaufeln bei dffentlicpen 
arbeiten in F^nfteicp. 

Arbeiterberfiibertmfl. ©tmrtaffe» 1274 
©ie ©cplebßgerid&te bet Sir* 
beiteroerficperung. ©on £. 
Jporn, ©erlin. 

©ie Änappfdjaftß»©erufßgenofJenfcpaft 
1898. 

©ie Drtßfranfenfaffe in ©armen unb 
ipre ölerjte. 

©erein für ©erfidjerungßwtffenfcpaft. 

f8oplfaprt6ei»rid)tungett.... 1177 
Ferienaufenthalt für ©tabtfinber auf 
bem Sanbe. 

IHtacriMi Angetgeu.1277 


Slbbrud fümmtlither Strtifel ift Bungen unb 3«tfä*tften geftattet, Jebodj nur 
mit Dotter Quellenangabe. 


Bit „ÄtbelteroilUgen“. 


Regatioe unb pofitioe ©emerloereinSpoIitif Rr. IV. 

SDcr Arbeiter, ftcf) felbft überiaffen, ift als Siegel genötigt, 
feine Arbeit oorbefjaltloS angubieten. 6r ift aufter Stanb, auf bas 
Angebot beS ©utcS, oon beffen Verlauf er lebt, weber iu ber 
Gegenwart noch in ber 3ulunft irflenb melden ©influft gu üben. 
2)ie 5VoIge ift, Safe, non gemiffen Ausnahmen abgefeljen, ber (Gegner 
beS Arbeiters im intereffenfampf, ber Arbeitgeber, es ift, ber bei 
'.Abfchluft beS ArbeitSuertrageS einfeittg bie iBebingungen, ju beiten 


ber Arbeiter nertaufen ntufe, feftfefct. @rft bie Draanifation 
ermöglicht bem Arbeiter baS Angebot gleich anbereu ©erfäufern 
fo jn regeln, bafj er ben ^JreiS ber Arbeit auf beren $robuftion£* 
loften unb barüber p fteigern unb §u erhalten im Staube ift. 
SDie Käufer ber Arbeit baaegen, bie Arbeitgeber, erachten e£ jmar 
als felboerftänblich, ba& fte, roo fie oerlaufen, bas Angebot ihrer 
2£aare entfpredjenb ber Nachfrage regeln; nach betn SSorbüb ber 
Arbeiterfoalitionen hoben fie ju biefem 3 roc ^ bie Kartelle gebilbet, 
loelche in ber neueren Seit muchernb überhanbnehmen, unb im 
2)eutfchen Reichstage h at ber beseitige preu§ifche ©anbelSininifter 
in berebten Porten folche SSerabrebungen ber ©etriebSnnternehmer 
als etroaS RorjitglicheS gepriefen. $>ie ^3etriebSunternehmer, ber 
preufeifche ©taat mit eingefcfjloffen, fchliefeen folche Skrabrebungen, 
eben roeil fie gute ©efchäftsleute finb. Aber eben als gute @e* 
f^äftsleute hoben fie baS Sntereffe, bafe folche ©erabrebnngen ber 
Verläufer ba nicht entfielen, wo Tie felbft als Käufer auftreten. 
2)a bilben fie ein Kartell nicht nur gegenüber bem Abnehmer ihrer 
Sßrobufte, fonbern auch gegenüber benen, bie an fie oerfaufen, 
gegenüber betn @inen, ihm nicht unter einem gemiffen ißreis gu 
oerlaufen, gegenüber ben Anberen, ihnen nicht über einen gemiffen 
$reis gu befahlen. 

Um beibe 3i e l c S u erreichen, hoben fie ein ©pftem oon 
SmangSmaferegeln fchorffinnig auSgellügelt, welches an (Strenge 
imb ©Jirffamleit bie analogen SRa&nahmen ber Arbeiterfoalitionen 
weit hinter fith läßt. Als Säufer ber Arbeit hoben fie ein begreif® 
lid)eS Sntereffe, alle jßerfuche ber Arbeiter, baS Angebot ihrer 
Arbeit nach benfelben öfonoutifchen ^ringipien, bie für fie bei bem 
Verlauf ihrer Sßaaren mafegebenb finb, gu oereiteln. Sie fie baS 
Angebot ihrer Sßrobufte entfprechenb ber Rachfrage regeln, fo 
möchten fie aud) baS Angebot ber Sßrobufte, bie fie laufen rnüffen, 
maßgebenb beeinfluffen. ®ahcr eine Süße oon 3}ia&nahmen ber 
Arbeitgeber, um jenen 2krfud)en ber Arbeiter entgegengutreten; bahcr 
neuerbingS bie Anrufung beS Staates gum Schule ber „ArbeitS* 
willigen", b. h- ber Dutfiber ber Arbeiterfartelle, mit beren $ülfe fie 
bie Regelung beS Arbeitsangebots burch bie organifierten Arbeiter 
gu paraltjfjren fuchen. So ift bie gange 3f*oge beS „Schuftes 
ber Arbeitswilligen" nichts anbereS als ein .Sampf utn 
bie Regelung beS Angebotes ber Arbeit, unb bie 3n* 
anfpruchnahme ber ©efeftgebnng gu biefem Schufte nichts anbereS 
als bie gorberung, ber Staat möge in biefem Sumpfe gu (fünften 
beS einen ber beiben Sntereffenten interoeniren unb bamit baS 
Angebot ber Arbeit nicht im Sntereffe oon beren Verläufern, 
fonbern oon beren Säufern, ben Arbeitgebern, geftalten. 

Seiches finb benn nun jene nühtorganifirten Arbeiter, oon 
beren Sntereffen man fpricht, wenn man bie eigenen meint, unb 
welches ift baS Verhalten ber organifirten Arbeiter ihnen gegen* 
über, um beffentwitten ber Staat neue Strafbeftimmungeu erlaffen 
foH? ^)er Ueberfichtlichfeit holber bürfte eS angemeffen fein, bei 
Beantwortung biefer S^ogen bie SriebenS* unb SriegSgcit aus* 
einanber gu polten. 

S£)aS Verhalten ber Arbeiterorganifationen in griebenSgeilen 
ift ber forgfältigen Sahrung ber Sntereffen ber Sitglieber im 
(iingelnen gewibmet, inSbcfonbere aber — wie beim Staat — ber 
Vorforge bafür, baß man, falls man genötigt würbe, für btefe 











i2r. 9 


©ogiale tßrajt«. ©entralblatt für ©ogtalpolüif. Ar. 4*. 


1*260 


Sntereffcn gu fämpfen, gerüftet fei. Seiber cr§eifrf>t, baß möglicfjft 
alle Arbeiter beg ©croerbeg bcr Drganifation angeboren, bemi nur 
bann ßat man bag Angebot augreicßenb in ber §>anb. 

Ta finb nun uor Adern bie allerbeften Arbeiter, melcße ben 
Arbeitcrorganifationen regelmäßig nießt angeßören. 1 ) Sie ßaben 
bie Drganifationen nießt nötßig; bie aiißerorbentiicße Dualität 
ihrer Arbeit fept fie auch ifolirt in Stanb, bei SBeftinunung be§ 
^reifeg ihrer Arbeit ein s Bort, oft fogar bag entfdjeibenbc 28ort 
gu fprecfjcit. Taßer fd)enen fie bie JJeffel, melcße bie SRücfficf)tnähme 
auf Aubere unb bie Uitterorbmmg unter bag Sntereffe einer ©efamtnt* 
heit aufguerlegeit pflegen. 9Jiati fanrt biefeg ifolirte .frorficit bet 
Auggegeidjnctften in allen Debengftellungeit beobachten. 2Bo immer 
aber eg ftattfiubct, banbeit eg firf), ber Statur ber Sache nach, ftetg 
nur um relatio menige 3”^ioibuen. Taßer bringt ißr draußen* 
bleiben ben Arbeiterorgaitijationeu feine ©efaßr. Sn^bcfonbere 
haben biefe ooit ihnen feinerlei Sdjmupfonfurrettg gu befürchten. 
Sin ©egentßeil, eg ift fogar feiten, baß foldje auggcgeicßnete Snbi* 
oibuett, fo lange fie feibft Arbeiter finb, in einen ©egenfaß gu 
ihren Kamerabcn fid) ftellen. Dft fittben mir fie, obmobl fie eg 
nießt nötßig hatten, in ben Drganifationen, unb gmar bann regel* 
mäßig alg Führer, ober fie ließen menigfteng alg ©önner gur 
Seite. 2£enn Ted auch nicht an bent Äütlifcßrour theilninunt, 
fo entgießt er fid) boeß nießt ben Sreittibcn, roenn fie rufen. 
Einberg freilich, toenn eg folcßen auggeprägten 3>it&iüifcuQlüäten, 
mag md)t feiten ber galt ift, gelingt, fieß gu Arbeitgebern empor* 
gufeßtoingen. Tarnt äußert fieß bie einfeitige (Energie folcßer 
©mporfönttnlinge mitunter in einem fcßärfereit ©egenfape gu ben 
organifirten Arbeitern, alg er feibft bei benen, bie alg Arbeitgeber 
autgemaeßfen finb, fieß finbet. Sn Teutfcßlanb ift eg toie in Gntg* 
laut) oorgefommen, baß Sperfönücßfeiten, melcße alg Arbeiter eine 
ßeroorragenbe SRode in ber Drganifation unb Süßruitg ißrer ©e* 
noffen gcfpielt hatten, alg Arbeitgeber ihre erbittertsten geinbe 
mürben; inbeß finb bie Söelege für bag ©egentheil gaßlreicßer. 

©bcitfo bleiben bie fdjletßteftcu Arbeiter ben Arbeiterorgani* 
fationen fern. Tie llrfacße ift eine gmeifaeße. ©inmal tteßnten 
bie Drganifationcn alg Siegel feine SDfitglieber auf, melcße nießt im 
Stanbe finb, bag ortgiiblicßc Doßnminimum beg ©emerbcg gu ocr* 
bienen; fobanrt fömten minbermertßige unb fddeeßter geloßnte 
Arbeiter ttid)t bie ^Beiträge beftreiten, roekße bie Drganifation gur 
Aufrcdjterßaltuug unb Steigerung ber Debengßaltung erheben muß. 
Soldie ntittberroertßigeu Arbeiter finb ben mit TnVd)fd)itittgeigen* 
feßaften begabten organifirten Arbeitern meit gcfäßrlid)er alg bie 
ben Drganifationcn fernbleibntben oorgüglicß'ftett Arbeiter. 22o 
genieinfam gearbeitet mirb, geigt fieß ißre geringere Deiftunggfäßig* 
feit md)t feiten alg §emmniß unb Störung ber ßeiftungen unb 
bamit beg Skrbienficg aueß ber tücßtigfteu Arbeiter. Sft oieg nur 
ein Aacßtßeil für biefe ©ingelncn, fo giebt eg boeß aueß Säde, in 
benen bie SRinberleiftintg Untüchtiger gu einer für alle Arbeiter 
ungünftigen Söeeinfluffimg bcr öffenilidjen SRcimntg ben Anlaß giebt. 
So führt bie ©inftcllmig einer großen Angaßl bemSBergbau bigßer 
frember Arbeiter in bie Kohlengruben, mie fie in 3 e ^ ci! ftrigenber 
9iad)fragc naeß Koßlen ftattgufmbeu pflegt, regelmäßig gu einer 
s U?inberung ber Tnrcßfdjnittsleiftitng ber im Kohlenbergbau be* 
fdiäftigten Arbeiter. Teggleidjen fann bie Unerfahrenßeit ber 
9)tiubermerthigen fogar gur ©efäßrbuncj oon Deib unb lieben ber 
Uebrigen führen; in (Snglanb mirb bie Steigerung ber ©ruhen* 
unglücfe bei fteigenber Konjunftur oon SBieleu auf bie eben gu 
folcßer 3cit neu eingeftellten Arbeiter gurücfgeführt. 2?or Allem 
aber mirb bag Angebot minberroertßiger Arbeiter nießt feiten ber 
Anlaß, um ben Doßitfap allgemein gu brüefen. Um nämlicß über* 
ßaupt angenommen gu merben, bieten bie IRinbermertßigen ißre 
Arbeit billiger an. Ter Arbeitgeber madjt nun gegenüber feinen 
bisherigen Arbeitern geltenb, baß er billigere Arbeiter haben fönne. 
Tiefe fomtnen in ©efaßr, fid) eine iRinberung ißreg Doßneg ge* 
fallen laßen gu müffen. ©elingt es aber einem Arbeitgeber, ben 
Dohnfap git brüefen, fo bleibt feinen 'IRitbcmerbcrn feine Söahl; fie 
müffen feinem ^Beifpiel folgen ober merben auf bem Diarft unterboten. 
Ter geringere Vohu, gu bem minbermertßige Arbeiter gu arbeiten fid) 
bereit finben, fann fo gitm Anlaß einer allgemeinen ^oßurebuftion 
merben. Taber beim in mand)en ©craerben bie organifirten 
Arbeiter fid) mcigeru, mit Arbeitern, mcld)e nicf)t einen gemiffen 
minimalen Soßnfaß oerbienen, überhaupt gnfammen gu arbeiten. 

l i ^cgiigüd) bcr s 3eftanbtheile, meldic thatfädjlid) btc ©emcrfocrcine 
bilbcn, orrglcirijc man, mas ©djmoHer bei ben bcutidicu .Hlcingcmcrbcii 
über Anhänger ber freien Monfnrreng, C^enoffeinciirtitsfrenube, Anßänger 
ber Innungen unb ^espercibos, bie bloß oon einem llmfturg eine 
Neuerung enonrten, beobmhtet hat. riebe Arbeitergilben ber Wegen* 
man II. r»i. 


©nblicß giebt eg aud) mit Turcßfcßnittgeigenfcßaften begabte 
Arbeiter, melcße ben Drganifationen fern bleiben. Sic oerbienen 
biefelbcn fiößne mie bie Drganifirten unb neßmeit an jeher 33er* 
befferung Tßeil, mcld)e biefe für Alle erringen. Tagegen fueßen 
fie ben Dpfern, melcße bie Aufrecßterßaltung unb SSerbefferung ber 
Arbeitgbcbingungen ben Drganifirten auferlegt, fern gu bleiben. 
Sn früherer 3 e i* erhielten fie baßer bei Arbcitgfämpfen oon ben 
Drganifirten feinerlei Unterftüßung; bann fam auf, bei Augftänben 
befoitbere Sammlungen für fie gu oeranftalten; neuerbingg fonunt 
eg oor, baß aud) fie bei Augftänben oon ber Drganifation, roentt 
aueß nießt in gleichem SIRaßc mie bereu SIRitglicber, unterftüßt 
merben. Vermöge biefer Klugheit pflegen bei Augftänben bie fließt* 
gemcrfocreinler alg Äegel mit ben ©eroerfoereinlern gu geben. 
Tagegen hegen biefe gegen fie tiefe SSeracßtung, ja oft grimmigen 
§aß. 9Rait madht ißnen gum SBormurf, baß )ie ißrem Cfgoigmug 
bie Klaffenintereffen in feßnöbefter SSeife opferten. SDtan meigert 
fieß baßer, mit ißnen gufammenguarbeiten. Auf biefe Sbkife fouert 
fie gum Beitritt unb bamit gur 33eiftcuer gu ber Drganifation, oon 
bereit SfiMrfen fie ÜRußen gießen, gegroungen merben. Tie Sefdßäfti* 
gung oon SRicßtgeroerfoereinlern unb bie Weigerung, mit ißnen gn* 
fammenguarbeiten, füßrt baßer oft gu Arbeitgeinftellungen, nid)t 
feiten aud) gu Augfperruugeu. 

AUein, mitunter geßen bie SKitglieber ber Arbeiterorganifationen 
noeß meiter. Ta bie ©croerfoereine nießtg anbereg finb alg eben 
bie Drganifationen ber Arbeiter ber eingelnen Berufe, fo finb ißre 
9Raßnaßmen naturgemäß oerfeßieben je nadh bem ©ßarafter, bcr 
fittlicßen unb intellektuellen ©ntmicfelunggftufe ber Arbeiter beg be* 
treßenbeu ©emerbcg. Sn maneßen ©eroerben fteefen bie Arbeiter 
noeß gang ooH 3 un fl rem ini^ cen 3 cn - ^ un ro ar cg befanntlid) 
ein §aupipringip beg alten 3 un ft roe feng, baß bie Arbeit, meldje 
oon ben Angehörigen ber oerfeßiebenen 3ünfte oerrießtet merben 
bnrfte, ftreng abgegrengt mar; fein ©emerbtreibenber burfte eine 
Arbeit oerrießten, melcße bem einem anberen ©emerbe guerfannrcu 
Arbeitsgebiete angeßörte; in ber neuen öfterreießifeßen Snnnngg* 
gefepgebung ift biefe Abgrengung beg Arbeitggebietg neuerbingg 
mieber ftaatlicß fanftionirt morben. Sn ©nglanb finb eg gerabe 
eingelne ber älteften unb fonferoatioften ©emerfoereine, in benen 
biefer engßergiae 3nnftgeift noeß ßeute fpuft. SDfan ßält hier nod) 
ßeute an ber SSorftelliuig feft, baß gemiffe Arbeiten nur oon Ar* 
heitern, melcße einem beftimmten ©emerbe angeßören, ocrricßtei 
merben feilten; man meigert fieß bann nießt feiten, mit Arbeitern 
änberer ©emerbe gufammenguarbeiten, feibft roenn biefe Arbeiter 
bie Arbeit, mit ber fie befdjäftigt merben, ebenfogut oerfteßen unb 
biefelbcn ßößne oerbienen; ja, eg ift oorgefommen, baß man fieß 
gemcigert ßat, mit Arbeitern, melcße folcße ©eroerfoereingfapuiigen 
übertreten hatten, gufammen gu arbeiten, aueß roenn fie mieber 
lebiglicß in bem ©emerbe tßätig roaren, bag ße regelmäßig erlernt 
hatten, big fie jene Ueberiretung gefüßnt ßatten. 

Kein 3roeifel, eine äußerft unfpmpatßifcße SRaßregel! ©clcße 
$)ärte gegen bie Arbeiter, bie fo oon einer Arbeit auggcfdiloffeii 
merben; roehße Störung, ber fo ein ^Betrieb auggefept merben fann! 
Aueß bilbet ber ein fteßcnbcg Simentarftiicf unter beti ©rünben, 
meld)e für oerftärften Scßup ber ArbeitgroiHigen geltenb gemacht 
merben. Hub bod) ßaben gerabe bie Arbeitgeber bag geringste 
9fecßt, ben gall im ©efed)t gu oerroenben. 3ft eg bod) feine anbere 
Taftif alg bie, oon ber fie feibft bei ißren Kartellen fo oft ®e* 
braud) macßeit; ift eg bod) nießtg anbereg, alg roenn Kartelle Straf* 
beftimmungen gegen folcße 2öerfe feftfepen, melcße außerhalb bes 
ißnen guerfannten Abfapfreifeg oerfaufen; mie bei biefe« ßanbclt 
eg fieß bei bem SBorgeßeti jener ©emerfoereine nur um eine 3Äaß« 
naßme ooit SBcrfäufertt, um bag Angebot ißrer 2Baarc in ber £)aiib 
gu ßabeit uttb eg itad) SBebarf regeln gu fönnen; unb roenn eine folcße 
S3ecinträd)tiguna ber Arbeit Aitberer beim erften Urteil alg unfittlicß 
empfunbett roiro, fo geigt eine nodjmalige ©rmägung, baß eine 
folcße iBefdjränfung ein notßmenbigeg SIRittel fein fann, um ben 
Öoßn auf ber §öße gu erßaltert, melcße bie fittlicße ©yifteng aller 
in bem betreffenben ©emerbe befcßäftigten Arbeiter erfi möglich 
maeßt. Unb eben biefe Thatfacße, baß eg fieß bei biefer (>3emerf* 
oereingntaßregel um bie Sicherung beg gu einer fittlicßen ©rifian 
Uncittbeßrlid)cn burd) Arbeit, nid)t um Unterneßtnergeroimr ober 
©runbrente ßanbelt, läßt fie aud) fittlicß in einem anberen Dichte 
erfeßeinen als bie analoge £aftif, meld)e biejenigen, bie fie ba 
ißrem Kampf um uttbefeßränfteg Arbeitgangebot gum Sturmbocf 
machen, in ißren Kartellen oerfolgen. 

©ang anberg freilid) märe eg, toenn bie organiftrteit Arbeiter 
oom Staate oerlangten, baß er bureß irgenb eine 5Raßttaßme, ehoa 
ähitlid) bem früheren 3unftrecßt ober ber öfterreießifeßen Snnnngg« 
gefepgebung, ihnen ein angfdjltcßlicheg SRecßt auf gemiffe Arbeiten 



1261 


Sogtole $ragt*. ©entralblott für ©ogtalpolttt!. Star. 48. 


1262 


oerliehe. Aber nirgenb« in Europa £aben bic organifirten Arbeiter 
etwa einen ©chufegoß gegen bie ©inroanberung tfd>ec^ifc^cr, ita» 
lienifcher, polnifcher Arbeiter oerlangt/ 2 ) ähnlich bem 3ott, mittel« 
beffen bie ©etrieb«uuternchmer fich bie auafdjliefeliche Ausbeutung 
be« ^cttnifd^cn SRarfte« gu fichern fuc^en. ©ei ihnen allen banbeit 
e« ftdb nur um freimillige SRafjnahmen. Haben jene ArbeitSroißige 
ba« $Re<ht gu arbeiten, tdo fie Arbeit finben, fo |aben bie Drgant- 
ftrten ba« gleite Sted)t, nicht gu arbeiten au&er gu ©ebingungen, 
welche ihnen ihre fittlid)e ©gifteng gu gemährleiften oerfpredjen. 
Unb fo lange bie Örage auf biefem ©oben ber 8reimillig!eit aua- 
getragen wirb, hat ber ©taat, ber über ben Parteien fielen foll, 
fein Siecht, fich eingutnifchen, inbem er gu ©unften ber ©inen ben 
Anberen mit biefen auch bann gu arbeiten befiehlt, wenn bie« ben fo 
©egroungenen al« eine ©efährbung ihrer wichtigften Sntereffen 
erf^eint. 

Sange 3*ü hat bie englifche Stechtfprechung ben bem fytt oer- 
tretenen entgegengefefcten ©tanbpunft eingenommen, ©ie ging 
oon bem ©runbfafc au«, bafj nach bem Common law jebe ©erfon 
ein Siecht habe, über ihre Arbeit ober ihr Kapital frei gu oerfügen; 
baher fei es ftrafbar, fte in ber Ausübung biefe« Stecht« fo gube- 
hinbern, bafj iljr barau« ein ©chaben erroadjfe, unb gmar felbft 
bann, wenn bte ©ehinberung burch im Uebrigen erlaubte Mittel 
ftattfinbe. SJemgemäfg blieb eS auch nach ber ©efeitigung ber 
koalitionSoerbote im ßahre 1824 ftrafbar, wenn bie Arbeiter 
bie Arbeit gemeinfam nieberlegten, um bie ©ntlaffung eine« Anberen 
herbeiguführen; nur Arbeitseinteilungen, welche bireft bie ©rgielung 
höherer Söhne ober fürgerer ArbeitSgeit begmeeften, waren auch na<§ 
1824 erlaubt. 3a fo tief ging bie Abneigung gegen ben Au«- 
fchlufj gewiffer ©erfonen auf betn SBege. ber Koalition, bafe e« ben 
©egnern ber ©eroerfoereine noch 1869 gelang, in bem SRehrheit«- 
bericht ber königlichen ©ewerfoereinSfommiffion, welcher bie ©eroerf- 
oereine oon bem gebachten ©runbfafc be« Common law auSgu- 
nehmen unb bamit gu Iegalifiren empfahl, bie Steftriftion burchgu» 
fefcen, „baff jeboch feinerlei gefefelid^e ©eftimmung erlaffen werben 
foßc, bie eine koalition gur SBeigerung, mit einer beftimmten 
©erfon gufammenguarbeiteit, um bie ©efebäftigung biefer ©erfon 
gu oerhinbem, ober gur Weigerung, einer beftimmten ©erfon Arbeit 
gu geben, gu etwa« Erlaubtem machen würbe." $)er SRinberheitS- 
bericht bagegen befürwortete, auch f°^ c koalitionen gu geftatten, 
fo lange gur ©rgielung be« erftrebten 3 TO ecfS feine an ftch unge- 
fefclichen SRittel gur Anwenbung fämen. 

„©« ift abfolut unmöglich/" Reifet e« in biefem ©eridjte, „bie oer- 
fchiebenen ©rünbe gu flafftfigiren, au« benen bie Arbeiter eine beftimmte 
©efchäftigung oemiinftiger SSeife gemeinfam ablehnen fönnen. Ob ihr 
©orgeljen oemünftig ift ober nicht, hängt oon ben Umftänben be« 
einzelnen gaß« ab. ©S fcheint unmöglich, gu ftatuiren, bah bie Arbeiter 
ba« Siecht haben follen, bie Arbeit eingufteflen, um beffere Söhne gu er- 
gielen, nicht aber um einen lüibrigen ©orarbeiter ober eine ihnen fd)äb* 
lieh erfdheinenbe ©etrieb«beftimmung gu befeitigen. (5« giebt f$äße, in 
benen ba« Sejjtere uöflig oernünftig, ba« CSrftere oößig thöricht fein 
mürbe, ©S erfcheint un«, ba& jebmebe Untcrfcheibung biefer Art un¬ 
haltbar unb ungerecht ift. 2>a aße ©ürger ba« ©echt haben, Singebote 
gurüefgumeifen unb e« abgulehnen gu oerfaufen, wenn nicht ihre ©e- 
bingungen angenommen werben, unb ba aße ©ürger ba« Siedjt haben, 
bie« auf ©runb gemeinfamer ©erabrebung gu tfjun, fofltc c« nodj 
unferer ©Meinung auch ungmeibeutige« Siecht fein, ba| bie Arbeiter, wie 
anoere ©ürger, befugt fein foßen, bie ©efchäftigung au« jebetn beliebigen 
©runb gemeinfam gu oermeigern, oorauSgefefet/ ba& fie, inbem fie fo 
hanteln, fid) feinerlei ©erlefoung ber Orbnung ober eine« anerfannten 
©erbrechen« fchulbig machen." 

$)ie englifche ©efefcgebung hat fich biefer Auffaffung be« SRinber- 
heitsberichte« angefchloffen unb bie koalitionen gu allen 3 roe ^ eit / 
oorauggefefct, bafe feine im Uebrigen unerlaubten SRittel gur Sln- 
wenbung fämen, für gefefelich erflärt. 6« hat aber SRühe gefoftet, 
bie neue Sluffaffung gegenüber tief eingemurgelten ©orurtheilen in 
berSiedhtfprechung gurSlnerfennnng gu bringen. Smmer wieber fanben 
fuh ^Richter, welche in biefem ober jenem Jall eine befonbereUrfadhe ent- 
bedften, warum gerabe hier bie alte Sluffaffung be« Common law noch 
Geltung haben füllte, ©in Satt mit befonber« erfchmerenben Um¬ 
ftänben hat bie Örage enblid) gur pringipießen ©ntfeheibung burch bie 
oberften dichter be« Sanbe«, bte Saw-ßorb« be« Dberhaufe«. gebracht. 
3toei ©<hiff«gimmerleute, Öloob unb Saplor, SRitglieoer eine« 

*) ®a« h öt bfte/ mogu bie englifthen ©ewerfoereinler oor ber Royal 
Commission on Labour ftch aufgefdjwungen haben, war, bajj ber ©efretär 
be« ©erein« ber SRatrofen unb feiger wünfehte, bah ein ®efe$ erlaffen 
werbe, wonach ^rembe nicht gu niebrigeren Söhnen al« ©nglänber be- 
fchäftigt werben bürften. ©gl. ©pger«, The Labour Question, Sonbon 
1894 3. 51. 3n 2)eutfchlano haben bie Arbeiter meine« Riffen« nach 
niemal« ftaatUche SRahnahmett gegen bie ^erangichung au«länbifcher 
Arbeiter oerlangt. 


©ewerfoerein« ber ©chiff«gimmerleute, hatten bei einer Ötrma 
Arbeit oerrichtet, welche bie keffelfchtniebe al« Slrbeit ber keffel- 
fdhmiebe anfahen. darauf waren fie bei einer anberen Öinna mit 
©chiff«gimmerarbeit befchäftigt, gleichseitig mit 20 teffelfchmieben, 
welche Arbeit in ©ifen oerri^teten. Sfun liefen biefe keffelfchmiebe 
ber gweiten Öirma, bei ber fie g. 3- thätig waren, fünbigen, ba 
fie mit jenen ©chiff«gimmerleuten, welche gegen ihre Oewerfocrein«- 
fahung oerfto&en hätten, nicht gufammen arbeiten wollten. £)ie 
Öirma fonnte bie keffelfchmiebe nicht entbehren unb entlieh bie 
®thiff«gimmerleute. darauf oerflagten bie ©chiff«gimmerleute ben 
©efretär be« ©ewerfoerein« ber keffeifchmiebe, ber in bem Auf¬ 
träge ber legieren gehanbelt hatte, weil er ihre ©ntlaffung oeratt- 
Iaht habe mit ber Abficht, fie gu fdhäbigen. S)er ^rogefc fam nadh 
durchlaufuitg aller Snftangen am 14. 5)egember 1897 gur befini* 
tioen ©ntfehetbung. 2)ie ®chiff«gimmerleute würben abgewiefen, 
unb e« würbe entfdf)ieben: w ©enn eine |)anbiung an fich erlaubt 
ift, ift ba« SRotio, au« bem fte gedieht, gleichgültig, ©ßenn 
Semaub einen Arbeitgeber oeranlaht, einen Arbeiter gu entlaffen, 
oorau«gefeht, bafe bie ©ntlaffung nicht einen kontraftbrujh bebeutet, 
ober 3emanben oeranlaht, einen Arbeiter nicht gu befefjäftigen, fo 
giebt bie« bem Arbeiter fein klagerecht, auch memi Setter in ber 
Abficht, ihm gu [(haben, gehanbelt hat unb ber Arbeiter gefchäbigt 
worben ift." 2)ie ®ericht«oerhanblung oor bem Dberhaufe giebt 
eine Atte«, wa« oon beiben ©eiten in ber Ö*aae rechtlich oorgebrad)t 
werben fann, gerabegu erfchöpfenbe ^arlegung.^) Seiber nöthigt ht cr 
SRangel an Staum, bie 3afammenfaffung ber in ber Debatte oor- 
geführten Argumente einer juriftifchen 3eitf<hnfi ja übcrlaffen. 

£)ie „$)euffchrift, betreffeub bie Au«fchreitungen bei ben 
Arbeitafämpfen ber lebten Sah^e," h a ^ au f 21—24 eine 
Steihe oon Öäßcn aufgeführt, in benen Arbeiter nur mit^erfonen, 
wel^e ihren SDrganifationen angehörten, gufammenarbeiten gu 
wotten erflärten. Söurbe ihrer ©ruärung nicht Stechuung getragen, 
fo fteHten bie Arbeiter bie Arbeit ein. ®a bie Arbeitgeber, bie fo 
künbigenben nicht entbehren fonnten, würben bie nichtorganifirten 
Arbeiter entlaffen. Allein in aßen bort angeführten Öäßen haben 
bie Arbeiter nur oon einem ihnen ungmeifelhaft gnftehenben SRechte 
©ebraudj) gemacht, unb felbft ber §. 4 Abfaj 3 be« ©ntwurfe« 
eine« ©efehe« gum ©chuhe be« gewerblichen Arbeiteoerhältniffe« 
fagt: „©ine ©erruf«erflärung ober Drohung im ©inne ber §§. 1 
bi« 3 liegt nicht oor, wenn ber Später eine ^anbluug oor- 
nimmt, gu ber er berechtigt ift, in«befoubere, wenn er befugterweife 
ein Arbeit«- ober S)ienftoerbältm& ablehnt, beenbigt ober fünbigt, 
bie Arbeit einfteßt, eine Arbeitöeinfteßung ober Auöfperrung fort® 
fefet, ober wenn er bie ©ornahmc einer folchen §anblung in Au«- 
fiebt fteßt." ©ogar nadp ber fogenannteit 3a(h^ ail)gOü ^ a 0 c f*>H 
alfo bie ^)rohnn^ mit einer Arbeit«einfteßung, um bic ©ntlaffung 
eine« nicht organifirten Arbeiter« herbeiguführen, nicht ftrafbar fein. 
SSarum, fragt man ftaunenb, hat bann aber bie befagte 2)enffchrift 
folche Drohungen al« Au«f<hreitungen, welche eine frf>ärfere ©efefe- 
aebung über koalitionen nothmenbig machen foßen, aufgeführt? 
feohl au« bemfelben ©runbe, au« bem fie auch SRiffethaten oor- 
führte, bie auch nach Annahme be« oorgefchlagenen ©efefcc« gar 
nicht unter biefe« faßen, fonbern nach wie oor nach bem ©traf- 
gefehbuch meit härter beftraft werben würben, — um bie ©efefce«- 
unfunbigen für bie ©orlage gu gewinnen. 

SRünchen. Sujo ©rentano. 

(©c^lufe biefe« Krtifel« in nätfjftet gtummer.) 


Mytmtim «ojlnl- trab BittyftafepolttUt. 

$>tt einheitliche 3Rieth«öertrag. 

2)ie Hoffnungen berjenigen, welche geglaubt hatten, bafc bie 
faft einmüthige ©erurtheilung ber im oerfloffenen Sahre oon bem 
©erbanb ftäbtifcher ©runb- unb Hauabefitjeroereine geplanten ein¬ 
heitlichen SRieth^oerträge feiten« oer ©reffe unb ber öffentlichen 
SReinung auf bie an ber ©pifee biefe« ©erbanbe« fteheuben ©erfön» 
lieh feiten ©inbrudf machen unb ihnen bie llnbißigfeit ihre« ©er¬ 
gehen« gum ©emufttfein bringen werbe, haben fiel) leibcr nicht erfüllt: 
Auf bem in ©Iberfelb abgehaltenen ©erbanbatage hat mau (wie 
fdjon furg in ©p. 1227 biefe« ©latte« erwähnt) bie ©iufiihruug eine« 
einheitlichen SRiethoertrag« bef^loffen, weiter an ©infeitigfeit unb 
ünaerechtigfeit feine« ©leichen fud^i. ©o gicmlicf) alle ©flirten fmb 
in biefem „SJtufteroertrag" auf ben SRiether abgewälgt, bie Siechte 
au« bem ©ertrage beanfprucht ber ©ermiether für fid). 5Semt ba« 

8 ) ©gl. „The Law Times“ ©a»Ö 77 S. 717-773. 



1263 


eogiale $ra£i*. dentraftlott für 6ojiaIpolitt!. SRr. 48. 


1264 


bürgerliche ©efefcbud) bem 9Riether gat)Ireicf)e wichtige §Red)te oer* 
liehen hat/ burih welche bem ©ebanfen, bag beibe Vertragsparteien 
in rechtlicher £infi<ht einanber gleichgeftellt fein ntüffen, Rechnung 
getragen wirb, ]'o fefct firf) ber Verbanb ber ^aitSbefifceroereine 
furjer §anb bariiber hinweg. $)er Viiether mufc fid) 3 m* Voraus* 
gahlung beS 5 Rieth 3 tnfeS oerpflichten, bie bas bürgerliche ©efefc* 
buch nicht fenut 1111 b bie auch in ben weiteren ©ebieten beS VkftenS 
unb ©übroeftenS unbefannt ift, er barf nicht bie ihm gegen ben 
Vermiether 3 uftehenben 3fo*berungen auf bie SRietljsiitSbeträge auf* 
rechnen, ja er fann ni$t einmal bann oon bem Vermiether (Int* 
fchäbigung forbern, wenn bie Söohnuug unbrauchbar wirb. $er 
„Vtufteroertrag" befeitigt bie in bem ©efefcbuch anerfannte Ver* 
pflichtung beS VermietperS, bie SBohnung roieberhersufteflen, er 


jwingt auch bem Vtiether ben Verzicht auf baS ihm nach bem 
»ärgerlichen ©efefcbuche juftehenbe KünbiguttgSred)l für biefen $att 
auf. Aber bamit noch nicht genug, erklärt ber Normaloertrag, ba& 
bie £auSorbmingen %f)dk beS VtiethoertrageS feien; bamit ift ber 


ganse gnhalt biefer oielberufenen Drbnungen unter ben Vertrags* 
fchufe gefteüt unb ber Venniethcr hat es in ber öanb, ben SRieth* 
oertrag auch wegen ber fleinften Uebertretung Der £>auSorbnung 
aufaulöfen — falls eS ihm pajjt unb falls bie ©erichte nid)t ber 
AnHd)t finb, bah bie Beftimmungen ber §auSorbnung mit bem 
neuen Bürgerlichen Specht im dinuang ftehen. 

dS ift unbeftreitbar, bafe bie Sage ber VUether burch biefe 


bem einfeitigften Klaffenintereffe angepafjten VertragSbeftimmungen 
wefentlirfj uerfrfjlecfjtert wirb, unb wenn bie §auSbefifceroereine fich 
bisher barüber befchwert haben, bah ih^ e Veftrebuugen nicht feiten 
als bauSagrarifche beseitiget würben, fo werben fie nach biefer 
Vtufterleiftung einen Vorwurf gegen biefe Cualififation nicht mehr 
erheben fönnen; man fann fich ber dmpfinbung nicht erwehren, 
bah in biefen @afcungen ber ©eift beS ^robcntljumS mm Aus* 
bruef fornmt, ber ©eift jenes mit Verachtung auf ben Unbemittelten 
herabfehenben KlaffenegoiSmuS, unb wenn Der £)auSbefifceroerbanb 
für feinen Normaloertrag ein 5Rotto wählen will, fo würbe bieS 
am paffenbfien baS 28ort fein: Vae Paoperibus! 


dS fragt fich nun, was gefdjehen fann unb gefchehen muh, 
um eS 3 U oerhüten, bah bie Veftimmungen beS Bürgerlichen 
©efefcbuchS einfach befeitigt werben? 3 n biefer .fnnfidjt ift oor 
Slllem 3 U betonen, bah bie SRiether fich 311 VHetheroereinen 3 um 
@chuh unb 3 ur Abwehr ber Uebergriffe ber gmusbefiperoereine 
organifiren müffen; oerein 3 elt beftehen bereits fold)e Vereine unb 
ba unb bort fcheinen fie auch nicht ohne drfolg gearbeitet 311 haben. 
Aber bie üerein 3 elte Drganifation aenügt nicht, allenthalben müffen 
folche Vereine begrünbet werben, bereu 3wfawmenfaffung in einem 
Verbanb fich bann oon felbft ergiebt. treten bieSRiether in biefer 
SBeife gefdjloffen auf unb repräfentiren fie ebenfalls eine wirth* 
fchaftliche ttRadjt, bann wirb man fich hüten, fie als quantite 
negligeable 3 U behanbeln, wie bieS bem einzelnen Vtiether gegen* 
über ber gatt ift, bann wirb ber dentraloerbanb ber £auSbefifeer* 
oereine oor ber Einführung eines 9RiethoertragS erft mit ber Dr* 
ganifation ber SRiether in Unterhanblungen eintreten unb fich mit 
oiefer 3 U oerftänbigen fuchen. £)ringenb muh ben SRietljern 
empfohlen werben, mit biefer Drganifation balbigft ooqugehen, 
benn je eher ber SSiberftanb gegen bie unglaublichen Anfprüdje ber 
§auSbefifceroereine ftch thatfräftig geltenb macht, um fo mehr barf 
gehofft werben, bah bie dinführung beS VormaloertragS auf 


unüberwinblid)e ©djwierigfeiteit ftöfjt.*) 

Db bie Nechtfprechung bie Aufeerfraftfebung ber wichtigsten 
Vorfchriften beS neuen 9Riethred)iS als rerfjtSwirffatn anerfennett wirb, 
bleibt absuwarten; Verfaffer biefer Seilen hat früher fefjon heroor* 
gehoben, bah baS Bürgerliche ©efefcbudj bem Vielter bie SRöglich* 
feit gewährt, manchen monftröfcit Veftimmungen ber SRiethoerträge 
unb §auSorbnungen bie Anerfennung 3 U oerfagen. dine ^ßrajis, 
bie auf ber §ölje ber fo 3 ialpolitifd)en $enfuttgSweife beS neuen 
Ved)tS fteht, wirb bei ber Anwenbung beS §. 226 nicht alT^u 
ängftlich fein bürfen, fie wirb fich oor Ottern bie SDhatfache oer* 


*) 3 n dlberfelb hat am 24 . Auguft eine ftarf befudjte Bürger* 
uerfammliwg gegen ben Normalmieibuertrag Broteft erhoben, ds 
würbe eine Befolution angenommen, worin es? fjeifjt: 9 Ran erlernte in 
biefen Veftrebuugen ber .frauSbefifcer „int Allgemeinen eine riicffrfjrittlidic 
unb barunt oolfsfcinblirfjc, ooin frfjlimmftcn (igoismus biftirtc 2hätig* 
feit", oin bem Vertrage erblirfe mau „eine Ucberbcbuug ber £>aits= 
beiiper, eine Beuormunbung ber Vi'ietfjer, bie allen heutigem Aufdjauungcu 
über (Gleichberechtigung beiber oertragfrfjlieBeubcn Bartcicn .öolju fpreche". 
Tie Verfammlung erwarte oon bem $aus* unb (Grmtbbefiperocreiit in 
dlberfelb, bau er firf) beit ,,Normal* 9 Rictljuertrag** nicf)t 311 eigen marfje, 
tonbern bie in bem Bürgerlidjcn (Gcfc^budje niebcrgelegteii Beftimmutigen 
aU' mangebenb erachte. ®cn Viietheru würbe empfohlen, itt biefein 8iune 
311 tüirfeu unb fich bei Slbfdjluh oott SRiethoerträgen barttad) 31t ridjteit. 


gegenwärtigen müffen, bah hie mit ben ©runbfähen ber Rechts* 
glcichh^it in offenem SBiberfpruch ftehenbe Verthcüung ber Rechte 
unb Pflichten eines Vertrags awifchen ben Parteien hart an bie 
©rensfphärc beS fittenwibrigen Vertrags ftreift. 

Sluf bie $)auer fann felbftoerftänDlich baS Veich eS fich nicht 
gefallen laffen, bah e *ne Sntereffentengruppe einen wichtigen 
Der oon ihm 30 m 0chuhc ber SRiether gegebenen Vorfchriften aufcer 
toft fe^t. 2)aS Vorgehen ber gtauSbefiheruereiue wirb bah’er oor 
Stdem bie B3irfung haben, bah «in St heil beS SRicthrechtS, oiel* 
leid)t fogar ber bei Leitern gröbere, unter ben @chuh beS öffent* 
liehen SHechtS gefteüt unb bamit ber SRöglichfeit einer Slbänberung 
im Vertragswege ent 3 ogen wirb. B3ir halten eS für eine Slufgabe 
ber V?ietf)eroereine, hierauf hin 3 uarbeiten unb feine ©eleaenheit 
unbetmht oorübergehen 3 U laffen, bei welcher bie Sympathie ber 
SReichSgefchgebung hierfür erweeft werben fönnte. ®eu 3Riether* 
oereinen wirb babei bie Unterftüfcung aller ftreife fither fein, welche 
bie Vedjtsgteichheit gwifcheu bem IRicther unb Vermiether für bie 
©runblage eines ben mobernen Verhaltniffen ebenfo wie ber ©e= 
redhtigfeit entfprechenben SRiethrechteS halten. 

ßubwig gulb. 

^5ie bernfSgenoffenfchaftliche Drganifation ber Arbeiter nnb bie 
dentrnmSpartei. 

S)ie Stage ber berufsgenoffenfdjaftlichen Drganifation ber 
Slrbeiter ift auf ber ©eneraiDerfammlung beS SluguftinuSoereinS 
3 jir Bflege ber fatl^olifcfjen treffe itt $öln in bemerfenSwerther 
Söeife behanbelt worben. Namentlich oerbient bas Neferat beS 
früheren dentrumSabgeorbneten unb VechtSanwaltS 3uliu3 Bachem 
in £öln befonbere Beachtung, dr oerbreitete fich über bie Noth* 
wenbigfeit ber berufSgenoffenfehaftlidheu Drganifation, weil ber 
prin^ipieüen Slnerfennuttg feiteuS ber Äatholifen ungeachtet auf 
biefem ©ebiete noch 3 U wenig gefdjehen fei, unb weil nicht Keine 
fatholifche Greife, geiftliche wie weltliche, biefer Drganifation noch 
3 weifelnb, 3 urü<fhaltcnb, ja theilweife bireft abgeneigt gegenüber* 
ftänben. Von ben ©egnern ber beruflichen Drganifation im 
dentrumSlager griff ber Neferent 3 wei Kategorien heraus: manche 
©eiftUche unb manche Arbeitgeber, unb führte babei nach einem 
Bericht ber Auguft*Nummer beS „AuguftinuS*Blatt" SoIgenbeS au&*. 

^te drftcreit (manche (Geiftliche) meinen, bie ©efellenoeretnc unb 
bie Strbeiterocreine genügten, ^iefe Vereine oerbienen gcwiB alle» Üob, 
Üe finb nach wie oor nothwenbig unb füllen eifrig unteritüpt unb ge= 
förbert werben, aber bem berechtigten Veftreben beS Arbeiters, feine 
wirjhfdjaftliche Öage 3U h^^n, fönnen ftc nicht ausreidjettb bienen, 
tiefes CGcfül)l beljerifdjt auch bie größeren Vereinigungen biefer Art, 
bie beshalb baju übergehen, fogeitannte gachabtheilungen 3U bilben. 
Auch oon bett Unternehmern ftnb noch mandje ©egtter ber beruflichen 
Drganifation aus reiner 0 eI 6 ftfud)t. Sie erfennen bie dleidjberechti* 

E bes Arbeiters mit beut Arbeitgeber bei ber gcftfejjmig ber Ar* 
bcbiiiguttgen nicht an, obwohl baS baS AVd fojialpolitifdicn 
Verftänbniffes ift; fie wollen oon ber Drganifation nid)ts wiffen, weil 
fte glauben, bah *h re eigenen ^ntereffen baburch gefährbet unb ge* 
)chäbigt würben. ®aS halte id) für Fo^ialen Unoerftanb. Auf bie S:aüer 
toerbeu bie oerftänbigen Arbeitgeber mit ben organifirten Arbeitern 
beffer 3ure<ht fotnmen als mit ben unorganifirten. $as ^ichterwori: 
„Vor bem «flauen, wenn er bie Kette bricht, oor bem freien Vtannc 
erbittere nidbt," fönnte jeitgemäf} fo lauten: „^ürdhte ben auf fidj felbfi 
geftellten, ftdj felbft übcrlaffenen Arbeiter, nicht aber bie Arbeiter* 
organifation." S)ie unorganifirte 3 Raffe wirb ben dinflitffen gewiffeu* 
lofer dlemente oiel jugänglidier fein als bie Drganifation, bereu gührcr 
ihrer Verantwortlichfeit fich eher bewuf}i bleiben, für bie alles auf bem 
Spiele fteht, wenn fie friuol unb imbefonnen 31t SSerfe geljen. Sie 
oiele thöridjte ©treifs finb neuerbings auch fo3ialbemofratifchen 
Drganifatiouen wiberrathen unb befämpft worben! gür bie dentrums* 
partei ift es meines (IrachteuS bie Ijöc^fte 3 eit, es in ber ^örberunq 
ber berufSgenoffeufdjaftlichen Drganifation ber 0 O 3 ialbemofratie gleich 
311 tljun. 2 )ie Bewegung ift uuaufhaltfam, fte wirb fich ooll3iehen mit 
uns ober ohne uns unb gegen uns. Ucbcr biejenigen, weldje bei «eite 
flehen 31t fönnen glauben, geht bie dntwicfelung hinweg. 3 $ir wollen 
unb müffen babei feilt. An ber görberung ber Organifation»* 
beftrebungen unter ben djriftlirfjen Arbeitern ba, wo bie Verhältniffe fie 
erheifdjen unb Bobeit bafür oorhanben ift, müffen alle Kreifc ntitwirfen. 
(Gewiö müffen bte Arbeiter felbft bie Präger ber Drganifation fein. 
Aber man foll ihnen bei ber «djaffung berfelben helfenb 3ur «eite 
fte heit. Xi c djriftlidjeii Arbeiter finb metft nod; oiel 311 wenig gefdjult, 
311 unbeholfen, um bett fo3ialbemofratifchcu Drganifatiouen glcid)wertbtge 
ins Sebeu rufen 31t fönnen. 23 arum fie noch gefonbert organiftn 
werben müffen, braudte id) nicht naljer auS3uführeu. Audj bie «o^iaU 
bemofratie sieht ja ihrerfeits ben flarett, fdjarfen XrennungSftrtd;. 3Rit 
ber 3 f tt wag baS anberS werben, wie eS in ber 0djwei3 fchon anbers 
ift, unb fdjon ie(jt mögen bie ociidjicbeneu Drganifationeu in ($111301* 
fällen sufaimneitgeheit, wie eS audj fchott gefchieht. Xaft bie djriftlirfjen 
Arbeiterorganisationen iiiterfonfefjioneHe fein müffen, wirb jefci wohl 




1265 


©ogtole ©entralblatt für Sogialpoltttf. Sit. 48. 


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nirgenbs mehr ernftlid^ angefoäjien. Sin ber görberung ber Drgant» 
fationSbeftrebungen ber djrtftlichen Arbeiter muß ber ftleruS befonnen 
unb untüchtig mitwtrfen, wie er an ben früheren Dcganifationen fo er¬ 
folgreich mitgearbeitet hat; bie fatljolifcben Unternehmer füllten opfer¬ 
willig babei fein unb auch bie treffe muß mit tfeun, unb gwar mehr 
als bisher. 

$)er Referent oerbreitete fidj auch über bie Bebeutung ber 
©etoerffchaftsbewegung unb fpradfj anerfennenb über bie Be¬ 
mühungen ber Sogialbemofratie um bie geroerffdjaftliche Drgani- 
fation. 3roar habe Kölner ©eneraloerfammlung ber ftatholifen 
2>eutfd)IanbS im gahre 1894 bie berufSgenoffenfchaftlichc SDrgani- 
fation ber djriftlichen Arbeiter lebhaft befürroortet, aber bicfe flehe 
ltodh in ben erftcn Anfängen. BBenn nicht ein 9M;rereS gefdfeehe, 
bann werbe bie politifdje Stellung ber ©entrumspartei baburcfe 
namentlich in ben großen Stäbten auf bie $auer fehr erfchwert, 
ba bie Arbeiter leicht geneigt fein mürben, ber Partei bie Sthulb 
bcigumeffen, wenn in golge ber ©leichgültigfeit ober beS BBiber- 
ftrebcnS eütgelner Greife bie Drganifation feine gortfchritte mache. 
Starfe, gut geleitete Drganifatioiten ber Arbeiter mürben leicht bie 
Berftänbiguitg mit ben Arbeitgeber-Drganifationen finbeit, auf bie 
beibe Tfytxk angemiefen feien. Namentlich mürben Drganifationen 
auf (hriftlithent Boben biefcm 3irfe bienen. BBer fje förbere, biene 
ber großen Sache beS fogialen gricbens!— 3)ie 46. „©eneral- 
oerfammlung ber Äatholifen 2)entfchlanbS" in Neiffe begann am 
27. STug. mit einer impofanten Berfammluug oon 150 fatholifchen 
Arbeitcroereineu, in ber ebenfalls bie nadjbrücflich bie Noth* 
menbigfeit ber Drganifation betont mürbe. 


$ie nationale Sßeljrfraft mh bie $eran$iehnng anilünbif^er 
Arbeiter. $ie in biefen Blättern (Sp. 1073) bereits megen ihrer 
fogialreformerifchen Anfdjaunngen ermähnte Schrift beS ©enerals 
o. Blume, „$>ie ©runblagen unferer Sßehrfraft", fagt golgenbeS: 

©egen baS in neuerer 3eit immer mehr gur Anroenbung fontmenbe 
AuSfunftSmittel, ArbeitSfräfte einer fremben, minbermerthigeit Naffe 
ins 2anb gu giehen, finb oom militärifchen unb nationalen Staub* 
punfte aus bie ernfteften Bebenfen gu erheben, ©uuberttaufenbe biefer 
gremblinge bringen ins beutfdje £aub ein, um bie ber ©cfunbheit gu* 
träglichften Arbeitspläne eingunehmen, bie burch ben Abgug ber ein- 
heimifthen ßanbbeoölferung in bie gnbuftrieftäbte ober iiberS 3J?eer leer 
geworben ftnb. $)aS ift Vergiftung beS Blutes ber Nation! 

BBir bringen biefeS ©itat, weil erft in biefen £agen (am 
24. Auguft) im preußifchen AbgeorbnetenhauS oon fonferoatioer 
unb agrarifcher Seite bie ©ifenbabnoerwaltung aufgeforbert morben 
ift, bie Strecfenarbeiter burch gtaliener gu erfefeen unb nur auS- 
länbifchen lanbroirthfchaftlidhen Arbeitern ©rmäßigung ber ©ifen- 
bahnfahrpreife gu gewähren. 

gnternationaler ftongteß für ftinberfchufe ttt Peft. ©in inter¬ 
nationaler ftongreß für $inberfcf)ufe wirb oom 12 . bis 18. Sep¬ 
tember in Peft tagen. Bisher finb 454 2^h c ^ n ehmer angemelbet, 
barunter 62 oom AuSlanb, unter biefen ftnb befonbcrS frattgöftfehe 
unb italienifche Acrgte oertreten, jebod) werben auch bie anbereu 
europäifchen ßäuber foroie bie Bereinigten Staaten oon Ainerifa 
Xheilnehtner fenben. Nach bem Programm follcn auf bem Monarch 
„alle jene fragen befprorf)en, fomic auch alle folche Ncformioeen 
geförbert werben, welche bie SNinberjährigen ohne Unterftfjieb ber 
Naffe, beS ©efdjlechteS unb ber Neligion betreffen unb bie im 
gutereffe ber ©ntwidfelung ber Nienfchheit ben SNinberjährigen 
gegenüber maßgebenb fein foHen." SDer 3mecf ber Berauftaltung 
ift, ben ftinbern, welche baS 16. ßebenSjahr nodb nicht erreicht 
haben, Schüfe gu gewähren unb bas öffentliche ßebeu berart gu 
geftalten, baß in ber gamilie unb in ber Schule, fowie in ber 
gefammten h e ranmacf)fenben ©eneration bie ßiebe gu ben ftinbern 
in richtiger unb angemeffener BBeife entwicfelt werbe, fo baß fie oor 
liebergriffen unb NHfthanblungen möglichft gefchiifet bleiben. — 
SDie Abreffe beS ^ongrehfomiteS ift Bubapeft VIII, SofefSrittg 43. 

N^aguahmeu gegen bie ftrüeitSloftgfeU in NenfübmaleS» Sn 
ber Kolonie NeufübwaleS würbe eine parlamentarifche iTommiffion 
mit ber llnterfuchung ber grage ber ArbeitSlofigfeit betraut, ’&er 
Premier empfahl igr, bie Berljältniffe in ber Kolonie in biefer 
Begießung nad) brei Seiten hin }n prüfen unb gmar mit Nücfficfet 
auf bie arbeitsfähigen unb -willtgcu BefchäftigungSlofen, bie Ar¬ 
beitswilligen aber ßeiftungsunfähigen unb fcfeliefelich bie Arbeits- 
fcheuen ooer Bagabunben. gür bie beiben erftcn ©ruppeit fönnte 
Arbeit nach 2:hunlid)!eit befdjafft werben, währenb bie lefeten in 
Anftalten untergubringen wären. ®ie Eotnmiffion empfahl ber 
Negierung bie Inangriffnahme oon NothftanbSarbeiten unb gwar 
oorgugSmeife bie Urbarmachung bewalbeter unb oerfumpfter 
ßänbereien. 


ftomttmnaie So^ialpoliHk. 


kommunale Anlagen gur gdrbernng ber gfnbnftrie« Mehrfach 
haben wir in ber lefeten 3 ß it über Aufwenbunaen unb Besän¬ 
ftigungen berichtet, bie oon ©etneinben — namentlich in Baben — 
aus öffentlichen äßitteln im 3 fttereffe j, er ©rofeinbuftric gemacht 
worben ftnb. ©in weiteres Beifpiei wirb jefet aus ber fleinen, 
etwa 3500 ©inwohner gählenben Stabt Necfarfulm in Bßürttemberg 
aemelbet. ®ort erläfet baS Stabtfchultheifeenamt öffentlich eine 
Belanntmachung, wonach bie Stabtgemeinbc, einem BBunfcfee ber 
Snbuftriellen entgegenfommenb unb „um günftige (Gelegenheit für 
weitere inbuftrieUe Anlagen gu fchaffen", bie Ausführung eines 
SnbuftriegeleifeS unternimmt, bas bie Berbinbung ber jefet fchon 
oorfeanbenen inbuftrieHen Anlagen mit bem Bahnhöfe h er fi c Ö e n 
foH. ^)a bie Stabtgemeinbe ©igenthümerin beS gefammten an- 
liegenben ©runb unb BobenS fei, werbe biefer Anfchlufe unb bie 
©rünbung weiterer ©tabliffements fehr erleichtert, gumal baS 
buftriegeleife nahe bem fefeiffbaren Necfar geführt unb mit bem 
giufj burch c i ne 6chiffslänbe oerbunben werben foll. 2)ie Befannt- 
machung fchliefet mit folgenben ^Borten: 

©3 bürften beShalb ben bereits oorhanbenen bebeutenberen ©e- 
werbSanftalten, als Schiffswcrftc unb Äeffelfchmiebe, gahrrabwerfen, 
iampffägewerfen unb einer £>olgmerfgeitgfabrl! halb weitere ©tabliffe- 
meuts firf) anreiljen unb Necfarfulm ftdj gu einem inbuftriereicheren 
Viafee entmicfeln. SNöge bas begonnene SBerf unb bie fich baran an- 
fchliefeenbeu Unternehmen fowohl gunt ©eile ihrer ©rünber wie gum 
Blühen unb ©ebenen unferer fhönen Sulmftabt auSfaHett. 

ArbeiterPertreter mtb ftäbttfdhe NegtearBeit tu Battcrfea (Bonbon). 
2Bie in ben ßonboner ©raffcfeaftSrath fürglich als Vertreter aus 
ber arbeitenben klaffe SNr. B. feiüett, ber gührer ber ^)ocfarbeiter, 
unb 3Nr. £ap!or, ein N?itglieb ber SNaurergenoffenfchaft, berufen 
worben ftnb, fo ift in bem ßonboner Si'irchfpicl Batterfea jefet ber 
SteinmefegefeUe 9Kr. 3B. SNatthewS burch einftimntige BBabl Bor- 
ftfeenber beS ehrenamtlichen ^irchenrathS geworben. 2)ie ArbeitS- 
geit in bem ©emerbe beS neuen Borftfeenben beträgt 48 Stunben 
bieBBoche, ber Nortnalftunbeitlohn 10 Vaice ober 42 J(. bie BBocf)e. 
Batterfea hot ein reges fommttnaleS ßeben. 3h r Bertreter im ©raf- 
fchaftSrath unb Unterhaus ift befanntlid) gohn BurnS. 3)aS Sfirdj* 
fpiel hat feine „ArbeitSabtheilung" feljr entwicfelt, befonbcrS burch bie 
Annahme beS ©ruitbfafees, bie Arbeiten in eigener Negie auSguführen. 
Nach einem gnfpeftionSbcrid)t batirt biefer Anffd)wuna aus bem 
gahre 1887, wo Batterfea, ingwifdjen auf eine Beoölferung oon 
150 000 Seelen angemachfeit, im Parlamente eS burefefefete, bafe es 
einen eigenen BermaltungSbegirf bilbeit bnrfte. Anfangs noch mit 
Unternehmern arbeitenb, übernahm man allmähli^ bie öffentlichen 
Arbeiten in getneiublidjer Negie, unb am 10. Dfober 1895 be- 
fcfelofe ber ©emeinbeoorftanb, bafe alle Arbeiten ber ©emeittbe oon 
ben eigenen BBcrfen unb bem ArbeitSauSfdhufe ausgeführt werben 
fotlten, ein Bcfchlufe, ber für größere Arbeiten erfolgreich erft mit 
ber ©röffnung ber neuen ftäbtif^eu BBerfftättcu am 22. ganuar 1898 
burchgeftihrt werben fonnte. Seit bem 10. JDftober 1895, ber 3eit, 
wo ber ©emeinbeoorftanb praftifch auf bie ©ülfe oon Unternehmern 
oergichtete, bis gum 25. Ntärg 1898 hat baS Arbeitsamt burch 
birefte Arbeitsregelung Arbeiten im ©efammtwert oon £ 41 593 
6s 7 d (runb 830 000,^) ausgeführt unb babei einen Ueberfchufe 
oon £ 539 5 s (runb 10 000 <4r) ergielt bei einer Berginfung oon 
7V 2 %. ©egenwärtig hat baS Arbeitsamt BBerle im ©efammtbetrage 
oon £ 141059 (2 821 180 Jf) in ber ©anb unb gwar: bas neue 
Bab 800 000 ,4(, bie eleftrifdfee ©rleudfetungSfiation 840 000 J(, 
BegräbniSanftalt unb -Plafe 90 000 </ff, Arbeitshäufer 30 100 t^, 
©o^pflafterung, BBafferleituna, Jtanalifation u. f. w 2)agu fommen 
Samt bie ©rfparniffe an Neparaturfoften 2 C. im Betrage oon 
133 000 J(, bie oon ben BBerfen felbft beforgt werben. 

ftomttmnaie Sfraftettbahttett in ©nglanb. gn ©nalanb befinbet 
fid) ber Betrieb ber Straßenbahnen tn fünfgehn ©emeinben in 
eigener Negie, währenb bie Straßenbahnen in 27 atiberen ©e- 
meinben gwar ber ftommunc gehören, jeboefe an ©efeHfchaften oer¬ 
pachtet finb. Ueber bie ©rfolge ber fommunalen Negie geben 
folgenbe Bubgetgiffern AuSfunft: 



©inuahmeit 

Ausgaben 

©efammtprofit 


pro SBagenmetle 

1897/98 

Blacfpool . . 

. . 16,43 d 

10,97 d 

5 409 £ 

©lasgow . . 

. . 11,01 * 

8,30 = 

100 539 = 

©ubberSfielb . 

. . 15,94 * 

12,94 = 

6 911 = 

ÖeebS . . . 

. . 11,69 - 

9,89 = 

12 666 = 

ßioerpool . . 

. . 12,10 = 

11,61 = 

64 369 = 

Nottingham . 

. . 12,43 = 

10,03 * 

3 156 = 

Sh e fß e lb • ■ 

. . 16,05 = 

11,31 = 

16 944 - 






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©ogtale $ra$40. Gentralblatt für €o|talpoltttf. Ar. 48. 


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Jnfföitbc* 


' ürwerlitbiitgfeif ber Karlsruher Solfgfc^ttlfiwber. XaS 

©tatiftifte Amt ber ©tabt Karlsruhe (Dr. griebr. Schäfer) hat in 
$r. 7 ber Beiträge zur ©tatiftif ber ©tabt Karlsruhe (Karlsruhe, 
Xrucf unb Verlag ber G. Braun’ft en Hofbutbrutferei, 1899) bie 
Grgebniffe einer Grhcbung über bie GrroerbSthätigfeit ber Karls* 
ruber BolfSftulfinber oeröffentlitt, äbnlicb wie eS bie ©labte 
Xortmunb, XreSben unb Königsberg bereits getban hahen unb 
zwar fowopl über bie ©cbiiler ut ber eigentlichen BolfSftuIe n?ie 
ber fogenannten erweiterten Bolfsfcpule, bereu etwas häh er 
geftccft' finb unb bie beSljalb autb oielfat non Kinbcnt ber mitt* 
ieren GefellfdpaftSftaffen befugt wirb, danach mar jebeS fiebente 
Bolfsfcpnlfiitb in Karlsruhe erwerbstätig, Knaben hoppelt fooiel 
wie 33täbrf)en. Bon ben Kinbern ber etnfadjen BolfSftuIe roaren 
wieberum hoppelt fo oiel erroerbstbätig, roie oon benen ber er* 
weiterten BolfSftuIe, hier war jebeS zehnte, bort jebeS fünfte Kinb 
erwerbstätig unb 5 war jeher oierte be^ieburtgSweife fiebente Knabe 
unb jebeS fiebente bejiebungSweife neunzehnte Btäbtcn. Xie Hälfte 
ber erwerbstätigen Kinber war 11—14 galjre, ftarl Vs 8—10 
3abre unb ruub 8 o / 0 6 unb 7 gahre. Naturgemäß ftnb bie 
oberen Klaffen ftärfer oertreten als bie unteren; unter ben 852 er¬ 
werbstätigen Kinbern befanben fit 100 Baterwaifen unb 4 Ganz* 
waifen. Sieben ben Arbeitern waren bie gmitbwerfer unter ben 
Tätern her Kinber ftarf oertreten. Am ftärfftcu bie ©tuhmater 
unb ©tneiber. Xer Bericht zieht barauS einen ungünftigen ©d)luß 
auf bie Bcrhältniffe beS fleinen §>anbwer!s. Aunb 91 biefer 
©tulfinbcr waren baS ganze gahr über beftäftigt, ftarf her 
oierte Xljeil mußte auch ©onntagSarbeit oerridjten. gür beinahe 
Vs Begann bie GrwerbSthätigfeit in ben Niorgcnftunben oor bem 
beginn beS ©d)ulunterrid)ts. Bis 11, 12 Uhr Natts hatten be* 
fottberS bie Kegeljungen zu tun. 638 ber jahreSerwerbSthätigen 
Kinber waren an allen "Botentagen, 209 aut not an Sonntagen 
beftäftigt. Gin ftarfeS fünftel hatte neben ber ©tulc täglich 
fünf bis fet* ©tunben zu arbeiten unb 3 o / 0 not über biefe 3eit 
hinaus. Xer Beritt beretnet, baß minbeftenS 106 Kinber über- 
auftrengt werben (oicr bis fed)S unb mehr ©tunben Arbeit) unb 
Zwar ©tüier beiher ©tulen. Xie GrroerbSthätigfeit beftanb in 
gewerbliten Botenbienften, gewerbliter §ilfsarbcit, qualifizirter 
gewcrblidjer unb pansinbuftrieder Arbeit, Berfäufcrbienftcn unb 
Xicnften perfönliter Art, wie Badauflefen auf ben ©pielpläßen 
unb weiblitem (Gefutbebicnft. fjabrifarbeit würbe nicht geleiftet. 
Xrei Viertel ber Kinber war für frentbe Arbeitgeber erwerbstätig. 
Xie ©tulfinberarbeit fam in Karlsruhe etwa breimal fo häufig 
oor, als in betn inbuftriereiten Xortmunb unb aut not erheblich 
häufiger als in ber ^anbclsftabt Königsberg, wenn aut felteuer 
als iii Bresben, dagegen ftellt eS fit etwas günftiger in Bezug 
auf bie Raiter ber KinbeSarbeit, was oielleitt auch mit ber Klein¬ 
heit ber ©tabt, es ift bie fleinfte ber genannten ©täbte, zufantmen- 
bängt. Xer 9$unft beS Bearbeiters, bie Grhebmtg möge periobift 
wieberbolt werben, unb bic Kinberarbeit felbft oaburt geroiffer* 
maßen unter öffcntlitc Kontrole unb ben Giitfluß ber öffentlichen 
Meinung geftedt werben, erfteint uns burtauS berettigt. 

BämaUitue ber ftübtiften Arbeiter in 9?at bem 

gapresberitt ber Arbeitsfammer für 1898 beziehen oon inS- 
gefammt 1324 ftäbtiften Arbeitern: 



Arbeiter einen Sagelohn 

oon 

4,oo ^rcS. 

361 

= 

** 

- 

- 

4,io 

bis 

4,50 grcS. 

2:u; 

S 

= 

= 

= 

4,60 

» 

5,oo - 

115 

5 


s 

= 

5,io 


5,50 = 

48 

s 

= 

s 


5,60 

= 

6,oo = 

12 

= 

= 

= 

= 

6,20 

= 

6,;>u = 

7 

= 

= 

= 

- 

6,80 

- 

7,oo = 


81 Arbeiter, baruuter 32 £cprlinge, beziehen einen Xagelopn 
oon weniger als 4 $rcS. Nftuimallopn unb Arbeitszeit finb burt 
bie Gemcinbeorbmiug geregelt; fie ftreibt oor, bah ber Nitnimai* 
lohn bei zebuftünbiger Arbeitszeit 4,50 grcS. für gelernte unb 
1 grc*. für ungelernte Arbeiter betragen unb baß ooruehmlit 
©tmeizerbiirgcr eingefteUt werben follen. 

(Gewinnbeteiligung ber Arbeiter in Großbritannien int gafire 

1898/99. Nadj ber „Labour Gazette“ war in (Großbritannien Die 
(Gewinnbeteiligung Gabe 1898 in 93 Geftäften eingeführt. An¬ 
gaben liegen ailerbittgS nur oon 85 firmen oor. Xauon beftäf- 
iigen 79 Unternehmungen in (Großbritannien je nat bei gaprcS- 
Zeit 49 220 bis 51487 nnb 5 foloniate Sinnen 1427 bis 1523 Seute. 
Unter 75 (Geftäften, bie im gapresbitrdjfdjnitt 24 122 Leuten 
Arbeit geben, oon benen im (Ganzen 14 758 au ber (Gewinn- 


betbeiügung partizipirten, fonnten aüerbingS 17 tm abgelaufenen 
3uhr feine Xioibenbe oertbeilen. Auf bie ßohnbeträge beretnet, 
erhielten in 3 Geftäften bie Arbeiter unter 1 °/ 0 Gewinnatitheil, 
in 8 bis 3 o/ 0/ in 7 bis 5 °/o, in 15 bis 7 o/ 0/ in 6 bis 9 o/ 0 , in 
11 bis 11%, in 2 bis 13%, in 2 bis 15o/ 0/ in je 1 Geftaft 
16, 18, 19o/o, unb eine Unternehmung, bie 3257 Arbeiter beftaf* 
tigt, jahlte fogar 32 o/ 0 . Qn 9 Unternehmungen warb bie Gewinn¬ 
beteiligung wieber aufgehoben. Urfache baoon war in 4 Pfaden 
Aufgabe beS GeftäftS, in 2 fällen ftletter GeftäftSgang, in 
einem 3aH Umwaublung ber Unternehmung in eine Aftiengefell- 
ftaft unb in 2 Sötten fchlechte Grfahrungen mit ber Gewinn¬ 
betheiligung. ©ooiel befannt, h^en im abgelaufenen BerittSjahr 
3 girrnen oie Gewinnbetheiligung neu eingeführt. 

AlfoßoliSmuS nnb Berbredjen in ^ranfreit* 2)ie IJahl ber 
alfoholiften Verbrecher in Sranfreit, bie 1880 bloß 10 o / 0 ber 
Gefammtheit ber Beftraften betrug, ift feither, bis 1898, auf nitt 
weniger als 50 OL geftiegen. Gine gleite (Steigerung weift aut 
bie 3 ö hl & cr ©eloftmorbe auf, bie bireft ober inoireft burt 
holiSmuS oerurfatt würben. 3Ran nimmt aut ö«, ^ß bie be* 
fannte ftarfe ©elbftinorbfrequenz im Frühling mit bem um biefe 
3eit allgemein gefteigerten Konfum oon Alfohol (namentlit 
Abfinth) zufam^onhängt._ 

Ätheitgeber* tutb Unterneljmertiecbänbe. 


Bahfoit burt ein Kartell. Sßie bie „Köln. BolfS*3tg." mit¬ 
theilt, hatte bie girma ©tüller u. KöHe (9Rülheimer Xraht- 
inbuftrie) angeblit im Aufträge beS BerbanbcS beutfter Xraht- 
ftiftfabrifanten in einem Vunbjtreiben an z^hlreite Gifenhänbler 
oor bem Bezug oon Xrahtftiften oon ber Gbrenfelber girma 
SRingel gewarnt. GS h an ^l fit um einen anSgefprotenen 
BopfothrungSoerfut mit Anbrohung oon „Unannchmiitfeüen", 
bie ben Bebrohten „nitt erfpart bleiben bürften," wenn He fit 
unterftänben, mit bem oon bem Berbanbe Bopfottirten in Ber* 
binbung m bleiben. Xiefe Unannehmlit feiten beftehen bar in, baß 
bie 3 li mioerhanbelnben oon feinem bem ©pnbifaie angebörigen 
gabrifanten etwas erhalten, ba in biefem galle bas ©pnoifat bem 
Bopfottirten ferner z» liefern oerbietet. — ÜDtan ficht aud) an 
biefem Bcifpicl wieber, baß bic Unterncbmerorgamfahoiien fit 
berfclbcn Kampfmittel bebicueu, wie bie Arbciterfreife, bereu gübrer 
inbeffen für Aufforberung z^m Bopfott fton tncbrfat gerittlit 
beftraft worben fmb. 


Ürbeitetbemegimg. 


Au* ber Berliner GewerfftaftSfommiffion. Gfeuerbings ift es 
hier wegen eines neuen AbftimmungSmobuS z u fch^rfen Aus- 
einanberfeßungen gefommett, bie mit bem oorläufigen AuSfteiben 
ber Gewerffcpaften ber Btufifinftrumenten-Arbeiter, ©teinbauer, 
gabrif- unb §ülfsarbeiter, §oh- unb Bretterträger, ©tirmmater, 
©toefarbeiter, ©(platter, gliefeuleger, 3mfgießer unb ber £ofaI- 
organifationen ber Zimmerer uub Bäcfcr aus ber Kommiffiou 
enbeten. Xie GKaurer ber lofalen Aittung unb bic BJarmor- 
unb Granitarbeiter waren fepon oorper ausgetreten. Xie Kotn* 
mifrton beftept aus 100 Xelegirten, weite oon 82 Berliner Ge* 
werffdjaften mit 64 799 Biitgliebern gewäplt fmb. Gs paben bem- 
nat faft ade Gewerfftaften bie gleite Vertretung. Xer geringe 
Unterftieb erflärt fid) baburt, oaß Gewerfftaften bis zu 500 
Btitglicbern einen Xelegirten, bis z« 1000 zwei unb, über 1000 
SKitglieber brei Xelegirtc ernennen fönnen. gn ber Kommiffiou 
paben fowopl bie central- als aut bk lofalorganifirten Gemerf- 
ftaften ipre Vertretung, mehrere Gcmerfe paben fogar Xelcgirte 
beiber Aicptungen. Aucp geben bie 3 aplcn ber bort burd; reguläre 
Xelegirte oertretenen organifirten Arbeiter weit auSeinanber, utbem 
Gewerfftaften oon 51 bis zu 13 651 BHtgliebern oorpanben finb. 
Au Kämpfen zmift^n ben Gentral- unb 53ofalorganifationcn unb 
jwiften ben großen nnb fleinen (Gewerffdjaften pat es nie gefehlt; 
peftig plaßteu aber bie (Geiftcr auf einanber, als oor einiger ^cit 
bie Grweiteruug beS GewerfftaftSbüreauS zur Xebatte" geftedt 
würbe, hierbei matten bic Vertreter großer Gewerfftaften geltenb, 
baß, wenn fie ihrer VJitgliebcrzapl entfpretcnb zu beit Koiteit 
herangezogen werben würben, fie audj einen ihren tfeiftungen ent* 
fpretenben AbftimmungSmobuS oerlangen müßten. Xer größere 
GrwcitcrumjSplan (Arbeiterfefretariat) würbe befanntlit aufgegeben; 
mau begnügte fit mit ber Aufteilung eines zweiten Beamten, aber 
bas Verlangen ber großen Gewerfftbaften würbe bennod), ba eine 
ftärfere Heranziehung berfelben zu ben Koften uothwenbig würbe, 



1269 


©ogtale $ragi*. Eentralblatt für ® ogialp oltttf. &r. 48. 


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aufrecht erhalten. Unter ©inwet« auf igre artigeren ßeiftungen 
oerlangten bie einen größeren Hinflug Bei ben Abfiimmungen, 
roägrenb bie anberen barin eine Verlegung beg Sßringip# ber 
©leicgberecgtigung aller ©eroerffcgaften ltnb einen „©elbfacfftanb* 
punft" erbliaten. Sie Iofalorganifirten ©eroerffcgaften mit f leinen 
MUgliebergaglen fagten gugleicg ben neuen Abftimmunggmobug al# 
eine Unterbrüdfung igrer Sficgtung auf. 3n ber Berfammlung ber 
Äommiffion oorn 24. b. M. fam eg nun gum Bruch, ber inbeffen 
fein endgültiger gu fein brauet, ba bie Abftimmung über ben An* 
trag ber grogen ©eroerffcgaften, ber ben Slugtritt ber 8ofal*Drga* 
nifationen gcrbeifiigrte, fcglieglicg big gur näcgften Sigung oertagt 
mürbe. Sie Vertreter ber Bucgbrucfer, $olgarbeiter, Metallarbeiter, 
Eentralifirten Maurer, 3inuuerer unb Töpfer beantragten eine 
Aenberung beg ^Reglement# bagin, bag eg grögeren ©eroerffcgaften 
geftattet fein fott, fi(g nach igrer Stärfe oertreten gu laffen, bodj 
mit ber Maggabe, bag feine ©eroerffcgaft megr benn fecgg ®ele* 
girte entfenben foH. Sie Unterftügung eineg Streif# fott nur er* 
folgen fönnen, roenn *,» ber berechtigten Stimmen ihre 3uftimmung 
geben. Stuf Antrag oon acht Selegirten foE bie Abftimmung nach 
ber Stärfe ber Drganifation erfolgen. Srei $rogent oon ben 
burth bag Bureau oer Äommiffion gehenben ©elbern foHen alg 
Beitrag gur Unterhaltung beg Bureau# gurücfbehalten merben. 3n 
biefen Borfcglägen erblichen bie auggefcgiebenen ©eroerffcgaften 
eine Beeinträchtigung ihrer Rechte. Sa# ©eitere mirb abgu* 
märten fein. 

Ablehnung eütfg Arbetterfefretariatg Jrnrd| bie ©etoerffcgafteit ht 
Hamburg* Ser $lan, in Hamburg ein Arbeiterfefretariat gu errichten, 
ift oorläufig gcfcheitert. Sie .ftarteflfonuttiffion oeröffentlicht tag Stefultat 
ber Urabftimmung ber ©eroerffcgaften hierüber. Sa# Ergebnig ift 
folgenbeg: Bon 24 261 ©eroerfftgaftemiigficbertt betbeiligten fid) nur 
6450, b. g. 26,s °/o an ber Abftimmung, unb oon biefen erflärten ftdfj 
4361 für unb 1975 gegen bie Errichtung eineg Arbeiterfefretariat#. 
Sie feftgefefcte Sreioiertelmajorität ber Abftimmenbeu ift alfo nicht er* 
reicht unb fomit bie Errichtung eineg Arbeiterfefretariat# in Hamburg 
abgelel)nt morben. Sie grögte 3agl ber gegnerifchen Stimmen haben 
bie Maurer geliefert, oon benen 1226 gegen unb 107 für bag Arbeiter* 
fefvetariat geftimmt haben. Slidjt abgeftimmt haben BureauangefteHte, 
©ärtner, ©lafer, ©etreibearbeiter unb Stabtmafferfunfiarbeiter. Sie 
Etfenbahner haben abgeftimmt, inbeffen bie gahl ber Stimmen ber 
tfartellfommiffion nicht eingefanbt. 

Ser elfag-lotgringifdjc $egtifarbeftei>BerBattb gat fürglich in 
Mülgaufen feine erfte, oon 22 Selegirten aug 13 Orten befuchte 
©eitcraloerfammlung abgegalten, auf melcher ber alg ©aft an* 
mefenbe fogialbemofratifcge Steicggfaggabgeorbnete für Mülgaufen, 
Bueb, oor Allem oor leichtfertigen Streif# mamte, ba burch folcge 
ber alte Berbanb gu ©runbe gegangen fei. Sie ©eneraloerfamm* 
lung proteftirte bagegen, bag bur<g ben Begirfgpräfibenten oon 
Oberelfag grauen unb Minberjägdgen ber Beitritt gunt Berbanbe 
oerboten morben fei, mag auf eine Befcgränfung beg Äoalitiong* 
recgt# auf Männer über 21 Sagte ginauglaufe unb um fo mehr 
ing ©eroicgt falle, alg in ber oberelfäffifcgen Sejtilinbuftrie allein 
etroa 27 000 Arbeiterinnen ohne bie jugenblitgen Arbeiter befchäftigt 
mürben, ©egen bag Berbot beg Begirfgpräfibenten foll beim 
Miniftenum für Elfag*ßotgringen Befcgroerbe geführt, bie Sache 
augerbem im ttteicggtage gur Sprache gebracht merben. 

Ser Atiiflanb ber fieipgtger Former bauert fort, ba ber Ber* 
banb ber Metattinbuftrietten bie oon ben Arbeitern angerufene Ber* 
mittelung beg ©eroerbegericgt# abgelehnt gat. SDie Unternehmer 
erflärten bie Einigunggoerhanblungen für groedflog: Sie hatten 
Slrbeitgmaterial, bie BiobeÖe mürben augerhalb gemacht, Slrbeitg* 
mittige feien in ©eftalt angelernter $anbmerfer oorhanben unb 
eg fei feine Slugficht oorhanben, bag ber grogere £h*rt ^^r Slug* 
ftänbigen in ßeipgig in nädhfter 3 e *t mieber Arbeit gnbe. ^)ie Slb* 
iehnung ber Unternehmer haben nun bie Eentraloerbänbe ber 
Sormer unb Metallarbeiter an bie Berbanbggahlftetten beantmortet 
unb legtere angemiefen, bafür gu forgen, bag jeber ©ug, ber für 
Seipgiger girmen nach Seipgiger Mobetten gemacht merben foll, alg 
„Streifarbeit" oermeigert mirb. ®urdh oiefen Slppett an bie 
Solibarität ber übrigen gormer hofft man ben fieipgigern gum 
Siege gu oerhelfen. Urfprünglidh befchränfte fich ber fieipgiger 
Streif auf eine gabrif, in melier um eine halbe Stunbe Slrbeitg* 
geitoerfürguna geftreift mürbe. Sllg bann bie ßeipgiger Metatt- 
inbufirietten bef^loffen, bie ftreifenben gormer gmei gahre 
oon ben Berbanbgmerffiätten auggufdjliegen, fattg ge 
nicht innerhalb einer geroiffen grift bebingungglog gur Slrbeit 
gurücffehren, mürbe ber Streif ein allgemeiner. 

Bemegnng ber $afeitarBdter 3(titoerpett& Seit einigen 
Monaten bereitg ift unter ben Hafenarbeitern Slntroerpeng eine feb* 


hafte Beroegung im ©ang, bte bie Unterbrücfung ber Stacht* unb 
Sonntaggarbeit begmecft ober hoch menigfteng oiefe Slrbeit auf 
gätte augerfter 9iothmepbigfeit einfchränfen mitt, mofür bann 
^acbt* unb Sonntaggarbeit mit bem hoppelten ßohnfage begahlt 
merben fott. ^>ie 3ahl ^ cr Slntroerpener Hafenarbeiter ift eine 
fcfjroanfenbe, ba fie je nad^ ßaae beg Slrbeitgmarfteg burch gelb* 
unb Bauarbeiter'ergängt mtrb; ne mirb auf burchfchnittlich 25000 
aefchägt. gn legter 3eit hat bie Drganifation ber Hafenarbeiter 
in Slntroerpen gang bebeutenbe gortfhritte gemäht. Sieben bet 
Slbfcgaffung ber Siadgl* unb Sonntaggarbeit begmecft bie Bemegünjj 
noch bag Berbot ber ßohnauggahlung in Scgänfen unb ©irtgg* 
häufern, foroie Berbot ber Befchäftigung oon grauen bei Haf ens 
arbeiten; bodg treten biefe gorberunaen oorläuga noih gurücf in 
in ber Eampagne, bie oon ben fünf föberirten Berbänben, bem 
„Jozefkring tt (fatholifch), „Vrede“ (fatholifdg), „Help il zelve 44 
(liberal), „Slntmerpener Seftion ber International Dock- and 
Riverworkers-Union“ (fogialiftifch) unb „Onpartijdige Dockwerkers¬ 
bond“ (unabhängig) eingeleitet morben ift. Seit 23. güli bereitg 
oermeigern bie Hafenarbeiter Sonntagg* unb Nachtarbeiten trog 
erhöhter ßohnangebote; bie gbee eineg allgemeinen Streifg mürbe 
halb fallen gelaffen, bo<h nachbem bte Unternehmer nicht bie ge* 
forderten 3ugeftänbniffe machen mottten, finb eingelne Seftionen 
ber Hafenarbeiter noch mit allgemeinen Sohnforberungeit an bie 
Arbeitgeber h^angetreten. S)ie Unterhanblungen gur Beilegung 
ber $>ifferengen bauern fort; eg ift faum gu gmeifeln, bag bie 
organifirten Arbeiter ihre Anforberungen merben burchfegen fönneu. 

Sa|?flfougre| ber Stabe Union# in ^fgmonth« $ag par* 
lamentarifche £omite ber Srabe Uniong hat nunmehr bag $ro* 
gramm für ben am 4. September beginnenben gagregfongreg in 
Blpmouth h^rauggegeben. Aug biefem Programm geht heruor, 
bag gd) bie Berganblungen gauptfächlich um bag Arbeitereutfchäbi* 
gungggefeg, ben Slchtftunbentag, Altergpenfionen, ßohnminimum 
unb gabrifarbeit ber Äinber bregen merben. — Einer ber älteften 
unb grögten ©emerfoereine, bie 90 000 Mitgliebcr gäglenben 
Mafcginenbauer, rnelcge im gagre 1897/98 ben grogen 5fampf um 
bie Berfürgung ber Arbeitggeit unternahmen, merben auf bem Äon* 
greg nicht oertreten fein, ba fie oon bem parlameutarifchen Äomit^ 
auf gmei gagre auggefegioffen fmb — gur Strafe, meil fie fug 
einem Sdjiebgfprucg in einem Streite mit ben fooperatioen 
Scgmieben niegt untermorfen gaben. S)er gatt gat in ©ernerf* 
oereingfreifen grogeg Auffegen erregt, unb bie Meinungen über 
bie 3roecfmägigfeit biefeg Borgegeng fmb fegr getgeilt. S)dg par* 
IamentarifcgeÄomite gat, roie eg fagt, gar niegt anberg ganbeln fönnen, 
ba eg nur bie oom ©emerfoereingfongreg felbft feftgefegten Siegeln 
beobachtet gat. Auch bie fonferoatioe ,,©cftm.©ag." meint, bag Äomite 
gäbe oöttig forreft geganbelt. Eine Drganifation, bie fieg niegt 
ben ©efegen ber Union füge, Babe bag Stecgt oermirft, in ber 
grogen Arbeiteroertretung mit^ufpreegen. 

Sie Arbeiterbetoegung ia fRttfftfcg maegt neuerbingg 
mieber oon fieg reben. Aug ©arfegau mirb oon Maffenftreifg ui 
ben Eifett* unb H 0 4rcaarenfabrifett, unb in ben meeganifegen 
Etabliffementg berichtet, mägrenb sugleicg > bie jübifdgen Arbeiter in 
ben Srucfereien, ©erbereien unb Bäcfereien unb in ben Sdgug» 
maeger* unb Sifcglerroerfftätten augftänbig gemorben finb. Sie 
Streifenben oerlangen ben 3 c huftunbentag unb gögere ßögne. Sie 
Streifberoegung fott fieg bereit# auf grögere Siftrifte oon Sttuffifcg* 
^olen auggebegnt gaben. 3ut Sombromo*Sognomiger Äoglen* 
reoier ftreifen oon 13 000 Bergleuten über 8000. Sie oerlangen 
ben Acgtftunbentag, Steform ber Änappfcgaftgfaffen unb Entlaffung 
migliebiger Beamten. Sag ganje Streifgebiet ift mit Militär be* 
legt. Sie aug ©aligien unb Dberfcglefien gerbeigegolten Erfag* 
arbeiter fotten fieg jumeift mit ben Streifniben folibarifcg erflärt 
gaben. Sie Sombroroaer Äoglengruben gegoren gu bem großen 
Äoglenterrain, melcgeg fteg auf Defterreicgifcg* unb ^reugifeg- 
Scglefien, ©aligien unb Stuffifcg*$olen erftrerft. Eg ganbelt fi ä) 
bort um einen Snbuftriebegirf, ber bem ßobger Begirf im Umfange 
ber Brobuftion immer megr gleicggufommen fuegt. Sie ßage ber 
Arbeiter mirb alg eine fegr gebrüefte gefdjilbert. Sie polnifcg» 
fogialiftifcge Partei gat unter ignen eine ©egeimorganifation ge* 
fegaffen unb bie fogialiftifcgen, in ©egeimbruefereien geraeftettten, 
3eitungen „Bobotnif" unb „©ornif" (Bergarbeiter) merpen oon 
©arfegau aug in großen Mengen im Begirf oerbreitet. Sie, Berichte 
über bie „Maifeier" hegen fegon oor Monaten erfennen, bag bie 
fogialiftifcge Beroegung unter ber Arbeiterfcfjaft niegt nur in Stuffifcg* 
$o!en, fonbern auch im ^ßetergburger unb Mogfauer Snbuftriebegirf 
groge Sortfcgritte maegt. 


1271 


Soziale Centralblatt für ©ogialp olittl. Ar. 48. 


1272 


Ärbeiterfdjufc. 

Die S*|?eS§e?i*bic ber ttteberlänbifdjeu ArbeitSinfpeftoren 
für 1897 mtb 1898. 

Nad) ben fürglicß erfeßienenenSabreSbericbten bcr nieberlänbifcßen 
S3[rbcitöinfpeftorcn mären 1897 unb 1898 fedjS Snfpeftoren mit 
fecßs HnlfSinfpeftoren tßätig; einen Ober* ober (Eentralinfpeftor 
giebt es in £>oIIanb nid^t. ©HrfungSfreiS ift feit 1897 febr 

oergrößert, ba ißnen nebft ber Stufficfit über bie grauen* unb $inoer* 
arbeit, welche ißnen früher auSfcßließlicß oblag, auch bie ©eauf* 
ftdjtigung ber neu eingefübrten ©efttmmungen über ©cßuß* 
oornd)tungen gegen ©efaßren unb ©efunbßeitsfcbäbigung unb bie 
©eneßmigung ber ©aupläne neuer Anlagen, beren (Errichtung 
wegen ©efaßren ober ©eläftigung für bie Nacßbarfcßaft ber ©e* 
neßmigung beS ©emeinbeoorftanbeS bebarf, übertragen ift. ®iefe 
neue Aufgabe bat bie Snfpeftoren felbft fo oiel 3 eit flefoftet, baß 
ber S3efu<5 ber Arbeitsftätten febr barunter gelitten ßot unb giem* 
lieb gering mar. 

3n ben ©eriebtsjabren waren 30 040 ©etriebe, in benen 
grauen uitb ftinber arbeiteten, unb 25 428 ©etriebe, auf welche 
bas ©efeß über bie ©cßußoorrichtungen fi<ß begog, ber Sluffiebt ber 
Snfpeftoren unterfteßt. Sn ben leßtgenannten ©etrieben arbeiteten 
248 773 Sßerfoneit; 17 392 ©etriebe entbehrten ber (Elementarfraft. 
©on ben 55 468 ©etrieben mit folcber fiitb in ben beiben Sab«* 1 nur 
12 842, alfo 23 °/ 0 ein* ober mehrmals oon ben Snfpeftoren be* 
fueßt worben. 3 n biefen ©etrieben waren 18 556 Männer unb 
8136 grauen unter 16 Saßren, 21212 unoerbeiratbete unb 
3058 oerbeiratbete Arbeiterinnen über 16 Saßre unb im ©angen 
179 211 ißerfonen befefjäftigt. 

Nur oon 9910 ber befugten ©etriebe haben bie Snfpeftoren 
genaue Angaben über bie Arbeitszeit im ©ommer befommen. Sn 
1932 ©etrieben würbe oon ben erwaeßfenen Männern wäbrenb 

11 ©tunben, in 928 wäbrenb 11V 2 , in 1428 wärenb 12, in 595 
©etrieben 12 V 2 , in 786 ©etrieben 13, in 244 wäbrenb 1372 unb 
in 908 ©etrieben wäbrenb 14 ober mehr ©tunben gearbeitet. Sn 
Zwei ©äcfercien in ber festen Snfpeftion würbe am ©onnabenb 
22 ©tunben gearbeitet! 3n ber Ambeimer ©aSfabrif ift jeßt eine 
ArbeitSorbnung eingefübrt, ber sufolfte brei ©Richten nur acht 
©tunben am Stag arbeiten unb jeben Dritten ©onntag eine Stube* 
Zeit oon 24 ©tunben, an ben übrigen ©onntagen eine folcbe oon 

12 ©tunben genießen. ©iS jeßt würben 6 % mehr als früher 
probuzirt. grauen unb Ä'inber bürfeit befannilidj nur gehn, aus* 
nabmSwcife elf ©tunben täglich arbeiten. 

Die Durchführung ber ©eftimmungen über grauen* unb 
Slinberarbeit bol fuß nach ben ©erichtcn gebeffert. ©ehr wenig 
Sftnber unter 12 Saßren würben in ©krfftätten angetroffen; nur 
in 3iegeleien unb bei ber ©innenfebifffabrt (beim 3i e ^en ber 
©chiffe auf ben Kanälen) fmb oiele Uebertretungen fonftatirt 
worben. Die ©eftimmungen über Arbeitsbauer, Stube unb ©onn* 
tagSarbeit werben allmählich beffer burchgefübrt, ba fie nach bem 
Urtßeil ber Snfpeftoren mehr in bie ©olfsfitte einbringen. SWerf* 
würbig ift eS, baß bie 3aßl ber (Erlaubnißbewifligungen für lieber* 
arbeit ftets wächft; 1897 betrugen fte 1242, 1898: 1658. Dies 
wirb jeboeß nicht einer fcßlaffereu Anwenbuitg beS ©efeßeS bureb 
bie ©ebörben, fonbern einer befferen Aufficßt gugefeßrieben, burth 
welche mehr Uebertretungen fonftatirt unb bie llebertreter oer* 
anlaßt werben, (Srlaubntß für Ueberarbeit nacßziifucßen. Die 
meiften Uebertretungen beziehen fid) nicht auf bie materiellen, 
fonbern auf bie formellen ©eftimmungen über bie ArbeitSfarten 
ber jugeitblicßen Arbeiter unb ben AuSbang ber öifte ber fitgenb* 
liehen Arbeiter unb ihrer Arbeitszeit, ©on 3528 eriaffenen ©traf* 
urteilen betrafen 1047 bie ArbeitSfarten unb 1329 bie ArbeitS* 
liften. 

Die Seftfteßung oon Uebertretungen war noch oielfach burch 
bie geringe ©Htwirning ber Arbeiter felbft erfchmert. ©ehr oft be* 
fchönigen fie, aus gurcht entlaffen zu werben, in ©egenwart beS 
Arbeitgebers Uebertretungen, unb feiten feilen fie biefe auS freien 
©tiiefen bem 3nfpeftor mit. Die Dßätigfeit ber gacboereine ift 
nodj oiel zu gering in biefer ©ache. Nur ein 3nfpeftor bot regel* 
mäßige ©preeßftunben eingerichtet, oon weldjer je länger je mehr 
©ebrancb gemacht wirb. 

Auch über bie ©titwirfung ber ©emeinbebeßörben wirb oiel* 
fach Oblagt. 2Bcnn ber ©ürgermeifter ein geinb ber Arbeiter* 
feßußgefeßgebung ift, fo bleibt bie ©emeiubepoligei nnwirffam. 
Nur m einigen größeren ©emeinben finb fpe^ielle ©eamtc mit ber 
Ueberwachung ber ©efeße beauftragt, ©anz anberS oerßält eS fid) 
mit ber ©taatSpolizei, bie febr eifrig ift. Alle Snfpeftoren ftimmen 


barüber überein, baß eine fortbauernbe, regelmäßige Auffuht bcr 
Sßoligei notbwenbig fei. 

©on ben ©cßußoorrichtungen gegen ©efaßren unb ©cfunb* 
beitSnachtbeile erbeifdjten bie ©laßregeln gegen SeuerSgefaßr, welche 
überall, am meiften aber in ©äcfercien gu wünfeben übrig ließen, 
bie größte Dßätigfeit ber Snfpeftoren. ©ehr wenig Arbeitgeber, 
welche nicht oerpßicßtet waren, bie ©aupläne ihrer neu zu errichten* 
ben gabrifen ober Söerfftätten oon bem Snfpeftor genehmigen gu 
laffen, hoben oon bcr ©efugniß ßiergu ©ebraud) gemacht, unb 
wenn bieS nicht gefdjaß, waren fpäter oft Aenberungen in ber Anlage 
im Sntereffe ber ©i<hcrßeit ober ber ©efunbßeit notbwenbig. 

3n ben beiben Soweit würben 8639 Unfälle ben Snfpeftoren 
angegeigt, oon welchen 235 = 2 8 /4 °/o ben Dob oerurfacht hoben, 
©iele Unfäße bleiben jeboeß noch immer unbefannt. 3 e h u ©rogent 
ber oon einem Unfaß ©etroffenen befamen gar feine Unterftüßung, 
weber Sfranfengelb noch äntliche S)ülfe. Sn mehreren Säßen fam 
eS oor, baß ber Arbeitgeber feine Arbeiter oerficbert hotte unb 
ihnen nach einem Unfaß nur ein Dßeil ber oon ißm bezogenen 
©umrne auSbezablte. ©iele Unfäße gaben bem Snfpeftor ©er* 
anlaffung, ben ©ctricb zu unterfuchen unb ©cßußmaßregeln angu* 
orbuen. 

©chließlich mögen noch einige ©etriebsarten, welche oon ben 
Snfpeftoren fpeziefl erwähnt werben, furg befproeben werben. 

Sn ber ^onfeftion macht bie Heimarbeit Die Durchführung 
ber ©eftimmungen faft unmöglich. Söo, wie namentlich in ber 
Damenfonfeftion, Söerfftättenarbeit oorberrfcht, wirb oielfach &oS 
©efeß baburch umgangen, baß Arbeit mit nach Haufe gegeben 
wirb. (iS wirb feßr barüber geflagt, baß baS Sßublifum, befonberS 
bie Damen, burch ibre Äommiffionen bie Durchführung beS ©e* 
feßeS fo wenig unterftüßt. Auch wäre es febr wünfchenSroertb, 
bie Arbeitszeit ber ßabnerinnen zn bcfchränfen. 

Sn ber ^rooinz ßimbnrg befteben 3'ege leien, welche nur 
oon April bis Dftober betrieben werben unb in welchen ©Item 
ihre $iitber für eine beftimmte Summe oermietbeit pflegen. 
Hierbei werben bie ©eftimmungen über bie Arbeitszeit nicht bc* 
achtet, unb ber Schulunterricht leibet Slotb. Auch in 3iegeleien 
in anberen ^rooingen ift baS ©efeß noch nicht gut bur$gefübrt: 
befonberS ©onntagSarbeit fommt noch oiel oor * vielfach arbeiteten 
Arbeiterinnen unb jugenblicbe At’faitor mel^e in ben ©reng* 
gemeinben wohnen, in beutfd)eu 34cgeleten mehr als 17 ©tunben 
pro Dag. Die preußifche Stegicrung bat ftch jeßt zwar bereit erflärt, 
nieberlänbifche jugenblicbe Arbeiter, welche ohne ißre dltern an* 
getroffen werben, zurüdgufchieben, aber biefe ©eftimmung wirb 
umgangen unb bem Unmefen ift noch fein ©nbe gemacht. Denn 
bem ©erböte, $’inber unter 16 S^bren z u fehlerer Arbeit angu* 
halten, burch bie ©erfnteifter in ben 3^9^^^ ©chnippchen 
gefchlagen wirb, inbern fie bie Einber als ^©efinbe" angeben, in 
welchem Säße fie feine Sfamen unb ©omamen ber tfiitber mit* 
Zutbeilen brauchen. Auch werben jugenblicßen boßänbifcheit Ar* 
beitern an ©teße oon Kaffee jeben Sßorgen zwei ©cßnäpfe oer* 
abreicht, welche ©ewobnbeit feßr bemoralifirenb wirfe. Aeltere 
Arbeiter genießen in oielen Säßen nur eine SRadjtrube oon 3 bis 
372 ©tunben. ,,©S bürfte Aufgabe ber guftänbigen beutfehen ©c* 
börben fein, folcbe ©tißftänbe gu befeitigen," bemerft bagu bcr 
boßänbifche ©eamte feßr richtig. 

Daß in ben ©ä cf er ei eit bie ©inrichtungen noch feßr fehlest 
fittb, in ben ftäbtifcheit wegen ber ©enußung oon SMerräumeit, 
in aßen anbeien befonberS wegen ber SeucrSgefabr, ift feßon be* 
rüßrt worben. Nachtarbeit oon jugettblidjcn 3lrbeitcrn fommt tiod) 
oiel oor, unb auf bem ßattbe befteßt nirf)t einmal eine regelmäßige 
Arbeitszeit wegen bcr großen llnregclmäßiafeit in bcr Art ber ©V* 
fdjäftigunq, eine Dbatfache, welche bie Auffid)t feßr erfebwert. 

Sn 3»nbbolzfabrifen fcßließlich waren feßon früßer oiele 
Säße oon Sß^oSp^orrtcfrofc fonftatirt; bem z u f°^9 c fönig« 

ließe ©erorbnung bie Arbeit oon iiinbern unter 16 Saß^e oerboten, 
aber biefe ©eftimmung ift tiicßt auSrcicßenb unb bie Snfpeftoren 
wünfeßen eine ©erorbnung wie baS beutfeße ©efeß 00 m 13. 9Rai 
1884 unb bie beutfeße ©erorbnung 00 m 8. 3»li 1893. 

Amfterbam. 3- «H- oan 3anten. 

^renßlfcße ©rftfibialPerfügttttgen gura ©ißuße ber Äinber. 

Unter 3 u ftinimung beS NegierungSpräftbcnten ßat bie £gl. 9tegie* 
rung gu Hilbesbcint fid) an bie ^oligetbircftioneu ber ©täbte 
beS Ncgierungsbegirfs gewanbt, „gur (Erwägung gu fteßen, ob ber 
(Erlaß einer ähnlichen ©erorbnung (wie in ©tüßlßaufen i. Dß.) 
für ben bortigen ©egirf im Sntereffe ber ©efunbßcitSpflege ber 
Slinber unb einer gebeiblitßen ©3irfung beS ©cßulunterrid)ts 
ratbfam erfeßeint". H^ngewiefen wirb auf ben in ber „Sozialen 



1278 


©ogtale Prajt*. ©entralblatt für ©ogtalpoltttl. Ar. 48. 


1274 


Sßrayi^" wieberßolt genannten Pefcßluß beS Kammergericßts, wonacb 
bie betreffenben Poligeioerorbnungen recßtsgiltig finb. Auffalleno 
ift eS, baß anheim gegeben wirb, „bie betreffenbe Perorbnuttg fo 
gu faffen, baß nid)l Die einmalige Ausübung ber in obiger Per« 
orbnuttg begeicßneten gewerblichen Stfjätigfeiten burch fcßulpflicßtige 
Kinber währenb ber beftintmten 3 e ^unben, fonbem nur bie im 
SßieberholungSfalle begangene Ausführung berfelben mit ©träfe 
bebrofjt wirb." 

©in ©rlaß beS SRegierungSpräbenten gu Pots baut weift bie 
Pehörben bringlicß unb übtrgeugenb auf bie ©efahren übermäßiger 
Kiitberarbeit ^xn. 3wnäd)ft heißt es ba: ,,©S ift bie innere Pe« 
recßtigung unb bie Pebeututtg ber Peftrebungen nicßt gu oerfennen, 
bie baßin abgielen, einer gewerblichen AuSnußmtg ber Kinber ent* 
gegengutreten, roie eS bereits für bie Öabrifarbeit bureß bie SReitßS* 
aewerbeorbnuitg gefcßeßen ift." Unb weiter „ift ba, roo ein 
Pebürfniß oorßanben, auf bie Regelung bureß Drtspoligeioerorbnung 
nacßbrüdlicß ßingu würfen." Pon bem ©rlaß einer einheitlichen 
Poligeioerorbnung für ben gangen Peghrf wirb aHerbingS abge» 
feßett, „weil babttreß ben örtlichen Perbältniffen nicßt genügenb 
SRecßnung getragen werben fönnte". P$ir glauben, baß btefer 
©ntfcßluß bureß baS fetbftänbige Porgeßen eingelner Pororie her« 
beigefüßrt worben ift (Äijborf, ©ßarlottenburg). ©S wäre aber 
gerabe für bie Pororte ber SRefibeng wie nirgenbs fonft wo im 
3nterejfe ber ©acße eine einheitliche Perorbnung wünfcßenSwertß 
gewefen. 3n bem ©rlaß werben im Uebrigen alle jene SRacßtßeile 
ber gewerblichen Kinberarbeit aufgegäßlt, welche bie SRegierungS» 
oerfügung 00 m 15. gebruar 1896 enthielt. 3 ur örientirung wtrb 
auf bie „©ogiale Praxis" Jahrgang VII SRr. 12 ©p. 306—308 unb 
auf ben Pericßt ber yteußStagSfontmiffion für bie Petitionen oom 
15. gebruar 1899 über bie ©ingaben beS „Pertiner Arbeiter* 
oereinS" ßingewiefen. „Da ber geftfteßung PebürfniffeS 

gwedmäßig bie ©rfahrungen gu ©raube gelegt werben, bie in ber 
©chule bet gewerblich befchäfttgten Kinbern gemacht finb," werben 
bie KreiSfcßulinfpeftoren erfucht, fuß bxreft an bie ßanbrätße 
gu wenben. An einem beigefügten „©ntwurf" einer Perorbnung 
wäre auSgufeßen, baß baS Perbot jeglicher ßoßnarbeh nicht nur 
für Kinber bis gum neunten ßebenSjaßr auSgefprochen werben barf. 
©iefe ©renge ift entfchieben gu niebrig; man hat fie in SRijrborf 
bereits auf gehn 3aßre feftgefeßt. Der SRegierungSpräfibent oon 
^annooer hatte ftch feiner 3eit für 12 3aßre auSgefprochen. (Pergl. 
auch „©ogiate Praxis" 1897 ©. 1055—1058 unb Saßrgaitg 1898 
©. 1068—1071.) ©elbftrebenb weift ber ©rlaß auf bie PerufS» 
unb ©ewerbegäßlung mit ihren 3 a hteu über Kinberarbeit hin. 
©S muß aber baran erinnert werben, baß nach bem AuSfprucß beS 
PeicßSfanglerS biefett Eingaben nur bie Pebeutung oon „SRinimal« 
gaßlen" gufommt. UnS ift befannt, baß weit über 500 000 Kinber 
im Deutfcßen Peicß für Soßn arbeiten. ©cßon biefer bebeutenbe 
Umfang fpricht für eine gefeßlicße ^Regelung, wenngleich auch wir 
„oon ben Perorbnunaen für bie3n)ifchengeit fegettSreicße SBirfungen 
erwarten". SRotßwenbig wirb bie Regelung burch SReicßSgefeß aoer 
umfomehr, als neuerbtngS in 3ena bas OberlanbeSaericßt, wie 
früher fcßon baS ßanfeatifcße OberlanbeSgericßt in Hamburg, einen 
bem Kamntergericßt entgegengefeßten ©prucß fällte. 25er gmuptgwed 
ber Poligeioerorbnungen rann wohl ber fein, baß bie Deffentlicßfeit 
ftch baran gewöhnt, fogenamtte „©Iternrecßte" bem Pecßt berSHnber 
untergeorbnet gu fehen, wenn es ftdß — mie h^r giemlidß flar gu 
^age tritt — um baS Ptoht ber ©efeHfchaft hanbelt. 

Regelung ber ^eHnertnnenfrage in Reffen. 3m leich 
ift grnar nach fechsjähriger 2)auer bte ©nguete über bie SXrbeitS* 
oerhältniffe im @aft* unb ©djanfwirthSgewerbe gu ©nbe geführt 
worben, aber eS liegen noch fließt einmal bie Porfcßläge ber Äom* 
mifftoit gur Pefeitigung ber fcßlirnrnften, aUfeitig anerfannten 2Riß* 
ftänbe oor; feit 3Ritte SRooember oorigen SaßreS ift nämlich bie 
£ommiffion für Slrbeiterftatiftif gu feiner eingigen ©ißung mehr 
einberufen worben! Um fo erfreulicher ift es, baß in einem ber 
fleineren PunbeSftaaten bie ^Regierung felbftänbig oorgegangen 
ift, um wenigftenS auf einem S^heilgeBiete SSanbel gu feßaffen. $)ie 
Regierung oon Reffen hat nämlicf) eine Perorbnung erlaffen, wonach 
einem Phrtfj, ber feinen Kellnerinnen feinen ßoßn gaßlt, bie Kon« 
geffton entgogen werben foK. 

Uttfafloerhütuwg in Pelgien. ©in belgifcßeS ©efeß oom 2. Qflli 
l. 3- beftimmt, baß bie Regierung ermächtigt wirb, SRaßnaßmen 
ur Unfaüoerhütung unb gum SXrbeiterfcfjuß nach ©utbünfen auch 
ür folcße Petriebe anguorbnen, bie nießt auf ber amtlichen ßifte, 
oon gefährlichen unb gefunbheitsfcßäblichen Petrieben fteßen, unb 
gu forbern, baß UnfaHangeigen auch oott folcßen außerhalb be* 
fonberer Porfcßriften fteßenber Petriebe erftattet werben. 


&djitß ber grauen- ttnb KinberarbeU in Srraufrdch» 2)aS 
©efeß oom 2. SRooember 1892, betr. bie Arbeit ber Kinber, 
minberjährigen SRäbcßen unb ßrauen in ben inbuftrieHen Unter« 
neßmungen befiintmt, baß bie ©eneralrätße eine ober mehrere 
Kommiffionen einfeßen, bie über bie Ausführung beS ©efeßeS unb 
eoentuelle Perbcfferungen beffelben Pericßte erftatten follen, bie bem 
SRinifter beS §anbelS gu überreichen futb. 2)er §>anbeISminifter 
3Riüeranb (©ogialift) füßrt nun in einem ©irfular an bie Präfeften 
bie bisherige unbebeutenbe 3öirffamfeit btefer Kommiffionen auf 
bie Art ißrer 3ufammenfeßung gurütf, wobei nur gang auSnaßmSf 
weife neben tücfjtigcn Unternehmern, Pertreter ber ©pnbifate bei: 
Arbeiter berüdfießhat worben feien. 2)a baS ©efeß oom 2. SRo* 
oember 1892 ein Arbeiterfcßußgefeß fei unb bie ArbeitSfommiffionen 
beS Departements bett 3 roe « hatten, Pericßte über feine ÄuS* 
füßruttg gu tnaeßen unb Ph'infcße ßinficßtUdh ber möglichen Per« 
befferungen gum AuSbrud gu bringen, fo fei es nur gerecht, baß 
Arbeiter unb Unternehmer bort bureß eine gleiche Angaßl Pef 
auftragter oertreten feien. Die Annäherung ber oon organifirteit 
©ruppett ber Arbeiter unb Unternehmer entfanbten Delegirten im 
©cßoße biefer Kommiffionen würbe ftcßerlicß gum AuStaufcß pon 
böcßft intereffanten ©eficßtSpunften füßren. Pei folcßer 3flfatmnen* 
feßung würben bie Kommiffionen ftatt ein §inberniß eine Unter« 
ftüßung für bie Dßätigfeit ber ArbeitSinfpeftoren fein. Diefe ©r« 
Wägungen ftnb ber Pegutadjtung ber ©eneralrätße gu unterbreiten 
unb bie Präfeften haben über ißre Pefcßlüffe Peri^t gu erftatten. 

ftrbeiterfdjttßflaufeltt Bei öffentli^en Arbeiten in Sfraufreicß. 

Der frangöftfeße ©taatSratß ßat bureß Defret bie ©infüßrung ber 
Arbeiterfcßußflaufeln (ogl. ©p. 1092 ber „©ogiafen Praxis") für 
bie oom ©taate gu oergebenben Arbeiten obligatorifcß, für 
biejenigen ber Departements unb Kommunen fafultatio oorgefeßen. 
Das Defret ftimmt außer ber ©infüßrung beS Obligatoriums für 
bie Arbeiten beS ©taateS mit bemjenigen oom 18. SRooember 1882 
überein. 


2trbeUcn>erßd)ernag. Sipatfeodeö. 


Die ©cßiebSgericßte ber ArBeiterberficßernng. 

3nt „PeicßS* unb ©taatSangeiger'' würbe unlängft oom 
preußifeßen SRinifterium für £anbel unb ©ewerbe eine Öeberficßt 
über bie ©efdjäftstßätiafeit ber ©cßiebSgeritßte ber Arbeiteroer« 
fteßerung in Preußen für bie 3 e ^ 00111 1- 2luguft 1898 bis gum 
31. 5Rärg 1899 oeröffentlicßt. Dattad) beftanben: I. für bie ge« 
werblicße UnfaKoerficßerung 242 ©cßiebSgericßte; II. für bie lanb- 
unb forftwirtßfcßaftltcße UnfaHoerficßerung 555 ©cßiebSgericßte; 
III. für bie ©taatsbetriebe 64 ©cßiebSgericßte unb IV. für bie iSfl- 
oalibenoerficßerung bei ben ßanbeSoerftcßerungSanftalten unb ben 
gugelaffeiten befonberen Kaffeneinricßtungen 460 ©cßiebSgericßte- 
Aus ber Ueberftcbt ergeben fteß folgenoe 3a^ en oon iw 
©cßiebSgericßten biefer oier ©ruppen gehaltenen ©ißungen unb 
erlebigten Perufungen: 



3aßl ber 

Saßl ber 

3aßl ber erlebigten 


©cßiebSgericßte 

©ißungen 

Perufungeit 

I 

.... 242 

1662 

19 064 

u 

. . . . 5B6 

2214 

14 612 

HI 

.... 64 

204 

1122 

IV 

.... 460 

2479 

16 171 


Summa 1321 

6559 

50859 


Durcßfcßnittlicß ergiebt fieß alfo für jebeS ©cßiebSgericßt in 
ben eingelnen ©ruppen begw. in ber ©efammtßeit: 

Säßrlicß 3n jeber ©ißung 
©tßungen ©ntfeßeibungen 

I. 7 U 

H. 4 6,» 

III . 8 6,5 

IV . 5,4 _ 7 

3m ©angen 5 7 , 7 . > 

Diefe bureßfcßnittlicbe Dßätigfeit ber ©cßiebSgericßte ift feine 
übermäßige. Dte ©cßiebSgericßte für bie Unfattoerftcßerung fom« 
munaler Petriebe haben wtr babei außer SRecßnung gclaffen, weil 
biefe Petriebe fteß nur auf einen flehten Pegirf erftreden. 

SRuit entfteßt aber bie Sfrage, ob troß biefer großen 3aßl oon 
©cßiebSgericßten ben Pebürfniffen ber Arbeiter wicflicß genügt ift. 
AngeßchtS beS ilmftanbeS, baß bei ber 3fl°alibenoerftcßerung bie 
örtlicßen Pentenftellen gruubfäßlicß gugelaffen finb, um bie ©nt« 
fdjeibung über bie 3fl°alibenrenten aus bem AnftaltSoorftanbe in 
eine lofale 3«ftang gu oerlegen, muß man bie ßrage aufwerfen, 







«ogiale ?tast*. «entralblatt für ©ogtalpolittl. Er. 48. 


1276 


1275 


ob benn bie ©cßiebSgericßte überall ben Arbeitern genügenb naße 
gerücft fittb, fobaß fie ißre 3ntereffen felbft roaßrnehmen fönnen, 
ober ob baS ©cßiebSgericßt ben lofalen SSer^ältniffcn genügen!) 
naße faßt, um aus eigener Anfcßauung urtßcilen gu fönnen. ©o* 
roeü bie geroerblicßen UnfattbcrufSgen offen fcßaf teu in ©etracßt 
fommen, muß biefe Sfrage bei einer großen entfdjieben oer« 
neint merben. $>ie ©augeroerfs* unb bie ^olgberufSgenoffen* 
fcßaften, aucß bie Eifett* unb ©taßlberufSgenotfenfcßaften, 
ferner bie KnappfcßaftSgeiioffenfcßafl fann man oielieidjt aus* 
nehmen; bie erfteren beiben erftreden fi<ß mit ißren ©etrieben auf 
bas gange ßanb, bie festeren beiben finb ineift fo fongentrirt an 
geroiffen ©teilen, baß gang naturgemäß bie ©egirfe ber ©cßie&S* 
geriete feinen feßr großen Umfang haben. Aber es giebt eine 
gange Steife oon ©erufsgenoffenfcßaften, bie feßr fporabifcß über 
baS Canb oertßeilt finb, für beren ©cßiebSgericßte baßer feßr um« 
fangreicße ©egirfe abgegrengt mürben. Senn g. ©. ein ©cßiebs* 
gericßtSoegirf gang Preußen oon Dftpreußen bis Rßeinlanb, ferner 
SRedlenburg, Dlbenburg, ©raunfdjroeig, bie $anfeftäbte umfaßt, 
fo fann man nicht gerabe fagen, baß es in einem folcßen ©e* 
iirfe bem oerunglüdten Arbeiter befonberS leidet gemacht ift, 
feine 3ntereffen felbft gu oertreten, ober baß baS ©cßiebSgericßt 
leicht bie ©töglicßfeit hat, nach bem Augenfcßein gu urtheilen. Run 
finb aber ©erufSaenoffenfcßaften mit oier ©cßiebSgericßten für gang 
2 )eutfcßlanb mehrfach oorhanben unb, abgefeßen oon ©erlin unb 
feinen ©ororten, umfaffen bie ©cßiebSgericßtSbegirfe meift eine 
gange preußifdbe ißrooing. $>ie ©egirfe finb fo groß gemacht 
rnorben, um ben ©cßiebSgericßten roenigftenS einigermaßen ge* 
nügenbe ©efchäftigung gu geben; aber auch baS hat man nicht 
überall erreicht, manchmal felbft ba nicht, mo man bie 3 a ^ & cr 
©ißungen im Sahre möglicßft oerminbert hot, um für jebe ©ißung 
eine genügenbe ©efchäftigung gu ergielen. $>urcß bie ©erminberung 
ber 3aßl @ißunaen aber mürben bie Sntereffen ber Renten* 
nachfucher erheblich beeinträchtigt. $>enn menn ein ©cßiebSgericßt 
nur breimal ober groeimal im 3toßre eine ©ißuna abhält, fo fann 
ber Arbeiter oier ober fechS Monate auf eine Entfcßeibung märten. 

©on ben 242 ©<hiebsgeri<htett ber geroerblicßen ©erufSgenoffen* 
fchaften hoben im ©ergangenen 3 oßrc ©ißungen gehalten: 

3ahl ber ©ißungen 1 2 8 | 1 bis 3 [ 4 5 6 | 1 bis 6 
3af|l ber ©<ßiebSgeri<bte 14 26 39 | 78 | 41 25 23 j 167 


3ahl ber ©ißungen 7 8 9 j 1 Bis 9 j 10 11 12 | 1 bis 12 
3ahl ber ©djiebSgertchte 10 12 5 | 194 | 6 7 5 | 212 

Alfo nur 30 oon 242 ©cßiebSgericßten hoben öfter als ein* 
mal im ©tonat eine ©ißung abgehalten, nur 75 öfter als alle 
groei ÜRonate! 

Unb mie fteßt es nun mit ber 3ohl ^ er crlebigten fjätte? 
$>er 2)ur<ßfcßnüt ftellt fich bei ben ©cßiebSgericßten ber geroerb* 
lieben ©erufSgenoffenf(haften auf 11 Sätte in einer ©ißung. ES 
crlebigten aber 6 ©cßiebSgericßte je einen Satt, 12 je gmei öätte, 
10 je brei, 20 je oier, 11 je fünf unb 19 je fed)S gätte, im 
©angen alfo 78 ©chiebSgerichte 1 bis 6 Satte; meitere 90 ©d)iebs* 
geriete erlebigten 7 bis 12 Sälle, unb menn man bie fechS 
©chiebSgerichte ber ©erufSgenoffenfcßaft ber ©chornfteinfeger ab* 
rechnet, bie gar feinen Streitfall im abgelaufenen 3&h re S 11 e ^* 
Iebigen hotten, bann bleiben nur 58 ©chiebSgerichte in Preußen, 
bie in einer ©ißutig mehr als 12 gatte gu er iebigen hotten. 

$)ie UnfattoerficßerungSuorlage, bie 1896 bem Reichstage oor» 
geleat mar unb beren Sieberciiibriuaung jeßt, naeßbem bie Qn* 
oalioenoerficßerimg unter ®acß unb gaeß gebracht ift, roicber in 
AuSficßt fteht, hotte auf ©runb biefer tßatfäcßlicßen ©erhältniffe 
ben ©orfcßlag gemacht, bie ©chiebSgerichte örtlich, nid^t nach ©erufs* 
genoffeufchaften abgugrengon unb gujammcngulegen, einmal um fie ben 
Arbeitern recht nahe gu rücfen, bann aber auch, um ben ©cßiebs* 
geridjtSüorfißenben bie s D!öglicßfeit einer bauernben ©efchäftigung 
in ben fragen ber Arbeiteroerficßerung gu bieten, bie ihnen jeßt 
abgeht, roeil fie meift nur nebenamtlich unb in menigen ©ißungen 
im Saß« bamit gu tßun hoben. Senn man bie 460 ©chiebs* 
gerichte, bie in ©reußen für bie Snoalibenoerficherung befaßen, 
mit biefer Arbeit betrauen mollte, fo mürben oon allen ©erufungen 
beS leßten 3aßreS auf jebeS ©erießt nur 110 entfallen, bie feßr 
leidjt in 12 ©ißungen erlebigt merben fönnten. ©2an fönnte bie 
©egirfe, bie jeßt meift nur einen $reis umfaffen, oielleicßt noch 
etroas oergrößern, um eine noch etroaS ftärfere ©efchäftigung ßer* 
beigufüßren. 

2 )ie angeführten 3 a ßlni beroeifen beutlicß, baß bei bem jeßigen 
©erfahren eine große ©erfcßmenbnng oon ehrenamtlicher £ßätigfeit 


ber ©eiüßcr ftattfinbet, bie man feßr moßl oermeiben fann, menn 
man alle ©cßiebSgericßte oereinigt. 

©erlin. .£>. 


ftuaopfd)aftS*©erufSgrtti^fettf<haft 1898* Racß bem ©er« 
maltungSbericßt oer 5?nappfcßaftS*©erufSgenoffenfchaft über baS ©e* 
fcßäftsjahr 1898 mären anuäßernb 9KiHion ©ergleutc gegen 
Unfall oerfießert. 48 204 ^erfonen ober 9,74 % ber ©erfießerten 
mürben oerleßt; hierin fmb auch Qong unbebeutenben Unfätte, 
g. ©. £>autabfdjürfungen u. f. m., enthalten. UnfäEe, melcße eine 
SrroerbSunfäßigfeit oon meßr als 13 SSocßen ober ben ^ob gur 
3folge hatten unb baßer bureß bie ©erufSgenoffenfdßaft entfcßäbigt 
meroen mußten, ßaben fid) 6323 ober 12 , 77 auf 1000 ©erfießerte 
ereignet; barunter befinben fieß 1254 Unfälle mit töbtlicßem 2luS* 
gange. 22% ber entfchäbiaungSpflicßtigen Unfätte mären bureß 
bie ©djulb ber ©erleßten felbft oerurfaeßt. ©on ben fämmtlicßen 
feit ©efteßen ber ©erufSgenoffenfcßaft, 1. Dftober 1885 bis 1. 3o* 
ituar 1897 oorgefommenen 41 977 entfcßäbigten Unfällen ereigneten 
ließ 20,3 % über unb 79,7 °/o unter £age. $>ie Jlufmenbungen 
für Unfattentfcßäbigungen betrugen im ©erießtsjaßre über 9 ©eil* 
Iionen ©torf. 2)ie ©ermaltungSfoften ftettten fieß auf 394 680 1 
ober 4 , 5 o / 0 ber SaßreSumlage. $)a ber angefammelte Referoe« 
fonbs mit naßegu 27 ©Httionen ©tarf bie im ©efeße oorgefeßriebene 
§>öße überfeßritten ßat, fonnten bie 3 i«fcn beffelbcn mit ungefähr 
906 000 c /f(., gleicßmie bie 3infcn beS ©etriebsfonbs an ber 
3abreSumlage oon naßegu 10 ©Millionen ©tarf gefürgt merben. 
Äuf bie ©enoffenfcßaftsmitglieber blieben noeß ungefähr 9 ©Ul» 
Iionen ©torf umgulegen. 2ln Unfattfoften entfielen auf einen 
Arbeiter 17 dt. 90 4 unb auf 1000 dt Öoßnfumme 17 d(. 
84 4 J. 5)ie an bie ©erfießerten gur ?luSgaßlung gefommenen 
ßößne betrugen 497 ©Millionen ©tarf; ein ©erfießerter oerbiente im 
^ureßfeßnitt 1004 dt gegen 976 dt im Saßre 1897. ©ei ben 
©cßiebSgericßten mürben 3237 ©erufungen unb beim Reicßs*©er* 
ftcßerungSamte 1014 Refurfe erlebigt. 2)aS ©eiloerfaßren ber ©er* 
leßten innerhalb ber erften 13 Söocßen uaeß bem Unfälle gemäß 
§. 76 c beS Hranfenoerfid)erungSgefeßeS mürbe in 1357 Raffen 
übernommen; ber ©erufSgenoffenfcßaft ift ßierbureß eine Ausgabe 
oon 140 717 di 30 4 ermaeßfen. 

®ie OttSfranfenfaffe in ©arme» unb ihre Kergte* ^er 

©treit, ben bie Allgemeine DrtSfranfenfaffe in ©armen oor groei 
Saßren mit ben anfäffigen Aergten ßatte, ßat für fie reeßt unange« 
neßme folgen geßabi. damals mürben fünf auSmärtige Acrgte 
mit einem garantirten SaßreSeintommen oon je 4000 dt angefiettt. 
Racßträglicß fanb aber roieber eine Einigung mit ben Aergten am 
$Iaße ftatß unb babureß fmb bie angeftettten Äaffenärgte mit ißrer 
Xßätigteit für bie $affe feßr in ben ^intergrunb getreten. 5 £ie 
AufficßtSbeßörbe ßat gefunben, baß biefelbcn oon Den ißnen ge* 
gaßlten 20 000 dt nur 3852 di an Honorar für ©eßanblung 
oon taffenmitgliebern oerbient ßaben, baß alfo aus ftaffennritteln 
in einem 3t r ^ 16 148 dt 3 u t u 6 geletftet merben mußte, ^ie 
fünf Aergte ßaben fi* auf ©ermittelung ber AufficßtSbeßörbe gum 
Rücftritt am 1 . Dftober bereit erflärt. $)ie oereinbarte Abftn* 
bungsfumme beläuft fieß auf 22 250 dt 3« biefer AbfinbungSfumme 
mitt ber Aergteoerein 8000 dt beitragen, menn bie betreffenben 
fünf Aergte ©armen oerlaffen. Außerbem mürbe ber ©efeßluß ge* 
faßt, allen ©Utgliebern, bie minbeftenS 26 SSocßen im Saßre Der 
5faffe angeßört hohen, freie ärgtlicße ©eßanblung — aber oßne 
Argnei — ißrer Samilieuangehörigen bis gu 26 Soeben im Saßre 
gu gemäßren. 2)as Aergtcßonorar roirb für bie ©teßrlciftung oon 
3 auf 5 dt pro ©titglieb erßößt, maS eine jährliche ©teßranSgabe 
oon runb 45—46 000 dt, bebingt. 3 ur $>edung biefer ©teßr* 
anSgabe mürbe eine ©rßößung ber ©Utalieberbeiträge oon 4 
pro Socße im Durcßfcßnitt befcßloffen, rooburdß eine jäßrlicße ©Jeßr* 
eiunaßme oon 48—49 000 dt ergielt merben mirb. 

©(rein für ©erftchernngSmiffenfchaft» Unter bem Ratnen 
®eutfcßer ©erein für ©erficßerungSroiffenfcßaft fott bemnäcßft ein 
©erein ins fieben gerufen merben, ber ben Qmd ßat, bie ©er* 
ficßerungSmiffeiifchaft in ©eutfcßlanb gu förbern. (£s fott eine 
Korporation gefeßaffen merben, bie es barauf abReßt, bureß ge* 
meinfcßaftlicße Erörterungen, bureß Erleichterung perfönlicßer ©e* 
gießungen, bureß ©ammlung unb Verausgabe oon roiffeiifcßafHießen 
Arbeiten aus bem Gebiete ebenforooßl beS ©erficßerungSrecßts, roie 
ber ©erfußerimgS*Abminiftration unb ber mathematifcßen, roie ber 
fonftigen (g. ©. mebiginifdjen) ©erficßeruugStecßmf, enblicß ber ©er* 
fjcßerungsftatiftif jenes gange meitumfaffenbe SiffenSgebiei gu 
förbern. ®ie Korporation mitt in ben ©ereieß ißrer äßätigfeit 



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Sogiale SßrayiS. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 48. 


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ade berficherungSarten unb alle biejeitigen SßHffenSgweige gieren, 
beren pflege in unmittelbarer 23egief)ung ju bem berficf)erung3* 
toefen im roeiteften Sinne be« SBorte« fte^t. 


Mol)lfaljrteeinriit)htnjjett. 


gemnawfetttljalt für Stnbtfiuber auf beut ßattbe. Jie Wefeßfthaft 
für 3SohlfaljrtSeinrid)tuugen in ftranffurt a. SN. bat, um einem in 
Wroftftäbten immer fühlbarer werbenben bebiirfnift abgubelfen, für bie 
Somntcrsgeit eine bermtttclungSftelle für Ferienaufenthalt non Stabt- 
finbern auf bem Sanbc eingerichtet. Sie ift babei, wie uns gefeftrieben 
rcirb, oon bem Webattfeu nusgegattgett, baß bas ^siiftitut ber Serien* 
foloniett'bent beftehenbeit GrholuugSbebürfnift ber Sdjulfinber nur in 
befebränftem SNafte abgufielfen geeignet ift, weil bie gcricnfolonien ihrer 
beftimmitng nach nur fd)wäd)lid)en unb mittellofcn ÄUnbcrn eine un* 
entgeltlidje Aufnahme gewähren, wäljrenb es hoch eine grobe Nttgahl 
oon Schulfinbern giebt, bie gwar nicht fchmädjlich, aber hoch erholungs* 
Bebürftig finb unb beren Gltcrn gwar nicht bie Mittel gur Wewährung 
eine* SaitbaufenthalteS fehlen, bie aber bnreh bernfSpflicbten unb 05efd)äftö=* 
riitflichten oerljinbert finb, mit ihren finbern einen Sommeraufenthalt 
mährenb ber Ferien gu nehmen. Siir SHnber biefer Nrt füllte bie ber* 
mitteluugsfteHe in Familien auf bem Sanbe gegen eine angenteffene 
Vergütung Unterfunft fucheit. 

Jie bermtttclungSftelle begann ihre Jhätigfcit furg oor ben 
Sommerferien burch Muubgebett ihre® 3wedeS unb ihrer Nbfidjt in ber 
sp reffe. Gs mar oon uornherein oorauögufehen, baft bas Spublifunt ber 
gänglich neuen Sache gegenüber fidj gunächft abmartenb oerhalten mürbe, 
namentlich bas Spublifunt ber Wroftftabt; es mar aber bod), miber Gr* 
märten, bie 3al)l ber Nttmelbungen gur Aufnahme oon finbern auf 
bem Sanbe eine fo grofte gemorben, baft bei beginn ber Serien mehrere 
bunbert Slinbcr hätten uutergebradjt mevben fönnen. Jas ftäbtifchc 
Spublifum machte gunächft oon ber neuen Ginrichtung nur fpärlidjen 
Webrand), erft als burd) bertljeilung oon entfpredieubeu SNittheilungen 
an bie Äinber in ben Schulen biefen lebhafteres ^ntereffe eingeflöftt 
mar, mehrten fich bie Nachfragen, unb bei beginn ber Serien mar ber 
Nrtbrang nicht unbebeutenb. Jie bermitteluugsftelle nahm, um ooK* 
ftänbig ftdjer gu gehen, eine Prüfung aller Angebote an Ort unb Stelle 
oor unb betuchte and) fpäter nach Unterbringung ber SHnber biefe in 
ihrem Grholungsaufeuthalt unb übte fomit eine beftänbige Äontrole 
aus. Sie fonnte aud), inbem fte ben gangen berfehr gmifdjen Nugebot 
unb Nachfrage übernahm, ben berechtigten SSünfchen ber Glterit fomohl 
als and) ber Cuartiergeber entgegcufomntcu. Jie SNel)rgal)l ber Nttge* 
bote erfolgte aus bem Jauiuts, betu bogclsberge, bem Speffart unb 
Nhöngebirge aus Crtfchafteu oon burdjmeg rein länblidtent, börflidjem 
Gfjarafter, bie SBalb in unmittelbarer SJtäljc Batten. Jie greife maren 
burdjwcg mäftige unb fchmanften gmifd)en 1 , 20 — 1,50 M. für Jag unb 
ftittb. 23ar oon ben Gltern eine Nustoahl unter ben Angeboten ge* 
troffen, fo mürbe mit bem Cuartiergeber oon ber bermitteluugsftelle 
ein Vertrag abgefchloffen, worin er fid) gur Aufnahme ber fttnbcr beS 
u. f. m. auf bie " Jauer oon founbfooicl Jagen, gegen eine tägltdie ber* 
gi'ttung oon x Jt. oerpflichtete unb anbererteits mit ben Gltern ein Nb* 
fommen getroffen, nach weldjem fte fid) bereit erflärten, ihre tiuber bem 
Herrn N. in N. auf bie Jaucr oon founbfooiel Jagen gu bem oerab* 
rebeten greife in pflege gu geben, konnten bie Gltern ihre fttttber 
nicht felbft au ihren beftimmuugSort begleiten, fo übernahm bie 93er* 
mittelungSfteHe bie Ueberführung in ben Ferienaufenthalt. JaS pflege* 
gelb mürbe oon ben (iltern gugitglid) eines Nuffchlag* oon 5 % im 
Voraus au bie bermittelungsftefle gegahlt, bie eS ibrerfeits in gmei 
Naten abgüglich eines Betrages oon 5 % bes Spflegegclbes an bie pflege* 
eitern gur Nusgahlnitg brachte. Jie Nuffdjlägc unb Nbgiige mürben 
gur Jedung ber Uufoften oermaubt, meldje ber bermitteluugsftelle 
burch Ncifett, SportoauSlagen, ^nferate u. f. m. ermuchfen. Fm erften 
Fahre merbett naturgemän gur 93eftreitung biefer Soften nod) 3 u f4niffr 
erforberlich fein, meldje aber bei raachfenber Snanfpruchnahme ber Gin* 
ridjtung entbehrlid) merbett biirften. J3ei beginn ber Serien mürben 
als erfter Schub 60 iiinber aufs Öanb gebracht, meiftens nach £rt* 
fchafteu beS Speffart« unb 93ogelSbergeS. Jie ^ittber waren oorher ge* 
mögen morben, um fpäter auch einen Grfolg ber Äur feftfteKen gu 
fönnen. 

Jie gange Ginrichtung unb bie Sührung ber Wefchäftc h^t bei 
allen Setheiligten oollcn Nttflang gefunben unb es fteht gu erwarten, 
bah in ben nädjften fahren ber Nnbrang ber Stabtbeoölferung ein 
immer größerer werben toirb. 9J?andje Gltem, bie aus 93orfidjt $u* 
nächft einen fürgerett Üanbaufenthalt oorgefehett hatten, b a & en thn 
fpäterhin auf bie gange Jauer ber S e rten oerlängert. Jas Unter* 
nehmen, weiches bäs erfte biefer Nrt itt Jeutfdjlanb ift, biirfte, ba 
fchließlid) in allen Wrofeftäbtcn bas gleiche Sebürfnib befiehl, halb in 
auberen Stäbten Nachahmung finbett. 


Citerörtfdje Änjctgeu. 

Ü c i ft , in-of. Dr. Nleyanber, 93ercinShcn:fchaft unb NereinSfreiheit 
im fünitigett Neidjsrnht. Wnftao SOfher* »4 S. 

^reiS l,2o je. 


Schriften bes herein« für Sogialpolitif LXXIX, LXXXI, 
LXXXIU, LXXXIV. Unterfuchungen über bie Sage beS .ftaufirer* 
gemerbcs in Jeutfd)kmb. 3. ^8b. — 5. ©b. baff. 9Kit Sach* 
regifter über bie 9?änbe 177—81. — Unterfuchungen über bie 
Sage bes .ftauftrergewerbeS itt Schweben, Italien, Wrofjbritannien 
unb ber Schweig. — £>aitSinbuftrie unb Heimarbeit in Jeutfch* 
lanb unb Defterreich- 1. 33b. Sübbeutfchlanb unb Schlefteu. 
Seipgig 1899, Juitrfer <fe Huntblot. 

N?it bem gule^t genannten ^anbe fc^t ber herein für Sogialpolitif 
bie in ben 33ättbeti XXXIX—XL1I enthaltenen JarfteHungen ber 
beutfehen H ai teiubuftrie fort, giir biefe 3Bieberaufttahmc bes frihon ein* 
mal bcbanbeltett WegenftattbeS finb brei Wriinbe ntaßgebcttb gemefett. 
GrftenS bie gunehmenbe Grfcnntitiß ber ftarfcit NuSbreitutig, meldje bie 
Hausiubuftrie namentlich in ihrer ftäbtifdjen, gemöhttlich als H^warbeit 
begeidjneten gorm auf faft aßen Webieten ber gemerblidjctt s probuftiott 
finbet; gioeiten« ber genauere Ginblid itt bie N?annigfaltigfeit ber 33e* 
triebsformen, gu bem bie Grhebungett bc« Vereins über bie Sage bes 
HgnbmerfS oerholfen haben, ittbent babttrd) eine reidjc 23crflechtuttg oott 
ftäbtifdjer H e twarbeit unb Iänblidjer Haustitbuftric mit hanbmerfs* unb 
fabrüittäßigen betrieben auf betnfelben 33robuftionsgebict erfichtlich ge* 
macht würbe, welche ^ufammeubäitge fdjärfer herausguarbeiten attber* 
orbentlid) werthooÜ crfdjien; britteuS bas Jntcreffe an einer Nus* 
behnung bes Nrbeiterfchupes auch auf Hausinbuftrie unb Hrtwarbeü, 
baS fowohl burch beren quantitatioe Nusbreitung, wie burch bie 
fdjwierige Wrengregulirung gwifdjen HauSinbuftrie, Hanbwerf unb ^abrif 
unb bie baburch gefchaffene 9NÖgIid)feit einer Hintergehung ber Nrbeiter* 
fchuboorfdjriftcn immer ftärfer angeregt würbe, fstt bent oorliegcnbett 
Sanbc tourben bearbeitet: Jie württembergifchc Jrifotinbuftrie itt bett 
93cgirfcit Stuttgart unb "iöalinaen, unb bie geinmeebanif im Dberamt 
SBalittgett oon £). Neinharb; Sie HauSinbuftrie unb oerwanbte Unter* 
ttehmungSformcn au« bem JaunuS oon SBilhelnt gudh«; bie Sfrirtonnage* 
inbuftrie gu l^ahr oon Nlbert Naer; bie ^twtmalerinuen in Nürnberg 
unb giirtl) oott 33ilhelm Uhlfelber; bie Haus Weberei ittt Glfafe oon 
Dr. Nobert Siefmann; bie Uhreninbuftric im babifdjen Schwargwalb 
unb bie Nefte fletnerer Hausinbufiricen auf bem Babifchett Sdjwargtoalb 
oon Hcwmann Soth; bie Hausinbufirie beS füblidjen SdjwargwalbcS 
oon Heinrich 33ernheim; bas NJagaginfpftent in ber SreSlauer SNöbel* 
tifcfjlerei oon Nlois Snner; bie Hausmeberci im fchleftfchen Gulcngcbirge 
oon Nlfreb Wlüdstttattn. 

Jer brittc 33attb über bie Sage beS HaufirgewerbeS in Jeutfdilanb 
umfaßt: 1. bie Sajgunger (Sächfifch^ Grggebirge) oon Dr. Shtrt Stunhe; 

2 . ben beutfehen Stolportagebucbhanbel oott Dr. jur. 5?arl Heinrici; 

3. bie flooafifdicu Jrahtbiuber oon Hermann Ätub; 4. ben 33eercu* 
hanbcl oon Stnhengrün unb Nothenfirchen im fädjftfchen Grggebirge 
oon Dr. pbil. NIbin Äönig; ber fünfte 33anb: 1. oett Straften* nnb 
Sofalhanbel in 33crlin oon Dr. SNartiu Ariele; 2. ben 9?arbowider 
Sameithanftrhattbel oon Dr. jur. Oehlfdjläger; 3. Haufirgewcrbe unb 
2£irtb«hauSbaufirbanbel in NJünchen; 4. bie Stabt BaCIbürn (Saben) 
oon 3ofef Weiftier; 5. ben Nnttsbegirf Gberbach oon SNutfdilcr; 6. ben 
Nmtsbegirf iBabcn oott Hennanti Sohr; 7. ben Nnttsbegirf SSotfadj oott 
SBilhelm H f bi & ben Nnttsbegirf Gttcnheim oon Siitbetttattn; 9. ben 
93ürftcnhauftrhanbel ber Bewohner ber ehemaligen Jhaloogtei Jobtnau 
im 33abifd)ett Sdjtoargwalbc oott Ctto Älingclc uttb 10. bie wirthfehaft* 
liehe Sage ber loattbernbeu Sdjaufpielertruppen oon G. N. Hänhfdtel. 

Jer Sage bes HaufirgewerbeS im NuSlattbe ift ber LXXXIII. Sanb 
ber SSereinsjcftriften gewibmet. Gr enthält: 1. bett ÄrciS ber Stabt 
33oräS (S dt weben) oott Wuftao oon Weijerftam, 2. Italien oon 
t Ugo Nabbcno unb G. N. Gonigliani, 3. Wroftbritamtien oon 
Dr. Nlerattbcr JUIe, 4. bie beutfefte Schweig oott Dr. N. NeidjeS* 
berg, 5. bie meftliche Schweig oon Lic. jur. Nlpftons Hättenfd)toi6er. 

Csu Jeutfchlattb wie im NuSlattbe offenbart fid) für gewiffe Schiften 
ber Seoölfentng bie mirthfchaftliche Nothwenbigfeit gu biefent GrwerbS* 
gtoeige gu greifen, fowie bas auf bie Jhätigfeit ber Haufircr redtneitbe 
!Öcbürfnift ber Sfonfuntenten. Jcitt Jrängen ttad) repreffioer ^ßolitif 
gegen bie Hauftrer, bas in recht hohen Spegialfteuem praftifdje Gr* 
folge gehabt hat, biirfte biefe Grlentttnift einigermaften Ginftalt gu thun 
geeignet fein. 

Stephan, Dr. jur. N. unb attl Sdjmib, Jer Schub ber gewerb* 
lidjen Urheberrechte bes 3n* unb NuSlanbeS (Hanb* unb Sehr* 
buch ber Staatsmiffcitfdjaften in felbflänbigett ^änben, begrünbet 
oon $uno ^ranfenftein, fortgefebt oon Ntoy oon $e<tel I. Nb* 
theilung; 33oIfswirthfchaftSIehre. 13.3?anb.). Seipgig, G. S. Htrfch 3 
fclb. 531 S. 16,50^. 

Jie „Labor Statistics“ in ben bereinigten Staaten oon 
Nmcrifa. (Sonberabbrud au« ben bierteliabrSfteften gur 
Statiftif bes Jeutfdjen NeidjS, ^ah^ßang 1899, Heft III). be* 
arbeitet im Äaiferlidj Statiftifdten Nmte oon Otto Nidjter, miffett* 
fdhaftlichem Hä^arbeiter. 29 S. 

Rangig, HauSl)aItS*Gtat ber Stabtgemeiubc Jangig für 1899. 
Jortmunb, beridtt über ben Staub unb bie berwaltung ber Wetueittbe* 
angelegenheiten ber Stabt Jortmunb für 1897/98. 

GIbing, bericht über bie bertualtnng uttb ben Staub ber Wentciube* 
angelegenheiten ber Stabt Glbittg für 1898/99. 

Hoch ft a. 9JL, bericht über bie berwaltuug nnb ben Staub ber Wetnetnbc* 
angelegenheiten ber Stabt Höchft a. SN. für 1898/99. 


BeranttDortti^ für bte »ebaftton: Dr. «rnft Stande tn Berlin W., Ba^reut^erftrafee 29. 



1279 »Soziale $raji8. Gentralblatt für ©ojialpolitif. 9fr. 48. 1280 

©te Prawt*" erfäetnt an jebem ©onnerltog unb ift bur$ alle »u<$hanblungen unb ^oftämtec ($oitaeitung«nummet 7072) ju begehen. ©ex $rei5 

für ba« »ierteljabr ift 2R. 2,50. 3ebe «Rümmer foftet 30 $f. ©er «njetgenprei« ift 60 g5f. für bie breigefpaltene ^etitjeile. 


Verlag von Duncker 8c Humblot in Leipzig: 


Ungarische Agrarpolitik. Von Stefan von 
Tisza. 1897. 1.60 M. 

Die Alkoholfrage in Oesterreich. Von Franz 
Kral. 1888. 2.40 M. 

Zur Arbeiter-Versicherungsfrage in Oester¬ 
reich. Von R. Klang. IL, verbesserte Aufl. 
1884. 1.40 M. 

Die Arbeiterversicherung nach österreichi¬ 
schem Rechte. Von Adolf Menzel. 1893. 

10 M. 

Ungarns Ausgleich mit Oesterreich vom 
Jahre 1867. Von Graf Julius Andrässy. 
1897. 9 M. 

Bank und Valuta in Oesterreich-Ungarn 1862 
bis 1873. Von Joseph Neuwirth. Zwei 
Bände. 1873/74. 20 M. 

Die Bauernbefreiiing und die Auflösung 
des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in 
Böhmen, Mähren und Schlesien. Von Karl 
Grtinberg. Zwei Teile. 1894 u. 1893. 16 M. 

Die Aufhebung des Befähigungsnachweises 
in Oesterreich. Von Sigmund Mayer. 1894. 

6 M. 

Untersuchungen über die socialen Zustände in den 
Fabrikbezirken des nordöstlichen Böhmen. 
Von J. Singer. 1885. 6 M. 

Südostdeutsche Betrachtungen. Fine 
nationale Denkschrift. Von A. Freiherrn 
von Dumreicher. 1893. 3 M. 

Die Einkommensteuer in Oesterreich und ihre 
Reform. Von Emil von Fürth. 1892. 6 M. 

Die Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns 1822 bis 
1867. Von P. F. Kupka. 1888. 8.60 M. 

Grundriss des Oewerberechts und der Arbeiter¬ 
versicherung. Von Victor Mataja. 1899. 

3.60 M. 

Die Handelspolitik Oesterreich-Ungarns 1875 
bis 1892. Von Johann von Bazant. 1894. 4M. 

Die Handelspolitik Oesterreichs in den letzten 
Jahrzehnten (s. Band 49 der Schriften des 
Vereins für Socialpolitik. 1892. 13 M.) 


Untersuchungen über die Lage des Handwerks 
in Oesterreich mit besonderer Rücksicht auf 
seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Gross¬ 
industrie. 1896. 16 M. 

Untersuchungen über die Lage des Hausier¬ 
gewerbes in Oesterreich. 1899. 9.60 M. 

Gewerbliche Hilfskassen und Arbeiterversiche- 
rung. Von E. Popper. 1880. 2.80 M. 

Kleingewerbe und Hausindustrie in Oester¬ 
reich. Von Eugen Schwiedland. Zwei Teile. 
1894. 12 M. 

Zur Frage der Organisation des landwirtschaft¬ 
lichen Kredits in Deutschland und Oester¬ 
reich. Von Walter Schiff. 1892. 3.60 M. 

Das Hanufakturhaus auf dem Tabor in Wien. 
Von Hans J. Hatschek. 1886. 2.80 M. 

Gewerbliche Hittelstandspolitik. Von 
Heinrich Waentig. 1898. 9.60 M. 

Das Papiergeld in Oesterreich seit 1848. Von 
Karel Kramär 1886. 7.60 M. 

Die sociale und wirtschaftliche Lage der galizischen 
Schuhmacher. Von C. v. Paygert. 1891. 

4.60 M. 

Die Unfallversicherung der österreichischen 
Seeleute. Von Adalbert von Lanna. 1894. 

1.40 M. 

Die Vorbildung zum höheren Verwaltungs¬ 
dienst in den deutschen Staaten, Oesterreich 
und Frankreich. Berichte und Gutachten, ver¬ 
öffentlicht vom Verein für Socialpolitik. 1887. 

4.40 M. 

Die Währung« frage in Oesterreich-Ungarn und 
ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung. 
Von Walther Lotz. 1889. 1 M. 

Währungsstudien mit besonderer Rücksicht 
auf Oesterreich-Ungarn. Von Ludwig Felix. 
1890. 1 M. 

Die Zollpolitik der Oesterreichisch-Ungarischen 
Monarchie und des Deutschen Reiches seit 1868 
und deren nächste Zukunft. Von Alexander 
von Matlekovits. 1891. 21 M. 


Verlag der Arbeiter-Versorgung. 
A. Troschejjn Berlin W. 

Krankengeld • Znschusskassen. 

Alle für die Einrichtung und Ver¬ 
waltung der Krankengeld-Zuschusskassen 
erforderlichen Formulare können von dem 
oben genannten Verlage bezogen werden. 

Den Krankenkassen, welche Kranken- 
geld-Zuschusskassen errichtet haben oder 
errichten wollen, stehen Musterformulare 
gratis zur Verfügung. 

Hebeliste, Krankenbuch u. s. w. je 
50 Bogen 4 Mk., gebunden G Mk. 

Formulare für Anmeldung, Quittung 
u. s. w. je 100 Stck. 1,50 Mk. 


Deutsche Wirtschaftsgeschichte. 


K. TI), von Inama- Sternegg. 

I. Deutsche Wirtschaftsgeschichte bis zum Schluss der Karolingerperiode. 
1879. Preis 12 Mark. 

II. Deutsche Wirtschaftsgeschichte des 10. bis 12. Jahrhunderts. 1891. 
Preis 13 Mark. 

III. 1. Deutsche Wirtschaftsgeschichte in den letztem Jahrhunderten des 
Mittelalters. 1899. Preis 12 Mark. 


iJcrantiuortli.l) für ote •.»iiijcgai: vcUuuutj Deibel, L'ciiuiij. — Verlaß oou Zuiicfei «St £nmi,l>lut, L'nrüvj. — We&wuft bet Julius Sittenfelb, öerlin. 



VIÜ. In^rjattg. 


Serhn, ben 7. September 1899. 


Itumnur 49. 


Soziale prajte. 

(§ettfra£Maft för 

mit ber SRonatSbeilage: 

Vas (Bewcvbc^cfic^t 

©rgan lies Derbanbes beutfcfyer (Benjerbegericfyte. 

Reue golge ber „SBtätter für fojiatc sßraytS" unb beS „Sogialpoltttfdjen ©entralblatts*. 

Srftitittt Ml jfbtm Xontierfiag. ^)ecauSgeber: $rtts »irrteljfttrllft 2 SR. 60 ff. 

Rebaftton: Verltn W., Vapreutherftraße 29. Dr. (Efttß «ftttJtdtt* Verlag Oon Tunrfer & #umbIot, Celpgig. 


3 Spalt 


Die p8ttbeit8wiIUgen M . Regattoe 
unb pofitibe ©ewerföetemöpolittf. IV. 
©on $rofeffor Dr. Sujo ©tentano, 
SRünc^et!.1281 

IUt<Ketae©« 9 tel* ml 

*•!««.1288 

Die ©ojialpolttif auf ber @e* 
neralöer fammlung ber Ra» 
tbolifen DeutfcblanbS. 

2lboIf ©tödeT über ©treifoorlage 
unb ©ojialreform. 

grauen in ben ©c$ulfommif|ionen nun 
©ein. 

©•Stele ßnftiiabe .1290 

©ertbeilung ber geföüfcten Arbeiter* 
fategorien auf bic Derfdjiebenen gti* 
buftrien in ©reufeen. 

Die frembfpra(bli<ben Arbeiter im 
Stubrfoblenbergbau. 

Arbeitslöhne in SKaffacfeufetiS. 

Ucteitetbetvecunt.1291 

Die amtliche beutfehe ©treifftatifti! für 
baS 1. Jpalbjahr 1899. 

©in Delegirtentag ber fatljolifcfeen 
Arbeitervereine ©übbeutfcfelanbö. 

AuS ber ©erliner Arbeiterbewegung, 
©eenbigung beS KonfltfieS jmifeben 
Arbeitgebern unb Arbeitern in Däne- 
inarf. 

Die SöofjnungSfrage in Sonbon. 
©emegung unter ben englifdjen ©ee« i 
leuten. i 


Der gabreSfongrefe bet Drabe Union«- 
Der 17. Saferefifongrefe ber Parti 
ouvrier franf&U. 

i ttsftttfevf*»*.1295 

Arbeiterfcbuh unb Äontrol* 
matfe. ©on Heinrich Abler, 
Sßien. 

©efeufe ber Arbeiter gegen ÜRiljbranb. 
Deutfcbe UnfallDerbütungS*©inri(btun* 
gen auf ber ©arifet SöeltauSfteffung 
unb bie ©auarbeiter. 

AuSfcbreiben beS ©cbweijer ©unbeS« 
ratbeS für ßerfteflnng ungefährlicher 
ßünbbölaer. 

Die Shop hoars Act in Sonbon. 

ttr»rft9it«4»cti.1297 

gürforge beS württembergifdjem 3Ri« 
nifteriumS für ben Arbeitsnachweis. 
— ©täbtifdjeS Arbeitsamt in ©tutt» 

' gart 1898. 

©etpcrbegerii&te. tfinigtutafüatter« 

©d>teb9gevtdtU.1299 

Der ©treif bet ©erlinet ©tein» 
arbeiter unb baS ©inigungS« 
amt beS ©e werbegericbtS. ©om 
©eroerbertdjter SK. oon ©djula, 
©orfifeenbem beS ©ewerbegeridjt« 
©erlin. 

ttietstifftf Knseteett. 1302 


Inhalt beS ©ewerbegeriebts Kr. 12. 


AeUagd »Aal Sktoerlegetibi" 9be» 1*. 


Abbrud fömmtlicber Artilel tft ßdfimgeu unb ßeitfebriften geftattet , jeboeb nur 
mit boüet Duetten aitgabe. 


Bie „Atbettswilligen“. 

(Scblufe au« Ar. 48.) 


Regatioe unb pofitioe ©emerloereinspolitif IV. 

Qd) menbe mich 3 um Kampf um bie Regelung be# ^Irbeit^® 
angeboteS in KricgSgeiieit. 

©ine RteinungSoerfchicbenheit ift, fo nehmen mir au, 3 roifd)en 
Arbeitgebern unb Arbeitern über bie Veöingungen entftanben, 3 U 
benen bie leptercn ifjre Arbeit ©erlaufen follen. T)ie Arbeiter 
haben eben be 0 t)alb gemeint am ifjr Angebot jurücf gezögert; ober 
auch bie Arbeitgeber haben, inbem fie ihre Arbeiter entließen, bie 
Nachfrage nach beren Arbeit eingeftellt. ©ine jebe ber beiben 
Parteien fuc^t fo ben ©egner gur Annahme ber oon iljr gemünfepten 
Vebingungen 3 U groingen. 

Ta ift nun (Sine# auffallenb. Vei allen anberen Arten oon 
Verläufen, bei benen Staatsbürger fiep als Verläufer unb Käufer 


gegenüberftehen, gilt eS als felbftoerftänblicp, baß ber Staat fich 
jebmeber ©inmifepung in bie Vereinbarung ber greife aufs Strengfte 
enthält. ©S folgt bieS aus bem gleichen Staatsbürgerthum unb 
bem barauS folgenben Anfprucpe Aller, baß ber Staat baS Recpt 
eines Seben, feine Sntßreffen burch alle gefeplichen Mittel ju mähren, 
gleichmäßig achte. 2Bo eine Abroeichung ftattfinbet, geliebt bieS 
im tarnen beS SdpupeS ber nationalen Arbeit höchftenS ju ©unften 
ber Verfäufer, mie burch 3ööe unb anbere ähnliche SWaßuahmen, 
roelche biefen geftatten, oom Käufer höhere greife su forbern. 
Aber biefe üftaßnahmen einmal gegeben, läßt ber Staat bie Ver* 
fäufer unb Käufer oöttig frei, ben beftmöglidjen ^JreiS fich S u 
fithern. AnberS beim Verlaufe ber Arbeit. Aicfjt nur baß hier 
bem Verläufer jener ©chup ber nationalen Arbeit gegen aus* 
Iänbiftpe $onlurrenten oerfagt mirb, als lleberbleibfcl einer üöirtb* 
fchaftSorbnung, melcpe bie Rechtsgleichheit nicht lannte, h cr rftht 
noch immer bie Vorstellung, als ob ber Staat einfehreiten müffe, 
um bem Käufer, bem Arbeitgeber, möglichft günftige Vebingungcn 
311 fiebern. 

3 mar hot man in ben lepten fahren nichts mehr baoon ge* 
hört, baß bei Arbeitseinteilungen Solbaten baju lommanbirt 
mürben, bie Arbeit ber Streilenoen 3 U oerrichtcu, — ein ©ingriff 
in bie Vlarltoerpältniffe, mie menn ber Staat aus ben Kriegs* 
magajinen oerfaufte, um ein Steigen ber SBaarenpreife ju binbern. 
früher ift ein folcheS Ablommanbiren beS Cefteren oorgelommen. 
So erfreulich es ift, baß biefe birelte Veeinfluffung beS ArbeitS* 
angebots $u Ungunften beS ArbeitSoerläuferS aufgehört h^h fo 
lebt hoch ber ®eift, oon bem fie ausging, noch fort in ben 9Raß* 
nahmen, bie man neuerbingS als „Sdjup ber ArbeitSmiUigen" 311 
be 3 eicßnen pflegt. 

Run befagt biefer Scßup ber ArbcitSroiHigen allerbingS, eS 
folle ber Arbeiter, ber oom Verlauf feiner Arbeit 3 U leben genöthigt 
fei, gegen anbere Arbeiter, bie ipn barin behinbern rooüten, ge* 
feßüpt roerben. ©r tritt alfo auf gleichfalls als eine ©inmif^ung 
beS Staates gu ©unften ber Verläufer. Allein biefe ©inmifchung 
ift fehr oerfchieben oon ber oben gebachten burch 3 öÖe. ^)iefe 
ßnbet ftatt gegenüber ben Käufern unb lommt allen Verläufern 
ber gebüßten ©aare ohne Ausnahme 3 U gut. £)ier bagegen 
hanbelt es fuh um eine ©inmifchung beftenfalls 311 (fünften "eines 
kbeile# ber Verläufer gegenüber anberen Verläufern; jebenfallS 
aber lommt fie ben Käufern ju gut; unb maS jenen &heil ber 
Verläufer angeht, beren 3ntereffen bie Käufer im s JÄunbe führen, 
fo ift ©ine# 3 U beachten. Söären eS roirflich bie Arbeiter, in beren 
Snterejfe bie ©inmifchung ftattfänbe, fo mürben eS bod) roobl 
auch bie Arbeiter fein, bie banaep oerlangten. Aber baS ift nicht 
ber 5aü. ©S ift oielmepr, als menn bie Öanbmirthe, als fie gegen 
baS Kartell in Thomasmehl proteftirten, gefagt hätten, fie tbäten 
bieS im Ramen oon SBerlen, bie gu einem niebrigeren als bem 
Kartellpreis an fie oertaufen moüten. TaS haben fie felbftoer« 
ftänblicp nid)t gethan, fonft hätte man ße anSgelacpt als ben Auch#, 
ber ben ©nten prebigt. £>icr aber finb es bie Käufer, bie im au-- 
gcblid)ett Jntcreffe ber Verläufer bagegett proteftiren, baß anbere 
Verläufer biefe abhielten, billiger an fie 31 t ocrfaufeit. T*ie# gilt 
felbft oon Voftor oon Vobelfcproingh, beffen Aeußernngeu 311 bem 
gangen gefepgeberifchen Anfturm beit Anlaß gegeben haben follen; 












1283 


Sogiale $raji$. (Eentralblatt für Sogialpolttit. Ar. 49. 


12s4 


beim aud) er oerlangte erhöhten Schuß ber Arbeitswilligen, weil 
in golge eines AuSftanbS ein .^auS, baS er baute, meßt fertig 
geworben war. Unb je feßroffer bic Arbeitgeber ben Begebungen 
ber Arbeiter, bei geftfeßung beS ^reifes ißrer Arbeit ein ÜBort 
mitgureben, entgegenfteßen, befto ungeftümer nerlangen fie ben S<ßuß 
<ber Arbeitswidigen. Unb ba glauben wirklich Biele, eS banble 
ließ um eine (Einmifcßung bes Staats nid)t im gntereffe ber Käufer 
ber Arbeit, fonbern tn bent ißrer SScrfäufer! 

Allein nun mirb baS Käuferintereffe fentimental unb oerweift 
auf bic Arbeiterfrauen, bie bei einem ArbeitSftidftanb ber Männer 
erbittert über bie Arbciterorganifationen flagteit. Unb gewiß, roer 
einmal bie großen (Entbehrungen, welche Arbeitseinteilung mie 
AuSfperrung für eine Arbeiterfamilie bebeuten, in ber Aäße ge* 
feßen f)at, ber hat bas innigfte BHtgefühl für bie Arbeiterfrauen 
gang ebeitfo mie bann, raenn ißre Bfänner in ben Ärieg gieren. 
Adcin mer biefes s Bef) in erfter fiinie mitempfinbet, finb bic 
Bfänner felbft; unb gerabe barin, baß ein jeber ArbeitSftiflftanb 
ißnen felbft bie größten (Entbehrungen auferlegt unb gleichzeitig 
bie Klagen berjenigen bringt, bie ihrem §ergen am näthften flehen, 
liegt eine (Garantie gegen bic leichtfinnige Herbeiführung non Ar* 
beitsftinftäuben. darauf ermibert man freilich, es feien lebiglich 
bie Rührer, welche bie Arbeiter gum BJiberftano reigten. Airgenbs 
aber oermögett bie* güßrer weniger als gerabe bei ber Herbei* 
führung non ArbeitSftillftänben. Beoor es gu einer ArbeitS* 
eitiftedung fommt, finb fie regelmäßig ber utoberirenbe unb ge* 
frfjobene 2:heil; ift ein ArbeitSftidftanb ausgebrochen, fo entwickeln 
fie aderbiitgs bie äußerfte (Energie, um ihn gu einem fiegreidjen 
(Enbe gu führen, unb es ift bies nur ihre Bflid)t; wie oft aber 
geht man fie auch &a gur Annahme oon gricbeitSbebingungen 
rathen, welche bie erbitterten AuSftänbigen hartnäefig angunehmen 
oerweigern! (Es märe in ber £böl 3eit, bah ftatt ber bequemen 
Borfteuung, ArbeitSftiUftänbe feien lebiglich baS Bkrf ftrebernber 
ober reoolutionärer gießrer, eine ben £ßatfaißen mehr entfprechenbe 
W griffe. 1 ) 

(Es mürbe inbeß eine Bcrfennung ber SBaßrbeit in ber um* 
gelehrten Stiftung fein, wollte man leugnen, baß es allgeit Ar* 
beiter giebt, bie bei ArbeitSftillftänben bereit finb, an Stelle ber 
geiernben gu treten. (Es finb bicS einmal folche, welche, jeben 
©enteingefühls für bie gnterejfen unb (Ehre ihres StanbeS bar, 
lebiglich ißren momentanen perfönlichen Bortßeil oerfolgen; cS finb 
baS gmeitenS folche, bei benen bie Aotl) bes Augenblicks fo groß 
ift, baß fie ihr ihre bauernbeit gntereffen gu opfern genötigt finb; 
es finb baS enblicß fretnbe, oon auswärts ßerangegogene Arbeiter, 
bie oon beu Arbeitgebern ohne $cnntniß, baß fie AuSftänbige er* 
feßen foden, ßerbeigegogen werben. $ein 3weifel, baß fie ben An* 
fprud) hoben, baß ber Staat fie feßüßt, wenn fie arbeiten wollen. 
Aber nicht geringer ift ber Anfprud) beteiligen, bie ihr gntereffe 
nur burd) Borenthaltung ber Arbeit gu wahren oermögen, baß ber 
Staat aud) ihrem gntereffe nnparteiifcß gegeiuiberftehe. $cin 
3tocifcl alfo, baß ber Staat ftreng cinfcfjretten muß, wo bie 
geiernben bie Arbeitswilligen burd) förpcrlicßcn 3wang ober An* 
brohung irgenb welcher H an ^ un (5 en / beren Vornahme fie nad) 
gemeinem SRed)te nicht berechtigt finb, oon ber Arbeit abgnhalten 
fudhen. Seicht geringer aber ift ber Anfprud) ber geiernben, baß 
fie alle nad) gemeinem Aecßte oon ben übrigen ©efedfcßaftsflaffen 
ftraflos angewandten Mittel, um ben ©ideit Anberer gu be* 
einfluffen, gleichfalls anwenben bürfen, unb baß fie, wo fie einer 
©efeßesoerleßung fid) fdjulbig machen, nicht harter als bie An* 
gehörigen ber übrigen ©efellfcßaftsflafien beitraft werben, gits* 
ßefonberc fönnen bie Verläufer ber Arbeit ben Anfprucß erheben, 
baß fie bie analogen Mittel gur 3>nrd)feßung ber oon ihnen ge* 
ftedten ArbeitSbebutgungen anwenben bürfen, beren fieß gu bem 
umgekehrten 3wecf bie Käufer ber Arbeit bebienen. ©erabe biefe 
elementarften AecßtSgrunbfäße aber finb es, welche ber „Sd)nß ber 
Arbeitswilligen" oerleßt. 

£a begegnet uns bie erfte juriftifche Anomalie in bem $. 152 


*) 3Ran oerglcidje bagegen bie amtlichen 3eugniffc ber ©enierhe* 
räthe über bie SBirfuug ber Arbeitcrorganifatiouen für fricbliche Aus* 
tragung oon Arbeitsgmiftigfeitcn. So lange freilid) in beu obevften 
poligeificßen gußangen bie Auffaffiutg gepflegt wirb, bie Streifs würben 
lebiglid) non fogialbcmofratifdien (»cwcrfoerctncn infeenirt, fönnen Bor* 
fonunniffe, wie bas folgenbe, nicht SBunber nehmen: gu einem aus 
Anlaß eines AZaurerftreifs in Bcipgig 1897 geführten ißrogrfjc beftätigte 
ber als geuge geladene Cberwadjtmeiiter, baß bie Leiter bes Streifs 
faß in jeber Brrjammlung oor Ausidjveitungcu unb Vergehen gegen 
Arbeitswillige gewarnt haben. (5r, ^euge, habe aber biefe SBaruungcn 
nie miß genommen! s l?gl. Regien, bas ttoalitionSredjt ber beutfehen 
Arbeiter in 3ljcoric unb S ßraris. Hamburg 1899. 3. 208 . 


Abfaß 2 ber ^eutfdjen ©ewerbeorbnung. ©äßreiib fonft Verträge 
flagbar finb, wirb h^i' beftimmt, baß jebent Xhcilnehmer an 
$reis* unb ßohnoerabrebungeit ber Arbeitgeber unb Arbeiter ber 
Stücftritt ooit folchcn Bereinigungen ober Bcrabrebuugen frei fleht 
unb aus leßteren weber Silage noch ©iitrcbe ftattfinbet. SSäßrenb 
baS SReichSgcricht in einer (Eitifcheibung oom 5. guli 1890 erflärt 
hat, baß Kartelle ber ^robugenten im ©egenfaß gu ben SRingen 
ber Spefulantcn feiucswegS an fieß redjtswibrig feien, enthält 
biefer §. 152 Abfaß 2 nadj wie oor eine Aufforberung gutn Abfall 
oon oertragSmäßig übernommenen Berpflicßtungen. ßnb felbft 
biefe Ungleichheit erfdjeint Bielen uoeß iticßt genug. SBäßrenb es 
ben Berbänbcn ber Arbeitgeber unbenommen bleibt, fid) foiüoßl 
gegen ben Berfauf gu niebrigeren greifen an ißre Ruitben als 
aud) gegen bie Begaßlung ßöh crer ßößnc an ißre Arbeiter burd) 
Äonoentionalftrafcn gu fießern unb biefe Strafen bureß H inters 
leguitg oon Söertßpapieren ober Bkcßfelit eingutreiben, werben bie 
Arbeiierfoalitionen oon ber ^enffeßrift über AuSfdjreituugen bei 
ArbeitSfämpfen als im ßöchftcn ’Qliaße tprannifcß benungirt, wenn 
fie ftreifenben Arbeitern Unterftiißungen in ber gönn oon Darlehen 
gewähren, bic nur bann gurüefgeforbert werben, wenn jene Arbeiter 
gu Streifbrecßern werben. 

Aber weiter! Sin bürgerlichen £eben benft man wegwerfenb 
oon bem, ber aus egoiftifeßen Biotioen bic gntereffen feiner Äanteraben 
opfert. 2öir Imbcn oon oben ß ci:a ^ bureß ©efeß gnnungen ber 
anbwerfer ins Seben gerufen, beren befonbere Aufgabe es ift, 
tanbcSintereffen unb StanbeSeßre gegenüber ben Sonberintereffen 
©ingelner gu wahren, unb ißneit fogar bie Blöglicßfeit gegeben, 
eine egoiftifeße BUnberßeit gum Beitritt gu gwittgen. 2Sir machen 
©efeße gur befferen SBaßrung ber StanbeSeßre unb Stanbesinter* 
effen beftintmter Berufe, wie ber Aergte. gn ber Anitee gilt SRücf* 
fteßt auf StanbeSeßre unb StanbeSintereffen als fo oiel ßößer 
fteßenb als bie gntereffen beS ©ingclnen, baß fogar ber ben Ab* 
feßieb nehmen muß, ber bem fird)licßen unb ftaatlicßen 3)uelloerbot 
meßr als ißnen geßoreßt. Aus attem bem geßt ßeroor, baß rotr 
in allen übrigen ©efellfcßaftsHaffen baS ©emeingefußl nießt nur 
fittlicß ßößer fteHen als bie Berfolgung oon Sonberintereffen, 
fonbern baß wir biefem ftttlicßen Urtßetl fogar ftaatlicßen fR ad)* 
bruef oerleißen. SBarum benn ein anberer SRaßftab, wenn bxe 
Arbeiter eben bem ©rnnbfaß „(Einer für Alle, Alle für ©inen" 
ßulbigen? 

ilnfer Strafgefeßbucß femtt feine Strafbeftimmungen, wenn 
einem Anberen mit einer H an ^^ un 9 °^ cr Untcrlaffung gebroßt 
wirb, gu ber ber ®roßeitbe berechtigt ift; wie H e i neinann be* 
rießtet, 2 ) würbe aber ber Berfafier eines Streifflugblattes, worin 
eS ßeißt: „Bis jeßt ift eS ben Unternehmern nießt gelungen, aus* 
wärtige ÄoHegett ßerangugießen; baß es aud) in 3 ll f un ft nießt ge* 
feßießt, baS wirb unfere Sorge fein", wegen Bebroßung gu 
14 iagen ©efängniß oerurtßcilt; ja, fiinbigt ein Streifer einem 
Streikbrecher aueß nur greunbfcßaft unb Umgang, fo kann er naeß 
bem geltenben §. 153 wegen ^Droßung beftraft werben. 

Unfer Strafgefeßbucß kennt feine Strafen wegen ©ßroerleßung; 
als aber ein Streifer einem Streikbrecher Jagte, „eS fei nießt ßübfcß, 
alten Bodegen in ben Aücfen gu faden", würbe ber oödig unbe« 
fcßoltene Bfaitn wegen ©ßroerleßung gu einem Bfonat ©efängniß oer* 
urtßeilt; 8 ) ja, wenn er ißn bloß Streikbrecher genannt ßätte, ßätte er 
wegen Beleibigung unb ©hrocrleßung mit ©efängniß bis gu brei 
Bfonaten beftraft werben fönnen, 4 ) obwoßl naeß ber Auffaffung 
ber Begrünbung gur fogenannten 3treif* 

breeßer als ^erfon, „beren perfönlicße gntereffen mit ben Staats* 
intereffen gufammenfaden", als etwas ©hrenwertßes gelten müßte. 

Unfer Strafgefeßbucß kennt ferner feine Strafe wegen Ber* 
rufSerflärung; als bagegen wäßrenb beS Streifs ber Breslauer 
Bauarbeiter im gaßre 1896 in ber „BolfSwacßt" folgenbe Be* 
fanntmaeßung erfeßien: ,,^)ic Sfommiffion für Bauarbeiter giebt 
hiermit befannt, baß folgenbe Arbeiter auf folgenben Bauten in 
Befd)äftigung fteßen": (nun folgten bic SRamen ber Bauten unb 
Arbeiter), würbe ber Borfißcnbe ber Äommiffion wegen BcrrufS* 
erflärung gemäß §. 153 ber ©ewerbeorbnung gu gwei Bfonaten 


,J ) „Aation" Ar. 23 oom 4. 9Rärg 1899. (Ein anberer ebenba be* 
rid)tcter 5yaH: gn einer 2öcrfftattoerfammlung wirb beratßen, ob man 
ftreifen mode. 3mei Arbeiter erklären ficß bagegen unb ocrlafiett ben 
Saal. (Ein Streifenber ruft ihnen naeß: „Seßt (Eucß bie Kollegen an! - 
Xicfc Drohung mußte er mit einer ©efängnißftrafc ooit einem SWonat 
büßen. 

3 ) Bgl. „Aation" Ar. 24. oom 11. Aiärg 1899. 

4 ) Bgl. .*deincmami a. a. £.: „Xer bloße AuSbrucf „Streifbredier" 
wirb regelmäßig mit N ü?od)cn langen ^reiheitSftrafen geahnbet." ligl. 
and) 2egieu, a. a. £. 3. 199, 2«»1, 214 u. ff. 



1285 


Sogt alt ©entralblatt für Sogtalpolitif. 9fr. 49. 


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unb ber Vebafteur Des Blattes wegen Vergehens gegen baS Vrch* 
gefefc gu 14 Sagen ©efängnih oerurtheilt. ®) ßeinemann berichtet 
gar folgenben 3aE: 5 6 ) „3n einer StelImather*Verfammlung wirb 
mitgetheilt, bah in einer näher begegneten gabrif Streit aus* 
gebrochen fei. 3 u 0i c i^ mürben bie tarnen unb fBohnungen oon 
fed)S Arbeitern befannt gegeben, welche bei einem früheren Stell* 
macherftreif gu Streifbredjern geworben feien. Ser Staatsanwalt 
beantragte hierfür brei ÜKonat ©efängnih- 3meifelIoS mühte mit 
jener Befanntmachung ber fechs Verfonen, welche im oorigen 
Satire trofc beS Streifs weiter gearbeitet hoben, ein 3mecf oerfolgt 
worben fein. Siefer fei aber offenbar gewefen, bureb Veröffent* 
lid)ung ber tarnen jener früheren fogenannten Streifbrecher ben* 
jenigen Arbeitern, bie bei bem jefct ausgebrochenen Streif weiter 
arbeiten wollten, gu Drohen, bah auch ihnen baS Schicffal ber Ser* 
öffentlichung ihrer Stauten blühen würbe. SaS ©ericht fd)Ioh fufj 
biefen Ausfuhrungen an unb erfannte auf eine SSoche ©efängnih." 

Allein nicht nur, bah bie geltenbe ©efefcgebung §anblungen, 
welche, oon Anberen begangen, ftrafloS ftnb, wenn oon Arbeitern 
gelegentlich einer Arbeitseinteilung ober AuSfperrung oerübt, ftrafbar 
macht, es finben fich auch Urtheile, bie felbft nach biefen ©efefeen 
jnriftifch unoerftänblicf) bleiben. 7 ) Vor AHem aber erfefjeint eS als 
eine grofce Ungleichheit, bah wirfliche Vergehen unb Verbrechen, 
wenn oon Anberen gelegentlich Der SSahrnehmung berechtigter Snter* 
effen begangen, milber beurtheilt werben, bagegen es als ein er* 
fchwerenber Umftanb gilt, wenn fte oon Arbeitern im Stampf um 
beffere ArbeitSbebingungen oerübt werben. Sftad) §.153 ber ©ewerbe* 
orbnung follen, foweit nicht fefjon nach bem allgemeinen Strafgefeb 
eine härtere Strafe eintritt, bie Anwenbung förperlichen 3mangS, oon 
Srohungen, ©hroerlefcung unb VerrufSerflärungen unter AuSfchluh 
ber ©elbftrafe, mit ©efängnih bis gu brei Vtonaten beftraft werben, 
wo fie in Verbinbung mit Verabrebungen gur ©rlanaung günftiger 
ßohn* unb ArbeitSbeoingungen oorfommen. 2Bie oer Vorfifcenbe 
bes ©erichtS in St. §ohann*8aarbrücfen bei einer Urteils* 
oerfünbigung äußerte, 8 ) gilt es nämlich als „ungehörig, Semanben 
gn bewegen, einem Vereine beigutreten, ber für Streifs :c. wirfe; 
auch weil biefe Vereine ben 3mecf hätten, eS jebem Vteiftcr gur 
Unmöglichfeit gu machen, Arbeit gu übernehmen. Ser ©efefcgeber 
wolle, bah in allen biefen ^fällen ©efängnih ftatt ©elbftrafe ein* 
trete". So hot bie Ungleichheit beS Rechtes benn felbft bie weitere 
Auslegung ber ©efefce oerfchulbet, ber jene Urteile gu banfen ftnb, 
welche ber Abgeorbnete ßieber im Reichstag als „himmelfchreienb" 
begeichnet h°t. 

Am ungerechteften aber ift bie ungleiche Vehanblung oon 
ArbeitSoerfäufer unb ArbeitSfäufer beim Stampf um bie Regelung 
bes Arbeitsangebots mit £>ülfe oon an ftch unanfechtbaren 
Mitteln. Sch meine bie Haltung oon Vol^ei, 9tedjtfpred)ung unb 
ncnerbingS ©efefcgebung gegenüber bem Sßoftenftehen. Bei einer 
Arbeitseinteilung ober AuSfperrung fucht bie eine Partei ber 


5 ) Vgl. Seaten, a. a. D. 8. 198, ogl. audh ebenbafelbft, S. 200, 
ben ftaH beS ©laferS 9ft. in flauen. 

6 ) „Aation" oom 4. 3Jtärg 1899, @. 880. 

7 ) So berichtet g. V. Regien S. 218: „SBäbrenb ber 1898er Sohn* 

Bewegung tu ^otfchappel Bei Bresben, rebete ber ftreifenbe, 22 S«h re 
alte VorgeQanmalcr V. auf bie SKutter beS ftch am Streif nicht Be* 
tbeiligenben VorgeHanntalerS {>. ein, bah fr ebenfalls „mitmache", unb 
Bemerfte bann fcfjliehli<h : fann ruhig arbeiten, er thut uns feinen 

Sdjaben; aber wenn wir je^t toieber arbeiten, bie, bie jefct ftfccn, 
fliegen bann ’rauS; bie werben ’rauSgefchmiffen. ©Brr fangen wir 
nicht an, als bis bie ’rauS ftnb". SaS Schöffengericht in $öl)lett oer* 
urtheüte V. gu einem HRonat ©efängnih- Sie UrtbeilSbegrünbung 
lautet: „Vei Vemeffung ber Strafe ift ftrafminbernb Die xtogenb unb 
bisherige Unbeftraftheit beS Attgeflagten, fowie bie ©rfolglofigfeit feiner 
Ventühungen, ftraffchärfenb bagegen berücffichtigt worben, bah fm 
gehen, wie baS beS Angeflagten, geeignet ift, bem in grage ftehenben 
Arbeitgeber — im oorliegenben §alle alfo bem 3 eu 0 en — fdjwere 
gefchäftlidje Aachtheile gngufügen, unb bah e$ weiterhin fehr leidjt bagu 
führen fann, bie allgemeinen öffentlichen Snterefien burch Störung oon 
Snbufirie, &anbel unb Verfehr gu fdjäbigen. ©S erfchien Daher ein 
A?onat ©efängniß als attgemeffene Ahnbung." SaS Canbgeri^t in 
SreSben betätigte baS llrtheil. Dber auf S. 215: SSährenb beS 
Streifs in ber Dfenfabrif Saxonia in Leihen (1897/98) arbeitete ber 
Töpfer 2£., 55 S«hre alt; in ber Sajottia als Aöhrcnntacher unb war 
fomit am Streif nicht beteiligt. Sein Vergehen beftanb barin, bah er / 
als er eines 2ageS oon Arbeit fam, einem ihm befannten Arbeiter, ber 
in ber Saxonia währenb beS Streifs fchtteH bie Töpferei erlernen 
wollte, traf unb folgenberntohen anrebete: „2)u wirft Doch nicht in 
deinen alten Sagen Me Dummheit begehen unb SÖpfer lernen, guntal 
jeM in ber Sajonia, wo geftreift wirb unb £>u nicht ftcher bift, ob fte 
Sir eins auSwifchen." Siefer STOantt würbe gu fünf SJfonat ©efängnih 
oerurtheilt. 

8 ) Vgl. Regien a. a. C. S. 200. 


anberen ihre VertragSbebingungen aufgunöthigeit. S)cr ©rfolg 
ber ArbeitSoerfäufer hängt baoon ab, bah bie ArbeitSfäufer feine 
Arbeit gu anberen als ben Vebittgunaen ber Arbeiter finben; ber ber 
ArbeitSfäufer, bah bie ftreifenben Arbeiter baburd), bah fte nir* 
genbSmo attberS angenommen werben, gur Unterwerfung genötigt, 
eoentucl! bah ihr Angebot burch baS anberer Arbeiter erfefct werbe. 
Sie ArbeitSfäufer h fl ben eS leicht, ben erften 3mecf gu erreichen. 
3hre tarnen ftnb befannt. ©S ift baher für fie leidet, miteinanber 
in Verbinbuttg gu treten. SJJittelS bes SelephonS unb V r O s 
ffriptionSliften, welche bie tarnen ber ftreifenben ober auSgefperrten 
Arbeiter enthalten, oerhinbern fte, bah biefe anberSwo befdjäftigt 
werben. Um ben gweiten 3mecf gu erreichen, fuchen fte ftch Arbeiter 
meift oon anberen Drten gu oerfchaffen. Oft wirb bas gange 
ßanb nach Arbeitern burchfud)t unb bie burch Veoingungen, beren 
©unft ober Ungunft fte nicht ju beurtheilen oermögen, ©ewonnenen 
werben auf Soften ber Arbeitgeber h c ^ e i9^f<h Q fft/ um an Stelle 
ber geiernben in Arbeit ju treten. @S fommt fogar oor, bah 
auSlänbifche Arbeiter gu biefem 3mecfe fjerangegogen werben. Vei 
ben ArbeitSoerfäufem bagegen hängt ber ©rfolg lebiglich a & 00n 
ber ©üte ihrer SDrganifatton. SSo fte gut organifirt ftnb unb bie 
Drganifation bie grofje Vfehrheit ber Arbeiter eines VerufS in 
einem ßanbe umfaht, ba ift allen Arbeitern befannt, wo ein ArbeitS* 
fampf ftattfinbet unb es ift felbftoerftänblich, bah ba bie ArbeitS* 
fäufer feine Arbeiter gum ©rfafc ber Seiernben finben; ber ©rfolg 
hängt hier lebiglich ab oon ber ©röfje ber oon ben Arbeitern an* 
gefantmelten Vfittel. Saher benn bie beftorganiftrten englifchen 
©ewerfoereine baS ^ßoftcnflehcit faum mehr für nötljig erachten. 
2Bo bie Drganifation ber Arbeiter noch mangelhaft ift unb nament* 

. lieh bei allen ungelernten Verrichtungen, bei Denen jeher Arbeiter 
ben anberen erften fann, hoben bie geiernben fein anberes Mittel, 
um anbere Arbeiter oon einem ArbeitSfampf gu oerftänbigen, als 
baS ^oftenftehen unb bie Vreffe. 

Veim Voftenftehen werben Arbeiter in bie 9?ähe ber gefperrten 
ArbeitSftcllen ober auch auf Bahnhöfen aufgefteUt, um biejenigeu 
angureben, welche bem Sftufe ber Arbeitgeber Solge Ieiftcn, ohne 
oon bem ArbeitSfampfe gu wiffen. 3>ie Arbeiter hoben als Siegel 
nidjt ben V^unfch, ihre ©enoffen gu unterbieten, hätten fie oon 
bem ArbeitSfampfe gemuht, fo wären bie Vteiften gu §auS ge* 
blieben. ©S ift nun Aufgabe ber V°ftat, bie 3umanberttben oon 
bem ftattfinbenben ArbeitSfampf gu unterrichten, ihnen bie Ve* 
fchmerbeit, um bie eS ftch honbelt, mitgutheüen, fie gur Untfehr gu 
Überreben unb ihnen baS gur |>eimfehr nötige 9teifegelb gu be- 
gahlen. 3n att’ bem fann, fofern feinerlei ©ewalt gur Anmenbung 
fommt, etwas Unberechtigtes nicht erblicft werben, ferner er* 
möglicht biefeS Voftcnftchen gu fonftatiren, ob fein Arbeiter, ber 
Streifunterftüfcung erhält, nicht gleichgeitig auch Sohn oom Arbeit* 
geber, inbem er, ber Vereinbarung untreu, für biefen arbeitet, 
erhalte. ©nblich werben bie geiernben in Stanb gefefct, fich 
baoon ju übergeugen, ob bie Arbeitgeber Arbeiter erhalten, welches 
Daher Der oorauSfichtliche ©rfolg fein wirb unb ob es Demnach 
angegeigt ift, Sfrieben gu fliehen ober nicht. §anb in §anb mit 
biefem ^Softcnfte^en gehen SÄittheilungen in ber ^refie, wie: 
Dort unb Dort ftnbet Arbeitseinteilung ftatt, oerbunben mit ber 
Aufforberung, 3 u gug abguhalten. 

2)ie englifche ©efefcgebung oon 1875 hot bie ooUe Stonfequeng 
ber mobernen Auffaffung Des ArbeitSoerhältniffcS gegogen, inbem 
fte baS Berechtigte biefeS Vorgehens ber Arbeiter ausbrüeflith an* 
erfannt hot. S)er lefete Abfap ber Älaufel 7 Des VerfchmörungS* 
gefefeeS oom 13. Auguft 1875 nimmt baS Voftenftehen, lebiglich 
gu bem 3medf, Nachricht eingugiehett ober gu geben, oon allen 
Strafen aus, mit Denen ©ewaltthaten gegen Arbeitswillige ober 
©infdjüchterung berfelben bebroht finb. S)ie h^orraaenbftcn 
Arbeiterführer hoben feitbem wieberholt erflärt, bah bit Arbeiter 
Damit AKeS erlangt hätten, worum fie fo lange geftritten; unb 
bei biefer 3ufriebenheit würbe eS geblieben fein, hätten nicht einige 
dichter feitbem bem ©efefce oon 1875 eine Auslegung gegeben, 
welche einen £heil 5er alten Befchmerben aufs 9?eue ermeeft hot. 
Vor ber Royal Commission on Labour hoben einige ©ewerf- 
oereinSoertreter Daher um eine neue gefefcliche Snterpretation Des 
SBorteS „©infchüchterung" gebeten, wonach nur folche VJorte als 
Drohungen im gefehlichen Sinne gelten follen, bie einem oerniinf* 
tigen S3fenf<f)en furcht gu erweaen im Stanbe feien, währenb 
Anbere weiter gingen unb folgeube f>anblungcn Der Arbeitgeber 
oerboten gu fehen wünfehten: ^ßroffriptionSliflen, AuSweifung ans 
ben Arbeiterwohnungen ohne oorgängige Dreimonatliche Äüitbigung, 
©ntlaffung ohne Angabe eines auSreid)enbeu ©ruubeS unb beis 
Anwerbeit oon Arbeitern währenb eines Streifs, ohne bag biefe 
gleichgeitig oon biefem unterrichtet würben. 



1287 


Soziale $röji*. Ecntralblatt für SogtalpoliiH. Sta. 49. 


1288 


3n $)eutfcßlanb bagegen haben mir nocf) nießt einmal bag eng* 
Iifcf>e ©efeß non 1875 erreießt. Eg erfeßeint noeß alg milbe, wenn in 
©örliß ein Maurer, weil er bie ©orte brauste: „College, i<ß 
niacße Sie barauf anfmerffam, baß bie ©aurer hier fireifett," 
„Mob" Su eine ©elbftrafe oerurtßeilt tourbe. 9 ) Sricßt nur baß bie 
Boligei, felbft ba, wo nur ein Boften auf ber Straße beobaeßtenb 
auf« unb abmanbelt ober ein paar Arbeiter fid^ auf einer Banf 
nor einem Baßnßof nieberfeßen, biefe megeit Störung beg öffent¬ 
lichen Berfeßrg wegweift, in Ermangelung anberer Strafpara* 
grapsen hat man ben groben Unfuggparagrapßen nußbar gemacht, 
um Streifpoften gu empfinblicßen Strafen gu oerurtßeilen. 10 ) 3a, 
man hat fogar einfaeße Befanntmacßungen in ber Breffe, „3ugug 
abßalten", alg gjoben Unfug beftraft. 11 ) Unb bamit nießt genug. 
3)er §. 4 ber Vorlage „gum Scßuß beg gewerblichen Arbeitgoer* 
fjältniffeg" bebenft „bie planmäßige Uebertoadjung non Arbeitgebern, 
Arbeitnehmern, Arbeitgftätten, ©egen, Straßen, s $läpen, Baßnßöfen, 
©afferftraßen, £afen* ober fonftigen Berfeßrganlagen" mit ©e* 
fängttiß big gu einem Saßte, milbernbeu Umftänben mit (Mb* 
ftrate big gu eintaufenb ©arf. Unb nimmt man bie $!enffcßrift 
über bie Augfchreitungen bei Arbeitgfämpfen (S. 49) gur §anb, 
fo erfeßeint eg fogar fraglich, ob banaeß bag bloße ©iethen einer 
©oßnung gegenüber bem Xßoreingang einer oon einem Streife 
betroffenen gabrif, um ben 3ugang S u bcrfelben fontroliren gu 
föttnen, troß beg § 4 Abfaß 3, weldjer ^anblungen, gu benen ber 
Später berechtigt ift, oon Strafe augniinint, nicht auch mit ©e- 
fängniß big gu einem gnßre bebroßt ift. 

©ährenb aber bie Begrünbung ber Vorlage gum Scßuß beg 
gewerblichen Arbeitgoerßältniffeg (S. 13) bag Streüpoftenfteßen 
unb überhaupt eine Uebertoadjung, «auch bann, wenn bie ^often* 
ftehenben fieß ber Drohungen, Ehroerleßungen ober Sthätlic^feiten 
gegen Arbeitgwillige enthalten," für ein unguläffigeg Kampfmittel, 
unb ber §. 4 eg bemgemäß für ftrafbar erflärt, heißt eg auf S. 15 
ber Begriinbung, baß eg ben Arbeitgebern nicht oerwehrt werben 
föittte, „baß fie fieß über bie Aicßtbefcßäftigung gewiffer Arbeiter 
unter einanber oerftänbigen unb fi<h gegenjeitig Bergeicßuiffe ber* 
jenigcit ^erfoiten mitttjcilen, bie fie in ihre betriebe nießi aufnehmen 
wollen/' ©oßl noch niemalg, feit mit Abfchaffung ber £>örigfeit 
alle Staatgbürger als gleich oor bem Rechte erflärt worben ftnb, 
ift bie Ungleichheit beg Stecßteg in ähnlicher ©eife als ^ßringip 
ßingeftedt worben. 2>en Arbeitgoerfäufern wirb eg unterlagt, gunt 
3wecf ber Regelung beg Arbeitgangebotg frieblich mit einanber in 
Berbinbuttg gn treten; ihrem ©eguer im Breisfatnpf bagegen, ben 
Arbeitsfäufern, wirb bag erlaubt, wag ihnen oerboten wirb: bie 
Regelung beg Angebotg ber ©aare, welche bie Arbeiter oerfaufen, 
foH fortan nur mehr ben Arbeitgebern überlaffen fein! Unb ad’ 
bag gar noch nicht etwa im 3ntereffe ber Arbeitgeber, nein, in 
betn ber Arbeiter felbft!" 

®a läßt fieß beim begreifen, baß bie ©ünfeße ber Arbeitgeber 
feitbem noch gewaeßfen fitib. Seit einiger 3 e ^ fittb an ben oer* 
feßiebenften £)rteu ^eutfcßlanbs Arbeitgnacßweife entftanben, bie 
über ben Parteien fteßenb, Angebot unb Nachfrage auf bem Arbeitg* 
marft „paritätifch" in oielfadj oorgüglidjer ©eife oermitteln. Bon 
bem allgemeinen £obe, wcltheg biefen Einrichtungen gu 9<> 
worben ift, feßließen bie organifirten Arbeitgeber fid) aug. 3h r 
3beal finb bie Free Labour Orgaoisations, welche bie organifirten 
citglifdjen Arbeitgeber neuerbingg iug £eben gu rufen gefudjt haben, 
um bie Siegelung beg Arbeitgangebotg auSfcßließlicß in bie «jpanb 
gu befoinmen. Sie follen bagu bienen, im galle oon Arbeitg* 
ftreitigfeiten jebergeit „Arbeitgwillige" gur Verfügung gu ftetten. 
2>iefe' „freien" Arbeitsorganisationen haben mit ber Freiheit ber 
Arbeit fo wenig gu thun wie nnfere 3udjthangoorlage. ©eher 
baß ihre Leitung in ben .^änben ber „freien" Arbeiter felbft liegt, 
noch audj baß fie im Sntereffe ber Arbeiter beftehen. Sie finb in 
jeber Begießung Crganifationen ihrer (Gegner im s ^reigfampf. 
Allein nach ben Beftimmungen beg §. 4 ber fog. 3 l, d)tbauSoorlage 
wäre es fonfeguent, audj biefen ©unfdj nuferer organifirten Arbeit* 
geber gu erfüllen unb, unter Unterbriicfung ber paritätifcßeti Arbeitg* 
uachmeife, in 3 l, funft Icbiglidj Arbeitgnachweife in .jpänbeit ber 
Arbeitgeber gu bulbeu. Eg wäre bieg eben nur ein weiterer Scßritt 
in jener Bolitif ber formalen Aufredjterßaltung beg KoalitionSrecßtg 
unter gleichseitiger Unmöglichmachung feiueg ©ebraueßs bureß anbere 
(heieße. Eg wäre bie Krönung jener Auslieferung ber Siegelung 
bes Arbeitsangebots an bie Scachfrage nach ' Arbeit, welcßc bie 


'•') Regien a. a. D. 2. 211. 
w ) 3?gl. hegten S. S3 ff. 
n j Regien 2. 99 ff. 


3ucßthaugoorlage unter bem tarnen beg Scßußeg ber Arbeigwilligcu 
tßatfäcßtich bebeutet. 

©elcßcm anberen SSerfäufer ßötte man je gugemutßet, bag An* 
gebot feiner ©aare oom Käufer regeln gu laffen! 

TOncßen. ßujo Brentano. 


Mgemdiu Sojlal- ttttli ÄirttjfdJaftspolitib. 


Sit Sogialpolitil auf ber E5eneraltierfammlung ber Katßoftfett 
2)entfcßlanbg. 

Auf ber ©eneraloerfammlung ber Katßolifen ©eutfcßlanbg, bie 
Enbe oorigen SJlouatg in Sleiffe abgeßalten würbe, ftanb bie 
Sogialpolittf im Borbergrunb. 9Kan beftßäftigtc fteß fowoßl mit 
ber Agrarfrage, wie mit ber grauenfrage unb oor Adern mit ber 
Arbeiterbewegung. Begüglicß ber leßteren erneuerte man bie 
früheren Befcßlüffe, überall fatholifcße Arbeiteroereine gu grünben 
unb bie cßriftlicßen ©ewerffeßaften gn förbem, bie wieber eine (5r* 
gängung ber fonfeffioneden Arbeiteroereine fein follen. Begeicßnenber 
©eife begann bie ©eneraloerfammlung mit einem Steftgug ber Ber* 
treter ber fatßolifcßen Arbeiteroereine mit ihren Bannern unb mit 
einer Arbeiter*3efioerfammlung, in ber SteicßgtagSabgeorbnctcr 
Dr. ®ide*Berlin bem engften 3ufömmenf<hluß ber latholifcßen 
Arbeiter bag ©ort rebete. Ueber 300(300 fatholifcße Arbeiter feien 
feßon organifirt, aber bag fei noeß wenig gegenüber ben runb 
5 700 000 nid)t in Arbeiteroereinen organiftrten fatßolifdjen Arbeitern 
unb gegenüber ben fogialbemofratifdjeit ©affen. S)em fogial* 
bemofratifeßen ©oliatß müßten bie fatßolifcßen Arbeiteroereine alg 
jugenbfräftiger ^)aoib gegenübertreten, ^iefeg Bilb erweiterte ein 
anberer Sfebner, P. Auracßer, baßitt: „3h^ follt ber 3)aoib fein 
gegen beit fogialbemofratifcßen ©oliatß, unb ber Kiefelftcin, mir 
bem ißr ißn nicberfeßmettert, fei euere Drganifation. liefen Kiefel* 
fteiit müßt ißr ßeraugneßmen aug bem flaren Bacß ber cßriftlicßen 
Dffenbarung." 

©ie ein ßeitmotio ging bureß bie gefatnmtcn Berßanblungen 
ber Apped an bie Katßolifen, auf fogialem ©ebiete ißre ^fließt gu 
betätigen: bureß görberung unb Aufdjluß an bie fogialpoluifdgen 
fatßolifcßen Bereine unb Berbänbe, bureß bag Stubiutn ber fogialen 
fragen, bureß fogialpolitifcße Kurfe unb S)igfutirflubg, bureß Bor* 
träge zc. Ein Bebiter proflamirte bie fogiale ©itarbeit aueß als 
eine patriotifeße unb nationale ^fließt, benn nur bann föntte bas 
Baterlanb geheißen, wenn ißm nießt nur ber religiöfe, fonbern aud] 
ber fogiale griebe erßaltcn bleibe. Unb wer fieß gu ber Erfenntitiß 
bureßgerungen ßabe, baß eine praftifeße Sogialpolitif bie Bor* 
bebingung ift für jeben nationalen unb inbuftrieden Sortfcßritt, 
ber werbe nießt raifonniren über fleine Unbeguemlidjfciteu bei 
fogialen ©efeßgebung, über bag ©arfenfleben, über gewiffc Arbeiter* 
fcßußoorfcßriften 2 c. ,,©enn ber oierte Stanb fieß nießt mit uns 
organifirt, fo wirb er fteß organifiren gegen ung," rief biefer 
Bebner aug. Ein anberer Stebner, ber über bte grauenfrage fpraeß, 
regte bie Einberufung eineg fatßolifcßen grauentageg an, um bie 
fatßolifcßen Srauen über bie ntoberne 3 ra wenbcwegung gu be¬ 
lehren. Unter |)inweig auf bie in erjjcßrccfenbem ©aße wacßfeitbe 
3aßl ber erwerbgtßäiigen grauen befürwortete er im gntereffe ber 
©ereeßtigfeit ben gleicßen ßoßn für ©ann unb grau bei gleichen 
ßeiftungen. 

3m Eingelnen befürwortete bie Berfantmlung: Bauernoereine 
unb Iänblicße ©euoffenfcßaften, ingbefonbere Slaiffeifen’fcße $Dar* 
leßngfaffen, Bereine für Iänblicße Arbeiter unb SDienftbotcn auf 
cßriftlicßer ©runblage, fittlicße unb religiöfe $ebung ber ©itglieber 
biefer Bereine unb Belehrung berfelben über bte Borgiigc ber 
länblicßen Arbeit oor ber inbuftrieden, gürforge ber länblidßett 
Befißer für Seßßaftigfeit unb Bilbutig ber länblicßen Arbeiter, 
Iänblicße §augßaltnnggfcßulen, gürforge für jugettblicße Arbeiter 
unb ^anbwerfer, görberuitg beg |janowerferfd)ußeg and) bureß 
Einführung beg BefäßiguugSnad)weifeg, ©riinbung fatßoUfcßer 
Arbeiteroereine unb görberung cßriftlicßer ©ewerffdjaften, bie eitt 
wefentlicßeg ©ittel gum fogialen grieben feien, Einfcßräitfung unb 
Beseitigung ber Befdjäftiguna oon oerßeiratheten grauen unb oon 
Kittbern in gabrifbetrieben, Berbeffcrung ber ©oßnunggoerhältitiffe 
ber Arbeiter bureß §°fP*S c / gcmeittnüßtge Baugcnoffenfcßaften >c. 
Qie meiften biefer fünfte finb ©ieberßoluttgen früherer Bcfcßliiffe. 
Bemerfengwertß war aud) bie mit bem Kongreß oerbuitbene 
©eneraloerfamntlung beg Bolfgoercing für bag fatßolifcße ^entfeß* 
lanb, einer Scßöpfung ©inbtßorftg, bie jeßt 186 602 ©itglieber 
gäßlt, oon benen bie meiften in Bßeittlanb unb ©eflfalctt tmb 
Sübtoeftbeutfcßlanb woßneit. liefen ftarf fogialpoütifcß gefärbten 



1289 


©ojiale fhragti Eentralblatt für ©ojtalpoltttl. Str. 49. 


1290 


Verein fann man gcwiffermaßeu alg beit Ejefutor berjenigen 
3bectt auf foziatem ©ebiete bezeichnen, bie auf ben allgemeinen 
©eueraloerfammlungeu ber Katßolifen angeregt roerben. 


Abalf Stötfer über Streifoorlage mtb Stjta&eftYiu* 3m „Voll" 
($r. 206) o er öff entließt Abolf Stocfer ben üblichen Sebau-Vrief, 
ber fi<h biegmal befonberg gegen bie falfchen Anfcßauungen unb bie 
falfcßeti Vlaßnaßmen, bie gegenwärtig gegen bie Arbeiterbewegung 
in Vegierunggfreifen oorßerrfeßen, roenbet. Stöcferg 28orte treffen 
ben SRagel auf ben Stopf, unb eg ift ung eine greube, feine Äug» 
füßrungen — mit einigen Kürzungen — unferen liefern mitzutßeilen: 

Sie Streifuorlage, eineg ber unglütflid)ften Experimente, bie auf 
bem fozialpolitifcßen Voben gemacht ftnb, ift ung ein neuer Veweig ber 
falfrficn Aiiffaffung, bie in ben maßgebenden Greifen ßerrfeßt unb ein 
neues? ^eugnig ber unrichtigen Veßnnöliing, bie man ^ter ber Arbeiter* 
beweguug angebetßeit lägt. Eewiß lommen bei ben Streifg Äug» 
fdjreitungen oor, bie unoerantmortlicß finb; aber ganz ebenfo gefcheheit 
bei ben Gingen unb Spnbifaten Singe, bie ganz ebenfo oerwerflicß 
finb. SBenn ein Ving Vrobuftiougwillige, bie ihm nicht beitreten, mit 
Entziehung beg Vohmaterialg, alfo mit Vernichtung ber Ejiftenz be» 
broht, fo "ift bag — alle Umftänbe erwogen — fdjlintmer, alg wenn 
ein 'Streifbrecher befeßimpft ober im böfeften gafi gefcßlagen wirb. 
Sclbftuerftänblicß fmb wir ben ©emalttßätigfeiten ber Arbeiter gerabe 
fo abgeneigt wie benen ber Arbeitgeber. Aber will man jene fcßärfer 
ftrafeii, fo famt man biefe nicht rußig lüiigeljen laffeit. V$ag bie Streif» 
uorlage uon uornßerein ju gaüc brachte, war ber Einbruch baß ftc 
einfeitig gegen bie Arbeitnehmer gerichtet fei. Ser Staatgfefretär ber 
guftiZ hat Sag fdjließlid) felbft sugeftanben. Vicßtg aber erbittert bie 
Arbeiter fo wie parteiifeße Vehaublung. Ser Kaifer ßat fte einmal alg 
einen gleicßberedjtigtcn Stanb bezeichnet. SSemt biefer Äugfprudj nach 
allen Seiten burdjgefiihrt würbe, würben bie arbeitenben Klaffen halb 
ein anbereg Aitgeficßt zeigen- 3unächft aber haben fte wirflich @runb, 
fid) über eine uerfdjicbene Veßanblung zu befiagen. 3ßr Koalitiong» 
recht wirb burd) bag in ben Einzelftaaten befteßenbe Vereinggefeß be» 
feßränft ober oernießtet. Unb, wag bag Uebelfte ift, auf Koalitionen 
oon Arbeitgebern wirb bag lefctere nicht angewenbet. Ser Eentral- 
oerbanb beutfdjer gnbuftrieder, ber hunberte oott oerfchiebenartigen Ver* 
einen umfaßt, mag bei feinen fozialeit Verßattblungen bag politifcße 
Ctfcbiet ftreifett, fo oiel er will, man wirb ihm nid)tg in ben 2Beg legen. 
SSenn aber Ärbeiteroercinigungen fuh Z u wirtßfdiaftlicßen unb fozialen 
^werfen oerbinben wollen unb babei politifche Momente berühren — 
wag ganz uHoermeiblid) ift, — fo oerfallen fte leicht bem Verbot unb 
ber Äujlöfung. Vci Arbeiterinnenoereinen aber wirb oft fchon bag 
©elteiibmacßen politifdjer Eefidjtgpunfte innerhalb beg einzelnen Vereittg 
alg Wrntib ber Maßregelung benußt. Eben biefe Verhältniffe geben 
ben Arbeitern gerabezu ein Siecht, bie Sicherung unb Stärfung ber 
Koalitionsfreiheit zu erftrebett. 3Benn nun ftatt beffcit bie Streifuorlage 
ihnen nodi größere .frinberniffc bereiten will, fo begreift man, baß bie 
getan:inte Arbeiterweit, fo weit fte benft, in ber Äbmeifmtg biefeg gefeß» 
geberifdjen Verfließ# eitig ift. Sarin ift fein Unterfdjieb zwifdjen Sozial* 
beutofiaten unb euangclifdjen Arbeiteroereinert, zwifeßen ©ewerfoereinen 
unb du* ft lidjett Arbeiteroerbänbcn; fte alle ohne Äugttahnte fehett in ber 
Vorlage eine ttngünftigc unb uitoerbiente geffel. Sieg Oiefühl ift ba* 
burdt noch oerftärft, baß ber Sieidjgfauzler bie Aufhebung beg Vcrbotcg 
ber Verbinbuitg politifdjer Vereine oerfprochen ßat; eine Verheißung, 
bie itod) immer nicht in Erfüllung gegangen ift. 

Man fragt erftauut, warum eigentlich bie regierenben nnb maß* 
gebenben Kreife ber Arbeiterwelt mit folcßcn Vlänen gegettiiBertreten. 
Unb matt famt nur antworten, baß fte bie in biefer V*elt oorbanbenen 
uub wirffanteu Sriebfräfte nicht fennen. Ein unübertoinblidieg Miß* 
trauen ßinbert ben unbefangenen VUcf. Man oerwecßfelt bie Arbeiter¬ 
bewegung mit ber Sozialbemofratie unb broßt ber leßteren mit Ma߬ 
regeln, bie atteß bie erfiere treffen. Saburcß eben erweeft man ben An* 
fdjein unb ftärft bie gerabezu töbtlicße. Änfdjauutig, alg ob allein bie 
fozialbcntofratifcße Partei bie Arbeiterbewegung repräfentire. Sic Ar* 
beitgeberfreife haben ftch unt bie cßriftlicßeit Vefirebungen in ber Ar- 
beiterwelt fo gut wie nießt gefümmert; bie Vegientug ßat bie cßriftltcß* 
foziale Vewegung geßinbert, geftört unb geädjtet. Stirn fteßt man in 
ber Arbeiterfcßaft immer nur beullmfturz unb oergißt, baß ber größere 
^ heil berfelbett noch außerhalb ber fozialbemofratifdien Partei fteht unb 
baß eg bie wießtigfte aller fozialpolitifdjeu Aufgaben ift, biefeit bem 
Umfturz noeß ttießt an heimgefallenen Sßeil z» bewaßren unb z« feftigett. 
Sazu aber ift unerläßlich, baß bie Regierung uub bie fouferoatioe 
Partei ber Arbeiterbewegung uub ber Sozialreform oerftänbnißooH 
uub freunblid) gegenüberfteßen. 

Aucß bie Sozialbemofratie foüte anberg angefeßen unb beßanbelt 
werben, alg cg jeßt in biefen Kreifen gefeßießt. Eg ift eine unbeftreit* 
bare Shatfacßc, baß biefe V^idei bie blutige Steoolution, ben Umfturz 
allcg Vefteßeuben, ben ^ufunftgftaat, ben großen Klabberabatfcß unb 
wie alle biefe Vbantaftercien heißen, bei Seite gelegt hat. Ebenfo ift 
ber Marrigiiiug, bie tßeoretifche Öiruttblagc ber im ^crüröcfeln. 

V?ic fdjon früher bag eherne ^ohngefeß, wirb jeßt bie Verelenbungg* 
tßcorte, ber Äffuntulaiiougprozcß beg Kapitalg, bie materialiftifcßc Eie* 
fdiiditgauffaffung innerhalb ber V ar t e * felbft beftritteu. Aber anftatt 
fteß biefer 3 crfcßutig unb feineg Verzicßtg auf gewaltfamen Umfturz z u 
freuen, will mau bureßaug oott Vefferuitg nießtg ßoren, fonbern ßält 


bie gemaltfamc llutcrbrüduttg für bag einzig wirffame Mittel z«r Ve* 

fäntpfuitg ber Sozialbemofratie. 2Bag man ftatt beffen zu thun 

hätte, ift für ben erleud;teten Sozialpolitifer ltidjt zweifelhaft. Auf 
Seiten ber Öefeßgebung nnb ber Verwaltung fotttc mau ben Arbeitern 
gegenüber bie unparteiifdite .&attb walten laffen, bag Koalitiongredjt 
nießt bloß nidjt antaften, fonbern alg einen eßemen Reifen beg Arbeiter* 
reeßteg feftfteHeu. Sie füßrenbett Klaffen — unb id) bertfc hierbei be* 
fonberg an bie waßre Ariftofratie — foDten bie politifcße 6 )leicßbered;ti* 
gung ber arbeitenben Klaffen willig anerfennen unb z u * Geltung 
bringen. ... Sie fogeitanttte „Sitcßthaugoorlage" ßinbert im 3«ucrn 
bie Augwirfung ber , foziulbemofi , atifd)en Sifferenzen unb macht aug 
Eifen Staßl, iitbent fte bie augeinaitber ftrebenben Settbcnzeit zufammett* 
ßämmert uub fefter feßmiebet. 9?adj Außen aber ntadit eine folcße ©c* 
feßgebung ben Einbrucf ber Volfgzerrütiung unb ßinbert ung in ber 
Kraftentfaltung für bie große europäifdje unb Seltpolitif. 

Sag ftnb EJebaitfengänge, bie bem £efer ber „6oz. ^rajtg" eng 
oertraut fuib. Wiv fönnen nur münfeßen, baß fte aucß in ben fon* 
feroatioen ^arteifreifen, bie eine Qtit lang fi^ mit Eifer unb Ein¬ 
gebung ber Surcßfüßruna einer gefunben Sozialreform wibmeten, 
wieber maßgebenben Einfluß gewinnen! 

tfrauen in ben Scßnlfomtnifftoiteit non ISent. Sie Regierung 
oon 33erit ßat bem Kantongratß einen Elefeßentwurf oorgelcat, 
wouaeß bie grauen unter ben nämlicßen Vebingungen wie Die 
Männer zu Viitaliebern ber Scßulfommiffioncn ber primär- unb 
Mittelftufe wäßlbar fein follen. Vei ber Erziel;unggbireftion hatten 
bie Seftion Vern beg feßweizerifeßen ßeßrerinnenoereing, ber Verein 
ber fcßulfreunblicßen ßrauen, bie grauenfonferenzen z um 
genöfftfeßen Kreuz, ber Verein ber Öreunbinnen junger 2Räbcßen 
unb bie cßriftlicß-foziale ©efeüfdßaft bie VSäßlbarfcit ber grauen in 
bie Kommiffionen (Änffiditgbeßörben) ber öffentlichen Scßulen naeß- 
gefueßt. Erzicßunggbircftor ©obat bemerft in bem an ben Kantone» 
ratß gerichteten Vericßte wörtlich: 

w gür bie Einführung ber ftrau in bie Schulfommifftonen fpridjt 
AHcg. Sic 3rau, alg geborene Erzieherin, gehört in bie Scßulc unb 
in bie Schulleitung; bag ift ein unbeftreitbarer Saß SBir enthalten 
ung baßer, äße ©riinbe, bie bafür fpredjen, ßier anzufüßren. Saß bie 
j^rau gegenwärtig bei mtg oon beit Schulfommifftonen auggefcßloffeit 
ift, läßt fich bloß baburch erflärett, baß ber Mann, ber bag Vriuileg 
ber Elefeßgcbung in Anfprud; genommen, nur an fuß gebaeßt unb bir 
beffere EÄlfte ber Menfdjßeit einfad) ignorirt ßat." 

Sag ©efeß feßreibt oor, Ehemann unb Ehefrau bürfen nießt 
gleichzeitig in einer Scßulfommiffion fißen. 


$0}lale Jnftän&r. 

Vertßeilung ber gefcßüßteit Krbriterfaiegorien auf bie Per* 
feßiebeueu Snbuftrien in Preußen. Ser Äntßeil, ben bie einzelnen 
3nbuftriegruppen an ber Vefcßäfügung ber gefeßüßten Ärbeiter- 
fategorien, b. ß. ber Kinber, jugenbiidjen Arbeiter unb erwacßfeneit 
Arbeiterinnen, haben, ift reeßt oerfeßieben. 3u ben preußifdjen 
gabrifen würben wäßrenb beg Sußreg 1898 353 629 Arbeiterinnen 
befcßäftigt. $aßezu bie ^älfte baoon, nämlicß 146 539, waren in 
ber Seytilinbuftrie tßätig, eg folgten bie Glruppe ber SRaßrungg* 
unb ©enußmittel mit 53 676, bie ber Vcfleibung nub Steinigung 
mit 38 475, bie Subuftrie ber Steine unb Erben mit 25 598, 
Vapier- unb £ebirinbufirie mit 24 663, VtetaDoerarbeitung mit 
18 795. Sie übrigen 3»buftriegruppen befcßäftigten jebe weniger 
alg 10 000 ermaeßfene Arbeiterinnen, bie 3nbuftne ber forftwirth* 
fcßaftlicßeit 92ebenprobufte nämlicß 2487, bann ber Vergbau 5246, 
bie 3nbuftrie ber Eolz* unb Sdjnißftoffe 5974, bie eßemifeße 3n* 
buftrie 9185, bie (Gruppe ber Mafcßinen, SBerfzeuge u. f. w. 9624 
unb bie poltmrapßifcßen ©ewerbe 9899. Aucß in ber Vefcßäftigung 
ber jugenblicßen Arbeiter fteßt bie £e£tilinbufirie an ber Spiße, 
inbem oon beit inggefatnmt befcßäftigten 142 121 etwa ein ^fünftel, 
27 799, auf fie entfallen. Sann aber folgen ßier bie Vtetall- 
oerarbeitung mit 23 719, bie ©ruppe ber Vtafcßineit, Vkrfzcuge 2 C. 
mit 17 718, bie 3nbuftrie ber Steine unb Erben mit 16 657, bie 
©ruppe ber Sßaßrungg» unb ©enußmittel mit 14 492, ber Vergbau 
mit 9804, Rapier* unb ßeberinbuftrie mit 7669, Vefleibung unb 
Steinigung mit 6714, 3nbuftrie ber E 0 I<S 5 Sdjnißftoffe mit 
6713, polpgrapßifcße ©ewerbe mit 6508, djemifeße Snbuftrie mit 
2671 unb forftmirtßfcßaftlicße Stebenprobuftc mit 663 Sie Kinber= 
arbeit ift in 3wlge ber ©ewerbeorbnungguooelle oom 3cißre 189J 
in ben gabrifen faft oödig befeitigt. Von ben 1421 im 3aß^' 
1898 befcßäftigt gewefenen Kinbern fielen 412 auf bie Sertilinbuftrie, 
256 auf bie ber Steine unb Erben, je 151 auf Vtetalloerarbeituug 
unb Slaßrungg- unb ©enußmittel, 98 auf Rapier* unb i?eber= 
inbuftie, 80 auf bie ber E°4 S »nb Sdjnißftoffe, 75 auf bie ber 




1291 


Sojiole ArajtS. Centralblatt für Sogtalpoltitf. Nr. 49. 


1292 


Btofcßinen, ©erzeuge u. f. ro., 57 auf bie polpgrapßifdßen ©eroerbe, 
34 auf Sefleibung unb Steinigung, 33 auf Bergbau, 20 auf bie 
tßemifcße gnbuftrie unb 4 auf forftroirthfcßaftlicbe Nebenprobufte, 
tiefem Minimum non Kinberarbeit in ben gabrifen ftebt leiber 
eine roacßfenbe Serroenbung finblicßer ArbeitSfräfte in ber un* 
gefcßütjten Heimarbeit unb bie 3 una b me ber Ausbeutung non 
Kinbertt gu fleingeroerblicßer Nebenarbeit gegenüber. — Umftänbe, 
bie immer briitgenber eine fachgemäße AuSbeßnuttg ber Scßufcgefefc* 
gebung forbcrti. 

Die fremfefpradjlid)ets Arbeiter im Nuhrfoßlettbergbam Die 

bebcutcnbc Nvlle, roelcße bie frembfpracßlichen Elemente beim Stuhr* 
foßlertbergbau fpielen, hat feiner 3 e ^ baS Oberbergamt gu einer 
befonberen Spradjenverorbnung veranlaßt. (Bergl. „ 603 . $raji$" 
0p. 541.) 0tatiftifcße Erhebungen höben nun ergeben, baß bie 
3aßl ber frembfpracßlichen Arbeiter feit bem gaßre 1893 non 
25 o / 0 ber ©efammtbelegfdjaft im Stuhrgebiet auf 29 o / 0 geftiegen 
ift. Sei einer Selegfcßaft von 155 560 Bergleuten im gaßre 1893 
mürben 39 000 frembfpradhlicße Arbeiter gegäßlt, roäßrenb bie 3ößl 
berfetben bei einer Selegfcßaft von 198 300 Bergleuten im Sabre 
1898 bereits auf 57 000 geftiegen mar. 3 U & cr 3 al &I fretnb- 
fpradjltcßen Arbeiter fteüt Dberfcßlefien etroa 5000 aus ben Streifen 
^ßleß, Stijbui! unb Statibor, bie fid) faft burebmeg ber polnifcßen 
Sprache bebienen. gßre 3 a hl ift feit 1893 nicht erheblich ae* 
roaeßfen. Aus ber ^roving $ofen, unb groar aus ben Streifen 
Stoßen, Bkefcßen, ^lefcßen unb Eßobgtefen, entflammten im Steh« 
1893 etma 9800 polnifd)e Arbeiter, jefct aber über 18 000 . Den 
^Srooingen Dftpreußeu unb SBeftpreußen entftammten im gaßre 1893 
inSgefammt 20 000 Arbeiter, jefct ftnb es beren 27 440. Diefe 
Arbeiter gehören ben SJtafuren unb Littauern aus ben Greifen 
0enSburg, goßamitSburg, DrtelSburg unb Neibenburg an unb 
fpreeben mafurich unb beutfeh- Die meftpreußifchen Arbeiter finb 
Staffuben unb Ermlänber. Die 3 a ^ ber öuS bem AuSlanbe 
ftammenben Arbeiter ift von 4250 im gaßre 1893 auf 6590 ge» 
fliegen. Hieroon finb 3450 Defterreicßer aus Strain unb bem 
öftcrreichifcßen Kitftenlanbe, fomie aus bem ungarifeben Streife 
Sremtberg. 0ie bebienen fuß ber flovenifcßen Nfunbart. Aus 
gtalien mürben 1440 Arbeiter gegäblt, bie aus ben Sßrovingen 
Sicenga unb Darin (Alpengebiet) ftammen. Außerbem finb an 
nieberlänbifchen unb belgifcßen Arbeitern noch etroa 1700 im Nußr* 
gebiet tßätig. 3 U biefer Statiftif bemerft bie „Nßein. s Beftf. 3 * 0 ."’. 
„3tveifelloS mirb fid) bas Serßältniß groifeßen ben frembfpracßlichen 
Arbeitern unb ben einßeimtfcßen, beutfeh fprechenben Arbeitern nodj 
meiter gu ©unften ber erfieren verfcßtebeit. 0 chon jeßt finb bie 
Arbeiter frember Nationalitäten in einem folth reichen Stoße ver* 
treten, baß es ber größten Energie ber Sergbeßörbe bebarf, um 
einen regelrecht fortfdjreitenben Bergbau gu ermöglichen unb Un* 
alücfsfäue möglicßft gu oermeiben begro. auf baS mebrigfte Ntoß 
ßerabgubrücfen." 

Arbeitslöhne in SftaffadjitfettS. Der fürglich veröffentlichte 
fünfte Banb beS EenfuS oon NtoffacßufettS im gaßre 1895 befaßt 
[ich uiit ber gnbuftrie unb ben ErroerbSverßältniffen ber Arbeiter 
im Bergleiche gu 1885. SHr fiitbcu barin bie nachftehenbeit An* 
gaben: Die3ößl ber Lohnarbeiter im EenfuSjaßre betrug 518 626, 
barunter 71, 12 0/0 Ntänner unb 28,gg °/o Stauen. Die Loßngaßlung 
erfolgte für 26,73 o / 0 nach öer Stunbe, für 38, 7 6 % nach ^ em 2tog 
unb für 34 ,51 o / 0 nach bem 0tücf; ber größere Dßeil ber grauen 
erhielt 0tücflol)u. Die Lohnhöhe erhellt aus folgenber Dabelle: 


B^ocßenlößue 

Scanner 

grauen 

Totale 

Unter 5 $ . . 

. . 25138 

39 Oll 

64 149 

5 bis (j = . . 

. . 16 823 

27 382 

44 205 

(5 = 7= . . 

. . 26 237 

27 989 

54 226 

7 = 8= . . 

. . 29 228 

19 907 

49 135 

8 = 9= . . 

. . 28 475 

13 999 

42 474 

9 = 10 = . . 

45 342 

9 132 

54 474 

10 = 12 = . . 

. . 51 788 

7 069 

58 857 

12 = 15 = . . 

. . 71853 

3 841 

75 694 

15 = 20 = . . 

. . 57 610 

1 250 

58 860 

20 $ unb mehr . 

. . 16 367 

185 

16 552 


368 961 

149 765 

518 626 


^rbtifefbeitiegttitg. 

Die amtliche bentfebe 0trei!ftatiftif für baS L Halbjahr 1899 

ift im neueften Bierteljahrgößefte ber Statiftif beS Deutfdjen NeicßcS 
crfdjienen. lieber bie bei biefer Erhebung maßgebenden ©runbfäße 
haben mir uns in Sir. 36 ber „Sozialen 'J>rayis" (8p. 974 ff.) eilt* 


eßenb oerbreitet, roeShalb mir uns hier auf bie SBiebergabe ber 
auptfäcßlicßften Ergebniffe befeßränfen fönnen 

gut 1. Halbjahr 1899 mürben 574 8 treifS begonnen unb 533 
beenbet (im 2 . Duartal 357 unb 352). Die 3ößl ber betroffenen 
Betriebe betrug 2910 (im 2. Quartal 2476), biejenige ber bei 
Ausbruch beS Streifs befcßäftigten Arbeiter 89 048 (im 2. Duartal 
69 833), biejenige ber gleichzeitig ftreifenben Arbeiter 43 382 (im 
2. Duartal 34 509). Davon roaren gur fofortigen ArbeitSnieber* 
legung berechtigt 26 682 (im 2. Duartal 21603), fontraftbrüchig 
12 594 (im 2 . Duartal 8888 ). 3 U völligem 0tittftanb fanten 
bureß ben 0treif 1093 Betriebe (im 2 . Duartal 948), nicht auf 
alle ©efcßäftSgmeige erftreefte fteß ber 0treif in 824 Betrieben (im 
2. Duartal 724). 

Nach ber 3 a ßl & er ftreifenben Arbeiter georbnet, fanben in 
folgenben gnbuftriegmeigen bebeutenbere 0treifS ftatt: 



etntabl bet 
tm 1 . $alb* 
iafjr 

begonnenen 

6tret» 

3atjl ber 
be¬ 
troffenen 
öctrtebe 

Sobl ber bei 
gubbrud) 
beb Streits 
befdjäfttgtfn 
grbeiter 

#§c|SpiM ber 
gleid)ieitig 
ftreifenben 
Hrbettec 

Baugeroerbe. 

207 

1462 

27 945 

17 113 

Teftilinbuftric. 

Bergbau, Hütten* unb Salinen* 

48 

66 

13 385 

6 645 

roefeit. 

BefleibungS* unb NeinigungS* 

15 

27 

10 013 

4 514 

geroerbe . 

31 

579 

4 457 

3 195 

^nbuftrie ber Steine unb (5rben 
gnbuftric ber Sftafdjineit, gn* 
ftrumente unb Apparate . . 

46 

112 

4 538 

2 999 

49 

79 

11986 

2 135 

gnbuftrie ber Holg s unb Sdjntjj* 





ftoffc . 

61 

824 

3 224 

1788 

Außerbem ftreiften in ber gnbuftrie ber 

NaßrungS* 

ttnb ©e* 


nußmittcl 1413, in ber SNetaHoerarbeitung 1228 unb im BerfeßrS* 
geroerbe 1050 Arbeiter. An allen 0treifS in ben übrigen 3nbuftrie* 
gmeigen marert meniger als 1000 Arbeiter beteiligt, gm Be* 
ßerbergungS unb ErguicfungSgeroerbe fam nur 1 0treif vor, an 
bem fieß nur 6 Arbeiter betßeiligten. 


Bon ben im 2 . Duartal 1899 vorgefommenen Au£* 
fperrungen finb folgenbe ermähnenSmertß: 


3abl ber tm 
i. Duart.1899 
begonnenen 
aus* 

fperrungen 

3af>l ber 
be¬ 
troffenen 
Betriebe 

3a$l ber bei 
Beginn ber 
SuSfoeming 
befcbdfttgten 
arbeitet 

ber 

glctcbieittg 

auSgefperrten 

«rbetter 

Bauuniemeßmung in ber Stabt 

Berlin. 

1 

214 

ca. 4 000 

2 483 

NegierungShegirf *) fpotsbam, 

Bauunternehmung u. SRaurer 

10 

93 

ca. 1 172*) 

1 433 

Holgtnbuftrie (Berlin) . . . 

1 

78 

ca. 6 000 

1 860 

Bauunteruehmung(9Kagbehurg) 

1 

27 

ca. 450 

330 

©ifengießerei unb SKafcßinen* 

fabrif (tfeipgig). 

1 

11 

ca. 2 932 

305 


Ein Delegirtentag ber fatßolifchen Arbeiterberetne Sübbentfiß* 
lanbS hat Enbe Auguft in Nürnberg ftattgefunben. Etroa 100 
Bertreter, barunter viele ©eiftlidße, roaren aus Sägern, SMirttem* 
berg unb Baben erfdjienen. Die 281 Bereine bilben einen Ber* 
banb mit runb 50 000 SNitgliebern. Der Deleairtentag erflärte 
fieß aegen baS fogenannte 3öcßthöuSgefeß afe einen Berfucß, 
ben Arbeitern bie Ausübung beS ÄoalitionSrecßtS praftifcß unmög¬ 
lich Jö madjen, mäßrenb bie Arbeiter baS Stecßt ber uneingefeßränften 
.Koalitionsfreiheit forberten. DeS Weiteren erflärte man fieß für 
ArbeitSfammeru fomie für ArbeiterauSftßüifc in allen größeren 
gabrifen. Den H au Pt 9 e 9 cn ftönb ber Berßanblungen bilbete bie 
ArbeiterrnoßnungSfrage. Es mürbe bie Erbauung von ga* 
milienmohnungen, bie ©riinbung von Baugenoffenfd)aften unb 
ftrenge Höubßabung ber SöoßnungS* unb 8 ittenpoligei bureß bie 
Seßörben empfohlen. Bon ben ©emeinbebeßörben fod rechtzeitig 
Borforge getroffen merben, baß billiger Baugrunb gu ßabeit ift 
unb biefer nießt ber privat)pefulation überliefert mirb. S)er 
0 taat fott bureß ©runb* unb Baubanfen bie Arbeiter*Baugenoffen= 
feßaften unterftüßen, ebenfo foHeit bieguvalibenverrtcßerungSanftatten 
betreiben ausgiebigen Sfrebit gemäßren. 

Aud ber Berliner Arbettrr&euicgitng. Unter ben Arbeitern ber ver* 
feßiebenen Branchen ift gur eine lebhafte 2oßn* unb ArbeitSgeit* 
Bemcgutig im ©äuge, bic als ein Spiegelbtlb ber günftigen Sfonjunfiur 
bctraißtet merben fann. Soll boeß g. B. im Baugeroerbe eine jo rege 
D ßätigfeit ßcrvfißen, roic fie feit bert ©riinberjaßren nidßt erlebt roovbcii 
ift. Tabei geigt fiel) bie beacßteuSroertßc ©rfdjeinung, baß unbefonnene 
Streifs tßunlicßft uermieben merben, unb baß ftatt beffen bie Eßaneeu 
ber Bcroegung planmäßig beredmet unb alles rußig vorbereitet mirb. 

') (5s ßaubclt fid) bnnßrocg um Borftäbte Berlins. 

lJ ) Bei einigen 8labten iß bic 3ößl nicht angegeben. 














1293 


SSogtale fragil, (Sentraftlatt für Sogtalpolitü. Nr. 49. 


1294 


iNan erftrebt nid^t AugenbltdSerfolge, fonbern bie bauembc Seftlegung 
mögtichft günftiger Sohn* unb Arbettsbebingungen, wenn möglich form* 
ltcpe Dartfgemeinfcbaften auf mehrere ^ahre hinaus. So finb 
neuerbingS, behufs allgemeiner Durchführung ber neunftiinbigen Arbeit#* 
Seit, bejir». beftimmter ^ohnfäfee, bie Gtfeleure, ©lafer, Sftarmor* unb 
©ranitarbeitcr, ^sfolirer unb Nobntmpüller, fofamentirev, bie Arbeiter 
auf beu &of)lenplüften, bie Noflfutirfjer unb SpebitionSarbeiter 2 C., in 
eine Bewegung eingetreten, bie fteUenmeife auch bie Abfdjaffung ber 
Ueberftunben* unb Nachtarbeit jur Beseitigung ber in ben Branchen 
herrfchenben Arbeitsloftgfeit begroeeft. Die organifirten barbier-, 
grifeur* unb periicfenmacpergcbülfen erftreben ben 8 Ubr*2abenf(pluB. 
ÜebcraD geigt fich gugleicp ba# Beftreben, bie gewerfphaftlicpen Drgani* 
fationen gu ftärfen. 

Becubigmig beS ÄoufUfteS plf^cii Arbeitgebern trab Arbeitern 
in Dänemarf. Nach einem Kampfe oon 3 l /2 Monaten fepeint nun 
ber Jriebe im gewerblichen Sehen DänemarfS burd) einen Ausgleich 
mieber hergeftellt gu roerben. Unb es ift fieper fein 3 u fall, bap 
gleichseitig mit einer Aenberung im Nttnifterium auch bie griebenS* 
oerhanblnngen gwifepen bem Untemepmeroerbanb unb ben Arbeiter* 
organifationen begonnen haben. Am 27. Auguft mürbe ber bis* 
herige Ntinifter beS Sunern Barbenfletp burch ben VerficperungS* 
bireftor Bramfen erfept. Bramfen, ein peroorragenber National* 
öfonom, Vertreter DänemarfS auf ber berliner internationalen 
Arbeiterfcpupfonfereitg 1890, gilt als eine ber erften Autoritäten 
DänemarfS in ber Arbeiterfrage unb hat fich namentlich auch um 
GinignngSätnter unb Sd)ieb#gericpte bemüht. Obwohl ber fon* 
feroatioeit Partei angehörig, geniest er großer Spmpatpieen auch 
in ben Arbeiterfreifen. Dte leitenbe fogialiftifcpe 3 e *tung „Sogial* 
bemofraten" begrübt bie Ernennung BramfenS gum Nhnifter beS 
Sitnern mit großer Befriebigung unb fnüpft baran bie §offnung 
fruchtbarer fogialpoliftifcper ©efepgebung. Sei ben früheren, befannt* 
lieh gefepeiterten Vorpanblungen in bem jepigen großen Arbeit#* 
fampfc war Bratn|cn eifrig auf ben Ausgleich bebaut. Sept haben 
wenige Dage nach feinem Eintritt ins Ntinifterium bie Arbeitgeber 
ben erften Schritt gu einer Verftänbigung gethan. Die Arbeiter 
haben fich fofort bagu bereit erflärt. Am 30. Auguft begannen 
bie VergleicpSoerhanblungen unb fepon am 1. September einigten 
fich bie Vertreter beS ArbeitgeberoereinS unb ber gaepoerbänbe über 
bie Bebingungeit, unter benen bie Sperre aufgehoben werben foÜ, 
unb oerpflicpteten fich, i^ren Oraauifationen bie Bebingungen gur 
Annahme 311 empfehlen. Am 4. September haben ©eneraloerfamm* 
lungen beiber Verbänbe sur enbgültigen Befcplupfaffung ftattgefunben: 
Ginftimmig würbe auf beiben Seiten ber Vergleich angenommen. 
Weiter peipt es, bap bie Sperre am Donnerstag fpäteftenS 
überall aufgehoben unb bie noch ftreitigen fragen einem Sd)iebs* 
gerichte oorgelegt werben füllen. — Wir haben früher (oergl. Sp.1004) 
Urfacpen unb Verlauf beS gropen Mampfe# gefcpilbert. Aus 
fleinen Urfacpen heraus — junächft hatte es fich um einen gering* 
fügigen lofalen 3 n>ift im Difcplergeroerbe gehanbelt — fam es 
fcplieplicp 3 U einer oon bem Arbeitgeberoerbanbe oerpängten Aus* 
fperrung oon mehr als 50 000 Arbeitern ber oerfepiebenftert ©e* 
werbe, fo bap bas gefammte inbuftriette Leben DänemarfS bie 
fchmerften Stocfungen erfuhr. Wenn es bie Abficht ber Arbeitgeber 
geroefen fein foQte, bie gaepoerbänbe ber Arbeiter 3 U gertrümmern, 
fo ift fie feplgefcplagen: bie lange Sperre hat im ©egentpeil bie 
Organifation ber Arbeiter fehr geftärft. Sic haben gegeigt, bap 
fie ebenfo lange wie bie Arbeitgeber auShalten fönneit, unb fie 
haben für Orbnung unb DiSgiplin fo gut Sorge getragen, bap 
trop ber in oielen Arbeiterfreifen perrfepenben Notp feine ein* 
3 ige Ausschreitung oorgcfallen ift. Von ben Arbeitern im 
AuSlanbe finb bebeutenbe Beiträge, über 300 000 fronen (baoon 
aus SDeutfd)lanb weit über 100 000 ) eingclaufen, unb bie noch be* 
fchäftigten Arbeiter haben bie gröpten Dpfer gebracht, um ihre 
Sfameraben 3 U unterftüpen. Siele haben 15—20 o / 0 tpreS Woipen* 
lohns abgegeben, nachbem bie Streiffaffen erfepöpft waren. Seben* 
falls hat "bie Sperre ben Unternehmern eben fo grope Serlufte wie 
ben Arbeitern gebradjt. t?ür bie fosialpolitifdje Dpätigfeit beS neuen 
SftinifterS beS Innern aber ift ber Ausgleich ein gliicflicher ^Beginn! 

D)te föohunttgSfrage in £onbott+ 3m Auguft haben in Bonbon 
wieberpolt grope D)emonftrationen ber Arbeiterbeoölferung ftattge* 
funben — Uni 3 Üge burch bie Strapen, Serfammlungen mit Seben 
unb SRefolutionen im ^pbeparf — bie auSfdjlieplich bem Glenb 
ber Üonboner Arbeiterwohnungen galten. D)ie Sonboner treffe 
hat auch bie oorhanbenen Uebelftänbe eingehenb befprocheu unb 
barauf hingewiefen, bap ber OiraffdjaftSrath beim beften SöiHen 
nicht in utnfaffenber SBeife Abpülfc fehaffen fönne, ba er nur in 
ber ßage fei, innerhalb ber Stabtgrensen Neubauten aufsufiihren. 
Nun pnbet fich in ßonbon felbft nicht mehr genügenber Oirnnb 
unb Soben für bie nothwenbigen Neubauten, beShalb müffe bas 


Parlament ben ©raffchaftsrath ermächtigen, auch auperhalb üoit* 
bouS Arbeüerhäufer aufsufiihren unb eoentueü an ber Peripherie 
ber Stabt mit Ggpropriationen oor^ugehen, ba bort bie OJrunb* 
eigenthümer nidpt gewillt finb, gu billigen greifen gu oerfaufen, 
fonbern bie AöohnungSnoth in Bonbon benüpen wollen, um Sucher* 
preife für ihre Okunbftücfe gu ergielen. GS ift angunehme^ bap 
fnh baS Parlament in ber näcpften Seffion eingehenb mit ber 
ßonboner Wohnungsfrage unb ben fanitätSwibrigen Serhältniffen 
in ben Slums ber Niefenftabt befaffen wirb. 

Bewegung unter ben englifcpen Seeleuten. D)aS Committee für 
ben Dpne* unb Wearbiftrift ber „National Sailors’, Firemen’s and 
Stewards’ Union of Great Britain and Ireland“ hat an alle 
Nheber unb Npebergefellfchaften ber Norboftfüfte ein Nunbfchreiben 
gerichtet, baS aud) ben Nhebern in allen übrigen £>äfen GnglanbS 
gugehen foÜ, in bem barauf oerwiefen wirb, bap trop beS Auf* 
fchwungeS, ben baS ScpiffahrtSgewerbe feit brei Sahren erfahren 
habe, feine Perbefferung ber £ohn* unb ArbeitSoerhältni(fe ber 
Seeleute eingetreten fei; auch bie Verpflegung fei feinebefferegeworben, 
obwohl bie Lebensmittel billiger geworben feien. UeberbieS werbe 
oft bie Ntannfdjaft ber Schiffe rebugirt. D)ie Seeleute forberu 
beShalb bie Schaffung oon GinigungSämtern unb SchiebSaerichten 
für bie Nhcberei, welchen bie geftfepung ber Söhne unb Arbeit#» 
bebingungen obliegen foHte; hierfür fchlägt baS Nunbfchreiben 
eine ^onfereng gwifepen Vertretern ber Seeleute unb ber Nhcber oor. 

D)ie Bewegung ber Seeleute in Gnglanb, bie mit biefem Nunb* 
fchreiben in ber gweiten §älfte beS Auguft cinfepte, hat trop ber 
D)rohung mit bem ©eneralfireif aller organifirten Seeleute noch 
feine Beunruhigung in Gnglanb hcroorgerufen, ba man annimmt, 
bap biefe Daftif blop begwedt, bie no^ nicht organifirten Seeleute 
gum Beitritte gur Union gu bewegen. D)ie Npeber haben bas 
Nunbfdpreiben unbeantwortet gelaffen, weil fie bie Union nicht als 
Vertreter ber Seeleute im Allgemeinen anerfennen; bie Ntajorität 
berfelben feien „free labour a -Seute unb bie Union repräfentire 
Blop eine oerfchminbenbe Nlinorität. UeberbieS behaupten bie 
Nheber, bap bie Söhne im lepten 3ah*e ohnehin geftiegen feien. 
3n Garbiff haben oerfchiebene Meetings ber Seeleute ftattgefunben 
unb es ift angunehmen, bap bie Drganifation trachten wirb, einen 
auSgebehnteu Streif in Sgcne gu fepeit, gumal aubere Arbeiter* 
organifationen, wie jene ber Gifenbahnarbeiter, ben Seeleuten ihre 
Unterftüpung gugefagt haben. — D)er AuSftanb hat am 4. September 
begonnen. 

Der 3®|fei*So»gre| ber Drabe-Uition# hat am 4. September 
in pipmouth begonnen. 381 Delegirte ftehen in ben Siften, alle 
gropeu ©eroerfoereine finb oertreteu mit Ausnahme ber auf 2 3 a h re 
auSgefchloffeuen Vfafchinenbauer. An ber Spipe ftept bie biesmal 
auch bie Wallifer umfaffeubc 9JJinerS Öcberation (Bergleute) mit 
52 Delegirten für 213 000 Niitglieber, bann fommen bie Spinner 
mit 34 Vertreter für 73640 Nßitglieber,_bie 3immerleute mit 56000, 
bie Gifenbahner mit 54 000 , bie ^effelmachcr mit 45 250, bie 
s IRaurer mit 33000 Nhtgliebern u. f. w. Die ©asarbeiter, ber gröpte 
Qachoerein ungelernter Arbeiter, entfenben 13Delegirtc fiir450009Nit* 
glieber. 3u yotyn N?ape begcichnenb für bie Stdlung, bie fiep bie 
©ewerfoereine errungen haben, unb baS Anfeben, baS fie geniepen, 
ift eS, bap bie StabtbchÖrben oon pipmouth ber Verfammlung 
baS herrliche NathhauS für ihre Beratungen überlaffen unb bap 
Sorb Ntount Gbgcmnbe bie Delegirten am GröffuungStage gu ©aft 
qelaben hat. 3n mehreren Sfircijcn würbe ein ©otteSbienft gum 
Beginn beS ^ongreffcS abgepalten. 

Der 17. 3ahtt3f 0n 9 r cft Parti ouvrier fran^ais fanb 00 m 
13.—16. Auguft in Gpernat) ftatt. Aus pariS wirb uns barüber 
gefeprieben: Vfan patte biefer Verfammlung mit gröperem 3atereffe 
als in früheren Sapren entgegengefepen, ba fie Gntfcpeibungen über 
bie wieptigften Probleme bringen mupte, welche gegenwärtig bie 
fogialiftifcpe Arbeiterwelt ÖranfreicpS befepäftigen. Der Parti 
ouvrier frangais (©ueSbiften) ift bie ftärffte unb am ftraffften 
organifirte ber aefcploffenen Parteigruppen, unb ipr Verhalten 
fepeint für bie Sojung ber fepmebenben fragen barum oon gröperem 
Ginflup als felbft Das ber numerifch ftärferen unabhängigen 
Sogialiften. Auperbem war es gerabe ber VerwaltungSausfcpup 
biefer ©ruppe, ber ben Anftop gu ber Bewegung gegen ben Gin* 
tritt NtilleranbS in baS NHnifterium Walbecf*Nouffeau gegeben 
patte, unb es gab immerhin ©runb gu 3 |ÜC UeIn, ob bie .^anb* 
lungsweife ber Parteileitung oöllige Billigung in ben Wähler* 
maffen finben würbe. Der Ifongrep, baS fouoeräne Drgan ber 
Partei, beftätigte inbeffen einftimmig bie Schritte ber Öüprer; er 
erfannte im Befonberen an, bap bie Parteileitung niept ipre tfom* 
peteng überfepritt, als fie bas Ntanifeft gegen PiUleranb heraus* 



1295 


Sojtale prajts. ©entralblatt für Sozialpolitik 9tr. 49. 


1296 


gab, fonbern nur ihre einfache SßfXid^t erfüllte, inbent fte bamit ben 
frait^öfifcfjeii Sozialismus roieber zu feinen ureigenften Prinzipien, 
auf baS ©ebict beS KlaffenfampfeS, zurütfrief. B3aS bie Betfeeili* 
gung ber ©ruppe an bem beoorftehenben aflgemeinen franzöfifteu 
äojialiftenfongrefj betrifft, fo fpredjen bie Delegirten ben Bhinft 
aus, eine möglichft enge Konzentration ber fozialifüften Kräfte 
aus ben Berhanbhtngen beS allgemeinen KongreffcS ^eroorge^en 
ju fcl)en. Sic gaben ber eigenen Parteileitung Boßmatt, fid) an 
ber Bilbung beS zu fdjaffenben centralen DrgaiteS z u beteiligen, 
beffen 3ufammenfefeitng jebot 3alÜ e uftärfe ber oertretenen 
©nippen entfpreten miiffe. Smmerhin oerpflicfjtete ber Kongreß 
bes Parti ouvrier feine Delegirten für ben allgemeinen Kongreß ju 
geftloffcner Abftimmung in aßen ©inzelfragen. Aufeerbem oer* 
langte er, bafz, meint eine ©inigunc^ zu Stanbe fänte, bie centrale 
Leitung eine flare Definition beS Sozialismus beftliefee unb alle 
Publizitäten Craane, roelte biefe Definition anerfenneit, unter 
feine Kontrole nehme. — Der übrige Xfjeil ber Kongrefeoerhanb* 
Iungett bezog fit auf ©rlebigung ber orbentUd)cu ©eftäfte. 3öir 
entnehmen barauS, bafe im ©aitzen 174 Deleairte aitroefenb roaren, 
moruittcr 2 ©eroerbegerittäbeififeer, 1 ArronbiffeinentSrat, 27 ©e* 
mcinberätbe, 11 Zaires unb Abjunftcn, 7 ©cneralräthe unb 8 De* 
putirte. Vertreten roaren bamit 603 ©nippen, baruitter 42 ©e* 
roerfftafteit unb 26 Btunizipalräthe; ber Beft befielt itt ben 
fpezießen lofalen parteiorganifationen. SuSgefantmt befifet bie 
Partei eigene Drgaite in 418 ©emeinbeit. 


3Ubftttrfdjti^. 

Arfecitcrftufe unb Äoutrolmarfe. 

3m Artifcl: „Soziale Kampfmittel roiber bie Heimarbeit" 
(Ar. 43 b. 231. ootit 27. 3uli b. 3 ) gab Dr. ©. Stroieblanb*2Bien 
einen fehr intereffanten Üeberblitf über bie SRittel, bie oon ben 
Arbeitern felbft gegen bie AuSfcfercitungen ber Heimarbeit ange* 
roenbet roerben. 3m Laufe feiner Ausführungen berid)tet oer 
Autor jenes AuffafeeS aut über bie fogenaunte ©eroerfftaftS* 
Btarfe (Union Sabel), bunt) bie ber B3aare, roelte fte trägt, be* 
fteinigt roirb, baß fte oon geroerfoereinten Arbeitern bergefteßt 
rourbe. 2£enn mir nun heute auf biefe ftäfeenSroerthen TO* 
Teilungen zurüdffomnten, geftieht bieS beSbalb, roeil fte uns bot 
not uielfater Ergänzung bebürftig erfteinen, unb bas ganz 
befonberS f)iufid)tht ber beut ft en unb öfter re i tiften 
Arbeiterftaft. Stroieblanb erflärt näntlid) unter Aitberem, bisher 
fei „bie einzige beutfte ©eroerfftaftSmarfe jene ber bentften 
Sefeer AnterifaS, ber „Deutfd)*amerifaniften Dppographia", unb 
in ©uropa befifee nur eine ©croerfftaft eine SJtarfe nat ameri* 
faniftetu Borbilbe, bie englifte ©croerfftaft ber gilzhutmater. 
Diefe Btittheilungen finb, rote baS Öolgenbe zeigen roirb, in hohem 
ißiafte zuniinbeft liicfcnhaft unb fo tooflett mir es bei ber 23ebeittung 
biefer Frage für ben Arbciterfcfjufe itt Deutftlanb unb Defterreid) 
ititt nnterlaffen, Sdjtuieblanbs Ausführungen not S u ergänzen. 

©leit ein Blicf itt baS Parteiorgan ber öfterrettift en 
Sozialbeutofratie in beffen Anzeigenthcil läftt erfehen, bafe bie 
„©rfte Wiener Probuftiogenoffenftaft ber Hutarbeiter itttb =Ar* 
beitcrinnen" feit bem Satire 1892 eine Stufe- nitb Kontrolntarfe 
führt. Kontroltnarfcn befafeen aut bie früher eingegangenen pro* 
buftiogenoffenftafteu ber Sdiufentater unb ber Bätfereiarbeitcr in 
s Biett. 3n Deutftlanb roaren es bie Hutmad)er, bann bie 
-Textilarbeiter, unb zwar bie Girier, bie zuerft oon ber Kontrol* 
tnarfe ©ebraitt machten. Die ©rzeugniife ber Fabrifeit, bie fit 
ben Arbeiterfd)ufebeftimmungeit ber belreffeitben ©eroerfoercine :c. 
uitterroorfeit hatten, rourben mit bem Kontroljtempel oerfehett, äf)n* 
lief) roic btes oou oicleit Fabrifaitteu zur Kennzeichnung beS 
2Baarennrfprungs geftieht, abgefefeeu oon ber nationalen Kontrol* 
tnarfe ©nglanbs, toie fic burt beffen Merchandise Morks Acle 
oerfiigt rourbe. Später folgten bie Bereinigungen ber Sd)iibmad)cr, 
ber Sabafarbciter unb ber Sdjuciber, ferner in geroiffem Sinne 
and) bie Angehörigen beS Jyrifeur=, Meßner* unb s JüfufiferftanbeS 
in Berlin, Hamburg :c., ittbem fie Arbeiterfd)ufe*LcgitimationS* 
fnrteu auSftcßteu. Die Seitung bes SrifeuroerbaubeS forberte bie 
Diitglieber auf, nur jene, ©efdiäfte zu befmheit, roo ihre ©eitoffen, 
btird) Segitimationsfarteu als foldjc gefeunzcituet feien. Der 
Montrolitentpel ber i^aare fittbet alfo ba feine Ausgeftaltung zur 
Legitimation beS Arbeiters felbft. 

2£ie bie Sadifommiffion ber beutfdjeit Textilarbeiter feiner* 
Zeit in ihrem Aufrufe erflärte, füll bie Kontrolntarfe bem llnter- 
nehmer praftifd; bartfeun, toeld)c Bebeutiiug bem Arbeiter als 


Konfumenten inneroohnt, unb thatfätlit beroirfte es nat 
hauptung jenes Flugblattes gerabezu biefe fleiite unfteinbarc 
Blarfc, bafe eine grofec Anzahl ber Textilarbeiter Deutfd)lanbS fit 
binnen furzer 3eit ben neunftünbigen Arbeitstag erringen fonnte. 
Unter ben feitterzeit getroffenen DrganifationSbeftimtnungen fei er* 
roäf)nt: ©ine Kontrolfommiffion regelt bie Ausgabe ber Arbeiter* 
ftufemarfe. Die Unternehmer, roelte bie 3Dtorfe übernehmen 
rooßen, ftliefeeit mit ber Kontrolfommiffion einen förmlichen Per* 
trag, in bem fie fit für ben ©ebraud) beS KommiffionSftcmpels 
Zu etner Abgabe (meift 1 4 pro Kopf unb Arbeitstag ber bei 
ihnen beftäftigten Arbeitskräfte) oerpflidjtett. Dabct roirb aber 
an bie Ueberlaffung ber 9Jlarfe (ober beS Stempels) bie Sebingung 
gefnüpft, bafe bie täglite Arbeitszeit in ber betreffenden Unter* 
nehmung neun Stunben nitt überfteigen barf unb bafc ihre Sohn* 
fäfee mit bem Darife ber Arbeiterorganifaüon überciuftimmen. 
Aut mufe fit ber Fabrifant oerpflitten, 3Kaferegelungen^ feiner 
Arbeiter roegen etroaiger politifter ober geroerfftaftliter Xhntig s 
feit berfelbeti zu nnterlaffen. 

Die Kontrolmarfe hat übrigens, roie roir not bemerfen 
rooßen, burtauS nitt immer ooßen ©rfolg erzielt. So muBtc 
feinerzeit bie Kontrolfommiffton bei ber Bereinigung ber Dabaf* 
arbeiter ihr Amt niebcrlegen unb in mehreren Fabrifen mürben 
bie Sammlungen aßmählid) eingefteßt. 

Das fann aber nitt hiubern, bie tiefe Bebeutung biefer ©in* 
rittung einzuräumen. Sie erfteint uns als baS SGßiberfpiel bes 
23oi)fott. 2Sähreitb biefer gegen Unternehmer oerhängt roirb, bic 
©cgner beS ArbeiterftufeeS finb, foß bic Kontrolmarfe ben fon* 
fumirenben Arbeiter bemjenigen Unternehmer zuführen, ber fid) als 
Anhänger beS ArbeiterftufeeS erroeift. Bopfott unb Kontrolmarfe 
oeranlaffeit bie organifirte Arbeiterftaft, ihrer Parteianfd)auung 
aut üt ihrer eigenen Lebenshaltung eingebenf zu bleiben. Die 
Kontrolmarfe bafirt im Uebrigen auf einem ähnlichen ©ebanfeii 
roie ber FnternationaliSmuS ber ©efefeaebung unb ber foziale 
Stufezoß bes ©inzelftaateS. 3e gröfeer bie Forberungen bcS Ar* 
beiterftufeeS, um fo hoher fteigen in manter Bittung bic Pro* 
buftionSfoften. Die internationale Stufegefefegebnng ober 
ber foziale Stufezoll beS einzelnen Staates fönneu bann ben 
©influfe bcS ArbeiterftufeeS auf bie 23übung beS 23aarenprcifcS 
möglitft auSgleid)cn. AefenliteS beroirft nun unfereS ©rachtenS 
bie Kontrolmarfe für ben heimiften SKarft. Sie unterrichtet 
ben fotifumirenben Arbeiter über bie ArbcitSbebingungen, unter 
benen bie SSaare hergefteßt rourbe, unb fic hebt ben ©aarenabfafe 
bort, roo burt bie Bcrbefferung ber ArbeitSbebingungen vielleicht 
aut bie H cr Ü e ÜuugSfoften ber 2Baare gesteigert roorben finb. llnb 
iitfofern bann biefe Abfafefteigeruug bie ©rzengnng oerbißigt, 
fönneu fehr häufig bie Btehrfoftcn, bie fid) etroa aus ber Berooü* 
fommnuitg bcS ArbeiterftufeeS ergeben, roieber auSgeglid)cn roerben. 
Blan gelängt bamit zu einer Konzentration ber Nachfrage 
unb zur thetlroeifen Ffolirung ber arbeiterftufefeinbüteu Kon* 
furrenteit, benen mit ber Berringerung beS AbfafeeS, alfo ber tir* 
Zeugungsmenge aut bie rationeße AuSnufeung ber Arbeitsfräfte 
unb ber 9Jlafd)ineit erftroert roirb. Unb baS fann bann mittelbar 
roieber zur AuSgleitung ber ProbuftionSfofteu innerhalb beS 
ÄeitsgebieteS führen, ähnlit, mic für ben HüteauStauft oon 
Staat zu Staat bic Forberung ber internationalen Arbeiterfduife= 
gefefegebung unb beS fo^ialen Sd)iifezoßeS erhoben roirb. 

BJicit. Heiurit Abi er. 


ber Arbeiter gegen 9)Ulzbranb. Arbeiterfefretär Dorn 
in Nürnberg, früher Btitgneb ber oom BunbeSrathe einberufeuen 
Komtniffion zut Berathung oon Blaferegeln z u ^ Verhütung _ ber 
s Mlzbranboergiftungen, erlägt einen Aufruf an aße in ber Bürften* 
unb Pinfel*3nbuftne, in ©erbereien unb Bofehaarfpinnereien be= 
ftäftigten Arbeiter unb Arbeiterinnen, über bie Haubhabung unb 
2Birfuug ber am 1. 3uli b. 3 - in Kraft getretenen BunbeSrathS* 
oorftriften für bie genannten 3»buftrien zu beritten. Das ge* 
fammelte Btaterial foß bazu bienen, bei bem BunbeSratb jroerf* 
entfpretenbe ©rgänzungcit ber beftehenben Borftnften zu oeran* 
laffen. Bon Sntereffe ift baS Urteil bcS ArbeiterfefretärS, ba| 
bie feit bem 1. 3uli gültigen Borfdjriften „zroar feinen ooflftäubigen 
Sdjufe gegen bie Biiizbranb*3ufeftion geroähren, aber bod) zmeifel* 
los bie ©efafer roefeutlid) abftroäten". 

Deutfte UnfanoerhühmgS*©iurittungeti auf ber Barifer 18elt* 
auSftcßung unb bie Bauarbeiter. 3u einem Buubfd)reiben au 
bie Berufsgeuoffenftaften mad)t baS Beit^BerfidierungSanit zu 
ber beoorftehenbeu parifer 2ßeltauSfteßung 1900 barauf aufmerF« 
I fam, bau nach einem Beftlufe beS ArbeitSauSftuffeS ber tetnifteil 



1297 


Sogtale prajtS. fcentralblatt für ©ogtalpolttil. 9h. 49. 


1298 


Untergruppe bie Berufsgenoffenfcfjaften unb bie Unternehmer nirf)t, 
mie erft geplant, angehalten toerben, ben Arbeiterfdßuß, roie bie 
UnfaßoerhütungS*©inri(htungett in ber PrajiS ober in ber 3form oou 
hobelten oorguführen, fonbern in Anbetracht beS BefcßränftenSRaumeS, 
ber bem SXeid^BerficherungSamt in ber Aufteilung 3 ur Verfügung 
fteßt, im SSBefentlicCjen fich auf eine Aufteilung einer großen 3 a |l 
oon Photographien S u Befd^ränfen. Die ©entralfommiffion für 
Bauarbeiterfcßuß forbert nun bie baugeroerblichen Arbeiter Deutfeh* 
lanbS auf, baS 9teicßs*BerficherungSamt in bem Bemühen, wahr* 
ßeitSgetreu ben fogialpolitifcßen gortfcßritt gu bo!umentiren, burch 
Sammlung geeigneter Photographien gu unterftüßen. ©S hoifet 
in bem StfunofTreiben u. A.: 

Bei ben Aufnahmen roürbe eS [id) um eine Wiebergabe ber ©prüfte 
in erfter Sinie ßanbeln. SStr mürben folgenbe ©intßeüung oor* 
fchlagen: 

a) ©erüftbau ber Staate unb 9ttonumentalbauten; 

b) ©prüfte ber SpefulationS* unb prioatbauten; 

c) Sdjußbäcßer unb ganggerüfte; insbefonbere: 

1 . ©erüft* unb Baueinftürge, mit entfprecßenber ©rflärung unb 
Begriinbung; 

2 . bie fanitären Anlagen unb foldje gunt Sdjuß ber Sittlich* 
feit: bie Baubube, bie Abortsanlagen. 

Hier mürbe es barauf anfomnten, baS Aeußere biefer Anlagen 
(bie $orm), mie auch bie innere (Einrichtung gu geigen. 

Söetin Schmierigfeiten bei ber Aufnahme oon Seiten an flehten ftdj 
ergeben tollten, fo ift nach bem Schreiben beS $ReicßS*Berftd)erungS* 
amteS bie Beigabe oon 3 e ich nini Q* n geftattet. ©benfo münfd)t baS 
9teid)S=BerficherungSamt, baß bie Photographie oon ben betreffenben 
Baubetrieben audi bie betriebstßätigeu Arbeiter in ihrer üblidjen 
tfleibung bei ber Beftßäftigung miebei*giebt. 

Photographien beS „äußeren Baues" finb oielleicßt fäuflid) gu er* 
merben; oerfchiebeue Bilber mögen fich im prioatbeftß unferer Kollegen 
befinben. AnberS liegen bie Dinge für ben ^nuenbau. Hier mürben 
bie Dfenfeßer, Stuffateure, Sföaler u. f. io. gut tßun, ißre „Bfuftergerüfte", 
Irittleitern u. f. m. photographiren gu laffen." 

AuSfcßrctben beS SdjtoeUer BnnbeSratßcS für Herftetang ttn- 
gefahrlichcr 3ünb(jiHger. Das BunbeSgefeß, betreffenb Die gabritaiton 
itnb beit Bertrieb oon 3ünbl)ölgchen, oom 2.Wooember 1898 ermächtigt 
ben BunbeSratß, „Sltegepte neuer HerfteUungSoerfabren, roelche für 
©cfunbheit unb Sicherheit ber Arbeiter in 3ü ll ^P4^ c,t f a ^ r ^ en 
unb beS publifumS befonbere ©ernähr bieten, gu erroerben unb 
ben fyabrifanten 3111 * Berfügung 311 ftellen." Das ©efeß fic^t nicht 
nur bie ^abrifation ber befannten fdjroebifdjeit 3 üubBöl 3 d^en oor, 
fonbern ift namentlich auch beftrebt, ber §erfte(Tung eines unge* 
jährlichen, überall entgiinbbaren .J)öl 3 chenS ohne gelben pßoSpßor 
Borfchub 3 U leiften. Der BunbeSratß labet baher Befißer oon 
^He^eptcn leßterer Art im 3”lonb unb AuSlanb, roelche geneigt 
finb, ihre ©rfinbungeti bem Bunb eoentuett gu oeräußern, ein, 
hierauf bezügliche ©ingaben bis ©ttbe September biefeS S^ßreS an 
bas fehroeigerifeße Snbuftricbcpartement in Bern 31 t rieten. Die 
©ingaben muffen enthalten: 1 . bie genaue qnantitatioe 3 u f a ™men* 
feßmtg ber 3ünbmaffe; 2. eine genaue Darftellung ber ^abrifationS* 
methobe; 8 . ÜJtuftcr ber Hö ließen in ber ober ben bafür beabfieß* 
tigten Berpacfungcn; 4. bie Bebinguitgen, unter benen ber Befißer 
beS 9tegepteS baffelbe bem feßroeigerifeßen BunbeSrath abtreten 
mürbe. Die eingegangenen fRezepte merben unter Wahrung beS 
gabrifationSgeheimniffeS ber Prüfung einer ©ypertenfommiffion 
unterteilt. (And) bie belgifche Regierung hot oor einiger 3«t eine 
ähnliche Aufforberung unter AuSfeßung eines hohen PreifeS er* 
laffen.) 

Die Shop Hours Act in Bonbon, Der eben erfchienene SahreS* 
beridjt beS Public Control Department beS Conboner ©raffcßaftS* 
ratheS fünbigt an, baß in 3 u *nnft bie Beftimmungcit ber Shop 
Hours Act mit aller Strenge merben burchgefüßrt merben. Bisher 
haben bie Snfpeftoren llebertretungen bloß gerügt unb bie Heber* 
treter gemarnt, roährenb jeßt fofort gur ftrafrechtlichen Berfolgung 
gefd)ritten merben foH. Born 1 . Januar bis 31. 9Kärg infpizirteti 
bie .fontrolorgaite 27 550 ßäben unb fonftatirten in 4568 baoou 
llebertretungen ber Bill, bie Beftimmt, bafe feine Perfon unter 
18 Sohren länger als 74 Stunben bie s 2öo<he in einem Sabctt be* 
fdjäftigt merben barf. $ie Sufpeftoren finben, ba§ bie Befcfjäfti* 
gung jugenblicher Perfonen in ßäben überhaupt im Abnehmen 
begriffen ift. _ 




^ürforge bei mürttembergifcheii SRinifiteniitnS für ben ArbeitS« 
nachtoeiS» — StübtifcfieS Arbeitsamt in Stuttgart 1898. &as 

mürttembergifche TOnifterium beS Ämtern h°i 3 ur Sörberung beS 


ArBeitSnachroeifeS unb gur Herbeiführung feiner ©entralifirung in 
©rroeiterung ber Bereits früher getroffenen (Einrichtungen im Sofjre 
1898 ben Aufrufe ber Allgemeinen ArBeitSnachroeiSanftalt Pforg* 
heim an ben für bie mürttembergifchen Arbeitsämter eingerichteten 
BerbinbungSbienft genehmigt; es hot mit bem baperifdjen 9)ti* 
nifterium beS 3onern oereinbart, bafe bie mürttembergifchen fom* 
munalen Arbeitsämter mit benen in Btünrf)en, Straubing, £aiferS* 
lautern, Bamberg, Nürnberg nnb SBürgburg errichteten ©entralen 
in einem unmittelbaren AuStaufch oon ßijten ber erledigten Stellen 
überall ba eintreten, mo biefer nach bem ©rmeffen beS eingelnen 
Arbeitsamts einem Bebürfnife entfpricht.*) ©ine gleiche Berein* 
barung ift mit bem babifchen Blinifterium beS Snnern gur An* 
Bahnung eines unmittelbaren BerfehrS gmifd)en ben miirttem* 
bergifchen fommunalen Arbeitsämtern unb ben ArBeitSnachroeiS* 
anftalten beS babifchen ÖanbeS abgefchloffen. 3n Solgc beffen findet 
ein regelmäßiger BafangenauStaufch mit ben Arbeitsämtern in 
Btünchen, Bamberg, Nürnberg, Biürgburg unb $aiferslautern, fo* 
mie mit ben ArbeitSnadjroeiSanftalten in Mannheim, Karlsruhe, 
.f onftang, Sreiburg i. Br. unb geitroeilig auch mit bem Arbeitsamt 
Heibelberg ftatt. 2 )amit hot fich ober bas Btinifterium nicht be* 
gnügt; cS hot angeorbnet, baß bie ^achroeife über bie bei ben ein* 
gelnen Arbeitsämtern nid)t befriebigten $ad)fraaen nach Arbeitern 
roährenb ber Btonate Blärg bis 9?ooentber am Aoenb beS ^ienftag, 
Donnerstag unb Sonnabenb jeher BBoche burch &ie mit bem 
ftäbtifchen Arbeitsamt Stuttgart oerbunbene ©eutralftette an fämmt* 
liehe ©emeinben mit mehr als 2000 ©inmohnern unb an Heinere 
©emeinben, bie es toünfchen, oerfanbt roirb. Die Arbeitsämter 
finb aitgemicfen, bie DrtSoorfteher, Herbergen gur Hcimath, Ber* 
pflegungSftationen unb Arbeiterfolonien mit gur ArbeitSoermitteluug 
herangugiehen. Die portofoften bafür bürfen ber Staatsfaffe gur 
fiaft gefchriebcn merben, bie auch bie 9teifefoften unb Tagegelber 
für bie BerroaltungSbeamten ber fommunalen Arbeitsämter trägt, 
bie an ber jährlichen 3 u fommenfunft theilnehmen. Da troß biefer 
Btaßnahmen eine SReifje oon Arbeitsämtern eine roenig erfolgreiche 
Thätigfeit auSiibten, empfahl bas ÜUiinifterium ben Stäbten 
bringeub, bie ©efchäftsführung ber fommunalen Arbeitsämter gurn 
Hauptamt , ber mit biefer gunftioit betrauten Beamten gu ma^en, 
gum minbeften aber diefe T(;ätigfeit auSreicheitb gu honoriren. 
Das SDtinifterium läßt fich bk Befanntmachung ber BermittclungS* 
einrid^tungen unb bie ©rrichtung neuer Arbeitsämter fehr angelegen 
fern. Die ©eneralbireftion ber mürttembergifdjen Staatseifen* 
bahnen hot oom 1 . April 1899 ab, mie bereits mitgetheilt, für 
Steifen auf Strecfen oon 25 bis 100 km ben oon ben gent^inb* 
liehen Arbeitsämtern in auswärtige ArbeitSftellen gefanbten Ar* 
beitern bie halbe einfache gahrtaye gugeftanben. Dem Stuttgarter 
Amt fmb baniber hinaus oon ber Stabt Stuttgart 200 Jt jähr* 
lieh gur Berfügung geftellt. Diefe Btittheilungen mögen geigen, 
roie hoch bie Bebeutung einer guten ceutralifirten Arbeitsoermitte* 
lung in Württemberg gefchäßt mirb. 

Diefe Bebeutung mirb für bas Stuttgarter Arbeitsamt burdj 
meitere Maßnahmen erhöht. ©S hat tm Sntereffe ber ©eittraliftruug 
beS ArbeitSmarfteS bie AuSgahtung oon freimiHigen Unterftüßungen ber 
hiefigeit Brauereien ait arbeitslofe Bierbrauer, Der Budjbinbereibeftßer 
an Biidjbinberei- unb Äartomtagenarbeiter, beS beutfeßen BJetaüarbeiler* 
oerbanbeS foroie beS BerbanbcS ber Schueiber uub Sdjneibcntincu 
DeutfcßlanbS an ihre arbeitstofen Biiigüeber übernommen. Auf Bech* 
iiung ber Brauereien föiinen aueß 9teifefoftenbeiträge nach bem ©rnteffeti 
beS Arbeitsamtes gemäßrt merben. Die ©rfolge find bei biefer Büßrig* 
feit gegen bie Borjaßre geftiegen. Boiit Stuttgarter Arbeitsamt mürben 
1898 in ber männlicßen Abtßeilung je 13 602 (runb 75 begrn. 64o/ 0 ) 
©efudje oon Arbeitnehmern unb Arbeitgebern befriedigt; Arbeits* 
anmeifungen mürben im ©angen 23 885 aiiSgcfteÜt, mooon 13 602 
(s=: 06,97%) erfolgreich maren. ber roeiblicßen Abtßeilung mürben 
je 3209 (b. f. runb 48 unb 79%) ©efueße befriedigt. Arbeitsaumei* 
fuugen mürben 5859, barunter 3309 (56,47%) mit ©rfolg, auSgefteHt. 
Die Bermittelung oon Seßrftellen mar unerßeblicß; bie StcHengefudje oou 
roeiblicßen Dienftboten blieben, mie in ben meiften größeren Stabten neuer* 
bingS, gegen bie Stellenangebote erßeblicß guriidf; nad) ber poligeiließen 
Statiftif geigt fieß biefelbe ©rfeßeinung in bem 9Utcfgange ber Sßätigfeit 
ber prioaten ©efinbeoermittler. Bon 184 9ieferoiften finb 131 in Stellung 
gebradjt morben. 9fad) auSmärtS mürben auf 4143 ©efueße oon Arbeit* 
gebern 1771 männliche Stellen oermittelt, meiblicße bei 239 ©efueßen 
nur 88. 

9Rit ziemlicher Sicherheit fann nach Meinung beS Bericht* 
erftatterS (Borfißenber ber ^ommiffton: ©emeiitberath Stocftnaper) 
gefagt merben, baß bie erhebliche Steigerung ber grequeng ber 
mürttembergifchen Arbeitsämter gu einem großen Theil auf bie 
ftaatlicßerfeits getroffenen ©inrießtuttgen guniefgufüßren ift. Die 


*) Bgl. ©efdjäftsbericßt beS Stäbtifdjen Arbeitsamts Stuttgart für 
bas 3aßr 1898. 



1299 


©ogtale $rajts. dentralblatt für ©oglalpoltttf. Nr. 49. 


1800 


aefammte Vermittelung bei ben 13 buchenben Arbeitsämtern ((Sann« 
ftabt, gingen, ©münb, Göppingen, §aH, £eibenheim, §eilbronn, 
SubroigSbttrg, NaoenSburg, Reutlingen, Stuttgart, Tübingen, Ulm) 
tft für männliche Arbeiter oon 15 056 im 3öh^ 1896 auf 17 640 
1897 unb 21 835 im Sahte 1898 geftiegen, in ber weiblichen Ab» 
Teilung oon 5250 auf 5546 unb 6661. 3n Tübingen unb öaH 
roerben weibliche fßerfonen nicf»t oermittelt. Um ben unerroünfdjten 
guftrom su ben Stabten, roie baS planlofe Bäanbent eingubämmen, 
roerben nur bie Nachfragen na<h Arbeitern, roelche an bemfelben 
ober am folgenben Sage nid)t innerhalb ber Stabtgemeinbe felbft 
gebccft roerben fönnen, in bie gu oeröffentlidjenbe Vafangenlifte 
aufgenommen. $>aS befte Mittel gur drreichuna biefeS 
fief)t baS Stuttgarter Amt in ber obligatorifcpen Negelung 
beS ArbeitSnadjroeifeS. 


(fteraerbegeridjte. (Einigungsömtei:. Sdjietegeridjte. 

$er Streif ber berliner Stetnarbeiter unb baS dtnigmtgSamt beS 
©ttocrbegeridjiS. 

Am 8. begro. 13. 3uli b. 3- traten bie Steinbrecher unb Stein» 
me&ert im Bunglauer $>iftrift, ungefähr 500 an ber 3al)l, in ben 
AuSftanb, roeil, roie fie angeben, ihnen ber Sohn nicht nach beit 
geltenden £ariffäben gesagt roerbe. Bergleid)8oerhanblungen fanbcn 
Sroar unter ber Seituna beS BürgermeifterS su Bunglau ftatt, führten 
aber su feinem drgebnih. 1 ) ®ie berliner Steinmetjen behaupten, 
bag man oon ihnen »erlangt habe, fie füllten bie unfertige 
Arbeit ihrer ftreifenben Bunglauer Manteraben oollenben. Sie feien 
aus bicfem ©runbe genötigt geroefen, am 24. 3uli b. 3- ebenfalls 
bie Arbeit niebersulegen unb mit ben Bunglauer Steinarbeitern 
gemeinsame Sadje su machen. 2 ) 

(Es roirb bemerft, bah bie berliner unb Bunglauer Steinmefcen 
weift biefelben Arbeitgeber hüben. S)iefe gehören ber berliner 
Steinmebinnung an. Von ben Berliner Arbeitern rourben nach* 
ftehenbe gorberungen aufgeftellt: 

1. Allgemeine (Einführung ber Sohnarbeit mit einem Nfinimal* 
lohn oon 70 4 pro Stunbe. gür Ueberftunben ift ein gu* 
fdjlag oon 20 4 pro Stunbe, für Sonntags* unb Nachtarbeit 
ein |)ufchlag oon 50 % s u sahlen. 

2 . Vom 24. ^uli 1899 bis sunt 24. gitli 1901 ift nur im Sage» 
lohn unter^wUfaQ jeglicher AlforbarBeit gu arbeiten. 

8 . Auf bem söerfplape beträgt bie ArbeitSseit täglich acht 
Stunben. Beginn berfelbeit Borgens 7Vs Uhr — Schluß 
' 5 Uhr Nadjmittags. (ES ftttb 7a Stunbe grühftücfSpaufe unb 

1 Stunbe BUttagöpaufe su geroährlciften. 

dagegen foU firf) auf allen Bauten 2 c. Anfang unb 
Raiter ber ArbeitSseit nach ber ber SJtaurer richten. 

3>ie Arbeiter erflären, bah fd^on oor bem AuSftanbe bei oer* 
fchiebenen ber bebeutenbften ginnen ca. 75 % aller befdjäftigten 

«) £ie gorberungen ber Bunslauer Steinmehen ftnb folgenbe: 

a) yofjnsahlung unter ftrenger gnnehaltung beS für bie geit 
bis s um 1* Nfärg 1900 oereiubarten Sohntarifs unb Mlar* 
ftetlung einseiner Nationen in bemfelben. 

b) Allgemeine (Einführung beS £agelohneS oom 1. SJfärg 1900 
ab unb groar für bie Steinmefcen pro Stunbe 55 4> für bie 
Steinbrecher 50 4 . 

c) Beibehaltung ber jefct bereits üblichen neunftiinbigen ArbeitSseit. 

a ) gn Berlin ftreifen etroa 400 Btann. &en Streifenben höben 

fich übrigens 80 Steinutehgebülfen in BreSIau, welche bort für einen 
Berliner Arbeitgeber tjjätig roarett, atn 29. guli b. g. angefd)loffen. 

Sie Breslauer roimjdjen f)öuptfädjltd) ftrifte gunehaltung beS am 
1. HJfärg 1899 mit ihnen oerabrebeten Sohntarifs. 

gntereffant ift, bah bie Arbeiter, um einen Abfall Streifenber su 
oerhüten, oon ihrer Crganifation angehalten finb, einen AeoerS su 
nnterfdjrciben. gn bemfelben Reifst es: „(Etwaige Unterjtüfcung, gleich* 
uiel ob cs Steife** ober Streifunterftübung ift, roirb nur unter ber Be* 
bingitng geroährt, bafj idj mich folauge au bem Slreif betheilige, bis 
in einer oom Streifformte berufenen Berfammluug bie Beenbigung beS 
Streifs orbnungsmäfjig befd)lofien roirb. geh oerpflidjte mich baher 
für ben galt, bah id) oon bem Streif abfalle, bie empfangenen Unter» 
ftiibungsbeträqe jebergett auf Auforbern an $errn 3f. gitriicfgugal)len." 

£b bie Arbeiter sur (Erfüllung ber burch ihre llnterfchrift über* 
nommenen eoentuelicu Berbinblichfeiten geridjtlich gesroungeu roerben 
fönnen, foll nnerörtert bleiben. 

Ser Arbeiterorganisation roirb an bie (Erftattung ber cinselnen 
Beträge and) nur roenig liegen. (Es hanbclt fidi hier roohl mehr um 
einen mornlifrficu Srucf auf bie Arbeiter. Sie follen oeranlafjt roerben, 
ber Ölenteinfdiaft ber Stcifenben treu su bleiben. 

(Ein ähnlid)es Berfahren, roie bie Arbeiter, beobadjten befanntlid) 
burrf) Stonoentionalftrafc bie Arbeitgeber, »nenn Stafmahmen ihrer Ber» 
bänbe gegen bie Arbeiter in grngc fouunen. 


©efellen gegen £agelohtt arbeiteten. &amit fei ber Beweis er* 
bracht, bah ber Sagelohn einführbar fei. @3 fönne ferner im 
Afforb nur bei lleberanftrengung beS Arbeiters ein eiiügermafeen 
auSfömmlicher Verbienft erhielt roerben, gang abgefehen baoon, bafj 
trojj beS VeftehenS beS £arife£ beftänbig ßohuftreüigfeiten ftatt* 
gefunben hätten. 

B3aS ben Stunbenlohn oon 70 4 onfangt, f 0 au § s 

geführt, bafe ber Beruf ber Steinmefcen ein burtpauS anftrengenber 
unb gefunbheitsfchäblicher fei. 2)ie aufreibenbe £hätigfeit bebinae 
eine gute SebenSroeife unb träftige Nahrungsmittel, gefunoe 
Wohnung u. f. ro. Bei 70 4 ©tunbenlohn erhalte ber Arbeiter 
einen täglichen Verbienft oon 5,60 dt. Auch fei bereits oor bem 
AuSftanbe oon einem ^h e ^ c &er SNeifier ein Stunbenlohn oon 
70 4 un ^ ^ cn ® e fetfen gegeben roorben. 

dnblich hatten bie Steinarbeiter bie Vertürgung ber ArbeitS* 
geit oon 8 V 2 uuf 8 Stunben für unumgänglich nothmenbig, bamit 
fie an ben gefunbheitsfchäbtichen Arbeitsplan nicht gu lange ge* 
buitben ftnb. Sie behaupten, ba^ ihre (DeroerbSgenoffen infolge 
ihrer Xhätigfeit gu einem großen Rrogentfahc ber ßungenfdhroinbfudht 
anheimfallen, roie bieS Dr. med. Sommerfelb in feiner Schrift: 
„$)ie BerufSfranfheit ber Steiumehen" nachgeroiefen höbe. 

Auf Anregung beS Borfifjenben bes Berliner ©eroerbegericht# 
riefen bie Steinarbeiter am 10. Auguft b. 3- baS dinigungSamt 
an. Sie fprachen babei ben fBunfch aus, bafe baS Berliner ©eroerbe* 

S gleichgeitig bie Angelegenheit ber Bunglauer unb Breslauer 
er regele, gumal in Bunglau, Breslau unb Berlin bie gleichen 
Arbeitgeber in Betracht fämen. 

2>ie Bunglauer unb Breslauer Steinarbeiter faxten in ihren 
Berfammtungen ben Anträgen ber Berliner Arbeiter entfprechenbe 
Befdhlüffe unb befteUten gur etroaigen Verhanblung in Berlin Ber* 
treter. 

2)ie Steinmefcmeifter lehnten cS jeboch gunächft ab, fich ber 
Anrufung beS dinigungSamteS angufd^liefeen. Begiiglich ber fdjlc* 
fifdjen Arbeiter feien an Ort unb Stelle bie Verhanblungeit, roelche 
bereits gepflogen feien, roeil bieS groeefmäftiger fei, roeiterguführen. 

gür Berlin beftehe ein oon beiben Parteien auSgearbeireter 
unb noch bis V^ärg 1900 gültiger Sohn* unb Afforbtarif, roeldjcr 
überbies in ber Sifeung beS SnuungSoorftanbS mit bem ©efellcu* 
auSfchufe am 21. 3ult b. 3- oon Icpterem noch ausbrücflich auer* 
fannt fei. 2)ie ©efellen hätten baher unter ben £arifbeftiminungen 
bis Viärg 1900 roeiterguarbeiten. 2)er Abfchaffung ber Afforb* 
arbeit roürben fie nicht beiftimmen. 

Aadjträglid) entfchloffcn fich öie SnnnngSmeifter, oeranla^t 
burch einen Arbeitgcber*Beifiher beS ©eroerbegerichtS, mit ihren 
Arbeitern oor bem ditiigungSamt über bie abgebrochenen Xitferenjen 
gu oerhanbeln, unter ber VorauSfehmig, bah barüber, ob ber feit* 
berige Xaxi\ für bie Parteien bis gum 1. Viärg 1900 gu 5Rcd)t 
beftehe ober nidjt, eine Vorbefprechung abguljalten fei unb bag gu* 
nächft baS ©eroerbegericht über biefen ftrittigen fßunft eine ditt= 
fcheibung fälle. 

$>ie Arbeiter roaren hiermit einoerftanben, gaben aber am 
30. Auguft b. 3- uor bem dinigungSamt eine anbere ^arftclluug 
bezüglich beS äarifeS: Am 1. Viärg 1896 fei ein £arif in Straft 

S etretcn, ber für 2 Söhre, alfo bis dnbe gebruar 1898 ©ultigfcii 
aben follte. 3m 3öh*e 1898 feien hi ern ö«h ^i e gorbcruiigcii, 
roelche in biefem Augenblicf gegen bie Vteifter erhoben mürben, oon 
beit ©efeHen aufgeftellt roorben. ^)ie Vieifter hätten abgelehnt. 
(Ein neuer Xarif fei nicht gu Staube gefontmen unb ber frühere 
oon beit Vieiftern in oielcit gälten nicht mehr beachtet roorben. 
Söenn aufeerbem bie alte Snnuitg fich öufcjclöft höbe unb mit ber 
neu gebilbeten Snnung überhöupt fcinerlei Abmachungen getroffen 
feien, fönne man oon einem Montraftbruch ber ©efctteit burch ben 
Streif nicht fprechen. 

2)etn gegenüber rourbe ooit ber gcgttcrifchcn Seite brroor* 
gehoben, bah bie Steinmefemcificr ber am 21. Dftober 1897 neu 
gcgrüitbeten Snnung in ber Sifcung oom 10. gebruar 1898 bcfdjloffcu 
haben, beit bisherigen STarif auf 2 3öh re bis gum 1. Vf arg 1900 
neu gu bewilligen, diit foldjeS fei bem Altcjefellen, bem Vertreter 
ber ©cfeHenfchaft, am 20. gebruar 1898 |d)riftlich fuitb getban 
roorben. £cn Vfeiftcru roäre oom 20. April 1898 burch Brief oom 
Altgefcüen erroibert, bah bie Berliner ©efctteitfchaft am 19. April fid) 
mit ber unoeränberten Annahme bcS Tarifs auf 2 Sabre ein* 
oerftanbeu erflärt höbe. (Es muffe jeboch bie jefct beftehenbe £arif* 
fommiffion bei etroaigen Streitigfeiten als Vertreter ber ©cfcüeit* 
fd^aft aucrfaitnt uitb innerhalb 14 Xageii eine Sihung mit ben 
Vfciftern eiitberufen roerben. 2>ie (Erfüllung biefer beiben Bcbin* 
gungen rourbe ben ©efcllen burch Schreiben beS DbermeifterS oom 
21. April 1898 gugefagt, babei aber ber SBnnfch geänhert, baft oor 



1301 


Sogiale $Pra$i8. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 49. 


130*2 


ber Sibuiig bic Arbeiter bic einzelnen Vefchwerbepunfte bei* 2arif» 
fomniiffton ben SDieiftcrit begcid)nen möchten. 2 )ies ift nidjt ge* 
frf)ef)cn unb ebenfo ift bic geplante gemcinfd)aftliche Sifcung unter* 
blieben. Aus ben Grflärungett ber gehörten AuSfunftSperfonen war 
entnehmen, bafj bei ben £ohnbered)iiungen biä heute ber alte 2 arif 
Stets benufct worben ift. Unter btefen Umftäuben batte baS Ginigungs» 
amt gu entfeheiben, ba& ber bemängelte 2 arif al^ gültig angu* 
erfennen unb Deswegen bis gum 1. SRärg 1900 gebalten werben 
miiffe. 2)aS GinigungSamt b a b ungeachtet beffen, baft bie be¬ 
antragte gern ein fdjaftliche Sifcung nicht ftattgefunben hat, bic burd) 
ben erwähnten Vriefwedjfel 311 Staube gefomntene Abrebe, baft ber 
alte 2 arif fernerhin angcroenbet werben folle, für binbenb erachtet, 
untfomebr als bie Arbeiter ohne jeben ^ßroteft bis gutn Ausbruch 
De* 3treife£ ben ßohn nach bem 2 arif ftd) haben berechnen laffen. 

Nach ber Gntfdjeibung Des GinigunaSamteS über ben 2arif 
traten bie Parteien in Verf)anblung über Die einzelnen grorberungen 
ber Arbeiter. GS würben non ihnen hiergu bie oben erwähnten 
Ausführungen gemacht. 2aS GinigungSamt oerfiinbete aisbann, 
nachbem bie Veifiper wieberholentlich mit ben Vertretern ber 
Varteieu über bie 311 macbenbeu Vergleichsoorfchläge Nütffpradje 
gehalten, folgende Vorschläge: 

1. 2ie Arbeitgeber oerpflidjten [ich; mit Dein GefeHenauSfchuf) 
bereits Anfangs nächster 2Bod)e über ben Jdobntarif, welker 
uom 1. Sftärg 1900 gelten foll, 31 t berathen. 2ie Arbeiten 
gunt 2arif fiitb Derart 3 U befchleunigen, bafe fpäteftens inner* 
halb 14 Sage bie ein 3 elnen 2arif[äpe feftgefteüt ftttb. Vei 
ben Sarifberathungen etwa entftehenbe 2 ifferengcn werben 
burd) bas GinigungSamt bes Gewerbegerichts, welches inner» 
halb 24 Stunden angurufen ift, gefchlidjtet. 

2. Sdjon jept wirb beftimmt, bah 00 m l.SNärg 1900 ab pro 
Sag 8 Stunden in ben Monaten 00 m 1. Wärj bis 1 . Nooetnber, 
7 l /2 Stunden 00 m 1. Nooentber bis l.SNärg gearbeitet wirb. 
2ie §öl)e ber Begabung notbwcnbtger Ueberftunbenarbeit, 
fowie ber Sonntags* unb Nachtarbeit bleibt ber Verein¬ 
barung ber gnnungSmeifter mit bem GefetlenauSfdjuf} oor* 
behalten. 3 ) 

3. Soweit gegen ©tnnbenlofjn gearbeitet wirb, ift ein ^oljn oon 
minbeftens 70 ?{ pro Stunde 3 U gahlcit. 4 ) 

4. 2er Vergleid) tritt in Kraft, fobalb bie Arbeitgeber ftd) mit 
ben Bunglauer unb VreSlauer Steinmepen refp. Steinbrechern 
geeinigt unb biefe bie Arbeit wieber aufgenommen haben. 
Auch bie Verliner Steinmepen haben aisbann wieber 31 t 
arbeiten. 5 ) 

5. 2ie Verfammlungen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer haben 
über bie Annahme ber Vergleichsoorfchläge 311 befchlicfjen. 

2ie Vertreter ber Arbeitgeber theilten Darauf mit, baft fie mit 
ben Arbeitern ben oorgefcblagenen Vergleich eingeben würben. Als 
bie Arbeiteroertreter eine ablehnende Grflärung beabsichtigten, würben 
fic oon bem Vorfitjenben bewogen, bie Vorschläge bes Ginigungs» 
ainteS einer fofort ein 3 uberufenben Steinmepenoerfammlung oor* 
gutragen. 2a fich bie Arbeiter hierzu willig 3 eigten, würben bic 
Verhandlungen abgebrochen unb befdjloffen, fic am 2. September 
fortgufepen. 

Leiber hat bie Steinmepenoerfammlung bie Vergleichsoorfchläge 
nidjt für annehmbar gehalten, weil bie Afforbarbeit burd) fie nicht 
befeitigt würbe. 

3n ber 3 weiten Verhandlung lehnten furgweg bic Arbeiter ben 
Vergleich ab. 2ie Arbeitgeber bemerften, bajg fie oon bem Afforb* 
fpftem nicht abgeheu wollten, Sie gaben noch an, bap ber Streif 
Bereits weitere (Gebiete ergriffen h a &e, 3 . V. $irna unb 2reSben; 
bort feie» bie Arbeiter anfgeforbert, bis 311 m 4. September bie 


3 ) 2ent GinigungSamt hat Die Schrift bes Dr. med. 2h- Sommer* 
felb: „2ie Verufsfranfheitcn ber Steinmepen u. f. to.", auf welche bie 
Arbeiter fid) begogen haben, oorgelegen. 2er Sianbpunft biefcS Arztes, 
welcher bie Gefundheitsoerhältniffe ber Steinmepen eingehend in feiner 
33 rofd)üre behanbelt, begüglid) ber Steinmepen, geht bahin, bap er eine 
achtftünbige Arbeitsgeit nicht allein für ein erftrebenSwerthes gbeal, 
fonbern auch für eine gerechte gorberung erachtet. 

4 ) 2ie Grhöhung bes Lohnes oon 65 auf 70 halten felbft 
bie ©teinmefemeifter für billig. 

8 ) Auf oorheriges Vefragen ber Arbeitgeberbeifijjer waren bie 
Steinmehmeifter bereit, ben Vorfchlag gu 4. gu acceptiren, um auch liier 
ihren Arbeitern Gntgegcufommen gu beweifen. 


Arbeit wieber aufguuehmen, wibrigettfaKs neue Arbeit nicht mehr 
ausgegeben werben würbe. 2>ie Unternehmer in $irna unb Bresben 
hätten befihloffen, fämmtlichc Arbeiter gu entlaffen, bic aus bCtt 
Sheifgebieten Vunglau, Verlin unb VreSlan gefontmen fiitb. 

3Jer Verbanb beutfeher Steinmebmeifter habe ferner ben Ve* 
f^Iu& gefaxt, 00 m 4. September bis auf SBeitereS * ©efelleit nicht 
einguftellen. 6 ) 2)a Vergleid)Socrhanblungen fich 3 ^ 5 

fchlitgeu, fällte bas GinigungSamt ben Schiebsfprud), welcher bie 
befannt gemachten Vergleichsoorfchläge gur ©runblage h fl t. 3)eit 
Parteien würbe gur Ueberlegung, ob ftc fich & ein 3prud) unter* 
werfen wollen, eine $rift bis gum 15. September gestellt. 

Verlin. Vi. 0 . Sch ul 3 . 




2er Atricg. Von 3ol)ann oon Vlod). Ueberfehuitg bes ruffifdjen 
SBerfeS beS Autors: 2er gufünftige Äriea in feiner tedjnifdien, 
oolfswirthfchaftlicheu unb poütifdjcn Veoeutung. (Verltit 1899, 
Vuttfammer <fc SRühlbrecht, Vuchhanblung für Staats* unb 
AechtSwiffenfdjaft.) 

Von bem umfangrcidien SSerfe ift je^t aud) Vb. 2, 4 unb 5 in 
beutfeher Sprache erfdjiencn unb bic Ueberfcfcung bamit gunt Abfdilufe 
gelangt. 2er gweite Vanb behanbelt beit „£anb!rieg w , ber oierte „bic 
öfonontifchen Grfdjütterungen unb materiellen Vcrlufte bes 3ulunftS* 
friegeS" unb ber fünfte „bie Veftrebungen gur Vefeitigung beS Krieges - . 
Namentlid) ber oierte Vanb ift werthooll burch feine gahlreidjeit 2ia* 
grantme unb Äarten. Von 100 gres. Nettoeinfommen waren Demnach 
für ÄtriegSfoften aufguwenben: 0,92 gres. in ben Vereinigten Staaten, 
2,31 in Defterreid), 2,44 in Gnglctnb, 2,79 in 2eutfd)lanb, 3,82 in granf* 
reidi, 4 ,13 in Italien unb 7 ,71 grcS. in Nu&lanb. gn einer befonberen 
Vrofd)iire mit bem 2itel „2ie Unmöglichfeit, ben Verwunbeten auf bem 
Schlad)tfelbc -§ülfe gu bringen," ift oer gnljalt beS 29erles, foioeit er 
bie gürforge für bie Verwunbeten betrifft, einem größeren ^ublifnm 
gugänglich gemacht. 

Sonberabbrud aus bem Verwaltungobericht beS SNagiftratS 
ber Stabt VreSlau für bie 3eit 00 m 1. April 1895 bis 
31. N?ärg 1898. Armenpflege, üranfcnpflegc unb öffentliche 
VSohlthäligfeit. 

•IpniiShdltSpIäue ber Stabt SNülheim a. b. Nul)r für bas Jahr 
1899 unb Bericht über bic Verwaltung unb ben Stanb ber 
Gemeiube-Angelegcnheiten für bas 3ah^ 1898/99. 

Le Bon. Cb. GillAs de Pelichy, Le regime du travail dans les 
principaux ports de mer de l’Europe. Louvain 1899, Polleunis 
8c Ceuterick. 

gn bem Buche werben bie Bebingungen ber Arbeit unb bie Ver* 
hältniffc ber Arbeiter (ber ArbcitSoertrag, bie moralifdic unb materielle 
Sage ber Arbeiter),* bie oerfchiebenen BetriebSfpfteme ber einzelnen 
^äjeu, bie Arbeiteroereine, bie Arbeiterbewegung gunächft im Allge¬ 
meinen unb mit genau berielben Gintheilung für bie folgenben eingelneu 
.^afenplä^e bargeftellt: Sonbon, ^ioerpool, ^ull, Nottcrbam, Hamburg, 
Bremen, Bremerhaoen, Üöln, 2e §aore, SD^arfeiHe, Nantes, Nouen unb 
£eS SableS b’Clonne. 2urch biefe rein ntechanifche Stoffglieberung 
fteflt fid) ber allgemeine 2heil als eine foutpenbiöfe Söieberholung bes 
fpegieüen 2heileS Dar. 

Breslau. Sonberabbrud aus bem Verwaltungsbericht beS SÄagiftratS 
ber Stabt Breslau für 1. April 1895/98. 

Bauten, Beruht über ben Stanb unb bie Verwaltung ber ÖJemeinbe* 
angelegenheiten ber ^rooingialhauptftabt Baupen. 


6 ) 2er „Vorwärts" berichtete übrigens, baf) bie Arbeiter in 
Vunglau gum groben 2hfilc bei ben jejjigen Gmtearbeitcn Vermenbung 
gefunben hätten. 2ie Arbeitgeber follen nun bei bem iianbratl) bes 
Greifes oorftellig geworben fein, ben Sanbwirthen bie Annahme oon 
Steimncben gur Arbeit gu unterfagen. 2er 9anbrath h^be biefen Antrag 
guriidgemiefen mit ber Begründung, bab es ben Steinmefcen freiftänbe, 
[ich als Grntearbeiter gu oerbingen. 

Bei biefer Gelegenheit möchten wir auf einen gaH, ber umgefehrt 
liegt, bmbcuten. Gin Berliner 2iefbauuutcrnehmer h«t mehrere Arbeiter 
eines Nittergutsbefibers, beiten bie 2anbarbeit nicht mehr pafjte, gu 
feinen Bauten engagirt. 2er NittergutSbefiber will bie Befdjäftigung 
ber ßcute burch ben 2iefbauunternehmer nidjt bulbenunb hot Befdjwerbe 
erhoben. 2as Grgebnib berfelben ift uns no^ nicht befannt. 

£>ier wie bort haben bie betreffenben Arbeitgeber auf §. 125 ber 
Gewerbeorbnung p<h geftüfct. 


®ie gleichgeitig h^nnit ausgegebene Nr. 12 ber 3ÄonatSfchrift | 
,,^a$ ©eloerbegmeht" enthält: 

Nefultate ber Nechtfprechung eines größeren Gcwerbcgcrid)tS; 
^)er Gntmurf eines Gefeh^ betreffeub bie Abänberung ber Gewerbe* 
nrhitima. — Verfaffmtg 1111 b Verfahren. GewerbegerichtSwahl. I 


Unrichtige fiooSgichuitg. Wahlrecht beS ^ßrofurifteu. — Ned)t- 
fprechung. Viittheilungen aus ben Gntfcheibungen ber Gewerbe* 
gerichtc Hamburg, 5h*efelb, gfranffurt a. SN. — Verfchiebeites. 
Kleine Vtittbeilungcn. — V erb a n b S - A it g eleg e nh e i t e it. 3 111 ’ Nad)* 
rieht. — Brieffaften.ü, 2arinftabt; Verfdhiebene Anfragen. 









1303 


oktale Bra£t$. (£entralblatt für 8ojialpolttif. 9fr. 49. 


1304 


2>ie Vrart*" erfdjeint an jebem ©onnerStag unb ift burd) alle Sudjhanblungen unb ^Joftämter (Boftjeitungdnuntmcr 7072) gu begehen. ©er ^rei§ 

für ba« ®iertctjabr ift 2Jt. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 Bf- 3)« AnaetgenpreiS ift 60 Bf- für bie brcigcfpaltene Beh’4eile. 


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den Vereinigten Staaten von Nordamerika 

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—-— XII, 132 Seiten. Royal 8°. Preis: 2 Mark 80 Pf. -- 

Die zollpolitischen Verhältnisse zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehören t # JtftaUfplIjiljteit hfr 

zu den brennendsten Tagesfragen, eine eingehende sachliche und objektive Beleuchtung des ftättifitjen unfc lanMidpn jkatflkfrung. 
Exports der Vereinigten Staaten aus der Feder eines Kaufmannes, der fast ein Vierteljahrhuudert Bon <2Dcu?l $aUdb. 

mitten ira internationalen Verkehrsleben gestanden hat, darf auf besondere Beachtung zählen. — 1897. ^reh? 2 Bff. 20 Bf- m—mm ■ 


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Stadtcttberger, 91., ;jur Innimiirthirijrtitlidjni ,'vagc bei- ('itgoimmrt. \ 9Wiaäfoto$ff, 91. t>on, ;Mgrurpoltttief)c ;{cit« imb Sueitfroacn. i<or- 


Ä 3W. 

(ftcrbotte, $eitttid), Tic Aothlagc her ^anbuünhirfiau unb hie länb= 
lirfjen Bereinigungen. i A't. 4u B’"- 

CBrofmsittstt, gtfebrid), lieber bic gutvhcrrlid)=bäuerlirfu'n Aeditv'ücr* 
hältniffe in her AKarf Branbcnburg uom 16. bis 1\ oobrhunbert. 

3 A't. 60 Bi- i 


träge, Befcratc unb OJutadjten. - 6 9$. 40 Bf- 

3 n tj a11: SDjiaIpolitifd)f8 aus ben Edjroeijer Alpen — Jic ßage bc« Bauern, 
ftaitbcä in ®reu&en. — 2tc gegeuroärttge ßage ber beutfetjen ßanbiolrtfd)aft. — 
Sie ffininbeigentamSperteilung unb «rbrcdjtäreMU’in in 2eutfd)laiib. — 2a« 
ftnerbeiuedjt unb ba« rünftige Sürgetlidje defefcbud) für ba« 2eutfd>e SHeidj. — 
3>ie öutgübergabe* (Altenteil**) Berträgc. — 2ic SÄäfelgreitSbeftrebungeit unb 
bie ÖrnmiiiDeiiifteucrreform. — Ueber Wentengüter. — 3ur ©ährunggfrage. — 
2a« Idnbüdje OlenoifciifdjaftSrDcfen in ® teuften. — 2ie Ecijotjung ber lanb* 
ipirtfdiaftlicftcn Ed)ufc.iöQc. — 2er ©uc^er auf bem ßatibe unb bie Organisation 
bee länblidjen ftrebit». 


(tfrünberg, Jtarl, Tic Bauernbefreiung unb bic Auflegung bcc- gut** 
berrlid)=bäiteriteben Bcrhältniffe* in Böhmen, Bi ähren unb Brfilciicn. 
v iu»ei Teile. 1 1 » AV. 

tfrfter leil: llcbcrblief ber (Sutioirflung. 

3iunici icil: 2ie Slcgultcruug ber guteficrtlidi-^perlidjcn i J crb.attinMe von t.f*o 
bt* 1848, uad) bcu Afteu. 

Ott, {felis, £ ie Crganifation be* Bobenfrcbits in Tentirfdanb. <;\n 
3 Abteilungen.) (£rfte Abteilung. A. u. b. 2.: Tie fiaatlirfien unb 
proninjielleu Bobenfrebitinftitutc in Tcutidilanb. 2 Bbe. 24 A><. 

I. Suhpideliing*gefd)td)te unb Etntiftif. 

U. Organifdjc Stiftungen. 

311 ber jnielteu Abteilung be« ©rrfe# feilen bie genoüeip'rtjaftlid) organifierten 
^nftitute, in ber brüten Abteilung bie ifobenfrebit Alitcnbanrert tu gieidj um* 
faffenber ©eife befjanbelt roerben. 

£oh*arb, ^emtantt, B?ie hat ftd) ber Vaiibwivt $ur progrcitimi 
(Sinfoinmenfteuer 51 t verhalten? 1 AV. 

Simma^tetnegg, fiüti Sfjeobot bon f Tic Au«hilbnng ber grünen 
01 runbherrfd)aften in Teutftfjlanb umhrenb ber tinrolingerjeit. 

3 A't. 20 Bf. 

Unapbr ®rotö ^fricbridie Tic Bauernbefreiung unb ber iln'pnmg 
ber Vanbarhciter in ben älteren ^heilen BrnoV"^- ^met iheile. 

10 A't. 

1 . Ucüerblicf ber öntrotcfelung. 

il. 2>ie Stegulirung ber giitel)errlic^*bdueritct)eit Bcrl)allnt''c con i toi; btö 1S57, 
nacti ben Afteu. 

— ('Inuibherridiait unb Rittergut. Borträge uebit hiographifdieu Bei= 

lagen. 3 A't. 20 B T - 

Inhalt: Canbarbeiter uitb innere Molonifatiou. — Xic lanblidje ^erfajiuug 
»iebcrf^leficn?. — Tie Saucrnbefretung in Ceftcrreld) unb in ^Jreuken. — 
lie QJnmbtjerrfdjaft tu DlcrbiDcitbeuifcblanb. — eiebdung unb Agrarrocfcu 
midj A. SMelfyctt. — Biogrnpliifdjc Beilagen: (i. Slnffe; vennami unb .nelfcridj; 
<i. o'ugcl; ü>. .paniien. — Äumerfiingcn. 

— lie Vanbarheiter in Mneditfdiaft unb Freiheit. A't er A'orlidge. 2 AV. 

guijalt: Jev Uriprung ber eflnonei in ben ftbiomeeit. — 2)ie l-ancrlicljc 2ctb- 
cigenfdjaft im Oftcit. «ie (Jrüiuiieilhanigfclt unb b:e faiutaliuttiic ffltrtli 
Ujaft. — 2ie ßanbarbeiter bf. biv ciem-Ct'irbeiit'eigpdicu lr.g. — 

'.'innieilungeii. 

'Wtia^foluijfi, 31. t>oti f Tat? Broblem ber <'iim:bheüiu j ei;eiiuug in 
geidiiehtliduT oumueflmig. Borleiimg, gehalien beim Amnti beo 
2ebram:> an ber A s Aieuer llniueriimt am l->. Z t tob er 1 '.A't. 


diimplcr, T-omäncnpoIitif unb Olrunbctgeuthum^uertheilung uor» 
nefjmlicf) in B rcu 3 cl1 - 5 Al?. 40 Bf- 

3£öaJtcr, ;{ur Artige ber Crganiiation bc» laubtiurthicfianUchcn 
Mrcbitö tu ^eutfdilaub unb Ccfterreidi. 3 AV. 6u Bf. 

8cf)Htte, Bruno, Xie ^üfantmenlegung ber Olnutbfriicfe in ihrer nolf*?- 
uiirthi^aftlic^eit Bebeutnng unb ^urd)fnf)nuig. Xrei Abteilungen. 

2s AA\ 

I. AUgemciner ifjcil. tjinielprcid 4 3». 

II. epedeüir Sljctl, erfte Cuilfie: %>ai ftönigreid) ^reufeeu. (itnielpretS 16 SB. 

HL SpecieDer iroelie Wülfte: »te bemfc^cn SBittel* unb ftleinftaaten. Hnfjang : 

Aukerbeutfc^e Eiaaten. Sladjträge. «inielpret« 14 S». 

8dinapper 3frtihL Göttlich, günf ^orfgemeinben auf bem hohen 
Sauiui*. (Sine fo^ialftatiftifc^e Uuterliidping über Älcinbaucrntfnim, 
$>aii0inbuftric unb Bolf^Iehen. 8 Bt. 

Gering, SÄflj, ^ic Ianbnnrthfd)aftlid)c tfonfurren^ Aiorbamertfa^ in 
(Gegenwart' unb v -fnfunft. Vanbmirthfdiaft, «olcmifatioit unb Ber» 
fetotoeien in ben Bereinigten Staaten uitb itt Brttiid)*A?orbamerifa. 
Auf (^riutb non Steifen mib 3tubien bargefteüt. AVit einer Marte 
in ^arhenbrurf. 15 Bt. 

€omhart^rm^tchcn r x fur ,xragc ber inneren Molcmifation. Xie 
Beregnung ber Stenten auf Aeuteiigütcr uad) bem preuhifdicu Weicpe 
Lunit 7. ^ltli 1891. 1 gjj. 

Stumpfe, <?’intl f Ter fleine Olruiibbcfip unb bic (Hctrcibcpreiie. 

2 Alt. 60 Bf- 

Jnhült: (finleitung: 2)er (Siinluk ber öctrciwprciic auf bie greife bet anbeien 
lanbroirlfd)nfiltd)en Grseiigniffc. ®iel)* unb Slcifrfjetnfufjr nac^ CSuglanb. — 
2er gegenroärtige Eiaub ber Srage tn ßitieratur unb ®olitif. - Anlagen. 

Tfjutt, 3Uphon^, ^anbiuirthfdiaft unb (>)ciuerhc in AltiücIrnfUanb fei 1 
Aiifhchung ber Vcibcigcnidjatt. 6 Alt. 

Stefan Uugarifdie Agrarpolitif. 2)ie Uriadjrn bc^ B l 'ri‘“' s 
failev ber laubnunhidjaitlidjcit Brobuftc unb bic Aifittel ber Abhilfe. 
Autorifiertc beuttdic Aluogabe. 1 SJ?. 60 Bf- 

3iMttich* 3i*crncr, Xie t^runbherrfdjaft tu Aiorbioeft s £eutidilanb. 

13 AV. 

oii; alt: Sorioon. — 2ie lanbli^e iLafaifung Btcbetfad^enä unb ber toefu 
fdlndjeii (freiiicic xiuijannoDcra im is. ^ahrij. - 2te «ef^idjie ber (» unb* 
licniiljafi. — Anlagen, lö^cur* über b; > llrfpiung bev ©roBgruubijerridjaft.) 

ßafrr^ctu^ft, Cf. 31., Tie midi tigeren preurd'dien Aieiormcn ber birefteit 
IduMithn! rteueru im 1*. oahrhnubert. 2 A^. 4<) Bf. 

Wunder \ v i^sWoi ß t.a i w# iMM.uft bei 3uilu« Sitieiifelb, Berlin. 





VHL gfttjjrpttg. 


Berlin, ben 14. September 1899. 


Stummer 50. 


Soziale prajis. 

^entrafßfctlf för ^ogictfpolifiR 

mit ber SRonatdbetlage: 

Das <Bewetrbe<$mcht. 

©rgatt öes Derbanbcs beutfdjer (Setr>erbegeridjte. 

Rette golge bet „Vlätter für fojiale ^tayiS" unb beS „Sozialpolitiken ©entralblattS*. 
drffleint an iebtm Sonnerftag. ^)ecau§gcber: RretS PierieliSftrlift 2 JW. 50 $f. 

SRebaftion: Vevlin W., Vnpmitberftrafjtf 29. Df** ©erlag Oon ©untfer & £mmblot, Ceipztg. 


3nl)ftlt 


£ie ^Reform ber fttanfenDet* 
ftcherung. SBori Stabtrütf) poii 
gTanfenberg, ©taunfdjweifl. 1305 
© i e © e w e r b e au f f t cp t in iß reu* 
ßen 1898. illuS ben 3»al)reSberid)ten 
ber @eroerbe* s )lufj'i(bt$beamten. ©on 
©. Saube, ©erlitt.1309 

■1« «meist C»|tal* nub CUirtbfftaft«* 

Usltttt.1312 

©aS Urteil eine« englifcben 
©ewerffd&aftSfübrerS über 
beutfdbe 3lrbett80erl)ältniffe. 
©te ©elaitiinß ber beutfeben Snbufiric 
bnrrf) bie 2(rbciter*©erttcf)erung8* unb 
Scbufeflefefcflebunfl. 

9lfid)öbcrggefeb unb ©eutfeber 3ln» 
toaltötag. 

Stomsraasle •ogtslRoUtit... 1315 

©tabtörjtlidbe llnterfucbung ber 51o[t* 
finber in C^b^^lottenburg. ©er* 
pflidjtuntt ber ©flegemütter. 
Monimimaleö ©Jcrfftättenftatut für 
©ubapeft. 

Äontmunaleö Selepbon in 9?ortt)egen. 
kommunale Sdntlbäbet in (friglanb. 

C«)ti(e 8» H'dnb* .1315 

©ie Arbeiter ber fran^öfifeben 
Sabafinbuftrie. ©on g. Sdjott* 
boefer, ©ariö. 

Lohn» unb 9trbeit$oerf)altni|fe im 
beutfeben äRaurergemecbe 1898. 

©ie 'Ärbeiterfroge in ber amerifanifebeu 
©aumwoflinbuftrie. 


'3f§ett«*tcm«t»nt.1319 

Stein ©erToriSmuS? 

©erbot eines «Streifs bureb bie ©olijei 
in ßwiefau. 

©et Streif ber beutfdjen Steinarbeiter. 
©in ©entraloerbanb cbriftlicber SOlaurer. 
«uS ber ©erliner Strbeiterberoegung. 
©ergarbeiterftreif in Satbfen. 
Lohnbewegung im böbmifeben Stoblcn« 
bergbau. 

General Federation of Trades. 

f9obna*g0m«fes. 1320 i 

SDBobnungSnotb in Stiel. ©on ! 
Stabtrutb Dr. %. Soetbeer, Stiel, 
©lütter für Hamburger SöobnungS* 
pflege 

@etoerbeflert«te. tffntgmtgSämter. 

Mieb«flevt<Dtc.1322 

3kitt^ei(ungen Us # merlegeHgU UerCitt. 
JRebigitt oon Dr. Sdjalborn, ©e* I 
werberiebter, ©etlin. 

©ie Stellung beS Kolonnen* 
fübterS unb feiner ©ruppe 
im ©augewerbe. ©onDr.Stbal» 
born, ©ewerberidjter, ©erlin. I 

©in furjer Streif, ©out ©ewerbe* i 
riebter ©i. o o n S cb u 1j, ©orfifcenbem 
beS ©ewerbegeritbts ©erlin. 
91ecbtfptecbung. 

tttcMftUI« Vngttaen. 1326 


Slbbrud fümmtlicber Ärtifel tft ßeitangen unb ßettfebriften geftattet, jeboeb nur 
mÜ Poller Quellenangabe. 


fite Reform ber firunhemier|tdjerung. 


Rad) ber Refolutioit, rocldje ber Reichstag im Rnfd)luß an bie 
ettbgültigc Rbftiutmung über baö „gnualibenucrfidjeruugsgcfeb" 1 
l)innd)t(id) einer Rudbchnung ber nothroenbigen Mranfcnfaffen* ! 
fürforge oon 13 auf 26 Bodjen gefaxt fjat, unb nach ben Grfläruitgen, I 
bie 001 t Vertretern ber oerbünbeten Regierungen bei (Gelegenheit j 
ber (Gefebesberaibnng abgegeben roorben finb, 1 ) ift e<? roahrfdjetn* ! 
lief), baf> bentnächft, trenn auch oielleie^t uod) uicf)t bereite in ber 
Seffton 1800/1900, eine RooeUe 3 um &ranfenoerfid)eriing*gcfebe 
ben Reidjötag befdjäftigen rcirb. Unb ba feit ber Iepten 5lbänberung ; 
biefcö (Gefetjcö (10. Vlpril 1892) bereite auf oielen ©ebieteu feiner ! 
Slitroenbimg neue (Srfa^ntngen gefammelt fittb, bie bei ber gefefc* ! 

©gl. iiiöbefonbcrc beit MoinmiffiouSberidjt, Rr. 270 ber Rcidi** 1 
tagSbrucfiadjcn l^os/ou 3. 3s ff. 1 


geberifdjen ^l)ätigfeit oermertfiet inerben fönnen, fo barf mau ber 
Hoffnung Ru&brucf geben, bafj bie Reform fid) nic^t auf ein paar 
©in^el^eiten befdjränfen, foubern überall ba belfenb eingreifeit 
toirb, loo fid) s }Rängel oon (i*rf)eblid)feit fühlbar gemad)t fjaben. 
(Sin (Gefep, ba^ eine foldjemille imb Jliannigfaltigfeit oon n)irtbfd)öft* 
liefen Verbältniffen erfaßt roie liefet, famt unmöglich für 3al)r* 
je^nte al§ ein abgefdjloffenee, unantaftbare^ 2 Berf betrautet roerben; 
roie bie Reid)§geroerbeorbnung innfe cc> immer roieber oon ‘3t\t .^u 
3eit eine llmgcftaltung nad) ben erweiterten Vebürfniffeit be^ 
53eben§ über fid) ergeben laffen. 'Ser ^ßraftifer, bem ba^ V^obl 
bee 5lrbeiterftanbeö am $Ser$en liegt, rotrb jebe roirfüd)e Ver= 
befferung mit greuben begrüßen unb ben ©ertb auch ber „gefeß* 
geberifdjen gliefarbeit" nid)t unterfd)äben. 

Sa§ bie Rooelle eine ^lenberung ber itranfenuntcr* 
ftütjungöbauer bringen roirb, beren Riinbeftumfang jefet im $ 6 
?lbfab 2 be^ Üranfenoerfic^ernngSgefebeö auf 13 38od)cn nad) Vt* 
ginn ber M rauf beit be^iefjungSroeife beg Äranfengclbbeguge*? be* 
meffen ift, barf mit 8 id)erbeit angenommen roerben: bie iOicfe, bie 
fid) bei ber gegenwärtigen Redjtölage in oielen gäüeit ergiebt, 
beoor bie gnoalibenrente ciutritt, fann uid)t länger fortbefteben. 
s Bcnn aud) bie Hoffnung auf eine cinbeitlid)e, ^citlid) unbegrenzte 
Äranfeitfürforgc troß ber fel)i* bead)ten§roertben Slu^fübrungen 
Dr. greunbd in biefett Vlättern 2 ) einftroeilen nbd) nid)t in (Sr* 
füllung gegangen ift, fo bringt und bie obige Renberung bod) 
einen großen 8 d)ritt oorroärtd. Sebetifafld ift baranf 3 « redeten, 
baß bic Vcrfidjeningdanftatten fortan ba^ .?eiloerfal)ren nach §. 12 
bed 3 noalibenoerfid)erungdgcfebci? aud) bei oorübergebenb (fr* 
roerbsunfäbtgcu zeitiger unb häufiger ald bidljer übernebnten unb 
baburd) bie ilranfenfaffcn entlaften roerben. 

(Sd läßt fid) freilich nicht oerfenuen, baß bie R^ebraudgaben, 
welche ben ^ranfenfaffen in golge ber Slndbebuung ihrer Unter* 
ftüpuug bid ju einem halben gahrc entftehen, nid)t ganz unbeträd)t* 
lid) finb. lieber ihre £>öbc nnb Serfnng ift |d)on in ber Reid)^* 
tagdfomtniffiou (ogl. ?lnmcrfmig 1 ) oerhanbelt. (Sd rourbe oon 
einem RUtgliebe berechnet, baß ein Rlchrauftuanb oon über 8 % 
befielt erforöerlid) fei, road in ben erfteit 13 Bochen an Mranfeit* 
nnterftüpung bezahlt werbe, ober für jebcd Riitglieb jährlid) etwa 
1,k; cV/. Betttt man auch Vebenfcn gegen bic Richtigfeit biefer 
auf bie 3 a ^l en e i llcr Q^afien § a ntburger ^u’ilfdfaffe aufgebauten 
8 d)ätjung haben mag, fo roirb matt bod) ber ftatiftifd) belegten 
9lnfid)t beipflichten muffen, baß roeitaud bie meifteu Mrattfbeiten 
weniger ald ein Vierteljahr, ja noch nicht einmal brei oolle Bodjcir 
bauern. Uebertricbcn hoch barf man fid) bedhalb bie Velafnmg ber 
Mafien burd) bic Reiterung nicht oorftcflcn, unb nur bei fehl* fletiteu 
Maffen, gegen beren Errichtung nnb gortbeftanb ueuerbingv mit 
Red)t gefämpft roirb, famt bae plöplidje Auftreten mehrerer ber* 
artiger gälle erljeblidje 8 d)tüierigfeiteit heroorrufen. 

2 ) 3p. 373 ff. bov VIII. gabrgang^ ber ,.3ojialen ©variv '. 













1307 


1808 


Sogtale ^rajrtS. Hentralblatt für Sogialpolitif. Ar. 50. 


35*a# aber bk 2>ecfung anlangt, fo ift bie oon einem 9tegie* 
ruitgSoertretcr in ber Äontmiffion erörterte Örage, ob nicht etroa 
in irgeitb einer 2form bie BerfttherungSanftaltcn mit einer Cuote 
gu biefen erhöhten haften prangujiepn feien, meine# ©rächten# gu 
verneinen. ttRan roirb non einer berartigen s Dta ßregel, bie ben 
Aufbau unfercr Arbeiteroerficherung um eine eigenartige SRücfoer* 
ftcfjening bereichern unb gu oielen «Streitigfeiten führen mürbe, 
genug fo lange abfehen müffen, al# e# möglich ift, auf einem 
auberen gangbaren Bkge Hrfaß gu befchaffen. 

$a# SlranfenoerfidjcrungSgefeß läßt in §. 31 Abfaß 2 für bie 
0rt#franfenfaffen, beiten in bkfer Begiehung bie Betricbs(2fabrif)*, 
Bau* unb 3nnung#franfenfaffen gleichgestellt finb, eine Hrhößung 
ber Haffenbeiträge, foroeit fie ben Huffenmttgliebern felbft gur Saft 
fallen, grunbfäßlich nur bi# gur |)öße oon 3 o/ 0 be#jcnigen Be* 
trage# gu, nach welchem bie H'ranfengelbgahlung gu bemeffen ift 
(burchfehnittlicher Jage* ober Hlaffenlohn, roirflicher ArbeitSocrbienft 
be# Hiitgelnen). Aur mit 3uftimmung ber getrennt gu befragenben 
Arbeitgeber unb Haffenmitglieber fann gur ©ecfmtg ber Btinbeft* 
leiftungen über bie 3 o/ 0 hinau# eine Beitragserhöhung befchloffen 
werben. Ja# roirb wohl in gang feltenen Satten gefchchett, ba 
fchon bie Erhöhung bi# gur Aormalgrenge weift auf heftigen 
BMberftanb ftöfet. Berfagt bie ©eneraloerfammlung bie ©enehnti* 
gung ber an fich nothroenbigen Steigerung über 3°/o, fo tritt 
nicht ber behörblidje 3wang ein, fonbern bie Stoffe ift gu fdjließen 
(§. 47 Ar. 2). 

H# liegt mir fern, Aenberungeit an biefem Aecht#guftanbe gum 
Aachtheile ber Haffenmitglieber oorfchlagen gu rootten. (Sin Bei* 
trag oon 3 o/ 0 b e # eigenen Lohne# ift eine reichlich hop Ausgabe: 
bei einem Söochenoerbienft oon 6 • 2,^ = 15 c 4L fällt e# bem Ar* 
beiter nicht leicht, fleh jebe#mal 45 4 wöchentlich abgiehen gu laffen, 
gumal baneben noch anbere Abgüge Onoalibenoerftcherung u. a. m.) 
in betracht fomtnen. BHe aber bei ber Snoaliben* unb Alter#** 
ocrficherung bie Beiträge beiber gleich hodj ftnb unb mit 

ber gleichmäßigen Betheiligung oon Arbeitgebern unb Berlinerten 
an ber Berroaltung ber gangen Hinrichtung in Hebereinftimmung 
ftehen, fo follte man fich aut h entfließen, um benfelbeit Brei# 
ben jeßt % betragenben Antheil ber Arbeitgeber an 
ben gefammten ,Hr anfenfaffetfbeiträgen auf V> gu er** 
höhen. Jk Leiftungsfäßigfeit ber Hranfenfaffen roirb baburch 
mit einem Schlage eine anbere. Läßt man ben bem Arbeiter felbft 
gur Laft fattenben Beitrag unoerminbert, fo erhöhen fich bie Waffen** 
einnahmen burch bie Berboppelung be# Arbeitgeberbeitragc# um 
33 V 3 o/ 0 ; e# roirb aber troß ber Hinführung ber 26 wöchentlichen 
llitterjtüßung oielfach eine Hrmäßigung ber Beiträge um runb 
20 o/o eintreten föniten, ba nach ber obigen Schälung bie Btehr* 
auegabe noch nidst auf 10% gu oeranfchlagen ift. 

Al# ©egengabe aber räume man ben Arbeitgebern ba# SR echt 
ein, in ber ©eneraloerfammlung unb im £affenoorftaitbe bie 
£)älfte ber Stimmen für fich in Anfpruch gu nehmen, unb gebe 
ber Atörperfchaft roenigften# bei ben 0rt#fran!enfaffen 3 ) unparteiifche 
Beamte al# Borfißenbe nach Beftimmung ber Aufficht#behörbe. 
Blatt roirb mit biefer „paritätischen 0rganifation," roie Dr. greunb 
a. a. 0. burthau# gutreffenb heroorhebt, beffere Hrfahrungen machen 
al# mit ber gegenwärtigen Hinrichtung, bei ber e# leicht fo fommt, 
baß bie Arbeiter je nad) ihrer Berfönlid)feit entroeber gar nicht# 
ober gu oiel gu fagen haben. Bielleicht ift e# bann entbehrlich, 
eine anbere gragc au#brücflich gu regeln, bereu Bebeutung neuer** 
bmg# immer mehr in ben Borbcrgrunb getreten ift: Ja# Ber« 
hältni# groifchen Hranfenfaffen unb Aergten (ogl Sp. 974 
be# 8. Jahrgang# ber „Sogialcn 'prajüS"). H# läßt fich annehmen, 
baß bei einer nach obigen ©runbfäßen erfolgenben 3ufammcnfeßiing 
ber MraufenfafferoBorftäube bie beredjtigtcn Jvorberungcit be# ärgt* 


3 i Bei beit ^nnuug#franfrnfaficu ficht §. 90 ber Acid)#*Wc= 
werbeorbmtug bie Blögliditeit einer abwenhenben Regelung oor. Soweit 
mir befamit, begebt iubeß fehl* wenig Aciguug, oon ber bort gegebenen 
Bciugniß Webrand) gu tnadieu. — Bei ben Betrieb#» unb Bau** 
f laufcufaifcu finb bie Bcrhältniffr io eigenartig, bar, man bem llnter*- 
uchnier, ber eine folche «affe für feine Arbeiter in# Xfebeit ruft unb mit 
feinem Bermögeu ba# Aififo ber SWebraufroenbungcii tragt, ba* Aedit 
auf ben Maffcuoorfip nidit fd)tndlcru fällte. 


lidjen Stanbc# beffere Berücfftd)tiguitg al# bi#her finben werben. 
Sür unguläffig würbe ich e # bagegen halten, ben Hranfenfaffen bie 
Htnführung ber freien Argtroaßl gefcßlich binbettb oorgufd)reiben, 
gumal ba bie BkhrauSgabcn, welche burch bie Hrroeitcrung ber 
Ünterftüßungsbaucr bebingt ftitb, gur Borftd)t auf anberen ©ebieten 
mahnen, unb ba fich außerbem eine# nicht für alle fehteft. Aur in 
einer §)iiiftcht empfehle ich, ben Begebungen ber ärgtlidjen 35er» 
tretungen mehr entgegengufommen, al# bie# bi#hcr feiten# ber 
meisten ^Regierungen für geboten gehalten ift. Unter „ärgtlidjer 
Beßanblung" im Sinne be# HranfenoerficherungSrechtS fann unb 
barf fchlechterbing# nicht# anbere# oerftanben roerbeu, al# bie Be» 
ßanblung burch einen approbierten Argt. Läßt man Au#nahnien 
oon biefem ©runbfaßc gu, fo fann e# nicht SSunber nehmen, wenn 
ba# Aitfehen be# ärgtlichen Stanbe# burd) Unterbietung feiten# 
eingelner Berfoneit gefährbet roirb, bie e# für unbebenflich halten, 
mit Bfufcßern ihre eigenen .Hollegen gu befämpfeit. Selbst» 
oerftänblich fchließt ba# ©efagte nicht au#, baß unter ber Auf» 
ficht unb Hoittrole approbierter Aergte auch ^eilfuitbige, 
SRaffeure u. f. ro. gu geroiffen untergcorbneteit Jienftleiftungen 
heratigegogen roerbeu, beren ber Mranfe nach Anficht be# bie Be» 
haitblitng leitenben Argte# bebarf. 

Hine engere Schranfe für bie Beitrag#erhöhung ift in §. 10 
Abf. 1 be# Hranfenoerficherung#gefeße# betreff# ber ©emeinbe» 
franfenoerfitherung gegogen. §ier barf gur ^eefung ber ge» 
fcßlichen ^ranfenunterftüßungen mit ©enehmigung ber 0berbehörbe 
lebiglich eine Steigerung ber Beiträge bi# gu 2 % be# ortsüblichen 
Jagelohne# erfolgen, unb groar fchlechthin in Begug auf ben ©e* 
fammtbeitrag, nicht bloß riicffichtlich be# Antheil# be# Berfichcrtcn. 
H# fann alfo, um bei obigem Beifpiele gu bleiben, unter 3ugnmbc» 
leguug eine# ort#iib!ichen Jagcloßne# oon 2 /50 JC, ber beiberfeitige 
Socßenbeitrag gufammengcrechnet nicht mehr al# 30 4/ her Arbeiter* 
beitrag alfo nicht über 20 4 wöchentlich au#machen. 'Jaß hkroon 
.Hranfenunterftüßung auf 26 2Öod)cn nicht wohl begahlt roerbeu 
fann, liegt auf ber ,f)anb. 

Sollen nun bie BJitglieber ber ©emeinbefranfenoerficherung 
bei ber gangen Hrroeiterung braußen ftehen bleiben? J'ie# un» 
billige Hrgebniß roirb jeher gern oermeiben rootten. Unb fo fonune 
ich gu bem Schluffe, baß mit ber ©emeinbefranfenoerficbe» 
rung überhaupt aufguräumen ift. Sh** Beitragsbemessung 
ift ungulänglid), noch weniger au#reidjenb finb ihre Leistungen, 
unb gang im BMberfprucf) mit ber fonftigen 0rganifation ift ihr 
Apparat. Bon SBöchnerinnenunterftüßung, Sterbegelb, gürforge 
für Hrroerb#lofe unb ©enefenbe, ©eroährung erhöhten ober flassen* 
weife geglieberteu .Hranfengelbe# u. bgl. ift bei ihr feine Siebe, 
eine Bhtroirfung ber Berlinerten unb ber Arbeitgeber bei ber 
Berroaltung fommt nicht in Betracht. $)arum entfließe man ftd), 
fie allgemein burch 0rt#franfentaffen gu erfefcen, nachbem biefe 
fich ingroifchen al# Jräger ber Berfidjerung in J'orf unb Stabt 
bewährt haben. 

Hine weitere Sorberung, bereu Berechtigung hoffentlich halb 
aud) regicruug#feitig anerfannt roirb, ift bie reid)#gefeßliche 
Au#behnung be# Hranfenoerficherun#groange# nicht nur 
auf bie £)auSinbnitricllen, 4 ) fonbern aud) auf bie in ber Laub* 


| 4 I Bgl. ben Auifaß oon C. Steigert über btc obligatorifdic .Hranfen» 

| oeriidienmg ber ^auvinbuftrieücn in 2d)inolIer# 3abrbnch» April b. o*. 

1 nnb 2p. 8 TI be# 8. 'sabrgang# bei* „Sogialcn Brag'k". Tie Biißftdnbe 
j in ber Beflribiing#inbuftrie haben fdjon sehr häufig Anlaß gu An» 

| reguugen auf biefem Webtete gegeben; erfreulidjerroeifer Steife hat ndi 
| and) bie Aeid)vtag#fommif)ion für bie Wcroerbeorbuiing#noucllc mit ber 
| Angelegenheit befaßt I Aeid)#tag#brucffad)eu Ar. 393). Betreff# ber ^u> 

I oalibeuocrfidirrung ift bi#her nur bie labaf* ittib bie ^ertil*.v>au#- 
iitbuftrie in ben Hinang hinein gegogen, hoch fann hier ber Buube#ratb 
anbere Weioerbvgioeige bem Bwang uuterfteücn. giir bie .Hranfeuoer» 
fidicriuig ift nad) ben bisherigen Hrfahrungen wenig oon ber ort#* 
| ftatutarifdirn Himiihntug be# Beitritt#gioange# gu erwarten. Jic ©efep» 

I gebung hat aber umfoutehr Anlaß, allgemein nnb burdjgretienb ^lilfe 
j gu idiaüen, al# bie S^age ber meiftcu $)au#iiibuftrirUcii nidit beffer, 
fonbern meift fd)led)ter al# bic ber uufelbftänbigen Wewerbegehülfeu tü, 
unb meil fidi in Aubetradit ber flüffigeu Unterfcheibung groifchen beiben 
«'huppen erioerl»#tl)ätigcr 'perfonen eine außerorbentlid) ocrfdjiebeuartigc 
I Bvan# innerhalb ber eingeluen behördlichen Auffid)t#begirfc heran#- 




1309 


6ogtöte BraytS. ©entralblatt für ©ogtalpoltttf. 9lt. 50. 


1310 


unb Farftwirthf<haft befdfjäftigten ^crfouen unb auf baS 
(Gefinbe. Die Berbefferungen, welche bie Fnoalibenoerftcherung 
ingwifdjen erfahren ^at, machen bie SKängel hoppelt fühlbar, 
bie auf biefem (Gebiete oor ©rlangung ber SRente hefteten. ©S 
Iäjgt fich auf bie Dauer nicht oerthcibigen, bah bie genannten 
$erfonen in ben erften 26 ©ochen einer ©rfranfung ungünftigcr 
als bie gewerblichen Arbeiter geftcHt fein follen. Die Borfcljrift 
beS Bürgerlichen (GefefcbuchS, nach ber bie Dienftherrfchaft in ben 
erften fechS SSochen bie Fürforge übernehmen foll, ift nur eine 
©tappe bis gur ©rreichung bes ©nbgiels. Biit bem £>inmeife auf 
bie patriarrf)alifd)en Berhältniffe unb auf bie Ueblichfeit ber 
G?aturaloergütung 5 ) ift ber Anfpruch nicht aitS bent gelbe gu 
fdjlagen. Die ©rfahrungen in ben BunbeSftaaten, in welchen bie 
ianb« unb forftwirthfehaftlidjen Arbeiter unb bie Dienftboten für 
franfenDerftd^erungSpflic^tig erflärt finb, ergeben mit ooller Be« 
ftimmtheit, bafj bie ©inrid)tung groecfmähig ift unb ftatt ber be» 
fürchteten $ad)tbeile wefentlichcn Stuben ftiftet. ©ie bietet bent 
Arbeitgeber, ber eS treu mit feinen ßeuten meint, ooHanf (Gelegenheit, 
feinen guten SBillen gu begeugen unb ein bcfriebigenbeS Berhältuifj 
gu feinem ^erfonal gu erhalten, mag er bie Kranfenfürforge auf 
eigene Rechnung übernehmen 6 ) ober bem ©intreten ber gefehlten 
Mranfenunterftütjung burch bie 5^affe freien ßauf laffen: immer 
wirb er rathenb unb h c bfcttb bie Durchführung ber Berficheruitg 
förbern fönnen. 

Brauitfdjweig. o. granfenberg. 


Bie ©etoerbeauf^djt In Preußen 1898. 

Aus ben 3ah*eSberichten ber preufjifdjen (Geroerbe»« 
auffichtsbeamten. 

Die 3ahreSberid)te finb bieSmal fteüenroeife etroaS bürftig aus« 
gefallen. Da man aber aus ben feit fahren laut geworbenen «lagen 
weih, ba& bie (GewerbeauffidjtSbeamten überlaftet finb, inbem fie 
neben ber eigentlichen gabrifanfficht auch noef) burch bie Keffel« 
reoiftonen, (Gutachten, Bernehmung als ©achoerftänbige unb allerlei 
©chreibwerf ftarf in Anfpruch genommen werben, wirb man bieS 
erflärlich finben. ©S oerbient unter biefen erfchroerenben Umfiänben 
fogar Anerfcitnung, bah bie 3<*bl ber auSaeführten Beoifiouen 
oon 67 304 im 3ah^e 1897 auf 74 765 im Jahre 1898 geftiegen 
ift.*) Durchgreifeitbe, roieberholte SReoiftonen wirb man erft er* 
roarten fönnen, wenn bie urfprünglid) als „Berfuch" eingeführte 
Berbinbung ber Keffelreoifion mit ber gabrifaufficht roieber be« 
feitigt, unb bie 3<*hl ber Beamten, bie jefct in 97 (Gewerbe«Jn» 
fpeftionen auf 124 fich beziffert, in einer bem Anroachfen ber in» 
buftritllen Anlagen unb ber Vermehrung ber Arbeiterfchaft ent» 

gebübet hat. ©in in feiner eigenen Hoffnung für (Gefchäftc arbeitenber 
©tütffdjneiöcr wirb g. B. l}ier in ber ©tabt Braun jdjweig regeluiähig 
als franfeit- unb tuoalibenocrficberungspfltdjttg bcbanbelt, wäbrenb es 
mir befannt ift, bah er in oieien anberen OH-ohftäbten nicht als £>etm« 
arbeitcr, fonbern als $ausinbuftricllcr gilt unb feine Beiträge gn 
gal)len hat. 

5 ) 23gl. o. Beleben Faljrg. 8 6p. 1020 b. ©I. Ar. 38. 

6 ) §. 136 bes $?anbw. UnfaHoerftcherungsgefehcs; §. 3 a Ar. 2 bes 

At ranfenoerficberungSgefebcS. 

*) Bon biefen 74 765 Aeoifionen erfolgten 1169 in ber Aadfjt unb 
2203 an ©onn« unb gefttagen. Die 3 a bl ber einmal reoibirten An¬ 
lagen bezifferte fief) auf 35 096, bie ber grocimal reoibirten auf 7299 
unb bie ber brei« ober mehrmal reoibirten auf 4066. $n ben reoibirtin 
Anlagen waren 2 135 940 Arbeiter bcfchäftigt, baoon männliche jngenb* 
.liehe 90 918 unb erwachsene 1 726 240, weiolidje jugettbliche 33 214 unb 
crwadjfene 285 568 . Die 3afjl ber gabrifen, welche im Fahre 1898 
in ^reichen Arbeiterinnen über 16 Fahre befdjäftigt hatten, betrug 
18 898 (+ 277 gegen 1897) unb bie ber gabrifeu mit jugcnblidjen Ar« 
beitem 23 949 (+ 813). Die 3«hl ber in ben g-abrifen bewältigten 
Arbeiterinnen hat fidj wieber, unb gwar oon 337 504 int Fahre 1897 
auf 353 629 im Jahre 1898, alfo um 16125 oermehrt. 23on ben 
Arbeiterinnen im Fahre 1898 waren 139 777 (+ 4497) 16 bis 21 Fahre 
alt, 213 852 (+ 11 628) über 21 Fahre- Autfj bie in ben gabrifeu be* 
fdjäftigten jugenblidjcit Arbeitcr hatten eine 3unahnie aufguweifen, fie 
begifferten fid) 1897 auf 132 352 uub 1898 auf 142 121, ihre 3unahnte 
betrug 9769. 23oit ben 1898 befdhäftigten jugcnbUchen Arbeitern waren 
98 935 (+ 7142) männlid) unb 43 186 (+ 2627) weiblidj. Die 3af)l 
ber in gabrifeu bcfchäftigten «iuber unter 14 fahren hat uuwefcntlich 
gugenomnten, fie ift überhaupt nidjt mehr bebeutcub unb belief fich auf 
1421 (+ 62), wooon 952 männlich uub 469 weiblidj waren. 


fprechenbcn SSeife oermehrt roorben ift. Dah bie jefcigen ©er- 
hältniffe unhaltbar finb, geht g. 33. aus bem ©erid)t über ben 
AegierungSbegirf ^ßotsbam h^roor. Da fuh bie Berliner Qhtbuftrie 
immer mehr nadh ben Bororten hingiehh beginnt ber Bericht mit 
ber Silage, bah ft<h ber ©toff gu ben Jahresberichten mit jebem 
neuen 3ahre mehr unb mehr häufe, unb bah man nur burd) Auf« 
bietung ber äuherften Kräfte aller Beamten roenigftenS alle gröberen 
geroerblichen Anlagen einmal habe reoibireit fönnen, bagegen oon 
ber Befidjtigung hanbroerfsmähiger Betriebe mit mafchinellen ©in« 
richtungen, Bäcfereien, StonfeftionSroerfftätten habe Abftaub nehmen 
müffen. (Gerabe biefe flcinett Betriebe aber finb unfcreS ©radjtcnS 
meift befonberS ber Auffidjt bebürftig. Unb roie im ^otsbamer 
AegierungSbegirf liegt eS augenfcheinlich auch in anberen inbuftrie* 
reifen Begirfen. 

Audh bieSmal enthalten bie Berichte ©rfreulidheS unb lln» 
erfreuliches, ©rfreulid) ift bas Anhalten beS inbuftriellen Auf« 
fd)roungeS unb flotten (GefchäftSgangeS im Allgemeinen, baS in 
einigen Qnbuftriegroeigen neben höhnen ßöhneit unb oerbefferten 
ArbcitSbebingungen fogar einen empfinblichcn Mangel an gelernten 
Arbeitern ergeugt hat; erfreulich) ift weiter baS immer mehr plah* 
greifenbe gebeihlidie 3afammcnroirfen ber Auffichtsbeamten mit 
ben Beauftragten ber UnfaUberufsgenoffenfdhaften, baS allerbiitgS 
Iangfame ©inleben ber Arbeiterfdjufcbcftimmungen, baS ©ntgegen« 
fommen mancher Unternehmer, bie gunehmenbe Sürbigung ber 
ArbeiterroohnungSfrage 2 C. Dagegen ift unerfreulich, was über baS 
©inbringen auSlänbifcher Arbeiter unb beren unangenehme ©igen« 
fdhaften, über bie 3 un ahme ber Frauenarbeit, bie jefct fchon gum 
©ifenbahnbau hcrangegogen roirb, über ben Abfluh breiter Iänb« 
lid^er Arbeiterfd)idf)tcn in bie ©täbte, bie geringen ©trafen bei 
Berfehlungen gegen bie Arbeiterfchuhoorfchriften, über bie hächft 
mangelhaften Beziehungen ber Auffi^tSbeamten gu ben Arbeitern, 
über bie trüben BSohnungSoerhältniffe weiter Arbeiterfreife zc. be« 
rietet roirb. 

35kS ben oielbefprochenen Arbeitermangel in ben länb» 
liehen (Gewerbebetrieben unb ben Jortgug nad) ben ©täbten unb 
bem Bkften betrifft, fo finben fich in & en Berichten aus Dftpreuhen 
unb ^ofen beachtenswerte Angaben. Aus Cftprcuhen roirb über 
©tunbenlöhne oon 15, 13 ja oon nur 114 für crwadjfene Arbeiter 
bei gleichseitig 13—löftünbiger täglicher ArbeitSgeit berichtet, bie 
in gewerblichen Betrieben auf bem ßaitbe häufig oorfämeit unb 
baS Fortgehen ber Arbeiter aus foldjen Begirfen erflärlich er« 
fcheinen liehen. Ans Bofen roirb beridjtet, ba§ bie ßebenShaltnng 
ber Arbeiter fich nicht roefentlith gehoben habe, bah befonberS in 
ber ©rnährungStoeife trob ber etwas gefteigerten ßöhne feine 
Befferung eingetreten fei. Das roichtigfteAahrungSmittel blcibebieÄar« 
toffel, .&ülfcnfrüd)te würben nur feiten gegeffen, F^ift in ber3Boche 
gar nicht unb an ©onntagen auch nur feiten. Dagegen fcljle bei 
feiner Ataljlseit Branntwein. Der burchfchnittliche ArbeitSroochcnlohn 
betrage für ungelernte Arbeiter 7—12^, für gelernte 12—20 M, für 
Arbeiterinnen 4,50—9 M Beffer fteljc eS in ber Aiafchinenbau« 
iubuftrie unb in ben Difchlereien. Jm Allgemeinen mache bie 
©ntroicfelung ber Fnbuftric nur geringe Fortfdjritte. Das erflärt 
aöerbingS GKancheS. Die an bie ©teile ber abroanbernben Arbeiter 
tretenben ArbeitSfräfte aus Auffifch=BoIcn unb (Galigieit werben 
als uuguoerläffig unb unfauber gefdjilbert. AuS iejjtcrem ©ruitbe 
fei ben beutfehnt Arbeitern baS 3ufatnmeuarbeiten mit biefen Baien, 
auch nur auf furge 3 c ih unmöglich. Sh« Uitguocrlaffigfeit gehe 
fo weit, bah fie iljre Arbeitgeber unb fogar alle iljre Bapierc unb 
©rfparttiffe im ©tidj liehen, fobalb fie glaubten, an aitberer ©teile 
höheren Berbienft ober fonft etwas BeffercS gu finben. Auch aus 
bem ßiegniher Begirf wirb über bie llnfauberfeit ber auSlättbifthen 
Arbeitcr geilagt. Der orlsangefeffenett Beoölferung erroachfe gubent 
burch biefe anfpruchslofeu unb genügfameit AuSlänber eine uner« 
freuliche Äonfurreng. Anher über übermähigen ©chnapSgennh 
wirb aus bem JDften über elcnbe SBohnuugSoerhältniffe geflagt. 
©S roirb fpegiett in Begug auf Mönigsberg unb Dangig h^aor« 
gehoben, bah gerabe bie Arbeiter unter ber prioatcu Boben* 
fpefulation fchwer gu leiben hätten. Fut oftpreuhifthen Bericht 
wirb hingugefügt, bah bie (Gemeiubcit wohl in ber ßagc wären, 
burch ^ergäbe billiger (Gruubftücfe auSgleicheub gu roirfcit, bah 
aber bie in ber (Gcmeinbeoertrctung fifcenben §aus* unb (Gruub« 
befiher jebem berartigen Borgehen grofjc ©djwierigfeiteu bereiteten. 
Auf bie Dauer werbe baher eine poligeilidie B^ohnungSinfpeftion 
nicht gu umgehen fein, ©owohl in Königsberg wie in Dangig 
wirb burch Bcangel an geitügenben Arbeiterwohnnugen unb hal) e 
3)tiethSpreifc bie ßebenShaltung ber Arbeiter oerfchledjtert. And) 
aus ©örlifc, ©rfurt unb 3)tagbeburg wirb über 3BoljnungSnotl) 
berichtet. Auf biefem ©ebiete ift no% oicl gu thmt! 



1811 


Soziale $rct£i$. Eentralblatt für Sozialpoltttl. SRr. 50. 


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ES mirb oiet barübcr geflagt^ bafe bie jungen ßeute ftdfj ootn 
Hanbmerf immer mehr abmenbcteu. Aus Sommern mirb be* 
fonberS über fanget an ßehrlingcn im Haitbrocrf berietet. SDie 
ßefirlinge gingen faft nur nod) aus ben aHerärrnften VolfSflaffen 
mit ber geringsten Schulbilbung hcnmr, mährcttb Änaben mit 
guter ^anbjdjnft meifieitS bic ßaufbahn als Schreiber ober Stauf* 
mann oorjögen. 3>aS Vertrauen auf ben golbeneu Voben beS 
Hanbroerfs fei in ben Greifen, aus betten früher feine Angehörigen 
heruorgcgatigen feien, leiber oerfdjmuttben. 3n einigen Verid;ten 
ftnben ftd; Attbeutungen, baj$ es gerabe im Hattbmerf mit bem 
Arbeiter* unb befonberS bem ßehrlingSfcfjutj nicht gut ftebe, rnaS 
uns bie Erfahrungen ber öfterreichifchen ©emcrbe* 3 nfpeftoren be* 
ftätigt. Auch über bie oiclbefprod;ene Väcfereioerorbnung 
finben fid^ einige Angaben. 3m Bericht für Dftpreufjen mirb bie 
befanttte Verordnung als für Heine betriebe fehr mohl burchfüfjr* 
bar bezeichnet. 3m Erfurter Bericht rnerben roirthfc^aftlicfjc 
Schäbigungeit aus ber Verorbnung beftritten, unb im Verid)t ooti 
0d)leSmig mirb erflärt, bajj bie ^Durchführung ber Verorbnung bei 
einigem guten SföiEen ohne S chm i er igf eiten möglich fei. 

Ueber bie Sföi&ftänbe in ber MonfeftionSinbuftrie mirb 
eiitgchcitber aus betn VreSlauer Vezirf berichtet. Sd)leftenS §aupt* 
ftabt h°i zahlreiche MhnfcftionSmerfitätten aufzumeifen, unb bic 
Beamten hoben burch häufige Aeuifionen oerfucht, bie Veftimmungett 
über bie Vefd;äftigung oon Arbeiterinnen bnrtfjzuführett. SBielfach 
mar bie irrige Meinung oerbreitet, bic Maifeilidje Verorbnung ooni 
31. 3uli 1897 fittbe nur auf folche Sßerfftättcn Anmenbuttg, in 
betten mehr als z*hn ^erfonett befchäftigt merbett. ' SDie Arbeit* 
geber fitchten fich ben Veftimtnungen unb ber Verpflichtung ber 
Unfall*, Alters* unb SnoalibitätSoerficherungSgefetje burd; Verlegen 
ber MonfeftionSarbcitcn in bie ^auSinbuftrie oon 3ahr zu 3uh r 
mehr zu entziehen. ES greife auch ber llebelftanb um fich, bafe 
bett Arbeiterinnen, itad)betn fie bie zuläffige 3 e ^t in ben Vkrfftätten 
carbeitet I; a & en , Arbeit mit nach §aufe gegeben mirb. 3nS* 
efottbere gcfchehe bieS an ben Vorabettben ber Soun* unb 3reier*= 
tage, fo bcffe Siefen Arbeiterinnen bie Sonntagsruhe entzogen 
merbe. Xrofebetn mirb im Veridjt ein allgemeines Verbot, oen 
Arbeiterinnen Arbeit mit nad) §aufe zu geben, nicht als rcünfchenS* 
merth bezeichnet, fchon metl bie Stontrole eines folchen Verbots 
xittbnrchfüOrbar fei. $>aS Verbot mürbe aud) bie perfönliche Srei* 
beit ber Arbeiter ftarf beeinträchtigen. 3nt Uebrigett z e iö en fi<h 
in Verlitt itttb Stettin auch folche Üebelftänbe roie in VreSlau. 

Ein leibigcS Kapitel ift in ben prcufjifchen unb fäd;fifchen 
Veristen ber Verfehr ber Auffichtsbeamten mit ben Ar* 
beitem. 9öäl;renb in ben fübbeutfchen, öfterreichifchen unb 
fd)meizerifchen Verichten gerabe bicfcnt Verfehr befonbere Verücf* 
fidjtigung z u ^heil mirb, mobei bie Arbeiterorganifationen unb 
bereu Vebeutuncj für bie gabrifaufficht ooE gemürbigt rnerben, mirb 
biefeS Kapitel m ben preujjifchen unb fächfifchen Verichten auf* 
fallcitb furz unb fühl bef;attbelt. Es mirb mohl ein oermebrter 
Verfehr mit ben Unternehmern unb beren Veauftragten fonftatirt, 
bagegeu läßt ber Verfehr mit ben Arbeitern, einige Ausnahmen 
(Aachen unb Dppeltt) abgerechnet, auqcttfd;einlid; oiel zu münfchen 
übrig. 3n Dftprenßen )oH ber Veriehr mit Unternehmern unb 
Arbeitern zmar reger gemorben fein, immerhin bleibe es ein 
Sfönnfch ber ©emeroe*3nfpeftion, bafj ber Verfehr mit Arbeitern 
lebhafter rnerben utöd;te. 3 ngleid; rnerben auch bie fprad;lid;ett 
SchmuTigfeiteu beim Verfehr mit polnifchen Arbeitern betont. 3m 
Veridjt für ben SiegieruugSbezirf ißotSbam heißt es lafottifd): £)ie 
Stellung 511 ben Arbeitgebern beffere fid; oon Sah* Z u 3ahr, ber 
Verfehr mit ben Arbeitern bleibe leiber nach mie uor lahm. 3m 
Vericfjt für Verliu*Eharlottenburg mirb bcmerft: 3)ie Sprcd;* 
ftunbeu in ben ©emerbe=3nfpeftioiten feien oon Unternehmern fehr 
ftarf, oon Arbeitern bagegen oerf;ältnißmäßig menig benubt 
morben. 'Sie Arbeiter zögen es oor, ihre Vefrf)iocrbcn in 3ad)* 
ocrfammlungen unb in ihrer treffe laut rnerben zu laffen, ober fie 
fdiriftlid) zur Memituiß ber Auffichtsbeamten zu bringen. Echtere 
feien allen M lagen uachgegangcu. Um ber Vcforgnife ber Arbeiter 
oor Verrath oorzubeugen, merbe fein Arbeiter ttad; bem Aameu 
gefragt. 

Aenerbiugs gingen ben ©cmerbeinfpeftioucn oon ber Verliner 
(Memeiffdiaftsfommiffion Vefdjmcrben ber Arbeiter auf oorgebnnften 
Aormulareu fn. Tiefelben mürben ebenfo forgfältig unterfudit, 
mie jebe aubere. lieber geringen Verfehr mit ben Arbeitern mirb 
berietet ans bem Vezirf 3 rauffurt a./ö., Schlesmig, Arnsberg, 
Tüffctborf, Moblenz, 2rier. 3>u Xiiffelborfer Verhüt mirb ber 
Viimid) ausgeiprocheu, bie Arbeiter möd)teu bnrd] bie ^ritungeu 
barauf aufmerlfam gcmadjt rnerben, bah in allen 3 ragen bes 
Arbeiterfdiupes oon ben l%merbeauffidjtsbeamtcn fofteulos unb in 


bereitmiEigfter SBeife AuSfunft unb Vath ertheilt unb etroaigcn 
©ünfchen in Vezug auf bie Verfdjmeigung ber tarnen oon Ve* 
fd)merbeführern cntfprochen merbe. AuS bem VegierungSbezirf 
Möln mirb berichtet, baft bic Spred)ftunben ber AuffidjtSbeamten oon 
Arbeitgebern feljr lebhaft, oon Arbeitern faft gar nid)t bemitjt 
mürben. S)ie Vefchmerbefommiffionen ber ©emerffchaftsf arte Ile 
hätten burch unfritifdje Aufnahme unberechtigter M'lagen unb burd) 
Aufbaufchen oon Mleinigfeiten mehr gefchabet als genügt. 3*n 
Verid)t aus bem VegieruitgSbezirf "BieSbaben helfet es, bafe bie 
Sprechftunben in 3ranffurt a. Vf. oon ben Unternehmern zienilidi 
häufig, bagegeu nur in ganz oereinzelten Sailen oon Arbeitern 
aufgefucht morben feien. Verfönlidje Vücffprache auf bem 3n* 
fpeftionsbüreau fdjeuten bie Arbeiter, meil fie leiber nicht mit lln* 
red)t Vlaferegelungcn feitenS ihrer Arbeitgeber befürchten müßten. 
2 )ie ßeute brächten ihre Vefdjmerben lieber in Arbeiteroerfainm* 
lungen ober in anonpmen 3ufc^riftcn oor. Es bilbe auch 
ftäbtifche AuSfunftftette für Arbeiterangelegenheiten in Aranffurt a. Vt. 
ein geroiffes .^inberni 6 (?! ^Die Vebaftion) für ben perfönlichen 
Verfehr ber Auffichtsbeamten mit ben Arbeitern. 9lad)bem noch 
baS oon ber fozialbemofratifchen Partei errichtete Arbeiterfefretariat 
hinzugetreten fei, fönne auf eine Verbefferung beS VerhältniffcS 
faum mehr geredjnet rnerben. 

3m Vericht für ben VegierungSbezirf ^ßotsbam rnerben als 
„Heilmittel gegen bie mobernen ^ranfheiten im gemerblichen ßeben" 
empfohlen: SDie Einrichtung oon ®emerbegerid)ten, fom* 
munalen ober genoffenfchaftlichen ArbeitSnadjmeifen unb 
VolfSbureauS. Vfehrfad) rnerben biefe Heilmittel bereits mit 
Erfolg angemenbet. ßeiber finb es gerabe geroiffe Unternehmer* 
freife, mel^e biefen Heilmitteln miberftreben. ES mirb aber oor* 
roärtS gehen trofe allebem. Vfacht hoch Z- S3. bie Verfügung ber 
Arbeitszeit in ben großen Snbuftriebezirfen, befonberS in Verlitt 
unb Umgebung, erfreuliche Qrortfd)ritte. 3n ben Verliner Vor* 
orten ift bie Arbeitsbauer 9 l / 2 bis 10 Stunben, in ben entfernteren 
Vezirfen 10 bis 11 Stunben. 3n Verlin felbft mirb ftellenrccife 
nur 9, felbft nur 8 Stunben gearbeitet. SDabei z^Qi fid; häufig 
eine Verfügung ber Raufen, um einen früheren Arbeitsfdjliijj 311 
ermöglichen. — 3)afe noch niel zu thun ifi, geht aus ben Verichten 
ber Auffid)tSbeantten flar Ijeroor. Aber bie fozialpolitifd)e Eiu\id)t 
mirb roachfen, unb mit ber 3eit mirb man aud; in Vreufoeu bie 
Arbeiterorganifationen unb beren Vebeutuitg für ben ganzen 
buftionSprozefe mehr miirbigen unb hinter Sübbeutfcfjlanb ttiebt 
länger zurücfbleiben. 3tn Ucbrigcn behalten mir uns oor, auf 
Einzelheiten in ben preu^if^en Jahresberichten zurücf zu fo turne n, 
namentlich auf bic red;t ftiefmütterlid^ behaubeite Sohn*, Arbeiis* 
Zeit* uttb 2:arifgetneiufd;aftSbemegung unter beit geroerffchaftlid)en 
Arbeitern. 

Verlitt. Xaube. 


Allgemeine $o|lal* unb IBirtljirdjaftsrpolUik. 


^DaS Urthcil eines cngltfcheu <$efterff(f)aftsführer3 über bentfd^e 
ArbeitSOerh&ttniffc* 

^)cr (Mencralfefrctär ber Amalgamated Engineers’ Soeietv 
Tlx. (George A. VantcS, mar oor einigen Vionaten zum Vcfiuü bei 
Mongreffes bes Hi^fd ) 5 Duncferfchen VJafd;inenbaner*©emerfoereins 
in Augsburg abgeorbuct morben, unb er bemibte bie Aumefeitlieii 
in 2 cutfd)lanb, einige größere gabrifeu feiner Vrandjc zu befudieu. 
lieber bie Einbrücfe, bie er babei empfangen, berid;tet er in ber 
AugufhAitmntcr bes Amalgamated Engineers’ Monthly Journal 2 c. 
Seine Vefud;e galten Düffclborf, Augsburg, El;cmuih unb Verlin. 
3nr Vefichtignitg ber V^crfftätten uoit Mrupp l;ntte er bie Erlaubnis 
nicht erhalten. 

AIS gemeiitfamen ©ruttbzug biefer VJerfftätten bezeichnet er 
in erfter Siuie bic Sd)uhoorrid)tuugen an ben Vfafdtiuen, bie 
gröfzereit allgemeineren Arbciterfdmfc* unb SBohlfahrtSeiitrichtiittgen 
uttb bie erheblichere ©eräumigfeit unb Sauberkeit* ber V^erfftäüen 
gegenüber beit englifd;eu Verhältniffcu. s Benn biefe Erfdteittiittg 
aud) zum 2l;eil mobil eine öolge ber ftrengen Aabrifinfpeftiou 
^eutfdilaitbs unb feiner Unfall* unb ArbeitcroerfidjernngSgefcue 
fei, fo fei er bod; geneigt 3 » glauben, baft Vieles baoott ber frei* 
milbigen 3uitintioe ber Arbeitgeber ent|pred)e. Viele Einrichtumjen 
gingen bei Weitem über bie gefe(jlid;eit Erforberniffe hinaus unb 
ViamheS finbe in Englanb feiitesgleidjett nid)t. Leiter fällt timt 
bie moberne Erfdjeinnng ber meifteit V3erfflätteti uttb ber (^ebraudi 
oott erftflaffigeu V3ert'zeiigen auf. lleberaH mürben neue Aabrifen 
gebaut unb bie be[tel;enbeu enoeitert. Aeltere Viafd;iucit loiirben 



c&ojiale fßrajtg. ©entralBlatt für <&ojtalpotitil. Rr. 50. 


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angrangirt nnb burd) neue erfefct. ©enteinfntneg Bterlmal ber 
Arbciterfdjaft mar ihm bie gemüthlidje Art, in roeldher fic an bie 
Arbeit gel)t; obgleich Afforb gcbräud)lid) ift, fo fei bod) nirgenbg 
ein haften. 9)ht einer Augnahme hätten auch bie Seutc mährenb 
bcr Arbeitftnnben geraucht; in ben nteiften SBerfftätten feien Kantinen 
nnb anbere (Einrichtungen oorljanben cjemefeit, mo fid) bie Arbeiter 
mäljrenb ber Arbeitgzeh Ratten erfrij^en Jönnen. Sie Arbeiter 
ftänben im bireJteit Sofjn ber gabrifleitung. Sie Arbeitszeit nnb 
bie Söhne feien groar im Vergleich mit ben englifchen nngiinftig, 
inbeffen beflehe hoch nicht ber gro&e llnterfd)ieb, bcr in (Englanb 
im Allgemeinen angenommen merbe. 3Bürben bie oorgefdjrieoenen 
(Erholunggpaufen auch ndjtig gemährt unb oon ber Arbeitszeit 
abgewogen, fo überleitet bie mirflidje Arbeitszeit btejenige nxd)t 
fo fehr, bie oon ber englifchen Unternehmer-göberatiou pgcftanbeit 
fei. 3n Süffelborf betrage bie Arbeitszeit einfchlicBlid) ber Raufen 
60 0tunben bie B$od)e, aogefeljeit oon ber §auptunterbrcd)iing oon 
12 big P^illjr täglich. 3n Auggburg feien bie ArbeitSftunben 
biefelben mie in Süffelborf, nur fei §kx eine grühftücJg» unb 
Befperpaufe oon je einer Biertelftunbe jugeftanben. (Eg gingen 
alfo brei 0tunben möchentlich oon ber Arbeitszeit ab. Qn (Ehentnifc 
fei bie Arbeitszeit ungefähr biefelbe, oariirte aber oon gabriJ za 
gabriJ. 3» ber bebeutenbften Bkrfftatt, bie er bort befneht habe, 
fei mitten in ber Bkrfftatt eine $affecfo<heinrichtung gemefen, mo 
bie Arbeiter breimal am Sage fi<h Kaffee um 3 a') bie Stoffe taufen 
tonnten. Sie ArbeitSftunben feien bort oon 7 big 12 unb oon 
V/ 4 big ßi /4 Uhr, mit Augnahme eines Sageg in ber 2Sod)e, roo 
um 5 Uhr gcfcf)loffeu merbe. Sie ©efammtzal)l ber ArbeitSftunben 
betrage fomit 58 3 /4 0tunben möchentlich, bie fich in einer anberen 
gabrtf auf 61 erhöhten. 3« Berlin fei ber Arbeitstag fürder als 
aitbergroo, aber er oariire mertroürbigerroeife oon Bkrfftatt p 
BkrJftatt beträchtlich, ja, manchmal in ben einzelnen Abteilungen 
berfelbeit Firmen. Sag ÜRafimum feien 59, bag Minimum 54 
gemefen; bie Arbeitg^eit ginge nämlich oon 6 big 12 unb 2 big 

6 llhr (am 8onitabenb merbe um 5 Uhr gefdjloffen) ober oon 

7 big 12 unb IV 2 big 572 Uhr. 3» jebem gatte aber feien noch 
bie (Erfrifd)unggpaufen abjujiehen mit einer halben 0tunbe täglich- 
Sie fürzefte Arbeitszeit fet in ber größten, beftauSgeftatteten, am 
meiften miffenfdjafilich organifirten unb beft zablenben gabrif ge¬ 
mefen, in ber Allgemeinen ©leftrizitätggefellfchaft, melche 14000 Seilte 
befdjäftige, unb xn ber ebenfo großen oon 0icmeitg & .folgte. Ser 
(Englänber munbert fich über bag ftarfe 0d)manfen ber Söhne in 
berfelben BSerfftatt unb bag gehlen ehteg BRarimal» unb Minimal- 
lohneg, bcr nur bei ben Srucfern oorhanben fei. Sie 0tücfarbeit 
iibermiege allgemein, nur Reinecfer in ©hemnih laffe lebiglich im 
Sagelohn arbeiten. 

9Jtr. Bartteg teilt bie Angaben über bie Söhne mit, bie er 
hat feftftetten tonnen; bie niebrigften habe er in (Ehentnifc beobachtet, 
helfen Arbeiterfchaft überhaupt einen ärmlidjen (Einbrucf gemacht 
habe. Sort fchieuen aud) bie grauen tiefer zu ftehen; er habe fie 
bort alg s Hiörtetträgeriunen, 0trahenfegcrinncn unb fogar mit ber 
0pifcajt angetroffen gegen oerhältniftmähig niebrige Bezahlung. 

(Einen befonbernt Abftnitt bilbeit bie (Erörterungen ber 0onu* 
taggrulje unb fonftigen geiertagc. An bem gabrifetabliffement oon 
Daniel unb Sueg fällt ihm auf, bah bie (Eifenbahn bireft auf ben 
gabrifbof tommt, ber burch Blumenbeete oergiert ift, eine Rabfahr- 
iibunggbaf)n unb einen Aufbemahrunggori für gahrräber enthält. 
(Er unterläßt nicht, auf bag Borhanbcnfctn oon Unfaßftationen, 
©bräunten unb Kantinen, fomie Bäberu ^inzuttieifen. Bei einer 
anberen gabrif h e bt er mieberum bie ©emüthlichfeit ber Arbeiter 
heroor; bie gangen hätten bie Rtafchineit mit grünen ©träumen 
unb Biaien perziert, eg mar ber Sag oor Bfingftcn. Befonberg 
liebeoott bcfjanbelt er bie Blafchinenfabrif Auggburg unb bereu 
leiteubeu Sireftor fterrn $ran(j, beffen s Bohifahrtgeinrid)tungen 
er rühmt. 3n beffen gabrif fei bag Raudjen oerboten. Auffällig 
ift bem (Englänber aber, bah bie Arbeiter bie ÜJtiifce jieheu, menn 
ber Sireftor oorbeifontmt unb bie Berooljner fid) überhaupt burch 
tiefeg Berbeugen begrüben. Sie fBohlfahrtgeinrid)tungen haben 
cg ihm angethan, unb er hebt henmr, bafe eine 9teihe fdjon oor- 
hanben roaren, ehe bie neuen Arbeiterfcßußgefeße in straft traten. 
Aud) bie Arbeitermohnuuggeinrichtuugen oergifet er nid)t 3 U er¬ 
mähnen. 


Sie Bclafluwg ber beutfehen 3fttbttfirie burch bie Arbeiter-Ber- 
ficherungg- unb 0chuhgefehgebuno. 3m lepten «f>efte oon 0dgnotterg 
„gahrbuch für ©efepgebuug, Berroaltitng unb Bolfgmirthfchaft" 
hat fid) bcr Btünd)cncr gabrifbireftor C3)reißl ber intereffanten 
Aufgabe unterzogen, bie Belaftung ber beutfdjen gnbuftrie burch 
bie Arbeiteroerficheruugg- unb 0d)ubgefefcgebung ju berechnen. 


Safe bie Arbeiter-0chufc unb Berfxcherungggefehgebung feit einiger 
3 eit nicht mehr recht oom glecfe fommt, führt Ojreifcl einerfeitg 
auf ein gcroiffeg gumarten ber ^Regierungen, um bie 2Bir- 
Jungen ber beftehenben ©efepe unb auch beren Biängel beffer be- 
urtheilen ju Jönnen, unb anbererfeitg auf bie Abneigung ber 
gnbuftriellen gegen eine meitere Augbehnung biefer @)efc(jgebung 
gurücf. Siefeg 3umarten fei aber bebenfUch, oa eine Augbehnung 
beg Arbeiterfchupeg nur in folgen 3fiten mit Erfolg burdfpführen 
fei, in benen ein allgemeiner Auffchmung ber gabuftrie ftattfinbe. 
gn einer ©poche folcher inbuftriellen (Entmicfeluna leben mir zur 
3 eit, unb eg märe für länger Ijinaug ein für bie beffere ©eftaltung 
ber fozialen Berhältniffe oerhäitgnihootter 0 d)lag, menn ber gegen- 
märtige inbuftriette Auffchmung nicht benüpt mürbe, um gefeplich 
jeneg Btafe oon 0 d)uh feftplegen, melcheg ber Arbeiter, beffen 
einzigeg Bennögen feine Arbeit unb ©efunbheit ift, nach ©erechtigfeit 
unb Humanität haben mufe. 

Bei feinen Rechnungen nimmt (^reißl bie bezahlten Söhne 
alg ©runblage unb fefct hierbei, um jebem ©inmanb gu begegnen, 
bie jemeilig oorJommenbe hächfte Belaftung ein. Siefe beträgt 
im Surchf^nitt für ben Arbeitgeber bei ber Unfattoerficherung 3 o / 0 
beg Sohneg, bei ber $ranfenoerficherung 172 %, bei ber Snoali- 
bitätg- unb Altergoerfichernng 1 %, znfammett 5 l /2 °/o beg Sohneg 
ober 5 V 2 4 auf 1 JL Sohn. Surd) bie 0onntaggruhe ermädhft 
ben Arbeitgebern eine meitere Belaftung oon 3 o/ 0 , fo ba§ fid) eine 
tfkfammtbelaftung oon 872 % beg gejohlten Arbeitglohneg eraiebt. 
Sie Belaftung ber gnbuftrie burch bie fojiale ©efefegebung fpielt 
gegenüber ben anberen in Betracht Jommenoen gaJtoren Jaunt eine 
&otte. ©reifel führt herüber aug: 

„Betrad)ten mir einerfeitg bie ©röfjc ber gefunbenen l)ßchften Be= 
laftimgsiziffer, 8 l /a °/ 0 beg Arbeitglohneg, unb anbererfeitg bie (Entmid- 
Iung, bie bie aKgenteine ©nterprobuftion, ingbefonbere bie gcmerblid)- 
inbuftrielle, xoährenb ber lebten fünfzehn gafjre geuomnten hat, fo 
fönnen mir zu feinem anberen 0d)luffe fommen, alg bag bie Belaftung 
oon 8 l 3 % beg Arbeitglohneg eine oiel zu geringe mar, um auf ben 
lEutmicflungggaug ber belafteten ©emerbe unb gnbuftrien irgenbmic 
hemntenb ober feßribigenb eitimirfen z u fönnen. Sieg bemeift fdjon, 
bah eg in ber gleichen ^eitperiöbe möglid) mar, trob biefer Belaftung 
bie Sohne 51 t fteigern, unb jmar oft um bag doppelte unb dreifache 
biefer Belaftung; bieg bemeift ferner bie grofjc Augbehnung beg ^u- 
buftrialigmug unb bie grofee quantitatioe ^nuahme bcr gelammten in» 
buftriellcn ©üterprobuftion. Aud) bie Zunahme beg (E^portg oon 
3256 9J?illionen SRarf auf 3786 HRiflioucu B?arf im ^ahre 1897 ift ein 
Beroeig, bah tü e ermähnte Belaftung fein §etnmfd)uh für unfere 3u= 
buftrie ift." 

Aber felbft in 3^ten mirthfehaftlichen Riebergangeg ift bie 
Belaftung unbebenHich: „Bet ber £öhe ber Belaftung, mie mir fic 

S efitnben haben," bemerft hinüber ©reifel, „Jann biefe auch * n 
eiten ber mirthfehaftlichen Stagnation feinen $emmfchnh ber 3 u- 
buftrie bilben, ba für bag Blühen unb Riebergeljen biefer lefeteren 
eine Reihe anberer, mächtigerer gaJtoren oon (Einfluh unb Aug- 
fchlag finb, gaJtoren, benen gegenüber bie Soften ber Arbeiter» 
Berfid)erungg- unb 0chuhgefehgebung ganz S lir üdtreten, nämlid) 
bie gafioren, melche bi^ fßreigbilbung unb ©eroinnbilbung be- 
ftimmen." 

Sem fo häufig oorgebrachten ©intoanb, bah bie ©rportfäl)igfeit 
ber beutfehen Sabuftrie eine höhere Belaftung burd) bie foziale 
©efehgebung nidjt mehr ertragen förtne, begegnet ©reißl zanäd)ft 
babur^, bah er nachmeift, bah oon ben Arbeitern aller 64 Berufg- 
genoffenfehaften nur 15 o / 0 für ben (Export arbeiten. 0obartn 
feien aber bie Saften ber beutfehen 3nbuftrie burd) bie 0ozial» 
gefehgebung fo gering, bah fic nicht oon preigbeftimmenbem (Ein- 
fluh auf bie BSaaren feien unb beghalb bie ftonfurrenzfäljigfeit 
ber gnbuftrie gegenüber bem Auglanb nicht berühren Jönnen. Sic 
3ottgefepgebung gebe in biefer §infxcht oielmehr ben Augfchlag. 

Retchg - Berggefffc unb Seutfcher Amoaltgtag» Auf bem 

14. Seut|d)en Anmaltgtage in Btainz hat Rechtganmalt 2Scftf)off 
(Sortmunb) ein ©utad)ten erstattet, in bem er betonte, bah bk 
Einführung eines allgemeinen beutfehen Berggefeßes nnbebingt gc» 
forbert merbcit müffc. 

^te heutige Beridjiebeuartigfcit bcr berggefeblidicu Befiimmuugcn 
itt beit Bunbcgftanteu, fo führte er aug, bag mehr ober iitinber erheb- 
lid)e SKafj red)tlid)er ^flidjteu unb gefcplidjer 3id)erlieit beg Bergeigen- 
thmng fei geeignet, z iiru Sdjnbctt allgemeiner oolfgioirtbidjaftlidjer 
^litcrcffcn bie Äonfurrenzfäbigfeit beg bcutfdicu Bergbaueg unter fid) 
uadjtbcilig zu bceiuflnffeii. ^tc foziale Aeidjggrfejjgebiiiig habe materiell 
and) für bic Bergarbeiter mefeutlidjc Berbeffcrimgeit ihrer Sage gc- 
fdjaffeu, ber formelle Aeditgzuftanb fei aber iit Jvolge ber ^eriplitterung 
in bic oerfdjiebcucn Aufgaben ber rcidjggcfetUtdjen, bcrggeieplidjen unb 
ftatutarifd)cu Arbeitcrfi'uiorgc fehr unüberfidjtlid) gemorben. ;>n löten 
bleibe für ein bcutfdjeg Berggcfcp audj bic gragc, in meldjcr B?eifc bie 



1315 


Soziale ptojis. Gentralblatt für ©oztalpolittl. Sir. 50. 


1816 


Bed)te berjenigeit Bergarbeiter gefc^ii^t werben (ollen, bte aus bem 
(Gebiete eines tfnappfchaftSueretuS in ben eines anberen übertreten ober 
überhaupt bie Bergarbeit oerlaffen. Ein beutfdjeS Bci<hS=Berggefeß 
werbe auch bie Oheimen unb ben Umfang ber polizeilichen AitffiditS* 
beborben genau fijriren muffen; es werbe firfj baranf ju befdjränfen 
haben, bie 3alil unb bie Abgrenzung ber einzelnen ^nftanzen (untere, 
obere unb oberfte Bcrgbchörbc) fefljufe^eit, währenb bie Beftimmung 
berjenigen Beworben, welche in ben einzelnen bentfrfjeu Bunbcsftaaten 
bie gunftioneti biefer unteren, oberen unb oberften Bcrgbehörbe wafjr* 
Zunchmen haben, naturgemäß ben betreffenben SanbeSrcgierungcn vor* 
behalten bleiben müffe. 

Dhue Debatte unb mit Einftimmiqfeit fpradj ftd; ber Anwalts» 
tag im Anfdjluß an biefe ^ier furz TFi$ 3 irten Ausführungen für 
ben Erlaß eines BeichS*BerggefcßeS aus. 


fiomraunale SojialpoUtife. 


^tabtärztlidje Usterfwhitttg ber Softftuber in (Styarfottenfarg. 
Berpfüdjtttug ber Pflegemütter. 3n Efjarlottcnburg hatten bie 
6tabtärztc Die tfoftfiuber in regelmäßigen 3u>if<h c uräumcn aufgu* 
fuchen unb ^albjäfirlic^ über jebeS Äinb j u berichten. Bei ber 
TOtmirfung ber Aerzte ift, nad^bem fie bie häuslichen unb bie 
SSohnungSoerhältiiiffe bei ihrem erften Befudje einer Prüfung 
unterzogen hoben, baS Schwergewicht auf bie regelmäßige Beobadj* 
tung bes ©efunbheitSzuftanbeS unb ber förperltchen unb geiftigen 
Entwicfelung ber £inber zu legen, hierzu ift es aber unerläßlich, 
baß ihnen Die Äinber zur Untersuchung oorgefteßt werben. Um 
bicS zu erreichen, werben neuerbingS bie Pflegemütter angehalten, 
bie über brei gahre alten $ittber, audj wenn biefe nidjt franf finb, 
ben Aerzten in ber 0pred)ftunbe oorzufteßen. Dies fdjließt freilid) 
für bie Aerzte nicht bie Bcrpflichtung aus, in folgen Säßen bie 
iliitber wie bisher in ben SBohuungen aufzufuchen, wo eine folche 
regelmäßige Borfteßung aus irgeno welchen ©rünben nidht mög* 
lieh ift- 

SomttttraaleS Söerfftättenftatiit für Bubapeft. Der DberphpfiFuS 
non Bubapeft hat ein neues SSerfftättenftatut ausgearbeitet, baS 
bie Bcrbcfferung ber fanitären Berhältniffe unter ben ©emerbe* 
treibenben ber Stabt bezweeft unb meldjeS bemnäcßft im Buba«? 
peftcr ©enicinberalhe zur Bcrbanbhtna fonimen foß. 3ui ein« 
leiteubcit Berichte zuui Entwurf wiro hcroorgehobeu, baß bie 
fd)led)te Einrichtung ber Bkrffiätten bie Entwicfelung ber Duber* 
fulofe förbere, namentlich bei Sdjloffern, Spänglern, in Eifen* 
gießereien u. f. w.; nicht mittber häufig fmb Säße oon Störungen 
in ber Blutzirfulation auf ungefunbe ArbeitSoerhältniffe zurücf* 
Zuführen, Der phgftfuS beantragt eine fcharfe fanitäre $ontroße 
ber Bßerfftätten, nachbem bie geltenben ©efeße in biefer Beziehung 
nidjt entfprecheitb gürforge treffen. 

ßommimaleS Selephon i» Botttegett. SBaS bte ©emeinbe auf bem 
©ebiet beS gernfprcdjwcfeits leiften fann, ift am beutlidjfteu in Norwegen 
Zu fehen. Die 5tabt Drontljcim z- B. hat ein fommimalcS Telephon* 
ließ unb befißt bei einer (Siuwohucrfchaft oon 30 000 800 gcrnfprech* 
fiellcit ober eine auf 34 Einwohner. Der Abonnementspreis beträgt 
(>o jU. im gaßr mtb Bidjt*Abonnenteu fönnen für 25 günfuiinuten* 
lelephongefprädje führen. 

Stotmnuttale @djittt>fiber in Ettglattb. Der Stabtrath oon ÖeebS 
hat ben Sdjulftnbern ber Stabt Sd)wimmbäber zur Berfiigung geftcllt; 
oon April bis September 1898 bemißten 56 000 pcrfoiien, wooon 
36 000 ftinber, bte Bäber unentgeltlich. — Acfjitliche Einridjtungen 
freier Schwintmbäber für Scfmlfiuber befteheu in Brighton, Birmingham, 
£>nli(ar, H’ioerpool, Biattdiefier unb 9iorf)bale, währenb in einer Beiße 
anbercr Stabte minimale (Gebühren für bie Babebenußung oon Schul- 
fiubent geforbert werben. 


öojiole Jaftönbe. 


Die Arbeiter ber frangdftfe^en Dabafitibuftrie. 

3» Sranfreid) ift bie Dabafinbuftric fdjott feit Beginn bes 
gahrljuuberts in ben Mättben bes Staates monopolifirt. Bur bie 
Erzeugung bes Bobmaterials ift bem prioateu Erwerbstriebe offen 
gelaffen, aber aud) bloß iit 21 prioilegirten Departements. Bößig 
im Staatsbetriebe ftebeit bie Einfuhr frember Dabnfe unb Dabaf* 
fabrifate, ber Anlauf ttub bie Berarbeitung ber beimifebeii Bob* 
probuftion fowie ber Berfcßleiß aller Sabrifate im gti* unb Aus* 
laubc. Der weitaus größte Dheil bes frat^öfifiben Moufums ent* 
ftamint ber f)cimifd)cu probuftion. Bei einem Bohcrtragc beS in® 
Iänbifdjcu Bcrfaufs oou beinahe 306 Biißioncn SraueS im Saß re 
1806 entfielen nur etwa 1 s Diillioueu graues auf bie importirten 


Xabafe. Der jährliche Beinertrag beS Monopols belief [ich im 
genannten 3al) re au f 323 ßßißioiten Spanes, wobei gegen 35 5KiU 
lionen SrancS, welche ben ©efchäftSgewinn ber fonzefftonirten Ber* 
faufsläbcit barfteflen, nicht in Anrechnung gebracht fittb. Aus beit 
oorftehenben 3iff erit ergiebt fid), baß bie eigentliche Dabaffabrifation 
einen jährlichen Auftoanb oou ungefähr 62—63 ÜÄißioneit SrancS 
oerurfacht. 3ui 3ah rc entfielen baoon auf bie Arbeitslöhne 
13 303 635 SrcS. 

Die Sabrifation erfolgt in 21 getrennten Etabliffement«, oon 
benen brei im Scine-Departement unb bie anberen in bett übrigen 
ßanbeStheilcu gerftreut liegen. Das gefammtc Arbeiterperfoual 
umfaßte im 3ah^e 1895 eine Anzahl oon 1399 männlichen unb 
oon 13 982 meiblidjen Berfonen. Die größten Sa&nfnt, wie bie 
oon Paris, Ehateaurouy, BantcS unb Douloufc befchäftigten je 
11—1200 Arbeiter unb Arbeiterinnen, bie fleiitfte (DrleanS) nur 150. 

3n ber itadjftchenbeit Dabeße geben wir nach bem Ammaire 
Statistique bic AltcrSglieberung, bie Arbeitsbauer unb bie Ein* 
fommeuSoerhältniffe beS im 3ohtc 1895 befchäftigten Arbeiter* 
perfonals: 


Altersfiufe 

3ahl 

ber Arbeiter 

SDHttlere 3 a hl ber 
jäfjrl. Arbeitstage 

SRittlere SatjreSlöhnr 

mänwl. 

weibl. 

männlttfjc 

Arbeiter 

weibliche 

Arbeiter 

männliche 

Arbeiter 

«rc*. 

weibliche 

Arbeiter 

&IC*. 

unter 20gaf)r 

12 

130 

271,6 

256,6 

621,86 

864,60 

21—30 * 

168 

2 221 

288,3 

238,7 

1417,3« 

79B,oo 

31—40 = 

540 

5 318 

286,i 

246,i 

1 413,03 

800,oo 

41 50 = 

407 

3 970 

285,6 

254,7 

1 524,oo 

811,40 

51—55 = 

110 

1 276 

290,7 

258,8 

1 484,oo 

783,67 

56 - 60 = 

90 i 

771 

285,i i 

257,3 

1 492,50 

751,78 

61—65 * 

67 | 

293 

283,7 , 

268,5 

1 515,49 

830,36 

über 65 = 

5 | 

3 

295,3 ! 

244,7 

1 598,76 

1 1 019,58 

Sufanuneii . 

1 399 13 982 

286,3 l 

249,9 

1 492,oo j 

| 802,00 


Die tägliche Arbeitszeit ift für aße Btamifafturen auf zehn 
Stunbeit feftgefeßt. 

Bach Afforb* unb Daglohnarbeit unterfchieben, ergaben nd) 
bie folgenbett 3iffern für bie befchäftigten Arbeiter, für bie tag* 
liehen Einfünfte unb bie jährlichen Arbeitstage: 


Äate* 

gorien. 


Afforbloßn. 


Saglofjn. 


3a^l ber 
Sefdjäfs 
tiflten 

Xurdjfilmittl. 
ßüCju 
pro Sag. 
Sic«. 

$urd)f(tjttitt 
ber jäf)rUd)tn 
Arbeitstage. 

3al)l ber 
Sel^äf* 
tigten 

2)ur(Q)cbnittI. 
So^n 
pro £ag. 

ffrcS 

ber jäf)Tii$e:s 
aibellSiage. 

Bfännlidje 

Arbeiter 

87S 

5,22 

281,6 

521 

5^9 

293,9 

B?ciblidje 

Arbeiter 

13 533 

3,22 

249,o 

449 

2,82 

275,5 


Die Bermaltung ber Dabafmanufafturen Ieiftet Beiträge zu 
ben freien §>ülfsfaffen beS ArbciterperfonalS, bie jenen ber Biit* 
glieber ungefähr gieidjfommen. B3aS bie AlterSoerforgung aii^ 
betrifft, fo zahlt bie Bermaltung für jebeu Arbeiter 4°/ 0 bes Sohnes 
bei ber ftaatlidien AlterSrcuteufaffe ein, unb ergänzt bic aus biefen 
Prämien gebilbeten Beuten auf 400 grcS. für bic grauen unb auf 
600 grcS. für bie Btänner, faßS ber pcnfionSantritt nach Boll* 
enbung oon 30 Dienftjal;ren ober bcS 60. fiebensjahres erfolgt. 

Die Arbeiterfchaft hat fid) z ur Nahrung ihrer Sntereffcn ge* 
werffdjaftUd) organifirt. ES efiftiren 25 lofale Bereinigungen, 
bic fich feit 1891 z u einem fianbeSoerbanbe mit bem ^ißc in 
Paris znfammcngefchloffcn haben. 3h^e ßKitglicbcrzahl erhebt fidi 
auf über 11000, umfaßt fomit s / 4 bcS in ben iUamifnftnrcn be* 
fehäftigten Perfonals. (Eine Paraßelorganifation beftcht für bie 
nieberen Augeftclltcn, beren mau gegen 1000 zählt.) Der Bational* 
oerbanb ber Arbeiter, bie Federaiion des Ouvriers et Ouvrieres 
des Manufactures des Tabacs de France, unter fojialiftifdien Ein* 
flüffeu fteheub, entfaltet eine lebhafte Ihätigfeit, um beffere Arbeite* 
bebiuguugcu zu erlangen unb ben ÜRißbräudjcn zu fteuern, bie 
fid) in ben einzelnen gabrifen eiugefd)lid)en haben, git reizeU 
mäßigen gahresfongreffeit oerftänbigen fich bie Delegirteu bei* 
l'ofalocreiue mit bem Eentralfomite über bie zu forbernben ^Ke* 
formen, unb bas Icßterc übermittelt als offi^ießc Delegation bie 



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Soziale BrajtS. Gentralblatt für ©ogialpoltttf. Kr. 50. 


1318 


formulirten Befdßmerben unb gorberungen ben guftänbigett Beworben, 
b. i. ber ®ircftioit ber Dabaftnanufafturen unb bem gtnangmütifter. 

lieber bie gegenroärtigett 3 uftänbe in ber frangöfifd)en Dabaf* 
inbuftrie entnehmen mir ben Berhanblungen beS 8 . gaßreS* 
fonareffeS, roefd^e ber Rationaloerbanb ber Arbeiter ootn 4. bis 
10. guli in $ari^ abgeßalten §at, bie folgenben Gingelßeiten. GS 
erhellt aus allen Sißuttgen, baß Grunb gu uielfadjcn Befcßmerben 
oorliegt. gu ber BetricbSoermaltung berr[d)eit bureaufratifc^e 
Bebattterien; ber Bfangel eines oollig einheitlichen Reglements lägt 
ben Weitem ber eingelnen gabrifen bie Btöglicßfeit, grobe ©illftirlicß* 
leiten gu begehen. ®ie Berßanblungen über berartige 3mifcßen* 
fälle pflegen ftets einen breiten Raum auf ben Mongreffen ein* 
guneßmen. 

Die £auptbeftrebungen beS RationaloerbanbeS richten fidh 
jeboeß auf bie Iangfame Berbefferung ber materiellen ArbeitS* 
bebingungen. Gegenüber ber heute üblichen AltcrSoerforgitng 
oerlangt man unter Beibehaltung beS bisherigen Snftems einen 
größeren 3 l, f c ^ u 6 beS Staates gu ben oon ben aus Loßnabgügen 
fonftituirten Altersrenten. Der Staat foUe biefe Altersrente auf 
720 grcS. für bie Blänner unb auf 540 grcS. für bie grauen er* 
gängeit. Außerbcm märe bas penftonSfäßige Alter auf 55 begrn. 
50 gaßre ßerabgufeßen. ©aS bie aus ben ßoßnabgügen gebildete 
Broportionalrente betrifft, fo foHe fie nadf) 15 Dienftjahren min* 
beftens 300 grcS. betragen, Lohnerhöhungen forbert man 
unter ben gegenwärtigen Berßältniffen nicht ausbrüefiicß, erwartet 
aber hoch eine Iangfame Aufbefferung in allen Arbeiterfategorien. 
dagegen fprid^t man fich rücfßaltloS für bie (Einführung bcS 
AchtftnnbentageS aus. Die im Laufe beS lebten gaßreS oor* 
gefottttnenen ©illfürlidjfeiten in einigen Betrieben oeranlaßten, bie 
Ausarbeitung eines einheitlichen Betriebsreglements für 
alle Blauufaftureit aufs Reue gu beantragen. 

Sehr lange befchäftigte man fich mit ben Berathungen über 
bie Büttel unb ©ege, ben Arbeiterforberungen Geltung gu oer* 
fchaffen. Der Kongreß gab bem Gentralfomitee bie Bollmacht, ben 
allgemeinen AuSftanb gu erflären unb gu orgattifiren, falls 
bie SDireftion ber Blanufafturett fich ungugänglid) für bie Reformen 
geige. GS mürbe meitcr befdfjloffett, bie fich probugirenbeit Lofal* 
ausftänbe burch ben LattbeSoerbanb gu unterftüßen. gn folchen 
gällcn mirb ben BÜtgliebern ein außerorbentltcßer Beitrag auf* 
erlegt, unb gmar oon täglich 10 GtS. ben grauen unb oott 15 GtS. 
ben Blättttern. Die aus biefen Bütteln gu geroährenbe Streif* 
unterftüßung mirb für weibliche Arbeiter auf 1,50 grcS., für bie 
männlichen auf 2, 0 o grcS. pro Dag feftgefeßt. AuS ben Heber* 
fd)üffcn, bie fich ergeben fönnen, foü ein fpegieHer Streiffonbs ein* 
gerichtet merben. 

_ gut Anfdjluß an biefeS Brogram erhob ber Kongreß noch ben 
Aufprucß auf oerfcßiebeite Bergünftigungen für bie Arbeiter, mie 
auf beit Begug gemiffer SDuantitäten Dabaf gu ermäßigten ^greifen, 
auf Gewährung 001 t greitranSport auf ben Staatseifenbahnen. 

^ Gtne Delegation beS Kongreffes mürbe oon bem Direftor ber 
Dabafmamtfafturett bereits empfangen, ber inbeffett faft alle gorbe* 
ruttgett als unerfüllbar begegnete unb bie Arbeiter anmies, fich 
bireft an ben ginangmiitifter gu menben. 

tycLt iS. _ g. Sdjottßoefer. 


Sohn* unb ArbeitSöerhältmffe im beutfehe« Ifattrergewerbe 1898* 

Die 0011 t Borftanbe beS GentraloerbanbeS ber Blaurer Deutfcßlanbs 
oeranftaltetc Statiftif über bie Loßn* unb ArbeitSuerßältniffe ber 
Blaurer erftreefte fich auf 673 Drte, bie in ber 3 u f a wmenftellung 
auf 645 rebugirt mürben unb bei 8423 Unternehmern 10698 Blaurer* 
parlire, 147 686 GefeHen, 15 898 Leßrlittge unb 60 745 §anblanger, 
im Gangen etma70% ber in Dentfcßlanb befcßäftigten Btaurer 
ttachmieS. — Giner iteuttftünbigen Arbeitszeit erfreuen fich 10 614 
(7,19 %) Blaurer in nur 4 Orten (Berlin, Gharlottenburg, Schöne* 
berg, Rfrborf). gn 7 meiteren Orten haben 5323 (3,go %) Biaurer 
bie 9'/‘2ftünbige ArbeitSgeit, in 262 Orten arbeiten 65 157 (44, 22 %) 
Blattrer 10 Stunben, in 62 Orten 18 152 ( 12 , 30 %) 10% Stunben; 
in 286 Orten 45 255 (30,™ %) 11 Stunben, in 24 Orten 3185 
(2, u; o/ 0 ) Biaitrer über 11 Stunben. 

Abgefeßen oon ber Bimoing Branbenburg, mo Berlin unb 
Htngegenb burch bie neunftünbige ArbeitSgeit mit feineu 10 500 
Blaurern bas RecßnungScrgebniß mie in feinem anberen Laubes* 
tßeil beeinflußt, befteßt in 0chleSmig*£)olftein 2 c. bie oerhältniß* 
mäßig fiirgcfte ArbeitSgeit. Dann folgen ^paunooer 2 c., B3ürttem* 
berg, Bapcrtt, Brooittg Sad;fcn, Blecflenburg, Reffen, B°atniern, 
Thüringen, Königreich Sachfen, Glfaß Lothringen * Baben * 
Rheinlaitb, Bkftfalcit, Scßlefien, Oft* unb SSeftpreußen unb Büfett. 
Begeichiteitb ift es, baß in ben ßanbeStheilen, in beneit bie Iängfte 


ArbeitSgeit oorßerrfchcnb ift, auch in & e n meiften Orten lieber* 
ftuttben gemacht merben. So in ber Rßeinprooing in 38 Orten, 
Söeftfalen 28, Scßlefien 25 unb in Oft* unb Söeftpreußett uttb 
Bofen in 22 Orten. 3» manchen Orten bilbeten bie ileberftuttbeit 
bie Regel, mäßrenb fie in ben meiften Orten erfreulichermeife nur 
gang oereingelt unb bei äußerft bringenben Arbeiten üblich mären, 
giir lleberftunben befonberS leicht gu ha&en ftttb bie fogettanitten 
„Sachfengättger im Baugemerbe": Die Schlefier iit Rorbbeutfcß* 
lanb, bie Böhmen in Sachfen unb Bapertt, bie SBürttemberger, 
^oßengoHern unb ^fälger in Baben unb Glfaß*ßothnngeit, bie 
Reffen in Rheinlanb uttb B3eftfalen, bie GicfjSfelber unb last not 
least bie gtaliener. 

giir bie ßohnftatiftif mürben 46 oerfchiebene Säße für Stunben* 
löhne oon unter 20 bis über 60 4 aufgeftellt, bie auf 128 934 Ge* 
feilen, mie folgt, gur Anmenbitng fatnen: DurchfchnittSlöhuc 
mürben begahlt in 



Orten 

an Blautet* 

biä }ll 26 3"f . . 

. . . 44 

5 653 

25 l /j—30 = . . 

. . . 178 

20 596 

30 1 /»—85 - . . 

. . . 194 

18 271 

36*/»—40 = . . 

. . . 130 

31 548 

40 1 /»—46 . . . 

. . . 70 

31793 

46 l /s - 60 = . . 

. . . 16 

5 693 

52-55 Sf . . . 

. . 0 

4 701 

57—60 .... 

. . . 8 

11972 


Bon 28 Großftäbien oon 100 000 unb mehr Ginmohnent 
famen auf 6 Durchfcßnittslöhne oon 50—60 4/ anf 5 foldje oon 
45—4972 4, auf 11 folcße oon 4072—447 2 4 unb auf 6 folcße 
oon 33 l /2—40 4* ^°n 29 Orten oon 50—100 000 Ginroohuem 
entfielen DurdfjfchnittSlöhne oon 52 4 au f 1/ non 45—48 4 
auf 3, oon 4072—43 4 auf 5, oon 40 4 unb roeniger auf 
20 Drte. Die Angaben ber Drte oon meniger als 5000 Gin* 
roohuern, feien unguoerläffig unb gu günfiig, ba fie gu fpärlich ge* 
floffen finb. Die Großftäote bis mit 50 000 Gintoohnerit h^ab 
rangiren ihrem Durd;fd)iiittSlohn nach mie folgt: §amburg*Altoita 
60 4/ Berlin, Gharlottenburg, Sdjötteberg, Rifborf 5972 4/ Leipzig 
527-2 4, Kiel 52 4, Bremen 50 4/ SRündßen 4972 4/ Öübecf 48,^, 
Stettin 4772 4/ ©pnnbau 46 4/ Bresben, graitffurt a/BI., Düffel* 
borf unb Bremerhaoen, ßehe, Geeftemüube 45 c'7 .spaitnooer, 
Rürnberg 4472 4, Blagbeburg, Königsberg, Blannheim, Kaffel, 
BotSbatn 43 4/ Brauttfchmeig 4272, ©aue, Dortmunb 42 4 , 
Gffen 4172 4 , Köln, Dangig, Duisburg 41 4 , Breslau, Stuttgart 
4072 4, ßlberfelb, Barmen, Grfurt, Blaing, SBteSbaben, granf* 
furt a/D., Bochum 40 4 , Ghemniß, Ktefelb 39 4, BSürgburg, 
St. Sohann, Saarbrücfen, Blalftabt, Burbach, BI.*GIabbach 38 4 , 
Straßburg, Augsburg, greiburg i/B. 37 BIeß 3672 4 / ®örliß, 
Blünfter i/S. 36 4 , 2>cmnftabt 3572 4, Karlsruhe, B^ueit i/B., 
3mitfau 35 4 , Aad^ett 3372 4 / SRüUjaufen i/G. 3272 4 / ^iegniß 
32 4 unb Bofen 3072 4 * 

©eitere gragen über ßoßn ber ßehrlinae, grauettarbeit unb 
©ohnftß ber Blaurer (ob entfernt 00 m ArbeitSplaß) mürben gu 
Iftcfenhaft beantmortet, um guoerläfftge Refultate gu liefern. 

Die Arbeiterfrage itt ber amerifanifdjen Baumtooflinbuftrie. 

©ir entnehmen einem beutfcßeit Konfularberichte: Die 3nhc bcz 
BautnmoUeufpinbeln in ben Bereinigten Staaten 001 t Atnerifa 
mirb auf 19 410 554 uttb bie ber ©ebftüßle auf 453 281 Stiicf 
angegeben. Die Bertnehruug ber Spittbelgahl ift ooritehntlich itt 
ben Sübftaaten erfolgt, unb bort bürfte auch &ic 3 u futtft ber 
atucrifanifchen Baummolleninbuftrie liegen. Das eingige §ittbcrniß, 
toelcheS ber Gntmicfelung ber Dejtiliubuftrie in ben Sübftaaten 
entgegeufteht, ift bie Arbeiterfrage. Die in oier gabrifen in ben 
leßten guh^eit mit garbigen gemachten fdjlechten Grfahruitgeu laßen 
barauf fdjließcit, baß es nid)t möglich ift mit biefett ßeuteit, troß 
ber Billigfcit ber Arbeit, bauernb mit Bortheil gu arbeiten, ba 
ihre ßciftungSfähigfeit außerorbentlid) gering ift, uitb bie Be* 
fd)äftiguitg farbiger Arbeiter bie gleidjgettige Bcfcßäftigung rneißer 
Arbeiter, uatjegu ausfdjließt. BÜt ber Gitimanberung einer meißelt 
gabrifbeoölfcrung miirbe jeboth auch bie „Trade Union“ unb bie 
gabrifgefeßgebung ihren Giitgug hultett, unb roentt auch bk Ans* 
fiihntng ber leßtereit itidjt critft geitomiitcn merbett mirb, fo finb 
bie „Trade Unions“ hoch bereits jeßt feßon am ©erfe, bie Derül* 
arbeiter ber Sübftaaten gufammeiigufdjlicßeit, unb ber erftc große 
AuSftanb in Georgia unb Rorth^GaroIiita ift nid;t gu Gnnften 
ber gabrifanten entfeßieben morben. Die Beftrebungeu, Bannt* 
mollenfpinitereieit auf bem ßanbe, ntöglid)ft entfernt oon ben 
tfjeucreit Stäbtcn unb inmitten ber Beugungen aitgulegeit, toerbeu 
tiacß beut Grfolge, ben bie erfte berartige Anlage aufgumcifeit liat, 
fidjer mit größter Beharrlichfeit »erfolgt merbett. ©eun es ge* 








iai9 


©ojtale ffcajts. Eentralblatt für ©ojiatpolitif. 9fr. 5o. 


1320 


littgt, bie Arbeiterfrage im Süben iu einem ber gitbnftrie günftigeit 
Sinne 3 U löfeit, fo biirfte eine machtooÜe Entfaltung ber Baum* 
woüenwebereicn unb Spinnereien in ben Baumwolle baueubeu 
Staaten 311 erwarten fein. Tie lebten Veröffentlidjungeu ber 
Bureaus Labor of Statistics ooit Eonnccticut unb Vtoine geben 
für bie Baumwollenfpinnerei in Eonnccticut folgcnbe 


Arbeitsfofteu für bie ©piiibcl im gahre . . Dollar 4,75 

gapl ber ©piubdit.für 1 Arbeiter 65 

Verarbeitung uon Baumwolle für bie Spiubd ^fuitb 52 ,10 

Arbeiterfdjaft: 

Viätiitci*. ^rojentfajj 43 ,00 

grauen. = 47 /0 o 

Miitber. = 10, 0 a 

^öt}ue: 

SLeber.Tollar per SLodje 5 bis 18 

Spinner.* * * 4=12 


gu VZaitic mar ba? Verhältnis ber Arbciterfdjaft 41 o/ 0 Männer, 
52 % grauen itnb 7 o/ 0 Miitber. £>cruorgehobeu wirb bie 3u- 
nabme ber Beifügung uon grauen unb Minbertt unb ba? Be* 
ftrebett, männliche ermadjfcne Arbeiter au? 3 ufd)eiben. 


^rbtterbemeguttg. 

Äeiit Terrorismus? gn Burg bei VZagbeburg liegen bie 
Xifdjtergefellen feit SSodjen mit ben VZeiftern in Streit Unter 
beut 5. Auguft oerfdjicften, roie jept befanut mirb, bie VZeifter „uer* 
trauliche" Eirfulare, roorin fie ihre Mollcgen aufforberit: 1. feinen 
ber ausftänbigen XifdjIergefeHen in Arbeit ju nehmen; 2. ben 
grauen (!) ber auSftänbtgen EJcfeHeu feitterlei Beschäftigung geben 
3 u wollen; 3. falls fie bereite AuSftänbige befd)äftigen füllten, biefe 
fofort 3 U ctitlaffeit, unb 4. mit allen ibtten 311 (Gebote ftehenbett 
moralischen Mitteln auf bie ihnen in ben ©eg fommenbeit ftreifeit* 
ben TifchlergefcIIeu babin gu roirfen, bap fie 3 U ihren 'VZeifterit 
unb in ihre früheren B>erfftätten jitrücffehten, wofelbft fie au?* 
reidjenbe Beschäftigung unb Verbienft finbeit. betroffen baoon 
finb 123 ^erfonen, beren Aamcn einzeln aufgeführt finb. 

Verbat eines Streifs burd) bie fpiligä in 3tvi(fan. 8 er im 
Erlöftf)en begriffene VZaurerftreif in ^tuiefau ift bel)örblich „be* 
enbigt" woroen. gn einer 3 u f^ r ^ft cm ben Streifleiter mürbe 
biefem unter Anbrohuitg einer (Mbftrafe uon 100 di uon ber 
Drtspolijei uerboten, Streifpofteu auf 3 uftcllen ober irgenb welche 
Thätigfeit für ben Streif 3 U entfalten. Turch Verfügung be? 
Boli 3 ei*Stabtratf)S ift weiter einem BMrtf), bei bem bie Streifleiter 
uerfef)i*en, unter Anbrohung uon 100 t if. Strafe ober .£>aft auf* 
gegeben worben, bie gortfcputig ber Streifbewegung in feinem 
Lofal nicht gu bulbeu. Auf bie weitere Entwicfelung biefer Sadje 
barf man gefpannt fein, namentlich auf bie gefehlte Begriinbuttg 
biefer polizeilichen Eingriffe. 

8er Streif ber beutfdjeit Steinarbeiter (uergl. „S 03 . Sßrajri?" 
Sp. 1299) behnt fid) immer mehr aus. gn Berlin ift er tia^u 
allgemein geworben, itad)betit bie Arbeiter leiber ben SchiebSfprttch 
beS EiitignugSamtS 3 urücfgewiefen h Q ben. Sie haben bie Unter* 
ftüpmtg ber ^Berliner Arbeitcrfdiaft bei ber ©emcrffchaftsfominiffion 
uad)gefud)t, unb Icptere bat einen bementfpreebenben Aufruf er* 
laffeit. gi^wifdjcn hat ber Streit, ber uor etwa fed)3 SLodjcit 311 * 
erft in Biii^laii nnb iöre^lan auSbrad), auch nadj Sadjfeit hinüber* 
gegriffen, gu Tre»?beit haben bie Unternehmer 1500 Steinutepeit 
ansge sperrt, weil in ^irtia bie Arbeiter eine* BkrfeS (etwa 40) 
„gcicrabctib" gemacht haben. Eine TrcSbcncr Steinarbeiteruerfamm* 
lang hat in golge beffen ben (sJciteralftrcif bcfchloffeu, uon bem 
nun aud) bie Unternehmer betroffen werben, bie ber Vi elfter* 
uerciuigung nicht augehören. 

Eilt Eentralucrbanb rpriftlirfjer blautet nnb uerwanbter Berufe 
Seut'ihlan^y" mit Ucui 2ir> in Vcrlin ift in ber Vilbung begrite. 
Tericlbe f 0 II nitv ber feit 3wci galiren beitchciibcn Scftion ber Vau* 
arbeiter be^ berliner Vereine „Arbeiterfdmp" heroorgeljeu, bie ihren 
Sin im fall)alliiüen Arbeiterheim ,A'eühofpiV‘ hat. Ter Verein „Arbeiter* 

Mi in;/' uerfügt bereiia über Schienen ber >5ol3* nnb Vietallarbeiter, ber | 
Sdjneiber nnb Sdmcibtrinnen :e. Eine Settion ber dirifiliehen gimmerer j 
ift nenerbiug* entfianben. 

AuS ber ©erliner Arbeitcrbetuefluitß. Ein Theil ber Verliner 
Eitelcure befiubet fid) im Streif bebufv Ervmgiiug bea Aeuuftuubeu* ! 
tage*?. Tic :V! arm ov? unb <'>ra ui ta r bei t er flehen m/yveu ber neun* 1 
inmbigeu Arheitv^eit unb aubermeiter ^ohnregiiltruug in lluterhanbluugen 1 
mit ben Vertretern ber Arbeitgeber. Anita ca p einem Vergleid) fouimt, 
fall bie Turdiführnug ber Abmadniugen einer \n gleidjai Theilen au»? 
Uuteruehmeru 1111b Arbeitern beueheubeu >iümiitiffiau ^uüebeu. gu 
Anllcu, 1110 bie .Mommifiiou fidj nidjt einigen fauu, fall ber Vorn turn be 
bca <'*ewerOegerid)tv bie Entfdjeibuug treffen. Tie Verliner gfolirer 


uub Aohritnthüllcr Bcfiitbcn fid) wegen Ahfdjaffung ber Accorbarhcit 
unb Einführung eines Söiinbeftlohnes im Streif. And) bie .O 0 I 3 - 
hilbhaitcr finb in eine 2 of)nbemegitng cingctrcten. 

öergarbeiter^Stretf iu Sathfett. gm ^laucn'fdien Elrnnbe ift ein 
Streif anügcbrodjen, an bem etwa 2500 VZann hefheiligt fein füllen. 
Aäperc Angaben fehlen hi§ jept. Ter „Vorwärts" oermutljct, bafj ber 
Streif wegen ber Entlaffnncf eines Arbeiter»?, wcldjcr ber Tireftion int 
Aufträge feiner Sfamerabcn Vefdiwerben überbrad)t habe, erfolgt fei. 
Ei? fei * anperbem ein Arbeiter mit 9 Jt beftraft worben, weil er itt 
einer Eingabe an bie Tireftion angeblich falfd)c Angaben gemacht 
habe, gertter feien ttod) 130 VZann mit 4 M beftraft worben, weil 
fie ohne Urlaub oott ber Arbeit wrggcblieben feien. 

BohnBetoegmtg tut Ühwtfdjeit fioh^nherghau. Unter ben 
Arbeitern ber böhmifchen Vraunfohlcurcuierc hat eine ftarfc Lohn¬ 
bewegung begonnen. 8ie Bergarbeiter bcgrüitben ihre gorbernng 
mit ber giinftigen ^onfunftur unb oerweifen auch auf bie ttur»?* 
fteigerung ber VZontanwerfe. Eine uorige Sochc in Briir ftatt* 
gefunbene Bergarbcitcruerfammlmtg befchlof; eine 9lefolutiou, iu 
ber bie Arbeiter eine 20 pro 3 entige Lohnerhöhung, bie Einführung 
ber Ad)t[tunbenfchid)t, fotuie bie gcftftellung eines Vtinimallohnev 
oerlangen, welche gorberungett einer feit»? mit ber I)crrfd)cnbeii 
Th^acrung, anbererfeitS ber günftigeit jfonjunftur auf bem ^ol)leu* 
rnarfte motioirt werben. 8ie Arbeiter fprachen in ber SRefolutioit 
bie Hoffnung aus, bap bie V?erfc bie gorberungen bcwilligeit 
werben. 8ie SWefolution tuurbe ben Sfeoierbergämtern übermittelt. 
— gn galfeitau hat bie AnSftanbSbewegung tn golge ber Lohn* 
biffereitzett bereits begonnen, uub iu 3 wet Schäften würbe bie 
Arbeit eingeftcllt. 

General-Federation of Trades. ^ach längeren Verhaub* 
lungen ift jept bie General-Federation of Trades eine uoÜcnbete 
Thatfache. Einige 350 000 8 rabe*Untoniften waren auf ber be* 
griinbenbett Verfamntluug oertreten, fchr utel weniger al»? man 
nach bem r Amalgamated Engineers’ Journal“ ermailet hatte, gn 
ben VerroaltungSaii»?fd)itp finb 15 VZitglieber gewählt worben, auf 
ungefähr 20 000 VereinSmitglieber fomtnt fo jept ein Verwaltung»?* 
auSfchupmitglicb, iitbeffen fott fein Verein mehr al»? einen Vor* 
tretet* im Momitee haben. E? wirb bie Hoffnung ausgefprodjen, 
bap biefer Vefchlup auf ber näd)ften ©encraloerfammlung nodi ge* 
änbert wirb. 8 ie 15 jept gewählten VHtglieber oertreten bu Ver¬ 
eine ber Eifeitgieper, ber Sd)iff?bauer, ber Leicefter Strumpfwirfev, 
ber Vaummollfpinner, ber Äupferfdpniebe, ber Sd)uhmad)er, ber 
uereinigten Viafehtnettarbeitet, ber nationalen ArbeitSuuion, ber 
gil 3 huintad)cr, ber VZalcr unb 8 eforatcitrc, ber E)a»?arbeiter, ber 
£)orfffjtrer Voeber, ber 8 ocfarbeiter, ber guhrmann?gen 0 ffenfdiaft 
unb bei* A. S. E. Lepterer Vertreter, gfaac Vfitcpefl, würbe ein* 
ftintmig 311 m Scfretär gewählt. 


Molittmtipitiefjeit. 


SBohttmtgSnoth tn RieL 

Eine Er[d)eimutg, welche wir 3 m ^eit iu ben weiften größeren 
beutfd)cn Stäbten beobachten föntieu, ift in einem gan 3 befoiibeicn 
Viape in Miel 311 Tage getreten: bie VM)ming?noti). Sie ift eine 
TbatfarfjC unb fauu and) nicht burd) Vefolutioneu nnb Vefdiliiüe 
ber .'pan?* nnb C*)riinbbefiperoereine hiuweggeleuguet werben. Emen 
äf)ulid)cu Aothftanb hat Miel uor jept gerctbc 3 cl)ii gahreu gehabt. 
Tantal»? wurbe er oeranlapt burd) ben hebeiitenbctt ^U 3 itg an»?* 
märtiger Arbeiterfamilien in Atilap be? Baue? bc»? Aorb=Sftfee* 
Manai»?. 3 e itweilig waren 16 gamilint mit 85 Möpfeit wobnung»?* 
Io?. Tic ftäbtifchen Mollegieit bcfd)loffeit 3111 * Befäutpfutig bei* 
Cbbachlofigfcit ben Bau einer maffiueu Baracfc mit 12 TL oh 11 * 
räumen. Bi* Eitbe gititi 1890 war bie Baracfc ftet? befept. Tann 
liep bie B3ohnuug»?itoth in golge ber ftarfeu uub rafdjen Be* 
bainutg neuer Stabttheile aflmählid) nad). 

Ter heutige Vothftanb erweift fid) bem batttaligcn gegenüber 
als uiel bebcutenber uub in feinen golgen bebrohlidier. Anfang 
Auguft b. g., alfo 31 t einer $dt, in mcldjer au Arbeit fein Bunigd 
ift nnb bie TLitterung?uerhältuiffe feine befoitbcren Aiiforbenuigeu 
an bie Wohnung ftdlen, waren nid)t weniger als 25 gamiiicn 
mit 164 Möpfen, baruntcr 117 Miuber, ohne TLol)itung. git ben 
wenigftcu gälten hanbeltc e»? fid) 11 m eine artnenreditlidie >pülf»? 
bebiirftigfeit. Tie Tlieiftcn hatten guten ober bod) tuenigften»? au»?- 
rcid)eubeu Verbienft, um eine SBohnung be 3 al)len 311 föutieit. 3ie 
founten jebod) feine foldje fiubctt, theil»? wegen ihrer Miitba^alil, 
theil»? weil ber Ehcmaun ober bie Ehefrau bem £>au?befiper gier* 
fönlid) mipliebig war ober als foldje bezeichnet wnrbcii. ATir 
gaii^ ucreinzelt fouitte bie Aid)tbc 3 al)limg ber Viiethe al»? Eh'uub 
bei* TLohmmgslofigfeit feftgeftdlt werben. Tie $LohnuugSnotl) iü 









1321 


Sogtale $raji8. dentraCblatt für Sogtalpoltiil. Ar. 50. 


1322 


aber t^atfäc^Iicf) noch größer, als fte ans oorftefjenben 3iff er tt ers 
beHt. SDenn eS ift ermittelt, baß etwa 20 Familien mit burdj* 
fdjnittlid) 5 köpfen, alfo 100 ^erfonen, in beit fleinen ©arten« 
bau fern ber ^adjtgärten roohneu, mtb ctma bie gleiche Angaßl be* 
lüobnt Heller« unb $adjgefdjoßräume, roelcbe ben poligcilidjen An* 
forberungen nidjt genügen, nicht Jjeigbar unb tßeilroeife nur auf 
(frfudjcu ber ftäbtifdjen ArmenoerroaHung oon ber ^oligeibehörbe 
gngelaffen fiub. Ainimt man Alles gufamnten, fo ergiebt fich, baß 
in Miel gur 3 e ^ 60 bis 70 Familien mit 300 bis 350 Möpfen 
ohne ein angemcffeneS, nur ben nothbürftigften Anforbernngen ge* 
nügenbes Hutcrfommen ficb befinben. 

fragen mir nach ber llrfadje ber B*ohnungSnoth, fo roirb 
biefclbe roieberum bauptfäd)lid) in bem 3ujug frember ArbcitS* 
fräfte unb bem bantit im 3 u fammenbange ftebenben, oor Allem in 
ber ©ntroidfelung ber Maiferlidjen Marine begrüubeten rapiben 
BtodjSthum ber Stabt gu fueben fein. Bei bem großen im Ban 
begriffenen Srotfenbocf ber Maiferlichen Bkrft roerben §>unberte 
oon Arbeitern befdjäftigt. 2)ie großen ^rioatroerften — W°malbtS 
Bkrfe unb bie Mrupp’fche ©ermaniaroerft — ftttb mit Aufträgen 
überfüllt, auf lefcterer foHeit mit ber $tii etroa 5000 Arbeiter be* 
fdßäftigt roerben. AllerbingS liegen bie Werften nidjt auf Mieler 
Oiebiet. Snbeffen rooljnt ber größte £h e il ber Arbeiter in Miel, 
tfjcils um bie Annehmlich feiten ber großen Stabt gu genießen, 
tbcilS roeil fie itt Miel ftänbig beffer gefteHt fiub, ba bie diufommen 
unter 660 J(, oon ber ©emeinbeeinfommenftener frcigelaffen 
roerben. £agu fomtneit in Miel felbft umfangreiche llniocrfitäts* 
bauten, roelcbe bie W era ngiehung gelernter ArbeitSfräfte notbroenbig 
gemadjt haben, ba in Miel felbft nicht genügenb $>ecfung oor* 
banbeu roar. Selbftoerftäitblich gebt Waito in £>anb bamit ber 
3»gug and) anbercr, nicht bem Arbeitcrftaube angehörigen $er* 
fotteit. §n erau 3 erflärt ficb bie ungeheure rafche 3unahmc ber Be* 
uölfentng, roeldje fidj aus folgenber Aadjroeifung ergiebt: 

?tm 31. Negern ber: 

18 ss betrug bie @inrooljncrgabl ohne SWUUärpcrfönen 56 099 
lsS9 = = = = 60 522 

1S90 = * = 64 036 

1S95 s s s = = 79 066 

1S9S = = » 86 783 

Born 1. 3anuar bis 31. 3uli b. 3S- ift fie geroadjfen auf 90 437. 
$ic Militärbcoölferung ift in betn gleichen 3eitraum geftiegen oon 
4694 auf 10 532. $ie ©efammtbeoölferung hat fidj alfo in gehn 
Saljren um etroa 66% oermebrt. hiermit bot bie 3unaljtne ber 
2£otjuftätten feinerlei Sdjritt gehalten. Sdjon ber ftäbtifdje Ber* 
roaltuugsbericht fonftatirt für ben 3citraum oom 1. April 1891 bis 
bafjin 1*96, baß roäfjrenb bie Bcoölferung um 23 /85 o/ 0 gugenommen 
(mt, bie 3aljl ber BJoßnftätten nur um 15<V 0 geroadjfen ift. $)iefeS 
Mißoerbältniß Ijat ficb mit ber 3 c *t noch gefteigert. $>ic 3 a hl 
ber neuen 3meiftubcnroohnhäufer, roeldje im Sabre 1896/97 50 be* 
trug mit 450 Wohnungen, ging im Sohn’ 1897/9* guriief auf 19 
mit 145 Wohnungen, roäbreub bie 3 a ßl ber Wäufer mit 2 unb 
mehr Stiibenroofjnungen nur oou 65 auf 78 ftieg. SDer ©runb in 
biefem Biicfgang ift tfjeils in beit erheblid) Ijö^ercit Material* 
preifen, theiis tn ber augcnblicflidjcn ©elbfuappheit gu fuchcn, 
tbeilroeifc madjt ficb audj ein Aiicffdjlag gegen eine in ben Bor* 
jabreit üppig emporgeroadjfeuc ©cbäubefpefulaiioii geltenb. 

So faben fidj alfo bie ftäbtifdjcn Beßörben int Sommer b. St¬ 
einer empfiublidjen B.'obuuugSuotlj gegenüber, roeldje eilte brittgeitbc 
Abfjülfc erljeifdjte. 3 11 bem 3mecfe rourbe gunädjft ber fdjlcuuigc 
Bau roeiterer Baracfen befdjloffen. i ? ag hierin gegenüber betn bis* 
berigen 3 l, ftonbe infofern eine SSerbefferuug, als in ben neuen 
^araefen jcbeSmal ^toei Stuben — Mammcr mit Modjgclecjenbcit 
nub Stube — einer Oramilie iiberroiefen roerben roirb, roäbreub 
bisher nur eine Stube gur Verfügung ftanb, fo roirb man anbercr* 
feits boeb auch nidjt oerfennen fönnen, bab hiermit bie ^obnungS* 
frage felber nidjt gelöft roorben ift. Wierübcr hotten fidj audj bie 
ftftbtifdjen iBebörben feinerlei Xäufdjungen Ijiogegeben, oielmcbr 
neben bem S -Bau oon iBaracfeit, beftimmt bem äu&cr|ten SBobttungS* 
elcub fdjleunigft abgubelfen, befdjloffen, einen aus iljrer s 4)?itte ge* 
fteüteu Eintrag auf (Srbauung einfacher Satnilienbäufer in oer* 
fdjicbcueu ©egeuben ber Stabt ber guftättbigen Mommiffion gur 
fdjleunigeit Bearbeitung unb Beridjterftattnng gu iiberroeifeit. Db 
ber Eintrag gur Ausführung foittmeu roirb, ftebt itocfj bafjin, grunb* 
fäfelidje Bcbenfen roirb man bagegeti nidjt erbeben fönnen. 

£>ie Srage, ob bie Stabt als foldje rechtlidj oerpflirijtet ift, 
abgefefjen oon bm Öaüc ber armeurcchtlidjen WülfSbebiirftigfeit, 
für eine atigemeffene lluterfuuft ber ©emeinbeangebörigen gu forgeit, 
ift eine oöllig müßige. 3)fan famt fidj noch fo febr bagegen oer* 
loabrett nub eine redjtlidje Bcrpflidjtung entfdjieben oerncinen, man 


roirb hoch nicht gulaffen fönnen, bafj auch ltur e ' ne Somilie ohne 
Dbbad) bleibt unb immer roirb es am lebten (£nbc bie Stabt fein, 
roelcher bie Sorge hierfür obliegt. Heber baS 2Bie fönnen aller* 
bingS bie Meinungen auseinaitber geben. 3)en WouSbefibern roirb 
man es nicht oerbenfeit fönnen uttb rooHen, roenn fte, eine für fie 
günftige Monjunftur benufeenb, bie 3Kietbpreife fteigern ober fidj 
ihnen' mißliebiger Sftietber, oon benen fie oft genug Acrger unb 
Berbruß unb auch pefuniäre Dpfer gehabt haben roerben, gu eut* 
lebigen fuchen. Auch roirb man eS gugeftehen fönnen, baß bie 
Stabt bem Wouä* unb ©ritnbbeftb, roelcßer in erfter Üinie bie 
Steuerfraft repräfentirt, nicht ohne $otb Monfurreng machen foU. 
3öenn es aber baS öffentliche Sntereffe erforbert — unb roo roärc 
baffelbe ftärfer intereffirt als in ber SBobnunaSfrage — unb es 
nicht auf anbere Seife gelingt, bie Sßrioatbautbcitigfeit gu roeefen, 
fo ift fein ©runb erficbtlidj, roeSbalb bie Stabt felbft nicht gum 
Bau oon Sobnungen fchreiten foO. $ält man bie Stabt für be* 
reeßtigt, Baradfen für Dbbadjlofc gu bauen, fo roirb man ihr auch 
nicht oerroebren fönnen, Soljnungen für SoßnungSlofe gu er* 
ridjten. 3brer fogialen Aufgabe roirb fte bierburch jebenfalls mehr 
gerecht, beim bie Inhaber folcher gegen Btietbe gu überlaffenben 
Sobnungen roerben ficb als gleichberedjtigtc ©emeinbeangeijörige 
fühlen, röogegen bie ^nfaffen oon Baracfen aHmäblith gu Almofen* 
empfängern Ijerabfiitfen unb feljr oft nicht mehr bie fittlidje Mraft 
haben roerben, fid) aus iljrer briiefenben Sage, in roeldje fie gum 
S£beil ohne ihr Berfcbulbcu geratljen fmb, gu befreien. 

Miel. 3f. Soetbeer. 

»lütte? für $autbiitger ©ohmntgSpflefle. $>ic Bebörbe für 
SBoljmmgSpflegc in Hamburg hat bereits bei gcftfteHmtg ißrer ©efdjäfts* 
orbnimg in @rroägung gegogen, für bie attgenteinen BJittbeilungen an 
bie amtlichen Crgatte ber SBohnungspflegc eine in xroanglofer Jolge 
erfdjeinenbe Rettung berausgugeben. Aumnebr ift bie erfie Kummer 
crfdjienen. 5^ie „Blätter für BSoljnungSpßegc" roerben je nad) Bebarf unb 
nad) bem oorliegeubeu ®?aterial erfdjeinen. (3u begieljcu oon bem Bureau, 
Hamburg, ^oftftraße 19.) ^ic erfte Anmmer enthält einen Bortrag, ben 
9J?ebiginalratlj 9r. Acinde in ber gemeinfameit Bcrfammlung ber efjren* 
amtlidjen Crgane ber BlohnungSpflcgc — es fiub gur Ausführung bcS 
Gleiches 162 Pfleger berufen — am 19. Sftai b. gehalten tjot; ber 
Bortrag behanbelt unter befoitberer Begugnahmc auf Hamburg bie un* 
günftige (Sinroirfuug imgefunber ober überfüllter Bloljnungen auf Sterb* 
lidjfeit, Olefunbljeit, Familienleben. Dr. Aeiucfe fjat auch einen Seit* 
faben für SoljuungSpßege oerfaßt. 


Änaerhfgeridjte. dinigungsfimt«. Sdjic^gtridjtc. 

Aebigirt oon ©eroerberichter Dr. S dj a I b o r n, Berlin. 

$ie Steffung beS ^olonuenfübrerS unb feiner ©rnppe im Bangetnerbe* 

-E'aS Bcftrebcn ber llnterucbtner, iljr Aififo möglidjft auf 
anbere Sdjultcru abguroälgen, 1 ) tritt gur 3«t befoubers im Bau* 
geioerbc Ij^^oor. 

3m Baugeroerbe ift es mehr unb mehr üblich gcroorben, ge* 
roiffc Arbeiten, fo bie $ußcr* unb bie Steinträgerarbeiten im 
©ritppenafforb gu oergeben, b. b- im ©äugen gegen eine oou oorn* 
herein beftimmte, meift nadj 3 a bt aber Bcaß ber gcleiftcteu Arbeit 
gu beredjneube Bcrgütmig au eine BJebrgaljl oon Arbeitern (Molonnc), 
roelcbe bie Arbeit auf gemcinfdjaftlidje Aedjnuug übernehmen. Bei 
ber Arbeitsoerabrebung pflegt ber Bauuuterueljmer nidjt mit ben 
fämmtlidjen Arbeitern ber Molonne perföitlich gu oerbaubeln. Biel* 
mehr roirb gur beiberfeiligen Bequemlichkeit mit einem ber 
Arbeiter, ber baS befonbere Bertrauen feiner Mollegen genießt, bem 
fogenanntcit Borarbeiter ober Molonnenfüfjrer, afforbirt. ©s ge* 
fdjietjt bieS noch bäußger berart, baß bem Arbeitgeber gunädjft 
überhaupt nur ein gelernter Arbeiter entgegentritt, ber etroa feßon 
als Borarbeitcr tljätig geroefen ift. tiefer oerabrebet bie ArbeitS* 
bebingungen unb fudjt fid) bann bie erforberlicheAugaljl Mitarbeiter 
Ubeils gelernte Arbeiter, tljeils ungelernte gu W ai, blangcrbienfteni 
uub roeift biefe bem Unternehmer nadj. 3n ben allermeiften Fällen 
arbeitet er felbft in glcidjer SBeife, roie bie übrigen Arbeiter uub 
tbcilt mit ihnen ben Bcrbieuft, ofjnc einen Borgug oor ihnen gu 
genießen; bädjftens oergüteu iljui feine Mollegeu etroaige 3^'itocr* 
fäu um iß. 

^>ie Bauunternehmer fudjcu nun foldje Molonuenfüßrcr als 
felbftftänbige Unternehmer Ijingnftelleu, roeldjen baßer bie alleinige 


J j Bgl. Dr. Acuhaus, lieber bie .^olgbcarbeitiiugsiubuftrie, in btefeu 
Blättern, ismj 3p. 1195 ff. 



1323 


©ojtole SPtoji*. Eentralblatt für ©ogtalpolttt!. SRr. 50. 


1324 


Verantwortung für ihre SRitarbeiter, befonbers ^infic^tlid) ber 
Löhnung unb Entlaffung obliege, demgegenüber |at baS Ver« 
liner ©ewerbegeridjt in fonftanter Re<htfpred)ung baran feft* 
gehalten, baß nidjt ber Äolomten führet*, fonbern ber Vauunter« 
nchnter ber Arbeitgeber ber ganzen Kolonne fei. hierbei ift nicht 
nur bic wtribfchaftlidje llnfelbftänbigfeit beS Vorarbeiters, fonbern 
oor Allem ber Umftanb berücffidjtigt, bafe bie Vauunternehmer 
felbft bic öffeutlid)rcdhtlichen VcrficherungSpflidjten allen Arbeitern 
gegenüber erfüllen unb ftd) burd) bie oerfchiebenftcn Viaftnahmen 
als Arbeitgeber aller geriren. 2 ) 

©egenwärtig ift man nun beftrebt, biefe RechtSauffaffung beS 
©ewerbcgerichts baburch unmöglich zu machen, bafc man in jebem 
einzelnen Stolle fomohl oom Koloitncnführer wie oon ben einzelnen 
Molonuenarbeitcrn ein fdjriftlidjeS Anerfenntniß forbern will, wo« 
nach fi<h jener als fclbftftänbiger Unternehmer, biefe aber als 
Arbeiter lebiglid) bes KolomtenführcrS befennen foKcn. 3u biefem 
Vehufe hot ber Arbeitgeberbunb für baS SRaurer« unb 
3immcrgemerbe oon Verlin unb ben Vororten ein 
„Rinfterbeifpiel" eines ArbeitSoertrageS unb eines RcocrfeS auf« 
geftellt, weiche bei ilebertragung oon ^überarbeiten gu ©runbe 
gelegt werben follen. darin wirb ber folonnenführeubc ^ufecr 
auSbriicflich als „Unternehmer für ^ubarbeiteit" bezeichnet. 3h m 
wirb bie auSbriicfliche Verpflichtung auferlegt, 

ganz nüetn für bie Vezablung ber oon ihnt angenommenen $ufccr 
unb Arbeiter Sorge ju tragen unb z» erflären, baß bie $ufccr :c. 
überhaupt feine Anfpriichc au ben betreffenben 9föaurermci|'ter 
haben. 

3m Reoerfe ferner foll jeher einzelne Arbeitet* erflären, ba& 
ihm ber mit bem V u &mmteruehmer gefchloffene ArbeitSoertrag be« 
fannt ift, unb ausbrüeflid) atterfennen, 

baß, obwohl ber SRaurcrmeifter ... bie Erfüllung ber Ver* 
pfli^tungen aus bem Kranfcn* unb ^nualibttätsoerFtdjcrimgSgcfeb 
übernommen Ijot, unfer Arbeitgeber lebiglid) ber ^uper . . . |gc= 
meint ift ber bisherige Atolonucuführcr], nidjt aber ber Viaurcr* 
meifter . . . ift. Rtir gegen beu erfieren, nidjt aber gegen ben 
lejjtercn fmb wir bemgentäb bie uns aus bem ArbeitSuerl)ältni& 
Zuftchenben Anfpri’nhe gelteub ju machen befugt. 

AnbererfeitS wirb im Vertragsentwürfe ber „Vufccrunter« 
nehmer" ocrpflichtet, auf Verlangen beS Vauljcrrn bic Arbcitsfräfte 
zu oerftärfen, Arbeiter zu entlaßen ober einzuftellen, fid) felbft nebft 
feinen VJitarbeitern ben Anordnungen bes Vau Unternehmers zu 
fügen, der Vauunternehmer nimmt ferner bem „^ufccr" bie Ver« 
pfiidjtungen aus bem Traufen« unb bem SnoalibenocrficherungS« 
gefeh ab. 3 ) die einzelnen Arbeiter enblich werben ocrpflichtet, thr 
Kranfcnfaffenbiich, fowie bie 3»oalibenfarte bem Vauunternehmer 
für bie dauer ber Vcfchäftignng abzuliefern unb bie erlaffcne 
Vauorbnnng ftreng inite zu holten. 

ds fragt fich, ob bei oertragSmäfjiger Annahme 
biefer Veftimmungcn feitcitS beS HolonnenfüIjrcrS unb 
feiner (Gruppe bic RedjtSftellung bes Unternehmers zu 
ben betreffenben Arbeitern wir flieh eine attbere wirb? 

3unäd)ft unterliegt es feinem Vebenfen, bafe Sentanb, fr cv 
wirthfchaftlid) nidjt Unternehmer ift, burd) bie blofee Veucmtung als 
foldjer nidjt zum Unternehmer wirb. Es fommt hinzu, bafe nach 
bem 3nhoIt bes gebadjten VertragSmufterS ber Zither «„Unter« 
nehmer" als bitrchauS unfelbftftänbig erfdjeint: er mufj fich ben 
Auorbnungen bcS VaunnternefjmerS fügen, bezüglich feiner s l)cit« 
arbeiter unterliegt er ben fdjärfften Vcfchränfungen, bie Verfidje« 
rung bei* Arbeiter, bic itjiii als Unternehmer ohne VHbcrrcbe ob« 
liegen würbe, wirb iljtn abgenommen, baS Material zu feinen 
Arbeiten wirb ihm oom Vauunternehmer geliefert, diefe Unfelb» 
minbigfeit beim 5ef)len jeglidjen llnteruchmergewinneS ift baS 
Kriterium beS „Arbeiters", nicht aber beS „Unternehmers", bzw. 
„Arbeitgebers" (ogl. ©emerbeorbnung, dit. VII). — der Umftanb, 
baf) ber Vu| 3 er bie Riiftuitg zu ftellen hat, fteljt biefer Auffaffnng 
nidjt entgegen, ba bie Riifiuug als ein Vierfgeug beS ^nfjerS an« 
gefeljen wirb, VJerfzcug aber regelmäßig oom Arbeiter, nicht oom 
Arbeitgeber geftellt wirb. 

Allerbings ift nidjt zu oerfcntien, bafj bie (Sntwicfelung im 
Vaugewerbe babin gebt, baß aflniäfjlid) einzelne ber bisherigen 
Vorarbeiter fich Jhotfädjlidj zu fleinen Unternehmern auSmadjfon, 
bie bann einen dIjcil bes ©efammllobueS für fid) oorwegnehmen 
unb anbcrerieits and) felbft bie Verfidjerungspflidjten bes Arbeit« 

^-) Vgl. llnger, Eutidjcibimgcu bes Wcwerbcgeridiis Verlin, 3. in ff. 
— las Vaubgcridjt I Verlin als Veruiimgsgcridit hat letber wicberbolt 
einen itreng formalen ©tanbpimft eingcnonniien. 

► Vht bic llnrallum'idiernug tragen foll, fagt ber Vertrags« 
entwurf nidjt. 


g-eberS erfüllen, wohl auch felbft baS Arbeitsmaterial liefern. VMrb 
mit foldjen $erfoncn ein angemeffener dntreprifeoertrag abge« 
f<hloffen, fo fcheibet aHerbingS ber Vauunternehmer felbft wirth 5 
fchaftlich unb rechtlich als Arbeitgeber aus. Auf földje gefiinberen, 
oielleicht in ber 3ufunft gur Regel werbenben Verhältniffe bezieht 
fich aber bas VcrtragSmufter beS Arbeitgeberbunbes offenbar nidjt; 
bann hätte es eben ber oielen Verflaitfulirungen nicht beburft. 
AuS bem Sithalt beS Vertragsentwurfes unb beS VeoerfeS ergiebt 
fich beutlid), baß man gerabe baS Verhältnis z u beu unfclbfiftän« 
bigen Vorarbeitern im Auge h«t. VHrb hoch ber „Unterneljincr 
für ^uhorbeiten" felbft in jenem Vertragsentwürfe immer nur als 
„Vufcer", nie als „Vufeermeifter" bezei^net. diefe „Unternehmer 
für $ufcat*beiten" aber werben, wie oben ansgeführt, trofc bes 
neuen VZufteroertrageS nach uu e oor nur als (Mjülfen beS Vau« 
Unternehmers anzufehen fein. 6ic werben baher and) fernerhin, 
wenn ber fiebere ©ewerbetreibenber ift, iijr Vcdht oor bem (s>c« 
werbegeridht zu ueljmen hüben. 

Ungünftiger aeftaltct fich bie Rechtslage für bie einzelnen 
Kolonncnarbeiter, fofern fie ben befonberen „ReoerS" unterfehl ei ben. 
Rach bem Inhalt bcS „VhiftcroertrageS" freilich bleiben fie mirth« 
fdjaftlich unb redjtlich Arbeiter beS VauuuternehmerS. denn 
beffen Auorbnungen hüben fie fich 3 U fügen, auf beffen Ver« 
langen werben fie cingeftcHt ober entlaffen, feine ArbeitSorbnnng 
haben fie ftrift innezuhalten, ihm hüben fie ihre Arbeitspapiere 
ciuzuljänbigen, er beforgt bie Verfidjerung. demgegenüber ift bie 
Auszahlung beS fioIjneS allein an ben Vorarbeiter nur als ein 
Aft ber Vequemlidjfcit anzufehen unb fällt nidjt ins ©ewidjt. 

2öirb aber ber ReoerS unterfchrieben, wouadj ber Arbeitet 
nur gegen ben ^ufccrunternehmcr, alias Kolonnenführer Anfpnidu 
gelteub z» machen befugt fein foll, fo biirfte allerbingS bic Vage 
beS Arbeiters fich oerfcfjlcdfjtern. 3^ur bleibt ber Vauunternchniei 
Arbeitgeber; benn burd) bie blofzen, ben dljatfachen wiberfpredjcn« 
beu V3orte, bgh ber betreffenbe Viaurermeifter nicht Arbeitgeber 
fei, !ann ein RechtSoerhältnift feine Vebeutnng nicht oerlieren. Aber 
bie obige (Srfläruug bcS Arbeiters wirb als eine (Sntfaguiig feines 
Rechtes auf Lohnzahlung gegenüber bem Vauunternehmer anfgc« 
fa&t werben föuncn (AflgetncineS Lanbrcdjt I, 16 378 ff.. Vor« 

gerlicheS ©cfehbndj §. 397) ober als eine bem Koionnenfüljrer er« 
thcilte Voümadjt zur aÜeiuigen Einziehung fämmtlidjer Löhne. 4 ) 
oft biefe Auslegung richtig, fo würbe bem einzelnen Arbeitgeber 
ein RücfgriffSrecht gegen ben Vauunternehmer als ben cigentiidjen 
Arbeitgeber in ben fcltenftcn fällen guftchen. 

Vei ben hiernach obwaltenbcn Vebenfen bürfte im llcbvigen 
Zit erwarten fein, baß bie Vufeer bie Ausheilung eines foldjen 
Rcoerfes runbweg ablehuen werben. 5 ) 

Verlin. _ ©djalfjorn. 


Ein fnrger (Streif» Am 25. Auguft er. riefen bic ^nbaber ber 
Sirma S. ©. (Äifienfabrif) bnS Verliner 6)ewerbcgericht als (iinigiuigs« 
amt an, nachbem am 23. Auguft er. 18 Kiftemnadjer bei iljr bic Arheu 
eingeftellt hotten, die ©arfilage war nadi ©diilberung ber aiirufcnbcn 
Partei folgenbe: Von ber Wölb* unb ^oliturleifteufabrif St. & v \., 
wcldje fdjoit früher bei ber anrufenbeii girma ?v. ©. Vefteßimgen gc= 
wad)t hatte, waren ihr wieberum Arbeiten aufgetragen worben, die 
Anfertigung ber z« Heiernbeit Äiften würbe jebod) oon beu ls Milieu* 
madiern oerweigert, weil fie ber irrigen Vteimmg waren, bafe bie frag* 
lidjc Arbeit für bie Miftenfabrif V., bereu Arbeiter fid) iw ©ireif be= 
fanbeu unb bereu Kimbiu bie ginna St. & 3- Zitiert gewefeu, hcr= 
geftellt werbe, die Arbeiter erflärten, bie Arbeit zimädjft nid)t uicbcr* 
legen unb bie tSntfdjcibung ber äliitglicber ber oon ihnen gewählten 
^ohnfommiffion abwarten zu wollen, diefe fjuiten mit beu Arbeit* 
gebern eine refnltatlofc llnterrebung; fic führten an, ben enbgiiltigcn 
Vefd)lnß über bie ArbeitSnieberlcgnhg ber cinzuberufcnben Kiftciiniadicr* 
oerfammlnng überlaffen zu miiffcn. Einen dag nadj dagiuig biefer 

4 ) Aud) ohne ben Vertragsentwurf bcS Arbeitgeberbunbes 
wirb ber Kolonnenführer oielfad) als zur Empfangnahme aller 
Zahlungen bcooümädjtigt zu gelten hoben. das Wewcrbcgeridit 
Verlin hat wicberholt auerfaunt, baß ber Vauimtcrnchmcr burd) orb= 
mmgsmäßigc Lohnzahlung an beu Üülonncnführer feiner Verpflidiiinigcn 
gegen bic einzelnen Arbeiter ber (Gruppe entlebigt werbe. 

5 ) ES foll nicht uerfdjwicgcn werben, baß einzelne Vefiinummgcu 
bes iDfuftcroertrages im allgemeinen outcreffe liegen würben: Einmal 
bie bisher oft oermifjte Vorfdjrift, baß bic augefertigte Arbeit gemein^ 
idjoitlid) auszunieffeu ift. daburd) werben ©trcitigfeitcu unb foftfoicligc 
Vrozeffe ocrmicbcu. AnbererfeitS bie Veftiuimung, bafe bic Arbeite-* 
papicre währeub ber dauer bes ArbcitSocrhältuiffcs bem Arbeitgeber 
Z» übcrlaffen finb. -Ei er burd) wirb ber Anfprud) auf Verausgabe biefer 
Rapiere zu einem Anfprud) aus bem Arbeitsoertrage unb unterliegt als- 
foldjer zweifellos bem WcwerhcgcridjtSocrfahrni, währeub maugelv 
befonberer Vertragsabrebc bie 3uftäubigfeit bcS Wcwerbegcridjts für bie 
Anfpriidjc auf Verausgabe oon Arbeitspapieren oielfadj*oerneim wirb. 



1325 


©ogiale Sßrap«. Eentralblatt für ©ogtalpoHttf. Dir. 50. 


1326 


Verfammluitg fanben bic 18 ftiftcitmadjer fich gur Arbeit nicht ein — 
mogu bemerft wirb, baft ftünbigung auSgefdjloffen mar —, bagegen 
erfaßen bie Streiffontmiffion, um bie Arbeitgeber baoon gu unterrichten, 
baft bie Arbeit fofort aufgenommen merben mürbe, fobalb bie girnta 
ihnen nachmiefe, baß ft. & 3- ih™ Arbeitgeber) ftuubin gemorben 
fei unb für ft. & 3- nidjt etma megen bcS Streite bei ber 3inna V. 
Giften fabrijirt merben füllten, $em Verlangen fatnen bie Arbeitgeber 
naef). Sie Heften am 24. Angnft er. ber Verfammlung ber ftiftenmacher 
ein Schreiben ber ftirtna ft. & 3- oorlegen. 3» bemfelben mirb be¬ 
reinigt, baft es nicht in ber Abftcftt ber girma ft. & 3 . Hege, bie 
ftirma* 3 . ©• nur auShülfsmeiie mit Aufträgen gu uerfeften, baft biefe 
üictmebr, menn fie gur ^ufriebenfjeit bebiene, bis minbeftens 3 anuar 
fontmenben 3 af)r c S 9 fad)befteßungen gu ermarten hätte, $ennodi mürbe 
in ber Verfammlung baran ieftgeftalten, baft es fid) bei ber Anfertigung 
ber ftiften für bie finita ft. <fc 3- »nt Arbeit ber ftirma V. ftanbcle, 
unb baft fomit bas ben ftiftcnmachem befannt gegebene Schreiben ben 
mirfHcften $hatbeftanb nur oerfdjleiere. 

Xemgufotgc hielten - bie Arbeiter bie ArbeitSnicberlegung aufrecht. 
Sie mürben, theilten fie ben Arbeitgebern mit, nur bann mit ber Arbeit 
mieber anfangen, menn biefelben fid) verpflichteten, für ft. & 3 - fünftig 
überhaupt uid)t ftiften gu liefern, $ie Arbeitgeber fühlten fid) bei ber 
oon ihnen oorgetragenen Sachlage gu biefem ^ugeftanbnift nicht be« 
mögen unb riefen, mie bemerft, baS Einigungsamt au. £aS ©emerbe* 
gericht begann fofort nad) ber Anrufung feine Iftätigfeit. £ie Arbeiter 
erlangten bei ber Vermittelung bes ©emerbegerichts bie Uebergeugung 
oon ber ©runblofigfeit ihres VHfttrauenS unb nahmen am 26. Auguft er. 
— alfo einen £ag nad) ber Anrufung bic Arbeit bebingungsloS auf. 

2Bemt bie $ifferengen fd)on mährenb ber Einleitung bcS Verfahrens 
fo fdjnell fid) befeitigen Heften, fo ift bies bem Veiteben ber Arbeiter* 
organifation, mit ber baS ©emerbegeridjt Fühlung nahm, gu banfen. 
$enn anberenfaßs hätte baS ©emerbegerid)t bie fämmtlichen Streifenben 
oor fein gorum gur Verbattblung laben müffen. $ie Vorbereitungen 
ftiergu hätten allein längere 3eit in Anfprucft genommen, ba bie Abreften 
ber Streifenben ben Arbeitgebern bureftmeg nid)t befannt maren unb 
bemnad) erft gu ermitteln gemefen mären. 

3 m Uebrigen brauchen mir moljl nicht gu bemerfen, baft nach ber 
lepten Arbeiteroerfammluug es für bie Arbeitgeber ausgefcftloffen mar, 
mit ihren Arbeitern ohne Vermittelung bes unparteiischen ©emerbe* 
gerieftte fich in Välbe gu einigen. 

SBie bei früheren Streifoerbanblungen beobadjtet ift, fo hat cS fich 
auch hier gegeigt, baft prioate Verftanblungen ber Parteien unter« 
einanber bas beiberfeitige RHfttraiten unb bie oorljaitbenen 3JHft* 
oerftänbniffe nidjt immer befeitigen, unb baft erft burd) bic $agmifdjcu* 
funft beS ©emerbrgeridjts biefenige ftlarfteit gefeftaffen mirb, melcfte bem 
Vergleiche ben Voben gu ebenen geeignet ift. Rad) aüebem fann nicht 
oft genug bie Rothmenbigfeit betont merben, baft bie ©eroerbetreibenben 
bei broftenben Ausftänben ober bei ausgebrochenen Streite gur Aus« 
fpradje oor bem Einigungsamt fich gufammenfinben. 3» Anbetracht 
beffen unb ba feine Partei gern aus freien Stiiden ben erften Schritt 
gum (Bemerbegerid)t thut, ja nicht feiten felbft auf Anregung beS 
©cmerbegerirfjtSüorfipenben hin bic Verhanblung oor bem ©emerbe* 
gericht fepeut, hat bie ftommiffion gur Veratfjung bes Entmurfes einer 
Rooeßc gum ©emerbegerichtsgefeft recht gehanbelt, in ihrem Vericftte 
bem Reichstage ben Verhanblungsgmang oor bem Einigungsamte gu 
empfehlen. X'ie Vortheile eines foldjeu gmangeS mürben nicht ausbleiben. 

3 ebenfafls mirb ber ftiftenmacherftreif bas ©ute haben, auch bagu 
beigutragen, baft bie ©egner ber ©emerbegerieftte, fomeit fie ehrlich finb, 
allgemach gu ber Uebergeugung oon ber Rotljmenbigfeit ber ©emerbe» 
gerichtc gebrängt merben. 

Verlin. ®?. 0 . Sehnig. 


Schlafen mährenb ber Arbeit an fich fein EntlaffungS» 
gruub. (Urtheil beS ©emerbegeridjts Verlin, ftammer 3, oom 31. Cf* 
tober 1898.) 

Aus ben ©rünben: 

Schlafen mährenb ber ArbeitSgeit ift nach §. 123 ber ©emerbe» 
orbmtng fein EntlaffungSgrunb. Es fönnte fjöd)|ienS unter ben Vegriff 
bes „unbefugten VerlaffenS ber Arbeit'" faßen. BefttereS giebt aber 
nadj bem 3ufammenhang bev ©efepesfteße (§. 123 Rr. 3 ber ©emerbe» 
orbnung: „ober fonft . . . Verpflichtungen . . . beharrlich oermeigern") 
nur bann einen ©runb gur fofortigen Entlaffung, loenn es ben Ehnrafter 
ber SBiberfpenftigfeü trägt, menn alfo in bem Verlaffeu ber Arbeit — 
hier im Sdjlafen — ber SBiße, ben Anorbnuugen unb bem 3ntereffe 
beS Arbeitgebers gumiber gu Ijanbeln, gum AuSbrucf fommt. hierfür ift 
im oorliegenben ftallc aber nichts oorgebrad)t morben, inSbefonbere ift 
bie Veljauptung ber ftläger, baft fie oft mährenb ber üblichen Raufen 
unb audj nach ffeierabenb gearbeitet haben, unbeftritten geblieben. 
SBenn nun fchon im Aßgemeinen in folgern gnße ber §. 123 Rr. 3 cit. 
nicht gur Anmenburtg fommen fann, fo greift er bet einer umfangreichen 
Afforbarbeit nodj otel meniger $laft; benn bei biefer bleibt bic Art 
unb Steife ber Ausführung mehr ober meniger bem Arbeitnehmer über» 
Iaffen, ber nur oerpflichtet ift, bie Arbeit in einer bem Siolme ent» 
fprcchenben ©üte unb in ber bebungenen ober einer angemeffenen 
hergufteßett. 


^aft bie Arbeit in Solge beS Sdjlafens ber ftläger gu lange ge« 
bauert hätte, ift nicht behauptet morben. $)aft aber auch bie ©üte ber 
Arbeit unter bem Sdjlafen ober fonftiger Saumfeligfeit ber ftläger nicht 
gelitten hat, hat ber Augenfehein ergeben. 

* 

§. 133b ber ©eroerbeorbnuttg: Annahme unocrhaltnift* 
mäftig hoher Jrinfgelber feitertS eines SBerfführerS als 
mistiger ©runb gu fofortiger Entlaffung. (Urtheil bcS üiaub* 
geridhts Verlin I, Eiuilfammcr 8 , oom 2 . ^egember 1898.) 

Xcr ftläger hat als Vkrfmciftcr bcS Veflagten gelegentlich bes 
Verfaufs oon 67 Eentnem Vfeffmgabfäßen an einen ^)änbler oon biefem 
ein Srinfgelb oon 10 ober 20 M. angenommen. Er hatte oorljer bem 
|>änbler bie Abfäfle gugeroogcu unb hiebei ein ©emidjt oon nur 
57 Eentnem angegeben. 3ttfolgebeffen mürbe er ohne ftünbigung ent* 
Iaffen. Seine ftlage auf Etitfdjäbigung mürbe abgemiefen. 

AuS ben ©rünben: 

$aS bem ftläger htnQCQcbcne $i'ittfgelb ift im Verhältnift gu bem 
gangen ftaufpreife oon 57 JC ein auffaflenb hohes unb es ift nach ben 
Erfahrungen bes täglichen Gebens nicht auguuehmen, baft ber ©änblcr 
bas trinfgclb ohne guten ©runb hingegeben Ijaben foßte. Vielmehr 
ift ber Verbad)t naljeliegenb, baft ber ftläger, ber bie oerfauften Abfälle 
bem ftäufer gugumiegen hatte, babei in Ermartung eines iriufgelbcs 
oerfaftren ift unb ben £änbler gum Radjtheü ber Veflagten begünftigt 
tjat, inbem er bie «Quantität ber oerfauften Abfäße nach ©utbünfen auf 
meniger berechnete, als fie in SSirflidjfeit betrug. 

$er §änbler mürbe bas Srinfgelb in jener ^>öhe nicht aitgeboten 
haben, menn er nicht geglaubt hätte, oom ftläger begünftigt morben 
gu fein unb anbererfeits mufttc ber ftläger, baft nur biefer ©laufcsn bes 
^änblerS bie Urfacfte für Eingabe bes 5rinfgelbeS gemefen ift. 

SBenn er unter biefen Umftänbcn bas ^rinfgelb annahm, fo hat er 
fich baburch ber Adjtuug unb bes AnfeljcnS uitmürbig gegeigt, beffen er 
für feine leitenbe Steßung als V^erfmeifter bcburftc. Schon biefe geft* 
fteflung ergiebt einen mistigen, nach §. 133 b ber ©cmerbcorbnung aus* 
reichenben ©runb gut Aufhebung bes $)ienftoerhältniffes ohne ooran* 
gegangene ftünbigung, unb es fann bahingefteßt bleiben, ob ber Ver* 
oaeftt, baft ber ftläger beim Abmiegcn gunt Racfttheilc feiner Arbeit* 
geberin abftchtlich gehanbelt hat, ein begrünbeter ift. (§. 133 c 9fr. 2 
ber ©eroerbeorbnung.) 


ßlterorifdic ^njrigen. 

Sreunb, I)r. jur. Ricftarb, SBegmeifer burch baS 3noalibenoerfiche= 
rungsgefeft. Zwölfte, auf ©runb bc» 3noalibenoerftcherungs* 
gefepes gängHcft umgearbeitete Auflage. Verlin 1899, 3- $• 
feines Verlag. 32 S. eingcln 50 4 ^ oon 25 Exemplaren 

ab k 38 4/ oon 50 Eremplaren ab a 30 4/ oon 100 Exemplaren 
ab a 26 4 . 

5)ie neuefte, eben erfchieitene Auflage biefeS bewährten $>anb* 
biichleinS mirb gur Verbreitung beS 3nl)alts ber Rooeße gunt 3ooalibitäts* 
gefep in ben voeiteften Streifen beitragen. 

ftnbelfa, Dr. £habbäus, ®aS lanbmirthfdjaftliche ©enoffenfehafts* 
mefen in Sranfreicft. Verlin 1899, ^uttfammer & Vfühlbredjt. 
Vll unb 178 S. 

Ein üanbrnirtl) unternimmt es hier, bie praftifdjen Erfolge ber 
frangöfifchen Spnbifate namentlich beim Vegug ber Roh» unb $iilfs* 
ftoffe bargufießen. 2:rop grofter Schmierigfeiten, bie ber Craanifation 
bes AbfapeS lanbmirthfchaftlicher Vrobufte entgegenftchen, haben bie 
Spnbifate auch ben Abfaft in mavtdjer Vcgieljung mefentlidj unb erfolg¬ 
reich geförbert, befonbers menn es fich um Vrobufte befonberer Art 
hanbelte, bic nicht ©egenftanb beS aßgenteinen ftonfumS unb ber SB It* 
fottfurretig finb. S)ie Si)nbifate fteßen fich als bic Schule ber gegen* 
feitigen fogialen Ergieftung bar, inbem fte bie ftleinen unb bie ©roften, 
bie SBohlljabenben unb bic Armen, bie Veftpenben unb bie Veftplofen, 
bie Unternehmer unb bic Arbeiter theilS burch baS Vfli<htgefühl, tljeils 
burd) medjfelfeitige Vortheile oerfnüpfen unb bie friebliehe Ausgleichung 
ber fogialen ©egenfäpe anbahnen. 9Wag biefe Sluffaffung auch ctmaS git 
optimiftifch fein, fo bietet bas Vuch hoch eine ftiillc intereffanter 3;hat* 
fachen unb fann 3 ebem, ber fich über biefen ©egenftanb orientieren miß, 
empfohlen merben. 

2)ie Verljanblungen beS X. Eoangelifd) s iogialcn ftongreffeS, 
abgehalten in ftiel am 25. unb 26. Vfai 1899. ©öttingen 1899, 
Vanbetthoecf efe Ruprecht. $retS 2 Jt. 

©räoell, A., 3am ftampfe gegen bie SBaarevthäufer. Eine 3Ht* unb 
Streitfrage. $reSben*Vlaferoift 1899, Steinfopff cfc Springer. 
93 S. Vrciö 1 ,50 tAC . 

Ueberfichten über bie ©efchäftS* unb Rcchnuitgsergebni ffe 
ber 3noalibitäts* unb AlterSoerfichcruugsanfta It 
Rheinprooittg pro 1898. 

Schmarg, 3ohann, Ehrenoorftanb ber Rfimchcner Väcfer*3 u niuig, 
^as ^anbroerf ber Väcfer in Rfünchert. .'perauSgegeben ooit ber 
Väcfer*3nnung Rfünd^en. 

Varmen. Vericht über bic Vermaltung unb ben Staub ber ©emeiube* 
angelegenheiten für 1898. 


Cecantisortlt^ für bte »ebaftion: Dr. (Srnft Stande tn 9erUn W., BagreutQerftrafee 29. 



j 827 ©ojtale $ra£i$. (SentralbCalt für ©ojialpolitif. 9?r. 50. 132* 

Sie ,^«|!iiU $JrarU“ erfdjeint an jebem ©onnerötag unb ift bun& alle ©ucbbanblungen unb ©oftamter (ipoftaeitungenummer 7072) au bejteljen. ©« 4?teiÄ 
für ba« ©ierteljabt ift ÜJi. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 $f. ©er «njeigenpretg tft 60 $f. für bte breigefpaltene gJetitaeile. 


Pur ttodi nieitige ttoURättbige ©templare. 


3 afyrfmd} 


©e|ie^jeliung, üfenmtltnttg itttb Jlolksimrtfdjaft 

im Seutfchen 23eid), 

begrünbet non g. van 9*l1f e ttfrarff, 
fort gefegt non g. van §al%enbarff unb gttf* grentano, 

berauägegeben non 

<$ußat> $4fmollev 

fi ub uon beit Diktier neröffcutliditen unb abgefd)Ioffeneit 25 Jahrgängen (I IV unb 9<cue A-olge 1-XXI, 1*71 — 1*97), bereu 
Sabcnpreiä .ytfammen 

— 581 Ularf 60 pfe- —— 

beträgt, 

nnv noiir wenige troUftSttfri az (Bxemplaw 

uorbanbcu, mchlic, wenn auf einmal bezogen, auf SBiberatf pt beut berabgefepten greife non je 

— ^00 mavt ^=CZ^^Z 

gegen bare Gablung, lieferbar Veip.^ig, abgegeben werben. 

3o lange bev Vorrat reirf)t unb bte norftebeitbe, ^dtttrcitffte non itn«? nidit aufgehoben ift, famt 

jebc belfere Sortimeutvbudibaublung pi obigen VHiwnabmebcbinguitgen liefern. 

tiiuc ^Infrfiauung bco reidjcit unb mannigfadjeu Jnhalt* ber bisher oovlicgcitben 25 Jahrgänge gemährt bas non 
Dr. ?lbolf non 'Bcncfftern bearbeitete C&cnerahrcßifter, bas als Anette .frnlftc non £>eft IV bee« XXI. Jahrganges ber 
neuen $olge junt greife non 5 20 ^f. erfdjtcnrn unb fomit in ber norftebenb bcjeidjurten Serie mit enthalten ift. (5 s ift — 

audj ,$ur ?lnfid)t — burd) jebc beffere Sortimentsbudjbanblnng \u bepelint. (5in berufener Sleccnieut begrübt biefes Oiegift er tut 
Jntcrrffc ber 9iatioualöfouomcu unb Socialpolitifer als „einen vincrläffigeit ^egiueifer burd) bas? Siiefcngcbiet beS „JabrbndtS“. 

Seip.tig, int September 1*09. 

Duncfer & tjumblot. 












vm. mrgang. 


Scrlir, bett 21.^©cptcm6cr 1899. 


Ülumnur 51. 


Soziale prayts. 

(lentrafßfatt für 

mit ber 2RonatSbetlage: 

Vas dkwerbeejertcht. 

©rgan bes Derban&es bcutfdjer (Betnerbegericfyte. 

Neue golge bet „SMätter für fo^tale $rayi$* unb beS „Soäialpolitlfdjen GeutralblattS*. 

drf«leimt «x idem S>*x*er1ta|. ^ecauSgebet: Ute« «piertelfaUrlieU *4 W. 60 Uf. 

Nebaftiott: ©erlln W., ©aljreutherftrahe 29. Dl*. (E fit ft ftütukt* ©erlag Pott ©unefer & $umblot, Celp^lg. 


SttljaU. 

©ie (Segnet bet SfoalitionSftei* 


Ijeit. Negatioe unb pofitwe ©e» 
toerTüereinSpoIitif. V. ©on ©tofeffot 
Dr.Sujo ©rentano, SRünd&en 1329 
©ie Arbeiter • ©eTufSgenoffen* 
fcfcaften in granfreid). ©on 
öctabegeftp, ©eamteit be8 Arbeit«« 

amt8, ©ari8.1337 

fWaeweixf ««fttai» nnb «BtetBfftxftl* 

BXltttt.13Z9 

Neorganifation beS obexften 
Arbeit8rathe8 in graitfreidj. 
©on gr. ©cbottbbfer, ©ati8. 

©ie NeidjSregientng unb bie £au8* 
inbuftrie. 

©erfönlic&er ßwmtg 3“* Erfüllung 
beS ©efinbeoeittagS. 

Umfrage be8 ©unbeS bet Snbuftrietten 
wegen bed ArbeitStoiHigenfchufeeS. 
Ac&tftunbentag in franjBfifchen (Staats* 
betrieben. 

«fftlftle 8«*ftn»e .1341 

©ie Sage bet beutfdjen #oI$» 
atbeitei. 

ATbettSöerbältmffe auf©etltncr Stiefel* 
felbern. 

SlotbftanbSarbeiten in gronfreich. 
©erönberungen bet Söljne unb Ar* 
beitSjelten 1898 1899 in ©nglanb. 

2(r*titerf»c»e«tttta.1344 

©ie Streifs in ©eutfchlanb 1898. 
©et ©ewerföereinBfongrefe in 
©Ipmoutb. 

lebhafte Arbeiterbewegung in ©erlin. 


©er AuSftanb ber ifohlenbergleute im 
©lauen’fdjen ©runbe. 

©a8 ©nbe ber SNaffenauBfpertung in 
©änematf. 

«xtctterfftxft .1350 

Au8 ben ©etidbten bet preufetfdjen 
©ergbebötben für 1898. 
©eftimmungen über bie ©etrtebS* unb 
Siubejeit bet ©ifenbahnbetriebS« 
beamten in ©eutfdjlanb. 

©egen bie Nachtarbeit in graufreich. 
Unfälle bet ©ifenbab narbeiter in 
©nglanb. 

VrfcetfetfctrfldtexxKa. «parfaffex 1351 
3nbalibltät8* unb Alter8*©er« 
ficberung8anftalt ©erlin 1898. 

BlrbettBxxdttofit .1353 

©ie Sage be8 beutfeben ArbeitSmarlteS. 
Drganifation bet ArbeitSbennittlung 
in Ungarn. 

staatlicher Arbeitsnachweis in SQtnoiS. 

©tftitbnng nnfc ©Übung.1355 

gortbilbungSfcbuljwang in ©reu&en. 
©a8 ©orlefungSwejen ber ©berfchul* 
bebörbe in Hamburg. 

«Ofttale fctjgteue.1355 

©ie ©cbularjtfrage auf beut 24. Aon* 
grefe für öffentlid&e ©efunbheitSpflege. 
Neues ffiolfSbab in ©remen. 

©ie „Health Visitors“ in ©itntingbant. 

«etoerbegeriebte. «intgnngSÖmter. 

««tebOgertibte.1356 

DbligatorifcbeS ©inigungShetfabren in 
granfreich. 

9t*cMfftUt* Kxfttigex.1356 


A bbrud f&mmtUcbet Artifel tft Settungen unb ßeUfcbtiften geftattet, feboeb nu 
mit hottet Quellenangabe. 


Bit «tgtttc ber fiooliiUmsfreiijeit. 


Negatioe unb pofitioe ©eroerfoereinSpolitif. V. 

3m 3ahre 1867 befanb [t<h 9 a ”S @nglanb in Aufregung 
roegen Ausbreitungen bet ArbeitSfätnpfen, rodele in 6beffielb unb 
s JNandjefter ftattgefuu&eu. Arbeitswillige waren ennorbet unb 
Raufer in bie £uft gefprengt worben. 9)?an machte bie (bewert* 
oeretue für biefe Verbrechen nerantroörtlich- Sine ftommiffion mürbe 
niebergefept, um ben 3 u fttuitnenhang ber ©eroerfoereiite mit biefen 
Verbrechen ju unterfuchen, unb man erroartete ooit ihr fräftige 
Vorflchäge jur llitterbrücfung ber oerba&ten Arbeiterorganifationen. 
£ie ilommiffion 1867 biö 1869 getagt. 2H3 ©rgebniß 

ihrer lluterfuchung aber erfolgte baS ©egentl;eil beS ©rroarteten. 
3)ie 5ln!lage brad) alö (Standes gufammen unb umgefehrt oerlangteit 
bie Slngeflagteu C33erecf)tigfeit. 

^ie Sorberungeit, roelche bie englifcfjeit Arbeiter im tarnen 
ber ©erechtigfeit bamalö ^u ftellen Ratten, mürben in beut s l)tinberbeit£= 


berichte ber föitiglichen ^ontmiffion oertreten. ISfögefeben oon einigen 
Vefonberheiten, bie mit digenthümlichfeiten be§ etiglifchen SRechteS 
gufammenhänaen, paßt biefer 23erid)t für unfere gegenmärtigen 
beutfehen Verpältniffe, als ob er für biefe getrieben märe. 

Nian hat, fo bei&t e 8 in bem ©evidjt, 1 ) oerfdjiebene Nathfd;läge 
oorgebracht, mclche bas, roa 8 man bie Ausartungen ber ©emevfoereine 
nennt, ju unterbrüefen bejroeden. ©arunter befinben firf) folgenbe: 
©emiffe Safcungen unb N^abnahmen fotten für unoerbinMid) unb un* 
gefeblich erflärt werben, . . ©eeinträd)tigung ber 9ied)te Anberer fott 
als ©ergehen gelten, baS AuSfteUen oon ©chilbmachen, ArbeitSeinfteflungeu 
oereiuigter ©eioerffchaften, folche, meldjc [ich auf bie ©etriebsführung 
besieheu, folche, welche gegen einjelne ^erfonen gerichtet fmb, foldje, 
welche einen Arbeitgeber emftlidj ju fchäbigeit oermögen, u. bergl. fotten 
für ftrafbar erflärt werben. 

Nach unferem ©afürljalten reicht ein ©inwanb aus, um alle biefe 
Sßrojefte auSreichenb ju beantworten: fie alle würben wittfürliche ©e* 
einträdittgungen ber Koalitionsfreiheit bebeuten. ©ie alten ftoalitiouS* 
oerbote fugten auf ber ©h^orie, bafe es bem Staate xuflehe, bem Ar* 
beiter bie ©ebingmtgen, unter benen er ju bienen habe, aufjuerlegen. 
Nachbent man bem Arbeiter baS Nedjt jugeftanb, mit $ülfe ber Koalition 
feine eigenen ©ebingungpn ju ftellen, fcheint es uns, ba {3 feine anbere 
Alternatioe geblieben als bie, ihm baS Necht ju oerleihen, feine eigenen 
©ebingungen ju ftellen, gleidjoiel was biefe fein würben, oorausgefefct, 
bah feine .panblung begangen wirb, bie nad) gemeinem Strafrecht als 
üerbredjerifdj gilt. Sobalb man ihn bagegen barauf befchränft, gemiffe 
©ebingungen ftellen, währenb anbere ©ebingungen ihm unterfagt 
bleiben, ift er nicht frei. ©S giebt feinen logifdjeu §altepunft jwifchen 
bem alten 3wangSfpftem unb oottfommener Freiheit. 33enn mau baoou 
rebet, bah bie Nedjte Anberer uid)t beeinträchtigt werben bürften, fo ift 
biefe Sprache oiel ju unbeftimmt, als bah Ü e wirf (am fein fönnte, unb 
birgt einen bebeutunaSootten Jrugfdjlith. Nehmen wir an, eine Anzahl 
Arbeiter ftette bie Arbeit ein, um bie ©ntlaffung eines AuffeherS ju be* 
wirfen — b. h- ftc lehnten es ab, einen weiteren ArbeitSoertrag ab* 
jufchliehen, fo lange er bie Auffidjt übe. SRan hat oorgefchlagen, eine 
folcpe ^anblung au einem ©erbrechen ju machen, falls fie noch nicht 
unter baS geltenoe Nedjt über ©erfchwörung fatte, ba fie bie Nedite 
fowohl beS Arbeitgebers als audi beS AuffeherS beeinträchtige. Ön 
einem Sinne ift fie auch eine ©eeinträchtignng. Allein es würbe eine 
nodj gröbere ©eeinträdjtigung ber greiheit ber Arbeiter fein, wollte 
man fie ftrafen, wenn fie es ablehnen unter gewiffen ©ebingungen, gegen 
welche fte ©inroenbungen haben, ju arbeiten, ©er ©orfdjlag, unb alle 
©orfchläge berfelben Art, enthalten thatfädjlid) baS, was ben wefent* 
liehen 3 ll 8 ber Sflaoerei auSmadjt. ©r oerlangt, bah Arbeiter beftraft 
werben, weil fie ftu arbeiten ablehnen, gleichoiel ob fte bie gebotenen 
©ebingungen annehmbar finben ober nicht. Arbeiter, weldje fidj einer 
©efebeSoerlehnng fchulbig machen, unterliegen ber Strafe entfpredjenb 
bem Strafgei'efcburf). Aber wo feinerlei ©efep oerlejjt wirb, famt es 
feinen ©runb geben, eine SBeigerung $u arbeiten als ©ergehen 51 t be* 
hanbeltt, gleichoiel ob baS 9Notio foldjer Steigerung oemünftig ift ober 
nicht, tfciu ©efeh hat es je unternommen, ftapitaliften, toeldje ihr 
Kapital 311 oerweuben ftch weigerten, ju beftrafen. 

gortwährenb werben ©ehauptungen aufgeftettt unb felbft ©efejjes* 
oorfd)iäge gentadjt, welche alle auf bem ^rirt^ip beruhen, bah Arbeiter* 
foalitioneu 31 t erlauben feien, auher folcfjen, weldje Anbere beeiltträdjtigen 
ober fte unter irgenb welchen ©ruef ftellen. ©iel oon bent, was fo 
gerebet wirb, ift gleichseitig unbeftimmt unb unüberlegt. 3 n gewiffem 


Eleventh and final report of the Royal (’ommissioners appointed 
to iuquire into the Organization and rules of Trade Unions 1869 
p. LXI. 













1331 


Sojlöle $raji«. Gentralblatt für ©ojialpolitil. 9h. 51. 


1832 


Biiinc finb alle £anblimgcn einzelner unb nodj niepr alle auf Ber« 
abrebung berupenben $>anblungen BJeprerer — unb eben io baS Unter*» 
laffen oon ftaublungen — Beeinträdjtigungcn unb Bebrütfimgcn Zuberer, 
unb gcfcpepcti fortwährenb 311 biefeut ^rneef. Beim ein ftabrtfaitt feine 
^abrif plöplidj fdjlteßt, übt er fofort eine Bebrücfung auf bie ©efammt* 
beit feiner Arbeiter. Beim mehrere ^abrifanteit in einer abfeitS ge* 
tegenen ©egenb bteS gleidjjeitig tfjun mürben, mürbe bie Bcbvücfuiig 
Auin unb Bevbuugern bebeuten. ^n einer BJirthfdjaftsorgamfatioii 
mie ber gegenwärtigen bebeutet jebiuebes Berpalten, gleidjoiel ob aftio 
ober pctffiu, eine (Einmifrfjitng in bie Angelegenheiten Anberer. (ES 
giebt 3 apllofe .fpanbliuigeu, meld)e Anbercit beit ernftlicpften Sdjaben 
3 itfügen unb bie 311 biefem 3 werfe gefepepen, unb weldje boep non bem 
©efeß unb ber öffcntlidjen Meinung gebulbet werben. Sn ber Dpat ift 
bie Anhäufung oon .Kapital oft öa* (Ergebniß oon erfolgreidjett Cpera* 
tionen, burdi weldje ber Kapitalist Aubere, bie ihm im SBege ftepen, 
befeitigt ober Aubere nötpigt, Befragungen, bie er ftcHt, ftch 31 t unter* 
werfen. Die (Einführung einer BJafrfjiiic, burep welche Daufenbe plöpltcp 
an ben Bettelftab fomnten, gilt oft als fjödjft oerbieiiftltcp; eS ift etwas 
häufiges, baß bie 9?otp Anberer auSgcmipt wirb, unt bie Söhne herab* 
3 ufepen. Allein, wenn biefem egoiftifche Vorgehen, baS fo oicl tut* 
mittelbaren Aadjtpeil für Attberc jur ft-olge" pat, ftatt üün 3£oßl s 
tjabenben 001 t einer Bereinigung uon Armen nuSgept, fo nehmen bie 
öffentliche Meinung unb baS ©efep, toie eS gegenwärtig ftebt, Anftoß. 
Die Jyiirdjt unb Abneigung, mit ber man bem egoiftifdien Borgehen 
einer .Koalition oon Arbeitern begegnet, ift bas ©egcuftürf ber furcht 
unb Abneigung, mit ber bas egoiftifche Borgehen ber Bfäcptigen häufig 
oon ben Armen betrachtet wirb. Bir erlernten aber feinen ©vuiib, 
ans bem ber Staat baS egoiftifche Berfolgett ber feitenö 

ber Koalitionen beftrafett fönttte, fo lange er bie egoiftifchctt Be* 
ftrebungett ber Sftäcptigeit unbeftraft läßt, Dapcr erfettnen mir feine 
<%ett 3 e, welche ber Koalitionsfreiheit ge 3 ogen werben tonnte, außer ber 
Begehung oon $anblungen, weldje baS allgemeine 0trafgefep als Ber* 
brccpeit erachtet, unb alte Berbredjen wüttfepen wir aufs Strengfte unter* 
brüeft 31 t fepen. 

BÜait fepeint fortwährenb oon ber Annahme auSuigcpeu, baß bie 
gewerblichen Saßungen ber Arbeiter bem $rin 3 tp Der greipeit ber 
Arbeit wiberfprädjen nnb ein Sdjußfijftem feien. (ES fdjeint uns inbeß, 
baß ber größte Unterfchieb beftept swifchen Bcfdjräiifungeit, bie ber 
Staat auferlegt, unb freiwilligen Berabrebitngen (Enteilter. (Es giebt 
feine Freiheit ber Arbeit, wenn niept bie Arbeiter bie greipeit haben, 
genteiufant bie oon ihnen gewüufdjtcn Arbeitsbebiiiguugcu mit bem 
Arbeitgeber 31 t oereittbaren. 9J?ögeu biefe Befragungen uitoernünftig 
ober bem Arbeitgeber fepr Iäftig fein, fo liegt barin bocp fein 3maitg, 
unb es fcheint uitS, baß fein ©runbfaß willfürlidjcr fein föunte als ein 
Bcvfudj, irgenb eine Bielpcit oon Arbeitern bafür 31 t ftrafen, baß fic 
Sntereffcn, bie fie als ipre eigenen anfepen, eifriger oerfolgen als bie 
oittercffen ber ©efammtpeit. Sinb bent Arbeitgeber ipre Bebingungeit 
nidjt reept, io hot er bas einfache Mittel, cs aDjulepnen, fie nidjt 31 t be* 
fdjäftigen. grnbet er feine Arbeiter, bie an ihre Stelle treten, fo mag 
feine Sage eine reept fdjmierige fein; allein eS liegt barin fein ©runb, 
00 m Staat 3 u oerlangen, baß er feine Arbeiter 311 Bebingungeit, bie 
fie ablepnen, 311 arbeiten 3 ioinge. 9facp unferem Dafürhalten aber ift 
eS eine foldje (Eimitifdjung beS Staats, wenn er bas Bcrfolgen ber 
eigenen outereffen feiteus ber Arbeiter auf K offen Aitberer 31 t einem 
Berbredjen ober einer Öefepwibrigfeit madjt, fo lange fie biefe ipre 
gntereffeu unter Bebingungen oerfolgen, unter beiten es für anbere 
Staatsbürger fein Berbredjen ift, ipre gntereffen auf Kofteit Aitberer 31 t 
oerfolgen. 

3um Sdjlup: (Es fcpeittt uns, baß, ba bie Koalitionen eine fepr 
grope Ansbepnung in unferem Saitbe erlangt paben unb bennoep opne 
gefepUdjen Scpup ftnb, ein cjefeplidjeS Borgcpeit unerläßlich ift; baß bie 
,'^iele unb Biaßnahtncn ber ft-adjuereine 311 m größten 2 ;peile foldje ftnb, 
weldje ben Attfprnd) auf Anerkennung unb Unterftüpung erheben föitnctt; 
baß fic mitunter egoiftifdj uttb fur 3 fidjtig finb, jeboep niept oerbredjerifcp; 
unb baß fie nur 31 t einem fepr fleinett Speile einen oerbrecpcnfdjen 
(Eparafter haben. B3ir finb ber Bicinung, baß jeber Bcrfudj, bie ©ewerf* 
oereiuc nadj einer oon ber ©efepgebutig oftroijirten Schablone 31 t refor* 
miren, ebeufo unburdjfüprbar fein würbe wie ber Berfucp, fte 311 unter* 
briiefett. BMr finb ber BJeinung, baß eS nidjt bie Aufgabe bes Staats 
ift, eine höhere Sittlidjfeit 311 erzwingen ober ein unfo 3 iales Borgepen 
311 beftrafen, unb baß eS baper feine gute Bolitif fein würbe, wollte 
mau ba, wo bie Koalitionen fidj unfo^ial, nidjt aber uerbreeperifdj oer* 
halten, burdj gefeplidje Btaßnaljmen nnb Strafen einfdjrciteit. XaS 
(Eigentum ber Bcrufsoereinc füllte nadj unferem Dafürhalten gefeplidj 
gefdjiißt fein. Das oerbredjerifdjc (Element wirb nadj nuferer Bteiuung 
am fidjerfteu ausgemer.ü werben, wenn man ftreng auf Ceffeutlidjfeit 
begeht, ^effrntlidjfeit als BorauSfcpung für ben Sdjup beS (Eigen* 
thitms ift bie Summe berjeuigcit gcfepliipeu Bevbeffenutgcn, weldje iiadj 
nuferer Bieiuuug mit Biicfficpt auf bie Bcrufsoereinc uothwenbig finb. 
Koalitionsfreiheit hiufidjtlidj aller Arbeitsbebinguugen, bie nidjt uad) 
gemeinem Aecpt ocrbredjerifdj finb, ift bie Summe ber gcfepliipeu 
Berbefferuugen, bie wir für alle Arten oon Arbeitern in Borfdjlag 
bringen. Bf ehr fann, wie uns fdjeint, oon feiner Seite oerlangt werben, 
weber im ^utereffe ber Arbeiter, noch in bem ber Arbeitgeber, noep in 
bem bes BublifumS. 

(Es ift ein nidjt genug an^iterfemicubes Berbieuft ber öffent* 
lidjett Bfeimtug, bes Parlamentes uttb ber SMegiertuig oon (Suglaub, 


baß fic oon iprent burep oeretnscltc oerbretperifepe Borfommuiffe 
irregeleiteten llrtpcil gurüeffamen. Statt beut drängen einer ge* 
wiffen Klaffe ber Arbeitgeber nadj 3 ngeben, folgten fie ben Anträgen 
bes angeführten BfinberpeitSbericpteS ber föitiglitpen (UcmerfoereinS* 
fommiftimt. Statt eines ftparffutnig erfunbenen unb fräftig burep* 
geführten SpftemS ber llnterbnicfung erfolgte bic gefeplidje An* 
erfettnung ber ('«iewcrfoereiiic unb bic Beseitigung ber EHed)tS= 
ungleicppeit, unter ber bic Arbeiter bis bapitt gelitten patten. 

* * 

* 

9BaS ift cS nun, was einem gleicp glüdlicpen AuSgang ber 
gegenwärtigen KrifiS in “Deutfdjlanb im 9Bege ftept? 

3(p rnödptc bic wieptigften ben Arbeiterorganifationen feinb* 
Iicpen Aufdpauungcn furj erörtern. 

£a finb suuädjft biejenigen, wclcpe fiep überhaupt noep nidjt 
bareiit finbeit föitnen, baß bie Arbeiter baS SRcdpt paben, gleich 
allen anbern Staatsbürgern naep einem größeren Autpeil an bem 
materiellen 5Boplftanb unb ben fonftigen Kulturgütern ber Nation 
311 ftreben. Sie paben bie BorfteOung oon befonberen StanbcS* 
anfpriiepen nnb Stanbesredjten, wie fie oor Auerfeimung ber 
BcdjtSgleicppcit aller Staatsbürger maßgebenb war, nodj niept über* 
wunbeit. Sic benrtpeilen bemeutfpredpenb £opnforberimgeit unb 
bas Bedangen naep Beffenuig ber fonftigen Arbeitsbebinguugen 
niept nadj nationalöfonoinifcpcn ©cficptSpimfen, b. p. niept nadj 
bem, was bie Arbeiter als gleicpbcrecptigte Staatsbürger nadj Bf aß* 
abe ber 9J?arftlage unb ber fie bebtngenben Bcrpältniffe 3 U forbem 
eredptigt finb, fonbern nadj Bfaßgabe beffen, was fie für einen 
Angepörigen ber unteren Klaffen für angemeffen cradjten. EBenn 
in einem falten BMnter bei fteigenber ERacpfrage nadj Kopien bie 
Koplenpreife fteigeu, empfinben fie baS gewiß unangeneßtn, aber 
es fällt ipnen nidjt ein, bie Bereeptigung ber ©rubenbefißer, 
pöpere greife 3 U forbern, in Örage 3 » {teilen, ©enn fie bei 3 U* 
uepmenber 9kdjfrage naep 'Bopnungen in iprer Bfietfje gefteigert 
werben, murren fie 3 war, aUciit eS gilt ipnen bas Borgeben bes 
§auSbefißerS als felbftoerftänblidjer AuSflufs feines (Eigentpiims* 
reepteS. Anbers bagegen, wenn bei gleicher Konjunftur bie Arbeiter 
ipre ArbeitSbcbiugiuigeii oerbeffern iooflcn; ba reben fie empört 
oon Selbftfudjt, Anmaßung, llnbanfbarfeit, Dprannei. D)et xHtbeiter 
pat mit bem Jjerfötnmlidjeii fiep 3 ufricben 311 geben; er pat auf feine 
Berbefferuug Anfprudj außer ber, welcpe bic Arbeitgeber ipm frei* 
willig bewiüigen; babei geht man oon ber Anfepamutg aus, baß 
bie Arbeitgeber ipm oon felbft ftets fo oicl bewilligen, als redjt 
ift unb als fie 311 bewilligen oermögen; benn bie Sotereffen 0011 
Arbeitgeber unb Arbeiter feien allzeit ibentifep. So pabe ber 
Arbeiter baS größte 3ntereffe, baß ber ©emimi be§ Arbeit* 
eberS mögliepft poep fei, beim je pöper ber ©eioiitn, befto pöper 
ie fiöpne, bie er japlt. D)eSgleicpen pätten bie Arbeiter bas 
größte Sntereffe, baß bie Arbeitgeber farteüirt feien, beim bie 
Kartelle fieperten pope d)ewinnfte unb Stetigfeit ber $robuftioii; 
fei bie B^obuftion ftetig, fo fei auep ipnen eine wenngleicp bc* 
fepeibene, fo bodp ipren berechtigten Anfprüepen entfpredjenbe 
(%iften 3 fieper. 

So liege es beim — argumentirt man — in bem eigenen 
Sntereffe beS Arbeiters, in ben 3»tereffen beS Betriebes, in bem er 
tpätig fei, 00 U unb gaii 3 aufsugepen, unb ipnen alle feine Soubcr* 
intereffen unter 3 uorbnen. 3»^befoubere feien, ba eS feine gcgenfäp* 
litpenSntereffen oon Arbeitgebern unb Arbeitern gebe, feine befonberen 
Crganifationen ber Arbeiter gur Baprnepmung biefex Sntereiicn 
am §ödjfteuS baß man gemeinfanie Drganifationen 

oon Arbeitgebern unb Arbeitern ^ulaffen will. 9hcpt als ob 
man fiep gegen Koalitionen unb Koalitionsfreiheit erflärte! (Es 
ift dparafteriftiftp, baß peute 3eber für Koalitionsfreiheit 
fein will; fogar ber Berbatib ber Arbeitgeber bes BaugeroerbeS 
für ElKünepen intb Umgebung erflärte im EDtärj biefeS Sapres: 
„BaS bie Koalitionsfreiheit ber Arbeiter anlangt, fo erfennt ber 
Berbaub ipre Berechtigung unb bie ERotpwenbigfeit iprer Uneiuge* 
[epräuftpeit oollauf an." Aber freilicp muß man bei näherem 3u* 
fepen 3 weifeln, ob biejenigen, bie baS oerfiepern, unter Koaliticuif* 
freiheit baffelbe wie alle übrige Belt oerftepen. (ES fei nämlich, 
fo fapreu fie fort, eine an bewußte llmoaprfjeit gren^enbe ^e* 
hauptimg, wenn man fage, baß (MeiuerfoercinSorganifationen ^ur 
Berwirflitpuug beS KoalitionSrecpteS uothwenbig feien. 3um Be* 
leg ocrweifen bann (Einige auf bie ArheitcrauSfcpiiffe. ^urd) fie 
fei, was am Koalitionsredjt berechtigt fei, oollauf oenuirflidu. 
Bcittelft ber ArbciterauSfdjiiffe fönnten nämlidp bie Arbeiter eines 
Betriebs ihre Biiufcfje feftftellcn unb ipren .^erren oortra^eu; 
aber es feien bieS Koalitionen 0011 Arbeitern emcS unb beffclbcn 
Betriebs, bei benen BetriebSfrembe nidjt mitrebeten. Drganifatioxicu, 




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Sogtale $ßra£i$. ©entralblatt für Sojtalpolttil. Ar. 51. 


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bie fid) über bie einzelne SSetrieB^fp^äre hinaus erfirecfen, wtfl 
iwm ben Arbeitern beflen graEs bann geftatten, wenn bie Arbeit* 
geber gleichseitig an biefcn Drganifaitonen thcilnehmen. Bor 
AEem feien oerwerflich Drganifattonen ähnlich ben englifchen ©e* 
werfoereinen, bie non einem Sntereffengegenfafc gwifchen Arbeit* 
geber unb Arbeiter aiiSgingen. 3 U roelcf)’ großer Schäbtgung beS 
AationalwohlftanbeS unb Damit auch ber 3ntereffen ber Arbeiter 
eine einfeitige Verfolgung oon Sonberiniereffen burch ©ewerf* 
oereine führe, jeige, bah bie cnglifcf)e Snbuftric eben in golge beS 
Vorgehens ber ©ewerfoereine einen ^^eit ihres AbfapeS nad) 
Auhcit ocrloren habe. B3o man fehr oorgefdjrilten ift, empfiehlt 
man Böcf)ftcn^ bie ©ewinnbetheiligung ber Arbeiter; baburd) roerbc 
ihr Qutereffe an beut ©ebenen öeS einzelnen Betriebes gewecft; 
inbent ihr ©iufommen an ben Sdjwanfnngen feines ©ewinnes 
tbeilnebme, werbe ihnen gum Bewuhtfein gebracht, mie ihr 
Sntereffe mit bem Sntereffe bes einzelnen Betriebes burdjaus £>anb 
in £>anb gehe. 

$>aS ift bie fogenannte patriardjalifd)e Anffaffung in ihrer 
robufteften bis gu ihrer cioilifirteften Ausgabe. stritt in ber erfteren 
ihr SBiberfpruch mit ber hantigen Aed)tSorbming frah gu £age, fo 
liegt ber teueren bie BorftcIIung oon einem ibealen Arbeitgeber gu 
©runbe, oon bem man als Aorut auSgeht. Aun bin ich ber ßebte, 
ber leugnet, bah es eble Arbeitgeber giebt, welche biefem 3beale ooE 
entfpre^en. Aber wie wenig biefe oortrefflid)cu Btänner als Aorm 
für eine aEgemeiue Drbnuug beS ArbeitSoerhältniffeS bienen fönnen, 
geigt bie ^hatfadjc, bah bie grofee Btchrgahl ber Arbeitgeber, welche 
oon jenem Qbeale fehr weit entfernt ift, jene eblen Blänner ftetS 
oorfchüfct, um Drbnungen abguwehren, bie fte nötigen würben, fich 
jenem Sbeale wirflich gu nähern. Drbnungen, welche für bie ©c* 
fammtheit befriebigen foEen, müffen fo befchaffen fein, bah fie 
betitjenigen, beffen berechtigte Sntereffen oerlefct werben, bie Btög* 
Uchfeit geben, biefe ju wahren, ®agu genügt es nicht, oon Qu* 
ftänben, wie fie fein foEten, auSgugeljen; ber einzige unanfechtbare 
AuSgangSputift ift baS Siecht. Btit unferer h eut tgen BedjtSorb* 
nnng aber fteht bie fogenannte patriarchalifcbe Auffaffung in einem 
unoerföhnlichen BMberfprucf). $>enn unfere Aed)tSorbnnng hoi ben 
Arbeiter in ben Anfprüdjett, bie er an bie gröfctmöglidje ©nt* 
wicfelung feiner ^erfönlid)feit gu fteEen berechtigt unb oerpflichtct 
ift, wie tn ber Berechtigung ber Mittel, bie er $u biefem 3wecfe 
ergreifen barf, aEen übrigen Staatsbürgern pringipieE gleidjgefteEt. 
©S giebt Aiemanb, ber ihm baS BJah feiner berechtigten Anfprüdje 
eingufchrättfen befugt wäre. Q>u nicht geringerem SSiberfpruch wie 
mit ber 9te<ht*orbnung fteht bie patriardjaüfche Auffaffung aber 
mit ben SDhcitfach^n. Bknn BicarboS Sehre, bah ©ewinn unb 
Sohn in umgefehrtetn Berhältniffe ftänben, fo bah ber ©ewinnfafc 
nicht fteigen fötine aufter oermöge eines SinfeitS.beS Sohnes unb 
untgefehrt, auch nur unter fehr befchränfteit BoranSfehungcn 
richtig ift, fo hriht es hoch ebenfo einfeitig nach ber entgegen* 
gefegten Dichtung übertreiben, wenn man oon oöfliger Harmonie 
oon Arbeitgeber«* unb Arbeiterintereffen fpricht. ©ewih, baS ©e* 
beihen ber Arbeitgeber ift bie BorauSfejjung, bah fie bauernb gute 
Söhne jahlen; aber bie Qbentität ber Snkreffen geht nicht weiter 
als bie ber Sntereffeit oon ©ruben* unb §üttenbe|ihern ober oon 
©rgeugeru oon $albfabrifaten nnb gabrifanten, welche biefe weiter 
oerarbeiten. Auch ber ©rubenbeftfcer hat ein Sntereffe, bah baS 
BBalgwerf fortbeftehe, baS ihm feine Stöhlen abfauft, auch ber 
genger oon §albfabrifaten hoi baS Sntereffe, baft ber gobrifant ge- 
beihe, ber ihm feine $albfabrifate abnimmt unb je nach fteigenber 
ober fintenber Ä'onjunftur mehr ober weniger bafür befahlt, aber 
ber Sntereffengegenfafc beginnt, fo halb es fich barum houbelt, wie 
oiel ber ©ine bem Aitberen oon bem Bortheil ber fteigenben Ston* 
junftur 31 t ^hcil werben Iäftt ober wie oiel ber ©me auf ben 
Anbercn oon bem Sftachtheil ber rüdfgängigen Stonjunftur abmä^t. 
©enau fo oerhalten fich Arbeiter unb Arbeitgeber; nur baft ber 
Qntereffengegenfafc hi er noch fchärfer fein fanit, inbetn eS Arbeit«* 
geber giebt, beren ©ebeiheit gerabe 3 tt auf ben fjungerlöhnen beruht, 
bie fie 3 ahleit. 

^eSgleidjen ift cS ein faunt 311 qualifi^irenber Brifcbraudj, 
wenn man oon ben SlarteEen als Drganifationen fpricht, welche 
bireft ben Arbeitern bienten, bie in ben farteEirten Betrieben tl)ätig 
feien, ©emift, bie ^arteEe oermögen eine größere Stetigfeit ber 
^ßrobuftion h^bei 3 ufithren unb biefe größere Stetigfeit fanit 
möglidjerweifc auch ^ cn Arbeitern ber farteEirten Betriebe 31 t aut 
fommen. Allein hoch nur bann, wenn Arbeiterorganifationen be=* 
fteljen. S)enn hat ber Arbeiter in 0wlge ber MarteEirung eine 
ArbeitSentlaffung wegen mattgelnber Befdjäftigung weniger als 
früher 3 U fürchten, fo wirb eine ArbcitSentlalfung wegen ^iffe* 
rengen mit bem Arbeitgeber für ihn um fo furchtbarer, w’eitn alle 


SBerfe, bei benen er Befchäftigung finbeit fann, in einem Ber** 
banbe oereinigt finb. 2 ) £>ann fann fich ber fog. freie ArbcitS* 
oertrag 3 u einer faum oerhüEtcn ^örigfeit aitSmachien. ©ie bei 
folcher ©egeufählichfeit ber Qntereffen gemeinfame Drganifationen 
beiber B^kien, wenn ftc fid) nid^t auf Sonberorganifatioiten ber** 
felben aufbauen, 3 U etwas Anberem als gur Heberoortheilung ber 
Schwächeren burch bie Stärferen führen foE, ift fchwer oerfiänblid), 
unb bei bem flaren Berftänbnife, welkes bie Arbeiterflaffe für ihr 
Berhältnifc gu ihren Arbeitgebern unb für ihre Stokreffen erlangt 
hat, ift es erftaunlich, ba§ eS h*uk nodb ^ßolitifer giebt, bie ernft* 
haft glauben, es liefjen fich bie berechtigten Aitfprüche ber Arbeiter 
burd) Drganifationen befriebigen, welche fk, wie früher, lebiglich 
3 u Räbchen im Birthfchaft^gctricbe ihrer Herren machten! 

9öaS fobann bie ArbeiterauSfchüffe angeht, in benen ©iitige 
bereits bie Berwirflichung beS SioalitionSrechteS erblicfen, fo ift feilt 
Zweifel, bafe fk innerhalb ber befchränfteit Sphäre, bie baS ©efefc 
ihnen sugewiefen hat, ©rfpriefelicheS wirfen fönnen. Aber felbft ihre 
befchräuften Aufgaben oermögen fk nur 3 U erfiiEen, wenn ber Arbeit** 
geber bie Arbeiter, bie fid) ihnen wibmen, nicht entläßt. 3 ) Söollte 
man ihre Sphäre über bie 00 m ©efefce bisher ge 3 ogeiten ©rensen 
gar erweitern unb auf bie Bkhruehmung beS wtchtigften Arbeiter* 
intereffeS, beSjenigen ber Sohnregelung erftreefen, fo liegt auf ber 
£>anb, bah fie baju gän 3 lich unfähig wären, aufjer wenn ein ©e* 
werfoerein hinter ihnen ftänbe, auf auSreidjenb breiter ©runblage, 
bah er bafür forgeti fönnte, bah bie wegen Bohrung ih rcr Suter* 
effen ©ntlaffenen fo lange unterftüfct würben, bis fte aitberSwo 
Arbeit fänben, unb ba§ fie nicht fofort wieber burch anbere 
Arbeiter erfefct würben, ©in moberner Arbeitgeber ift eben, wie 
fdjon 1865 $eter SReichenSperger gefagt hat/ in fich fd)on eine 
Koalition, unb 3 war ift ein eii^elner Arbeitgeber an ERadjt nicht 
feiten taufenb foalirten Arbeitern gleich, ja überlegen. Ilm bie 
3 ur Nahrung bes ArbeiterinterefJeS bei Öeftfefcung ber ArbeitS* 
bebingungen nöthige Regelung beS Arbeitsangebotes oornchmeii 
3 u fönnen, ift eine auf möglichft aEe Arbeiter eines Berufes fich 
erftreefenbe bauernbe Koalition unertählid)/ uiag man biefeS ©ewerf* 
oerein ober gleichoiel wie nennen. 

11 nb wenn man bagegen geltcnb macht, bah bie Regelung beS 
Arbeitsangebotes burch bie ArbeitSoerfäufer 3 U Sorberungen ber 
Arbeiter führen würbe, welche bie $onfurren 3 fähigfeit ber hrimifchen 
Snbuftrie auf bem Bkltmarft gefährbeten, fo beftcht eben in biefem 
fünfte, jene Sbentität bes SutereffeS oon Arbeitgeber unb Arbeiter, auf 
bie man fonff fo gern fich beruft, um es gu oerhinbern. ©erabe bie 
englifchen ©ewerfoereine geigen, wie oiel oerftänbnihooEer für biefe 
Sfonfurrengoerhältniffe bie organifirten Arbeiter finb, als bie nid)t 
organifirten. 4 ) Ungähliae s 3Ral haben fie mit Biidfficht auf bie ans* 
wärtige Eonfurreng auf gorberungen oergichtet, bie ihnen fehr am 
§ergen lagen. $)ie Anflage bageaen, bah fie burch ilp* Sorbe* 
rungen einen Bücfgang ber englifchen Ausfuhr oeranlaht hätten, 
ift fo oft gufammengebrochen als fie oorgebracht worben ift, oon 
ben Behauptungen oor ber ©ewerfoereinSfommiffion oon 1867 5 ) 
an bis gu benen beS greiherrn oon Stumm im .^errenhaufe am 
28. Blai 1897. 6 ) Uub wenn in ber lebten 3 c k eingelne englifd)c 


*) ^rof. Aeumann (Tübingen) berichtete 1897 in Äöln: „SBelchc 
©ejäl)rbungen felbft begüglich beS ©hrgeiüblS oon Seiten ber Kartelle 
Blap greifen fönnen, bafür bk* nur bas Seifpiel, bah rin folcher Ber* 
banb oor Sturgem bie Bcrbanbtf)eilnebmer oerpflichtet hat, jeben Arbeiter 
gu entlaffen, ber fich nicht oorweg oerbinblich madjt, auf Sunfch als 
(irfabntann für anbere gu arbeiten, wenn biefe (feine Kollegen) ht bem* 
felben ober anberen ©efchäften ftreifen. £>ier wirb alfo nid)t nur bc* 
gugltch ber £öhne, fonbern auch begüglich folcher Singe ein £rucf aus* 
eiibt, bet benen eS fich, nach Arbeiteranfchauungen, um lllief)reu* 
aftcö hanbelt." Sd)riften b. B. f. Sogialpol. LXXVI, 866. 

3 ) ©tue ^llnftration! gm Alärg 1898 fam eS in einer hier nicht gu 
nenneubcu $abrif in B a fmg baburch gum Ausftanb, bah ^ie S'iema eine 
Aeuberuna ber gabriforbnuug gu Ungunften ber Arbeiter burd)fitf)reu 
wollte. £er ArbeitcrauSfdjuh ber gabrif oerfuchte gu nnterhanbeln, 
würbe aber mit ben SBorten guriidgewiefeit: „3d) anerfennc feinen 
ArbetterauSfchuh, Arbeiterausfd)uh bin ich, nnb öantit bafta !' y $)ie neue 
gabriforbuuug war weber oorljer befannt gegeben, noch gur ©inficht 
nuSgef)äugt, wie baS ©efep oorfchreibt. ®ic Blitglieber bcS Arbeiter* 
ausjdjuffeS würben entlaffen. Als baranf ber Streif auSbradj, würbe 
fänuntltdjen in ben fogenannten Arbeitert)äufern ber gabrif wohitcnbcu 
Arbeitern auf ben folgcnben Abcub bie 2Bol)nuug gefiinbigt. Bgl. 
Regien, 2)aS Äoalitionsrecht ber beutfehen Arbeiter S. 166. 

4 ) Bgl. Arbcitcrgilbcu ber ©egeuwart II 289. 0 . Sd)ulge*©äoernip, 
3unt fogialcn grieben II 453 u. a. a. £>. Geoffrey Drage, The Labour 
Problems p. 99 2C. 

5 ) Bgl. Eleventh and final report 1869 p. XIX Ar. 55, p. XLV, 
p. CXXV.’ Arbeitergilben ber ©egenwart II. 223 ff. 

ü ) Bgl. Schriften bes Vereins f. Sogialpol. Bb. 76, 337. 



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©ogtale $ra£is. ©entralblatt für Sogtalpolttü. Br. 51. 


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^nbuftriegroeige fidj burdj bic beutfd>e Konfurreng bebroljt gefüllt 
haben, fo ftnb bicö nidjt folche, in benen bic Teutfdjen mittelft 
fdjledjtercr Arbeitsbebingungen Sdjmufcfonfurreng treiben, fonbern 
in benen bie beutfdjen Arbeitsbebingungen ben englifd)en mehr 
unb mehr nahe gefommen ftnb. — Tie ©eroinnbetheiliaung gum 
Schluß, roeldje bie Koalitionen erfefeen foß, ift unter beftimmten 
Berhäliniffen ein üor^iiaIicf)eö £ohnfpftem; außerhalb biefer ift iljre 
Anroenbung allezeit fehlgefdjlagen. 7 ) Sie hot fitb gänglid) unfähig 
entliefen, bie Koalitionen gu erfeben; im ©egentheil fefet bie fRege=* 
lung beS ©eroinnantheils bie ©riftcng ber Arbeiter*Koalitioncn 
ooraitS. Bor Aßcrn aber mürbe bic ©eroinnbctheiligung, um aß* 
gemein befriebigeitb gu fnnftioniren, eine Betheiligung ber Arbeiter 
aud) an ber Betriebsleitung erheifdjen, gegen roclcf)e bie lebbafteften 
Bebcnfen aeltenb gemacht merbett. 

llttb bieS führt midf) gu ber groeiten Art ber ben Arbeiter* 
organifationen feinblidjen Aufhaltungen. 

* * 

* 

Tie groeite Art oon ©egitent, über bie id) fprechen miH, ift 
tnoberner. Sie giebt gu, baf; ber Arbeiter nad; ber beftebenbeit 
AechtSorbnung ben Anfprudj hot, bei ber t$reftfebuitg j c [ ner 
bebingungen mitgurcben. Aud) erfennt fie an, bafe bic tnobernen 
BetriebSoerhältniffe es mit fidj bringen, bafj bie Arbeiter bei biefer 
geftfebung gemeittfam auftreten, uno ift fogar bereit, mit ©eroerf* 
oereinsbeantten an Stelle ber Arbeiter, rocld)e fie oertreten, gu oer* 
banbeht. Aßein fie ift nur bereit all bieS begüglich ber Seftfefeung 
beräobnböbe nnb ber Tauer ber ArbcitSgeit guguaefteben. Kommen 
attbere Arbeitsbebingungen in Srage, fo nimmt fie für ben Arbeit* 
geber baS $Red)t, fie einfeüig feftgufteßen, in Anfprudj unb fdjreit 
über unberechtigte unb ftörenbe BetriebSeintuifcbnng unb Tpramtei, 
roenn bie organifirteu Arbeiter auch bei Beftimmung biefer übrigen 
Arbeitsbebingungen tnitreben motten. Taher ift ber Bormurf 
megen tprannifchcr Betriebseinmifdjung unb megen StrebcitS, bie 
Betriebsleitung fidj angumajjen, entftanben, rocld)er in ber ^reffe 
unb auf Tribünen erhoben mirb, fo oft es gilt SroangSmafjregeln 
gegen Arbeiterfoalitioneu in Borfdjlag gu bringen. 

Aßein gegenüber Borroürfeit, bie fo in Baufdj unb Bogen 
oorgebradjt merben, gilt es fritifcf) gu fein. 

Tic Aufgaben einer Betriebsleitung finb oon breierlet Art: 

1. Befftmmung, mas probugirt merben, b. h- beS ©uts, rocldjeS 
bem Konfuntenten geboten merben foH; 2. Beftimmung, mie pro* 
bugirt merben foß, b. f). aus melcben Btaterialieu, mit Hülfe melcher 
tedjnifchen fßrogeffe unb melcher Arbeitsfräfte baS §er^nftcllenbe 
©ut bergeftcllt merben foü; 3. Beftimmung über bie Bebingungen, 
unter benen biefe menfcblithen $robuftionSeleinente Bermenbung 
finben füllen, mie über Temperatur, Atmosphäre, bpgienifche ©in* 
ridjtungen ber Berfftätte, über Qntenfität unb Tauer ber Arbeit, 
über ben £obn, ber als ©ntgelt gegeben mirb. Bo Sflaoerei 
berrfcht, trifft ber BetriebSunternebmer alle biefe Beftimmnngen 
aßein. Bo bagegen ber Arbeiter frei ift unb ber Betriebsunter* 
nehmet bic Berfiigung über bie benötbigien Arbeitsfräfte im freien 
ArbeitSoertrage mit freien erlangt, müjfeu bie Beftimmungeu, bie 
ber Arbeitgeber allein gu treffen Ijat, oon benen, bei melcben bie 
Arbeiter berechtigter Beife mitgureben hoben, unterfdjicben merben. j 

BaS nun bic erftc Art oon Beftimmungeu angebt, biejenigeu j 
über bas ©ut, melcbcS b^gcf^Ei mirb, fo finb fie ausfdjliefjlich 
SadEje beS BetriebSunternebmerS. TeSgleidjen bie Beftimmung aus 
melcbem Stoff, mittelft melcher tecbnifchen s ^rogeffe, mit Hülfe 
melcher Arbeitsfräfte baS ©ut b^geftellt merben füll, ^sitbcfg finbet I 
ein nnmerflicher Uebergang oon biefer gmeiten Art oon Beitim* 
mungen gu benen ber britten Art ftatt. Ob baS eine ober anbere 
Btaterial Bermenbung finbet, ob ber eine ober anbere tcdjnifche 
^rogejj gemäblt mirb, ob ber Betrieb fo ober anberS organifirt 
mirb, ob biefe ober jene Sßerfoit gufammen mit ben übrigen 
Arbeitern befdjäftigt mirb, oerntag bie ©g’iftengbebingungen ber in 
A-rage fommeiibeit Arbeiter ebenfo ernftlid) gu beeinflußen mie bie 
Tauer ihrer ArbcitSgeit ober bie l'olmböbe. TieS alfo finb Tinge, 
bie nidjt fo einfad; ber autofratifefjen Beftimmung beS Arbeitgebers 
überlaffen merben, fonbern über meldje bic Arbeiter mojl rnitgit* 
rebeit beanfpruchen föuncit, ohne bafj fofort über anmagenbe ©in* 
mifibung in bic Betriebsleitung gefprochen merben fann. ©eroijj, 
ber Arbeitgeber jat gu eutfeheiben, men er befdjäftigen mill; menn 
er aber einen '^äbgornigen befdjäftigt, ber, mie cs oorgefommen, i 
einen Beitarbeiter aus geringfügigem Aitlafj in bas Tricorocrf bin* 
einmirft, fo ift cS für ben llmgefommeuen bod; nur ein ungc* 

7 ) Bgl. 3cfjriften B. f. S. Bb. 45, 2. LII ff. I>r. ©■tiiljaujer in j 
ber Tübinger ;*gtfd)V. f. b. OK 2taatvm. lsys. I 


nügenber Troft, bafe ber Bliffetbäter beftraft unb ber Arbeitgeber 
gu einer ©ntfehäbigung an bie Hinterbliebenen oenirtbeilt toirb; 
beSgleidben ift in früheren Auffäfcen fchon bargelegt morben, mie 
ber Arbeiter burch feinen BHtarbeiter öfonomifch unb ftttlich ge* 
fchäbigt merben !ann. 3BiII ber Arbeitgeber baber einen gefäbr* 
lid^en Kerl, einen früheren äud&rticiuSkr, einen unfähigen ober 
leicbtfinnigen Blenfchen befdjäftigen, fo b<h er ungmeifelbaft bagu 
baS Bedjt; aber ebenfo ift es feine tgrannifdje ©inmifchung in bie 
Betriebsleitung, menn ber Arbeiter oon feinem SRedjte ber fBeige* 
rung, mit folgern Blenfdjen gufammen gu arbeiten, ©ebraueb ma§t. 

0b ferner eine Blaf<|ine oermenbet mirb ober nicht unb 
in melcbem Tempo fie fidj bemegen foü, b a * Arbeitgeber, unb 
biefer aßein gu entfdjeiben. TaS ift tbenfo febr feine Sadje, mie 
baS Anfaufen oon Btaterial. Aber gu meldjen Bebingungen bic 
an ber Blafcbine befchäftigten Arbeiter tbätig fein fotten unb 
roeldjeS ber Sntenfitätsgrab ber Arbeit ift, bem jeher Arbeiter 
untermorfen merben fou, ift unbeftreitbar ebenfofebt eine ^adje, 
bie ben Arbeiter angebt, mie bie Höbe &eS üblichen TagelobneS. 
s Bo ftarfe ©emerfoereinSorganifationen ben Arbeitgebern gegenüber* 
fteben, mie g. B. ber bödjft fonferoatioe ©emerfoerein ber englifcbeu 
Keffelfchmiebe unb ©ifen* unb StablfdjiPauer, hoben bie Arbeit* 
eher baber mit bem ©emerfoerein genaue Abmachungen auch über 
iefe bie ©jifteng ber Arbeiter fo febr berübrenben 3f*ogcn 9* s 
troffen. Beit entfernt, ba& bie Betriebe burch biefe Abmachungen 
beSorganifirt morben mären, befinben fie fidj oielmebr in mufter* 
bafter Drbnung. Bo bie ©eroerfocreine bagegen fdjroädber Hnb 
unb ähnliche Abmachungen erft anftreben, fudjen bie Arbeitgeber 
bieS begreiflicher Beife ebenfo abgumebren, mie fie bie Beftimmung 
über Sohn unb ArbcitSgeit am liebften allein in ber $anb hätten, 
©in Btittel gur Abmebr ift, bafe mau bie ©emerfoereinc megen 
anmafeenber ©inmifdjung in bie Betriebsleitung in ber Deffentlid)* 
feit benungirt. Allein bieS ift fein ©runb, bafe nun auch biejenigen, 
bie biefen Sragen nidjt als Sntereffenteu gegenüber fteben, ficj 
irrefiibren laffen. 

* * 

* 

©iitc britte Art oon ©egnern ift enblidj bie, roelcbe in ben 
©emerfoereinSorganifationen eine ©efabr für baS Staatsroefeu 
erbliifen. TaS Si vis pacem para bellum ift ein ©nmbfafc, ben 
man groar für baS Berbältnife oon Staaten gu einanber, nieji 
aber ber Klaffen eines unb beffelben Staates für ridjtig bäß- 
Hier b e ^ c & nicht Aüften unb Kämpfen; in ber Staatsgemalt 
habe man eine über ben Parteien ftehenbe Autorität; ihre Aufgabe 
fei eS, baS ©erechte audj im mirt^fc^aftlidhen ßeben gur ©eltung 
ju bringen. Tie Selbfthülfe burdj Koalitionen oon Arbeitern uni) 
Arbeitgebern bagegen führe gur 3 er *üttung im Snnern unb ©e* 
fährbung nadj Aufeen. 

Aßein biefe gange Borfteßung oon einer über ben Parteien 
ftehenben Staatsgemalt ift ein fleifchlofeS unb blutleeres Bhontafic- 
gebilbe. ©S bot biefen Staat meber in ber Bergangenheit gegeben 
noch mirb es ihn in ber gufunft geben; eS liegt in ber 9?atur ber 
Tinge, ba& biejenigen Klaffen, bie jemeilig am einflujgrepften im 
Staate finb, biefen ihren ©influfj auch mirthfdjaftlidjen fragen 
geltenb machen. So ift es in ber gangen Belt oon jeher gcioeten 
unb mie in ber gangen Belt fo audj in fßreufjen. Tamit hängt 
eS gufammen, menn bie bauernfreunblichen Begebungen ber 
preufjifchen Könige im 18. Sahrhunbert fo roenig erfolgreich mären; 
bamit, menn gu Beginn beS 19. Soh^honbertS ber ehrliche Königs* 
berger Kraus fdjrieb, ber preufeifdje Staat, meit entfernt eine nn* 
um'fchränfte Biouardjie gu fein, fei oielmehr eine obmobl etmaS 
oerfdjleierte Ariftofratie; bamit, menn ©. Bi. Arnbt 1854 ^pro 
populo germanico“ gegen „bie Sonferei unb ^lunferei" ber 
„Hinterpommerfchen ober oielmehr Hmi cr 3 e ^9 cn// bonnertc, bic 
„hinter ihrem orientalifdj*patriarchalifchen Königthum ihren Fünfer 
oon ©ottcS ©naben oerfteeften"; bamit, roenn bie 1890 mit fo 
oiel Aplomb inauguritte Sogialpolitif fo halb ber entgegengefefcten 
gemidien ift. Statt bie Selbfthülfe gu ©unfien einer über ben 
Parteien ftehenben Staatshülfe herabgufefcen, foßte man biefe bod) 
erft einmal fonfret oorführen. Bor Allem aber märe es imerläjg* 
lidj, bafe eine bie ibeale ©erechtigfeit oerförpernbe StaatSgeroalt, 
menn fie baS „Stuften unb Kämpfen" ber Arbeiter oedjinbert, amt 
bas „Aiiften unb Kämpfen" ber Arbeitgeber oerhiubere. Allein 
mähreub ber Staat h e »lc alle übrigen Sntereffenorgauifatioiien 
nicht nur bulbet, fonbern begiinftigt, förbert, ja oou oben herab 
oielfach ins fieben ruft, unb es inSbefonbere bie Arbeitgeber finb, 
bereu Drganifationen fich ber größten Freiheit beS TijiinS unb 
Raffens erfreuen, merben ben Arbeitern bie größten Schmierig* 
I feiten bereitet, menn fie bie gcroöhnlidjfte Drganifation gnr 





Sogtale $rajt$. (ScntralBIatt für Sogtal po litt!. SRr. 51. 


1388 


1337 


Safjruitg ihrer befonberen Verufsintereffen ittS Seben rufen; ja 
man fjat batnit nod) nid)t genug nub bringt Gefefeeutwürfe wie 
beit „gunt Sdpfe bes gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS" in Vor* 
(age, welche, wie gezeigt worben, bie Regelung beS Angebots ber 
Arbeit ftatt in bie .giönbe ber VerFänfer in bie ihrer (Gegner im 
VreiSFampf, ber Arbeitgeber, legen mürbe. 

9Ud)t bie befonberen VerufSorganifationen ber Arbeiter, fou* 
bern biefe ungleiche Vebanblung ift es, was ben 9?ährbobeit jenes 
MlaffenfeaffeS bitbet, ber in Xeutfchlanb lange oor bem Entftehen 
befonberer VerufSorganifationen ber Arbeiter entftanben ift uttb bie 
Arbeiter nun antreibt, nad) ber Staatsgewalt gu trachten, um bie 
erlittenen UngeredjtigFeiten mit entgegengefefeten ltngered)tigfeiten gu 
oergelten. Xie befonberen VerufSorganifationen bagegen finb, toie 
ber\3orn ber ejtremen SogialbemoFratett gegen Vernftein unb Ge* 
»offen beute oor aller Augen geigt, baS einzige SJtittel, welches 
biefen Staat unb GcfeHfebaft gefäfjrbenben £>afe gu befeitigen ocr* 
mag. Sie liefern bem Arbeiter praFtifd) ben VeweiS, bafe er 
innerhalb ber beftebenben Drbnung feine £age gu beffern unb 
einen größeren Antbeil an ben «Segnungen ber Kultur gu erobern 
oermag. Sic fefeen an Stelle beS Kampfe? um ben ilmfturg bes 
beftebenben ben um beffere Arbeitsbebingungen, um böseren £ohu 
unb geregeltere Arbeitzeit, unb inbem fie biefen &ampf erfolgreich 
bnrd)guFäntpfen ermöglichen, oerföhnen fie bie Arbeiter mit ber 
beftebenben Drbnung. (kernig mag es Arbeitgeber geben, melcbe eS 
oorgieben, menn ihre Arbeiter um bie Staatsgewalt, ftatt um 
s DJarf unb Vfemtige ftreiten. Allein es ift bicS nicht bie Auf* 
faffung beS Staatsmanns. Xabin finb glücflicber Steife bie 
feiten, ba man glaubte, bafg eine in ber Gewalt befinblid)e 
VHnberheit mit Gewaltmitteln eine fte'ts maebfenbe Mehrheit be* 
berrfeben unb mit §>ülfe fo llnterbrücfter nach Aufeen bie 3J?ad)t* 
ftellung beS VaterlanbeS aufrecht gu galten oerm öd)te. Xie Vtad)t 
bes Staates beruht auf ber (Einheit ber Gefinnung beS Golfes 
unb ber Sbentität ber ^ntereffen oon Regierung unb Regierten. 
Seit entfernt, bafg baS Xeutfdie !Heid) eine Schwächung burd) eine 
VolitiF ber Gerecfjtigfeit erleiben tonnte, ift nur fie, itibcnt fie bie 
großen Soffen mieber eins macht mit bem Staat, im Stanbe, feine 
Sacbtftelluug baueritb gu fiebern. Hub fo hoffen mir, bafe bie, 
welchen bie Sabrung ber Sittereffen ber bentfeben Nation im 3»uern 
unb nach Aufeen anuertraut ift, inbem fie aud) ben Arbeitern baS 
Obre gu £b e if werben laffen, Xcntfcfelanb unüberminblid) m ad) eit 
werben gegen Angriffe oon allen Seiten. 

Unb nun nod) in einem Artitel einige Sorte über pofitioe 
9teformen, bie nottjwcnbig finb gur Verhütung unb Vfilberung 
ber mit ArbeitSftreitigfeiten für Arbeiter, Arbeitgeber unb braufeen 
Stebenbe oerbunbenen Stacbtbeile. 

Suneben. Vujo Brentano. 


Die &rbeitetüerufrgeno|]renfrt)aften In <tfronhreid). 


Huläitgit erfebien ber erfte Vaitb einer oom „Office du Travail“ 
(im frangöfifdjen paubelsminifterium) unter bem Xitel „Xie Arbeiter* 
berufsgeuoffenfdjaftcn" oeranftalteten Veröffentlichung. XieS Serf 
ift baS Ergebnife langer unb febmieriger Ermittelungen, bie baS 
Arbeitsamt bei ben Spnbifaten, fnilfsFaffenoereinen, VrobuFtio* 
Bereinigungen, Vcrbäitben, Arbeiterbörfen u. f. w. aemiffer £>anb* 
werfe gemacht hot. Xer bemerfenSwertbefte Xbeil ber AuSfüfj* 
rnitgen betrifft jebod) bie VcrufsfijnbiFate unb Sacboereinigungen. 

Xer 3citrauui oon 15 Sollen, feit benen bie Spnbifate in 
3 ?ranfreicb bie gefefelitbe Anerfennung erhalten hoben, würbe für 
biefe llnterfncbungen gu furg fein, um fiebere Schlußfolgerungen 
git geftatten. s Dtan fab fid) baber oeranlafet, über baS Gcfefe oom 
*21. Viärg 1884 ^inau3 bis auf bie Iefeten Söhre beS gweiten 
5taiferreid)S guriidgugeben, wäbrenb beren biefe Genoffenfdjaften 
eine gemiffe Xulbung erfahren hoben. Aber im felbcn 3eitraum 
machte fid) eine febr auSgefprodjene fooperatioe Bewegung (im 
probuFtioen Sinne) gelfenb, bie bie im Entstehen begriffenen Spit* 
bifatc ftarF beeinflußen mufete. Xie fooperatioe Vewegung er* 
innerte — mit beträtfetlidjcn Abweichungen natürlich — an bie oon 
1848, unb biefe lefeterc hotte ibrerfeitS für einige 3oit ben AuS« 
miiebfen in ben berufsmäfeigen Sd)ufebeftrebungen ein 3^1 gefefet, 
wie fie fid) g. V. unter ber Regierung Souis Sß^iltpp^ in gewiffen 
5)üIfSfaffenoercineu geltcnb madjten. 

So faf) fed) bas Arbeitsamt oeranlafet, feine 9tad)forfd)nngen 
— wenigftens für gemiffe Verufe — bis auf bie erften Sabre 
biefeS 3ai)rbnnbertS auSgiibebnen. Es fonnte wobloerftanben uidjt 
bie 9tebe baooit fein, bergeftalt alle föanbmerfe gu burchmuftern: 


man bot ficb baranf befd)rän!t, „bie oerfebiebenen genoffenfehaft* 
lieben Verfud)e in ben bebeutenbften Stabten granfreidjs, bie gur 
ooriibergebenben ober bauernben Vegriinbung Fooperatioer 33er* 
bänbe in granFreüb gelangt finb," gefd)id)tlicb barguftetlen. 

3Bir befpreebett b ei,te ^ en er f* en ^onb biefer Arbeit. Veoor 
wir auf ben 3nhalt eingeben, gwei SBorte über bie 3Rittel unb 
3Bege, auf benen baS Arbeitsamt ben Stoff gefamtnelt Ijot! 

Es ift bcFannt, bafe fid) ber S^ongofe im Allgemeinen wenig 
um Vergangenheit unb ileberlicferung fümtnert; biefe Samte beS 
VoIFScbaraftcrS bot bie SRadjforfcbungen itngewöbnlid) erfebwert, 
wegen ber Ungulänglid)feit felbft ber älteften unb befteingeriebteten 
VereittSarcbioe. Xie s ßroto!oUe oerfdjwinbett bei llmgiigen, werben 
oon ben Vlitglieberit oerfdjleppt, als wertblos oerbrannt, gumeift 
oon ber Srau beS Schriftführers ober ScbafemeifterS, bie ficb auf 
biefe Vkife für bie Dpfer rächen will, weld)e baS Spnbifat ihrem 
hatten auferlegt, unb beren 9?ufeen fie in ihrem llno.erftanb oer» 
Fennt. EJleicbwobl hoben einige ©enoffenfd)aften ihre Vüdjer auf* 
bewahrt, unb im Vefife einiger inoaliber Arbeiter befinben ficb noc h 
alte .J>efte, wo gtoifdjen ben 9Bäfd)erecbnungen ber Hausfrau einige 
VrocFen ber E3efd)id)te oon baguntal enthalten finb. Xiefe oft rec^t 
fparlidjen AnbaltSpunFte warnt inbeffeti wertbooH; mit ben auf 
biefe 3Beife ermittelten Angaben war man im Stanbe bie 3*itungeit 
gu burebftöbern, fd)on befanttte Xbatfacben nadjguprüfett u. f. to., 
furg, langfam unb oorfiebüg gu einer genauen unb miifettfdjaft* 
; td)en Xarftellung gu gelangen. 

Öür bie gegenwärtige 3 c tt hotte man mit anberen Schwierig* 
Feiten gu fämpfen; mau ntufetc eitt getoiffeS Vtifetrauen oon Seiten 
ber Arbeiter ben Vertretern ber Staatsbehörbe gegenüber befürchten. 
Vor noch nicht gar gu langer 3 e it hotten bie Arbeiteroerbänbe 
ober beren Vorftänbe oft mit ber ^oligei gu thun; fie hoben, ob 
mit 9Fecbt ober mit Unrecht, biefe Vegegnungcn in Feinem guten 
AnbenFen behalten unb fittb leid)t geneigt, überall ein wenig (M)eim* 
beamte ber öffentlichen Sicherheit ober ber $oligeibet)örbe gu wittern. 
Vh'irbcn fie uidjt auch bie Vertreter beS Arbeitsamts als foldje 
anfeben? 3 n biefein ^ßunft Fonuten nun bie Ergebtiiffe Faum be* 
friebigenber auSfallen: bie gang unbefangenen AuSeinaitberfefeungen 
gwifeben ben SpubifatSoorftänben unb beit 3-ragern hoben nicht 
nur gur Viittljeilung aller münfdjenSmertbeu AuS*Fiiitfte unb Veleg* 
ftiiefe geführt, fonbern auch e i n gutes unb bauernbeS Einoeruchmeu 
gwifeben bem Arbeitsamt unb ben Arbeiteroerbänben bergeftellt. 

Xamit Fommen wir gur Darlegung ber Arbeit felbft. Xiefe 
foll brei Xbeile umfaffen: ber erfte enthält eine bebcutfante Ein* 
leiluitg; ber gtoeite, ber ben Sdjmerpunft beS Viertes bilbet, um* 
fafet bie Eiugelpcfdjicbte ber Eienoffenfcbaften, geliefert oon ben 
Arbeitern gewiffer VcrufSarten; ber britte enthält bie @efcbid)te ber 
Arbeiterbörfen. Xcr foeben erfefeienene erfte Vanb begreift ben 
erften Xheii beS gangen 9SerFS unb bie einleitenben ©ebanFen gum 
gweiten. 

Xer erfte Xbeil gerfällt wicberum in brei Rapitel. Xas erfte, 
bas ficb auf bie Ekfefegcbnng über bie VerufSgenoffenfcbaften oon 
1791 bis 1884 begieljt, ift Feine Driginalarbeit; biefer ©egenftanb 
ift febon oft bearbeitet worben, es war aber uncriäfelid) eine lieber* 
ficht biefer 0rage ber gefcfeicbtlicb.en Entwirfelitng ooranSgiifdjifFen. 

XaS gweite Kapitel ift ben ©eheimbünbeu gewibmet. Viele 
teilte Fennen bie ©eheimbüubclei nur bem Aamett nad), unb es 
ift in ber Xljat nichts, ober bod) faft nichts über biefe fo alte unb ge* 
beimnifeoolle Sonn ber ©euoffcnfdjaft gefdjricben worben. ES ift 
giemlid) unbcFannt, bafe es an ber Sd)wclle beS 20. 3ahrl)unbcrtS 
in ^onFreid), ja mitten in ^ßaris uod) .punberte oon Arbeitern 
giebt, bie geheimen Verbinbungen angeboren, wo man feltfainen 
©ebräudjen hulbigt unb ficb burd) Fabbaliftifcbe 3Sortc unb Er* 
FennungSgeidjen oerftänbigt, wo bie jungen Arbeiter nur nad) einer 
Veifee oon groben aufgenommen werben, bie man möglidjft 
fdjrecfencrregenb gu gcfialten fucht, bie aber in ben weiften Ö-ällcu 
nur Fittbifcb ober fchmufeig finb. Xas Arbeitsamt hot Gelegenheit 
gehabt, oon geheimen Scfjriftftücfen Einfidjt gu nehmen, mtb fie 
ans laicht gegogen, wenigftens biejenigen, bie nicht ben erwähnten 
fcbmnfeigen Eljorafter tragen. Xie Gefcbidjtc ber Gcheimbüubelci 
ift bis 1791 guriief oerfolgt worben, fowoljl oom GefidjtSpuuFt 
ihrer eigenen Entwicflung aus, wie and) oon bemjenigeu ihrer 
Vegicfjungen gu ben fonftigen Vereinigungen ber Arbeiter. Am 
Sd)Iufe beS Kapitels hot mau oerfuebt feftgnfteüen, oon weldjer 
Vebcutung bie Geheiinbüttbelei gur gegenwärtigen Stuube in 
SranFreich ift. 

XaS britte Kapitel ift betitelt: „Vom §ülfsFaffenoerein gur 
SpnbiFatsFammer". Es legt bie Entftchnngsgefd)id)te ber Vercini* 
gütigen bar, bie gur VMiruttg ber Verufsintereffeu gegriinbet 
worben, geigt, wie fie fid) nad) unb nad) oon ben pülfsfaffen* 



1339 


(Sojtale $ra$i$. ©entralblatt für 6ojialpolttil. Rr. 51. 


1340 


Vereinen loöaelöft, unb tüte fie firf) fpäter bettt ©iuflujj beS Foopcra* 
tioen ©ebanFenS (ber ^robitftiügemcitifc^aft) ent 3 ogen fabelt; ferner 
rote fie crftarFten, battF ben erften Senbungen uon Rrbeiteroertretern 
311 ben ÜhtSftellnngen (Bonbon 1862, VariS 1867). ©nblid) ift 
inan in biefettt Mapitel ber rocchfeffeitigcn ©inroirFuitg ber Arbeiter* 
Fongreffe unb ber SpnbiFatSFammern nachgegangett. ®icfe grage 
ber SlrbeiterFoitgreffe rourbe oor Tunern febr ooüftänbig in einer 
Schrift üott £eon be Seithac behanbelt. So hat matt fid) auf 
eine Ueberficht befcfjränfcn fönnen mit Ausnahme bcS auf bie brei 
erften Mottgreffc (VariS 1876, £pon 1878, VJarfeillc 1879) be^üg® 
liehen, bie üout ©efichtSpunFt beS SpitbifatS ans oott gan 3 be* 
fonberer SSidjtigfeit finb. ©in allgemeiner UeberblicF über bie 
gegenroärtige Sage ber oerfdjiebenen Slrten berufsmäßiger Ver* 
einigungen ber Arbeiter fcfjließt biefen erften Stßeil, ber nid)t 
roeniger als 280 Seiten umfafet. 

$)ie gefd)id)tlid)cn Slbriffe im grocitett $f)cil beS erften VanbeS 
haben über'600 Seiten Umfang. V3ir fönnen fym nur eine Stuf* 
3 äf)lung baoon geben. 

1. ©nippe (Slcferbau, Werften, ^tfeßerei): Vcrbanb ber Vorarbeiter 
im ©her, ^arifer (Gärtner. 

2. (Gruppe (^örberung uon 91 obfioffen): Bergleute ber Soire, beS 
Rorb unb ^ns=be=6alais; nationaler Verbanb, internationaler Verbaitb. 

3. (Gruppe (Ralirungsmittel): Dörfer uon ^?artS, 3J?arfeille, Vor* 
beaitj; Vcrbanb. .Nlürfie uon ^aris, RJarfcille; Vcrbanb. 

4. (Gruppe ((ibemifdic ^nbuftrien): Verfdjiebcnc Spnbifate unb Ver* 
Oänbe uon Buloer* uttb Glasarbeitern, foiuie uon Arbeitern ber 2abaf* 
nnb Streicbbolsfabrifen. 

5. (Gruppe (©rapptldjc 3 n buftrieit): 2ttf)ograpben uon VariS unb 
2t)on; frau 3 öfifcber Vcrbanb; internationaler Verbaitb. — Vuchbrucfcr 
uon VariS, J^tjoit, Viarjcille, Vorbcaujr; ^ranjöfifrfier Verbanb ber Vuch s 
arbeiter, internationale ©cid)äftSfielle ber Vudjbrucfcr. 

tiefer lepte 2 b e ü enthält bie iutereffanteften ©efchidjtsbilber, 
uatnentlid) be 3 iiglicb ber Vnd)brncfer. Ilm uott bent Verbaitb ber 
Vudjarbeiter 311 fpretben, man roeifj, roelcßen ^ßlaß biefe Bereinigung 
in ber fran^öfifefjen Urbeiterroelt einnimmt, unb es ift oieüeid)t gut, 
bei biefer (Belegenbeit baran 3 U erinnern, bafe ber cj)anbel^ininifler 
üRifleranb in bem für^lid) (Sluguft) erfd)ienenen ©rlafj 3 ur Regelung 
ber Slrbeitebebiugungen bei öffentlichen Arbeiten nur ben Bericht 
3 ur Slusführung brad)fe, ber im $afyvt 1895 auf bem frangöfifeßen 
Vud)brucFerFottgrcf; Villiguiig fattb, ein Veritf)t, ber 1897 aueß 
uom Cberften BrbeitSrath gebilligt rourbe; Verfaffcr ift ber (General* 
fefretär bes Verbautes 21. Meufer, sugleicb 5Ritglieb bcS Dberften 
2lrbeitSratl)S unb einer ber bcbentenbften unb unbeftrittenfteu 
<$übm* ber frangöfifeßeu Spnbifatsbeioegung. 

$>ieS roäre eine Fuqe, aber uollftänbiac 3ufammenftellung ber 
im erften ^öanb bebanbeltett Stoffe. V>ir betonen 3 um Sdjlttfe ben 
gäit 3 licb unparteiifeben Stanbpunft: baS 2lrbeiiSamt ßat fid) in ber 
&h a t uorgenommen, ein rein urFunbIid)eS VkrF ju fRaffen, um 
aufrichtige unb genaue 2luSFunft jebertnamt gugänglicß 311 machen, 
ber fid) auf biefem (Gebiet eine rooljlüberlegte Meinung bilbeit 
unb fid) in feinem Urteil nicht oott 3Sorurtßcilen ober bloßen 
©ittbriiefen leiten taffen möchte. 

Baris. Cctaue Seftp. 


Allgemeine Storni* tmö 99trtpr<paft^poUttk. 

Reorgamfatian bc$ oberften 2lrbeitSrathc8 in grattfmd)* 

2)er fo3ialiftifd)e Jf>anbel^minifter ^iillerattb, beffen ©intritt in 
ein biirgerlidte^ Mabinet uon ben 2>oftrinärcn feiner Partei fo febr 
uerurtheilt rourbe, führt gan3 im Stillen eine 9 ieihe oott ^Reformen 
burd), bie feit langem auf bem 2lrbeiterprogratnm ftebett unb bie 
lief) faimt fcljr rafd; uenuirflicht hatten, roeun fie oott beit ©naben 
besc N ^arlantcnt£ allein abhängig gcioefeit toärett. *!l)tifleranbs leßte 
Xljat betrifft bie Umgcftaltung beo oberfteu SlrbeitSratijcg. Sie 
toar 001t togialiftifdien 2 lbgeorbnetcn fd)on ocrfd)iebenc s Dialc in 
ber Maittiner beantragt mürben, ©ährenb ber lepten iBubget*- 
bebatte hatte ber bamaÜge Mattbelötnitiifter and) formell oerfprodjeu, 
ber Qrage näher 311 treten, ohne inbeffeu fein s ^oort 311 halten, 
iliilleranb hat nunmehr ben (Gebauten aufgegriffen unb auf beut 
3 >erorbiiungsroegc eine Dieorgauifation beö X^lrbeitsrathes auf 
breiteiter beinot'ratifdicr ^afis uoll^ogeu. Sett üerroaltmigöredjt* 
lidjcit ©harafter ber onftitution alo einer biogen foufultatiuen Be* 
hörbe tonnte er allcrbing# uidjt änbern. 

Ser oberfte 2lrbeitvrath befiehl feit 1891: bisher fegte er fid) 
au* Gi» tlliitgliebern ^ufammeu. Saoon befaßen lu bie > JÜiitgtieb= 
fdiaft traft ihrer amtlidien Aiinftionen; bie übrigen 50 untren 
bnrdi freie ©ntidiliegnng be* ManbeU-iuiniftcr* au* ben Mreifeu 
bu v Bat!anuntnrirr, Sisiaipolitite;-, ^ollvioirtlifeliaftler, Haler- 


nehtner nnb Arbeiter ernannt. Unter biefen Uniftanbcn cntfprach 
bie effeftioe 3 l| f ainmen f e fe un 9 ^ 5lrbcitsratE»eS fauttt ber tßat* 
fächlid)ett S3ebcututtg ber eingelnen SBerufsintereffen, bie in ihnt 
ihren 9lu3brucf finben füllten. Sebeitfallö roar baö Brbeiterelenicnt 
fehr mäßig oertreten unb fonnte nie bie gutad)tlid)eu Sfeugeruttgett 
be£ SRatljc^ beeinfluffen. S'atnit fod nicht oerfamtt roerben, bag 
bie gefatuntte bisherige Shätigfeit beg ?lrbeit§rathe§ oon echten 
fo 3 iaipoIitif<hen ©ebanfen getragen roar. 

2)ie oon DUlIeraub bureßgefüßrte Umgcftaltung beabfichtigt, 
an§ ber (Einrichtung eine roirtliche Vertretung ber praftifchen 
Veruföintereffen 311 machen, über beren Verhäitniffe üc fid) 3 U 
äufjern hat. S)en Vertretern ber Arbeiter uttb ber Unternehmer 
roirb alfo eine rechtlid) fiprte Majorität gefiebert, unb fte roerben 
aufeerbem oon ben Snterefj’enten felbft ernannt. 3 n 3 id«nft roirb 
ber 5lrbeitdrath oon 66 Blitgliebern gebilbet roerben; baoon ftnb 
je 22 Vepräfentanten ber Arbeiter unb ber Unternehmer, 10 be= 
fißen bie Vtitgliebfchaft oon rechtSroegen; 8 roerben oom Sßarla* 
mente belegirt nnb nur 4 bleiben ber Ernennung bnrdß ben 
Vtinifter oorbehaltett. ®ie 3 ehn rcdjtSmä&igcn VHtglieber finb bie 
2 >ireFtoren ber Staatörnanufafturen, ber Staatseifenbahnen, höhere 
ÜJtineralbeamte, ber Vanbel^fammerpräfibent oon Vcm*, Vi^ 
präfibent ber BrbeitSbörfc oon ^5ariö 2 c. Von ben 44 Vertretern 
ber Arbeiter unb Unternehmer ntüffen 14 ©croerbcgericht*beiftper 
fein unb oon ben ©eroerbegerichteit geroäßlt roerben. ^)ie reftirenben 
30 roerben 3 U gleichen Välfteit oon ben VernfSoerbänben ber lluter= 
ttehmer (§anbeI§Fatnmern 2 c.) unb ben ©eroerffd)afteit geioählt. 
Unb 3 toar ift auch hierin oertragSmäfjig beftimmt, bag Fein 3^* 
buftriegmeig ohne Vertreter bleibt. 3Jtan h a * 15 ©ruppen oon 
©croetbcn unterfchiebeit, bie je einen Unternehmer unb einen 
Arbeiter 31 t entfenben haben. 

2 >er fo 3 ufaminettgefe(jte Slrbeit^rath roirb fief) jährlich ein* 
mal in orbentlicher Sejfion oercittigen. 3 u r Vorbereitung ber 
(Enqueten unb Rührung ber ©efchäfte befteßt eine 22glicbertge 
ftänbige Äomntiffiott, roooon mieberunt 14 Arbeiter* unb Uiiter^ 
uehmertnitglicber fein ntüffen. 


$ie fRcichdregtermtg unb bie $au$tnbuftrtc. iBie matt fid) 
erinnern roirb, hat ber StaatöfeFretär beg Veid) 8 aint£ bc* 3m\ex\t 
bet ben ©tatäücrbanbluugeu im Veich^tag bie VZöglichfeit einer 
Hbänberuug beS 154 2lbf. 3 ber ©croerbeorbnung angebeutet, 
ber jeßt noch hte Slu^behnuitg be£ Slrbeitcrfcßuße^ auf bie nur 
3 atnilientnitglieber befchäftigeube Heimarbeit auöfcßließt. Äufeer* 
bem hat ©raf Vafaboroäfp in ber ©eroerbeorbnungSFonttniffioii 
erflärt, ba 6 ba§ Veid)*amt be§ 3nuern bie Anregung ber VUnbener 
Hanbel^fammer (oergl. So 3 iale Vrari3 3al)rg. VlII Sp. 5s 1 ) auf 
Vornahme einer Utiterfucßung über bie Hausarbeit in ber ©igarren* 
inbuftrie toohlroolleitb prüfen roerbe. SXuf ber ©cneraloerfammlung 
beS £>cutf<hcn SabaFoerehi* am 30. VFai b$. 3^- erflärte ferner 
ein VegierungSoertreter, ba& roaßrfcheintid) eine ©rhebung über 
bie ©igärren=HauSinbu)trie ftattfinben fülle (So 3 . VrariSOahrg. Ml\ 
Sp. 980). 3m Verfolge biefer 21bfid)ten roerben $ur 3^it amtliche 
Stubien an einigen ©etttren biefer 3nbuftrie, fo in Vaben, ferner 
bemnäd)ft in Söeftfalen, oorgenontnten. ©S ift aber nid;t ans= 
gefchloffett, ba&, falls cS 3 U einer VeichSenquete Fommen füllte, 
and) noch anbere ©ebicte ber Heimarbeit erfaßt roerben, roic bics 
bereits 1896 für bie VKifdn’fonfeftton gefeßeßen ift. Reichhaltiges 
Material für bte 3mia[)tne ber .vSausinbuftrie — abgefel)en oon ben 
£crtilgeroerben — hat bie VerufS 3 ählung oom 14. 3ani 1 >H 5 
gebracht, mtb bie jeßt eben oeröffentlid)ten 4 Vänbe beS „Vereins 
für Sogialpolitif" über bie ^eitnarbeit beroeifen aufs Reue, roic 
brtngenb notfjroeubig h^'^ e me Regelung oon StaatSroegcu ift. 
©rfreulidjerroeife uerfcßließt fid) augenfcßeinlicß aud) bie Regteruita 
biefer Uebeqcngung im ^ßringip nid)t. 

Verfönliiher 3 ttm «9 gur ©rfiilluug beS ©eftubeUedTagd» R 11 S 
juriftifchen Mreifeu roirb nttS getrieben: Rach S- 888 ber neuen 
A-aming ber ©ioilpro3egorbnung, meldße am 1. 3attuar 19c»0 in 
Mraft tritt, fiubet bie Verurthcilnug 3ur ©elbftvafe bis 31t 1500 t // 
ober 3iir Haft bis gu groei 3aßreu Feine Bnroeubiiug bei einem 
Urtbeil, bas auf bie 2eiftung non ^ienften aus einem Tienftoertrag 
erfeuut.^ 3« ber bisher über bas neue Red)t entftanbenen ^itteratm 
ift bie 3rage nicht ciugebcnb erörtert toorbeu, ob biefe Vorfdiriit 
mul) auf bie ©cfinbcoerhältniffe Rnmeubiiug finbet. ‘S'as (^eiinbc* 
red)t ift bnrdi Rrtitel 95 bes ©iitfühntngsgefepeS guttt Vürgerltdieu 
©efepbud), abgefelien oon getoiffen Vorf^rifteu, aufrecht ‘erhalten 
toorbeu; mürbe man ben 2(usbrmf „^ienftoertrag" in ij. 8.ss ber 
©ioilpro3ef5ovbitiing in bem Sinne ber $§. 611—630 ber Vanbes- 
gefepgelmug oeritehen, fo mürbe jener auf bie ©efinbeoerhärtiiiffe 



1341 


Sogtale Iprajte. Eentralblatt für Sogialpolittf. 9£r. 51. 


1842 


feine Amoenbung finben. 3» einer folcßett Auslegung ift inbeffen, 
roie ßanbricßter XeliuS in 9lr. 29 bcr „Selbftoerroaltung" ßcroor* 
ßebt, fein ©runb oorßanben; bie fcßr Rumäne Borfcßrift beS §. 888 
ber Eioilprogeßorbnung roar in bent CSntronrf ber nerbünbeten $Re* 
gierungen nicßt enthalten, fie oerbauft ißre Aufnahme in baS Ekfcß 
ber Snitiatioe beS SReidjStagS; man roollte aber barnit ein* für affe* 
mal bent SRecßtSguftanb ein Enbe maßen, baß git ber Erfüllung 
eines XienftoertragS mit ®elb* unb ÖreißcttSftrafeu angeßalten 
merben fönne, einem BeßtSguftanb, roclßcr mit bcn heutigen Sin* 
ficßten über bie Straflofigfeit bes Xienftoertragsbrußs itt bireftem 
Bliberfprud) fte^t unb bcr gu überaus feltfameu, baS SReßtSgefüßl 
oerleßenben Ergebniffcn gefüßrt ßatte. Xcr AuSbrucf „Xienft* 
oertrag" in §. 888 ber Eioilprogeßorbnung ijt alfo im roeiteften 
Sinne aufgufaffen, eS ift barunter forooßl ber geroerbliße ArbeitS* 
oertrag als auß ber ©efinbeoertrag als auß ber Vertrag ju oer= 
ftcßcn, bcn ber £anblungSgeßülfe mit feinem Bnngipal abjßließt. 
daraus folgt, baß bcr SRißter ben oertragSbriißigen Xienftboten 
roeber bitrß (Mbftrafen noß bnrß £>aft gu ber Sortierung beS 
©cfinbeoerßältmffeS anßalten fann unb baß bie lanbeSgcfeßlißert 
Borfßriftcit ber ©cfinbeorbnnngen, roelße bem SRißter biefe Be* 
fugitiß ertßeilen, burd) §. 888 ber Eioilprogeßorbnung aufgehoben 
finb. AnbcrerfeitS fiub bie burß bie (Definbeorbnungen beit Boligei* 
beßörben eingeräumteit Befugniffe, baS oertragSbrüßige Etefinbe 
burß 3mangSmittel 5 ur Öortfebnug beS XienftoerßältntffeS augu* 
halten, nicht aufgehoben, ba §. 888 fiß nur auf baS gerichtliche 
nicht auch auf baS polizeiliche Verfahren begießt. Somit ßat bie 
Boligeibeßörbe baS SRcßt, mittelft Anroettbung beS perfönltßeit 
3mangS, bie Sortierung beS XienftoerßältniffeS oon bcn Xienft* 
boten gu ergroingen, mährenb bem SRißter baS SReßt nißt gnfteßt; 
es ift bieS eine jener Abfonbcrlißfeiten beS $Red)tsguftanbeS itt 
Xeutfdjlanb, melthe allein burch baS gortbefteßen eines petrefafteu 
©efinbered)ts neben bem mobernen bürgerlichen SReßt möglich finb. 

Umfrage beS BunbeS ber ^fnbnftrtetten regelt beS ArBeitS* 
ttntftgenfßuheS» Xer Buitb ber Qnbuftriellen oeranftaltet in Saßen 
beS SchureS ber ArbeitSroilligen eine Enquete, roelße bie folgenden 
Sragen umfaßt: 

1. Erfennen Sie bie Aotßroenbigfeit eines SßubeS bcr Arbeit** 
lüiüigeit an? 2. Welche Jyälk ber Anroenbung oon giuangSmitteln 
gegen Arbeitswillige oon Seiten ber AuSftänbigen finb Simen befaitnt? 
3. galten Sic eS für möglich, burch freie Bereinigungen ber Arbeit» 
geber ben Schub ber Arbeitswilligen herbeigufüßren ober 4. Sinb Sie 
ber Meinung, baß nur auf gefcblißem 2Bcgc — burch Erlaß oon Be* 
[timntuugeu — biefer Sßuß ßerbeigcfüßrt merbeit fönne? 

XaS bnreh biefe Umfrage erlangte Blatcrial foll einer Be* 
ratßung über bie SDiittel mtb SSege für ben Sdjuß ber ArbcitS* 
milligen bienen unb eoentueü bem SRcißStag unterbreitet merbeit. 
Xie Angelegenheit toirb bie am 16. unb 17. Dftobcr b. 3. itt 
Berlin gufammentreteube ©eneraloerfamtnlung beS BunbeS be* 
fchäftigeit. — Beroollftänbigung beS Materials möd)ten mir 
bem Bunbe anrathen, auch Bei ben Arbeitern feiner SRitglieber 
bie gleiche Umfrage mie bei ben Arbeitgebern gu oeranftalten. Xa 
eS fich um ben Schuß ber ArbeitSroilligen ßanbelt, fotntnt es hoch 
in erftcr ßinic baranf an, authentifch bie Aufid)t ber Arbeiter 
felbft fettnen gu lernen. 

Aßifhittbeittag in frangöftfßen StaatSbetrirBen. 2)er $anbels* 
tniitifter TOIleraub h^i angeoronet, oom 15. September an in 
ben 9Raterialbepols ber ßentralpoftoermaltung probemeife ben Adht* 
ftunbentag einguführen. 


Siojiate Jnftitnbr. 


5)te Sage ber bentfehen $o(garbeiter. 

3)er Borftattb beS beutfeßen ^olgarbeiternerbanbeS nimmt 
periobifch eine Statiftif ber ArbeitSoerhältniffe in ben oon ihm 
umfaßten BerufSgrocigert (jeßt Bürftenmadßer, Drechsler, Korbmacher, 
Stellmacher, Sifcßler unb oerfeßiebene Berufe) auf. SRachbcitt im 
gaßre 1895 bie leßtc Statiftif für 1893 erfeßienen mar, ift foebett 
bie neueftc Statiftif unter bem Xitel: „Xie ^agc ber beutfeßen 
.v)olgarbcitcr. $adj ftatiftifeßen drßebungen für baS 3aßc 1B97 
ßerauSgegeben oom Borftanb beS beutfeßen §olgarbeiterocrbanbeS 
(Stuttgart, Berlag oon Xß. i?eipart 1899) oeröffentlicßt. Bkgen ber 
großen Koften ber Erhebungen mürbe ber Befd)luß, folcße alle 
gtoei Saß^e gu oeranftalten, baßin abgeänbert, baß jeber orbentlicße 
BerbanbStag gu befdjließctt ßat, mann unb in melcßer s Beife 


ftatiftifeße Erhebungen feitenS beS BorftanbeS gu oeranlaffen finb. 
(Bgl. „Sog. IV. Bb. 1894/95 $Rr. 24 S. 286.) An ber 

1893 er Statiftif maren 4205 Bkrfftätten mit 45 082 befcßäftigten 
Berfonen betßciligt, mäßrenb bicSmal attS 7275 ©erffiätten mit 
94 365 befcßäftigten Sßerfonen Söerfftatkgragebogen eingegangen finb. 
Xer Auffcßroung ber Snbuftrie fommt feßon tn folgenben 3 a ßl e n 
gum AuSbrucf: Bon ben beteiligten 3Berfftätten arbeiten jeßt 
31,2 % mit unb 68, 8 °/o oßne Btafcßtnenbetrieb, mäßrenb eS im 
Saßre 1893 27 /2 % begra. 72, 8 % maren. X)ie Xenbeng ber Ent= 
micfelung geigt fieß noeß beutlicßer barin, baß ber Brogetttfaß ber 
befcßäftigten B^fouen in ben ©efcßäfteit mit Blafcßinettbetrieb feit 
1893 oon 60,9 <y 0 auf 68, 3 o/q geftiegen ift, mäßrenb er in ben 
©efcßäften oßne SRafdjinenbetrieb oon 39,1 °/o auf 31 /7 % gefallen 
ift. Auf bie eingelne 2öerfftatt berechnet, ift bie 3 a ßt ^er oer*= 
menbeten Bferbefräfte oon 13 /2 auf 14,5 geftiegen. Xie 3^^ 
ber befcßäftigten B cr f° nen flieg in ben Olefcßäften mit SRafcßinenö 
betrieb oon 23,9 auf 28, 4 , in ben ©efcßäften oßne Bfafcßinenbetrieb 
oon 5,7 auf 5,9 Berfonen. 

UeBer ben BSocßenoerbienff ber eingelncn BerufSgmeige giebt 
eine XabeÜe Auffcßluß, monaeß ber Berbicnft für lebige Arbeiter 
fieß auf bureßfeßnittlid) 17 Jf, 89 int Xageloßn unb 18 JL 
78 Ä im Afforb, für ocrßeiratßcte auf 18 Jl 78 4 wnb 21 Jt 
66 4 beläuft. Unter biefen Xurcßfcßnittfäßen bleiben bie Bürften* 
maeßer, XrecßSler unb Korbtttacßer, ßößere ^ößtte oerbienen bie 
SteÖmacßer unb Xifcßler. Arbeiterinnen fotitmen fanm auf bie 
,£>ätfte beS XurcßftntttSs2BocßenoerbienfteS ber niebrigft begaßlten 
Kategorien ber Ääuner, ber §iilfSarbeitcr; ißre 3«ßl ift allerbingS 
gang unerßeblicß. Xie in Koft unb ^ogis fteßenben Arbeiter, 
1244 an bcr 3 a hh haben fämmtlicß bie Fragebogen bcantroortet 
unb ißre 3Rittßetlungen begeugen, baß ißre Begitge oiel niebriger 
finb als bie ber anbertt Arbeiter. Xer Bkrtß oon Koft unb SogiS 
mürbe im Xurcßfcßnitt auf 8 Jf angegeben, ber Baarloßn auf 
6 c (( 98 4- Sßre Begaßlung ift mitßin um 3 . /Z. 37 4 = ^2,5 % 
niebriger, gu melcßem 97acßtßeÜ nod) größere Abßängigfeit, längere 
ArbeitSgeit fomie Blängcl ber Ko ft unb bcr 1/ogiSräume ßingu* 
fomnten. 

Bon gang befonberem Sntereffe ift eine Ueberftcßt über bie 
Begießungen oon ArbeitSgeit unb Arbeitslohn. Es roirb ba 
ftßlacjenb bie alte B^aßrßeit beftätigt, baß lange ArbeitSgeit unb 
niebrtge ßößite §anb in §anb geßen. 2Bir geben bie fleine XabeKe 
in Solgenbem ooÖftänbig roieber: 


3aßl bcr 

Soßen* 

Arbeiter 

ftunben 

69 

51 

212 

52 

6 323 

53 

29 

56 

3 856 

57 

5 642 

58 

2 878 

59 

8 268 

60 

2 209 

61 

1 889 

62 

1 627 

63 

1 257 

64 

464 

65 

422 

66 

58 

67 

54 

70 


SSodjculoßit Stimbcnlobn 
JL ?f 

23,2ö 45,c» 

24,ui 46,5 

24,02 45,3 

17,60 31,4 

22,57 30,6 

21,19 37,0 

20,28 34,3 

19,05 31,7 

17,12 28,i 

16,83 27,1 

16,08 25,5 

16,48 2 5,7 

10, ^8 24,3 

15,56 2 3,6 

18,30 27,3 

17,04 24,3 


Xa bie Angaben über bie Ausgaben für BaßrungSmittel unb 
fonftige ßebenSbebürfniffe beim geßlen genauer Aufgeicßnuitgen auf 
Scßäßungen berußen, ift ein Bergleidj mtt ben früheren Ergebniffeit 
nießt gut möglicß. SRacß bem ©efammtbur^fd)nitt ber leßtett 
Erhebung ftellt fieß baS Bubget beS oerßeiratßeten refpeftioe lebigen 
£olgarbeiterS in Ausgaben unb Einnaßmen im 3aßr roie folgt: 



Bcrßciratbctc. 

ßeöiqc. 


J4. 

M. 

Sol)uuugsmictl)c. 

190 

9S 

Aalivungsmittel . 

718 

460 

Souftigc ßebenSbebürfniffe . . 

280 

306 

ElefammtauSgabc . . 

1 188 

864 

^ahreSoerbicnft . . 

1 054 

917 


Xa ber bureß SRultiplifation beS B^odjcnoerbienfteS mit 50 
gemonnene QaßreSoerbienft eßer gu ßoeß als gu niebrig gegriffen 
ift, ergiebt fieß auS bem Xefigit beS oerßeiratßeten Arbeiters bie 
Aotßmenbigfeit, baß grau unb Kittber ntitoerbienen, um baS Eileid)' 
gemießt ßerguftellen. Unb es ermarbnt betm aueß 4969 3rai len 






1343 


1344 


©ojtale $raji3. (SeutralMatt für ©ojialpolitif. Nr. 51. 


im ‘Surchfdiuitt 179 ,o 8 c ff jährlich- S-ic 3 af)l bcr erroerbenben 
Avaucn t)at fid) beinahe uerboppclt, beim fte betrug 1893 nur 
257 . 5 , bagegen ift ihr Berbienft .pruefgegangen, 1893 betrug er 
nämltii) 189 , u Bcrf)ältnißmäßig hod) ift bemgegemiber ber Ber* 
bicnft ber Minbcr: Es oerbienten Minber über 1-4 3 af)i'cn in 1072 
Familien znfammen 426 796 , ff ober 398 < K im EittzelfaU: 
Mittber unter 14 3 ahvcn in ‘-15 Tvamilieit pfanuneit 14197 ,// 
ober 66 , ff im Einzclfall, wobei bcbauerlicher Bkifc zweifelhaft 
bleibt, ob fid) ber Aitsbnicf im Einzclfall auf Samilie ober auf 
bas einzelne Minb beliebt. 1019 männliche Arbeiter haben Neben* 
erroerb mib oerbiencu bierbunl) jährlich int S 3 ird)fd)nitt 126 < ff. 
Als Quelle bes- Nebenerwerbs roirb angegeben Bnoatfunbfdhaft im 
eigenen Beruf in 254 , anbere inbuftriellc Sf)ätigfeit in 47 , Mol« 
pörtage, Raubet, Agentur ’c. in 126 , BercinSämter in 94 , portier, 
Meüner, Anfmärter, Jscncnoebr in 165 , 8 ütufifer, Sanpnterricht, 
Sheater :c. tu 117 , Biilifärperfoitcn, Unfall* unb 3 noalibenrenteit 
in 25 , 3 in 3 einnabmen in 6 , Lanbroirthfcbaft in 42 , SonftigcS in 
37 unb ohne Eingabe in 106 7 yärieu. 

SMe Araucit fittben ihren Nebenerwerb in 1587 Fällen bureb 
gcroerblidje Sl)ätigfeit unb Tsabrifarbeit, in 1372 A-äflcit burd) 
Bktfdjen, Engeln, Buben, Nionatsbienft, Mocben, ttinberroarten, 
,£uinbarbciten aller Art in unb außer beut Manfe: 1343 fmfjeu fid) 
burd) Mleiberntadjen nub Näharbeiten aller Art etwas 31 t ucr* 
bienen, 244 burd) £>anbel, Mommiffionsgcfdjäfte, (SteÜcnoennitte* 
litttg, 111 burd) ^citnnötragen, Botenbicnft, 95 in ber Lanbioirtl)* 
frfjaft unb ittt ©artenbau, 38 als .gebammen unb Mratifcnpflege* 
rinnen, 179 8 onftigcS (barunter 2 llnfaflventcu). 2937 Araiwn 
geben ihrem Ncbenuerbienft babeint und), 1161 außer beut §aufe 
unb 568 abtoed)felub. Bon beit fiinberu über 11 fahren fittben 
Nebenocrbienft 211 als Lehrlinge, 132 als .'oanSbiirfdiett, Lauf* 
burfdjen ;c., 476 burd) Tvabrif- uttb geiocrblidje Arbeit, 127 burd) 
Näharbeit, 63 burd) Mau bei uttb 3 dtrei b a r bei t unb 63 burd) 
Sonftiges. SAe Mittbcr unter 14 fahren befdjäftigen fid) mit 
Nustragen 001 t Bacfiuaarcu unb Leitungen, Megelauffetjeu ic. in 95, 
mit öabrif* unb gemerblidjer Arbeit in 81, mit Näharbeit itt 
13 A-ällett, 12 fiub in ber Laubroirtl)fd)ait unb nur 3 als Lehr* 
littge tbätig, roo.p nod) 11 Tvällc fotnttten, in betten bcr Neben* 
erroerb nicht näher bejeidjuct ift. 

Bon 1691 bis 189 s oer^eidjuet bie Streifftatiftif ber vrolz* 
arbeiter itid)t weniger als 302 Streifs, für toeld)e ber Berbanb 
ruttb 700 000 c ff 11 uterftnhuttg aufpbringen hatte. 125 0011 
biefen Streifs tuarett Abroef)rftrcit's. 

S>te (Erhebung ift als eilt, audi ftrengcrcu Anforderungen ge* 
niigeuber, millfotittnetter Beitrag auf beut ©ebicte ber itt 'Xeutfrf;* 
lanb leiber fo wenig gepflegten Lohuftatiftif ,p begrüßen. S 5 e 
griiublidje unb übcrfid)tlid)c Bearbeitung bes umfattgrcid)ett unb 
oielfeitigeu Niatcrials uerbieut oofle AuerFeituuug. 

SfrbeitS&erfjältttijfe auf berliner Ntefelfclberit. Am 14. September 
mürben in bcr Berliner Stabtoerorbneteuocrfammlnug bic Arbeiter- 
ocrbältmffc auf ben Ntefelgütern erörtert, bie öffentlich frfjarf fritifirt 
loorben mären, lieber bie Volinuerliältiiifie nitb bie Arbeitszeit umreit 
bie Erhebungen itodt nidit abgeidiloiieu; bagegen tbeilte ber ?.Vngi* 
ftralsoenrcter mit, baß nenerbings eine Beifügung über bie Befihäftigimg 
non M'iitbeni erlaßen iei, luelebe ftreng iuiiegebalten merbe, fo lehr and) 
gerabe bie 6 Ilern ber Umber lieh oiclmeh bagegen geiträubt hätten. 
Sie Arbeirermohuimgeu leien hetriebtgenb, nicht meniger als 5% bes 
Buchmerths ber <3iiter iei für ben Bau non Arbeitermohuungeu aus* 
gegeben. Bei ben Schnittern minie er bas Borbanbcnfciu non liehet 2 
ftäubcu offen unb ehrlich zügelnden. Sicic Bitßnäube hatten haupt* 
fädjlid) bavitt beüa«ben, bar, in zwei n»ebciubeu je fünf Ehepaare z» 3 
fanimeu tu einem mäßig groben Baume ft;r bie Nacht unt ergeh rächt 
umreit. Na di ber Angabe bes .5' agiftratvoertreters itnb nunmehr feite 
;',miiihenmänbe znuhiien ben Betten ge;ogeit. Anperbem mirb aber and) 
über lange Arbeitszeit unb mehlige Volute getlagt. 

NotliftaubSarhciten itt fyranfreic^. Xas Offire du Travnil 
ooiötfemliilit eben eine Statiitif ber in 6raufveieh uuibrettb ber 
oabre l s 96, IM'T unb 1 zur '.IKilberimg ber Arbeitslofigfeit 
linternnmuu'iiett NolliMvuibsatdVtten: es ift bies eine Aortiennng 
ber bereits fitr bie 6alue I-MM—1^95 eiugeletteteu ftatiftifdnut (5r- 
hebnttgeu, bie bereits früher publizirt mürben. Sie elfte Unter* 
fudiititg erftreefte lidi blog auf tue grörerou Stabte, tiämltd) folehe 
mit einem oaliresbnbget 00 u meiiigüenv 1«»«> 1 nn» Aianes: biete 
haben in 22 Seimttements feineiUt Nhiliftanbsarbetten linier^ 
iiommm, iimhrenb in 41 Slabten 001 t 21 SeiMiunients belog 
Stvageiiriiiiignngsarhnten za beu'idinetein ^»meel'e gemadit mnrben. 
Sagegen nnia nahmen 111 Stahle tu 51 'Senat tements eigeutldte 
N'nttiftaubsaibeiteu oetfibnheiter Art uith gaben hiei'iir im S.uuO 


quettnium 1890—1895 4 903 750 graues aus. e^ie jünc^fte Cfr* 
hebung fchlofe bie fleinerett (Stäbte mit einem geringeren ^Bitbget 
als 100 000 Francs nicht auS unb ergab, baft itt beit lebten brei 
fahren 187 ©emeiubeit pfantmen 3 255 500 Francs für 92oth* 
ftanbsarbeitcn aitsgcgebcn h a & eu * ^i e burdjfdjnitttiche Ausgabe 
betrug für bie lebten 3 Qahre 1 085 167 grattcS pro 3abr, gegen 
jährlich 980 750 5 wmcS im 1890—1895. 

Serättbenmgnt ber ßöftne unb 9lrbettSgeiten 1898 in (Snglanb. 

^)aS ^sahr 1898 f)dt mit feiner reichlichen Be|d)äfttgung ben eng- 
lifd)ett Arbeitern nicht unerhebliche £ohu)leigerungen gebracht. 
B^ährettb fd)on 1897 für nahep 600 000 Arbeiter Beräubcritngen 
ber ßöhne eintraten, erhielten 1898 nicht toentger als 1 <h >3 290 
Erhöhungen unb nur etroa 12 000 mußten fid) Verringerungen 
gefallen laffen. ^abei fittb Ianbmirthfchaftliche Arbeiter/(Seeleute 
unb Eifeitbahner nicht mit inbegriffen, obmohl and) btefe i*ohn* 
oerbeffernngen erlangten. ^)aS Ergebnis ber Beränbcrungeit roai 
eine ©efammtfteigerung ber 4 ?ohne um 95 000 £ = 1 90 o OOO < // 
in ber Bkirfje (1897 nur 900 000 ,//: wöchentlich). Nnd) bie ente 
Mlfte bes laufenben 3 a h reö S e \ 9 t eine anljaltenbe -Tenbenz ber 
I Sohufteigerung, bic ruttb 1 Niiüion Ntarf wödjeiitlidj anSumdit. 
i S)ie Bergleute, bie B?etad* unb 9 ) 2 afchineninbuftrie*Nrbetter, bie 
! Sdjiffbaner unb bie Bauarbeiter haben 1898 am meifieri oou biefen 
• Lohnerhöhungen profitirt, 1899 fanten bann bie Spinner unb 
Bieber ba^it. SSährenb baS oergangeite ^sabr einen fo erheblichen 
i 3 nmad)S an Löhnen aufmeift, ift bie Beränberuttg in ber Nrbeits» 

I jeit ocrgleichSweife mibebeutenb. Weniger als 40 000 ^erfonni 
I finb baoon berührt morben, bic wöchentliche Berrittgerutig ber 
I Arbeitszeit beträgt im ©anzett etma 82 0(X) Stunben gegen 285 00" 

I im 3 al)rc 1897 . *£cr amtlidjc Berid)t (C 9434 ), bcr fcd;fte, ber 
! ootti Arbeitsamt über biefen ©egenftanb ocröffentlidjt mirb, fteilt 
1 f^ft: „ES ift mit ©emtgtbmmg z u begrüßen, baß in bcr über- 
| großen Nielnzabl bie Neuorbnitng ber Löhne otjue Etitfttflung ber 
Arbeit $laß griff. Bon allen im 3 af)r c 1 S 9 S berührten ^erfoneti 
fdjeineti 95 % bic Lohnerhöhung ohne Streif erhalten zu haben." 
s Dieh r al^ in % aller Jvälle tam bie Steigerung auf bem BLege 
I bireftcr Bereinbarnng p <Stanbe, in ben übrigen burd) g/citeube 
! Tarife, Lohnämter EinigungSämtcr, Schiebsfprüchc. Aud) im erfteu 
j Malbjahr 1899 finb nur 2 o / 0 fämmtlicher Lohnerhöhungen burd) 
j Streifs bemirft morben. 


Ärbcitcrbnoegimg. 

$ie Streifs in ^Dentfchlanb 1898. 

SDie uoit bcr „OletteralFommiffion ber ©emerffdjaften TSemtd- 
laubS" feit einer fHcitjc oott 3 ahrcn (feit 1891 ) jährlich oeraufialtcte 
Streifftatiftif liegt für 1898 in Nr. 31 unb 35 bes „Eorrefp.*Blatter 
ber ©eueralfommiffion oor. Es fittb babei bic Streifs nidit h:* 
j rücffidjttgt, an betten orgattifirte Arbeiter bez 10 .lUitglieber gemerffdil# 
j lidjer Eentraloereiue md)t betheiligt waren, „^iefe Streifs merki 
I aber," meint ber Bericht, „meber fcl)r zahlreich uod) limfangretd 
fein." Ausbriicflidj mirb jeßt bic 3 l, oerläffigfeit bcr gewerffchan- 
iid)ett Statiftif betont, bie itt beit AnfangSjahreii uod) oielfadn 
Niättgel anfmies. 3 c'bettfallS befißeit mir in biefen Angaben bcr 
Arbeiterorganifatiouen,_ wie fd)Ott früher aufcfüljrlirf) ' bargelegt 
(VII. 3 ahrg. Sp. 1259 f.), werthoolleS Material, bas fiinftiaf zur 
Montrole unb Ergänzung ber amtlid)eu Streifftatiftif bienen mivö. 

Au ben 9sr> Streifs, über weldjc bie Berbanbsoorftäribe bcriditctei:, 
mären uo ir>2 Berfoiten betheiligt. Xie Ausgaben betrugen 1 345 3<>2 .0 
unb bie ?auer ber Streifs 4s4s Bio dien. Am BorjaI)r (1897), uuirb::i 
57s Streifs, 33 119 Betheiligte, 1921 Bioriicn Sauer uttb 1 527 29 n .i* 
Ausgabe angegeben. Sie A,al)l ber Streifs im Aal)re 1898 ift er: 
bödn'te, bie feit 1891 (feit Aübruug ber Statiftif feiteus ber ('Huicmü 
fommiiiton) zu oerzeidiueu mar. Sie ift faft fo hoch, wie bic ('Kuantum 
Zahl ber Streifs, über mcldie in ben Aabreit ls92 bis 1893 benduft 
mürbe. An biefem Zeitraum ift ber C'Hmeralfommiifion über H>o7 Streü:- 
beriditet morben. Sagegen ift bie Aabl ber betbeiligteu ^erionen um 
- s 57 geringer als 1^97, uttb um mehr als bie Mälfre geringer als bic 
Aabl ber Streifeubeu im Aahre A 11 biefem Aahrc faitben bic 

Streifs ber Hafenarbeiter unb ber Moufettionsarbciter ftatt, an lucldnu 
ca. 55no(j 'perfouen betheiligt mareit. 

Nidit meniger als 229 Streifs fiub und) bem Beruht in Aolgc bei 
Aorberuug ber iluternehnter, baß bie Arbeiter aus ihrer ('Jciuerfülmü 
nustreieu tollten nub in Aid ge oou Biafjregehtng im Aahre l*9s her 
norgeniten morben. A 11 ben Aahren l s 9o bis 1^97 entftauben aus b-.-u 
gleidieu llriadieu 3uo Streifs, baoon mürben 185 burdi Biaßregeltinz 
unb 115 burdi bie Aorberuug, baß bie Arbeiter aus ber Crganiiatici: 
aiivtreteit ioltien, iH'ibeigefiilut. 1MN erreichte bie aus bieten IMacbe!: 
beiLuigeuihne ;’,nbl ber Streits faß biejeuige, welche itt ben oortier 



1345 


Sojtale $rajt$. Eentralblatt für Sojialpolitif. SRr. 11 


1346 


gcljcubcn nrfji Jahren 3 « ocrfleidjtten mar. „Es ift oon bcn (Bewerfe 
fdjaftslciteru wicberlwlt betont worben," fo bewerft ber Bericht, „baß 
es ttttfliig ift, bet einer Blaßreqelintg fofort bic Arbeit ein^nftellen, weil 
ber Erfolg joldjcr Arbcitscinftcllungcn äußerft flwcifclhaft ift. Xie Biit* 
theilungen, wcldje fiir 1898 über bie in ftolge Btaßrcqeluug geführten 
Streife eingegangen finb, bcftäiigett bic Äiciitiqfcit ber Stellungnahme 
ber (Bcwerffdjaftsmbrer. Xie Borßättbe beridjtctt über beit AitSgang 
oon 56 lucgen iPiaßrcgclung erfolgten Arbeitsciuftcüungen. Bon biefett 
hatten Erfolg 13 = 23, 3 %, thcilweifeu Erfolg 18* = 32,9 % itnb 
eitbeten erfolglos? 25 =■= 44,6 %. Xcr überwiegenb ungünftige Ausgang 
folcher Streifs foütc bie Arbciterfdjaft ueranlaffcit, bei ber Arbeits* 
cinftellung wegen Biaßrcgclittig hoppelte Borfidjt 311 üben, wenn wir 
auch nidit oerfeitneit wollen, bah in foldjen fällen bie (51)re ber Arbeiter 
itnb ber Crganifation oiclfacfj fo engagirt ift, bah bie Arbcitscinftcllung 
mtoenneiblid) wirb, befonbers um 3 ufiinftigen SKaßregclungett uor* 
3 ubcngeit. ^ebenfalls ift hier aber ruhige Erwägung noch bebeutenb 
nothwenbiger, als? bei allen aubereu Streifurfachcu." 

And) im uergangenett Jöbrc entfällt wiebentnt bie größte d fl ßl 
ber Streife auf bas? Baugewerbe. Es jählten nämlich Streifs 



Attflahl 

Beteiligte 

Ausgabe 


ber Streife 

^erfonett 

Jt 

Bauarbeiter . . 

16 

3 728 

51 150 

(Blafer . . . . 

6 

84 

1 052 

BJaler . 

. 10 

1 175 

20 578 

Btaurer . . . . 

. 248 

19 569 

449 826 

Stucfateure . . . 

7 

450 

10 000 

Xopfcr uttb dicglcr . 

. 10 

302 

7 802 

dimntercr . . . . 

. 43 

4 150 

132 339 

dufamutcu . . 

. 340 

29 458 

672 747 


Xie Ausgaben für bie Streifs biefer (Bewerbe finb ebeitfo groh, 
wie biejenigeu aller übrigen flufantmengcnoiuntcu. 1897 waren itt ben* 
felbeti (Bewerben 31 t uerflcidjncu 174 Streife mit 21 985 Betheiligten uitb 
501 663.// Ausgabe. 

Aad) ber da bl ber Streik ftcfjcn 1897 an nädjfter Stelle bie .$olfl* 
arbeiter mit 90 Streik, 6779 Betheiligten uitb 181081^ Ausgabe. 
Xann folgen bie etallarbeitcr mit 69 Streife, 2764 Betheiligten itnb 
62 630 X Ausgabe, bic Bilbhaucr mit 26 Streife, 290 Betheiligten unb 
10 465 .U Ausgabe, bie Steiuarbeiter mit 24 Streife, 3244 Betheiligten 
unb 6s 905 jt Ausgabe, bie Srfmhmadjer mit 24 Streife, 2218 Be* 
theiligteu unb '47 578 .// Ausgabe, bann bic Xabafarbeitcr mit 
2o Streife, 446 Betheiligteu unb 23 191 Jt Ausgabe, bic Bonner mit 
18 Streife, 294 Betheiligteu uitb 13 378 *// Ausgabe uitb bann bie 
Textilarbeiter mit 14 Streife, 3315 Betheiligteu unb 28 392 Jt Ausgabe. 
Bei ben Budjbrucfern finb bie angegebenen 220 Streife nur fogenaititte 
BJerfflattfrimpic. Xie Betheiligteu reifen in ber Siegel mit (Bewerfe 
fdjaffeuittcrjntiwng ab, über bie B>crfftatt wirb bie Sperre für Ber* 
battbSmitglicber ucrljängt. Xcsmcgctt läßt fidj bie Xauer beS Streife 
unb fein Ausgang in biefem .SMeinfrieg and) nicht genau angeben. 

Xie enorme Steigerung biefer Streife gegenüber bem Borjafjr, tu 
beut es nur 53 waren, biirfte auf bas befannte gemeinfame, energijdje 
Eintreten ber ^rinjipale unb (Behülfen für bic Xarifgemeinfdjaft juritefe 
31 tführen fein. 

Jtt allen an bereit, afe ben auf geführten (Bewerben, waren 1898 
weniger Streife 31 t uerflcidmcu. Ju 11 (Bewerben fauten feine Streife 
int Jahre JS9S iwr. (5s? finb bieS folgenbc (Bewerbe: Barbiere, Budj* 
bitiber, Budjbrucfhülfsarbeitcr, Bureaimugeftellte, (Börtner, (BaftroirthS* 
gehülfett, Hafenarbeiter, Hanbel^angeftelltc, Lagerhalter, Sftafdjiniften 
itnb Heiner unb Werftarbeiter. 

Jusgcfanunt würbe für 1898 über ben Ausgang oon 763 Streife 
beridjtet. Xaoon waren 54,t % erfolgreich, 21,7 u / 0 thcilmeife erfolg* 
rcidj unb 22 ,j % erfolglos. Bei 2,1 % ber Streife ift ber Ausgang 
uubcfaimt geblieben. 

Jn ber deit oon 1890 au waren oon ben Streife, bereit AuSgang 
befanut geworben ift: 

erfolgreich 

1890—1895 . . . 36,c, % 

1896 50,5 = 

1897 47,:, * 

1S98 54,i = 


theilweife 
erfolgreich 
27„ °/ 0 
26,:» = 

2 0,5 = 
21,7 * 


erfolglos 

36,i ü / 0 
23,u * 
27, () * 


Bisher hatten bic AbwcbrftreifS weniger (5rfoIg 
greife. Bon bcn Augriffsftrcifs waren: 


erfolgreich 

1896 63, ( ,% 

1897 . 53,3 * 

1898 bagegen . . 50,., = 


theilweife 
erfolgreich 
26,o % 
30,6 = 
32 /7 * 


als bic Eingriffs* 


erfolglos 

H,o% 
I6 ( i = 
13,7 = 


Bott bat Abmehrftrcifs waren im leptgaiaunteu JalM-'c 57,u % er* 
folgreid), 11,4 % theilweife erfolgreich ttub 29,s % erfolglos, wäßreub 
in l,s% (beflw. 2,7 °o bei beit Angrtffsftrcifs.) ber <vciüe ber (5rfoIg 
iiubcfaitnt blieb. 

lieber bie Beibringung ber ^ertönen an ben nadi llrfacfjeit 
gruppirte« Streifs würbe in biefem Jahre 311111 elften SKalc Jolgeitbes 
ermittelt: 


Augriffftreifs. 


Aorberung ber Arbeiter 

dal)l ber 
Streits 

Beteiligte 
^er fönen 

Berfitrflung ber ArbeitSfleit. 

32 

1 556 

Lohnerhöhung. 

128 

8 462 

Berfitrflung ber ArbeitSfleit uttb Lohnerhöhung 

278 

21 765 

Befcitigung mißliebiger ^erfoucti. 

Bcfeitigmtg briicfeitber Beftimmutigen ber 5”brtfe 

7 

38S 

orbnung . 

Xurdjfithrung ber polifleilidjcit unb gefeßlidjen 

2 

152 

Arbeiterfchuhbeftimmungen. 

2 

55 

Anbcre llrfadjctt. 

28 

3 556 

Ab wc br fr reif s. 




llrfadjc 

dahl ber 
Streife 

Betheiligte 

Bcrfotten 

Austritt aus ber Drganifation. 

37 

2 156 

Btaßreqelung unb AitSfpcrrung. 

192 

7 520 

Lohttrebuflirung. 

106 

2 950 

Berlängermtq ber ArbeitSfleit. 

Aid)tinitchaltmtg ber allgemein üblidjctt Lohn* 

21 

610 

uttb Arbcitsbcbingungett. 

59 

913 

Einführung einer ^abriforbnung. 

19 

1 075 

Sdjledjtc Betjanblung ber Arbeiter. 

18 

471 

Aubere llrfadjctt. 

50 

1 377 


9JJit befottberem Jntercffe wirb man bic Ausführungen bes 
BeridjteS über bie Streif vergehen lefen. ES h”t fief) ergeben, 
baß 1898 non bcn 60162 Streifeuben 300 inSgcfammt mit 
27 fuhren 6 Monaten unb 4 Tagen ©efängnife, 16 V 2 Wochen 
•Haft itnb 684 , 4 ( (Belbftrafe beftraft toorben finb. (53 fommen 
auf 1000 Streifettbc alfo 4,o Beftrafte, unb wenn matt beit Aus* 
uahmefall uott Xorgelow mit eiitrechttet, bei beut 21 ^crfoncit 
wegen fianbfricbeuSbrudhS oerurtheilt worben fiitb, 5,4 Beftrafte, 
„ein ^Srojentfab, ber an unb für fidj), befouberS aber mit Shuffidjt 
auf baS nad) jeber 9üd)tmtg hi” nerfdjärftc Borgehen ber Be* 
hörben unb ©eridjte, als äufeerft nichtig bezeichnet werben iniift." 
Tie Beftrafungen wegen groben Unfugs uitb ber llcbcrtrctuug oon 
^olijcioorfchriften finb aÜcrbiugS hier nicht mit eingerechnet. And) 
bic Behauptung, bafj bie Bergeheu bei Streifs^ fdjwerer Aatitr 
futb, ift falfd), wie fich aus nad)folgenber llcbcrfidjt ergiebt: (5s 
würben beftraft auf (Bruub beS §. 153 ber (Bewerbeorbnung 
56 ^erfonett, §. 153 ber (Betoerbeorbmtng in Bcrbinbuug mit 
Barographen be’s Strafgefehbudjs 19, (5hroerlehuitg 26, Trohuug 55, 
Belcibigung mit tf)ätlichem Angriff 17, Scöthigung 44, Berrufs* 
erflärung 34, 3)?if}hanblung 13, 5lörperocrlc(juitg 4. Ter Beridjt 
bemerft ba.^u: 

„Xie oorftehenben 3al)lcn fprcdjen eminent 31 t (Bunften ber [treifen* 
ben Arbeiter, wenn man bie Xhatfadjc in Berücffidttigtmg flicht, bafj 
nach ber /»Iriminalftatiftif int Xeutfdjat Slcich auf loco ftrnfmünbtgc 
$crfoneit 10,« Beftrafte, alfo faft bie breifadte 1)1 ber uottJOOO Streifen* 
bett wegen Streiforrgehen beftraften ^erfonett fommett. Ji’tr 1897 weift 
bie ftriminalftatiftif gar 12,48 Beftrafte pro 1000 ^ertönen ber [träfe 
ntünbigeit Beoolferung aus." 

Ter Berid)t ber (^ewerffdjaftsfommifnon ift, obwohl non aus* 
gefprochener Barteifeite oerfa&t, ein Bi u ft er oott fachlicher SHube 
unb Dbjeftiüität, oerglid)ett mit ber oielbernfenen „Tenffchrift" 311111 
ArbeitSwiüigen*©efeb. 


Ter ^etnerfoereiniloiigrel in 

ilcberblicft man Berathungen unb Befdilüffe ber JahreSoer* 
famntlung ber Trabe llitioitS in Btymoitth, fo wirb man biefem 
kongrefe feine h c roorragertbe Stellung itt ber langen Sftcihe ber 
Tagungen ber Arbciterorganifationen GttglanbS cinrannteit föitnen. 
Aeugere llrnftänbe uitb ©rüube, bic itt ben eigenen BcrhÖltniffcit 
ber (Bewerfoereine liegen, h”bett baflu mitgetoirft, bie Berfammlnttg 
flit einem „lium-drum-Mougrefe“ 311 mad)eu, wie ein arbeiterfreimb* 
lid)eS rabifaleS Blatt es oorauSfagte. Schon bic B?al)l oon BIi) s 
mouth als BerfammlmtgSort war nicht güitftig; bem großen Mriegs* 
bafen fehlt mit Ausnahme beS Sdjiffbaues jebe Jnbnftrie _ unb 
batnit ber lofalc Hintcrgrunb für einen Moitgreg ber orgauifirteu 
Arbeiter. 9iod) bebentfamer ift, bafe ( 5 itglanb in einer d^'it gewerb* 
lieber Bliithe ftel)t, wie fic feit laugen Jahren uid)t bagewefett ift; 
bei einer lleberfüllc an Aufträgen herrfcht B.K'angel an Arbeitern. 
Tie (BcRterfoerctnc fef)cn ihre ÜJfitglieber bei hohen höhlten in 
ftänbigcr Befchäftigung: cs fehlt ihren Bestrebungen im Aitgeit- 

















1347 


Sojiale ?ro 5 iÄ. «entralblatt für Sojtalpolitü. 9U. 51. 


134S 


blicf baher ber fcfearfe Stadjel ber 9?otl). innere 3toiftig?eiten 
3 roifd)en beu einzelnen Verbänben greifen baljer leidster um firf) 
unb üben ihren Iäfjmeuben (Einfhtfe. SDer 2ludfchlufe bed bereinigten 
Dtofchinenbaueroerbaitbcd oom Eongrefe rourbe groar mit 3 roc i s 
brittel*ÜJtehrheit gebilligt, aber er f)interlcifet hoch eine grofee Ver* 
ftimtmmg, bie and) 311 persönlichen 3 miftigfeiten geführt hat. $>ie 
Dlafehincitbauer tooHcit fid) überhaupt ganj unb für immer 00 m 
Eongrefe fernsten. Sehr geftagt mirb aud) über ben Stimm* 
hanbel ber grofeen Eorporationen, rooburch bie Heineren oon uorn* 
feerem tobt gemacht roerben. llnb enblic| fteht $nr 3 e ^ feine ber 
garij grofeen treibenben fragen, bei benen cd fid) um Sebett unb 
©ebenen ber berbänbe hanbelt, auf ber Xagedorbnutig. Unter 
biefen Umftäubcn mar bie ^heilnahme nicht nur bed grofeen Pnbli* 
fumd, fonbern fogar ber 2>elegirten an ben Perathungcn in pit)* 
mouth tbeilroeifc redjt flau uno in ber Arbeitern)clt roerben oielfacfe 
abfällige Stimmen über bie Eongreffe laut, bie bei oielett Sieben 
311 feinen Saaten führten. 

3 mttterhin [teilte fech ber £ag in pipiouth äufeerlid) ftattlidj 
genug bar. lieber 1 200 000 organifirte Arbeiter maren burch 386 
i)elegirte oon 147 Xrabe llitioiid in ber StabtfeaÜe oerlreten. ^er 
Piirgcrmeifter oon pipmouth, Herr pethif, ein grofeerPauunternehmer, 
begrüfete bie Verfammclten unb erflärte, obmofel er felbft fd) 0 tt heftige 
Eämpfe mit ©eroerfocreinett 3 U befielen gehabt, bafe er bie Strabe 
Unioud für eine audge 3 eichiiete (Einrichtung halte, ba fee ben 
Arbeitern höhere Söhne oerfd)afften, aber bie Arbeiter follteit biefe 
Söhne aud) beffer oerroenben, ald jefet oielfadj gefchche. £ad 
2lrbcitdamt bed ©eroerbetniniftcriumd mar burch Herrn burnett 
oertreten, «Herren unb SDamett ber Slriftofratie unb bed Pürger* 
thumd maren unter ben 3nl)örern. Vorfifeenber bed Eongreffed 
mar ber Sdjriftfefeer |>err Vernon, ein noch junger Dlaitti, ber 3 U 
ber oorgefdjrittenen Dichtung ber ©eroerfoerciite gehört. 3 n feiner 
Slnfpradje beflagte er bie ^heilnahmlofegfeit bed Parlamenten für 
bie Slrbeiterforberungen. Partim miiffe bcr Eongrefe ernftlid) er* 
mögen, mie bie Vertretung bed Slrbeiterftanben im Unterhaufe 311 
oermehren fei. $>ie englifdjen Arbeiter hätten genug Stimmred t, 
um fed) eine gute bertretung im Unterhaufe 3 U fedjern, aber ed 
fehle ihnen feheinbar an SöiHen, um bien 3 U einer ooflenbeten 
Xhatfadje 3 U machen. Vöirflid) mürbe biefe Frage auch ber Haupt* 
punft ber Pcfd)lü|fe. $)ie älteren ©croerfuercine, namentlich bie 
Vergleute unb bie Spinner, bie Slbgeorbnete aud ihrer Dtitte bereite 
im Parlamente haben, fteben hier im ©egeufafe 3 U ben rabifaleren 
Verbänben, bie reine Hrbeiteroertreter entfenben motten ohne 2ln* 
fchlufe au bie beftehenben grofeen Parteien, Dlit fnapper Mehrheit 
feegte bie lefeterc bichtung unb ed gelangte mit einer fed) mie 5 3 U 4 
oerhaltenbeu Dtehrljeit eine Vefolution 3 ur Annahme, „bad parla* 
ntentarifdje Eomite 3 U beauftragen, einen befotiberen Eongrefe oon 
fooperatioen ©cnoffeitfchaftcn, fo 3 iaIiftifd)cn bereinen unb £rabe 
lluiond einsuberufen, ber Dlittel unb Söcgc bafiir audfittbig machen 
foH, mie bie bertretung ber Arbeiter im nächften Parlamente 3 U 
oermehren ift." 0b biefer befcfelufe bebeutfatne Folgen haben mirb, 
rnufe man abroarten; roabrfdjctulufe ift ed gerabc nid)t. 

bon ben fonftigen Verljaublungen feno namentlich bemerfend* 
rnerth bie (Erörterungen über bie llnfallentfchäbigung. ®ie Arbeiter 
forbent einftimmig folgeube 2 lbänbermtgeu: a) (Einbegiehnng aller 
Slrbeiterfatcgorien in bad ©efefe; b) Streichung ber Vorfdjrift über 
abfechtlidje unb grobe berftöfee; c) ©itifteflung einer Vorfd)rift, bie 
ben ocrlefeteu Arbeitern 50% bed 3 ulefet oerbienten Soljncd oer* 
bürgt: d) berbot aller Sonbcrocrlräge. 3 ur ^llterdoerficherung 
marb eine befolution befdjloffen, bie forbert, bafe bie penfeoitd- 
beredjtignng ooin erreichten 60. ScBendjahr ober eingetretener 
"Hrbcitviinfähigfeit eiutreteit unb 001 t feiner prämicujahlung 
ober 9?achmeifnng oon Selbftoorforgc abhängig gentadjt merben 
füll. 21 in niertcu Xage gelaugte bie 33obuungvfrage 3 ur berfeanb* 
Jung. (5e> l>errfd)te (Einftimmigfcit barüber, bafe encrgifdje Reform* 
mafercgcln erforberlid) finb. Dean führte aud, bafe an eine (Er* 
Siebung unb an ein glücflid)e ‘3 Familienleben nicht 31 t benfen märe, 
meun bie Arbeiter in r slums a mobnen uiiiffeu. Folgeube 9tefolu* 
tion raub einftiinmige 2 lnnabme: 1 

„S^a bie 2 ä>ol)uuugC’frngc biiugeub eine Höfling oerlangt, fo appel= j 
lireu bie organifirten tHrbeitcr (Inglaubs? an alle fiäbtiidjeu Pcrmaltungd* , 
beworben unb forberu fic auf, oon ber ihnen burd) ba3 (>)cfe 6 31 t* 
gcftnnbeiien 9Wachtbefiignife ('lebrainh , 31 t niadicn. (id füllen 5)iiclbd* 
gerirfit^hbfe eingeriditet merben. 6 ine ber Sdjmierigfeiten in ber Höfling ! 
ber ahnungffingeu ift ba^ briiigenbe Dcbürfnife befferer unb billigerer 

Slrbeiter.pige auf allen O'iienbabneu, um ben Arbeitern eine billige unb ! 
idnieüe Derbinbuug fliuiidieu bem £rt ihrer Sefdjäftigmig unb ihrem i 
Wohnort 31 t ermöglidicu." ' I 

Dtit grofeer pfehrheit mürbe, aflerbing# unter h e ftio rr 0 ppo* * 
fition bcr Xertilarbeiter, ein Defdfeufe gegen bie Einberarbett gefafet: ! 


w ®ie Sefchäfttgung oon Einbent in gabrtfen unb SBerfftätten, auf 
ftlufe* unb Eanalbooteit, unb bie 2ludnufeung ber Einber burch ben 
Eapitaliften tft fchäbltch für bie Eiuber, eine llngeredfeigfeit gegen bie 
(Eltern, ein Verbrechen gegen bad menfdjliche ©efchledjt; ed ift ferner 
eine fdjmählidje Shatfadje, bafe ben Einbern ber Arbeiter nid)t biefelbcn 
Schul* unb Spieloerhältniffe geboten merben, mie ben Einbent bcr 
Eapitaliften; ed ift $h a tfadie, bafe ISttglanb in biefer Ve 3 iehung hinter 
anberen Säubern juriief ift; ed ift ^hntfadje, bafe umglüdlidjc (Eltern, 
unter einem unglüeflidjen Spftem, thatfädjlich einmiöigcn, unb fogar 
banach ftreben, bafe bie Einber aud ber Schule geriffen unb in Fabrifeu 
gefteeft roerben. 3n Grroägung biefer SbatfadfjeH ift bcr Eongreft ber 
anfedjt, bafe ed 3 ftt ift, für Snglanb baoon absuftehen, fein Deidi auf 
Einberher 3 en auf 3 ubaueit unb fein Vermögen aud bem gerftörtnt Sehend* 
glüd ber Einber 3 U prägen, tiefer Eougrefe beauftragt bal)er bad 
parlamentarifche Eomite, ald augenblictlidied Vtinimutn oon ber Slegie* 
rung 311 forbern: a) bie Slbfd^affung her Einberarbeit für Einber 
unter 14 Saljren, b) 2lbfchaffung ber Vadjtarbeit für Unermachfene unter 
18 Sehren." 

S)ad fenb mohl bie bebeutfamften Sefchlüffe bed Eongrcffed. 
Sieben ihnen mürben noch oiele 2 >ufcenbe anbere gefafet, 311 m 
lehrten alte SBefannte mieber, mie eine SRefolution für beit adht* 
ftünbigen 2lrbeitdtag, bie ooUftänbige Sonntagdruhe, ben früh 5 
zeitigen Sabenfdhlufe, 3 um S^hcil aber auch folche, bie mit Arbeiter* 
fragen nur lofe 3 ufamiitenhängen, rote protefte gegen ben 
metallidmud, gegen ben Erieg mit Xrandoaal 2 c. Dtan begreift bei 
bem Sefen biefer Verhanblungen bidioeilen, bafe bem Eongrefe and 
feiner DHtte oorgeroorfen roerben Jonnte, bie $)elegirten oergenbeten 
3 u Diel 3eit bamit, über £>inge 3 U reben, bie fee nicht genügenb 
oerftänben; unb 3 roar rourbe biefer Xabel erhoben oon bem ewigen 
roeiblichen ^elegirten, grl. Vonbfeelb ootit ©eroerfoerein ber Sabcn* 
gehiilfen. 23emerfettdroerth ift noch, bafe ein Eintrag auf (Einigung«* 
ämter mit 3 roan g § öefugnife mit 3 tüc törittel * Dtehrbeit abgelebnt 
rourbe. 2 luf bie pflege ber Beziehungen 3 U ben 2 lrbciterorgani* 
fationen im Sludlanbe, bie eine SRidjtuitg 3 U ftärfen ioüitfd)te, mürbe 
oon ber Mehrheit fehr menig SSertl; gelegt. Sthliefelidj mürbe bad 
parlamentarifd)e Eomite mit 3 trei EReubcrufungcn toieber gemählt 
unb ald 0rt bed nächften Eongrejfed $>ubberdfielb beftiinmt. 

^em Berichte eiued uuferer englifchen Dcttarbeiter entnehmen 
mir noch folgeube fritifd)e Demerfuitgen: „^er 32. Xrabc Union* 
Eougrefe hot menig (Eütbrncf auf bic öffentliche Dichtung gemacht 
mtb mahrfcheinlich mirb er and) ebenfomenig bie ©efepgebung 
bed fommenben 3 oh rc ^ bccinfluffen . . . 2 lnftatt bafe bic grofee 
Verfamntlung ber Deffentlichfeit mehr ald irgenb ein aubered (Er* 
eignife bie Eraft nnb ©inigfeit ber organifirten 2lrbeit oor Singen 
führte, mie fee ed bod) oermöd)tc, führt fee häufig nur ba 3 ii, 
3miftigfeiten unb Dlangel an Solibarität 3 U enthüllen: Glicht eine 
madjtooüe Ennbgebung, fonbern ein Stitmnengeroirr, nicht flare 
unb praHifche gorbcruitgen, fonbern allgemeine SSünfche unb uage 
Hoffnungen treten 311 Za$c. 3nt eigenen 3ntercffe bed Eongrcffcd 
erfd)eiut ed nothmcitbig, bafe roeniger ©egenftäube auf bie ^aged* 
orbnung gefefet unb biefe forgfältig burchgebad)t unb oorbereitet 
merben. 3or 3 e h hot ber Eongrefe eine ernfte probe burrf^u* 
machen unb in biefem 3 oh^ hot er menig 3 U feiner eigenen Eräf* 
tigung beigetragen . . . Dlöglidjerroeife führt bie Xhatfadje, bafe 
bie audgcfehloffenen Dlafd^inenbauer fed) 31 t ber neuen General 
Federation of Trades holten, 3 U ber S3ilbung eined 3 meiten (Ecntruind 
für bad ©emerfoereindrcefen, bad in 3 l, f un f* fl n Sebeutung mit 
bem Eongrefe metteifert." 

ßebhafte Slrbeiterbetofgtmg itt ©erltm Berlin hat 311 t 3 ät 
eine redjt lebhafte Slrbciterberocguiig auf 3 umeifen. 3n Folge bei 
giittfeigcit ©efdjäftdlage fenb bic Ho^bilbfeauer, pofcnncntirei, 
©Iafer, Elempitcr, Dlöbelpolirer, piifeer unb Pufecrträger in eine 
Sohnbeiocgung eingetreten, roäljrenb bic Former nnb bic durften* 
unb pinfeimad^er bad (Eintreten in eine Sohnbetoegung beabfedjtigeu 
mtb bie Partner* unb grifeurgchülfeu gegen bie lange Sonntag«* 
arbeit Front mad)eu mollcn. 3 um °M't hoobclt cd fid) um Sohn* 
ertröhuug bc^tn. Feftfefenng oott Diinbcftlöhnen, (Erhöhung ber 
Sohnfäfee für lleberftunben, Slbfchcxffnug bcr 2l!forbarbeit, fotuie 
mit fanitärc Vorfelnungeu in beu V3erfftättcit. So oerlaiigett 
3 . P. bie Elempttcr mtb Dlöbelpolircr belfere Ventilation ber SSert* 
ftätteu, gcuügenbe 2Safdjoornd)tungcn, bediufe^irte Sappen :e. Fa ft 
in allem Vcrfammlmtgcn mürben bie Arbeiter 3 ttr 5Rubc uttb Pe= 
foniicubeit ermahnt. 3u beu meiften Fällen fenb bic Slrbeiter 
bereit« tbeilmcife erfolgreich gemefett, fo bie Dlarntor* uttb ©rauit* 
arbeitet*, bie Eohleitarbeiter nnb Mohleufutfcbcr 2 c. ^a bie Berliner 
Steinarbeiter nachträglich ben Sdjicbdfprmh bed (Einigung** 
amted angenommen haben, biirftc aud) ber Streit ber Steiuarbetier 
in Sdjlefeett unb Sach fett halb 31 t (inbe fein. (Einen gröfeerett Ilm* 
fang biirfte ber Vlno(tanb ber pitfeer unb pufeerträger anttebmeit 



1849 


©ojtöle $taji8. EentralBlatt für ©ojtalpolttif. 9fr. Bl. 


1850 


ba bie Unternehmer bie gorbernngen berfelben: 8 di Dagclohn 
bei 8 1 / 2 ftiinbiger SIrbeitSzeit bezw. 1 Jl Dagelohn bei neun* 
ftiinbiger Slrbeitsbauer als „unoerfdjämt" nid)t bewilligen motten. 
ViSher bitten bie ^ufcer bei neunftünbiger SIrbeitSzeit 7 dl Dage* 
lohn. SBerfrf)tebene in einer gmangSlage befinblidje Unternehmer 
foUen bereite bereinigt haben. Dem Vorgehen ber Klempner, bie 
allgemeine Durchführung beS SfeunftnnbentageS, einen Sfinbeft* 
ftunbenlohn non 50 4, Vefeitigung bezw. f)ö^erc Vergütung ber 
Ueberftunben unb früheren Slrbeitsfdjluh an ben Samstagen unb 
Vorabenbeit ber .hohen gefte forbern, haben ficb auch bie hem 
Hirf<h s Duueferfchea ©ewerfoerein angehörigen Klempner an* 
efcfjtoffen. 3mmer mehr jeigt fich baS Veftreben, Lohntarife für 
eftimmte Triften frieblicf) zu oereinbaren unb bie aufreibenbe 
Slfforbarbeit burch gewöhnliche Lohnarbeit gu erfefcen. gn golge 
ber lebhaften Lohnbewegung jeigert nerfchiebene ©ewerffchaften ein 
beträd)tlicheS Slnwadhfen ber SRitjIicbergahl. Da aber oielfadf) baS 
Vinbemittel ber UnterftüfcungSfaffen fehlt, fpringen biefe neu ge* 
roonnenen Vhtglieber nach ßrlebigung ber Lohnbewegung auch 
leicht wieber ab. 

Der HnOftanb ber Kofjlenfiergleitte int fßlaiteitfffjctt Cirtmbe ift oon 

ben Vkrfsuerwaltungett mit einer SluSfperrung ber Arbeiter beantwortet 
worben. Sin ?luSbehnung fchemt bie Bewegung nicht gewonnen zu haben. 

Dad <$nbe ber 9RafFeitau£fpcrrmtg in Dftnemarf hat fich unter 
oottftänbiger 9hihc oollzogen. Slm 9. September ift bie Arbeit 
überall wieber aufgenommen worben. Die ftrenge Disziplin unb 
bie tnufterhafte Haltung, bie bie Arbeiter in ben 16 SSodhen mäh* 
rettben Kampfe bewiefen haben, futb ber befte Vemeis für bie 
erziehliche ©irfung ber Drganifation; oon bem $rimaS ber bänifchen 
Kirche, Vifcfjof Störbani, werben fie in-warmen SBorten anerfannt; 
er hat nämlich nach Veenbigung ber Sperre einen Hirtenbrief 
oeröffentlicht, in bem eS u. Sf. hei&t: 

„Sch biti überzeugt, bah alle rcd)tfdjaffcnen Vfrnfdjen barü 6 cr einig 
fetn werben, bah bie Haltung ber Arbeiter währenb ber langen Sperre 
fo mufterhaft gewefen ift, wie eS wol)l SUemaitb enoartet unb wie bie 
SWciften es als ltnbcnfbar crflärt hätten, wenn man hätte ooranSfehen 
fönnen, bab bie Sperre unb bie barauS folgeitbc SlrbeitSlofigfeit für fo 
niele Saufenbe über ein Vierteljahr bauern würbe. Jdj weif} nicht, ob 
man irgenbwo etwas SlehnlidjeS gefehen hat, eS ift jebodj befannt, bab 
in mehreren auberen Länbern eine uicl fi'trjere Hrbcitslofigfeit grobe 
Unruhen heruorgerujeit hat. Hier haben folrfje gar nicht ftattgefnnben, 
was fchr für bie bäntfdjcn Arbeiter fpridjt unb allgemeine Sympathie 
für biefelbcn hcroorrufen muh-" 

Der Vifchof forbert bann Sitte auf, währenb bes beoorftehen* 
ben VMitterS bie Familien ber Arbeiter, unter benen oielfacf) noch 
grobe Sloth berrfcht, mit ©elbbeiträgen zu ftüfcen. Slnbere ©eift* 
liehe fud)en ihre Sympathie für bie Slrbeiter baburch zu zeigen, 
bab fie eine 3teibe populärer ^orträge für fie angefünbigt haben. 
Sind) in anberen VeoölferungSfreifen hat fich eine merfthätige 
Dheilnahme geäubert; fo hatten z- V. greölftanfenb Kinber aus* 
gesperrter Slrbeiter in Vauernfamilicn Unterfunft gefunben. 33ie 
bie bänifchen Slrbeiter felbft baS Ergebnif} ber Kampfes beurtheilen, 
möge aus folgenber Kundgebung beS Vorfibenben ber 80 000 Sir* 
beiter umfaffenben centralifirten ©enoffenfchaftSoerbänbc in Däne* 
tnarf, 3. Stufen in Kopenhagen, erhellen: 

Das Stefultnt für bic Unternehmer ift gleich Shell. Die gorberung, 
bab bic ©ewerffchaften bie Slllcinhcrrfchaft ber Unternehmer bei ber 
Leitung ber Arbeit anerfemten unb „garantiren" füllten, ift zurücf* 
gefdjlagen worben. Der Vergleich behauptet bas 9)htbeftimnumgSre<ht 
ber Slrbeiter bei ber geftfejutng beS SlrbeitSoerhältniffeS unb anerfennt 
bic ©ewerffchaften als bic natürlichen Vertheibigcr ber Siechte ber Sir* 
beiter. Die Unternehmer oerlangteu, bab bie ^reiStarife fäinmtUdjer 
Vrandjcn gleichzeitig, nämlid) am 1. Januar, ber für bie Arbeiter 
nngünftigften Jahreszeit, ablaufen füllten. Daburch wollten fie alle 
totalen unb partiellen Lohnbewegungen oerhinbern unb burch bie 
Drohung einer allgemeinen SluSfperrung mitten im Söinter eine jebe 
Jorbcrung oon feiten ber Slrbeiter unmöglich machen. Diefe gorberung 
haben bic Unternehmer aufgeben müffeit. Sie oerlangten weiter, bab 
bic ©ewerffchaften ben Vkrffiibrern unb Vorleuten bie Slufnahnte als 
SDiitglieber uermcigern foHten. Diefe gorberung ift ebenfalls aufgegeben 
worben. gür alle gewöhnlichen Slrbeiter ift eS als eine natürliche 
^flidit feftgefept worben, in ihren ©ewerffchaften 3 U fielen, inbent biefe 
als bas einzigftc Drgait anerfannt worben finb, burdj weldje bie Sir* 
beitgeber mit ben Slrbciteru oerhanbeln füllen. DaS Siecht zum Streifen 
ift offiziell anerfannt worben unb baburch ift fjoffcntlid) bem 3 »chthauS* 
fürs, welcher in unferen Sfachbarlänbern in ber lepteren 3 ei t begonnen 
hat, in Dänemarf ein Sliegel oorgefchoben worben. ISS foU ein aus 
ebenio oiel Slrbeitern wie Slrbeitgebcm beftehenbes Schiebsgericht, ge* 
wählt oon ben Crgantfationeu unb mit einem gemeinfchaftlid) erwählten 
Vorfibenbcn, crridjtet werben. Die bänifche Slegierung unb bie leitenben 
^olitifer im StcidjStag haben oerfprodien, biefeut SdjiebSgerithte gefep* 
Udje Slncrfenmmg zu oerfchaffen. Der angenommene Vergleich orbnet 
ein Hanb in Haub gehen an bei ber Jeftfetwng einer Vcibe gewerb* 


lidjer Verhältniffe, namentlich bei ber SluSarbeitung oon SBerfftatt* 
orbnungen unb ähnlichen Veftimmungen. Die Cuintcffenj bes abge* 
fchloffenen Vergleiches wirb in feinem lebten fünfte auSgebrücft, weldjer 
beftimmt, bah «He beftchenben Verträge unoeränbert aufred)t erhalten 
werben füllen. Unb gerabe um biefe Verträge oeränbern zu fönnen, war 
eS, baf} bie Unternehmer ben Krieg führten. Der inbuftriette Varianten* 
tariSmuS geht alfo ftegreidj aus bem Kampfe hrroor, welchen bie Unter* 
nehmer eröffneteit, um beit inbuftrietten Slbfolutismus eiitführen zu fönnen. 

Vom 18 September wirb aus Kopenhagen gemclbet: Der 
König empfing Vanfbireftor Heibe, ÖolfethingSabgeörbneten Drier 
uub Vanquier Ving in befonberer Slubienz nnb jprach feine Sin* 
erfennung aus für ihre energifchen, nneigennübigen Veftrebungen 
für ben SJbfd)luf} ber großen Slrbeiterfperre. 


Arbeiter fjd^ 


SfttS ben Berichten ber pren^ifchen Vergbehörben für 1898 ift 

Zit entnehmen, baf} bie 3°h* & er ©teinfohlen*, Vrauitfohlen*, 
ferz*, Da<hf<hiefer* unb Salzbergbau, fowie beim Salincnbetriebe 
befchäftigten Slrbeiter 441 558 betrug, barunter 8189 grauen unb 

13 239 junge Leute oon 14—16 fahren uub 50 Kinber unter 

14 3ahren. ©egen 1897 ift bie 3ahl ber ©efammtbelegfdiaft um 
24 487, ber Slrbciterinnen um 219, ber jugenblidhen Slrbeiter um 
1034 geftiegen. Von ben 8189 grauen ftanben 3492 im SUter 
oon 16—21 Salden, 4697 waren über 21 3ahre. 3989 Slrbeite* 
rinnen würben im Steinfohlenbergbau, 761 in Vraunfohlcnberg* 
werfen, 3430 in (Srzbergwerfen unb SlufbereitungSanftalten, 9 in 
fonftigen Söerfen befd^äftigt. 3 um iiberwiegenben Dheile würben bie 
grauen im Dberbergamtsbezirf VreSlau, befonberS in Dberfdhleficn, 
befdjäftigt, nämlidh 7029. Sluf ben Vezirf Hatte entfielen 663, 
auf ben Vezirf Vonn.441, auf ben Vezirf Dortmunb (Vuhrreoier) 
nur 23, auf ben Vezirf Clausthal 33 Slrbeiterinnen. Die Dber* 
beraamtsbezirfe Dortmunb unb Vonit (Vuhr* unb Saarreoier) 
wiefen bagegen bie meiften jugenblidhen Slrbeiter auf: 6221 unb 
3749. Unter ben 13 239 jugenblidhen Slrbeitern waren nur 592 
weiblichen ©efd)lecf)ts. $ad) ber amtlichen Lohnftatifüf hat ber 
oerbiente reine Lohn im 3«hre 1898 auf eineSdhicfjt im Durd)* 
fdhnitt betragen für SJfänner: in Dberfchlefien 2, 73 e f(. t lieberfc^Ieften 
2,67 <.'!(, ^uhrreoier 3 ,74 J(, Saarreoier 3 , 40 beim Vraun* 
fohlenbergbau (Hatte) 2, 74 Jf , beim Erzbergbau (im VlamtS* 
felb’fchen) 3,os <M, beim Salzbergbau (Hatte) 3 ,59 1 4L giir 
grauen: in Dberfchlefien 0,97 Srieberfchlefien 1,35 dt, im 
Hatte’fdhen Vraunfohlenbezirf 1 , 54 c/ÄI gürjugenbliche Arbeiter: 
in Dberfchlefien 0,94 dt, Srieberfdhlefien 1,02 dt, Sluhr* unb Saar* 
reoier 1,20 bezw. 1,13 dl. Die Sirbeitszeit ift in ben oerfchie* 
benen Vezirfen oerfdjieben. 3n Dberfchlefien erfolgt bie Vefchäf* 
tigung ber ermathfetten männlichen Slrbeiter ber Steinfohlengruben 
meift in elfftünbigen Dag* unb Siadhtfdhidhten mit einer VhttagS* 
paufe oon 12 bis 1 Uhr, in ber bie Sdhadjt* unb auch bie 
Strecfenförberung ruht. SSährenb ber Siadhtfchicht wirb nicht ge* 
forbert. Die auf SluS* unb Vorrichtungsarbeiten -angelegten Leute 
finb in brei adfjtftünbigen Schichten in 24 Stunben thätig. 3m 
9luhr* unb Saarreoier ift bie SlrbeitSzeit eine fürzere. Die ©e* 
fammtbelegfchaft war am ftärfften im Stuhrreoier: 194 491, 
Dberfchlefien 96196, Saarreoier mit Söurmreoier 90317, Dberberg* 
amtSbezirfHatte 47363,DberberaamtSbezirf ElauSthal 13191. — gaft 
in allen Verichtcn wirb über Slroeitermangel gef lagt. VehufS Ver* 
ftärfung berVelcgfdhaften muhte baher ftettenweife mehr als bisljer auf 
bie jugenblidhen Slrbeiter unter 16 gähnen zurüdfaegriffen werben. 

Die Vabeeinridhtungen fcheinen nodh oielfa^ ungenügenb 
zu fein. 3m SUlgememen fmb bie Verichte, was bie Verhältniffe 
ber Slrbeiter unb bie Slrbeiterbewegung betrifft, giernlid; bürftig. 
SluS bem DberbergamtSbezirfe Hatte wirb über einen weiteren Viicf* 
gang ber fozialbemofratifdhen Vewegung berichtet. 3n Vetreff bes 
VuhrreoierS hrifjt eS: „SluSftänbe haben nicht ftattgefunben. Ve* 
ftrebungen, bie Vergarbeiter ^ux Drganifation z u oeranlaffen, 
machten fnh audj im gahre 1898 betnerflid). Es fommen babei 
im hefigen Vezirf hauptfäd)lidh ber fogenannte „alte Vergarbeiter* 
oerbanb" uub ber „©ewerfoerein <hriftlid)er Vergarbeiter" in Ve* 
tradjt. Veibe Vereine bcfdfjränfen fich nicht auf ben SWuhrfohlen* 
bezirf, fonbern fudhen aud) i n anberen Vergbaubezirfen s ßreu|enS 
unb DeutfchlanbS Vlitglicber z« gewinnen. Veibe haben in biefiger 
©egenb fo oiel s HritgIieber, bah ihr Einfluh bei gewiffen ©elegen* 
heiten, z* 33* bei ben SBahlen ber KnappfchaftSälteften, beutlich bc* 
merfbar ift. Vergarbeiteroerfammlungen würben mehrfad) abge* 
halten. Vei benfelben famen Slngelegenbeitcn zur Erörteruncg, oon 
benen bie Vergleute näher berührt werben, fo bie grage einer 
fd)ärfereu Ueberwad)uug ber Vergwerfe, KuappfchaftSangclegnt* 



1351 


©ojiale ©ra^i«. SentralBIatt für ©ojialpoltttf. Nr. 51 


1352 


beiten 2 c. Qm (Großen itnb ^anjcn rcnr bcr Verlauf biefer Vh* 
fammluitgeit frei von leibenfdjaftlicfjer (Srrcgmtg. T>ie Theilnehmer* 
3 al)l mar meiftend nur gering/' Nieljrfad) mirb riigenb fjeruor* 
gehoben, baß bic ^Bergarbeiter gern 0d)id)ten anSfallen ließen unb 
namentlich nad) bem Sohntag betn Vikrftag fernblciben. V£te in 
beu rbcinifchen (SJcroerbeauffuhtSberichten bie oielen Kinnesfeiern 
getabett werben, fo flagt ber Bericht aus bem ©erareviet ßobleu^ 
iiber bie übermäßige Abhaltung oon Trinfgelagen Der ©teinhauer 
unb 8 teinbred)er bes SRarjetter KtetfeS, fomie ber ©djieferbrechcr 
unb Spalter bes (Sachemcr KreifeS. SDie 3unahme ber ©erroilbe* 
rung unb Verrohung ber Sugenb ftehe hiermit in unmittelbarem 
3 ufammenhange. Bericht über baß ©ergrevier DSnabrücf 

mirb auch für ,3 be£ Streifs auf 3 e£ h e $i^berg gebacht. T>ie dtn* 
fteüung beS Betriebes fei für nothmenbig erachtet worben, meil 
3 ur ©efätnpfung ber langjährigen 3SafferSnoth bie ©elegßhaft fich 
burch ihren ©Mberftanb gegen ben Arbeitgeber unfähig ge 3 eigt fyaht 
unb meil bei ber ifolirten Sage beS ©ieSberg eine geniigenbe ($r* 
ueuerung ber ©elegfdjaft unmöglich erfchienen fei. 

©efttutmungen über bie Betriebs* itnb Nuhegett ber (Süfenbahn* 
betriebsbeamten in $cutfd}fanb. T>ic im Srühjahr b. 3 «- auf An* 
regung unb unter Seitung beS §Reid)S*difenbahnamteS jmifchen 
Vertretern ber ©unbc&regierungen vereinbarten Veftimmungen über 
bie planmäßige T)ienft* itnb SRuh^eit ber @ifenbal)nbetrieb3* 
beamten, welche fid) im ©kfentlidjen an bie in einzelnen Staaten 
fchon beftehenbeit Anorbituitgen, namentlich an bie in Preußen 
geltcnben Vorfdjriften anlehnen, ftnb nunmehr oon allen SBitnbeS* 
regierungen angenommen. T)ie ©eftimmungen treten mit bem 
1 . Dftober b. 3 $. iu Kraft. 

©rgen bie Nachtarbeit in fjranfreidh« 3 n ©ari$ fod bem* 
nächft em Kongreß jufammentreten, ber über ein anguftrebcnbeS 
Verbot ber Nachtarbeit foroohl für grauen ald für Viänner Vefchluß 
faffen foH. Au bcr Veroegung gegen bie Nachtarbeit finb in erfter 
Sinie 0>3roßiubuftricüe betheiligt, fo bie Te^tilinbuftrieüen ber 
Vogefen, mie aud) Unternehmer im Norben granfreid)S. T>cr be* 
tanute ©roßinbuftrielle Vir. Eugene Viotte, ber bereits in ber 
Icßten Kammer! effion fich eifrigft für ein allgemeines Verbot ber 
Nad;tarbcit auSgefprochen, ift mit ben Vorbereitungen ju biefem 
Spe^ialfougreß befd)äftigt. 

Unfälle bcr @ifeubnf|narbciter in ©tiglanb. Tie ©ifeiibabnuitfäüe 
in (inglaub iu ben beiben Icfeten fahren, bie mit bem Vetricb in ^tt* 
fammeubang 31 t bringen finb, oerurfaebten 545 TobcSfäflc unb 12 979 
Vermuubnvgcu unter ben (iiienbal)nbebienfieten. Nad) einer Statißif 
oon is .95 befdiäftigen bic englifdjcu Valuten 465 112 Arbeiter, fo baß 
bic Proportion bef töbtlirfjcu Unfälle 1,09 auf 1000, jene ber Vermun* 
bnngeii bei Unfällen 2« auf 1000 im gal)rc 1898 betrug. — (Siegen* 
märtig befaßt fid) eine föuiglicbe Mommiffiou in cfttglanb mit ber grage 
ber liifeubfllmunfälle unb beS Sdjußcs ber (Sifenbabuarbeiter im Tietifte. 
Vefoitbcrs mirb bic grage bcr automatifdjen Kuppelung erwogen. 


JtrbeUeroermernng. SpatbaflTett. 

gittmlibttätS* itnb AUcr£*Vnfichcruit 0 $attflalt ©erlitt 1898. 

Sie Vcnvaltungsberidüc ber großen ©erfidjeriuigSaiiftalieii madjfeu 
fiel) allmälig $it ganzen Mompenbicu bes ArbeiteruerfidjerungSmcfcnS 
unb einer Ucberfidjt feiner Ve Währung in ber ©raris aus. Ter „Vcr* 
maltuugoberiäit ber gnualibitäts* uub Alters=VcrßduTuugsauftalt ©erlitt 
für basNednmiigsjahr 1*98" <gr. 4°, 123 S., Trurf bei ©3. <fc S. Poemen* 
tbal, ©erlitt 0 .),' bereu uerbieuter Vorfißenber Dr. jur. greuttb ift, möge 
als Veleg für nufere ©ehauptmig bienen. Von bem Umfang bcr Wc- 
fdiäftotliätigfeit einer foUben Verfidjerungoanftalt giebt bic Viittbcilung 
ein Vilb, baß bie Journale Isus inogefauunt 80 583 (täglid) burd)fd)nitt= 
lidi 270) Sdniitcingänge uub 9.7 415 (täglid) 318) ^diriftauSgätige 
nadimiefen, ^uiammeu aiio 125 . 99 s 2d)riftfad)eu. Tie Steigerung biefes 
Verteilte gegen bao Vorjabr um rutib 20 000 Sachen fommt ßaupt* 
fädilid) auf Ncdmnug beo ftetigen 2i?ad)fenS ber ^uoalibenrentemAiiträge, 
fomie ber Anträge auf llebcruabmc in bie «Uraufenfi’trforge bcr Anftalt. 
Tie lmifangreidien Tabellen geben iiber bie .s>erlumt bcr Anträge babin 
genauen Aitnddu-ß, ob [ie von bcr Verlincr rA'agiitratoabtbcilung, von 
einer 'Vororiobeluube ober einer anomärtigeit Vebbrbe übermittelt mürben, 
unb ftellen ’gigleid) feit, mie lauge ber Antrag bei ber unteren Vcr* 
maltungobdiörbe verblieb unb une viel /,eit er bis 311 feiner tirlebigimg 
benot big :e. öin Alters- nnb Tnua Ubitätsantrag mnrbe barnad) bei ber 
unteren 'Termaltniigsbelibrbe im TnrdnVhnitt 15,5 be^tv. 60,4 Tage bis 
31 t inner Ueberinitielnng an bie Veriidurnngsanitalt , 311 rücfbcl)alteil; bic 
faß boptvlt io lange Vorbcretinngs^cit .ber Tnualibenanträge mirb auf 
bte Anbornng ber 2'ertraitenomanner 3 itri'n'tgefiil)rt. Tut (^ati^en be* 
aijifprndite ein Alters* Öeyo. oiioaltbcitrcntewaiitrag 2 s ,8 I 1 C 31 V. 51 Tage 
bis 311 feiner Orlcbigimg, eine Trift, bie bisweilen genügt, bic Nenten* 
anmeifnng 311 ipät tominen 31 t laßen. 3o ftarben lsüs 3. 22 5 mann* 
lidie nnb 6 meibltdn' Neutenbereditigte vor /»nfiellnng bes Armen* 


befdjeibes; mir tu 2 gällctt Davon mürben beu Hinterbliebenen bie 
©eiträge crßattct, tu bett übrigen gälten verfolgten bie Angehörigen 
bas Acntcnuerfnhreit nicht. 

Von ben 1215 Scannern be^tu. 451 grauen, bie 1898 invnlibem 
rentcnberechttgt mürben, finb innerhalb bes VertbeilungSjabrcS 400 brpv. 
59 ober 32,9 u /o unb 13,i % geftorben. Ter Hauptproscntfab entfällt 
auf bie jüngeren Altersflaffen. Vei ben ^Näitucrn von 20 bis 35 gabren 
finb oon 186 Neutnerii über bic Hälfte, 90, innerhalb beS Vertbcilungs* 
jahres ber Ncntc geftorben; eS fittb bie gabreSflaffen, bic bie tneifien 
^ungenfdjiviubfüchtigeu ftellen. Tic ©elaftung ber Anftalt burd) bie 
Acute eines ÜNannrS be^iv. einer grau, b. h- bie Tifferenj jtvifrtjcit beu 
Ü’ciftungen ber gnoalibenoerfidjerten utib beit gejafjlteu Nentcn bered)net 
bie Anftalt auf 76,89 bc,yv. 64 ,11 M. 

Unter ben Altersrenten ftetgen bic Anteile ber böbereu Alters* 
gruppen, tvaS befagt, baß bei beiben ©efdjlcdjtcrn ber ^^Iritt von 
AltcrSrentnern aus bei* jüngften klaffe nur flein ift. Tem Veruf nad) 
fteßen bei ben Vcäunern au erfter Stelle bie in ber giibuitrie befdiäf* 
tigten mit 422°/oo, bei ben grauen iibertoiegen bic ©ertönen in 2 obu= 
ai’bcit mechfelnber Art mit 531 ü /oo- Vei ben gnvalibeurentneru über* 
miegt in allen gaßren bei beiben (^efd)ledhtern bas Alter von 65 bis 
70 gaßren, morauf ein ftarfeS Stufen ber Antbcite fmttpnbet. 1892 
waren nur 4,9 % ber männlichen gnvalibenrentner über 70 gabre, 
1898 bereits 10 , 9 %; tveiblidte Acntner biefe» Alters gab cs 1893 — 
1892 waren nod) feine uorbanbeu — 8 , 7 %, 1898: 14%. Tas erbeb* 
lid)fte Kontingent bcr guoglibcnreiitner [teilen bie mäniilidjeu inbuftriellen 
Arbeiter unb bie weiblichen Ticnftboten mit 551 nnb 450 % 0 . Xie 
pro 3 cntitale gunahnte ift bei ben AlterSrentncru febr gering, bic utänu* 
liehen bejiv. weiblicbeit gnualibenreiitncr haben fid) um 38 ,1 be$w. 44,v» ü 0 
vermehrt. Abfolut fteben 2883 Altcrsrentiiern 5032 gnvalibenrentner unb 
1 055 AlterSreiitncriimen 1 790 gnvaltbenrentiterhnien gegenüber. Tie 
3al)l bcr gnoahbeurentiicr beiberlci ®cfd)Ied)iS bat betmiad) bic ber 
Altersrentner bet 9Bcitent iiberbolt. 

Unter ben gnvalibitätsurfadjen fteßen bic Kraufheitcu bcr 2unge 
immer itod) obenan. Tie Öutigeiifdjwtnbfndjt ift cs bei 24,59 0 Der 
Vfätnter unb 15,67 u / 0 bcr grauen, fonftige 2ungeufraitfl)eiteii finb es in 
11,03 unb 6,92% ber gälte. 16, 7 c.% ber grauen werben burd) „Chit* 
fräftumj, ©lutarmuth uub Alterjd^wädje" inualibifirt. Tie mcdjanifcbeii 
Verlepuugeu (Verluft einzelner Körpertbeile, Afnod^cnbrüdjc, Verrcufuitgeu, 
£'itetfd)iiugeu, Sutibcn :c.) fpieleti nur eine geringe Nolle, bei Den 
SWännern madjeti fic 1,87 u 0 , bei beit grauen 3,iu "/ 0 aus. Teu größten 
pro 3 cntfap von Initgenfd)minbfüd)tigen gttoaliben (32,2 u /, ) weift bie 
Holoinbuftric (titcift Tifdiler) auf, nur bie Angehörigen ber gnbmtrie 
ber Steine itnb (Srbeii (Steinmcpe, Steinfdilägcr :c.), bic in biefer Auf* 
fteüung nid)t beriirf|id)tigt finb, geigen einen höheren ©r 0300 faß mit 
42,9%. Tie Sungeiifraufheiteu überhaupt treten tut SKarimum beim 
©augewerbe (44,5%) unb bcr Ho 1.3* unb Sdmißftoffinbuftric (44,3 0 o», 
im Vüntmum bei beit Ticnftboten (30,2%) auf. 

Tie ©eitragserftattungen in HeiratbS* unb TobeSfälleit begiiiueii 
allmälig 31 t ©ttd) 31 t fdjlageu. An weibliche perfoiicn, bie eine ö*be 
eittgingen, beoor fie in beu Olemtß ber Ncntc gelangt finb, murbeu lsos 
für Nedmung ber VcrfidjerungSanftalt ©erlitt burch bie ©oft 227 294,41 
iu ben gabreit 1895 bis 1898 3 iifammeti 520 464,iu .✓/ ge^ablt. V?äbreub 
von 10 (X) biefer grauen vor ihrer Verhcirathuug 536 bem Staube ber 
Tienftboten angebörten, waren eS nur 77 geborene Berlinerinnen; bie 
geborenen Verlitieritmen werben lieber Arbeiterinnen ohne nähere ©c* 
3 eidjitung (297 ° /00 ), VefleibiiiigSinbuftriefle (279°%) unb Hanbelsangc-- 
fteüte (172 % 0 ). An VUttmen unb Kittber verftorbener mämtlid)er ©er* 
fonen ober vaterlofe Kirtber verftorbener tveibiidjer Verfidjerter ftnb im 
gleichen gaßr 52 506 ,03 .//. erftnttet worben. 

Auf bem (Gebiete ber gnvalibitäts*Verbiitung hat bic Anftalt 
©erlitt einen ©erfttdj mit bem Sanatorium (Mtergoß getnad)t. (is um* 
faßte 74 Vetteu; brei Töcfcrfche ©araefen, bie bas (Seiitralfomite Der 
beutfeben Vereine vom Nöthen Kreu 3 foftenfrei geliehen hatte, gemährten 
mährenb bes Sommers bett Nautn für weitere 21 Betten. Ter Unter* 
haltung unb Anregung ber Kraufen wegen würben biefe im ©Sinter in 
ber gefdjußt Iiegeuben Veraitba ber Anftalt mit Kerbjdjuiparbciteit bc* 
fdjäftigt. TaS Nohmatevial ba 3 u liefert bic Anftalt imentgeltlid): bie 
gefertigten ©cgcitftäitbc werben beu Kranfcn überlaffett. Vier fid) frei* 
willig baju melbetc, erhielt Uuterrid)t irt ber beutfdjcu Sprache, im 
Ncd)tten, fomie im (Gebrauch ber Scbreibniafdune. OlefaugSübungctt, 
populäre Vorträge u. f. tv. foücn bie Heilerfolge burd) bie pfpdjifdic 
(Sittmirfuttg erhöben. 

Tie Erfolge fittb noch nicht enbgültig fcftjuflelleit, wenn fid) and) 
3 toeifelloS eine giinftige Tcubctt 3 3 eigt. Von ben 401 ©erfoucu, weldte 
verpflegt unb bebaitbelt würben, würben im Siaufc bes Veridjtsjahres 
339 eittlaffen, utib 3 tvar 169 als geheilt, 121 bis 3111 * 15-rwerbsfäbigfeit 
gebeffert, 49 uttgehcilt unb erwerbsunfähig; 62 verblieben in Vchattblttitg. 
Von ben (intlnffencn waren 24 311111 3 weiten unb 3 toci 311111 brüten SNale 
im Sanatorium. Von bett innerhalb bes gabres 1898 als erwerbsfähig 
(iittlaffenett haben 11 bis 311 m 1. April 1899 einen netten Antrag auf 
Uebcmaljiite in bie .Stranfenfiirforge ber Anftalt uub 25 einen gttoaliben* 
rentenantrag gefteüt; eine Neifjc biefer Anträge würbe aber auch itt 
höherer gußan 3 wegen nod) befteheuber (irwerbsfäl)igfeit abgelehnt. 
Seit (iröffunng bes SanatoriuntS am 14. Anguß 1894 bis Anfang 1S99 
verließen bas Sanatorium nad) abgefdjtojfcuem Heilverfahren 1 073 ©er* 
fonen, wovon 67 3 iveintal uub 4 Dreimal bort bebaitbelt worben 
waren. Von 3t >0 Dieter 1073 I5ntla[fcueu fontite am 1. gauuar 1899 



1353 


€o&tale fragil« ©entralblatt [ür Sostalpolittf. 9lr. 51. 


1354 


ermittelt werben, Baß 187 eine 3noalibenrente erhalten haben, 35 oor 
93ejug einer 3noalibenrente gcftorBen ftnb unb baß fcbließlid) Bei 78 
ein erneuteg £>eifoerfafjren eingeleitet würbe. Bon 133 (SrwerBgunfäfjigen 
Hefe fid5 nur Bei 83 ber Job ober ber Bejug einer diente feftfteUcn. 
HHeS in Hffem ergieBt ftc^ im Beginn beS 3afjreg 1899 ungefähr ein 
drittel (350) aller gaffe, oon benen 133 Bei ber ©ntlaffung oon feinem 
Teilerfolge Begleitet waren unb Bei 117 im Saufe ber 3al)i* Ber erhielte 
Teilerfolg oerloren ging. Jie lefctere 3abl tft in SBirflid)feit gewiß 
nod) größer, fonnte aber nicht feftgefteflt werben. 

©rfranfungen ber Taut, Knochen unb HRuSfeln, ingbefonbere ©clenf* 
rbeumatigmus ftanben unter ben $ranfl)eiten mit 82 °/ 0 an erfter Stelle. 
Jie meiften Pfleglinge [teilte bag oierte unb fünfte SeBengiaBrjefjnt mit 
109 unb 101 . Jie burd)fcbnittlicbe BerpfleguttgSbauer für einen gaff 
Belief fid) auf 78,s Jage gegen 93,6 Jage im Borjafjre, Me fürjefte 
Jurcbfd)nittS 3 eit feit Befielen beg Sanatoriums. Jag längfte Teil* 
oerfaBren Beanfprucbten B?agengefcbwüre mit 140 (159 im Borjabre) 
Jagen, lieber 100 Jage bauerte bag Tdloerfabren Bei Bleioergiftungen, 
^cHgewebcentjünbungen, ©elenf* unb Sfnorfjenentjünbungen, Bei 3ö<bt a@ 
unb Bei ©eftfywüren. Jie gefammte SfranfbeitSoauer (außerhalb unb 
innerhalb beg Sanatoriums) 30 g fid) am längften Bei ©elenf* unb 
^no^enentjünbungeu mit 285,2 (1897: 365,7) Jagen l)in, wooon 102,7 
gegen 231 Jage im Borjaljr auf bie Behandlung tut Sanatorium ent* 
fielen, ©in ©id)tfall Beanfprudjte 284, ein gaff oon Tpfterie 266 Jage. 
Hit ber SBieberfierfteHung ber ©efunbbeit ihrer Grnäljrer im Sanatorium 
waren 265 grauen unb 477 uimtünbigc Äinber unb fonftige Hngebörtge 
intereffirt. Big 3 ur Htifnabme in bie töranfettfürforge ber Hnftalt Be* 
jogen 244 tfranfcngclber, 91 waren auggefteuert. 3n 77 gaffen würben 
ben nacbweislidj Bebürftigcn gantilien ber auggefteuerten Traufen 3 Big 
9 „//. ^odjenunterftiipung gegeben, im ©anjen 4700 M. gegen 5600.//. 
im Borjafjr. Jie Berpflegitng ber Sungentuberfulofen erforberte nttt 
bett 92ebeitauSgaBen, wie gamilienunterftiibung, Beifegelbern, Hit* 
fdjaffuttgen u. f. to. oon ber BerficberungSanftalt pro SRann 8,75 M ., 
pro grau 5 M. Unfoften, ber einjelnc BerpffegunggfaE 342,98 M. 
bejw. 428,33 M. Berpfleguuggfoften. 

Jie ©rgebniffe beg Sanatoriumg ©ütergoß haben bie BerficberungS* 
anftalt oeranlaßt, Biefen Berfucb auf Bern ©eBiete ber oorbeugenbeu 
ßranfenfürforge 3 U einem bauernbett ju geftalten. Hm Bahnhof Becliß 
Bat fte 1140 ha für 400 000 M. angefauft; bort folleit je ein Sanato* 
rintn unb je eine Sungenbeilftätte für EWänner unb grauen errietet 
werben. 3nSgefanunt [offen 00 m Sommer 1901 an 500 Pfleglinge auf* 
genommen werben; bod) ift Bei ber Httlagc eine Hugbepnung auf 
1416 Betten oorgefeben. 

3[t aucB bie Tcilbebanblung ber BcrftcberungSanftalten, bie gamüien* 
unterftüMing ber in BeBaitblung ©enommenen, wie [0 oieleg anbere ©ute, 
W 0311 bie Bcrfidjerungganftalten burdj i^re großen drittel Befähigt ftnb, 
erft in ben Httfangen begriffen, fo gieBt bod) unfere naefte HufjaBlung 
aitg beit ©rgeBntffen einer BerfuberungSanftalt fd)on eine Hnfcbauung 
baoon, weifte gewaltige fojiale JBat bie Straffung ber oBligatorifdjeo 
Csnoalibettoerftcperung getoefen ift. 


3Ubeiteitad)ttiete. 

Jie Sage beg beutfdjett HrBeitSmarftcS geigte im Huguft wieber 
ein überaus günftigeS (Gepräge, obwohl manche Httjeicbeu auf ein 
SSeitben ber wirtbfcf)aftlicben Monjnnftur fließen Iaffen. Huch auf 
bem HrbcitSmarfte felbft macht fi<b t^eilroeife ein 9?acblaffcit ber 
lebhaften Nachfrage bemerfbar. @0 wirb aug Oberfcfjlefien be* 
rietet, baß ber Hrbeitermangel nid^t meßr fo groß fei. Jer Hr* 
beiterbebarf in ber fianbwirtbfcbaft b<*t auch in allen J^eilen beg 
SReidjcg abgenommen unb in oielen mittelbcutfcben Bejirfen b fl t 
bie Sfonferoeninbuftrie gafjlreidje HrbeitSfräfte bireft freigefeßt. 
Gegenüber folgen Symptomen, bie auf eine ungünftige Berän* 
berung im Bilbe beg HrbeitgmarfteS fdhliefeen Iaffen, fc^lt eg aber, 
wie ber „Hrbeitgmarft" betont, namentiirf) im r!jeinifd)*weftfälifcBen 
Snbuftriebegirf, nidgt an ©rfrfjcimtngen, bie eine fortgefejjt leb* 
Ijaftere Befd)äftigung erwarten Iaffen. Ja^in gehören bie Bor* 
bereituitgen oerfdjjiebener ©ifenba^nbireftioneit jnr Bewältigung beg 
in biefen Monaten befonberg 311 ermartenbeit ftarfen ©ütergoerfe^rg. 
2lud^ ber ilmftanb, bafe bie fortgefefeten Prci^fteigcruiigcn in ber 
©ifeninbuftrie ben 9Jlar!t nid)t lärmen, foubern bte 9?ad)fragc nur 
itotf) ftürmifd^er geftalten, mad)t eine weitere Jauer oollfter unb 
anaefpanntefter J^ätigfeit wal)rfcl)einlic^. J)ie Hrbeitgfräfte in ber 
©ifeninbuftrie ftnb in ber benötigten 3 al &I iti^t ju beftaffen, 
Ueberftuttben unb Uebcrfticbten ftnb an ber Jagegorbnung. Hug 
bem Berfeljre ber Hrbeitgnatweife ergiebt ftd) im Hllgemeinen noch 
immer bag ftarfe Borwiegen ber für ben Hrbeitgmarft aünftigen 
Blotnente. Huf 100 offene Stellen fommen im Huguft MefeS 
nur 92,5 Hrbeitfucbenbe gegen 108 /ö im Huguft oorigeit 

Sabreg. 

Drgafttfattott Ber HrbeiigBermittelung itt Ungarn. B3ie ein 
lebtin an bie Stabt Bubapeft unb an bie bortige T an ^ e ^f a mmer 


ergangener ©rla§ beg ungarifeben T an ^Igminifterg erfeben lägt, 
fdjtcft man ftcb iefet audb in Ungarn an, bie Hrbeitgoermittelung 
auf moberner, neutraler ©runblage 3 U organifiren. 3n Ungarn 
regnet man au<b nur bei oberfläcblidfjftcr Scbäbuna mit einem 
J)ur<bf<bnitt£ftanbe oon 100000 Hrbeitglofen, wag bet Hnnabme 
oon 300 Hrbeitgtaaen einen ßobnentgang oon etwa 24 BliEionen 
©ulben mit fid) oringt. 9?atb bem Borftblage beg ungarifeben 
TanbelgminifterS foHen bie 3 ntereffenten: ©emeinbe, Tanbelg* unb 
©ewerbeforporationen bie Hrbeitgoermittelung leiten unb bie £often 
m 3 wei J)ritttbeilen auf ftcb nehmen, wäbrenb ber Staat bag 
Dritte drittel übernimmt. J)ocb fofi aue| ben Hrbeüertt ber 
„entfpreebenbe" i n ^ er Bermaltung eingeräumt werben, um 
bei ihnen bag unerläfeUebe Bertrauen 3 ur neuen Drganifation 3 U 
weefen unb 3 U erhalten. @g wirb ftcb barum b^nbeln, wag 
man in Ungarn unter einer foMjen „entfpreebenben" Bertretung 
ber Hrbeiter oerftebt, refp. auf welebetn B3ege bie Hrbeiterbelegirten 
gewählt ober berufen werben. f 0 ^ m it Bubapeft be* 

gönnen werben. J)ie Äoften beg bortigen Hrbeitgnacbweifeg werben 
auf etwa 15 000 fl. pro 3<*b r oeranfcblagt, ein drittel baoon über* 
nimmt bie Staatgoermaltung, 3 wei Jrittel fottett bie Stabt unb 
bie T an ^ e l gfainmcr Bubapeft tragen. J)ie ©runbprin 3 ipien beg 
in Bubapeft unb bann in anberen Drten 3 U erriebtenben öffent* 
lidben Hrbeiignacbweifeg ftnb im golgenben mitgetbeilt: 

1 . Jer SBirftmgStreig beg gcwerBUiben HrBeitgoermittelungg* 
$nftitutg erftreett f t( b au f Bie bei affen gewerblidjett 3^ e i0en oer* 
wenbeten Hrbeiter, baber aueb auf Tanbelgangefteffte unb auf Berg* 
unb Tüttenarbeiter ohne Stüdfubt auf Hlter unb ©efdflecbt. 

2 . Jie ^nftitute ftnb mit ftaatlicber llnterftüpung oon ben TanbelS* 
unb ©ewerBefatnmern mit T^ujicbung ber ©ewerbegenoffenfebaften 
unb ber anberen interefftrten gadjtorporationen 31 t erriebten in ber 
SBeife, bag bie ©ewerbegenoffenfebaften, ingbefonbere in ber Brooinj, 
bie Organe ber ^nftitutc fein werben, ^n ber $rooin 3 werben biefc 
3nftitnte oorläufig an bem Sifee ber Tanbelg* unb ©ewerbefammer 
errichtet. 

3. @g ift notbwenbig, Baf) bei Ben HrbeitgocrmitteIungg*3nftituteu 
Aur ©rlebigung ber Hngelegenbeiten ein Hugfcbub mit einer mäßigen 
3abl oon Britgliebern, in bem audb Hrbetter oertreten fein [offen, 
wirfc unb ift ber HuSfcbufi in ber B$eife 3 ufammeii 3 ufteffen, bah ein 
Jrittel aug Hrbeitgebern, ein Jrittel aug HrBeiterit unb ein Jrittel 
ang oon beiben Parteien uuabbäitgigeit nnparteiifdjcii B^foncn BefteBe. 
Bei Bern in Bubapeft 311 erridjtenben 3nftitute Baben bie T au Pt s unb 
9 fteriBen 3 ftabt, bie Bubapcftcr Tanbelg* unb ©ewerbefammer, ber Öanbeg* 
3 nBuftrieoercin unb möglid)crweife bie cin 3 elnen ©ewerBegenoffenfebaftcn 
je ein SJtitglieb in ben Hugfdjufe 3 U entfenben. 

4. Jie HrBeitgocrmittelung ift foftenfrei. 

5. Jag DBerauffidjtgredit über affe Hrbeitgüermittelungg*3nftitute 
übt ber fönigl. iiugarifdje Tanbelgminifter. 

6 . ©g ift wfmfcbengwcrtb, baß bie nadf) biefen ©runbprin 3 ipieit 
au errid)tenben 3»ftttute mit affen bereits beftebenben Bereing* ober 
Brioat*HrBeitgoermittelungg*3nftituten in Berbinbung treten, ^wtjeben 
ben Bubapefter unb $rooiu 3 inftituten ift eine organifdje Berbinbung 
3 U freireu unb Bei ber HrBeitgocrmittelung ein ein Beitlid)eg BerfaBren 
au beftintmen. 3wifcBen bem in Bubapeft 31 t erricbtenbeit gewerblichen 
HrBeitgoermittelungg * 3nftit«t unb bem im Hcferbaumiuifterium Be* 
ftebenbeit Bcrmittelunggamt für gelbarBeiter, ferner 3 toifd)eit bett Ber* 
mittelungg=3nftituten für gewerbliche nub 3flBarBeiter in ber B*ooiit 3 
ift, int Salle ber HcferBaumiuifter bierju feine 3wftfntinung ertbeilt, eine 
Berbinbung B^ufteffen. 

7. 3nt gaffe eineg Streifg unb HrBeitgauSfcbließung fefeett bie 
Snftitute bie HrBeiteroermittelung fort. 

StaatUdber in 3ttinoi8. 3)tii bem 1 . 3 uli I. 3* 

fiitb im Staate SüinoiS bie ftaatli^en Hrbeitgnadbwcifc in BMrf* 
famfeit getreten. Jen gefehlten Beftimmungen Zufolge futb in 
Stäbten mit menigftens einer BriEion ©inwobnern brei HrBeitg* 
nadBweigämter unb in Stäbten oon wenigfteng 50 000 ©inwobnern 
je ein Hrbeitgnacbweig errichtet worben. Jie BermittelungSfteEen 
unterfteben bem Slatbe ber ftaatlieben HrBeitgfommiffärc. 3ebe 
9iacbweigfteEe b a ^ Labour Commissioners regelmäßig Berid)t 
über ben Stanb beg HrBeitSmarfteg 3 U erftatten unb namentlich 
bie $ad)frage nach Hrbeitgfräften 3 U prä 3 iftreii. Jie in ber fo 
efebaffenen ©entrale einlaufenben Hugweifc foEen aEwöcbentlid) 
nrdb bie Poft oertbeilt werben. Huch bie Bergbau* unb Sabrif* 
infpeftoren foflen in ben Jienft ber Hrbcitgoennittlung gefteEt 
werben, inbem fte auch ber ©eutralfteEe Berichte 311 erftatten Baben. 
BemerfenSmertb ift, baß ber ftaatlicbe Hrbeitgnad)weig in SEittotg 
bie Streifflaufel acceptirt bat; Sabrifauten, bereu Hrbetter ficb im 
Hugftanbe befittben, wirb, folange ber Streif bauert, feine ©infiebt 
in bie ßiftett ber S^ad^wei^ftellen geftattet unb werben ihnen feilte 
Hrbeitsfräfte naebgetoiefeu. 



1355 


Soziale SßrajriS. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Br. 51. 


1356 


CEqie^itits tmb fiilämtg. 


SrortbilbttagSfihiilgtoang in Preußen. Der Briniffer für ftanbel 
unb Gewerbe tritt iit einem Erlaß oorn 31. Auguft energifd) für 
bic Einführung be# SortbilbnngsfchuIgwangS burd) Gemcinbcftatut 
ein. Durch ben 3wang, führt bcr 3)iinifter au#, werbe bie Schute 
FeincSwcgS ßerabgebrücft. Bichtig fei hieran, baß bei Einfchulung 
alter gewerblichen Arbeiter unter 18 fahren leicht Elemente in bie 
3ortbiIbungSfchuIe fommen, bie fich ber Schulgucht nicht ohne 
ScitcreS fügen. DiefeS Bebenfeu laffe fiel) aber burch gweefmäßige 
Ginthcilung ber Schüler, inSbefonbere bei ftreitger Durchführung beS 
Stufenfijftem* unb burch £>erangiehung geeigneter £ebrfräftc be- 
beben, Außerbem werbe fiel) biefem Uebelftanö bei ber erften (rin* 
führung ber ortsftatutarifchen Schulpflicht leicht baburch begegnen 
laffen, baß nicht junge ßeute bcr Schule gugeführt werben, bie 
mehrere 3ab*e hindurch ber 6chulgud)t entwöhnt finb. Das Drts- 
ftatut fei oielmebr gunädE)ft nur für bie unterfte SahrcSFlaffe in 
Kraft gu feßen unb alljährlich auf einen weiteren Jahrgang auSgu- 
behneit. Senn bie (Gegner beS gortbilbuugsfchulgwange# bie 
Meinung oerträten, baß bic Schulen mit freiwilligem Befiid) bie 
befferen fieiftungen aitfwiefen, fo fei biefe Behauptung in ihrer 
Allgemeinheit gweifelloS unrichtig; oon oereingclten Aufnahmen ab- 
gefehen, treffe nach bem Ergebniß ber oorliegcnben Beoifioiten oiel- 
mehr ba# Gegcntfjeil gu. 3>m Fiebrigen fei auch bie Behauptung 
nicht faltbar, baß eine gortbilbungSfchule mit freiwilligem Befud) 
allen ftrebfamen jungen Arbeitern ausreidjenbe Gelegenheit biete, 
üch weiter gu btlben. Denn ein l?eljrmeifter, ber bem gort» 
bilbungSunterricht nicht geneigt fei, werbe ungeachtet ber ihm nach 
§. 120 bcr Gcwerbeoronung obliegenben Verpflichtung, feinen 
jugenblidjen Arbeitern gum Sd)ulbefuch bie erforbcrlidje 3 c ü g Cs 
währen, in feinem Eigenmiß fchou Mittel unb Sege finben, fie 
baoon gurücfgubalten. Die SortbilbungSfchule fönne ihrer Auf¬ 
gabe, bie ber Schule entlaffeneit jungen £eute, bie weber nach ih ren 
Scnntniffen noch nach ihrer GharaFterbilbung für bas ßeben reif 
feien, fortgubilben, nur bann genügen, fdjließt ber Bfinifter, wenn 
ihr nicht nur bie Lehrlinge eingelner beffer gefteHter GewerbSgweige 
ober eingelner einftchtigcr Arbeitgeber, fonbern wenn ihr bie gange 
breite BJaffe be# gewerblichen BacßwudjfeS gugeführt wirb. 

Da# BorlefmtflStoefeit ber £)berff|al&epri« in Hamburg ift roieber- 
holt in biefen blättern erwähnt worben, weil es woßl bie umfang* 
reichfte Beranftaltung gunt 3wecf uolfStbüntlicber ^odhfdhulfurfe ift unb 
— was befonbers gu beadjten — burchau# auf ftaatlicßer Anorbnung 
beruht, wäßrenb nnberSwo bie StaatSbeßörben berartigen Unterneh¬ 
mungen naljegu gleidjgiiltig ober fogar abgeneigt gegenüberftehen. Sie 
grob ber Bahnten, ber ba$ Borlejungäwefen Der Cberfdjulbeßörbe in 
Hamburg umfpannt, unb wie reich fein Inhalt ift, erfteht man au# bem 
Programm für 1399/1900. Die Gefnmnttgahl ber Kurfe, bie nahegu 
alle wiffenfdjaftlichen DiSgipltnen umfafjen unb faft alle unentgeltlich 
unb öffentlich fmb, ift oon 85 im lebten SBinterfemefter auf 128, bie 
8aljl ber Dogenten oon 64 auf 99 gefttegen, barunter auch oiele gang 
heroorragenbe Seßrfräfte beutfdjer §ochld>ulen. Befanntlidj plant man 
auch ben Sau eines eigenen GcbäubeS für biefe Kurfe au# Staatsmitteln. 


Sojiölt §t)giene. 

Die Sihnlargtfrage auf bem 24. Kongreß für ifeit!i#e Ge* 
fnttbfjeitSpffege. Der 24. Kongreß für öffentliche GcfunbheitSpflege 
befchöftigtc ftch aut 14. September gu Biiritberg mit ber 3ragc ber 
Schulärgte im Anfdjluß an bie 3orbeniitgen, bte bic beibcit Bericht- 
erftatter Geh- Dberfdjulratl) prof. Dr. Schiller, jeßt gu £eipgig, 
unb Dr. med. paul Schubert in Nürnberg aufgefteHt hatten. 
Darin wirb bie Aufteilung hpgwnifd) oorgebiibeter Schulärgte für 
alle llnterrid)tSau)talten als erforberlid) begeidjnet; für bic leiftnng#- 
unfähigen Gemeinbeu fall babei ber Staat cinfpringcn. Die Auf¬ 
gabe ber Sdjulärgte füll umfaffen: 

1. £ic UeOmi)ad)img bei geiunblicitlidieu Serhältniffe beS Sdjul- 
gebäubcv unb ber 2d)iiiriuridjtuugru. — 2. Die Seauffidjttgung be§ 
SoIIguges ber über .^ngiene bes Unterrichte unb ber UuterriditSmittel 
erlaffeneu Sorfcbriitcn. -- 3. Die Cbforge für bic (^cfunbheit ber Sdjul* 
fitiber; imb gwar: o) bie Untcrftüpimg be^ Amtsarztes bei Serljütung 
unb Sefämpfung aufterfenber «rauflieiteu; bj bie ^eftflellung Jorperlidter 
9Jiäugel ber Minber gunt ^U’ccf fortgefepter Beobachtung ober befouberer 
Serürtfiditiguug beim 2d)iilbetrieb; n bie Ucberwadjung ber Förperlidjeu 
O'rgieljimg, foiocit biefe oon ber 3dpile geleitet wirb. 

Die Schulärgte foHeu ihre Spifee bei grögcrcu Stabten im Schul- 
oberargt, irt ben $rooingen unb im Staat in ben oortragenbeu 
Käthen für Sdjulgefunbljeitspflege finben. Die Sd)ulhpgiette foll 


enblich ein für alle ßehrerfategorien oerbinblidbeS Prüfungsfach 
werben. 3u ber Erörterung würbe auf bie erufthaften, gum Df)cil 
fchon gelungenen Berfuche mit Sd)ulärgten in BHeSbaben, 3fraitf- 
furt a/3Jt., Darmftabt, Königsberg i/Pr., ^eilbronn, Gicfjen unb 
Dffenbach htngewiefcn. Der Direftor beS bafteriologifchen 3« s 
ftihtts in Dangig, Dr. P etru fch ft) empfahl bie Bermehntng ber 
bafteriologifchen UnterfuchungSanftalten, bamit biefe auch ben 
3wecfett ber Schulhygiene bienftbar gemacht würben, unb bie 
periobifche Unterfuchung ber Lehrer auf Duberfelbagiüen. Be- 
beitfen gegen bie Borfchläge ber Beferenten, bie fich in ber §aupt* 
fache auf bie Kompetettg ber Schulärgte begogen, äußerten nur 
Dberbiirgermeifter Delbrücf in Dangig, wo bie Sdjulfinbcr auf 
Augen-, Dhren-, Bafeit- unb ffrophulöfe Kranfheiten oon Spegial- 
ärgten unterfucht werben unb gwei Schulärgte gur Schulbcputation 
gehören, fowie Dberbürgermeifter 3weigert - Effen unb Stabtrath 
Grimm-granffurt a/3R., währettb bie übrigen Bebner, meift Stabt- 
räthe, Prof. §aHe-BieSbaben, Dr. Üoth-Erfurt, Dr. o. EStnard)- 
Göttingen, Dr. 3. Strafjmann-Berlin, Seminaroberlehrcr Bctfch* 
DreSbett, Dr. Deppifcf» aus Dberfranfen zc. bie Beridjterftatter 
warm unterftühten. Eine Befchlufefaffuug fanb nicht ftatt. 

ftctie# Siüiläi In Sterne«. 9Rit einem Koftenaufwanbe oon 
245000 '4L hat bcr Berein für öffentliche Bäber in Bremen eine 
neue Babeanfialt erbaut, bereu Benufcung in erfter Sinie bem 
fleinen Btonn gugute fommen foH. Das neue BolfSbab oerbanft 
feine Entftehung hawptfächlich bem hochh^S'ÖJ 11 ©tune einer Kauf* 
mannSwittwe, welche 150 000 Jt für ben Beubau gefpenbet hat. 

Die „Health Yisitors“ in Birmingham. Bfig BofeDa E. 
Garbiner, eine ber in Birminghaw fürglich angeftellten ^health 
visitors tt fchilbert ihre Dhätigfeit als überaus erfolgreich- Sie ift 
nicht bie gleiche wie bic ber „lady sanitary inspectors“, bie pch 
oorgugStoeife mit ber Kontrole ber ArbeitSbebingungen befchäftigt; 
bie healtb visitors fönnen oielmehr als GefunbheitSarmenpflegcrinnen 
gelten. 3^be berfelben hat einen Diftrift mit 5000— 6000 Käufern 
gu beauffichtigen; ihre Aufgabe befteljt barin, bie Armen in ihren 
SBohnungen aufgufudjen, gu beSinfigiren, wo es nöt^ia ift, fowie 
Bathfd)läae betreffenb Bcinhaltung unb Lüftung ber Sohnräume, 
ber Ernährung imb Klcibung oon Kinbern xu geben, in Kraitf- 
heitSfäUcit felbft öülfe gu leiften, fowie barauf gu bringen, bafe bie 
Kinber regelmäßig in bie Schule gefchieft werben u. f. w. lieber* 
bieS haben fie Erhebungen gu pflegen über bie ^ngtenifd^e Be* 
fchaffenheit ber Raufer, bie SebcnSweife ber 3ufa|fen unb bie 
Blorbilität. Dem Health office haben fie täglich fdjriftlichcn Bericht 
gu erftatten unb erhalten täglich Seifunaen begiiglich Kranfen* 
befuchc, DeSinfeftionen u. f. w. Den größten Erfolg ber Health 
Visitors üerfprid)t mau fid) hinfichtlich ber Kitiberernähruug unb 
-Ergiehung unb man ^offt, benfelben fogar ftatifiifd) in einer 
§erabfeßung ber Kinberfterblichfeit nachweifen gu fönnen. 


(Bewerbeijeridjte. dittiguapätnter. Si!jUbs«gertd)te. 


Oblkatorif^eS (SittigungSherfahtett in grsifrriih. Die frait- 
göfifche parlamentSfommiffion, ber bie Borfchläge oon Booier* 
Öapierre unb 3crri), betreffenb Einführung beS obligatorifchen 
EinignitgSoerfahrenS in Streitigfeiten jwifdjen Arbeitern unb 
nnternehmern, gur Berichterftattung gugewiefen worben ift, bat fidj 
ben Borfchlägen beS Entwurfes augefchloffen. Die Kommiffion 
fonftatirt, baß baS begüglidje Gefeß oon 1892 feinen Erfolg gehabt 
hat unb nicht entfernt an bic Sirffamfeit bcr ähnlichen Gcfcpe in 
Englanb h^anreicht, weil bcr Einfluß ber Gewerfoerciue in 3i'anf» 
reich noch oiel gu jungen Datum# ift. Der Bericht forbert baher 
bie Statuirun^i ber gefcpücheu Berpflichtuug für Arbeiter unb 
Unternehmer, n<h minbeftcnS bem Bcrfuche einigungSamtlidjer Bei* 
legung beS Streitfalles nicht gu miberfeßen. Die StraffaufHon 
wirb aQcrbingS in bcu Grcngeit oon 1—12 Spanes gehalten; ihr 
oerfaHcn Arbeitgeber unb Arbeiteroertreter ober Bfanbatare, bie 
fid) jebem Einigungsocrfud)e entgiehen. 


Citerarifilje An}etgett. 

I. mtb BrofdjäreK. 

ü. ^cncfftcru, Abolf. Ein ^ßrogeut. Die Sd)affitng unb Erhaltung 
einer beutferien Sd)Iad)tflotte. Veipgig 1899, Duhder & $untblot. 
65 8. ^reiy l,4u JC. 




1357 


Sojiale $rc*jiS. (Sentralblatt für Sojialpolitif. SRr. 51. 


1368 


Hauginbuftrie unb Heimarbeit in Deutfdjlanb unb Defter- 
reidj. 2. big 4.93b. LXXXV—LXXXVII. Bb. ber Schriften 
beg Bereiitg für Sozialpolitik Seipjig 1899, Wunder & Humblot. 
LX unb 616, VII unb 550, VIII unb 277 S. 

Der jweite 93anb ber oorliegenben Unterfudjungen, mit bem Unter* 
titel „Die Hauginbuftrie ber Frauen in Berlin", mitt in feinen 
(Einjelfdjilberungen gleichzeitig ein ©efammtbilb geben. Die auf Frauen¬ 
arbeit beruljenben Hauginbuftrien unferer großen Stäbte, bereu &ug- 
bilbung bag lebte drittel unfereg Sa^bunbertg gebraut hat, ermeifeit 
fleh thntfachlich überall, mo fie auftreten, alg ein entwideluugggefchicht- 
lidjeg ©anje, bag feine gemeinfamen ©efefre bejt&t unb, augeinanber- 
geriffen, in feiner 93ebeutung nicht flar mirb. Dag ©emeinfame aug 
ben (Einjelfdjilberungen fommt in ber non Dr. Sllfreb ©eber—(Eharlotten* 
bürg, ber ftd) auch um bie Stebaftion ber (Enquete gro&e Berbienfte 
erworben hat, »erfaßten (Einleitung über bie (Entwidelungggrunblagen 
ber grofjftäbtifdjen grauen-§auginbuftrie ju Jage. 3m einzelnen bringt 
ber 93anb jür Darfteßung: Die Frauenarbeit in ber Berliner 
Jejrtil-Hauginbuftrie unb bie ^8ubinbuftrie non Dr. ©eorg Steuhaug, 
Die (Entwidelung ber Berliner Damenmafjfchneiberei non Suife non 
Benba, Bie 93etriebgformen ber Berliner Bamenma&fchneiberei non 
SRarie Amalie Sipgjtjc, Die Äiirfdjnerei unb äRüfcenmachcrei nnn Gurt 
3tofenberg, Die Berliner Rleiberfonfeftion non Hang ©ranbfe, Die Be- 
triebgformen unb Slrbeiigoerhältniffe in ber Berliner ©äfdjeiubuftrie 
non Dr. 3*>hanneg Feig/ Die Roftürn- unb ©ei&waarenfonfefüon in 
Berlin non Dr. ©eorg SReuhaug, Die Fabrifation oon Äranatten, 
Schirmen, Hanbfdfjuhen, Hofenträgern unb Äorfettg in Berlin non 
Dr. Jheobor SRünfter, Die Hauginbuftrie in ber Berliner Sebergalanterie- 
waareninbufirie non Dr. H“0O Stoehl, Dag Stitfereigewerbe in Berlin 
non Helene Simon. Hieran fchliefet fich eine furje Unterfuchung über 
Die Hauginbuftrie ber Freuen in Danjig non Ärthur Dij, moburch bie 
Berliner Berhältniffe in f<härfere Beleuchtung gerüdt werben. 

Ber britte Banb behanbelt SRittel- unb ©eftbeutfdjlanb unb 
Cefter reidj. (Eg haben unterfudjt ©ilhelrn Hoh n &ie Hauginbuftrie 
unb Heimarbeit in ben Stegierunggbejirfen Äoblenj unb Jrier, (E. 3aff4 
bie weftbeutfehe Äonfeftionginbuftrie, Dr. (E. Äieferifcft) bie Formen ber 
Haugittbuftrie in Röln, Dr. Baul (Ehrenberg bie Spielroaarenhauginbuftrie 
beg Äreifeg Sonneberg, bie auch in ber non ung befonberg angejeigten 
Brofchüre non Dr. 0. StiHich befonberg behanbelt worben ift, (£. 3affe 
Hauginbuftrie unb Fabrifbetrieb in ber beutfehen (Eigarrenfabrifation, 
(Elifabetfj n. Stichthofen bie ^erlenftiderei im Äreife Saarburg in 
Sotljringen, Dr. ©uftao Scheu bie Heimarbeit im ©iener Hanbfchuh* 
madjergewerbe, Dr. Huguft ©ilfling bie Hauginbuftrie unb Heimarbeit 
auf bem ©ebiete ber Stamm- unb Fädjrrmadjerei in ©ien, Dr. (Ernft 
Seibler Heimarbeit unb Hauginbuftrie in Oberfteiermar! (Hanbelg- 
fammerbejirf Seoben), Stöbert ^oHatfchel bag Schuhmachergewerbe in 
Jrebitfdj, Dr. Cgfar (Englänber bie Hauginbuftrie in einigen Bejirfen 
beg fiiböftlidjen Böhmen, Dr. Stöbert 3 u derfanbl Hauginbuftrie in ber 
Haubfchuhnäherei in Bobrifdj unb Umgebung (Böhmen), Rarl Äoftta 
bie Heimarbeit in ber Hohlglaginbuftrie SRorbböhmeng. 

Ber nierte Banb bringt unter bem Jitel „©efefegebung, Statiftit 
unb Ueberfidjten" jufammenfaffenbe Darfteflungen, unb jwar: 2Ra- 
tcrialien jur Beurtheilung ber rechtlichen Stellung ber Hauginbuftrie 
in Bcutfdjlanb oon Dr. 955. Rähler, bie Hauginbuftrie in ber Schuh* 
madjerei Deutfchlanbg oon Dr. (Ernft Frande, bie Hauginbuftrie in ber 
beutfehen SRöbelfabrifation oon Dr. Baul Boigt, bie Hauginbuftrie beg 
Deufdjen Steidjeg nach ber Berufg- unb ©ewerbejählung oom 14. 3uni 
1895 oon Dr. Heinrich 2taud)berg, bie Strbeitgbebingungen in Haug* 
iubuftrie unb Heimarbeit nach bex ©efefegebung Gnglanbg oon Slbelaibe 
Slnberfon, bie gefe^Iidje ©infdjränfung ber H e imarbeit in ben Ber¬ 
einigten Staaten oon SRorbamerifa oon Florence ÄeUeq, bie Fabrif- 
gefehgebung in SReu-Seelanb oon ©. Jregear, bie Fabrifgefefcgebung 
in 5Reu*Sübwaleg unb im Staate Bictoria oon St. Ä. 2ong|nan in 
Sibnet). 

J)atnit ftnb biefe umfangreichen Unterfudjungen über bie Sage ber 
Hauginbuftrie, mit benen fuh ber Berein für Sojialpolitif fchon jum 
jweiten Btale befchäftigt, jum SlbfchluJ gelangt. J)ah eine Äugbehnung 
beg Slrbeiterfchubeg audj auf bie Hauginbuftrie nothmenbig ift, geigen 
bie Unterfudjungen an ber Hanb ber Jhatfachen. SRögen fie bei einer 
gefehlten Siegelung biefer fdjwierigen HRaterie, bie hoffentlich recht 
halb in bie 255ege geleitet wirb, Berüdjidjtigung finben! 

Barolin, 3ol)anneg ©., Jer fojiale Staat im Staate. Seipjig, 
9SUhelnt Fnebrich- 2ü S. 

Breitfdjeib, Stubolf. J^ie Sanbpoliti! in ben auftralifdjen Äolonien. 
äRarburger 3uaugural*Jiffertation. Hamburg 1899. $rud ber 
?(.-©. „Sieue Börfen-Halle^. 78 S. 


Bübingen, Dr. med. Jheobor, 3«r Befämpfung ber Sungen- 
fchwinbfucht. Streifjüge eineg Slrjteg in bag Oiebiet ber Straf- 
rechtgpflcgc. Braunf^weig 1899, ^rud unb Berlag oon Friebrich 
Bicweg & Sohn. 81 S. 

Bollanb, Dr. med. Ä. ; J)ie Sungenfchwiubfud)t, ihre (Sntftehung, 
Berhütung, Behanblung unb Heilung. Jübingen 1898, 
Dfianbcr’fche Berlaggbuchhanblung (Äarl Äoeljler) 141 S. 

Siebe, Dr. med. ©eorg. J)irigirenbcr ?(rjt ber Bolfgljeilftätte Soglau 
(Cberfchl.), SUfohol unb Juberfulofc. Btit befonberer Beriid* 
ftdjtigung ber Frage: Soll in Bolfghetlftätten SUfohoI gegeben 
werben? Jübingen 1899, Dfianberfche Berlaggbuchhanblung 
(Äarl Äoehler) 63 S. 

®ie hohe 3ahl bei* SchwinbfüdBtigen in ben Strafanftalten giebt 
Dr. Bübingen Beranlaffung, bereu 3wanggbchanblung in befonberen 
Slnftalten ju befürworten. $)ag Büchlein oon Bollanb gehört ju ben 
populär-wtffenfchaftlidjeit 9Serfen. Gg jcidjuct fich burd) Berüdfid^tianng 
ber (Eütfliiffe beg Grwerbglebeng auf ben ©efunbheitg^uftanb beg Btenfchen 
aug. ^ie Berwenbung oon Sllfohol in Boltgheilftatten hält Dr. Siebe 
für entbehrlich unb wegen feiner Schäblidjfeit für uerwerfüd); nament¬ 
lich aber fei eg Bfli<hl aller ©ebilbeten, im öffentlichen unb prioaten 
Seben burch 2Räj}igfeit im Älfoholgemiffc bem Slrbeiterffanbe, ben wir 
oon ber Juberfulo|e unb oom Sllfoholigmug befreien woßen, mit gutem 
Beifpiele ooranjugehen. Sämmtlichc brei Scbriftdjen bilben einen 
wißfommenen Beitrag ju ber gegenwärtig im Borbergrunbe beg 
öffentlichen 3ntereffeg ftehenben Frage ber Befämpfung ber Sungen- 
fdjwinbfudjt. 

„Slrdjio für fojiale ©efefegebung unb Statiftif." J)ag neuefte 
Doppelheft, 14. Banb, 3. unb 4. Heft biefer oon Dr. Heinrich 
Braun herauggeaebenen 3eitfd)rift (Berlin, (Earl Hetjmaitng Ber* 
lag) hat folgenoen 3nhalt: Die Berufg* unb ©ewerbejählung 
im Deutfdjen Sieich oom 14. 3uui 1895. Bon $rofeffor Dr. 
St. Staudjberg in ^rag. -- Die gewerbliche Arbeit unb ihre Dr* 
ganifation. Bon Brofeffor Dr. ©eraer Sombart in Berlin. 
III. ©irthfehaft unb Betrieb. IV. Betrieb unb Betriebgformen, 
©irthfchaftgftufen, ©irihfchaftgfpfteme, ©irthfehaftgformen. — 
Die Hrbeitgtfjcilhaberfcbafi in ber britifchen ©enoffenfehaftg* 
beweauug. Bon Gbuarb Bernitein in Sonbon. Die Statiftif ber 
Unfau* unb Äranfenoerftcherung ber Arbeiter in Defterreich für 
bag 3 a hr 1896. Bon Dr. Gnglänber in Sßrag. ßttcratur. 

Stil lieh/ Dr. Dgfar, Die Spielwaaren-Hanginbuftrie beg SDteiuinger 
Dberlanbeg. 3ena 1899, ©uftao Fif^er VII unb 100 S. 
Breig 2 M. 

Sftßid) führt bie babnbrechenben Unterfudjungen oon (Emanuel 
Say weiter unb fommt ju oem Stefultat, bafc ftch feitbem bie 3n[tänbc 
noch oerfchledjtert haben. Der Slbbrödelunggprojeb oon ber Haug- 
inbuftrie werbe, fo meint ber Berfaffer, namentlich burch ihre enge Ber- 
binbung mit ber Sanbwirthfchaft gehemmt, aber eg werbe eiueg fchönen 
Jageg auf bem Jhürinaer ©albe bie Stunbe fchlagen, in ber man bie 
alte Hauginbuftrie ju ©rabe läutet unb bamit jenen Slbgrunb oon 
Slnnuth; H»nger unb Äranfl)eit aug ber ©clt fchafft, ber heute am (Eitbe 
beg 19. 3ahrf)nnbertg einen bunflen Fled in ber jovialen ©efchichte 
Deutfchlanbg bilbet. Die Schrift ift um fo jeitgemäßer, alg fie bie 
gegenwärtig erfdjeinenben Unterfudjungen beg Bereing für Sojialpolitif 
iiber bie Sage ber Hauginbuftrie auf bem fraglichen ©ebiete ergänjt. 

Ob8&ques du Comte de Chambrun, Fondateur du Musee Social. 
1821—1899. Paris, A Rousseau, imprimeur-editeur. 

Revue Politique et Parlementaire. No. 62. Aoüt 1899. 6 e 

Anu4e, Paris, Armand Colin & Cie. Abonnement annuel. France: 
25 fres, Colonies et Union Postale: 30 fres.; le No.: 3 fres. 

Flugfdhriften ber beutf^en Bolfgpartei. 1. H^ft* Die Ber- 
faffunggreoifton in ©ürttemberg. Bon Dr. D. Saul. 37 S. — 
2. Hrf t: SDic Beteuerung beg Äleinhanbelg burch Umfafc-, 
Branchen-, F^ial-, Brrfonal- k. Steuern, fowie bie Sage beg 
Äleinhanbelg unb bie SRittel ju ihrer Befferung. Sfad^ einem 
Bortrag oon Stubolf Defer. Franffurt a./SR. 1899, 3. D. Sauer* 
länberg Berlag. 39 S. B re ^ H c f* eg 60 

Hainifdj, Dr. SRichae'I, Der Äampf untg Dafein unb bie Sojial¬ 
politif. Seipjig unb ©ien 1899, Franj Deuticfc. 75 S. 

Breig 2 Ui. 


II« Drudfftdfii oon Betumliitttgett, Beretnett je. 

Jrier. Berid)t über bie Berwaltung unb beit Stanb ber ©emciube- 
angeleaenheiten ber Stabt Jrier für bag Stedjnnuggjaljr 1898 
nebft Haugljaltgetat für 1898. Jrier 1899. 3acob Siup, Budj- 
bruderci. 

Ätarlgruhe. Stedjenfchaftgbericht über bie Ginnahmcn unb Sluggaben 
ber ftäbtifdjen Raffen für bag 3aljr 1899, Buchbruderei oon 
SRalfdj & Bogel. 


©ecantroortlt^ für bie ftebaftlon: Dr. den ft granefe in Serlin W v Saqreal^erftvage 29. 



1359 


1360 


©ogiale $raji«. Eentralblatt für ©ogtalpoütif. 9fcr. 51. 


©ie »>$*ttaU iJrari*" erfc^eint an jebem ©onnezStag unb ift bur# affe »uebbanblungen unb gSoftämter flJoiiaeitunflSnunimer 7072) 311 beaieben. ®«t 
für ba« ®iert<Iiaf)t ift 3H. 2,50. $ebe Kummer fofiet 30 $f. ©er Hnaeigenpreifl ift 60 $f. für bie breigefpoitene ^ctitaeile. 


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fdjäftigung im Sit* ober MuSlanbe. tfenittniß 
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X)ie Mölnifcbe 23olfägeituug 9fr. 317 fdjreibt: 
fßraf. ift febon 1874 in feinem Befannten offenen 

0enbf<breiBen an .f). o. Xreitfd)fe al§ eittfdjiebencr SBorfämpfer für 
bie fokale Reform aufgetreten. 3 U einer 3 ^it, mo bie öffentliche 
Meinung beit fogiakpolitifeben fragen nod) ratljtoS unb gerfabren 
gegenüber ftanb, bat er mit unbebingtem greimutbe 3 eugni& ab* 
gelegt für baS, maß er als „ba3 ^Berechtigte in ber heutigen 93e^ 
roegung be§ oierten 0 tanbeS" anfab- 3 « feinen Erörterungen: 
Weher einige Gnttthfragett hep ÄeiJjtesi nnh her Wolh?- 
toirthfdjaft gelangt er gu bem Ergebniffc: 3ebe uolföroirtf)* 
f^aftlidje Drganifation ift be^errfd^t oon groei Reiben relatio oon 
einaitber unabhängiger Urfacben. ^luf ber einen 0eite ftebeit bie 
uatiirlicb4ed)uifdjen Urfacben, roelcbe bie ältere 5ßationaI*De!onomie 
auäfdjließlicf) in’s 9luge gefaßt; auf ber anberen fielen bie au£ 
bem pft)d)oIogifd)*fittlicben £ebett ber Sölfer ftatnmenben Urfacben, 
bie mau bisher roobl ab unb 31 t genannt, aber nid)t fßftematifcb 
in ihrer SBebeutung für bie 9$oIf£roirtbfcbaft erforfd)t bat. 2 )ic 
Drgauifatiousfragen ber $oIf3roirtbfd)aft finb nicht bloß fragen 
ber Xedjuif, nicht bloß bureb natürliche, meebanifd) roirfenbe 
^'otengen beberrfdjt, foubern e3 fiitb eben fo febr fragen ber 
2itte unb be 0 Stedjteä, Ziagen ber ctbifdien Vebeiieorbitung. Xarum 
ift ec* falfd), bie roirtbidjaftlicben .panblungeit in ihren Jolgcit ate 
fittlicb inbifferent gu begeidjueu. Xic gange Vebre oom Egoismus 
al* ber Xricbfraft ber 9>olforoirtbfcbaft ift nichts al# eine hoben* 
lofe £berfläd)lid)feit unb ein roher 3Jerfud), fiel) mit bem 93 ebürfniffe 
einer pftjrf)ologifdjen ^cgninbuttg ber 9iationaI«Defouomie abgu* 
rinbeit. Xer fogiale Jortfdjritt beftebt im roefentlidjeit bariit, baß 
ba$ s 4 >nngip ber ©erectitigfeit VeiT rnirb über bie bloße 0 )emalt, 
baß s A>iad)t unb ^erbienft mehr mtb mehr gufammenfalleu, baß bie 
uatürlirijeu unb bie rittlidjeu Urfacben ber EiufommeuSucrtbeilung 
mehr unb mehr fidi beefeu. Xie oertbeilenbeEJcredjtigfeit ift baSleitenbe 

i'eraniiuiutli.l) für Me iMiijcig-ii : viiimuti) yktbd, ireipitj. — Verlag i 


^ringip ber fogialcn ^Reformen. Xaß oor nabegu 25 Sab«” folcüc 
0äßc, bie biä baljin im mefentlicben nur bie Vertreter ber ebriftlid}* 
fogialcn 9iicf)tuug, oor allem !sBifcbof o. Metteier, au$gcfprod)eu 
batten, nunmehr oon einem angefebeiten künftigen ^ocbfcbullebrer 
ber 9iational*Defonomie gnr roiffcnfcbaftlidjen Erörterung gebracht 
mürben, ift bas befonbere SSerbienft 0cbmoUer$, ber bem bamals 
bie ^olföroirthfcbaftölebre auafcblicßlicb beberrfebenben liberalen 
DefonomiSmuS bett Sebbebanbfcbub btitroarf unb eine halb fiegreicbe 
tuiffenfcbaftlicbe ©egenberoegung iit’S £eben rief, roelcbe ber beutfeben 
9frtionaI*Defonomic roicber eine fittlicbe ©runblage gab. ^arin 
liegt bie grunbfäßlid)e ^ebeutung ber 0d)moHer’fcben 0trettfcbrift. 
SSiele«, roaS ihr SBerfaffer bamafe Xreitfd)fe entgegnete, fauit inan 
beute allen benen entgegenbalten, roelcbe bie fogiale Reform be* 
fämpfen unb gum 0tüIftanb bringen roollen. 0djon au§ biefem 
Eiruube ift bie neue Verausgabe ber im iBucbbanbel oergriffenen 
0cbrift mit Stuben gu begrüßen. Scigegebeu ift eine febr gut 
orientirenbe 5lbbanblung 0d)moller’£ über bie Solf^roirthfcbaft, bie 
2klf3roirtbf<baft$lebre unb ihre s l)tetbobe au§ Eonrab’3 Vanb* 
roörterbud) ber 0taat§roiffenfd)aften unb bie afabemifebe Siebe, mit 
ber 0<bmoHer am 15. £ftober 1897 ba£ SReUorat ber berliner 
Unioerfität übernahm, ^er 0ammelbanb führt ben ©cfammt* 
Xitel: Weber einige ffiritnbfrageu her Äajlal-)9olitih mtb 
herWolk^tnirtlfdiitftplelire. (ßeipgig, Jumfer & Vumblot. 1897. 
^reiö 6 'Hc. 40 $f.) Senn 0cbmoller in feiner 9fcftoratörebe mit 
©cnugtbituug feftftellen fonitte, baß bie heutige Solf«roirtbfd)aftolel)re 
gu einer biftorifdjen unb etbifeben 0taat§s unb Elefcllfd)aft^-'iHuffaffuing 
im ©egenfab gntit 9iationaIi§miiö unb Materialismus gefommen 
unb aus einer bloßen Marft* unb Xaufdjlebre roieber eine große 
moralifd^politifdje SBiffonfdjaft gcroorbeit ift, fo ift feiner uiicrmiib- 
lieben Arbeit, bie roi|fenfd)aftlid)en 5lnfd)öuungen über bie 0ogial* 
s 4>olitif gu flärcu, ein itidjt geringer Xbcil biefeS Erfolges gugufdjreibeii. 

luucfei- ii pimiblot, iiciviif, — (icDrucft bet 3ultuS Sittcnfelb. SJerlin. 















vm. gabrgaitg. 


©erlitt, ben 28. September 1899. 


Hummer 52- 


Soziale ptari*. 

§entvamati für gjogiarpotifiü 

mit ber ÜERonatSbettage: 

Vas dtewevbegeviclit. 

©rgan lies Oerbartöes beutfcfyer < 5 en>erbegerid?te. 

«Reue gotge bet „Stattet für fojtote sprayt«* unb be« „©ojtalboltttfdjen CentralblattS*. 

ecf^diu « Kkm SMwnu«». #ecauSgeber: * tciä »»«m wau» * «• w w. 

«ebaltton: Sertin W„ Satiteutljetftra&e 29. Dr. «rn|t Brandt*. Serlag bon ®un«et & «mmbtot, Setpgtg. 


3 ttljnlt 


ßorporatioe Dtganifatiott oon 
Arbeitgebern uitb Arbeitern. 
Aegatioe unb pofitiöe ©emetfoerein«* 
politif VI. (©c&lufe.) ©on$iofeffot 
Dr.Sujo ©rentano, SRündjen 1361 

lUt ewetef u«b SMct*94*ftf • 

pMM .1368 

ßiete unb SBege einer Heimarbeit»* 
gefefcgebung. 

©et bapetiföe Hanbwerfertag unb 
bafl ©efefr juin be« Arbeit«* 

öerljältniffe». 

fReorganifation be» franaöfifäen £an* 
belÄmmifterium». 

©ngliftbe Arbeitet über amerifamfebe 
StrbeitöDerbältnifye. 

gfortfibritte ber teeibltdjen §abrif* 
infpeftion in ©eutfdjlanb. 
91rbeitßbeiratb in Oefterreicb. 

ftranmnuae 1371 

©er ©ranbenbutgifebe ©tübtetag. 
©tübtetag ber mittleren ©täbte 
Söaben». 

fttanfenberfidjetung bet Haußinbu» 
ftrieüen unb tfinbetfäufe für ©erlin 
unb spanfotD. 
kommunaler SRilc&Ijcinbel. 

*»*i*It 8#»ä«be .1373 

©ie Sage ber Hanbelßgeljül» 
finnen in Selpatg. $on Saum 
fttaufe, Seip3ig. 


©etgifäe HRinenftatiftif für 1898. 

©ie Arbeitßaeit in Hotlanb. 
granjbfifcbe Ärbeiterbelegationen auf 
bet SÖeltaußfteDung 1900. 

ttvbdtgete* unb Unternehmer* er» 


bänbe.1378 

©et ©eutfdje Atbeitgeberbunb für ba» 
©augemerbe. 

©om &apetenfabri!antenring. 

SCfbeftterbttuftnug.1378 

©emerlfdjaftßpolitif. 


©treifpoften öor @eri($t in ©eutfö* 
lanb unb ©nglanb. 

©efferung ber Sage ber Hanblung»« 
gebülfen. 

©et ©treit im ©teinmefrgemerbe. 

©er Außftanb bet Söergatbelter im 
©tauen’föen ©nmbe. 

©er ©erbanb ber ©(blü^tetgefeßen 
©etlin» unb Umgebuug. 

©treif bet Arbeitet für bie Sonnen¬ 
abfuhr in ©remen. 

KrbdterberlMiemua- ©P«r taffen 1380 
Aerjtlirfje ©enffdjrift jirr Äranfen* 
faffenftage. 

AltetSpenfion ftatt Armenüetfotgung 
in Sonbon. 

Urmenpffege .1381 

19. 3abre«oetfammIung be» beutfd&en 
©etein» für Armenpflege unb SQoIjl» 
tb&tigfeit. 

Slieradfdc ttnftdgen .1382 


Abbrud fömmtlicbet Ärtitel tft Bettungen unb ßettfäriften geftattet, iebo<$ nur 
mit ooüer Quellenangabe, 


W „©a» ©etoerfiogerUftt“, Organ ba» ©eebanbe» btuiffter mmmht» 
aeriibte» toirb beni 1. Ottaber btefe» Sabre« niibt mehr ber „«ojtalen 
©ragt»“ betgelegt. 


fiorperotioe ©rgauifatiim tum Arbeitgebern nnb 
Arbeitern. 


SMegatioe unb pofitioe ©eroerfoereinspolttif VI. (©cßlufj.) 

Sn ber §errenbauSbebatte über bie 9ieid)«tag8DorIage ginn 
<g<buß beS gewerblichen 2lrbeit8üerhältniffe8 f)at nad) ben3eitungen 
^Irofeffor ©djmoller gefagt, e8 »erbe eine 3 C 'I fommen, in ber 
man gar nid)t mehr oerfteljen merbe, roie man einmal 3lrbeit8« 
einfteüungen unb SluSfperrungen afe normale @inri<btungen gum 
Slu8trag oon Ülrbeitsftreitigfeiten gebulbet Ijabe. Slber er fcfjlief^e 
fidt) ber Sluffaffung be8 Dr. ßieber oodftänbig an: 3unäd)Jt fei 
eine Sleuorbnung ber ©trafparagrap^en nur biahitirbar in 3 U * 
fammcnbnng mü einer ^Reform be8 9IrBeiteroerein8red)t8 unb be8 


gefammten befteljenben Äoalitionered|te8. $ementfpredf)enb roanbte 
er fii gegen bie 3 u cfjt^cmSi»orlagc. 

Sßrofeffor gdjmoller [)at bamit nur bie ®eöanfen roiebcrfjolt, 
bie i^ 1872 be8 Sreiteren unb feitbem oft au8gefübrt Babe. ^ @8 
giebt feinen Stengen, ber in 2lrbeit8einfteIIungen unb SluSfper* 
rungen etroaS an fub ®» teä erbtiefte. ®8 ift mir noef) fein ®e- 
merfoerein8fübrer oorgefommen, ber nid)t roeit metir gejögert hätte, 
in einen ©treif einjutreten al8, nad) ben Sleußerungen be8 gürften 
SiSmard, 2 ) ®enerale in einen ffrieg. ©elbft bie ©ojialbemofraten 
ftehen bem ©treif prinjipieH ablebnenb gegenüber; fie fetten bann 
nur bie notfitoenbige Segleiterfdjeinuitg ber beutigoii anardjifdjen 
SBirtljfdiaftSorganilation: ja c8 fommt oor, baß fie bei einer eie» 
mentar ait8bredf)enben ©treifberoegung nur mitmadien, um ni<f|t 
burih Saubeit ober gar ®egnerf<baft gegen Seftrebungen jur Ser» 
befferung ber Sage ber Arbeiter in ber ®egenroart bie 3«bl ber 
Stnbänger für ihre roeitergebenben Sbeale ju minbern. ©o oer=_ 
tbeibigen benn atte, au<b bie energif(bften Sertbeibiger ber fioaü= 
tion8freibeit, biefe nicht, roeil fte ben ©treif tooHen: SRiemanb, ber 
in ifim ttirfjt ein Hebel fäbe, ba8 man möglid)ft oermetben müffe. 
SRiemanb, ber ibn nid^t bureb Seffere8 erfeßt ju feben roünfdjte. 
aae treten nur für bie SoalitionSfreibeit ein, roeil e8 bie größte 
Ungerecbtigfeit ift, roenn ben örbeitern bis biefeS ffleffere ba ift, bie 
ffoalitionSfreibeit nerfagt roirb, unb roeil jebe Drbnung, bie nid)! 
an bie ©teile oon oergleid)8toeife barmlofen arbeitsfämpfen 9feoo= 
lntion8oerfu<be feßen foff, bie Moalition8freibeit gur notbroenbigen 
Sorau8feßung bot- 

»ie mujj benn aber bie beffere Drbnung befdhaffen fein, roelcbe 
arbeitSeinftellungen unb au8fperrungen unnötbig gu macben 
DenttciQ ? 

3n aller ^oliti! ^at nur bie Drbnung ©eftanb, roeldje ftatt 
auf ©runb biofeer SSelleüaten oon Sntereffenten ober oon Vornan* 
tifem irgenb roeltfeer SXrt auf gebaut &u fein, ben Xfeatfacfeen ent* 
fpridjt. 

finb groei Sfeatfad^en, mit benen eine befriebigenbe fjfort* 
bilbung beS Slrbeit8oerfeältniffe8 in erfter ßinie gu regnen feat: 

1. $>a8©ebürfnife ber flrbeiterflaffe naefe ©Ieidjberedfj* 
tigung bei Slbf^lufe be£ Slrbeit^oertrageS. 2)ie ©efefe* 
gebung bat biefe ©leidjberecbtigung auggefproefeen, @e. SÄaieftät 
ber ^aifer b^t biefe ©leiibberecbttgnng in feinen ©rlaffen oom 
4. Sebruar 1890 auf« Seierlicbfte nochmal» anerfannt, aber mir frnb 
nod) roeit baoon entfernt, bafe fie in ben Drbnungen beS ßebenS 
praftifcb gur Slnerfennung gelangt roare. @S ift bieS ein Uebelftanb, 
ben bie Arbeiter mit SBitterfeit empfinben. 5)aS erfte ©rforbernife einer 
Drbnung, roeldje biefe $öitter!eit befeitigen fott, ift, bafe fee beim 
Slbfcfelufe bes Slrbeitsoertrage» bie Arbeiter in SlUem unb Sebem 
ben Arbeitgebern gleicbftelle. 

2. ®ie groeite ift, bafe in ben mobernen $robuf= 

tionSoerbältniffen bieSlrbeitsbebingungen ber grofeen 3Jtaffe 
ber mit SDurdjfcfeiuttSeigenfcbaften begabten Arbeiter 


*) Arbeitergilben ber ©egenroart II 263 ff. ©gl. auefe ^reufetfebe 
Sabrbücber, XXIX, ©ie @eroer!uereine im ©erbältnife gur Arbeit«* 

^ ^ ©e§anTen nnb Erinnerungen II 93, 253. 










1363 


@ogtale fragte. Gentralblaii füc ©ogialpolitif. SRr. 52. 


1364 


nicßt rneßr inbioibuelle, foitbcrn gemcinfaute finb, ja baß 
bie mciften Arbeitsbebingunaen anbere als gemeiitfante gar nicßt 
meßr fein fönnen. 3d) ßaoe fdjon 1872 ausfüßrlicß bar* 
gelegt unb meine bamaligen Ausführungen eü"i in biefem Sa^re 
in einem Vorträge 3 ) über ben „Scßuß ber ArbeitSroilligen" roieber* 
ßolt; ieß braune um fo meniger barauf gurüefgufommen, alö baS 
bort Dargelegte einem jebeit mit ben gütigen ^robuftion^ocrtjälts 
niffen Vertrauten non felbft fief) aufbrängt. Die Arbeitgeber be* 
ßanbeln bei Veftimmung ber roteßtigften Arbeitsbebingmtgen, unb 
gmar notßroenbig, i^re Arbeiter regelmäßig als ©efainmtßeit. 

Ans biefen beibeit Dßatfatßen, ber Gleichberechtigung ber 
Arbeiter beim Abfcßitß beS ArbeitSoertrageS unb ber ©enteinfam* 
feit ber in biefem feftgeftellten ArbeitSbcbingungcu für bie große 
Vtaffe ber Arbeiter eines ©eroerbcS, ergiebt fieß mit SRotßroenbigfeit 
bie golgc, baß bie gemeinfam Sntereffirten baS Vecßt ßaben mü|fen, 
ihre Sntereffen gemeinfam 311 beratßen, als ©efatntntßeit mit ihren 
Arbeitgebern guoerßanbelit unb ihre ibentifeßen Sntercffen gemein* 
fam geltenb gu machen. Dicfe gemeinfamcit Arbcitsbebiugiingeu 
biirrf) ©ingelocrtrag groifeßen beut inbioibueden Arbeiter unb feinem 
Arbeitgeber feftfeßen taffen, ßeißt nidjts AnbereS, als bie Ve* 
bingungeit, roeleße biefer, nermöge feiner Ueberlcgeitßeit, ben 
Scßroäcßften unter ben Arbeitern aufnötßigen fann, gu ben Ve* 
bingungen Ader maeßen. Das allein i'ogifcße unb allein Sacß* 
entfpreeßenbe ift bie fodeftioc Veßanblung oder fragen groifeßen 
Arbeiter unb Arbeitgeber. 4 ) .Meine Veuorbnmtg beS Arbeite* 
oerßältniffeS fann Vefriebigung febaffen, bie nicht auf bem Sßrittgip 
ber fveftfledung ber Arbeitebebingungen mit ber ©efammtßcit ber 
Arbeiter, bie fie angeben, beruht. 

Veit einer ©efcmimtßeit fann man aber nur oerbanbeln bureb 
ißre Vertreter unb baS Vorbanbenfein non Vertretern feßt eine 
Crgauifatiou ber ©efammtßeit uorauS. llnb fo gelangen mir gu 
ber Votßroenbigfeit einer Drbnung, bei ‘ber bie Arbeitsbebingungen 
uon ben Arbeitgebern mit ben Vertretern ber Arbeiter, für roeleße 
bie Arbeitsbedingungen gemeinfam finb, oereinbart merben mtb bie 
Orgaitifationen ber Arbeiter bie (Garantie für bie Veadjtung ber 
oereinbarten Vebingungcn bureß bie Arbeiter übernehmen. 

Allein gerabe hiergegen erhebt man VMberfprucß. Vknn bie 
Arbeitgeber "ftatt mit bem ©itigelucn mit ber ©efammtßeit oer* 
banbeln, ocrlieren fie gerabe baS lleberacroießt beim VertragSfcßluß, 
nermöge beffen fie beut Arbeiter bie Vebingungen gn biftiren im 
Staube finb. Daßer begegnen mir als erfter Scßroierigfeit ber 
Weigerung ber Arbeitgeber, mit einer Vertretung ihrer Arbeiter, 
ftatt mit ihren Arbeitern eingeln, gu oerbanbeln, baßer jener 
Tarnung ber Arbeiter, ihre Freiheit unter baS ooeß ber Drganifation 
gu beugen, bie, ba fie ben Arbeitern feinen ©inbruef gu maeßen 
pflegt, ßßließließ in bem uuerbetenen Scßnß ber „ArbeitSioidigen" 
fulminirt. Die Weigerung, mit Vertretern ber Arbeiter gu oer* 
ßanbeln, pflegt übrigens oerfeßiebeue GntmicfelungSftabicn bureß* 
gumaeßen. 3 uer ft ift fie am rabifalften. Vfan meigert fieß, jeglicße 
Deputation, felbft roenit fie lebiglicß aus Arbeitern bcS eigenen 
VetriebeS befteßt, gu empfangen; bann erflärt man fieß bereit, gmar 
mit einer Deputation ber eigenen Arbeiter gu oerßanbcln, nicht 
aber mit einer Deputation ber Arbeiter beS gefammten ©eroerbcS; 
: baS nädjfte Stabium ift, baß tnan fidj gmar ßiergu bereit erflärt, 
aber nur, menn bie Vertreter ber Arbeiter fämmtlicß nod) mirflicße 
Arbeiter int ©eroerbe finb, ober man leßnt es ab, Vertreter -gu 
.empfangen, menn biefe gleicßgeitig tßätige Vtügüeber geroiffer 
Varteien finb. ©tibließ gelangt mau gur (Sinfidjt, baß, ba ntd)t nur 
Könige, 5 ) fonbent aueß Arbeitgeber felbft, Verßanblmigcn mit 
fremben Agenten nicht oßne gefcßäftlicßen Veiftanb gn füßren 
pflegen, aueß bem Arbeiter baS Gleiche gu ißuit geftattet fein muffe; 


3 ) 8er ber Arbeitswilligen. '-Berlin istro. Verlag ium 

Vconlmrb 2 Union. 

4 ) 3d) liabe bie logwlic mib fadilidic Aotbmenbigfeit bei folleftiuen 
Vertragcddiliifei bereits 1S72 ansiiiljrlid] bargelegt imb begriinbet unb 
iduui banialv bie oben im Irrte bnfiiy gebraudueu Ausbrüde gebraucht. 
(Vgl. Arbeitergilbeu II 22 fi.» 'Bie 11 n id) bies gegenüber einer An* 
merfung in bem Vudie Industrial Deinocracy by Sidney <!fc Heatrice 
Weid» vol. 1 p. 173 beruorbebe, geidiielu bics lebiglid), meil biefe Vc= 
merfung geigt, bau bie Vertaiter meber ben 2. Vaub meiner Arbeiter* 
gilben, nod) meine Einleitung gum 45. Vaub ber Sdjrifteu bes Vereins 
nie 3 0 ginlpolaif geleien Imbeu. B2enn trophein nidjt nur ihre Ans* 
Mlirmigeu, »ouberu oielfad) and» ihre Ausbriiefe mit meinen Darlegungen 
über fellcEtioei Verliaubelu unb über Ddtiebsgeridite in ber .»Tyaiiptfadte j 
iilureinltiiiuncu, fo hart idi bariu, bai; unabhängig uon meinen lluter= 
uidimigen jene io fadjoefftäubigen Autoren und) io langer eit unb uadi= 

bem io oiel neuer 2log lungugefounueu, mit mir übereiufiimmen, iool)I 
einen Bemeiv für bie r){ iditig tr it meiner Darlegungen erb liefen. 

■') Vgl. Vismant, «'»ebanfeu mtb oruiitertiugen, II s»i. 


ba| biefe Verßanblungen um fo fießerere ©arantieen eines längeren 
SricbenS böten, je nteßr bie llnterßänbler baS oolle Vertrauen 
beseitigen, bie fie oertreten, befäßen; baß es nießts DßöricßtereS 
geben föntte, als fogenannte Agitatoren oott biefen Verbaitblunaen 
auSgufcßließen unb nießts MlügereS, als gerabe biejenigen, mefeße 
bie ©rgebniffe einer Verßanblung burd) ißre Agitation in fjrage 
gu fteflen im Staube mären, ittbern man fie gu Dßeilneßmern an 
biefen Verßanblungen macht, an beren ©rgebniffe gu binben. VRatt 
gelaugt gu ber ©infießt, baß groifeßen bem ©efcßäftSfüßrer eines 
ArbeitgeberoerbanbeS unb bem Scfretär eines ©emerfocreinS boeß 
nur ber Untcrfcßieb befteße, baß 3 ener oft ben geßnfadjen ©eßalt 
beS leßteren erßält, baß, menn bie eine Partei bie Verrccnbuttg 
besohlter Sacßmalter für fieß in Anfprucß nimmt, ber ©egenpartei 
baS Gleiche nicht oermcigert merben fann, unb guleßt geftatten fieß 
fogar beibe V a ^ c i e n, reguläre Aboofaten beim Abfeßluß ißrerVer* 
träge mitgubringen unb für fieß eintreten gu laffen. 3 ^ rafeßer 
biefe oerfeßiebenen (^ntmiefclungSftabien bnreßlaufett merben, befto 
guträgließer ift es ber balbigen ©rreießung friebließer 3 ufiönbe; 
beim bie Weigerung, mit ben mirfließen Vertrauensmännern ber 
Arbeiter als mit beren Vertretern gu oerßanbeln, ift eine ber 
ßäufigften Urfaeßen erbitterter ArbeitSfämpfe. 

Allein, mirb man eititoenben, gerabe baS folleftioe Verßanbeln 
ber Arbeiter mit ißren Arbeitgebern führe gu jenen großen ArbeitS* 
ftiUftänbeu, bie Alle beflagen. Sie ber ©efcßäftsinßaber gu oer* 
faufen fieß meigere, menn ber^imbeben ^reis nicht gaßlen mill, unter 
bem jener nicht glaubt, oerfaufen gu fönnen, fo ftedten bie Arbeiter 
gemeinfam bie Arbeit ein, menn bie oon ißren Vertretern gefteHten 
3 orberungen nicßt angenommen mürben. Unb fein 3 ro cifel, es 
liegt bicS in ber Vatur ber Dinge! Da bie ArbeitSbebingungcn 
für bie Vtoffc ber Arbeiter gemeinfam finb, ift es bie notßmenbige 
Solge, baß ba, mo biefe Vebingungen ungenügenb finb, aueß bie 
Seigentng, fie anguneßmen, gleicßgeitig ftattfinbet. AQein eS ift 
eine gefeßidhtließe Dßatfaeße, beiß Arbeitseinteilungen meit ßäufiger 
finb, roo bie gemeinfamen Arbeitsbebingungeu ftatt mit Crgani* 
fationen ber Arbeiter oereinbart gu merben, ben Arbeitern einfeitig auf* 
erlegt merben. £)ören mir bariiber bie Royal Commission on Labour 6 ) 
oon 1894: „V3enn in einem ©emerbe beibe Parteien ftarf organifirt 
unb im Vefiße beträeßtließer finaitgieller VUttel finb, fann eine 
ArbeitSftreitigfeit, menn eine foleße ftattfinbet, einen febr großen 
Umfang erreidien, feßr lange bauern unb feßr oiel fofteu. Allein 
mie ein moberner .Mrieg gmijeßen gmei großen europäifd)en Viäcßten, 
fo foftfpielig er ift, ein ßößereS Stabium ber (Sioilifation bcbcutet, 
als bic fortroäßrenben Iofalen Kämpfe unb ©rengüberfeßreitungen, 
roeleße 3 c ü c n »nb Räubern mit meniger ftarfer mtb meniger 
eentralifirter Regierung eigentßümließ finb, fo crfcheint im ©angen 
ein gelegentlicher großer Arbeitsfampf, ber naeß langer fyriebenS* 
bauer anSbrtdht, als miinfeßenSmertßer als fortroäßrenber örtließer 
$>aber, fortmäßrenbe ArbeitSftillftänbe unb fleine 3wiftigf«ten." 

Vor Adern aber ßat fieß aus biefen Kämpfen groifeßen Crgani* 
fation unb Crganifation eine cioilifirtcre Vtetßobe gur ©rlcbiguitg 
ber Sntereffenoerfeßiebenßeiten ßerauSgebilbet, bei ber bie VUigließ* 
feit eines .MautpfeS nuitmcßr bie Vode fpielt äßnließ ber, roeleße 
ber tfrieg bann fpielen mürbe, menn alle 3 n^reffenDerfeßiebenßeiten 
groifeßen Völfcrn bureß SeßicbSgerießte begließen mürben, nätnließ 
bie 9fode einer ultima ratio, menn mittelft beS ScßiebSfprud)S eine 
Vergeroaltigung ber einen Vartei bureß bie anbere oerfueßt mürbe; 
eS fittb oieS bie fogenannten StßiebS* unb ©inigungS* 
fammern. 

3u biefen ScßiebS* unb ©iniguugSfammern ßanbelt cS fieß um 
etwas oödig VerfeßiebeneS oon ber Dßätigfeit unferer ©emerbe* 
gerießte. Diefe finb in ißrer Spßäre oortrefflid); aber ißre Spßäre 
ift eine anbere. llnfere ©eroerbegerießte haben barüber gu be* 
fiitben, maS bie Vebingungen eines bereits abgefeßloffenen ArbeitS* 
oertragS für einen eingeilten Streitfad bebeitten, unb ob biefe 
Vebingungen in einem einzelnen ?}ad erfüdt roorben finb ober 
nicßt. Darüber fönnen intelligente Vcrfoneit jebmeben VcrufeS ent* 
fdjeibeu, menn fie unparteiifcß finb; eS fontmt baßer nur barauf 
an, biefe Unparteilichkeit gu fießern unb beiben Parteien bie lieber* 
geugung oon ißr gu oerfeßaffen. AnberS bei bem ScßiebS* unb 
©iniguiigSoerfaljrcii. -V)ier gilt es, bie Vebingungen eines erft ab* 
gufißließenben Arbeitsoertrages fcftguftellcn. Das ift nicht bloß 
eine Sad)e ber llnparteilidjfeit; aud) nidjt bloß eine Sad)e be^ 
guten Viillen-j; bic fcftguftellcubeu Vebingungen müffeu ber Viarft* 
läge, beit ©riftciigbebingiiugeu mtb ber .Mottjunftur ber Arbeit* 

*’,) Fifth and final report of the Royal Commission on Labour, 18-14, 
C. 7421 p. 36. Vgl. Sdiriiteu b. V. i. Sogialpol. 45. Vaub S, LXXIII 
biv LXXVIII. 



1365 


^ojtalc Prajts. ©entralblatt für ©ojialpolttif. 9h. 62. 


1366 


acber unb ber Arbeiter entfpred)eu; 311 foldjer geftfteÜung finb 
Berfonen affein im ©tanbe, welche als Sntereffenten baS betreffcnbc 
©ewerbe in allen feinen ©ingelßeiten, Abfaß* unb ArbeitSoerbältniffen 
aufs ©enauefte fennen. daher benn 3 . 33. itnfere beutfd)eu ©e* 
Werbegerichte oöüig un 3 ulänalid) finb, als ©d)icbS* unb ©iuigungS* 
fammern ju bienen, fobalb fie einmal baju in einem ©ewerbe be* 
rufen werben follten, welkes betn auswärtigen Wettbewerb aus* 
gefefet ift. 7 ) 

Sn ©nglanb, wo baS moberne ©chiebS* unb ©iuigungS* 
©erfahren ftd) hiftorifd) entwicfelt §at es folgenbe feljr Ie|r* 
reiche ©ntwicfelungSftufen burdjlaufen. 

Auf ber erften beftanb bic ©chiebS* unb ©ittigungSfammer 
aus gleid) oiel Vertretern ber Arbeitgeber unb Arbeiter beS ©e* 
werbes, in bem ber ©treit ftattfanb, welche jufammenfamen, um 
in freier Beratung auf ©ruitblage oollfommener ©leithberedjtigitng 
bie Arbeitsbebingungen für einen beftimmten fommenbeit %t\U 
raum für ein ganzes ©ewerbe in oerfchiebener lofaler 33 egren 3 ung 
feftsufteUcn. die Vertreter ber Arbeiter würben nicf)t non beren 
Drganifationen gewählt; beim noch war bie Abneigung ber Arbeit* 
geber gegen folcf)e Crganifationeit nicht gaitj überwunben. ©ie 
würben 001 t ber ©efammtheit ber Arbeiter beS in Srage fommenben 
©ewerbeS unb SBejirfS gewählt; thatfächtid} waren eS aber ftetS 
bie Rührer ber Arbeiterorganifationen, bie fo gewählt würben, 
die durchführung einer getroffenen Vereinbarung beruhte auf frei* 
williger Unterwerfung. 

AIS baS ©d)iebS* unb ©inigungSoerfahren auf bie großen 
nationalen Snbuftrien Anwenbung fanb, trat eS in fein ^weites 
©ntwicfelnngSftabinm. An bie ©piße beffeiben fteUte man einen 
Unparteiifchen unb wählte ba^u mcift einen nid)t jum ©ewerbe 
gehörigen h erü orragenben ©taatSmann ober Snriften. Vtit unb 
neben ihm bilbeten je jwei ooit beit Arbeitgebern unb Arbeitern 
gewählte ©chiebSrichter, bie meift felbft 3 U bem ©ewerbe, unb 3 war 
oft fogar 3 U ben ^Betrieben, in beneit ber ©treit ftattfanb, gehörten, 
baS ©tf)iebSgerid)t. die Parteien erfdjienen in bem ©<hiebsgerid)t nicht 
mehr als Vtitbefdjlicßenbe, fonbern als Kläger unb 33eflagte nnb 
führten ihre ©ad)e mit all ben üblichen .^Hilfsmitteln unb in ben 
Sormen eines Pro 3 effeS. Von biefem ©d)iebSgerid)tc würben bie 
prin 3 ipien für bie Drbituug beS ArbeitSoerhältniffeS für beftimmte 
3eit ober bis 3 ur ttiinbigung feitenS einer ber beiben Parteien 
feftgefteüt. ©ine weitere Neuerung war, baß nunmehr bie Drgatti* 
fationen ber Arbeiter als beren Vertreter oon ben Arbeitgebern 
off^ieÜ anerfannt würben. die beiberfeitigen Drganifationcn als 
foldje wählten bie ©chiebsricßter unb oertraten ihre Sntereffenten 
oor bem ©d)iebSgeri<hte. desgleichen brachten fie ben getroffenen 
©ntfdjeib mit ihren HülfSmittcln gegenüber ihren Vtttgltebern 3 ur 
Anwenbung. 

33ei biefem 3 weiten ©tabium beS ©d)iebs* unb ©inigungS* 
ocrfahrenS ftcüte fief) aber baS Solgenbe h er anS. die großen 
Arbeitgeber 3 Ögcrten, einen dheil ber daten, bie 3 ur Fällung beS 
'©rf)icbSfprud)S unentbehrlich waren, ben oon ben Arbeitern ge* 
wählten ©djiebSrichtern oor 3 ulegen; nur ber Unparteiifche erhielt 
baoon Menntniß. die Solge mar, baß eS auch unmöglich würbe, 
einen ©djiebsfprud) in ber Weife 3 U er 3 ieleu, bah bit oon ben 
Parteien felbft 3 U ©cßiebSrichtern gewählten Perfoiten fich einigten; 
ber oon biefeit gewählte Unparteiifche mußte in jebein ©in 3 elfaüe 
beit ©tichentfdjeib geben, daburch änberte fich auch bie Noüe ber 
übrigen ©chiebSrichter: aus ©d)iebsrid)tern würben fie 3 U Partei* 
anwälten, welche bic Anfprüche ihrer Sntereffenten oor bem ©d)iebs* 
richter oertraten; ber Unparteiifche würbe 311 m einzigen ©cßiebS* 
rießter. ©0 führte alfo bie ©utwicfelung 3 U einer ©e|taltung, wie 
fie ähnlich ben Anhängern beS fo^ialpolitifchen AffefforiSmuS als 
bie miinfcßcnSmertbefte oorfeßwebt, bah nämlich ein Beamter nach 
Anhörung beiber Parteien bie Arbeitsbebingungen feftfteKe. 

Unb ber ©rfolg? 9)?an muh unterfdjeiben. ©S giebt Ve* 
fdjäftigungen, bei benen ber 3 a htnngSfähigfeit ber Arbeitgeber 
feineSwegS eine ©rense burch bie greife ge 3 ogen wirb — fei eS, 
bah h^r Preiserhöhungen 311 ermöglidjen finb, fei eS, bah fahr 
ho|en ©ewinnften baS im ©ewerbe fteefenbe Kapital nicht 3 urücf* 
ge 3 ogen werben fann. Sn anberen ©ewerben führt bie Unfähig* 
feit, für hohe wob erhöhte £ößne in ben greifen ©rfaß 3 U finben, 
31 t fofortiger ©ittfeßränfung beS Betriebs. 3 U öen erfteren ge* 
hören oieie 33efchäftigungen für lofale 33ebürfniffe, wie bie ber 
Hafenarbeiter, ber dratnbahn* unb ©ifenbahnbebienfteten, ber 
Arbeiter in ©asfabrifeit u. bgl. 3 U ^en auberen gehören bie, 
welche ber auswärtigen ilonfurren 3 aitSgefeht finb. Sn ben 23e* 

7 l 3?gl. meine hierauf bi' 3 iigltche jitriti! in ben ©djrifteu b. 3?. f. 
©o 3 iaIpoi. 3?aub -15 3. XLff. 


fchäftigungen ber erfteren Art ift baS ©d)iebS* unb ©inigungS* 
oerfahren mit einem ©emerbsfremben als Unparteiifchen erfolgreich 
gemefen; in ben Snbuftrien ber jweiten Art ift es 3 ufammen* 
ebrochen. die Aufgabe beS ©djtebs* unb ©inigungSoerfahrenS 
efteht nämlich bariti, auf bem Wege ber Unterfuchung aller ber 
Momente, welche ben SJ^arft beeinfluffen, 3 U bemfelben ©rgebniffe 
3 U gelangen, 311 bem ohne fein da 3 mifd)entreten bie Parteien nach 
langwierigen ArbeitSfämpfen gelangen würben, das AuSfd)lag* 
gebeitbe füllten fomit nur bie 9Kachtoerhältniffe ber Parteien fein, 
wie fte fich au ^ ber ^onjunftur, bem ©tanb beS ArbeitSmarftS 
unb ber ©tärfe ber Drganifationen ber Parteien ergeben, diefe 
93erhältniffe richtig 3 u erfennen, ift, wie bie ©rfahrung 3 eigt, ben 
auherhalb beS in Srage ftehenben ©ewerbeS ©te$enbcn nicht ge* 
geben. Shre ©ntfdjeibungen hoben fich baher nur als hoWmr 
geseigt in ©ewerben ber erfteren Art; in benen ber sweiten Art 
nur bann, wenn bie Unparteiifchen $u Ungunften ber Arbeiter 
irrten. Wo eS 3 U Ungunften ber Arbeitgeber gefchab, haben bie 
mit bem ©chiebsfprud) un 3 ufriebenen Arbeitgeber fid> ihm 3 war 
unterworfen, aber alsbalb banach geftrebt, burch einen neuen 
©chiebsfprud) bie 33efriebigüng ihrer burch bie Sßarftlage beredh* 
tigten Anfprüche 3 U erlangen, ober, wenn fie fid) für längere 3 c ü 
oerpflichtet hatten, haben fie ben betrieb gan 3 eingeftellt. 

dies bie ©rfahrung in ©nglanb. droh berfelben unb trofe ber 
einbrucfSootlen Ausführungen beS dürften PiSmarcf über ben 
AffefforiSmuS glauben aber noch immer Piele bei uns, bafe eS ber 
beutfd)en 33ureaufratie möglich fein würbe, was in ©nglanb Männern 
oon aUererfter geiftiger unb praftifd)cr Befähigung wie ©ir SWupert 
bettle, äorb derbp, £orb plapfair unb Anberen unmöglich ge* 
wefen, nämlich für unfere mobernen Sabuftriebetriebe bie ArbeitS* 
bebingungen autoritatio feft^ufefeen. 

Sn ©nglanb ift bie Solge ber erwähnten ©rfahruuaen ge* 
wefen, bafc heute feine ber beiben Parteien oon biefer Art beS 
©chiebS* unb ©inigungSoerfahrenS mehr oiel miffen will. 8 ) die 
Arbeitgeber lehnen fie ab, weil fie ©efahr laufen, bafe ArbeitS* 
bebingungen feftgefteüt werben, welche fich, als ber Btarftlage nicht 
entfprcchenb, unburchführbar erweifen; bie Arbeiter, einft bafür be* 
geiftert, betrauten fie mit Argwohn, ba bie ©rfahrung ihnen ge* 
3 eigt hat, baft bie ©d)iebsfprüd)e nur beachtet werben, wenn bie 
©ntfeheibungen ihnen, ähnlich ben richterlichen ßohnteftfehungen 
beS 18. Sahrhunberts, weniger 3 ufpred)en, als He itad) öfonomifchen 
©runbfähen beanfpruchen fönnten. Sn ben Snbuftrien, in benen 
bie Sohnhöhe oon ben preifen abhängig ift, ift baher eine britte 
Art oon ©chiebS* unb ©inignugSoerfahren an bie ©teile beS 
©chiebSfprucheS burch Unparteiifche getreten: bie Negotiation. 
Hierbei finb es bie Führer ber beiberfeitigen Drganifationeu, 
welche auf bie wirthfchaftliche Ntad)t, welche biefen innewohnt, ge* 
ftüfct, über bie Ntarftlage mit einanber oerhanbeln unb biefer ent* 
fprechenb bie Arbeitsbebingungen feftfteüen. dabei finbet fich mit* 
unter eine braunen ftehenbe perfönlichfeit als 33 orfifccnber ber ge* 
meinfamen SSerhanblungeu. Allein ihre Sunftion ift weit entfernt 
oon ber eines ©chiebSrithterS: fie hat bloft bie Aufgabe, bie par* 
teien 3 ur SSerhaublung auf freunbfchaftlidjein gufee 3 ufammeit* 
3 ubringen unb bie 33erhanblungen formal 311 leiten, dabei bringt 
eS biefe gegenfeitige AuSfprad;e ber Qiihrer ber beiben Parteien 
regelmäßig mit fich, baß eine gan 3 e An 3 ahl oon ©treitpunften oon 
felbft im Saufe ber Berljanblung ihre ©rlebigung finbet. die ©treit* 
punfte, bie bleiben, pflegen bann in ber Weife erörtert 3 U werben, 
baß eine jebe ber beiben Parteien in einem befonberen Nauine 
beräth, bie Proportionen unb ©egenpropofitionen ber anberen 
Partei hi^ entgegennimmt, beräth unb beantwortet, unb nur baS 
©nbrefultat ber Berathungen in gemeinfamer ©ißung feftgefteüt 
wirb. Wenn biefeS ©nbrefultat erhielt ift, finb bie ©emüther unb 
©eifter burch bie oorauSgegangene S3erathung fo weit oorbereitet, 
baß es als ber unoermeib!id)e AuSgang oon beiben Parteien hin* 
genommen wirb. 

daher benn bas neuefte englifdje ©efeß über ©chiebS* unb 
©inigungSoerfahren, ber Conciliation Act oon 1896, fich baranf 
befchränft, baS HanbelSminifterium 3 U ermäd)tigen, im gaüe einer 
ArbeitSftreitigfeit Urfachen unb nähere Umftänbe ber ©treitigfeit 
feft 3 ufteÜeu. ©S barf als greunb beS griebenS fo weit intcrocnircn, 
baß eS beiben 311 m Srwöen geeignete Nathßhläge ertheilt. SaÜs 
ein Unparteiifcher gewünfeht werben fottte, barf eS einen folcßen 
ernennen, ©üblich, faüS beibe Parteien es wünfehen foüten, baß 
bie ©treitigfeit beS Weiteren in ber Sonn eines ©d)icbSoerfal)rcnS 
behanbelt werbe unb baS HanbelSminiftcrium einen ©djiebSrid)ter 
ernenne, barf baS HanbelSminifterium biefem Wuitfdße cutfpredjeit. 


8 ) 'Bgl. Webb, Industrial Democracy I. 225 ff. 






136 * 


^ogtale $rajt$. Gentralblatt für 6ogtalpolitif. Ar. 52. 


1367 


So ift eine gemeinfame Drganifation t>on Arbeitgebern mtb 
Arbeitern entftanben, roelrf)e, ftatt ben groiftbeit beiben befteljenben 
Sntercffengegcnfaß oerroifd)en 311 roollen, auf ber Ancrfcnnung beS* 
felben beruht, aber eben beS^alb biefen weit eher 311 iiberroinben 
oermag, als gcroiffe glätte non gemeinfamen Drganifationcn, roeldje, 
inbem fie unroirFlid) baS leugnen, roaS unbeftreitbar ift, nur 311 
einer Ueberoortljeilung ber 0 cf)amtieren führen mürben. ®iefe 
neue gemeinfame Drganifation, meit entfernt, bic befonberen Dr* 
ganifationen ber beiben Stdereffenparteien gu ignorireit, ift auf 
biefen aufgebaut unb f)at beren %iftenj gerabegu 3 ur VorauSfeßuitg. 
Dbne fold)e fönnte fie gar nicht fuuftioniren. 

Allein eine Aerf)tSbcftimmung erfdjeint Angefid)tS biefer ge* 
meinfamen Drganifation als eine Anomalie. D>ie ^Durchführung 
beS ejemeinfam Vefd)loffenen beruht auch in Gnglanb noch ^eute 
lebigltcf) auf ber ©eroalt, roeld)e eine jebe ber beiben Sntereffenteu* 
organifatiotten tf)atfcicf)lid) über ihre Viitglieber bat. Ao<b immer 
ift eS rechtens, baß jebetn £b e ilnebmer an $rcis* unb Dol)n* 
oereinbaruugen ber Arbeitgeber unb Arbeiter ber Austritt non 
folgen Vereinigungen ober Vcrabrebungen ohne Weiteres frciftel)t 
unb aus leßtercn rneber Silage noch Ginrebe ftattfinbet. Aod) 
immer alfo fanit jebeS arbeitSroiHige 2öerf ober jeber arbeitSroiHigc 
Arbeiter bureb Weigerung, ficb bem groifd)en beiben Drgaitifatio* 
rten Vereinbarten 3 U fügen, bic s Birfung ber Vereinbarung in 
grage fteHen unb an Stelle beS griebens einen neuen KrtcgS* 
3 uftanb benrorriifen. Auch biefe (Gefahr fann nur befeitigt, auch 
hier fanit eine befriebigenbe Drbnuitg nur gefcbaffeit merben, roenn 
bas SRecbt anerfennt, tnaS tbatfätfjlid) ift, nätnlid) baß es bie Dr* 
ganifationen beiber Sntereffenteu finb, roeld)e für ihre Vtitgliebcr 
ben ArbeitSoertrag abfcbließen. 23cnn biefeS ber gall ift, erfdjeint 
eS auch naturgemäß baß fie bie Haftung für bie Vcadjtung beS 
ArbeitSncrtrageS bitrcb ihre Vtitgliebcr gegenüber bem VHtfontra* 
benten übernehmen. 

-Das ^ringip ber Solibarbaft für bie Durchführung ber 
Vebingungen beS ArbeitSnertrageS ift baS Korrelat beS SßringipS 
ber follefttnen Vereinbarung ber ArbeitSbebingungeu. Damit bie 
Drgaitifationen biefe Haftung übernebmen fönneu, ift eS aber 
unerläßlich, baß bie eingelneu Viitglieber ber Drganifationcn and) 
restlich gebunben feien, bic Verträge, bureb roeldje fie ficb unter* 
einanber oerpflidjtet buben, ficb ben gemeinfatn oereinbarten VreiS* 
unb L'obnbcbingungen 3 U unterroerfen, 3 U halten. Das gortbefteben 
jener AecbtSauomalie, roelcbe biefen Verträgen bie Aed)tsuerbiitb* 
liebfeit abfpriebt, roirb gu einer praftifeben llnmöglid)teit, ja einer 
fo 3 ialeu Öefabr. 3tn ©egentbeil: es muß duSbriidlid) aus* 
gefprocbcit merben, baß ArbettSbebingungen, melcbe Drgauifatiouen 
oon Arbeitgebern ober Arbeitern für ihre SDtitglieber ocreinbart 
haben, für Diefe recbtSoerbiublicb finb. 

©eroiß mirb auch baitacb biefe getneinfame Drganifation oon 
Arbeitgebern unb Arbeitern nod) feine ibeale fein. Aocb immer 
bleibt Die Vtöglicbfeit, baß bie beiben Drganifationeu nicht 311 einer 
Vereinbarung foinmen, unb noch immer muß bann ben Arbeitern 
bas Aedjt 3 uftebcn, bic Arbeit eituuftellen, ben Arbeitgebern bas 
Sfecbt, bie Arbeiter aüSgufperren. <so lange bie erfterc Vtöglidjfeit 
beftebt, mürbe bas gebleit biefer Rechte Sflaoerei unb Vermögens* 
fonfisfatiou bebeuten. Gleroiß baber, baß auch bie 3 ufuitft noch 
Gntroirflungen biefer gemeinfamen Drganifation gu größerer Voll* 
fominenbeit bringen roirb. V$ie fie enblidj befebaffen fein mirb, ob 
äfjnlid) jener oott einem ber größten englifrfjen Arbeitgeber, bem 
oerftorbeiten Sir George Glliot^), oorgefdjlageiten Drganifation oon 
Kartellen, in bereu VerroaltungSratb neben ben Vertretern bes 
orgauifirteit Kapitals bie Vertreter ber Arbeiterorganifationcn unb 
Staatsbelegirte als Vertreter beS KonfumenteuiutereffcS fißen, ober 
äbnlid) mie bie Birmingham Trade Combination, oon ber 
G. S Smith im „Daih) Ghronicle" oom 7. ganuar 1898 berichtet 
bat, ober in irgenb einer aitberen V3eife, rocldje burd) eine bc* 
febranfte Sbciluabme ber Arbeiteroertretcr an ber Verwaltung 
Ointereffenfämpfe gmifd;eu Arbeit nnb Kapital ausfd)ließt, mer oer* 
mag es uorbergufagen! GiiteS ift fid)er: Die SuFunftSorganifatioii 
mirb ihre Aufgabe um fo beffer erfüllen, je liugefiörter man fie 
fid) in Anpaffuitg an bie befonberen Vebiirfuiffe ber einzelnen Ge* 
merbe aus bem Vebeu heraus felbft ciitmirfelii laffen mirb. 

Aiir uns in Seutfdilaub Ijanbelt es ficb über nod) uid)t um 
foldie 3ufunftstnufif. Leiber fteifen mir nod) am Anfang 311 
einer and) nur ber englifdjen äbnlid)eu gemeinfamen Drganifation 
oon Arbeitgebern nnb Arbeitern, liniere Aufgabe fann nur fein, 

\l Vgl. meine hieranr be’.iigliitiiMi Aiiviiihnmgeu in ber >ianell= 1 
bebaue De* Wiener Moiigreue^ bev Verein« uir 2opalpö|itif im j 
vMibre ls!>4. i 


burd) Vefeitigung ber §inberniffe, meid) einer glcid) gebeifjlicfjeit 
Gntmicflung im VScge fteben, unb oor Allem bureb Serbin bem 11 g 
neuer Grfd)roerniffe ihr beu V.'eg gu ebnen. 

Als er ft es VHttcl erfebeint unerläßlich, ba& bas Verfpred)en 
beS 9teicbsfanglerS eitblid) erfüllt nnb jene Verbote, rooitad) in 
einzelnen oeutfdjcn Staaten Arbeiteroerbänben gnr 
Vcffernng ber ArbeitSbebinguitgen als „politifd^en Ver* 
einen" bic Verbiitbung unter einanber unterfagt ift, im 
gangen bcutfd)cn Reiche befeitigt merben. Aur bann föitnen 
fiib bie ©eroerfoereine gu mabreit nationalen Korporationen ber 
Arbeiter eines unb beffelben VerufeS entmicfeln. 

3meitenS erfd)eiut mir ein GJefeb nötig, roclcbeS bas 
geltenbe GJefeß über 03emerbegericbte, fomeit fid) beffen Ve* 
ftimmnngen auf GinigungSocrfabren begießen, befeitigt nnb 
neue Veftimmungett an beren Stelle fehl, ^abei müßte man fid) 
aber hüten, eine beftimmte gönn beS Sdjiebs* unb Gtniguiigs* 
oerfabrettS oorguid)reiben. GS mufj bie s Di'öglid)feit befteben, biefe 
gorm ben befonberen Verl)ältniffen eines Wcmerbes angupaffen. 
GS mürbe oorläufig genügen, roollte man in einem GJefepe dfjnlirfi 
bem ehglifeben Couciliation Act oon 1896 beit Vcbörbeu bie Viög* 
lid)feit geben, in ArbeitSftreitigfciten gu interoeuiren. 

(Sin britteS Vtittei märe, roenn bie ©emerbeorbnung 311 m 
AuSbrucf brächte, bafe bic ©efejjgcbunjj bie Regelung ber 
ArbeitSbebingungeu burd) bie beiben Sntercffcnten* 
organifationen als guläffig unb binbeub anfäf)e. bem 
3mecfe müfete ber § 152, Abfaß 2 ber Wcmerbeorbnung befeitigt 
merben unb ber § 105 folgenberma&en lauten: 

„Xic geftfetumg ber Vcrl)ältniffc gmifd)eu bni felbfiftänbigen (üe* 
merbetreibenben unb ben geroerbiidjru Arbeitern ift, oorbehalilid) bn 
burd) Acid)*gefcp begri'mbeteu Vefdjräufungen, (iJegenftanb freier lieber 
eiufunft. 

/f l5ine foldie llebereinfnuft fann nidjt bloß gmifdien einzelnen 
merbetreibenben mtb eingellten Arbeitern, fonbern midi gmifdien eingeliien 
flficrocrbctrcibcnbeu ober .Horporatiouen oon hJemerbetreibcnben imb 
Korporationen oon Arbeitern rediivoerbiublidi abgefdiloffeit merben. 

„Vio immer eine Korporation oon Arbeitgebern ober Arbeitern 
bie Arbeitvbebiuguugeu für ihre Viitglicbcr oercinbart, haftet bao Kor* 
poration*oermögin für bie lirfiillung biefer Arbeitcdiebingungeii feitnis 
ihrer einzelnen .W'itglieber." 

Gtiblid): ber § 153 ber (^emerbeorbitinig müßte lautcir. 

„V 4 er e* unternimmt, burd) Anmenbung förperlidiett oionitgs ober 
burdi Drohung mit .{laublungeu, gu bereu Vornahme ber Ihätcr nidit be= 
reditigt ift, Arbeitgeber ober Arbeiter gur ^lieilnahme an Vereinigungen 
ober Verabrebungen, bie eine (Sinmirfimg auf Arbeit** ober Voim* 
ocrliältniffc begmeden, gu beftimmen ober uoit ber ^licilitabme an fohlien 
Vereinigungen ober Verbiiibimgen abguljalteu, mirb uad) Viaßgabc ber 
Veftimimmgen be* beutfdieu Strafgefeßlmdjs über förpcrlidien ^mang 
unb Drohung beftraft." 

Xräte au Stelle ber unfeligett Vorlage ginn „Sd)uß bec- ge* 
merblid)en ArbeitsoerbältniffeS" ein Oiefeb, rcelcbeS biefe Ve* 
ftimmuitgcn eitll)ielte, fo märe batnit bie beute nod) fehfenbe SRcdus* 
gleid)beit ber Arbeiterflaffe mit ben übrigen (SJefellfdjaftsflaifen unb 
insbefonbere ber ArbcitSoerfäufer mit beu ArbcitsFäiifcru gnr 
Wahrheit gemad)t. GS märe batnit ferner eine Drbnuitg bes 
ArbcitsoerbältniffeS gefdmffcn, meld)e unferen tt)atfäd)lid)cn heutigen 
S ^robuftionsocrl)ältniffeu eutfpräd)e. Gs märe bamit bic h)runb* 
läge gelegt für eine Aera mahreit fogialen griebenS unb groß 
artigfter Kraft* unb V?ad)tentfaltung itnfereS beutfeben Vatcrlänbes 
ttn Simcrn mie uad) Außen. 

München. Dujo Vrentano. 


Allgemeine Sojlnl- nnb BittyftyafepolttUL 

3 iele unb Söege einer ^etmarbeitSgefe^aebnng. Gin 0011 
I)r. G. 2d)roieblaub beut öfterreid)ifd)en §aubelSmtnifterium er* 
ftattetes Ghitaditcu über „Siele nnb Vkge einer ^eimarbeitsgefoß* 
gebung /,:jl ) t'ommt um fo geitgemäßer, als biefe grngc burd) bic 
iieucfteu ^liblifatiouen bes Vereins für Sogialpolitif and) in 
Deiitfcblaub mieber in ben Vorbergrunb bes Sntcreffcs geriieft loorben 
ift. D)er Vcrfaffer ift unfern De fern aus mehreren Äuffäbeit über 
bas Dbcma moljl befauut, unb mir begnügen uns baljer jeßt mit 
einem fingen ftiuiocifc auf fein Vud). Sn einem etiileitenben 
Dheile behanbelt Sdjmieblanb bie Gpodicn ber Verlagsarbeit, bereu 
Gutftebeii in ber Wcgcuioart, ihren llrfpriing unb bic Voraus* 
fetmiigeu ihrer Gutmüfeluug, beu Vegriff unb bie gönnen ber 
Verlagoinbnftrie. Aad)bem ber Autor'fo fein Arbeitsfelb’ abgefteeft 
hat, gel)t er bagu über, burd) eine furge ^arftefluug ber (Kefd)idite 

) V^ien Vcimi'idie mtb U»iiHTfitei 1 *biidjhaub 1 img. 



1339 


©ogiale $rajiö. Eentralblatt für ©ogialpoltüf. Rr. 52. 


1370 


ber Verlagsinbuftric mähreitb bcS 17. unb 18. 3af)rfjiuibertS bie 
S^otfjiücnbtgfeit einer Regelung ber mobernen Heimarbeit gu ent* 
mitfelit. Auf gefeplide Regelung ber Hanäinbnftrie bringen mit 
Radbrucf jene Sabrifanten unb 2$3erfftattmeifter, benen non ©eiten 
ber Verleger eine ftonfurreng ermädft, fomie bie burd) beit 2Sett* 
beroerb ber ^Berlag^inbuftrie bebrängten Arbeiter biefer gabrifanten 
unb Äteingcroerbetreibenben. SDenn ber Verleger geniest im 33er* 
gleite mit einem 28erfftattmeifter alten ©dlagcS ober gegenüber 
einem gabrifanten manche ber VetriebSform ber VertagSarbeit 
inneroohnenbe erheblide Vorteile, als ba ftnb t)ergleid)öit»eife 
Riebrigfcit beS gum betriebe erforbcrlidjeti kapitales fomie ber 
23etricbSfoften unb bie Abmälgung bes RififoS finfenber Äonjunf* 
turen. 3m ^pgicnifdjen Sntereffe ber Ä'onfumenten fomrnt gunächft 
aKerbings metjr eine Regelung ber grogftäbtifcfjen Heimarbeit, 
beS fogenannten „©dwipfpftemS" ober „©ipgefcllenmefens", als 
ber länblidUofalifirten VerlagSinbuftrie gu ©tanbe. 

Als Rüttel gur Regelung ber Verlagsarbeit burd Efcfcpgebung 
unb ©elbftpülfe unterfingt ber Verfaffer ihre Regiftrirung, bie 
AitSbehnung ber Arbeitcroerfiderung auf bie VerlagSarbctt, bie 
Aufgaben ber ©anitätSpoligci in 2Bol)nung unb V3erfftätte, bie 
öicengirung ber Arbeitsstätten unb bie lorporatioe Drganifation 
ber Heimarbeiter. X)ie „Ausheilung beS 5Xrbeit@fd^ufee^ auf bie 
HauSinbuftrie", ein ftänbigeS ^oftulat ber Arbeiter unb ©ogial* 
polittfer, ift eine gorberitng, melde fid ans betn Vringipe beS 
ArbeitcrfdupeS felbft ergiebt — nic^t blofi aus Rücffidt auf bie 
Heimarbeiter, nein, auch aus SWücffid^t auf bie bem gefepliden 
Arbeiterfdupe unterftettten ^ßerfonen. £)enn folange bie Verlags* 
inbuftrie in ben 5Xrbeiterf(f)u(j nicht einbegogen i)t, fönneu 33er* 
fif)ärfnngcn beS ©djnpeS ber Arbeiter in 3nbuftrie unb Hanbmerf 
gerabegu bie V>eitereutmicfelung ber nngefepüpten Verlagsarbeit — 
biefer oon allen organifirten Arbeitern befämpften VetriebSform — 
förbern. Rad Erörterung ber entgegenftehenben ©djmierigfeitcn 
werben eine Reibe pofitioer Vorfcplägc gemacht unb bereu Jwecf* 
nuifiigfeit unb Xurdfüprbarfeit begrüubet. giir bie möglidfie 
Eiufdräitfung ber Heimarbeit, bie im 3ntereffe bes fogialen öort* 
fdjritts gu miirifden ift, palt Verfaffer bie Rtarfirung paus* 
inbuftrieller Ergeugniffe (oergl. Rr. 43 ber „©ogialeu ^rajis" 
©p. 1137) für mirffamer als ein generelles Verbot ber Heim* 
arbeit, bas für i^n inbisfutirbar, ober ein Verbot ber pauSiubuftrielleu 
Herstellung bejtimmter V>aaren. Hiergu konnten öffentliche Körper* 
fdaften unb namentlich auch Monfumocreine als haarenbefteller 
beitragen. Ein rooplgcorbneter ArbcitSuadrocis fönnte manden 
Jfabrifanteit ocranlaffeu, auf bie Arbeit ber Siefenncifter gu uer* 
gid)teit : Enblid) mürbe bie H au ^i n ^ l, fi r i fc ' bnrep bie Errichtung 
non Eentralmerfftätten ihres EparafterS entflcibct unb in baS 
Sabriffpftem übergeführt merben. 

3» einem Anhang giebt ber Verfaffer eine lieberficht über bie 
ejufdjlagente ©efcpgebimg folgenber ©taaten: £)entfcheS Gleich, 
©djueig, Englanb, Rcro Vjorf, RiaffndnfettS, Riarplanb, Vennfpl* 
uanieit, 3XIinoi^, Acro*3erfep, 0hm, 3nöiana, Aeufeelattb, Victoria. 
^iefeS^ Material ift burd feine Vollftäubigfeit befonberS mertpooll. 
^)ie ©djrift ift als eine 3 l M a mmenftellung ber mefentlidjen in 
biefer Srage in 33etrarf)t fommeuben ©efichtspuufte, über bie eine 
meitoergmeigte unb gerftreute Sittcratur oorliegt, gu begrüben. 

^Der bapertfdie H a »^toer!ertag unb baS ©efe^ gum ©ihu^ beS 
StTidtSöerhäftmffeS. 3Son günftlerifchen .Streifen tu 'JDh’inchcn mar 
in le^tcr 3eit eine ftarfe Agitation für eine ftunbgebung gu (fünften 
beS drbcitSmilligengefebeS betrieben roorben, unb obroohl man fid) 
in ntandjen 3nnungeu unb ©emerbeoereinen (fo in SBolfenbüttel 
unb Bresben) ben 33ebertfen einer bamit oerbunbenen raeiteren 
33erfd)ärfung beS EieaenfaheS gmifefien s Dceiftern unb (behülfen nid)t 
nerfd)lüfi, h a ^ c ber 3>orftanb bes baperifdjeit H an ^merferbunbeS 
bieS £f)ema hoch auf bie SageSorbnuug bes 16. allgemeinen 23er* 
banbstages in SLMirgburg gefefet. ^er Referent fdfiug eine 9?e* 
folutioit oor, bie ben oerbüitbeten Regierungen ben £anf für bie 
23orlage auSfpridjt, bebauerb baft bie SDtehrheit bes ReidjStageS fich 
ablehnettb ocrhalten habe, unb forbert alle £mnbmerfer auf, bie im 
Umlauf befinblüfie Petition gu uuterftü(}en. 2luS ber 23crfantm* 
lang mürbe jebod) bagegeu ber lebhaftefte Siberfpruch laut; ein 
Bericht ber „.Stöln. 23olfsgtg." fd)ilbert bie Debatte folgettbermafien: 

©djreiitcnuciftcr ?lbert rli'iirgbuvg): Sollen and) mir bie ©egenfäbe 
gmi[d)en Arbeitgeber unb *nebmer nodj oerfdtärfen? ^ebenfeu ©te, bafj 
bie gegetnuärtige föcfengebnug oöllig genügt, mentt man fte vidjtig an* 
menbet, melde 2?eifpieic aber jetu fdjon uorlicgeu, mie mcit ein foldj 
aency ©efeb fiibren mürbe Rebticr erflärt fid) als entfdjiebcner (Gegner 
aller AuSfabiuegefebe. (lebhaftes 23raoo.) Wehen mir biefeit Scg, fo 
entfremben mir uns and) bie guten uns nodj anhängeiibcu Arbeiter unb 
merfen fie ber ('H-ofünbiifirie unb ? ogialbcinofratic in bie Arme. (2?vauo!) 

Monbitor 'trernharb (Sürgburgi: ^uvrij bie ^lnlulfausoorlage mirb 


fein 2d)ub bes Hanbmerfs, fonbertt bas gerabe ©egentbeil bemirft. 
Semt mir aber jept bie Hanb gu einem foltfjen unerhörten Wefcpe 
bieten, bann merbeit bie Arbeiter, melde jept noch gu uns ftefjen, mit 
Wemalt ins 2agcr ber ©ogialbetnofraten getrieben. 3d bitte ben ®c[ep= 
eutmurf mit Unmilieu gurürfgumeifen. EBraoo.) 

Reidjs* unb ?aubtagsabgeorbneter Naumann (Eentr.) hatte gehofft, 
bafi auf einem Hunbmerfertag bie $olitif aus bem Spiele bleibe. 
l^Braoo!) Rieht bie fatholifchen Arbeiteroereine haben bas Eentrunt gu 
feiner ©tellungnahnte getrieben, fonbern unfere eigene oollfte lieber* 
geugung. 3d mte meine gange Partei merben, mie ich hoffe, and) bei 
ber gmeiten Öefung ebcitfo eiuftimntig bagegen fttntmen. Xie gred)hcit 
bei rutsftänben ift allerbings oft fchr grofi, aber mit AuSnahntegefepeu ift 
hier nid)ts gu erreichen. 2Ü$enn in gmetter Scfung etmaS 33 eff eres geliefert 
mirb, maS fein Ausuahntegefep ift, bann läfit fich eher bariiber reben. Aber 
für eine 3ud)thausoorlage ftnb mir nid)t gu huöen. (SebljafteS 23rauo.) 

6d)ilb (Aibling) erflärt, baS Wefep fei fo gmeibeutig, bafi es 
morgen gegen bie, meldje es heute gerufen, oermanbt merben fönne. 
Es märe beffer gemefeit, menn biefes Wefep nid)t auf ber XageSorbnung 
geftanben hätte. Er fteüc baljer ben Antrag, ben $unft nod) freimiüig 
guriirfgugiehen. (93raoo!) 

23orfipenber Ragler: Es ift bie ^flirijt bes 'öunbesoorftanbeS, alle 
brennenben fragen auf bie Xagesorbnung gu fepen. 2i$ir fönneu ber 
Regierung banfbar fein, menn fie uns fdjiipen miß. Es ift ja nur ber 
Eruubgebaufe, ben mir oerlangeit. 

Auf biefeit ,,©runbgebanfen" gog fid) auch ber Referent, nach* 
bem, aufier einigen H erreit au ^ München unb Rüruberg, alle 
Rebner fich gegen ben EtUrourf auSgefprodjen Ratten, in feinem 
©chlufimorte gurücf: Rcan moÜe ja nicht bie „3u<hthauSporlage", 
fonbern etmaS SBeffereS. Slein AuSnahmegefep, nur ©dup bes 
HanbmerfS. 3n biefetn ©inne ftimmte ihm bie Rlehrheit gu, menn 
auch jept noch e i nc 9*°f3 c Dppofition bemerfbar mar. danach ift 
alfo mit bent 33efd)Ixtfe beS baperifchen H a nbmer!ertageS feine 23ro* 
paganba für baS ArbeitSroilligengefep, mie es beim Reichstag ein* 
gebracht ift, gu machen. 

Reorgattifattott beS frangöftfdett HattbelSmiittfitertttmS. Xer 

Rtinifter Rtillcranb hat eine Reoräanifation beS HanbelSminifteriumS 
burdjgcfübrt, melde oerfudt, alle bie gemcrblid)e Arbeit betreffen* 
ben Xienftgmeige gu uereinigen unb fo in gemiffem ©inne bie Er* 
rid)tung eines felbftänbigeu ArbcitSiniuifteriumS oorgubercitcn. 5Die 
23eranlaffung gu biefer Reform lag in ben fd)on feit 3ah^n at^ 5 
gefprod)enen 2öünfd)cn ber Arbcitermelt; ber unmittelbare Anftofi 
fam aber oon ber nothmenbig gemorbenen Einridtung einer 
Eentralbefjörbe für bie neue Uiifaßoerfiderung. bisher mar bas 
frangöfifdc H an frelSminifterium in oier X)ireftiotten gegliebert: 
1. $crfonal unb tednifdeS llutcrridtSrocfen; 2. Hanbei; 3. Wc* 
roerbe unb gemerblide Arbeit; 4. Arbeitsamt. £)aS leptere, bent 
aud bie Rührung ber allgemeinen ©tatiftif unb 23olfSgählung 2 c. 
oblag, führte ein giemlid unabhängiges iafein. Rad) ber neuen 
23erfügung mirb bie brittc Xüreftion in groei neue umgeftaltet, fo 
bafi eine felbftänbige X)ireftion für geroerblide Arbeit 
entfiept. X)aS Arbeitsamt mirb ifir unterstellt. 2llS fünfte uttb 
neue Abthciluug mirb baS EentraloerfidßrungSamt angealicbert, 
baS fid gleidgntig mit allen übrigen Anftalten fogialer Sorfidt 
gu befdäftigen hat- ®tcfe Umformung bes H an ^ e l § winifteriumS 
mürbe ohne Vermehrung beS ^ßerfonals unb ohne Erhöhung beS 
VubgetS burdgeführt. 

Emglifde Arbeiter über auterüanifde ArbeitSöerhältuiffe* £>ie 
amerifanifchen ArbeitSoerhältniffe erfahren im „Amalgamated En¬ 
gineers Journal“ eine Vcleudtung, bie begeidnenb für ben praftifden 
©inn ber englifden Arbeiter ift. Riit Vepagen gitirt es ben AuS= 
fprnd eines amerifanifden ©driftftellerS, um gu bemeifen, rcopin 
bie amerifanifde Freiheit bes ArbeitSoerhältniffeS (freedom of 
employraent) führe. XaS freie fogiale Öeben, morauS in Amerifa 
ber öortfdritt entftanbeu ift unb meldeS nod) baS fiebenSelcment 
feiner inbuftriellen Entroicfclung bilbet, fdmiebe langfam baS 3n* 
ftrumeut feiner eigenen Vernidtung. X)ie 253erfftatt unb bie H°nb* 
bebienuitg ber Rlafd)ine mirb ber ©flaue ber automatifd arbeiten* 
ben Rlafdine unb ber ©dablone. Äeinc Abmed)felung in feiner 
Arbeit, feine Entmicfelung feines EeifteS, fein ^mrtfdritt in feinen 
Erfahrungen. H^ er tnüffc Abhülfe gefepaffen merben. X'er Rleitfd) 
fei in 2Birflid)feit ber midtigfte Xetl einer Riafdinenmerfftatt unb 
bie Ration merbe am beften fahren, melde bas ©tubium, bie 
2Bot)lfahrt bes Rlenfden gu förbern, mit ber 23erbefferung iprer 
tednifden AuSrüftung oerbinbe. Unb in biefer Vegiepung fepc es 
in Amerifa böfe aus. X>eutfdlanb ftepc bariit oiel beffer ba. Xer 
amerifanifd)e Arbeiter glaube, feine Serujapre burepmaden gu 
brauden, unb roähreub er feinen politifden Sctifd anbete, fei er 
inbuftriell an H°nb unb gufi gebnnben. Es fehle ihnen baS ©oli* 
baritätSgefül)l unb bal)er bann bie unbefonnenen grofien ©treifs, 
bei benen oon ©eite ber Arbeiter mit X)pnamit, uitb oon ber 



Sogtale $raji3. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. 52. 


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1372 


©egenfeite mit Militär gefämpft roerbc. hoffentlich begännen bie 
ainerifanifcpen Arbeiter gu begreifen, was eine hohle falfd^e „trium* 
ppirenbe Xemofratie" ihnen bringe unb eS fcpwänben hoffend 
lid) halb bie SÖnfionen berjenigen, welcpe in ber politifepen ©leicp* 
heit bie ^anacee für bie jovialen Hebel erblicften. Xic politifche 
©leidjpeit in Atnerifa fei in ber Xpat eine ^qramibe, bie auf ihrer 
Spipe ftehe. Alan fönne nur auf bie 3 u ^ ur *ft hoffen. Xie ameri* 
fanifdjen Smprer fehienen auch lieber nach Scpottlanb ober Xeutfcp* 
lanb übergufiebeln; Xcutfcplanb höbe wcfentlicpe fyodfepritte in ber 
Aerbcfferung ber fokalen £age ber Arbeiter gemacht, bie Arbeiter 
tnüftten aber noch alte ©ewopnpeiten ablegen. Xie internationale 
Aotpwenbigfeit roerbe bie Uebergeuguitg zeitigen, baft bie wirfliepen 
Albern ber ©efunbpeit roth finb — unb nicht im Reifen, fonbern 
im gleifcp — unb baft bie Summe aller ©efunbpeit eines CanbeS 
barin befielt, fooiel roie möglich ooflathtnige, peiläugige unb per* 
gcitSfrope Alenfcpen gu fchaffen. 

S ortfdjritte ber Weiblichen ftabrifiufpeftton in Xeutfdjlanb. 
aben pat Alinifterium beS Innern in ben Staats* 
ooranfchlag für bie Sabre 1900 unb 1901 baS ©epalt für eine 
Affiftentin ber gnbrifinfpeftion einfteüen Iaffen, unb bie weibliche 
Snfpeftion wirb fomit oom 1. April 1900 ab, fpäteftenS oom 
1. 3uli ob, eiitgefübrt werben. 

So entfcplieftt fiep ein Staat nach bem anbern gur (Einführung 
weiblicher ©ewerbebeamten. Aad) kapern, Reffen, Weimar, Aubol* 
ftabt, Württemberg, folgt nun 93aben. Aucp in Sachfen ift man 
gu biefem Schritt entfepfoffett, unb in Sßreuften ift wenigstens ber 
AiHberftanb gegen bie Heranziehung weiblicher HülfSfräfte gur 
llnterftiipung ber ©ewerbeaufficht gertnger geworben. 

ArBeitSbeiratp in Defterreuh. ®ie nädjfte (fünfte) Sipung 
bcS ArbeitSbciratpeS finbet am 30. September ftatt; in ihr wirb 
^rofeffor Dr. Alifcplcr ben SBericpt bes gur SBeratpung ber gefcp* 
liehen Regelung ber ArbeitSoermittlung eingefepten AuSfcpuffeS 
erftatten. (Sn Xeutfcplanb f epeint bie Mommiffion für Arbeiter* 
ftatiftif gang gur llntpätigfeit oerurtpeilt worben gu fein: Seit 
Aooember oorigen 3<ipi*3 h fl t fie feine Sipung abgchalten, weil 
bie AeicpSrcgierung fie nicht einberufen hot.) 


ftontttttntale Stojfalpoiitlb. 

et gfranbetrimrgifdje Stäbtetag, bem oon ben 136 Stäbten 
ber s $rooing 112 angehören, befchäfhgte fiep auf feiner SSerfamm* 
lung in $otsbam (18. unb 19. September) u. 91. auch mit fogial* 
politifdieu fragen, lieber bie Aerficperung ber ©emeiuben gegen 
ihre H a ftpflid]t (wegen Mörperoerlcpung, ©efunbpeitsfdjäbigung, 
(EigentpumSfcpäbigung, auch bei Aufrupr) hotte Aürgcrmeifter 
Amfer*£anbsberg a. 3B. einen gebrueften Aeridjt erftattet. Xer 
Aorftanb würbe ermächtigt, mit einer prioaten ©efcllfchaft einen 
Vertrag abgufcplieftcn, woburep bie bem Stäbtetage angepöreitben 
©emeiuben gegen alle SdjabenSerfapanfprüdje aus ber gefcplicpen 
Haftpflid)t ber" ©emeinbeu oerfiepert werben. Auf baS Aed)t ber 
©emcinbcit gur Abwcifung Aeuangicpenber uitb AuSwcifung Unter* 
ftüpter machte SBiirgermeifter 2Bolf*Spanbau nadjbrücflid) aufmerf* 
(am; baS ©ctneinbewopl oerlange gewiffenpafte Prüfung ber 3n* 
güge unb oerftänbige unb gerechte Aeuupung ber AusweifungS* 
befugnift. Sn ber längeren (Erörterung würbe biefer ©runbfap im 
AJcfentlicpeu gebilligt. — (Eine (Erörterung ber Scpulargtfrage, bie 
auf ber XageSorbnung nicht oorgefepen war, führte Aürgenneifter 
Sefler*Aranbenbnrg burep bie (Empfehlung perbei, Sd)ulärgte unb 
gwar in erfter Aeipe in ben Aolfsfcpnlen ber Sabrifftäbte angu* 
ftellen, unb bereu Xpätigfcit nid)t fowopl in ber ärgtlicpeu Aepanb* 
luiig ber Miubcr als in ber ^rophplaje gu fuepen. Xie Aebner, 
baruuter ber Aorfipeitbe beS StäbtetageS, Cberbürgermeifter 
Dr. Abolpp*ofranffurt a. £., fd)loffen fiep im Allgemeinen biefer 
(Empfehlung an; bie iloften bes Scpulargtes würben fiep bnrd) 
Aerminberung ber Armenpflege begaplt maepen. ©inftimmig würbe 
fdilieftlicp folgenbe (Erflärung gut geheimen: Xcr Stäbtetag erfenut 
au, baft bie Aufteilung oou Scpulärgten für bie gefunbfteitliihe 
©utmicfeliiug unferer Aeoölterung oon großem 2Bcrtpc ift unb 
empfiehlt baper ben Stäbten ber Arooing Araubciiburg, mit ber 
Aufteilung oou Sdjulärgten oorgugepeu. EUiittpeilungen über bie 
Sortfdjritte ber Schulen für fehmaepbegabte Miuber unb bie (Ent* 
wicfeluitg ber Miilfsfcpulen mad)te Stabtfd)ulratp Dr. Aeufert* 
©harlottenburg. Xanacp gab es im oergangenen Soprc fdjou in 
- r )'J (heute in über HO) Stabten foldje Hnlfsfchulen mit 2« »2 Mlaffeu 
unb 4300 Miubern. Xie X?eitfäpe bes Aeferenteu empfehlen allen 
Stäbten über 20 000 (Einwohnern bie (Einrichtung meprftufiger 
Miilfsuhiilen für fdjwacpbegabte Miuber unb oon Aachpülfeflaffeu 


für normal befähigte £inber, bie ans irgenb einem ©runbe in ber 
klaffe niept mit fortfommen. Alle Minbcr, bie uaep gwei S^P^n 
aus ber untersten 9SolfSfcpulflaffc wegen ittangelnber Begabung 
nicht oerfept werben fönnen, finb einer Untcrfudjung bepufs Auf* 
napme in bie $>ülf^fcf)nle gu unterwerfen. Solche Min ber finb 
möglicpft ein ober gwei Sopre über bas fcpulpflidjtige Alter pinauS 
in ber HülfSfcpule gu beiaffen; für bie ©ntlaffcnen pnb ^ort* 
bilbungsfurfe etnguriepten. Xie Mlaffenfrequeng gepc in einfhtfigen 
HülfSjdiulen niept über 12 hinaus, bei brei* unb meprftufigen niept 
über 20 begw. 25. Trennung ber Minber naep ©efcpledjt unb 
Religion fei nid)t erforberlicp. Xie fieprer folcper Sdpulen be* 
bürften befonberer päbagogifdper SorbereitungSfurfc. Xic 35er* 
fammlung piep biefe Öeitfäpe gut. — 3^ einem furgen SSortrage 
über bie ©efapren ber 35erfcpleppung oon Mratifpeiten für ben 
Mranfen wie feinen ÜBerfepr forberte 0ber*93ürgermeifter itölpe* 
Spanbau bie Stabtoerwaltungeu auf, bapin gu wirfen, bafe Sie 
Mranfenfaffen auep foId)e Mranfen unterftüpen, bie ipre Mranfpciten 
(feyuell ober fottftwie) felbft oerfcpulbet paben. 3» Spanbau tpuii 
baS oon ftebett Mranfenfaffen bereits fünf. 

Stäbtetag ber mittleren Stabte 8abeu$. Xer 35orftanb bes 
StäbtetageS ber mittleren Stäbte Habens, bem jept 47 Stäbte an* 
gepören, ogl. Soprgang VII, Spalte 1195, erstattete einen feprift* 
licpen Xpättgfeitsbencpt für baS Sopr 1898/99. Xanad) pat fiep 
baS babifdpe Atinifterium gu ben 9£ünftpen ber Stäbte auf mög* 
lidpfte ©ntlaftung iprer Söürgermeiftcr oon ben UnfaHunter* 
fuepungen unb auf ftaatlicpe llnfalloerfidjerung ber fteuer* 
wepren woplwollenb gefteüt, bagegen eine ben fleinen Stäbten 
giinftiaerc Raffung ber Seftitnmungen über bie ©runbbncpfüprung 
abgelepnt, beSgleicpen bie llcberweifung eines XpeilcS ber ftaatlidjcii 
SiegenfcpaftSoerfcprS*Abgabe (2 l /2 % bei jeber ©runbbefipoeränbe* 
rung); ber ginangminifter fagte inbefe bie (Erwägung ber Jyrage 
gu, ob niept eine Steuer auf ben fog. M'onjunfturengewinn als 
©emeinbefteuer einfüprbar fei. Xcr ©unfep naep einet Xifferen* 
girnng ber Angehörigen ber unterften Mlaffe ber lanb* unb forft* 
wirtpfdmftlicpen llitfalloerricperung gur (Entlaftnnq ber fleiuften 23e= 
triebe pat eine Abweifung bei ber lanbwirtpfdpaftlicpcn Berufs* 
genoffenfepaft unb bem entfprecpenb eine nur oertröftenbe Antwort 
beim Dlinifterium gefunben. Xie orbentlicpe SoprcsoerfammCuu^ 
beS StäbtetageS wirb fid) am 2. Dftober gu (Ehcrbacp mit ber 
3öciteroerfolgung ber bepanbelten fragen (SBerfaffungSreoifion, 
Unfadoerficperung ber geuerwepren, 35oügugSorbnung gum Japr* 
nipoerficpcrungScjefep) unb mit ber Unfaßoerfidjcrung ber ©enteinbe* 
beamten befcpäftigen. Hier foß wie bei ber §aftppid)tDerfid)erung 
gemeinfam oorgegattgen werben. Xen Hauptpeil ber SSerpanblungen 
werben orientirenbe SSorträge über bie neue bürgerliche ©efep* 
gebung unb beren Honbpabung einneptnen. 

^ranfenPerficpermtg ber HauSrabaftneflen nnb Minberfcpup für 
^erlitt» 9Bie langfam fiep bie utoberne fogialpolitifcpe Auffalfung 
in oieleit norbbeutfepen ©emeinbeoertretungen — mit eingclncn 
rühmlichen Ausnahmen — gum 95erftänbmfj burepringt, um au 
bie Auerfennung noep gar niept gu benfen, pabeit wir wieberpolt 
feftfteßen muffen. Berlin, bie AcicpSpauptitabt, giebt baoon er* 
neute SBelege. Am 21. September befpraepen bie Stabtoerorbucten 
bie ^ofcp^fl AiagiftrateS, worin biefer bie ©enepmigung beS 
oon ber ©ewerbebeputation oorgelegteu DrtSftatutS liber bie 
Mranfenoerficpcrung ber HoH^inbuftrieÜen ablepnt, aber naep gwei 
Sapren biefe Srage wieber in (Erwägung giepen gu woüeu an* 
fünbigt; es ftepe ja bemnäepft eine reid)Sgefeplicpe Regelung ber 
3?ragc gu erwarten. 3o ber (Erörterung würbe barauf pingewiefeu, 
bap eine Aeipe oon Stäbten, fo Möln unb Xiiffelborf, bas reieps* 
gefeplid)e SSorgepeu niept erft abgewartet patten, fonbern oon ber 
SBefuguift gu folcpen Drtsftatuten, bie ihnen bie MranfenocrfidjeruitgS* 
nooelle gegeben habe, ©ebrauep gemaept hätten. Anbcre warteten bie 
(Entfcpeibuug ber Hauptftabt ab, in ber es fiep hierbei um eine 'ü'obl* 
tpat für ruub 100000 s Dienfd)en hanbele. Cbwopl bie Arnienbireftion 
unb 27 DrtSfraufenfaffen f. 3- bie Sad)e befürwortet,weigere fiep ber 
Ai a gilt rat. Xie Angelegenheit wirb einem AiiSfd)u6 iiberwiefen, 
hoffentlich bieStnal mit befferetn (Erfolge beim Acagiftrat als bisper 

Xiefelbc Sipung brachte eine (Erörterung über bie gewerbltdie 
Acfdmftiguug ber Sdinlfinbcr im Aufcplufe an einen fogialbcmofrari* 
fepen Antrag, bie 3>crpanbluugen mit bem ^oligeipräfibium über 
biefe ßrage git befdjleuuigen unb fofort bie gcwerblidje üBefdnifti» 
gung oon Stpulfiiibern oor beginn ber Sdjiiigeit unb nad) 6 11 pr 
AbenbS, ferner baS ^eilbicten unb ben 25erfauf oon haaren aller 
Art (insbefonbere oou Alumeu unb Strcidjpölgcrn in ßofaleu unb 
auf ber Strafte) fowie bie Aerioeubnng oon Scpulfinberu gu 
Arbeiten aller Art ober gu Sipauftellungen in Ipeatent unb fonftigeu 





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Sogtnlr ^rajrtö. Eentralblatt für Sozialpolitik 9?r. 


52. 


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öffentlichen ßofalen, eublich bas Auslagen oon Bitld), Bacfwaaren 
mib Rettungen burch Sd)ulfinber zu oerbieten. Ter ^Intraqfteller 
Stabtocrorbneter Finger bezeichnet bie Abficht beS BiagiftrateS 
als unzulänglich, nur beit Kinbern unter 9 Sauren bie Befdjöfti* 
guug außerhalb beS §aufe§ zu unterfagen, bagegen ben neun* bis 
oiergehnjährigen nur bie gewerbliche Beifügung AbenbS nach 
8 Uhr unb Borgens beS Sommers oor 5 l / 2 unb beS SBinterS 
oor 6 l / 2 Uhr. 3n Berlin werben nach ber amtlichen Statiftif mit 
Austragen oon grühftücf 4595, oon Biilch 1896, oon 3citungen 
3669 Kinber, oon 2^tifd>e 551, als ßaufburfchen, Boten unb AuS« 
träger 7490 Kinber befchäftigt. 3« SRprborf, baS bereite in ber 
Regelung biefer grage oorangegatigen ift, ift feftgeftellt, baß 58 % 
ber gewerblich befchäftigtcn Schnlfinber unter betn Turchfchnitt ber 
Schulleitungen ftehen. Schon 1895 hot ^rebiger • Schönberner 
feftgeftellt, baß oon Ijunbert bestraften, in Blößenfee inljaftirten 
Kinbern 70 gewerblich befchäftigt waren. Tie 3ol)l ber jugenb» 
liehen (befangenen refrutirt fid) alfo hauptfächlich aus Kinbern, 
welche feinen regelmäßigen Unterricht erhalten, weil fie gewerblich 
befchäftigt werben, Ter Stabtfd)ulrat Bertram oertritt ein oor« 
fid)tigeS Vorgehen, baS fid) nur gegen bie übermäßige gewerb« 
iidje Befchäftigung ber Scfjulfinber richten wolle. Eine mäßige 
Berwenbung ber Kinber in biefer 33efdtjäftigung fei in ber Tßat 
nicht fchäblidj. Er habe obere Klaffen gefehen, bie gute ßeiftungen 
aufwiefen, unb wo bie Hälfte ber Kinber grühftücf austrügen; 
unter ben Austrägern einer anbern klaffe habe fich ber BriinuS ber 
Mlaffe befnnben. BJan glaube gar nicht, wie energifd) nufere 
3ugenb fein fönne, gerabe wie in ber gortbilbungsfchulc. Tiefe 
Energie erzeuge eine höchst leistungsfähige Sugenb. Es würbe ein 
Sozialer gehler erften Banges fein, mit folcßen riicffidstSlofen 23er* 
boten plößlich bie 3»ftönbe ber berliner gamilien zu änbern. 
Bach längerer Erörterung, an ber fleh Bcbner aller Parteien im 
Sanne beS fogialbemofratifchen Eintrages beteiligen, wirb biefer 
faft einhellig an einen SonberauSfdjuß oerwiefen. — Aud) in 
Sd)öneberg fdjweben erneute Erwägungen über bie Begrenzung ber 
gewerblichen Schulfinberbefchäftigung. Eine foeben für ben Amts« 
begirf Bonfow oeröffentlidste Beiordnung beftimmt: 

1 . Kinber oor oollenbetcm s. Lebensjahre bürfeit mit gewerblichen 
Arbeiten irgenb welcher Art nicht beirfjaftigt werben. §. 2. Schulpflichtige 
Min ber bürfen in ber $ctt oon 8 Uhr Abcnbs bis 6 Uhr Bormittags 
nidjt zum Austragen oon Bacfwaaren, SEild), Leitungen ober nnberen 
itfcgenftänben, jum Kcgelanffcßen ober gu fonftigen Verrichtungen in 
2tfjfliifwirtl)trfjnf‘tcn uerwanbt, sowie oon lOlUjr AbenbS bis iUlhrSDiorgcus 
mit anberen gewerblidicu Arbeiten irgenb welcher Art nicht bridjäftigt 
werben. §. 3. Srfjiilpjlidjtigc Kinber bürten in 2djanfstatten gur Bc« 
biennng ber iWijie mit 2peilen unb (Geträufen nidjt oerwenbet werben. 

4. Borftcheube Bcfriinmungen 1 3) finben feine Anwcnbung auf bie 

Befdiärtigung oon Kinbern im gewerbltdien Betriebe ber Eltern ober bei* 5 
jeuigen Bertolten, in bereu Haushalt bie Kinber (eben, soweit bie .Uinber in 
bem Haushalt bcfdiäftigt werben. I, 5. B?it ('W'lbftrnfe bis z u 9 ober 
ber cntiprerfjcnbcn im ft werben beitraft: l.Bcrfoncn, bie benBoridiriften ber 
§§• 1—*4 zuwiber Kinber für ihre gewerblichen Betriebe frcfcßäftigen, 
2. Eltern ober Bormiinber, bie ben Borfdsrifteii ber §>i. 1-3 gutuiber 
bie Bes'dsrts'tigung ihrer Minber ober Bflrgebefohlcnen gulaffen. 6. Xurdj 
biefe BoHzeioerorbnung wirb bie beit gleidien (^egenftaub betreßenbe Ber= 
orbnung oont 12. ^luguft lS9t; aufjer Mraft gefeftt. 

^te Banfowcr Berorbmutg uuterfdjcibet fidj oon ber itn Sluguft 
in Birborf erlaffcKiett hauptfächlich burch zwei Bunfte. ®aS Filter, bis 
ZU bem gewcrblidje Arbeit überhaupt oerbotett, ift für 9ii;rborf 10, für 
Baufow 8 Snhre, unb ber 3c’itpnuft, oor betn beS Borgens bie Arbeit 
nicht beginnen barf, ift für Bijborf im Sommer V 2 6, im hinter 
Vj 7 Uljr, für Bßuforo im hinter unb Sommer 6 Uhr. 

tßomtmntaler Biildshanbel. 5^ie weit in Etiglanb bas Bestreben 
ber Bcrgemciublidsuug aber Untcruchmeu gebt, an betten bie Ceffentlidjfeit 
tu irgenb einer Steife intereffirt ift, erhellt aus einem Brojefte, baS 
fürUid) bem Stabtrathe ooit Eilnsgom oorgelegen Ijat. Dr. Ersfine, 
Biitglicb ber ('Uasgow Morporation, hatte beh Antrag gestellt, ber 
Biildihanbel soll mit iNütfmht auf feine hngteuifchc Bcbeiitung unter 
Moutiole ber 2tabthcl)örbe gestellt werben. 2ofItc and) nidjt ber gc= 
fnmmtc SWildioeridileiß oergemeiublidit werben, fo sollten bod) einige 
fommuitale Biüd)OfrnhIeiß*EeiitralfteHeu erridstet werben, was namentlich 
mit Biicfiidit auf bie Minberernähntug, bie fortfdnTitenbe Bcrfälfduing 
oon Biildj, bie io leidit gnfeftionsträgcr wirb, oon grossem Bortfjeii 
wäre.^ Xer 2tabtratl) bisfutirte ben Borfdilag eingehenb, lehnte ihn 
Zum 2d)luifc jebodi ah. ^ods ift es nidjt auSgcfdiioifcn, baß mau in 
Englaub auf bie gbec uod) zuriiefgreift. 


Sojinle 3u|lSnbc. 

3)tc Sage ber ^anbelSgehfilftnnen in Seidig* 

Tie Anregung zur Bcgrünbitttg eines BerhattbeS faufmäititifdser 
(^eljülfiitnett ift in Scipgig aus bem .Streife ber ?lngeftellteu selbst 


heroorgegattgen. Später fanben fich einige Tanten unb Herren 
anberer Greife bereit, mit SHath unb That für bie Sache ein® 
Zutreten, bie £>auptthätigfeit leifteten aber bie SlngefteHten felbft. 
s Bie bie gmlfSuereitte für weibliche Slngeftetlte in Berlin, granf- 
furt a/2K., München, Augsburg, Gaffel u. f. w. crblicft auj ber 
leipziger Berein eine Hauptaufgabe barin, burch e i nc georbnete 
unb gut geleitete foftenlofe Stclleuoermittelung ben Sutereffen ber 
STugeftenten zu bienen. ?lußerbem gewährt ber Berbanb feinen 
SKitgliebern foftenloS $HedßtSfchuh unb ^cchtSfuilfe in Berufs« 
angelegenhciten burch einen BechtSanroalt, fowie ärztlichen SRath 
burch einen bewährten Slrgt unb eine praftifche SXergtin. Er fließt 
ferner burch UnterrichtSfurfe, bie ein Schulbireftor leitet, neben 
allgemeiner Bilbitng eine gute gachbilbung für ben faufmännifchen 
Beruf z u g e öen unb burch BortragS« unb UnterhaltungSabenbe, 
fowie gemeinfchaftliche Ausflüge bem s Bohle ber (Mjüljtnneu z« 
bienen. Slls ferneres 3iel fchmebt bem Berein bie Errichtung einer 
UnterftüfcungSfaffe unb bie Begrüitbung eines §t\m& oor. 

Ter Berbanb würbe am 3. gebruar 1898 begrünbet, z ä h^ 
gegenwärtig an 400 orbentliche Biitglieber unb h at uach jeber 
Sichtung fyn eine gebeifjliche Entwidfclung genommen. Es bleibt 
ihm aber noch ein weites gelb ber Tljätigfeit offen, wenn er es 
mit ber Hebung beS Staubes ber HunbelSgeljülfinnen ernst meint. 
Tie Sage ber HunbelSgctjülßnnen ift in Leipzig ber Befferung bringenb 
bebürftig, was aus folgenben Aufstellungen heruorgehen bürfte. 

Ter Anbrang ber grauen gu bem nu n öelsftanbe ift außer« 
orbentlich groß; bie Berufszählungen ergeben, baß bie grauen« 
arbeit im HanbelSftanbe opn 1882 bis 1895 um 70,7% S«' 
genommen h<rt, währenb eine 3 una h me ^ er BJännerarbeit im 
HanbelSberufe nur um 35 /8 °/o erfolgt ift. AuS ber 3öh^ng oon 
1895 entnehmen wir, baß bie 3 a bl ber HflnöelSgeljülßnnen in 
ßeipgig 6337 beträat. Ta ber Anbrang gu bem genannten Be« 
rufe feit 1895 niept geringer geworben ift, fo gehen wir toohl 
faum fehl, wenn wir annehmen, baß fieipgig gegenwärtig un¬ 
gefähr 7000 (Mjülfimten gäblt. Bon biefeit fmb, wie erwähnt, 
400, alfo 5,7 0 / 0 im Berbanb. 

gür uitfere ilnterfuchungen über bie i3age ber leipziger 
HaubelSgehülfinnen hoben wir bie Angaben oon 224 BerbanbS« 
mitgliebern benußt, bie ben Bopieren ber SteHeuoermittelung gu 
Erunbe lagen. 124 AuSfunftSperfoncn fucf)ten als toutoriftiunen 
ober ^affirerinnen Aufteilung, 100 als Berfäuferinnett ober Sage« 
riftinnen, fo baß alfo auch &ie oerfchiebenen Spegialitäten beS 
Berufes in ben Angaben gur (Geltung fommen. ES liegt uns 
Blaterial über bie Tauer ber oerfchiebenen AnftellnngS« 
oerljältniffe, über AuSbilbung unb Oieholt ber jungen 
Räbchen oor. 

Bon ben 224 64etlenfud)enben melbeten fich*. 

mit oorljeriger faufmännifdjer Berusstljäügfeit 
oon 

unter 1-3 3-5 5—10 Saljr @ 

1 gaßr ooljr galjr unb mcljr 

22 29 14 15 124 

19 36 15 19 100 


oljne uorljerige 
faufmännifche 
BcrufSthätigleit 


für Kontor . 
* Berfa nf . 

8«f. • 


44 

11 

55 


41 


65 


29 


34 


224 


3u ben Spalten 4 unb 5 finben fich 63 Angeftellte, bie Stel¬ 
lungen oon über 3 bis über 10 Sohren inne gehabt unb ben 
Beweis oon befonberer Treue unb Tüchtigfeit im Berufe geliefert 
haben. Spalte 3, mit 65 Angestellten, bie 1 bis 3 3ah re ™ e i nc r 
Stellung tbätig waren, giebt ebenfalls baS 3*ugniß oon guter 
Brauchbarfeit ber grauen im faufmännifchen Berufe. Spalte 2, 
mit 41 Angeftellten, bie bisher feine Stelle oon SahreSbauer be* 
fleibet hoben, geigt manche nngeniigenb auSgebilbete ober für ben 
Beruf perfönlich weniger geeignete itraft unb meift fehr junge 
Biäbchen, es gehören ipr auch Angeftellte aus ber ilonfeftion unb 
bem Boßfodj an, bie oft nur SaifonfteHungen erljalten. 

BSenben wir uns Spalte 1 ben 55 Angemelbeten gu, bie noch 
nie faufmännifch thätig gewefen finb, fo pnben wir gunächft junge 
BJäbchen, bie früher anberen Berufen angeljörteu: es erfdjeiut bie 
Lehrerin unb Ergieherin, bie HooShälteriu, baS Ticnfttnäbdjcn 
unb bie gabrifarbeiterin, bie Den faufmännifchen Beruf für fo 
ocrlocfeub holten, baß fie ihren bisherigen bagegen oertanfdjcn 
wollen, bie fich ^oe Thätigfeit in benifelben and) woljl oicl leidster 
unb Iohnenber benfeit als fie ift. Einc biefer Bewerberinnen war 
einmal 8 unb einmal 9 gahre als Betriebsleitern! in einer Bofo- 
mentenfabrif thätia, in ber leßten SteHuug war fie mit anberen 
Kolleginnen entlaffen worben, weil ber El)cf jüngere unb billigere 
Kräfte anftellen wollte, giir Kontor ausgebilbet, trat fie mit ber 
großen Schaar ber jüngeren Biäbdjen in Konfurreng unb es gelang 
ihr bisljer nod) nidjt, Aufteilung gu finben. Ein früheres Tienft® 



1875 


Sojiale ^raji^. ©cntralblatt für ©ojtalpoliltf. 9?r. 52. 


1876 


mäbchcn mar 10 3 ahre in ^amilieiifteQuiig gemefeit ititb mies ein 
CSfjreubipIom über 7 jährige Treue in einer Stellung auf. Sie 
batte einen anSFömmlicheii, forgenfreien Xienft angegeben, in bent 
fie aufchnlidje (Srfparniffc gemacht batte, mit fid) für Hontor aus* 
bilben 31 t Iaffen unb um bort oieIIeid)t ein AnfangSgehalt oon 
»0 c 4t, monatlich ju erhalten! Tie meiften mären aber gati 3 
junge Biäbd)en, bie bisher noch Feinerlei Stelle befleibet Ratten. 
Bon ben 55 9?eupftrömenben ftrebt, mie unfere Tabelle ^eigt, 4 /r, 
nadi Montorftellungen, mäbrenb nur J / 5 im BcrFauf thätig fein 
mollte. XieS ftellt ein lleberangebot oon jungen Mräften für baS 
Kontor bar, bas eine gcfäbrlid)e MonFiirren 3 fchafft, bereu Jolge 
ein erheblicher Bothftanb im £>nnbelSbernf fein mufe. Bknn biefe 
jungen Kräfte nidjt gan^ leiftüngSunfähig finb, merben fie oft für 
ein minimales (M)alt angcftellt unb oerbrängen beffer bezahlte 
BerfönIid)Feiten. (Is finb bieS metft junge Bfäbdjcn, bie bei ben 
ßltern mohueu unb ficb bereit erflären, für jebe nod) fo geringe 
Bezahlung thätig au fein, um bie erfehnte AufaugSfteflung 311 ge* 
roinnen. ^ie Stellenoermittelung ift biefer ( 5 rfd)eimtng gegenüber 
faft machtlos. Selben fich gän^lid) ungeeignete Kräfte, maS oft 
genug oorfommt, bie nicht einmal bie 5 äl)igfeit befifcen, einen ein* 
fadicn bcutfdjen Brief ju fchreiben, fo mcift fie bie Beamtin juriief. 
Btan oergigt nur 31 t oft, bah ber Faufinännifche S3eruf aud) quali* 
fi.sirte ArbeitSfräfte oerlangt. 

fragen mir nun nad) ber Borbilbntig gunächft ber 124 Moti* 
toriftinnen. (*S mürbe gur Ausbilbuitg in ben M)attbclSfäd)ern 
entmeber bie biefige JrortbilbungSfdjule für B?äbd)cn befugt, bie 
einen MaubclSfnrS befifet, ober eine $rioatbanbelSfd)ule mit 3 roci* 
jähiigen Harfen ober fogenanntc (paubelSpreffen, oon benen bie 
ineiften in ihren ^(n^eigen eine oollfotnmene fanfmännifdje Aus* 
bilbnng in ber für^eften 3eit 311 geben oerfprechen. Sie locfen 
bnrd) biefe 3 u f n 9 e b»e jungen Biäbtben au unb ocrfchulbeti 311 m 
Ihcil mit baS lleberangebot oon jungen, f<hled)t auSgebilbctcn 
Kräften. 

Bon ben 124 Montoriftinnen geben au: 

2 IVhrennncnausbtlbung, 

20 3meijäbrigen Bcfudj einer ftanbelsfrhulc, 

10 etn= Dis jmcijäbrigen Befudi einer A>aitbc(sfrf)itle, 

2”) halb* bis einjährigen * * 

40 bret* bis fediSmonatigcn Befudi eines .'oaubclsfiirfes, 

27 feinen = 

BefoubcrS häufig roerbett in ber Steüenüermittluug junge Xanten 
für Stenographie imb Sd)reibmafd)iiie oerlangt. 70 geben 
Memitniffe in Stenographie, 60 fo!d)e in ber .sjanbljabung ber 
Sdmibma r d)ine an. Tiefe 15ertigfeitcn oerlangeit aber beibc eine 
längere Hebung, über bie bie meiften Beraerberinncn nicht Derfügteit. 
Meuutniffe in frembeu 0prad)en finb nid)t häufig. Selbftftänbige 
frembfprad)lid)c Morrefponben 3 geben an 8 , ^Borfenntniffe in frembett 
Sprachen 35, bie übrigen 81 maren überhaupt ohne frembfprad)* 
lid)e Memitniffe. 

Bon ben 100 Berfänferinnen geben 2(5 ben Befud) eines 
£>aubeIsfurfeS an. SScuu ber Befud) ber .panbelsfchule audj nidjt 
fo notbmeubig für fie erfdjeint, mie für bie Houtoriftinneu, fo ift 
ihnen bod) ein gutes Xeiitfch unb fidjereS Bcdjneu nötl)ig, unb 
tbeoretifdie Meuutniffe in ben .JSanbelSfädicrn erleichtern ihnen bas ! 
Aortfomutcu im Beruf mefentlid), ba fdtriftliche Xhätigfeit oft in 
bie praftifche eingreift bei Bcfcpuug ber belferen Stellen im 91er« j 
lauf mirb baljer oft ber Befud) ber .^anbelsfchule oerlangt. Tic 
tbeoretifdie Ausbilbuitg in ben .v>anbelsfäd)cru ift aber oor 91IIcm ( 
bei ben Montoriftinnen eine oicl 311 geringe. Ta mir bie @rfalj* | 
rnng in nuferer Stellenoermittclung machen, bap uns mehr Ba= I 
fanjeit gemelbet merben, als fid) Bewerberinnen ciufiuben, fo 1 
Idiomen bie Verhält 11 iife für bie Angcftcllteit febr günftige 311 fein. 1 
Sag mir aber nur menig mehr als J / :5 ber Stellen befepeu founten, 1 
bat feilten (Mruiib in ber uugenügenben Ausbilbiing ber Bewerbe* 1 
rinnen. Ter munbefte Bunft ift in oielen Tvällen aber ber Duingcl 
einer eigentlidjeu praftiidten Auslulbiing für ben Beruf. Bon ben j 
121 Montoriftinnen geben nur i:> eine praftifdje Velir.^eit au, 
mäbrenb oon ben K»0 9>crfäuferinueu 07 eine fohlje burdigemadit 1 
babeu. Tie elfte Aufteilung tnug bann bie praftifdic „S/ebre" 

erfepeu, beim erlernt imiffeit bod) fomobl bie Aertigfeiteu im 9 >er* , 
tauf, als bie einzelnen Aiiuftioucu im Kontor merben. Aber bas 
junge Dfäbdieii ift in „Stelle“ unb es madit fid) oft genug nid)t 
flar, baf; es uodi oiel lernen mug unb ber'triu^ipal befd)äftigt häufig 1 
eine foldie junge Augeftellte gau| eiufeitig unb erfennt feinerlei , 
Aerpflidituug au für bie Ansbilbitng bes 'JJuibdteus Sorge 31 t 
tragen. Aiir forbern für bie (Heliülfiiinen eine ndjtige ^ebr.>eit, 1 
um für bie gut ausgebilbele Kraft bann ein mefentlid) höheres 
Oh halt beaufp 1 udieu vii töuneu, mie es gcgeiimärtig gezahlt mirb. 


9£enben mir uns nunmehr ber öchaltsfrnge 311 . Tv^ir haben 
bei ben bereits früher angcftellten Tarnen baS lebte 0)ebalt ein« 
geftellt, maS fie beaogen h a bcn, bei benen, bie nod) nicht oorltcr 
angeftettt maren, bie aber burd) uns Stellung erhielten, bas 
Anfangsgehalt in 3frage ge 3 ogen. Auper befracht foimnen 
25 Montoriftinnen unb 6 9 krfäuferiutien, bic noch Feine Anftellnug 
gefnnbett hatten. 9>on beit Montoriftinnen erhielten: 


11 Augeftellte 

. 100—140 .//. Wehalt im 

Wouat 

9 

. 80-100 = 

- 

= 

10 

. 70- 80 = 



14 

. 60— 70 = 

= 

= 

12 

50 — 00 = e 



10 

. 40— 50 = 


= 

11 

. OO— 40 = 

= 


19 

Bcrfäiifcrimieit 

. 20 - OO * 

erhielten: 

' 


0 Angcftellte . 

. 100 - 120 .//. Wehalt 

im 

BJüiiat 

15 

. 80-100 = 

= 

= 

9 

. 70— 80 = 


= 

17 

. 00 - 70 = 


= 

14 

. 50— 60 = 



10 

. 40— 50 = i 

= 


8 

. 80 - 40 = 


= 

4 

. 20- 80 = 

= 


;> = 

. unter 20 = 

= 



93ei ber Berechnung beS Titrchfd)nittSgebalteS 3 ogen mir bic 
(S’ii^elgebälter in Betracht ititb geroantteu für bie Montoriftin 50,sr, i( 
Turd)fd)uittSge[)alt für ben SÄoitat unb für bie Beiläuferin 52, w . ff 
Tiefe merben aber im MunblicF auf bie Wefamintbeit aller 

im fauftnännifdien Berufe tbätigen Öraueit in Öeipaig 311 bod) fein. 
BJir batten bei nuferen Anfftellungen einige erfte Kräfte mit auger= 
gcmöbttlid) hohem Olebalt. Auberbem haben einige Stcllcufiuheiibe, 
mie mir fpäter erfuhren, ihr bisheriges (Miait 311 h°ä) ange* 
geben. Tiefe beibeti Hmftäitbe Iaffen baS TiinhfchnittSgehalt höher 
erfreuten als eS ift, eS biirftc in l'cipgig für bic Faufmännifdje 
(^ehülpn Faum mefentlid) über 50 JC monatlich betragen. 

(s)ehen mir nun 3 U ber mistigen 5 ^*agc über: 5öie gefralten 
fid) bie 2 cbeitsocrhältniffe ber Angcftellten? Können 
fie mit bem OJehalt, baS fie beziehen, ein gutes Aus* 
foutmen fiufcen? B?ir haben oon 3 mciert unferer iliitglieber 
eine ausführliche Aufteilung ihrer Ausgaben erhalten. Sie finb 
mit grober ©eroiffcnhaftigFcit bei ber Arbeit oerfahren. Beibe 
Angcftellte lobten ausfd)licglid) oon ihrem Bcrbionft. All. A. ift 
Berfäufcrin, bie fid) bei befdjoibenen Atifprüchen billige B2iiitfd)c 
nid)t 311 oerfagen braucht. Sie hatte eine Bionatseiunahme oon 
120 ( /f unb beredjuete ihre monatlichen Ausgaben mit so , /) 


All. A. S v sahresauSgabeu: 9(‘»0 M. 


Wohnung ... . M. 210 

Aiittagejfen. =210 

Abcnbcffcii; 2. Ai'üliftiicf 
unb Be [per .... = lso 

SiMifdjc. = 4 S 

Bcreiue. * 0 

Klcibmig. = Ä) 

Sdjubmcrf. = 25 

Aciiaiinhaffiiugcu ... = 2u 

üoilcttenlicbarf .... = is 

Briefpapier, Biavfcu . . = 1«) 

Stenern. = 2t > 

Kmiden= imb oiioaliben* 

taffe. = 00 

Geiging unb l'idit . . = 15 

grobe c5rtianusgaDen . •• lo 

Heine = . = 00 


7 a tuee a ftsga L eit . . .//.UM) 


nionatlid) M. IS mit Kaffee, 

= • is, täglid) 00 7) für 

gutes Gffcit, 

nionatlidi . ff. 15, täglid) ?»n^* für 
Brot, Butter, Alcifd), (iier, Cbü 
urtb Tl)ce, 

nionatlid) 4 M. fiir ^eibmäfdie, 
Bluicu, Kragen, (für bie Ber* 
fäufcriii nöthig), 

Jf. 0 Jahresbeitrag für ben Ber* 
banb faufiu. Wcl)., :i M. anbere 
Bereiite, 

2 Kleiber, 2 helle Blonfen, 1 J-:ctet, 
Souunerl)iit imb Bsinterhiit, 

2 x f>aar neue Sd)iihc imb ucr= 
fdiiebcne Acparaturnt, 

Striinipic, Safdientiicher, Sdiür^en 
(für bic Brrfäuferiu nöihigi, 

1,50 .//. nionatlid) für ^aubfdiMtie, 
Kragen, Würfel, Seife 11. j. u>. 
s:\ fff im Bionat. Tas Aräulein 
hat bic Eltern auswärts mib 
fonft rege Korrefponben3, 
bei einem (Sinfommeu uou jährlidi 
1200-1100 jf , 

nionatlid) 2, r ,o Jf., 

.'Oeiaung 8 Jf., Beleuditung 7 
Crtefdienle, eine Sonimerreife, 

0 .//. nionatlid) für Biidier, Aus¬ 
flüge, K oii3ert, 2 hea ter, Leitungen, 
clcftrifdic Balm, Sd)liti)d)iili- 
laufen 11. f. m. _ 

- so Ji. nionatlid). 










um 


©ogiale $ra£t#. ßentralblatt für ©ogtalpolüü. Kr. 52. 


1378 


All. 33 . ijt jüngere Butf)baltcrin, elternlos unb aiißcrorbcittlid) 
fparfam. gljre Ru#gaben ftellcit ctroa ba# bar, momit ein junge# 
Bfäbcben in ber großen ©tabt noch einigermaßen beftebnt fann. 
gtl B. bat eine s l)fonat#eittnabme non 60 t 4( unb gicbt etroa 
50 e !(. für ihren Sebcu#untcrbalt au#. Da fie aber iit ißrem 
Bubgct feinerlei größere ($£traait#gaben oorgemerft bat, bürften fi<h 
bie Ru#gaben bod) inandjmat erhöben. 

grl. B.# gal)re#aii#gaben: 606 M. 


3i‘obmmg. M . 144 monatlich 12 M. mit M a ff ec, 

SOfittageijcu. =144 * 12 M., 40 &f täglich, 

^Ibciibeffcii u. f. m. . . s 120 * lö^SB^tägl., Brot, 

Butter, ISier, £l)ee, 

B?äirf)C. =24 mödjcntlid) 50^, 

Vereine . = 9 3 M. gal)re#bcitvag (Berb. faufnt. 

©eb), 6 *4C ©teitogr.=B., 

kleibung. = 57 2 kieiber & 18 JC. t 2 ^piitc a 3 .tf, 

1 gaefet 15 

©djuhmerf. = 25 2 ^aar neue ©ticfeln unb uerfd). 

Reparaturen, 

Reitanfdjaffimgni ... = 15 monatlich 1,25 für ©trümpfe, 

ycibmäfibe, 1 ltnterroef u. j. m., 
loilcttenbcbarf .... =16 monatlid) 1,35 Jt für £>anb[djube, 

©rfjleiten, fragen, ©ctfc u. f. in., 
©rtraau#gaben .... =12 monatlid) 1 M für $oft, RuSflüge 

im Berbaub, eleftr. Baßn, ein* 
mal ein koitgcrt u. f. 10 , 

©teuer». - 6 auf ein (Sinfommcu oou 6(K) bi«? 

700 ,//. bereden et, 

^eijuug unb Vicf)t . . = io monatlid) S3 % 

krauten* unb gnualibeu= 

faffc. = 24 2 M. im R?onat._ 


gahre#au#gabcu . . .//. 606 = etma «50 M. im Bionat. 


Werfen mir au bcr .<panb biefer gableit einen Blicf auf nufere 
Rngeftelltcn unb fragen mir, roie fid) ihre Sage im Bergleid) 51 t 
biefen Rnfftetlungeu geftaltet, fo geigt c# fid), baß: 

41 Rngeftelltc 80 M. unb mehr (Sinfommen ballen, alfo uad) Maßgabe 
oou Bubgct 31. gut aimfommen formten, 

70 Rngeftelltc 5o—so M . CSitinabme unb und) Bubgct B. eilt befdjeibeue# 
ober ein leiblid) gute* Ru*fommeit batten, 

73 Rngcftcllte aber, meuiger al* .50 M. monatlid) ©infommen, unb 
barum nur ein fein* fümmerlidic# ifebeu ermöglicbtcn ober aijf 
bie Untcrftüßung Rnbcrer augemieien maren. 

B?ait beurteilt bie geringere (Sutlobunng ber graueuarbeit 
gegenüber ber Bcäutterarbeit oft babiu, baß bie grau feine Familie 
311 ' erhalten habe, bod) trifft bie# bcutgutagc nicht immer gu. BMr 
haben eine gefebiebene unb gmei 001 t ben Bcämtcru oerlaffenc 
grauen, bie Min ber ernähren müffen. (Sine# unfercr Biitglieber 
ift BHttroe unb fid)ert biircb Beruf#tbätigfeit ihren oier Miuberu 
bie Ergießung, bie alte Bc'utter mit befd)eibener ^enfioit oerforgt 
bie kinber in Rbmcfenßeit ber grau. (Sin aubere# Btitglieb ift 
mit feinem guten Weßalt, ba# e# großer Befähigung oerbanft, bie 
SSaupterßalterin ber galten gamilic. gu einem meitereu galle finb 
e# gmei ©cbmefteru, bie mit ihren gemeinfamett (Sinnaßmcn bie 
frätiflicße Btuttcr unb bie jüngere ©ebroefter erbalten müffen. 
gebenfall# müßte man menigften# forbern, baß bie grauen unb 
Btäbdjen, bie im faufmännifeben Berufe ootn frühen Bforaen bi# 
gum fpätett Rbetib ihre gan^e kraft einfeßen, oon ihrem Berbicnft 
leben fönnten; nad) uttferen Bered)nungeit aber finb e# 37,*2 %, 
bie nicht au#fömmlicb leben fönnen. Unb biefe ernfte ^Ijatfacbe 
bemeift, baß e# mit bcr l'age ber §anbel#gehiilßnncn in !'cip$ig 
fdjlimm beftellt ift unb baß bie Hebung ihre# ©taube# nad) jeber 
Richtung hi n bie Rufgabe einer energifeben Berein#tbätigfeit 
fein muß. 

£eip ( $ig. ^aura Mraufe. 


Belgifd)c 9Wtneuf*aHftif fiir 1898. (Srft jeßt ift bie roährenb be# 
leßten großen ©treif# oielfadb oermißte amtliche ©tatifHf über ba# 
v ^ahr 1898 sur Beröffcntlicbung gefommen. ^ie $robuftion über= 
traf ttod) bie bi#ber höcbfte 3 uf er oorhergehenbeit Sal)^ um 
:>95 880 t unb betrug 22 088 335 t, toa# einem Söerthc oon 
242 803 000 graue# entfprad). S©)ie 3 a hl ber Arbeiter mar 122 816, 
bie Beruu'brung gegen ba# Borjabr 2464. 31 rt Söhnen mürben 
in#gefammt 134 708 700 graue# gezahlt. 0hn« Berüefficbtigung 
ber großen Berfcbicbeuheiteu bcr Söhne bei ben Arbeitern unter 
unb über ber Cberfläd)e betrug ber burd)fcf)uittlid)e ^age#Iol)n 
3 ,.18 graue# gegen 3 , 40 grane# iit 1897 unb ba# burfcbuittlid)e 
gahreeeinfommen 1080 grane# gegen 1006 grane#. Biait barf 
anuebmeu, baß im Iaufenben gaf)re 1800 bie Söhne faft allgemein 
um meitere 10 % geftiegeit ftitb. 


^ie Mrbtit^iU ttt ^otfanb. "©'ie Berichte ber huflänbifchen 
gabrifinfpeftoren für 1897 unb 1898 geben folgcnbe ^atett, bc= 
treffenb bie RrbeitSjeit oon 20 333 Rrbeitern in 1966 befuchten 
Betrieben; ber geroöljnlicbe Rrbeitötag geftaltete fieß, ohne Rb= 
reebnung ber Raufen, folgenberntaßen: 

3al)l ber ^erfonen, bereu Rrbeit#tag bauerte 
9 ©tb. ober 9-10 10—11 11-12 12—13 


Baugemerbe . . 

meniger 

40 

©tb. 

8 

©tb. 

23 

©tb. 

493 

©tb. 

304 

meijr -total 

— 868 

Rfetallgemerbc 

24 

305 

543 

124 

79 

9 

1 0S4 

50t a id) i iicn inb u ft r. 

— 

6NÖ 

366 

190 

— 

— 

1241 

©d)iifbau . . . 

— 

4 

16 

127 

64 

6 

217 

^ejtUinbuftuftric. 

— 

1 919 

5 012 

7 

•j 

— 

6 940 

konfeTtion#* 
inbuftrie . . 

238 

797 

428 

81 

25 

15 

1 584 

Dnirfgemerbe. . 

HK) 

156 

101 

9 

2 

2 

370 

^apieriubuftric . 

5 

62 

174 

27 

— 

— 

286 

§olginbuftrie . . 

33 

178 

130 

229 

53 

9 

632 

keramtfebe gn= 
buftrie unb 
©tcinfchleiferci 

40 

886 

1 627 

44 

2 


2 509 

Rabruug#mittel* 
gemeroe. . . 

1 023 

ko9 

1 413 

580 

298 

206 

4 329 

Rubere ©eiucrbe. 

3 

107 

73 

5 

13 

— 

201 


1 506 

5 916 

9 906 

1 910 

842 

247 

20 333 


Bon biefen 20 333 Rrbcitcrn finb 6089 kiuber ober jugenb= 
lid)e Arbeiter unter 16 gahre unb grauen.; 001 t biefen arbeiteten 
3535 täglich 10 bi# 11 ©tunben, 2208 9 bi# 10 ©tunbeu unb 
346 9 ©tunben unb meniger. ^ic Erhebung ging im ©ommer 
oor ruh- 


gran^öftfihe Rrbeiterbelcgationen auf ber 2öeltau#fiefluug 1900. 

Xer .öanbel#minifter h«l c t» Runbfcbreiben an bie Bi'äfeftcn er* 
laffeit, morin er anorbnet, bie Borbereitungen für bie dntfenbuug 
oon Rrbeiterbelegationen nad) ber $arifer 3Bcltau#fteHuug oor= 
jubereiten. hierbei ift im Biefentlidjen bem Berfahren gn folgen, 
meld)e# fdjon bei früheren Ru#flellungen angemenbet mürbe, gur 
koftenbecfnng mirb ein ©pcgialfoub# gebilbet, unb gmar au# einer 
©taat#fubocntion, au# (Srträgniffen einer Sottcrie unb au# ben 
Beiträgen bcr Departement#, ber Rrbeiterforporationen, §anbe(#= 
fammeru :c. RHe Drganifationen, bie Beiträge leifteu, fönneu eine 
kanbibatur für bie Delegation ftellen. 


Arbeitgeber' unb Mnternejjmtruerbäniic. 


Der Deutfdjc Rrbcitgcberbunb für ba# Baugewerbe febeiut 
nicht bie (Sntmiifelung gu nehmen, bie man erroartet b^llcv 
rocnigflen# flagt bie „Baugeroerf#=3tg." barüber, baß ber Buub 
nicht bie gortfehritte madjc, bie im gntereffe ber ©elbftänbigfeit 
unb ©elbfterhaltuug be# beutfdjeu Baugemerbe# erhofft mürben. 
(S# bauert feßr lauge, bi# bie nötigen Sofaloerbänbe gu ©taube 
fomtnen, unb ba# Bunbe#organ fiel)! fid) gu folgcnber BJahnung 
oeraitlaßt: „Beroeifen bie beutfehen Bauarbeitgeber nun nid)t balb 
bureb bie Xhat, baß fie auf h n l^ cm '^ege nicht ftel)en bleiben 
roollen, bann märe e# beffer gemefeu, ber Buub märe überhaupt 
nicßt in# Seben gerufen roorben." e ba# Blatt gleichseitig h^r= 
oorhebt, oerlaufen jeßt feßr oiele Ru#ftänbc gu llngnnften ber Rr* 
beitgeber, foroobl in Begug auf Rrbeit#geit mie auf Sohnhöhe. 

BomDapcteufabrifautenring. SSie früher mitgctheilt morben, mar 
00 m Borftanbe ber Bereinigung beutfeher Dapelenfabrifanten, bereu 
©aßungen mir ©p. 1080 befprod)eti haben, gegen eine kölner girnta 
|)., bie bem Ring gar nicht angehörte, bie ©perre oerljängt morben, 
al# fie ficb roeigerte, eine ihr unter Drohungen angefünbigte „kon= 
oentionalftrafe" gu gahlen, weil fie unter ben ftarf erhöhten Ber= 
banb#preifett oerfauft hatte. Runmeljr hat ba# kölner t)berlanbe#= 
gerieft bem Rntrag ber gefperrten girma ftattgegeben unb oerfügt, 
baß gegen ben Borftßenben be# Berbanbe#, S. in (Sbentniß, Rn* 
flage megen ©ipreffuug erhoben merbe. 


ArbeUtrfaeuieguug. 

@eWerlfdjaft#polUif. Der „(Sorrefpoubcnt", ba# Dnjan be# 
beftgeleitcteu unb fräftigften beutfd)eu Rrbeitcrberuf#oereiu#, be# 
Buchbrmferoerbaubc#, äußert fieß in einem Ruffaße über koufnm= 
uereine unb ^lemerffchafteu, in bem er bem engen gufammeumirfeu 
beiber guftitutioncu ba# B?ort rebet, and) über 6 )emerffcbaft#politif 
im Rllgemeineu. B>ir entnehmen ben bead)teu#mertl)eu Ru#fiib= 
ruugen golgettbe#: 










1379 


1380 


©ojtale Praxis. ©entralblatt für ©ogtalpolitif. 9tr. 52. 


C^rft mit Leuten, bie miffcn ma$ fic mollcu, fami cruftliaft ein 
Programm für bie gemein fame Arbeit aufgcftdlt, Faun unter Äusidjei* 
biuig unfriidjtbarer Theorien ittib inc^r ober miitbcr fdjüncr B$al)ii= 
uoviteüimgcu eine Arbeit mit ftusfuht auf (Erfolg gclciftet merben. 
Tesljalb fiitb bie in Teutirfjlanb bisher errichteten lvirtf)fdjaftlidieu 
Crgauiintioneii ber Arbeiter lobiglidj ein Berfudi gur Sammlung ber* 
fclbeit für ein bisher gemeinfam nod) nidit in Angriff genommenes 
siftionsprogramm. TieieS bat fid) in erfter ^inie gu erftrctfen auf eine 
möglidm eiiiljeitlicbe (Gemerfjdiaftspolitif, meldie auger ben geiiteinfaiiteii 
©djritteit für ?lnsfiuibid)aftiuig ber uurtbfdiaftlidieu ifage, allgemeiner 
propaganba für Berfürguug ber Ärbeitsgett unb Berbefferung ber Soljii* 
unb ^Irbeitsuerbältuiffe guiicidift einmal feftftcllt, auf welchem gemein* 
ianten Boben bie (Gemerffdiaftcn fidi gu bewegen haben. ©S titug 3 - B. 
nidit nur betont, fonbern audi barnad) gehandelt merben, bag religiöfc 
unb parteipolitifdie SlngelegeitljeitcH auf ben (Gemerfidjafteu niisgitjdjcibeu 
haben. s Riri)t megen ber $urd)t oor ber poligei, fonbern aus 9 iü(Uid)= 
fcitsgriiiibeii. Tie Bcipipcliing ber (Geiuerfühaften auf if)re „gute (Ge* 
luimitig" ift unoereiubar mit einer felbftftänbigen (Gcmerfichaüsbemegiuig 
uub unuereinbar mit ihrer gefuubeit unb unabhängigen ©utmicfrliing. 
Tie (Gemerfirfiafteu niüffeii ei fid) energifd) oerbitten, bag bereu 9 Rit* 
glieber megen ihrer polttifdieit SNcinnugsfreihcit ber ?lrbeiterfdiaft gegen* 
über oerbcidjtigt merben. Tas Beftreben, in ber ©emerfidjaft bei feber 
paffenben ober uupaffenbrn (Gelegenheit ben parteigenof(eit hcruor* 
gitfehren, ift ebenfo gmecfloS mie fdjäblid). Tamit fmb mir glitcflidi 
ba{)iu gefoiitiiteu, bag alle Thatfraft in ben ©emerffdjaftcu mit ber üb* 
lidjen Phraie gu Idljmcu oerfudjt mirb: „B?aS molit $h l * mit ©urer 
(Gemerfidjaftvbemegung, fie ift nur ein palliatiomittel, uns fanit nur 
nod) bie politifriic Bewegung hdfeu" • • • fönmn mir bie nterf* 
mürbige Thatiadic beobadjten, bag mau einer jeits ben (Gcmerffdiaftlern 
ben engfteu ÜHaunt anmeift unb aubererfetts oou ihnen ocrlaugt, fie müßten 
fo^ialbemofratifd) fein ober fie mürben nidit fein! Tas ift gang gweifel* 
los eine iiitglücflidic 3 milterftclluiig, in ber fid) bie bnitfdicu (Gciuerf* 
idiafteu befinben unb bie in ber .^auptfadie auf ihre ©djuiädie guriief* 
Zufuhren ift, moburd) fie gezwungen fiub, ihre Xafeiusbereditiguug fid) 
oou ber (Gnabe ber politifdien Partei gu erbetteln. Ginn fiub mir bei 
fepevifdieu llcbcr^eugung, bau jebe ber heutigen politifdien Parteien beu 
(Gemerffdjafteu nur hiuberlid) fein Faun, fclbft bie Hufriditigfeit uorauS* 
gefegt, mit ber irgcnb eine Partei bie (Gcwcrffd)aftcu ,511 unterfingen 
bereit ift. 'Beim niau aber als (Gemerffdwftler fid) mit einer bcfiimmteii 
politifdien Partei fo innig oerbüubct, bag bie einzelnen 2 }?afmahmen 
uub bie Tf)ätigfcü ber ©emerffdiaften im ©piegelbitbc parteipolitifdjer 
Nruubfäpe geprüft, gutgeheifien ober oerurtbeilt merben, bamt thut 
mau beffer, auf eine i'elbftftänbige (Gemerffdjaftsbemegung z» oeqidjten. 
Tie lltopiftereicn, Mlabbcrabatfd)*, Berelenbutigs* uub Fufantiitenbrudis* 
tbeorien, bie Prophezeiungen uub ©idjtwediiel auf ben 3ufuuftsftaat, 
bie lähntetibe Behauptung, bag innerhalb ber gcgenioärtigen B?irtl}= 
fdiaftsorbnuug nidns für bie Arbeiter crrcidit merben foitue, haben bis 
heute ihre zericgcnbe 1111b bemoralifirenbe Bürfuug and) auf bie (Gcwerf* 
fdjaften geäugert, uub meint berartiger Unfug — fagcu mir einmal oou 
„oben" herab — Ijeutc nidit mehr getrieben mirb, befto fefter figeti ber* 
artige Theorien bei beu ^um Giadjbenfen nur mettig geneigten SWaffeit 
unb merben and) 0011 gemiffen „Sühreru", beuen fclbft mirthfd)aftlid)e 
unb politifdje Erziehung itoth thut, immer nod) geprebigt. 

T)ie Biidibrucfer hnbett itt ifjrern Berbattbe bitrd) bie T()at be* 
miefeit, rnic eruft es ihnen mit biefen 2 lnfcf)aiiungeit ift. Slber auch 
in anberett geroerffchaftlid)cn Streifen h^rrfdhen bie gleichen ?lttftd)ten 
(ogl. z- S -B- VIII, ©p. 1117 ff.). 9Inftatt öiefe 

gefunbe (ititrairfelnng 511 ftärfe'n, giebt fid) inbeffen bie SHcgiernng 
— unabfid)tlid), mie mir annehmen — alle ® 2 iil)e, fie zu hemmen; 
beim baS Wrbeitsmilligcngefeb mnfz unfehlbar bie geraerfoereinlichc 
Bemegung aufs ©chmerfte behinbern unb bie Arbeiter ber poli* 
tifd)en Partei tn bie 2lrme treiben. 

©trei^iofteit Por $eridjt in ^Dentfdjlanb unb duglanb. (Sin 
TredjSler in Berlin I^atte fid) als poften oor einer ^abrif auf* 
geftellt, über bie bie ©perre oerl)ättgt mar. ©in ©djubmann mies 
ihn fort unb zeigte ihn an, als er trotjbem fid) mieber einfattb. 
Born ©chöffengcrid)t 311 einer (Gelbftrafe ocrnrtheilt, legte ber 2lr* 
beiter Berufung ein, ittbem er cinmaitbte, bafz ber ©thuhtnaun nid)t 
bereditigt gemej'en märe, ihn fortzumeifen, bttreh fein ©tehen auf 
ber ©trafte fei meber bie öffentliche Drbnung gefäl)rbct, nod) eine 
Berfehrsfiörung 31 t bcfürditen gemefett. c Ter ©taatsanmalt beftritt 
biefen ©inmaitb. ^sebermauti miffe, mie Icid)t eS zmifdien ©treif* 
poften unb ?(rbeitsmilligen 31 t ©treit fätne, uub meint ber Beamte 
in ber Borausfidit biefer N D?ögIid)feit beu ^(itgeflagtcu fortgemiefen 
habe, fo fei er hierzu oollauf beredjtigt gemefen unb ber ^lugeflagte 
hätte öolge leiften müffen. : Ter (Gerid)tshof trat biefer Slnfdjauttug 
bei unb oerroarf bie Berufung. 

oit bem gegeumärtigen etiglifdien ©ecmannsftreif (ogl. „© 03 . 1 
praris" ©p. 1 'J‘Jl) begab fid) ber ©efretär eines ber 3 ,ül ’igoereine ! 
ber ©eeleute au Borb eines Kämpfers im Vonbouer .späten, um j 
bort bie Biaunfdiaft 31 t bemegett, fid) iiid)t 311 beit augebotenen , 
Vöhueit, fonbern 31 t höheren ©a(jen anhnieru 311 laifeu. Born 
2 duff oermiefeu, meigerte er fid) 31 t gehen. (5t mürbe nun am 1 


19. ©eptember oor bas poli 3 eigerid)t oou Bocft ,£am oertiuefen, 
mo brei Slnflagen gegen ihn oorlagen. T5oeh mitrbe er forool)I 
oon ber Befchulbigung beS BerfuchcS, bie teilte oon ihrer Pflicht 
abmenbig 311 machen) mie ber Silage roegett ^auSfriebensbnidis 
freigefprochen, bagegeit 311 5 £ oerurtheilt nach ber brüten Auflage. 
T)cr Stichler erflärte, ber ©cmerfoereinSfeFrctär hätte außerhalb bes 
©Riffes baS gute Sted)t gehabt, bie ©eeleute 311 oeranlaffen, fid) 
nicht unter ben (GemerFoereinSlöhuen anhenern gn laffen, aber nicht 
an Borb bes ©d)iffe§. 

Beffentng ber Sage ber ^atiblmtgSgebüIfen. mv 00 Ke © 0111 t* 
tagSrnhe im §anbelSgemerbe, gefe(jlidhcn Vlchtul)r*Sabenfchlu {3 unb 
gefehlte Stegelung ber SlrbeitSjeit ift ber ©entraloerbanb ber 
|)anblungSgehülfeu 3)cutfd)lanbS (©ifc Hamburg) in eine erneute 
Vlgitatiou eingetreteu. Borläufig h«t er 31 t fünften ciucS SlntrageS 
ber Berliner fo 3 ialbemoFratifcf)en ©tabtoerorbneten in Berlin eine 
grofec Berfantmlung oott im .fianbelSgemcrbe thätigeu per fo neu 
oeranftaltet. T)er fo 3 ialbemoFratifche Antrag miK bitrd) Drtsftatut 
bie ©efd)äftS 3 eit für Sabengefchäftc auf brei ©tunben, mit ©d)Iuß 
um 10 Uhr KRorgcttS, befdjränfcn unb bie Befchäftigung aller 
hanbelSgeroerblid)en ©ehülfeu unb Arbeiter in beit ©ngroSgefdiäfien 
(BanFett, JabriFcn, ©pebitionSgefdjäften 2 c.) au ©ottn* unb Tyeft* 
tagen gätt 3 lich oerboteu miffen. T)er Antrag foK in ber näd)ftcn 
©tabtoerorbnetcnoerfammlung gur Bcrl)aublmtg Fotnmen. 

^er ©treit im ©teinmefcgetoerbe ift nod) immer nid)t gu ©iibe, 
broht fogar gu einer allgemeinen SluSfpcrruitg ber Arbeiter 
feitenS ber Unternehmer fid) gu erroeitent. BkitigftenS hat eine in 
Bresben abgehaltene Berfammluitg bes Bcrbanbcs beutfd)cr ©tein* 
me(jgcfd)äfte befd)loffett, guuäd)ft alle SlrbcitSoerhältniffc gum 7. 
tober gu Iöfen, morauf ein cubgültiger Befd)luh gefugt merben foll. 
©S mirb nun mefeutlid) baraitf anfommen, ob in Berlin eine 
©ittiguttg gn ©taube Fornrnt. Jsn v giuifrf)cn erlägt bie ©entralleitung 
ber ©teiitarbeiter T^eutfchlaubS einen erneuten SlppcE au bie (5Je= 
roerFfchafteit unb (GeraerffchaftSfartcKe T)cutfthlaubs um Unter* 
ftüfcung, ba möglidiermeife bie Berliner Tarifuerhanblungen an 
betn B^iberftanbc ber Unternehmer feheitern Fönitteit, rnaS bann eine 
allgemeine SluSfperrmtg gur golge h n ^ en merbe. 2ie Berliner 
©teinarbeiter ha^tt befd)loffeit, oon nun an 50 o pro s Bochc gum 
©treiFfonbS gu gahlen. 

T)er lludfitaub ber Bergarbeiter im piauett^f^n ©fotttbe hat 

mit einer Slieberlage ber Arbeiter geenbet. SDiefelben ftnb frei* 
rnillig gur Arbeit guriicFgeFehrt. 50 auSftänbige Bergleute fiub 311 = 
nächft bis 1. Dftober auSgefperrt morben. 

Born Bcrbanb ber ©^IäthtergefeKen Berlind nnb Umgebung 

fiub ©rhebuitgen über SlrbcitSgeit, Söhne, SliinbigungSfriftcn, 
Befchaffenheit ber Slrbeits* nttb ©d)lafräume, ©onntagSruhe 2 c. 
eingeleitet morben. Tic auSgefüllten Fragebogen foKen ber Reichs* 
Fommiffion für SlrbeiterftatiftiF übermittelt merben, um biefe auf 
bie Blifeftänbe im ©chläd)tergemerbe aufmerffam gu machen uttb 
gefefclidje Biafenahmen aitgub'ahnen. 

©trei! ber Arbeiter für bie Tonnenabfuhr in Bremen. Turch 
einen Slusftanb fittb nach „Berliner Tageblatt" bie Bemohuer 
Bremens in eine fel)r unangenehme Sage oerfefet morben. Tie 
Arbeiter beS Unternehmers SUfeS, ettoa 300 SRann, bie bie 
Toitnenabfuhr gu beforgen babcit, haben bie Arbeit nicbergelegt. 
©ic oerlaitgctt burd)fchuittlid) einen Tagdohn oon 3 M 50 An, 
mährenb fie bislang nur 3 JL für ihre gerabe nicht fehr an* 
genehme Thätigfeit begogett. 11 m bie allgemeine SRotl) etmas 
gu liubern, erlägt bie poligeibireflion eine Befanntmachung, in ber 
bie ©inmohner gebeten merben, bie Beringung ber Tonnen 
möglid)ft eingufd)ränfett, fo bag fie für längere ;}eit aitSrcidien: 
aud) mirb ber MauSuuratf) fo lauge angefammelt merben müffen, 
bis bie ?lbful)rmagen mieber erfdjeiuen. Tie Slaioität, mit ber bie 
poligei hier, mo es fid) um bie Fntercffen ber öffentlichen ÖJefunb* 
heit hanbelt, fid) bem Unteruel)meriutereffe beugt, ift gcrabegu Flaffifd). 


^rbeitemerflilienmg. ^pütkttfftn. 

SUrgtltifje Tenffrhrift gur ^ranfenfaffeitfragr. Ter Sfiisfdinn 
; ber preugifdieu Slcrgtefammer hat in einer umtattgreichen an bas 
SUtltUsminifterium gerid)teteu Teuffd)rift gur StrauFeufaffenfrage 
! ©tefluug genommen uttb feilten Slnfid)ten in beu folgeitbeu (in ber 
1 iienefteu Kummer bes „?lergtlid)eu Bereinsblatt" oeröffentliditen) 

1 Befchlüffen uom ' 22 . Bairg b. F. ^uSbruef gegeben. 

1. Tie freie 'Hruiontil für alle Mvaiifnifafieii liegt im oiuereffe ber 
I MaiieMinitglif-OiT niiO ber ?lerpe. 



1381 


13S2 


Sojiale prafi*. (Eentralblatt für Sojtalpolitif. Rr. 52. 


2 . Tic Vebtngungen, imter beiten bte Ausübung faffcnärjttic^er 
Tbätigfeit 31 t erfolgen hat, werben burdi einen fdmftlidjen Vertrag 
ftuifdjen Ar 3 t unb Äaffenoorftanb fcftgcfcßt. 

3 . Ter (Einführung oon Sdiicbsgcrichteit (bcftchcnb 3m* prüfte au* 
bei ben ftranlcnfafieit 'befdjäftigten Vierten unb VorftanbSmitglicbern 
ber Waffen) mit gefeftlidicn Vefngitiffen bei Streitigfeiten jnrifdjcn 
Steiften unb ftrantenfaffen ift im Shatifenfaffcngcfcß AuSbrucf 311 geben. 

4 . Tie SÄimmaüetftuitgen ber Staffen an bic Acr3te finb gejeßlitf) 
baf)in feftgulegen, baß bic Waffen bie SRinbcftfäfee ber ftaatlid) feftgcfefcten 
©cbiihrcnorbnuug beaw. mo berartige Taren nidjt bcftchen, bie orte* 
iiblidjen SRtnimalfäßc bejablen. Sebenfaü* bürfen bie Staffen nad) (Er* 
retdjung bes gcfcßlicfjcii Rcferocfonbs nicht eher au bie (Erhöhung 
ihrer Sciftungen geben, als fie bie Vtinimalfäße ber Tarc ber Artete 
befahlen. 

5. Ter Vegriff Slrjt unb ältliche §ülfc ift unjmeibeutig im ©efeß 
feft^ulegcn. 3 ur ärjtlidjen Vefjanblung (§. 6 beS St.*V.*@.) fiitb aus* 
irfdicßlidj in ben beutfd)cn VunbeSftaaten approbirtc Acratc bercdjtigt. 

6. perfonen, bic ein jährlidies ©cfammtchifommeu oon über 2000 JL 
bnben, bürfen in ber Äraufenfaffc nicht ocrfichert fein. 

Au* ber Vermögenslage ber £ranfeitfaffen, beren Vermögen 
(alle aufamtnengerechnet) oon 105,2 Millionen Vtarf (Enbe 1895 
auf 120,8 Millionen VJarf (Silbe 1896 angeroadjfen ift unb fich fo* 
mit in einem Sofa* um 15y 2 Millionen s JJtarf oermehrt ^at, mtrb 
ber Schlnfj gezogen, bafc bie Staffen fähig finb, bie Vhnbeftfäfce ber 
Vteb^inaltaye gu befahlen unb nicht barauf angetoiefett feien, burch 
bie Vereinbarung oon paufcha^ahlung (Erfparniffc auf Stuften ber 
^er^te ju machen. Tiefe (Erfparniffe finb mitunter recht erheblich- 
So erfparte 3 . V. bie £eip 3 iaer £)rt*fran!enfaffe, bic bie Paufd)Cil* 
Zahlung 1886 einführte, gleich im erften Sajhre 37 761, f0 dt . 
Tenn bie paufchalfumme betrug bei einem liquibirten Honorar 
oon 142 522,n dt nur 104 759 ,21 dt Tiefe (Erfparnih flieg aber 
fdjon im närfjften Sahrc (1887) auf mehr als 100 000 ^u, unb 
beträgt je^t (1898) 318 150 ,49 Jt. Tem auch in biefer Tenffchrift 
geforberten Verbot ber freiwilligen Stranfenoerficherung bürfte 
hoch wohl faurn eine toeitergehenbe Vebeutung beijulegen fein, ba 
bie VJichtigfcit biefer örage erft an ber §anb ber Statiftif ju ent* 
fcheiben wäre. Unferc* (Erachten* bürfte bie 3^ folcher freiwilligen 
Verfichentngen eine oerfchwinbenb Heine fein. Tie Hufgaben, bie an 
bie Stranfenfaffeit in unferer 3eit h er untreten, werben, wie Stabt* 
rath oon 0frgnfenberg in Rr. 50 biefer Vlatten (Sp. 1035 ff.) bar* 
gelegt hat, immer umfangreicher. Ten in ber Petition fo nadj* 
briicflich betonten Schäbigungen be£ Aeqteftanbe* burch bie Sojial* 
gefehgebung gegenüber föitnen wir nicht untcrlaffen, barauf hin* 
ntweifen, oafe biefe felbe ©efefcgebung ben Herzten aud) grofje 
Vortheile gebracht hat. 

AlterSpenfion ftatt Arraenberforgung ist Bottbott. Anfangs 
Auguft haben bie Guardians bc* „Workhouse“ oon Vtilc (Enb ben 
Vcfdjlug gefaxt, ben Armeithau*infaffen, bie Verwanbte ober Ve* 
fannte haben, frei^ufteHcn, aus ber Verforgung 311 gehen unb bei 
ihren ^reunben 3 U wohnen, wogegen biefe eine gewiffe Haftung für 
ba* Verhalten ber Pfleglinge $u übernehmen haben ; ftatt ber öffent* 
liehen Verpflegung erhalten bie Armen 10 sh wöchentlich für ein 
(Shepaar ober 7 sh für einen (Sin^elnen. (Eine Vebingung für 
biefen pertfionSbejug ift bie, bafr er nur nach fünfjährigem Aufent* 
halt in Vtile @nb erhoben werben fann. Tie Reform beabfidjtigt 
in erfter Binie, ber öffentlichen llnterftüfcung ben beprimirenben unb 
ftigmatifirenben (Sharafter ju nehmen unb bie V$ochcngelber follen 
auch nidht als Hrotenunterftüfcung, fonbern als rechtmäßige penfion 
betrachtet werben, weshalb fie auch nicht oon ben HrntenhauS* 
beamten jur HuSgahlung gelangen follen. Tringt bie Dieform 
burch, fo wäre bamit baS englifche Workhouse wohl ganj befeitigt. 
T)och fragt es fich noch, wie fief) baS Local Government Board 
311 biefer grage oerhalten wirb. 


Armenpflege. 


19. ^ahreSDeirfaimnlttit0 beS beutfdfeit Vereins für Hrtttettpflege ttttb 
ggSohltfütigfeit Unter Tbeilnabmc uou Vertretern ber ftaatlidjeu unb 
ber ftäbtifchen Vebörbcn unb unter Vorfip beS Vcigeorbneten Sepffarbt* 
(Srcfclb tagte ber Verein für Armenpflege am 21. bS. in VreSlait. 3 ur 
3 cit 3 äblt ber Verein 500 SKitgliebcr,’ 30 2anb* unb ÄreiSoerbänbe, 
1*2 ftäbtifdic Vebörbcn unb Anhalten, 33 Vereine. 3 l,m 1. puufte ber 
SaaeSorbnung „Cyrftattmig iwu Uuterftü(mngen burch bte Uuterftübteu 
nub bereu Angehörige" referirte Stabtratb Ur. Vcünfterberg*Verlin. (?r 
fafue feine Ausführungen babin jufammeu, bafj bie (irftattung ber im 
^ctic ber Armenpflege gewährten UnterftiUwugen uom Unterftütden 
Oet l'eb^citen ober aus feinem ? 2 adj(nffe mit ber SKafjgabc 31 t foroern 
fei, öaü bierburd) feine über feiner Angehörigen wirtbidjaftliche Selbft* 
fränötglftt nidit gefäbrbet werbe, aiegeuiiber ben Angehörigen oon 


Unterftüfctcu fei in erfter Sinie bie ftttltche Pflicht ber Familie 311 wecbfel* 
fettiger ftiirforge ju betonen, ^alls trofj ber gähtgfett hi^rju biefer 
Vcrpfliditung nid)t genügt würbe, jo feten bte Angehörigen 3 ur (Sr* 
ftattung gait 3 ober 3 um Tf)cil nad) Maßgabe ihrer familtenrechtlidjen 
Stellung 31 t bem Unterftühten, unb unter Bürbigung ihrer Wirtschaft* 
liehen 2eiftungsfähtgfeit anjuhalten. gitr baS Verhältnis beS (5*he* 
manne* 311 bei (Ehefrau unb ber (Eltern 31 t ihren Stinbern fei bic ©leid)* 
ftellmtg ber Anfprüdfje ber Armcnoerwaltung mit benen ber genannten 
Angehörigen, foweit bte erftere an ihre Stefie getreten ift, unb bic Vei* 
behaltuug ober (Einführung eines bic Turdjfübrbarleit biefer Anipriidjc 
fidjerftellenben VerwaltungSoerfahrettS 3 u forbern. V2itbcrid)terftatter 
Stabtratb 3 Solf* 2 eip 3 ig fprach über beit SÖeg, welcher bei nicht 311 m 
3icle fiihmtbcm 3ied)tswege cinjufdjlagen fei, unb empfiehlt, bas Ver* 
fahren preugens 311 acceptiren, welche* ben ©emeinben cm Verwaltnngs* 
oerfahren an bte £mitb gebe, beffeit fie fich bebtenen fönneu, um weitigftens 
für bte 3ufuitft Arrangement* 31 t treffen. I'te Verfamntluttg fdjloß fid) 
tu ihrer Mehrheit biefett $orberungen att. 

Tireftor ür. VuehH^antburg fprach über „ArbettSeinridjtimgen für 
3wccfc ber offenen Armenpflege". Tie grofje unb fchwerc Aufgabe, bas 
burd) bie Avbeitslofigfeit heriorgerufene fo 3 iale (Elenb 31 t Itubem, liege 
bis auf Weiteres auf beit Schultern ber Armenpflege, uitb bies fei ein 
für bic Arbeitslohn wie für bie Armenuerbäube gleid) unerfreulicher 
3uftanb. Tic Arbeit fei ber 3 uoerläffigftc prüfftein für bic i“)ülfs* 
bebürftigfeit bes Arbeiters, unb öffentlidie Uitterftüpung bürfe erft ge* 
geben werben, weittt feft ftcht, baß ber ^ülfsbebürftige außer Staube 
fei, fid) aus eigener .Straft ben 'ftotbbeljclf 31 t oerfdjaffen. Tie 3 wec!* 
mäfngfte <voi*nt ber |)ülfc für arbeitsfähige perfonen fei alfo . bie Ver* 
fdjaffuug oon Vefchäftigung auf bem freien Arbeitsmarfte unb 3 war auf 
ber ©ruublage bev OHeidjbcredjttguitg mit freien Arbeitern. ^ici* 3 u feien 
nötigenfalls bte Arbeitsoeraufialtungeu ber ©emeinbe eoent. befottbere 
Aothftanbsarbeiten 311 bemtpeit; aud) fei burd)weg bie ftäubige Ver* 
binbttitg mit ben (Einriditungen bes Ärbeitsnadjweifc* her 3 ufteüen. So* 
weit freie Arbeit rtid)t uerfchafft werben föitue, fei auch arbeitsfähigen 
perfotten, foferrt hiergegen nidit armcnpflcgerifdie Vebenfen obwalten, 
Unterftüpimg burd) ArbeitS 3 itwetfung in Armenarbeitsanftalten 31 t ge* 
währen; bei erwiefener Arbeitsfchcit*feien, natnentlidj falls cS fid) ltnt 
Vcrfäumimg ber Aäbrpflidjt haitbelt, bie Vorfchriften bes Straf gef eß* 
bttdjes an 3 tiwenben. Tie Verfammlung ftimmt ben Ausführungen bes 
Referenten ctitflintmtg bei. 

SSatfeuhausbireftor Stalman*^amburg referirt über bas Thema: 
„Veauffichtigung ber itt ^antilienpflege uittergebrad)teit .Qtttber". Tie 
Familie fei bie ©ntnblagc bes VolfslebenS, unb bantm ift e§ etn Aatur* 
red)t, baß in erfter 2 tnie bie (ir 3 ichuug ber SBaifcitfinber in einer 
Aantilie erftrebt werben follc. 3n größeren Vcrbättbett fei es aber 
uid)t richtig, fid) Icbiglich auf gamilieuei^iehung 31 t bcfd)räitfcn, joitbent 
e* muffe eine wof)lorgantfirte (Eriielningsanftalt beftehen, in weldic 31 t* 
uächft alle biejcnigeit Äinber hineingeführt werben, für bte eine neue 
Samilie gefud)t wirb, bann aber aud) folche .St in ber jurüdjunehmen 
finb, bei betten fid) herausgefteflt hat, baß bie ^amilieupflege für fie 
nicht geeignet fei. (Es wäre alfo ein gemtfdites Softem ber Anftalts* 
uitb gamilieupflegc 31 t empfehlen, unter bem ©efidUspuitfte, baß bic 
Vtehrsahl ber .stinber ber gamiltenpflegc als ber naturgemäßen über* 
Iaffett bleibt. Röthtg fei, baß fornohl bie Auswahl ber ^attiilte, als 
bic fernere llebcrwadjung ber untergebrachten Stinber mit größter Sorg* 
falt gefchche, uitb bieS fei in erfter Sittie Aufgabe ber Vtäititer, welaje 
Vtitglieber ber Armen* uitb SEßaifenpflege fiitb. Auch hier ftimmtc bic 
Verfammlung 311 . 

Am 3 weitett Tage ber Verhanblungeit referirte Dr. ^atjfer*V?ormS 
über Ratural* unb ©elbunterftüßung. Rad) langer Tebattc einigte fid) 
bie Verfammlung auf eine Refolutiou, woitad) eine inbtoibualiftrenbe 
Armenpflege unter SBürbiguug bei* örtlidjen Verljältmifc unb bei* l^age be* 
einzelnen §alle* 3 U entfdjeibeu habe, ob ©clb* ober Ratiiratunterftü|uug 
angemeffeu fei. Tie Olclbunterftüßung oerbiene überall ba ben Vor* 
rang, wo fie bie wirthfd)aftlidje Selbftftänbigfeit bes £?ülfefudjcnben 31 t 
erhalten ober wiebcr^erguftellen geeignet fei. Raturalunterftüßung em= 
pfehle fich i>«/ wo bie unwirthfdjaftlidje Verwenbuttg oon ©elbniitteln 
311 befürd)ten ftef)e ober bie mißbräuchliche Anrufung ber Armenpflege 
oerhütet werben folle. 

Ten Vefddufj ber Verathungen bilbete ein Vortrag be* Regierimgs* 
ratl)e* Tuttmaim=01benbnrg über Stran fett pflege unb .^attSpflege auf 
bem 2anbe. Tie (Einführung georbneter Stranfeitpflege auf bem ßanbe 
würbe als bringcnbeS Vcbürfniß anerfamit, iljre Arten nnb gormcu 
müßten ben örtlichen Verljältniffen angepafet werben. 


ütterarifidje ^ujeigen. 


Sebcrmann, Dr. V5. ©efeß, betreffenb bie Aufteilung uitb Verforgung 
ber Stommunalbeauten. Vom 30. 3ntti 1899. V2it (Einleitung, 
ausführlichen (Erläuterungen uitb Sachregtftcr. Verliit 1899, 
3- ©uttenätg. 135 S. 

Statiftifdje Rcouatsfdjrift. .^erausgegebcit oon ber f. f. Statiftifdjeu 
(Ecntral*.S(ommiffiott. Reue T^olgc. IV. Jahrgang, ^siili — Auguft — 
Septcmbcr*§eft. V$iett 1899. Alfrcb Wölber. 

.SSaiitm i. V?. Vcridjt über bie Verwaltung unb ben Staub ber ©emeiitbc, 
Angelegenheiten ber Stabt .s5amm i. V?. pro 1 . April 1897/98. 


Henuitrooitiid) für bic SHcbaftton: Dr. Grnft Jraucfc in Scriitt W., »anreutiicrftrafec 28 . 




1383 ©ogiale $rajiß. Sentralblatt für ©ojialpolitil. 91r. 52. 1384 

©ie 8>rart# M erfdjeint an jebem ©onner8tag unb ift bur# alle öudjljanbiungen unb $Poftämter (Sßoftaeitunginummer 7072) ju belieben, ©er ^reis 

filr bafl ©ierteljabr ift Ti. 2,50. Jebe Kummer foftet 30 fßf. ©er Änjeigenpret« ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^etityeile. 


Verlag von Siemenroth & Troschel in Berlin W. 


Soeben erschien: 


Der Wechselprotest 

und seine Reform. 

Ein Beitrag zur Revision des 
Wechselrechts 

von 

Br. jur. et phil. Leist. 

176 S. gr. 8°. Geb. 3 Mark 50 Pfg. 


Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig. 


Die Schwindsucht 

im Lichte der Statistik und Socialpolitik 

mit besonderer Berücksichtigung der staatlichen 
und privaten Versicherung. 

Von 

Wilhelm Kley. 

—- 1898. Preis 2 Mk. 40 Pfg. —- 



It fltiflimlfflmngmtt. 

Dr. phil., 30 Jahre alt, fudf)t angemeffenc Sc« 
fchäftigung im Jn= ober $fu3(anbe. ftenntnijs 
ber fransöpfchen unb italiemftfjen ©pradje. 
©iffertation (©tatiftif) jur Verfügung. Offerten 
unter O. P. »70 an H&asenstelm & Vogler 
A.-€L, Hamburg. 


Dom 1. Oktober 1899 ab ging in meinen Derlag über: 

Pa« (•kwn'lirgmifjt 

Olonatsfdjrift bes Derbanbes Oeutfdjcc (Beraerbecjertdjte. 

Herau&gegeben nett beffeit öefd)äft*fül)ret 
©tabtrat Dr. ft. gflefdj, ^ranffurt a. Ti., 
mit nnterftüfeung bri; Herren 

Hr. tm, ©tabtrat Gimo, ©emeinberat ©toftmaper, Sftechnungßrat Ämeiib, 
©barlottenburg-Scrlm. ftimigöberg i.$r. ©tuttgart. SKatng. 

Verlag: (Seorg Reimer, Berlin SW., Slnfjaltftr. 12 . (ftettifpreflet VT, ?6n. 

S>a« „©eroerbegerldjt" erfdjctnt am l. ieben ‘JWonati. ^Sreti jäljrllct) 2 SRarl. ^Sinjelne Stummem 20 $f. - SOe 
©ofianftalten, 3eUung«fpebttiotien, ©udjfianblungen forale bte Berlag&fianblung nehmen SkfteSungen an. — 
gttfetate: bte 2gefpaiteue «etitielle 60 ©f. »et UBteberfpIungen {Rabatt. $ufmbungen für bie ffiebaftlon bei 
„akroerbegertdjti - fönnen außer an ben Herausgeber aud) an ieben ber oben genannten Herren foraic an bie 
»erlagi^anblung gertdjtet roerben. 

©iänbtge «ubrifen: ?t raffte rt#tstti s ^erfafKNg unb 3*rf«trrn, fiuifuaaaimter, 'mb jLotO§i f 

JUgemetttrs ftier $r»e?f egedgte mb Jtrt«tf$9fftr«g, -Jitter atar, 'ge?§^bs*rafdege*fet1e8i. 

Berlin. Verlag Gttv 0 fUiwte*. 


Pur ttodt luettige uoURanMge (Efrntplarr. 


93 im bem 


für 

Devwaitun$ uttfc Doltetmvtfcfyaft 

im Dcutfi^en Reidj 

begrünbet non J. StfHrtstfrtfvff, 

fortgefefct non #♦ tritt gollf ettfcorff unb guf* 

heraußgegeben oon 

05n(lau «IdjOTOller 

fmb oon ben bisher veröffentlichten unb abgefdjloffenen 25 Jahrgängen (I—IV unb 9teue golge I—XXI, 1871—1897), beren Saben- 

; ,liamme1 ' = 581 marf 60 pfg. = 

betragt, nur ttodj wenige v o U ft Sn b 1 0 * Exemplare 

oorhanben, roeldjc, roemt auf einmal bezogen, auf SBÖiberttif ju bem herabgefefcten greife oon je 

.:-z ^00 matt = :-■■ ■ 

gegen bare Satzung, lieferbar Öeipjig, abgegeben roerben. 

©o lange ber Vorrat reicht unb bie oorftebenbe, gdihilige ^ret^betßbfe^uttg oon uns nicht aufgehoben ift, fami jebe 
befferc Sortimentebiidfhanblung &u obigen Sußnahmebcbingungen liefern. 

(£iite ?lnf(haiiung beß reichen unb mannigfachen Jnhaltß ber biöffer oorliegenben 25 Jahrgänge geroährt baß oon Dr. Äbolf 
oon 23en elftem bearbeitete (Deitctalregifiter, baß alß aroeite Hälfte oon $»eft IV beß XXI. Jahrganges ber neuen golge jum greife 
oon 5 9)1. 20 fßf. erfchienen unb fomit in ber oorftehenb bc^eichneten ©erie mit enthalten ift. (5ö ift — auch jur Slnfi3)t — burch jebc 
beffere ©ortimeiit^buchhanblung ^u beziehen. @in berufener S^eceufent begrübt biefeS 91egifter im Jntereffe ber 9tationa!öfonomen unb 
©o^ialpolitifer al^ „einen juoerldffigen SBegroeifer burch ba^ 9tiefengebiet be@ „Jahrbuch^". 

s " n ' , ‘ lm Dutuhnr & Slumblot. 


Serantronrtlid) fur ote «iue:gni: pcUiuurtj Oletbcl, Üciyjig. — Verlag dou i)umfer & putnblot, S?eipiig. — (üebrueft bet 3 uliui ©ittenfeib, ©erlin. 

^cigelegt ift biefer Kummer ein ^rojpeft ber 33rrlagäbuc()f)nnbluug Hobbing A Bikchle in ©tutlgatt f betr. ©uftau a. ©teffi'n 

Gitglanb al» ^cltmadit mio ftulturfiant. 























gas (ßfrocrbcgmrljt 

Itlttt^eüungen bes Derbanbes beutfcfyer (BetPerbegericfyte, 

£ugleid) 

getlage jur „gojialen Praxis" 


SRebafteur: ©tabtratf) Dr. ^Icfrfj» £5?ranffitrt a. 3Ä. 


4. 3nl|rgnng. 

Oktober 1898 bis September 1899. 

JTltt Sad? = , 0rts = unb 21utoren = Hegijler. 


-# H »» 


gerlin 1899. 

SSerlag oott $untter & §umblot, fieipjig. 




(Bie 3^ff c1rn b*getd>nen bie ©palte.) 


I. §?ac§regtßer. 

(2>te mit * begeidjneten Beitrage finb lettenbe Auffftfce.) 


A. 

a) Itei^geiaerbeorbnttttg. 

£itel VII im Allgemeinen. 

BMrffamfeit eines an ber ArbettSftellc aus* 
gelangten Tarifs. BerMenft bes Ar¬ 
beiters Bei Afforbarbett? (©iehe and) 

I. A. f.) . .. 

3ft ein ©djadjtmeifter als Arbeiter, SBerf* 
meifter ober als felbftänbiger Unter* 

nehmet angufehen?. 

3ft baS ©etoerbegeridjt guftänbig für $er* 
fenen, meldje nur mit bem Umfap ae- 
werblicher ©rgeugniffe befdjäftigt ftno? 
3ft ein 0d)lofferan[d)läger gewerblicher 
Arbeiter ober felbftänbigerUnternehmer? 
3ft ber Äolonnenfüfjrer ben anberen Mit* 
gliebern ber Kolonne gegenüber ©teil* 
oertreter bes Bauunternehmers ober ift 
er felbft Arbeitgeber ber Kolonne? . . 
3ft baS ©ewerbegeridjt für ©treitigfeiten 
gwifdjeit einem gelbnteffer unb feinem 

Sehrling guftänbig?. 

3ft ber ftiidjcndjef eines Rotels Betriebs* 
Beamter? Unguftänbigfeit beS ©emerbe- 
gerfcBts bei Betriebsbeamten, bie nteBr 
als 6 M pro Sag erhalten .... 
3ft baS ©ewerbegcridii guftänbig für Klagen 
beS Majcbiniften eines ©cf)lepp» 
bantpfers? ©cbört ein ftaatlicB ge* 
prüfter Mafdjinift, in feiner ©igenfdjjaft 
als SWafcbinift eines ©djleppbatupferS, 
gu ben Betriebsbeamteit unb Sedjnifcrn 
im ©inne beS §. 133 a ber ©ewerbe* 

orbnuug? . 

3uftänbigfeit beS ©ewerbegerichts für Au* 

geftellte in gabriffantinen. 

Unfelbftänbiger Arbeiter ober UntemeBmer? 
£>at ber Arbeiter Aufprndj auf Ausgasung 
beS oofleit Afforblohncs, auch wenn bei 
ber geftfepung ber Bergütung ein $>xx* 

tBum untergelaufen ift?. 

$?ann ber Meifter einem ©ef eilen für 
mangelhaft ausgeführte Arbeiten einen 

Sohuabgug madien?. 

•£>at ber Afforbarbeücr Anfprudj auf ©nt* 
fdjäbigung für bie 3 e ü/ roäBrenb ber 
er megen Materialmangels nidjt arbeiten 

fann?. 

galten ©trabenbahneit unter §. 6 ber ©e* 

werbeorbnung?. 

Untemelmter ober Arbeitnehmer? SiedjtS* 
oerBältuifj eines Mannes, ber als 
©cBaditmeifter^bejiü.Borarbeiter^arlicr, 
angenommen mar unb im Atforb eine 

Arbeit übernommen Ba^ c . 

3ft ein SDfiltBfutfdjer ^anbluugSgeBülfe ober 

©ewerbegehüife? . . .’. 

3ft ber 3ufdjueibcr Betriebsbeamter? Ber* 
brennen oon ©chmttmufteru ©adjbc* 
fdjäbigung? . . 


Sitcl VII im Befouberen. 

§. 107. 

AuSBänbigung beS Arbeitsbuches . . . 

aItC §§. H5, 117. 

ÖoBneinBaltung gur Secfuug eines bem 
Arbeiter gum ©elbftfoftenpreis über* 
n laffenen gafjrrabs. Sftedjt beS Arbeiters 

jur Bücfforberung biefer Abgüge trog 
i feiner ©inwiHigung gu benfelben. Be* 
9] ! griff einer „©inridjtung gur Berbefferung 

ber Sage beS Arbeiters" ..... 

§• US. 

$>ie Beftimmung beS §. 118 ber ©ewerbe* 
9r orbnung, betreffenb bas Strebitiren oon 

SBaaren, ift öffentlich *redjtlidjer SRatur 
unb baljer oon AmtSroegen gu berücf* 
(tätigen, ohne baf* eS einer auSorücflidjen 
47 ! ©eltenbmachung feitenS ber Parteien 

| bebarf. 


48 


48 


§. 119 a. 

Unter roelcBen BorauSfefcungen fann oer* 
bienter SoBn als ©idjerBeit beS Arbeit¬ 
gebers für ©djäbigungen burcB fcBIecBte 
©efcBäftSfüBrung feitenS beS Arbeiters 
gurüdbeBalten werben?. 


§. 120 e. 

ArbeitSoenoeigerung. Bebeutung ber 
„Bäcfereioerorbnung" ...... 


49 

59 

95 


108 


§. 122 . 

Anmenbbarfeit bes §. 122 ber ©ewerbe* 
orbnung (BecBt auf Utagigetfünbigung) 
©eiten, wenn jemanb nadj feinem Austritt 
aus einem Berljältniß als SBerfmeiftcr 
wieber in baffelbe eintritt, ohne Weiteres 
bie für baS frühere BerfjältniB oerein* 

barten Bebingungen?. 

Beginn beS ArBeitSoertragS. 


109 


111 

117 


120 

129 

132 


§. 123. 

9Bie lange fönnen bie (SntlaffungSgrünbc 
bcS §. 123 ber ©emcrbeorbmmg geltetib 

gemacht werben?. 

3nwiemeit ift Sfranfljeit beS Arbeiters 

©ntlaffungsgrunb?. 

©icBtbare, uufittlidje Sätomirungen ber 
Arme finb fein (Sntlaffungsgrunb, 
fchliefjcn aber nadj babifcBeut Sanbredjt 
einen ©chabencrfajjanfprudj beS ©nt* 
laffenen aus (oergl. and) unter f.) . . 
Unbefugtes Berlaffen ber Arbeit .... 
3ft eS ein ©runb gur fofortigen ©ntlaffung, 
wenn ein Arbeiter feinem Mitarbeiter 
gurebet, fid) an einer Arbeitseinftellung 
gu bet heiligen? Bebeutung bes Buch* 

j bruefertarifs. 

! Unter welchen Umftänben ift ber BäcfcrgcfeHe 
gur Berweigentng ber Arbeit unter 


Spalte 


83 


93 


Spalte 


Berufung auf bie Berorbnung bes 
BunbesSrathS, betr. ben Betrieb oon 

Bäcfereien, berechtigt?. 

Beharrliche Berweigerung einer oon einem 
Arbeiter ocrlangten AuSfunft ift ©runb 
gu beffen fofortiaer ©ntlaffung . . . 
Begriff ber „groben Beleibigung" im ©inne 
beS §. 123, Abf. 1, gifftt 5 ber BeidjS* 

gemerbeorbnung. 

3ft Borhalt eines förperlichen ©ebredjens 
grobe Beleibigung im ©inne oon 

§§. 124 3 u. 96? ;.121 

&ann ber ohne ©inhalten ber &ünbigung$* 
frift austretenbe Arbeiter oor Ablauf ber 
grift ein 3 eu önif3 forbem? .... 122 

S)ie bem Sehrling allwöchentlich einbe* 
Baltenen l'ohntheilbeträge bürfen bei 
Auflöfung beS SehroerhältniffeS nicht 

oorenthalten werben.122 

3ft bie einfeittge Aenberung berSfünbigungS* 
frift währenb bcS ArbeitSoerBältniffeS 

für beibe 2h c ^ e btnbenb?.146 

3fi bie orbnungSmägig erlaffenc ArbeitS» 
orbnnng für ben Arbeiter oerbinbtich, 
auch wenn \ie ihm nicht befannt ge¬ 
geben ift?.145 


74 


97 


106 


85 


25 


§. 126 b. 

3ft ein Sehroertrag nur oon bem Sehrherrn 
unb bem Batet beS Sehrlings fdjriftlid} 
abgefdjloffen, fo liegt ein fdjriftHdjer 
Sehrocrtrag mit beht Sehrltngc nicht 
oor unb ber Sehrherr fann eine @nt* 
fchäbigung wegen BerlaffenS ber Sehre 
oom Sehrling nicht oerlangen . . . 


| §. 128. 

! Bücftritt oout Sehroertragc. 

| Mangelhafter gleifj unb mangetnbeSgntcreffe 
I beS SehrliugS giebt bem Meifter nicht 
i baS Be(|t gur fofortigen Auflöfung beS 
q9 ! SehroerhältniffeS.. . 


§. 133 a. 

3ft bei SBerfmeiftern tc. bic Bereiitbanmg 
ungleidier Stünbigungsfriften guläfftg? 
SBclche grtft gilt, wenn bei ungleicher 
ÄHiubigungSfrift beibe ^h e ^ c fünbigen? 


72 

•>9 


82 


7 


21 §. 133 b. 

I 3ft eS als ein wichtiger, gur Aufhebung 
bes SienftoerhältniffcS eines 3Serffübreis 
i geeigneter ©runb tut ©inne bes §. 133 b 
j ber 9ieichsgemerbeorbmutg angufehen, 

36 wenn ber SJcrfführer 

37 ; 1. anberen ^erfonen, inSbefonbere ben 

Ujm unterfteflten Arbeitern ÄeitntniB 
oon bem 3nl)ölt geheim gu haftenber 
gefchäftlidjcr Mittliciluugen macht, 

2. jeiue Arbeiter gu beeinjluffett jud)t, 

49 | ihrem ^ringipal AuSfunft über .^er= 
fiettung unb Material ber gabrifate 
oorguentbalten? ....... 34 

































IV 


§. 134 a. 

< 3 inb Vereinbarungen mit einzelnen Au* 
Beitern ab weichenb non ben Ve= 

ftimmimgen ber ArbeitSorbmutg, fpejtcll 
hinfichtlich ber Sli'mbigungSfrift, juläffig? 24 

b) <ftefe|, betr. bie (Berocrbegtrichte. 

§• 1 . 

oft baS ©etoerbegeridjt juftänbtg für 
Silagen au* Seproerträgen, bei beiten 
ber Vater ober Vorntunb bes SeprlingS 
als Partei Auftritt?.»rf 

oft bas ©cmcrbegeridit jur ©ntfeheibung 
in ber 2 adic eines Maurerpolier* gegen 
einen ein Hanbclsgcfchäft Vctreihenben 
(gewerblicher Unternehmer, Vauunter* 
nehmet*, ©ruubjtücfsfpefulant) juftänbig? 134 

Arbeiter im 3inne bes $. 2 beS ©efepeS 

über bie ©ewerbcgcrichte.135 

baS ©etoerbegeridjt juftänbig für Silagen 
oon Mufifern unb Siünftlern nieberer 
(Gattung gegen Unternehmer oon fog. 
0pejiaiitäten s Vorftellungen? .... 142 

§§. 1 unb 29. 

oft bas ©etoerbegeridjt 3 uftänbig für geft* 
fteKungSftagen gegen ben SlonfurS* 
oerroaiter?" Slann ein SttethtSamoalt, 
ber StonfurSocrroalter ift, oor betn 
©etoerbegcricht Auftreten?.33 

§. 2 . 

V$ie ift bie 3uftänbigfeit beS ©croerbc* 
geridjts bei bett im §. 133 a ber (bewerbe* 
orbnung bejeiebueten IjÖljeren Singe* 
ftettten 31 t beurtljeilen, wenn es fidj um 
Der §öl)c nadj rocd)felube Siebenbejüge 
banbeit?. 58 

§§. 38 unb 40. 

Aidjtoerl)anbeln im ©infprudjötermine. 
^Richterliches gragerecht. Verjährung . 19 

§• 46. 

Jnwicmeit ift ein nadjträgiidjc» ISrBietcn 
Juni ©tbc juläfftg? Autoertbung bes 
§. 46 ©etoerbcgcrichtS*©cfepeS ... 9 

§. 56. 

*2te Suläffigfeit ber Berufung gegen Ur* 
tljeile ber ©ewerbegeridjte ... . . 113 

§■ 06 . 

3ufap ber Vollftrccfungsfimifei 31 t getoerbe* 
geridjtlidjen Urtbeilen ...... 78 

c) firanbenn<rfld|ertmgji0ff(|. 

Slbjug oon Jnoalibttäts* «ab Traufen* 
faffenbeiträgen.108 

d) CinUpra^iorbnnRg. 

§§. 162, 264, 260. 

3 ufteUuug an ben Vt'^hbeoollmädjtigtcu. 
2 djaöenseiiap loegeu Ausfteflung eine* 
orbmmgsioibrigeu 3 e ugmffcS . . . 32 


e) (Bemeinea jOctuatrecht, fattbred}! etc* 

Hat ein ©emerbcgehülfe, ber gemäh §. 124 
Abf. 1 3» ff er 4 ber ©eiocrbcorbnung 
bie Arbeit oor Ablauf ber oertrags* 
inäfiigen 3dt unb ebne Auffüitbiguitg 
uerlägt, einen Anfpriidt auf i/oljn* 

entfdjäbigung? . 

©nrlaffimg oor Vollcuimitg einer Afforb* 
arbeit. VMe ift bie bis 3111’ ©titln ffttng 
geleiuete Arbeit 311 oergüten? . . . 

Sirtfamfcit eines an ber ArbcitSftelle aus* 
gebangten Tarifs. Verbienft bes 
Arbeiters bei Afforbarbeit? (Vergl. 

audi I. A. a.). 

staun ber Arbeitgeber feinen Arbeitnehmern 
am Oljarfreitag bie Vefdjnftigimq oer* 
meigern? belebe Vebcutung haben An* 
orbnungen bes Viirgcrmeifier* über ben 


Vc trieb unter feiner Auffidjt ftel>enber 

SSerfe?. 

3ufäffigfcit ber geftfepung felbft hoher 
Sionocntionalftrafcn für 2 ienftocr* 
lepurtgeit oon Angcftellten einer ^rioat* 

poftahftalt. 

Verurtljdlimg oon Arbeitern, bie in Streif 
getreten mären, jur ^ertigfteUung an* 

gefangener Afforbarbeit. 

Siidjtocrhanbeln im (SinfpruchStermin. 

I AidjtcrlidjcS g-rageredjt. Verjährung . 

£ft ber Arbeiter perl m&i, ohne ßut* 
.fdjäbigiüiäJ Tui^ujbph^? * ÄetSu|iutj 
mihibtidier $cbeuabrcfeeu neben ‘ ber 

! Arbeitsordnung. 

oft ber Slrbeitcr peppftiädjtetfi betu ^lrbett* 
geber auf Vcfrageit 3tt Tagen, unter 
tucldjcm VSerfmcifter er arbeitet? . . 

: VSirb ein tfeproertrag burdj unorbcntlidje 
| Ausfüllung bes V«tragSpir rnuJars 

| ungültig 1 ?'" . VV.’C. . - i . 

| Slann oon bem Arbeitnehmer noch nadi ber 
. Öinftellung ocrlaugt roerben, bag er 

. SiünbiguiigSausfchlnh unterfd^reibe? . 

‘ Vefteht bie für bie » ac h bem Austritt 
! bes Arbeitnehmers aus bem Arbeit** 

j oerbältnift oereinbartc $flid)t 3ur Ver* 

j fchioiegeiiheit über ?TabrifationS* 

I geheirrmiffe auch bann noch fort, loemt 

ber Arbeitnehmer ohne ( 4 ntnb entlaffen 
ift ober bitrd) gefepioibrtgeS Verhalten 
bes Arbeitgebers 3m* Auflofung beS 
Arbeitsoerhältniffes gestoungeu morben 
ift? Staun er AnS3ahlung ber oep* 
tragSntägig eht3ubehaltenbeu Äautipn 

forbern?. 

Mufj ber Arbeitgeber ben oont polier oer* 

fprodjenen Sohn johlen?. 

Sirfjtbare, unftttlidje Üätoioirungen ber 
Arme fittb fein (SittlaffungSgrunb, 
fchließen aber nadj babifdhem Sanbredht 
einen 0 thabenSerfafcanfprud) bes (Snt- 

laffenen aus. 

UBeldjc Vcbeutung hat bie Abrebe, bah ber 
Arbeiter bent Arbeitgeber ben Aach* 
rociS für oon ihm auStoärts gelieferte 
Arbeiten burd) Vcfdjetnigung bes Ve* 

ftellerS 311 erbringen hat?. 

3 chabenscrfappflidjt bes Arbeitgebers bei 
VorenthaTtuug eines orbnungSntähigen 

3 eugniffeS. 

.^aben geioerbliche Arbeiter Anfprud) auf 
93e,3ahlung ber ^eft** tmb TT^toge? • 
i Vemeffung ber Vergütung für bie ^robe* 
I bienft3cit bei gleichseitiger Verein* 

j bannig bes Lohnes für bas fpätere fefte 

, Arbeitsocrhältnih. 

Öin Arbeitgeber, ber bei ber perfönlidjen 
Vorftclliuig bes burd) Vrief ange* 
nommenen Arbeiters erfährt, bag ber 
Arbeiter fo fdjioerhörig ift, bah er itjn 
für fein Hcfdjäft nidit brauchen fann, 
ift befugt, oon feiner Annahmccrflärung 

Surücfsutrctcn. . . 

3 u etneu BchabetiSflagc oon Vauarbcitern 
ift, roctm fic für ben ganzen Vau 
engagtrt mären unb ber Öohn im 
(Deinsen mehr als 150 Mar! betragt, im 
Oielnctc beS Allgemeinen Sanbrechts 
1 2d)viftform oon Aötljen. 


B. SScrfaffnng unb SSetfa^reu. 

Vorfipenbe unb Veifther int Oleroerbegertd^t 3 
Statut beS 0>nuerbcgcrid)tS Voftocf . . 4 

• Stoufcrens ber Arbciterbcifiper ber pfälstfdjert 

| OJemerbegcrichtc.16 

[ Sturje Aotisen ... .32 

* | Vürgcrlidies ^H'feübudi unb O)ctoerbe* 

I orbnung. 46, 57, 69 

! Auslegung bes §. 29 bes Wcmerbcgertd;tö* 

| gcjcpeS. 47 

l 3ft iiroportionalioahl „unmittelbare V?al)l" 

I im 3inue bes §. 12 bes (»emerbe* 

geridjtsgcfepes?.70 

VoHftreefung ber feiteus ber oteioerbe* 

1 geriditc ocrhäugten .vmftflrafen ... 81 


*Xer §. 626 bes Viirgerl. OlcfcpbudjeS unb 
baS &ünbiguitgsred)t in ber (^eioerbe* 

orbnung . . 89 

Ifnoeiterung ber ^uftänbigfeit ber Wetoerbe* 

gerid)te.93 

*^ie ^ohnsahlung bei oorübergehenber 
Arbeitsbehinberuitg nad) § 616 bes 

Vürgcrlidieit OiefepbudiS.lui 

§. 626 be§ Viirgerlidjen OiefepbudiS unb 
§. 123/124 ber Oktoerbeorbnung . . UM 

SSahlberedjtigung arbeitSlofer Arbeiter unb 
«-allein arlicitenber Unternehmer . . . 129 

(wruerbegertchtSioahl. Unrichtige Öoos* 
Eichung. Sahirecht ber ^rofuriften . 141 


C. @migttttgdämter* 

3um Vranbenbitrger 3intmererftreif . . 
2 )aS ©emerbegericht granffurt a. M. als 
dinigungSamt in einem Maurerftretf . 

VerftIbererftreif in Verlin. 

©nglifche Verföhnungsafte, $)ie (fr* 

gebniffe ber —. 

(£nglifdje ^anbelsfammern, ©iuigungS* 
ämter bei beri — . . . . . . . . 
Conseils de Prud’hommes, Veforin ber 
in ^raitfretd) . . ... . . 

$hätigfeit bes Vtünchcner OknjerbegeridjtS 
als ^inigungsamt. — Vesiehungen 
3 totfdjen Öcmcrbegericht unb Arbeitsamt 


@utadhteit unb Sttträge* 

* 3 »r rechtlichen Stellung ber Heimarbeiter 1 


E. &ttgemehsei ÜUt ©etoerbegerii^ie nirb 
3(rbcttSbertrag. 

^Heimarbeiter, 3 UV rechtlichen ©fellung 
ber - (Gutachten bes VegutachtungS* 
auSfdjuffeS beS ©etoerbcgeriditS Offen* 

bad). 1 . 1 

* 2 )ic ^raris bes Stettiner Oktüerbegcridjts, 
oerglidien mit ber ^raris beS Oleioerbe* 

geridjts Verlin ..." .14 

Arbeitgeber unb Arbeiter bei ben Olemcrbe* 

gerichtSmahlen. 26 

Heimarbeiter, 3nr red)tlid;en Stellung 
ber — ......... 45, 29, 79 

Jahresbericht, A 11 S bem — bes ©emerbc* 
gerichts Mündjen für 1897 .... 38 

Vefanntmadjungen ber ©eroerbegerichte über 
Arbeitsoerhältniffe ihres VesirfeS. ©e* 
ringe Venupung ber ArbcitS 3 ctteI . . 39 

*V a rteien, <£ lc un & baS ©emerbcgcricht 41 
♦Äaufntäunifchc Sdjiebsgeridjtc .... 53 

Sieichstagsocrhaublungen itberVerbefferung 
unb (Srmeiterung ber ©emerbegerichtc 56 
Verlitter ©croerbegericht, ^erVericht beS — 

1 über bas ©cfcf)äftsjahr 1897,98 ... 62 

0eefd)offengerid)te.63 

; *$ompeteti 3 , 3 ur — ber ©emcrbegerid;te . 65 

i Arbcitsnad)iociS, ©emerbegerichte unb — . 74 

' JahreShcridite, Aus ben — oon ©emerbc* 

! geridjten .... 75, 87, 100, 111, 123 

i *2)ic Amoeubbarfcit ber §§. 611—630 beS 
Viirgerlicben ©efepbucheS (3)ienftoertrag) 

1 auf bie ^ieuftoerträge mit gewerblichen 

j Arbeitern.77 

Petition bes Verliner Vereins „grauenmohl" 
betreffeub Wahlrecht ber grauen 31 t ben 
* beruflichen SdjtebSgerichten .... 

1 ©eioerbcgeridjt, Arbeiterfefrctariat, Aus* 

funftsftcllc. 91 

1 J)cr ©efepentmurf 311 m @d)up beS gemerb* 

1 liehen Arbeitsoerhältniffes.tu 

1 Abänberung bes ©cmerbegerid)tSgefepeS . 127 

■ *VefuItatc ber Acdjtfpredjung eines gröberen 

©emcrbegeridjts . 137 

Eingriffe gegen eine geplante Äompeten 3 * 
erioritcrung ber OJemerbegerichte. . . 12 .' 

| 2er ©ntmurf eines ©efcpeS betr. bie ?lb* 

! äuberung ber ©emerbeorbnung... 14< 









































V 


«palte 


F. Sitteratnr, 

Dr. 8 . Slocf).52 

ö. 8erfcani>Souge!egetif)citcn, 

^Beitritt junt Berbanbe beutfcber ©eiuerbc* 

geriete. 12 

©intritt in ben SfuSfcbufc. 12 

Slufforberitng an bic BerbanbSmitglieber . 18 

£)ie Befpredjung ber ©eiuerbegerid)tsuor* 


©Itona. 64. 

©armen. gal)re3berübt 64. 

Berlin. 14, 28, 39, 53, 77, 104; gabrcSberidjt 
64; Becbtfpredjung 7, 19—20, 22 , 24, 32, 34, 
36, 47, 48, 58, 59, 61, 71, 82. 
Branbenburg a./H- Bed)tfpi'edjung 121 . 
Braunfdjroeig. 101 . 

Bremen. 3a^reöberidbt 64; SlrbeitSnadnueiv 74. 
Breslau. 9ted)tfprctf}ung 7. 

Bromberg. 3al)re$bericbt 64. 

Burg. gd^reöberit^t 64. 

©affel. ^roportionalroa^l 70. 

$effau. 3ab r e3berid)t 64. • 

$)ortmunb. 21 ; 9tetf)tfprecbung 00 , 122 . 
®re§ben. 12; Stecbtfpredjuug 59; los. 
TDuiSburg. SRedjtfprecbung 120 . 

©Iberfelb. Sa^reSberid^t 64. 

©uglanb. Begleitung uon Slrbcitöftrcitig* 
feiten 40. 

gfranlent^al. 12 , 122 (9led)tfpred)ung). 


«palte 

ftfcenben unb Beider 311 Nürnberg, 

29. September 1898 . 17 

BeitrittSerflärungen.19, 64, 124 

9toti$ über eingegangene Beritte ber ©e* 

ruerbegeridjte.136 

9tacfiri(bt (betreffenb ©ntiuürfe jur funftigen 
Raffung ber Statuten unb ©efdjäfts* 
orbnung unb bas Material gur funftigen 
©cftaltuug be£ BerbartbSorganS) . . 148 

H. Srleffaftcu 

12, 40, 64, 76, 88 , 136, 148 


II. §>rfsregißer. 

(S. = Statifttf.) 


granffurt; a./9Jt. 39, 41,116; SKaurerftreif 26; 
2ftl)* e 3f>eritt 64; Stedjtfprecbung 9, 22, 23, 
26, 33, 95, 121, 145. 

greif» urg i B. Becbtfpredjung 35. 

©era. 64. 

Hamburg. Beififcerorgauifation 39; galjreS* 
beritt 76; Siettjpretung 21 , 35, 48, 85, 
86 , 99, 109, 134, 142. 
amm. 9te<btfpre<bung 4, 60. 
eibelberg. 9tetf)t}precbung 129. 

StarlSrube. 9iecbtfprecbung 136. 

Stiel. Beififcerorganifation 39; 9ied)tfprecbuug 49. 

St ö ln. 89; 9ted)tfpred)ung 5, 23. 

StönigSberg i/$r. 65,113; 9iecbtfpretbung 24. 

Strefelb. Stecbtfpredjung 145. 

Seipjig. Beififcerorganifatioit 39; 9tctf)i= 
fpredjung 73, 83. 

gubtuigsburg. 64. 

Subiuigbafen a./9tb- gabrcSberitbt 76; 9ied|t= 
fpretung 106, 121 . 

SWagbebura. Bedjtfpredjitng 93. 

SJtainj. Beiftberorganifation 39; 9ied)tfpretf)ung 
74. 


«palte 

J* 

Beifibcruereinigung . .. 12 , 64 

Beifibcrorganifationcn.39 

3 unaf)ntc güttitcrBegleitung uon Slrbeitö* 

ftreitigfeiten in ©nglanb.40 

gabreSberitte.64 

Anträge.64 

kleine Bttttbeilungen (betreffenb ben ©nt* 
tuurf Juni Schub beS gewerblichen 9lr= 
beitSuerbältniffeS).148 


Btannbeim. Bedjtfpredjung 129. 

Btülfjcim, 9iubr. SRecfctfprecbung 72, 85. 

9ft uneben. 47; 3abre3berid)t 38. 

9teumünfter. Bedjtfpredjung 83. 

Nürnberg. 12. 

Offenbat- gabreSberidjt 64; 3 ur redjtlid)cn 
Stellung ber Heimarbeiter 1, 79; 9ted)t= 
fpretung 97. 

91 oft ad. 4; 9ted)tfpred)ung 84. 

©djöneberg b./Berlin. 19; Beifiberorgauifation 
40. 

Solingen. 9tedjtfprecbung 8 , 108. 

Spanbau. 19. 

Stettin. 12 , 14, 19, 142; 3abreoberid)t 75; 
9tettfpred;ung 37, 98, 111 , 132; Beifiber 5 
Organisation 39. 

Stuttgart. 3abreSberidjt 64; Bedjtfpredjuug 
10, 117. 

$rier. 89. 

SBeintar. gabreSberidjt 64; Ärbeitönadnuci* 74. 

3micfau 12 , 19. 9iedjtfpretung 6 . 


III. Jlttforertregifler. 

(B. = Borpbeuber; 9lg.=B. = 9lrbeitgeber=Beifiber; 2 lu.=B. = 9lrbeitucl)iucr=Beifiber.) 


«palte 

uon Blume, fßrofeffor in Boftod.... 69 

BranbiS, Dr. jur., SSerner, Berlin ... 104 
Braftr Dr., .SföagiftratSaffeffor in Berlin 

(B.).34, 71 

©uno, Stabtratb in Königsberg i. tyv. 65, 113 

£>eder, ©. in Köln.57, 89 

glefd), Dr., Stabtratl; in granffurt a.SJi. 41, 116 

graitde, Dr. ©., ju Berlin.53 

uon granlenberg, Stabtratl) in Braun* 

fttueig (B.).. 101 

gulb, Dr. üubiuig, in Btainj.70 

©erift; ©mil, in granfentl)al.17 

©ertb/ Dr., ©eiuerberitter in Berlin (B.) 19 


«palte 

Heilung, ©emerberitter in Berlin (B.) 61 

Stierte, Stabtratl) in Breslau (B.). ... 7 

Saubitnger, Bfagiftratsaffeffor in Stettin J4, 32 
uon Öeefen, Dr., in Hamburg (B.) ... 35 

Btagbeburg in Staffel.70 

BJantiuS, Dr., in Hamburg (B.) .... 48 

Btüblbauer, 91., Sefretcir beS Hrbeiter- 

fefretariats in Btüncben.47 

$oI)I, Stabtratb in Königsberg i. $r. (B.) 24 

Sßoblmann, ©eridjtSaffeffor i. granffurt 

am Btain (B.). 22 

Sd)äfer in 2Äainj (B.).57 


«palte 

Scbalborn, Dr., ©nuerberiebter in Berlin 

(B.).77 

Sd)iuieber, ©eioerberid)tcr in Berlin (B.) 24,36,47 
uon Scbulj, 2.1t., ©ciuerberid)ter in Berlin 

(B.).29, 45 

Stiibing, ©eiuerberid)ter in ©reSben (B.) 12 

2edjon), ©eroerberid)ter in Berlin (B.) 22 , 82 
^boma, Dr., Bürgermeifter in greiburg i. B. 

(B.).35 

Simm, 3-/ Sefretdr beS HrbeiterfefretariatS 

in Btiincben.47 

B&olff, ©mil, Borfibenber bes ©eiuerbcge* 
ri^tS Dffenbacb.79 


«cbiucft bei Sallu* «ttteufelb tn öerlin W 




























IT. 3^rflang. 


©erlitt uttb (Jranffurt a. SW., beit 8 . Dftober 1898 . 


Wtttntntr 1. 


Jas ©fmcrbfigfrittit. 

ZHittheilungen bes Derbanbes beutfcfyer < 5 emerbegericfyte. 


BebaftionSauSfchuß: 

@tabtratß Dr. jlrfd) tit Sranffurt a. Bh, Oeroerbcrid^tcr $djmitber in Berlin unb ©emeinberath §tacKmoijer in Stuttgart. 


ftf 4 «toi «« n|n MN» 9 «»«U. 


?r*U |i|t(l 4 1 Jßnk. 


»erlaß fcoit ©untfet & Humblot, Seip|lg. 


Sfoftenfreie »etlage jur „Sojialen »rayi8\ 


«Ke für bie »ebaftlon be« ff @etoeTbegeric&tS ,, beftimmten Senbungen bittet man 311 abreffiren: «n ©emerbertdjtet Sc&mieber, »erlin-Haienfee, Äurffirftenbamm 132 A. 


ßut rechtlichen Stellung 
Heimarbeiter, ©utachten bc$ 33 e* 
ßutad)tunßöauS|cb«tfeö beo ©croerbe* 
geric^td Qffenbach. 1 

9 *rfnflttna unb §erfahren.3 

»orftyenbe unb »etftber im ©ewerbe* 
flericbt. 

•Statut beb ©eroerbegerichtS Koftocf. 
#erijtfareit|img. 4 

I Hat ein ©emerbegeljülfe, ber ge* 
mäfe §. 124 «bf. 1 ßiffer 4 ber ©e* 
»erbeorbuung bie «rbeit bor «blauf 
ber bertTagbmäfjigen 3«ü. unb ohne 
«uffünbigung berläßt, einen «nfprucb 
auf Sobnentfcböbigung? 

II. ©ie »eftimmung beb §. 118 
ber ©emerbeorbnung, betreffenb bab 
Jtrebitiren bon Söaaren, ift öffentlich- 
rechtlicher Statur 1111b bahcr bon 
«mtsmegen 3U berücffidjtigen, ohne 
ba§ eb einer auöbrücflidjen ©eltenb* 
madjung feitenb ber ȟTteien bebarf. 
(äönigl. QberlanbeSgericht Hamm.) 

©ntloffung bor fflollenbung einer 
«fforbarbeit. 2Bie ift bie bib 3ur 
©ntlaffung geleiftete «rbeit 3U ber» 
güten? (©etoetbegeridjt unb Sanb» 
geriet &öln.) 

SGirffamfeit eineb an ber SrbeitfteHe 
aubgebflngten ©arifb? »erbienft beb 
«rbeiterb bei «fforbloljn? (©emerbe« 
geriet 3nüc!au.) 

3ft bei äBerfmeiftern u.f.m. bie »erein* 
barung ungleicher tffinbigungbfriften 


bulüffig. SBelcb« greift gilt, wenn 
bei ungleicher Äünbigungbfrift beibe 
Shell* fünbigen? (©ewerbegericht unb 
£anbgericht ©reblau, foroie ©emerbe* 
geriet unb Öanbgeri^t ©erlin). 

Äann ber «rbeitgcber feinen «rbeit» 
nehmern am ©tjatfceitag bie ©c» 
fchüftigung bermeigem? Sörtche ©c» 
beutung haben «norbnungen beb 
©ürgermeifterb über ben ©etrieb 
unter feiner «ufftcht ftehenöer SSerfe? 
(©emerbegericht Solingen.) 

Smolemeit ift ein nachträgliches (Sr* 
bieten aum (Sibe julaffig? «nmenbung 
beb §. 46 beb ©etoetbegerirf tSgefefceS 
(©emerbegericht, ßanbgericht unb 
DberlanbeSgericbt g-ranffurt a. SK.) 

3uläffigfeit ber gfeftfefcung felbft hoher 
Gonbentionatftrafen für ©ienftber* 
le^ungen bon «ngefteOten einet 
»ribatpoftanftalt. (ßanbgericht Stutt¬ 
gart). 

6 iittgMtg*fimter.11 

3unt ©ranbenburger 3immererftreif. 

ferfdjiebene*.12 

»eiftfeerbereinigung. 

ferbimiKi jlngrlegm^Uen.... 12 

©eitritt aum ©erbanbe beutfeher ©c* 
merbegerldhte. 

©intritt in ben «uSfäufc. 

friefkftßeit.12 

S. ©r. ( Koftocf. — H- in 9 K- 


3 nbaltbangabe ber „Soaialen »rajib". 


Inhalt. 

ber 


«bbrutf fämmtlicher «rtifel ift S«itungen unb Seitfchriften geftattet, jeboch nur mit 
boüet Quellenangabe. 


3ut redjtlidjeit Stellung ber Qelmartietter 

©utachten beS BegutachtungSauSfchuffeS beS ©emerbe- 
gcric|ts Öffenbacf). 

©in Bortefeuißearbeiter B. hatte bis $crbft 1895 in ben 
$abrifräumen eines portefeuißefabrifanten $. in Dffenbatf) ge¬ 
arbeitet. 3n Solge einer SSerleftung erhielt er auf auSbrficftitfjen 
3öunfch bie ©rlaubnife gu §aufe gu arbeiten, jeboi mit ber Auf¬ 
lage, nur für gu arbeiten; er t^at bieS unb befdjäftigte, roie 
bieS häufig üblich ift, einen fiehtling; auch mürbe er in ber üb¬ 
lichen Söeife tum ber Öabrif aus beautfuhÜ0t- 33^i Gelegenheit eines 
9iechtSftreitS groifchen 91. unb $. mürbe bem SBegutachtunaSauSfchuö 
bic ftrage norgelegt, ob Sßerfonen mie 9i. Slnfpruch auf wünbigung 
haben unb ob fie gegen ft'ranfheü, Snualibität unb Ölter gu oer- 
fithern feien. i)er lluSfchug äufeerte fich folgenbermahen: 

^)er ^Begriff „Heimarbeiter" fommt gmar in ber ©efeh- 
gebung oor: 2)er §.4 beS ©emerbegeridf)tSgefefceS nom 29. 3uli 
1890 beftimmt auSbrücflich, bafe gur 3uftänbigfeit ber ©emerbe- 
geriete auch in §. 119 b ©emerbeorbnung näher beftimmten 
$erfonen gehören unb fügt in Sflammer bie ©orte „Heim¬ 
arbeiter" „HauSgemerbtreibenbe" an. H' er ^ a Uo 9^6* 


lieh in ber ©iffenfehaft allgemein übliche Unterfcheibung an- 
erfannt. H e i mar ^ e ü er ifi ^ er genereße begriff; „HauSgemerb- 
treibenber" ift im Slttgemeinen ber felbftänbige Heimarbeiter. — 
dagegen fennt bie ©emerbeorbnung „Heimarbeiter" nicht; 
ebenforoenig aber fommt bort ber Begriff „HauSgemerbtreibenber" 
oor (ogl. 0d)icfer, Sinnt. 1 gu §14; 3. Slufl. @.21). Slufgabe 
ber ©emerbeorbnung mar es aber auch nid&t, hierüber ©ntfeheibung 
gu treffen; fie behanbelt befonberS bie „felbftftänbigen Betriebe" 
(ogl. §. 14 ff.) unb bie „gemerblichen Slrbeiter" (Xit. VII), inbem 
fie bie @ubfumirung ber ^ßrayis tiberläfei S)ie Berorbnung 00 m 
31.9Rai 1897 (b. BeichS-Slng. 9?r. 129 00 m 3. Suni 1897 SloenbS) 
behnt überbieS auch Beftimmungen ber ©emerbeorbnung auf bie 
Heimarbeiter einer beftimmten Branche aus, ohne Befchränfung auf 
einen ber fraglichen, bereits gefefclich anerkannten Begriffe. (Bgl. 
9h:. 16 ber @ogiaIen °°ui 20. Sanuar 1898). 

©aS nun bie Shtmenbbarfeit beS §. 122 ©emerbeorbnung auf. 
bie Jkrfonen ber in Betracht fomtnenben Slrt betrifft, fo ift bie 
@tettung beS §. 119 b ©emerbeorbnung in bem gangen @ 9 ftem 
gu beaajten. 2)er §. 119 b finbet fich im £itel VII ber ©emerbe¬ 
orbnung in ber erften Unterabteilung, melcbe oon ben „Slffgemeincn 
Berhältniffen" ber gemerblichen Slrbeiter haubelt. ©r beruht auf 
ber Sfooeße oon 1878 unb beftimmt, bafj bie oorhergehenben Be¬ 
ftimmungen über bie ßohnjahlung 2 c. allgemein auf B^rfonen ber 
fraglichen Slrt Slnmenbung finbe, felbft roenn Mefe felbft mit ©e- 
hülfen arbeiten (ogl. BeichSger. 00 m 21. Januar 1886 unb 
@chidfer Sinnt. 2). — Hi ern ach mufe ber §. 119 b als bebeutungs- 
loS für ben Slbfchnitt II „Berhälhtiffe ber ©efetten ttnb ©ehülfen" 
§§. 121 ff. betrachtet roerben. 

2)ie Booette oon 1891 hat auch & c m §. 125 ©emerbeorbnung, 
am @d}lu& beS Slbfchnitts II ben 3ufafe gegeben, bafe im @inne 
biefeS Paragraphen ben ©efetten unb ©ehülfen bie in §. 119b be- 
geichneten perfonen gleicbfieljen; hiermit mürbe bie meügehenbe 
Beftimmung ber Haftpflicht eines SlrbeitgeberS, ber einen Arbeiter 
gur Sluflöfuttg beS irbeitSoerhältniffes oor rechtmäßiger Be- 
enbigung beffelbett oerleitet, fogar für fog. Heimarbetter unb 
HauSgemerbtreibenbe für anroenboar erflärt. daraus folgt aber 
unferes ©rachtenS oiel mehr, baß für fämmtliche im unfelbft- 
ftänbigen ÖrbeitSoerhältniß ftehenben ^Serfonen (unfelbftftänbige 
Heimarbeiter) bie Beftimmungen ber §§. 121 —124 b, befonberS 
über bie „rechtmäßige Beenbigung" beS SlrbeitSoerbältniffes 
gelten. (SDiefe Slnft^t theilt ßanbmann, Äomm. Slnm. 6 gu 
§. 125 @. 882 ber 2. Slufl.) 

ferner fommt auch bas ©efen beS gmeifeitigen BertragS in 
Betracht (ogl. auch §. 105 ©emerbeorbnung). 5)er gmeifeitige Ber- 
trag fann nur burch gmeifeitige Bereinbarung abgeänbert ooer ge- 
löft merben (abgefehen felbftoerftänblich oon gefeßlicheit ©rünben). 
©S ift gmeifelloS, baß p. B. mit ÄünbigungSfrift enaagirt mar. 
tiefer Bertrag ift begüglich ber Slrbeitsftelle im Qapr 1895 mit 
groeifeitiger Bereinbarung geänbert morben. ©eitergehenbe Slenbe- 
rungen fonnten auSbrücfltch ober auch ftißfchmeigenb erfolgen. 
Begüglich ber $ünbigungSfrift ift aber eine Uebereinfunft nicht 
getroffen, insbefonbere auch nicht ftißfchmeigenb. 

©aS nun abgefehen oon ben fonfreteh (Streitfall bie @teflung 
ber fog. H c f mar ^ er & cr Bortefeuilleinbuftrie, ^ofa- 
menten- unb @d)uhinbuftrie in Dffenbach betrifft, fo tft an- 
guerfennen, baß eine große Slngahl B er f°nen ber fraglichen Slrt gu 
Haufe arbeiten mit einer @elbftftänbigfeit, bie berjenigen 
fog. „felbftftänbiger HauSgeroerbtreibenber" oollfommen 
1 gleichfommt. SDiefetben arbeiten aufs @tücf gu H au f e f« r e 'nen 













8 


$a$ (Bewerbegcricht. Mitteilungen beS VerbanbeS beutfdjer ©emerbegeridjte. Rr. 1. 


4 


ober mehrere Sabrifanten, ohne in ihrer Selbftftänbigfeit trgenbmie I 
befdjränft gu fein, abgefehen baoon, bafe fie fich etwa oerpflichten, 
nur für einen gabnfanten gu arbeiten ober firf) einer geroiffen 
Montrole feitenS beS jeweiligen Arbeitgebers unterwerfen. 

Sei biefen ift bie (Einhaltung einer ftünbigungSfrift nicht 
üblich, foroeit bie Portefeuillebranche in Setrarf)t fontritt. 3n beit 
Statuten ber Schuhfabriken ift bieS überbicS auSbrüdlich beftimmt. 
Von ber Selbftftänbigfeit ber Arbeiter ift aber auch bie Verfirf)e* 
rungSpflicht gegen 3«oalibität unb Alter nach §. 1 beS ©efejjeS 
bebingt. 

Bir fommen baher gu folgenbem Vefultat: 

1. Heimarbeiter (mit (Einfchlufj ber ^auöinbufirieücn) in ber 
Portefeuille*, Pofamenticr* unb Srfjuhfabrifation in 
Dffettbach haben nach £age bergeitigen Verhältniffe im All* 
gemeinen feinen Anfprad) auf bie in ber ftabrif übliche ober bie 
burch §■ 122 ©emerbeorbnuitg gegebene 14 tägige £ünbigungSfrift; 
cbenforoenig brauchen fie eine folcge einguhalteu; 

2. bie ftünbigungSjriit finbet nur Slmoenbung im Salle be* 
fonberer Vereinbarung unb ittSbefonbere bann, wenn ein Arbeiter 
auf Äünbigung engagirt mar unb bemnächft auf ©raub befonbercr 
Vereinbarung gu .paufe arbeitet, ohne bafe auSbriidlid) ober 
ftillfchmeigenb mit beiberfeitiger 3uftimmung baS $ün* 
bigungSoerhältnifc aufgehoben wirb; 

3. bie VerficherungSpflicht gegen Snoalibttät unb Alter richtet 
fleh nad) oorftchenben ©runbfäfcen unb finb inSbefonbere bie unter 
1 begegneten perfonen im Allgemeinen gur $t\t unb infolange 
ein VunbeSrath*bcfrf)lu [3 gemäfj §. 2 beS ©efcfceS nicht erfolgt ift, 
nicht oerfichcruugöpflichtig; 

4. gegen Sfranfheit finb Die unter 1 unb 2 begcichneten per» 
fonen ocrfirf)eriingSpflichtig, unb gmar auf ©ruiib beS DrtSftatutS 
oom 28. Sani 1897. 

(Vgl. Srfjicfer, ftottnn. Am». 2 Ab). 8 gu §. 121; bie Ausfitb* 
rungen ‘Vöhmes tu betu (Gutachten ber Hanbclöfamiiter in (EMfrfjci* 
Düngen Des Wr. Mitiift. ber 3 u. b. 3- oont h Märg 1898, abgebrueft 
in Vr. 83 ber Offenbarfier 3 fituIl 9 oout 9. April 1898, fotoie 2aitD= 
mann, ftoinm. 2. Aitfl. 2. VD. 3. 882 Amu. 8 gu §. 125.) 


Uetfafftmg unb Ucrfnljwn. 

S»rft^tnbe trab Ötifiöer im @ett>frbcgcri(f)t. 3m „Morrefpoti* 
bengblatt ber ©eneralfotnmiffion ber beutftfjen ©eroerffchaften" 
oom 28. Märg 1898 finbet firf) ein längerer Artifel oon Martienffen, 
Seifiger bes Hamburger ©emerbegerirf)ts, über bie Pflichten unb 
Rechte ber ©emerbegerichtsbeifiber. 

Mit bent Schluffe biefeö ArtifelS, ber bie ©emerffd)aften ein* 
bringlirfj oor jebem Sefchlufe warnt, ber eine (Einwirfuug auf bie 
Sefdjlüife ber ©emerbegerid)tsbei[iber begmeden foll, finb mir felbft* 
oerftänblich einoerftanben, bagegen giebt ber in einer Reihe getoerf* 
fchaftlicher Organe gum Abbrmf gelangte Artifel im Uebrigen gu 
manchen Senterfungen Anlafe. 

3unäd)ft wegen beS nach unferer Anficht burch bie (Erfahrung 
nicht gerechtfertigten Mißtrauens gegen bie Vorfifcenben ber ©e* 
werbegerichte, baS unaufhörlich gum AuSbrud fommt unb baS beit 
Verfaffer gu gerabegu falfcheti Rathfchlägeit an bie Seifiger oer- 
anlaßt. 

BoIIte ein Seifiger wörtlich bem Sorftgenben, ber bei ber 
Serathung feine Anfidjt bahin äußert, bafe eine ftlagc abgewiefen 
werben müffe, erwibern, bah er fleh *ü ne f°td) e Ausführung oer» 
bitte: „Ricßt Sic, fonbern wir haöen über bie Sache gu urtheileit," 
wie bieS ber Artifel empfiehlt, fo würbe ihm ber Sorfibettbe gang 
einfach erflären, bafg bieS oöllig unrichtig ift. Glicht bie Seifigenbeu, 
fonbern bas ©emerbegeridjt, gu bem wefentlich aud) ber Sor= 
figenbe gehört, eutfeheibet. SDer Vorfigenbe ift baher felbftoerftänb^ 
lid) berechtigt wie oerpflidjtet, bei ber Urtheilsberathung aud) feine 
Anfidjten fuubgugeben. And) bie weitere Selehrung ift falfdj, bafe 
bie in 3uK'r 1 7 beS S- 123 begegneten, gur fofortigen (Ent* 

laffung bered)tigenbcu Hanblungen bes Arbeiters unter feinen lim- 
ftänben mehr in Setradn fommen fonuteti, wenn feit ber ,s)anbliing 
eine S3od)e oerfloffen ift. (Eö fanu feljr mol)l möglid) fein, bag 
bei bem llrtbe.il über bie Srage, ob ein Arbeiter fid) eines liiber* 
liehen t?ebeu?waubels fdjulbig gemad)t htibc, i§. 123 :5 ,) ob er 
feinen Verpflidjtuugen nachgufominen be harr lid) oerweigert habe, 
ob er firf) gegen 'Familienangehörige bet? Arbeitgebers in ber in 
123 7 angegebenen S?eife oerljaiten habe, and) fold)c Ibatfadjen 
beriicffid)tigt werben miiffen, weldje länger als eine s iSod)e ocr= 
gangen finb, burrf) weldje aber erft bie innerhalb ber legten fiebeit 
läge oor ber (Entlaffung begangenen Hanbliingen ihre rirf)tigc 
Seleudjtitng erlangen. (Ebcnfowenig ift ridjtig, ba| jeber Seifiger 


| baS 9ted)t habe, eine 9lbfchrift ber Urteile gu oerlangcn, bei beiten 
er mitmirfte n. f. ro. 

Ades in Allem: $>er S er f aff er ift gu fehr oon ber Jibee aus* 
gegangen, baft bie Seifiger ihrer itftehrgahl nach einig fmb in bem 
Shmfrf), bem Arbeiter gu helfen, unb oafj ber Sorfigenbe ben Ar* 
beitgeber gu fdjiigen fucht. (Er würbe mandje feiner Sehren nicht, 
fo wie er eS gethan, auSgebriicft haben (ogl. g. S. auch ben 
5"abel über baS drängen ber Sorftgenben gum Serglcirf)), wenn 
er nicht nur ben flagenbett Arbeiter, ber ein ungmeifelhaftes ERedjt 
auf feiner Seite hat, fonbern auch ben galt berücffid^tigt hatte, 
in bem ber Arbeitgeber flogt unb ber Arbeiter im Unrecht ift ober 
in welchem baS 9ted)t bcS Arbeiters zweifelhaft ift. lleberbieS be= 
fteht aber ber fchroffe ©egenfag, in ben er bie Seifiger gum Sor= 
figenben bringt, in ber Söirflirfjfeit faft nirgettbs. 9?adj beu (Er= 
fahritngeit aller ©ewerbegerid^tSoorfigenben * erfolgen bic Urtheile 
faft ftets mit (EiuftitnmigFeit, faft nie in ber Art, bag ber Vor* 
figenbe übernimmt wirb, derartige Artifel finb fehr bagu geeignet, 
ben Xeufel an bie 2Sanb gu malen, b. h- ©egeiifäge gwifhen ben 
Arbeitern unb ben Sorfigeitben h^^orgunifen, bie an fid) nicht 
oorhanben finb. 

Statut beS ©etoerbegerichtS Dtoftocf. $eu errichtet warb 
ein ©ewerbegericht für Stabt unb Stabtfelbmarf Sloftocf, fowte 
für ben Sflerfen fcarnemünbe. $>aS Statut ift charaftcriftifcf) für 
bie Sdjwieriafeiten, beiten fleiiterc ©ewerbecjcrichte unterliegen — 
weniger um oeswillen, weil bie 3öal)l firf) gientlid) fompligirt ge^ 
ftaltet (SJarnemüube bilbet einen befonberen s Bal)lbegirf, in roelchnn 
ein Arbeitgeber unb ein Arbeiter gu wählen ift, währcub 
30 Seifiger in 9toftocf gewählt werben unb gmar berart, bag für 
bie Arbeitgeber ein eingtger Bahlbegirf, für bie Arbeiter in Stabt 
unb Stabtfelbmarf aber mehrere Segirfe gebilbet werben, bereu 
3af)l unb Abgrengung ber Satl; beftimmt), als um beswißen, weil 
nach § 23 nur monatlirfj einmal am erften ^Douuerftag jebert 
SWonatS ein orbentlidhcr ©cridjtstag ftattfinbet ^ieS mag ber 
oorauSfichtlichcn Qttanfprudptahme beS ©erichtS cntfpredjen, imig 
aber nothwenbig oielfach bic ©utfd)cibung oerlaitgfamen. (Es ift 
erfid)tlid), bafe bie befte .^ülfe hiergegen bie jegt heilid) uidit 
mögliche Audbilbung beS ©emerbcgerichts auch für fauf* 
männifche unb ^)ienftbotenftrcitigfeiten wäre. 


Hcd)trpredjnni]|. 

I. pat ein (Heioerbegehülfe, ber gemäß §. 124 Abi. 1 
Ziffer 4 Der werbcorbnung bie Arbeit oor Ablauf ber ocv = 
tragSutäfeigen 3eit unb ohne Auifünbigung oerlänt, einen 
Aufprurf) auf 2obnentfchäbtguug? 

II. Tie Seftimmung Des §. 118 Der c^ewerbeorDnung, bc = 
trcrfenD Das Ärebttircti oon Baarrn, ift bffentlid) = red)tliduu 
Aatur unD Daher oon Amtswegen gu berücffid)tigcn, obin* 
Daß es einer ausDrücfliehen fteltcnbmadjung feitens Der 
Parteien beDarf. (Urtheü Des ft. DberlanDeSgertdjtS, 3. <5tuilfrnoi, 
gu Hamm, oom 2. Tegembcr 1895.) 

Ter Vertagte war tu Derzeit oom 1. SWai 1891 bis gum in. ^uili 
1894 im ©efchäfte ber rtägerifd)en gtrma als 3 u fd)ociDer thätig gegen 
einen jährlichen 2ohn oon 2400 Jt. Tie ftüttbigungSfrifi war air 
6 Bodien oereinbart. Aadhbent Dem Vertagten am 9. ^uli l«94 ge- 
fünbigt war, hat berfelbe oom 10. ^uli ab nicht mehr gearbeitet. Am 
12. Juli fdjrieb er ber Klägerin, bah er ftdj anberweitigen Verbtenn 
fuchen müffe, ba ein Mitinhaber ber flägerifchen finita erflärt habe, ihm 
Salair nidjt mehr gahlen gu toolleti. Tie Klägerin hat bem Scflagtei; 
in ber 3 f it feiner Thätigfeit bei ihr eine Acihe oott Baarcn frebitu: 
unb Vaargahlungctt unb Vorfchüffe auf feilte ©ehaltsforberung an ilm 
geleiftct. Sic bererfjuet fid) batiad) nodh ein ihr gegen ben Veflagten 
guftchenbcS Wuthabett, bas fie flagenb forbert. Ter Vertagte beantragt 
Abwertung ber ftlage. @r beftreitet bic Aidhtigfeit ber ftlagcrcd)nmtit 
unb ocrlangt unter ber Vcljauptuttg, am 10. ^itli 1894 ohne rechtmäßig: 
Wriinbe oon bcrftlägcrin cntlaffett worben gu teilt — eine Vcbauptniig 
bie er in gtoeitcr ^uftattg in btefer SBeifc nicht toicberholt —, Anrechnung 
oon 300 .//. Olehalt für bic fcchStüödjige ftiitibigungSfrift bts gmr. 
22. Auguft 1894. Tas ftöntglid)c 2anbgcrid)t gu TuiSburg, hat au* 
Wruitb Der orbnungSrnäßig geführten Viicher ber Klägerin, in meldien 
Die fämmtlichen tn Der «lagebered)iutng aufgeführten poftett gebitit: 
finb, bic ftlageforbcntng für ertoiefen erachtet unb ben Vertagten buni 
Urtheil oont 9. Mai 1895 flagcgemäfi oerurtheilt. 

Wegen DiefcS llrtheil hat ber Vertagte Vcrufuttg eingelegt mit Dem 
Anträge, bie Ätlagc abguweifett. 3 l,r Rechtfertigung ber Verufung fuhrt 
er nantentlirf) au: Sei feinem (iiutritt in baS Wcfchäft ber Mlägenn in 
Die Vereinbarung getroffen worben, cs foUten ihm auf feine Weltalls 



Tag ©ewerbegeridjt. 9ßitt|eUungen beg Serbanbeg beutfdjer ©ewerbcgerichte. 9h:. 1. 


8 


forbermtg wöchentlich 40 X haar bezahlt, ber Ueberfdjuf} bagegen auf 
bie oo»t ber klägerin ju licfemben Waaren unb ju leiftenben Borfdjüffe 
oerrechnet werben. ©leidjwohl habe ihm bte Klägerin nach erfolgter 
künbigung erflärt, baf} fte il)nt Sofjn für bie 6 Wochen ber kiinbigungg- 
frift nicht mehr auäjahlen, fonbern ben Soljn auf bag ihr juftehenbe 
Guthaben oerrechnen werbe. Taburch fei er, ba ihm jegliche ^aar- 
mittel für feinen unb feiner gamilie Unterhalt gefehlt hätten, gezwungen 
worben, oon bem ihm nach §. 124 9fr. 4 ber Beichggcwerbeorbnung 
Zufteljenben Sftedfjte ©ebrauch ju madjen unb fich anberweitigen Berbienft 
Zu fudjen. Ta er fomit aug gerechtfertigtem ©runbe bie Arbeit nieber- 
gelegt unb Klägerin biefeg felbft oerfchulbet habe, fo fü btefe zur 
Bezahlung beg Sohneg für bie 6 Wodjeit nach ber künbigung oerpflichtet. 
Tie Klägerin hat bie Behauptung beg Beflagten beftritten unb 3urücf* 
weifung ber Berufung beantragt. 

Tag königliche Cberlanbeggericht, 8 . ©ioilfenat, ju §amm änberte 
burch Urtheil oont 2 . Tejember 1895 bag Urtheil I. ^nftartj bahin ab, 
bafj eg ben Beflagien in ber ,§auptfache oerurtheilte, an bie klägerin 
9,65 M. ju zahlen, b. h- benjenigen Betrag, auf welchen fich bag ©ut- 
haben ber klägerin an ben oon iljr bem Beflagten geleifteten Borfchüffen 
beläuft. Tagcgeu würbe bie klägerin mit ihrer bie bem klüger 
frebitirten Waaren betreffenben 9Rehr[orberung abgewiefen aug folgenben 
©rünben: 

Bezüglich ber Sorberung für Waaren fommen bie §§. 115 ff. ber 
©ewerbeorbnung jur Anwenbung. 9tad) §. 115 a. a. 0 . bürfen ben 
Arbeitern oom Arbeitgeber feine Waaren auf krebit oerabfolgt werben. 
3 fl biefeg gleichwohl gefächen, fo fann nach §• 118 bafelbft bie bc- 
treffenbe Waarenforberung weber cingcflagt, noch burch Anrechnung ober 
fonft geltcnb gemacht werben. Tiefe ©efebbeftimmung ift öffcntlidj-redjt* 
lieber 9tatur unb muhte baher oon Amtgwcgcn berücffidjtigt werben, 
ohne bah cg einer augbrücflichen ©eltenbmadiung feiteng ber Parteien 
beburfte. 3» Abf. 2 beg §. 115 ift oon biefent Berbot aßerbingg eine 
Augnahmc ftatuirt, infofem ben Arbeitern „(Stoffe ju ben ihnen über¬ 
tragenen Arbeiten unter Anrechnung bei ber Soljnzahlung" oerabfolgt 
werben bürfen. Tic klägerin hat inbeffen nicht behauptet, bah cg fich 
in biefent Säße um folche Waare fjanbele. Auch ift nach Schalt ber 
klageredjnung biefe Annahme jcbenfallg bezüglich eineg groben Theilg 
ber Waaren auggefchloffen. 

Tie oom Beflagten compensando geltcnb gemachte Sohnforbcrung 
oon 800 x. für bie fechgwöchentlidjc künbigunggfrift oom 11 . 3 uli bis 
22 . Auguft 1894 würbe für unbegrünbet erachtet aug folgenben ©rünben: 
Ueber ben 10 . 3uli hinaug ftchen bem Beflagten Sohnanfprüche nicht 
$u, benn bah er nach biefem Tage noch für bie klägerin gearbeitet habe, 
behauptet er felbft nicht; im ©egentljeil geht aug bem Schreiben oom 
12 . Suli hcroor, bah er eg ableljntc, weiter für bie klägerin tljätig ju 
fein. ©g fann bahingeftcQt bleiben, ob ber Beflagtc auf ©runb beg 
§• ^ 24 9fr. 4 öer Beidjggewerbeorbnung jur Söfung beg Tienftoerhält- 
niffeg berechtigt war, weil bie klägerin bem Beflagten angeblich erflärt 
hatte, fte werbe ihm weitere Baarzaljlungen nicht mehr leiften, fonbern 
ben zu oerbienenben Sohn auf ihr ©uthaben in Anrechnung bringen. 
Tenn biefe Berechtigung beg Beflagten unterteilt, folgt baraug feineg- 
wegg ber Anfprud) auf weitere Sobuzafjlung. Tiefe hört oielmehr mit 
bem Berlaffen ber Arbeit auf. Unerheblich ift babei, ob bie klägerin 
berechtigt fein würbe, ben oom Beflagten noch $u oerbienenben Sohn 
in Aitredjnung ju bringen. Ter Beflagte muhte, um Sohnanfprudj zu 
begriinben, feine Tienfte leiften ober wenigfteng anbieten. ®atte er 
bag behauptete Becht auf baare Augjafjlung beg Sohneg, fo ftanben ihm 
zur ©rjwingung beffelben bie gefcblichen Büttel zu. ©r fann aber nicht 
feine Tienfte oerweigern unb gleichwohl Sohn oerlangen. 

Anmerfung ber Siebaftion: Ter lebte Tljeil ber oorfteljenben 
©ntfeheibung läht fich allerbingg juriftifch fehr wohl begrünben; benn 
gerabeju „unmöglich" im Sinne ber §§. 888 , 889 A. S.9t. I Tit. 11 
wirb bem Arbeitnehmer auch in ben gällen beg §. 124 ©ew.D. bag 
Weiterarbeiten nicht gemacht, ^raftifdj aber ift bie ©ntfdjeibung höchft 
bebenflidj. Wer einen Arbeiter, ju beffen fofortiger ©ntlaffung er fein 
9ied)t bat, bequem unb billig logwerben miß, ber braucht ihm nadj ber 
im oorftehenben Urtheil enthaltenen Meinung bloh feinen Sohn zu zahlen 
(§. 124,4 ©cw.0.). ©r erreicht bann ohne Biftfo fein 3iel — allerbingg 
Zum Sdjaben beg Arbeiterg! Bgl. übrigeng Unger, ©ntfdjeibungen 
S. 118 ff. 

©ntlaffung oor Bollenbuitg einer Afforbarbeit. Wie 
ift bie big zur ©ntlaffung geleiftete Arbeit ju oergüten? 
(Urtheil beg ©ewerbegeridjtg köln oom 22 . September 1897 unb beg 
Sanbgeridjtg bafelbft.) 

©in Bfcrfjanifcr würbe oon ber Arbeitgeberin oor ber Boflenbung 
beg ihm übertragenen Afforbeg mit 14tägiger kiinbigung entlaffen. 
Auf ben Afforb hat er 2717a Stunben gearbeitet unb hierfür 107,45 M. 
Sohn erhalten, ©r oerlangt Bezahlung beg ooflen Afforbeg mit noch 
155,05 Jl. ©utfehäbigung. Tie Beflagte beruft ft«h auf bie Arbeitg* 
orbnung, nach welcher 14tägige künbigung ftattfinbet unb Terjenige, 


ber oor Beenbigung eineg Afforbeg entlaffen wirb ober augtritt, nur 
„eine entfpredjenbe Bergütung refp. ben Tagelobnfafc" für bie Arbeitgjcit 
erhält; ber kläger höbe für bie Qeit, bie er auf ben Afforb oerwenbet 
habe, ben feftgefepten Stunbcnlohn oon 40 erhalten. Unftrcitig 
hat kläger oorher bei, gleicher Afforbarbeit in ber Stunbe minbefteng 
54 ${, oerbient. 

Tie Beflagte würbe unter Abweifung ber SMjrforberung j^ur 
3ahlung oon 89,ie M. oerurtheilt. 

Ta nach ber Arbeitgorbnng bag Tienftoerhältnife burdj 14 tägige 
künbigung gelöft werben fönnc, fo fei Beflagte baher berechtigt gewefen 
bag Arbeitgocrhältnif} aufjufünbigen unb ber Anfprudj beg klägerg 
auf 3ubiüiguug beg ganzen Afforbbetrageg nicht gerechtfertigt. Tagegen 
habe ber kläger für bie 3eü, bie er auf ben Afforb oerwenbet habe, 
Anfprudj auf eine eittfprechenbe Bergütung. Ter kläger habe an ber 
Afforbarbeit 27172 Stunben gearbeitet, bei 3 u flrunbclcgung eineg Ber* 


bienfteg oon 54 für bie Stunbe, ergab bieg .... 1 46 , 6 t M. 

gejahlt feien. 107, 40 „ 

eg erfcheinc angemeffen bem kläger bie Tifferenj oon . . 89,si JL. 

jujubißigen. 


Tie gegen biefeg Urtheil oon ber Beflagten erhobene Berufung 
würbe jurüefgewtefen. $n biefem Urtheil h^fe* Beflagte fudjte 
augjufiihren, baf} ber kläger, ba burch ben Augtritt immer erhebliche 
Betriebgftörungen oerurfadjt würben, auf feinen gaß ben Afforbfafe, 
fonbern höd)fteng eine entfpredjenbe Bergütung gu beanfpruchen habe, 
bie eben untergebeng im Tagelohn beftehe. Tie Raffung ber frag¬ 
lichen Bcfümmung ber Arbeitgorbnung: „Wer oor Beenbigung eineg 
Afforbeg entlaffen wirb ober augtritt, erhält nur eine entfpredjenbe 
Bergütung refpeftioe ben Tagelohnfafc für bie Arbeitgjeit" ift feine 
glücflidj gewählte, ba ber Sinn ber Beftimmung burch bag Wort 
„refpeftioe" zweifelhaft wirb. Auf feinen ftaß fann ber Sinn ber fein, 
bah bie Bergütung im Tagelohnfafc beftehen foße, fonft wäre jebenfaßg 
ftatt „refpeftioe ben" gefagt worben „befte|enb in bem". Tie Bergütung 
muh alfo etwag oon bem Tagelohn Berfdjiebeneg fein, ©g läge nahe 
bie Beftimmung bahin aufjufaffen, bah bem Arbeiter ber Tagelohnfap 
auf aßc gäfle alg bag SKinbefte jufomnten fofl, foweit nidjt eine höhere 
Bergütung ju jahlen ift. Tie natiirlichfte unb bem Wortlaut fowic bem 
Sinne ber Beftimmung jebenfaßg am meiften entfpredjenbe Aitglcgung 
geht aber bahin, bah im gaße ber ©ntlaffung eine entfprechcnbe Ber- 
gütuug, im ^aße beg Augtrittg ber Tagelohufoh gcjahlt werben foße. 
Untergebeng wäre baher bie erftere zu zahlen. Ter Borberridjter hat 
biefelbe zutreffenb nach Bfahgabe beg Berbienfteg bei Augfiihrung beg 
ganzen Afforbeg berechnet. 

Wirffamfeit eineg an ber Arbeitgftelle auggeljängtcu 
Tarifg. Berbicnft beg Arbeiterg bei Afforbarbeit? (Urtheil 
beg ©ewerbcgerichtg 3midau oom 10 . 9Bai 1898.) 

Alg kläger am 13. April 1898 bei bem Beflagten alg ftabrifweber 
in Arbeit trat, legte ihm ber Beflagte Sohnbücher aug bem 3ahre 1886 
oor, aug benen herowfling, bah Afforbarbeiter in 14 Tagen im Turch= 
fdjnitte 45 M. oerbient hätten, unb fügte jefct feien bie Söhne 

noch höher. Bei ber Abrechnung am 3. SDfai erhielt kläger nach Abzug 
oon 10 X Borfchuh unb 0,#7 X. Berftdjerunggbciträgen nur 14,ae x 
afö Afforblohn auggezahlt. kläger h^U biefen Soljn für zu niebrig 
unb beanfprucht auf bie 22 Arbcitgtage ben ortgüblichen Tagelohn ooit 
l^o X. mit 39,eo X ., alfo nach Abzug ber 10 , 8 ? M. unb ber oom 
Beflagten bewifligten 14,ae X. noch 14 / 87 Beflagter wiß nur bie 
14,36 X. nach Btahgabe beg im Arbcitgfaal an geflogenen Tarifg, über 
ben fi^ kläger hätte informiren müffen, zahlen. Ten Bemeig bafür, 
bah bem kläger biefer Tarif befannt gewefen fei, hat Beflagter 
nicht angetreten. Ter kläger hat beg Weiteren noch angeführt: ©r 
würbe felbftoerftänblich, wenn er gewuht habe, bah bie Söhne fo niebrig 
feien, bie Arbeit gar nft angetreten haben, er habe auch bie Arbeit 
nicht eher ocrlaffen fönnen, ba ihm erft am 3. SRai 1 . 3 . bag Sohnbuch 
uorgelegt worben fei, aug bem er ben fo geringen Berbienft erfeheu 
habe; überbieg hat er beftritten, bie Afforbbebingungen z« ©efft be= 
fommen z» haben. 

Beflagter würbe nach bem klageantrage oerurtheilt aug folgenben 
©rünben: ©in Arbeitgoertrag, nach welchem bem kläger ber oom Be¬ 
sagten jefct beredjnete Afforblohn gezahlt werben fofite, ift nicht zu 
Stanbe gefommen. ©ine münblidhe Bereinbarung über bie $ölje beg 
Sohneg hat nicht ftattgefunben. ©g fann alfo nur noch in grage fommen, 
ob ber kläger baburch, bah er J u arbeiten begann, ftdj ben im Arbettg- 
faale aughängenben Bebingungeu über bie Afforbarbeit unterwarf. Bei 
ber Afforbarbeit ift baoon augzugehen, bah ber Arbeitgeber bei ben 
Arbeitern bie ©rwartung h^uorruft, ba| minbefteng ber im betreffenben 
©ewerbe übliche Tagelohn werbe oerbient werben.*) Ter Beflagte hat 


*) Anmerfung ber Bebaftiou: ©g läht ficfi oicßeicht fogar 
behaupten, baf} bei Afforbarbeit ber Arbeiter erwarten tnüffc, er werbe 




7 


Das ©ewerbegerießt. SRiitßetlungen be$ BerbanbeS beutfcßer ©ewerbegertcßte. Nr. 1. 


8 


nun in bem Kläger nttfjt nur btefe ©rwartung b^uorgcrufcn, er Bat in 
ißm, tnbent er ißm bie oeralteten Soßnbücßer aus bem gaßre 1886 oor* 
legte unb Beifügte, jeßt feien bie £ößttc nodj ßößcr, bie Hoffnung 
ertoecft, ja ben 3>n:tßum erregt, als würbe er einen erßeblidjcu Bcrbienft 
ßaben. SSie ber Beflagte ben Kläger auf bie oeralteten günftigen Soßtt» 
oerßältniffe ßinwteS, fo mußte er iBn and) auf bie beseitigen Bcrßältniffe, 
bie ficB Bei SBeitem ungiinftiger barfteHen, aufmerffam macBen. Das Bat 
er unterlaffen. Die gefeßltdjctt ^orfc^riften über bie Arbeitsordnung 
fönnen audj nitBt auf einen Soßntartf analog angewcnbet tocrben. Daß bie 
Beftinttnungen ber ArbeitSorbnung burcß oorfcßriftSmäßigen AuSßang 
oerbinblifB werben, beruBt auf bem ©efeß, ber NcidjSgcwcrbcorbnung, 
bie ber Arbeiter fennen muß. gn welker SBeife ArbeitSoerträge, ins* 
bcfonbere Afforbe, ab 3 ufcßließen firtb, barüber enthält aber bie ©ewerbe* 
orbnung feine Befthnmungen. ©in Bcrtrag fommt nur bann ju ©tanbe, 
wenn bie Parteien über bie wefentlicßen Bebinguttgen einoerftanben ftnb, 
über Seiftung unb ©cgenleiftung. Das ift im oorliegenbeu gälte nidjt 
anjuneBmen. Der kläger beftreitet, bie Beftimmungen bcS Darifs gefannt 
3 u Baben, luib.Bcflagtcr oermag nidjt ju behaupten, baß er ben Kläger 
auSbrücflid) auf ben im ArbeitSfaale auSßäugenben Darif oerwiefen 
Babe, üumat ber Kläger behauptet, ber Beflagte Babe ihn in ben grrtßum 
oerfeßt, baß er einen angemeffenen Berbienft Baben werbe. SBaS bie Aus* 
Bänguug beS DarifS aulangt, fo ift leßtcrer nicht als ein oon bem 
Arbeitgeber anfgefteltter BcrtragScntwurf ju betrachten, welcher baburch 
redfjtsocrbinblicße kraft erlangt, bah ber Arbeitnehmer ftiUfdjmeigcnb 
bei feinem ©intritt in bie Bcfcßäftigung mit bemfelben fidj einoerftanben 
erflärt Bat, fonbem eben nur ein Darif, — wenn nidjt etwa für einen 
gnbuftriejwcig, 3 . SB. baS Bucßbrucfergewerbe, ein gleichmäßiger fefter 
Darif beftcht —, auf ©runb beffen ber ArbeitSoertrag befonberS oer* 
einbart werben muß. Der Kläger fann ftdj alfo mit Nedjt barauf 
ftüßen, baß ein Vertrag unter ben im Tarife aufgefteüten Bebingungett 
nicht 311 ©tanbe gefontmen fei. 

©0 fragt fich nun, wetdhe ©ittfchäbigung ber kläger für feine Arbeit 
forbern fann. Bei ben fdjwanfenben Beträgen, bie als ©tunbenloßn 
ge 3 ahtt werben, Bat es bas ©ewerbegerießt als angemeffen eradjtct, ben 
ortsüblichen Dageloßn, wie es bctfpeilSweife in §. 124 b ber ©ewerbe* 
orbnung geftßießt, in Anfaß 3 U bringen, ber für bie ©tabt 3widau 
1 ,80 M . beträgt unb auch ber Berechnung bes Klägers 31 t ©ruttbe liegt. 

3ft bei SBerfnteiftern 2 c. bie Bereinbarung ungleicher 
künbigungSfriften 3 iiläffig. 23eIcfje griff gilt, wenn bei un = 
gleicher kün bigungsfrift beibe Dßeilc fünbigen? 

a) Urtßeit bcs ©ewerbegerießts 311 Breslau oont 4. SNäi ’3 1897, 
Borfißenber: ©tabtratß klctfe, unb bes königlichen ^anbgcrtcßts 
bafclbft, V. ©ioilfammer. 

b) Itrtßeil beS ©ewerbegerießts Berlin unb be* königlichen i?anb= 
geridjts Berlin, VIII. ©ioilfammer. 

a) Der SBcrffüfjrer g. ift bei bem Beflagten, ©igarreufabrifanten 
©. oont 2. ©eptember 1896 bis 3. Januar 1897 gegen SBocßenloßn oon 
20 Jt. befcßäftigt worben. Am 9. Nooember 1896 ßat ber klüger einen 
NcoerS mtterfdjricben, ttadj weldjent er 00 m 1. Januar 1897 ab täglidj 
cntlaffen werben föttne. Der klüger ßält biefe Beftimmung als bem 
§. 122 ber ©ewerbeorbnung wiberfprecßenb für uitgiltig unb oerlangt 
©ntfeßeibung. 

Das ©ewerbegerießt oerurtßeilte ben Bcrflagten 31 er 3aßlong ber 
auSgcflagtcn Summe, bas Öanbgeridjt Bob biefe ©ntfeßeibung unter 
Abiueifung ber klageforberuug auf. 

Abgefeßen baooti, baß ber §. 122 cit. in bem bie befoubereu Necßts* 
ncvbültniffe ber ©efcHnt unb ©eßülfen bcßanbelnben Abfcßnitt II feinen 
Blaß gefunben ßat unb fcßoit biefe ftjftemifdjc Stellung nidjt oennutßen 
läßt, baß feine Auwenbbarfeit auf btc Sonberoerbültniffe auberweiter 
in befortberen Abfdjnitteu beßanbelter Berfonenffaffeit oont ©efeßgeber 
beabfießtigt war, fo Iaffett bie SKotioe 31 t bem bitrdj bie Kooelle oom 
1 . gittti 1891 eingefügteu ABfcßnittllla barüber feinen gweifcl, baß bie 
Neuregelung ber Berßültniffe ber SBcrfmcifter unb biefer oertoattbten 
Berfonettflaffcn, unter bewußter Anlcßnung an bie Artifel 57 bis 64 bcs 
bcntfcfjcn .fpaubelsgefeßbudjs, 31 t ben Bcftimimtngen über „©efeUen unb 
©elnilfen" bat in ©egettfaß gcftellt werben tollen, .^ierju fonttnt ferner, 
baß ber Abfcßnitt lila offenbar be, 3 wecft, bie Berßültniffe ber 23rrf= 

bei pflidjtmäßiger regelmäßiger Arbeit etwas mein' als ben „iiblidjeit", 
alfo einen „guten" laglobtt oerbieuen. Xer Arbeitgeber crlcidjtert fidi 
burcli bas Afforbfoftem feine Seiftuugcu für bie Brobuftion: er braudjt 
beit Arbeiter nidjt 311 überwadjeu, nidjt für gcßler bei ber Arbeit eiu= 
ntftebeu u. f. tu.; ber Billigfeit rntfpridjt, baß ber Arbeiter, ber bei 
Afforbloßn utelir in Aufpritdj genommen wirb, als bei Jaglobu, bicr= 
für eine ©ntidiübigung finbe. AnberS liegt es natürlidi, wenn ber Ar= 
beiter ben Afforb freiwillig unfertig oerlaßt; er bat ben BiQigfeitS=An= 
iyntdi aut lioberen als ben buirfifduiittlidien ober iiblidtcn ^ageloßit 
natürlidi nur, wenn er ietuerieits wirflidi ooll geleifiet, b. b. Afforb» 
oertrag ausgefallen bat (ogl. bas Urtßcil bcs ©ewcrbcgertdjts Möln, Sp. 6). 


1 meifter pp. erfcßöpfenb 3 U regeln unb baß auf btejentgen Borfcßrtften 
beS AbfcßnittS über ©efellen unb ©eßülfen beren Anmenbbarfeit bc» 
abftdjttgt ift, im §. 133e auSbrücfltcß oerwiefen ift. ©nblidj bilbet 
§. 133 a ©ewerbeorbnung baS ©egenftücf 3 U §. 122 cit. £>ier wie bort 
werben bie künbigungSfriften, unter attSbrücfltcßem Borbeßalt ber 
Bföglidjfeit abweießenber BarteibiSpofitionen feftgefeßt. Aber wüßrenb 
ber §. 122 als fttigulare ©infeßrünfung ßinjufügt, baß bie oereinbarten 
griften für beibe 2 ßetlc gleidj fein müffen, wibrigenfallS bie Bereinbarung 
nießtig fei, — ift eine entfpreeßenbe Borfdjrift in §. 133 a nießt gegeben, 
.fpätte nun ber ©efeßgeber baS Necßt ber freien Bereinbarung oon 
künbigungSfriften aueß für SBcrfmeifier 2 c. ebenfo einfeßrünfen wollen, 
fo ßätte er bieS auSbrüdlicß jagen müffen. $)a bieS aber nießt gefeßeßen 
ift, fo barf es als bie Abfidjt beS ©efeßeS angefeßen werben, baß 
SBerfmeiftcr — ebenfo wie .£>anblungsgeBiilfen — aueß mit einer für 
betbe £ßeile oerfeßiebenert künbigungSfrift angenommen werben fönnen. 

Aus bem Allen nur ergiebt fidj, baß eine entfpreeßenbe Aitmenbung 
ber befdjrünfenben Borfcßrift beS §. 122 ©ewerbeorbnung ßinficßtlicß ber 
Bereinbarung oon künbigungSfriften auf bie Berßältmffe ber Söerf* 
meifter weber oom ©efeßgeber auSbrüdflicß angeorbnet ift itodj auf bem 
3Bege ber Analogie ficß reeßtfertigen läßt, wie benn aueß fümmtlidje 
kommentatoren ber KetdjSgewerbeorbnung, foweit fie 31 t ber oorfteßenben 
grage überhaupt SieHuttg neßnten, fteß für bie Bertteinung ber An= 
wenbbarfeit entfdjtcbcn ßaben (oon Sanbmann Auflage 2 Note 8 311 
§. 133a ©ewerbeorbnung, ©cßenfel Auflage 2 Note 8 a. a. 0., Neufantp 
kontmeutar gur ©ewerbeorbnung ©. 238). 

b) 3n gleichem ©iitne entfeßieb baS Saubgericßt Berlin in folgenbcm 
SaD: 

3wifcßen bent gngcnicur unb ber Aftiengefeßfchaft ©dß. & 
war oereinbart, baß erfterer an bie gefeßlicße künbigungSfrift gebunben 
fei, leßtere bagegen am 1. unb 15. feben StfonatS mit 14 tägiger grift 
fünbigen biirfe. Nacßbem ber kläger am 12. gebruar 3 um 1 . April 
feine ©teliung gefünbigt ßatte, würbe ißm am Abcnb bcffelbett Jages 
oon ber beflagten Aftiengefeßfchaft 3 um 1 . 3 Rär 3 gefünbigt. 

^aS ^anbgerießt hielt bie geftfeßung ungleicher künbigungSfrift in 
Uebereinftintmung mit bent ©ewerbegeridjt für 3 uläffigunb füßrt ferner ans: 

Dagegen ift bie weitere Ausführung bcs Borberricßtcrs, baß bie 
nacßträglidjc kiinbigung ber Beflagten für nießt 3 uläffig eraeßteu fei, 
un 3 ittrcffcnb. Denn burdj bie erft oom kläger auSgegangcitc küttbi» 
grntg ift ber &mtfdjeu ben B«rteint abgefdjloffeuc Bertrag nießt jofort 
aufgeßoben worben, bie Auflöfung trat oielntcßr erft nadj Ablauf 
ber oertragSmäßigcn grift b. ß. am 1. April ein. Bis 311 biefem 
Dermin aber fonnte jebe B nr tci oon bem ißr oertragSmäßtg 311 = 
fteßettben Necßt ©ebraueß maeßen, mitßin aitcß bie Beflagte unter Be= 
aeßtuug ber für fie im Bcrtragc feftgefeßten 14 tägigen grift bent 
kläger fünbigen, ba eine auSbnicflidje Befttmtming beS 3»ßalts, baß 
bttreß btc Ausübung beS küubigungsrcdjtS oon einer ©eite bas 
künbigungSreeßt ber attberen B fl rtri crlöfcßc, im Bcrtragc nidjt cnt= 
halten ift, fo würbe bei AuffünMguttg bes BerßältniffeS oon beibett 
©eiten bie für 3 ere, oorltegettb bie 14 tägige künbigungSfrift ber Bc= 
flagteu maßgebenb. 

Antncrfnng ber Ncbaftiou. Die Be 3 ugttaßme auf Artifel 
57—64 beS .£mnbclSge[eßbudjS trifft nidjt tncßr ^u, nacßbem in bem 
am 1. ganuar 1898 in kraft getretenen £>anbclsgcjeßbudj oom 10. Btat 
1897 §. 67 für .jSanblungsgehülfen, ©Icicßbeit ber künbigungSfrift unb 
fogar künbigungSfrift nidjt unter einem Neonat oorgefeßrieben ift. Droß* 
bent wirb mangels ausbrücflidjer Borfdjrift' bie ©cßußoorfcßrift bes §. 122 
auf Bctriebsbeamte nießt autoetibbar fein. Beabftcßtigt war biefe Ncdjts» 
Ungleichheit woßl nießt. 

kann ber Arbeitgeber feinen Arbeitnehmern am ©har» 
freitag bie Befcßäftiguug oerweigern? B?elcße Bebcutung 
ßaben Anorbuungen bes Bi'trgermeifters über beit Betrieb 
unter feiner Auf ficht fteß cu ber SScrfc? (Urtßcil bcS ©ewerbe» 
gcridjts ©olingcn oom 26. Beat 1898.) 

kläger war bet ber beflagten gtrma gegen einen Dagcloßn oon 
4 M. befdjäftigt. Am 8 . April 1898. — ©harfreitag — mußte er auf 
Bcranlaffiing ber beflagten gimta feiern, ©r oerlangt flageub für 
biefett Dag feinen Dagelolut mit 4 M . Die beflagte gimta begehrte 
Abwcifuug ber klage, ba fie auf Beranlaffimg bcs Cbcrbürgcrmciftcrs 
bas ©aS» unb BSaß’crroerf habe außer Betrieb ftellcii müffen, für ben 
kläger fomit feine Befdjäftiguitg au btefeut Dage geßabt habe. 

Beflagte würbe antragsgemäß oerurtheilt. 

Das ('ias= unb BJafferwerf in ©oliugeu fteßt eilt gewerbliches 
Unternehmen bar, geleitet oon einem Direftor unb unterteilt bent Tbcr» 
bürgermeifter 0011 ©olingcn. Die oon biefett AufftcßtSperfonen ge= 
troffeneu Anorbuungen in Bejug auf Arbeit be 3 W. Nuße im Betriebe 
fönnen fomit nur als foldje ber Leiter biefer BSerfc in Betracht fommen. 
Die Anorbmutg bes Cberbürgcnncifters, baß bei ber beflagten gimta 
am ©harfreitag bie Arbeit allgemein eingeficHt werben follte, fonnte 



9 


Sa« ©ewerbegertdjt. 8&ttihetfongen be$ BerbonbeS beutfdjer ©ewerbegertchte. 9h:. 1. 


10 


bentnadj nidjt bebeuten, bah bcr Dberbürgermetfier in feiner ©igenfdjaft 
als Borfteher ber DrtSpoligeibeljörbe bie ©inftellung ber gabriFbetriebe 
allgemein für Solingen anorbnete. Soldes ift auch tljatfäcfiltdj nicht 
gegeben. Sie weitere grage, ob ftd) ber <5§arfreitag als gefc^Iid^er 
^efttag barftellt, ift gu pemeinen. gn $reuhen erfolgt bie Beftimmung 
ber gefefclidjen gefttage burd) bie oon ber ^rooingialbeljörbe gum 
BoKgug ber ÄabinetSorbre oom 7. gebruar 1837 (©.@. S. 19) unb beS 
@efefceS porn 9. äftat 1892 (©.S. ©. 107), bie äußere £>eifighaltung ber 
Sonn* unb gefttage betreffenb, gu erlaffenben ^oligeioerorbnungeit. Sie 
5tönigl. Regierung gu Süffelborf Bat nun burd) Boligeioerorbnung oom 
14. Segember 1853 (HmtSblatt S. 682) in §. 11 bafelbft biefe gefttage 
beftimmt, begüglich beS ©BarfreitagS aber in §. 12 angeorbnet, bah es 
nicht nur bei bcu befteBenben gefefclichen Borfdjriften über ba$ 9luBen 
aller HmtSgefdjäfte fein Bewettben beBalten fofl, fonbem bah nod) be* 
fonbere Verfügung barüber ergeben folle, wo unb in welkem Umfange 
aucB ber ©Barfreitag als gefefcUcher gefttag angufeBen fei. ©ine be* 
fonbere Verfügung barüber ift bisher nid^t ergangen unb baBer ber 
©Barfreitag als -gefeblidjer geiertag im Sinne ber ©ewerbe* 
orbitung uicBt gu erachten. 

hieraus folgt, bah bie beflagte girma weber gefefclid) noch poli* 
geilicB gegwungen war, iBre SBerFe für ben ©Barfreitag aujjer betrieb 
gu fefcen, bah fic foIcheS oielmeBr eingig auf Hnorbnung ihres Ber* 
maltungsorgans tBat. 

9hm Bat aber Kläger anerFanntermafeen gu arbeiten perlangt, als 
er am Sage porBer auf bas geiern am ©Barfreitag aufmerFfam gemacht 
würbe, ©ine Befdjäftigung würbe iBm unterfagt. Sie HrbeitSlofigFeit 
beS Klägers ftellt ftdj alfo als ein Berfchulben ber beFlagten ginna bar. 
2>n btefent galle fteljt aber bem Arbeiter nach frangoftfehem 9iecBt 
(?lrt. 1184 C. c.) Httfpruch auf SdjabenSerfafc gu. Ser SdjabenSerfafc 
befteBt porltegeub in bem HuSfalt an 2oBn für einen Sag mit 4 M, 
welcher Setrag bem Kläger gugufprecBen war. 

Ser ©inwanb ber BeFlagten girma, bah Kläger ftd) gentäh §. 8 
2lbf. 2 iBrer Hrbeitsorbnung gunächft an feinen BöB crcn Borgefefjten gu 
wenben Batte, um Hrbeit für ben ©Barfreitag gu erlangen, bafj er folcBeS 
aber nicht getBan unb fomit feinen Hnfprudj auf Schabenserfab PerwirFt 
fei, entbehrt ber genügenben Begrünbung. Senn nach §. 3 Hbf. 2 ber 
Hrbeitsorbnung ift ber Arbeiter bei Sifferengen 2 c. gwar berechtigt, 
fich an feinen nächftljöberen Borgcfefcteti gu wenben, nicht aber bagu 
perpflichtet. 

gnwieweit ift ein nachträgliches ©rbieten gum ©ibe gu* 
läffig? Hnwenbung beS §. 46 ©.©.©. (Befdjlüffe beS ©ewerbe* 
gerichts, beS 2anbgerid)tS unb beS DberlanbeSgeridjtS gu granF* 
furt a. 9R.). 

Surdj Urtheil bes ©cwerbegeridjts war bie Berurtheiluug bes Be* 
Flagten Ät. ober bie Hbweifung beS Klägers in einem SBeilbetrage 
oon ber Seiftung ober 9hchtleiftung eines ©ibeS burch ben BeFlagten 
abhängig gemacht. Radjbent biefeS Urtheil in ber BerufungSinftang 
beftätigt war, würbe Sermin gur ©ibeSleiftung für ben BeFlagten an* 
gefebt. gn biefem Sermin erfchieti BeFIagter nicht, thcilte oiclmehr burch 
ein bei bem Sermin oortiegenbeS Schreiben mit, bah er in einer anberen 
Sache foeben'burch feinen Hnwalt auf bas Sanbgeridjt beftellt fei unb 
einen anbereu Sermin anguberaumen bitte. ©entäf) §. 46 ©.©.©. würbe 
ber ©ib als perweigert angefehen unb Urtheil gemäfc §. 41 a. a. JD. 
erlaffen, ©egen biefeS am 24. gebruar erlaffene Urtheil legte BeFIagter 
rechtgeitig burch Schreiben porn 7. 9Rärg ©infprudj ein unb beantragte 
bie Hnfefcung eines neuen SerminS. SaS ©efud) würbe burdj Befchluh 
Pom 8. 3Mrg abgeleBnt, weil bie BorauSfefcuttgen für ben ©iufpruch 
nach §• 42 ©.©.©• nicht gegeben waren. Sagegen bcfdjwerte ftd) ber 
BeFlagte. SaS 2anbgerid)t erachtete bie Befchwerbe fachlich für be* 
grünbet, weit in bem Schreiben porn 7. 9J?ärg ein nachträgliches ©rbieten 
gum ©ibe gu finben fei (§. 46 ©.©.©.), erFlärte fic aber für formal un= 
guläfftg, weil fte nicht Port einem Rechtsanwalt untergebne! gewefen 
ober gu ^rotoFott beS ©eridjtSfchreiberS erhoben worben fei (§. 66 ©.©.©. 
§. 532 Hbf. 2 ©.$.£)•). Sas OberlanbeSgericht B 0 ^ auf weitere Be* 
bwerbe beibe Befchlüffe auf unb orbnete bie HbrtaBme bes ©ibes an. 
HuS ben ©rünbert fei BeroorgeBoben: 

Bei Prüfung ber gomtalien B at Sartbgericht überfeheu, bafe 
nach §• 74 HBfafc 2 ©.$.£). auf ^rogehBanbltutgen, welche por bem 
©eridjtSfcfjreiber porgenomnten werben Föttnen, ber HnwaltSgwang 
Feine Hnwenburtg finbet. Semgemäjg genügte nach §. 65 Hbf. 8 lefctcr 
3ah beS ©ewerbegerichtSgcfefceS in Berbinbung mit §. 582 Hbf. 2 ©.$.£)• 
bie oon bem BeFlagten unterfchriebene Befchwerbe ber gefefcluhett gorm, 
fte war alfo guläffig. 3tt fachlicher §inficht aber erfdjeint bie Befchwerbe 
infoweit unbegrünbet, als bem BeFlagten aus ben im Bcfdjluffe beS 
©emerbegerichts oom 8. 9Mrg angeführten ©rünben ein ©irtfprud) gegen 
bas Urtheil oom 24. gebruar in ber SBat nitfjt gufteBt. 3t« Uebrigen 
Wogegen ift bie Befchwerbe gerechtfertigt, aber nicht aus bem oon bem 
^cmbgericht angeführten ©runbe. 3 ,öac iftgutreffenb, in bem Hntrag 


beS BeFlagten ootn 5. Stärg ein ©rbieten gur nachträglichen ßeiftung 
beS ©ibeS gu fehen. SieS ©rbieten ift jebod) oerfpätet, ba eS nach § 46 
Hbf. 2 beS ©ewerbegerichtSgefefceS binnen einer Rothfrift oon brei Sagen 
nach b e nt Sermine, alfo fpäteftenS am 27. gebruar hätte erfolgen 
müffen, unb Faun baBer nicht berütfftchtigt werben; wohl aber muh baS 
am 24. gebruar eingelaufene ©efuch bes BeFlagten um Hnberaumung 
eines neuen SerminS als ein bem §. 46 Hbf. 2 beS ©emerbegerichts* 
gefefceS entfpredjenbeS ©rbieten gelten unb es hätte baraufhin gur nad;* 
träglichen Seiftung beS ©ibes Sermin beftimmt werben müffen. 

©S war nunmehr nach §. 46 ©.©.©. gu oerfahreu. 

HnmerFung: Sas DberlanbeSgeridftt geht bei feiner ©ntfeheibung 
baoott aus, bafe oaS Schreiben oom 24. gebruar nach bem Sermin ein* 
gelaufen fei, unb gieht biefe golgeruna in bem erften SBeil feiner ©nt* 
fdjeibung barauS, bab auf feueS Schreiben oon bem ©ewerbegeridjt 
nichts oeraulabt, auch ber ©ingang in bem Urtljeil beS ©emerbegerichts 
nidjt erwähnt ift. Siefe Hnnahme beS DberlanbeSgerichtS ift nach bel¬ 
oben gegebenen Sachbarftellung irrtBümlich- ©benfo gel)t u. ©. bie 
Begrünbung für bie Hnnahme fehl- 25enn ba oor bem ©emerbegcricht 
ebenfalls ber ©runbfap ber STOünblichFeit gilt, brauchte baS Urtheil oom 
24. gebruar bie ©ingabe oom gleichen Sage nicht gu erwähnen unb ba, 
wie bas DberlanbeSgerid)t ebenfalls heroorljebt, auf bie ©ingabe nichts 
perfügt ift, fo muhte angenommen werben, bah fte oor bem Urtheil 
eingegangen war. Sonft hätte baS ©ewerbegericht, wie ihm fd^liehiid; 
untergefchoben wirb, gegen §. 46 ©.©.©. Hbf. 2 perftohen, was ohue 
SBeitercS nidjt hätte oermuthet werben biirfcn. gm Uebrigen fjattc ber 
BeFlagte ftd) gar nidjt bagegen befdjmert, bah au f f e t« e ©ingabe oom 
24. gebruar nichts oeranlaht war, fonbem gegen bie SerminSucrweige* 
rung auf baS Schreiben oom 7. 3)Färg. Sie Unterlaffung bes ©iitgehens 
auf bie ©ingabe oont 24. gebruar wäre beShalb oielleicht im Huffid)ts* 
wege gu oerfotgen, aber nicht im SBege ber Befdjwerbe gu berichtigen 
gewefen. 

3uläffigFeit ber geftfe^ung felbft l)oB cr ftonoentional* 
ftrafen für Sienftoerlehungen oon Hngeftellten einer 
poftanftalt. (Urtheil bcS SanbgerichtS Stuttgart oom 23. Se* 
gentber 1896. 

Ser Kläger ift als Briefträger bei ber Sßrioatftabtpoft befchäftigt 

gewefen. gn feinem Sienftoertrag ift u. H. beftimmt: „10.ich 

(ber Kläger) hafte mit meinem gangen Bermogen für {eben Schaben 
unb ftetle noch befonberS eine Kaution im Betrage oon M. 200 — 
BtarF gweihunbert - in baar, oerginSlich gu 3% pro anno. 11. SDFeiite 
Kaution perfällt gang unb ooü, fobalb meine ©ntlaffung baburth be* 
grünbet wirb, bah nachweislich eine Senbuug (Bacfet, Brief, 5Farte, 
Srucffache, ©elb ober ©elbwerth 2 c.) gang ober tljeilmeife oernidjtet, 
gefälfdji, unterfchlagen ober auf irgettb eine Hrt unb SBcife, auch nur 
oorübergeljenb bei Seite gerafft, ober bas Briefgeheimnis inSbefonbere 
auch begüglich bes gnhatts ber Bauarten, perlest habe, abgefehen oon 
ftrafredjtlidjer Berfolgitng nach ben beftchenbcn ©efe^en. ©ine oorüber* 
gehenbe Beifeitefchaffung einer Senbung liegt unbebingt fchon oor, wenn 
ich eine Senbung an ben Hbreffatert nidjt beftellen Fonnte unb hieroon 
bei meinem nädjften ©intreffen auf bem Bureau nicht fofort meinem 
Borgefehten BFelbung erftattete unb bie betreffenbe Senbung fidh nicht 
in meiner lebernen Brieftafche befinbet. geh begebe mich feglichen ©in* 
wanbS gegen biefe Bereinbarung, inbent ich jagleidj erFIäre, bah i£ B 
biefe Strafe für angemeffen unb bie Sdjäbigung fonft uufchähbar halte." 
Ser Kläger hatte am 7. guni einen Sheil ber Senbungcn, weldhe er 
hätte beftellen foUen, nidjt ausgetragen unb bei feiner RücfFehr oon 
feinem BeftcHgang nicht guriicFgebracht. Huf Befragen feines Bor* 
gefegten, bes Dberbriefträgcrs $8., hatte er behauptet, alle Senbungen 
beftellt gu haben, gn BSirFlidjFeit hatte Kläger bie nidjt befteHten Sen* 
bungen geitmeilig einem anberen Briefträger §. gur Hufbewahrung 
übergeben, fie fobann oont 7. auf 8. guni über Rächt mit ftd) in feine 
SBohnung genommen, einen Sheil ber rücFftänbigen Senbungen am 8. 
unb 9. guni nachträglich ausgetragen; wäljrenb noch jroei ®om 7. guni 
rücFftänbige ©irFulare fich am 10. guni, bei einer im Huftragc bes Be* 
Flagten oorgeuommetten Surchfuchung ber SBoljnung beS Klägers oor* 
gefunbeu haben. Kläger perlangt nun mit gegenwärtiger Silage feine 
SFaution im Betrage oon 200 M. ootn BeFlagten gurücF. 

Sas ©ewerbegericht Stuttgart hat am 15. DFtober 1896 ben Kläger 
mit feiner Äflage abgewiefen. ©r hat Berufung eingelegt itub babei 
golgettbes ausgefi'thrt: 

©r habe am 7. guni (Sonntag) fchr oiel gu thun geljabt, es fei 
ihm gang unmöglich gewefen, alle feine Briefe gu beftellen. gn redjtlicher 
Begiehung fei geltenb gu machen, bah bie Beftimmungen bes Hnftelluugs* 
oertrages, inSbefonbere foweit fte bie §öl)c ber tonoentionalftrafe unb 
baS Berfallen berfelbett bei ben geringften Berfeljluttgen, wie es bie hier 
in grage Fotitmenbc fei, betreffen, berartig harte feien, bah fie als uu* 
fittiidi begeichnet werben müffen. Ser Beflagte habe cs unter ben ob* 
waltenben Umftänben gang in ber £>anb geljabt, bie ftonoentioualftrafe 
baburdj gum Bcrfall gu bringen, bah er bem Kläger eine übermäßige 
HrbeitSFraft aufgebürbet habe, bie er umnöglidj Ijabe bewältigen Fötnteu, 



12 


®a$ (Seroerfcegertdjt. SKitt^ctlungen fce$ VerfcanbcS beutf%r @kmtt&egfrt<hte: vÄtvX' 


11 

-J 

itnb baf) offenbar biefe Monoenttonalftrafe Vom Veflagteit nicht allein 
gur Aufrcdjtcrhnttung ber Orbnnng, foitbern jum 3 wecf be* ©etb* 
mverOc* für fich vereinbart morben fei. Aud) ber Staben, ber burch , 
bas Aidüaustragcn ber paar Briefe entftanben fei, ftelje in gar feinem ' 
Vcrhältnifj 511 ber $öf)e ber Monveniionalftrafe. | 

Tie Berufung mürbe gurütfgcmiejeit aus folgeitben ©rüitbeit: 

Tas (Wahren bes MlägerS ift jmeifetloS ein foldjes, meines nach ; 
ber Veftimntuug ber giffer 11 bes AuftettungSüertrages verein DarnngS* ; 
getnäfj beit Verfall ber Maution jur golge hat, ba eine vorübergehenbe | 
Veifeitcfdiaffiuig einer ©enbung, bie ben Verfall ber Maution nach fidj ! 
gief)t, nad) ber gebuchten Vertragsbeftimmung fd)Oit norliegt, menn ber 
Angcftettte eine ©enbung an ben Abreffateit nicht befteflen fonnte uub 
hiervon bei feinem närfjften Eintreffen auf bem Vureau nicht fofort 
feinem Vorgefefcten Reibung erftattet unb bie betreffenbe ©enbung fi<h 
nicht in ber Ticnfttafdje beS AngeftcUtcn befinbet. Mläger macht felbft 
nicht geltenb, bajj ihm bie betreffenbe Veftimmung bes non ihm unter* 
jeid;ncteit Vertrages beim Vcrtragsabfdjlufi nidjt genügenb gum Vemufjt* I 
fein gefommen fei, fonbern bringt im VSefentlichen nur vor, bah bie 
gebadete ©trafbeftimntung bcS Vertrages unb {ebenfalls bie 3urücFhaI* 
tung ber Maution im oorliegenben gatte gegen bie guten ©itten verfto&e. 
ES mag nun bahingeftettt fein, ob bie ©trafbeftimmung ber 3 'ff cr 
bcS Vertrages unter alten Umftänben uub auch gatte ber geringften 
bort oorgefehenen Verfehlungen ttad) ben ©runbfäfceu non Treu unb 
(Glauben l;altbar märe; benn {ebenfalls enthält bas tW tu grage Font* 
ntettbe ©ebahren bes MlägerS — bas mehrere Tage hinburch fortgefefcte 
3uriicfhatten ber rücfftänbigen ©enbungen — ein folch großes Verfaul* 
ben uub eine folch fdjmcre ©cfährbung ber Jntereffen unb beS ©e* 
beihens ber Sßoftanftatt be§ Veflagten, bah {ebenfalls für einen folgen 
galt ber Verfehlung bie Vereinbarung bcS Verfalls ber Maution unb 
bie bemuäd)[tige 3 u rücfbchattung berfelbeu ben ©rmtbfäfcen von Treu 
unb ©tauben nidjt jumiberläuft. 2Benn man auch beut Mläger ein* 
räumt, bafj er um bie 3<üt bcS 7. guni mit Arbeit überbürbet gemefen 
fei, fp ift bies fein ©runb, fein ©ebatjren in einem mefentlid) milberen 
dichte anjufehen, ba ber Mtäger fich tn biefent galt um fo meniger tjätte 
gu fdjeuett brauchen, feinem Vorgefepiett von ber Sachlage atsbalb 9Kit= 
theüung gu tnadjen. 


Cinignng^ämter. 

©ranbettburger Simmererftreif. 3 « Ar. 33 beS „Zimmerer" 
finbet fich eine Vefpredjung ber int „©emerbegericht" veröffentlichten 
Tarftettung beS Vranbenbnrger ^iwutererftreiFs. Tie MritiF erfennt 
an, bajj bas ©emerbegericht „roegen feiner fonftigen ftrencjen 
UnparteitichFeit in ArbeiterFreifeu fehr geachtet" merbe unb biefe 
geftftetlung — bas einige £ob, bas mir gu verhielten verfugen — 
ift für uns von hohem feerth- Werabe beöljalb motten mir an 
btefer ©tette barauf auftnerffam machen, bafj bie Vormürfe, meld^e 
bie Mntif erhebt, fich nii VSefenttichen barauf surüdführen laffen, 
ba§ ber Verfaffer berfetben münfeht, feine Slnfidjt über ben frag* 
liehen ©treif be^m. über baS Verhalten ber Arbeitgeber in ber 
abfotut neutral gehaltenen Vefpredjung vertreten ju fehen. ©ach* 
lid)e Unrichtigfeiten merben bern Vencht nicht vorgemorfen. 2 )er 


©tanbpunft beS w ®emerbegen^tö" her Xeiber vielfach h^rnor* 
tretenben Abneigung ber Arbeitgeber gegen bas Verhahbeht mit 
Arbeiterorganifatiorten ift befanut. 3 m vorliegcnben Satte ift aber 
ba 3 ©^arafteriftifd^e nid)t biefe Abneigung ber Arbeitgeber, fonbern 
ber Umftanb, ba& fd)Iiebtid) bie Arbeitgeber fich bereit ftnben liefen, 
vor bem EinigungSamt 311 unterhanbein uitb ba& atsbann bie Ar* 
beiter felbft bem einftimmig gefaxten ©chiebsfpruch beS auf i^re 
Qnitiatioe hiu augerufenen EinigungSamtS ihre AnerFennung oer* 
fagten, fo ba& bas EintgungSamt refultatloS verlief. ®er „3im* 
merer" felbft bebauert biefen ©aug ber ©ad;c aus „taftifc^en 
©rünben", entfdjulbigt aber bie Arbeiter bamit, bafj baS ©inigungS* 
amt nicht genügenb 311 ©unften berjenigen ßohnfvmmiffiouS* 9 Äit* 
glieber eingetreten fei, metdje vor bem ©txeil gemajjregett morben 
feien. ®iefe ©utfchulbigung mag an fich begrünbet fein ober nic^t; 
{ebenfalls enthält bie Ablehnung beS ©prucheS beS von ben Ar* 
beitem felbft angerufenen ©nigungSanites eine ©chmachung beS 
AnfehenS ber ohnehin noch f° unentroicfelten Snftitution unb mirb 
in anberen gälten gemife au^ Don Arbeitgebern, benen ber ©pruch 
eines EinigungSamtS unbequem ober unbillig fdjeint, verwertet 
merben! 


Ucrfdjieöeiie?. 

^eifthervereittignng. Von Veifihervereinigungen ftnb auf bie 
Anfrage in lefjter Kummer bei uns angemelbet: bie Beifijjer* 
oereiniguitg ©tettin, Vorfthenber Viorth Vauchmih. gerner bie 
Vereinigung ber Arbeiter*Veiftber beS ©emerbegeri^ts granfen* 
t'hal (Vfalj)/ Vorfihenber ©util ©erifch- 3 « Nürnberg oer* 
fammeln fid; bie Arbeitn^hmerbetfiber regelmäßig möchentlich, ohne 
einen feften Verein 3U bilben, uito berathen über gemerbegericht* 
liehe Angelegenheiten. 

@s märe fehr münfehensmerth, menn auch bie übrigen Veifijjcr* 
oereinigungen uns $achricf)t sufommen liefeen. 


Bnrbatib5i*3Ctigelc0ß!iljciteö. 


Veitritt #tw. Verbanbe bentfchw ©emerbegeridjte. Veigetreten 
finb bie ©emerbegerichte ©tettin unb ^mtefan. 

(Eintritt in ben AuSfdpig ^)er Vorfthenbe beS ©emerbegeri^ts 
Bresben, ©eroerberichter ©tübing, bie vom AuSfd^nb 
gefprochenc 3 ttn>ahl in ben AuSfdjufj angenommen. 


firtefbalten. 


©♦ Vr., Oioftorf. g^rc Anfrage mirb feiteiis beS ©efrfiaftsfüfirer« 
brieflidj erlebigt. 

in SH. gnhaltsver 3 eid)itih für Jahrgang III bcS „©eiucrbc* 
gerichts" mirb mit ber Aooembcr*Aummer anSgcgeucu. 


SSo^eufchrift VraciS, Gentralblatt für ©o^ialpolitif'. 

perauSgeber: Dr. granefe, Verlin; Verlag von Wunder & 
4pumblot, Seip3ig. 3u Begieren burch fämmtliche $oftanftalten 
mtb Vuchhmtblungeu gum greife oon 2 J(. 50 ^Sf. für baS Viertel* 
jaljr einfcfjlie&lid) ber VfonatSbeilage ,,^)aS ©eroerbegericht".) 

3»halt von Ar. 1: 3ur s ¥erfonaltarifrefonn auf beit beutfdjen 
CSifenbat)neu. Von Dtto bc^erra, ©ifcitbahnbireftor, ©nbett. — 
^ohneinhaltuug unb ©pargmaiig. Von Dr. Vnbmig gulb, 
Vcdrfsanmalt in Dtaing: Tie augefiiubigte ©treifvortage; ArbeitS* 
amt uub Arbeitsbeirath in Ecfteneid). IX. ,V)effifd;er ©täbtetag: 
Veuüvcränberungsgcbühr in VJiirgburg; Ablehnung bes Minimal* 
loliucs für ftäbtifdje Arbeiter in Veru. Erhebungen über bie 
l'aqe ber Arbeiterinnen im graphifchen t^emerbe; Erhebungen bes 
Vereins für ©ogialpolitif über bie Verhättuiffc ber Angestellten 
ber Verlebrsanftatteti; ©täbtifdje S^erfftätteu für Arbeitsinvalibeu 


in $ariä. — 25 on ber Sergarbeiterbemegutig; »ereinbarung jroif^tn 
llnternebmern unb Sirbeitern im englifcfjcn Bergbau; Vanbarbeiter. 
SBetoegung in Ungarn; ©er ©frei! ber drbarbeiter oon $ari3. — 
©er 3abre0beri(f)t ber englifdjen Sabrifinfpeftoren fflr 1897 . 
*0" Seltne Simon, Äarterube; Sonntagerube im f)anbel<v 
gemerbe: ©ie crite gabrifinfpefforiu in ben Sficberfaitben: 
Öabrifinfpefiion in Ungarn; ©crocrbeinfpeftion in WeufiibioalesS. — 
*cleibung§grenje ber Serfidjerimgeianfialten fiir $trbeüeriüof)nimgeii 
unb Sungenljeilftätlen; Wrbeit^lofen.aJerfuberung uub Siibbeutfcbe 
*o[f§partei. — ©ie erfte Scrfammtung beg *erbanbe« beutfdier 
Slrbeiiänadpoeiie. *on *aui Siifdjing, aiiiindjen; Stäbtififier 
Jirbeitjnadpoeiä in ©bariottcuburg. — Sirbeiterprobuftiogenoffen. 
fdtaften in Arantreidj. — ©ie 18 . 3 abreSoerfammlung bes *ereiti-' 
fnr Armenpflege unb &*obUbätigfeit. — ®a§ Arbeiterinftihit 5 n 
Stoctbolm. — v'inbalt beS ©emerbegeritbiS 3 iv. 1. 


„®aS ©ercerbesjetidjt" ctjdicait am elften Sonnetftagc feben SDionat« im Sliinbeftumfange non 7i Sogen jum ffxeife oon 1 SH. jä^tiieb. — SefieEungeB 
nehmen fämmtliiie Softanitalien (SoitjeUungSnummet 2877) unb Sud&banblungcn on ; ein biteSet Sejug non bet Set(ag«buibbanblung finbet ni$t ftatt. * 


«erlag Mit Xmmttr 4 pnmblot, Jeipjlg. - «eben« bei guliu« «ittenfrib In SSetlln w. - «eeantooctltib Iflt bte «ebaBion: Ctabitaib t>r Sief* itcannurt a m ■ 
fiir bie Ul^iiUte: Kt4tf*Rd)ung. Setfaifiuig unb Berfabren: «enataütytt S<bmtebet, «erlin. * " 





IY. 3 a^pj. 


Berlin unb gtanffurt a. 3K., ben 3. SJoüember 1898. 


Stummer 2 . 


fas ©fttierbcpridjt. 

Ulittheilungen bes Derbanbos beutfd?er (ßemerbegerichte. 

SJtebaftionSauSfchnh: 

Stabtratlj Dr. Ulefri) in Sfranffurt a. M., Ociücrbertc^ter $rtjmteber in ©erlin unb ©emeiuberath $tfldunai)er in Stuttgart. 


Srldjeinf am rrflrn ^onneiQa§ jebcn ^Honals. 


?reis t«9r(i4 1 ?Harfc. 


©erlag oon SJuncfet & umblot, fietpaig. 


tfoftenfreie ©eilage jur „Sojtalen ©rajtS". 


me für bie SRebaftlon beS „@eroerbegericf)t 8 " beftimmten ©enbutifltn bittet man ju abteffiten: «n ©eraetbetidjtet mieber, Setlin.^alenfce, Jturffirftenbamm 132 a. 


3 n I 

Aufforberung an bie ©erbanbS* 

mitglieber.13 

$>te ©rajiS beS (Stettiner ©e* 
merbegeri^tS, üetglidjen mit 
ber ©rajtS beS ©etoerbege» 
riebt 8 ©erlin. ©on 9flcigi[tratS* 
affeffor Saub finget in Stettin. 14 

JJerfaflung unb gerfnljrett.... 16 

ilonferenj ber Slrbeiterbeififoer 
ber pfäl 3 ifd)en ©etoerbege* 
richte, ©on ©mil ©crifc^, $ran» 
fentQal. 

|l*rbanbs-&n 0 elfgcnljetUn .... 17 

$)ie ©efpreebung ber ©etoerbe» 
gericbtöoorjibenbett unb ©ei* 
Ober 311 Nürnberg. 

©eitrittSeTflärungen. 

fledjtfpredjung.:. 19 

©erurtbeilung oon Arbeitern, bie in 
Streif getreten maren, jur fertig* 
fteflung angefangener Afforbarbett. 
(©etoerbegerid)t ©erlitt.) 

•Micbtberbcinbeln im ©infprucbStermin. 
Micbterlicbe« ftragerecfjt. ©erjabTung. 
(©emerbegeriebt unb Sanbgericbt I 
©erlin.) 

3ü ein Sdjadjtmeifter als Arbeiter, 
Söerfnieifter ober als felbftünbiaer 
Unternebmer anjufeben? (©emerbe* 
geriebt unb Sanbgericbt ©ortmunb.) 

3 it ber Arbeiter oerpfliebtet, ohne ©nt* 
fcbäbiguitg auSaufehen? ©cbeutuug 
münblicbet Sltebenabreben neben ber 
ArbcitSorbnung. (©emerbegeriebt 
Hamburg.) 

3 ft ber Arbeiter oerpflicbtet, bem 
Arbeitgeber auf ©efragen ju fagen, 
unter melcbem Sßerfmeifter er ar* 
beitet? (©emerbegeriebt ftranffurt 
a. ÜJt.) 


Söirb ein £eljrOertrag bureb unorbent* 
liebe Ausfüllung beS ©ertragS« 
formularS ungültig? (©emerbegeriebt 
©erlin.) 

Sftüeftritt oom &el)tOertrage. (©emerbe* 
geriet in Sübbeutfd)lanb.) 

3ft baS ©emerbegeriebt auftänbig für 
©erfonen, roelebe nur mit bem Um* 
fa|j gemcrblicber ©rjeugniffe be* 
fd)5ftigt fiitb? (©emerbegeriebt Jlöln.) 

äöi'e lange fönnen bie ©ntlaffungS* 
grünbe beS §. 123 ber ©etoerbe* 
orbnung gelteitb gemaibt merben? 
(©emerbegeriebt ^ranffurt a. 3)?.) 

Sinb ©ereinbarungen mit einjelnen 
Arbeitern abmeiebenb oon ben ©e* 
ftimmunaen ber ArbcitSorbnung, 
fpeaiell binficbtlidj ber ftünbigungS* 
frift,3ul5ffig? (©emerbegeriebt Königs* 
berg i. ©r.) 

3nmiemcit ift ßraufljeit beS Arbeiters 
ein ©ntlaffungSgrunb? (©emerbe* 
geriebt ©erlin). 

3ft ein Sdjlofferanfcblaget getoerblieber 
Arbeiter ober felbftanbiger Unter¬ 
nehmer ? (©emerbegeriebt gretnf* 
furt a. 2Jt.) 

2lrbeitSüeitoeigerung. ©ebeutung ber 
„©äefeteiüerorbnung". (SübbeutfdbeS 
©emerbegeriebt.) 

JUgemelncs Uber ©merbtgeriiht* 
unb 3 lrbtttsumrag . 26 

Arbeitgeber unb Arbeitet bei 
ben ©emerbegericbtSmablen. 

(JBtntgungsämter. 26 

2)aS ©emerbegeriebt ^ranffurt 
a. 3Jt. als ©inigungSamt in 
einem SJfaurerftreif. 

SnbaltSangabe ber „Soaictlen ©rajis". 


£lummrr ift 6as 3ti(i«nsperjfidjiii|j t»rs ^afjrgangs III fees ,,ö>crocr6fflfri<fjts“ 5eigcfc<|t. 


Abbruef fümmtlieber Artifel ift Leitungen unb 3eitfcb*iften geftottet, feboeb nur mit 
ooHer Quellenangabe. 


^.uffurbormiij an i>ie Iferbimiismitglieitet:. 


Gö haben nunmehr faft fämmtUdje Mitglieber ifjreu ©eitrag 
freimillig erl)öl)t. ©Mr fe^eit barin einen erfreulichen ©emeiö beS 
3 ntereffeö, baS au bem ©erbanb uub fpe^iell au ber 3 eitfrf)nfl 
genommen mirb, bitten aber, bieö Q;ntercffe nunmehr aud) baburd) 
betätigen 311 motlen, bah bie $Hebaftion burd) ©tnpfaug fämmtli^er 
3 a()re^berid)te uub fonftiger ®ruc!fad)en ber ©eroerbegeridjte 
(Statuten, ©utad^ten, ^rotofolle über SBa^lüer^anblungen u. bgl.; 
ferner Eingriffe in 3 c ^ un 9 en / SSerfammlungen, 33erid;te über Üöci* 
fiber*)Bereine, 23efd)lüffe oon fo(d)en) in ben Staub gefegt mirb, 
ein 5öilb aller für bie ©eroerbcgeridjte midjtigeu Momente 3 U geben. 

SRamentlid) erfudjen mir audf), un-3 über bie Sdjritte, bie 3 ur 
(Einrichtung oon3n)angöinnuugen,3nnnung§=Sd)iebögerichten u.f. m. 
getljan merben, ftet» genau informiren 311 moHeu. 

Btt HciialtHD« 5 i' 3 lu?fdju 6 . 


B\t nrnri? bcsi Stettiner (ßewcrbcgcrid)ts, ner- 
glidjcn mit ber JJrnriö öes (Öcmerbegerid)tj 5 Ocrliit. 

©on Magiftratsajfeffor Öaubüngcr in Stettin. 


$ad)bem bnrd) Ungern Such bie $rai*i^ eiltet, unb 3mar be^3 
bei meitem größten, ®emcrbegcrid)t3 eine fijjftematifd^e 3“fonituen* 
fteflung erfahren h^h erfefjeint e§ smedmäöig, mettn anbere OJe* 
merbegerid^te an ber §anb biefc^ Suchet ihre eigene Sra^i» burd)= 

g ehen unb ihre 3 uftimtnenbe ober abmeicheube ^luficht Öffentlich 
efannt geben uitb fo 3 ur Klärung oon Meinuiuj^oerfd^iebenheiten 
unb 311 t Herbeiführung einer einheitlichen 9ied)tfprechung beitragen. 
2 )ie$ foK hier, ohne erfd;öpfenb fein 311 mollen, hiufiihfii^ ber 
Stettiner prajiö gefdjehen. 

^a läfet fid) 3 unäd)ft gegen bie ?lufid)t (Unger, ©ntfd). 9), bah 
ber Arbeiter im ©ruppeuafforbe ben Arbeitgeber nicht mehr megeu 
be§ i?ohne^ belangen fönue, toeitn biefer ben ßohu an ben ^o* 

lonncnführer ge 3 aplt h a t einmenben, bah ber le(jtere bod) hiufidjt* 

Iid) ber Lohnzahlung lebiglid) alei Seooflmcichtigter be^ Arbeit* 
geher3 fungirt. ©Öir höben ben Arbeitgeber mehrfad) ocrurtheilt, 
memt ber Arbeiter ben Lohn ooui ftolonuenfiihrer nicht erhalten 
founte, weil ber ^olonncufiihrer mangels fdiriftlidjer SoUmad)t 
(§.8 I. 13 A.£.$.) al 0 Seooflmächtigter ber Arbeiter 3 ur 
fiohnempfangnahme nicht gelten fanti. 

teilte ©ntfcheibuitg enthält bie Sammlung über bie Srage ber 
Sd)riftfornt bei ©ertragen über 150.// (§. 131 I. 5 A. LM.), fo* 
fern e3 fid) um Afforbocrträge haubelt. ©?ir nehmen 3 . ©. an, 
bah ©auarbeiter, bie al£ Steinträger für bie &auer be$ ganjen 

©aue^ engagirt fiub uub möd)ent(id) 28, 30 unb mehr Marf, für 

bie gait 3 e ©ait 3 eit alfo mehr al3 150 JL oerbieuen, bei unrecht* 
mähiger (Sntlaffung feine Schabeu^flage höben (§§. 155, 168 I. 5 
A. S.&.). 2Bir fiub aud) ber Auficht, bah ber nur burch miiub* 
liehen ©ertrag im (Gebiete be^ Laubredjt^ angenommene ©krf* 
meifter, foferu bie Annahme fich nid)t als Hü^WönbelSgefdjäft 
barfteflt, meber Anfprud) auf oier 3 el)ntägige itüubigung uod) auf 
foldje fech^ ©3ocheu oor ©ierteljahrSfdjluh h a h fouberu jebei^eit 
entlaffen merben faun. Auch hi^' fdjaffen für bie 3 öfunft bie 
§§. 125 ff. beS ^Bürgerlichen ®efetjbuchS Abhülfe. 

^Die ßntfdjeibungen, bah bei ©ereinbaruitg ber ©ntlaffuug „311 
jeber 3^it /y bei ©ntlaffung im Laufe beö £aaeö ein ooller Jage* 
lohn ge 3 af)lt merben müffc (§ 905 I. 11 A. L.©.), erachte ich für 
oerfehlt. 3<h vermag meber an 3 uerfenucn, bah biefe Abrebe itnflar 
fei, noch, bah fie etmaö llugemöhnlidjeö betreffe, uod), bah ein 
Hanbeln gegen Xreu uub Glauben oorliege, menn jemanb im 
Laufe beö ^ageö entlaffen mirb. 3 11 „ieber 3cit" heih* ux jcbein 
Augenblicfe, uub eö mirb fid) fogar faum ein flarcreö ©ort 
finben laffen. 3 <h höltc eö aud) nicht einmal für jmeef* 
rnähig, bie ©arteien 3 U 3 roiugen, nach einem 3 cnoiirfnih noch ben 
galten ^ag neben einanber auö 3 uhalteu. Auch baö ©iirgerlid)e 
©lefehbuch bebicut fid) biefeö AuSbrucfS. ©gl. §.623: „Sft bie 
©ergütuug nicht nad) 3 e ^öbfd;nitten bemeffen, fo faun baö Jienft* 
oerl)ältnih jeber 3 e il gefiinbigt merben." 2 )er ©egeufaj) befinbet 
fid) §.631 Abf. 1 : „3)1 t>ie ©ergiitung nad) ^agen bemeffen, fo 
ift bie ftüubiguitg an jebeut Xagc für ben folgenbeu Za g 3 uläffig." 

Db ber 'uerjudjte ^iebftahl mit bem oolleubeteu gleid) 3 uftelleu, 
erfd)eint mir bod) jmeifclhaft. ©crfudjter (5inbrud)biebftahl 
mirb mit 3 u ü)tl)auö beitraft. Sropbem fönute nad) ©erliner Au* 
fichten ber Arbeitgeber ben Arbeitnehmer nicht entlaffen. Sollte 
bieö nicht bod) bafür fpred)eu, bah öer ©efe(jgeber 3 mifd)eu 00 tl* 








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To« ®ewerBegcrt<ht. JÄttthetlungen bes BetbonbeS beutfdjer ©eroerBegertdjte. Str. 2. 


16 


eitbetem unb oerfucptem Tiebftapl nic^t bat unterfcpeiben wollen? 
AnberenfallS entfprädje eine Abänberung fepr bern Stecptsbewuptfein. 
Bor SRücfgabe ber geflogenen Sachen bejw. ©rftattung ber TranS« 
portfoften für bie bei ©ericpt lagernben Sachen paben wir Lopn« 
flage nid)t gugelaffen (§.271 I. 5 21. £.91). 

TaS Bepaftetfein mit Läufen haben wir abweicpenb ooit Ber* 
(in nie als abfcprecfenbe Slranfpeit erachtet. 2öir paben nur 
©cpabenSanfprücpe beS Arbeitgebers für Steinigung ber Betten 
anerfannt. Bon einer Stranfpeit biirfle ^tcr faum im ftreitcj mebi* 
Sinifcfjcit ©Urne, jebenfalls aber nicht im ©efepeSfinne, bte Siebe 
fein fönnen. ©S bleibt bocb auch 311 erwägen, bajj ber wanbernbe 
©efelle auf beit Verbergen ohne Berfcpulben febr leicht Ungeziefer 
acquiriren fann unb bap bie Steinigung nicht aH^u fcbwierig ift. 
Ter Begriff „abfcprccfenb" ift im ilebrigeu ein äufierft relatioer. 
„Ter eine oerträgt Diel, ber anbere weniger", pflegen fiep bie Aer^te 
au^julaffen, wenn fie um ein (Gutachten in biefer |)inficht an« 
gegangen werben, dagegen wirb man häufig sugleicb Arbeite* 
utifäpigfeit attnebmen fönne. ©o hoben wir in einem ÖaHe einen 
Barbier, ber au wäffernber ini ©eficpte litt, für in feinem 

(bewerbe arbeitsunfähig erflärt, wenngleich bie kranfpeit als ab« 
fehreefenbe nicht a^ufepen war. ®enti ber Ar 3 t begutachtete, bap 
berfelbe burch feine Singer bie Stranfpeit leicht auf bie Shmben 
übertragen fönne. 

Tie 'Auslegung bes § 124b ber ©ewerbeorbnung, bap bie 
©ittfcpäbiguitg nicht geforbert werben fönne, wenn nachgewiefen 
werbe, baß fein ©epaben entftanben fei, erfrfjeint mir irrig. BHr 
haben ftete bas ©egentpeil angenommen. Allgemeiner Anficht 
nach (oergl. 3oel, Arbeiterfcpupgefep, Lanbtnann, Kommentar 
3 ur ©ewerbeorbnung) ift bie bort aufgefteüte AecptSoermuthung 
eine fogenannte praesumtio juris et de jure, gegen bie ein ©egen« 
beweis un^uläffig ift. Ter Anfpruch aus §. 124 b ber ©ewerbe« 
orbnung put, wie 3oel unfercS ©radjtenS mit Stecht annimmt, ben 
©parafter ber Bupe. Anbernfalls würbe ber §. 124 b praftifdp 
auch nur eine ganj geringe Bebeutung hoben, ©r gilt, nebenbei 
bemerft, nicht für Stapnfcpiffer (BinnenfdjifffaprtSgefep), was leicht 
überfehen werben fann. 

s JDtit ben polnifcpen, bei ©ifenbapnbauten beschäftigten Arbeitern 
wirb h^r häufig feitenS ber Unternehmer oereinbart, bap SHinbi« 
gung beiberfeits auSgefchloffen fei, bap aber auch in biefem SaHe 
ber Lopn erft am Lohntage, ber alle 14 Tage eintritt, gezahlt 
werbe. ®iefe Bereinbarung erfepeint gefeplicp ^uläffig; fie enthält 
aber eine erhebliche frnrte, ba fiep ber Arbeiter aus biefem ©runbe 
oft nuploS an einem Drte aufhalten mup unb nicht in bie Veimatp 
reifen fann. ©ie fann ben ©ap: „Tie SiünbigungSfrift mup eine 
gleiche fein," praftifd) nicht feiten iäuforifcp machen. 

Tap §. 124 b ber ©ewerbeorbnung burch ben §. 152 (St'oalitionS« 
freiheit) nicht aufgehoben werbe, ift im Dftober 1896 beim ©treif 
ber Lithographen oom ©tettiner ©ewerbegeriept ebenfalls an« 
genommen worben. 

B3aS bie 3uriicfhaltung beS Arbeitsbuches bei münblichem 
Lopnoertrag anlangt, fo holte ich fie im ©ebiete beS ^reufeifd^en 
LanbredjtS für unjuläffig, weil hier ber münbliche Bertrag bei 
einem Dbjeft über 150 dt jeher 3eit aufgehoben werben fann unb 
ein ftlage auf (Erfüllung bei ihm überhaupt niept juläffig ift. SBo 
aber ber münbliche Bertrag an fich weitere BHrfungen hot, wie im 
©ebiete bes gemeinen StechtS, ba ift meines ©racptenS auch bie 
©inbehaltung ^nläffig. Ter 'Arbeitgeber übt hi«-' feine ©pifane, 
fonbent er oertritt fein gutes Stecht. Stad) beut Snfrafttreten beS 
Bürgerlichen ©efepbud)cS bürfte bie Surücfbepaltung allgemein gu« 
läffig fein. Tie Borfcprift ber ©ewerbeorbnungSnooelle oom 
26. ouli 1897, nach ber jept bie Beiträge bei ©träfe fcpriftlicp 
gefchloffen werben müffen, hot lebiglid) polizeilichen ©harafter. 

Vinficptlid) ber ©iiltigfeit ber Arbeitsorbnung ftel)en wir auf 
bem ©taubpunft, baß ber Arbeiter STenntnip genommen unb in 
Stenntnip berfelbett weiter gearbeitet hoben mup, wenn fie ihn 
binben foü. 

Ter jweitc Tpeil beS Unger’fcpen Buches mit feinen ©nt« 
fdjeibungen über 3 uftänbigfeitefragen geigt flar, nach weld)en 
Siid)tuugeu pin bie Siompeten,} ber ©ewerbegerid)te 311 erweitern ift. 
Tap Silagen auf Verausgabe oon 'Arbeitspapieren unb Arbeite« 
gerätli, ©nt|d)äbiguugsflagen wegen oerweigerter Verausgabe unb 
auf 3 nnüf 3 al)lung 311 oiel gezahlten Lohnes oor bie ©ewerbe« 
geridjte gehören, füllte flar ausgefproepeu werben. Klagen auf 
(iiitjd)äbtgung wegen ber ©inbehaltung ber Snoalibenfarten, wegen 
Siäumnug oon Wohnungen, bie B3äd)tern, öaftoren, Vo^wrafern 
u. f. w. oielfad) auf ©runb bes SlrbeitsoertrageS eingeräumt finb, 
unb Silagen bes 2lrbeiterS gegen ben Bormann, ber ohne fchrift« 
lidje BoUtnacht angenommen hot (§. 8 I. 13 A. L.St.), foflten bem 


©ewerbegericht 3 ugewiefen werben. Klagen-wegen ber Snoaliben» 
farte fönnen burch bie in AuSficbt ftehenbe StooeDe 511 m 
SnoalibitätSgefep ben ©ewerbegeri^ten überwiefen werben. 
bei SlbfchlagSsahlungen auch 9^4 e ^ ne entfprechenbe Angahl 
SJtarfen gefleht werben foU, ift ebenfalls eine äuperft unbequeme 
Beftimmung. Taß bie Ab 3 Üge nur auf 3 wei Lohn 3 ahlungs« 
perioben fich erftreefen bürfen, auch wenn ber ©efeöe gebeten 
hat, bie Abzüge oorläufig 3 U unterlaffen, erregt häufig ben 
Aerger ber Betheiligten, wie beim bie Beftimmung beS §. 109 
Abf. 3 beS QnoalibitätS« unb AlterSoerficherungSgefepeS ^ier 
in ben Streifen ber fleinen Vonbwerfer — biefe finb meift bie 
Leibtragenben, weil fie baS Stieben häufig erft bei Löfung bes 
ArbeitSoerhältniffes beforgen — überhaupt nod) wenig befannt ift. 
©rmäbnen will ich noch, bafe Beamtenocreine feine ©ewerbetreibeitbe 
finb. Tas ©ewerbegeri^t ift für berlei Klagen unguftanbig. 

Stid^t bei 3 utreten oerntag ich ber Anfidjt bes Berliner ©erichts, bafe 
nach bem BinncnfchifffahrtSgefep nur baS ©ericht beS §eintath§ortes 
3 uftänbig fei. Sörtfcp in feinem Kommentar äußert ftch ba^in, 
bafe ber ©erichtsftanb beS §.6 J. c. nur ein wafilweifer ift. §. 25 
beS ©ewerbegerid)tegefepeS ift alfo nicht abgeäubert. Tie Beftim* 
mung würbe fonft auch eine äufierft unpraftifche fein. Stehmen 
wir einen Sfall aus ber BrayiS: Ter ©Ziffer aus Liebenwalbe 
fommt mit bem Stahn oon Hamburg unb überwintert hier in 
©tettin. Ter ©chiffsmann geht oon h^r in feine Veimaih, bie 
im rufftfehen ©ouoernement ^alifch liegt. SöeShalb foll bie ©aepe 
hier nicht entfd)iebeu werben fönnen? 

Tafc hinfiä)tlid) ber 3roecfmäßigfeit möglichft einfache Beftim« 
mungen getroffen werben, fann nidjt oft genug geforbert werben. 
SBie Berlin nehmen auch nü r on, baß bie BäcfermamfeQ Vanblungs« 
gehülfin ift. ^euerbingS hat in einem Salle bas Siönigliche Amts* 
gerid)t fyiet ebenfo erfannt. Tie BerufunaSfammer bes Lanb* 
gerichts hot baS Urthcil bagegen aufgehoben, weil bie Bäcfer» 
mamfell ©ewerbegel)iilfin fei. Tafi eine wegen Ungebühr erfannte 
©elbftrafe nicht in .v>aft uuigewanbelt werben fann, ift richtig; h^r 
liegt aber ein SJtangel beS ©efepes oor. Tenn baß bie Ungebühr 
fchlieplich oöllig ungefüpnt bleibt, ift febenfaHs nicht wünfd/ensroerfh- 


Uetfaffnng null öcrfaljWB. 


iottferen| ber Arbciter&eifiper ber pfä^ifchen ©etoerbegeriihtr. 

©S ift ein Sohr h^r, ba& bie Arbeiterbeifiper ber pfälgifc^en ©e* 
werbegeridpte 3 um erften Btale 3 U einer Konferenz mfammentraten. 
Söurbe über bie Sroedfmäpigfeit unb Stüplicpfeit fofeher 3 ufammen« 
fünfte im Allgemeinen eine Uebereinftimmuug erzielt, fo fonnte 
man fid) nicht einigen in Be 3 ug auf bie ©rünbung einer feften 
Drganifation. 2luch bie am ©onntag ben 2 . üftober in Lambrecht 
ftattgepabte 3 weitekonferen 3 fal) oon einer feften Drganifation nod) 
ab, tpat aber fepon ben erften ©epritt 3 U einer foldjen, inbem fie fiep 
bem Dbmänner*©ßftem 3 Uwanbte unb mit ber Bermittelung ber 
notpwenbigen Berbinbung unter ben ein 3 elnen Dbmännern einen 
Borort betraute. 

Bon ben in ber Bfapt beftepenben neun ©ewerbegeriepten (jroei 
weitere in Lanbau unb 3n>eibrücfen finb im SBerben begriffen) 
waren 8 burch 85 Tclegirte oertreten unb 3 war: Öfranfentpal, 
ÄaiferSlautem, Lambrecht, LubwigSpafen, Steuftabt, DggerSpeim, 
BirmafenS unb ©peier; baS neunte ©ewerbegeriebt, ©rfenbaep, be* 
tpeiligte fiep niept, fommt aud) niept weiter in Betragt, ba feit 
bem mehrjährigen Beftepen biefeS ©eridptS bis jept noch fein 
einiger galt anhängig gemacht worben ift. 

Tie BeratpungSgegenftänbe umfaßten im Allgemeinen Aenbe* 
ruitgen be 3 w. ©rweiterungen beS ©ewcrbegericptegefepeS unb ber 
©ewerbeorbnung, fowie baS neue Voubwerfergefep. Tas in An* 
lepnuug an einen Artifel tu Str. 6 beS „©ewerbegeriepts" gegebene 
Steferat über bie Siompeteitz ber ©ewerbegeriepte gipfelte in 
ber öorberung nad) ©dpaffung eines gefeplicpen BobenS für bie 
Anpängigmachung ber ©ntfcpäbigungSanfprüche, bie aus ber Bor* 
entpaltnng ber DuittungSfarte perguleiten fmb. Solgeube Ste- 
folution würbe angenommen: 

„Tie am 2 . Dftober 1898 in 2ambred)t tagenbe Äonferenj ber 
Arbeiterbeifiper ber pfä^ifepen ©ewerbegerid)te ift 3 U ber Ueberjcugung 
gelangt, baß bie Sfompetcnjen ber ©ewerbegerid)te 311 eng ge 3 ogen finb. 
iDiit Aücffid)t barauf, bafj bie Aupängigmad)ung ber aus ber Bor* 
entbaUung ber ^noalibenfartc cutftepcnben CSutfdjäbigungsanfprücpc bei 
bem ©cwerbcgcridjtc $ur 3 ?it einer gefeplicpen ©runblagc entbehren unb 
fonad) eine gcwerbegerid)tlid)e (Srlebigung ber barauS entftepenbcu 
Strciiigfeiten in ben meiften gäHen auSgefcploffen ift, hält bieSfonfcrenj 
I eine ©rw eiterung bes §.3 beS ©eweroegcricptSgefepeS für 



17 


Sa* EeroerBegericht. SRttthrilungen be* Serbattbe* belüft er ©eroerbegertchte. 9 fr. 2. 


18 


eine unaBroeisBare StothroenbigFeit. Sie im nächften 3ah* c gu* 
fammentretenbe Konteren* ber beutfdfjen ©eroerbegerichte ift gu erfudfjen, 
fich ber Siefolution angufchlteßen unb burch SBeitergaBe berfelBen an 
oen Stet<h$tag bie für erforberlitfj erachteten ©efefeeSerroetterungen gu 
erftreBcn." 

©roßen EBerth in fogialpolitifcher $infid)t legte bie Konfereng 
bem fünfte „DBligatorifche ElnerFennung ber ©eroerbe* 
ertöte al* EinigungSämter Bei ElrbeitSeinftellungen 1 ' 
ei. Stadt) eingehenber Beratung .rourbe bie ftdj für Einführung 
be* DBIigaiorium* auSfpredhenbe SRefoIution ber nächften Konfereng 
übermiefen. 3n3wif<hen foH biefe Eingelegenheit ben ©eroerff (haften 
gur SÜSFuffton oorgelegt merben, fo baß im nädjften 3nh* e / wenn 
nicht unterbeffen auf anberem EBege eine Elenbcrung eingetreten ift, 
ber Antrag in geläuterter Sorm bie britte Konfereng Befchäftigen mirb. 

$>eS Weiteren marb nachftehenbe Stefolution einftimmig an¬ 
genommen: 

„Sie Konfereng erachtet bie ElufheBung ber Befteljenben ©eftnbe« 
orbnung unb bie Unterteilung ber SienftBoten unter bie ©e* 
merBeorbnung, forote bie UeBerroeifung ber grotfchen §errfd)aften unb 
SienftBoten entftebenben Strcitigfeiten an bie ©eroerbegerichte für 
bringenb nothmcnbig unb rietet an bic BolfSuertceter im SteidjStage 
ba* Erfudfjen, biefer ftorberung im ^Reichstage ©eltung gu oerfcf)affen." 

Schwere Eingriffe in bie Rechte ber ©eroerBegerichtc fielen 
mit Einführung ber mit bem neuen $anbroerfergefefc oerBunbenen 
SnnungSfchicbSge richte gu erwarten. Sie Stimmung ber Konfe* 
reng in biefer Srage faub burch einftimmige Sinnahme folgenber 
Stefolution EluSbrucf: 

„Sie Konfereng erBIitft in ber Errichtung non 3unung$fdf)iebS* 
gerichten eine fchmere Sdfjäbigung ber EBirffamfeit ber Beftehenben ©e* 
roerbegeridjte. Sie erblich in ber Drganifation ber 3nnung§fdjiebS* 
eridjte gugleich eine ungerechte StärFung be* EinfhiffeS ber ElrbeitgeBer, 
ie in ben nteiften ft allen von oorn herein bie Majorität haben toerben 
nnb baburch fid) leicht bem Borrourfe ber $aricilid)Fcit ausfcfecu. Sa 
ben 3nnung*fchiebegerid)ten alle progeffualen ©arantien unb Siechte 
fehlen unb bereu Urteile ohne Siüc!|id)t auf ben EBerth be* Streit* 
gegenftanbe* anfedjtbar finb, fo toerben biefclben fdjott oon Anfang an 
Bern berechtigten SRißtrauen ber ElrBeiter begegnen. Sie Konfereng Be* 
fchlie^t bemgufolge, bie ©eroerBegeridjtobciiiber ber Elrbeititebmer gu 
oerpflichten, Elufflärung über bie (gumingsfchiebsgeridjte gu oeratilaffen 
unb bafür Sorge nt tragen, bah allerorts auf bie fernere Benad) s 
theiligung ber 9tcc§tfud)euben bei ben 3»»uttg3frf)ieb*geri<hten gegenüber 
bem Siecht*oerfabren bei bett ©emerbegerichten aufmerFfam gemacht 
toirb. Sie Slrbeitnehmerbeift^er foBeit oeranlaßt merben, mit aBen 
gefefclicheu Sßitteln im 3nteref|e einer einheitlichen Siecbtfpredjung in bem 
au* beut ElrBeitSuertrage fid) ergebenben Streitigfeiten gegen bie Er¬ 
richtung oon ftnnuitg*id)ieb*gcridjten gu roirfen. Soßte aber trofc aüer 
$rotefte bic Erridjtuug folrfjer Schiedsgerichte befchloffen merben, fo 
foBen fidh bie ElrBeitnehmer mit aüer SRacht an ber EBaljl betheiligen, 
unt baburch bem llebergemicht ber Unternehmer theilmeife entgegen gu 
toirFen." 

3n Beachtung einer Einregung in Str. 12 be* „©eroerBegeridjtS" 
mürbe, roo bie* noch nicht gesehen, bie Bilbung oon örtlichen 
Drganifationeit gioecF* öfteren EluStaufche* ber bie Stechtfpredhung 
an ben ©emerbegerichten Berührenben Angelegenheiten empfohlen, 
ferner fanb rtod) ein Eintrag Annahme, nach meinem bie Konfe* 
reng bie Einführung oon SteoifionSgeridhten gur Prüfung oon 
Stecht*oerIefcungen an ben ©emerbegerichten für nothroenbig §alt; 
bod) mirb ftch mit biefer ftfragc bie nächfte Konfereng noch Be¬ 
fchäftigen. 

3um Schluffe mürbe noch, nachbem eine lofe Drganifation ge* 
grünbet mar, granfenthal al* Borort gemählt unb enblidh af* 
nächfter Konferengort Steuftabt a. b. £. beftimmt. 

3ran!enthal. Emil ©erifd). 

üecfaatib^'^ttgei^entjeiteti. 

öefprechung ber ©etuerBegerichtöborftyeitbea nnb Seifiger gn 
Nürnberg, 29* September 1898. 

Sie in ben Vorjahren hatte auch bie*mal ber Eln*fchu6 bie* 
jenigeit S3erBanb*mitglieber, melche ben Slrmenpflegertag befuchten, 
gu etner freien 33efprechung über geroerBegeridhtliche Eingelegenheiten 
eingelaben, bie am Sonnerftag bett 29. September in SUirnBerg 
ftattfanb. Vertreten maren bie ©eroerBegeridhtc: E3erlitt, E3ieBrich, 
Eaffel, EoBurg, Eöln, Eharlottenburg, Sangig, SreiBurg, granf* 
furt a. S)t., §anan, |>annooer, 3ena, $arl*ruhe, Äiel, Königsberg, 
München, äftaing, SHtrnBerg (burch ben SSorfifeenben unb gahlreiche 
Seifiger), Stuttgart, Sie*baben, Sorm*. Sen SSorfip führte 
Siechtsrath ESagner (Nürnberg), ber bie Elnroefettben tarnen* be* 
©emerbegerid)ts Nürnberg uno im Sluftrage be* $errn DBerBürger* 
meifter* Begrüßte. 


Dr. Saftroro referirte über ben Berbanbstag ber Elrbeit*nach* 
roeife gu SJtündjen, ber für bie ©eroerbegerichte, abgefehen oon ben 
fonftigen SBegiehungen, fchon um be*roiHen oon ESichtigFeit fei, 
roeil oie ®eroerBeqericht**Sorfthenben, menn ba* ©emerBegeridht al* 
Einigung*amt gufam mentrete, mit Sachfenntnifc über bie ßage be* 
ElrBett*mar!t* müßten urtheilen Fönnen. 3^agen, mie bte ber 
StreiFFlaufel u. f. ro., gingen bie ©emerbegeridhte eben fo oiel an, 
mie bie SlrbeitSnadhroeife. — Eine Si*Fuffton Fnüpfte ftch hi^an nicht. 

Kagfer (SBorm*) fprad^ bemnädhft über bie Faufmännifdljen 
S<hiebögeridhte, beren Einführung in hah^nt SKafee gu münfehen 
fei, bie aber jebenfall* in Fleineren Stäbten nur in Slnlehnung an 
bie ©eroerbegerichte gebilbet merben Fönnten. — Ein ber roeiteren 
Sebatte betheiligten fidh &i e Herren Slefch (SranFfurt a. SR.), SRatt* 
golb (EBie*baben), Euno (Köntg*berg), Saftroro, Schmieber (ÜBerlin), 
$ohlmann (granFfurt a. 2R.), fröhlich (©öln), ^o|l (Königsberg). 
Sämmtlidhe ^ebner ftnb bafür, bafj bie Elttlehnung an bie ©e* 
merbegerid^te richtiger fei al* bie an bie ElmtSgerichte unb bafj in 
Fleineren Stäbten fogar bie oöllige ^Bereinigung — eoentuell unter 
33ilbung befottberer Faufmännifdher Kammern — angeftrebt merben 
müffe, mährenb für größere Stabte bic Srage, ob für bie Fauf* 
tnännifdhen StreitigFeiten befonbere Kammern Bei ben ©eroerbe* 
gerichten ober Befonbere Faufmännifche SdhiebSgerichte errichtet 
mürben, oon mittberer 33ebeutung fei; menngleich bie Häufung all* 
gu oieler oerfchiebener ©eridbtSarten gu oermeiben fei. §a^befonbere 
macht ^ohlmanit (Srauffurt a. S)t.) barauf aufmerFfam, bafe an 
ftch ©eroerbegerichte, infomeit fte ©eridhfe feien, ootn Staat unb 
nicht oon ber ©emeittbe unterhalten merben müßten unb baß faft 
mistiger al* bie EMIbmtg Fauftnänuifrfjer Schieb*gerichte bie §rage 
fei, ob nicht bie geroöhnlichen Eioilgerichte ähnlich mie jefct bte 
©eroerbegerichte au*guftatten feien, ©efchehe bie*, fo fei bie grage 
ber Erri%tung Befonberer Faufmännifdjer SdjiebSgeridhte oon min* 
berer E)ebeutung. Schmieber (ESerlin) macht im gleichen Safatnmen* 
hange auf bie unfichere Stellung ber ©eroerbegcrid)t**^orfißenben 
aufmerFfam, bie jeber Szit ohne EBeitere* burch 9richt*E£ieberroahI 
au* bem Elmte entfernt merben Fönnen. Sßohl (Königsberg) crFlärt 
für ebenfo mistig mie bie EluSbehttung auf Fauftnännifdjc Streitig* 
Feiten bie ErftrecFung ber Kompeteng ber ©eroerbegerichte auf Sienft* 
Boten*StreitigFeiten, bie auf ba* Sringenbfte gu münfeßen fei. Ser 
Elugfdjuß möge biefe Srage fpegieHer Serathuttg untergiehen. (EIB* 
gemeine 3uftimmung.) 

Semnächft bringt $ohl (Königsberg) ben Erlaß be* preuß. 
SRinifter* be* 3nnern oom 18. Eluguft 1898 gur Sprache, nad) 
melchem bie SRagiftrate aufgeforbert feien, bur^ ftatutarifdfje 33e* 
ftimmung auSgufprechen, baß bie EluffichtSbehörbe über bte ©e* 
merbegendhte ber S)tinifter be* Snncrtt fei. 2)er Slu*fdhuß 
möge bie hierburch angeregte, im ©efeße nicht entfehiebene 3rage, 
roer benn bie E(uffid)t*behörbe ber ©eroerbegerichte fei unb melche 
öefugniffe biefelbe h«&e, eingehettb prüfen nnb ba* SSerbanbSoraan 
gur S3efprecf)ung berfelBen oeranlaffett. Spegiell eine ftatutarifche 
33eftimmuitg hierüber fei übrigen* feine* Erachten* roerthloS, ba 
eine oerroaitunaSredjttiche grage nicht burch ein DrtSftatut Binbettb 
entfdhieben merben Fönne. — An ber Sebatte betheiligen fid) Euno 
(Königsberg), ÖinF (§annooer), Saftrom, Shoma (jreiburg), ber 
barau} aufmerFfam macht, baß e* allerbittg* ein ungemöhnlicher 
Vorgang fei, menn eine SBehörbe aufgeforbert mirb, fieß felbft burch 
DrtSftatut ihre SlufficßtSorgane gu beftimmen. S)er ®efd)äftgführer 
oerfprießt thunlichft für Erörterung ber oon £>errn $ohl begeich* 
neteit hö<hft midjtigen S^age im SSerbanbSorgan roirfen gu rooHen. 

§)iernächft berichtet ber ©efchäftsführer Darüber, baß in bem 
EluSfchuß bie Örage ber Einberufung einer größeren Kon* 
f er eng eingehenb erörtert morben fei. &er SSerBanb ber ©eroerbe* 
gerichte fei roertiger auf bie bireFten Begehungen ber ©eroerbe* 
geridhte mit einanber angeroiefen, al* g. B. ber neugegriinbete Elr* 
beit*nachmei**Berbanb. 3ebe* ©emerbegericht eclebige feine Sluf* 
gaben im EBefentlidjen für ftch- S)er fchriftliche EluStaufdj ber 
SReinungen unb Erfahrungen, ben bie 3 e üfchrift gemähre, ge* 
nüge für bie Stegei. Eine größere Koufereng fei nur notb* 
roenbig Bei einem Einlaß mie oor groei Sah^n, gelegentlich be* 
Entrourf* ber foaenannten ^anbmerFer-Borlage. Bielleid)t merbc 
fnh, menn über oiefen imroifchen ©efeß gemorbeneit ©egenftanb 
Erfahrungen oorliegen, roieoerum bie Einberufung einer Konfcreng 
empfehlen. biefer müßten bann inSbefonbere aud) alle Bcifijjer* 
Bereine Einlabungen erhalten. 3Ran fei im SluSfcßuß ber Eluficht, 
baß, fo fchäblich c* fei, menn burch Beifißer*Bereiue gefuefjt miirbc 
Einfluß auf bie Stedüfprechung gu erlangen, hoch bie Shätigfeü 
ber Beifißer-Bereine, burch welche eine nähere Siihlung gmifdjen 
ben Borfißenben unb ben Betheiligten Sntereffenten erreicht merbe, 
auch fehr nüßüch roirfen Fönne, unb baß be*l;alb gefucht merben 



19 


TaS ©eroerbegeridjt. Vtittßeilungen bes VerbanbeS beutfcfjer ©ewerbegeridjte. 3h. 2. 


20 


rnüffe, mit benfcIBen in naße güßlmtg gu fomtnen. Aud) btefe 
Begießungen feien namentlich buteß baS VerbanbSorgan gu pflegen. 

Aucß bie gfrage, inwieweit gu ben Vefprecßungen ber Vor* 
fißenben bie Veipßer in größerem 9Jtaßftab ßeraitgegogcn werben 
fonnten, laffe fidß nur burdj bie §>erangießung ber Vcifißer*Vcr* 
einigungen Iöfen. 3»* 3^* nahmen Ieiber faft nur bie Veifißer 
beS am Drt felbft befinblic^en ©ewerbegerießts an ben Vefprecßungen 
Xßeit. 

Tiefen Ausführungen würbe nun feiner Seite wiberfprodßen. 

©nblidß bringt Xhoma (greiburg) bie grage gur Anregung, 
wie es mit ben „orbentlidjen ©eridßEtagen" (§. 5 ©ewerbegertchtS* 
gefeß) gehalten werbe. 

Tie Verfammlung wirb hierauf gefdjloffen. 


©eittlftlefllänmgett. Tem Verbanbe beutfdjer ©ewerbegerichtc fmb 
als VtitgKeber betgetreten bie ©ewerbegeridjte Srfjöucbcrg bei Berlin, 
Spanbau, Stettin, 3 ,ü tdau. 


Hrdjtfprtdjtwg. 


Verurtßeilitng non Arbeitern, bie in Streif getreten 
waren, gur gertigftcllung angefangener Alforbarbeit. (Ur* 
tbeil beS ©ewerbegeridpS Berlin, Vorpßenbcr ©ewerberidper Dr. ©ertß.) 

Am 29. September er. legten 18 Arbeiter einer ©olbleiftenfabrif, 
als ihnen eine Lohnerhöhung nicht bewilligt würbe, bie Arbeit fofort 
nieber, obwohl pe nach ber gabriforbnung oerppießtet waren, bie an* 
gefangene Afforbarbeit erft fertig 31 t ftellen. Ter gabrifant 9B. flagte 
barauf gegen fte auf gertigftetlung bes angefangenen AfforbeS uub rief 
auch baS ©inigungsamt beS ©cwerbegcricßtS an. Tie Strcifenben 
lehnten es ab, ein ©IcidjcS gu thun, beoor bie gegen fte angeftrengte 
Klage eutfehieben fei. gut ißrogeß erhoben fte ben ©inwanb, bap ihnen 
nach §• 152 ber VeidjSgewerbeorbmmg bas Stecht 3 uftef)e, fich gur ©r* 
lattgung giinftigerer Lohnbebingimgen mittelft ©infteflung ber Arbeit 
gu oercinigen. ©oentucll fönne Kläger nicht auf ©rfüllung beS Iler» 
träges, fonbem ßöcßftenS aus §. 124 b ber ©ewerbeorbnung auf ©nt* 
fchäbigung flagen. ©nblicß fei bie Arbeitsorbnnng nur auSgehäugt, 
ihnen aber nicht aitSgehäubigt. 

Tie Veflagten würben antragsgemäß oernrtheilt. 

Aus ben ©rünben: Ter ©inwanb, baß für ben gatt eines 
Streifs baS Stecht ber ArbeitSnieberlegung bureß §. 152 ber SteicfjS* 
gewerbeorbnung gewäßrleiftet fei, war als unbegriinbet gurüefguroeifen. 
Ter §. 152 hat feine weitere Vebeutung, als bie nach eiitgelnen LanbeS* 
rechten beftehenben Strafbeftimmungen bcS KontraftbrncßcS aufgußeben, 
ohne inbeffeu irgenbwie in bie prioatrecßtlicße Sphäre beS Ver* 
tragsreeßtes etugugrctfMi. Sollten baßer bie Veflagten oon iljrer 
Koalitionsfreiheit gum ^wetfe ber Vcrbeffentug ihrer Lage ©ebraueß 
maeßen, fo mußten fte gunätfjß ben 00 r liegen ben Arbeitsoertrag re* 
fpeftireu uub fonnten erft itacß ©rfüllung beffelbeti bei llebertragung 
einer neuen Arbeit fieß höheren Loßn ausbebingett. Verließen fte ttotfj 
wäßrettb eines befteßenben Vertrages bie Arbeit, fo Baubeiten pe recßtS* 
wibrig unb gaben bent Arbeitgeber baS Stecßt, entweber Sdjabcttcrfaß 
gemäß §. 124 b ber Stcid)Sgemerbcorbnung gu forbern ober baS aus 
beut Allgemeinen Sanbrecßt in bie ©ewerbeorbnung übernommene Stecßt 
auf ©rfüllung bes Vertrages geltenb gu tnaeßen. 

Mtarf) §. H ber ausgehäugteu ArbeitSorbnung haben Afforbarbeiter 
bie attgefaugeue Arbeit orbnungsgentäß fertiggufteflen unb abguliefern. 
©itter Aushäubigung ber Arbeitsorbuuug in betrieben, toic bem beS 
Klägers, mit miubcftcus 20 Arbeitern bebarf es nicht, nur ber ©rlaß 
ber Arbeitsorbnnng begrünbet bereu Vrvbiubltdjfcit. Ter ©rlaß ber 
ArbeitSorbtntug erfolgt aber nach §. 144 a ber Stcidjsgcwerbeorbuung 
burdj Aushang. Tie Vorßßrift, baß bie Arbeitsorbnnng jebent Arbeiter 
ausgußäubigeu ift, hat ebenfo wie bie Strafoorfcßrift bes §. 149 a. a. £). 
nur poligcilicßeu ©harafter. Ter ©rlaß einer ArbeitSorbnung wirft 
hiernach ebenfo wie ber eines ©efeßes. 2 i?ic bort, fo fann aurfj hier 
bie ltnfenntniß ber Veftimnuuigeu nießt baoor fcßttßen, baß fie für bas 
Vcrtragsoerhältniß grunblegenb nttb titaßgebeitb fittb. 

St ad) bem bie Verurteilung erfolgt war, haben fätnmt* 
ließe Arbeiter bie Arbeit wieber aufgenotnuten. 

Außtocrljaubclii im ©ittf prueßstermi tt. Aicßtcrlidjcs 
gragerecht. Verjährung. (Urtßcil bes ©cwcrbcgcridjts Verl in, 
Kammer 7, uom 25. gebruar l*9s.j 

Tttrd) Vcrfämmßurtljeil oom 24. guli 1 s; ) 4 war ber Veflagtc beut 
Anträge bes Klägers gemäß gur ^aßluug oon 147 t fC oernrtheilt 
worben. Ter beflügle ßatte friß* unb formgereeßt gegen bas bcgcidjucte 
llrtßeil ©infprnd) eingelegt, gu bem auf ben 15. Anguß 1*44 gur 
Verbanblimg über ben ©iufprudj auberaumt gewefeueu Termin ift ber 


Seflagte gwar oertreten gewefen, ber Vertreter hat jeboeß Taut StpungS* 
protofoll nießt oerßanbelt unb pcß entfernt, oßne Anträge gu ftellen. 
3n bem fpäteren Termin am 2 >. gebruar 1898 ßat ^eflagter um 
Älageabweifung unb Aufhebung bcS 23erfäumnißurtßeilS oom 23. guli 
1894 wegen Unguftänbigfeit bes ©cricßtS gebeten. 

Ter gegen baS SSerfäumnißurtßeil oom 23 guü 1894 eingelegte 
©infprud^ gilt naeß §. 38 beS ©efcfceS oom 29. guli 1890, betreffenb btc 
©ewerbegerießte, als gurüefgenommen, fobalb ber 93eflagte im Termin 
gur SSerßanblung über ben ©infprueß nießt erfeßeint. LeßtereS tft in 
oorlicgenber Streitfacße ber galt • gewefen, ba nad) Ausweis bes 
SißungSprolofottS ber bamalige Vertreter beS Skflagten in bem gur 
SSerßanblung über ben ©infprueß angefeßten Termin oom 15. Auguft 
1894 nießt gur Sacße oerßanbelt unb pcß oßne Anträge gu ftellen ent* 
fernt ßat, bemgemäß als nießterfeßienen attgufeßen ift (§. 24 bes SleicßS* 
gefeßes oom 29. guü 1890 unb §. 298 ber ©ioilprogeßorbnung). 

©S toar bemgemäß baS SSerfäumnißurtßeil oom 23. guli 1894 als 
reeßtsfräftig aufreeßt gu erßalten unb eS beburfte nießt eines wetteren 
©ingeßenS auf bie Sacße felbft. 

Urtßeil bes ftgl. 2anbgerid)tS I «erltn oom 22. April 1898 
in berfeiben Sadje: 

Kläger würbe mit ber erhobenen Klage foftenpßidjtig abgemiefen. 

Sfadj Ausweis bcS ^rotofoHS oom 15. Slugnft 1894 ßat pcß ber 
Vertreter beS Scflagten entfernt, oßne Anträge gu ftellen. ©r ßat alfo 
gar feinen, gefdjmeige benn einen facßbicnlicßen Antrag gepeilt. S?acß 
§. 40 ©.©.©. aber hätte ber SSorftßenbc beS ©cwerbcgertdjts ben ®er* 
treter beS Seflagteu auf bie golgeu, welcße pcß aus ber S2icßtftellung 
oon Anträgen für ben Seflagten ergeben, ßinweifen unb auf bie Stellung 
eines facßbienlicßeit AutrageS ßimoirfen muffen. Grft wenn troßbem 
ber Vertreter bes SBeflagten babei oerbliebeu wäre, Anträge nießt ftellen 
gu wollen, ßätte ber ©intritt ber golge beS §. 40 1. c. angenommen 
werben bürfen. Taftir, baß ber Siorberricßter bieS getßan unb ber 
Vertreter gleidßwoßl Anträge nießt gepellt ßat, ergiebt pcß aus bem 
protofoll fein Anßalt. Ter ©infprueß beS 3?eflagteit fann baßer ntdjl 
als gurüefgenommen gelten. Aus biefem ©ruribe war bas Urtßeil oom 
15. gebruar 1898 aufgußebeu. 

Tas am 23. guli 1894 gegen ben Seflagten ergangene Serfäimmiß- 
rtßeü ift nießt reeßtsfräftig, ba ber bagegen eingelegte ©infprueß tiicßi 
als gurüdgenommen gilt, ©egen bie fomit noeß nid)t reeßtsfräftig feftgcftcüic 
gorberung beS Klägers ßat Seflagter ben ©inwanb ber Seriäßriuig 
erßoben. Tiefer ift begrünbet. ©emäß §. 1 bes ©efeßeS oom 3l.3Rärg 
1888 unterliegt bie gorberung bes Klägers einer Verjährung oon 
2Saßrcu unb nadß §. 10 beffelbeu ©efeßeS beginnt uaeß erfolgter Unter* 
breeßung eine neue Verjährung, gu bereu VoÜeubung ebenfalls 2 ^aßte 
genügen; nur wenn wegen beS AnfpnußS eine reeßtsfräftige Vcrurtßcilung 
erfolgt ift, tritt bie orbentlicße VerjäßrungSprift ein. TaS Verfahren im 
gaßre 1894 ßat, wie auSgcfußrt, gu einer reeßtsfräftigeu Verurtßcilung 
nießt geführt. ©S ift fonaeß nur als eine Klagcanmelbuug im Sinne 
ber §§. 551 p. Tßeil I Titel 9 Allgemeinen LanbrccßtS unb fomit als eine 
Unterbredjung ber Verjäßnntg aitgufeßen mit ber SBirfung, baß oon 
bem Tage an, wo ber Kläger bie Sacße ßätte fortfeßen fönnen unb 
foHen — §. 554 1 . c. — b. ß. oom 15. Auguft 1894 ab eine neue Ver* 
jäßruug begann. Ta mm feit bem 15. Auguft 1894 bis gum 22 . gebruar 
1898, an welcßem Tage ber Kläger guerft wieber ber Sacße gortgang 
gab, meßr als 2 gaßre oerftrießen fmb, fo ift bie gorberung bes Klä* 
gerS oerjäßrt. 

$iemacß war aueß bas Verfäumntßurtßeil oom 23. guli 1894 auf* 
gußeben unb Kläger mit ber erhobenen Klage abguweifen. 

Anmerfuug ber Aebaftioit: Tiefe ©ittfcßeibuitg aicbt gu oer* 
feßiebeuen Vebenfcn Anlaß. 3u n ^^P tft nirgenbs oorgefdjrieoen, baß bas 
protofoll Aufgcidjmutgcn bariiber enthalten foll, was ber Vorßßenbe in 
Ausübung bes riditerlidieu gragereeßts gu bcu Parteien gefproeßen ßat. 
Aad) §. 146 ©4?.0. ift ber „(Mang ber Verßaubluugen nur im Allgemeinen 
angugebeu". Tiefer Vorfdirift aber ift genügt, wenn beim Unterlapen 
oon Anträgen troß richterlicher ©imuirfnng bas protofoll befagt: „Tic 
Partei entfernte fieß ohne Stellung uott Anträgen/' gernerßht aber 
muß bod) woßl oon Temjenigen, ber behauptet,’ baß ein Aicßter feine 
gefcßUdjen '•ppießten (hier bie bes §.40 © ©.CM.) nid)t erfüllt habe, ein 
Veweis bafiir erbrad)t werben. Tas Lanbgeridjt aber nimmt als felbft* 
oerpäublid) ~ ba fein Veweis oerlangt wirb, alfo als notorifcß! — 
an, baß ber Vorberricßtcr feine Amtspflicht oerleßt ßabe. V?ie tum, 
wenn biefer in ber Tßat fid) bemüht ßat, beu Veflagtcn gur Stellung 
eines Antrages gu ucrnulaffcn ? Tas protofoll braucht ja nad) §. 140 
©.^X. nidjts bariiber gu enthalten. Tantt wäre eben bic ©utfeßeibung 
bes Laubgcricßts oollfommcn unrichtig. 

Stimmt nun aber ba£ Lanbgericht einmal oßne jebeu Veweis an, 
baß ber Vorberricßtcr feine Vfließt aus §. 40 ©.©.CM. oerleßt ßabe, fo 
burfte es bie Klage itidit wegen Verjährung abweifen. Tenn bann 
wäre ja bie Sache burd) bie edntlb bes Virfjters liegen geblieben, unb 
folaiigc bi es geidpeßt, läuft nach §. 555 A.L.A. Tßeil I Tit. 9 feine 
Verjährung. 




21 


BaS ©eroerbegeridpt. MittheUmtgen be« Berbmtbe* beutfcpet ©emerbegericpte. Kr. 2. 


22 


3ft ein ©dpadptmeifter als Arbeiter, SBerfmeifler ober als 
felbftänbiger Unternehmer angufepen? (gmifc^enurt^ctl be$ ©e- 
toerbegeridptS su $ortmunb oom 23. ®egember 1896 unb ©ntfdpeibung 
bes Königlichen SanbgerichtS bafelbft oom 10. April 1897.) 

Kläger oerlangt 1223,37 & für geleiftete Arbeit, Beflagter ergebt 
bie ©inrebe ber UnguftänMgfeit beS ©ewerbegeridpts. 

©rfte gnftang: Kläger ift als gewerblicher Arbeiter angufepen. 
(Sr patte grnar nadp bem Vertrage allein Kiftfo unb ©ewinn, auefj bie 
Arbeiter im eignen Kanten anguneptnen, trofcbem ift er nidjt felbftänbiger 
Unternehmer gemefeit. $)enn eS ift in einzelnen ©ewerben üblidp, bah 
ber Unternehmer etngelne AngefteHte, meldpe eine geioiffe Huffid^t su 
führen paben, am Unternehmen in ber SBeife betheiligt, bah er nur für 
bie mirflidp geleiftete Arbeit Afforbfummen befahlt, fog. Unterafforbanten. 
3m oorliegenben gatte bepfet Kläger auch feine BetriebSftätte, fein 
eigenes SBerfgeug, fonbern erhält bieS fotoie Material oon bem Beflagten. 
tiefer oerftchert auch bie Arbeiter auf feinen Kamen, sieht bem Kläger 
bie BerficheruitgSbeiträge ab unb pat mit ben Arbeitern fd^riftUd^en 
KünbigungSauSfcpIuh oereinbart. Auch erhält Kläger oon bem Beflagten 
ben jebeSntal fälligen Sohn für bie Arbeiter sur Söpnung. ©in ©enterbe 
jur Steuer pat Kläger nicht angemelbet, feine Arbeiten tourben täglidp 
oon bem Beflagten reoibirt. Ueberbies burfte Kläger anbere Arbeiten 
nicht annehmen. 

©r mar hiernach fein felbftänbiger Unternehmer, auch fein SBerf* 
meifter, fonbern ein Arbeiter, ba er feine höhere tedpnifdpe Ausbübung 
befajj uub neben ber Beaufftdjtigung ber Arbeiter auch biefelben Arbeiten 
roie biefe oerricfjtete. 

3 weite 3oftong: Kläger ift felbftänbiger Unternehmer, bettn er 
hat oertraglidj bie felbftänbige Ausführung ber für bie Kanalifation 
erforberlichen ©rbarbeiten, er oerteilt felbftänbig bie Arbeiten, unb ohne 
3utpun beS Beflagten engagirt unb entläßt er eigenmächtig bie Arbeiter. 

©r, Kläger, trägt bie für ben Arbeitgeber gefefclidp feftgefefcten Bei¬ 
träge gur Kranfeu* unb 3no.*AlterS=Bcrfidjerung. 

$)afj Kläger burch Lieferung oon Söerfgeug unb Materialien oom 
Beflagten unterftüpt mürbe, ift ohne Bebeutung, ebenfo bie Keoifion 
feitenS bcs Besagten. 

$en AuSfdpluh ber Kiinbigung mit ben Arbeitern pot Beflagter 
mahrfiheinlich nur beSroegen oereinbart, um Klagen berfdben megen 
unreeptmähiger ©nttaffung su entgehen. 

3ft ber Arbeiter oerpflichtet, oh»c ©ntfdjäbigung aus* 
gufeben? Bebeutung mitnblidper Kebenabreben neben ber 
ArbeitSorbnung. (Urtheil beS ©ewerbegeriepts Hamburg oom 
9. gebruar 1898.) 

Kläger ocrlangt 3opIung eines Arbeitslohnes für gwei Sage, au 
bencu er auf Beranlaffung beS beflagten ScrffiiprcrS bie Arbeit pabe 
ausfefcen miiffen, obwopl er sunt Arbeiten bereit gemefeit märe. 

Ser Beflagte pat biefe Behauptungen gugegcbcu, fidf) aber auf 
§. 14 feiner ArbeitSorbnung berufen, welcher lautet: „Urlaub ift per* 
fönlicp oon bem Borgefcfcten eingupolcn, bei längerem Urlaub Sags 
oorper. Opne genügeube ©ntfdjulbigung barf fein Arbeiter bic Arbeit 
oerfäunten. Bei miebcrholtem Ausbleiben mährenb beffelbeu Monats 
faun ber AuSbleibenbe fofort unb ohne Kitubigung entlaffen mcrbcu. 
33er ohne geniigenbe ©ntfchulbigung länger als brei Sage uerfäuutt, 
öerliert bas Kecpt auf 33citerbefdjäftigung unb gilt als miberrerptlicp 
aus bem ArbeitSoerpältnih auSgefdpieben." gerner fei ben Arbeitern, 
auch bem Kläger, mitgctheilt morben, bah äße biejenigen Arbeiter, 
roelrhe ohne pinreidjenbe ©ntfchulbignng an einem Montage bei ber 
Arbeit fehlten, ftch gefallen laffen mühten, bis Mittmodj Abcnb berfelben 
33od)e sn feiern. Beflagter mürbe nach bem Klageanträge oerurtheilt 
ans folgenben ©rünbeit. Auf bic Beftimntungen beS §. 14 ber ArbeitS* 
orbnnng fonnte ftch ber SBerfnteifter sur Kechtfertigung feiner bem 
Kläger gegenüber getroffenen Anorbnitng nicht berufen. $5er Abfajj 1 
bes §. 14 beftimmt nur garts allgemein, bah Urlaub perfoulidp oon 
bem Borgefepten cinsuholen ift, bebroljt aber nicht etma bie Unterlaffung 
biefer Ginholung mit einer gmeitägigen ArbeitSauSfepung. Abfap 1 
unb 3 panbeln oon ber BorauSfepmtg ber fofortigen ©ntlaffung unb 
bem Berluft beS Kecpts auf 33eitcrbcfchäftigung, greifen fomit hier 
nicht ^lap, weil Kläger meber entlaffen morben ift, nodj ber Beflagte 
oon einer SSeiterbcfdjäftiguug Abftanb genommen pat; Beflagter ^at 
oielmepr bem Kläger ausbriicflidp mittheilen laffen, er folle bis über¬ 
morgen sn $aufc bleiben, moraits heroorgeht, bah Kläger oon 
Sounerftag ab meiterbefchäftigt merben foHte. 

ganb aber bie Mafjnapme bes SBerfmeifterS in ben Beftimmuttgeu 
ber ArbeitSorbnung nid)t ifjre Berechtigung, fo fragte es fich meiter, ob 
eine miinblidje ©rfläruug, bah berfelbe einen am Montag ohne ge* 
niigenbe (Sntfdjulbigung fcplenben Arbeiter bis Mittmodj feiern laffen 
föuue, gegenüber ben Beftimmungeit ber ArbeitSorbnung genügte, um 
bie fraglidje Anorbnung sn rechtfertigen. $iefe gragc mar su oer* 


neinen. Sie redptlidpen Begehungen gmifchen ben Parteien werben 
burd) bie Beftimntungen ber ArbeitSorbnung geregelt, unb ba biefelben 
bie ©ruhblagen beS ArbeitSocrtrageS bilben, fo ftnb bie Kedjte unb 
BfUdpten ber Kontrahenten auch lebtgltch nach Mahgabe berfelben sn 
beurtheilen. Kun enthält aber bie ArbeitSorbnung fein SBort über 
bie oon ber Beflagten einfeitig ihrem SSerfmeifter oinbicirte Be¬ 
rechtigung. ©ollte aber eine foldpe als 3ufnp ober Abänberung ber 
ArbeitSorbnung hinsugefügt merben, fo hotte bas burch Anfdjlag 
tn ber gabrtf befannt gemadpt merben müffen. t)a% biefeS gefdpehen 
fei, h a t Beflagter nicht su behaupten oermocht. ©ine blope ©r* 
flärung, mie fie Beflagter behauptet, genügte alfo nicht, eine Ab¬ 
änberung ber ArbeitSorbnung herbeiguführen. 

. 3ft ber Arbeiter oerpf lidptet, bem Arbeitgeber auf Befragen 
Su fagen, unter welchem Söerfmeifter er arbeitet? (Urtheil bes 
©ewerbegericfjtS s u granffurt a./M., oom 15. September 1898. Bor* 
ftpenber: ©eridptS-Affeffor ^ohlmann.) 

2)er Kläger oerlangt, weil er ohne Kiinbigung entlaffen ift, ©nt* 
fdpäbigung. 2)ie Beflagte roenbet ein, bah ber Kläger ftch beharrlich 
geweigert höbe, ben ihm nach bem Arbeitsoertrage obliegenben Ber* 
Pachtungen naebsufommen. Auf bie gragen beS BctriebS-gngenieurS 
M., ber ben Kläger anfdpeinenb fdplafenb an feiner ArbeitSfteDe betroffen 
habe, feinen SBerfntcifter s« nennen, höbe ber Kläger trop micberljoltem 
Berlangen nicht geantwortet. $)er Kläger hot biefeS sugegeben mit 
bem Bemerfen, bah er, burch bie Art unb 28eife, mie er gefragt morben 
fei, oerlept, nicht geantwortet höbe. UebrigenS h fl t ber Beflagte sn= 
gegeben, bah tu bem betreffenben Kaum nur s*oei SSerfmeifter be* 
fdpäftigt fmb. 

®er ©treit ber Borteien breht ftch beSljalb barum, ob in bem 
Bcrhalten bes Klägers eine beharrliche ArbeitSoermeigerung s u fehen 
ift. ®iefe grage ift oerneint morben. $>cntt es fann an fidp fch°n 
Sroeifelljaft fein, ob überhaupt bie Kennung bes Borgefepten sn ben* 
jenigen BerpfUdjtungen gehört, bie bem Arbeiter auf ©runb bes ArbeitS* 
oertrageS obliegen. AuSfunft über bas ArbeitSprobuft gu geben, wirb 
ber Arbeiter oerpfli^tet fein. AnberS fteht eS mit bem Kamen bcS 
Borgefepten, ber bem Betriebsleiter ober beffen ©teHoertreter an ftdj 
befannt fein muh ober leicht befannt merben fann. 3 m oorliegenben 
galle fommt bagu, bah in bem Kaum, in bem ber Kläger gearbeitet 
hat, nur grnei SBerfmeifter tljätig ftnb. ©S genügte alfo eine einfache 
©rfunbigung feitenS bes Befragettben, um ben Kamen beS SBerfnteifterS 
feftguftellen. ©omit lag im oorliegenben galle eine BerpfUchtung bes 
Klägers gur Kennung beS KamenS feines Borgefepten nicht oor. 

SBirb ein Seljroertrag burch unorbentlidfje Ausfüllung 
beS BertragSformularS ungültig? (Urtheil bes ©eroerbegeridjts 
Berlin, oom 28. April 1898. Borfipettber: ©eWerberichter Mechow.) 

Auf ©ntnb beS fchriftlidjen ÖehroertrageS oom 1. Mai 1897 ift ber 
Kläger feil biefem $age beim Beflagten in ber Beljre gemefen. Am 
1. Märg er. ift Kläger aus ber Sehre getreten, ba er ergeblich oom 
Beflagten nicht fadjgemäh im ©djlofferhanbmerf untermiefen morben 
ift. Kläger ©erlangt Auflöfung beS SehroerhältttiffeS. Beflagter hot 
erflärt, er fei mit berfelben nur bann einoerftanbett, wenn Kläger iptn 
bie im §.11 beS SehroertragS ftipulirten 100 M. ©ntfchäbiguttg gaple. 

^er Behroertrag oom l.Mai 1897 ift unter Benuputtg eines gormularS 
abgefahh aber in golge mangelhafter Xurchftreidjung begm. Ausfüllung 
beS Borbrucfs berart unoerftättblich (inSbefoitbere auch §. 11), bah &oS 
©ericht ber Meinung ift, bah bie gefeplich erforberliche ©chriftfortn als 
nidpt gemaljrt angufehen ift. $a aber beim Mangel ber fdjriftlichen 
gorm Kedpte aus einem Scljroertrag beiberfeits nidpt perguleiteu fiub, 
mar bem Anträge bes Klägers ftattgugeben. 

Kü eftritt oom Sepr oer trage. (Urtpeil eines fübbeutfdjen ©e- 
merbegeridpts, mitgetpeilt oon B.) 

Beflagter gab bem Kläger gentäh fdpriftlidpcn Bertragcs feine 
beiben tninberjährigen ^ödjter auf gmei 3 a hrc in bie Öepre. Kacp §. 1 
burfte Kläger innerhalb ber erften oicr SBocpeit „ben Seprling ohne 
oorperige Kiinbigung mieber entlaffen, wenn er fiep für bas gu ©r* 
leruenbe uiept eignen füllte"; in bem §. 8 ift beftimmt, bap Be* 
ffagter, falls bie Seprgcit opne Sofrtwmuug bes Klägers unterbrodjeu 
mürbe, eine Konoentioualftrafc oon 20 M . au ben Kläger gu entridjtcu 
pabc. Kläger behauptet nun, ber Beflagte pabe feine lödjter aus ber 
Sepre pcrausgetiommen; biefelben feien feit bem 25. Sage nach Ab* 
fdjluh bcS BertrageS niept mepr bei ipm erfdpteneu. Kläger ocrlangt 
behpalb, bah Beflager entmeber feine beiben 'Jörfjter in bie öepre gurücf* 
gebe, ober bie Konoentioualftrafc mit je 20 Ji. begabte. Beflagter giebt 
bie $patfadpe ber Klage als ridjtig gu, macht aber geltcnb, es mi'tffe 
bem BeprUng begm. beffen gefeplicpen Bertreter in ben erften oier SBodjen 
ber 2epre freiftepen bie üepre gu oerlaffen. Kläger ermibert, ein ber* 
artiges Kedjt ftepe naep bem Bertrag nur bem Sepr Perm gu. 



23 


$o* Gewerbegertcht. Pttthetlungen be$ fßerbanbeS heutiger Gewerbegerichte. Nr. 2. 


24 


T)te Klage würbe abgewtefen. 

Nad) §. 128 ber Gewerbeorbnung fann bas Sehroerhältntjj währenb 
ber erften oier Soeben nach beginn ber fiehrjeit bureb einfettigen Nüd* 
tritt aufgelöft werben; tiefe Veftimmung gilt für beibe Tljetle unb 
fann bureb Vertrag jwar wobt in ber Seife abgednbert werben, bafj 
bie (ßrobejeit auf IjöchftenS brei Sonate oerlängert wirb, niebt aber 
etwa in ber Seife, bafj bie ^robejeit abgefitrjt ober ganj aufgehoben 
wirb. (Sine Veftimmung aber, bureb welche jwar bem fiebrherrn, niebt 
aber jugleidj bem Seljrling baS S^eebt beS NiicftritteS Vorbehalten bliebe, 
würbe bem Grutibfajjc ber §§. 122 unb 128 ber Gewcrbeorbmmg, bafc bie 
Rechte beiber Tljeile bejiiglid) ber Künbigung bejw. beS einfeitigen Nüdf* 
tritteS gleieb fein müffen, totberfprechen unb gefefclieb unjuläfftg fein. 

3ft bas Gewerbegerid)t juftänbig für ^erfoneit, welebe 
nur mit bem Umfa$ gewerblicher ©rjettgrtiffe befebäftigt 
finb? (Urtheil beS GewcrbegeridjtS Köln oom 26. Pat 1898.) 

(Sine 2abengef)ülfin flagte gegen einen Sefcgermeifter auf Sofjn* 
entfebäbigung. Veflagter rnaebte geltenb, bat bie Klägerin nur als 
Verfäiiferin in feinem Stoben tfjätig gewefen unb baber baS Gewerbe* 
geriebt lmjuftänbig fei. Tie Klage würbe wegen Unjuftänbigfeit bes 
GewcrbegeridjtS abgewtefen. Nach §. 2 bcs GefcfceS, betreffenb bie 
Gewcrbcgcridjte oom 29. ^ult 1890, gelten als Arbeiter im Sinne 
biefes Gejefces Verfoiten, auf welche ber VII. Titel ber Gewerbeorbnung 
Anwenbung finbet. Nur für bie Klagen folcfjer Verfonett ift gemäß 
§§. 1 unb 2 a. a. D. baS Gewerbegericht juftänbig. Nad) ber aus* 
brücfltcben Veftimmung ber Gewerbeorbnung im §. 154 Abf. 1 finbet 
aber ber VI1. Xitel ber Gcmerbcorbmmg auf Geljülfcn unb Sehrlirtge 
in £>anbelsgefd)äften feine Anwenbung. ©S fann aber feinem Zweifel 
unterliegen, bafc ber Umfaß ber oon bem $aubwerfe b^geftelltcn 
Saaren als £>anbelsgcfd)äft im Sinne jener Veftimmung attjufefjen ift. 

(SS liegt aber feine Veranlagung oor, ben AuSbrucf „$anbels* 
gefebäft" in bem befebränfteren Sinne ber Artifel 271 ff. beS #aitbels* 
gefejjbucbeS ju nehmen, namentlich fann man niebt aus bem Abf. 3 beS 
Artifcls 273 folgern, bafj ber Gefdjäftsbctricb beS £>anbtoerferS, foweit 
er lebiglid; auf ben Umfaß feiner ©rjeugniffc gerichtet ift, nicht als 
.£>aitbelSgefdjäft anjufeben fei. TieS ift besljalb uidjt angängig, weil 
man bie Vcgriffsbeftimmung beS §attbclSgcfeßbudjeS überhaupt nicht 
ohne Sciteres auf bie Gewerbeorbnung übertragen fann, unb weil 
bas .ftaubelsgcfcßbnch ÜO n einjclnen NechtSgcfdjäftcn, ber §. 154 ber 
Gewerbeorbnung aber oon beut Gefdiäftsbetrieb im Gaitjen fpriebt. 
Pangcls einer befonberen VcgriffSbcftimmimg ift alfo ber gewöhnliche 
Sortfinn entfc^cibenb. Patt oerfteht aber nach gewöbitlidjem Sprach 3 
gebrauche unter „|>anbelsgcfdjäft" benjenigen Gefdjäftsbetrieb, weldjer 
im Gegenfaße jur ©rjeugung ben Umfaß oon Saaren jum Gegen* 
ftanbe hat. 

22ie lange fönneu bie GuttaffungSgrünbc bcs §123 ber 
Gewerbeorbnung geltenb gemacht werben? (Urtheil bes Ge* 
werbegeriebts ju grau f fit rt a./P., oom 2. 3uni 1898). 

Kläger, am 16. Pai ohne Künbigung entlaffen, oerlangt oierjehn* 
tägige 2oI)neiitfd)äbigung. Tic Veflagte wenbet ein, ber feit Anfang 
2>tat in Simburg oon ißr befrfjäftigtc Kläger fiabe am 4. Pai unbefugt 
bas Arbcitsucrhältnifj oerlaffen unb fei erft am 7. Pai Abenbs nad) 
grauffnrt juriiefgefommett. Nodj am 4. Pai habe fie oon beut Monteur, 
unter bem ber .(Häger gearbeitet habe, bie Pitthcilung oon bem gort* 
bleiben bes .(Hägers erhalten. Am 5. SO?ai habe fie aufjerbem eine starte 
oon bem Pouteur erhalten, in ber er aitsbritcflidj erflärt habe, baf> ei¬ 
ben .(Häger uidit entlaffen habe. Ter .(Häger bagegen habe am 7. 50cai 
erflärt, ber Pontenr habe ihn an ber Weiterarbeit oerhinbert unb fort* 
gcfdmft. Taraufhiu habe fie bem .(Häger erflärt, er [olle vorläufig 
weiter arbeiten, wenn fidj aber bas Sadtoerhältitifj fo herausftelle, wie 
ber Monteur behaupte, fo fei er fofort entlaffen. Ter .(Häger fei barauf* 
hin bie folgenbc Sodje unb nodj am 16. Pai in Tarmftabt befdiäftigt 
worben. ?lm 7. Pai 2lbenbs habe fie uoduuals au ben äVontcur ge* 
fdjriebeu unb unter bem 9. Pai bie Antwort erhalten, bafj es fidj fo 
oerhalte, wie er angegeben habe. Taraufhiu habe fie es bei bem Siber* 
fprud) ber Eingaben bes .(Hägers unb bes Poutenrs für nothweubig 
gehalten, einen ihrer Jlngcftelltcn felbft an Crt unb Stelle ju fdjicfeu. 
vHud) biefes iei innerhalb ber Wodje oom bis 16. Pai gefdieljcu. 
21 ui 14. Pai fei ber 21 ugefteüte wieber jurfufgeweien unb habe bie 21 u= 
gaben bie Ponteurs beftätigt. Somit fei fie beredjiigt gewefen, beit 
.(Häger nod) am 16. Pai ju entlaffen. Ter .(Hager hat erwibert, 
bat; ber Pouteur ihn burdj Trohuugeu unb s i?efdjiinpfungeu an ber 
AWifepimg ber 2lrbeit oerhinbert habe. 

Tie Beweisaufnahme hat ergeben, bat; Mläget' am 4. Pai, ohne 
baf; er baju burd) bas Verhalten bes Ponteurs getiothigt war, bie 
Arbeit autgegebeu hat. Tie Beflagte war baljcr beredttigt, ben .(Häger 
oljne .(Hiubiguug ju entlaffen, unb es fragte firij nur, ob fie oon biefem 


(Sntlaffungsgrunb noch rechtzeitig Gebrauch gemalt h®*- Stad) §• 123 
2lbf. 2 ber Gewerbeorbnuttg ift bie Gntlaffung nicht mehr juläfftg, wenn 
bie ju Grunbe Iiegenben Thatfachen ben Arbeitgebern länger als eine 
Sodhe befannt finb. Tag ber Kläger am 4. Pai bie Arbeit oerlaffen 
hatte, war ber 23eflagten am 4. Pai bureb Telegramm beS Ponteurs 
bereits befannt. Sollte man alfo oon biefem Tage ab bie grift rechnen, 
fo wäre bie Gntlaffung am 16. Pai oerfpätet erfolgt. 3*bocb finb ber 
Seflagten burd) bie Angaben beS Klägers Srveifel entftanben, ob bie 
Angaben bes Ponteurs richtig waren. TeSbalb mufete fie für befugt 
erachtet werben, erft ibrerfeitS Grmittelungen anjuftellen, um ftch über 
ben ridjtigen Sachoerhalt ju oergewiffern. fiefcereS ift ohne S^itoerluft 
innerhalb ber Soche oom 8. bis 16. Pai gefd)ebcn. Grft als bie 93e* 
flagte glaubte, geniigenbe Sicherheit für ihr SBorgefjen ju b<röcn, ohne 
ftch bei etwaiger unbegrünbeter Gntlaffung beS Klägers einem SchabenS* 
erfa^anfpruch aitSjufehen, fonnte fie bie Gntlaffung auSfprethen unb hat 
fte fobamt innerhalb ber grift oon einer Soche oolljogen. Teingcwäh 
war bie Gntlaffung auch nod) rechtjeitig erfolgt. Kläger war baber 
mit feiner Älage abjuweifen. 

Sinb Vereinbarungen mit einjelnen Arbeitern ab* 
weidjenb oon ben Vcft immun gen ber ArbcitSorbnung, fpejiell 
hinfidhtlich ber ^üubignngsfrift, juläffig? (Urtheil bes Gewerbe* 
geri^tS, Königsberg i./^r., oom 19. Auguft er. Vorfthenber: Stabt* 
rath ^ofjl.) 

Kläger, ein Pafd)inenbaucr, ift oon ber bellagten girma am 
6. Auguft er. ohne Kündigung entlaffen worben, obwohl in ber Arbeits* 
orbnung ber Veflagten eine 14 tägige Künbiguitgsfrift fcftgefejjt ift. 
Kläger ocrlangt oon ber Veflagten Sdjabenerfah- Turch bie Veweis* 
aufnahme ift fcftgeftcllt, bap mit bem Kläger bei beffen Gintritt in bie 
Vefchäftigung am 25. 3uli b. 3- bie burch bie ArbeitSorbnung nomtiric 
Künbigungsfrift ausgefdjloffen uub oereinbart worben ift, bap bas 
ArbcitSoerhältuifj jeberjett ohne oorfjerige Küitbigung aufgelöft werben 
fönne. ©ine foldje Vereinbarung ift juläfftg; wenn im §. 134a Abfafc 3 
ber Acidjsgcwcrbeorbuung beftimmt ift, baf) Abänberuitgen bes 3»halts 
einer ArbeitSorbnung nur burd) ben ©rtafj o.on Nachträgen ober in 
ber Seife erfolgen fönnett, bap an Stelle ber befteljeuben eine neue 
ArbeitSorbnung erlaffen wirb, fo h^t biefes nur beit Sinn, bap für 
bie Gefammtheit ber Arbeiter gültige Abänberungen ber Arbeite* 
orbnung nur in ber oorgefdjriebenen Seife erfolgen bürfen. Tafe Ab* 
änberungen ber Veftimmuugen ber ArbeitSorbnung, j. V. über Anfang 
unb Gnbe ber täglidjcu ArbeitSjcit, über 3^it unb Art ber Abrechnung 
unb Sohnjaljlung, über Künbigungsfrift u. f. w. burch bejonberen Ver* 
trag mit einjelnen Arbeitern oereinbart werben fönnen, geht fdjoit aus 
ber Veftintmung bes §. 134 c Abfafe 2 Ijrrwor, worin es Reifet: „Anbcre 
als bie in ber ArbeitSorbnung ober in beit §§. 123 unb 124 oorge* 
feheneu Grünbe ber (vorzeitigen) ©ntlaffung unb beS (oorjeitigen) Aus* 
tritts aus ber Arbeit bürfen im ArbeitSocrtrage nicht oereinbart werben", 
hieraus folgt, baj) anbere Abänberungen ber ArbeitSorbnung, ins* 
befonbere alfo auch Abänberungen ber KünbigungSbebingumgen burch 
befonberen ArbeitSoertrag juläffig finb, beim fonft wäre cs nicht 
crforbcrlid) gewefen, eilte folche Abänberung für befttminte gälte ju 
oerbieten. — Kläger würbe mit feiner SchabenSerfafcforbcrung abge* 
gewiefen, ba ber Veflagte ju feiner ©utlaffuitg ohne oorherige Künbigung 
beredjtigt gewefen fei. 

gnwieweit ift Kranfljeit bes Arbeiters ©ntlaffungs* 
grün b. (Urtheil bcs Gewerbegerichts Verl in Kammer 3 -- 1391/973 
- oom 12. Nooember 1897. Vorfifeeitbcr: PagiftratS * Affeffor 
Sdjtitiebcr). 

Kläger, ein Nohrleger, ift oon ber oerflagten §anbeisgefellfd)aft 
am 23. Cftobcr 1897 oljuc Künbigung entlaffen unb flagt beShalb aut 
^aljlnng einer 2oljncHtfdjäbigung für 14 Tage. 

Veflagter beantragt Abweifung mit bettt ©inwattbe, bag fic ben 
Kläger enllaffett fjabc, fobatb fie erfahren, bap ber Kläger früher an 
©pilepfic gelitten. 2oldjc 2eutc bitrje fie auf Vauteii nicht befdjäftigrn. 

Veflagter würbe jur Zahlung oerurthcilt. 

t'Hünbe: Ter ©tuwanb ber Vertagten ift uidjt burchgreifettb. 3m 
§. 123 Gcwerbeorbnung finb bie Grünbe, aus betten eilt Arbeitnehmer 
ohne Künbigung entlaffen werben barf, erfdjöpfettb aufgeführt. Tafclbft 
ift eine Mraufbeit nur infoweit als ©ntlaffungsgrimb aufgeführt, als 
ber Arbeitnehmer burd] bicfclbc au ber gortfeputig ber Arbeit ocr* 
hinbert wirb; jur „gortfepung" ber Arbeit tititfj er unfähig fein, b. h. 
alfo er tuuf; infolge ber Kraufheit bas uidjt mehr leiften fönnett, was 
er bisher geleiftet hat. Tiefer galt liegt hier nidjt oor, wettigfterts hat 
Veflagte uidit bas Piubeftc bafiir oorgebradjt, bap Kläger oom 
23. £ ft ober ab weniger arbeitsfähig gewefen fei als iu ben uoran* 
gegangenen fünf Pouateit. Senn Veflagte meint, fte fönne ben Kläger 
entlaffen, fobalb fic ilju auf Vauteu uidjt befchäftigcu biirfc, jo irrt fte; 



25 


$>ad öewerbegericht. HRittheilungen bed Serbanbed beutfdjer @emerBegerid|te. 9?r. 2. 


26 


beim im §. 123 cit. ift nid ©utlaffuugdgrunb bcr gall ttic^t aufgefüBrt, 
bah ein ©efeft poligeilichcn ©Ijaraftcrd eine befümmte ?trt bei* Sefchäftiguug 
bed Arbeitnehmers «erbietet. SRuh ber Arbeitgeber einem joltfjen ©efeft 
Aedjnung tragen fo erlangt er boef) baburch nicht bad Aecht ein anbered 
©efeft — Bier bie ©ewerbeorbnung — gu «erleben. Died um fo weniger, 
ald bie beibeu ©efefte fich gar nic^t wiberfprcchcn, weil ja bem Arbeit* 
geber immer nodj bie SRöglichfeit offen bleibt, Arbeiter, bie er auf 
Santen-nidjt befrfjäftigen barf, anbermeitig jn «erwenben. 

Jft ein Sdjlofferanfcfjläger gewerblicher Arbeiter ober 
felbftänbiger Unternehmer? (UrtBeil bed ©ewerbegerichtd granf* 
furt a. 3Jt.) 

Die Parteien B^ben übereinftintmenb ertlärt, baß ber Kläger eine 
eigene SSerfftätte nic^t Babe, ©r arbeite auf «erf(Biebenen Sauten je 
nacB Belieben, audj 31 t gleidjcr 3 c *t für «erfchiebene Arbeitgeber. 3Jta* 
terial befomme er geftellt, wenn er auch bad 2 £erfgeug mitbringen miiffe. 
Der Kläger B fl be bie Berechtigung, Arbeiten, bie nicBt unmittelbar in 
fein gadj fallen, burcB anbere Arbeiter audführeit ju taffen. 

@d mar gunächft bie grage ber Unjuftänbigfeit bed ©ewerbegericBtd 
311 prüfen. Jnbent bad ©ewerbegeridjt feine 3uftänbig?cit annaBm, ging 
cd «on ber ©rwägung aud, bah ber Kläger feiner garten wirtljfdjaft* 
Iidjen Stellung nacB Arbeiter ift. ©r arbeitet 3 U benfelben Säften mie 
ein gewöhnlidjer Arbeiter, ber im Dienft unb unabBängiger Stellung 
bei einem felbftänbigen Unternehmer fidj befinbet. ©r befommt bad ge* 
fammte Material geliefert unb Bat feine eigene SSerfftätte. An biefer 
feiner Stellung ald unfelbftänbiger ©emerbetreibenber änbert nidjtd, bah 
ber Kläger fein eigened S^erfgeug Ijat unb bah er tBeilweife feine Ar* 
beiten, fomeit er fie nidjt felbft nudführen fann, burdj anbere Arbeiter 
(Sdjreiiter) audführen laffen barf. Dad HJtitbringen «on Sterfgeug ift 
in «ielen Setrieben eingefüljrt (lagelöljner miiffen ihre Schuppen mit* 
bringen) unb bad Audfiiftren ber übernommenen Arbeit burd) anbere 
Arbeiter befteBt ebenfaHd in einselneu Setrieben (bei ben HRaleru). Der 
Kläger Batte allerbingd bie Sefugnift, nicBt blofj für einen geioerblidjen 
Unternehmer, fonbern für meBrerc gleid) 3 eitig 3 U arbeiten. Doch biefed 
Moment fann für feine felbftänbige Stellung nicBt angeführt werben, 
ba bad gortf(Breiten berartiger Arbeiten, wie ber Kläger fie übernimmt, 
«on bem gortfcBreiten anberer in bem Sau audgufiiljrenben Arbeiten 
abBängt (Sdjrcincr, Staurer u. f. w.). Diefe Scfugnifj giebt «ietmeBr, 
ba ber Kläger nacB bem Audgcfüftrten unfelbftänbiger Arbeiter ift, iftm 
eine äljnlidje Stellung wie bem Heimarbeiter, mit bem Unterfdjiebe, bah 
ber Heiniarbeiter im Haufe ftatt in ber SBerfftatt arbeitet, wogegen bie 
Arbeiten bed Klägerd ed mit fuB bringen, bah er nicBt 3 U Haufe, fonbern 
am brüten Drte tfjätig ift. 

Arbeitdoerweigerung. Sebeutung bcr „Säcfereioerorb* 
uung". (UrtBeil eined fübbeutfcBen ©cwerbegeridjtd, mitgetheüt «on S.) 

Kläger Batte eined Abenbd um 9 Uftr bie Arbeit begonnen unb — 
mit einer einftiinbigen UnterbrecBung — gearbeitet bid borgend etwad 
nacB 10 */» Uljr. Seflagter «erlangte nun «on bem Kläger, er fülle H 0 I 3 
flein madjen, worauf biefer ermiberte, „er ljabc jeftt über 13 Stunben 
gearbeitet unb mache fein H 0 I 3 meljr flein"; hierauf würbe Kläger ent* 
laffen. ©r forbert jeftt 13, 8 o M. ScBabenerfaft wegen «ermeintlicB un* 
berechtigter ©utlaffung. Unftreitig beginnt beim Seflagten bie Arbeit 
Abenbd um 9 Uljr unb bauert mit einer Stunbe Unterbrechung halb 
bid Vj 10 Uftr, halb bid 10 UBr, auch bid Vs ober*/ 4 11 Uljr Bormittagd. 
9?acB Sollenbung ber Arbeit wirb in ber Siegel noch H 0 I 3 flein gemacht; 
fobann beginnt bie Arbeitdrufte, welche mit einer furgen Unterbredjung 
3 wifchen 6 unb 7 UBr bid Abenbd 9 Uhr bauert. 

©d würbe nach bem Klageanträge erfamtt aud folgenben ©riinben: 
3weifelIod entfpricht bad Serlangen bed Seflagten ber «on berljiefigen 
Sädergenoffenfdjaft unterm 2 . Juli 1895 «ereinbarten ©efchäftd* unb 
Haudorbnung; beim biefe ©cfd)äftdorbnung, weldje bid Beute noch nicht 
audbrüeflid) wieber aufgehoben würbe, beftimmt in §. 6 : „bah bie Ar* 
beitd 3 eit an SSerftagen 3 U bauern Bat «on Abenbd 6 bid 7 UBr unb 
«on Abenbd 9 Uftr bid 3 um anberen SRittag gegen 12 Uljr". 

©d fann ferner nicht be 3 weifelt werben, bah bie Arbeiter bed Se* 
ftagten unb indbefonbere ber Kläger felbft nichtd bagegcit ein 3 uwenben 
Batten, baß ab unb 311 bie Arbeit länger ald bid 10 UBr bauerte unb 
fpe 3 ieli bid gegen 11 UBr H 0 I 3 flein gemadjt würbe. Allein biefen beiben 
©rwägungen fleht bie Seftimmnng bed §. 120 e ber ©ewerbeorbnung 
unb bie auf ©runb biefer Seftimmung erlaffeue Sefanntmadjuug bed 
Sunbedratl)d «out 4. SRärg 1896, betreffenb ben Setrieb «on Säcfereien 
unb Konbitoreien, unbebingt entgegen; biefe Sefanntmadjuug beftimmt, 
baft bie Arbeitdfdjidjt jebed ©e^üfen bie Dauer «on 3 wölf Sdjid)t* 
[tunben ober falls? bie Arbeit «on einer Saufe «on minbc[tend einer 
Stunbe unterbrochen wirb, eiiifdjlichlich biefer Saufe, bie Dauer «on 
brei 3 ehn Stunben nicht überleiten barf; auherhalb biefer 3 uläfftgen 
Arbeitdfchicht bürfen bie ©ehülfen nur 3 U g ei eg en 11 i dj en Dienftleiftungen 


unb Bödjftend eine halbe Stunbe lang bei ber HerfteQung bed Sorteigd, 
im Uebrigeu aber nidjt bei ber H er fi c Ö l|U 9 ^on SBaaren «erwenbet 
werben, ©d ift unsweifelhaft, bafe bie bem Kläger am 20 . «origen Slo* 
natd angefonnene Arbeit biefer Seftimmung ber fogenannteu Säcferei* 
«erorbnung wiberfpricht; benn bie Arbeitdfdjicht, welche ber Kläger 31 t 
leiften Tratte, Batte gebauert « 01 t Abenbd 9 UBr bid nach 10 UBr, fomit 
über bre^eftn Stunben, unb bie bem Kläger angefonnene Arbeit bed 
Kleinmachend «on H^S ift feine gelegentliche Arbeit, fonbern eine 
Arbeit, welche ber regelmäßige ©efehäftdbetrieb mit fid) bringt, ©d 
folgt Bieraud, bafc, wenn ber Kläger bie Somahme biefer Arbeit «er* 
weigerte, er lebiglid) «on einem ihm bitrdj bie ©ewerbeorbnung be 3 iehungd* 
weife burdj bie auf ©runb berfelbeit «on bem Sunbedrath erlaffene Se* 
fannttnachung «om 4. S?är 3 1896 eingeräumten Siechte ©ebraudj madjte 
unb baft hiprwegen eine ©utlaffung berfelben uidjt erfolgen fonute; 
gegen biefe golgerung fönnen aber weber aud ber ©cfdjäftdorbnung uont 
Jaftre 1895, nodj and bem feitljerigen Serljaltcn ber Arbeiter bed Se* 
flagten unb indbefonbere bed Klägerd felbft Sebenfert erhoben werben: 

1. $ie ©efchäftdorbuung «om Jaljrc 1895 war 3 war feiner 3cit 
gültig erlaffeu unb würbe bio Ijeute nodj uidjt burdj eine anbere ©e* 
fchäftdorbnung erfeftt; allein fie Bat infoweit iljre ©ültigfeit «erloren, 
ald fie ber mit bem 1 . Juli 1896 in'Kraft getretenen Sefanntmachung 
bed Sunbedratfjd «om 4. Siät 3 1896 wiberfpricht. 

2 . Jn bem feitherigen Serljaltcn ber Arbeiter bed Seflagten fönnte 
man einen Scrsidjt bed Klägerd auf eine ftrenge ©inBaltung ber Se* 
ftimmung ber Säcfereioerorbnung ober eine ftillfdjweigenb abgefchloffene 
Sereinbarnng baljin erblicfen, bah ber Kläger [ich eine fur 3 c lieber* 
fdjreitung ber «orgefdjriebenen Arbeitdfdjidjt gefallen laffen miiffe; allein 
auch biefer ©inrnanb ift Ijiiifätlig: bie Säcfereioerorbnung ift in 
redjtdgültiger Steife im öffentlichen Jntereffe aud ©rüuben bcr öffent* 
lidjen 3Boljlfaljrt crlaffen worben; fie fann bedhalb weber burdj ein 
audbriicflidj ober ftiDfchweigenb 3 U Stanbe gefomnteued Sertragducr* 
Bältnife, noch öudj bnrdj eine etwaige Uebuitg aufgehoben ober in ihrer 
SBirffamfeit eingefchränft werben, fie ift «ielntehr für alle Setljeiligtcn 
abfolnt binbenb. 


Mgemeines übet (ßewetbegeridjte unb 
^rbeit^wertrag. 


Arbeitgeber nnb Arbeiter bei ben ^ewerbegerichtdwahlem 

8 n ben Kreifen ber Arbeitgeber wirb bar über gef lagt, bah 
bie be^üglidj ber Schiliften geltenben Seftitnntungen feine genügenbe 
Sicherheit bafür gewähren, bah niir niirHid^e Arbeitgeber — wirtfj* 
fdjaftlidf) felbftftänbige, mit frember Hülfe arbeitenbe Unternehmer 
— ald s Bäl;ler ber Arbeitgeber*Seififter auftreten. 

Am SRheiit, wo oielfach bie flerifalen unb bie fosialbemofra* 
tifchen Arbeiter fich an faf* gleich ftnb, fonnen biejenigen 
Schneiber, Schuhmacher u. f. w., bie felbft ©efellen befchäftigen, 
aber nur ober überwiegenb für grohe ©efdjäfte arbeiten, fich c ^en* 
fowohl ald Arbeiter wie ald Arbeitgeber eintragen laffen ober gur 
Sßahl melben. ®ie ©efahr, welche aud ber ilnbeftimmtheit bed Se* 
griffd bed „Arbeiterd" unb „Arbeitgeber" ftch ergiebt, ift eben für 
bie SChlen beiber wirthfchaftlidjen Parteien gleichntähtg oorhanben. 
Sie fann nicht burd) fchärfere Definition jener Begriffe befeitigt 
werben, weit eben bie Unbeftimmtheü in ben wirthfehaftlichen Ser* 
hältniffen felbft begrünbet liegt; fte fann aber gemilbert unb 
rebugirt werben, wenn Sßroportionalmahl eingeführt, alfo ben 
SRinoritäten unter aücn limftänben eine angemeffene Sertretung 
gefiebert wirb. 


dlnigungstautttr. 


Dad Qlewerbegericht gfranffurt a./ 9 K. ald ^intgnagdamt in einem 
SKanrerftreif. 

Am 6. Anguft höUe bad ©ewerbegericht gum erften Stal bie 
Gelegenheit, ald ©inigungdamt bei einem "gröberen Streif tljätig 
gu werben, ©d war gur Beilegung bed Audftanbed im Staurer* 
gewerbe. Diefer h«Üc bereitd fedjd Sdodjeit gebauert, ©c war 
augenfcheinlid) gut «orbereitet unb bradj uidjt plöftlich aud, fo baß 
au^ nur wenige gälte befannt geworben finb, in benen bie Künbi* 
gungdfrift nicht eingehalten worben ift. Die gorberungen, bie 




27 


da« ©eroerbegericßt. Mitteilungen be« Verbanbe« beutfcßer (Hewerbegericßte. Nr. 2. 


28 


aufgeftedt würben unb beren fchließlicße Ablehnung fettend bcr 
Arbeitgeber $um AuSftanb führte, wären folgeitbe: 

1. Art @teUe ber bisher üblidjeu llftünbigcn Arbeitszeit eilte foldje 
uon 1U Stunben, uon 6 Uhr früh bis 6 Uf)r Abctibs, incl. */* Stunbe 
Aiiihftücf, i Stunbe Mittag uttb V* Stunbe Vefperpauje. 

2. ©tu Minbeftftunbenloßn mm 45 ff für Maurer mwt 19. Gebens* 
faßre au unb 4ü ff für fold^e unter 19 gahren. 

3. Abfdjaffung jeglicher lleberftunben, Nacht» unb Sountagsarbeit 
mit Ausnahme ganj bringettber gälle. 

4. giir Ueberftutiben in briugenbett gäflen eilt Lobnauffdjlag uon 
10 ff, für Nacht* unb Sountagsarbeit nach Ueberettifunft. 

5. Abjdjaffung ber Affurbarbcit. 

6. Abfcßaffung ber Lieferung beS SpeiSzuberS feitettS ber GJefellcn. 

7. Au Stelle ber bisherigen 14tägigen, bic wöchentliche Lohnzahlung 
unb Auszahlung beS Lohnes auf ber Vauftelle uor geicrabenb. 

8. An Samstagen um 5 11 hr Aachmittags unb au bett dageit uor 
Cftertt, ^fingften unb Weihnachten um 12 Uhr Mittags geterabenb. 
(Vollftänbige* Ausschließung ber Äi'mbigung.) 

9. Meine Maßregelung wegen Sugeljörigfeit zur Crganifation. 

10. (Sinführuug eines gemeittfamen ArbeitSnachweifeS. 

die großen ©efdjäfte fonnten biefe gorberung leichter bewilligen, 
bemt bie ^auptforberung, bie (Erhöhung beS Lohnes, war für fte 
relatio oott geringer Vebeutung. da jeboeß bie Nteßrzaßl ber 
©efcßäfte [ich nid)i ohne Weiteres entfcßließen fonnte, fo beftanb 
auf «Seiten ber Arbeitgeber oott Anfang an nur äußerliche ©inig* 
feit, demgegenüber zeigte fief) bie Drganifation ber Arbeitnehmer 
feßr oortßetlßaft. Sie erflärten auch 0011 oortthereiit, über bie 
©rlebigung beS Streifs oor betn ©ewerbegerießt oerßanbelu zu 
wollen, wäßrenb bie Arbeitgeber ftch auch gegen biefe 3unmtßung 
Zuerft oöllia ablehnettb oerhielten, ©ine Anrufung auSzufprecßen, 
lehnten beioe dßeilc ab, weil bieS nad) ben Verßältniffcn in 
granffurt als Nacßgiebigfeit auSgeleat wirb, ©ine Huuptfdjwterig* 
feit für eine ©iitiguug war bie, baß bie Arbeitnehmer oerlangten, 
ber einzelne, bewilligenbe Arbeitgeber folle ber Streiffommi[fion 
gegenüber feine 3uftimmung zu fämmtlicßen VeMugungen erflären, 
unb oerfpreeßen, nur foüße Arbeiter zu befchäftigen, welche ihnen 
feitenS ber Streiffommiffion zugefanbt würben, hierauf wollten 
bie Arbeitgeber unter feinen Umftänben eingehen. 

Als aber bie Arbeitgeber einfahen, baß gerabe bei Aufhören 
beS AuSftanbeS biefeS §tttberniß wegfalleu würbe, fo erflärten fie 
ftch fdjließlich bereit, zu einer oon beut ©ewerbegerießt als ©inigungS* 
amt anzuberaumenben Sißung zu erfcheinen. hierbei muß betont 
werben, baß zur 3d* baS granffurter ©ewerbegericht lebiglich mit 
Anhängern ber fozialbemofratifdjen Partei befeßt ift. 

die Verßanblung oerlief baburd), baß bie perfönliehen ©nt* 
fcßließungen beiber Parteien feßon oorher oöllig geflärt waren, im 
Allgemeinen ohne größere Schwierigfeiten. VebcnFcn erregten 
eigeittlid) nur bie Loßnforberung, bie gorberuttg ber 8tägigen , 
LoßnzaßlungSperiobe unb ber Abfcßaffung jeglicher JÜünbigungS* | 
frift. Wenn bei biefen .pauptforberungen bie Arbeitnehmer nach* 
gegeben unb eine Verftänbigitncj gcfudjt haben, fo ift bieS wefent* 
ließ auch ber NHtwirfung ber Vetfißer zu banfen, weldje inSbefonbere 


bie Arbeitnehmer barauf ßiitwiefen, baß bie geftfeßuna eines Sohnes 
nach AlterSflaffen (über ober unter 19 gaßren) ben AuSfcßluß einer 
großen Anzahl mit 40 ff ober 45 ff zu ßod) bezahlter Arbeit** 
fräfte, inSbefonbere ber ganz jungen Arbeiter, oon jeglicher Arbeit 
Zur golge hüben müßte, die ©tniguttg, bie fcßließlicß zu Staube 
farn, war folgettbe: 

1. die Arbeitszeit ift eine lOftünbige, oon 6 llßr früh bis 6 Uhr 
AbenbS, eittfdtließlich l h Stunbe grüßftücf*, 1 Stunbe Mittag* unb 
Vs Stunbe Vefpcrpaufe. ©S wirb feitettS ber Arbeitgeber zugefagt, baß 
iljrerfeits möglich)! bie Vermeibuug oott Ueberftunben aitgeftrebt toerbeti 
foüe. die Arbeitnehmer oerpflichten ftch, aud) il)rcrfcits bafür zu forgen, 
baß bas Verlangen ttad) Ueberftunben tnöglichft wenig geftellt wirb. 

2. ©S finbet eine Lohnerhöhung um 12Vs°/o für alle Loßnfäße 
ftatt, baburd) wirb ber bisherige Lohnfaß oon 40 ff bie Stunbe auf 
45 erhöht. 

8. Nadji* unb Sonntagsarbeit finben nur in ganz bringenben 
gäfleit ftatt. 

4. gür Ueberftunben auf Verlangen ber Arbeitgeber wirb eilt Lolin* 
Zttfdhlag oott 10 ff gezahlt, für Nacßt= unb SonntagSarbcitcu nndi 
Uebereinfunft. Verlangen bic Arbeitnehmer Ueberftunben, fo toirb ein 
Lohnznfdjlag uid)t gezahlt. 

5. Afforbarbeit finbet nur auf Wuujdj ber Arbeitnehmer ftatt. 

6. Speiszuber bezw. ©efäße zum Subringen beS Mörtels werben 
oon ben Arbeitgebern geftellt. 

7. die Lohuzahlmtgsperiobc bleibt eine 14tägige, jebod) werben 
auf Wunfd) wöchentliche Abzahlungen gewährt, 35ie Auszahlung bes 
Lohnes erfolgt auf ber Vauftelle oor geterabenb. die uerfraglidic ©in* 
fiißrung ber wöchentlichen ^ahluttgSperiobeu bleibt fpäterer herein bannig 
oorbeljalten. 

8. Schluß ber Arbeit am SantStag um 5 Uhr Nachmittags mit» 
an ben dagcit oor Cftern, ^fitigften unb Weihnachten um 12 Uhr 
Mittags. 

9. die MünbigungSfrift ift eine zweitägige, ©efünbigt faim um¬ 
werben an jebem donnerftag oor 6 Uhr AbenbS mit ©ültigfeit auf ben 
barauffolgeubcu SauiStag. 

lü. Maßregelungen folleit bciberfeitS nicht ftattfinben. 

11. ©s wirb in Ausficht genommen, über bic ©infiibnmg eine s 
genteinfdjaftlichen ArbeitSnachweifeS in Serhanblung zu treten. 

9 J2it ber ©iuigung war zmar bie SDtöglichfeit oorhanbett, baß 
ungefähr 2000 s Maurer, welche fich im AuSftaub befinben, wkber 
arbeiten fönnen. ©S fehlte aber nicht an ^wiftigfeifen barüber, 
ob im einzelnen gatte richtig gehanbelt worben fei ober Hießt. 
3um AuSgleid) fold)er differenzen h^t fieß einer ber $3euoümäd)* 
tigten ber Arbeitnehmer unb Arbeitgeber bereit erfläri unb foU 
außerbem oom 3?orfißenbeit beS ©etoerbegericßtS mit ben Vertretern 
beiber dßeile über ben Ausbau beS gemeinfthaftlicßcn ArbcitSnadj* 
weifeS, ber zunädjft prooiforifcß errietet wirb, oerßanbelt werben, 
die ©rrießtung eines folcßcn gemeinfchaftlicßen ArbeitSuadjweifei:' 
wäre ein Vortheil, ben bie Allgemeinheit aus betn AnSftanb 
Ziehen würbe. 


Verfllbercrftrei! in Vcrltit. Vergl. bie ©ntfd)eibuug unter 
„Acd^tfprecßung", 6p. 19 biefer Nummer. 


$3o<hettfchrift „Soziale frap$, ©cntralblatt für Sozialpolttü'V 

(Herausgeber: Dr. ©. granefe, Verlin; Verlag oon dunefer & 
Humblot, Leipzig. 3u beziehen bureß fämmtlicße ^oftanftalten 
unb Vucßßanblungen zum greife oon 2 o ff 50 $f. für baS Viertel* 
jaßr einfcßließltch ber VlonatSbeilage w daS ©ewerbegeritßt".) 

Nr. 5 enthält: Arbciterfcßuß unb Heimarbeit. I. Von Dr. ©ugen 
©cßmieblanb, ^rioatbozent, VHen. — die preußifeßen LanbtagS* 
wählen; das beutfeße Streifgefeß; ©efeßentwurf betreffend ben 
6 d)uß ber Angefteüten int HuubelSgemerbe; Antrag auf Negcluug 
ber Heimarbeit in Defterrcid). — die ftäbtifdjen ©igenbetnebe: 
gorterßebung ber Verbrauchssteuern in Heselberg; StäbtifcßeS 
^LohnnngSiiachweiSamt in iNiilhaufen i. ©. — der Streif ber 
Verfilbcrer zu Verlin. Von s l)i. o. Sd)ttlz, Vorfißcnbetn beS ©e* 
wcrbegerid)ts Verlin; Vucßbiucfertanf*Vewegung; das Niitiicßener 
Arbeiterfefretariat; Streifs unb Atisfperrung in dänemarf. — 
die Lage ber jugenblicßen unb weiblicßen 3i e 9eleiarbeiter unb ber 


VunbeSratß. Von VHlßelm Swientp, Verlin; die NeicßS* 
fommiffion für Arbeiterftatiftif; Verhütung oon VUlzbranboergiftung 
in ber dhierhaarinbiiftrie; Verbot ber Venußiiitg oott offenem Ließt 
in ben prettßifd)cn Vergtoerfen. — V° n ^ er NuueUc zur Alters* 
unb gnoalibitätsoerfidicrung; AlterSoerforgung für weibliche dienft* 
boten in Eefterrcidj; die ftaatUcße AUerSocrficßerungsfaffe in granf* 
rcid); gortfüßritug ber Veratßungen über Mrattfett* ttttb Unfall* 
oerfidjerung in ber Scßtociz. — Vetßetliauttg oon Arbeitgebern unb 
Arbeitnehmern an ber Verwaltung beS ©eittraloercinS fiir Arbeit** 
uaeßweis in Verlin; Stäbtifdjer Arbeitsnachweis in Spattbau: 
ArbeitSnacßweiSbureaur unb ©arteräume für Sdjauerleute in Hain* 
Burg; ©eutralauftalt für ArbcitS* unb s 2LohnitngSttachiucis in 
daruiftabt 1897/98; ArbcitSoermittelung in Steierutarf; Arbeit** 
nadjtocis in Verbinbuttg mit ben NaturaloerpflegiingSftationcn in 
bcr Sd^wetz-— 3urNeform ber Vatiorbnitngcn; Arbeiterwolmungen 
in ber ^rooittz Haunooer; die ArbeiterwoßnuitgSfrage in Niint* 
Berg; Verein „Arbcitcrßcini" itt Victcfelb. — Litterarifcße An* 
Zeigen. — gußalt beS ©ewerbegeridjts Nr. 2. 


„iDafi @e»etbegerl(ßt ,^ etfeheint am elften ©ornieiftage jeben Monat« Im Minbeftumfange Oon V> Sogen sum greife bon 1 M. iaßtllcß. — ©efteHungen 
nehmen färnrntliche ©oftanftalten (^JoftzeltungönummeT 2877) unb ©uchhanbhmgen an; ein birefter ©ejug bon bet ©etlagSbutbßanblung finbet nldßt ftatt. 


•erlag oon ftuntfer * Oumblot, Peipitg. — «ebnitft bet Sultui etttenfclb tn Berlin w. — BerantioortlUb für bte ftebattton: Ctabtratb Dr. $lef$, ^ranlfutt a. M ; 
fAr bU »fchn tu«: Ke^tforechung, Serfaffung unb «erfahren: «czoerbertfQter 6<hmteber, Berltn. 








IY. 3o$tg«ttg. 


Berlin uttb gronlfurt a. SW., ben 1. S)ejem6er 1898. 


Mtunmcr 3. 


fas (BmttbtßtttyL 

MUtttieilungen bes DerBanbes beutfcfyer ( 8 emetbegerid}te. 

RebaftionSauSfcßuß: 

Stabtratß Dr. Ulefcß in Sranffurt a. Rt., ©emerBeridßter §d|inirt£r in Berlin imb ©etneinberath Siojfemupi: in Stuttgart. 


#sf«%#Uit tm ertni 9«m«rftaf itfcr« £H»n«t*. 

©etlöfl oon ©untfet & Jpumblot, Seidig. 


frri* Üirfi 4 1 9 »l. 

Äoftenfreie Beilage jur „©oaialen Braji8". 


AHe föt bie Rebaftion be« „©ewerbeßericffts 1 ' beflimmten ©enbungen bittet man 311 abtcffiren: An ©ewetbeticbtet ©cbmleber, ©eilin»Halenfee, Äurfürftenbamm 132 a. 


3nbalt 


3 u r recht lieben Stellung ber 
Heimarbeiter. I. Bon $R. bon 
©cßula, Borf. beö ©ewerbegericfctS 

Berlin .29 

tferfaljfaitg unb gtrfa^vtn.... 32 
Äurje Rotten Bon HJtagiftratS* 
affeffor 8 a ub fing er in Stettin 

ftedjtlprettiung. 32 

ßufteöung an ben Pr 03 eBbebolI» 
lmWigten. ©djabenSetfaö wegen 
Aufteilung eines orbnnngömibrigen 
ßeugniffeö. (Sanbgericfat I Berlin.) 
3 )"t ba 8 ©emerbegeriebt 3 iiftünbig für • 
8 fettfte[(ung$flijgen gegen beit Äon» 
furSOerroaiter? Äann ein Red ; t$» 
anwalt, ber ÄonfurSOerwalter ift, 
bor bem ©ctoerbegeridjt ourtreten? 
(©ewerbegeriebt ^ranffurt a. 3J?.) 1 

3»t eö al« ein widriger, jur Auf« j 
bebung befi ©ienjiDctliäUniffeS eines j 
2 öer!fül)rerS geeigneter ©rttnb im | 
Sinne beS §. J33b ber Rcidj 8 »©e* 
merbeorbnung an^ufeben, wenn bet 
2 Ö er fr fi b rer 1 . aitberen Brfonen, 
inSbefonbcTe ben iljm linteriteflten 
Arbeitern Äenntnifj bon bem 3 n balt 
geheim 311 haltcnber gefchüTtiidjer 
SRittßeilungen macht, 2 . feine Arbeiter 
3 U beeinflußen fucht, ihrem jipal 
AuSfunft über Herftcllung unb äfla» 
terial ber fynbrifate borjuenthallen? 
(©ewerbegeridjt Berlin, ÄammcrlV). i 
Äann bon bem Arbeitnehmer nod) 
nach ber ©inftcQung berlnngt werben, 1 
baß « ÄiinbigungSauSjchluB unter» I 
fdjreibe? (©ewcrbcgericht Homburg.) j 
Befteht bic für bie 3<ut nadj bem Au 6 « 
tritt beS Arbeitnehmer* au« bem 
Arbeitöberßaltnifc bereinbarte Pflicßt 


3Ut Berfdjwiegenheit übet frabri» 
fatlonSgeheimniffe auch bann noch 
fort, wenn ber Arbeitnehmer ohne 
©runb cntlaffen ift ober furch gefefc« 
wibrigeS Bemalten beö Arbeitgebers 
3ur Auflöfung beS ArbeitSberb&It* 
niffeS gezwungen worben ift? Äann 
er AuSjatjIung bet bertragSmÄuig 
ein3ubehaltenben Äaut on forbern? 
(©ewerbegeriebt greibutg i. B.) 

9 Ru§ ber Arbeitgeber ben bom polier 
berfprOih«nen Cohn aabien ? (©ewerbe¬ 
geriebt Berlin, Äammer in.) 
©icbtbare unfittlidje iätowirungen ber 
Arme finb fein ©utlnffingSgmnb, 
fdjliefjcn aber nacb babijdjent 8anb» 
reebt einen ©dKibenSerj'aßanfprud) 
beS ©ntlaffenen aus. (©ewerbegeriebt 
in ©übbentfcbianx 

Unbefugtes Berlaffen ber Arbeit. (@e* 
Werbegericbt unb Sanbgcricbt ©tettin.) 

JLUgrntf tue* filier ®nae rb*gert$tf 
unb Jrbfttöocrtrng. 38 

AuS bem ^abreSbeticfift beS ©eweibe* 
geriebts SRüncßen für 1897. 
Befanntmadung ber ©ewerbegeTicbte 
über ArbeitSöerbültniffe ibreS Be* 
3 irf S. ©eringe Benußung ber 
Arbeit33cttel. 

flcrfdjicbrncs. 39 

Beiüberorganifationen. 
ßunabme gütlidjer Begleichung bon 
ArbeitSftreitigfeiten in ©nglanb. 

§ rtefkoßen. 40 

©reia. — (Sonnftatt. — ©tettin. 

Inhaltsangabe ber „©oaialen prajiS", 


Abbrucf fümmtlidjer Artifel ift Settungen unb Seitfcßriften geftottet, ieboeß nur mit j 
notier Onellenangabe. 


3 «t rcdjtlidjen Stellung bet Heimarbeiter. ') j 

Bon ©noerbericfjtcrB?. n. © cf) u lg, Borfifcenbem bcs ©etucrbegericbtS Berlin. J 

I. i 

3h $r. 1 biefer ÜOm 6 - CftoBer 1898 ift ein (^ut^ 

achten beS 23egutad)tung§au^fc^uffcö be§ ©eroerbegerirfftö Dffenbad) 
über bie redjtlidje (Stellung ber Heimarbeiter ceröffeutlidjt. ($$ 
tüirb bort behauptet, baf$ burch 1 be§ (^eroerbegend)t0gefebe3, 
in meinem bie BSorte „Heimarbeiter, H aug Ö etüer ^ ctrc ^ e . n ^ c// c .* Us 
geflammert fith norfiitben, bie in ber SBiffenfdjaft allgemein übliche j 
Ünterfd)eibung anerfannt werbe. „Heimarbeiter" fei ber generelle 1 
^Begriff, „HanSgemerbetreibenber" fei im Hflgemeinen ber felbft* I 
ftäubige Heimarbeiter. 2öir fönneu bem nicht bestimmen, ba mir I 
regelmäßig unter bem attgemeinen Begriff „n^titbnftrieller" ben ; 
„HauSgemerbetreibenben" non bem „Heimarbeiter" gefdjieben finbe.n ; 

x ) Siebe bi er nt: SW. 0. Sdjulj, ©te Stellung ber Heimarbeiter im | 
öfutfdjen.WniH-rh-iCd)^ in ..Bramu? Arrfiiu für fojiale Wefcfege&ung* 
Bb. X S. 721 ff. 


©iefe dintheilung beobachtet auch, u>ie wir na^roeifen roerben, baö 
©emerbegericht^gefeh. dbenfo unterfcheibet bie ©eroerbeorbnung. 
Beibe ©efeße bezeichnen jeboch nicht ben in feiner Behaufung 
thätigen Arbeiter alö „Heimarbeiter." 2 ) 

Sn ber Begrünbung be^ Gsntrourfä be^ ©emerbegericht^gefehe^ 
Zum §. 2 9lbf. 2 (jefet §. 4) wirb erflärt, baß einer befonberen 
Prüfung bie 5 ^ 0 e bebarf, inwieweit bie in ber H au ^i n bnftrie be* 
fchäfligten $erfonen unter ba§ ©efeß fallen. ©)ie Stellung biefer 
^ßerfonen fei in ben oerfchiebenen Snbuftrien unb ©ebictcn eine 
fehr mannigfaltige, berart, baß fie halb übermiegenb aU felbftftänbige 
©ewerbetreibenbe, halb als bloße Arbeiter erfcheinen. ^llöbann 
werben in bem Bericht ber VI. äommiffion be 8 Reichstages über 
ben §.2 Slbf. 2 oerfchiebentlich bie „HauSgewcrbetreibenben" 
als Rfeifter ber H au ^iubuftrie gcfenn^eidjnct. ds wirb babei 
ausgeführt, baß §. 2 5lbf. 2 ber Borlage bie Streitig feiten ber 
9)ielfter ber H fl uSinbuftrie behanbele. ©nblich betonte man in 
ber zweiten ßefung ber genannten Stommiffion, baß bie H anS# 
gewerbetreibenben in Sübbcutfdjlanb „Heimarbeiter" ge* 
nannt werben. Bei ber Rebaftion beS Paragraphen würbe beS* 
wegen bem Sorte „Hau^gemerbetreibenber" bas Sort „Heimo 
arbeitet" oorgefeßt. ©er Reichstag befchloß ben Paragraphen in 
ber ihm oon ber Äommiffion oorgelegten Raffung, ©affelbe ge* 
fchah fcitenS beS BunbeSrathS. 3 ) H lcr 3 u führen wir an, baß, wenn 
bas Sort „Heimarbeiter" im §. 4 ben generellen Begriff barftellcn 
würbe, ber SluSbrucf „HciuSgewcrbetreibenber" beS Paragraphen als 
unuöthig hütte gclöfcfjt werben fönnen. GS würben „Heimarbeiter" 
beS §. 4 nad) bem ©utad)ten bann fowohl bic felbftftänbigen wie 
bie uufelbftftänbigen Perfonen ber n au ^ n ^ u fi r i c fein, ©auadi 
hatte eS aber ben 8 tnfci)cin, als wenn bie uufelbftftänbigen „Heim* 
arbeitet" uid)t zu ben gewerblichen Arbeitern beS §. 2 8 lbf. 1 bes 
©ewerbegerichtSgefeßeS züh^en, fo baß fie bem ©itel VII ber ©C* 
werbeorbnung nidjt unterftänben. Sir fommen auf biefeit Punft 
unten bei Befpred)ung beS §. 119 b ber ©ewerbeorbnung zunief. 
^ebenfalls muß eS nach ben oon uns mitgetheilten ©efeßeSmaterialien 
als ein fehler betrachtet werben, wenn man baS Sort „H^iui s 
arbeitet" beS §. 4 als genereEen Begriff hiuftellt. ©aran änbert 
nidjtS ber §. 14 9lbf. 2 oeS ©ewerbcgerichtSgefeßeS: 

„Csnwieweit bie nach §. 4 ber 3nßänbigfeit ber ©emerbegeridjte unter* 
[teilten HnuSgcwerbetreibcnben als Arbeitgeber ober als Arbeiter 
wahlberechtigt itttb wählbar futb, wirb burdj bas Statut beftimmt." 

©iefe Borfd)rift regelt nur bie Sahlberechügung unb 
Sählbarfeit ber nach §. 4 ber 3 u ftänbigfeit beS ©cwerbegeridit*? 
unterftellten ©emerbetreibenben. 4 ) 


3 ) Bgl. bieÄommcntarc oon u. 8 aubmann unb Sd)enfel. Sir 
muffen freilich gleich hier benterfeu, baß bie angeführten Begriffe Hießt 
immer ftreug auSeitianber gehalten werben. So werben felbft oon ben 
iWotiocn zur ©ewerbeorbnung einmal bie HauSgewcrbctrcibctibeu im 
©egenfaß 31 t bcu Heimarbeitern HuuSinbuftrielle genannt, ©ic itt bem 
©utaditeu citirtc Berorbmutg ift bie Äaiferlidje 'Bcrorbnung, betr. bie 
AuSbeßnung ber §§. 135 bis 139 unb beS §. 139 b ber ©ewerbeorbnung 
auf bic Scrfffätteu ber Äleiber* imb Säfdjefonfcftiou oom 31. Beat 
1897 (ReicßSgefcßblatt Rr. 25 S. 459). ©iefe Berorbmutg ift burdj beit 
großen Streif ber ÄonfeftiouSarbciter veranlaßt unb trifft bie Serf* 
ftätten ber Hausgejoerbetrcibenben (Suiiffhenmeifter) unb ber Äonfcftioi 
näre. Sie finbet feine Anwcnbung auf 'i^erfftätten, in wfld)cn_ber Ar* 
Zeitgeber ausfdjließlidj ju feiner Familie geßörige Perfonen befcßäftigt, 
uttb auf bie Serfftätteu ber .^eimarbeitex*. 

8 ) 3R. u. Sdjulj a. a. 0. S. 740 unb bie Roten bafclbft. 

4 ) Rad) uitfereu vlusfüßruugcu toürbe es beffer gewefcit fein, wenn 
im >j. 1 beS CrtvftatutS für bie Stabt Berlin oom 26. Cftobcr 189*2 














©ewerbegertcßt. SJHtiheilungen bes VerbanbcS beutfcßer ©eroerbegerießte. SRr. 3. 


IH 


32 


23aS bic ©ewerbeorbnung anlangt, fo ift öfters in ben 9Jto* 
tiuen gur Aooelle non 1891 non „ben etngelnen 3roeigen ber $auS* 
inbuftrie" bie 9tebe. 5 ) 3n bem ©ntwurf beS genannten Arbeiter* 
fcßußgcfeßeS ßat §. 115 Abf. 2 ber ©ewerbeorbnung ferner einen 
3 nfaß erhalten, um bem in ber ^anSinbuftrie etngefcßlicßenen 
unlauteren Verfahren entgegengutreten, „baß bie nom Arbeitgeber 
gelieferten VkrFgeuge unb Stoffe ben Arbeitern unb H au§s 
iubuftrielleit gu einem übertriebenen greife angerechnet werben." 
Schließlich mag noch auf bie Vegrünbuug bes ©ntwurfS gum 
3ufaß beS §. 125 ©ewerbeorbnung ßingeroiefen tnerben. ©S roirb 
dort berichtet, baß bie Verleitung gunt Vertragsbrüche unb bie 
Annabme oon Arbeitern, roelthe aus einem Befteßenben ArbeitS- 
oertrage anberen Arbeitgebern noch oerpflichtet finb, auch »in ber 
HauSinbuftrie" oorfomme. VMr fehen alfo, baß ber Vegriff 
„HauSinbuftrie" in ben SAotioen gur ©ewerbeorbnung toie gum 
©ewerbegericßtSgefeß übereinftimmenb als ber generelle aufgefaßt 
mirb. 

$>er Xejt ber ©etoerbeorbituitg Fennt bis gum SnFrafttreten ber 
v>anbwerFernooelle nicht ben Vegriff „HauSgewerbetreibenber". 
'&ir ftnben gum erften Vialc in ber Aooelle biefen AuSbrucf (§. lOOf). 
3n ber Vegrünbuug beS Paragraphen ift unter Anbercm gefagt: 
„©in großer ^T^eil ber gmuSgeroerbetreibenben befteht anS felb 
ftänbigeu SÜieiftern, welche in ber Qforrn beS ßanbroerFSmäßigen 
VetricbeS arbeiten, ein anberer roirb hingegen fchon wegen ber eine 
hanbroerFSmäßige AuSbilbung nicht oerlattgenben einfachen Art ber 
oorFommenbeu Arbeiten als gum HanbwerF gehörig nicht erachtet 
werben Fönnen. Unter biefen Umftänben wirb eS fich, gumal im 
Hinblttf auf bie Verfcßiebenßeit ber Verhöltniffe in ben eingelnen 
VegirFen, empfehlen, bie Regelung ber Srage, inwieweit HaitS* 
gewerbetreibende ber 3^angSinnung angugeßören haben, ber ftatu* 
iarifchen Aeaelutig gu liberlaffen." 6 ) 3>te ^auSgewerbetreibenben 
beS §. lOOf finb bemgemäß bie felbftänbigen 9Aeifter ber HauS* 
inbuftrie. hieraus erhellt, baß bie öanbwerFernorclle Fonfequent 
bei ber bisherigen Auffaffung ber Stellung ber 5>auSgewerbetreiben* 
beit bnreh bie ©ewerbeorbnung oerbleibt unb bie «jauSgewerbetreiben* 
ben ihrer Selbftänbigfeit FcineSwegS entfleiben will. 3 ur Annahme 
beS ©egentheils wirb man nnwiOFürlicß gebracht, fobalb man Ab* 
faß 1 §. lOOf bem Abfaß 2 beffelben Paragraphen gegenüberhält, 7 ) 
mäßreub ber einzige 3wecf ber befonberert ©rwäßtutug ber ^auS* 
gewerbetreibenben — ber felbftänbigen SReifter ber JmuSinbuftrie — 
im §. 100 f barin beftanb, bie VtöglicßFeit gu gewähren, bureß 
Statut nur bie ^auSgcroerbetreibenbcn mit ßanbwerfSmäßigem Ve* 
triebe in bie 3roangSinnung aufgttneßmen. 

Aus bem 3nßalt ber Vegrünbuug gum §. 100f Abfaß 2, nach 
welcher bie SSauSgemerbetreibenben ben felbftänbigen ©ewerbetreiben* 
ben gleich geachtet werben, ift nach alledem mit SJug unb Vecßt 
ber Schluß gu gießen, baß auch nach ber jüngflen Aooeüe bie 
.'oausinbuftrieflen in bic beiben ©nippen ber .fmuSgeroerbetrcibenben 
unb ber nufelbftänbigen Lohnarbeiter (Heimarbeiter) getheilt werben 
muffen. 8 ) Sßemt aber bie Heimarbeiter nießt gu ben felbftänbigen 
©ewerbetreibenben gehören, fo bleibt nießts weiter übrig, als fie 
ber ©emeinfehaft ber gewerblichen Arbeiter beS Titels Vll ber ©e* 
wcrbcorbnung gugnreeßnen. 3Ran Fäutc fonft gu bem eiaentßütn* 
ließen ©rgebniß, g. V. ScfjiißmachergefelieH, welcße in ißrer Ve* 
haufung 3al)r aus $al)v ein für ißre Vteifter Lohnarbeit oerrießten, 
den felbftänbigen ©ewerbetreibenben ber §§. 87 unb lOOf ber Hanb* 
werFernooelle cingugliebern. ^ementfprecßcnb wäre es nießt aus* 
geßhloffen, baß biefe ©ef eilen 9Aitglieber unb VJeifter ber3roangS* 
innung würben. ©s liegt auf ber Hanb, baß berartigeS bureß bie 
Aooclle nießt beabficfjtigt ift. 0 ) 

cec^Iufe folgt.) 

ba# uutcr Ha. unb b lun'fonuueiibe 3i>ort „Heimarbeiter" als für norb= 
beiitiilic Verbältuiffc nicht paffenb weggelafjeu worben wäre. 

'’) 4 Aeidjstag K. IVgwlaturpcriobc I. Scjfioit 1 S9u S. 55. 

(i l Ar. 713, Aeidivtag, 9. Lcgislaturperiobc, IV. Scffion 1895/97 
S. <>7. 

7 ) Achmer, Xic Hanbmerfcmooellc. STOiuirfien 1398. Aotc 8b, 
2. 1 19. 

H J 2iebe hierzu 2 Ar. 4 unb 5 bcs tiraufenueriicßcrungsgefcßcS 
ooui 15. /siili i8s:{, Mc Aonelle gum .9raufenorrßdjcrungdgefcß oom 
1 <». April 1892 unb 3A. o. Schulg, a. a. £. 2. 745ff. 

'■') Als Kuriofitm mag liier erwähnt werben, baß oor nidjt gu 
lmigrr A f it ber Altgefelle einer Verlincr Innung fein 25jähriqeS 
'AVnftoriululänm gefeiert bat. 


Öetföfjnng nnb Bttfalftm, 


Sttr^e Zotigen. Vei einer ausführlichen 9Feoifion ber Progeß= 
gefeße bürften aueß einige 3roeifdfäf™gen, bie in ber PrariS ber 
©eroerbegerießte ßeroorgetreten ftnb, erlebigt werben Föniten/ 

1. ©S feßlt eine Veftimmung, baß VeicßStagSabgeorbnete, bie 
Veifißer finb, roäßrenb ber Seffton als Veifißer nießt ßerangegogen 
werben fönnen. 3u* tnüffen fie fieß entfcßulbigen (§. 21 beS 
©eroerbegericßtSgefeßeS). $iex war in ber oergangenen ©effton 
ein 9FeicßstagSabgeorbneter Veifißer. 

2 . können bie Vorftßenben ber ©eroerbegerießte gum ©e* 
feßworeneubienft einberufen werben? VFeineS ©rad^tenS ift bie 
grage gu befaßen, ba fie gur 3«it nießt ricßterlirfje Veamte finb 
unb eine analoge Veftimmung wie für bie HuubelSricßter feßlt. 
Vgl. §§. 34, 116 beS ©ericßtSoerfaffungSgefeßes. 

3. SRüffen ©ewerbegerießtsfaeßen, wenn oom orbentlicßen 
©erießte wäßreub ber Serien 3*ugen oernommen werben fotten, 
gu gerienfacßen erFlärt werben? (§. 202 beS ©ericßtSDerföffmigS- 
gefeßeS). ©ine Abtßeiluug beS königlichen AmtSgerid^tS I Verliit 
oerlangt baS. 

4. 3m orbentlicßen Verfahren muß bei öffentlicher 3ufteßung 
eines VerfäumnißurtßeilS eine befonbere ©infprueßsfrift beftimnu 
werben (§. 304 Abf. 2 ber ©ioilprogeßorbnung). ©ilt bieS autß 
für bas geroerbegericßtlicße Verfahren? VFan wirb bie Sracje nach 
§. 24 beS ©eroerbegericßtSgefeßeS gu befaßen haben, ^er QfaÜ 
war ßier unlängft praFtifcß. 

Stettin. Lanbünger. 


Aufteilung au ben progeßbeoollmäcßtigteu. Scßabcu?* 
erfaß wegen AuSftcllutig eines orbnuugSwtbrtgcti Aeugutffes. 
(Urtheil beS Lanbgericßts I Verltu oom 28. $)egember 1897.) 

2)aS Urtßeil beS ©ewerbegerießts oom lö.September 1897, welche* 
bie Vcflagten gum Sd^abeuSerfaß feit bem Sage ber ©utlafjung ber 
Kläger oerurtßeilte/ ift ben Parteien gugeftettt worben, oßite baß e* 
Angaben über bie Progeßbeoonmäcßttgten enthielt. $tc Vcflagten legten 
erfolglos Verufung ein. ®aS VerufungSgericßt fitßrtc unter Anbfrem 
SolgenbeS aus: 

S)as Urtheil bcs ©cwerbegericßtS ßatte ben progeßbeuoflmädmgteu 
nießt begeießnet, obwoßl biefe Vegeicßnung aus AmecfmäßigFeitSgrünben, 
wie fie burd) bas ftig«=3J?iutfterial*9leffript oom 13. $0?ai 1382 ( v umig= 
3Aiuifterial=Vlatt S. 135) anerfannt finb, titsbefonbere midi tm gewcrb= 
ließen Verfahren geboten erfeßeiut. S'enn wenn in biefent Verfahren 
bie 3iiflcHnitg beS Urtßeils, bie oon Amtswegen erfolgt, orbnuug#^ 
mäßig au ben Progeßbcootlmäcßtigten gefd)icßt, ber Anwalt aber, ber 
oon bent VoDmacßtSoerhältniß Feine ftemituiß ßat, bie Vcmfunge- 
fcßrtft an bie Partei felbft gufteflt, fo Faun, ba biefe leßterc guftcUiiug 
an bie Partei, ftatt an ben progeßbeooümäcßten, wtrfuugslo* ift t ^ 192 
ber ©ioilprogeßorbnung) leicßt ber S^H eiutreten, baß bie Vcrufunge* 
friß oerßrießen ift, noeß beoor bem Anwalt bas Vollmaditürrhältnin 
befanut wirb. 

^aS ©ewerbegerießt hat ben ©ntfcßäbigungSanfprucß ber .«Häger 
in .^ößc bes behaupteten wcrftäglicßen 2oßneS für bic A p it feit bem 
27. Auguft 1897, bem Sage nach bem Austritt aus bem Arbeitsort 
ßältntß bei ben VeFlagten mit ber Vegrünbuug feftgeftellt, es fei uotori|Mi f 
baß bie Kläger mit bem beanßanbeteit 3eugniß („entlaßen wegen äugt 
broßten Streifs") uidjt im Staube gewefcit feien, Arbeit gu ßnbeu. 

£te ©ntfdiäbtgungSoerpßicßtung ift oom ©ewerbegerießt bis gu bcui= 
jenigen geitpunFt anerfannt, wo bie VeFlagten bas ordnungsmäßige 
Aeugniß ausgeßeüt haben würben. 

£iefe Vcrpfricßtitng ift ohne Weiteres als begriinbet augucrFeinicn, 
foweit fie fid) auf bie ©ntfehäbigung pir bic llö£ ß ©Tlaß bes Unheil* 
bcs ©ewerbegeridits, alfo für bie A c ü lia( ß bem 16. September Js 97 
begießt, fie wirb baburdf gcreißtfertigt, baß bie VeFlagten gentäfg £ 51 
be* ©efeße* betreffeub bie ©ewcrbcgeridjte für ben ^all, baß ftc bei 
Verpßidftung ber ihnen burd) baS ltrthcil abgegebenen .^anblimg, 
fofort bas A^fiiüß auSguftettcn, uidjt genügten, gu oentrtßcilen luarcii, 
eine nach freiem ©rmeffen bcs ©eridjt* feßgufeßenbe ©ntfcßäbigiuig gii 
gaßlen. 

Vegiiglidj bcs ©utftßäbigiiugaufprudjeS für bic Aeit oor bem ©rlaß 
be* gemcibegertchüidjcu Unheils Farn es bagegen barauf an, nadigit 
weifen, baß ben Klägern ein Sdjabcu baburd) cntßanben iß, baß ihnen 
ein Acuguiß mit bem oom ©ewerbegerid)t’ als unguläjßg brgridmcicn 
VermerF ertheilt war. Xer urfädilidie A u fammenfjang gwifdjen bei 




$)as ©eroerbegertiBt. SJKttljetlungen beg Berbanbeg beutfdjer ©eroerbegericBte. 9h:. 3. 


38 


H 


Arbeitglofigfeit bei* Kläger imb betit Bcfiße beg frf)led)ten 3eugitif[c^ 
roar oott ihnen gu erroeifen. Saß, wie bag ©eroerbegeritht meint, bie 
@ntftet)ung beg < 2 cBaben§ unter ben obroaltenben Umftänben offettfuttbig 
fei uttb eg baßer ehteg Bcroeifeg niefjt bebürfe (§ 264 ber 9ieicBg*©ioiIprogeß* 
orbttung), mar gtoar nicht anguerfertnen (ngl. ©ntfdteibungen beg ^leicf»^*» 
geridjtg Battb 17 0. 271), bagegen genügten bie non ben 3 cu Q en 
Befuitbeten Sßatfathen, um bent Berufungggericht ben Betoeig für bie 
©ntfteljung eineg folthett Schabettg, ber mit bem erttjeüten 3 eu 0 lt iff e im 
3 ufammenfjange ftanb, gu erbringen (§ 260 bafelBft), benn eg fteßt feft, 
baß oom 27. Auguft 1897 ab für bie Kläger, roeldje fitß Bei ber Arbeitg* 
nadjmeigftette um Befähigung Bemüht Bitten, ArbeitggelegenBeit oor* 
Banben mar, baß bie Benußttttg aber für fte, menn fie bag in iBrem 
Beftße BefinbtieBe 3eugniß oorroiefen, megen biefeg 3 eu Ö n ^ff e ^ augge- 
fcBIoffeu mar. 

3ft bag ©eroerbegeritht guftänbig für ^eftftellunggflagen 
gegen ben Äonfurgoerroalter? Kann ein Btethtganroalt, ber 
Äonfurgoerroalter ift, oor bem ©eroerbegeritht auftreten? 
(UrtBeit beg ©eroerbegerithtg gu granffurt a/3R. oom 16. guli 1898.) 

Kläger ftanb bei bem Bäcfertueifter 3- feit Stfärg biefeg 3ahi*e3 in 
Arbeit. Am 14. 3ftärg ift 3- flüchtig gemorben unb am 80. SJtärg ift 
über fein Vermögen ber Konfurg eröffnet morben. 

$er Kläger Bat gu bem Konfurg ben Betrag uon 68,99 JC. a(g oer* 
bienten Soßn für bie 3eit oom 14. Hßärg big 6 . April angentelbet. Siefe 
gorberung Bat ber Beflagte beftritten. Ser Kläger begrünbet feine 
gorberung bantit, baß er oom 14. 9ftärg big gum 6 . April nocB für bag 
®efd)äft beg Bäcfernteifterg 3* t^ätig gemefen fei. SBenn audj in bem 
©efthäft nicBt uteBr gebaefett unb er aflein in bem ©eftßäft tBätig gemefen 
fei, fo Babe er boefj bie für bie Kuitben erforberlicßen Badroaareit non 
aitbermärtg gefauft unb fo bag ©efdjäft meiter betrieben. Am 30.9ttärg 
Babe ber Beflagte (ein Bethtganroalt) iBm in feiner ©igenftßaft alg 
Kottfurgoerro alter gefüitbigt. Am 6 . April Babe er jeboth eine neue 
Stellung gefunbeit unb er ftage begßalb nur big gu biefent Sage auf 
feinen Soßn. 

Ser Kläger oerlangt geftfteßung feiner gorberung gegen bie Äon* 
furgutaffe auf 68, 23 M. 

Ser Beflagte beantragt, bie Klage abgumeifeu. (Sr macht gmtäcBft 
bie Unguftänbigfeit beg ©eroerbegerießtg geltenb unter Berufung auf 
§. 134 Abf. 2 ber Konfnrgorbttnng, nacB melier Beftimmung für geft» 
fteßunggflagen im Äonfurfe bie orbentlid^eit ©erießte, bie Arntg* unb 
SanbgericBte, augfcBIießlicB guftänbig feien. 953ag bie gorberung felbft 
anbetreffe, fo fei ber Kläger oom 14. Bfärg im Sienfie eineg Sritten 
gemefen. Sicfer ©inroanb mürbe burd) bie BcroeigaufnaBote miberlegt. 

Ser ©ittroanb ber Unguftänbigfeit beg ©eroerbegerithtg erfd)ienun* 
begrimbet. Aad; §. 134 Abf. 5 ber Konfurgorbnung finben bie Be* 
ftimuiungen beg 1 ., 3. unb 4. Abfaßeg auf gorberungen, für bereit geft* 
fteßuug ein befonbereg ©erießt guftänbig ift, entfpredjenb Anroenbuug. 
.'Dieraug folgt, baß nidjt burtß bie Eröffnung beg Konfurfcg für eine 
gorberung, bie gmeifellog ber 3 uftänbigfeit beg ©eroerbegeritßtg unter* 
liegen mürbe, itunmeßr bag ?tmtggeri(Bt ober SanbgeritBt guftänbig mirb. 
S'ielmeBr bleibt bie 3 u ftäubigFeit ber befonberen ©erid^te burtB bie (Sr* 
Öffnung beg Äonfitrfeg unberiiBrt. Senn baß gu befonberen ©ersten 
bag ©emerbegcrid^t gentäfe bem ©efefc oom 21 . guli 1890, §. 13 ©ericBtg* 
SScrfaffungggefep geBört, fann einen 3meifel nidjt uuterliegeu.. (i*gl. 
9teicBggericBt 93b. 32 @. 349, Söilmomgfp, Äonfnrgorbnung gu §. 184 
9?r. 7.) ©in gmeiteg 93ebenfen, meltBcg oon bem Scflagten nid)t ein* 
gemenbet morben ift, meldjeg aber bennocB gu berüdfitBtigen mar, ift, 
ob, meit ber 93eflagte nicBt Arbeitgeber ift, bag ©emerbegeridjt für bie 
an fid) feiner 3 uftänbigfeit unterliegenbe gorberung guftänbig geblieben 
ift. 3u biefer üöcgicBung mag baBin gefteüt bleiben, roie bie Stellung 
beg Äonfurgoermalterg aufgufaffeu ift. 9la<B ber übermiegenben SKei* 
nung ift er Vertreter beg ©emeinfcBuIbuerg, unb menn biefeg ridjtigift, 
fo richtet fuB ber $rogeß in SSirflidjfeit gegen ben ©emeinfcBnlbner, ber 
im Sinne ber ©emerbeorbnung Arbeitgeber gemefen ift. ©g fann beb* 
Balb aug biefen ^ebenfert ein 3meifel an bie 3uftänbigfeit beg ©emerbe* 
geridjtg nid;t ^ergefettet merben. (93gl. 9lei(Bggeri(Bt 93b. 29 S. 29, 
93b. 31 S. 43, 'ißeterfeu unb Äleinfefier, Äonfurgorbuung 2 . Anfl. 
S. 28 ff.) 

.)?icraug folgt audj, baß eg nitBt barauf aufomntt, melcBen 93cruf 
ber 93eflagte Bat. 9s3enn aucB au fid) SRecBtganmälte oor bem ©emerbe* 
gcridit nitBt auftreten biirfen, fo erfdfeint bod) eine Augnabme im oor* 
liegenben gatle infofern begrünbet, alg ber 9?eflagte nitBt ^rogebbeooll* 
mätBtigter, fonberu Partei auf ©ritnb feiner ©rnennung gum Äonfurg* 
oermaltcr ift. 9tfag bie gorbenmg begÄIägerg anbetrifft, fo roar baoon 
auggugeBcn, bafc ber Ätäger am 14. Hftärg feine ©ntlaffung, menn autB 
nitBt angbrüiflidj, fo bod) ftiüfdjioeigenb baburdü erBalten Bat, baß ber 
93ä(fenneifter 3 . bag WeftBäft aufgab. Samit mar bie ©ntlaffung beg 
Älägerg aug feinem Sienftc alg ©emerbeBülfc oBue 9Seitereg aug* 


gefprocBen. Ser Äläger Bat fi«B in golge beffen aucB nadj einem eigenen 
©rroerb umgefeBen unb hierbei gu bem SJfittel gegriffen, bag frühere 
©eftBäft burtB eigenen Anfauf oon 93atfroaaren meiter gu betreiben, ©r 
fann beßBalb nur für bie 3ett oom 14. SÄärg ab für gmei 9BotBen eine 
©ntfdiäbigung gemäft §. 122 ber ©emerbeorbnung oerlangen. Siefe 
©ntfd)äbigung beretBnet fid) nacB bent SoBu beg ÄlägerS auf 41,ss M. 
Auf biefen betrag mufe fttB ber Äläger bag abretBneit laffen, mag er 
burtB eigene SBätigfeit ingroijdjen oerbient Bat. .§ierna<B mürbe bie 
HägeriftBe gorberung auf 82,79 M. feftgeftellt. 

3Ü eg alg ein roidjtiger, gur AufBebung beg Sienftoer* 
Bältni ffeg eineg SBerffüljrerg geeigneter ©ruitb int Sinne beg 
§. 133b ber 9teitBg*©emerbcorbnung angufeBen, menn ber 
3SerffüBrer 1 . auberen ^erfonen, ingbefonbere ben i0nt 
unterteilten Arbeitern Äenntnifj oon bem SnBalt geBcint gu 
Baltenber geftBäftUtBer SlHttBcilnngen matBt, 2 . feine Ar* 
beiter gu beeinflußen futßt, ihrem ^ringipal Augfunft über 
§erfteflung unb ®taterial ber gabrifate oorguenthalten? 
(UrtBeil beg ©emerbegeritBtg Berlin, Äammer JV, 93orfißcnber: 
SDfagiftratgaffeffor Dr. SraftB^ oom 7. gebruar 1896.) 

Äläger, oom 15. 9Rai 1894 ab auf ein 3aB* alg SKerffüBrer 
für bie gabrif beg 93eflagten engagirt, mürbe am 4. Auguft 1894 
ohne Äünbigung entlaffen. ©r oerlangt bag ooüe ©eBalt big gum 
15. 3Äai 1895, eoentueü alg ©ntftBäbigung. ^eflagter menbet ein, 
1 . Äläger Babe einmal B^ntlitB fein ÄopirbntB, meltBeg fonft ftetg unter 
93erftBluß gemefen fei, burtBgefehen, barin einen 93rief beg 93eflagten 
gelefen, meltBer ben Anfauf einer ©olbleiftenfabrif in Branbenburg 
betraf, unb ben Inhalt biefeg 93riefeg ben ihm unterftellten Arbeitern 
roieberergählt, 2 . Äläger Babe bie Arbeiter aufgeforbert, bem Beflagten 
auf 93efragen falftBe Angaben über bie ©ingelBeiten ber gabrifation gu 
matBen. SBeflagter behauptet ferner, baß Äläger oom Sage feiner ©nt* 
laffung big gum 15. SJFai 1895 burtB anberroeite ©rmerbgthätigfeit einen 
93erbienft oon einer bem Bier geltenb gematBten 93etrage entfpredjenben 
§öhe gehabt Babe. Äläger Bat bie gegen ihn erhobenen 23egicBtigungen 
beftritten. ©r giebt groar gu, bag ÄopirbutB burtBgefehen, ben frag* 
üdjen 'Brief gelefen unb über beffen Inhalt mit ber Arbeitern gefprotBeu 
gu Baben, ©r behauptet aber, baß biefeg SutB ftetg frei bagclegen Babe, 
unb baß Beflagter ißm mieberholt erlaubt Babe, fid) aug ben frei um* 
Berliegenben 93ütBern gu informiren. Sie BefpretBung biefer Angelegen* 
Beit mit ben Arbeitern fönnc alg ein 93rutB ber bienftlitBen $flitht gur 
BcrftBmiegeuBeit nitBt cratBtet merben, ba 93eflagter ftBon früher ein* 
mal in ©egenmart ber näutlid^en Arbeiter felbft barüber gefprotBeu 
Babe. 23eflagter beftreitet, baß er jentalg bem Äläger bie ©infnBt in bag 
Äopirbutfi geftattet Babe, über ben Anfauf ber gabrif Ijabe er erft nad) 
jenen Vorgängen mit ben Arbeitern gefprotBeu. gut Uebrigett giebt Be* 
flagter gu, baß it)m ein materieller <S<Babeu aug biefent 93 erljalten beg 
Älägerg nidjt etoatBfett ift. Äläger miß in ber fritifdjen 3^1 nur ctuia 
gmei Srittel beg iBm beim Beflagtett gufteBenbett ©el)altg oerbient Baben, 
meint aber aud), baß bieg auf bie ©ölje feincg AnfprutBg ohne ©influß 
fei. Aadi ftattgeBabterBemciganfnahme, toeltBe im 9BefentlitBcn bie beibeu 
©inmcttbnngen beg Beflagteu betätigte, mürbe biefer gur 3 aBl ul1 9 11011 
415 M. ocrurtheilt, ittt Uebrigett aber auf Älageabmeifung erfaunt. 

©riittbe: Auf ©ritttb ber 3 ^ u 0 foaugfage ift alg ermiefett aitgc* 
nommett, baß Äläger bag ÄopirbutB eingefehen unb feinen Schalt 
anbereit Arbeitern mitgctBeüt Ijat/ beoor ber 93eflagte felbft ihm oott 
feinen planen, eine außerhalb gelegene gabrif gu ermerben, etmag ge* 
fagt Batte, ©etoiß ift biefeg Verhalten beg Älägerg gu mißbilligen, 
aber eine biettftlidje Untreue ober ein Bertraucngbrud) ober ein fonftiger 
gur Aufhebung beg Sienftoertrageö geeigneter mitBttger ©runb fatut in 
bemfelbeti ttad) ben befonberen Umftänben beg gaßg nitBt gefuttbett 
merben, ba ein materießer Schaben bem 93eflagtett baraug geftänblidi 
nidjt erroathfett ift, Äläger autB nicht in ber AbfirBt, bem Beflagteu 
StBabett gttgufügen, fonbern erftthtlid) nur aug ScBmaßBaftigfeit B lcl ** 
über gefprodBen Bat unb feine 3KittBeiluitgcn fid) an ^erfonen gerithtet 
Baben, oon beiten er attnehnten btnrftc, baß biefelben fte ttidjt gitnt 
9tad)tBcil beg Beflagten meiter oerbreiten mürben. Sag Vcfen beg 
Briefeg an ftd) erfthiett nnoerfänglith/ ba bem Äläger geglaubt merben 
fatttt, baß er fid) Bi°r$u für befugt erachtet Bat, gittnal bag Äopirbitd) 
frei Bcruntlag. ©rmiefen ift ferner, baß Kläger gmei ihm unterfteßte Arbeiter 
beg Beflagten erfueßt Bat, fie inörfjten biefent ntöglid)ft mcitig Auffdilitß 
über bie Btaterialien unb bag bei ben Arbeiten in ber gabrif gur Au* 
toenbung fomntenbe Berfaltrett geben. Aug beut BScfen beg Sienftoer* 
tragcg ift aber eine BerpfHd)tung beg 953erfttteifterg, feinen SiettftBerru 
über bag gabrifatiottgoerfabreit gu belehren unb bemfelbett feine bieg* 
begüglithen tcdniifdieu Äenntniffe unb ©rfahruttgen fd)led)tBiit mitgu* 
theilcn, nidjt gu entnehmen, eg fei bentt, baß bieg im Sienftoertrage 
angbrücflicB augbebungen morben fei. Settt 'Berfmeifter liegt oielmehr 
lebiglicB bie AuffttB* unb Leitung beg Betriebeg, b. B. bie 93ertBPtluitg 




35 


ber Arbeit, bie Prüfung unb Hbnabnte berfelbeu, jomic bie lieber* 
roadjung ber Arbeiter, äRaterialien unb Hnlageit :c. mäbreub ber Hu* 
fertigung ber Arbeit ob; bie Menntniß bc« gabrifation«verfahren§ unb 
ber bindet 31 m Vcrtvenbung gelangcnbeu Materialien ift bei bem $abrif* 
berrn, al« beßen Vertreter im betriebe ber Bcrfmcifter fungirt, gemöb ,ls 
ließ oorauS 3 ufeßcn; ju einem Huffdiluß hierüber ift ber Berfmeiftcr nur 
infomeit verpßidjtet, al« bie« 311111 Vertriebe ber in ber gabrif ersengten 
'Banrett, alfo namentlidb sur HufftcHung einer fachgemäßen Malfulation 
ber gabrifatioH«fofien, non beren #öl)c ber feßsufeßenbe VerfaufSpreis 
abhängig ift, erforberlid) ift. Daß Kläger aber in biefen Olrcngcn feinen 
Obliegenheiten 3 ur Offenlegung feiner Menntnißc mtb gertigfeiten nicht 
nachgefommctt ift, ift nicht enoiefen. Veflagter behauptet überbieö nicht 
einmal, baß Kläger perfönlich irgenb inte fidj gemeigert habe, ihm Huf* 
fdjluß über ba« Verfahren unb bie SRatertalen 3 U geben. 9tur 3 inei 
ihm unterftellte Arbeiter hat er 311 befiimnten verfudjt, bem Veflagten 
bie oon biefem erbetenen Hufflärungeu oor 3 uentbalten. Die £eßteren 
nrnrett aber un 3 toeifeIhaft nach tb^wi HrbcitSoertrage 311 ben in Siebe 
fteheitben 9RitifjeiIungen in feiner Beifc oerbunben. ©« ift baber auch 
nicht erßcßtlid), imviemeit Kläger fidj burch bie mehrgebadjte Huf* 
forberung einer Verleßung feiner Dienftpßicht fchulbig gemadjt bat. 

demnach erfdjien bie ©ntlaßung be« Mläger« ungerechtfertigt. 
8 eine forberung fteQt fich febodj lebiglicb al« SdjabeHserfaßforberung 
bar. Denn bie Veftintmung ber §§. 133 b unb c ber ©emerbcorbnung, 
bah bie Hufbebung be« Dienftverbältnißc« oor Hblauf ber vertrag«* 
mäßigen Seit in geroiffen gällcit „verlangt" merben fann, ift nach ber 
berrfcheuben Huficßt baljirt 3 U verfaßen, baß ba« Verlangen bei bem 
anbereu Sb«* 1 / meßt bei bem Stifter 3 U fteflett ift, baß fomit bie Huf* 
löfung au« loichtigen ©rünben oon einer oorgängigen richterlichen 
©ntfdjeibmtg nicht abhängig ift (ogl. Scßenfel a. a. 0. Siote 6 311 §. 124 a 
Siote 4 ju §. 133 b). Der Dienftvertrag ift baber mit bem burch bie 
©ntlaßung be« Mläger« erflärten Stücftritt be« Veflagtcn al« aufgehoben 
au 3 ufebett, Kläger fann baber nun nicht mehr auf ©emäßrung be« 
©eßalt* für bie $eit nach frtner ©ntlaßung, fotibem nur auf HuS* 
gleichuug be« ihm burch bie unrechtmäßige ©ntlaßung ermadjfcnen 
Schaben«, b. ß. in .$öße be« ihm ßicrburdj entgebenben Dienfteinfommen« 
flagen (ogl. Staub, Kommentar gum §anbel«gefeßbudj, Huflage II §. 4 
311 Hrt. 62). Huf biefen Schaben muß fidj Kläger aber allen bi« 3 um 
vertragsmäßigen HMauf ber Dienfaeit burch Vermenbmtg feiner Hr* 
beitsfraft ersielten ©rmerb abrechnen laffen. (Staub a. a. D. §. 7.). 

Mann von bem Hrbeitneljmer nodj nach ber ©inftellung 
ocrlangtmerbcn, baßeritünbiguugSauSfchlußunterfchreibe? 
(llrtbeil be« ©emerbegerießt« Hamburg vom 29. Huguft 1898. Vor* 
ßßenber Dr. 0 . öeefen.) 

Kläger trat am 9. Huguft bei beu Veflagten ohne Miinbigung«* 
abrebc in Hrbeit unb iveigerte fich/ al« ißm am 10 . Huguft er. eine bie 
Münbigung aufbebeitbe Vereinbarung 3111 * Unterfdjrift oorgelegt mürbe, 
fie 3 U unterfdjreiben. hierauf erflärte ber polier ber Veflagten ihm, 
baß er unter biefen Umftänbeu, bevor er ihn iveiter arbeiten laffen 
fönne, erft mit ben Veflagten Vütffpracße nehmen ntüffe. Hl« ber Mläger 
fich ant nächfteu 2Rorgert roieberum 3 ur Hrbeit melbete, ivar biefe 9iücf* 
fprache angeblidj noch nicht erfolgt. Kläger ßeßt hierin eine ©ntlaßung 
unb forbert Scßabenerfaß. SRocß länger 3 U märten ^atte Kläger feine 
Veraitlaßung, fonbern er fonnte fich mit gng unb Stecht als eutlaffen 
betrachten. Da er aber mangels anbermeitiger Hbrcbc Hnfpruch auf 
©iiißaltung ber gefeßlidjcn Münbigitng«frift fjatte unb fich auf eine nadj* 
träglidjc Hufbebung biefer grift nidjt einjulaffen braudfa, fo ift fein 
Sdjnbcurrfnßanfpnuh begrfmbet. 

Vcftebt bie für bie 3eit nad) bem HuStritt be« Hrbeit* 
neljmer« au« bem Hrbeitsverbältniß vereinbarte Pflicht 3 iir 
Verfchmicgenßeit über gabrifationSgeheimniffc auch bann 
uod) fort, menn ber Hrbettnehmer ohne (Srunb eutlaffen ift 
ober burch gefeßmibrtge« Verhalten be« Hrbeitgcber« jur 
Huflöfitng bcs Hrbeitsverbältniffes ge 3 ivuugeu roorbcti ift? 
Mann er Hu« 3 ah(ung ber vertragsmäßig cingubebaltenbeu 
Maution forbern? (llrtbeil bcs ©emerbegeridjt« greiburg r. V. 
vom 9. Stovember l^nc». Vorfißcnber Viirgermeifter Dr. Jboma.) 

Hm 19. rftober 1S96 trat ber Wäger in golge eine« BortmedifelS 
mit bem Veflagten aus bem Hrbeitsverbältniß bei biefem aus. Crr 
iorbert mm Hufbebung be« 3 mifd)en Parteien beftehenben Vertrage« 
imb außer riiefftänbigem behalt Hus^ablung ber Ujin einbebaltenen 
Mautiou. Xer Vcflagte ivill ben Olebalt jebodi mir bi« 311 m J9. £ f= 
tober geiväbren, ba er ein Verfdiulbett an ber Vertragsauflösung 
ieinerfeitö uid)t anerfeimt. Xie Husjahlung ber Mautiou lehnt er 
ab, meil'Mlägrr verpflichtet fei, ttadj 4 bis s be« Vertrag« eine 
Mautiou von snoo M. 31 t ftelleu, tveldie nadt unb nad) (10% be« je* 
ivfiligeu Verbieuftes) an ben Vobu^abluugru al^ii^icben feien. Xcr 
Pertrag r iveldier eine Uufüubbnrfeit von 12 fahren feftfetit, (egt bem 


36 


Mläger bie Verpflichtung 3 ur Verfchmicgenhcit über ba« gabrifationS* 
gebeimttiß unb ba« Verbot auf, fpäter nadj Huflöfuttg be« Vertrag« in 
fein Monfiirrci^geßhäft cin 3 utreteu. gm 0 an 3 en fofl bie ©ebunbenheit 
be« Mläger« 27 gafjre bauern, lväljrenb tvelcher 3eit bie Maution, tvelche 
bisher erft 31 t eiu:m geringen XfyeiU einge 3 afjlt ift, unfütibbar ftehett 
31 t bleibett §ätte. 

2)nrd) bie VeioeiSaufuabme ift feftgefießt, baß Veflagter ben Mläger 
„Sausbube", „§unb«fott" gefchimpft unb ihm mit gesücftent SReffer ge* 
broht Ijttt, er rnerbe ihn tobtftechen. hiernach mar Mläger gemäß 
§. 124 ber ©cmerbeorbnmtg 311 m fofortigen Hu«trttt au« ber Hrbeit, 
fomie gur Erhebung eine« S^abeuScrfaßanfpruch« berechtigt. ®ilt aber 
burch ba« Verfchulbett be« Veflagtcn ber Vertrag als aufgeloft, fo 
fommen audj bie bariit enthaltenen meitcren Verechtiguitgen, inSDefonbere 
bie Verpßidjtiing 3 ur Verfchmiegeuh‘it unb bie Vefugniß, bie gemachten 
2 ohttab 3 Üge al« Maution 3 urücf 3 ubehatten, in SBegfaH. ^ahingefteHt 
famt bei biefer Sachlage bleiben, ob ber Vertrag vom 6 . guni 1893, 
melcher, obroohl nur von 5 >ienftleiftungcu eine« gemöhnlichen gemerb* 
liehen Hrbeiter« hanbelnb, eine uufüubbare Vittbuttg von 12 begtu. 
27 gahreit vorftefjt, überhaupt Hnfpruch auf (Sültigfeit machen fann, 
ferner ob ber Soljnabsug oon 10 % nidjt gegen bie 3 tvingenbe ©orßhriit 
bc« §. 119 a ber ©etverbeorbmtng oerftößt. 

55ie gegen biefe« Urteil eingelegte Ventfung mürbe vom £anfc 
gericht greiburg i. V. jitrüefgemiefen. 

Vfuß ber Hrbeiigebcr ben vom polier verfprüdjeiicii 
Vüljn 3 a h len? (llrtbeil be« OHetverhegeridjt« Verl in, Mautmer 3, vom 
25. gttli J898. Vorftßettber: ©etoerberichter Schtttieber.) 

Mläger mürbe für Veflagte, burdb beren mit ber Hmtaljme von 
Hrbeiter« betrauten Vdü*r angenommen, itadjbem er fich im Vurenu 
ber Vertagten gemelbet mtb bort bie Beifung erhalten ^atie, er follc 
fid) an ben Vvlicr meitben; mie bettn audj ein Hnfchlag im Viireau ber 
Veflagtcn befagt, baß ©efellen mtb Hrbeiter nur auf bem Vau aitgefteHt 
tverbett. 2Rit bem b^l Mläger 50 Stuubenlohu verabrebet. 

Hl« er fpäter an anberer Stelle unter einem anbereti polier arbeitete, 
hat er mit biefem über bie Soljuhöhe nicht gefprodjett. tbm mm 

aber nur 45 Sf. pro Stunbe gc^a^It mürben, verlangt er ttagcnb bic 
$Hfferen 3 von 5 ff. pro Stunbe. Veflagter beftreitet bent polier bie 
Vefugttiß, bie ^öhe be« Sohne« 3 U vereinbaren. 

Unftreitig b at i c ^ cr V°^ cr Huftrag unb Voümadjt, Seute a« 3 u* 
uebmett, b. b- HrBeitSverträge, eine befonbere Hrt ber Verträge über 
^anblungett (§. 895 H. £.9t. I, Zit. 11) ab 3 ufdjließctt. ©in mefcntlicber 
Vcftatibtljeil biefer Verträge ift aber bie Hbrcbc über bie Vergütung ber 
.£>anblungen (§. 869 a. a. £>.), fo mefentUdj, baß ohne eine foldje Hb= 
rebc ber gan 3 e Vertrag oljne rechtliche Birfung ift. (§. 872 baf.) 
§atte baljer ber Votier ben audj bem Mläger mitgetheilten Huftrag, 
Hrbeiter a^uttefjmen, fo fjotte er bantit 3 ugleich ben Huftrag, mit ihnen 
bie Soljttböbc 31 t vereinbaren; bettn bie Billen«erfläruttg, burch btc er 
beauftragt mürbe, mürbe attberenfall« oljne jebe Birfuttg geblieben 
fein. So barf aber nach §. 74 H. Ö.91. I 2it. 4 eine Billcnserflärmig 
nidjt gebeutet merben. .JSierttadj verpflichtete bie Veflagte bie £obnab' 
rebe iljre« ißolierö ebettfo tvic bie von biefem erfolgte Hmtaljme bes 
Mläger«. ^£a ettblidj Veränbermtgeit nicht vermutet merben, eine ttetteii 
ltdje l'ofjitabrcbe aber nicht ertviefeit ift, fo ift Mläger berechtigt, ftati 
45 3f. { für bie gattsc^atter bc« Hrbcitsoerhältniffe« hOSf. pro Stunbe 
31 t forbern. 

Sichtbare, nnfittlidje lätomirungeii ber Hrtnc fiitb 
fein ©ntlaffung«grunb, fdjiießen aber nach babifchem l*anb = 
redjt einen Schaben«erfaßattfpruch be« ©utlaffeueu aus. 
(Urtheil eine« fübbeutfdjcu ©emerbegericht«, mitgethcilt von V.) 

Mläger, vom Veflagtcn ohne Miiitbigung entlaßen, forbert 14 tägige 
£ohrientfdjäbigung. Veflagter erflärt, er h°& c ©ntlnßung bcs 
Mläger« bcßbulb au«gefprochen, meil berfelbc auf feinen heibett Vorbei 
armett uuftttlidie Xarftellimgen, mcldje eintätomiert feien, trage unb in 
golge ber Hrt feiner Vefchäftigung ftet« mit entblößten Hrmen gearbeitet 
habe, fo baß bie Jätomirungcn audi für feine jitgenblichen SRitarbeiter 
fid)tbar maren. 

Mläger giebt bies 31 t; er habe fidj biefe lmfittlidjen SarftcUungen 
vor etma 3 ebn gahren fertigen laffen. Mläger rniffe jeßt, baß bie« eine 
itnredjtc .^anblung gemefeu fei, allein ba« laffc fidj nicht mehr änbern. 
©in ©runb 3 m* ©utlaffung liege aber und) §• l‘^3 ©emerbeorbmtug 
ntcf>t vor. 

Mläger, als gemöbulirher Hrbeiter, formte nur aus einem ber in 
§. 123 ©emerbeorbnmtg aufgefübrieu ©riinbe eutlaffen merben. Ve= 
flagter meint aKerbing«, ba?ß bie lätomirungen eine Veruuftaltung ber 
menfdilidjeu Hrutc unb bnrum eine abfdjrecfcnbe Mrauffjcit (§. 123, 
pß. 8 ©emerbeorbnung) feien, unb baß bie Hrtbringung berartiger 
3ctfhuimgru auf ben Hrmen unb bereu Sichtbarmachung für brittc 
Verfoucu einen „liebcrlichcu h?ebeusmaubel" (§. 123, 3 iß. 2, ©emerbe* 


Da« ©cmerbegericht. SWittbeiluugen be« Verbanbe« beutfeher ©emerbegeridbte. Hr. 3. 



37 


2)o« ©ewerbegeriegt. SRiitgeilungcit bes VerbanbeS beutfdger ©ewerbegeriegte. Rr. 3. 


38 


orbnung) barftetten; allein bieje ©efepeSfteUen fönnen feine Anweubung 
finben; benn folcge Sätowirungen pellen niegt eine ftranfgeit, b. g. eine 
Störung ber förderlichen ober geiftigen’ igätigfeit beS 2 ätowirten 
bar. ©benfo wtrb bie Anbringung begw. bas Anbringenlaften berartiger 
Sätowirungeu nnb bas Segenlaffen berfelben 31001 als unpttlxcgc 
$anblung, nicht aber als „lieberltcger ÖebcnSwanber betrachtet werben 
fönnen. 

2 )a oon ben in §. 128 ©ewerbeorbnung erwähnten anbern gatten 
oftenpcgtltcg feine Siebe fein fann, fo war bie ©ntlaffung nicht gerecht¬ 
fertigt unb fein Scgabenerfapanfprueg an pcg begrünbet. ©letcgwogl 
aber mup bie Abweifung beS ©ntfcgäbigintgsanfprueges auf ©runb att- 
gemeiner ReegtSgrunbfäpe erfolgen. @8 finben gier bie Veftimmungen 
ber S.R.S. 1882 ff. unb 1146 ff. fowie bie ju beren ©rgängung 
beftinmtten Vorschriften bes ©efejjeS 00 m 6 . Rtärg 1845 über bie 
prioatrechtiichen golgen oon Verbrechen Anwenbung. Viernacg mup 
insbefonbere geprüft werben, ob (§. 15 beS genannten ©efepeS) bie 2 gat 
— gier bie ©ntlaffung — bureg eine unrecgte Vanbluug beS Verlegten 
felbft oeranlagt war unb ob im ooriiegenben gatt gemäg §.15 Abfag 2 
be$ genannten ©efepeS (oergl. §. 254 beS beutfdgen bürgerlichen ©efep- 
buegeS) eoentuefl ber Veflagte gang oon ber ©ntfegäbigungSoerbtublicg» 
feit freigufpreegen ift. 

2)a« (Bericht ift gur Itebergeugung gelangt, bag in oorliegenbent 
gatt ber AuSfprueg ber ©ntlaffung burch eine Unrechte §anblung bes 
Kläger« oeranragt unb ber Veflagte bepgalb oon jeher ©ntfdgäbigungS- 
oerbtnbliegfeit freigufprecheit war. 2 >er Kläger, weither fleh bewugt 
war, bag er ungültige ^arftettungen auf feinen Armen trägt, mugte 
gleichfalls wiffen, bag bas ©rbliefen berarttger 2 )arftettungen auf 
pttlicg normal entmicfelte SRenfegen ©fei erregenb wirfe; er mugte 
aber auch weiter wiffen, bag bei anberen Seuten gierbureg unreine 
pnnliege ©mppnbungen erweeft werben unb bag insbefonbere bei jungen 
Leuten einebirefte entpttlicgenbe ©irfung gu befürchten ift. ©enn bager 
Äläger gemeinfam mit Anbern, insbefonbere mit jugenblicgen Verfonen 
arbeiten mugte, fo war e$ feine Vfficgt, bafür gu forgen, bag bie un¬ 
gültigen 2 )arftettungen nicht gefegen werben fönnen. 2 )ag er biefer 
Verpflichtung nicht naeggefommen ift, bag er bie ungültigen 2 )ar- 
ftettungen uiegt entweber bureg weitere 2 ätowirungen unfenntlicg ge¬ 
macht ober aber in anberer SBeife oerbeeft gat, ift eine unreegte 
§anblung, welcge einerfeits pttlidg oerwrrflicg, anberfeits wenigftenS 
nage oerwanbt mit berjenigen SBittenSricgtung ift, welcge ben 2gat» 
beftanb ber Verbreitung ungücgtiger 2>arftettimgen im Sinne bes §. 184 
Retcgs-Strafsgefepbucg geroorruft. 

Anmerfung. VorpegenbeS Urtgeil giebt gu fegweren Vebeufen 
An lag. Sein praftifeber ©ffeft ift, bag es ben ooriiegenben Sgatbeftanb 
als einen neuen ©ntlaffiutgSgrunb neben benen beS §. 128 ©ewerbe» 
orbnung einfiigrt. Sfjeoretifcg ift eS atterbingS etwas anbereS, 
wenn bie tflage auf ©runb beS ^5rtt>atrcrf)ts, als wenn fte auf ©runb 
ber ©ewerbeorbnung abgewiefen wirb. aftifcg> aber ftettt pcg bie 
Sacge fo: Racg §.123 ©ewerbeorbnung burfte Kläger nicht eutlaffen 
werben, ber Arbeitgeber, ber ign beunoeg entlieg, oerlepte ein Reicg- 
©efep, baS fefiabet ignt aber nicfjts, feine Rechtslage ift genau biefelbe, 
wie wenn er bas ©efep niegt oerlegt gälte. 

Viergu fontmt noeg, bag bie ©ewerbeorbnung nur eine gang be¬ 
rechtigte ober eine gang unberechtigte ©ntlaffung lerntt, bag pe auf ein 
VJitoerfcgnlben beS ©ntlaffenen ober auf bie SRotioe beS ©ntlaffenben 
(abgelegen oon §. 123) überhaupt feine Rüdpcgt nimmt, unb bag 
man bemgegenüber niegt auf ©runb ooti SanbeSgefepen oerfegiebene 
Arten unb ©erabe beS in ber ©ntlaffung liegenben VerfcgulbenS ein- 
fitgren barf. 

Scgliegltcg würbe man bureg £ebuftionen wie bie beS oorpegenben 
UrtgeilS ben begnbaren Vegriff ber „wichtigen ©rünbe" aus §. 188 b 
©ewerbeorbnung entgegen bem ©efepe aueg auf bie gcwögnlicgen Ar¬ 
beiter übertragen. Sdfjmieber. 

Unbefugtes Verlaffen ber Arbeit. (Urtgeil beS ©ewerbe- 
gericgtS Stettin 00 m 24. SRai 1898 unb beS ftöniglicgen Sanbgericgts 
Stettin 00 m 13. Dftober 1898.) 

Äläger, 00 m Veflagten als Äfettner gum 1 . SRai engagirt, trat auf 
©unfeg fegon am 29. April ein, erllärte aber, am 30. April fönne er 
ber Äontroloerfammlung wegen niegt fomtnen. 2)er Aufforderung, bann 
wenigsten« am Abenb gu fommen, folgte Kläger niegt. 2)eSgalb ent- 
laffen, forbert Kläger Scgabenerfag. 2)as ©ewerbegeriegt oerurtgeilte 
ben Veflagten. 2)aS Sanbgericgt ftimmte bem gu. 

Aus ben ©rünbeu: 2)a Kläger unpreitig erft gum 1. SWai enga¬ 
girt war, fo war er gu frügerent 2 >icnftantritt niegt oerbunben. ftam 
er gleidgwogl fdgon früger, fo war es fein freier ©itte. VHeb er aber 
banaeg wieber aus, fo gatte Veflagter fein Redgt, fein 3wrüdffommen gu 
oerlangen, ba Kläger fontraftlicg erp 00 m 1 . Rtat ab gu 2 >ifnpleipungen 
oerpPicgtet war. Sein oorfontraftlicges Vergalten formte bem Veflagten 


| bager niegt baS Recgt geben, ben Kläger oor ber oertragSmäpigen 3eit 
ogne Auffünbigung gu entlaffen. UeberbieS fegt §. 123 Rr. 3 ber ©e» 
werbeorbnung eine begarrlicge ©eigerung beS 2)ienfteS ooraus („wenn 
pe bie Arbeit unbefugt oerlapen, ober fonft ben Verpflichtungen naeg- 
gufotnmen begarrlicg oerweigem"). Aus biefem ©runbe wirb fogar 
in bem fogenannten „blauen Sftontag maegen" ber Xgatbepanb beS 
§. 123 Rr. 3 niegt erbHcft (oergl. Sanbmann, ©ewerbeorbnung Vb. 2 
S. 212 Rr. 6 ). Von einer begarrlicgen Verweigerung ber Arbeit 
fann aber gier niegt bie Rebe fein. 


Mgetneinegi über tteraerbegeridjte nnb 
^rbeitenerhrag. 

Xtt« bem 3agreSberi<gt beS (BemerBegericgtS SRSne^ett für 
1897* 2)er fegr eingegenbe SagreSbericgt ©ewerbegeriegts 
Vlündgen entgalt aufjer ben übliegen ftatiftifegen Rotigen eine inter- 
effante ©efegidgte ber ©ntftegung ber neuerbing — burdg 33efcgluf£berS 
©emeinbebegörben oout 20. 0ftober/5. Rooember 1896 bewirften — 
Abänberunqen beS Statuts unb ber biSgerijen ©irffamfeit ber 
©ewerbegerugte. Aus bem Statut geben wir befonbers geroor, 
bap bie ©agl in groei für bie Arbeiter unb Arbeitgeber getrennten 
©aglganblungen, unb gwar an gmei aufeinanberfolgenben Sonn¬ 
tagen, oon Vormittags 11 bis Racgmittags 5 ilgr ftattftnbet; 
— eins ber in $)eutf<glanb fegr wenigen Veifpiele ber in ber 
Scgweig faft regelmäpigen Venugung beS Sonntags für ©agl- 
ganblungen. ©aglliften qiftiren uidgt; bie ©infugrung berfelben 
war, ebenfo wie bie ber $roportionalroagl inRüdfftd)t auf bie ba- 
mals notg fegwebenbe §anbwerfernooette unb auf bie Veftrebungen, 
bie Äaufleitte bem ©efeg gu unterteilen, abgelegnt. 

2)er Vericgt befpriegt weiter bie allen ©ewerbegeridgten ae- 
tneinfamen Silagen: bie mangelnbe Vetgetligung ber Arbeitgeber 
an ben ©aglen unb im 3 u fßinmengang bamit baS unbegrünbete, 
jebodg allmäglicg im Scgwinbett begriffene ttßiptrauen ber Arbeit¬ 
geber gegen bie Qnftitution; bie (^orglofigfeit, welcge bureg baS 
Unterlagen flarer, beftimmter Abmacgungen über bie Arbeits- 
bebingungen bewiefen wirb unb bie allein bie in Rtündgeit, im 
©ecjenfag gu oielen anberen Stabten beobaegtete fortwägrenbe 
Stetgerung ber 3<*gl Klagen oerftgulbe. ©enn gier attmäglidg 
eine Heine Vefferung gu fonftatiren fei, fo !omme bas f>aupt- 
oerbienft unferem Verbanbsorgan gu, baS burdg feine auSfübr- 
liegen, aueg ben Seifigem gugänglidgen RJittgeilungen über ote 
©ntfdgeibunaen anberer ©emerbegeridgte bie Aufteilung ausfiegts- 
(ofer ^rogeffe immer megr oermtnbere. 

2)er Vericgt gebt enblidg in fegr gutreffeitber ©eife geroor, 
bap bie ©ewerbegeriegte bei Veurtgeiluna igrer Äompeteng niegt 
allgu ängftlieg oerfagren bürften. InSbefonbere wäre gu wünfegen, 
bap fie fttg bet Snterpretation bes §. 3 beS ©ewerbegeridgtSgefegeS 
niegt auf ben enagergigen Stanbpunft einzelner ©ewerbegeriegte 
teilen würben, welcge g. V. bei Streitigfeiten über ©ntfegäbigungs- 
anfprüege wegen oergögerter AuSgänbtgung beS 3euQniffeS ober 
wegen oerweigerter, bejw. niegt redgtgeitiger AuSgänbigung bes 
ArbeitSbuegeS tgre 3 u tönbiafeit oemeinen. 2)tefe, fowie rnandge 
anbere analoge Sötte, g. V. ©ntfegäbiguna wegen Verweigerung 
ber Verausgabe beS 2)ienftbucgeS 2 c., pno atterbingS nur eine 
mittelbare Solge beS ArbeitSoergältniffeS; allein pe gaben itnmer- 
gtn igre Veranlaffung in bem legteren, unb eS mup bager oon 
ben Vetgeiligten als V^rte entpfunben werben, wenn pe berartige 
Anfpriicge auf bem foftfpieligen unb geitraubenben ©ege ber 
orbeutlicgen $Iage geltenb maegen muffen, ©ine Subfumtion 
folcger Sötte unter §. 3 bes ©ewerbegeridgtSgefegeS wäre bager 
fegr wünfcgenSwertg. 

Aber aueg für bie ©rweiterung bes bem ©eroerbegeridbt 
unterteilten $erfonenfreifes fpridgt fieg baS ©ewerbegeriegt 
aus. $ie ungemeine Vefcgleunigung beS VerfagrenS oor bem 
©ewerbegeriegte gegenüber bem Verfagren oor ben orbentlidben 
©eriegteu gereiegen ben V ar *eien iibergaupt unb gauptfädglieg ben 
ArBeitnegmern gum eminenten Vortgeil. ,,^)ieS ergettt, wenn man 
bebenft, bap bie Rtöglicgfeit weiter Arbeit gu ergalieit oft baoott 
abgängig gemaegt ift, bap bie bereits angängig gemaegte Streitfadge 
guoor noeg erft igre ©rlebiguitg gefunben gat, unb im Allgemeinen 
gum Rtinbeften ben Arbeitern maneger Verbrup unb Verluft an 
3 eit unb ©elb erfpart bleibt, wenn ttoeg oor ©intritt berfelben 
tn ein neues ArbeitSoergältnip bie oon ihnen bei ©eriegt geltenb 
gemaegte fllage gur ©ntf^eibung gelangt. 




39 


$)a$ Gewcrbegeridjt. SWttfheilungen beS BerbanbeS bcutfdjer Gewerbegeridjte. Wr. 3. 


40 


„Es totirbe bafier mir wünfcßenSwerth erfcßeinen, wenn bic 
burd) bas ©ewerbegericßt gemährte 9tecßtswohlthat bcr raffen ©r* 
lebigung ber Streitfälle betn gefammten Arbeiterftanbc 311 ©ute 
fame 1111 b ber Wirfu 11 gsfrctS ber ©ewcrbcgericßte nod) auf weitere 
SFlaffeu ber arbeitctibeit Beoölferung auSgebeßnt würbe. ©erabe* 
gu bebauerltcß wäre es jebod), wenn bnrd^ io eitere ©tnfiibrung 
neuer Scßtcbsgeriete bie 3 ll ftänbigfeit ber ©ewerbcgericßte 
befcßränft mürbe, ba eS erfahrungsgemäß weitaus gtoccfutäßiger 
erfcßeiiit, wenn bie ©rlebiguitg aller gewerblidjen Streitig feiten 
nad) einheitlichen formen erfolgt unb wenigftenS für benfelben 
Begirf centralifirt ift unb bleibt." 

BMr fönnen uns allen biefen, liier nur auSgugStoeife wieber* 
gegebenen Acußeruitgen nur anfdßließen. lieber bie Sßätigfeit beS 
©ewerbegericßts München als ©inigmigSamt wirb nod) befonberS 
oon uns berichtet werben. 

Befanntmarfjttttgeit ber ©etoerbegertdjte über Arbettsoerßältmffe 
tßre$ BegtrfeS. ©erlüge Bcmtfcung ber ArbettögctteL $as 

©ewerbegericßt Girier hat an fämmtltdje Arbeitgeber ein ©icfular 
oerfanbt, in welchem es bdnaenb um Abfcßluß orbmingSmäßtger 
ArbeitSoerträge erfueßt unb Darüber flagt, baß bic Arbeitgeber 
bie unentgeltlich oerauSgabten ArbeitSgettel faft nicht benußen. 
3ugleid) rügt es bie in Arbeiterfreifen immer mehr um fid) 
gretfenbe Itnfitte beS „blauen BJontag*ina(ßens", fowie bee über* 
mäßigen ©eituffcS geiftiger ©etränfe, fowoßl auf als außerhalb 
ber ArbeitSftette, unb empfiehlt baS 3 . B. in ttßünd)en*©labbach 
eingeführte Berfaßren, wonach bort an folibe unb nüchterne 
Arbeiter oon Qz'it gu 3dt feitenS ber Arbeitgeber Prämien ge* 
währt werben. ©nblicß wieberholt es ein bereits 1892 unb 1895 
ergangenes ©rfudjen, bie ßoßn* unb AbfcßlagSgaßlungen womöglich 
an einem mittleren Wochentage, nicht an einem Samstag, oor* 
gunehmen. $>ie SamStag*AuSgaßlungen führten häufig gur 33er* 
geubuitg beS ©elbeS unb gum wirthfdjaftltcßen Sfluin ber Qamilie. 

Wir fönnen natürlich nicht beurteilen, inwieweit bic Berßält* 
uiffc in £rier biefe Warnungen angegeigt erfcheinen taffen, glauben 
aber, baß es an fief; burdjauS nadjaßmeuSwertß ift, wenn bie 
©ewerbcgericßte wichtige Beobachtungen über bie Arbeitsoerßältniffc 
in ihrem Sprengel allgemein befanntgeben. 

£ic Silage über bie geringe Benußung ber ArbeitSgettel 
wirb übrigens oon feßr oielen ©ewerbegerießten erhoben, unb um* 
gelehrt haben bie Klagen, welche gelegentlich oon Arbeitgebern über 
bie Arbciterfrcunblid)feit ber ©cwerbegeridjte erhoben werben, gum 
guten Jfjctl ihren ©ritub barin, baß bie Arbeitgeber, troß beS 
§. 122 ber ©ewerbcorbnung, unterlaffen, ben AuSfchluß ober bie 
Äbfiirgnng ber ÄünbigungSfrift gu oereinbaren, unb fich bann ent* 
rüften, wenn fie, ber Haren unb gwingenben ©efcßeSoorfcßrift gu* 
folge, gu SdjabenSerfaß oerurtheilt werben, ©ine inSbefonbere 
hierauf ßinweifenbe Befanntmadjitng ßal neitcrbingS bas ©ewerbe* 
geridjt Qranffurt a. Bi. erlaffen. 

Qu Berlin höben fich bie oon ben 33orfißenben beS ©eroerbe* 
gerichts aufgeftettten ArbeitSgettel anfeheinenb recht gut bewährt. 
Sie werben ftarf benußt, fommen aber gleichwohl nur feiten in 
3 ?rogcffcn gum Borfcßcin. 


SerfdjiciirnE?. 

BeißhemgamfatioHen. Qu Stettin befteht ein Berbanb ber 
Arbeitgeber* unb Arbeitneßmer=Beifißer unter bem 33orfiß eines 
Arbeitgebers. Außerbem fiub uns nur Aacßridjtcn über Arbeit* 
nehmer*5Drganifationen gugegangen, unb gwar aus Siiel, Biaing, 


Hamburg, i'eipgig unb Schöneberg b. Berlin. An feinem 
biefer Drte bilben bte Arbeitneßmerbeiftßer fefte Bereine, überall 
aber oereinigen fie fich gmangSloS einmal im Bfonat (in S>dßöne = 
berg alle 14 £age) gur Befprechuttg gewerbegeridjtltcßer, in 
s 3J?ain g auch fommunaler unb gewerffdjaftlidjcr Angelegenheiten. 
$>ie Arbeitnehmcrbeirtßer in SHel unb ßeipgig ertßctlen auch in 
gewerblichen Angelegenheiten an beftiminten Stetten unentgeltliche 
AuSfunft, in ßeipgig täglich in ben ABenbftnnben, in Äiel ein* 
mal wöchentlich. 

3mtahme gütlicher Begleichung umt ArbeitSftrcüigfeitat ist (fcwglmrt 

I)aS &anbelSamt hat ein Blaubuch über bie Streifs beS QaßreS 1897 oer= 
öffentlicht. Wäßreub biefeS QafjreS würben 230 267 Arbeiter bireft un? 
inbireft oon beit ArbeitSj'trcitigfeiten berührt, gegen 198 687 im Qabrr 
1896, 263 758 im Qahrc 1895, 324 245 hn Qaßre 1894 unb 636 396 im 
Qaßre 1893. Qm Qaßre 1897 gingen burdj 3luSftänbe 10 345 523 Ar* 
beitstage oerloren, gegen 3 748 525 im Qaßre 1896, 5 542 652 int Qafut 
1895, 9 322 096 im Qaßrc 1894 unb 31265 062 im Qaßrc 1893. oin 
leßten Qaßre litten unter ben AuSftänben 3,8% ber Arbeiterfdßaft, gegen 
5,6% oon 1893 bis 1897. Ser Bericht beS ^aubelSantteS — unb bcr* 
wegen erwähnen wir ißn hier — weift barauf ßin, baß eine gütliche 
Begleichung ber ArbcitSftreitigfeitcn in ber 3 l *n a h mc gu fein 
feßeiue unb bie Arbeiter jeßt bei bete gntfeßeibungen größere Erfolge 
baoontragen. ^iefe Schlüffe glaubt bas .’oanbclsamt aus folgeuber 
Jabelle gteheit gu föititett: 


Art ber Erlebigung. 

Betheiliate Arbeiter 

1895 

1896 

1897 

Xnrdt SdjiebSgcricßte. 

13 215 

10 28n 

9 756 

= Berfößnung uttb Bermitte* 

luna .. 

65 700 

9 941 

9 544 

* bireftc Berljattblungcu gwifdjctt ben 

Betljeiligten. 

119 282 

120 936 

187 048 

= Aüdfeßr att bie Arbeit gu ben Bc= 

bingungett ber Arbeitgeber . . 

56 719 

46 780 

15 207 

* ©infteUuug anberer Arbeiter . . 

4 852 

7 450 

4 307 

* Schließung ber Werfftätten . . . 

2 397 

3161 

1673 

* Bcrtagung 

1757 

139 

*2 732 

^ufamnteu . . . 

263 758 

198 687 

230 267 


fittefhöflcn. 


©reig. ^te §öße ber ©eßalte ber Borfißenben ber ©ewerbegeridne 
ift »nS nidjt befamtt unb aueß besßalb fdjwer angugeben, weil in brn 
weiften Stäbten ber Borftß oon A?itgltebcrit beS STOagiftrats ober in 
bereu Bertretung oon anberen ftäbtifchen Beamten geführt wirb, bic 
ihren ©efjalt unabhängig ooit ihrer Stellung als «ewcrbegericht*- 
Borfißenbe begtehen. 

©ötmftntt. $er eingige ©ntwurf eines DrtSftatutS über bie 
führung ber B^oportionalwahl ift ber oon ben ftäbtifchen Beßörben nt 
gremffurt a. iW. beidiloffene, ber gur 3eit ber Genehmigung bcs ^ro* 
oingialratheS tn ©affel unterliegt, tiefer Entwurf entspricht im 
Allgemeinen bem Borfcßlag, beit <Ätabtratl) Dr. glefd; in ber „Soziale:: 
$rajiS" 1895 3p. 507/508 madhte; enthält aber nidjt bie bort uorgefrbrne 
3Köglicß!eit, baß bem oon mehreren Parteien oorgefdjlageuen ttavibtbatm 
j innerhalb ber BorfcßlagSliftc [einer Bartei bie Simnten gugcrcdmci 
werben, bie er auf beit übrigen Borfdjlagsliften erhalten hat, fo bah 
ihm burdj bte Stimmen bcr fremben Bartei bcr Borrang unter [einen 
Barteigenoffen gefiebert werben fömtfe. 

Stettin. $as Gefchäftsjahr ift bas ^alettberjahr. 


Wo^eufißnft „Sogialc Cesttatlfclfttt für Sogialpoliti!^. 

(.^erauSgeher: Dr. ©. Qrancfe, Berlin; 35erlag oou Wunder & 
.Jtumblot, Öetpgig. 3 U begießen bureß fämmtlicße ^Joftanftalten 
unb Bucßhatiblungeit gum greife oon 2 JL 50 Bf. für baS Biertel* 
jaßr einfcßließlidj ber BZonatSbeilage „$aS ©ewerbegerießt".) 

A 110 bem Qnhalt ber Ar. 9: Gebauten uttb Erinnerungen 
be# Q-ürften Bicmanf. Bott Btef. Dr. G. Sdnttoller, Berlin. 


Unternehmer* unb Arbeiteroerbätibe in Englattb. Bon G. AoeS, Bonbon. 

1 — Xie Jarijbcwegung im beutfdjcn Bucßbrucfgcwerbe. — tf omiim 
1 uale Sogialpolitif. — Sogiale ^uftänbe. — Arbcitgeberoerbänbe. - 
1 Arbeiterbewegung. — Arbeitcrfdjuß. — J?aS ßmttfcße nnfaffnerftdie* 
rungSgefeß. Bon Dr. A. SH. af Urfin, Abo. — ArbeitSnachtuciS. 

I WohlfabrtScinridjtuuflen. — Woljnnngswc[en - Sogiale ^pgiettc u. [. n», 
- Literatur. 


w ®a« ©etoetbegeticht - etfeheint am erften Donnetftage Jebett SRonat* im äKinbeftumfangc oon V* Bogen gum Breife oon 1 SW. jähAich. — BefWInngen 
nehmen fämmtliche Boftanftalten (Boftjeitung«nummer 2877) unb Buchhanblungen an; ein biteltet Bejug oon bet »etlaglbuc&hönblung fiubet nicht ftait 


«erlag ton ®:mtfer * ©umblot, »eipiig. — «ebrudt bei 3ultui 6Utettfclb tn »erltn w. - eecantraorüiifi für bte ÄebattUm: etabtratb Dr. Sttefcb. fttanffittt a. n 1 
für bte «ranittet Reitfi»re<Oung, Berfaffung unb Berfa$ten: BemerbericOter 6«0mleber, BerlS. ^ Bwrorwi «. w.J 











IY. 3afjrg<njg, 


Serlin unb granffurl a. 2Ä., ben 5. Csanuar 1899. 


Kummer 4. 


fas ©fnwrbfgjridjt 

ZTltttfyeüurtgen bes Derbartbes beutfd?er <f 5 ett>erbegend)te. 

WebaftionSauSfdjug: 

Stabtratlj Dr. glefih in Sranffnrt a. »J., Wemerbcrid)ter g^mteter in Berlin mib ©omeinberatlj JStüdtmager in Stuttgart. 

frMftftt t* «ri<K |««Mt|l«c frt« __ ^ Nl5 Will# 1 |B«rl. 

- «NT--'-'-"-V8 

Äoftcnfteie »eilage jut „Sozialen »rariö". 


»erlag t>on ©undet & £umblot, Öetpjtg. 


3nlj 

©ie Parteien unb bafl ©e tu erbe* 
g e r i d) t. »on 'Stabtvatl) Dr. % I e f cb, 

yyranffiiYt n. .41 

3 n r v e et) 11 irf) e n «Stellung ber 
.Heimarbeiter. II. »on »?. boit 
’Sdjulj, »orf. beö ©eioerbegeiicbtö j 

Berlin . 45 j 

gerfuflTung nnb gerfatjrf n .... 46 | 

»firgerlirfieö ©efefcbud) unb ; 
© e »e r b e o r b n u u g. 

■Auslegung beö §. *20 b>ö Gleiuerbc* 
geririjtc'geietjeö. 

#erijl|pmt)un 0 . 47 

3ft ber ftolontteufiiljrcr ben anberen 
»Mitglieberu ber Kolonne gegenüber 
SteHucrtreter beö »lUiimterneljnierö 
ober ift er fehlt Arbeitgeber ber 
MolonneV (©eiuerbcgericlit »erlin, 
.Uaunucr III.) 

3ft b.io Weiturbegericbt für 'Streitig* 
feiten puifeben einem fvelbnteffer unb 
feinem Velirlittg piftünbig? (Vanb* 
geridjt »erlitt I.) 

3ft ber ilüdiendjer ciueö ,£>otelö »e« 
trieböbeamter? Un.viftdiibigfeii beö 
©eiuerbegcriditö bei »etvieböbeiimten, 
bie mehr nlö (> .*/. pro lag erbalt.tr. 
(Keiuerbegcricl-t .Hamburg.) 


alt 

1. 3ft bnö ©ctuerbcgerirfjt juftftnbig 
für Klagen beö »Mafd)iniftcn eine« 
Srideppbaittpferö? 

2 ©eljört ein ft aut lieb geprüfter 
»Zafdjinift, in feiner ©igcnfdjaft alö 
»Mafdiinift einer ©dileppbaiupferö, 
ju bnt »ctricböbcmiiten utib ied)« 
niferu im Sinne beö §. 133a ber 
WemerbeorbnungV (©» »oerbegerid)t 
.Stiel. — .SUmigt. Vaubgericfct .Stiel.) 

3ft es ein OSruitb jur fo : ortigen CS*iit= 
laffung, unmit ein Arbeiter feinem 
»Mitarbeiter jurebet, fid) an einer 
Arbeitöeinftclluitg |U betljciligeu? 
»ebeutung beö »udibrurfertarifö. 
((ftemerbegerid)t in Siibbeutfd)lanb4 

©tntgungaamter. - : o 

©ie ©Tgebitiffc ber cnglifdjcn »er* 
fölimingöafte. 

I||rtigungöamter bei euglifdten .Han* 
bclöfamntern. 

fWeforili bet Conseils de Pmd’liomtnes 
in $ranfreid). 

gitteratur .52 

Dr. A. 231 o cf;, ©a§ ©ctuerbegeridjt. 

^nbaltöattgabe ber „Sojialcn »rariö". 


Abbrud fämmtlid)er Artifel ift ßeituitgeit unb 3«tf(briften geftattet, iebodj nur mit 
DoHet DueUenangabe. 


Bie Parteien unb baa (Öewerbegerid)t. 

»on Stnbtrnrr) Dr. Jvlefrfj, Ainnffuit a/9K. 


Vefanntlid) batte bet A-rauffurter »Jagiftrat eine Aeuberiiug 
bes bortigen hlemerbegeridjtsftatuts benbfidjtigt, roeldje insbefoubere 
folgenbc fünfte enthielt: 

1 . (iinfübning jtueijäbtiget ^abtperioben anstatt bet einjälj* 
rtgert, luclcfje bas bisherige Statut im Wegeufap 31 t alten anbeten 
Srtsftatnten uorficht. 

2. (Sinfiiljrung uoit »iSatjllifteii, meldjc im ^efeiitlid)en nad) 
bem uom berliner Statut gegebenen »iujtet geftattet fein foltten. 

3 . (Siufiibrung bet ^topottionalmaftl für bie "Bableit ber 
Arbeitgeber unb ber Arbeitnehmer. 

Xer »e^irf^au^fdjiig ,yi ©iesfbaben hatte bie beibeit eilten 
Aenbetnngen genehmigt, Die tc^tere abgelehut. Xer uom s Dcagi|trat 
hiergegen angerufeue ^roüiu^iataiH3fd)u& 511 Gaffel bat fid) biefer 
(intfdjcibuug angefdjloffeu. Xie ©riiube be^ ^roDin^ialauSfdjuffe^ 
liegen nod) nidit nor, fie merbeit aber f)offentltrf) an biefer Stelle 
^ur »eröffcutüd)ung gefangen, immerhin ftet)t bereite jept feft, 
bag ber »erfud), bie ^ufamineufebung bee Wemerbegeridjte in einer 
Art ,}it geftalten, iuetd)e auch ^ cn in ber 'Mnbcr^ahl befiubtidjen 
Parteien unb ontereffengruppen eine Vertretung im ^eroerbegeridjt 
ermögtidjh ,ynnid)ft gefebeitert ift. Xiee fdjeint um fo bebenftidier, 
ale gerabe in lebtet ^,eit bie ittagen bariiber atlgemeiu geworben 
finb, bag für bie V>at)l ^um ^emcrbegerid)t politifdjc Siücffidjten 
mehr ober weniger maggebenb feien. So h«t -v 5 «brifant 

»ieigerfeVerlin neuerbiiigs (im Aiibuftrie= unb VMinbetebtati) »e= 


1 fchwerbe barüber erhoben, bag bie Vertincr s BahlIiften c$ ben 
So^ialbemofrateu ermöglidicn, eine Weihe non Leuten, bie tbat= 
fädjtid) nidjt Arbeitgeber feien, bei ben (^erocrbegetidjtöiuahlcn abö 
Arbeitgeber auftreteu 311 taffen, eo fei alfo bie (Gefahr nid)t aus* 
gcfdjloffeu, bag bie So^ialbemofratcu and) bei ben Arbeitgebern 
im (^ewerbcgcrid)t Vliige erhielten, fo baft fie bann, ba ohnehin 
fämmtlidje Arbeiterbeifiper biefer Partei angehörten, bie Wiehrbeit 
im (s)ewcrbegerid)t befägen. Xic „A a t i 0 n a 11 i b e ra t e Ä 0 r r c f p 0 u = 
ben 3 " nimmt ben Wemfd)eiber Mraufciifaffeiifireif ,gun Anlag, um 
feft^nftelten, bag fidi bie fo^ialbemofratifdic Partei wie ber Mraufeiu 
fallen, fo aud) ber 6 )ewcrbcgerid)te 311 bemächtigen fliehe; eine Xt)at- 
fad)c, bie ja and) faum beftrittcu werben faun, wenn nictfadi, fo 
! 3 . V. in Sranffurt a/Di. bie ^nflfhöi’igfcit 311 m fojialbemofratifchen 
’^ahtnereiu ab Vorbebingimg ber Auffteltnug ab Maubibat für 
bas (ö)ewerbegerid)t oerlaugt wirb. Xie „berliner politifdjeu 
Wadjrichteii" madicn, inban fie bie gleichen «tagen erheben, beu 
! Arbeitgebern beu Vorwurf, baft fie fid) nidit gemigenb au ben We* 
wcrbcgerid)tswat)Ien betheiligten: ein Vorwulf, ber fidjer begrünbet 
ift. llmgcfelirt glaubt eine, uns aus (icntrumsblätteru befauntc 
«orrefpoubeu^ l«. (i.i bag bie nid)t fo 3 ialbc 1 n 0 fmtifd)c 11 Arbeiter 
fid) ba, wo Äahllijten beftäuben, 311 wenig an beu ^cwerbegeridits* 

I wählen betbeiligteii, unb empfiehlt ben fathotifchen Arbeitcroereiuen, 

! fiir Abfdjaffung ber ^abUiftcn etit 3 utreteu, bamit fie für bie 
fommetibcu (>)ewerbegerid)tswahlen bejfer gerüftet feien, 
i 3 u biefeit, tebiglich ber (imtwicfehuig bes (Mewerbcgerid)ts ge= 
wibmeten, feiner politifdicn ober wirthfd)aftlid)en Partei bienftbareit 
Vtättcru fauit nun natiirtid) bie Jyragc nidjt fo geftctlt werben, 
wie es in beu ncrjcidmeteii i'regftimmen gefcheben ift. Sirb ein 
I (s)erid)t einer politifdicn Vartei bieitftbar, fo ift bieS 0011 uitfercm 
: Stanbpnuft aus bas benfbar größte Hebel. Xas Voranftcllen ber 
! politifdicn Varteiangeböngfeit bei ber Auswahl ber Widjter mag 
s aber weuigftens ben Verbadit beroorrufen, als ob biefes llcbcl bc* 
ftelje ober im Atting fei. Anfofcrn fchäbigt jenes Vorgehen ber 
So^ialbemofratie bas Wewerbegeridit mehr, als alle bie oon uns 
1 ftets regiftrirten im neuefteu Veridjt bes Verliner ('Jeiucrbegeridjts 
fo nadjbrniflidi wieberbolten (frfläritngeu ber VorMpenbcu: baf) bis* 
her bei ber Wcdjtiprcdjnng fid) nod) feinerlei fd)öMid)c (Sinwirfnngen 
gezeigt haben, wieber gut machen Fönnen. Anbcrfcits ift aber aud) 

I nicht bie A-rage bal;in 311 ftellcn: „Sie hält mau bie So^ialbemofraten 
I oon ben Vlätsni als Arbeitgeberbeifiper fern?" Xie A-rage lautet 
iuelmef)r: „V?ie erreicht mau, bag ein (sfemerbegeridjt wirflid) bie 
! Wceinung aller widitigeu (Gruppen ber Arbeitgeber wie ber Arbeit* 
! uebmer 311 m Ausbrmf bringt?" VJenn 3 . V. int Wheiiilanb eine fleiue 
! fo 3 ialbemofrati[die Wiajorität bie fleiifaleit Arbeiter jebeu Giiiflnffcs 
; auf bas Wewcrbegeridit beraubt, wenn aubcrSwo inellcidjt bie .^anb= 
i werferpartei bei ber (^ewerbegerichtswal)t eine «anbibateutifte purdj* 
| fept, wcld)c bie (sJrogiubuftrie ober bie ^snmmgsgegner nidit bc* 
rücffichtigt, fo liegt prinzipiell ber glcidjc Hebelftanb oor. Jsiu ^)e= 
werbegericht folleit nidjt mir perfönlicf) ehrenhafte Vuimicr fipeit, 
weld)e 31 t einer Wed)tsbcuguug in $artei*Antcreffe 311 oornebm 
finb - - foldje 31 t fittben, oermag jebe Partei, audj bie fozialbenu^ 
fratifdje! — fonbern bie Vcifiper bcS IMewcrbegertdits foffen, ab« 
gefehen 001 t ber perföulichen ( 5 'bi‘euliaftigfeit and) im Staube fein, 
in fid) alle Wichtungen im bewerbe 31 t repräfeutiren, alle Aittcreneu 
aus eigener Sahntehutung 311 beurtheilcit, — unb biefent C 5 r= 
forbentig oentiag naturgemäg feine einzelne Partei geredit 311 
werben. 

Gs fommt alfo baraitf au, fämmtlidieu Parteien eilte Von 
tretnug im htewerbegevidjt 311 fd)affen. Sb mau hierbei an bie 
I politifchen ober ati bie mirtbuhaftlidieu Parteien beuft, ift faft 
; uebeu!äd)lid), weil beibe fid) wenigfteus bis 311 einem gewiffen 










43 


©cmcrbcgcridji. Sföitthcilungcn bc$ SSer&anbeS bcuffd^cr ©eroer&egerichte. $r. 4. 


44 


Oirabe becfeit. Die flehten viaubioerfer finbcn, iiifofcm fie 3 ünftler 
fiub, oielfach Anlehnung au bie fonfcroatiuc Partei, infofern fie 
es nidit finb, refnitiren fie fid) aus ber fo^ialbcmofratifdjeu nnb 
bemofratifd)en. Manflciite nnb ©rophibitftrielle vertreten mehr bie 
politifdjen VJittelparteicu, 5 ortfd)ritt, AatioitallibctalismuS u. f. to. 

Die Ginriditung ber S£af)lliftcn faitn zur Grrcichutig beS 
3 ieles natürlich nid)ts beitragen: fie fann im heften Jallc bie Via* 
jorität oerfdiicbett, alfo einer Partei bie Alleinherrfdjaft im ©e* 
toerbcgerid)t fdiaffcn ober fidjern, bie fie ohne Vkhllifteit nicht 311 
erlangen ober 311 behaupten oermödjte; aber fie fann nid)t bc* 
mirfett, bap bic VfinoritätSparteien 311t Vertretung gelangen. Vkmt 
3. V. in Jyranffnrt a/Vf. bie .fiaubmerferpartei bie Ginrid)tung oon 
&at)IIifteu geforbert bat, meil ohne V?ahllifteit £cntc, bie an fid) 
nur Arbeiter feien, als Arbeitgeber mahlen fönneu, nnb menn §>crr 
Weigert in bem oben ermähnten Attffap aus bem glcid)cn ©ruubc 
eine oöllig oeräuberte Art ber Aufstellung ber Vkhllifteit für bas 
berliner ©emerbegeridit forbert, fo mag es ja uielleid)t richtig feilt, 
bap burd) beibe Sorbernngen einzelne teilte oont s 3£äl)Icn als 
Arbeitgeber abgebalteu mürben: aber es ift gang fieser, bap hier* 
burd) bic oorbanbenen llebelftänbe nid)t beseitigt mürben. 9 lic^t 
bas ift bas llebcl, bap einzelne Verfetten wählen, bic nad) einer j 
ftrengeren Auffaffung bcS oont ©efep nicht befinirten VegriffS 
„Arbeitgeber", nid)t Arbeitgeber fiub, fonbern oielmehv, bap unter 
Umftänben bie Abftimmnug biefer menigen ^erfoneu 
über bie 3 ufauimenfepuug ber Arbeitgeberlifte nnb bamit über bie 
Majorität im gait3en ©emerbegeridjt eittfd)eiben fann. 

Amt ift 3itnäd)ft flar, bap biefeut Hebel nid)t entgegen ge* j 
arbeitet merben fann, fo lange bie zufällige Majorität ber Ab* j 
ftimmeuben mit einem Schlage über fämuitlidjc Vfaubatc cntfdieibct. 
Sn allen Stäbteu, in beueit nur ein Vhiltlbezirf beftcl)t uub fämtnt* 1 
Iid)e Vfanbate glcid)3eitig burd) einen iÖahlaft befept merben, ge* ' 
uiigt ein Vfcpr oon einer Stimme für eine Partei, um ihren ooll* ! 
ftänbigen Sieg zu fiebern. Die Schaffung räumlid) abgegrenzter j 
iBahlbezirfe, bic freilich in anberer Art oiel Hu3uträglicf)fciten haben, | 
mag hieran fcfioit ctioas belfern. Gs fann fein, bap in einem Stabt* , 
beeide bie ©ropitibnftrie, in einem anbereu bas flcine Jpattbmcrf 1 
au 3^61 iibermiegt, bann mirb in bem einen Vezirf bic ^anbmerfer* \ 
Partei, in bem anberen oielleid)t ein bie ©ropinbuftne bciücffid)ti* j 
gettber Rottel liegen. GS fann and) fein, bap in einem Stabt* | 
bejirfe bie uirf)torgauifirten ober mit ber fojialbemofratifehen Crga* I 
nifation nid)t überciuftimmenbeu Arbeiter bie Vfebrl)cit erlangen, j 
Sie merben alsbaun im Staube fein, mcnigfteuS einige Vfanbate | 
burd)3ufepeu, mähreub jept alle Arbeiterbeifiper ber fojialbemofra* j 
tippen Partei angeboren. GtmaS Acl)ulid)cs mag erreicht merben, ! 
menn bie Arbeiter ober Arbeitgeber nad) Verufsgrnppen mäl)Icn, j 
mie es 3. V. in Möltt ber £yall ift. bereits im Saprc 1Ö0T mar i 
in biefeu Vlättern (v>aprg. Ill Ar. 2 Sp. 19 ) über bie bantaligcn j 
Wahlen 311m .Stölner ©emerbegeriept eine fepr intcreffante Tabelle 
ocröffcntlidjt, bic ausmies, mie bort in einzelnen ('»Jemerfen bie j 
flcrifaleu Arbeiter bas Hebergemid)t über bie fo^ialbciuofratifd;en j 
erlangten, fo bap bie eiufeitige Vefepung bes ©ciuerbcgericpts burd) 1 
Vfanbate nur einer Partei ocrtnicbcn mar. Gtmas Aehitlidjes fann i 
enblid) bemirft merben burd) bie oon oielen Statuten oorgefepene | 
Vermeibmtg ber Dotalcrncuermig bes Wemerbegeridits, fo bag 3. V. I 
Iui breijähriger V>apl jebes Saht* ein drittel ber Vfitgliebcr aus* | 
feheibet. Giue VPipl, bie oielleidjt in einem Sahr unter bem Gin* ; 
brurf ber Grbitternng über ein Attentat ober eine beftimmte ©efeges* : 
oorlage oorgeuoutmeu mirb, ergiebt ein anberes Aefnltat, als bie , 
|Ü ruhigerer ;>eit oorgenommene 2heileruenernng. j 

Aber alle biefe Ansfunftsmittcl treffen bod) beit Ment ber Sad)C | 
nidit. Sie überlaneu es jufälligen ober millfüriidien Hmftäubeu, ber , 
augenblirflidien 3 a hl ber Arbeiter in einzelnen Sabnftrie^meigen, ber , 
väiimlidjen Abgrenzung eines einzelnen SÖahlbiftrifts, bem äugen* 
Miiflidjen Ginbrurf irgenb einer Ihatfachc, ob biefe ober jene Partei > 
zum Sieg gelangt, liub fie fiebern nidit basjenige, morauf cs an* 1 
fommt, bie Venuffiriitigiiug amb ber Aiinbcrl)eit, ber au 3ahl ' 
febmächereu ^huppen. Siefe ift jent rein bem guten Viilleu ber [ 
uumcrifdi Härteren Vanci überladen: nnb auf beu ibealeu 3uitanb, i 
bei fofort allen Vefdimerbcu ein Gnbe machen mürbe, bag bie , 
Ttärfereu Vai'teieu bei Aiifftelluug ihrer Maubibaleu freimillig 
bie Heinaeu, ihnen feinbliibeu Gruppen berüdfiditigcii, ift nun 
einmal nidit 311 rcdmcii, io lange bas Gicbot ber Sciubesliebc and) 
außerhalb bes 10 ir 11 )fd)af 11 idie 11 Mampfes fo allfeitig unbefolgt ge* 
Kaiicu wirb! 

Vis zum Gintritt biefes ibealeu ^biitaubes bleibt alfo ber jent 
tuu'haubcne Aehler in ber ^{iifaimneiifepiiug ber (^emcrbegcriditc 
beftehen, ber bariu liegt, bag in einem VSahlbezirf ober in einer 
VSnblperiobe ganze <Hemerbegnippeu uuocrtreteu bleiben, meil fie nur 


500 Vertreter hohen, mähreub eine anbere ©ruppc 501 Wähler 
fanb. Unb biefer fehler mirb nid)t baburd) mieber gut gemacht, 
bah anbersmo ober ein aubercS i)?al ctroas AchnlidheS 31t Ungunften 
einer anberen Sutercffentcngruppe gefd)ief)t. Am aUcrmeitigften fann 
es oerföhnetib mirfeit, menn bie Anhänger einer gemerhli^en SRictj** 
tung ober einer politifd)en Partei glauben, mir baburd) oon ber 
^heilnahme am ©emerbegerid)t auSgefchloffen 311 fein, bag ein 
ftinftlicheS Vorgehen hei Aiifftelluug ber Söahlliften ober 
eine millfürlid)e Qnterpretation bcS VegriffS „Arbeit* 
ge ber" fie baran oerbinbert höbe, bie Viclirheit, ber fie gan 3 nahe 
mareit, mirflid) 311 erlangen. 

S^aS i?eptere ift ber 3-all, menn bie tf orreftur baburch ge* 
fchaffen mirb, bap in bem Statut irgenb eine Definition bes 
VegriffS „Arbeitgeber" ober „Arbeiter" aufgeuommcu mirb, roelche 
einzelne Matcgorien oon ^erfoiten, bie juriftifd) borfhin gehören, 
ausfd)liegt: mobei bie örage gan3 bei Seite gefept ift, oh 
baS Statut eine folche Hnterfd)eibnng oornchtneit fann, ba bodi 
baS G)cfep mohlüberlegt nur bie allgemeinen Vcgriffe cinführte. 
Vtan fann fieser oorfchreiben: „Als Arbeitgeber * ift mir mahl* 
berechtigt (ober: „ 3 n bie SSahllifteu ber Arbeitgeber barf mir auf* 
genommen merben"), mer in feinem Giemcrf 3101'i ©cl)ülfen bauernb 
mit gemerblidjen Arbeiten (im ©egenfap 31t häuslichen Dicuftcn, 
AeinigungSarbeiten, AuSläuferftellcn u.f.m.) beschäftigtober: „Als 
Arbeiter fann mir föälilen, mer 3111* 3^1 her 2 Bahl bei einem 
mablbcrcd)tigtcn Arbeitgeber in Arbeit ftef)t, fo bap bic fleinen 
Arbeitgeber aus .fmnbmerf ober .vianbel ebenfo anSgcfchloffeit finb, 
mie bie rjan^c 3 ahl ber ArbeitSlofen. Aber felbft menn bies ge* 
feheheu i)t, bleibt immer bie Vefepung bes ganzen ©cmerbegerichts 
oou bem 3ufäIIigen Hmftanbc abhängig, ob bie eine Partei ober 
bie aubere einen Viamt mehr 3äl)lt, be^iehungSmcife ob fie einen 
Via 1111 mehr 3iir Eintragung in bie Säf)Icrlifte nub zur Abftim* 
mung gebracht hot. 

©erabe hier greift aber bic Weiterung ein, bie ber SRagiürai 
oon Jronffurt am Viatn auf Antrag beS bortigen ©cmerbegeridjts 
einjufühven beabfichtigt. Die Vrop’ortionalmal)l, b. h. bie Vcr* 
tl)eilitng ber (Pemäl)Iten auf bie ciii^clucn bei ber V?aljl bnrdi 
Aiifftelluug befonberer Vorfdjlagslifteu heroorgetreteueu Csutcr* 
cffeuteugriippcn, oermag feine ber Hnflarl)eiteu 311 hinbeni, mcldie 
jept burd) bie Hnbcftimmtheit ber Vegriffe Arbeiter uub Arbeitgeber 
gcfd)affcn finb, unb feine ber gärten uub Hubegiiemlidifeitcu, 311 bc* 
fettigen, bie mit Aufftcfluitg oou V$al)Üiften ober mit 3 ei 'iht'iiuug 
ber Wähler nad) Verufsgruppeu ober Stabtbc3irfcu oerbunben finb. 
Aber fie fdimäd)t bereu Gffeft: fie. oerl)inbert, bap ber Unfall 
über bic Vefepung bcS G 3 emerbegcrid)tS cntfdieibct. ©eben heute 
— mit V>al)lliften ober opue VJaplliiten — 501 3unungslcntc, 
300 ©ropinbuftriclle mtb 200 inmtitgSgegnerifd)e flehte .s 5 aiibmcrfer 
ihre Stimme ah, fo fomtnen lebiglicp bic itaubibaten ins ©emerbe* 
geridjt, meldie oou jenen 501 aufgeftellt fiub. Dies mag als 
meniger fdjlimm crfdieiuen, fo lauge man mir baran benft, bap 
bie Sitmingert bic Giropiubuftric nid)t gait3 uuocrtreteu lajicn 
merben, uub bap mentgftcns bic So3ialbemofraten unter beit 3 n* 
mtugSgegnern ihre Veoamhe bariu fiitbeti, bap ja aud) bic fo^ial* 
bcmofratifdien Arbeiter bie nid)tfo3ialbemofratifd)en crbarmmigslos 
ans bem G)emerbegerid)t oerbrängeit. ©crcd)t ift es aber nidit: 
geredit märe lebigitdi, bap in biefeut ivall bic CsmiuitgSlcute bie 
Öälftc, bic ©ropiubuftrie a /io unb bic ^ummgsgeguer -, to ber 
Manbibaten erhielten, mie fic 5 m, fu'310. 3 /i 0 uub 2 / t0 ber Stimmen 
erhalten hohen. Das erfte SHefuItat ift bie Aolgc bcS Vfajoritäis* 
priipzipS bei 3 öhlung ber abgegebenen Stimmen, bas lepterc bas 
bes V r 0 p 0 r t i 011 a I p r i n 3 i p S. 

Vollfoimnen ift allcrbiugs and) bas Vroportionalpvinzip 
nicht: bie 300 GJropiitbuftrielleu, bic oiele taufeube. Arbeiter he- 
fdiäfhgen, mögen in ber oiibufirie ber Stabt unb für bas cu* 
mcrblidic i'ebeit eine ganz anbere Volle fpiclen, als bie 501 3*u-- 
unugsinäituer. Aber biefer Giuflup läpt fid) mm einmal nidit mit 
3iffcnt, and) nidit mit Manbibateuzitferit barftellen. Gs foitum 
barattf an, bap jebc Vidituug burd) oou ihr gemählte Vertrauens¬ 
leute im GK’merbegeridit oertreteu ift, bap feine Partei baS bchaiv 
liehe Glcfiihl hat, bap fie bic (Gutachten mtb Anträge, bic fic bitrcii* 
fepett mifl, gemiffermapeit auperhalh bcS ('»lemerhegcridits znredit» 
tttadieu fann, meil ja bod) fein (Gegner ittt ©cmcrbegcridit in 
Viiiieu 3 . V. bie Sozialbentofratcn, bap fic int (^emcrbegerid)t nicht 
[ozialbemofratifdien Arbeitern begegnen iniifjen, mcldie unter lim- 
ftäubeit fid) als ©egiter oou Varteianträgen befenncu, ober meldie 
an beu außerhalb bes ('»lemerbegeridits gepflogenen Verathuinzen 
fidi nid)t betheiligen, fo mirb biefe uiditfozialbcmofvatifdic Vitnber* 
heit fofort oon mefeutlidinn Giuflup auf bie Haltung ber foziaH 
bemofintifdieu Vtajorität merben: ebenfo mie ber Giuflup bn 




47 


da§ ©crocrbcgeridfjt. Mittljcilimgcn be3 SBcrbanbcS bcutfdjer ©erocrbcgcrichte. $Rr. 4 


4C, 


roeitigen fo^ialbemofratifdyen Arbeitgeber gar mancher allju ein« 
Zeitigen Gcltcnbmachnng De* 3nnungS)tanbpitttfteS entgcgenroirfen 
mürbe. Mer alfo bie Minoritäten im Geroerffegerid)t munbtobt 
machen roitt, meil biefe Minoritäten bei ben Arbeitgebern oorauS- 
ficbtlid) fo3ialbemofratifd)e fein mürben, ber muh freilich fiir bc- 
fdiränfenbc Snierpretation beS Arbeitgeberbegriffes unb genaue 
Prüfung ber ©inträge in bie Mal)Uiften cintreten. i l er bagegen 
gerabe umgefebrt allen Minoritäten, auch — bet ben Arbeitern — 
ben nid)tfogialbemofratifd)en, Gelegenheit 3»r Gelteubmachung 
fd)affen mill, ber muh bie Ablehnung beS proportionalroahlfpftemS 
bnrd) ben Maifeier propi^ialauSfdmh bebanern! 


3«t redjtlldjeu Stellung ber Heimarbeiter. 

bouGerocrberichterM.o. SdjuI 3 ,borftfccnbcmbeSGcrocrbcgcrichtSSÖerÜn. 

II. 

(Vgl. Ar. 53 bes „Mciocrbcgcrtdils".) 

Aach bem (Gutachten bes Geroerbegerichts 311 Dffenbad) arbeiten 
bort bie Heimarbeiter in ber Portefeuille-, Pofamenten- nnb 
Sdnihinbuftrie „auf Stiicf" für einen ober mehrere $abrifantcn. 
8ic uerpfliditen fid), gegebenenfalls nur für einen Öabrifanten 311 
arbeiten ober fief) einer geroiffen Montrole feitenS ber jeroeÜigeit 
Arbeitgeber 3U untermerfen. diefe pcrfoneit arbeiten nach bent 
(Gutachten mit einer Sclbfiäiibigfcit, meltfjc beteiligen ber HouS* 
gemerbetreibenben völlig glcichfotnmt. Mir finb anberer Anfidjt 
nnb berufen uns für biefelbe auf eine Entfdjeibung bcS Geroerbe- 
gerid)ts Verliit. ©s beifit bafelbft: Menn es gilt feft^uftellen, ob 
ein Arbeiter felbftänbig ober unfelbftänbig ift, fo mirb nid)t bie 
perföitlicbe VeroeguitgStreihcit ols Mafeftab angelegt merben fönneu, 
foubent eS mirb lebiglid) auf bie roirtl)fd)aftli<he Stellung au* 
fotnmen, bie ein foldjcr Arbeiter einuimutt, insbefonberc mirb 3U 
prüfen fein, ob er einen eigenen Setrieb h°t ober nur als 
Xb^il eines gröberen Gefd)äftSorgaitiSmuS an3ufeben ift, ob alfo 
ber Verbicnft 2ol)n ober Utiternehmergcroiitn barftellt . l ) Aäljer 
hier auf bie Merfmale ber uufelb|täubigen .^ait^inbuftriclfeii ein* 
3ugeben, unb beren &age 3U unterfueben, memt fie für mehrere 
Aabrifaitten arbeiten ober felbft Gefetten unb Lehrlinge halten, 
mürbe 311 meit führen. 2 ) Mir glauben, aber fd)on tiad) ben bis¬ 
herigen Erörterungen mirb man babin entfd)ciben, bah bie gegen 
8 t lief lohn tbätigeu 0ffeitbad)er Heimarbeiter, fobalb fie, mie ge- 
fd)ilbert, einem Arbeitgeber fid) binben, als uitfelbfiäitbige gemerblicbe 
Arbeiter beirad)tet merben müffen. Mangels befouberer Vereinbarung 
ftebt ihnen bal)cr bie 14 tägige MüubigiitigSfrift aus $. 122 ber 
Gciucrbeorbttitng 311. die, mie bcridjtet, in ber ^ortcfeuillcbraiiche 
gepflegte Hebung, trofc ber Scftimmung beS $. 122 a. a. 0. unb 
ohne Abrebe beS MüiibigungSauSfd)lu)fes eine Müubiguiig nicht 
inuejuhfllteu, barf oott bem dichter nicht berü<ffid)tigt merben, meil 
bie Gcrocrbeorbmtng als 9icid)Sred)t niemals bnrd) L'aubeSgeroohu* 
lieitsrecht refp. 0bferuan3en berogirt merben faiut. 3 ) 

Mir hoben nunmehr noch fiirj bic oon bem Cffenbacher Gut¬ 
achten in S0311g genommenen $$. 119b unb 125 a. a. 0. 3U berühren. 

diejenigen, melche bic Heimarbeiter ber «Silage ber «HauS- 
gemerbetreibenben jumeifeu, folgern aus bem 3ul)alt bes 119 b, bah ; 
bic in biefetn Paragraphen genanntenPcrfonen nidjtunterbü\Stategorie | 
ber im Vif. Xitel bebaubeltcit Arbeiter fallen, ba fonft bie 115 
bis 119a ohne MeüereS auf fie Anmeitbung fittben müßten, 
nnb bamit bie Veftimmmtg bes 119b iiberflüffig märe. 6ie 

berufen fich 3ur lluterftübung ihrer Meinung ferner auf §. 4 bes 
Ekroerbegerid)t*gcfefccS unb auf bas bort )id) oorfinbeitbe Mort 
„Heimarbeiter''. Eine folche debuftion aus $.4 a. a. 0. ift nach 
nuferer am Anfang biefeS AuffajjeS getroffenen yveftftelluug unhalt¬ 
bar. Aber auch bie EntitebuugSge|d)id)tc beS §. 119 b miberlegt 
biefe Gegner, melche bcn Heimarbeitern ihreUufelbftänbigfcit beftreiten. 

die Cuette unteres 119b ift bie königliche Votfdjaft 00m 
2t. 0ftober 1848 au bic 3111* Vereinbarung ber Verfaffuug berufene 
Aationaluerfammlung. die Votfd;aft enthält bai Elefehentmurf 
3um 8d)upc ber Sabrifarbeiter gegen bie bei ^Berechnung ihres 
Arbeitslohnes in mehreren öabrifbiftriften h err f l h en beit unter ber 

b 3ielie and) Eutidicibuug bcc* ©rohh^oglidi Vabtfdjen Vor* 
maltimgv'gcrid)t«if)ofes 0011 t 27. April 1^07 in ber „Arbciirr-Vcrforgnug" 
oout 11. 3?(är3 isiis XV. Jahrgang 8. 1^"> ff. (Arbeiter ober ielbfiänbigcr 
('ieioerbetretbenber?) 

*l 3tebe hierüber M. 0 . 9di 11 1 3 a. a. C. 8 . 72« ff. 

3 » Recife, Vergleidienbe darftcllung be^ Vitrgerlidteii Mcfcplmrijes 
für bas deutidie Acidi unb bes preufüidicn Allgemeinen Vfanbredits. 
Einleitung 9. *J4 unter II 2. 


Benennung Xrucffpftem befannten Migbräuche. Man hotte allein 
im Auge, neben beit Aabrifarbettern bie Heimarbeiter unb HanS* 
gemerbetreibenben, melche für ^obrifherren Arbeiten leiflett, oor ben 
Unterbrücfungen berfelbett 3U beroahren, unb lieg bie Heimarbeiter 
ber HoubmerfSmeifter 2c., meil für biefe fein Vebürfnifc oorlag, bei 
8cüe. Als jeboch 1878 bie Aooelle gefchaffen mürbe unb bie Ve* 
ftimmungen gegen ben Xntcf in ben allgemeinen Xheil bes 
Xitel Vll oerfcht unb hiccburd) auf fämmtliche geroerbliche Arbeiter, 
alfo auch attf bie Heimarbeiter ber HanbmerfSmeifter, auSgebchnt 
mürben, überlegte man nicht, ba& ber 3nl;alt beS 119 Ab). 2 
(jefet §. 119 b) cigentlid) nur noch für bie HouSgemerbetreibeitbeit 
beftanb, 1111b oergab, biefeS fcharf 3um AuSbrucf 3U bringen. 4 ) 
Airgenbs ift inbefe eine Anbeutung oorl)anben, baft ber Paragraph 
bie fonftige geroerbliche Stellung ber Heimarbeiter geänbert hätte, 
nnb bafe biefe ber SHeihe ber H aug 9emerbetreibenben unb Unter¬ 
nehmer angeboren follteu. der §. 119b entbehrt fomit jeben ©in- 
fluffeS auf bie Vert)ältniffe ber Heimarbeiter. 

UebrigenS ift ber Snhalt beS Paragraphen in bem ©utad)ten 
nicht richtig miebergegeben. der Sehter beruht, nach ben Eitaten 
3u urtheilen, auf einem offenbaren Vorfeben. Mir fönnen fobamt bem 
©utadjten, na^ melchem aus bem 125 Abf. 3 a. a. 0. fich bie 
EHiltigfeit beS AbfchnittS II beS XitelS VII ber (^emerbeorbnung 
für bie Heimarbeiter ergeben folle, nicht beipflichten, dafe oon 
0anbmanit 5 ) biefe Anficht beS VegutathtiuigSanSfd)uffeS bes 
0ffenbarf)er ©cmerbcgerichts thcilt, ift unrichtig. 

§. 125 Abf. 3 a. a. 0. ift eine Vorfd)rift, melche fich gegen 
ben ben How^öemerbetreibenben oerleitcnben Arbeitgeber 3U EJunjten 
bes gefdjäbigten Arbeitgebers richtet, die Heimarbeiter fomrnen 
hier garnicht in Vetracht, cbenforoeuig mie ber Paragraph eine 
Haftpflicht beS H au§ 9 c merbetreibcnbeu ftatuirt h fl t- ®ei biefer 
Gelegenheit motten mir jebod) ermähnen, bafe Iciber bie Motioe 3um 
125 Abf. 3 oon „Arbeitern, meld)e aus einem beftehenben 
ArbeitSoertrage anberen Arbeitgebern noch verpflichtet fiitb u.f.ro " 
fprechen. Sie mürfelu bemnad) bie Hov^gemerbetreibenbeu mit beu 
Heimarbeitern anfd)einenb ^ufamuten. 

Aus bem oon uns Vorgctragenen unb aus ber oorhanbenen 
^itbifatur biirftc nicht 311 verfemten fein, bah bie rechtlichen 
ftänbe ber Heimarbeiter unb HauSgeroerbetreibenben 3«r ^oit 
immerhin nod) red)t unflare finb. Mir möchten hier nufere Vor¬ 
schläge 311 r Abhülfe, melche mir an anberer ©teile gemacht hoben, 
miebcrholcn: Es ift ein befouberer Abfdjnitt „Heimarbeiter" beut 
Xitel VII ber Elemerbeorbnung ein3ufügen nnb fomol)l im $. 1191) 
als im i?. 125 Abf. 3 atyugeben, bah beibe Veftimmungeit iebiglid) 
für bie Housgeroerbetreibenben gelten, die Ausführung biefer 
Vorfdjläge mirb faiiut auf 8d)roierigfeiten flohen, nachoem bic 
Hanbmerfernooelle mit ber Aufnahme beS Vegriffs „HouSgemcrbe* 
treibenber" ben erften 8d)ritt gethan hot. ©elbftoerftänblich muh 
es ber 0pru<hpra£iS iiberlaffen bleiben, oon ^att 3U ?yall bic 
Eigenfdjaft ber HouSiubnftrietteu 30 beftimtneu. 

3mn Schluh möd)ten mir nnfer Vebettfen äuhern, baf? ein 
Gcmerbegericht oon feinem VegutachtungSauSfchuh itt Pr030)5 = 
fachen fid) ein Gutachten erftatten Iaht. (§. 70 beS Gemerbegerid)ts- 
gcfeheS.) 


VecfaDung unli Serfal)«n. 

bürgerliches Gcfe^buch mtb GetvetBeotbuung. Aadi §. <>2*; 
bcS Vürgcrlichcu Eicicgbitd)cs fanti bas dieitftocrliäIliiti; 
von j ob ein 21) eil 0 f) 11 c ©in baltung einer künbtgungvftiü 
geFiinbigt merben, meun ein midjtiger Ehttitb oorliegt. 

Aaci) ber Wemcrbcorbniing fanu eine Veeubigitng bes 
ArbeitSoerbältniffev obitc ©inhaltuug einer küubiguug nur 
aus beu Griinbeit ftatthabcu, bic in ben 12‘2 unb 1253 fatn = 
logifivt finb. 

das Einfnlirungsgcjcp 311111 bürgerliche 11 Weiepbud) 
läj)t biefe beftimmungen itnermäl)nt. 

Es fragt itd) nun: kann audi nad) Eintreten bes bärger- 
lidieu ('ieicpbndjcs nur bei bent borljanbenfetu ber tu ber 
Weioerbeorbnuug aufgc3ä l) Iten Griinbe ein gemerblidics 
ArbcitsoerbäItnifj gefiinbigt merben? tber ift fiiu ftig bic» 
jcber3eitigc Auflöfung überhaupt beim borbaubenieiu 
10 i d) ti g e r Wrii it b e ft a 111) a ft? 

Mir erfitcf>cn um Aeuhcriingeu über biefe prattiidj unb 
tlieorctifdi gleich midiiige R-rage, bic von nerf diiebnien 
9 citen bei uns angeregt marb. 

der Aebalti ousaiisidiii!',. 

■’i 9d]cnfcl, koinmentar 3111' Gemcrbeorbnuiig, Aotc 2 311111 
11 Dl), bb. 2 8. 5517 , 2. Auilnge. 

5 ) 0. üaubmaun, kontmemar 3iir Gemerbeorbnung, Aotc n 311111 
sj. 125 3. 22 . 7 , o. Auflage. 



48 


$a$ ®etüer&egericf)t. SRittljetlungen be§ VerfmnbcS bcutfdjcr ®froerbegertdjte. Ar. 4. 


Auslegung beo §. 29 be$ ©ettjer&egeridjtögefetjefif. Seitens? bet 
Arbeitcricfrcrariar» -IV i'i n ific n geht uns? folgenbe Anfrage ;u: 

Viiindien, beu 2<i. Aooember IW. 

Ju Aarhfteheubem geftatreu mir uu», Jhucu einige Anregungen 
tu’tioffriiir» Auslegung be» §. 29 bes (Gcicflcs über bic (Gcmcrbcgeridiic 
uum 29. Juli 1H9U \w unterbreiten nub obrer gefälligen Vcrücffidttiguug 
jü empfehlen. 

Tie Jaffuug bes? be^iiglidjeit Varagraptieu: .uub ^eriunen, 

meldie bas? Verhaubclu nur’ (Gericht gefchäftsmäßig betreiben, merben 
alf iHm;,cßbeoollmäd)tigte ober Veiftäubc nur beut (Gcmerbegeridit nidit 
Vigelaüen," mirb in ber Vrari» fein* uertdiieben gelmnbbabt. - ^ln^ 
beut Vcrirfjt ber Tsrauffttrter Au»funfts?ftclle für Arbeiteraugelogeubcitru 
ootit Aooember Istvir» bis? TVär$ 1897 - erleben mir (3. 2* 1 u. 21), 
bar, bie Thätigfcit firii nidit bloß auf bie O'rtlieiltiitg non Atmfuuft nub 
eonituellc Vermittlung ^miidieu beit [treitenbeu Parteien er [t reifte, fottbertt 
cs? mürbe in einzelnen füllen auch bie Vrojeßuertrctnug einer gartet 
nor beut (Gnoerbcgcriditc übernommen, bie* aber immer nur bann, 
meint bie belrerfeitbc Partei ielbft an ber VMhruchmwug be* Termin* 
biirdi M rauf heit ober Abmcfcuheit oerbinbert mar. 

Aus? bieicut Rendite fdieint beroorjugebru, bau bas? (Gcmerbegeridit 
Jrauffurt a. Vf. in biefer Vertretung ieiteu* ber Au*fuuititcllc Jeinen 
fernen gegen §.29 be*(Gemerbcgeriditsgcfctve*erb lieft. Cfiucn gleidien Staub- 
puuft nebttten and) nubere (Gcmerbegcricbtc, [o bcifpiel»mciic Berlin, 
ein. Unteres? Crrnditen^ ftebt biefer Stanbpuuft and) oollftäubig im 
otnflattg mit beut Stinte be* (Geiene# tomobl als? andi mit beut Billett 
bis? (Gcfepgebcr*. (5r entipridit aber and) beu totalen Jinorbertiugen 
bes? prnftiidieit Gebens?. So fein* es uothmeubig unb crmüufdd ift, baß 
bie Arbeiter immer, mo es? ibueu nur möglich ift, ihre 3adie fclbft oor 
beut (Gcmerbegeridit uerireten, ebeut'o uothmeubig ift es? and), baß bie 
Arbeiter, meldie bitrd) .SJ rauf beit ober Abmcicubeit uerbinbert fittb, fidi 
oott bett ngeftcllteu ber Arbciter-Au»fuuititclleu, Arbeitcrfefrctariatcn :c. 
oertreten laffeu föuncit. Tiefe Jnftitutr fbitueu ihre* befauuteu huma¬ 
nitären (ibaraftcr* megeu red)ilidi nidit als? ^uftitute, tueldje bas? Ver= 
baubeht oor (Geridit gefdiäitsmäßig betreiben, betraditet merben. 

Tic iepterc XMitffaffuug mirb nun aber bodi oott einzelnen (Getoerbe- 
gerirbteit, baruittcr and) Viiindieu, uenretcu. 0*iu Arbeiter, ber oon 
V<imd)cn ttadi ^toqbcint oer^og, beauftragte ba» "Mrbeiterfefretariat mit 
feiner Vertretung, bie aber uadi f:. 29 bes (Gernerbegerid)ts?geieue* braimaubet 
mürbe, Veanftaubct merben hier and) foldie Vertreter, bie in ihrer 
3telluttg als (Gcmerffdiaftsleiter mehrfad) mit Vertretungen betraut 
merben. ÄVan hält firii babei au beu ftarvett Wortlaut bes? (belebe«, 
ber in biefem engen 3iuue fidierlid) nicht aufgefaßt merben füllte. 

Ta bie 'Angelegenheit im Allgemeinen oon miditiger Vcbemuug 
iit, io geht nufere Anregung bahiu, ob Sie nicht oielleidit (Gelegenheit 
ui l. men möchten, fie in beut „(Gemcrbegerid) t" |u bebaubelu. 

A>odiachtung*ooU 

A r beit e r fe fret a ri a t :V1 ii tt rij e u. 

A. ÜViihlbaüer, 3efrctdr. J* Tiiititt, 3efrcidr. 
* * 

Vöir erfudien um Arußeruugcu über bie Trage! 

v. 29 üh liegt Verfüllen, meldie bie Vertretung „ gef diä f tsiuäßig^ 
betreiben, ans?. (Grid)äftsmäßig ift nidit „gemerbsntäßig" (§. ohn, 
>. n:;b u. §. Uh b. <G.=£.). legreres? tdiließt bie Abfiriit ber ^ryclttttg 
eines? (Geminues? bitrd) bie mieberboltc Ausübung einer Tbätiglcit in 
fidt; entere* biirfte bie burdi bie Vfliditcu bes? übernommenen Vcritfs 
gebotene Thätigleit an fidi bebenten, meint bie betreffenbe Thätigfeit fo 
ot| nub fo regelmäßig geidtieht, bat; fie bie Stellung eines .Wann es in 
feinem Vertu diarafteriiirt nub ihm ’gt auberer Tln'uigtcit bie v ';eit be¬ 
nimmt. 


T't ber M olouneuflhrer beit anbereu ilVitglieberu ber 
Mo Ion ne gegenüber 3 teil oer tretet’ bes? Vauunteruehmcrc' 
o b e r i ft e r i e l b ft A r beit g e b e r b e r M o l o u u e ? (Uri heil bes? (Ge= 

u cib'geruhts? Verlitt, Hammer d, uont 7. A'o nein ber lsns, V orfi nett ber: 
<' > c i o 11 b e r i d \ t e r 3 a 11111 e b e v.» 

Vetlagter hatte beut 3tcinträger M. bao Tragen ber Steine für 
feinen Vau gegen Atforblolm burdi fdiriftlidieu Vertrag oom 29. Auguft 
|sns übertragen. Tie oon M. ;gt beu gleidien Afforbiänett angenommen 
neu Mlager nehmen beu Vellagteu auf ^»ahluug ihre'» VolutCs? tu Au= 
fpruib. Veflagter beüreitet feilte Vaffiolegitimatiou uub meift bie Sl läger 
au M. 

Aus? beu (Grüubcn: Als? ber Veflagte beut M., einem eiufadieu 
Steumager, bie gefammle Stciuträgcrarbeit auf einem gangen A’euban 
ubennig, mußte er genau, baß M. biefe Arbeit uumöglidi allein au»- 
in breit tonnte, ja es? märe bem Veflagten gar nicht bäum gebient gc= 
lftuiu meint M. bic Arbeit mirflidi hatte allein auvüilueu mollcu; beim 
bann mate fein Van ci't ugd; Aahreu tenig lumorbeu. Vutauv eraiebt 
»’.dt oer *miiiatubc 3(Muß, bei; VMlagtu g..molli hat, Miug.tr feile au 


| ber Arbeit nodj attbere Steinträger betheiligen. v Tu bem Stointrag« 
! uertrage lag hoher eingefdiloffeu ein Vollmaditvauftrag gut* Aimahme 
1 Der erforberlidieu ;ffthl dVitarbeiter. AÜr men biefe TVitarbetter aiigu» 
i nehmen mären, fautt feinem ^meifel unterliegen, ba ja Veflagter ber 
i (Geber ber Arbeit mar, M. nur O'itier ber Vebmer berfelben feilt follte. 

| Amt fagt allerbing^ §. s bei? Allgemeinen ^aubrciijl«? Theil 1 Titel lu, 

| baß nur Terjeuige gegen bett Auftraggeber Giedite gelteub mad)ett faitit, 
i ber mit einem fdjriftliä) beuollmäditigteu Vertreter beifelbett ocrhrtitbeli 
i hat. Tiefe Veftimmung bleibt aber im uorliegeubett Jolle ohne cyitifluß 
auf bic VrtMiulcgitimatiou bes? Veflagten, mcil, fclbft toettn man bett 
Vertrag uont 29. Auguft is 9 s, ber allerbittgs? bie Vollmadtt tiiiig au»^ 
briicflid) aits?fprid)t, nidit als? fdiriftlirfje Vollmacht gelten loffcn uüll, 
bod) jebeiifalis? ber Veflagte babttrd), baß er bie Hläger auf feinem Vau 
arbeiten ließ, ihnen beit Volju nad) Vfaßgahe _ beo mit M. gefdiloffenen 
Vertrages? gahlte unb fie als? feine Arbeiter gttr Mraitfettfaffe atunelbete, 
bas? bitrd) M. erfolgte lingagement ber Hläger für ihn uadjträglid] ge¬ 
nehmigt hat i§. 142 a. a. £., Cb.Trib. XL\ 3.29, Veidic-ger. (intfdi. X 
3. 2.77). Omeiitnell hätte itfjlicßlicb ber Veflagte and) beim Acbleti jebe# 
Vollniaif)ls?auftrage» iit oorftehettb bnrgoftcllter Vociie bie neuotioi um 
ifVstio be» Ai. ratihabirt uub firii babttrd) and) beu Klägern gcgciiü!»” 
uerpfliditet tfiehe V.C..v>.(G. Vb. II S.:tol, Cb. Trib. Vb. ho 3. 44, Vi. -■ 
3. 22 *; 

v>ieruadi uebmcit bie Ai läger bett Veflagten mit Siedit in Anfprudi. 

A ft bas? (Gemcrbegerid) t für Streitigfei teu ^uiifdieit 
einem Je l bin eff er uub feinem £elirlhtg yiftäubig? t Unheil 
bes? ^anbgcridjt* I, Verliu, uont lü. Juli 1897.) 

(vin Jelbmeffcr mürbe oon feinem Lehrling megeu A'idjterfüllung 
bes? ^ehroertrages? itt Anfprnd) genommen. A'adjbem fid) bat? (Gemerbe- 
geridit Verliu für ytftäubig erflärt hatte, oermarf and) bas? Vernfuugvgeridu 
beu (äiumattb ber Hiijuftänbigfeit, iubem au »führte; Ter Veflagte 
ift als? Jelbmeffer (Gcmerbetreihenber (§. -ü; ber (Gemerbeorbnung.i; bas? 
i'eliroerhältuiß heiraf bie Aus?bilbung tu ber .s>erftellitug ber tfrsriigiipie 
feines? (Gctuerbcs? (ogl. bie Aiilfcheibuug bc» Vetcl)s?gerid)tv Vb. 17, 
3. 92). Ter Ai läger mar als? Lehrling gemerblidier Arheiter, uub r» 
haubelte fiel), ba bie Ai läge an? bem Arheit»oerhältuiß gegen beu'Arhert 
ge her erhöhen ift, foiiad) um eine gemerhlidie Streitigfeit i A 1 bc» 
(GefcßeC’, hetreffeub bie (Gemerhegerid)te). 

oft ber Ai iicheit d)ef eines? -Votels? V etriehc’heamter? Uu = 
511 ftäubig feit bes? (Gernerhegeri ri) l» hei Vctriebs?beam ten, bic 
mehr al*? »; M. pro Tag erhalten. (Urtheil be» (Gemerhcgeridir? 
A?amburg. Vorfipeuber I)r. Viaiitim?.) 

Aach >. 2 Abf. 2 be» (Gemerbegerid)ts?geielu’# gelten al» Arbeiter 
im Sinne be* (Gefeue* Vetrieb*beamte, V?erfitteifter unb mit höhnen 
technifcheu Tieuftleiftuugeu betraute AugefteHte, bereu A(threvarbeit*oci- 
1 bienft au ?fol)it ober (Gehalt noeitaufenb V?arf nidit überyeigt. v ' 1! 

I engem ;;ufammeuhang mit biefem Varagrapheu fteht ber burdi bie Ae- 
I Delle oom 1. Juni 1891 in bie (Gemerbeorbmmg eitigefiigte §. Iüom, nach 
1 meldiem berartige Vöerfmeifter :e. ohne Giüdfidjt auf ihr liinfotitmen, 

: im llebrigen jeboch nur bann, menn fie uirijt lebiglid) ooriibergeheub 
I mit ber Leitung ober Veauffiditiguug bes.? Vetriehes? ober einer Ab*- 
thciluug beifelbett beauftragt fittb, eitlen Anfprudi auf eilte fctlivioödiigc 
Aiüubiguttg haben. (Gemeinfant ift beibeit V fl t’ ll ll ra plien ber Vegrtff bei 
Vetriebs?beatuteu ?c. uub nur auf biefen bei beu Veftimmuttgeu heran* 
ift biefer Vegriff firireu. Vetriebs?beamte fittb banadi gemerblidic 
; Arbeiter, meldie oertttöge ihres? Alter», ihrer größeren (Geübtheit, ihrer 
be»oubereu Jäbigfeit eine leiteube Stellung unter ihrem Arbeitgeber über 
| einen Vetrieb in feiner (Gcfammtheit ober über einen fflbftftänbigeu Theil 
; beffelheu erhalten hohen. Ter Atläger ift nun oerantmortlidier Leiter eines? 

| Theils? be» beflagtifdieu .^otelmeieu*, eine* gemerblidien Velrtebes?, er m 
I (5hef ber M ii die, bie ,^mcifello» einen miditigen felbftfläubigeit Theil be* 

1 Motelhetriehe» hübet, er beftimmt bie $u befchaffeuben (ö-infättfe, bie Arbeiten 
i be» ihm unterfiellteu umfaugreidjeu AliidieitperfonaU?, er leitet bie Au»- 
bilbuug ber ihm ytgemiefetten Lehrlinge, er trifft felbftftänbig feilte An* 
orbuuugcn für Aufrediterhaltuug oon Auhe uub Crbnuitg im .Hiidnut- 
betriebe, uub er ift allein feinem (5lief für bic (Giilc ber Speifeit, für 
bie Vromptheit in ber Jertigftellung oerautmortlid), er ift mithin 
leitenber Vetriebs?beamter im Sinuc ber citirtcn (Geiebeöbeftimmmigen. — 
Unbeftritteucrmaßen belief fid) nun ba» (Gebalt bes? Al läget» auf «; .//. 
pro Tag uebft freier Al oft, VTohuitng unb (Geträufe, io baß fidi fein 
Aahre»gebalt auf erhebüd) mehr als? 2 oon .//. beläuft. Aarii §. 2 Abf. 2 
bes? (Gefepes?, hetreffeub bie (Gemcrbegerid)te, iit baund) bas? (Geuunbc- 
geridit nicht >uftäubig. 

I Aunterf 11 ug ber Aebaftion. (ä* fei hier uod) ergäu^eub be- 
titerft, baß ber Mhiger, mcil er im Tagelohu ftaub, alfo feine ..ieitcii 
Vc'Aige" hatte, nid)t beu im 1 :>:*»n ber (Gemerbeorbmtng auige- 
Milirtcn Vcnoueu gehörte. T lotkt ber (Gemerbeorbmtng uub §. 22 be# 
(G.uon bcnc’icliKoMT. 1 » »prubut :mar bnbe oon Vetriebs?beamten, heben 






49 


Sa* ©emerBegertdjt. Mütbeilungen be« VerBattbei beutfdger ©emerBegerichte. Str. 8. 


60 


aber gang ücrfc^icbene Kategorien au« ber ©efautmtgruope b era uS. 
§. 133 a meint folcfje mit feften 93ejügen unb bauernber Öeitung, §.2 
fold)e mit einer gemiffen £öbe be« ©tnfommen«. ©« Brauchen baber 
liiert auf jeben Vetriebßbeamten beibe gefe^Ii^e Veftimmungen Sin* 
menbung gu finben. 

1. 3ft Ba« ©emerbegeriebt guftänbig für Klagen be« 
Mafdjiniften eine« ©cbleppbantpfer«? 

2. ©cbört ein ftaatlicb geprüfter Mafcbinift, in feiner 
©igenfdjaft al« Mafcbinift eine« ©cbleppbampfer«, ju ben 
Vetriebßbeamten unb 2edjnifern im «Sinne be« §. 188a ber 
©emerbeorbnung? ©emerbegeriebt Kiel — Königliche« Sanbgericbt 
KieL 

$>a« ©emerbegeriebt 3 U Kiel bat beibe Stagen bejaht. 

©rünbe: $>er Kämpfer „Kiautfcbou" ift lein jum ©rroerb bureb 
bie Seefahrt beftimmte« ©d)iff (Kauffabrteifcbtff), jebenfall« ift e« jur 
3ett lebiglicb für bie Vinncnfcbifffalirt tbätig; Kläger ift auef) nidjt an»* 
gemuftert. £ic Veftimmungen ber ©cemannßorbnung oom 27. $e 3 ember 
1872 finben baber auf baß gegemuärtige Slrbeitßüerfjältnifj leine Sin* 
menbung, oielmeljr unterliegt baffclbe, ba Kläger geroerblicber Arbeiter 
im Sinne be« 2itel VII ber ©emerbeorbnung ift unb für ben ©eroerbe* 
betrieb ber bellagten girrna gearbeitet bot, ben Veftimmungen ber @e* 
luerbeorbnung. $)ie 3 «ftönbigfeit be« ©emerbegeriebt« unterliegt baber 
feinem Smeifel. $ie Klage ift auch begrünbet. Kläger gebärt nicht gu 
ben gemöbnlicben Arbeitern im Sinne be« §. 121 ber ©emerbeorbnung, 
fonbern 311 ben Vetriebßbeamten unb 2e<bnifern be« §. 183 a bafelbft. 
hierfür fpridjt, bajj unter ibui noch gmei feiger arbeiteten, beren £bätig* 
leit er 3 U beaufftebtigen unb 3 U leiten batte, gerner b°t er eine 
Mafdjinifienprüfung beftanben unb unterm 8 . Märg 1898 ba« 3 eu 8 ni fe 
für bie Befähigung 3 um Mafcbintften 4. Klaffe auf beutfeben ©eebampf* 
febiffen erbalten. ©nblicb ift er auch gegen ben feften Vegug oon gulefct 
160 JC. ben Monat befdjäjtigt morben, einen Sohn, ber ben Sohn ge- 
möbnlitf)er Arbeiter weit überfteigt. Sille biefe Merfmale — bie mit* 
beauffiebtigenbe ^bätigleit, bie Ablegung einer Prüfung über feine tecb* 
niftbett gertigfeiten unb ber fefte Monatßbegug — meifen im 3ufamnten* 
bange mit einanber barauf b^ n / Baf} Kläger 3 U ber Kategorie ber im 
§. 133 a ber ©emerbeorbnung be 3 ei<bneten B^fonen 3 U rechnen ift. 

$a« Königltdje Sanbgeridjt bat bie grage ber 3 u ftänbigleit 
be« ©eroerbcgerirfjt« nidjt meiter geprüft, bie 3 meite gragc aber ab* 
meicbenb Beurteilt au« folgenben ©rünben: $)ie ©rünbe, au« benen 
ba« ©emerbegeriebt ben Kläger 3 U ben Vetriebßbeamten unb Sedjnitem 
im ©innc be« §. 133a ber ©emerbeorbnung gcredjnet bat, finb nicht 
für außreidjenb 3 U erachten, ©rforberticb ift ba 3 u entmeber bie Sluß* 
Übung einer ^öt^ereii teebnifeben 2l)ätigfeit ober einer Stellung, bie 
mefcntlidj burd) bie Veauffidjtigung unb Leitung ber Arbeiten Stnberer 
au«gefiillt mirb. — gn erftcrer Vegiebung ift bem ©utaebten ber ©ach* 
oerftänbigen bei 3 utreten. $te Vebienung einer ©cbiff«mafcbine oon ber 
offenba- hier oorliegeitben einfachen Slrt erforbert leinen böb c ^ en ©rab 
ber Slußbilbung, al« ihn bie im Mafcbinenmefeu befebäftigten Arbeiter 
3 U erlangen pflegen, gerner ift in betrieben Heiner Slrt, mie b^r einer 
in grage ftebt, baoon au« 3 ugeben, bafe, menn auch bie gröbere Strbeit, 
namentlich bie £eranfcbaffung be« £>eigmaterial« ober bie Steinigung ber 
Mafdjine, burdj §ütf«perfonen bemirlt mirb, bodj ber Mafcbinift nicht 
nur beren Sljätigfeit 31 t leiten unb 3 U beaufftebtigen, oielmebr perfönlicb 
einen erheblichen Ibril ber erforberlicben medjanifeben Arbeit 3 U leiften 
bat. — £er Kläger ift hiernach nur ein, allerbing« in einem beftimmten 
3 mcige befonber« au«gebilbeter, Arbeiter im ©imte be« §. 121 ber 
©emerbeorbnung unb bat al« folcber, ba er ohne Künbigung entlaffen 
ift, nur auf 14 tägigen Sohn Slnfprud). 

3 ft e« ein ©runb 31 U fofortigen ©ntlaffung, menn ein 
Slrbeiter feinem Mitarbeiter 3 urebet, fich an einer Arbeit«* 
einftellung 3 U Betbetligen? Vebeutung be« Vucbbrudertarifß. 
(Urtbeil eine« fübbeutfcbeit ©emerbegeriebt«, mitgetbeilt oon 23.) 

Stach §• 31 be« noch biß 3 um 1. gitli 1901 gültigen „^eutfdjen 
Vu<bbritdertarif«", melcbem unftreitig auch bie Veflagte beitrat, Beträgt 
bie tägige Slrbeitßgeit neun ©tunben. ©ntgegen biefer Veftimntung 
hat bie bellagte gabril eine Slrbeitßorbnung crlaffen, roelcbe be 3 iiglicb 
ber Slrbeitßgeit folgenbe Veftimmungen trifft: 

„2)ie regelmäßige tägliche Sftbeitßgeit beginnt.für ben 

Sommer Morgen« um 67 a Uljr unb enbet Slbenb« 67s Uhr, für ben 
hinter 7 Uhr Morgen« bi« 7 Uhr Slbenb«. . . . Raufen finben ftatt: 
Vormittag« 1 /i ©tttnbe, Mittag« 12—17s Uhr, Stacbmittag« 7* ©tunbe." 

2)ie Arbeiter ber 23ellagten — unter ?lnberen auch ber Kläger unb 
cinMafdjinenmetfterS-— erlannten am 13. September b. 3- fcbriftlidfj „bie 
außgebängte gabrilorbnung al« oerbinblicb für un«" au. entgegen 
ber Slrbeitßorbnuug mürbe tbatfäcblicb 3 unacbft nur neun ©tunben ge* 
arbeitet; erft fpäter mürbe bie Verlängerung ber Slrbeit« 3 eit auf 3 ebn 
©tunben angeorbnet. $5er bem SSucbbrudcroerBanbe angeb orige Kläger 


erflärte für ficb foroic Stauten« be« bem SSerBanbe nicht ungehörigen 
Mafdjinenmeifter« 3., meldjen er — Kläger — baau oeranlafet batte, 
ftch ihm ansufcblieben, ber 23ellagten, baß biefe Verlängerung ber 2 lr* 
beit« 3 eit bem Vucbbrucfertarif miberfpreebe unb baß fte alßbalb bie 
Slrbeit nieberlegen mürben. Vellagter entließ b* er auf ben Kläger, 
meldher jefet beSbalb Sobnentfchäbigung forbert. 

Kläger mürbe abgetoiefen unb 3 toar au« folgenben ©rünben: 

$>er „S)eutfcbe Vucbbrudertarif" ift eine Vereinbarung, bureb melcbe 
ftcb bie bem Verbanbe angebörigen ^rtnjipale unb ©ebülfen ben in 
bem 2arif enthaltenen Veftimmungen untermerfen, berart, bafj Slbänbe* 
rungen beffelbeit lebiglicb auf bem in bem iarif felbft oorgefebenen 
SS^ge bureb ba« Sarifamt be 3 m. ben ilarifauSfcbuB b er Bei 3 ufübren ftnb. 
gür jeben (SinjelfaH bat aber ber £arif lebiglicb bie Vebeutung eine« 
Ärbeitßoertrage«, fo ba§ er 3 toar nidjt einfeitig, mobl aber bureb gegen* 
feitige« Uebereinlontmen aufgehoben merben fann, unb e« ftebt bett 
Slrbeitern, melcbett etma eine Slenberuttg be« Sarif« angefonnett mirb, 
frei, entmeber ftcb mit biefer Henberung einoerftanben 3 U erflären ober 
aber biefelbe ab 3 Ulebnen unb entmeber felbft ba« Sfrbeitßoerbältniß 
3 u lüubigen ober bie meiteren ©djritte be« Vriit 3 ipal« ab 3 umarteu. 

3 tn oorliegettben gaffe bat nun bie Vellagtc mit ihren Arbeit* 
nebmern eine neue, tbeilmeife oon bem Tarife abmeidjenbe Slrbeitßorb* 
nung oereinbart; für bie Verbältniffe biefer Arbeiter ift baber in erfter 
Sinie bie Slrbeitßorbnung ntafegebenb. 2HIerbing« mar bie in ber 
Slrbeitßorbnung oorgefebene jehnftiinbige Sfrbeitöjeit einftmeilen nod) 
nicht burebgefübrt. Söenn nun Veflagte bte« je^t itadjbolen min, fo 
fragt e« ficb, ob fte nunmehr noch ba^u berechtigt ift. $ier muß nun 
baoon außgegangen merben, ba^ bie Arbeiter, naebbem breioiertel gabt' 
feit ©rlaffung ber Slrbeitßorbnung ohne roirllicbe ©infübrung ber 3 cbn* 
ftünbigeit Slrbeiis^ett oergangen mären, annehmen lomtten unb mußten, 
baß für fte eine neunftünbige Slrbeit« 3 eit oertrag«mäßig gelten folle. ®ie 
©röffuung,ba& oon nun an eine 3 ebnftüubigc?lrbeit« 3 eit gelten foHe, enthielt 
baber ben Vorfcblag einer Slbättberung be« beftebettbeit Vertrag«oer- 
bäitniffe«, ben jeber eu^elne Arbeiter attnebmen ober ablebnen lonnte. 
©ine Berechtigung aber, megen eine« berartigen Slnfinnert« alßbalb bie 
Arbeit nieber 3 ulegett, ftanb ben Arbeitern nicht 3 U, ba leiner ber in 
§. 124 ber ©emerbeorbnung hierfür oorgefebenen ©rünbe oorliegt. 

$>ie Vellagte behauptet nun, fte habe ben Kläger be«balb entlaffen, 
toeil er ben Mafdjinenmeifter 3- S u ^ oertragßmibrigcn Stieberlegung ber 
Arbeit 3 U oerleiten gefudjt Ijabe unb er bejiebt ftcb hiermegen auf 
§. 123 3iff- 7 Ber ©emerbeorbnung, mona<b ein Arbeiter bann fofort 

entlaffen merben fann, mettn er ..Mitarbeiter ju gtanblungett 

. . . 3 U oerleiten oerfuebt., melcbe toiber bie ©efefce .... oer* 

ftoßen''. 5)ie Vorau«febungen biefer ©efefceßbeftimmungen ntüffen auch 
itt ber $bat al« oorbanben erachtet merben. 3. batte nach ben oor* 
fteljenbett ©rörterungen ba« Stecht, bie Verlängerung ber Slrbeit« 3 eit 
3 urüd 3 itmeifen unb er batte ebenfo felbftoerftänblid) ba« Stecht, feiner* 
feit« ba« Slrbeitßoerbältnife 3 U füttbigen, unb menn Kläger bemfelbett 
nur angeratben hätte, oon biefem Sterte ©ebrauch 3 u machen, fo ließe 
ftdj hiergegen nicht« einmenbett. Kläger Ijat aber bem 3- angeratben, 
alßbalb bie Slrbeit nieber 3 utegen. SBemt nun 3 - nach ben ©efc^eit 
nicht berechtigt mar, megen ber ihm angefomtenen Verlängerung ber 
Sirbeitßscit bie Arbeit alßbalb nieberjulegen, fo mar auch ber Kläger 
nicht berechtigt, 3 ur Vornahme einer folgen gefebmibrigen $anblung 
3 U oerleiten; bie« bat aber Kläger 3 meifello« getban unb baburch bem 
Veflagten gemä^ §. 123 3iff- 7 Ber ©emerbeorbnung ba« Stecht gegeben, 
bie foforttge ©ntlaffuug außjufprecben. 


dtoigtmgsttntter. 


^te drgeBttiffe ber englifihett Verföhmtugßafte oom 7. Sluguft 
1896 merben in ber Siooemoer * Kummer oer amtlichen ßabour* 
©ajette befprodjen. Vefanntlich meift biefe« ©efefc bem §anbel«* 
amte bie Vefugnifc ju, unter gemiffen Vebingungen ben $lu«gtei<b 
in Sfrbeitßftreitigfciten in bie panb au nehmen. SDa« §anbel«amt 
hat ba« Stecht, ©rljebungen über Urfadben unb 0tanb be« Streite« 
ju oeranftalten, geeignete Schritte $u unternehmen, um bie beiben 
Streitparteien bireft ober burch Vertreter unb unter einem itnpar* 
teiifchen Vorfifcer ju einem gütlichen 2lit«gleich sufammenauführen, 
auf Anrufung oon Unternehmern ober Arbeitern eine ober mehrere 
^erfonen mit ber Slufgabe ber ©inigung ber Streitenben 3 U be* 
trauen, auf Anrufung beiber Parteien einen Scbiebßrichter ju er* 
nennen. Sluf ©runb biefer Veftimmungen hdt Ba« §anbel«amt 
in ben gmei Qahren feit Vefteljen be« ©efefee« in 59 gräKen ein* 
gegriffen. $n ber gro&en ÜJteljrgahl biefer gälle mürbe ba« Slntt 
oon einer ober oon beiben Parteien angerufen (in 12 oon beiben 
Seiten, in 14 oon ben Unternehmern, in 27 oon ben Arbeitern), 






51 


©eroerbegeridjt. 3Ritt$eiluitgen bei VerbonbeS beutfdjer ©eroerBegcrtchte. Ar. 4. 


52 


nur in 6 gatten fdjritt baS Amt aus eigenem Antrieb ein. gebod^ 
mürben 11 Anrufungen oont Amte abgelebt, ein galt fdjroebte 
nod) bei Abfa[fung beS Berichts. ES bleiben baljer 47 Arbeite* 
ftreitigfeiten, in benen baS Amt einfehritt. .fneroon mürben 34 
beglichen nach SRaßgabe beS ©efeßeS, 6 farnen roäßrenb ber 33er* 
hanbluttgen ju einer bireften Begleichung unter ben Parteien, unb 
in ben übrigen 7 gatten blieb baS Eingreifen erfolglos. 20a« bie 
nach Maßgabe beS ©efeßeS gefdjlidjteten 34 (Streitigfeiten betrifft, 
fo mürben 24 burch Einigung unb 10 burch Schiebsfprud) bei* 
gelegt, leßtereS traf ineiftetiS bei Anrufung beS Amtes burd) beibe 
Parteien ein. 3n 6 gatten fc^ritt baS HanbelSaint ohne Anrufung 
ber Parteien aus eigener Qnitiatioe ein, um eine gemeinfame Be* 
ratljung ber Streitenbeu 311 oeranlaffen. Ein gatt mürbe beigelegt, 
nodj ehe eS 3 U ber Befprechung fam, in 3 roei anberen mar eine 
Einigung baS Ergebttiß, in ben übrigen fd^citerte ber Verfuch beS 
Amtes. ©er roicf)tigfte Streit, in beu baS .jpanbelSamt ohne An* 
rnfuttg eingriff, mar ber gewaltige $ampf im 2 Rafd)inenbau* 
geroerbe, h^* ift aber bie lebte Entfdjeibung ohne Beteiligung 
beS Amtes erfolgt, ©ättjlich erfolglos blieben befanntlid) bie Be* 
mühuitgen beS HanbelSnttitifterS, in bem Äohlcnbergmerfftreif oon 
Siibroales einen AuSgleidj h^beijuführen; es mürbe ein SdjiebSrichter 
ernannt, aber bie Arbeitgeber oermeigerten runbmeg jebeS Eingehen 
auf 33erhanblungen mit ipm. ©ieS negatioe Ergebnis hat in Euglanb 
oielfad) 3 U ber gorberung einer Reform ber Conciliation Act itt ber 
Aidjtuug geführt, baß bas §anbelSamt erweiterte unb oerftärfte 
Vottmadjtett erhält. — Bon ben 34 nach ttRaßgabe beS ©efeßeS 
gefd)li(hteteu Streitfällen betrafen 20 bereits erfolgte Arbeitsein* 
ftettmtgen, bie attberit 14 hätten ba 3 u geführt, menn nicht oorher 
ein Ausgleich erhielt roorben märe. Außer ber Beilegung oon 
ArbeitSftreitigfeiten ift baS HanbelSamt noch bemüht gemefen, frei* 
millige Einigungsämter uitb Sd)iebSgerichte 31 t finben, 18 folche 
Aemter fiitb feit ©eltuttg beS ©efeßeS neu eingetragen morben. 
SDie ©ßätigfeit biefer freiwilligen Einigungsämter mirb in bem 
ebenfalls rü^lid) erfchieitenen amtlid)en Bericht über Streifs unb 
AuSfperrungen 1897 beleuchtet. SDie ©efammt 3 ahl non Streit* 
fällen, bie in biefem Sahre oon 53 ftänbigen Aemtern in Betracht 
genommen mürben, mar 1465. Hieroott mürben 603 3 urücfge* 
3 ogen ober beigelegt ohne SRitroirfüng ber Aemter, 53 fchmebten 
noch am Enbe bes SafjreS, 809 gätte mürben gefdjüdjtet, unb 
3 roar 623 oon ben Einigungsämtern unb 186 oott Sdjiebsridjterit 
ober Unparteiifdjen. ©ie 3ahl ber Aemter, bie 1897 Arbeite* 
ftreitigfeiten geflüchtet haben, betrug 51, baoon maren 49 Qn* 
fütutionen ber ©emerbe felbft, 2 folche beS Be^irfS. Ad)t neue 
Einigungsämter mürben im ßaufe bes BeridjtSjahreS eingefeßt. 
Es mirb oon amtlicher Seite betont, baß troß mancher geßlfcßlägc 
bodj im Allgemeinen bie Neigung ber Unternehmer unb ber 
Arbeiter, oor bem Einigungsamt ober bem SchiebSgericßt ihre 
©ifferen 3 en auS 3 utragen, im 2$adjfett begriffen fei. 

EmigungSümter bei ettglifdjen HanbelSfummerii. Auf Anregung 
beS „London Labour Conciliation and Arbitration Board“ ber 


flonboner HanbelSfatnmer fanb füglich in biefer Hanbelsfammer 
eine Berfantmluna oon ©eroerfoereinS* unb Unternehmerbelegirten 
ftatt, um über oie SRittel 3 ur AuSbchnung beS EinigungSroefenS 
burd) bie ^anbelsfammern 3 U berathen. ©er Borfißettbe Boultott 
roieS auf bie namhaften Erfolge beS Einigungsamtes ber Sonboner 
HanbelSfammer hin, baS feit acht Saßren befiehl, unb ff^irte bie 
einfehlägige ©efeßgebuttg, namentlich bie in Aeufeelanb. ©ie 23er* 
fammlung nahm eine Aefolution an, burch welche foroohl ©eroerf* 
oereine als §anbelsfammern aufgeforbert merben, nach Kräften für 
bie Errichtung freiwilliger Einigungsämter unb SdjiebSgeridjte ein* 
3 utreten; beSgleichen mirb bie Sonboiter Kammer aufgeforbert, auf 
einen roeiteren Ausbau ber bezüglichen ©efeßgebung hi n 3 UIÜ irfen. 
Ein Antrag, bem gufolge bie oinbenbe UrtheilSfraft ber Scßiebs* 
gerichte gefeßlicß ftatuirt merben möge, mürbe mit großer ttRajorität 
abgelehnt. 

Reform ber Conseils de Prad’hommes in gmüfreteß. ©en 

frangöfifchen Kammern liegt ein Antrag auf Reform ber Conseils 
de Prud’hoinmes oor, ber einer 0 pe 3 ialfommiffion gur Beratung 
unb Bcridjterftattung 3 ugemiefen mürbe, ©er Angelpunft ber be* 
antragteu Aeforut liegt m ber Sicherung einer einheitlichen Aecßt* 
fpredjuitg, ba bie Erfahrung gelehrt hat, baß in ben 50 000 
Streitfällen, bie alljährlich zur Entfcßeibung oor bie Prud’hommes 
gelangen, an oerfchiebenen Orten überaus oerfchiebene Enburtljeile 
gefällt merben. 


Uitteratur. 


©aS ©etoerBcgeridjt. ©efeß oont 27. Aooember 1896 in hiftorifd)* 
bogmatifeßer unb e£egeitfdjer ©arftettung, fomie in Vergleichung 
mit bem beutfdjen Eeroerbegertdjtgefeß. 2Rit einem Anfang, 
enthaltenb bic einfcfjXägigen ©efefce unb Verorbnungeu, oon 
Dr. A. VIoch, f. f. SanbgeridjtSratt). 23ien unb 2eip3tg, 1899 
(2S. Vrettenftein). 

©er lange ©Hel giebt genau an, roaS baS Büchlein enthält, fritgen 
mir hmsu, bab eS 140 Seiten ftarf ift, mooon 56 Seiten auf einen 
Ijiftorifdjen Aiicfblid auf bie Entftehung ber geroerbegeridjtlidjeu guris* 
prubenj, eine ©arlcgung ber Eigenthümlidjfeiten bes ArbeitSoertragc» 
unb auf bic ©efdjidjte unb ben gnljalt bcS öftcrretdjifdjen ©efepcS ent* 
fallen, roährenb ber Aeft beu ^ert bes ©efepeS unb minifteriettc Aus* 
fübrungsbeftimmungcu enthält, ^ehr ausführlich fönneu bie bogma* 
tifdjen unb ereaetifdjen Darlegungen bet biefem engen Aaum nidjt fein; 
immerhin machen fte otelletiht auf manchen ^unft, in rocldjcnt baS 
öfterreid)ifche ©efeh [ich oont beutfdjen, baS i|m als Vorbilb gebient 
hat, unterfdjeibet, beffer aufmerffam, als eS ber blofje iejrt-Abbrucf thun 
mürbe, ©crabc jeßt, 100 bic AuSbehnimg unb Umanberuttg beS 
beutfdjen ©efeheS fo oielfach erörtert mtrb, ift aber ber Vergleich mit 
bettt öfterretchiidjeit, bas auf ben Sdjitltern bes beutfdjen ftcht, boppelt 
intereffant. 


2Bo«heitfihrift „Soziale ^rajiS, Eentralblatt für Sogialpolitif^» 
(Herausgeber: Dr. E. grande, Berlin; Verlag oon ©unefer & 
Humblot, ßeip 3 ig. 3 u begießen burch fämmtliche ißoftanftalten 
unb Budjhanblungen 3 um greife oon 2 dl 50 ^3f. für baS 23iertel* 
jahr einfchliehlich ber Sftonatsbeilage ,,©aS ©emerbegericht".) 

guhalt oon Ar. 14: SnoalibitätS* unb Üranfeuoerficherung. 
Von Dr. jur. Aidjarb greunb, Vorfibeubem ber gnoaübitäts* 
unb AlterSoerftdjerungSanftalt Berlin. — ©ie bcutfdje «Sogialbemo* 
fratie im galjre 1898. — ©er Bertragsbrud) beS ©efittbeS. Von 
Dr. 2. gulb, Vfaiit 3 ; ©er gcfjnte eoattgeIifd)*fo 3 iale ilongreß; gntcr* 
nationaler fogialiftifchcr ©iettft; StaatSuuterftübung für bie 
Vrobuftiogenoffenfdjaft ber HohlglaSperlettei^euger in Aorbböhmen; 

richterliche Entfcheibiuigen über Arbeiterfragen in Englattb; 
Befchränfung bes .SfoalitionSrcdjteS uttb Streifpoften — ©aS ftäb* 
tifdje Arbeiterfefretariat in lllm; ©emeinblid;e Sogialpolitif in 
granffurt a. 2Ä.; Venfion für ftäbtifche Arbeiter itt Karlsruhe; 


Eiuflufe ber Arbeiteroerftcherung auf bie öffentliche Armenpflege in 
OSnabrüd. — Eine ©eroerffdjaftegrünbung in Hamburg; ftonfum*, 
Bau* unb Sparoerein „^robuftion"; ©ie ßohnbemegung Unterbett 
SBebern in ilrefelb; Bon ber Bergarbeiter*Bemegung; ©eutfeher 
Vietattarbeiteroerbanb; Eentraloerbanb ber ©ransport* 

unb VerfehrS*Arbeiter ©eutfchlanbS; Bäderberoegung in Berlin; 
©er AuSftattb ber ^ßarifee HanbetSgefjtlfen. — Eine authentifche 
Suterpretation ber iüttgfiett 3 t€geleioerorbnung; Äonferen 3 bei* ©e* 
merbeauffidjtsbeamten in Breslau; Ein gleichmäßiger unb früherer 
Schluß ber öabengefdjäfte; ^chuß ber Arbeiterinnen; 3 e hu 
BcfchmerbebureauS für Arbeiterinnen; ©er Achtftunbentag für bie 
ftäbtifdjen Üanalarbeiter in V«riS. — VoÜ 3 eioerorbmtng über 
AfiethSroohnungen uitb Sdjlafftettemoefen; Bau oon Arbeiter* 
Wohnungen mit £ilfe ber 3noalibitäts*BerrtchenmgSanftatten; Ein 
©ang burch gamtiter uttb Aoth in Alünchett; ©egett baS 2Bof)nungS* 
elettb in Straßburg i. E.; Betriebsunfälle im ^leingeroerbe. — gn* 
halt bes ©ewerbegerichte Ar. 4. 


„2>a8 ©cmerbegetlchP erfchelnt am erften ©onnerftgge jeben SWonat« im SRinbeftumfange bon Vj Vogen jum greife ÖO n 1 ER. — Veftelümgen 

nehmen fÖmmtUdje Voftanftalten (Voftjettunganummei 2877) unb Vuchhanblmtgen an; ein bireftet Vejug üonberVetlagÄbuchhanblung flnbet nicht ftatt. 


Oetlag non »unCfet A Ownblot, ffetwtg. - •ebrutfi bet 3ultu* 6tttenfelb in »erltn W. - Berant®örtlich für bie «ebaftton: Btabtrath Dr. 8fkf<h, ßranffurt a. K. 








IV. 3fo^tgang. 


9Iumnter 5. 


$$«!,. |*n&..SvoptWflt,(J 5 ,^.y..^en_ 2. 0e£>ruai 180!». ^ j ... 

fas (ßftwrbfcjmdit. 

ZHittpeilungen bes Derbanbes beutfcper (ßemerbegencpte. 

5Webaftiouöaus|rf;itfi : $tabtintlj Dr. fltfrij in Jrnnffurt a. 3!)?. utib ©eiueinbcvatl) $todumujer in Stuttgart. 

frtytinf am er|e« £oittt<rflög ftten ^Bon«(s. __ ^«U jaijrfidj 1 3l«rl. 

- - - -—- 

»erlag bon ©undet & Jp umblot, Selpjig. floftenfreie »eilage jur „©ojialeit »rajt$\ 


3n 

ßaufmannif(&e ©djiebSöeridjte. 
»on Dr. ©rnft Stande, »erlin. 

53 

9teic58tagS*»erI)anbIungenüber 
»etbefferung unb ©rtueite» 
rung ber ©etoerbegericbte. 56 

JJerfnffung unb JJerfaljren .... 57 

»ürgerlidje$ ©efe&budj unb 
©etoerbeorbnuitg. 

#edjtft*red)un0. 58 

2öie ift bie 3 u,t5n bigTeit beS @e» 
werbegerid)t*3 bet ben im §. 133» ber 
©emerbeorbnung bejeidmeten Ijöljeren 
Angcfteflten $u beurteilen, trenn eö 
fidj um ber £öl)e nach tuecbfelnbe 
SRebenbejügc bnnbelt? (AintSgeridjt 
»erltn) 

Buftanbiafeit beS ©emerbegerid)t8 für 
Angeftellte in Sabriffantinen. (©e« 
merbegericbt unb Öanbgerid)t »erlitt.) 

Söelcbe »ebeutung bat bie Abrebe, 
bajj ber Arbeiter bem Arbeitgeber 
ben JtadjtoeiS für bon ibm auSroörlS 
gelieferte Arbeiten burd) »efd)einigung 
beS »efietlerS au erbringen bat? 
(©eroerbegeridjt unb Sanbgerkbt 
©reSben.) 

Scbabenerfatjpflidjt beS Arbeitgebers 
bei »orentbattung eines orbnungS* 
madigen 3 eu üniffeS. (§ 84 beS AH» 
gemeinen »erggcfefeeS für bie preu&i» 


ali 

fdjen Staaten bom 24. 3unt 1865 —■ 
! 24.3uni 1892). (Sanbgeridjt ©ort» 

munb unb OberlanbeSgeridjt Jpamm.) 

3ft baS ©etoetbegeTi d)t juftftnbiß für 
Klagen auS Öebrberträaen, bei benen 
ber »ater ober »orinunb beS ßebr» 
lingS als »artet auf tritt? (©ctnerbe* 
gericbt »erlin.) 

JUlgtnutatB über (SerotrbegertipU 
unb ^rbettöuertrag. 62 

©er »eridjt beS »erliner ©ctuerbe« 
geridjtS übet baS ©efcböftSjabt 
1897/98. 

Seefd)öffengerid)te. 

®tni0un0Bnmter.63 

©tjütigfeit beS 9J?ündjener ©enterbe» 
geridjtS als ©inigungSamt. »c» 
jielmngen beS ©eroerbcgcricbtS jum 


Arbeitsamt. 

JlerfdjUbrncB.64 

»eifiber«»ereinigungett. 
$terbanbs-&ngelf0enljetten .... 64 
»eitritt aum »erbanbe. 

©ingänge bon 3 Q ^ reö bericbten. 
Anträge. 

§ rtefhnpen.64 

.SReidjenbadj i. ». 


Inhaltsangabe bet „Sojialcn »rajiä". 


Abbtud fäntmtlicber Artifel ift 3citungen unb 3eitfcbriften geftattet, jebod) nur mit 
boHer Quellenangabe. 


Uaufntänttifdje Bdjiciisgetidjtr. 

“2}er ©ebanfe, für bie Angeftellten im .gmnbelSgeroerbe zum 
3trecfe einer rafdjeit, billigen, fadjoerftänbigen Recptfprecpung Eonber» 
geriete unter 3 uziepung non ermäplten Vertretern ber Vrin^ipale 
unb ber ©epülfeit 311 errichten, pat in ben lepten Sapren immer 
meitere Greife erfaßt. Vet Veratmung beS ©efepeS über bie ©eroerbe» 
gericpte i. S.1890 §atte ztuar ber ReicpStag einen fo^ialbemofratifdjen 
Antrag, bie faufmännifcpen Angeftellten in baS ©efep einzubeziepen, 
abgelepnt. Aber er pob bieS Votum felbft mieber auf, inbent er 
am 7. §lpril 1897 bei ber einftimmigen eubgiiltigen 2lnna()tne beS 
neuen ^)eutfcpen $anbelögefepbud)e 0 in einer Vefolutiou bie ner- 
biinbeten Regierungen erfudjte, „balbtljunlicpft bie Vorlegung eines 
©efepentrourfeS W oeranlaffeu, roonacp gur ©ntfdjcibung oon 
6 treitigfeiten 3 toi|d)en Prinzipalen eiuerfeits unb §anblungSgepülfen 
unb fieprlingen anbererfeits faufmännifdje 0 d)iebSgerid)te errichtet 
roerben." ?lm 31. Sanuar 1898 bradjte ^Ibgeorbneter Dr. Vaffer* 
mann toieberuin im Reichstage bei Verätzung beS Reid^Sjuftiz* 
©tat§ biefe Sorberung zur <Sprad)e, namentlich mit Rücffi(t)t auf 
bie am 1. Januar 1898 in Äraft getretenen Veftimmungen beS 
§anbelSge[epbud)eS über bie Verljältniffe ber .ftanblungSgepülfen 
unb fiehrlinge. ßr betonte inSbefonbere, mie roicfjtig es für bie 
fchmierigen S^gen, bie mit ber Slonfurrenzflaufel zufammenhingen, 


nunmehr bod) fei, bap hierüber „uid)t lebiglich 0011 Prinzipalen 
bei ben $anbelSgerichten geurtpeilt toirb ober oon einem Slmts« 
richter, fonbern bap bann bie 5(burtl)eilung erfolgt burcp ein ©e* 
rid)t, bei bem aud) bie ©epülfen zu Söorte fomnten." Qn feiner 
ßrioibernng erflärte ber «EtaatSfefretär beS ReiihSjufti^amteS, bie 
Vorarbeiten in biefer „teiuesmegS fo einfachen" Angelegenheit feien 
feit längerer 3 e ^ iui öange. 2)aS Reich^juftizcunt fei bisher fo 
mit anbern Arbeiten iiberlaftet geioefeu, bap es fiep mit ben fauf* 
männifchen 8 d)iebSgerid)ten nidjt hübe befaifen fönnen. 3ur 3 e ü 
fcpioebten Erörterungen im Reid)Samt beS Smtern; mie rneit biefe 
gebiehen feien, fonne er nicht fagen. Er oeifprecpe aber, bap fo- 
balb toie thuulichft bie Örage auch int ReidjSjuftizamt einer näheren 
Prüfung unterzogen merben folle. Riit Rüiffid)t auf biefe Er» 
Jlärung begnügte (ich bie petitionSfommiffion, bie Eingaben mehrerer 
EJehülfcnoerbänbe, unter Vetonung ber Epmpathie für bie tauf» 
männifeben EchiebSgeridjte, bem Reidjsfanzler zut* Ermägung zu 
überroeifen, unb bas Plenum trat bie(em cinftimmig gefapten Vc= 
fcpluffe am 30. April 1898 ohne ©isfnffion bei. 

Vor unb neben biefen parlameutarifd)en Vorgängen machte 
fid) eine ftarfe Vetoegung in ben Greifen ber faufmännifdjen An» 
gefteüten nach bem gleichen 3^ e geltenb. Shrf Vereine unb ihre 
preffe traten eintniitbig für faufmännifche EchiebSgerichte ein, 
meint fic fiep aud) über bie Öornt, in ber fie errichtet merben follten, 
nicht einig mnrbett. Rod) am 6 . 3uni 1898 pat bie in Hamburg 
tageube |>auptoevfammlung beS ©eutfepen VerbanbcS fanfmännifcpcV 
Vereine bie Erridjtung oon Ed)iebSgerid)ten zur Echlicptung oon 
Etreitigteiten aus bem faufntännifcpeu AnftetlungSoerpältnip befür» 
roortet unb oerlangt, „bap bei ber Recptlprecpung berfelben min» 
beftenS ein Veifiper aus ber prinzipalfcpaft unb ein Veifiper aus 
bem Etepülfenftanbe mitmirfen miiffen, bie aus freien getrennten 
Vkplen peroorgeaangen finb unb bap burd) entfpreepenbe prozep» 
oorfepriften ein tpuniiepft bcfcplcunigtes unb foftenfreieS ober bod) 
möglicpft billiges Verfahren gemäprleiftet merben tnup." 2)ic guten 
Erfahrungen mit ben ©eroerbegeriepten, bie fiep balb bas allge» 
meine Vertrauen erroarben, unterftüpten bie Argumente ber £).aub* 
lungSgepülfett aufs Vefte. Von mehreren Arbeitcrbcifiper»Ver« 
cinigungctt ber Etemerbegericpte mürbe überbieS bie Sorberung 
Faufmännifdjer EcpiebSgerid)te ausbrücflicp befürmortet, unb bie 
gemerbegeriiptlid)e gaeppreffe oertrat ben gleichen Etaubpunft. 

Aud) auf Eeiten ber Prinzipale faitb ber Elcbaufe utepr unb rnepr 
Aitflang. 3u einem Erlap oont 1 . April 1896 patte ber prenpifepe 
§anbclsntiui}ter bie fmnbelSfammern zu ©utaipten hierüber auf» 
geforbert. Rad) ben Sup^sbericpten für 1896 pabett fiih bantals 
allerbingS oon 73 beutfd)cit .‘panbelSfammern (eine Anzahl oon 
Vericpteit äupertc fid) niept) 17 gegen ben Vorfd)Iag auSgefprocpen 
unb nur 26 bafiir, aber baS ©emiept ber ©rünbe mar bei beit 
Sreunbett beS Planes, unter benen namentlich bie §anbelSfatnmerit 
oon S^anffurt a. S JÜJ. unb ilöln fiep burd) bie 'Bärme ber Vefür» 
mortung auSzeicpueten, erpeblicp gröper. Eeitbem aber ift auep bie 
3apl ber Anhänger in ben ilnternepmeroertretungen gemad)feit, 
Zumal bie praftifepen Erfahrungen, bie ein 001 t ber £mnbclsfamutcr 
Zu Vrauufcpmeig auf freimilliger ©runblage zur Veuupung naep 
§§. 851 ff. ber Eioilprozeporbnuttg eingerid)teteS faufmannifd)eS 
Einigungsamt ergab, beit Berti) oon Ecpiebsgerid)tcn, in benen 
beibe Parteien oertreten finb, nadjbriicflid) betonten, ^ie ^panbcls» 
Fatnmer oott §aitnooer pat am 14. April 1898 fid) für fold)e 
EcpiebSgerupte auSgefprod)eu, „bie bis zuut 3ufrafttreten beS 
etmaigeu ReicpSgefepeS eine fegenSreicpe Xpätigfeit entfalten unb 
Zugleich als ^robebeifpiele für bie gefeplicpe Regelung ber Soage 
bienen fönnten." Eepr beuierfenSmcrtp finb bie (Srüube, mit benen 
baS Vorfteperamt ber ^aufmannfepaft oon Tanzig bie Errichtung 











$)a3 Gewerbegericßt. SRittljeiiiingen beS VerbanbeS beuifd&er Gewerbegericßte. Rr. 5 . 


50 


oon faufmännifcßen ScßiebSgericßten befürwortet; es weift bar* 
auf ßtn, 

„baß bei ben orbentlicßen ©ertöten, inSbefortberc bei ber Kammer für 
.f>anbeI3fad)en, atferbmgS nur wenige Streitig feiten gwiftfjen $rtngtpalen 
unb Gelmlfen gur SSerfjaublung fommcu, baß baS aber unferer Meinung 
nad) nirfjt [owol)l an ber Seltenheit foldjer Streitigfeiten, namentlich 
begüglicf) beS VerhältniffcS groifcßcit Gehülfen unb Heineren ^riitgipaleu 
in i’abengefcßäften, liege, fonbern baran, baß bte Sd)wierigfeit unb bie 
Koftfpietigfeit beS Verfahrens, fowie bie llnberetfjenbarfeit gerichtlicher 
Gntjchcibiuigcu bic Vetheüigten in fehr oielcn ^äüctt abljieüen, recht* 
Hebe Aufpriitfje bei beit orbentlicßen Gerichten geltenb gu machen. Xiefe 
Rüfiftätibe würben bei einem nach Art ber Gcwerbegerichte eingerichteten 
SdjicbSgericßte gum größten $beil Wegfällen. 3BaS tnsbefonbere ben 
lebten $unft, bie Unberecßenbarfeit ber Gntfcßeibungen ber orbentlichen 
Geriete, betrifft, fo fefjeint ftch oor einem foldjeu eine gewiffe Klaffe 
oott Vringipalen wenig gu fcheuen, geredjte Anfprücße ihrer Gel)ülfeit gu 
beftreiten; oicl eher werben fie Vebenfen tragen, ben Verfucb gu machen, 
[ich nor einem gum $beil mit ihren Verufsgenoffen belebten (Bericht 
ihren Verpflichtungen gu entgief)en." 

Aucß in ber laufenben Seffton beS Reichstages ift bie Sorbe* 
rung faufmännifeßer ScßiebSgericßte aufs Rene erhoben worben. 
Am 12. &egember 1898 ßat Abgeorbneter Vaffertnann unb Genoffeu 
(b. ß. bie gefatnmte graftion ber Rationalliberalen) feinen oben mit* 
geteilten Antrag wieberholt. tiefer Antrag würbe am 18. unb 
25. Sanuar b. 3- beraten, nachbem auch bas Gentrum ftch onge* 
fcßloffen hatte. 5tuf eine Anfrage beS Abgeorbneten Srimborn 
gab ber Staatsfefretär beS Reid)Sju)tigamteS eine Grflärung ab, 
bie im Vkfentlicßen feine Rttttheilungen oont Vorjahre wieberholte. 
Gr betonte nochmals bie GefcßäftSüberbürbuna beS Amtes mit 
Aufgaben, bie nach feiner Meinung wichtiger uno bringlicher feien. 
$)ie Verßattblungen gwifchen ben Regierungen feßwebten noch- GS 
hätten fieß babei erßeblicße RietnungSoerfcßiebenßetten über bie ein* 
fcßlageuben Verßältniffe ergeben, bic gunäcßft gum AuStrag ge* 
bracht werben müßten. 2)ie preußtfd)e Regierung unb bie Reichs* 
oerwaltung hätten baher noch nicht gu einer prinzipiellen Stellung* 
nähme fomnten föitnen. 3m Ramen ber Koitferoatioen erklärte 
Abgeorbneter 3a?obSfötter, ben faufmännifcßen ScßtebSgcriißten 
ftänbe feine Partei fpmpatßifcß gegenüber. Ritt großer ©ärme 
trat Abgeorbneter Vaffermann für feinen Antrag ein. Sür bie 
faufmännifdjeit Sd)iebSgericßte fei überall ein bringenbcS Vebürfniß 
oorhanben, theils fönnten fie gur Gntlaftung ber Amtsgerichte 
bienen, theils ihnen angegliebert weroen. SDie Draanifation werbe 
nicht fo fchwierig fein, wie fie oott mancher Seite ßingeftellt werbe. 
3n ben meiften JäHeit werbe es fich um bie grage ßanbelit, ob 
gu Recht gefünbigt refp. baS ArbeitSoerßältniß geloft worben fei. 
^)aS jehige gerichtliche Verfahren fei für ben §attblungsgehülfen 
u umftänblid) unb geitraubenb. Streitfragen über bie Sprganifation 
eien oorhanben, aoer bie Regierungen müßten enblich gu ihnen 
Stellung nehmen. An größeren Drten fei gewiß bie obligatorifcße 
Ginticßtung bie befte. — Schließlich nahm bas §auS ben 
Antrag einftimtnig an. 

GS fteht bemnach jeßt fo, baß ber Reichstag, bie organijirten 
(behülfen unb ein £ßeil ber Vringipalc für bie Grrichtung fauf* 
mämtifdjer ScßiebSgericßte nad) Art ber Gewerbegericßte eintreten. 
3m Vnngip barf bie grage als fprudjreif gelten, unb man muß 
erwarten, baß auch bie ueroünbetett Regierungen fich in nicht allgu 
ferner entfcßließen, beut RekßStage eine entfpreeßenbe Vorlage 
gu machen. RkinungSoerfdjiebcnheitcn befteßen aflcrbingS auch 
unter ben Anhängern beS ^rojeftes noch über bie Sortn, in ber 
biefe fäufmäitnifcßen Sonbergerichte errichtet werben unb auttiren 
füllen, ^ie Gittctt oerlattgen bic Grrichtung felbftäubiger Scßiebs* 
gerießte, bie Anbertt ißre Anglieberttng an bie AintSgeridjte, bie 
ifcritten bie Giufiigung in bie Gtewerbegericßte. 3n biej’en Vlättern, 
(ogl. „2;aS©cwerbegcrid)t", 3abrg. I Sp.21—27, Soh^g-lll Sp.70) 
ift mit guten ©rünbett oorneßmlich ber leßte R?obuS oertreten 
worben. TaS 3nterefie ber faufmännifchen Anaeftellten an einer 
prompten, fofteulofeit, facßoeiftänbigeu Rccßlfprecßung, bie ißr Ver* 
trauen genießt, ift nicht miuber groß als bas ber gewerblichen 
Arbeiter. Gbettfo ßabett bie ans betn ArbeitSoertrage fieß ergebenben 
Sälle oott Differenzen in beiben Kategorien große Aeßnlicßfeit, wie 
auch bk fogialeit Vcrhältitiffe hier wie bort in neuerer Seit eine 
engere Verwanbtfcßaft anfweifen. Aucß wirb manchen (bewerbe* 
geridjtei! burd) bie Ginglicbernng faufmännifeßer SdjiebSgeritßte 
eine erwünfeßte Grweiterung unb Kräftigung gu £ßeil. Gin aQgu* 
Heines (^ewerbegerießt fattn feßou aus Riaugel an Vefdjäftigung 
uidjt fd)itell genug arbeiten, ba bod) nid)t für jebe Streitfndje fofort 
ein befoubercr ©eridjtStag angefeßt werben fattn; es ift berfelben 
(Mefaßr ber Vcrlangfantung ber Rechtsprechung auSgefeßt, wie etwa 
ein onnungSfdiiebSgericßt. tiefer Gefaßt föntitc gcrabe burdi bie 


Verbinbung ber beiben (Berichte, begw. burdß Uebertragung ber 
Gntfcßeibungen aus bem faufmännifchen ArbeitSoertrag an bte ©e* 
werbegerießte aufs Vefte begegnet werben, wäßrenb in großen 
Stäbten allerbingS bie Grricßtung befonberer Kammern für bic 
beiben Streitigfeiten, ober aucß oollig getrennter faufmännifeßer 
unb gewerblicher Gerießte woßl erwogen werben mag. £>ie .'paupt* 
fache aber ift, baß aucß bie oerbünbeten Regierungen baS Vringtp 
acceptiren, über bie Ausführung wirb fteß bann gwifeßen Vunbeö* 
ratß unb ReidjStag unftßwer eine Ginigung ergielen laffen.*) 

Verlin. Dr. G. Qfrancfe. 


Uetd)?tag 9 tierl)atibtmtgeii über öerbcflctung unb 
(Ttrociterung ber ©Etoerbcgtrittjtc. 

3« gwei Sißuttgeu, am 18. unb am 25. Sonuar, ßat ber 
Reichstag über oerfeßiebene Anträge bebattirt, bie Abänbentngen 
beS GcfeßeS über Gewerbegericßte gum Gegenftanb hatten. R?it 
biefen Verßanblungen warb gleichzeitig bie Veratßung über bie 
Grricßtung faufmännifeßer SißiebSgericßte oerbunben; über biefett 
Vunft fiepe ben befonberen Artifel in biefer Rümmer. 

3wei Anträge, betreffenb bie Gewerbegericßte, waren eingebraeßi, 
einer oon ber fogialbemofratifdjen, ber anbere oon ber 
GentrumSpartei. 5)er erftere will, baß 

1. bie Grrtcßhutg oon ®ewerbegerid)ten obligatorifcß gemaeßt 
unb beren guftänbigfeit auf oic Gutfcßeibung oon Streitig* 
feiten ausgebeßnt wirb, bie aus bem 2ol)tt*, ArbettS* unl> 
^icnftucrbältniß aller im (bewerbe unb Vergbau, in ber 
2anb* unb gorftwirthfeßaft unb gifdjerct, im «t>aubcl mtb 
Verfeßr ober als Gefmbe befdjäftigten $erfottcn entfteßeit; 

2. bie Sßetlnaßmc an ben 23aßlen unb bie Verufung gu 3Kii* 
gliebern eines GewerbegeridjtS auf bic in ben genannten Vc* 
rufen befcßäfligten weiblichen $erfoncn ausgebeßnt wirb; 

3. bie Verleihung beS SSaßlrechtS unb ber SBäßlbarfett auf ba* 
ooflenbete 20. tfebenSjaßr ßerabgefeßt wirb. 

2)ie Abgeorbneten ,£>tße unb ^rimborn beantragten, bie Rc* 
gieruug möge eine Rooelle oorlegen gu bem 3 roe( ^ e 

a) eine georbuete AuffteUung ber SSäßlcrlifteu wirffamer gu 
ficheru; 

b) bie Grricßtung oon Gewerbegericßten obligatorifcß gu machen, 
foweit Hießt bie ÖanbeSregierung wegen mangclnben Vebürt* 
niffeS AuSnaßmen geftattet; 

c) bie Kompeteng ber Gewerbegericßte als GiniguugSämtcr (§. 60 
beS GefeßeS, betreffenb bte Gewerbegeridjte) baßm gu er* 
wettern, baß btefelben aucß oßtte Anrufen ber ftreiteuben 
Parteien für bie Veilegung ber Streitigfeiten wirfen foitncn. 

Außerbem ift noeß eine ausführlich begrünbete Petition ber 
Gewerfoereine (^urfd^uticfer) eingegangen, wonad) 

1. Gewerbegericßte für alle Gemeinheit begto. Vegirfe mit ent* 
wicfeltem Gewerbebetrieb obligatorifcß eiiigefößrt werben; 

2. baS SBaßlrecßt unb bie SBäßlbarfeit gu ben Gewcrbegericßtcu 
auf bie weibltdjert Arbeitgeber unb Arbeiter erftreeft werben; 

3. bie Gewerbegericßte oerpflid)tct werben, auf Anrufung audi 
nur eines Sßeiles als Giuiguugsamt tßätig gu fein, unb ba* 
Redjt erhalten, aucß oßtie Anrufung Scßritte gur Verhütung 
ober Veilegung oon Arbeitsftrcitigfeiten gu Ißim. 

GS unterliegt nad) bem Gang ber Verßanblutig feinem 
3meifel, baß im ReicßStaa eine feßr große Rießrßeit für 
ben Ausbau ber Gewerbegericßte oorßanben ift. Rur Kon* 
feroatioe unb ReicßSpartei fm& bagegen, alle anberen Vartcien 
bafür, wenn aucß über baS Ri aß unb baS Xentpo Rieiitun^S* 
oerfeßiebeußetten befteßen. So würbe oon ben bürgerlichen Parteien 
ber fogialbemofratifcße als guweitgeßenb eraeßtet. &ic Regierung 
ßat fid) wäßrenb ber Debatte jeber RieinunaSäußerung enthalten. 
Schließlich würbe ber Gen trunt San trag allein einer Komtitiffion 
oon 14 Riitglieberu gu weiterer Veratßung überwiefen. 


: ) Gtnc finge Vefpred)ung bes Sßcmas, als Anßang gu einer 
eiitgeßcnben, tnsbefonbere bureß bte hiftori|che Gntwtcfelung ber Gewerbe- 
gertd)te bcßanbclubeu Darlegung über bas SBefeit unb bic Vefonberßeitcu 
bev gciorrbcgcrtcßtlicßcn Redjtfpredjung, finbet fid) in bem Vortrag 
.s>anS Rcid)cls (XaS Gcwcrbcgericßt; Anhang: Kaufntännifcßc Sdiicbv- 
geridjtf. dorren hat, bei Gnftao 1 V?intcr. r»2 Seiten). 



$08 ©emerbegericbf. SRittbeilungen b‘e$ BerBanbe« beutfdfjer ©ewerbegericbte. SRr. 5. 


'58 


OtrfafTmtg nttb Oetfaljrtn. 


©etocrBwrbntmg ttnb ©ürgerliibeg (Befefcbn<$. 

2luf bie in bcr vorigen Kummer (9h:. 4 vom 5. 3anuar) ge* 
ftellte Anfrage über ba£ feerbältnifc ber §§. 123, 124 ber ©e* 
roerbeorbnung ru §.625 beg Bürgerlichen ®efefcBud)S ftnb eine 
SReibe oon ©infenoungen eingelaufeit. Str bringen oon biefen 
gunäcbft groet, beten eine oont Borftfcenben beg ©eroerBegericbtg 
$öln, $Re<btganroalt XJecfer, bie anbere oom fteßoertretenben Bor- 
ftfcenben beg ©etoerBegericbtg Btotng, 8cf)aefer ^errii^rt. S3eibe 
argmnenitren mit ber tn ber grage nic^t angegogenen ©pegialoor* 
fdbrift beg §. 124 ber ©etoerBeorbmmg, fommen ober gu oer- 
fd^tebenen SRefuUaten. 

£>err 2)ede r fdbreiBt: 

gm erften SlugenBlicf crfdjetut bic Beantwortung ber in 9?r. 4 
btefeg Blatteg geteilten gragen fcbtoieriger ol8 fie ift, well bei ber 
gragefieflung ber §. 124 a ber ©ewerüeorbttung ooßftänbig aujjer ?Wjt 
gelaffen ift. Xer SBortlaut bc8 §. 626 beg bürgerlichen ©efefeBudjg bat 
aber mit bent beg §. 124 a ber ©ewerbeorbnung eine grobe ?lcljnlicf)feii, 
wenn man oon bem Scblitßfabe beg letztgenannten §. 124 a aBfiebt- 
Xicfer Schluhfafc: „wenn baffcIBe nttnbefieng auf 4 Socfjen, ober 
wenn längere a!8 tüerjebntägige tfünbigunggfrift oereinbart ift," tritt 
nach meiner Uebergeitgung am 1. gattuar 1900 anfjer AHraft, weil biefeg 
ftd) aug bem §. 626 beg bürgerlichen ©efefcBucbg ergiebt. Sm Uebrigen 
bringt ber §. 626 bann nickte, roa8 ben Bcftimmungen ber §§. 128, 124 unb 
124 a ber ©ewerbeorbnung entgegenftebt. Xic jebergeitige ftuflöfung beg 
SlrBettgoertrageg ohne Stuf tünbignnggfrift mar bigber bciBorbanbenfetn ber 
in ben §§. 123 nnb 124 aufgegäljltcn ©rünbe, bie boeb jebenfaflg gu ben 
„wichtigen" gehören, ftattfjaft, bei ferneren widjtigen ©rünben aber nur 
unter ben in §. 124 a oorbcbaltcncn ©tnfdjränfungcu. Xa biefc (Sin* 
febränfungen nun bei ^nfrafitreten beg Bürgerlichen ©cfejjbuchcg weg* 
faßen, fo halte idfj für richtig, bafj bann bie je ber zeitige Stuflofung 
bei Borljanbenfein wichtiger ©rünbe erfolgen tanu unb muh- 

0o lange e8 ft<h um Aufhebung oon Xienftoerhältuiffcn oon ©e* 
feßen, ©ebülfen nttb gabrifarbeitem banbeit, werben bie wichtigen 
©rünbe be8 §. 626 beg Bürgerlidjen ©efebbudbg nur biejeitigen fein, 
oon welchen bie §§. 128, 124 unb 124a ber ©ewerbeorbnung fprechen. 

Aloin.. ©. ?l. Xedfcr. 

3m ©egeitfafc bi^ u äußert fidf) $err Scbaefer: 

©g famt angenommen werben, baß ba8 bürgerliche ©ejefcbucb 
unter „wichtigen ©rünben" -- ohne anbere aug$nfdjlichen — in erfter 
Sinic an btejentgen gebacht bat, bie in ben §§. 123 unb 124 ber©cwerbc* 
orbttung befonberg aufgefiibrt finb; benn bah bic hier genannten ©rünbe 
alg „wichtige" ju gelten haben, fann nicht in grage gefteflt werben, 
©g gibt jebod) uod) anbere „wichtige" ©rünbe, bie einen Bertraggtbeil 
beftimmen tonnen, bic gortfepung beg Slrbcüguerbältniffcg abgubredjen. 
gnfofent ift mithin bie ?(uf^äf)Iuug in ben vj§. 123 unb 124 ber ©e* 
werbeorbnuug nidjt crfdjöpfcnb, unb jweifellog würbe ber §. 626 beö 
93ürgerlidjcn ©cfefcbutfjs? ergäujenb cin^utrctcu haben, wenn }t<b bie 
©ewerbeorbnung auf biefc Hufjäljlung befchränft hätte. 0ie bat bieg 
aber nicht gethan, vielmehr bic Slufheoung be8 ?lrbeitgoerbältniffe8 auch 
au* anbent ©rünben jugelaffen unb gwar burch ben auf ber SRooeße 
oom 1. 3nni 1891 beruheitbeu §. 124 a. 9iad) biefem ^araarapben 
fann außer ben itt beit §§. 123 unb 124 bcjeidjneteu gäßett feoer ber 
beiben 2heile aug wichtigen ©rünben (füllte richtiger heißen: an beren 
wichtigen ©rünben) oor ?lblauf ber oertraggntäf 3 igeu %it unb ohne 
gnnehaltung einer Äünbigunagfrift bie Aufhebung beg rlrbeitgoerhält* 
niffeg oerlangen, wenn baffeloe minbefteng auf 4 Wochen ober wenn 
eine längere alg 14 tägige Äünbigunggfrift oereinbart ift. 

giir bic 9(nwenbuug beg §. 626 beg bürgerlichen ©efehbuchö auf 
bag gewerbliche ftrbcitgocrhältuih fehlt eg fomit an ber nothwettbigett 
borangfefcung, bafe in ber ©ewerbeorbnung augnehmeitb beftimntungett 
nicht getroffen feien, .»pieran änbert tneineö ©rachteng auch ber Um* 
ftaub nid)tg, baß ber 124 a ber Olewerbeorbnung nur bann anwenbbar 
ift, wenn bag Slrbeitgoerhältniß fich über einen Zeitraum oon 4 Wochen 
erftredt ober bie oereinbartc beiberfeitige Münbigunggfrift mehr alg 
14 2age beträgt, wäfjrcitb eg beim §. 626 beg bürgcrlidjeu ©efehbudjg 
auf bic $auer beg 9frbeit8oerbältni(feg ober ber Uüubigunggfrtft ni^t 
attfomntt. $enu wenn bag bürgerliche ©efehbudj auch für bic 
rechtliche beurtheilung bc§ 9lrbeitgoerhäItniffeg im 8tnue ber ©ewerbe* 
orbttung bie ©ruublage giebt (©nbentattn, bb. I 0. 784), fo ift hoch 
nicht $ii uergeffett, bah bie auf ben 2lrbeitgoertrag be^ug fjabenben be* 
ftiutmungeu ber ©ewerbeorbnung uad) t } lrt. 36 beg ©inführuttgggefeheg 
junt bürgerlichen ©efe^buch in Alraft bleiben unb fidj aug feiner ©c* 
lehegftellc eine nugbrücflidfc ?lenberung ober ©rgänjung ergiebt. 

Xie geftcUtc grage ift uad) bem ©efagten baljin ju beantworten, baß 
für bie ^liiflüfung beg gewerblichen 2lrbeitgoerhältniffeg nad) wie oor 
aitgfd;Iießlid) bic bcftimmuugeu ber ©ewerbeorbnung ent* 
fcheibeub fiitb. 9Boßte man ba§ ©egetttheil annehmen, fo gelänge 
man logifch ,pt bem 0chluffe, bafj ber §. 626 beg bürgerlichen ©efeh= 


buchß bie §§. 123, 124 uitb 124 a ber ©ewerbeorbnung ooßftänbig be- 
feitige ttnb bie gäße ber §§. 123, 124 nur noch alg »eifpiele wiqtiger 
©rünbe in betracht fomnten tonnten. 

Scbaefer, 

fteßoertretenber SSorftbenber beg ©cioerbegerid^tg Sftatnj. 

Sir enthalten ung junaAft ber Äeufjerung über bie 8?idhtigfeit 
ber einen ober anberen ^nftdbt, unb bitten um grortfefcung ber 
$>ig!uffton über biefe roidjtige gfrage. 




Sie ift bie 3aftänbigfett beg ©ewerbcgeridjtg bei beit 
im §. 133a ber ©ewerbeorbnung bejeidjneteit ^öderen 8(n* 
geteilten ju beurtheilen, wenn eg ftch um ber ©öbe nadh 
wecbfelnbe Äebettbejüge baubelt? (Urtbeil beg Bmtggericbtg 
Berlin I oom 16. Oftober 1896.) 

©in gelbmeffer iu ^Berlin ^attc einen ©ebülfen mit ber 3tbfidbt 
engagirt, ihn bet augioärtigen S3abnoermeffunggarbeiten gu oerwenbett. 
©g würbe ein ©ebalt oon 125 M. pro Sltonat unb aufeerbem für jeben 
lag, an welchem ber ©ebülfe auberbalb Serlittg tbätig toar, eine gelb* 
gulage oon 3 M. oerabrebet. $er ©ebülfe war tbatfädfjlicb nur auö* 
wärtg unb gwar int Orte S. tbätig unb ift oom ^rinjipal fpater ohne 
Äünbigung entlaffen worben. $er ©ebülfe fiebt ftcb alg einen ber 
höheren 33ebienfteten beg §. 138 a ber ©ewerbeorbnung an unb bat beg* 
halb beim 9(nttggertcbt auf gortgablung feiner ©ebübrniffe gunächft für 
einen SNonat geflagt. $er ^etlagte bat ben ©inwanb gemacht, AH. 
müffe beim ©ewerbegeriebt flogen, ba nur ber fefte Sohn oon 125 JL 
ber ©ehaltgberecbuung gu ©rünbe gu legen fei. $urcb Urtbeil beg ftmtg* 
geridhtg ift biefer ©inwanb oertoorfen worben. 

©rünbe: Stach §.2 &bf. 2 beg ©ewerbegericbtggefebeg gelten alg 
Arbeiter, beren Slnfprüche oor bie ©ewerbegeriebte gehören, bie höheren 
Hngcfteflten nur bann, wenn bereu „gabregarbeitgoerbienft an Sohn 
ober ©ebalt 2000 M. nit^t überfteigt." 2egt man im oorliegenbeit 
gaße bag SRonatggebalt oon 125 JL gu ©ritttbe, fo ergiebt ftch ein 
3 abregoerbienft oon nur 1500 M. Slcdjnet man bagegen noch bie 
gelbgulagc mit 3 Ji pro Xag unb 1080 Jf. im 3abte bt n J u / fa crgicÖt 
fich ein Sab^eiufommen oon 2580 M. ©g fragt (ich alfo, wie bie 
Berechnung attgulegen ift. Xem Bellagten ift h icr bei, wenn er bic 
©^empltfifation auf Sletfefpefen ber §aublnnggreifenben gemacht bat, fo* 
oiel gugitgebcn, bafe wirflicbe 9teifefoften bei Beredjnung beg ©tn- 
fomnteng eine« Stugefteßten nicht in Setrad^t gegogeti werben fönnen. 
Xemt 9leifefoflen finb ber ©rfafc für im gutereffe beg ^rittgipalg ge* 
machte ?luggaben, bie neben bem Bevbtenfte gu gab len finb. Um fol<bc 
banbelt eg ftdh b^r aber nicht, ©g ift oielutebr unter ben Parteien 
unftreitig, ba& Sleifefoften bem Atläger noch aufeer ber gelbgulage gu 
gewähren ftnb. $ie gelbgulage wirb, wie Besagter auggefiibrt bat 
unb wie auch aug ber Sache felbfi ftch ergiebt, bafür begabt, baß bag 
geben am augwärtigen Orte bem Arbeiter theurer gu fielen fonunt. 
SCber mit Unrecht legt Beflagter auf biefe« Moment ein entfeheibenbeg 
©ewicht. $er gefammte ?lrbettgoerbienft eineg ?lngcfteßten bient im 
Sefeutlidjen ber Beftreituug fetueg Sebengunterbalteg. $ie[er Unterhalt 
ift in ben oerfchiebeneu Orten beg Sletcheg gu fe^r oerfdjiebeneu greifen 
gu befchaffett unb banach richten ftch auch bie 2öljne, fo bah F te bort, 
wo man theurer leben muß, höher finb. Xag ©efefe bat aber feinen 
Unterfdjieb gentad)t. ©g fe^t bie ©renge oon 2000 M . feft gang ohne 
9iüc2ftd)t barauf, ob bie Summe an einem tbeuren ober bißigeren Orte 
gu oergebrett ift. Xaraug ergiebt ftch, baft eg feinen Unterfcbieb machen 
fann, wenn einem 9lngefteßten begbalb ein böbeter Sohn bewißtgt wirb, 
weil feine Jlrbeitgoerbältntffe aug aßgemeinen ober auch aug befonberett 
©rünben eine Bertbcuerung beg Sebengnnterbalteg mit ftch Bringen. 
®ie gortn, in welcher biefe ©rböbnng bewifligt wirb, ob fte in ben 
Sohn etngefchloffen ober alg befonbere 3 u ^age oerabrebet wirb, ift ba* 
bei gleichgültig. 

Säre bentnach ber Kläger fo engagirt worben, baß er nur in S. 
gu arbeiten hätte ttnb alfo einen feften Hnfprudfj auch auf bie gelbgulagc 
oott 3 M. hätte, fo ftänbe eg auger jebetn Zweifel, bafj fein ’gab^ 3 
arbeitgoerbienft auf 2580 M. anguttehmen ift. Xtc 9techK-lagc wirb iu* 
beffett baburch fompligirt, bah bcr AHäger einen ?Tnfpruch auf Befchäfti* 
guttg gerabe ittt Orte S. nidjt h at te, bah Betlagtcr oicltuebr befugt 
war, il)n itt Berlin gu befchäftigen unb bah er bann bie gelbgulagc 
nicht erhielt. 

Um bie Söfitng für btefeu gaü gu finben, muß man ftch an Bett 
Sortlaut beg ©efeheg halten. Xer 2 ?lbf. 2 beg ©cwerbcgeriditv* 
I gefefeeg fdtreibt oor: 



59 


60 


Xa$ f geggbeggjiL ^ittheitungen beS VgrBggbEg beutJ<her48eroerBe&erid)te. SRr. 5. 


« 3 ufllei($cu gelten als Arbeiter tut 3iunc bes (^efefeeö 
Vetrie 6 £B*amte, ©erfmeifter unb mit böseren ted^itifd^en 
Xienftleiftungen Betraute AngefteÜte, beren JafjreSarBeitS* 
oerbienft au £ohn ober Gehalt jiuettaufenb V?arf uic^t 
überfteigt." 

Um banach einen biefer AngefteHteu bei* 3uftänbigfeit beS Gewerbe« 
geridjts S u über weifen, Bebarf es na dt bem ©ortlaut bes Gcfefces bei* 
bt*efien ge ftfteflung: 

bafj ber JahreSarbeitsoerbicnft biefes AngefteHteu 2000 3Karf 
nicht überfteigt. 

©o biefe negatioe geftftellung nicht getroffen werben fann, ba fatttt 
auch bie 3 u ftänbigFeit bes Gewcrbegeridjts nicht eintreten. öine geft* 
fteüung biefer Art fann aber in allen benienigen gälten nicht getroffen 
werben, in betten ber Verbienft für ocrfchiebene gälle in oerfebiebener 
.'pöbc oerfproeben worben ift, falls auch nur in einem ber oertragS* 
mäftig gefefeten gälle ein §inau$gehen bes VerbienfteS über 2000 Jl 
etntritt. Jn füldjen gafle Iäfet ftdj — abftraft Betrachtet — nicht Be* 
banpteu, baft ber Verbienft 2000 JC nicht überfteigt. XaS örgebnifj ift 
Wonach, baft, wer einen Sohn erhält, beffen ,$öhe oon Vebiitgungett ab» 
hängig ift, nach berjenigen Vebingung }u beurteilen ift, bie bett Ijödjften 
$*bn ermöglicht. 

£)6 matt biefe VerechnungSroetfe auch bei fehr entfernt liegenben 
Ütiebingungett auguwenbeu hätte, 3 . V. wenn ber Kläger für eine Shätig* 
feit in Berlin felbft mit 125 Jt. ntonatlidj ettgagirt worben wäre unb 
mir für bett — gar nicht in Ausfidjt genommenen unb gar nicht ein* 
getretenen — galt einer auswärtigen Vefdjäftiguug ihm eine gelbjulage 
oerfproeben worben wäre, fann hier bahingefteflt bleiben. Xettn oor* 
liegenb war biefe Vebingung fofort in Ausftd)t genommen nnb ift that* 
fädiUdt eingetretcu: Xer Kläger hat in ©. gearbeitet. ÖS ift beSljalB 
fein Gruitb erftchtlich, weshalb man bie Vebingung bei ber Veurtbeilung 
bes Verbältniffes ber Parteien ausfdjeiben fofltc. Cb ber Kläger wegen 
feiner inseitigen öntlaffung bie gclbjulage weiter forbern Fann ober ob 
er ftcb mit bem Ansprüche oott 125 jc ntonatlid) beshalb begnügen 
muß, weil Vcflagter jebenfaUs bas 9ted)t gehabt hätte, ihn nach Berlin 
311 febiden nnb bort für biefett £afc ju befebäftigen, bas ift eine grage, 
bie ben Anfpruch felbft, nicht bie Gcrid^uftänbigfcit betrifft; bie Iefctere 
hängt nicht baoott ab, ob bie GcBührniffc, bie jefct eingcflagt ftttb, nadj 
einem ArBeitSoerbicnfte non meljr als 2000 M . beanfpruebt werben ober 
jujuerfeunen fittb, fonbern nur uoti ber Kategorie, unter ber mau ben 
flagenbeu Angestellten an ft<h ju oerweifett hat. 

Aus Vorftchenbcm ergiebt fi<b, baf* nicht bas (Gemerbegericht, 
fonbern bas orbentliche (Bericht juftänbig ift. 

3uftänbig!eit beS GewerBegeridjts für AngefteÜte in 
gaBriffantineu. 

©egen Unguftünbigfeit bes GcwerBegendjts würbe 001 * einigen 
Vtowaten bie Ködfjin Schouwalb, bie bis gurn 14. April ht ber Kantine 
ber Brauerei griebridjSBöhe befdjäftigt war, mit einer Klage gegen bie 
Vrcmercigefellidjaft abgewiefett. Xas GeroerBegerid)t Berlin ging baoott 
«uS, baft bie Klägerin feine Oie wer begeh ülftn gewefen fei, weil bie 
Kantine fernen Gewinn bringen, fonbern nur ber VequentUchfeit uttb 
©oblfabrt ber VranereiarBeiter bienen foHe. Xhatfächlidj erforbert bie 
Kantine ^lifc^üffc. Auf Vernfuug ber Klägerin hob bas ^anbgericht 
öntfehetbung bes GewerBegerichts auf unb wies bie Sache mit folgenber 
Vegrüitbung itt bie Vorinftan 3 gurücf: §aBe bie Xhätigfeit ber Klägerin 
andh nicht ju ben tethnifthen Verridjtungen bes gewerblichen Brauerei» 
betriebes gehört, fo ftelje fie bodj im engen ^ufamntenhange mit biefent 
betriebe. Xer 3*wd bei* Kantine fei, ben Vrauereiarbeitern eine billige 
nnb gute Koft, fowie eine gewiffe ’iBequentlichFett ju bieten; bas'^nftitnt 
habe alfo mittelbar ben Sroed * 11 bes ?3rauereibetriebes gebient, es fei 
beShalb attch bem (Gewerbebetriebe ber ¥rauereigefeHfd)aft griebrichs* 
höhe 3 ti 3 ured>nen. 

©eldte löebeutnttg hat bie Slbrebe, bafe ber Slrbeiter 
bem Arbeitgeber ben Nachweis für oon ihm auswärts ge* 
lieferte Arbeiten burdj 33efcheiniguttg bes 2 ?eftcllfrs 51 t er= 
bringen hat? 

(llrthcil bes (Gewerbcgeridtts 31 t Xrcsben, betätigt burdj Urtheil 
bes ^anbgeridjts bafelbft.) 

Xer Kläger hat für bie 3?cflagtc ilUontagearbeitcn ausgeführt unb 
forbert nodj Vergütung für Verarbeitung oott altem Kupfer. iMad) bem 
^wifdicn ben Parteien abgcfdtloffcucm Xienftoertrage hatte ber Kläger 
bei Arbeiten ber erwähnten Art Vergütung 311 benufprudjen, wenn unb 
fobalb er bei Veflagtcu eine Veidjeiuignng, wcldje folgcnbermaficu 
lautet: „Anderen A. Vt.iu Xresbcit. gbr Monteur g. hat bei mir . . . 
.Kilogramm altes Kupfer bearbeitet. 3«h bezahle für jebcs Kilogranint 
. . . Vieuttig unb bie Vctfcfpcfen unb oei* 3 id)te auf bie Veanftanbuug 
bei Arbeit wegen Mängel. Crt ber Örfüllung ift gbre gabrif in X. . . ." 
mit ber Untfrfchriit bes Veftellers oorlrge. Xrr Kläger hat für bic hier 


fragliche Arbeit eilte foldje Vefdjeinigung mit ber Unterschrift bes Ve= 
fteßerS, beS ©utsbeftbers X., nidjt oorgelegt, fonbern nur eine folchc, 
bie bie Unterfdjrift „K für grau 3" trägt. Cefctcre ift feit bem Cftober 
1896 Vefiberin ber Xomätte $., K. bafelbft Verwalter. Xie ^eFlagte 
weigert bie 3ahluug bes geforbertett VetrageS mit ber Vehauptung, 
bie oon bem Kläger beigebradjtc Vcfrfjeiuigung fei nicht geniigenb. 
Xurch bie ^Beweisaufnahme ift feftgeftellt, bah Bie Vefcheinigung uon K. 
mit Genehmigung % . .S auSgefteHt würbe nnb bafe K. bas ootu Kläger 
oerarbeitete Kupferrohr im Aufträge beS X. abgenommen uub hierbei 
baS behauptete Gewi^t als oorhauben ermittelt hat. VeFlagtc hat 
jebod) geltcnb gemacht, bas geljlen ber Vefdjeiuigung lönne burrf) bie 
3 eugenausfagen nicht erfept werben, ba burd) bie AuSfage ihm gegen= 
über X. nidjt oerpflidjiet fei, ben Beanfprudjtcu ^reiS für bas Kilo* 
gramnt alten Kupfers 3 U befahlen uub auf bic Vtangelrüge 31 t ocr$id)teti. 
XaS Gcwcrbegcridjt 31 t XrcSben hat bie Veflagte in GemäBh e it bes 
Klageantrags oernrthcilt. Xie gegen biefeS Urtheil eingelegte Berufung 
würbe 00 m Königlichen £anbgerid)tc 3 n XreSben jurücFgemtefen aus 
folgenben, ftch au bie Vcgrünbung beS Urtheils erfter ^uftans an* 
fchliehenben Grünten: 

Xurch bie auf bie Veibriitgung ber Vefchciuiguug 9ir. 2 bezügliche 
Vertragsbeftimmnng wirb nicht eine abfolut nothwenbige formale Vor= 
aitsfebung ftatuirt, oon bereu Öi*ifteu 3 bie Vejahlung beS STOontcurS ab 
hängig fein foll, fonbern bie Veibringuttg be 3 wec!t in erfter Sinie, bem 
gabrifanten in feinem Verhältnis git feinem Vcftellcr eine Vewris= 
crleichterung 3 U oerfdjaffeu. Von biefent Gcfidjtspuufte aus ift bic Vci= 
bringung ber Vefcheiitigung nicht als Vertragsbcbingung in beut oon 
ber Veflagten ausgefühlten Sinne auzufehen, nnb ftc ift im Verbältnif, 
3 wifchen ben Parteien fehr wohl burd) anbere VeweiSmittel erfebbar. 
hiermit entfallen alle biefenigeu Konfegnen 3 eu, welche bie Veflagte aus 
ber Vefdjaffung ber Vereinigung als ber örfüllung einer Vertrags* 
bebinguug ableitet. 3 u 3 u 9 e bett ift ber Veflagteu, bafj fie an bfr Vc- 
fdjaffuug ber Vefdjeiniguug ein wefeutlidjes Satcreffc habe. Xicfes gn- 
tereffc berechtigt fie aber nicht, ihrem Vionteur bic Ujm gebiiljrenbc 
Vergütung, für bic 001 t itjui nachgewiefenennahen geleiftcte Arbeit oor= 
3 uentl)altcn, ebenfowenig fann fie ftd) in biefer Vc 3 iehung mit (frfolg 
barauf ftübcu, bab ein Veftellcr bie ihm jufommenbe Gegeii/fiftiing 
nicht entrichten wiQ. 

Sdjabencrfabpflidjt bes Arbeitgebers bei Vorcnt* 
haltung eines orbnungstnäbigeu 3 cu 9 ni ff e ^- (§• s<i bes All» 
gemeinen VerggefefceS für bic preitbifdien Staaten oont ^!’y 1 

(Urtheil bes Sanbgeridjts, 8 . (Sioilfamntcr 31 t Xortntunb unb bes 
OberlanbeSgeridjtS 3 U §amm.) 

Xic bcflagtc Vergwertsgefcflfdjaft, oon weldjer Kläger als Verg^ 
mann feit bem 20. 3uni 1887 befchäftigt unb am 7. Dftober 1891 
wegen angeblichen Ungehorfauts cutlaffeu worben war, hatte bem Kläger 
einen Abfehrfdjeitt baljiu auSgeftcHt „berfelbe wirb hiermit ttnfererieits 
fofort enttaffeu". Auf Klage bes Klägers war Vertagter burd) Urtheil 
bes Amtsgcridjts 311 Xortiuunb oont 18. 3Kai 1892 (ergatigen oor ör* 
richtung eines Verggewerbegeridjts) oerurtheilt worben, bem Kläger einen 
orbnungsntäbigen Abfehrfchein ohne einen ihm bei anberwcitcin Arbeite^ 
bewerbe hiaberlidjen 3 u fabr insbefonbere ohne ben 3 »tfab «fofort lmferer^ 
feits entlaffen" febod) mit beut 3 u fafe «glctb unb githrung gut" 3 U er- 
theilcn. Xtc Veflagte fam biefem Urteile erft am 9. Juni 1892, noch. 
Kläger bcaufprudjtc nunmehr oon ber VcFlagten öriab bes ihm nns 
ber gefebwtbrigeu Voreuthaltuug eines orbnungsmäbigeu Abfeljrfrf)emv 
erwachienett 3chabcttS uub Hagle bentgemäb beim Üanbgericht in Xort- 
munb mit folgenber Vcgrünbung: Seit bem Xagc feiner Öutlaffung habe 
er fich bei einer 9ieihc oon 3rdjen uut anberweite Arbeit bemüht, überaD 
aber habe feine Annahme ber 3Mangel eines oorfchriftsmäfngen Abfebr- 
fcheines entgegengeftanben. Jm ©efentlidjen fei er wäljrenb ber ganjeu 
3 eit feiner Gntlaffung ohne Örwrrb gewefen; cs fomme ihm bahn 
00 m 1. Aooember 1891 btS 311 m 9. Jttnt 1892 fooiel gu, als er ooraus 
fidttlich au 2ohn oerbteut haben würbe, wenn er auf irgenb einer Grube 
Arbeit gefituben hätte. Xitrdtfdjnittlid) habe er 8,90 Jf. täglidi prn 
@d)idjt ocrbicut; er würbe fo in bem genannten 3 f itrauut 188 3dmiuen 
oerfahren, alfo 188x8,90=718 M 50 4 oerbient haben. Xic Veflagte 
beftritt ihre Verpflidjtung, einen anberen Abfehrfchein ausguftellen, uub 
ntadite gelteitb: l.) Kläger hätte ftdj 3111 * örlanguug bes oerwetgerten 
Abfehrfdieincs gcutäfi §. 84 beS Allgemeinen Verggefebes an bie guftänbige 
Xrtspoli 3 eibehörbe wenbrn füllen; ber angenblicflidt erlittene 3djabru 
fei baher felbft ocrfdmlbet. 2 .) ber behauptete 0 djabeit fei nicht rut- 
fiaubeu, and) fei ber bafür angegebene Grunb mi^ittrcffenb. Xnni ein¬ 
mal gebe es geuügeubc (Gelegenheit 3 m* lohnenben Vergwcrfsarbeit, 
ohne bafi es ber Vorlegung eines AbfchrfcbetncS Bebürfe. Anbererfeits 
habe .Kläger, weldjer gelernter Schuhmacher fei, burdj Sdjufterit für 
britte ^erfouen minbefteus 2 .U täglich feit feiner öntlaffung oerbteut. 



fit 


Tod ©ewerbegeridfjt. SRUthetlungen be« VerBanbeS beutfdger ©ewerbegeridfjte. Sir. 5. 


62 


TaS (>>crirf)t oerurtheilte bie Vertagte — unter Abgug bes uont 
Kläger burdj Sdjufterarbeit mit 50 4 täglich burdjfdfjnittlidj oerbienten . 
VetrageS. - Vegügltdfj be$ au$ §. 84 Abfap 2 unb 3 bes VerggefebeS 
hergeleiteten ©inroanbeS wirb ausgeführt: Tie in beut §. 84 Abfap - 
unb 3 enthaltene Vorfdfjrift, bah bet Verweigerung ober nidjt orbnungS* 
mäßiger Anstellung bes 3 c ug«iffeS btc guftänbigc OrtSpoligäbebörbe 
baffelbc auf ftoften bes Verpflichteten ausguftellen, begw. git berichtigen 
bat, faitit beu Bergmann nidjt an ber Vefdjrcitung beS AecfjtSwegeS 
Ijinbern. ^cite Verpflichtung bcr £rtSpoIigeibcl)örbe fall beut Bergmann 
nur eine .fjaitbljabc gur Erlangung beS ihm gufomntenbcu orbnungS* 
ntäBigen AbfehrfdjeineS bieten, ob er fidj berfelben bebtenen wolle, ftelje 
in feinem ©roteffen. Ter bicSbegüglidje ©inroanb ber Vertagten ift ba* 
ber §infdHtg. — Auf Berufung ber Vertagten beftätigt baS DbertanbeS* 
gerecht bte erfte ©ntfdjeibung. 

©riinbe: Turdj baS frühere Urtheil ift nidjt bloh ber Vertagten 
bie oont Kläger mit $ülfe bcr Staatsgewalt ergwingbare Verpflichtung gur 
Ausheilung eines anberweiten AbfeljrfdheineS auferlegt, oiclmeljr ift and) 
bie unter bcn Parteien im Vorprogch ocrhanbelte (Streitfrage über bie 
orbnungSmähigc Vefchaffenheit beS bem Kläger bei ber ©ntlaffung er* 
theilten AbfeljrfchäneS für bie ^arteten eubgtlüg, unb gwar burdj beu 
entfcheibenben Tijeil Best ©rfenntnijieS gum AuSbrucf gebracht roorben. 
Ter Kläger oerlnngtc in bem Vorprogeffe bie ©ntfdhcibung beS AidjterS 
über bie fragen, ob bie Vertagte gur ©rtheilung eines AbfefjrfdjeineS 
rechtlich oerpflichtet fei unb ob ber oon ihr auSgefteflte Abfeljrfchein beu 
gcfehlidjen (Srforberniffen cntfpredie. Tic in bem Urtheile auSgefprochene 
Vcrurtbeilung gut* Ausheilung bes AbfebrfdhäneS bejahet bie gefe^Ud^e 
Vcrpflidjtung ber Vertagten mtb oerneint bie CrbnuugSmafeigfeit bcr 
erteilten Vefcbeiutguitg. TaS Urteil felbft entfcheibet bemnach bie 
Streitfragen, ihre ^Beantwortung ift nidjt etwa ein blogeS Element ber 
(Sutfcheibung. ($. 293 ©.$•£•). Tie fragen, ob ber Kläger gur Au* 
rufung beS ©eridhtS berechtigt geroefen, ob er nicht oielmehr behufs 
Erlangung eines AbfeljrfdjciueS bie ^oligeibefjörbc habe angehen müffen, 
ob bie Vertagte auf ©runb beS Verhaltens bes Klägers gur Aufnahme 
beS VcrmerfS über bie fofortigc ©utlaffung unb gut* Weigerung ber 
Vereinigung über bie gute Rührung befugt gemcfett fei, fönne fonach, 
ba fie burch bas Urtfjeil bes VorprojeffeS in einer für bie Parteien 
unangreifbaren Steife entfdjieben roorben finb, nicht nochmals ©egcnftanb 
eines geridfjtlidjen AedjtSftrettS fein. 

.fpat bie Vertagte bcr ihr obliegenbert gefehlten Vcrpflidjtung 
nidjt genügt, fo ift ftc bem Kläger gunt ©rfap bes ihm burch bie un* 
berechtigte Vorenthaltuug eines orbnungSmäjjigen AbfetjrfcheinS er* 
wadfjfenen SdjabenS oerpflidjtet. 

Turdj bie Veweisaufuahmc ift feftgeftellt, bah ber Kläger in ber 
h-itifchen 3 e it bei oerfdjtcbeueu SSerfen um Vefdjäftigung nachgefudht, 
bah er fidj bie erbenrtidjfte 2Äiihc ttm Erlangung einer Arbeitsgelegenheit 
gegeben hat. öbertfo ift nachgeioiefeu, bah fein Anfuchert oort beit 
Arbeitgebern in allen fallen juriicfgeiotcfeu roorben ift. ®er Sachoer* 
ftäubige, ©rubenbircftor §. fafjt fein öutad^ten bal)in jufammen, bah 
ein Abfchrfdfjeht, roie er bem Kläger erthcilt roorben, für feinen 3nh a ber 
ein überaus grofreS §inbernih bei ber (Erlangung oon Arbeit auf 3edf)en 
ober gröhercu inbitftrirllen SBerfen geiocfen fein mürbe, danach mufj 
als feftgeftellt angenommen werben, bah bte ftetige Abwertung beS 
Klägers in bem Vfangel eines gehörigen AbfebrfcheineS ihre llrfadje 
hatte. 

3 ft bas ©ewerbegericht juftanbig für ftlagen aus ^el)r* 
oerträgen, bei benen ber Vater oberVormunb beSßeljrlingS 
als Partei auftritt? (Urtheil beS ©ewerbegeridhtS ju Verlin — 
Vorfihettber ©ewerberichter §ettwig — Sir. 1186/97 St. 1.) 

®er Sehrling St. war auf ©runb eines fdjrifilithen, jwifchen 
feinem Vormunbe Ä.unb bem Verflagten gefdjloffeneu üehroertrageS ju bem 
Vcrflagten am 1. April 1895 als Schneibcrieljrling in bie Sehre gefommen. 
2)er Vonnutib oerlaugt nurt wegen angeblicher SJtthhanbtung bes Sehr* 
Itugs, fdhled)teu Sd^lafraumS unb Verweigerung beS VefudjS ber gort* 
bilbungSfchuIe Aufhebung beS SehroerhältniffeS. 

Sas ©ewerbegeridjt crflärte pch für unjuftänbtg. 

©rütrbe: 2>aS ©ewerbcgericht ift getnäh §. 1 beS ©efefceS, bc* 
treffeub bie ©emerbegeridjte, oont 29. Juli 1891, ausfdjliehlid) juftänbig 
für (Sntfd)cibung oon VechtSftreittgfetten jwifdjen Arbeitgebern unb 
Arbeitnehmern. (Sin foldjer Sied^tSftreit liegt aber hier nidjt oor, benn 
bie ©ritnblage ber Älage bilbet ein fdfjriftlidfjer Vertrag jwifchen bem 
Vormitnb bes Arbeitnehmers — Sehrling — unb bent Arbeitgeber. 

^er Vertrag betrifft gwar ben Schrltng, am Abfcfjluh bes Ver* 
tragcS ift er aber, wie unbeftritten ift, nidjt betfjciligt gewefen, obwohl 
er ljm’Ä u ltadj bem ©efefje, betreffenb bie ©efdjäftsfähigfeit Vtinber* 
jähriger, toohl tut Staube gcioefen wäre. Vei ber cngbegrcn$teu 3u c 
ftänbigfett unb befonbcreit Stellung bcr ©ewerbegerichte muh w biefem 
galle bte 3 ll ftänbigfcit oerneint werben. Kläger, ber aus eigenem 


Siecht Aufhebung beS SehroertrageS, ber lebiglid^ jwifchen ihm unb bem 
I Vertagten gefdjloffen worben ift, oertangt, mag fich an bas AmtSgerichl 
wenben. 

Artmerfung ber Siebaftion: $)ie ©ntfdjeibung erfcheint uns 
nicht ganj eintoanbfret. Ter Vormitnb b a * lebiglich als gcfehlidjev 
Vertreter beS Selrrlings beu Vertrag gefdjloffen unb nunmehr bie Auf* 
hebung AamettS bes Sehrlings oerlangt. Vrojehparteien ftrtb baher 
ber Sehrling unb bcr Sehrherr. And) bie Ve 3 itgnahmc auf bas ©efeh, 
betreffenb bie ©efehäftsfähigfeit Vrtnberjähriger, ift nicht wohl angängig, 
weil biefeS ©efefc ben SKinberjährigen ni^t gunt ABfchluh eines Sehr* 
oertrageS ermächtigt. 

3Ulgemdnc5 übet CBrwerbcgeridjte unb 
Ärbdfeoertrag. 

2>er Seridjt beS berliner über ba£ 

jn^r 1897/98 liegt wieber in 16 Setten beS befannten groben 
Sormats beS Verliner VerroaltunaSberichtS oor unb enthält, ber 
artSgebehnten ^hätigfeit beS größten beutfehen ©ewerbegerichts 
entfprechenb, auch bieSmal wieber Viaterial aus faft allen (Gebieten 
ber gewerbegerichtlichen &bätigfeit. 3lm intereffanteften erfdjeinen 
uns aufs 9leue bie ausführlidjen Viittheilungen über bie Stjätigfeit 
beS ©inigungSatntcS, bie getoifferntahen eine Art $afuiftif für 
bie fiehre oon benjenigen Streitigfeiten bieten, bei benen alle 
Arbeiter eines ©efdhäfteS ober eines ©efdf)äftSgweigeS bie gleichen 
Anfprüdhe gegen ben ober bie Arbeitgeber, wegen ber fiinftigen 
©eftaltung beS ArbeitSoerhältniffeS erheben, ^ie Viittheilungen 
beziehen ftch auf bie 8 Streifs, bei benen baS ©ewerbegericht Ver* 
banblungett gepflogen hat, ohne oon einem Steile angerufen grt 
fein unb auf 4 Streifs, bei benen eine Anrufung oorlaa. Sie 
werben ergänzt burch ben Abbrucf ber beiben unferen Sefern be* 
fannten, xm „©ewerbegeridht" erfchieneneit Verichte beS §errn 
Steigert oom 14. jDftober 1897 unb oom 3. Vfärg 1898, 
über bie ^hätigfeit beS Verliner ©ewerbegerichts bä ben Streifs 
ber gformer unb ber Schuhmacher. 

Alts bem übrigen Vericht heben wir insbefoitbere heroor, bah 
auch in Verlin, wie in anberen fleineren Stabten (granffurt a. 2Ä., 
Seipgig, Äiel, Karlsruhe u. f. w.) bie 3afü ber ^lagert trofe ber 
3unahnte ber Veoölferung etwas abgenommen hat. Sie beträgt 
12 827 gegen 12 872 im Vorjahre, ©er Vericht bemerft, bah 
hierbei 2734 ^rogeffe waren, bie gurücfgenommeit würben, weit ba* 
©ewerbegericht gur ©ntfeheibung nidht befugt war unb wieberholt 
beShalb auch in biefem Qahre ausführlich 6 VHttheilungen über bie 
$?ompeteng beS ©erichts. 3 u 9^fh fl ber auch Sdjlttffe bes 
Vertdjts mit 9lachbru(f betont, bah bie ©reitgett biefer &ontpetcug 
oiel gu enge gegogen feien unb auf baS öfterreidbifche ©efefc oom 
27. ^ooember 1896 bingetmefen, baS bie ©hätigreit ber (bewerbe* 
geridhte fo wefentlich gegen baS beutfehe ©efe<j auSgebehnt hat. 
Auherbem bürfte aus bem inttern ßeben bes ©ewerbegerichts ttod) 
intereffiren, bah oerfudfjSweife auf Anregung ber Stabtoerorbneteu 
neben bem ©agesbienft aud^ ein Abenbbieitft gur Annahme oon 
Etagen (6 bis V 2 8 Uhr) eröffnet würbe, ber jeboch halb wieber 
auf einen ©ag, ben Vtontag, befchränft würbe. 

©er Vericht nimmt auch bieSmal — unb Ieiber fann man 
nicht fägen, bah bies überflüffig wäre — baS ©ericht gegen ben 
Vorwurf ungerechter Vegünfügung ber Arbeiter in Sdju& (Seite 3 
Wr. 1). ©r fagt hitfgu: 

Von ben oon Arbeitgebern angeftrengten 568 ^rogeffen gelangte)! 
53 guttt fontrabiftorifchen Urtheil unb würben hierooit 41 = 77 °/o ge* 
wonnen, oon ben oon Arbeitnehmern angeftrengten 12 837 Ißrogeffcu 
gelangten 1732 gunt fontrabiftorifdjen Urtheil unb würben hteroon 
686 *= runb 40% oon ben Klägern gewonnen. 

Tiefe 3 a ht e,t möchten wir gang befonbers Ijeroorheben; fie bofn* 
mentiren ben oöllig neutralen Stanbpnnft nuferer Vcifiper Beiber 
Kategorien, Arbeitgeber fotoohl wie Arbeitnehmer, unb werben in 3n= 
funft biejeitigen ein für alle. Vtal oerftunnnen ntadheit, bie mit ber aus 
bcr 2uft gegriffenen Vehauptung fidj heroorwagten, bah auf beu 
©ewerbegcrichteit bie Arbeitnehmer „mehr Aecht" befämen luic Arbeit* 
aeber. Ter Uutftanb, bah hü'r uadhgewiefeu worben, bah tu biefem 
fünfte bie Arbeiter ben Arbeitgebern fogar um 37% guriiefftehen, lägt 
beutlidh erfemten, bah oorgebadhtc unb ähnliche Vehauptungen nur ber 
AuSfluh unlauterer Veftrebungcn finb. 

Vßir haben biefen fräftigen SBortett nichts hiasa^afügen als 
eben bas Vebauern, bah gu ihnen Aniah war, unb bie Vefiirdjtung, 
bah bte unbegrünbeten Veberetett gegen bie, auf bem ©runbe ber 
©leichberechtigung ber Arbeiter unb Arbeitgeber aufge* 
führte Snftttution ber ©ewerbegerichte baburch noch nicht gunt 
Schweigen fontmen werben. 



03 


$)aS (Seroerbegeridjt. SRtttheilungcn beS BerbanbeS beutfdjer ©ewerbegertdjte. Br. & 


©utadjten fiitb oom ©ewerbegeridjt nid;t crftatiet lüorbcn, ineil | 
feine oerlangt würben, ein ^emeio, wie wenig (Geneigtheit bi^f^er j 
bet beit Behörbeit befielt, bas (Geiücrbcgendjt aud) nad) biefer ! 
©eite hi« an^nbilben. ©ewiffermaßen als ©rfafc bringt ber Be* | 
rieht ben Auffafc 311 m Abbnicf, in welchem ber fteftoertretenbe Vor* i 
fipenbe, Herr ©djniicber, beu ©utwurf bes VcidjSgefeßeS, betreffenb 
bie Sicherung ber Vauforbernngen, in biefen Blättern (uom 7. 3uli 
uub t Auguft) befprodjeu hat unb ber hierburrf) zum AuSbrucf 
ber Aufi d)t bes berliner ©eroerbegerichts, gewiffennaßen zu einem 
freiwillig erstatteten ©utaeßten gemadjt wirb. Auch Anträge finb 
bei beut ©ewerbegeridjt nur in einem Salle geftellt worben unb 
zwar zum 3wecfe "bcS AblaffenS einer Petition, betreffenb baS 95er* 
bot non 3uuungS*©d)iebSgeridhten att Orten, au welchen (Gewerbe* i 
gcridjte bereite errichtet finb. Außerbeut hat aber ber AuSfcßuß 
bes ©emerbegerid)ts fiel) noch mit einer Angelegenheit bcfd)äftigt, 
weldje nidit zu beu ihm gefeplid) nberwiefenen JuuFtionen gehört. 
(iS batte nämlich ber ©entralocrein für Arbeitsnachweife be* ! 
fdjloffen, ein .Kuratorium zur Viifroirfung unb Verwaltung beS j 
ArbeitsnadjweifeS für ungelernte Arbeiter zu ervidjteit unb ben 
AuSfdjnß crfudjt, bie Wahl ber betreffeitben Arbeitgeber unb Arbeit* | 
nehmer oorzmtehmen. Ter AuSfcßuß fam biefent ©rfudjen auch \ 
nach uub ooüjog bic Wahl, inbent er fo einen praftifdjeu Vernein j 
für bie engen Beziehungen zwifdjen Arbeitsnachweis unb ©ewerbe* 
gericht feinerfeits gab. 

©eefrfjöffeugertihtc, nad) Art ber ©cwerbegcnchte, hat ber 2. beutfehe 
SeemamtsFougrcß, ber ooui 0. bis Jl. Januar in Hamburg tagte, für j 
bie aus bem Arbeitserträge zwtfdjcu Seeleuten unb A hebern refp. ; 
bereu Vertretern herrühreuben Streitfälle oerlaugt. 


dtnigungsämtrr. 


Thätigfeit beS ViüudjfHfr ©emerbefleriihts als ©imgirngSamt. — Be* ' 
Ziehungen znnfd)en ©etuerbegeridjt unb Arbeitsamt. 1 

(Aus bem Vertd)t bcS ©ewerbegerichts SRüitdjeu.) | 

Als (5-iuigitngsatnt würbe bas ©ewerbegeridjt VJirndjen int ab* ■ 
gelaufenen Wcjrfiäjtsjafjrc zweimal aitgerufen. 

Tic erfte Anrufung gefdjah unterm 8. o«li oon Seiten ftreifeitber 
l'eberfärber ber gabriFen „'s. A." uub „•£>• u. (iic." Am 12. ^sitli fattb 
eine Vorbeiprcdjimg iwr bem (Gemerbegerid)te ftatt, z« ber fid) Vertreter 
beiber Parteien eiugcfunbcu hatten, liine giitlidte (Srlebigung ber Sadie 
würbe zwar angebahnt, eine Einigung fam jebod) nidjt 311 Staube, 
weil bic Streifcubeu au ber Aorbcrung fefthielten, baß bie fämmtlid)cu 
oor bem Streife Vefdjäitigtcu wicber in Arbeit genommen werben tollten, 
was bie Arbeitgeber ablebntcu. 

Ter zweite gali betraf beu Sd)iihntachcrftreif uom Auguft 1897. | 
Auf bie fowoljl oon ber Sdjithmadjcrimtuiig, als aud) ber Streiffom* 
utiffiou erfolgte Anrufung hin faub am J1. September gemäß §.63 beS 
©cwcrbegcridjtSgefefcc* bie Wahl oon Veififccrn uub Vertrauensmännern | 


fowic oon Vertretern ber Arbeitgeber uub Arbeitnehmer ftertt. Am 
12. September fam oor beut ©tmgiwgSamte eine Vereinbarung 
Stanbc. Tiefe würbe bann ber Vorfdirift beS §. 60 bes ©ewerbegeruht^ 
gefepes entfprechenb öffentlich belamit gemadjt. Wte nad)trägltdh befannt 
iourbe, ift bic getroffene Vereiubarimg oon beit Vetheiligtcii Hießt fiw 
gehalten worben. 

Bidjt unerwähnt mag Ip cl ' bleiben, baß für bie bes 

©cwerbegeritfjts als Ginigimgsamt auch bas Statut für baS ftäbiifdjc 
Arbeitsamt eine cinftf)lägigc Vefttmmuiig aufzitweifeu hat. 9?nd) §. 11 
hat nämlich bie .Kommiffion für bas ftäbtifdje Arbeitsamt bei Arbetts^ 
einfteüungen unb ?lrbeitsausfpcrrungen, fobalb fic 31t ihrer Äetintnif, 
gelangen, ben Vetheiligten eine furz oemeftenc griff 001311 ftreefen, binnen 
weldjer biefelben bas öinigungsamt beS ©ewcrbegerichtS emsuruten 
haben, ©efehieht btcS nicht ober fonunt ein SdjtebSjpruchTmch* Z« 
Staube ober unterwerfen fich bie Vetheiligten bem Schicbsfprud)*uidu, 
fo fann bas Arbeitsamt für bas beteiligte ©efdjäft ober ben betheö 
ligten ÖefchäftSzweig feine Ihätigfeit eiufteücn. Xiefc bem ArbettSaim 
ZuerFannte Vcfugniö z* c H barauf ab, bie Anrufung beS ©ewerbrgeridits 
als (5-inigungsamt ben Vetheiligten möglichft nahe zu legen. 

(5'S ift alfo aitdj hier ber enge guiamntenhang ( ^wifrf)eii ©ewerbe- 
gericht unb ArbeitSoermittelung im Statut felbft zum AiiSbrucf gebradjt. 


Berrdjiebfnc?. 


$ctfi$er*Smhtt(|iiti0eit. Öiue Vereinigung ber Arbctuiehmcr-Vci- 
fiper beftel)t in Altona (Vorf. V?. Vötcll. Tic Arbeitgeber-Veifiprr 
nehmen an ihr uidft tljeil. 


Uetbati^-^ngelegtiibeiten. 


Veitritt $iim Vcrbanb. Veigeircteit ift bas ©ewerbegerithi ^ 11 b w i g s - 
Ditrg, Württemberg; Vorphenocr Stabtfdiultheifj .(Sartenftcin. 

©itigegaiigen fiitb bie Berichte ber ©emerbegeriihte Verfiu, Varmeii, 
Vrombcrg, Vurg, Vreuteu, Xcffan, C^Ibcrfelb, granfjnrt a. ffi., Crfcu* 
bach, Stuttgart, Weimar. 

Anträge. Veififcer bes ©ewerbegerichts ©era haben einen Antrag 
geftellt, burch beu bas ©ewerbcgecidjt unter Vezugnaljme auf bie Alter- 
fenuung, wcldte bic Satfjlidjfeit ber Verathungen in beu bartigen gr-- 
wcrffdjaftlicheu Verfammlungen feiteitS beS ©ewerbe*gnfpeFtors gcfimbni 
habe, fid) gegen febc Verfchärfitug beS §. 153 ber ©ewerbe*£rbmmg 
ausfprechen fall. 


ßriefhöften. 


.SieicheMbach i. V. Wir finb für Vtitthcilungcn über bic 

Tljätigfcit ber öfterreidjifdjeu ©cwcrbcgeridjtc fchr banfbar uub werben 
bem Aitsfdjuh 0011 3h^m Sdjreibcn Äetmtnifj geben. Brief folgt. 


V^ochenfchrtfi „Soziale $ragt8, Sentralblatt für Soztalpolitit''. 

(Herausgeber: I)r. ©. gfranefe, Berlin; Verlag oon 2) und er & 
Hum blot, ßetpjig. 3 u beziehen burch fämmtliche Ißoftanftalten 
unb Vuchhaublungen zum greife oon 2 J(. 50 $f. für baS Viertel* 
jahr einfdjliefjli^ ber GKonatsbeilage „ 2 )aS ©ewerbegericht".) 

3nhalt ooit Ar. 18: Material zur 3rage ber H^uuziehuug 
oon Arbeitern zur fidjerhcitSpolizeilidjeit Beauffichtigung ber ©ruben* 
arbeit. Von Dr. greiherrn oon Berlepfd), StaatSminifter, 
Seebad) II. — T)as SunalibenoerfidjcruiigSgefcb. Von Dr. jur. 
Aidjarb a relt 11 b, Vorfijjcitbctu ber ^noalibitätS* unb AlterSoer* 
iidjermigs-Auftalt Berlin. - - Sozialpolitifd)e Debatten im VeidjS* 
tage; Tic Wohnungsfrage uub Biinifter ooit Biiquel; Sd)tth ben 
Augeftellten in ^abcugefdjäften. — prciifzifd)cr Stäbtctag; 

Arbeilerausfdjüifc unb ArbcitSorbuung itt beit ftäbttfd)cii Kattalifa* 
tioiiswerfeu in Berlin; Stabtratf) uub ArbciterFaiumer in 3ürich; 
Stiibtifdje Viiscellcn. — Ter (Gewerfoereiusbuub in (fuglanb. Von 
Cfrneft Aoes, VoubouJ Tas Moalitiousredjt ber bentfd}eu Arbeiter 
in Theorie unb präzis; Bewegung ittt Schueibergeioerbe: Ter 


Ausftanb ber £refelber ©ammetweber; Verein ^Arbeiterfchufe 4 *; 
©efeerftreiF unb Bopfolt beS w fiofaI*AnzcigerS" in Berlin; ©iiüid)e 
Vereinbarung sroifc^cii Bteifter unb ©ehülfen im Bäcfergeroerbe 
VerlinS; ©h r u«9 e iueS ©ewerfoereinsfefretärg burch Arbeitgeber 
unb Arbeiter in ©nglanb. — Äoufereuz oon Vorftänbcn ber 3u* 
oalibitätS*Verfi(herungSauftalten; ©rgebitiffe be8 3»ualibität8* uub 
AlterSoerricherungSgefeheS: Aerzte=©treiF bei ben Drtsfranfenfajfen 
£oImar i. (ilf.; Tie Bopfottirung ber Wiener Apothefen. — 

! Ardjio unb Bibliothef beS VerbanbeS beutfeher Arbeiten ach roeife 
in Berlin; Arbeitsnachweis für lanbmirth|chaftltch e Arbeiter in 
Hamburg; Allgemeine ArbeitSnad)wciS*Anftalt Äöln; Tie ^ofnng 
ber Preisfrage über bie ArbeitSoermittelung in ber ©djulj* uni» 
^eberinbnftrie. — ©rtrag unb Befteuerung ber einfonuncnitcuer* 
pflichtigen ©cfellfchaften unb ©enoffenfihaften in Preußen. Bon 
Dr. ©. Hii’fthöerg, ©hurMcnburg; Tie Begriinbuiig beS Äonfuut* 
Bau- 1111 b ©par*VereinS „probuftion", (5. ©. m. b. H-, in H«m* 
bürg. — Aus ber fiäbtifdjen WohnungSfommifrton in ©traßburg 
i. ©lf.; Arbeiterwohnungen in Wiilhaufen i. ©If. — Tev Tuber* 
fulofefongreß. — Inhalt beS ©ewerbegeri<htS G?r. 5. 


©eroerbegeridjt" erfcheint am erften ©omterftage Jcben SJtonatfi im SWinbefhimfange bon V* Bogen zum greife bon 1 SJi jdhtU<h. — BefteUungen 
nehmen fämmtliche $oftanftatten ($oftzeitungSnummer 2877) unb Buchhatibluitgen an; ein biteltec Bezug oon bet BetlagSbu$h<*nblung finbet nicht ftatt. 


iitüat »on »ander A hmublot, Seipiig. — «ebrudt bet 3 ultu« «ittenfelb in Berlin W. — Berantworilth für bie Reböftton: Btabtrath Dr. ^lef^ ffrantfurt <fc »t. 









IV. Sahrgattg. 


©erlitt uttb ^ratiEfurt a. beit 2. 9Jlärs 1899. 


Wurnmer 6. 


fas ©crafrkiu'riilit. 

Zltitthetlungen bes Verbattbes beutfcfyev (gewerbegeridite. 

SRcbafttonäauäfdjiijj: Stabtrntlj Dr. Jlefttj in gfrnnffurt n. 3W. nnb ©emeinberatlj $to«kmatjer in Stuttgart. 


gfWtt»f •« «Um ^»luifrftag t<&<u ?Honals. 


SSctlag üon ©undet & Jpumblot, Seipatfl. 


t*9rfi4 1 £R«rfc. 

Äoftenfteie SBetlaflc jut „©oatalen Sßrajiß". 


3nljalt 


3ur Jtompeten 3 bet ©ctüetbe* 
neriebte. 93on ©tabtrattj ©uno, 


ÄöniflSbetg t. $r.65 

©iiigerticbeS ©efefcbud) uitb 
©etoerbeorbnung.69 

gerfolTung unb JJerfaljreit .... 70 


3ft ^t op ort ton a Iw ab t 

mittelbare SBaljl" im ©inite 
beß §. 12 beß ©emerbegeticbtS* 
gefefceß? 

Sedjtrpreibung. 71 

£aben geroetblicbe Arbeiter 91nfprudj 
auf SSeaablwng ber §eft* unb freier- 
tage? (©eioerbegetiebt unb 2aitb- 
geritbt 33ertin.) 

3ft ein öebrbertrag nur bon bem 
\*ebtbenn unb bem Satcr beß ßeljr* 
lingS fcbriftlicb abgefebtoffen, fo liegt 
ein fdjriftlicber £et}rüertrag mit bem 
2eT)tlinge nicht bor uttb bet Sebrljert 
fanit eine ©ntfdjöbigung wegen S3er- 
Iaffenß ber \Jebre bont Sebriinge 
nicht berlattgen. (©enterbegeriebt 
Aiiilljeim, SRubr.) 


3ufab bet 33oflftrecfung8Tlaufel ju 
gemerbegericbtlicben Urtbeilen. (®e« 
werbegeriebt Öeipaig.) 

Unter toeldjen Umftänben ift ber 
a3ädergefelle jur SSertoeigeTung ber 
Slrbeit unter SSetufung auf bie 93er. 
orbnung beß Söunbeßratbß, betreffenb 
ben betrieb bon SBadfexcicn, be* 
reebtigt? (©emerbegeriebt 9Jtaina.) 

ILUgenuitteg über (Bemerbeßerttbte 
nnlt &rb*tt*Mrtra0. 74 

©ewerbegeriebte unb 9lrbeitß- 
nach weiß. 

9Iuß ben Sabreßbericbten bon ©e* 
werbegeridjteu. 

friefkaßen.76 

©ericbtßfcbreiberei beß ©emcrbegeridjtö 
2flünd)en. — ©tabtmagi)trat©cbiocin* 
furt. 


Snbattßangabe ber „©oaialen SPtajtß". 


91bbrud fämmtHcbet Hrttfel ift 3eitungen unb 3ettfd)riften geftattet, iebodj nur mit 
boQer Duellenangabe. 


3nr fionipetenj ber (ßetoerbegertdjte. 

©on ©tabtratfj duno in Königsberg i.*$r. 


3n 9h*. 16 ( 6 p. 423 ff.) ber „So 3 ialeit Sßrajis" mirb baS 
©erliner ©emcrbegericht tunt feinem ©orfifcenbeu gegen ben ©or* 
ttuirf einer Arbeiteroerfammlung in Schuft genommen, feine 3a= 
flänbigfeit ohne ©runb unb llrfache befeftränft 3 U haben. 3 <h muft 
geflohen, ba| id) itadj Kenntnisnahme oon ben brei oon §errn 
o. Sd) 11 I 3 mitgetfteilten dntfdjeibungcn beS berliner ©emerbegerichts 
bem feunfdj jener ©erfammlung mich burdjauS anfcfjliefte, 3 ioar 
nicht in ber Sorm — bie Darlegungen beS §errn 0 . Scftul 3 er* 
geben ja, baft baS ©erliner ©eroerbegericht feinen SRechtSftanbpunft 
31 t begriinbeit meiß —, moljl aber in ber Sache. Qd) möchte bie 
©i'einungSäufterung jener Arbeiteroerfammlung bahin umbeuten, 
baft baS ©erliner ©emerbegeridjt 311 erfucheit fei, feine $Re<htSanficht 
über bie (Trensen feiner 3 uftänbigfeit nochmals 311 prüfen. ds ift 
in ber Dhat nicht erroünfdjt, toenn bem ©erliner ©emerbegeridjt 
nachgemiefen merben fanti, baft e§ bei 9(bmägung oon 3 uftcinbigfeit§* 
fragen nicht ben geiftigen Inhalt ber gefehlten S^orfchriften ge* 
roürbigt h n t, fonbern an einer 3Bortau^legung hüngen geblieben 
ift, mährenb ba§ al^ ©crufung£inftan 3 fprechenbe orbentliche Bericht 
bem ®efeb eine roeitherjigere Vluölegung giebt. 6 eitbem ein fdjarf 
juriftifdh gefaulter SSorfipenber unter $Simoeiä auf bie Ausführungen 
001 t dcciuS (bei ©rndjot ©b. 36 6 . 142) behauptet hot, bah ein 
Itrtheil beS ©croerbegeridjts in einer (Sache, 311 bereu dntfdjeibitng 
es nicht 3 uftänbig fei, nidjt als llrtheil eines ®erid)tS angefehen 
merben fönne, toirb mit peinlicher Aengftlichfcit bie 5 rage ber 3 n s 
ftänbigfeit geprüft itub, toie mir fcheiut, nad) bem ©rutibfap ent* 
fchieben: im 3 meifel gegen bie 3 uftönbigfeit. 

§err o. 6 chul 3 tnufj 3 uaeftehen, bah in brei Säfleu bas (9e* 
merbegerid^t ©erlin uom ^anbgeridjt abgeäubert ift. dr flicht aber 
bie s Jiechtfprechung beS ®eroerbegerid)tS 31 t bcgrüuben, bie 9iedjt* 


fprechung beS Öanbgerid)tS als irrig nad) 3 umeifen. Das oeranlaSt 
mich 311 bem ©erfuch, ihn 00 m ©egentheil 311 überzeugen. 

Am eheften ift nod) ein 3meifel geredjtfertigt, ob bie tnt Kantinen* 
betrieb einer ©rauerei (einer ArbeitermohlfahrtSeinrichtung) angeftelltc 
9)latnfeU ©etuerbegebilfin fei. Qcb glaube aber auch S^r, bafi bie 
Ausführungen beS l ? anbgeri(hts, Das biefen ©etrieb als Dheil beS 
gefammten djeraerbebetriebeS beS Unternehmers anfieht, 3 utreffen; 
beim als ©rioatmann, abgefeheit oon feinem dJemerbebctrieb, mürbe 
ber ©ranereibefifeer bie Kantine nicht betreiben. Da hi** dr* 
rcägungen thatfächlidjer 9iatur mitfpielen, mill ich ben Öoß nidjt 
meiter erörtern. — DaS aber bie 3 u M eru ng beS Arbeitgebers, er 
merbe bem treuen unb fleißigen Arbeiter eine Spareinlage als 
©rcirnie 311 m Arbeitslohn machen, ein 00 m ArbeitSocrbältniS un* 
abhängiges Sd)enfungSoerfprechen barfteUe, mie 0 . Sdjuß mit bem 
dtemerbegericht ©erlin im ©egenfap 311 m ßanbgericht annimmt, ift 
mir unfaßlief). Selbft bie in reine 9öillfiir gestellten 2öeihnad)ts* 
unb 9leitjahrSgef^enfe ber Angeftellten merben mit ooüem 9lecht 
nidjt als Aft reiner Liberalität, fonbern als freimiflige d)egeu* 
leiftung für bie im Laufe beS QahreS geleisteten Dienfte angefehen.M 
Die Spareinlage follte 3 roeifelIoS eine dj’traoergütung für bie 
Arbeitsteilung fein, ebenfo mie bie „ Prämie", bie bem Arbeiter 
oerfprod)cn ro\rb, ber ein größeres Quantum 3 in! aus bem 9ioh= 
material geminnt. 2 ) Db biefe dytraoergütung gefchulbet mürbe ober 
nicht, ob bie 3umenbung berfelben reiner SöiHrür beS Unternehmers 
oorbehalten mar ober nicht, baS mar gerabe ber Streitpunft, über 
ben bas ©emerbegeridjt entfeheiben follte. Der Kläger ocrlaugte 
bie Prämie als „eine ihm 3 uftehenbe Leiftung ans bem Arbeits* 
oerhältniß". Da ift es hoarfpaltenbe Diftelei, menn baS ©emerbe* 

Ö annimmt, es fei ein SchenfimgSoertrag äußerlich mit bem 
Soertrag 3 ufammeugebracht, für erfteren aber baS ©eraerbe* 
gerieft n i d) t 3 uftänbig! 

Unb enblid) freue ich mich barüber, baß enblid; baS Laub* 
gerid)t ©erlitt bie engherzige Auslegung beS ©emerbegeridjts ©erlin 
mißbilligt hat, meines fid) nad) bem ftrengen SSortlaut beS ©e* 
feheS 3 ioar für Streitigkeiten über bie AuShänbiguitg unb ben 
Snhalt beS 3^gniffeS für 3 uftänbig hält, aber dntfdjäbigungS* 
aufprüd)e megeu oer^ögerter AuShänbigung ober unrichtigen Sn* 
halts nicht als „dntfd)äbigungSaufprüche aus bem ArbeitSoerhältnifs" 
anfehen rciU. 

3nt erfteit Saljre hat baS ©erliner ©emerbegerid)t bie ©egriffe 
„Leitungen unb dntf^äbigungSanfprüchc aus bem Arbeits 0 er* 
b ä 11 n iß" bahin aufgefaßt, ba& auch nüttelbar burch ben 
ArbeitSoertrag begriinbeten ©e 3 iehungen 3 ioifchen Arbeitgeber unb 
Arbeiter barunter fallen, inSbefonbere auch Anfprüdjc auf heraus* 
gäbe beS KranfenfaffenbitdjS, ber CuittungSfarte ober älterer bei 
ber Annahme übergebener 3^ngniffc, bie Aitfpriiche auf Verausgabe 
oon © 3 erf 3 cug, ArbeitSfleibern, fomie bie dntfdjäbigungSanfpriiche 
megeu oermeigerter ober oerjögertcr AuShänbigung beS Arbeits* 
bud)eS, 3 c u 9 n iffeS, KranfenfaffenbnchS ober ber fcmttungSfarte. 

Später mürbe fdjarffinnig bebi^irt: Alle biefe Ansprüche be* 
ruhen nidjt auf bem ArbeitSoertrag. Söeitn ber Arbeiter bem 
Arbeitgeber aus Anlafe beS ArbeitSoertragS 3 c ngniffe, CuittungS* 
farte, Kranfenfaffenbudj iibergiebt, ober fein ©erfreug jur Arbeit 
mitbriugt, fo fchließe er neben bem ArbeitSoertrag einen befouberen 
©ermahrungSoertrag; fein Anfpruch auf Verausgabe mährenb ober 
nach beenbetem ArbeitSoerljältniß habe nidjt in bem ArbeitSoertrag 
feinen ©edjtSgruitb, fonbern in feinem digenthum ober beffereu 
©efitj ober in bem befouberen ©ermahrungSoertrag. 3 ) Die Aus* 

*) llugcr, dntfdjeibitngen bc« ©eiocrbcgcridits ©crliu, Ar. 21. 

3 ) ©emerbegeridjt, I. ^aljrg. 3p. 4. 

3 j lluger, Ar. 198, 199, 203, 204, 205. 















e n 


$)aS Eeroerbegerlcht. SRltthellungen bei Berfanbel bcutfd^r bewerbe gerichte. Nr. 6. 


68 


hänbigung beS Arbeitsbuchs ober ^uflniffeS bei Beenbigung ber 
Arbeit gehöre nicht gu ben uom Arbeitgeber auf ©runb beS ArbeitS* 
oertragS gu erfüllenben ^ßpftd^ten, fonbern Berufe auf ausbrüeflidjer 
gefebltd)er Borfcbrift ber §§. 107 unb 112 Abfafc 2 ber ©ewerbe* 
orbnung. 4 ) Unb feitbem entftanb bie ^orberung, bafe bem un* 
abroeisbaren praftifchen Bebürfnifj baburd) abgeholfen roerbe, ba& 
bie 3«fiöubigfeit beS ©ewerbegerichtS auf alle biefe <JäIIe er* 
weitert werbe. 

Sri) felbft h a &e tnicb fcfjliegHc^ oon ber fdjeinbaren ßogif jener 
Begriinbung gewinnen iaffen, bin aber bei nochmaliger eingebenber 
Prüfung, bie id) bei Neuauflage beS SRugbanfchen Kommentars 
gum ©ewerbegerid)iSgefefc anfteUen muffte, gu ber Uebergeugung 
gelangt, baff biefe Argumentation bem SBefen ber @ad)e nicht 
gerecht wirb. 

28enn bie ©ewerbeorbnung beftimmt, baff ber minberjäbrige 
Arbeitet bem Arbeitgeber baS Arbeitsbuch abliefern muh, baft ber 
Arbeitgeber es ihm nach Beenbigung beS ArbeitSoerbältniffeS gu* 
rücfgeben muff, baff er bem Arbeiter ein 3 eu 9™fi auSfteHen muß 
(S§. 107 unb 112), fo beifet eS .fraarfpalterei treiben, wenn man 
barauS, baff biefe Pflichten im ©efefc befonberS b ero *>rgeboben finb, 
ableiten will: SDiefe Pflichten beruhen nicht auf bem Arbeitsertrag, 
fonbern auf befonberer aefefclicher Borfdprift. §. 630 beS bürgerlichen 
©efefcbucbeS wacht bie AuShänbigitng beS 3eugniffeS allgemein gur 
Pflicht beS $)ienfiberechtigten. 6o wenig wie man fagen fann, baS 
in §. 559 beS Bürgerlichen ©efefcbudjeS geregelte ^ßfanbrecbt beS 
BermietberS an ben eingebraebten Sachen beS 9RietherS beruhe 
nicht auf bem BtiethSoerhältniS, fonbern auf befonberer gefehlter 
Borfcbrift außerhalb beS BertragSrecbtS, fo wenig barfman fagen, 
bie Pflicht gur Aufteilung eines 3^gniffeS entfpringt nicht aus 
bem ArbeitSoertrag, fonbern fwt feinen NedjtSgrunb in einem be* 
fonberen ©efefc! $5aS ©efe(j regelt, was Inhalt beS BertragS fein 
foll. 107 unb 112 ber ©ewerbeorbnung enthalten einfach eine 
Erweiterung ber Ned)te unb pflichten ber Parteien beim ArbeitS* 
oertrag. £>ie AuShänbigung beS Arbeitsbuches unb 3 cu 9™ff e 8 
erfolgt erft nach Beenbigung beS ArbeitSoerbältniffeS, aber noch 
als eine B ertrag Spflidjt beS Arbeitgebers, wie bie Nücfgabe ber 
SRietbfacbe nad) bcenbigtem BJiethSoerhältniS eine BertragSpflicbt 
beS SRietherS ift. Erft wenn er biefe Pflicht erfüllt hat, hat ber 
Arbeitgeber ben ArbeitSoertrag gang erfüllt unb wenn er biefe 
Pflicht nicht erfüllt ober bei Erfüllung berfelben ein Berfeben be* 
ebt (Bergug, Ausfallen eines unrichtigen 3 e WQ n tffeS), fo ift ber 
arauS entftebenbe SchabenSerfafeanfpru^ ein fontraftlidjer, auf 
bem ArbeitSoertrag beruhenber, nicht ein aufferfontraftlicher, auf 
©efejj beruhenber. $>ie bei llnger Nr. 201 unb 202 mitgetheilten 
Entfcfaibungcn beS Berliner ©ewerbegerichtS unb bie Ausführungen 
oon o. Sthulg: 

„als ein EntfchäbigungSaufpruch aus bem ArbeitSoerhältiüS fann 
ein Derartiger Anfpnicb nicht erflärt werben, weil bie Pflicht gut* 
3cugmftcrtnei(ung im ©efep felbft, nicht iin ArbeitSoertrag ihren 
Nedjtsgrunb hat unb weil biefe Pflicht ihrer Natur nach erft 
nach Beenbigung beS ArbeitSocrhältniffes gu erfüllen ift", 5 ) 

beljanbelu ben ArbeitSoertrag nicht mehr als einheitliches NedjtS* 
inftitnt mit burch Eioilrccht unb ©ewerbeorbnung geregeltem Snhalt, 
fonbern als ein burch Eioilrecht geregeltes NechtSoerhältnifj, bem 
burch bie ©ewerbeorbnung noch eine Neibe oon eingelncn auf 
„©efefc" beruhenben Pflichten hingugefügt ift. 3d) Qlaube, in biefer 
Bcgiehung liegt ber Srrthum in ber fcheinbar fo logifefeen NechtS* 
ausführuna beS Berliner ©ewerbegerichtS auf ber frnnb. 

Nun bringt weiterhin bas ArbeitSüerfjältniff es mit fiel), baff 
ber Arbeiter entweber oom Arbeitgeber Vanbroerfgeug ober einen 
SDienftangug geliefert befommt, ober baff er fid) fein giaubwerfgeug 
gur Arbeit mitbringt, oielleicht auf ber Arbeitsftclle läßt, ba| er 
feine «Straffenfleibung irgenbwo im Arbeitsraum unterbringt, oiel* 
leicht ben ArbeitSangug über Stacht bort läßt. Sofern ber Arbeit* 
gelier Verausgabe ber anocrtranten Bkrfgcuge, 6djabenerfah wegen 
Befchäbiguug ber bem Arbeiter anoertrauten 9Rafd)inc ober beS 1 
übergebenen ArbeitSmaterialS forbert, wirb baS wohl gweifelloS 
itorf) als Aufprall) aus bem ArbeitsoerhältniS angefehen unb nid)t 
noch ein befonberer HeberlaffungSoertrag neben bem ArbeitSoertrag 
fonftruirt. ©enn aber ber Arbeiter, ber nach bem ArbeitSoertrag 
gnm galten eigenen B?erfgeugs ocrpflichtet ift, auf beffen VerauS* 
gäbe flagt, fo jagt bas Berliner ©ewcrbegericf)t: 

„Aus bem Arbcitsurrtragc lägt fiefj eine Berpfliditimg für ben 
Arbeiter, bic ihm cigeuthümlicheu Arbcilsitteuftlien im Mrwabriain 
bes Arbeitgebers gu belnffen, ebeufowenig hcrleitcn, wie anberer* 

4 I llnger, Nr. 2<»1, ‘202. 

5 I -Bogiale ^raris Nr. in 5p. 42s. 


fetts für ben Arbeitgeber, bie Sachen tu Berwahrung gu nehmen; 
ber Anfpruth auf Verausgabe hat feinen NedfjtSgrimb nicht in 
bem Arbcitsoertra^e, fonbern fann nur in bem Eigenthum beS 
Arbeiters an beit machen ober ttt bem Berwahruugsoertrag be* 
grünbet fein."*) 

3<h meine, in biefen Ausführungen ift baS SBefen beS ArbeitS* 
oertrageS überfeheu. SRit ber Berpfltchtung beS Arbeiters gur Aä* 
beitsteiftung unb ber Berpflichtung beS Unternehmers gur ßofjn* 
gahlung ift ber Schalt ^cS ArbeitSoertrageS nicht erfchopft. 2)er 
ArbeitSoertrag Bebingt, bafe SRafchineu, Söerfgeug, ArbeitSmatcrial 
oorhanben fei, gleichgültig, oon welcher «Seite es geliefert wirb; 
eS ift nötljig, bajg ber Arbeiter mit feiner Sjterfon bort fei, wo bie 
Arbeit geleiftet werben foH, bafe er baher an ber Arbeitsstelle feixt 
unb Nodf oblegen, ben ArbeitSangug angiehen, ben anberen auf* 
bewahren fann. §. 120b Abfah 3 ber ©ewerbeorbnung macht fo* 
ar bie Bcfchaffung befonberer AnHeiberäume gur Bfli<ht ^eS Ar* 
eitgeberS. $)aS alles ift ein fo nothwenbiges 3 u ^ e hör gum 
ArbeitSoerhältuife, wie bie Benufcung beS gemeiufamen Vai^HurS, 
ber kreppen beim SRiethSoerhältnife. Kann ber Arbeitgeber bem 
Arbeiter befehlen: Nocf unb V u * fommen uid)t mit in bie 3Bcrf* 
ftatt, laß fie braunen? SRan barf auch nicht enghergig bie ©rengc 
fo giehen: folange ber Arbeiter arbeitet, ift fein Äerfgeug, fein 
Noa unb feixt auf ©runb beS ArbeitSoertrageS in ben Näumen 
beS Arbeitgebers, wenn er biefe @ad)en aber nach beenbigter Ar* 
beitSgeit über Nacht ba läßt, bann ftfjließt er einen befonberen Ber* 
wabrungSoertrag! 3<h meine, auch ba bleiben bie (Sachen im ©c* 
waprfam beS Arbeitgebers auf ©ruub beS ArbeitSoertrageS, genau 
fo, wie wenn ber Arbeitgeber bem außerhalb ber Sabrif arbeiten* 
ben SNonteur geftattet ober aeftatten mufe, baS ihm übergebene 
Söerfgeug auch über Nacht in ©ewahrfam gu behalten ober auf ber 
ArbeitSfteKe gu Iaffen, ftatt eS nach beenbeter ArbeitSgeit gurficf* 
guliefern. ^)ie gegenfeitigen Anfprüche finb nicht nach beit Negeln 
eines befonberen BerwahrungSoertrages, fonbern nach bem gu be* 
urthcüen, was in Anfehung oon Söerfgeug, 9Raterial, Kleibung 
beim ArbeitSoertrag ,,^reu unb ©lauben mit Nücfficht auf bie 
BerfehrSfitte" (§. 242 beS Bürgerlichen ©efefcbuthS) erforbern. 2S?ie 
ber BeooHmächtigte feine Auslagen nicht auf ©runb eines befon* 
beren NechtSoerl)ältniffeS neben bem Auftrag, fonbern mit ber 
actio mandati einflagi, fo oerfolgt ber Arbeiter feine Anfprüche 
wegen SBerfgeng unb Kleibung ni^t auf ©ruub eines Neben* 
oertraaes, fonbern als Nebenleiftungen aus bem $>ienftoertrag. 
Nur biefe Auffaffung wirb bem feefen beS ArbeitSoertrageS 
gerecht; bie £ogif beS Berliner ©ewerbegerichtS föft ihn auf, ger* 
ftüdelt ihn. 

Enblich h Q beu bie BerftcherungSaefehc bie Begiehunaen gwifchen 
Arbeitgeber uub Arbeiter mannigfach erweitert. Bkil Dem Arbeit* 
geber auf ©runb biefer ©efefce gewiffe Pflichten erwach)en finb, 
ift es üblich geworben, ba& baS Kranfenfaffenbud), bie CuittungS* 
farte oom Arbeiter bem Arbeitgeber bei Beginn beS ArbeitS* 
oerhältniffeS in Bermahmng gegeben werben, oon lefeterem gum 
3wecf ber Berficherung benufet uno bei Schluß beS ArbeitSoerhält* 
niffeS gurürfgegebeu werben. 5)aS ift fo allgemein, bafj man eS 
als thatfächliche Uebung (Ufance im ©egenfafe gum ©ewohnheits* 
recht) betrachten barf. B$er ben ArbeitSoertrag fc^Ueßt, fennt bie 
Hebung; DuittungSfartc unb Kranfenfaffenbud) finb thatfächlich 
Arbeitspapiere geworben, bie auf ©runb beS ArbeitSoertrageS 
hingegeben unb gurütfgegeben werben. Bkmt baher ber Arbeiter 
feine CuittungSfarte nach «Sdjlufj beS ArbeitSoerbältniffeS gurücf* 
forbert, fo braucht er fich flar n i^t a »f §• 1C) 8 beS SnoalibitätS* 
oerficherungSgefeheS gu berufen (beffen Beftimmungen ihm gu Vülfe 
fommen, wenn ein anberer als ber Arbeitgeber bie DiüttungSfarte 
oorenthält), fonbern er flagt meines Erachtens auf ©ruub beS 
ArbeitSoertrageS auf beffen Erfüllung, weil bie Nücfgabe ber aus 
Anlafe beS ArbeitSoerhaltniffeS übergebenen Rapiere bei Beenbigung 
beS ArbeitSoertrageS ftiHfd)ioeigenbe BorauSfehung beiber Zfytxlt 
beim BertragSfchluft ift, weil „Streu unb ©lauben mit Nücffid)t 
auf bie BerFehrSfitte" auch biefe Öeiftung gur Erfüllung ber Pflichten 
aus bem ArbeitSoertrage erforbern. 

SÖenti man aber aud) baran fefthalten will, bafj bie gegen* 
feitigen Ned)te unb Pflichten aus bem ArbeitSoertrag über bic 
^fli%teit ber ^)ienftleiftung einerfeitS, ber Vohugahlung anbererfeits 
nicht hiimusgehen, fo möchte id) fd)ließlid) barauf oerweifen, baß 
bic 3»)tänbigfeit ber ©ewerbegerid)te nirgeubs baoon abhängig 
gemad)t ift, bafe bie 53eiftungcu unb Entfd)äbigimgsanfprüchc 
gerabe in bem ArbeitSoertrag ihren NedjtSgrunb höben. §. 3 
Nr. 2 beS ©ewerbegerid)tSgefefceS fpricht oon Seiftungen unb Ent* 

i; » llnger Nr. 2n.‘>. 



69 


So* ©ewetbegtelty. ©titlrtiungi« bei Sterten ba# beUtfd&e* ©eroerbegeridbte. R*. 6. 


70 


fchäbigungSanfprüchcn öuS bem „ArbeüSoerhältnth*- $)as ift 
ein weiterer begriff als ArbeitSoertrag. §. 108 ber ©emerbe* 
orbnung oom 21. 3uni 1869 befchränfte bie angeorbnete Bor* 
entfcheibung geujerblid^er Streitigfeiten auf „gegenfettige ßeiftungen 
mährenb ber ©auer beffelben" (beS ArbeitSuerhältniffeS); §. 120a 
ber Rooelle oom 17. Quli 1878 erweitert ben begriff ba^in: 
„Qegenfeitige Stiftungen aus bemfelben". ©enn nun je^t in J. 3 
Rr. 2 beS ©eroerbegerichtSgefebeS noch ausfcrücflich auch bie „©nt* 
fchäbigungSanfprüche aus bem ArbeitSoerhältniffe" als gewerbliche 
Streitigfetten hegeicfjnet finb, fo Ijat man barin moi)i bie Abft<ht 
jtu feljen, ber mieberum erweiterten Raffung eine auSbehnenbe 
Auslegung $u geben. 

Scbenfaffs glaube ich bargetljan m hoben, bah alle bie 
oon mir begegneten Anfprüche mittelbar aus bem ArbeitS* 
oerhättniffe entfpringen, felbft roettn mir beftrüten werben fällte, 
ba& fie im ArbeitSoertrag ihren ©runb hoben. 3<h bin aber 
überzeugt, bah ein oorurtheilslofes |>ineinbenfen in bie gegenfeitigen 
RechtSbegiehungen gmifcher Arbeitgeber unb Arbeiter auch baS ©e* 
werbegerid)t Berlin bagu fuhren wirb, alle jene Rebenleiftunaen 
als St^eil beS als einheitliches RechtSinftitut zu beurtheilenoen 
ArbeitSoertrageS aufgufaffen, gu erfennen, bah man burch eine 
fdfjeinbar fcharfe logifcbe $)ebuftion gu einer baS ©efen beS Ber** 
tragSoerhältniffeS auflöfenben Unterfd)eibung gelangt ift. 


fifirgerHdjtf ©efc|tmdj ttnb flktorrbrorinmtg. 

(Bergl. Rr. 4 u. 5 beS „©eroerbegerichtS".) 


3u ber SJrage über baS Berfjältnifc ber §§. 123, 124 ©em.D. 
gn §. 626 B. ©.B. fdßreibt uns £err Brofeffar non Blume 
(Roftocf): 

„deiner Anficht nach wirb B. ©.B. §. 626 aud* auf bie Redf)t$* 
oerljältniffe ber ©efellen, ©ehülfen, gobrifarbeiter angumenben 
fein, unb gmar in ©rgängung ber Beftimmungen ber §§. 123, 124 
©ew.D. 

„$>ah bie §§. 123, 124 burd) baS B. ©.B. nicht haben auf» 
gehoben werben füllen, wirb nicht bezweifelt werben. ©S fann nur 
eine ergängenbe Anwenbung beS §. 626 B. ©.B. in Srage fte^en. 
0b fie guläffig ift, wirb am ftdfjerften feftgeftefft, wenn man ben 
heutigen RechtSguftanb prüft. Sinb ^eute für bie Aufhebung 
beS ArbeitSoertrageS ber ©efellen, ©eljülfen, 8fabri!arbeiter neben 
ber ©emerbeorbitung bie Beftimmungen beS partifularen büraer* 
liehen Spechtes mafjgebenb, fo wirb fünftig für baS bürgerliche 
ReichSredjjt, bas an Stelle beS ßanbeSrecf)tS tritt, baffelbe gelten 
müffen. 

„2>ah nun bur<h©em.D. §§.123,124 bie Anwenbung beS bürger* 
liehen Rechts habe auSgefdjloffen werben foHen, ergtebt fl<h aus 
bem ©ortlaut Des ©efefceS ficber nicht. Aber and) nia)t aus feinem 
3we<f. 2)ie Auwenbbarfeit beS bürgerlichen Restes auSfd&liehen, heifet: 
ben ©runbfäfeen ber bona fides ihre ©inmirfung auf bas Ber» 
bältnih ber ©efellen, ©ehülfen, Sabrifarbeiter nehmen, h^ifet biefe 
RechtSoerhältniffe unter jus strictum ftellen, bah folcheS burdh bk 
©em.D. beabfidjtigt worben fei, fann nicht angenommen werben. 

,,©S ift auch bisher wohl überwiegenb nicht angenommen worben. 
©enigftenS hat baS Reichsgericht (©ntfeheibungen Bb. 38S.114fa.) 
entfehteben, bah baS ßanbeSrecht für ben ArbeitSoertrag ber Be» 
triebsbeamten, ©erfmeifter, £ed)ni!er neben ben Borf<hriften ber 
§§. 133 a—133 e ber ©em.D. gelten, unb gwar aus ©rünben, bie für 
bas Berhältnifj xmifdien ben §§. 123, 124 ©.0. unb bem ßanbes» 
rechte ganz ebenfomohl ©eltung beanfprudhen. ©S ift auch fdfjon 
in biefem Urteil barauf htngewiefen worben, bafe 
BrayiS beS ^anbelSrechtS lein Bebenfen tragen, neben bem Art. 62 
beS 0t. ©.B., ber ben §§. 123, 124 ©em.D. oerwanbt ift, bie 
©runbfähe beS ßanbesredjts in Anwenbung z« bringen. 

„©in ©runb für bie auSfdhlie&lidje ©eltung ber AufhebungS* 
grünbe ber ©ewerbeorbnung fönnte nur aus ber ©riftenz beS §. 124a 
©em.D. entnommen worben. Bton fönnte nämlich im ©tnoerftänbnife 
mitbem in $r. 5 biefer 3ntf(h r ifi mitgethcilten 0<häfer’fd)en ©utachten 
fagen: ba fchon §. 124 a fubfibiär neben ben §§. 123, 124 alle 
wichtigen ©riinbe beriicffichtigt, wenn auch wx unter ber BorauS» 
febung, bafe baS ArbeitSoerhältniS auf eine längere SDaucr aus» 
gegangen ift, fo fönnen bie „wichtigen ©rünbe" mdht zugleich 
bem ßanbeSrecht ober aus B. © B. §§. 626 ihre Äraft entnehmen. 
3<h holte inbeffen biefen ©ebanfengang nicht für richtig, benn ba 
§. 124a ©em.D. nur für beftimmte ArbeitSoerträge oon ©efellen, 
©ehülfen, Sabrifarbeitern gilt, fo ift auch nur \m £>inblicf auf 


biefe bie Anwetibung oon entfprechenben Beftimmungen beS ßanbes» 
rechtes ober oon B. ©.B. §. £26 auSgefchloffen. Auf Berträge 
bte §. 124a nid>t trifft, fann B. @.B. §. 626 unbebenflich ange» 
wenbet werben. 

„Btan wirb übrigens gut thun, zur ßöfung einer Sfrage wie 
ber oorliegenben nicht nur theoretifche ©ebuftionen, fonbern auch 
praftifdje ©rwägungen anzufteüen. Unb z^ar um fo mehr als 
bie 9fooelle zur ©ewerbeorbnung unferer ©efefcgebung (Gelegenheit 
bietet, ben ftther h^chft unerfreulichen S^e^feln über baS BerhältniS 
beS B. ©.B. zur ©em.D. burth eine authentifdje 3nterpretation ebenfo 
ein ©nbe jui bereiten, wie bas im Art. 14 beS ©.©. zum $.©.B. 
oom 10. Btai 1897 hinfi<htii(h c ^ ncr ähnlichen Streitfrage gesehen 
ift. darüber ob eine ben §. 626 B. ©.B. entfpredhenbe Beftimmung 
für alle Arbeitsoerträge oon ©efellen, ©ehülfen, gfabrifarbeitem 
münfchenSwerth fei, ift nun fchon bei ber Beratung ber ©e» 
werbeorbnungSnooelle oon 1891 im Reichstage geftritten worben 
(BrotofoKe oer VIII. Segislaturperiobe, Seffion I, Bb. III, 
0. 2182 fg). 3<h h fl lie bie ©riinbe, bie bamals gegen eine folche 
gefefeliche Regelung oorgebracht würben nicht für zutreffenb, meine 
oielmehr, bah & cr ArbeitSoertrag unter allen Umftänben nach ben 
©runbfäfcen oon £reu unb ©Iauben im Berfehr beljartbelt unb fomit 
bem Richter in ber ©ürbigung ber BertragSaufhebungSgrünbe eine 
gewiffe Freiheit gelaffen werben mu&. ©te alle gretheit, fo bietet 
auch *ü e f c ©efohten, auf beren Ueberwinbung man bo^ mit Sicher* 
heit rechnen barf. 

„Snbeffen glaube ich, bah eine 2)i$fuffion gerabe über biefe 
Sfrage oon befonberer ©ichtigfeit ift unb möchte hiermit bagu angeregt 
haben, ©eine Ausführungen gur Sache, bie ich h^ auf baS 
Rothwenbigfte befchränft höbe, hoffe ich an anbrer Stelle nod) er* 
gangen gu fönnen." 

3m bireften ©egenfafc hi^u fchreibt $txt Dr. ßubwig Sulb 
in ©ding: 

„3m Berhältnih gu bem B. ©.B. ift bie ©ewerbeorbnung als 
Lex specialis gu bezeichnen, bas B. ®.B. bilbet ihr gegenüber 
bie Lex generalis. Runmehr ift ber AuSlegungSfah: Lex gene¬ 
ralis posterior non derogat legi speciali priori allgemein, ober hoch 
faft allgemein anerfannt. ©enoet man benfelben auf ben gur 
Beantwortung ftehenben Soll an, fo ergiebi fid), bah §. 123 ber 
©em.D. burch §. 626 B. ©.B. nicht abgeänbert wirb, trofcbem bas 
fpätere ©efeh in biefer 3?nige minber weitgeht. S)ah auch bie 
ReichSgefefcgebung auf biefem Stanbpunft fteht, fann aus ber Be* 
ftimmung beS §§. 34 beS ©inführungSgefeheS gum ^anbelSgefeh* 
buch entnommen werben, wonach §. 69 beS Börfengefe^eS Durch 
§. 769 beS B. ©.B. nicht berührt wirb." 

* * 

* 

€$ liegen uns gur gleichen Anfrage noch mehrte ©infenbungen 
oor. ©enn wir biesmal gerabe bie beiben oorliegenben bringen, 
fo gefchieht bieS, weil beibe oon Herren h^rühren, bie wiffenfehaft* 
lieh wohlbefannt finb, bie aber im ©egenfafc gu ben beiben ©ut* 
achtern ber oorigen Rümmer, nidjt unmittelbar in ber BrajiS ber 
©ewerbegerichte ftehen. ©S ift intereffant, bah auch biefe beiben 
©utacf)ter gu einanber wiberfprechenben Refulttiten gelangt 
finb. ©s fteht alfo zweifellos feft, bas unfere $rage nicht wie 
oon einigen ©utaef)tern angebeutet wirb, leicht unb einfach gu löfen 
ift. ©S befteht eben über eine ber wichtigften fragen 
aus bem wichtigften &ontraft, ben baS bürgerliche Recht, 
etwa mit Ausnahme beS ©heoertrages, überhaupt fennt, ooll* 
ftänbige Unflarheit. 3)a eine authentifche 3nterpretation nicht 
mehr möglich ift, wirb es oon bem fubjeftioen ©rmeffen ber ein* 
jelneit ©ewerbegerichte abhängen, ob fie bie jebergeitige Auflöfung 
beS ArbeitSoertrageS „aus wichtigen ©rünben" geftatten ober für 
ungefehlich erflären. ©ir folgern hieraus, bah, gong wie wir es 
in ber erften Rümmer biefer Qeitfchrift (o. 2. Apnl 1896) bereits 
auSge[prochen hoben, bie Beorbnuna beS ArbeitSoertrageS burch 
bas öffentliche Recht, alfo eine Reoifion ber ©ewerbeorbnung 
unerläßlich ift. $)ie Rebaftion. 


UetfofTnng null Detfaljttn. 

3ft B^ohorttoualwahl //unmittelbare ©ab^ im Sinne beS §. 12 
beS ©ewrrbegerichtSgefebeS? 

Befchluh- 

S)er B^ooingialrath in Gaffel hat in feiner heutigen Sifcung 
befchloffen, bie Befchwerbe beS ©agiftrats ber Stabt öranffurt a. ©. 



71 


$o* ©eioesbegeridrt. VHtthdlungenbeS Berbanbei beufyher ©cmetbegerichte. 92s. 6. 


72 


gegen ben ©efdjlnfj be$ BegirfSauSfchtiffeS in ©ie&babeit vom 
6 . 3nli 1898, burd) welchen ben vom Rfagiftrat ber ©tobt 
^ranffnrt a. 3)2. am 10. $)egember 1897 unb oon ber ©tabtoer» 
orbneten*Berfammlung am 25. Sanuar 1898 befdjloffenen Slenbentn* 
gen ber §§. 14 unb 18 be$ DrtSftatutS oorn 21. grebruar 1896 
bie ©enehmigung oerfagt morben ift, gurüdfgutoeifen. 

©rünbe. 

J)ie non beut BegirfSauSfchufj Beanftanbete Aeuberuttg h<*t Bie 
©inführung beS ^roportional-SBahlwrfahrenS für bie BSahl ber 
23eifiöer beS ©eroerbegerid)tS 31 t grranffurt a. 5J2. gum ©egenftanb. 

JHe Beanftanbung ift non bem BegirfSauSfthuh unter ber Be* 
grünbung erfolgt, bah biefes SBahloerfahren — roelcheS, foroeit 
befannt, noch Bei feinem Oeroerbegericf)t im Reiche in Anroenbung 
ftehe, feine 3roedfmähigleit alfo noch feineSmeaS Bemiefen ^a&e — 
eine Beffere unb alle ttyik gufriebenftellenbe 3ufammenfeBung be£ 
©crichtS nicht fid^erftclle. 

@3 fonnte baljin geftettt Bleiben, ob btefe lebiglici) bie 3roedf* 
mäfeigfeitsfrage berücf|i<htigenbe Begrünbung 3 U BiEigen fei ober 
nicht, toeil bie non bem SJtagifirat unb ber ©tabtoerorbneten*Ber* 
fammlung befchloffenen Aenberungett beS §. 14 beS DrtSftatutS 
00 m 21. SeBruar 1896 mit bem ©efefc betreffenb bie ©eroerbe* 
geriefte nont 19. Suli 1890 im SSiberfprudj fielen, unb tneil fefjon 
behhalb bie 3urüdfroeifung ber Befchmerbe geboten mar. 

©enn §. 12 beS genannten ©efefceS Beftimmt, bah bie SSaljl 
eine unmittelbar unb geheime fein foHe, fo Bat ber ©efejjgeber 
offenbar Bei geftfefeung biefer Beftimmung norfcBreiBen moHen, 
bah es jebem Wähler frei ftefjen folle, unter ber ©efammtgahl ber 
wählbaren Sßerfonen, ohne jebe Vermittelung burcB britte klonen, 
biejenigen auSgufuchen, benen er feine ©timrne geben roolle, unb 
baf$ baS Wahlergebnih unter Beriicffichtigung aller fo abgegebenen 
©timmen feftgeftellt merbe. 

Unb menn ba§ ©efefc in §. 13 bie „Näheren Veftimmungen 
über bie Wahl unb baS Verfahren Bei berfelben" ftatutarif^er 
Regelung überlä|t, fo bürfen bo<B bie Veftimmungen foIcBer ©tatute 
gegen bie gefehlid) feftgelegten ©runbfähe nicht oerftofeen. 

©olche Verftöhe mußten aber in ben Veftimmungen beS 11. 
unb 12. Abfafces be$ §. 14 (in ber abgeänberten gorrn) gefuitben 
merben. 

$)enn menn Bort feftgefefct ift, bah 3 ur Vorbereitung ber Wahl 
ininbeftenS 8 Sage oor bem Wahltage WahloorfchlagSlifien 
ein 3 ureicBen finb, . bafe nur fol<f>e VorfchlagSliften in Betracht 
fommen fönnen, bie oon mmbeftenS 20 Wahlberechtigten 
untergeidfjnet ftnb unb bah ©timmgettel, bie nid^t in foroeit einer 
biefer VorfchlagSliften eitifprechen, bah fie minbeftenS 20 Flamen 
in UeBereinftimmung mit einer berfelben enthalten, feine Verüdf* 
fuBtigung finben fotten, fo miberfprechen biefe Veftimmungen bem 
©runbfafce ber Unmittelbarfeit ber Wahl unb Bebingen aufeerbem 
eine unguläffige Befd)ränfung besi freien Wahlrechtes ber Wähler. 

@3 muhte baher biefen mit ben ©runbfäteen beS ©efe^eS in 
Wiberfprudj ftehenben Bestimmungen bie nachgefuchte ©enehmigung 
oerfagt merben. 

ifcurcf) bie beabfichtigten Aenberungen beS ©tatute mürbe ba$ 
©rgebnifj bef Wahl nicht mehr unmittelbar oon ber nach freier 
©ntfchliefjung ber eingelneit ©übler erfolgenben Abftimmung, fonbern 
oon einer — menn auch nicht nachfolgenben, fo hoch ber eigentlichen 
©ahlhanblung oorauSgehenben — oermittelnben JHjätigfeit geroiffer 
Drganifationen abhängen unb baS thatfächlidf) oielleicht ohnehin 
ftch geltenb madhenbe ilebergeroicht organifirter ©Ühlergruppen über 
bie nichtorganifirten ©ähler mürbe ftatutarifch gebilligt unb befeftigt 
mittels einer nach bem ©efebe nicht 3 U rechtfertigenben Befchränfung 
be3 ©ahlrechte^. 

konnte bi crncu B Bern §. 14 bie nathgefudjte ©enehmigung 
nicht ertheitt merben, fo mufjte fie auch bem §. 18 oerfagt merben, 
beffen Snhalt nur im 3ufammenbang mit ben beanftanbeten Be* 
ftimmungen beS §. 14 in Betracht fommen fann. 

©affel, ben 26. Sßooember 1898. 

^er ^rooin3ialrath ber ^rooinj .§effen*92af)an. 
gej.: 3)2agbebnrg. 


HfdjtfpwiCjötig. 


•^abeii gemerbliche Arbeiter ?tnfprurf) auf Vcjahlnng 
ber /Veft* intb Feiertage? (Crutfcheibniig be^ (^cinerbegertdjtö 
Vfrlin uom 24. 2tpril lsim. 1 3on/%4. Borf. SRagiftraWnffeffor 


Ur. Brafch unb beS ftonigl. ÖanbgcrUht« I Berlin 8 . 00 m 
18. September 1896.) 

5tlager mar oon 1893—1896 gegen SBochmlobn als ©efeHe bc= 
fdf>äftigt. SBahretib biefer 3^it finb -ih m Bie gefeblichen geiertage (©h«r» 
freitag, 0 ftern 2 c.), ber Dienstag nach Dftem unb ^fingften unb bie 
3eit jroifchen SBeihnachten unb 9teitjahr gefürjt morbeu, ohne baft er 
bagegen proteftirt ^dtte. Älagenb oerlangt er jefet bie ©rftattung ber 
Hbaüge aus beu fahren 1894—1896 mit 105 ,50 «49. @r toar aD= 
gumeifen. 

?fuS ben ©rüuben: SSeber im ©efejj/ noch — fomeit Befannt — 
in ber ßitteratur unb SjuMfatur ift bie Srage, ob ben HrBetiero bie 
gefehli<h en geiertage gu begahlen finb, ermahnt. Bei ben ©eroerbe* 
gcrichten ift bie ^rajis fthmanfeub. ^aS Berliner ©eroerbegcricht bat 
ben mit SBochenlohn Befchafttgten Arbeitern bie Begahlung ber gefttage 
gugefprodhen. ©ollte jeboch ein äBodjjenlohn nur als Bielheit beS tage* 
IohneS feftgefefet fein, fo mürben nur befonberc Itmfiänbc, g. SB. Brauch, 
biefe $lnftcbt red^tfertigen. tiefer SfuSführung fann aber nur befchranfi 
beigetreten merben, g. B. bei 5feHnem, ba biefe Beftimmte tägliche 
BeitSgeit überhaupt nicht h fl üen, Ueberftuuben auch nicht begahlt bc= 
fommen. §ier aber mirb bie grage ber Begahlung ber geftttage faft 
eine aftueüe, ba JfcIIner au allen gefttagen arbeiten. 3 n f n ft rtHcn 
anberen gällen ift bie ?tb|lcht ber Parteien, bag ber Arbeiter gegen 
©ochenlohn eine beftimmte Seit gu arbeiten Ijut, lleberftunben ejetra 
vergütet erljalt unb ihm für Unterlaffen ber Arbeit mahrenb ber 2lrbeii^ 
geit Äbgiige gemacht merben. 2)agu fommt, baß burch gefepliche ?tn s 
orbnuitg für ben Slrbettgefar eine unoerfdhulbcte Unmöglichfett, ben 
Arbeiter gu befchäftigen, Befiehl, ein StedfjtSgrunb, h«rfür benfelben gu 
entfefjabigen, Hegt nid^t oor. 2>er Arbeiter fann aber nur für geleistete 
Arbeit Sohn forbem. 3ut oorliegenben galle fonnte ber Kläger aber 
überhaupt nichts mehr nachträglich oergütet oerlangen, ba er ftch 3uhr f 
hinbutch geftänbUch bic Äbgüge ohne ^roteft h«t gefallen laffen. 

2)ie hiergegen eingelegte Berufung mürbe gnrücfgeroiefen. 

©rünbe: 2)er Kläger mar feiner eigenen Slngabe nach bei bem 
Beflagten gegen SBodjjenlobn als ©efeUe befchäftigt; er ftanb alfo in 
einem bem §. 121 unb nicht bem §. 133 a ber ©emerbeorbming rnt= 
fprechenben StrbeitSoerhüItnih unb fchon biefe ©teüimg fpricht böfnr, 
ba bie in bem lefcteren Barographen begeidhneten SBerfmeiftcr unb ahn* 
liehen HngefteHtcn gerabe babur<h ; baö ihre Bergntung in feften, gehatt* 
artigen Begügen beftehh ftch uuS bem Greife ber übrigen gemetblicheu 
Arbeiter h c roorhebt, ba& ber ooit ben Parteien als Vergütung oerein» 
barte, ©ochenlohn nicht bie Statur berartiger Begüge gehabt hat, fonbern 
oielmehrnur als ©ntgelt für bie feftftehenbe SirbeitSgeit oon 6 ©odifu* 
tagen Bllbete; auch an biefen Klagen hobelte eS fidj um bic Arbeit*» 
leiftnng mahrenb beftimmter ©tunben, mie Bereits ooni ©emerbegericht 
unb gmar ohne bah ber Kläger, bem in biefer Snftonj miberfprocfjcn 
hat — feftgeftellt morben ift. Xer unter ben Parteien gefächenen 
Bereinbarung ber Vergütung als SBodfjenlohn mar baher nur bie Ve* 
bentung beigutegen, bah bas für feftftehenbe £age unb ©tunbeu am 
©chluh ber SBodfje gahlbare ©ntgelt nortnirt morben ift. 2>cm ftlager 
mar fonach nicht eine ©efammtoergütung für eine mahrenb bcs 3 cils 
ranntS ber SBoche etma unbeftimmte SlrbeitSleiftung, fonbern bie Ver= 
gütung für beftimmte ©iunben unb Jage gngefagt. ©inen SCnfprurfi 
auf Vergütung h at er baher auch nur iufomeit, als er burch Arbeit 
mahrenb biefer le^i beftimmten 3 e d oorgeleiftet hat- &n ben gefehUchcn 
geiertagen mar nun megen beS Beftehenben Slrbeitsoerbots bie ßeifiuiig 
ber Arbeit objeftio unmöglich; nnch ber Kläger mar nicht in ber ßage, 
an biefen Jagen feine ^ienfte bem Beflagten gur Verfügung gu [teilen unb 
Arbeit gu leiften (ogl. ©ntfeheibigung beS Reichsgerichts in ©ioüfacfint 
Banb III 6. 183, §. 910 I. 11 Allgemeinen ßanbrechts); ber mit brr 
Älage oerfolgte Anfprudj auf Vergütung für biefe Jage mirb bafter 
hinfällig. J)er Äläger h®t nun noch meiterhin für bie ^ienfttagc naäi 
Cjtem nnb ^fingften, fomie für bie Wochentage gmifthen ©cihnacbtni 
unb Rcujahr mahrenb ber 3 a h re U °B l 895 eine Vergütung um 
ber Begrüitbung eingeflagt, ber gabrifbetrieb beS Beflagten h^be in 
biefer 3 c ü geruht. J)er Anfprnch auf biefe Vergütung märe nun nie- 
berechtigt angnerfennen, menn bas Ruhen beS Betriebes nur in ber 
orbrnmg beS Beflagten feinen ©ruitb gehabt unb ber Kläger an ben 
eingelnen Jagen ftch auSbriicflich bem Beflagten gur Arbeitsleiftung er' 
boten hätte. J)ah ßehtereS gesehen, h^t ber Kläger in biefer ^sixftang 
aber nicht gu behaupten oerfucht unb oor bem ©emerbegericht bai er 
bereits gugeftanben, bah er mäfjrenb feines ArbeitSoerhältniffeS bei« 
Beflagteu niemals fein Verlangen, an bett ermähnten Jagen gu ar= 
beiten, funbgegeben habe. 

3ft ein ÖehJ* üertra 9 nitr üon Bern ßehrh^rrn nnb bem 
Vater beS ßehrliugS fchrtftlid) abgefchloffcn, fo liegt 
ein fchriftlicher ßebroertrag mit bem ßehrliitge nicht oor 
unb ber ^ebrberr fann eine ©titfchäbigurtg mögen Bei- 




78 


Das ©emerbegericht. ©ttttbetlungen b«S ©erbanbeS beutfdjjer ©eroerbegeridfjtc. 9lr. 6. 


74 


faffenS bei* Sefj re nom Sefjrlinge nicht oerlaugen. (©emerbe* 
gor. ©Jitlfjetm, ©uljr. 28. Dea- 1898.) 

Der Kläger Ä. forbert oon bem DeFlagteu Seljrliugc ©., bcr bie 
Seljre bet ihm oerlaffen ljat, entmeber bah ber ©eflagtc in bie Sef)rc 
aurücfFehrt ober il)nt bie nach betn mit bent ©ater beS dcflagteu im 
AprÜ 1898 abgefdfjloffeneit fdjriftüdfjen Sehrocrtrag für biefen galt 
uerabrebete ©ntfdfjäbigutig oott 50 M. aahle. 

Der ©eflagte behauptet nicht redfjtSroibrig bie Sehre nerlaffen ju 
haben, meigert ftch in biefelbe gurütfjuFehren unb beantragt Abroeifung 
bes ÄlägerS. Der im April 1898 non bem Kläger unb bem ©ater bes 
©eFlagten abgefthloffene Sehrocrtrag ift non bem Sehrtinge, bem ©e* 
{tagten, nicht unterfdjrieben. 

©rünbe: Der ©eFlagte meigert fich in bie Sehre jurüdaufehren, 
ber Äläger fann baher megen SRtdfjterfüllung beS SefjroertrageS eine 
©ntfdfjäbigung nerlangen. (21. S.A. I. 5. 408). 

9tach §• 127 f. ber ©emerbeorbttung Fann ber Kläger, menn ein 
Sehrltng nor Ablauf ber nerabrebeten Sehrjeit bie Sehre redfjtSroibrig 
nerlaffen h ö h nur bann ©ittfdjäbtgung nerlangen, menn ber Sehr* 
nertrag fcbrtftlidfj abgefchloffen ift. Der notliegenbe Sehmertrag ift non 
bem Sehrlittge nicht unterfdjrieben, erfüllt alfo nidjt bie gorberung beS 
§. 126 b ber ©eroerbeorbmtng: „Der Sehroertrag ift non bem ©emerbe* 
treibenben, bem Sehrlittge unb bent ©ater beS Sehrlings $u unter fdfjreiben". 
Schriftliche Verträge erhalten ihre ©ültigFeit erft mit ber Unterfdjrift 
ber ©ertragfdjliehenben (A. S.9t. I. 5. 116. 117) unb es liegt baljer, ba 
bie Unterfdjrift bes SeljrltngS unter bem Sehroertrage amtfdfjen Äläger 
unb bem ©ater beS ©eFlagten fehlt, ein Sehroertrag in fchrtftüdfjer gorm 
jtnifchen ben Parteien nicht nor. 

Der ftläger fann baher bie in bent norgelegten Vertrage ans* 
bebungene ©ntfdjäbiguttg nicht forbern unb tnirb baher mit feiner Älage 
abgemiefen. (AetdfjSgeroerbeorbmutg §. 127 f.) 

3ufafc ber ©ollftrecfnngsFlaufel jn geroerbegcridjtltdjen 
Urthcilen. (©ntfrfjeibung bes ©croerbegeridjts Seip^ig nom 30. Sep* 
tentber 1898.) 

Am 10. September b. 3- erhoben bie Kläger bei bem ©einerbegericht 
Seipaig ftlage mit bem Anträge, feftjufteHen, bah bie ©eflagte nerpflichtet 
fei, ihnen am 14. September b. 3. je 27 M. uub biefelbe Summe je 
am 21. September b. 3- ju äaljlen, bepp, joroeit gäüigfeit ber geforberteit 
Beträge im Saufe bes ©roacffeS eintrete, bie ©eflagte jit bereit 3ahütng 
au nerurtheilen. Am 18. September b. 3- erlief bas ©einerbegericht 
Sctpftig baranf folgcnbc* (fnbnrthcü: (5 s tnirb feftgeftellt, bah bie ©e* 
ftagte nerpflichtet ift, einem jeben ber beiben Kläger am 14. September b-3- 
27 M. unb am 21. September b. 3- je bie gleiche Summe ju zahlen, 
menn ertoiefert ift, bah ftch bie Äläger ihr folange jur Verfügung ge* 
halten haben. DiefeS Urtheü mürbe ben Klägern am 16. September b. 3- 
augefteHt; am 20. September b. 3- reichten fte bei bem ©eridjt folgenben 
Srfjnftfafe ein: „2Sir beantragen hiermit, bas Urtljeil beS ©emerbe* 
geridjtS nom 18. September b. 3- für oorläufig ooUftrecfbar ju erflären." 
Dem Antrag mürbe nicht ftattgegeben unb aroar au« folgenben ©riinben: 

Der Antrag ber Äläger Fann nur fo aufgefajjt merben, bah baS 
ItrtfjeÜ beS ©eroerbegeridjts nom 18. September b. 3- burch 3ufajj ber 
©oüftTecfungSflaufel ergäbt merben fott (nergl. §. 654 (£.©.0.). 9tun 
fann es aroar einem gmeifel nicht unterliegen, bah btefer Antrag inner* 
halb ber im ©efefc ~ nergl. §. 292 Hbf. 2 <£.$.0. — norgefchriebenen 
eiumöchigeit grift gcfteHt morben ift unb bah er bie im fCbfa^ 3 cit. 
uerlaitgte gefefeliche gornt erfüllt, benn ber 9Wangel ber Sabung be§ 
Olegnerö a ur ntitublichen Serhattblung fchabet in bem Verfahren nor 
ben ©emerbegeridjten ber ©ültigfeit beS Antrags auf (£rgänauttg beS 
Urthcilö ebenfomenig tnie bcr ©ültigfeit ber lagichrift (§. 280 <5.$.D.), 
tneil bie Sabung ber Parteien Sadje be£ ©erichtö ift (ngl. 2Bilhelmi*gürft, 
Montmentar, 9tote 1 a« §• 34 Seite 146). 3 m merf)in fteHt ftch ber An¬ 
trag ber Kläger alö unbeachtlich bar, beim biefe begehren bantit etmaö 
redjtlid) Unntöglidjeö. greilitfj fihreibt §. 56 2tbfah 2 beö ©efeheö nont 
29. 3nli 1890 nor, bah non 9lmt$megen alle Urthcile für oorläufig 
ooUftrecfbar au erfiaren feien, in benen ber ©egenftanb bcr Serurtheilung 
an ©elb ober ©elbeSmertl) bie Summe non 800 M . nicht überfteige. 
Diefe ©eftimmung bezieht ft<h Feittegmegä auf biejeuigen Urtheile, 
bie auf eine gefiftellungöflage ergangen pnb, ma$ ber ©efehgeber fchoit 
burch bie Sorte „©egenftanb ber ©crurtheilung" aum Sludbrucf 
gebracht hat. ©ereitö bie SRotioe aur CSioilproaehorbnuttg erfläreit eö für 
fclbftncrftänblich, bah nur folchc ©nburtheile bie ©ollftredungsflaufet 
erhalten fönnett, bie ihrer Statur nach einer ©oUftrecfung fähig ftnb. 
§ierait)5 folgt, bah alle Urtheile, bie’ailein bie geftftellung beo ©eftehenö 
einer ©erpflidfjtuug au-Sfprechen, hiernon auöannehnten ftnb (nergl. Strucf* 
mann*tod), Kommentar aur (£.©.©., 4. 2lufl. Stotc 1 a« §. 644 S. 686). 
Da mm aber ein Urtheü ber Iefotgenannten ^Irt im gegentnärtigeit gaDe 
uorlag, fo muhte ber Antrag ber Kläger fchon non WmtSroegen awrücf- 
gemiefen merben. hieran Fonnte auch baburdö it.id;W geänbert merben, 


bah bic Kläger in ihrer ftlagc beit ©nentualautrag gefteüt hatten, bie 
©cflagte aur Safjlung a» nerurtheilen, fällig bie gäHigfcit ber geforberten 
©eträge im Saufe beä ©roaeffc^ eintreten folltc; benn ber ©roaefj h a ttc 
burd) ben Grlah beö Urtljcilö feinen Hbfchluh in erfter Snftana gefuitben, 
unb menn ba$ ©erlangen ber Kläger auf ©rgänauitg biefeö Urtheilv 
gerichtet ift, fo muhte ba3 ©emerbegericht lebiglich prüfen, ob bic ©ichtcr, 
bie baö Urtheü gefällt hatten, etrnaS barin übergangen hatten, morüber 
bamalö auf Antrag ober non SlmtSmegen au erfennen mar. Dieö ift 
aber nid)t ber gall, benn bie Kläger haben Seiftung nur für ben gall 
oerlangt, bah *üe gättigfeit ber geforberten ©eträge im Saufe bes ©ro= 
aeffeS eintrete, unb geben felbft a«, bah öer erfte Dheil threö Snfprudjö 
nidht nor bem 14. September fällig gemorben ift. 3n golge beffen ner* 
mochten bie batnaligen dichter meüer nichts als bie geftftelluug bes 
©eftehenS einer ©erpflichtung auSaufprechen unb bürften aus ben oben 
angegebenen ©riinben bem Urtheile bie ©oIIftrecFuugsFlaufel nicht bei* 
fügen. 

Unter meldjeti Umfiänbeit ift ber ©äcfergefelle anr ©er* 
meigeruttg ber Arbeit unter ©erufnng auf bte ©erorbung 
beS ©unbegratljS / betr. beit ©etrieb non ©äefereien, beredhtigt? 
(Urtheil beS ©emerbegerichtS ©taina.) 

©eftü^t auf bie ©eljauptung, bah ihn ber ©erflagte am ©adjjmit* 
tag bes 20. Slpril b. 3. ohne rechtmähigen ©runb unb ohne Äüttbigung 
eutlaffen habe, nerlangt ber Kläger eine ©ntfdjäbigung. ©r mar an 
betn genannten Dage non bem ©erflagten beauftragt morben, bei bem 
©erbringen non Äofjlen, bie für ben ©efdjäftsbetrieb beftimmt mareu, 
an ben HufbemahrungSort behülflich a u fein, lehnte aber troh mieber* 
holter Slufforberuttg feine SRühiilfe an ber Arbeit unter ber Ärflärung 
ab, bah er bc eits über bie auläffige ?lrbeitSaeit hinaus für ben ©er¬ 
flagten thätig gemefeu unb beSljalb a 11 weiteren Dienftleiftungen nidjt 
nerpflichtet fei. Daraufhin erfolgte bie fofortige ©ntlaffung. Kläger 
mürbe mit feinem Kttfpruch auf ©runb bcS §. 123 3*ffer 3 ber ©emerbe* 
orbnuitg abgemiefen. 

©riinbe: Dah ber Kläger nerppidjtet mar, ftch bei bem SBeg* 
fchaffen ber für ben ©etrieb ber ©äeferei beftimmten Äoljlen au betheiligen 
unb biefe Arbeit, bie in allen ©äefereien non ben ©efeüen anftaubSloS 
bethätigt mirb, an ben ihm Obliegenheit ©erpfUdjtungen gehört, barüber 
befteht Fcinerlei ©teinungsnerfchicbenheit. ©adj ben auf ©runb bes 
§. 120 e ber ©emerbe*0rbnung über ben ©etrieb non ©äefereien uitb 
©onbitorcien non bem ©unbeörath erlaffeneu ©orfchriften barf bie 9lr* 
beitsfchicht jebeS ©eljülfen bie Dauer non 12 Stunbeit ober, falls bie 
Arbeit burch eine ©aufc non minbeftens einer Stunbe unterbrochen 
mirb, eiitfchliehlicb biefer ©aufe bie Dauer non 13 Stunbeit nicht über* 
fchreiten. Äuherbalb ber awläfftgen Slrbeitsfchichten bürfen bie ©ehülfen 
nur an gelegentlichen Dienftleiftungen nermenbet merben. 3n>if'ihen je 
aroei ÄrbeitSfdjichten muh benfelben eine ununterbrochene ©nlje non 
minbeftenö 8 Stunben gemährt merben. Huherbem bürfen ©eljülfen 
unb Sehrlinge u. fi. an jährlich 20 ber ©eftimmung beö SlrbcitSgeberS 
überlaffenen Dagen über bie norftehenb feftgefehte Dauer befchäftigt 
merben. 3 u 8 e 8 e &en nnn felbft, bah bie SlrbeitSfdjidEjt beS Klägers an 
bem fraglichen Dage bie anläfftge Dauer überftbritten habe, fo mar fetne 
Steigerung gleichmohl nid^t berechtigt. Das Slbtragen non Äoljleu, 
non §ola, ©teljl u. bgl., alles Slrbeiten, bie nicht täglich norfomnten, 
fällt gana unamcifelhaft uub raie non bem Äläger felbft augegeöett mirb, 
unter bie gelcgentlidjen Dienftleiftungen, au meldjeit bie ©ehülfen auher* 
halb ber auläffigen Slrbeitsfdjichten herangcaogen merben Fönnett. 39” 
bem h<*t ber ©eflagte burch ©orlage feiner Äalenbertafel ben ©emeis 
geliefert, bah ihm für Ueberarbeü noch eine ganae ©eihe non Dogen 
aur ©erfügung ftanb, eine ©erle^ung ber gefeblichen ©orfrfjriften foljiit 
nicht ftattgefunben h«t. Äläger hatte atterbütgS Sitfprudj auf eine un¬ 
unterbrochene ©tthe non minbefieitS 8 Stunben awifchen 2 Slrbeits* 
fdhichten. 0b biefer Slnfpruch auch an bem fraglidjen 20. Slpril erfüllt 
morben märe, braudjt nicht unterfucht au merben, ba bie ©ntlaffung 
bes ÄlägcrS fchon norher unb innerhalb ber auläfftgett ©efdjäftigungs* 
aeit erfolgt ift. _ 

Allgemeinem übet (Remerbegertdjte unb 
Arbeitmnechrag. 

^ewerbegerifhte unb 2lr6ettSua(hwetS. 

©Sir entnehmen ben Jahresberichten ber ©emerbe^erithtc 
Bremen unb ©Seintar folgenbe Dhatfachen, bie jeigen, mte enge 
unb mte naturpentäh bie Beaiehungen amifihen betbeit uermanbten, 
bem gleiten 3trf bes fo^ialen Ausgleichs bienettbett Snftituten fittb. 

Auf ©runb bes §.-70 Abf. 3 beS ©eroerbegerichtSgefefeeS hat 
baS ©emerbegericht Bremen ben Senat im ©tära 1895 erfudjt, 
baS ©rforberlidhe a« neranlaffeit, bamit für bie Stabt Bremen ein 
ftäbttfehes Arbeitsamt aatn 3^^ befferer Arbeitsoermittelung 


75 


ta« ©ewerBegericht. fütt|eilimgen beS UerBcmbeS betitfdfje* #ewerBegeri<hte. Rr. 0. 


76 


Swifdjen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern errietet werbe, tiefer 
Anregung 3*>Ige gebenb, hat Ber (Senat in einer SRittheihing oom 
15. Sebruar 1898 oit bie Viirgerfchaft bie Rieberfeßnng einer ^De¬ 
putation beantragt, um bariiber 311 beraten unb 31 t berieten, ob 
unb in welcher Vteife, fowie unter welchen näheren Veftimmungen 
bie Errichtung eines ftäbtifchen Arbeitsnachweis fich empfehle. 
Diefe Deputation ift ins Leben getreten, ©ie hat befcfjloffcn, AuS- 
funftSperfonen aus beit Greifen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter 
über bie 3wecfmäßigfeit ber Errichtung eines ftäbtifchen ArbeitS- 
nachtoeifeS 311 oernehmen. Der Vorfißenbe beS ©ewerbegerichts, 
welcher SRitglieb ber Deputation ift, erhtelt ben Auf¬ 
trag, bie Arbeiterbeififcer bcS ©ewerbegerichts 3 U oer* 
anlaffen, oier foldbe AuSfunftSperfonen aus ihrer SRitte 
3 U wählen. Dief e SBahl h<*t am 2. 2Rai 1898 ftattgefunben. 
Die gewählten Herren ha&en fid& bei ihrer Vernehmung am 9. 9Rai 
1898 ber Deputation gegenüber mit Entfchiebenheit für bie Er¬ 
richtung eines ftäbtifchen ArbeitSnadbweifeS auSgefprochen. Die 
Deputation hot noch nid^t über baS Ergebnis ihrer Verhanblungen 
an ©enat unb Vürgerfdjaft berichtet. 

Die in §. 70 beS ©emerbegerufjtSgefebeS oorgefehene Dhätig- 
feii hat baS ©ericht Söeimar nur in einem 3 ufoIge Erfud>enS beS 
©emeinbeoorftanbeS in ber ©efammtfifcung am 15. Se&rnar 1898 
beratenen unb mit SRehrheit befdjloffenen ©utachten, betreffenb 
einen Arbeitsnachweis, entwidfelt, baS folgenben Wortlaut hatte: 
„Das ©efammtaemerbegericht empfiehlt, mit bem ©emerbeoerein 
hier eine Vereinbarung bahin b e *bei 3 ufübren, baß biefer Verein 
bei ber Leitung beS oon ihm 3 U errichtenben ArbeitSnachweifeS 
eine Vlitwirfung ber Arbeiterfchaft 3 uläßt unb baß ber Arbeits¬ 
nachweis auf aue Arbeitskräfte, einfchließlid) ber weiblichen, auS- 
gebehnt wirb, fo baß sunächft nur Dienftmäbchen, Unechte, Tage¬ 
löhner auSgefcfjloffen bleiben." Diefem ©utachten entfprechenb ift 
»erfahren worben. 


Ans ben 3ahre*Beriihte« Hon ©etterbegeruhteit. Stad) bem 
Verwaltungsbericht beS ©ewerbegerichts ©tettin (©tabtbegir!) für 
bie 3eit oont 1. DFtober 1897 btS 30. ©eptember 1898 waren bei 
biefem ©ericht 530 Klagen anhängig (im Vorjahr 487). Daoon 
finb oon Arbeitnehmern 513 unb oon Arbeitgebern 17 Klagen er¬ 
hoben worben. Diefelben waren in 302 Säuen auf Lofjnsahlung 
gerichtet, bie übrigen auf Entfdjäbigung wegen unrechtmäßiger 
Entlaffung, oor 3 eitiger SRieberlegung ber Arbeit u. f. w. Erlebigt 
würben: Durch Vergleich 170, ourd) Älagesurücfnahme 16, burd) 
Anerfenntniß 2 , burd) Verfäumnißurtheile 31, bur<h fontrabiftorifcheS 
Enburtheil 210 , in anberer SSeife 92 Klagen. Der größte Tljeil 
berfelben entfällt auf baS ©chneibergemerbe einfcpließlich ber 
ÄonfeftionSbranche mit 69, herauf folgt baS äRaurergewerbe mit 
51 unb bann baS ©chanfgewerbe mit 50 Klagen. 3n einem gaUe 
war baS ©ewerbegericht auf ©runb beS §. 91 Abf. 6 ber ©ewerbe- 
orbnungSnooeUe 00 m 26. 3uli 1897 (Uebergang ber Entfcheibung 
einer ©treitigfeit an baS ©ewerbegericht an ©teUe beS 3nnungS- 
fchiebSgerichteS) tljätig geworben. — 3nt VerichtSjahre ift baS 
©ewerbegericht gum erften s lRale als EiniaungSamt angerufen 
worben unb 3 war anläßlich beS ©treifeS ber '©teil- unb Rab- 
machergefellen. Dem am 20. Auguft 1898 erlaffenen ©<hiebS- 
fprudje haben fich beibe Theile unterworfen unb bie getroffene 
Vereinbarung auch gehalten. Vei einem weiteren AuSftanb, bei 


bem etwa 1000 Arbeiter betheiligt waren unb ber nach ca. £iv*ci 
SRonaten mit bem Unterliegen ber ©treifenben enbigte, fam es 311 
feiner Anrufung beS ©ewerbegerichts. Daffelbe führt in bem Sp¬ 
richt weiter aus: ES wäre 311 h°ff cn , Baß baS ©ewerbegericht 
fortan häufiger bei AuSftänben in Anfprud) genommen würbe, um 
fo mehr, als bie Heber 3 eugung allgemein oerbreitet ift, ba& bei 
einem AuSftanbe beibe Theile ©dhaben haben, ©ollen aber 
EinigungSoerfuche Erfolg haben, fo ift eS bringenb nothmenbig, 
baß bie Anrufung gleich im Anfänge beS AuSftanbeS, beffer noch 
oor beffen Ausbruche, ftattfinbet. ^at ber AuSftanb bereits längere 
3eit gewährt, fo glaubt fich jebe $artei oor ber Anmfung hüten 
3 U müffen, weil jie befürchtet, ber ©egner werbe barauS auf bie 
©chmäche ber Vofttion beS anrufenben TheilS fchließen. 

Ueberficht über bie Ttjätigfeit beS ©ewerbegerichts Hamburg 
im 3ahce 1898. Die 3®hl ber anhängigen Klagen betrug 3166, 
bie ber neu angeftrengten Klagen 3068. Von ben neu angeftrengten 
Klagen würben angebracht oon Arbeitgebern gegen Arbeitnehmer 
96, gegen Lehrlinge 15, oon Lehrlingen gegen Arbeitgeber 75, oon 
Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber 2875, gegen Arbeitnehmer 7. Die 
3ahl ber Aubien 3 en betrug 299, bie ber Verhanblungeit 4302, bie 
ber Labungen 4613. Die 3ahl ber Vergleiche betrug 1428, ber 
VerfäuniniBurtbeile 456, ber Einfpriiche 164, ber Vef^lüffe 1567. 
Klagen würben erlebigt burch SSergleidh 1440, burch rechtSfrüftiges 
Verfäumnißurtbeil 321, burch Anerfenntnißurtheil 55, burch rechts* 
fräftigeS Urthetl 3 U ©unften beS Klägers 262, beS Veflagten 348, 
bureb 3wrüc!nahme 386, burch Versidjtleiftung 223. 3m (Hansen 
wuroen erlebigt 3035 ©ad)en. 

Vei bem ©ewerbegericht LubwigShafen a. Rh- (umfaffeitb 
bie ©emeinben Altrip, LubwigShafen, SRunbenheim unb Rhein¬ 
gönheim) finb im 3ahre 1698 323 Klagen anhängig gemacht 
worben (oon Arbeitern gegen Arbeitgeber 258, oon Arbeitgebern 
gegen Arbeiter 20 unb oon Arbeitern beffelben Arbeitgebers 45). 
Von 312 Klagen fonnten burch Vergleich 116 (37,i%), burch 
3urücfnahme ber SHage 2 c. 143 (45,8%), burch Anerfenntnifc 1 
burch Verfäumnißurtbeil 12 (3, 8 %), burch anbereS Eirb- 
urtheil 40 (12, 8 %) erlebigt werben; 11 ©achen blieben unerlebigt. 
Von bem Rechtsmittel ber Berufung gegen Enburtbeile würbe in 
einem Salle ©ebraueb gemacht. Dem ©treitwerthe nach bewegte 
fich bie größere 3ahl ber ©treitigfeiten — 243 — in ber erften 
SBertbSftufe (bis 3 u 20 dt ), einen ©treitmertb über 100 dt hatten 
8 Klagen. 3n weniger als einer 2So<be fonnten 152, in weniger 
als 2 Wochen 101, in 2 SBocben unb mehr 59 ber anhängigen 
©achen erlebigt werben. — Als Einigungsamt war baS &e- 
werbegericht nicht tbätig. 


firtefkaßen. 


©erichtSfchreiberei beS ©ewerbegerichts IRitiei. Die gcwunfditen 
SnhaltSoer 3 eichntffe 3 um 1 . u. 2 . 3 al)rgang werben Shneit in aller 
Äür 3 e 3 ugel)en. 

©tabtnsagiflrat ©chweiufurt. ©in Abbrud ber ©afeungen, bie 3 .^:. 
oon bem Ausfdjuß einer eingehenben Durchficht untersogen werben, wirb 
3hnen fofort nad) fJcrtiöftcUiing ber Arbeit 3 ugeftcüt. — Der 3ahrev= 
betrag beträgt 20 Jt. f wofür gleichseitig ,,© 03 iale $rariö" imb 
werbegericht" geliefert werben. 3« §olge BeS gefteUteif Erfiuhcus Inn 
aUfeitig eine Erhöhung auf 25 M. u. 30 M. ftattgefunben. — V?egen 
ber unliebfant oersögerten (Srlebignng bitten wir um Entfdjulbtgung. 


9So«heuf<hrift „©oliale %Gentrnlblatt für ©sgialpolttif^ 

(Herausgeber: Dr. E. Stande, Verlin; Verlag oon Duncfer & 
Humblot, Leipsig. 3 « besiehen burch fämmtliche Voftanftalten 
unb Vud^hnnblungen sunt greife oon 2 dt 50 Vf. für baS Viertel¬ 
jahr einfchließlich ber SRonatSbeilage „Das ©ewerbegericht".) 

9ir. 22 enthält u. A.: Ein beutfcheS SRufeum für © 03 iale 
VrariS. Von Dr. Ern ft Stande, Verlitt. — Die gefeßli^e Re¬ 
gelung ber EigarreubauSinbuftrie. Von &ötjfd)fe, Voftor a. D., 
s fcinben. — Rationalliberaler Antrag auf genteinfame Drganifation 
oon Arbeitgebern unb Arbeitern ber © roßinouftrie; Das SloalitionS- 
redjt ber Arbeiter unb bie parlameiitarifchen Debatten in Deutfeh- 
lanb; Einrichtung eines unteren ©rubenauffid)tSbienfteS in V^ c ußen. 

- ©osiale Veglciterfcheinungen wirtlifdhaftlicfjer 3Banblungen in 
Verlin. Von 9t. Thtcß, Cffenbad) a. VI.; ^inberarbeit in Eng- 
lanb; Achtftnnbentag für bie ^ohlenbergleute in Amerifa; Rew- 


| 5 orfer Arbeiterftatiftif; Arbeitslöhne in ber inbifdjett Vaumwofl* 
inbuftrie. — Veauffichtigung ber ©ruben burch Arbeiteroertrcter 
in ©roßbritannien, Sranfreich unb Belgien; amtlicher ^ommiffionS* 
bericht. — Der Eentraloerein für Arbeitsnachweis in Verlin: 
Arbeitsnachweis in Belgien. — Eine SRüller-Ein- unb VerfaufS* 
oereinigung. Von Dr. ft. VHebenfelbt, ©runewalb-Verlin: 
Der ©djwei 3 erifche ©enoffenfehaftsbunb; SFooperatiogefellfchaften 
in Belgien. — Eine 28obnungSunterfud)ung in Heibeloerg. Von 
SRay 3Rap, Heibelberg; VJohnungSnoth in beutfehen ©täbteu: 
^BohnungSpolisei in Düffelborf; Vau oon Arbeiterwohnungen: 
Verficherungsanftalten. — ftunfthiftorifche N lRufeen für bie ft'fein* 
ftäbte in Ocfterreidf). Von Heinrich Abler, VHen: Ein Verfucfi 
mit untauglichen 3Ritteln; H am ^ ur 9 er Volfsfdfjüler im ©tabt* 
theater; AbeubfortbilbungSfchulen in Lonbon 1898. —■ ©chulärstc 
in Verlin unb Eharlottenburg; 3 U * ©onntagSruhe auf ben fran- 
Söfifdjen Eifenbahuen. 


„®a8 ©etoexbegeri^t" erjetjetnt am erften Donnerftage Jeben SWonat« im SHlnbefhmtfange oon V. Vogen )um greife bon 1 89t — VefteOimgen 

nehmen fammtlicbe Voftanftalten (Voftaeitungfmumnet 2877) unb VuchBanblimgen an; ein b irettet ®ej«g bon ber VetlagSbuCbhanblung finbet nicht flntt 

«etlafl oon »uatfer * Dumblat, Sehnig. - •ebrutft bet gnltui «tttenfttt tn »ernn W. - »erantmortlU* für bie Rebaltlon: «tabtratb Dr. frCef*, gwmffitrt a. m. 










IY. 34rgang. 


'«Berlin ltnb $ranffuri a. SW., bcn 6. Slpril 1899. 


Siummet 7. 


fas ©ciofrbfgfridjt. 

Utttthetlungen bes Uerbanbes beutfcfyer cßewerbegenchte. 

Serantoortli# für bic Webaftion: b«r @ef<f)äfi§füF)Kr beS S3erbnnbcS, ©tabtratTj Dr. flefty, ^ranffurt a. SW. 

grifft*! •* Mo|MMf|l<| J«*« _ _ r _. tM*Ü4 * 

* 1 '■ ; •*“* CST - 1 ’ ■'V 8 ' ‘ ” 

Betlag non * «nrntlot, 8ri«l0. “ Jtoftenfrele Beilage jur .©ojtalen qätajris*. 


tnlj 

2>tc SHiiWenbbatfeit bet §§. 611 
btfl630 befi Bürgerlichen ©efefc* 
bucf>efi (©ienftöertrciß) auf bie 
©ienftberträge mit geroetb» 
litten Ärbeiietn. Bon ©ewerbe* 
richtet Dr. ©djalljotn, Berlin . 77 

3ut rechtlichen Stellung bet 
.Heimarbeiter. Bon ©mitffiolff, 
Botfifcenbfn bet ©ewerbegcricht« 
Offenbar...79 

9 *rftfluvg unb ftrMrm .... si 

»ollfttecJuns bet feiten« bet 
©ewerbegerichtc berljängten 
&aftftrafen. 

Jteihtfprnhiiag. 82 

^Mangelhafter ,Yleife unb mangelnbefi 
gntereffe befi Lehrling« giebt beni 
SHeifter nicht bafi 9techt jur foforti» 
gen 9luflöfuiig befi Sef)tber^a!tniffe«. 
(©etüerbegertcht Berlin.) 

Bemeffung bet Bergfitimg für bie 
$robebienft$eit bet glettbjettiget 
Beteinbarung befi Sohnes ffit bafi 
fpätere fefte 9lrbeitfiberhältni§. (©e» ] 
iberbegeticht Veipjig.) 

Siufibanbigung befiiürbeitfibuchefi. (©e* 
werbegeritbt Meumfinfter.) 

Slmbcnbbarfeit befi §. 122 bet @c» 
metbeorbnung (SRedjt auf 14 tägige 
ftfinbigung) auf ben 8(ngefteIIten in 
einet Butterhaublung. (©etüeTbe» 
geriet Sftoftocf) 

©in Arbeitgeber, bet bet bet perfön» 
liehen Borfteflung befi butcb Brief 


alt 

angenommenen Arbeiters erfährt, bafi 
bet Arbeiter fo fdjroerbörig ift, bafc 
et ibn fut fein ©efebäft nicht braunen 
fann, ift befugt oon feinet Annahme* 
etflätung aurüd au treten, (©eroerbe» 
geriet SRfilheim, 9tubr.) 

Unter welchen Sorawfifefcungen !amt 
tierbientet £ohn alfi Sicherheit befi 
Arbeitgeber« für ©djäbigungen burd) 
fd)led)te ©efebäftfiffibrung fetten« befi 
Arbeiters aurücfbebalten werben? 
ttnanwenbbarfeit befi §. 119 a auf 
biefen gfall. (©ewerbegeritbt .Ham* 
bürg.) 

©eiten, wenn petitanb natb feinem 
Austritt au« einem Berhftltnijj alfi 
SBerTmeifter wieber in baffelbe ein» 
tritt, obtte ©eitere« bie für bafi 
frühere Berhältnijj bereinbarten Be* 
bingungen? (©ewetbegetidjt ^am< 
buTg.) 

|Uiif m tw § Iber #*w trfc*gerügte 

vmb 3Urb*tt*»tmn£. 87 

Aufi ben Sab««berichten bet ©e* 
metbegerkbte. 

Petition befi Berliner Beteln« „grauen» 
wohl" betteffenb SSahlrecht bet 
grauen ju ben berttflitben ©chiebfi* 
gerieten. 

#rteffcaptn. 88 

©ewerbegericht ©anaig. 

Snbaltfiangnbc bet „©oaialen B*anö". 


Abbrud fämmtlicber Artifel ift 3ettungen unb geitfötiften geftattet, feboeb nur mit 
boKer Quellenangabe. 


Bit Ättwcttbbarhett ber §§. 611—630 be$ ßürgrr- 
lid)en ®rfrbbud)es (Blcnjltirrtrag) auf bie Birnfl- 
uerträge mit gemerbliiben Arbeitern.*) 

Bon ©eioerberidjter Dr. @^all;orn, Berlin. 

Öür bie rec^Ui^e S3eurt^eilung be^ ^ienfioertrageö mit ge* 
roerblic^cii Arbeitern bleiben bie Borfcfjriften ber ©eroerbeorbnung 
(£it. VII unb §. 154 be£ Sit. X) aud^ mit Snfrafttreten be§ Bürgers 
liefen ©efebbu^e« in erster ßinie mabgebenb. (Bat. SOtohoe gum 
1. dnimnrf, Bb. II @. 455; Senffd^rift gum (Intnmrf, 311 §. 604 ff.) 
Ser innere ®runb hierfür ift ber, ba& fid; bie be^ftglid^eit Be* 
ftimmungen ber ©eroerbeorbnuna im Berljältnifj jum allgemeinen 
bürgerlichen 3^cd^t als ein Sonberredbt barfteUen, ebenfo rcie es 
begüglicb beS Sienftnertrages mit fmnblungSgeljülfen baS §anbelSs 
gefe^buth tbut; gegenüber älteren ©pejialuorfTriften aber befifct 
ein neues allgemeines ©efeb bei nur tnljaltliiffem ©iberfpruc^ 
mit jenen — unb lebiglid) ein foldfjer fomrnt l>ier in fjrage — 


*) Sir 2 trttfel 31t 626 B. ©.B. in ben betbeit lebten Hummern 

btrfoi? Blattes haben bet 9 ?icJ>erfrfjrtft biefeS ^Inffa^eS noefj ntdht oor= 
gelegen. llcbrigeiiS u>irb bei ber biesfritigeu ?(uffa|fnng oerblieben. 


feine auf^ebeitbe Söirfung. Sie Borfchriften beS Bürgerlichen 
©efejjbudbes über ben Sienftoertrgg finben ba^er auf beit gemerb» 
lidben Stenftoertrag nur infomeit ?lnroenbung, als jtef) aus bem 
Sn^alt unb ©inne ber Paragraphen ber ©emerbeorbnung 
Segeln nicht entnehmen laffen. 

hiernach f^ ei beit junädhft biejenigett Beftimmuttgen bes 
Bürgerlichen ©efefebucheS attS, welche oon ben entfpredjenben ber 
©eroerbeorbnung auSbrücflid) abmeichett. Sa§ finb: 

1. §§.621 unb 623 beS Bürgerlichen ©efefcbudfjeS (^ünbigung 
bes SienfioertrageS). Sie ©eroerbeorbnung oerlangt — fofern ni<f)t 
befonbereBereinoarungen ober befonbere©rünbeoorliegen ober höhere 
Sienftleiftungen in 0 rage fommen —- oier 3 ehntägige Sfünbigung. 
Sagegen giebt ber §. 621 beS Bürgerlichen ©efebbudheS mangels 
anbermeiter Slbrebe ÄünbigungSfriften, welche ben 3 e üräumen ent* 
fpredhen, nach benen bie Bergütung bemeffen ift (Sag, Äalenber* 
woche, 3J?onat 2 c.). Siefe bireft abweichenben Beftimmungen greifen 
baher für gewerbliche Arbeiter nicht piafc. SBenn alfo 3 . B. Sage* 
lohn, aber nichts über $hmbigung oereinbart ift, gilt nicht bie ein* 
tägige $imbigungSfrift beS §. 621 Slbfafe 1, fonbern bie oier 3 ehn* 
täaige ber ©ewerbeorbmtng. Unb wenn §. 621 ?lbfab 2 bei B3od)en* 
lopn ft'ünbignng nur 311 m Schluffe ber 5falenberwothe suläfet, fo 
fann bie oier 3 ehntägige ^iinbigung bes gewerblichen Arbeiters 
nach roie D *>r 3 U jebem SSodhentage erfolgen. 

©benfowenig gilt §. 623 bes Bürgerlichen ©efehbudhS (jeher* 
3 eitige fiöfnng, faus nicht 3 ritlohn oerabrebet ift, jeboch swei* 
wöchentliche ^ütibigung, falls bie ©rwerbsthätigfeit beS Arbeiters 
hauptfächlich ober gan 3 in ^Infpntdh genommen wirb). Senn bie 
^ünbigungsoorfchriften ber ©ewerbeorbituttg §. 122 finb allge* 
mein^, ohtte ^Kücfficht auf bie §lrt ber £öhmtng gegeben. 

Stud) als blofee ^luSlegiingSregeln fommen ote §§. 621 unb 
623 bes Bürgerlichen ©efefcbiiches faunt in Stage. 3ft 3 . B. Sage* 
bhn unb tägliche ©ntlaffung oereinbart, fo fann im 3 ™eifel nicht 
etwa nach S- 021 Slbfah 1 wünbigung 3 um nächften Sage oerlangt 
werben, oielmehr ift bie betreffenbe Bereinbarung nach allgemeinen 
Regeln, inSbefonbere unter Berüdfilchtigung ber BerfehrSfitte (§. 157 
B. ©.B.) auSguIegen. 

2. §. 626 bes Bürgerlichen ©efebbudhcS (befonbere HuflöfungS* 
griinbe). Sie ©ewerbeorbnung giebt für Arbeiter unb Öehrlinge 

— abgefehen oon ben Säßen ber §§. 124a, 133b — beftimmte 
SluflöfungSgrünbe; bie mangels befonberer Äbreben auSfchliefelich 
ntafjgebettb "finb (§§. 123, 124). Ser §. 626 B. ©.B. bagegen Iäfct 
bie fofortige Sluflöfung allgemein aus „wichtigen" ©rünbett 3 U. 
Siefe Beraßgemeinerung fann baher auf gewerbliche SlrbeitSoerträge 

— Ieiber! — nicht 2 lnwenbung finben. Slnbernfaßs hätte auch 
§. 124a ber ©ewerbeorbnung, ber nur bei HrbeitSoerhäUniffen oon 
oereinbarter, mehr als oierwödjentlicher Sauer unb längerer als 
oie^ehutägiger ÄünbigungSfrift Äuflöfung aus „wichtigen ©rünbeu" 
3 utäj 3 t, auSbrüdflich aufgehoben werben müffen. 

3ebod) wirb jeber ©ntlaffungSgrunb ber ©ewerbeorbnung 
3uateich als ein „wichtiger" im ©mite beS §. 626 gelten müffen 
unb baher bie Wnmcnbuitg wenigftenS bes §. 628 beS Bürger* 
liehen ©efejjbucheS, ber bet wichtigen ©ntlaffungSgrünben bie 
©djabenserfafepflicht regelt, ermöglichen. 

Serner erfdheinen einige Beftimmungen bes Bürgerlichen ©efe^ 
buchs beshalb nicht anwenbbar, weil fie nach ihrem Snhalte fich 
nicht auf gewerbliche Sienftoerträge beziehen: 

1 . §. 617. Siefer Paragraph ftatuirt eine Sürforgepflicht beS 
Sienftberechtigten bei Sfranfheit beftimmter, in bie häusliche ©e* 
meinfehaft aufgenommener Sienftoerpflidjteter. ©r fdjliefct aber 
biefe Pflicht aus, falls bie .Mtranfeuoerfidjcruiig eingreift. Sa 
I le^teres für bie gewerblichen Arbeiter 3 utrifft, fo entbehrt ber Para* 











70 


Tag ©eioerbegcricht. SRittheilungen beg Berbanbe* bcutfcher ©eroerbegerichte. 3^r. 7. 


so 


graph für gewerbliche Berhältniffe bcr Sebeutung. Stuf etwa nicht 
franlenoerficheninggpflichtige Öc^rltngc fann er nicht begogen 
werben,*) ba eg ftef) bei biefen int ©efentlicfjen um ein ßeljmer* 
hältnih, nicht aber um eine ©rwerbathätigfeit hanbelt, ber §.617 
aber ooraugfefct, bah bag Tienftoerhältnih bie drroerbgthatigleit 
beg Serpflichteten in Anfprudf) nimmt. Auf nicht oerfidherungg« 
pflichtige ©erftneifter enblich finbet §.617 nicht Anwenbung, ba ( 
bei biefen non einer Aufnahme in bie haugliche ©emeinfehaft ttidgi j 
gut bie Sebe fein fann unb ba fte ihre „fefiett" Bezüge aud) 
währenb ber 5?ranfheit, bei ©ntlaffung aber bie Vergütung noch 
6 ©ochen — alfo analog ben Seftimmungen beg §.617 — fort« 
besiegen. 

2. §. 622 (längere tünbigunggfrift für SCngefteKte leerer 
Art). Besieht fidfj nach feinen eigenen ©orten wefentlich auf ße|rer, 
©rsteher, ^rioatbeamtc 2 c. 

3. §. 627 (Äünbigung Tienftoerpflidhteier in befonberer Ser« 
trauengftellung). SBegie^t fid) auf §>augärgte, 9te<htganwälte 2 c., 
alfo nid^t auf gewerbliche AngefteEte. (Sgl. T)entf<hrift $u §. 618 
beg lebten ©utrourfg.) 

©nblich finbeit §. 618 Abfafc 1 (Öurforaepflicht gegen ©e« 
fäfjrbung oon ßeben unb ©efunbheit beg Serpfltchteten) unb §. 630 
beg Bürgerlichen ©efefcbudheg (Sedf)t auf 3*ugni&) feine An« 
wenbung, ba bie ©eroerbeorbnung in §. 120a bejw. §§.113 unb 
127 c analoge unb augfüfjrlicbere Sorfc^riften giebt. 

Tagegen bürften gegen bie Anwenbbarfeit namentlich ber 
folgenben Barographen beg Bürgerlichen ©efebbucheg auch auf ge« 
roerbliche Arbeitgoerhältniffe Beoenfen nicht obmalten, benn oie 
©eroerbeorbnung enthält für bie barin geregelten Sanfte feine 
Sorfchriften: 

§. 612. Sergütung ohne befonbere ßohnabrebe. 

§. 615. folgen beg Ser$ugeg beg Tienftberechtigten. 

§. 616. Secht beg ®ienftoerpflic^teten auf gortbegug ber 
Sergiitung bei unoerfdfjulbeter Serhinberung oon relatio fur^er 
Tauer. 

Seboch ift 3 U bemerfen, bah ber ©ntlaffungggrunb beg §. 123 
Abfafc 8 ber ©eroerbeorbnung (Arbeitgunfähigleit) auch in ben gaEen 
beg §. 616 burchgreift, ba eg nach jenem auf Urfacfte unb Tauer 
ber Ünfähigfeit begro. Serhinberung nicht anfommt (ogl. o. Schulg 
a. a. JD. 393). 

§.618 Abfafc 2, 3. ©rftreefung ber gürforgep flicht beg Be« 
rechtigten auch auf ©ohn« unb Sdhlafrautn beg Arbeiterg, foroie 
0feftfteEung ber eoentueEen @chabengerfafcpflicf)t. 

§. 624. Becht jur ^ünbigung lebenglänglicher Tienftoer« 
hältntffe. 3ft alg groingenbeg 9tetf)t gegeben. Sgl. Tenffdjrift 
jutn ©ntrourf §. 615. 

§. 628. Sergleiche bie obigen Slugführungen $u §. 626. 

§. 629. Beurlaubung beg gefünbigten Arbeiterg gum Auffuchen 
eineg neuen Tienftoerhältniffeg. 

Schliefelidh wirb §. 625 (ftiEfchroeigenbe Serlängerung eineg 
abgelaufenen Arbeitgoerhältniffeg auf unbeftimmte 3 e ü) oielleicht 
alg Sluglegunggregei in Betracht fommen fönnen, roenit bie aEge« 
meinen Auglegunggregeln oerfagen foEten. Tie Sfünbigung beg 
oerlänaerten Tienftoerhältniffeg beftimmt fi<h natürlich nach & er 
©eroerbeorbnung. 


3nt redjtltdjcn Stellung bet Heimarbeiter. 

Bon ©mil ©olff, Borftpenbett beg ©ewerbegertdjtg Offenbart). 

Aus Aitlah Des in Ar. 1 Des ©eiocrbegerid)ts oont 6 . Oltober 1898 
aussugsmeife abgebrudten ©utachteng bes Begutadffunggaugfchuffeg beg 
©ciuerbcgericffts Offenbach über bie „rechtliche (Stellung ber Heimarbeiter" 
bat ber Herr Borfipettbe beg ©eioerbcgcrichts Berlin in ber Ar. 8 u. 4 
ber genannten ^eitfehrift firf) über bie beregten fragen oerbreitet unb 
gelangt in mehrfachen Begiebungen ju anberen Slefultaten, alg bag 
jraglicbe (Hutachten. Um bie Slnroenbung beg (Hrunbfafeeg: qui tacet 
consentire videtur, ju oerbinbern unb fobamt, roeil in §olae beg nur 
tl)eilroei[en Slbbrucfg jenes (Hutachtens roofjl SÄißoerftänbniffe über ben 
(ibarafter unb bie CHrunblagen beffclbcn entftanben fein fönnen, glaube 
idj fur^ auf bie Aragen jurücffonimen ju foHen. 

(^s liegen nunmehr Dreierlei Sluffaffungert oor: 

1 . Tic .v>anbelgfammcr Cffenbacb, in fraglichem Jvall um eine Be= 
gutadjtung angegangen, hatte fiefj mittelft ausführlicher Be* 
grüubung baljin ausgcfprocheu: 

bah auf ben fraglichen Slrbeiter unb überhaupt auf TjauS* 
gcroerblidjc Slrbeitsfräfte in bcr Bartefeuille* 


Slbroeidieub: u. Sdinl,^ im Slrdiio für nv.iale i^enlup'lnmq, XIII, 

l. loi. 


inbuftrie gleicher Slrt bcr §. 122 ber ©eroerbe* 
orbnung leine nnroenbung finbe. 

2 . Ter $err Sorftpenbe beg ©eroerbegeridhtg Berlin fommt ju bireft 
entgegengefejjtem 9tefultat unb ift, geftü^t auf ein Urteil bes 
oon ihm geleiteten ©erirfjtg, ber Änftcht: 

bafe bie gegen @tü cf lohn thätigen Dffenbacher Heimarbeiter, 
fobalb fie einem Arbeitgeber fi<h binben, alg unfelbftftänbige 

f [eroerbli<he Arbeiter betrachtet werben muffen. SÄangelg be* 
onberer Bereinbarung ftehe ihnen baber Mc oierjehntägige 
StünbigungSfrift aug §. 122 ber ©eroerbeorbnung ^u. 

3. Ter Begutadhtunggaugfchuh Offenbach hat eine mittlere SteEuug 
eingenommen. ($r fotnmt auf ©nmb forgfältiger Sadhunter* 
fudhung 511 bem Befultat: 

bafe eine grobe Anzahl ber fogenannten Heimarbeiter in ber 
Sortefeuide«, Bofamcntir« unb Schuhinbuftrie in Dffenbacb 
mit einer Selb ftftän big feit ju Hanfe arbeiten, bie Derjenigen 
fogenanntcr felbftftänbiger „Hauggeroerbtrcibenber'' ooll« 
fommen gleidhfotnmt unb bah btefelben nach Sage ber 
berjeitigen Berhältniffe im AH gemeinen feinen Anfpruch 
auf bie in ber gabrif übliche ober oie burd) §. 122 ber ©e* 
roerbeorbnung gegebene oieriehntäaige Mnbigunggfrift 
haben unb eoenforoenig eine foldje einhalten müffen. 

Ter Sdhroerpunft ber gaujen Srage liegt meineg ©rachteng in bem 
3uftanb, ber auf Seite 20 ber SRotioe ju f. 2 beg (Sntrourfg beg ©e= 
fe^eg 00 m 29. 3wli 1890 (cfr. T. ©ilhelmi unb Sfaft Anm. 2 ju §. 4) 
rid^tig auf folgenbe ©eife gefdhilbert ift: 

„Tie Stellung biefer B^fonen (ber Ha u *ial>aftrt e ) 1” ben 
oerfdhiebenen ^nouftricen unb ©ebieten fei eine feljr mannig« 
faltige, fobah biefelben halb iiberroiegenb alg felbftftänbige ©e* 
roerbtreibenbe, halb als Arbeiter erfdjtenen. ©ine bur^greifenbe 
SRorm, nadj welcher bie in ber Hauginbuftrie befchäftiaten B^* 
fonen alg Arbeiter angefehen werben follten, fei Deshalb für bie 
groeefe beg ©efefceg niqt angängig unb nud) eine nur bigpofittoe 
Borfdjrift, nadh welcher jene Begel in Ermangelung einer ent* 
aegenftehenben ftatutarifdhen Befttmmung Anrocnbung fioben 
foffe, roerbe bei ber fdfjwer 31 t iiberfehenben Tragweite einer Der* 
artigen Borfchrift am beften oerntieben/ 


©an 3 in llebereinftimmung mit biefen ©runbfäjjen unb im ©egen* 
fap 311 Herrn 0 . Schuld bin td) ber Anftcht, bah bie Beurtheiluirg auch 
ber Bechtgoerhältniffe ber Hausinbuftrie in ©rmangelung pofitioer ge* 
fefelicher Regelung gan 3 roefentlidj nach ber tf)atfädhltc^en lofalen ©nt« 
rotcfelung unb ben thatfächlidhen Berhältniffen ftaÜ 3 u}mben habe, unb 
beghalb hat jeneg ©utachten auch ausbrücflich bie 2 age jener äwbuftrie* 
jroeige „in Dffenbadh" unb bie „ber 3 eitigen Berhältniffe* 

Hieran Dürfte auch feinegroegg eine anberroeite ©ntfeheibung bes 
©eroerbegerichtg Berlin etroag änoern, 3 umal ba bag ©eroerbegetidn 
3 u Öffenbach ben Offenbarer Berhältniffen näher fteht alg bag foorbi* 
nirte Berliner ©eroerbegertcht. 

Sm ©inseinen glaube ich auf einige Abführungen jener Auf fahr 
noch eingehen 3 U foHen. 

Herr 0 . Sdjuls bemängelt bie Augführung in ben ©utachten, wo* 
naefi „Heimarbeiter" ber genereHe Begriff unb „Hauggeroerbtreibenbe“ 
im AHgemeinen ber felbftftänbige Heimarbeiter fet — H«r 3 u fei sunächfi 
bemerft, bah bie fragliche Augführung Des hieftgen ©utachteng — in 
erfter 2tnie polemifch gegen bag oben erwähnte ©utachten ber Hanbels* 
Jammer gerichtet ift, in bem behauptet wirb, ber Begriff „Heimarbeiter" 
lomme in ber ©efebgebung überhaupt nicht uor. Temgegenüber 
würbe auf bag ©efep betreffenb bie ©ewerbeaerichte oerwiefen. 

Aber auch bie Hiaweifc auf bie Berhaublungen in ber Äontmijftou 
aus Aniah ber sweiten Sefung fönnen jumal in HtnbHd auf bie oben 
citirte SteHe ber Bfotioe feiueSwegg bie Unrichtigleit ber meinerfeits 
auf ©rnnb ber hieftgen tljatfächlicheu Berhältniffe gegebenen Teftnttioii 
ergeben. — Bei ber auherorbentlidjen ©tttwidelung ber fraglichen Ber* 
ffaltniffe in ber bü*fig«n Bortefeuillc* unb Bofamentierinbuftrie begreift 
man aHgetnetn unter bem Begriff „Heimarbeiter" Denjenigen, ber für 
einen anbern Arbeitgeber „ 31 t Haufe" ober „bal)cim" arbeitet, ber ntii 
anberen ©orten „Heimarbeit" liefert, unb biefe Auffaffung fcheint audi 
ber erwähnten Berorbnung oont 31. SWai 1897 oorsufchwebcn. 

Ter Brobusent oon „Heimarbeit" tarnt aber 3 meifellog „uurth* 
fdjaftlid) felbftftänbig" fein ober „unfclbftftänbig", unb baff man bem 
Sefcteren im AHgemetnen nicht bag S^abitat „Snbuftriefler* (Haus* 
inbuftrieHer) 3 ufpricht, bürfte fdfjon aug fpracftHchen Aücfftchteit ge* 
boten fein. 

Taff ja über bie hier üblichen Begriffe oielfach Unflarhcit herrfcht 
unb baff toohl befonberg auf biefe Unflarbeit in ihren oerfdhiebenen 
Nuancen nadh örtlichen Berhältniffen toohl Die Hauptfdnoierigfeit für 
eine ^Regelung im ©ege ber ©efefjgebnng liegt, totrb biegfeitg ntdit 
oerlannt. Um fo mehr aber fd)ien es mir alg bem Berfaffer jenes 
©utachtcns angeseigt, bie aug Beobadjtung ber hieffgen BerbäUniiic 
gefcfjöpfte Tefinition 31 t fi^tren unb baraug Sdilitffe 3 U stehen. 

©aS bag SRaterienc ber ©ntfeffeibung beg ©utachteng betrifft, 
meldjcs wefentlid) besweclte, ben SnbuftrieHen eine Tireltioc su geben 
unb Streittgfcitci! oorsubeugeit, fo ftel)t baffelbe im Aflgeuteiucit auf 
bem Stanbpunft ber Hanbelsfautmer, mobifi 3 irt benfelbeit jebodj aus 
juriftifdieu ©rwägungeu auf ©ruub ber ^iatur ber $roetfeitigen Bei¬ 
träge. — Tie wirtbf<haftltd)c Selbftftänbiglcit ift bei biefer Betrachtung 



81 


Ta$ ©ewerbegericht. SttUheilungen be$ Perbanbes beutfcher ©ewerbegerichte. 9tr. 7. 


82 


ber maßgebenbe ©efidhtspunft gewefen, wofjl in gleicher ©eife, wie Bet 
ber Perliner ©ntfdfjetbung. ©eitn Herr o. Schuig tu Bern g weiten Auf- 
[ab befonberS httoorhebt ben Umftanb, baß bie fraglimen Arbeiter 
gegen Stücfloßn arbeiten unb baß ber eigne Petrieb erforberlidj 
fei, um jene Selbftfiänbigfeit als beftehenb angufehen, fo fönnen meines 
©rachtcnS biefc Argumente nicht ausfdjlaggebcnb crfrfjeinen. 

Tie Arbeit gegen ©tiicflohn bebentet bod) nichts anbcreS als 
einen ^ahlungSmobiiS, ber auf bie Statur bes Vertrags unb bte ©elbft- 
ftänbigfeit ber Pertragfchließenben einen ©influß nid|t hat. (Cfr. B«rju 
§. 7 meines SchriftdtienS „Ter gabrtfarbeiter unb feine rec^tlid^e 
Stellung.") 

GBcnfo ift ber Begriff „eigner Setrieb'' gu fli'tfpg, als baß er 
maßgebend httangegogen werben famt. ftum eignen Setrieb ift bodf) 
mo|l nicht erf orberlich, baß mit fremben £mlfsfräften gearbeitet werbe. 
Arbeitet aber ein Betriebsinhaber allein ohne fretnbe HülfSfräfte, fo ift 
wofjl bie ©egenüberfieöuug: „Lohn" ober „Unternehmergewinn" 
hinfällig; beibe beefen fiefj unb es ift beSljalb bie J&erangieljung biefer 
Merfmale als ein SemeiSmittel für bie roirthfchafiliche Selbftftänbigfeit 
nicht febr beweisfräftig. 

©ic unßchcr berartige Merfmale übrigens toären, geljt audf) aus 
ber ©ntwitfclung hitt Ijttüor: 3nnäd)ft arbeitet ber $ortefeniIIearbeiter, 
ber etwa auf einem benachbarten Torf wohnt, in Dffenbadfj in ber 
Fabrif. Tcmnädjft, wenn er btnreidjeub befähigt ift, erhält er bie 
Rohmaterialien nach Haufe unb arbeitet allein auf bem Torfe; gu 
Hülfeleiftungen lernt er ftch wohl bie grau an; bemnächft nimmt er ftch 
einen Lehrling; fpäter bleibt berfelbc auch als ©efelle; nach einigen 
fahren befdjaftigt er meileicht 3—8 ©efeflen. — Ter Arbeitgeber hat 
Icbiglidj mit feinem früheren ^abrifarbeiter gu thun. Tie wirthfehaft- 
liehe Selbftftänbigfeit jenes ift aber ftets bie gleiche, einerlei, ob er 
allein, mit ber '^rau, mit bem Lehrling ober ©efellen arbeitet. — liefen 
Serhältniffen trägt baS ©utadjten Rechnung; bie ©ntwicfehmg, wie 
hier gefchilbert, erheifcht befonbere Bereittbaritng, fofern bie beftanbene 
Kiinbigung aufgehoben werben foll. — ©eljt jeboefj ber fragliche Ar¬ 
beiter fpäter gn einem anbern Arbeitgeber über, ober arbeitet er für 
mehrere Arbeitgeber, fo entftebt biefem gegenüber an fidfj ein Künbigungs- 
ocrtjältniß nicht. 

Ties ift nach Anpdjt beS ©utadfjtenS in jebem Stabiunt ber ge- 
fchilberten ©ntwirfelung ber Fall- 

Taß bie Folgerungen aus ben mittelft ber 9?ooeüen gur ©ewerbe- 
orbnung eingcfchobenen Paragraphen nicht (ehr ficher finb, beffen war 
ich mir bei Abfaffnng bes ©utacfitens fehr wohl bewußt, wie auch bie 
an bem 8ufab gu §. 125 gefnüpften Ausführungen, bie in polemifrfjer 
©rife gegen bas mehrerwähnte ©ntaäjten ber panbelsfammer gerichtet 
Fmb, beweifen. 

©ine gefefeliche Regelung ber oielfachert gweifelhaften Fragen be* 
güglich ber jpansinbuftrie ift ja wohl unerläßlich- $tt Sorfchlag beS 
Herrn u. 3djulg, einen befonbern Abfchnitt „Heimarbeiter" bem iitel VII 
ber ©ewerbeorbnung eingufiigen unb int §. 119 b fowie §. 125 Abfafc 3 
angugeben, baß beibe Seftimmungen lebiglich für bie „HanSgewerb- 
treibenben" gelten, bürfte jeboch roefentliqjett Sebenfen unterliegen. 
Tiefe Unterfdfjeibnng ift nicht nur bem Sprachgebrauch, fonbern auch 
ben thatfächlühen Serhältniffen theilweifc bireft wiberfpredjenb. ©er 
„baheim" arbeitet ober „gu Haufe" ein ©ewerbe betreibt, fann wirth* 
fchaftlich felbftftänbig ober uufelbftftänbig fein. Mit poptioeu gefefc- 
liehen Sorfdjriften in thaifäcßliche Scrhältuiffe abäitbcrnb eingugreifeu, 
ift bebenfltcß. Tie 8rf)affung eines Abfdjuitts: „Heimarbeiter", fofern 
barin gemäß bem biesfeitigen (Gutachten nur ber generelle Segriff, 
alfo fowofjl felbftftänbigc als unfelbftftänbige Arbeiter (im ©egenfafc 
gn bem ftets uorhanbenen Arbeitgeber) gu erblicfeit fei, bürfte mehr an¬ 
gegeigt unb bem Sprachgebrauch entfpredjenb fein. Fnnerhalb biefeS 
AbfchnitteS wären getrennt bie beiben Abftufungen gu beljanbeln. Selbft* 
oerftänblich wären ber Sehanblung genaue ©rhebuugen über bie that» 
fächlichen Serhältniffe an ben ni^t fehr gleiten dentren ber Haus* 
inbuftrie gu ©runbe gu legen. 

^as weiter geäußerte Sebenfen aus §. 70 bes ©ewerbegerid^ts- 
gefehes oennag ich nicht gu tljeilen. 

l^aS ©ewerbegericht, ein ftaatlidjes ©cricht, unb beffen Sorfifcenbcr 
haben bod) wohl ben Gb arfl fter einer „0taatsbehörbe", bie um ein 
©utachten nachfucht. Ober foll man es auch für unguläfpg erachten, 
bah be* SegutadjtungSauSfchuh einem orbentlichen ©ertcht auf Anfuchen 
ein ©utachten ertheile? 

lleberbies ift hitt ber Sorfi^enbe bes ©ewerbegertchts gleuhgeitig 
Sürgcrmeifter = Seigeorbneter, alfo SorftanbSmitglieb ber Kommune, 
©erabe in berartigen F^gen erfd^ien es angegeigt, nicht nur uon ber 
HanbelSfamnter, fonbern auch anbermeit oon 0adhoerftänbigen ein 
©utachten einguholen. ®ic gerichtliche ©ntfeheibung ift ftets nur fa = 
fuifttfeh, ber ©erth eines berartigen ©utadjtenS ift: bie generelle 
Fijrirung ber’mahgebenben ©runbfäfce. 


Uerfa|fung nnb JBttfafjmi. 

SoOfircdfuHfl b« ffttcnOtr ©etoetbegeti^le verhängten ^nftftrnfen. 

2>aS ©roßhergogüd) .f)e f [i fchc ÜVinifteriutn be$ Innern hat 
folgenbe SSerfüguna erlaffen, bie fidj im Söefeiitlicheu ber preu» 
Hi fd>eii äRinifterialuerorbnung gleichen Setreffs aufchliefet; 


Stach §• 36 Abf. 8 unb §. 24 beS 9ieid)sgefebeS betreffeub bie ©c- 
werbegerichte oom 29. guli 1890 fönnen bie auf ©runb beS oorbegeidj* 
neten ©efe^eS errichteten ©ewerbegerichte H^ftf^fen gemäb §§. 178, 
179 unb 182 beS ©eridjtsuerfaffungsgeiefceS unb §§. 345 unb 855 
Abfah 1 unb 2 ber ©ioilprogefjorbnung feftfefeen. iüc Sollftreduug 
ber begeidhneten Strafen liegt gefehlid) unmittelbar bem SorFtfcenben 
©ewerbegerichts als SoUftrecfungsbehörbe ob. 

gut Sefeitigung oon Zweifeln, bie hiiifidjtlich ber Art biefer So0- 
ftreefungen entftanben ü«b, unb gur Herbeiführung eines gleichmäßigen 
Serfaljrens, nehmen wir im ©inoernehmen mit ©roßhcrgoglidjem Sti* 
nifterium ber 3«ftiS Seranlaffung Sic auf FolQenbcs hinsnttjeifen: 

I. Sofern am Crte bes ©erichtsfifccs gur Scrbüßuug geeignete 
©emeinbe- ober poligeilidje ^»aftlofale oorhanben finb, ftnb bie 
oerhängten .^aftftrafen in biefen gu oollftrecfen. ©egen Aufnahme unb 
Uebcrfiihrung ber Häftlinge, fowie wegen bes ©rfafces ber burch bie 
Strafooflftrectung entftehenben Äofteu finben bie nachftebenben Seftim¬ 
mungen unter II äifftt 2—4 einfdjHeßlich, ftnngemäße Anwenbung. 

II. C'» ©rmanglung geeigneter Haftlofale ber unter I oorftehenb 
begeid;neteub Art greifen folgenbe Sorfdjriften plap: 

1. Xie ^aftftrafen fmb, fofern fie oon einem imterhnlb ber Amts* 
gerichtsbegirfe Xannftabt, ©ießeu ober Staing belegenen ©ewerbegerichte 
oerljängt worben fmb, in bem betreffenben prooingialarrefthaufe, im 
llebrigen in bem ^aftlofale beSjenigen Amtsgerichts gu oollftreden, 
innerhalb beffen Segirf baö bie Strafe üerfjangenbc ©ewerbegericht 
feinen Siß hat. 

2. $ie Aufnahme ber mit Haftftrafe Selegten in ber oorgenaunten 
2luftalteu erfolgt gegen Sorlage eines oon bem Sorfifcenben beS ©c- 
werbegerid)ts auSgufteQenben, ben beftchenben Sorfchrifteu entfprechenben 
AufnahmefdjeiueS. 

3. Tie Seranlaffung ber Ueberführung etwaiger Häftlinge in bie 
Strafanftalt ift Sache beS Sorfipenben beS ©ewerbegerichts. Auf ©r- 
fneben bcffelben finb bie Poligeibeljörbcn verpflichtet, bie Ueberführung 
burch bie ihnen unterftehenben poligeiorgaite bewerfftelligen gu laffen. 

4. Ten nach §. 8 Abfap 2 bes eingangs genannten ©efefccS ben 

©ewerbegeridjten in ©innahme gugewiefenett Strafen fteljeu bie burch 
Sotlgug oerhängten Strafen erwadjfenben Äoften (Haft unb etwaige 
ItcberführuugSfoften) als Auslagen ber ©crichte gegenüber cf. §. 79 bes 
©eriebtsfoftengefefces oon 18. 1878). ©s finb baher foroohl bie 

nach Ziffer 3 oben coentuell entftehenben Ätoften, als audj bte, burdj 
Fhre Permittelung ben Porftgenben ber ©ewerbegerichte etwa gugehrnben 
.Moftenliguibatiouen ber ©roßfjttgogliehen Staatsanwaltfdhafteu unb 
Amtsgerichte über Perpflegmtg oom Häftlingen ber in Siebe ftehenben 
Art, entweber aus ©innahmen ber ©ewerbegerichte, ober in ©rmaugeluug 
folcher aus’SKitteln beSjeuigeu üommunalocrbanbeS für beffen Pegirf 
baS betreffenbe ©ewerbegericht errichtet ift oorlagSweifc gu begleichen. 
Pleibt baS gegen bie Sdhulbtter ber Auslagen eiugeleitcte Peitrebungs- 
oerfahrett] ergebnislos, fo hat bie beftnitioe Ueberuahme ber für unein¬ 
bringlich *gu* erflärenben poften auf biejenige tfaffe gu erfolgen, welche 
oorlagSweife 3aht un 9 geleistet hat. 


JUdjtfprtdjtrag. 

Mangelhafter ^letfe unb mangelttbcS Fntcreffc bes Lehr¬ 
lings giebt bem Meifter nicht baS ftcdjt gur fofortigen Auf- 
löfung beS LehroerhältniffeS. (Urthcü beS ©ewerbegerichts 
Pcrlin, Kammer 1, oom 9. 9?oocmber 1897. — Porpfcen&tt: 
giftratSaffeffor Tedjow.) 

Ter Pormunb beS Klägers hat mit bem Peflagten ben fcbriftlichcn 
Lehroertrag oom 11. Auguft er. oereinbart, welcher ©egenftanb ber Per- 
hanblung gewefen ift. Ter Kläger ift in ©emäßheit ber barin auf- 
genommetten Peftimmungen oom 1: Sult er. beim Peflagten in bie Lehre 
getreten, aber bereits am 11. Dftober er. entlaffen worben, ba er an¬ 
geblich pdj oernachläfpgt nub nicht mehr ben früheren Fkife Auf- 
merffamfeit gegeigt hat. 

Peflagter fühlt ftch auch besmegeti gur fofortigen ©ntlaffung bes 
Klägers Berechtigt, ba biefer wegen ©eigerung feines Pormunbes gur 
Herausgabe ihm fein Arbeitsbuch nicht gebracht habe. Kläger hat be¬ 
antragt, ben Peflagten gn ocrurtheilen, baS Lchroerhältniß mit bem 
Lehrling K. in ©rinäßfjeit beS LeliroertrageS oom 11. Auguft 1897 fort- 
gufejjcn unb an ben Kläger oom 11. Dftober er. ab bis gu bem Sage, 
an weldjem ber Lehrling wieber bei ihm ober in eine nnbere Lehre 
eintritt, eine ©utfdjäbigung oon täglich \,u gu gal)leu. 

Perflagter ip uadj biefem Anträge oerurtheilt. 

©rünbe: Mangelhafter FtriB unb Futereffe eines Lehrlings giebt 
bem Lehrmeiftcr nid)t bas Stecht, fofort unb ohne ©eitereS baS Lehr- 
oerijältniß als gelöft gu erachten. Pei Ausübung bes ihm guftehenben 
güchtigungsredits joäre Peflagter wohl in ber Lage gewefen, feiner Pe- 
fchwerbc Abljülfc gu fdjapeu, unb gutnal, wenn er fid) beswegen mit 
bem Pormmtb bes .Klägers ins ©iuoeruchmen gefept hätte. Tie ©eige¬ 
rung bes Pormunbes, bas Arbeitsbild) bes Klagers hcraiisgugebeii, 
hätte Peflagter burdj cjeciguete geridulidie ©diritte befeitigeu müffeii: 
baß er biefelbe bem Kläger will entgelten laßen, ift nidjt gu billigen, 



88 


£)a$ Geroerbegertcßt. S&ittßeüungen beS Verbanbes beutfcßer Gerocrbegericßte. Ar. 7. 


84 


Pmal er nicht fofort bei Antritt bes geßrocrßättmffc* ba* Such ein« 
geforbert ßat. $er tägliche VerpfCegungSfaß oon 1,» Jt. ift ortSiibluß 
unb gebührt bem Kläger pom Jage ber Gutlaffung, ba btefe ungerecht« 
fertigt erfeßeint. 

Venteffung ber Vergütung für bic probcbienft 5 cit bei 
gleichseitiger Vereinbarung bes BoßneS für ba* fpäterc 
fefte Arbeitsuerßältniß. (Gntfcßeibrotg beS GeroerbegericßtsBetp« 
3 ig pom H. Cftober 1898.) 

Jer Kläger ift in ber 3eit vom 15. bis 24. September b. 3-/ fflfo 
im Ganjeit neun Jage, bei bem Veflagten als KeEner beßßäftigt ge- 
ipefen. Jer Veflagte ^at i^m für biefe 3 e ü außer freier K oft unb 
Vtoßnung ben betrag oon 4 /5 o JK in barem Gelbe, alfo 50 für ben 
Jag gemährt, Vei ber Aitiiaßnte bcS Klägers finb bie Parteien bahin 
übereingelommen, baß eS beui Veflagten in ber geil bis 511111 , 1 . DjftoBcr 
b. 3* jeberseit freifteße, baS ArbeitSperßältmß $u löfen, baß er aber, 
menn er bleibe, oom X. Oftober an gegen einen monatlichen Soßn poit 
15 Jt bei oierjeßntägiger Künbigung feft angenommen fei. Kläger 
perlangt für bie 3eit feiner Sefchäftigttng einen Jagelohn 001 t 2 Jf, 
mithin Aadtaaßlung auf 13,6o Jt. Jie Klage mar ab juro cif eit. 

Grüitbe: SBenn ber Kläger feiner Klagforberung einen Jagelohn 
oon 2 M ju Grunbc legt, fo besieht er ffcß babei nicht auf eine unter 
ben Parteien getroffene Vereinbarung, jonbern auf bie Aitgenteffenßeii 
feiner Beiftungen. Ja$ Geroerbegericßt ift jeboeß ber Meinung, baß 
biefer ©tanbpunft beS Klägers un$utreffenb ift, eS oielmeßr barauf an« 
fommt, bie bei ber Annahme beS Klägers erfolgten Verabrebungen 
nach ben für bie Auslegung pon Vertragen geltcnben Grunbfäßen aus* 
Siilegen. Autt enthalt smar biefe Vereinbarung nichts barüber, me!<be 
Vergütung bem Kläger roäßrenb ber bem 1. Cftober uoraufgeheuben 
Vrobejeil su geroähren ift, rooßl aber Besagt fte, baß ber Kläger, roenn 
er bei bem Veflagten perblcibe, vom 1. Cftober an bei pierseßntägiger 
Auffünbigung einen SftonatSloßn pon 15 M erhalten foEe. SBäßrenb 
alfo besüglich bes ^anptfäc^Iid^en beS Vertrages, nämlich roegen 

bcS feft eit ArbeitSperßältniffcS, eine flare Veftimmung über ben Boßn 
getroffen ift, fehlt eine [olcße nur ßinficßtlitß neben fachlichen 
Vrobeseit. Jaß bie Parteien es unterlaßen ßabett, auch hierüber Ve* 
ftimmtes s u vereinbaren, ift bureßaus erflärlith, roeil fte aber SBaßr* 
ftheinlicßfeit nach barauf fein großes Vernicht gelegt haben. JaS Ge* 
roerbegericht meint nun, roegen ber Vejaßlung bes Soßnes für bie 
probejett fei ber oertnutßlttße VHEe ber Parteien bei bem Abfcßluffe 
beS Vertrages baßin gegangen, baß bafür eine bem SAonatsloßtte non 
15 M entfpreeßenbe Vergütung maßgebeitb fein muffe, roeil biefe Aus¬ 
legung am meiften mit ber roegen beS Soßnes überhaupt getroffenen 
VertragSbeftiutmung im Gittflange fteßt, ein Jageloßn pon 50 /$ aber 
mit einem SRonatSloßn pon 15 M anttähernb gleichbebeutenb ift. (Vgl. 
$ 812 beS Vürgerlicßen GefeßbucßeS für bas Königreich ©aeßfen.) 

AuSßänbigung bes Arbeitsbuches. (Gntfeßeibung beS Ge* 
iuerbegerießts Aeumünfter oom 20 . gebruar 1899.) 

Kläger roar oom 27. Januar b. 3 s. bis jum 15. Februar er. bei 
ber Veflagten als ©trumpfrotrfer gegen ©tücfloßu befcßäftigt unb hat 
mit bem letztgenannten Jage bie Arbeit uiebergelegt. Aadß ber gabrif* 
orbnung roar Künbigung sroifcßeit ben Parteien ausgefchtoffcn. Jie 
Aushänbigung bes Arbeitsbuches roirb non ber Veflagten oerroeigert 
mit ber Vegriinbung, baß fte gegen ben Kläger eine Gegenforberung 
im Vetrage Pon 9,60 M habe, beftcheub aus einem bem Kläger ge¬ 
roährten Vorfcßuß an Arbeitslohn oon 5 M unb beut Ae ft eines baaren 
JarlehuS. Kläger habe ftrfj perpfliditet, bis jur JUgung biefer Olegeu- 
forbenntg bet ber Veflagten in Arbeit 51 t bleiben. Kläger erfennt bie 
Olegenforbcrung an, beftreitet aber bic Gingeßung ber genannten Ver¬ 
pflegung unb oerlangt bis jur AuShättbigung bes Arbeitsbuches eine 
Gutfdiäbigung uon 2 .// für jebcu Jag. 

Jie Klage roirb, foroeit auf bic Verausgabe bes Arbeitsbuches 
gerichtet, für begriiubet erfannt, im Uebrigen erfolgt Abroeifung, ebenfo 
roie für bie t^egenforberung ber Veflagten. 

oiriiube: Jie Aieberlcgung ber Arbeit feiten© bcS Klägers roar 
eine red)tmäßige Böfuug bes ArbeilsoerhältuiffeS, ba Künbigung ^roifeßen 
ben ^arteten nusgefdiloffett roar, bas Arbeitsuerbältnis mithin jeberjeit 
eiufeitig aufgehoben roerbeu fonnte. Jem fteht and) uidd entgegen bie 
poh ber Veflagten aufgeftellte Vehauptung, Kläger habe fich perpffießtet, 
bi‘S ,ymi Abtrag feiner ©rfjulb bei ber Veflagten in Arbeit 511 bleiben. 
SSärc Kläger, roie er beftreitet, thatfädilidi eine foldie Verpflichtung 
eiugegangen, io roären bnreh ioldic Abrebe bie Küiibtgungsfrtftrn für 
betbe Jheile uerfdiiebcn gcroorbrn. Jtes roürbc aber bem $ 122 ber 
oieroerbcorbmmg roiberftreiten unb bie Abrebe baburd) niditig gemadtt 
fein. Gs hätte troß einer ioldjen Verabrebung bei bem Anfangs oer- 
eiubarten Aiisfcßluß ber Künbigung fein Veroeuben behalten. Gefolgte 
bie Böfuug bes Arbeitsuerhältuiffes redilmaßig, fo roar audj ber Arbeits¬ 
geber und) § lol ber (^eroerbeorbuuug oerpflidjtet, bas Arbeitsbud) bem 


| Arbeitnehmer fofort bei Aufhebung bes ArbeitSperßäitniffeS eiuSju- 
ßänbtgen. § 112 Abfaß 2 ber ©croerbeorbnung ßat ber Arbeii- 

iiehmer roegen unredjtmäßigcr Ginbeßaltnng bcS ArbcitsbudjcS aEer- 
bingS einen GntfdjäbigmigSanfpruch gegen beu Arbeitgeber. J)er Sledhts- 
gruttb foldjer Grttfdjäbigungsanfprüchc ift jebodj uießt ber ArbcitSvertrag, 
foitberu bie unerlaubte Vanblpng ber Arbeitgeber, uub ift baßer bas 
öeroerbegerießt nlcßt suftänbig, über biefen Gntfcßäbiguitgsanfpriith 5 u 
cntfdjeiben. Gbenfo feßlt bem Oleroerbegertchte bie guftmibtgfeit jur 
Gittfcßctbuitg über bie oon ber Veflagten geitenb gemachte Regelt* 
forberung gegen ben Kläger. Jer oom Arbeitgeber beut Arbeiter ge¬ 
leitete Vorfcßiiß ift als Jarleßn auf^itfaffen. Jie ©egenfotberung ßat 
mithin ißren VccßtSgrunb in einem srotfdjcit ben ^arteten abgefcßloffeneu 
JarleßnSoertrage. 

AntoeubbarfeU bes §. 122 ber GJeioerbeorbnung (9ted)t 
auf 14 tägige Kütibtgung) auf ben Augeftellteu iK einer 
Vutterßanblung. (Urtßeil beS (^croerbegericßtö Aoftotf.) 

Ja ber Veflagte fcßlteßlidh ctngeräutttt ßat, bem Kläger aus rüd- 
ft an big em Soßnc nod) 5 ,m Jt . fcßulbig ju fein, fo tPär er roegen 
biefeS VetrageS, fo rote gefdjeßen iff, 5 U oerurtßeileit. VSenu ber Kläger 
bann aber roeiter 26 JL als Gntf^äbigung bafür eingeflagt ßat, 
baß er am 29. Januar b. 3- vom Veflagten, oßne baß er 14 Jage 
juoor gefünbigt fei, euilaffen fei, fo ßat jroar ber VeFlagtc zugegeben, 
baß ein SBocßenloßn oon 18 Jt. bei ber AnttaßmebcSKlägerS sroifdjeu btefem 
unb ißm uerabrebet fei, ßat aber beftritten, baß bem Kläger bas 5Hecßt auf 
14tägigeKüubigung 5 ufteße, unb behauptet, baß er febenfafls 5 m* Gntlaffung 
beS Klägers um beSroiEen berechtigt geroefen fei, roeil biefer fein 
mißhanbelt ßabe. Jie leßtere Vcßauptung bebarf eiueS roettcren Gin* 
geßens nießt, roeil bie erftere, baß bem Kläger tm ArbettSperßältniffc 
beim Veflagten ein Vecßt auf 14 tägige Künbigung nießt jugeftanben 
ßabe, begrüubet erfd>eint. 

J)er Veflagte betreibt einen Vutterßanbel, ift alfo sroeifelSoßuc 
©croerbetreibenber tm ©ittne ber Oleroerbeorbmtttg. Jer Klager ßat 
fteß bet ißm als Arbeiter irt feinem OJeroerbebetrieb, inSbefottbere 51 U 11 
AuSfaßren ber Vutter an bie Kunbelt oerbungeii, er ift alfo geroerb* 
Iidjer Arbeiter im ©inne bes Jit. Vll ber Gteroerbeorbnung, unb bic 
Veftimutungen bes AbfcßnittS I ^AEgentetne Verßäitniffe^ ffiibeii auf 
ißn Aitroenbung. 3n Mefetn Abfcßnitt ift aber nießt bte Aebe oott 
KunbigungSred)t, fotibern ber bieS beßanbelnbe §. 122 jteßt m bem 
II. Abfdpiitt, ber bte Ueberfcßrift trägt: „Verßältniffc ber Wcfeüeu unb 
OJeßüIfen", unb bur(ß §. 134 ift bte Anroenbbarfeit bes §. 122 nur auf 
„fabrifarbeitet" auSgebeßut roorben. Ja ber Kläger in feinem Arbeit*- 
perßältniffe beim Veflagten fußer fein Sabrifarbeitcr geroefen ift, fo 
fantt ber §. 122 nur bann auf ißtt jur Auroeubung gelangen, roeun feft* 
fteßt, baß er unter ben Vegriff # ©efcEc uitb ©eßülfc" ju fubfutnmiren 
ift. JaS ift aber feineSroegS ber gab. ©cßon ber gemeine ©praeß- 
gebrauch fteßt bem entgegen, unter ©efeEen ober (Seßülfen roirb gatij 
aflgemetn ber tecßitifcß oorgebilbete Arbeiter tut V an t>roerfSbetriebe per* 
ftanben, unb bie GntfteßungSgefcßtcßte ber Geroerbeorbmttig seigt beui* 
ließ, baß aueß tn ißr unter Gefeiten uttb Geßiilfen uidjtS anbereS »er* 
ffattbeit roirb, als roaS ber gemeine ©praeßgebraroß fo benennt. 

©cßon in ber Geroerbeorbnung oom 21. 3unt 1869 gerfäfli ber 
Jit. VII, ber pon ben „Geroerbegeßülfeit, GefeEen, 2eßrlingen, gabrit* 
arbeitem" ßanbelt, in 5 tuei Aöfißnitte, oon benen ber eine bie „Ver* 
ßältniffe ber Gefeflen, Geßülfen uub fießrltnge", ber anbere bie „gabrif- 
arbeiter" betrifft, uttb ber erftere biefer Abfcßnitte ßanbelt sub. 1 ooit 
ben „Verßältniffen ber GefeEen, Geßülfen unb Beßrlinge im Aflgc- 
meinen", sub. 2 aber irtSbefonbere a, pon ben Gefenett unb Gcßülfni, 
unb b poh beu üeßrlingen. Jiefe Giutßeilung roirb oon ber Olcroerbe* 
orbnung in ber gaffung beS GefeßeS Pont 17. 3uli 1878 int SBefent* 
ließen beibeßalten, roaßrenb ber Jit. VII 0011 nun ait bie Ueberjcßrift 
trägt: „Geroerblicße Arbeiter (GefeUett, Geßülfen,. Beßrlinge, gabrif* 
arbeiter)", uttb bie Geroerbeorbmmg irt ber gaffung beS GefeßeS pom 
1.3unt 1891 ßat im Uebrtgen bie gletdje Gintßctlung (AEgeineinrS, 
GefeEen unb Geßülfen, Beßrltuge, gabrifarbeiter) beibeßalten, mir baß 
Sroifcßett „Beßrlingc" unb „gabrifarbeiter" eine neue Abtßcilung: „Vc s 
triebsbeamte, Vkrfmciftcr, Jecßttifer" eittgefdtoben ift. 9fiut ergiebt ftdi 
aus beu §§. 109 imb 114 ber Getperbeorbnuttg ooit 1869, roclcße betbe 
Paragraphen tu bem „ittSbefoubern" uon beu GefeEen uub Geßülfen 
ßanbdnbcu Abfdjnitte II a bes Jit. Vll fteßen, baß unter GefeEen imb 
Geßülfen tedjuifd) ausgebilbete im VanbroerF befcßäftigte perfotten 511 
perfteßen fiub, beim ber §. 109 befttmmt, baß bie Gefeüen unb Geßülfen 
perpfliditet ftitb, beu Auorbitungeit ber Arbeitgeber in Ve 5 ießuug auf 
I häitsliritc Giuridituugen golge 51 t leiften, foroie baß fte nicht pcrbunbeii 
j finb 511 häuslidieu Arbeiten, imb in 114 ift feftgefeßt, baß eine Ver= 
pfltditimg ber Gefeiten uub Gehülfett 511111 SBanbertt nidit mehr ftatt- 
j fiubet 1111 b baß fie feinen Aufprudi auf Unterftüßung feiten* ihver 
| otcroerbsgeitoffen haben -- alles Veftimntungcu, bic tn Vf 511 g auf ge- 
, roölmlidie Arbeiter crlaffcu, feinen ©iutt haben roürbeu. 



86 


85 $5a$ ©ewerbegeridjt. HRitiheiluitgeu be$ HJerbnnbeS beutfcßcr ©emerbegericßtc. Htr. 1 . 


$arauS « 6 er, baß ber §. 109 fomobl bet bei* SReurebaftioit oon 
1878 als bei ber oon 1891 unoeränbert itnb an berfelben Stelle er« 
halten tft (NB. ber jc^ige §. 121 ), folgt, baß betbe HRale unter „©e* 
feite uttb ©ebülfc" baffelbe oerftanbeit ift, tute in ber ©ewerbeorbnung 
non 1869, mtb bas umfomebr, als es itttbettfbar tft, baß eine fo etn* 
feßneibenbe 9 ?efttmmung wie bie, baß fortan bie unter ber Hhtbrif „©e* 
feilen unb ©ehülfen" enthaltenen 93orfcßriften ber ©ewerbeorbnung auf 
äße gewerbliche Arbeiter Anwenbuttg fittben foßen, nicht bitrd) anber* 
meitige ©Iteberung beS Stoffes ftar junt AttSbrurf gebracht fein foßte, 
wäßrenb hoch baS, was für aße gewerblichen Arbeiter 1878 unb 1891 
neu eingeführt werben foßte, 3 . 93. 1878 bic 93eftintmungcn über bas 
Arbeitsbuch uttb 1891 biejenigen über bic Sonntagsruhe/ betbe HRale int 
litel „Aßgemcine 93erßältniffe" $laß gefuttben haben. (SS erübrigt 
noch, barauf ßi^itwetfen, baß bte gortlaffung beS §. 114 bei ber 9?eu* 
rebaftton ber ©ewerbeorbnung im gaßre 1878 oorftehenben Ausführungen 
nicht eutgegenftcht, ba bie 9*eftimnmngen bicfeS Paragraphen als felbft* 
oerftänbltd) imterbriicft ftub. (cf. bie H?ote 311 §. 121 am ©nbe in ber 
bei ©uttentag 1898 erfchienettett Ausgabe ber ©ewerbeorbnung oonBerger.) 

©nbltcß ift noch heroorjuheben, baß in bem neuesten ©efeße, be* 
treffenb bie Abänberung ber ©ewerbeorbnung oom 26. guü 1897 in 
bem oon ben Innungen ßanbelnben Abfchnitte überaß ©efeße unb ©e* 
hülfe als ibentifch gebraucht ift, wie barauS ßeroorgeßt, baß, fo oft 
bas 9 Bort „©efeße" gebraucht tft, in klammern ßinsugefiigt ift ,,©e* 
hülfe* 7 , unb baß biefen ©efeßett unb ©ehülfen (cf. 3 . 93. §. 81 b ber ©e* 
werbcorbnung sub. 8 unb 4 ) bic gewöhnlichen gewerblichen Arbeiter 
ausbrütflich gegenübergefteßt finb. (cf. auch Htohmer: bie $anb werfer* 
ttoocße, Htotc 4 31 t §. 8 la ber ©ewerbcorbnung.) 

©rgiebt fich aus Allem, baß unter ©efeßett unb ©ehülfen, wie 
überhaupt in ber ©ewerbeorbnung, fo auch im Abfchnitt II bcs lit. VII 
berfelbctt auch heute nodj baSjentgc 31 t uerfteßen ift, was bte ©ewerbe* 
orbituttg oon 1869 banmter oerftanbeit wißen woßte, näntltd) tccßuifd) 
auSgebilbcte Arbeiter ber .fmttbwerfer, fo folgt im 9Beißalt beS oben 
93 cmer!tcn oon felbft baraus, baß gewerbliche Arbeiter, wenn fte nicht 
citlweber .^anbioerfsgefeßen ober gabrifarbeüer ftnb, ein Stecht auf 
14 tägige Winbigung n i d) t haben. 

gnfoweit alfo war ber .Wäger abjitweifett, bic floften aber waren 
entfprechenb ben Beträgen, mit benen ber Wäger obgeftegt hat, refp. 
betten er unterlegen ift, 311 ! /c beut 93cflagten, jtt 8 /« bent .Wäger auf* 
juerlegen. 

Antnerfuttg ber Hiebaftion: 35$tr bringen biefeS Urtßeil um 
feiner ausführlichen 93egrünbung wißen, jebodj mit beut ausbrütflicßen 
93etnerfen, baß wir unfererfeitS mit bem Urtheil nicht einoerftaitbrit ftnb, 
wie uns audj fein ©eroerbegeridjt befannt ift, beffeti Praris ftch auf 
biefen Staubpunft gefteßt hat. ©efeße unb ©«hülfe in ber Ueberfdirift 
beS betreffenbett Abfrfjnitts bes Titels VII ftnb nicht ibentifche AttSbrücfe, 
fottbern einanber ergänjenbe unb ertlärenbe. 

©in Arbeitgeber, ber bei ber perfönlichen Sorftellung 
beS bureß 93rief angenommenen Arbeiters erfährt, baß ber 
Arbeiter fo ftßwerßörig ift, baß er ihn für fein ©efchäft 
nicht brauchen fann, ift befugt oon feiner Annahmeerfläruttg 
jurüefjutreten. (©ewerbegericht HRülßeim, oom 22 . ^ej. 1898.) 

$>er Scßußmacßermeifter 93. hatte eine ©ehülfenfteße auSgefchrieben, 
darauf inelbet fuß ber Wäger &. oott $>. fcßriftlid), 93. fdjreibt ihm 
am 2 . b. HR. fofort 3 U fommen, St. teilt barauf bem 93. am 8 . b. HR. 
mit, baß er fcßwerßörig fei unb forbert, baß er eine Scßlaffteße aßein 
für fich ^halte. hierauf antwortete 93. nicht, am 7. b. HR. tritt St. bei 
3$. an. $te Sd)werhörigfeit beS St. ift fo ßarf, baß 93. unb St. ftch nur 
fcßriftlidj oerftänbigen tonnen unb beSßalb bort ©ittfteßuttg oerweigert 
wirb, hierauf forbert St. eine ©ntfehäbigung non 18 JC. 

©rünbe: $)er Wäger W ift mit feiner Wage abgewtefen. AIS 
ber 93eflagte 93. ben Wäger St. aufgeforbert hat, 3 u ißm in Arbeit 
31 t fommen, hat ber leßtere feine ©chwerhörigfeit nidht erwähnt, erft 
in bem jweiten 93riefe oom 8 . b. HR. teilt er bieS betn s S. mit, ber 
barauf gar nicht antwortet unb bei ber perfönlichen 93orjleÜung erfährt 
ber 93eflagtc 93., baß ber Wäger Ä. fo fdjwerhörig ift, baß er ftd) mit 
ihm nur fdjriftlid) oerftänbigen fann. 

AIS ber 93eflagte bem Äläger fdjrieb $u fommett, war er berechtigt 
attjunehmen, baß ber Äläger gefuttbe Sinne habe, wie bieS bei jebent 
Arbeiter oorausgefeßt wirb. J?a nun bei ber perfönlichen Begegnung 
ftrf; herausfteßte, baß ber Kläger fo feßwerhörig war, baß ftch bie 
Unterhaltung nur fcßriftlidh führen ließ, bem Wäger alfo eilte ©igenfd)aft 
fehlt, welche gewöhnlich oorauSgefeßt wirb, fo war ber 93eflagte be* 
rechtigt, oon ber Annahme bes 5f. jurüdjutreteu. (A. Ö.Ht. I. 4. 81.) 
33ei ber 93erhattblung oor bem ©ewerbegcrichte fonnte mit bem Wäger 
nur fchriftlich oerßanbelt werben. 

Unter welchen SorauSfeßuu^eu fann oerbieuter ^ol>u 
als Sicherheit bes Arbeitgebers für ^chäbtgungen bureß 
l'djlccßte ©efcßäffsfithrung feitenS beS Arbeiters äurfiefbe- 


halten werben? Unanwcnbbarfeit bes §. 119a auf biefen 
SaII- (Urtßeil bes ©ewerbegerießts Hamburg.) 

©S flagt ber 9?äcfermetfter SB. gegen ben Wtecßt HR. auf gaßlitug 
etttes Sdjabenerfaßes oon 9 M weil leßterer ben iienft oßue Äünbi* 
guttg oerlaffen habe, erhöht aber tut HJcrhanblungStermine biefc 
gorberung auf bie gcfeßlicßc 9?itße oon 18 at., bie ihm nach §. 124 b 
ber ©ewerbeorbnung für ben angegebenen gaß jufteße. 2 )er s 3 eflagte, 
9R., erwiberte, baß er nießt in feftern Öoßn bei bem ©äefermeifter 93. 
geftanben, fottbern nur gegen ^rojente, 7% oom 93erfauf, gearbeitet 
habe. $>en ^ienft habe er oerlaffett, weil biefer ißm bte Zahlung bcs 
Lohnes oerweigert uttb nur 3 JC. k conto gezahlt habe, unter bem 
93orgeben, 10 M . für etwaiges HRattfo cinbej)nlteu 31 t tttüffen, oott 
benen er aber täglidj 2 Jt aßabettblicß in ben folgettben hagelt abheben 
föttne. ©. gab 31 t, an H)?. ben fioßn fchulbig gewefeit 311 fein, bod) 
habe fid> am leßten 2age eine S)iffereit 3 oon 7 JC 311 feinen ©unflett 
ßerausgefteßt, weshalb er als gidjerbett für fernere £iß'eren 3 en 10 M. 
einbeßalten habe. $aS ©ewerbegerießt wies febod) ben Säcfermeifter 
mit feiner ©ntfcßäbigmtgSflage foftenpflicßtig ab, ba er ttießt berechtigt 
getoefett, ben Soßtt oßtte ©ittwißigung beS SIR. einjiibehaltcu. A'ad) 
§. 115 ber ©ewerbeorbnung fiitb ben Arbeitern bie gefcßutbeteit Söhne 
baar auS 3 U 3 ahIett, aud> fteße bem SB. nießt ber §. 119 a 3 ttr (Seite, ba 
er ben Sohn nießt etwa als Sicherung für ißm bureß eilt plößlicßeS 
Oerlaffen bei* Arbeit feitenS beS HR. entftchenbeit Scßaben einbehalten, 
fottbern als Sicherheit für ein ißm bureß .bic ©efdjäftsiührmtg biefeS 
angeblidj entftaubencS ^efi 3 it. Aucß tut erfierett gaßc ßntte bie l*ol)tt» 
einbeßaltuug bei ber eitt 3 elnett SohttauSsahlung ßödjftenS V 4 beS Sohnes, 
ber hici’ I 9 M. bie 9Bodje war, betragen bitrfett. 9Soßte ber Arbeit* 
geber für ben 3 wciten gaß ftdjcr gehen, fo hätte er beitu Abfcßluß bcS 
ArbeitSoertrageS 31 t biefem ^aerfe oon feinem Arbeiter ftd) eine Sidjcr* 
heit, refp. .Kaution fteßen laßen füllen, ntd)t aber burfte er einfeittg, 
ohne ©inwißigiiitg beffelben, über ben biefem gefcßtilbetcn Voßn oer* 
fügen. 

©eiten, wenn gemaub uad; feinem Austritt aus einem 
93erhältniß als Serfmeiftcr wieber tnbajfelbe etuiritt, ebne 
Weiteres bie für bas frühere 93erßältttiß oercinbartctt 93e* 
bingungen? (Urtheil bes ©ewerbegerid;ts Hamburg.) 

£er SBäcfer g. war oon ber gtrttta u. © 0 . feit Sommer 1896 
als 98ertmcifter bet einem HRonatSgeßalt oott 100 ji. unb freier HBohnuug 
unb einmonatlicßer gegenfeitiger Äünbigung augefteßt. 93 ?cgett einer 
gegen einen 93erwaubteu ber 93eflagteti angeblich oeriibtett Unrecßt« 
fertig feit hatte g. eine breiwöcßtgc ©efängnißftrafc 3 U oerbüßen unb 
trat banadß am 1 . gebruar b. g. wieber in feilte Stcßung citt, oßjtc 
baß irgettb eine Aenbertutg in ben 3?ebiitguugett cintrat, nur fiel bic 
freie HBoßnung gegen eine ©ntfcßäbigung oon 4 M. pro HSodje fort, 
fo baß er 28 M. pro 9S3ocße erhielt. £a er nun am 4. April oßue 
Äünbigung entlaffen würbe, flagte g. auf 3 aßluug eines etumouatlid)cit 
ScßabenerfaßeS oott 112 JC uub auf Ausfteßuug eines ©utlaffuitgs* 
fcßeineS, inbent er baS Sdjrctben ber 9?eflagteu oorlcgte, gruub befielt 
mit ißm eine eimnonatlicße Winbigung oereittbart war. ^ic 93eflagteu 
behaupteten, baß nadjbent ber Wäger wegen eines HkrtrauenSbrucßcS 
eine breitoödjige ©efängnißftrafc oerbüßt, fte tßit nur auf 93 ittctt feiner 
grau wieber etngeftellt hätten, jeboeß fei ber urfprüngltcße Vertrag burd) 
bie bantaltge ©ntlaffung beS Klägers ungültig geworben unb fei nun* 
meßr bic ben ©efeßen gegenüber in ihrem ©efdjäfic gcltenbe Arbetts* 
orbnung, bie als $lafat in beit ArbeitSräumeu oßenfidjtlid) ßätige uub 
naeß weld)er Winbigung überhaupt uidjt eriftire, aucß für ben Wäger 
ntaßgebeitb geworben, dagegen wies ber Kläger barauf bin* baß er 
wieber in feine alte Steßung als HBcrfntcifter eiugctreten. ^aß ber 
Äläger btefelbc £ßätigfett wie früßer fortgefeßt, mußten bic Söeflagteu 
3 ugeben, beßarren aber bet ißrem fonftigen 93orbrittgeu. 3ur 93e* 
urtßeilung ber Sacßc felbft jei oon ber grage auS 3 ugcßen, ob unb 
wie toeit bie 93eftintmuugen bes Sdjrcibcits oont J9. Anguß 1890 and) 
für bic Höiebcreinftcßuug bcS Klägers aut 1. gebruar 1897 maßgebeub 
feien. Abgefeßett oott bem Htecßte auf freie SBoßmtng, fei btes 3 U bejahen, 
^er Kläger fei für bte gleidjen Seiftungen wieber in bie Arbeit ein* 
getreten; eine Aettberuitg itt ber Winbigung fei ißm nidjt tiiitgetßeilt, 
wäßrenb es ein anerfamttcr HtedjtSgrunbfaß fei, baß Acttbcruugcu bc= 
fteßenber 3 u flänbe uttb 93erßältniffe redjtlidi nießt oermutßet werben, 
oielmeßr fpe^teß mitgetßeilt werben müßten. So fei and) bie 93eftim= 
tnung wegen ber freien SBohmtttg fpesieß aufgehoben uub bafiir eine 
Sohnerhöhung 3 ugebißigt. gaßs bie 93cflagten glaubten, baß für beu 
HBiebcreintritt beS Silägers bte früheren 9?eftitmmutgeu überhaupt uidjt 
in 93etrad)t fäntett, fo habe gar leine l^eranlaffung oorgelegen, eine 
einzelne SBeftimmung 3 U äitbent, noch gar au Stelle ber aufgehobenen 
93eßitmuuug fuß 3 U einer anberen Sctftung 311 oerpfHcßteti. Auberfeits 
hätte es feßr ttaße gelegen, jugleid) mit ber greiwoßnuug atuß bie 
monatliche Winbigung aufsnßeben. Soweit alfo bie früheren 93eftim= 
mungen nid)t aufgeßoben feien, müßten fie aucß nach betn 1 . gebruar 



TaS ©emerbegericbt. 3J?Utfjcilmigen beg BerbanbeS beutfäct ©eroerbegeridjtc. Ar. 7. 


fortbeftcbeii. Ter Kläger fotinte bei feiner gleiten Tl)ätig!eit iiid)t an* 
nehmen, baß er jebent Bäcfergefclleu gleidjgeftcllt werben follte, unb fei 
gur ©inhaltung einer cinmonatlirijen Münbiguiigsfrift bcrcdjtigt gemefen, 
bei ©rinaugelung einer foldjen an Stelle ber nadj §. 124b ber ©ewerbo* 
orbmtng feftgefeßten ©ntfdjäbigung einen Srfiabcnerfaß gu forbern. Tiefer 
beftefie in bem ibut mäbrenb eines? Atonal* entgangenen ©ciuiun oon 
112 M., unb bedürfe es? md)t eilte* weiteren Bcweifcs, ba ntd)t be* 
bauptet worben, baß ber Kläger wäbrenb ber 3rit 1,01,1 4. April bis? 
4. SAai anberweit eine loljneube Tbätigfeit gefunben. 

An nt. ber Aebaftioti. ©S wirb nitfjt überleben werben fömieit, 
baß gerabe bei berartigen fragen bie tbatfäd)lid)ett Berijältuiffe bes 
einzelnen ftafle* eine befonbere Aollc fpieleu. ©in allgemeiner ©aß, 
baß g. B. ein Bauarbeiter obuc Weiteres bei einem Acuengagement bic 
früheren Bebingungcn geniest ober geltenb madjen fann, wirb fid) nid)t 
behaupten laffeu. 

Mgemetnes über (Btwerbegertdjte unb 
^rbeiteoertrag. 

9 foS ben SabreSberidtien ber ©etoerbegertdjtte* 

Abnahme ber Klagen. — ©eringeS Sntereffe ber Arbeitgeber. — 
Tie Beifißeroereinigung ber Unterweferorte. — (Gutachten unb 
©inigungSämter. 

Aeu eingegangen fiiib bie Beriete ber ©ewerbegeridjte nort 
Bannen, Tarmftabt, Teffau, ßberswalbe, ©eilbronn, Königsberg, 
Btannheim, Btagbebitrg, Ölbenburg, Saatfeld a. b. ©., Itlm unb 
Bkimar. ©in Tb e ^ üiefer Scripte, barunter leiber aud) ber bes 
fo wichtigen ©ewerbegerichtS Btagbeburg, befdjranft fid) auf wenige 
ftattfiifdje Taten. Anbere, inSbefonbere bie non Königsberg, 
Bromberg unb Mannheim, fowie bie in ber nötigen Ar. 5 ©p. 74 
erwähnten ©ewerbegericf)te Bremen unb Bkitnar bringen aber 
wid)tige Beiträge gunt lieben ber ©ewerbegeriebte, auf bie gum 
Tdjeil in befonberen Referaten gurüefgufommen fein wirb. 

Sntereffant ift, baß mehrere ©ewerbegerichte, namentlich Teffau, 
Barmen, Bkintar unb Bremen Fonftatiren, bah bie 3<*bl & er . atts 
geftrengten Klagen unb ber Anbrang an bie ©ewerbegeridjte 
wefentltcb abgenommen h a & c - Königsberg berichtet, baß bie 3 Us 
nähme gegen baS Borjahr nur eine geringe fei (1503 gegen 1458), 
alfo 3 0/0 3unabme, währenb 1897 eine 3uo a hm e oon 42 /8 % 
aufweift, dagegen wirb oon Btannheim eine relatio erhebliche 
Steigerung (922 Klagen gegen 859 im Borjahrc) berichtet, unb 
bei bem fleinen ©ewerbegerid)t in ©aalfelb a. b. ©. betrug bie 
3unahme fogar über 40 °/ 0 , ba 95 Klagen gegen 55 im Borjahre 
geftettt würben. Natürlich ift bei Heineren ©cwerbegerid)ten baS 
©chwaufen ber 3 fl hl ein me h r gufättigeS. Smmerhin aber beweift 
bie ^hatfache, baß an fo oieleti ©ewerbegeruhten bie 3 a ht. ^ cr 
Klagen gurüefging, bah bie SLhätigfeit ber ©ewerbegerichte feines* 
falls ben Aniah 31 t ©treitigfeiten gwifdjen Arbeitgebern unb Arbeit* 
nehmern vermehrt, fonbern eher oenninberte. 

Sn mehreren Berichten, inSbefonbere in bem oon Btottnheim 
unb Bromberg, wirb lebhaft barüber geflagt, wie fid) namentlich 
auch bei ben Arbeitgebern eine auffaUenbe Unfenntniß ber gefeß* 
liehen Borfdjriften ber ©ewerbeorbnnng unb ber Berfid)erungS* 
gefeße bemerfbar mache. Königsberg unb Söeimar heben nberbieS 
bie änherft fchwache Betheiligung ber Arbeitgeber an ben Btehlen 
heroor. „Bon ben .vmnberten oon Arbeitgebern haben nur 17 ihre 
Anmeldung gur Bkljllifte bewirft unb nur 25 berfelben fid) an 
ber Sßahl betheiligt." (Bkirnar.) An ber 5BaF)l in Königsberg 


1 haben fid) überhaupt nur 113 Arbeitgeber gegen 244 im Sahve 
1895 betheiligt. Tie geringe Betheiligung mag gum eil eine 
! Solge ber B$al)Hiften fein, gum TJEjeil hängt fie aber eben mit bem 
I geringen Sutcreffc, bas bie Arbeitgeber bem ©ewerbegericht uiel= 
I fach entgegenbringen, gufammeu. 

©S wirb baher intereffant fein, wenn im ©egenfafc 51 t bieten 
! Klagen eine äRittheiliiug ber Bereinigung ber (bewerbe* 
gerichtsbeifiher ber Unterweferorte (Bretnerhaoen, ©eefte^ 
utiinbe unb i'ehe) gur Kenntnih gebrad)t wirb. SDiefe Bereinigung 
fenbet uns bie Berichte, welche bie Arbeitnehmerbeififjer bon 
über jeben in ber ©ifeung oerhanbelten Satt bem Dbmann ber 
Bereinigung erftatten. 2)iefelben enthalten auf einem fehr praf- 
tifchen Sormular SRarne ber Beififeer, ber Parteien, foroie ben 
©egenftanb ber Klage unb AuSgang beS BrogeffeS, worauf bann 
auf ber Bücffeite bes für jeben eingelnen Satt auSgufüttenben Soi> 
mularS eine furge Begrünbung beS UrtheilS nebft fonftigen Be* 
Wertungen ber Beifijjer fich anfdE)Xiehcn. 2)iefe Bemerfungen finb 
faft burchweg giemlid) ausführlich unb machen ben ©iitbrucf, als 
ob bie Bericbterftatter fich e i” er burchauS unparteiifchen T>arftettung 
j beS Sattes befleißigen, ©ie ergeben in ihrer ©efammtheit eine 
Art Kafuiftif bes ArbeitSoertrageS unb fie beweifen, wie eifrig bie 
Beififeer bei BJahrnehmung ihres Amtes waren. T)aß auf biefe 
Art, namentlich I1)enn anguttehmen ift, baß wichtige SäKe in ben 
Beifiheroerfatnmlungen ober in ben ©ewerffdjaften bentnächft be* 
fprod)en werben, bie Arbeitnehmer genauer über baS ArbeitSredjt 
informirt werben müffen, als bie Arbeitgeber, bie höthfteuS ben 
©ißungen beiwohnen, liegt auf ber £mnb; nnb wenn beit 
Arbeitnehmern biefe genauere BedjtSfenntniß bann oielfach gu 
Auheu fomrnt, fo ift Dies nur natiirlid). ^Ter ©ah, baß Rechts* 
unfenntniß benachtheiligt, gilt eben aud) oor ben ©emerbeqeridjten 
unb barf nicht, wie es jefct feitens ber unterlegenen Arbeitgeber 
oft gefchieht, gegen bie ©ewerbcgerid)tc angewanbt werben. 

lieber ©utadjten berichtet mir Königsberg (welche ©tunben 
finb für ben ilnterrid)t ber $aubwerferlehrlinge in ben gu Königs* 
berg beftehenben Sartbübungsfchulen angufehen?),B3eimar (Arbeite?* 
nathweis), Bremen (Arbeitsnachweis), Ulm (©iufdjränfung ber 
Sonntagsruhe, Borfd)riften für baS Biefcgereigefd)äft). Als 
©inigungSautt augerufen würben Königsberg (oon benBiaurettt, 
bie Arbeitgeber lehnen bie Berhaitblungen ab), Bremen (Streif 
ber Arbeiter einer BtöbelfabriJf, eine Bereinbarung fommt gu 
©taube), T) a r tu ft a b t (3immerer*AuSftanb; bie Arbeitgeber lehnen 
baS ©inigungSamt ab). 

Petition btS Berliner gereift# „Srauentoolü" betreffend 
ber Sennen gn ben beruflichen ©fhiebSgeridjtcn. Ter Berliner Berein 
„^rauemoobl" (unb in bereu Anmen SWiua ©auer, 3»aria Aafdjfe, Dr.jur. 
Anita Augscpurg) weubet fid) in einer längeren Britttoit an ben Aetd)? s 
tag um für bic grauen bas affine nnb paffiuc 3Sal)Irecht gu ben 
bcruflidicn ©chiebvgeridjten, alfo inSbefonbere gu ben ©ewerbege 1 
rid)ten gu erlangen. Tie Petition madjt, uitfereS ©rächten* unb mir 
Aedjt, barauf aufuterffam, baß ber Wortlaut be* ©efepe* fdjon jrpt 
bem nid)t eiitgcgenftehe, imb baß aud) in Deßcrretdi nnb Italien ben 
Arbeiterinnen Stimmrecht wenigftens für baS ©ewerbegericht guftebe. 


ßriefhafte»- 


©etnerbegericht Tougig. Beiträge über bic grage ber Auffid>t über 
bie ©e[d)äftsfül)ruitg ber ©ewerbegerichte finb bis jebt nidjt eingegangeii. 
©ine Befpredjuug aus ben Kreifen ber ©ewcrbegerid)te würbe allerbiini? 
crwünfdjt fein. 


Smhcnfihrift „Sogiale B ra £‘^ ©entralblatt für ©ogialpolitif". 

(Herausgeber: Dr. ©. Srancfe, Berlin; Berlag oon Tundfer & 
Humblot, ßeipgig. 3 U hegiehen burch fämmtliche ^5oftanftaItcn 
unb Budjhanbiungen guw B re U^ oon 2 J( 50 Bf- für baS Biertel* 
jahr einfchließlich ber ttRonatSbeilage „T)aS ©ewerbegericht".) 

Inhalt oon Ar. 27: Befdiränfung ber Heimarbeit in ber 
KonfeftiouSiiibnftrie. Bon Affcffor Dr. Alfreb s Beber, ©har* 
lottenburg. — ArbeiterberufSoereine unb ^ßarteipoütif; Aus ber 
ArbeitS*©cfeßgebung AeufeclanbS oom 3°h r ^ 1898. — Sürforge 
für ftäbtifche Bebienftete imb Arbeiter in Btaing; ©ogiale Sürforge 
ber Stabt ©traßburg; Tie ftäbtifche Knaben*ArbeitsanftaIt gu 
Taruiftabt; ©täbtifche KioSfe für anttalfoholifcßc ©etränfe in lianbs* 
borg a. B*. ; ©täbtifeße Anneniinterftühung für ftreifenbe Arbeiter 
in ©nglanb. — Tie ArbeitSlofigfeit in ©roßbritannien im S^hoe 
1898; BöUige Unterbriicfung ber Bettelei in Sronfreid). — Ter 


Berein ber Snbuftrietteu bes BegierungSbegirfS Köln; ©efammt* 
oerbanb beutfeher Btetattinbuftriettcr; Berbanb ber Arbeitgeber für 
baS ©chrteibergewerbe in BHinchen. — Ter Berfud) beS attgemeineii 
AuSftanbes in Sraufreid) int Dftober 1898. Bon Tctaoe Seftn, 
Baris; Arbeitgeber unb Arbeiter im Berliner Baugewerbe; Brauer* 
ftreif in Sranffurt a. 9».; Tic ©tucfarbeiter*AuSfperruug in ©ng* 
lanb; ©ine fatholifche Bereinigung ber Arbeiter beS Buchgewerbe* 
in Soanfreid); Tl)ättgfeit ber Bnnfei' ArbeitSbörfe im Sah« 1898. 
— Ter Arbeiterfchuß in ber 3ünbholgfabrifation; Arbeiteroertretung 
in ber preußifdjen BergwerfSiufpeftioit. — SahrpnüSermäßiguug 
für ber Arbeitsoermittlnng itt Bßürttemberg; ©rhöl)ung be* 

ftäbtifcben 3ufd)uffe* für bie Allgemeine ArbeitSnadjmeiSauftalt in 
Köln; ©täbtifdjeS Arbeitsamt in 3ürith. — Staatliche Befd)äfti* 
gung ber Arbeiter=Kooperatiügenoffenfd)aften in Qtalien; ©enoffeu* 
fdjaftliche BerfaufShäufer in Hamburg; Bio^nWogenoffenfehafteu 
in Sranfreich- 


©e®etbegetid)t" erfc&emt am erften Tonnerftage jeben SKonat» im SRinbeftumfange öon V« Bogen jum bon 1 WL jö^rlic^. — BefteUnngen 
nehmen fftimnKlcfte ipoftanftalten (BoftgeitungSnummet 2877) unb Bnchhonblimgcn an; ein biteftet Begug bon bet BerUft!bu4h<tnblung ftnbet nU|t ftntt 

Gerinn t»ou ^mtcfcc * Cminülut, SJeipjifl. — «ebnuft bei Julius etttcnfelb In öerllu W. 









IY. 3<rfj*0«tt9< 


Berlin unb ^-ranffurt a - SK-/ ben H- SKai 1899. 


Kummer 8, 


Das ©fiDfrbfjrrtrlit. 

ZHitttjeilungen bes Derbanbes beutfcfyer < 8 emerbegerid)te. 


©crantmortlidj für bic Kebaftion: bcr ©efdjäft8fül)rer be$ ©crbanbe§, ©tabtratl; Dr. Ulefrij, ^ranffurt a. SK. 


Srf^/Ul «w erlni ponturflag j/b/n 3 HonaU. 

- r\r- 

©etlag bon ©undet & ■ftumblot, Sctpjig. 


ITttis ti|r(i 4 1 Start 

■'l/'B 

ßoftenfreie ©eilage jut „©ojialen PrajrtS". 


3nljalL 

S)er §.626 beS ©ütgerlidjen ©e» ] 


fefcbud )8 unb baS ÄünbiguttgS* 
recht in ber ©ewetbeorbnung. 

89 

©enjcrbcgertcbt, Arbeiterf efre» 
tariat, AuSfunftöftclle.91 

jjerfaflung uni Uerfaljren .... 93 
Erweiterung ber 3 u f^nbig!eit ber 
©ewcrbegerichte. 

#edjtft>«$un0. 93 

§§. 115,117 ber ©ewerbeorbnung Sohn* 
einhaltung jur ©erfung eines bem 
Arbeiter jum SelbftfoftenpreiS über» 
laffenen gcthrrabS. 9ted)t beS Ar* 
beiterS jur Üiücfrorberung biefer 
5 lbaüge fro# feiner Einwilligung 3 U 
benfeiben. begriff einer „Einrichtung 
3 ur ©erbefferung ber ßage beS Ar¬ 
beiters“ im Sinne beS §. 117 ber 
©emerbeorbnung. (©ewerbegericht 
unb Önnbgerid)t ©Magbeburg.) 


Unfelbftftänbiger Arbeiter ober Unter» 
neunter? (©ewerbegericht unb Sanb» 
geriebt granffurt a. ©M.) 

©ebarrlicbe ©ermeigerung einer 0011 
einem Arbeiter »erlangten AuSfunft 
ift ©runb 3 U beffen fofortigen Ent» 
laffung. (©ewerbegericht Qffenbad) 
a. ©Main.) 

3u einer ©djabenSflage bon ©au» 
arbeitern ift, wenn fie für ben gan 3 en 
©au engagirt waren unb ber Sohn 
im ©an 3 en mebt als 150 M. be* 
trägt, im ©ebiete beS Allgemeinen 
2anbrecbtS Scbriftform bon ©öthen. 
(©ewerbegeriebt unb 2 anbgerid)t 
Stettin.) 

©eginn beS ArbeitSbertragS? (©e» 
werbegeriebt Hamburg.) 

lUlgemeiuw über ©merbcgcrtdjte 
unb ILrbtltsutrtrng. 100 

AuS ben SahreSbcrichten bon ©e« 
werbegeridjten. 


Abbrud fämmtlitber Ärtifel ift Seitungen unb Seitfcbriften geftattet, jebodj nur mit 
boUet Quellenangabe. 


Ser §. 626 bes SürgerUdjcn ©efebbudjesi uitb 
bns Üttnbieiuussreibt in ber ©emecbeorbniing. 


3n ber gfrage beS ©erhältniffeS beS §. 626 bes ^Bürgerlichen 
©efehbudjeS unb ber §§. 123, 124 ber ©letoerbeorbmiug liegen nod) 
eine Keif)e ©Meinungsäußerungen oor. jur 3eü eine 5lnjal)I 
Abätibernngeit ber ©emerbeorbnung beratl)en wirb, erfdjien es an* 
gemeffen, bie Aufmerffamfeit bes Reichstags auf bie für bie ©e= 
iuerbegerid)te fo bebeutfame Angelegenheit 311 lenfen. 2 )a£ ift burd) 
bie unten abgebruefte Petition gefdjehen, bie, aus Mangel an 3 *it 
3 ur Einholung eines ©efdjluffeS beS AuSfdjnffeS, ber ©efd)äftS- 
fü^rer jufammen mit §errn £)berbürgertneifter Dr. ©af 3 ner=©iain 3 
unter 3 eid)net hot. Es märe ttü(jlid), raenn [ich ©emerbegerichte, bie 
in ben nächften Klagen plenarfibungen hoben, ber Petition ait- 
fdjlöffen. Außer bem ©Wortlaut bcr Petition, bie fid) einer be* 
ftimmten Stellungnahme — 311 ber eS uns an einem ©Manbat ge* 
fehlt hotte — abfidjtlid) enthält, bringen mir unten nod) eine auf 
ben ©egenftanb be 3 Üglid)e 3 u f c h r U^ beS §)errn Kollegen Werfer* 
$öln. 

2 )er ©efchäftsfiihrer. 
Slefd). 

$ie Petition hot folgenben Wortlaut: 


bcu 1. Sftai 1899. 


^ranffurt a. 3R. 

9?iain3 

21 n ben h°h cl1 Reichstag. 

Petition 

beö CberbürgermeifterS Dr. ©afjner in SDiaiitj unb be» 3tabtratf)S 
Dr. 5t. glefd) 31 t granffurt a. 2)L, SWitgliebcr beS AuSfdjuffeS beS 
©erbaubeS beutfdjer ©emcrbegevidjte. 


Aad) §.626 beS ©ürgerlidjcn ©efehbudjS fann ein Sieuft* 
oerbältnib uou jebem 2 heil oh»e ©inhaltuug einer ftünbigungSfrift ge* 
fünbiat merben, meim ein midjtiger ©runb oorliegt. 

9iach §§. 123, 124 bcr ©emerbeorbnung fann bas Arbeitöoer* 
hcilbiiß 3 mifd)en ©efellen 1111 b ©ehitlfen urtb ihren Arbeitgebern ohne 
Einhaltung einer Ätiinbigung nur gelöft merben, roenn einer ber bort 
finjeln aufgeführten 13 ^hotbeftänbe oorliegt. 


^iefc ©eftimmungen ber ©emerbeorbnung merben ooti bem Art. 36 
bes EtnfuhrungsgefcßeS 311 m ©nrgerlid)en ©efefebudj, ber eine Anzahl 
bcr Paragraphen bcr ©emerbeorbnung formell mit ben ©orfdjriften bes 
©ürgcrlidjcn ©cfchbuchS in Uebcrcinftimmung bringt, nidjt ermähnt. 

©eftehen fie fort, ober finb fte burch bic ©eftimntung beS ©iirger* 
liehen ©efehbudjs erfe^t toorben? 

Xie ilnterscichneten moflen bie grage nid)t erörtern; aber fie er= 
lauben fidi, bie Aufmerffamfett beS hohen 9teid)Stags barauf m lenfen, 
bafj eine An 3 al)l Snrifteit, meldhe fid) auf ©eranlaffung bcr Aebaftiou 
ber HJMttheilungen beS ©erbanbes bcutfäier ©emerbegeri«hte 311 ber grage 
geäußert hoben, oerfdjiebeuer Anfid)t über fie finb. ^ic 
©Meinungsäußerungen finb in ben beiliegenben Stummem ber 31 m Seit 
uou mir int Aufträge bcs ©erbattbeS bcutfd)er Ofemcrbegeriehte heraus¬ 
gegebenen Seitichnft enthalten. 

©S ftel)t alfo feft, baß biefe grage — bie praftifth mithtigfte 
beS gefammten ArbcitSrcdjtS — ftreitig ift. 

©Mehr als bie £>älfte aücr oor ben ©emerbegerichten behaubelteu 
AechtSftreitiafeitcn brehen fxch um bie grage: 

ob bic foforüge, ohne Einhaltung einer ftünbigungßfrift cr= 
folgte ©ntlaffung (ber fofortige Austritt) eines Arbeiters aus 
bem Arbcitsoerhältniß gerechtfertigt mar ober nid)t? 

Aad) bem 1. Januar 1900 merben bie einen ©cmerbegeridjtc biefe 
grage aus §. 626 ©ärgerlichen ©efefcbuchS entiefjeiben, alfo unterfucheu, 
ob ein „midjtiger ©runb" , 31 fr ßöfuna beS ©crhältttiffcS oorlag, bie 
anberen merben nach mie oor bie §§. 123, 124 ©emerbeorbnung mit 
ihren, bem freien ©rmeffen beS 9iid)terS faft feinen ^aum gebenbett, 
genau präsifirtcu ©orfdtriften 31 m Anmenbnng bringen. 

.ftierburrf) toirb ein S u ftonb ber Aed)tSunfidicrheit gcfchaffen, ber 
um fo fd)limitier ift, als es au einer l)öd)ftcu, für alle ©emerbegerichte 
titaßgebcnbcit gttftati 3 befanntlid) mangelt. 

$ie int (ilattge bcfittblichc ©erathung oon Abänberuttgcn bcr ©e* 
merbeorbttung giebt nun ©clegenheit, biefe 3 tocifeIhafte AedhtSlage 311 
flären. §ier 3 u märe nötl)ig, baß entmeber bcr Art. 626 ©ärgerlichen 
©cfefcbud)S als unanmenbbar auf bas ©erhältuiß ber gemerblid)eu ©e* 
hülfen unb "Arbeitgeber erflärt mürbe ober, toaS oielleid)t mehr 311 
empfehlen märe, baß ber ©ingang ber §§. 123, 124 ©emerbeorbnung 
burch 3 ufejjung einiger, ben 3 ll, eifel ausfd)Iießettber SBorte crgäu 3 t 
mürbe, ©r tonnte inSbefonbere oiellcid)t bie folgenbe gaffuttg er¬ 
halten: 

©or Ablauf ber oertragSmäfjigcn Seit unb ohne Auf- 
füttbiguttg föitnen ©efellcti uttb ©ehülfett entlaffen merben 
(be 3 to. in §. 124 bie Arbeit oerlaffen), toenn ein mistiger 
©ruttb oorliegt. 

"Als ein midjtiger ©runb ift, fofern nidjt be» 
f 011 berc Umftäube eine attbere ©eurtheilung rcd)t- 
fertigett, namentlich anjufehen: 

1 . u. f. to. 


^icje SSortfaffuug entfprädjc genau ben §§. 71, 72 .$aitbclS(jefch 5 
bud)S, fd)üfe alfo iti biefetn punft gleid)eS ©ed)t für bas ©erhaltniß 
bes pritt 3 ipals 31 t feinen faufmännifchen unb 311 feinen gemerblichett 
©ehülfett, unb mürbe bie ©ingangS ermähnte .Hontrooerfc befeitigett. 
SSettn and) ohne ©ollntadjt, in biefer Sadje für bie übrigen ©emerbe- 
gerid)te 311 fpred)en, finb mir bod) fichcr, baß eine fold)e Höfling oielfach 
miHfommen geheißen mürbe. 


(ge 3 .) Dr. ©aßner, 
Cberbürgeruteifter oon ©Maitt 3 , 
ftelloertretenber ©orfitjettber beS 
OlemerbegeridjtS in ©Maitt 3 . 


(gc 3 .) Dr. glefch, 
ßorfthenber beS ©emcrbegerid)tS 
granffurt a. ©M., 
©efehäftsführer bes ©crbanbeS 
beutfd)cr ©emerbegerichte. 


* 


* 


* 


£)err Werfer, ©orfifoenber beS ©emerbcgerichtS 5töltt, fenbet 
anläßlich bes in s Dh. 7 beS „©emerbegerichts" abgebrueftett Auf- 
fafecS beS Jterrn ©emerberichterS Dr. fechalhortt-©erlitt folgettbes 
0 d)reiben: 

©ei ber ©efprechuitg ber Anmettbbarfeit beS §. 626 bcS ©ürger- 
lichett ©efeftbud)cS auf bie ^ienftoerträge mit geroerblid)ett Arbeitern 
ift oon mancher 6 eite als ©eroeis gegen bie Anmenbbarfeit bie 











91 


$a$ Eeroerbegeridjt SRiti^cilungen bef berbanbeS bcutfdjer Eewerbegerichte. 9h:. S. 


92 


$enffd)rift jum Entwurf beS bürgerlichen ©efeßbucheS 311 §§. 604 ff. 
genannt worben. 

©crabe biefe Hbfä^e ber ®cnfftf>rift (preßen aber für bie 
Anroenbbarfcit. Unter ber Ueberfcfjrift: „Xenftoerhältniffe oon 
nicht beftimmter $)auer" wirb gefagt, baß für eine beiße non 
Xcnftocrhältniffen, fo auch bei benen für gewerbliche Arbeiter, bie 
Slünbigung burd) befonbere borfchrift georbnet fei, unb baß baS 
bürgerliche ©efeßbud) nur bei folcßen Xenftocrhältniffen eingreifen 
folle, wo es an hierauf besüglühcit beftimmungen fehlt. 

$>ann ^anbelt aber ein ganj befonberer Abfaß oon bem 
„außerordentlichen $lünbiguugSred)t", unb hier mirb ansgeführt, 
baß baS bürgerliche ©efeßbud) für alle Xenftoerßältniffe ohne 
Ausnahme jebem £h c üe baS Specht gewähre, ohm‘ Einhaltung einer 
grift 311 fünbigen, wenn ein wichtiger ©runb oorliegt. — £)kr ift 
alfo feine Ausnahme gemacht, wie in bem erstgenannten Abfaße. 
Es wirb aber noch ferner auSgefprocßen, baß biefeS StünbigungS* 
recht für ©ienftoer^ältniffe höherer $frt einer erweiterten Anroenbung 
bebürfe. 

©erabe biefer ©egenfaß 3 wingt 3 U bem Schluffe, baß ber 
§. 124 a ber ©ewerbeorbnung burd) ben §. 626 beS bürgerlichen 
©efeßbucßeS abgeänbert be 3 w. oeratlgemeinert wirb itub baß bie 

123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung eine $Reiße oon wichtigen 
©riinben aufsäßlen. Welche ferneren ©rünbe als wichtige an 3 u* 
fehen finb, ift ber richterlichen beurtheilung oorbehalten. 

$öht. E. A. ®ecfer. 


•en>etbegerid)t, Ärbdterfekretariat, 

SRacß unb nach finb in ben lebten fahren in einer beiße oon 
Stabten, fo in Nürnberg, Stuttgart, SRündjen, £>annooer, granf* 
furt a. 5R., beuthen, Arbeiterfefretariate entftanben, in anberen 
Stäbten, in &annftabt, Altenburg u. f. w., bann auch in berlin 
finb folcße in ©rünbung begriffen. $a fich bie £ßäiigfeit biefer 
Sekretariate oielfach mit betten ber ©ewerbegeridjte berührt unb 
freu 3 t, ift eS wohl am blaß, hier auf bie Einrichtung ein 3 ugehen. 

$)aß bie geroerffdjaftlich organifirten Arbeiter fich auf bie 
^Dauer nicht bloß mit ber freiwilligen Xßütigfeit ber borfißenben 
u. f. w. begnügen föttnen, liegt auf ber §anb. Anfänglich mochte 
oielleicht bte §ülfe genügen, welche bie SRebafteure ber fo 3 ialbemo* 
fratifchen Blätter, bie Abgeorbneten ber Partei, oermögcitbe Partei* 
genoffen u. f. w. freiwillig 3 U werben ließen. 3 e mehr fich 
baS gewerffcßaftliche £eben aber oer 3 weigte unb oertiefte, um fo 
mehr mußten bie Arbeiterforporationen ebenfo wie bie Unter* 
nehnteroerbänbe auf ©ewinnung tüchtiger beamten Bebacht 
nehmen, liefen beamten fällt baS Stubium ber Arbeiter* 
Bewegung, ber Arbeüergefeßgebung, ber Sage ber Arbeiter, 
ihrer Stonfum*, WohnungSoerhältniffe u. f. m., unb überhaupt alle 
ber für bie fo 3 iale Entwicfclung, für bie b r obuftionSuerbältniffe 
beben tfarnen gaftoren als wid)tigfte Aufgabe 3 U. Sic werben 
naturgemäß bie gathntänuer in allen oon ben ©emerff(haften be* 
hanbelten Angelegenheiten, beren $Rathfd)Iäge bei Streitigfeiten mit 
ben Unternehmern, Unterhanblungen mit ben behörben u. f. w. 
oon beftimmenbem Einfluß unb. Xnt ©ewerbegericht fann bieS 
nur angenehm fein. Xe Streifs werben nidjt oermehrt, aber ihr 
gütlicher AuSgleid) wirb erleichtert, wenn bie Sache ber Arbeiter 
nicht oon Leuten geführt wirb, bie gufällig als bie fräftigften 
SRebner in berfammluugen u. f. w. 3 U Wortführern ber Arbeiter 
gemacht werben, fonbern oon folcßen, welche bie Berhältniffe ber 
betreffenben Subuftric 3 um ©egenftanb genauen StubiumS gemacht 
haben unb in golge beffen im Staube finb, Arbeiter oor über* 
eilenben Sdjriticn 3 U warnen, baS 3 u treffenbe in ben Erflärmtgen 
ber Unternehmer unbefangen 311 würbigen unb weldjen iiberbieS 
bie gürmen unb bie gefcßäftlidje ©ewanbtheit 3 U ©ebote fielen, 
burd) welche bie Rührung berartiger berhanblungen fo wefentlid) 
erleichtert wirb. s lRatt fann fogar oon einem noch allgemeineren 
Stanbpunft ans eS nur begrüßen, wenn bie Arbeiter auch jenen 
böcßft wichtigen 3:f)cil ber praftifchcn bcrwaltung aus eigener Er* 
fafirmtg fenneu lernen, welcher in ber beftetlung oon "beamten, 
ber gedfeßung ber AitftellungSbebingnngen u. f. w. beftcht. 

Wenn hiernach bie bilbung biefer Arbeiterfefretariate in feiner 
Weife pringipieü 31 t beanftanben ift, unb für bie berhanblungen 
oor betn Einigiingsamt, für bie 00 m ©ewerbegericht ausgehenden 
(Gutachten unb Einträge fogar bireft 31 t begrüßen iit, fo entließt 
bod) eine anberc, bie .vwupttßätigfeit ber ©ewcrbegerichte, bie 
SReditfpredjung berührenbe ginge. 7 ^-aft überall haben bie Arbeiter* 


fefretariate neben ben bisher ff^irten Aufgaben auch bie ber 
fRathSertheiluug in SRechtSfadjen, iuSbefonbere in ©ewerbegerichts* 
ftreitigfeiten, ber ülroeiteroerficherung u. f. w. Unb gerabe 

oon biefer ^h^tigfeit ber Arbeiter fefretariate machen bie Arbeiter 
ungemein häufig ©ebrauch, fo häufig, baß fueiburch ^ er ?lobeiter* 
fefretär oielfadj oon ben erfterwähnten Aufgaben abgehalten wirb, 
unb baß man mitunter, wie 3 . b. in Sranffurt, mit ber 2 lnftettung 
oon 3 wei 5lrbeitcrfefretären oorging, beren einer roefentlicf) jene 
allgemeineren Aufgaben, unb ber anbere wefentUch bie beratljung 
ber SRedjtfuchenben 3 U bewirfen hatte. ÜRun oerfteht fich sunäd))t 
oon felb)t, baß bie unentgeltliche 2luSfunftSertheilnng in bedhtsfachen, 
inSbefoubere in Sragen beS Slrbciterrechtes, nicht nur eine hoä)ft 
oerbienftliche, fonbern eine gerabe 3 u nothwenbige Aufgabe ift. Sn*- 
befonbere auch bk 9>iechtfpre(hung ber ©emerbegerichte fann nur 
baburd) erleichtert werben, wenn bie Parteien rechtsfunbig ßnb, 
unb es ift gerabe an biefer Stelle fchon oft beflagt worben, baß 
bie Arbeitgeber in biefer be 3 iehung fo oft hinter ben Arbeiten! 
3 urücfftehen, unb eS ift im haften ©rabe 3 U begrüßen, baß eine 
Stelle oorhanben ift, welche oor ber Aufteilung oerfehlter Älagen 
warnen unb welche bie Arbeiter über ihre 9te<hte unb Pflichten au^ 
bem ArbeitSoerhältniß in ^uoerläffiger Weife belehren fann. 

Eine gan 3 anbere Soage aber ift, ob gerabe biefe ^hätigfeit 
bei ben Arbeiterfeftetären, 0 . h- bei ben angefteüten beamten ber 
Arbeiterorganifationen, in ben richtigen $änbcn ift. BUemanb fann 
3 wei Herren bienen. i)ie Arbeiterfefreiäre aber follen auf ber einen 
Seite bie ©cfcßäfte ber Arbeiterorganifationen beforgen, bie 3itter* 
effen ber Arbeiter oertreten, bie Sache ber Arbeiter als mirthfehaft* 
lieber ftlaffe führen, b. h- ftc foHen bie ^arteibeftrebungen ber 
Arbeiter förbern, unb fie [ollen auf ber anberen Seite bem 
einseinen Arbeiter SRath geben, ihn oon unnüßen Klagen abhalten, 
ben Stanbpunft auch &eS Arbeitgebers 3 U beit oom Arbeiter er* 
hobelten befchmerben würbigen, b. h- ftc füllen über ben $ar* 
teien ftchen. Erfüllen fie bie leßterc Aufgabe nicht, fo fönnen 
bie bathfchläge, bie fie geben, leicht 3 ur berbitterung beS berhält- 
niffeS 3 wifchen Arbeitern unb Arbeitgebern führen, unb un* 
erfreuliche, geregte berhanblungen oor bem ©ewerbegericht unb 
fchließlich Mißtrauen gegen beffen, mit bem SRafb bc S Arbeitet* 
fefretärS fcfjlccfjt übercinftimmenbcr Entfdjeibung hetootrufen. 
3m anberen gaffe fefcen fie ftd) ber ©efahr ans, baß bie Arbeiter 
Zweifel an ihrem Eifer, an ihrem Willen sur riicffichtslofen ber* 
tretung ber Rechte ber Arbeiter 3 um fd;arfen stampf gegen bie 
Unternehmer erheben. beibeS ift faum mit einanber oereinbar, 
aud; ben beften Willen ber Ar beiter fefretär e oorauSgefefct, unb noch 
weniger ift 311 erwarten, baß ber ©egner beS Arbeiters, an ben 
fie fich etwa 3 ur gütigen Erlebigung oer Sadße wenben, bie be« 
hörbe, beren bermittelung fie anrufen, ihre ^hütigfeit als eine 1111 = 
befangene unb unparteiifche betrachtet. 

$od) fchlimmer wäre es natürlich, wenn bie Arbeiterfefrctäre 
über bie SRatbertbeilung an bcchtsfuchenbe htnauSgingen unb bie 
©ewerbegerichtSbeifißer über baS 3 U fäHenbe Urtheil 3 U untertoeifen 
unb an 3 umeifen fuchten. 5)aß biefe ©efahr nicht aHsufern liegt, 
fann faum geleugnet werben. 2 Rau benfe nur an bie SRecht^ 
ftreitigfeiten, bie häufig bem Ausbruch oon Streifs oorauSgehen 
ober folgen, oon benen bie bertreter ber Arbeiter faft itets unter¬ 
richtet finb, ehe bie Silage angefteHt ift, bei benen alfo eine Ein- 
wirfung auf bie beifijjer feljr wohl möglich ift. ^aß burch einen 
berartigen llebcrgriff, wenn er nachweisbar ober auch nuo Qearg- 
mohitt wirb, baS bertrauen 3 U ber $Red)ifpreihung ber ©eroerbe- 
geriete aufs Schwerste gefchäbigt wirb, ift flar; aber auch ab* 
gefeheit baoon, auch ^ei ber bcfchränfung beS SefretariatS auf bie 
zRatljSertheilung an bie Parteien werben ihm hoch 3 wei S)inge ^u- 
gemnthet, wel^e gait 3 oerfchiebenartig fmb: ^ie giihrung oon 
©efdjäften, bie auSfdjließlid) im gntereffe ber Arbeiter liegen, uuf 
bie gührung oon ©efdjäftcn, bie ebenfo im Sntereffc beS Arbeitern 
wie beS Arbeitgebers unb beS Staates felbft gelegen finb, nämlich 
bie unparteiifche AuSfunftSertheilung über 5Red)tSfragen. 

Xiefe Arbeit müßte, gerabe weil ßc nicht im gntereffc einer 
klaffe, fonbern aller klaffen liegt, oon einem Drgatt geüb: 
werben, baS außerhalb beS ^laffenfampfeS fteht. Xe ©croerbe 
geriete fomnten babei weniger in betracht. Es fann fehr mißlut 
fein, wenn fie auf bie Anfrage einer Partei AuSfunft ertbciler, 
biefe AnSfunft bann einer anjuftelleiiben Älagc ober gar einer er¬ 
hobenen Einrebe 311 ©runbe gelegt wirb unb bie Entfdjeibung banr 
anberS als bie gegebene AuSfunft ausfällt, weil fid) bei ber 'bei- 
banbliutg herausftellt, baß bie 5l)atfachen ga »3 anberS liegen, aMs 
ber Aiifragcnbe angegeben batte, beffer wäre eS fd)Oii, rren; 
wenigftenS bie größeren Stäbte befonbere Crgaite hiermit lu- 
! trauten, AuSfunftSftcllen, bie mit ber bechtfprechung feil * 



93 


BaS ©ctuetbegcridji. SJtitthetlungen beS BerbanbeS beutfdjer Eewerbegeridjte. 9h. 8. 


94 


nichts gu thun ^abcn unb bic durch ihre 3 ufatmnenfeputtg, burd) 
bie SteEung bcr Beamten u. f. m. über ben SSerbadjt ber Partei* 
lidjfett ergaben fittb. 3n einigen Stabten, 3 . 93. in SBaing, §ai 
man hiermit bie ArbeitSoenmttelungSfteEe betraut, unb biefer Bkg 
fann, bei paffender Auswahl ber Beamten, ein durchaus richtiger 
fein. 3Biirben berartige unparteiif^e Stellen in größerer 3af>l 
entfielen, fo mürbe bie Sfjätigfcit ber Arbeiterfefretariate nicht be* 
fdjränft, fonbern erleichtert, unb bie Schwierigfeiten, bie jefet mit* 
unter entfielen, menn ein Arbeiter, geftüfct auf ben Bath des Ar- 
beiterfefretär^, eine Mage ergebt unb bann ben Berluft beS 
BrogeffeS ber 93efepung beS ©eridjtS, bem mangelnben Berftäitbrnfj 
für bie Söebürfniffe des Arbeiters u. f. ro. gufchreibt, mürben oer- 
mieben. 


Uerfftflutig traÄ Bnfafjmt. 

Erweiterung ber Bnjtäitbigleit ber Eewerbegeridjde. lieber bie 
inSbefonbere für Heinere Eemerbegeric^te fo unbebingt 
not^menbige Ausdehnung ber Kompeteng auf faufmctnmfdhe unb 
Bienftboten * Streitigfeiten fagt ber Bericht beS ©eroerbegeridhtS 
©olingen feljr gutreffenb: 

Leiter finb im Berichtsjahre bem ®emerbegerid)t häufiger 
Sdjmierigfeiten bezüglich ber 3uftänbigfeit beffelben aus ber gfrage 
entftanben, ob bie betreffende Partei gur Kategorie ber gewerblichen 
Arbeiter gehörte, ober als unter ben Begriff ber Eefinbeorbnung 
faHenb gu betrauten, ober ob fie als §>anb!ungS- ober Eemerbe- 
gel)ülfe angufehen mar. Um fol<he Hompetengfonflifte für bie 
§ufunft gu oermeiben, foE an biefer SteEc nicht unterlaffen 
werben, barauf ^ingumeifen, mie fowoljl aus biefem Erunbe als 
aud) aus ber Erwägung, bafj bie fdpteüe Suftig, meld)e bie <Be* 
merbegeridjte üben, für bie Beteiligten oon nicht gu unter* 
fcfyä&ehbem Böertlje ift; eine Erweiterung ber Suftänbigfeit ber 
Eemerbegerichte bringenb geboten erfd)eint. So ift baS am 
1 . 3uli 1898 in Defterrcidf) in Kraft getretene Eeroerbegericf)ts* 
gefefe ooin 27. Booetnbcr 1896, meines, mie itt ben SJtotioen her* 
oorgeboben mirb, baS beutfehe Eefep gunt SSorbilb genommen unb 
unfere Erfahrungen fidf) gu Bupe gemalt hot, auch guftänbig „für 
aEe bei £>anbelsgeroerben gu faufmeinnifchen SMenften oermenbete 
^erfonen". gfiir biefe Streitig feiten ift eoentueE eine befonbere 
Abtheilung gu bilben, bereu Söahl aud) getrennt gu erfolgen h®t. 

$£)ie §anbelsfammer für ben Kreis Solingen hot fürglich baS 
Bebürfmfg für Errichtung eines befonberen faufmännifchen SchtebS* 
gerichts für ben h^ftQ^n ^anbelsfammerbegirf abgelehnt. 33ie 
nöthig eS aber ift, ben ^anbelSanaeftellten ebenfo mie ben (Be* 
roerbegehülfen bei ben häufigen ßohnftreitigfeiten burd) eine biEigere 
unb fdjneEere Sftechtfpredfjitng gu ihrem Sterte gu oerhelfen, als es 
burch bie jefcige Snanfprudjnahme ber orbentlichen Berichte er¬ 
möglicht merben fann, beroeifen bie häufigen Klagen berfelben 
(namentlich ber oielen 93erfäuferinnen) beim hefigen Eemerbegericht, 
bie auf bie Unguftänbigfeit beS ©emerbegeridjts aufmerffam ge¬ 
macht, in ben meiften gäflen auf eine (Mtenbmachung ihrer An¬ 
sprüche oergühten mit Bücf ficht auf bie ihnen erroachfenen erheblichen 
Höften unb barauf, bafc fie noch 2£od)en, ja oft Btonate märten 
müßten, bis ihnen ihre oft roiberrechtlicf) einbehaltenen ©ehaltsbe* 
güge gugefprochen mürben. 

2>ie gleiche Erfahrung machte bas Eemerbegeridfjt bei ben 
oielen SMenftboten, welche fid) um Sdhuh in Sohnftreitigfeiten an 
baffelbe manbten. 


§. 115, 117 ber Eemerbeorbnng SofjnetnbaUung jur 
$)ecfitng eines bem Arbeiter gum ©elbftfoftenpreis über- 
laffenen gahrrabs. Bedjt be§ Arbeiters gur Büdforberung 
biefer Abgüge trop feiner Einwilligung gu benfelben. be¬ 
griff einer „Einrichtung gur Bcrbefferung ber Sage des 
Arbeiters" im Sinne beS §. 117 ber Eemcrbcorbnung. 

(Uribeil beS EewerbegeridjtS SBagbeburg, beftätigt burch Urthcil 
beS SanbgerichtS bortfelbft; etngefanbt 00 m SJorfipenben beS Eemerbe- 
gerichts SRagbeburg SSalther.) 

1. Urthcil beS 65eroerbegcrichtS 5ütagbeburg oom 19. ^e- 
gernber 1898. 

3n Sachen beS Schleifers S. 8. wirb bie bcflagte girma 
H. & Eie. oernrt eilt, au ben Hläger 2s» Jl nebft 0 % ^infeu oont 
17. ^egember 1898 ab gu galilen unb bie Höften git tragen. 


Erünbe: ^ie 93eflagte hat bem Hläger, ber bei ihr als Sdjlctfer 
oon Enbe gebruar 1897 bis 30. September 1898 in Sohnbefchafttgung 
geftanben hat/ ^fingften 1897 unb SKitte guui 1898 gmei gahrräber 
auf Hrebit übergeben unb gur Berichtigung beS oercinbarten ^Bretfeö 
bem Hläger mit feiner 3afrtmmung in ber 3^it oon ^5fiiigftcn 1897 bis 
Enbe gebruar 1898 unb 3J?Ute guni 1898 bis Enbe September beffelben 
3al)reS bei ben Sohngahlungcu 55bgitge oon bem Sohne oon inSgefammt 
285 M. gemacht, ^er Hläger beanfpru«ht nimmehr bie nachträgliche 
3ahlung be§ abgegogenen Betrages unb hat beantragt, bic Beflagte 
foftenpflidhtig gu oerurtheilen, an il)n 285 M. nebft 5°/ 0 Stufen baoon 
feit HlagegufteEutig gu gahlen. Qu Beflagte hat auf Slbmeifung an¬ 
getragen. ier flägerifche 9lnfprud6 ift begrünbet. 9tach §.115 &bfaj)2 
ber Eeroerbeorbming ift es bem Arbeitgeber oerboten, bem Arbeiter 
SBaaren, alfo bewegliche Sachen aüer Art, auf Hrebit, b. i. unter 
Stunbung ber Begahlung beS HaufpreifeS gu oerfaufen, gu oerntiethen 
ober fonft gegen Entgelt abgugeben. tiefes Borgoerbot ift eine 
Honfegueng beS im Abfap 1 beS §. 115 auSgefprochenen BerbotS bcr 
Begattung mit Surrogaten. Bach §. 116 fönnen bal)er bie Arbeiter, 
benen für eine oerbotSwibrig trebitirte SSaarenfchulb, menn auch mit 
ihrer Snftimmung, bei ber Sohngahlung Abgüge gemacht worben finb, 
biefe nadjträglid) noch forbern, ohne baft ihnen eine 3ahlungS-, ober 
eine BereidjcrungS-, ober eine HompenfationS-, ober eine fonftige Ein* 
rebe entgegen gehalten werben fann. 

2. Urtheil beS SanbgerichtS SKagbeburg, Eioüfammer J, oom 
20. gebruar 1899: 

$>ie Berufung ber Bcflagten gegen bas Urthcil bes Eewerbegerichts 
in 3Wagbcburg, Hammer II, oom 19. £egember 1898 wirb gurüefgemtefen 

^hatbeftanb: S)te Beflagte hat bem Hläger, ber in ihrer gahr- 
rabfabrit oon Enbe gebruar 1897 btS 30. September 1898 als Schleifer 
gegen 2ol)n befdjäftigt gewefen ift, Bfingften 1897 unb Btittc Suni 1898 
je ein gahrrab auf Hrebit übergeben unb gur Berichtigung bes oerein- 
barten HaufpreifeS bem Hläger mit feiner Sufttmmung in bcr $c\t oon 
Bfingften 1897 bis Enbe gebruar 1898 unb oott HJlitte guni bis Enbe 
September 1898 bei ben wöchentlichen Öobngablmtgen Abgüge oon je 
5 inSgefammt oon 285 gemacht. 2:er Hläger beanfprud)t mit 
feiner vHlage bie nachträglidje AuSgal)Iung biefeS SohncS unb hat bc= 
antragt, bie Beflagte gur Saljlang uon 285 M . nebft 5% 3tnfen feit 
bem 2age ber Hlagegufteflung gu oernrthcilen. 

®aS Eewerbegerid)t in SBagbeburg hat bie Beflagte bem Klage¬ 
anträge gemäfe oerurtheilt unb gwar mit bcr Begrünbung, bafe bie 
3 wifdjen ber Betlagten unb bem Kläger gefdjlüffencn Kaufoerträge auf 
Hrebit gegen §. 115 ber Eewerbeorbnung oerftiefjen unb bem Kläger 
nach §. 116 am angeführten Orte ein burch feine Einrebe entfräftbareS 
Be<ht auf Bachgablung ber gurücfbehaltenen Sobnbeträge guftehe. Olegen 
biefeS Urtheil hat bie Beflagte frift- unb formgerecht Berufung eingelegt. 
Sie beantragt, unter Aufhebung bes angefochtenen Urteils bie Klage 
foftenpflichtig abguweifen, unb rechtfertigt bie eingelegte Berufung 
wie folgt: 

$a$ Bcrbalten bes Klägers fpredje ben elemcntarften AnftanbS- 
begriffen C>ohn, benn nur auf fein uuausgefcfctes Eräugen habe er oon 
ihr baS erfte gahrrab oerfauft erhalten, baS il)m überbies gum Selbft- 
foftenpreife überlaffen worben fei, unb er felbft habe gebeten, ihm oom 
Sohne wöchentlich 5 Jl abgugiehen unb auf ben Kaufpreis gu oerrcchnen. 
5)er Kläger habe baS ihm Sßfingften 1897 oerfaufte gahrrab fdbann mit 
10 bis 20 M. Bortheil oerfauft unb habe bann auf fein erneutes Bitten 
ein gweiteS Bab oon ihr, ber Bcflagten, unb gwar wteber gum Selbft- 
fofteitpreife gefauft unb nicht ooEftänbig begaljlt. Es fei alfo gerabegu 
dnfanös, wenn er jept, nachbcm er aus bem ArbeitSoerhältniffe oon ihr 
auSgefchieben fei, Bachgahlung beS gurücfbehaltenen Sohnes forbere. 
Einen derartigen gaü habe ber Eefepgeber ber Eemerbeorbnung ficher 
nicht im Auge gehabt, als er bie §§. 116 unb folgende gefebaffen habe. 
$iefc Bfeiuung theile auch nach einer elngcholtett AuSfnnft bcr Eewcrbe- 
infpeftor Beumann in 9Bagbeburg. Ob aber bie Anficht bes Eewerbe- 
injpeftorS richtig fei ober nicht, ber flägerifdje Anfpruch fei jebenfaEs 
deshalb unbegründet, weil ber Kläger, nachdem er bereits aus bem 
ArbeitSoerhältniffe bei ihr auSgefchieben gewefen fei, fich gu ben beiben 
oon ihm mit ihr gefd)loffenen Berträgen befannt unb auSbrüdlidfj Bach* 
gahlung ber reftltdjen KaufpreiSforberung oerfprothen habe, gu dem 
Anerfenntnib ber Berträge unb bem mit ihm oerbunbenen 3ahlungS- 
oerfpredjcn liege ein Bergicht auf Bachforberung bcr während bcS 
ArbeitSocrhälhtiffcS eingehaltenen 2of)ubeträge. ^ie Bcflagte hat fo- 
bann noch oorgebracht, baß bic Ucbcrlaffung oon gahrräbern au ihre 
Arbeiter gunt Selbftfoftenpretfe als eine SSohlfahrtSetnridjtung im Sinne 
ber Eewerbcorbmtng angufchcn unb bafj deshalb bie Anrechnung auf 
ben Sohn ftattl)aft fei. 

£er Kläger beantragt, bie Berufung foftenpflidjtig gitrüdguweifcn. 
Er beftreitet baS oon ber Bcflagten behauptete Ancrfenntniß unb wieber- 
1 holt feine Ausführungen erfter Jnftang, baß bic abgcfdjloffcuen Berträge 



Jas ©croerbegeridfjt. 3Rittbcilungen beS VerbanbcS bcutfdfjer ©eroerbcgerichte. 3tr. 8. 


96 


95 


gegen §. 115 ber ©eroerbeorbnung oerftiepen unb ihm itad^ §• 116 ba* 
felbft ein Siecht auf SJtadj^aplung beS 3 urüdgehaltenen ScpiteS 3 uftepe. 

EntfdheibungSgriinbe: Jie Veträge, burdj roelcpe bie Veflagtc 
bem Kläger bie beiben gaprräber unter Stunbung ber Seja^Iung beS 
KaufpreifeS, alfo auf Krebit abgegeben, unb in golge bereu fie jur 
Tilgung beS Kaufpreises bei bett wöchentlichen Öofjnjablungen bem 
Kläger Sopnbeträge non minbeftenS 285 Jt. abgewogen hat, fittb nach 
§.115 Abfap 2 ber ©eroerbeorbnung in ber Jl)at oerboten, unb nach 
§. 117 Abfap 1 bafelbft nichtig, unb bem Kläger, ber bie 9 ?ach 3 ablung 
ber einbebaltenen betrage forbert, fann nach §. 116 ber ©eroerbeorbnung 
nicht einmal eine Einrebe aus ben an 3ahfangSftatt ©egebenen ent* 
gegengefept roerben. Jaran fann auch nichts änbern, bap bie An* 
rec^nung bes KaufpreifeS auf ben 2oIjn beS Klägers mit beffen 3 U * 
ftimmung erfolgt fein mag, ba bie ermähnten Veftimmungen ber 
©emerbcorbnung abfoluter Statur ftnb unb nicht burch ^arteiroiUlür 
abgeänbert roerben lönnen. Aud) ift nicht anjuerfennen, bap bie frag* 
lieben Öobnabjiige, roie bie Veftagte auSjufübren fudfjt, ber Ausnahme* 
oorfeprift beS §. 117 Abfap 2 ber ©eroerbeorbnung ju unterftellen feien, 
roeil fid) bie Ueberlaffung ber gaprräber an ihre Arbeiter jum Selbft* 
foftenpreife als eine Einrichtung barfteHe jur Verbefferung ber Sage 
biefer Arbeiter, unb roeil beSpalb bie Verroenbuttg bes ArbeitSoerbienfteS 
jur Vetpeiligung an biefer (Einrichtung ftattbaft fei. 3 um e ^ ner 

SBoblfahrtSeinricptung gehört eS namentlich, baß fte einem größeren 
Greife non ^erfonen 31 t ©ute fommt. Jas aber Iäpt ficb oon ber 
Ueberlaffung eines gaprrabeS au biefen ober jenen gewerblichen Arbeiter 
niept fagen, unb ben Ausführungen beS VorberridfjterS roar baper, fo* 
roeit fie bie Verurtpeilung ber Vellagten auf bie Veftimmungen ber 
©eroerbeorbnung ftii^en, beijutreten. 

Jie Veftagte bat nun aber in jroeiter 3 nftan 3 noch oorgebraept, 
bap ber Kläger nach Auflöfung feines ArbcitSoerpältniffeS mit ihr ficb 
ju ben ftreitigeu Verträgen befannt unb 3 a hfang beS SfeftlaufgelbeS 
oerfprodfjen pabe. ® uc b baS ift jeboeb für bie fß^epentfepeibung 
gleichgültig. Aus §. 2 beS©efepeS oont 21. 3uni 1869 in Verbittbung 
mit §. 116 ber ©eroerbeorbnung ergiebt ficb nämlich bie 9?idjtigfeit 
auch biefer nachträglichen Abmachungen, benn einmal fann nicht angc* 
nontmen roerben, bap ber Kläger neben feiner aus §. 118 ber ©eroerbe* 
orbnung ftch ergebenben Verpflichtung ben fßreiS für bie erhaltenen 
gabrräber an bie im §. 116 ber ©eroerbeorbnung bejeidbnete Haffe ju 
jaljlen, auch noch eine Verpflichtung pabe übernebmeu wollen, biefen 
felbeit $reiS auch an bie Vertagte 31 t entrichten, unb ^roeitenS rnup 
auch in ber urfprünglichen Velaffung ber non ber Vellagten gemachten 
Sobnabjüge in ber $anb berfelben 3meds Tilgung beS gabrrabpreifeS 
eine, roemt auch nach §• 2 beS ©efepeS nom 21. guni 1869 unjuläfftge 
Verfügung über biefe Sopnforberung gefunben roerben, bie ber Sohn* 
forberung im Sinne beS §. 1 beS ©efepeS nottt 21. guni 1869 gleich* 
ftept, fo bap auch bie nachträgliche Verfügung über biefe Sopnforberung 
nach §§. 1 unb 2 cit. rechtliche SBirfung nicht haben fann. Von einem 
recbtSroirffamcn Verzicht beS Klägers auf feine £opnanfprüd)e aber ift 
fchon bespalb nicht 3 U reben, roeil biefer als einfeitigcS 9lechtSgefchäft 
bcS Klägers nach §. 134 Jitcl 5 Jpeil 1 beS Allgemeinen SanbrcchtS 
fdjriftlid) unb nach §• 381 Jpeil I Jitet 16 bafelbft auSbrücftich patte 
erfolgen müffen, roaS VeibeS nicht behauptet ift. 

Jie Verufung ber Vertagten roar besbalb, roie gef «heben, juritc!* 
juroeifen. 

Anmerlung ber 3tebaltiou: Jie obigen Urtbcile fittb nicht nur 
praUifch non 28id)tigfeit — für bie Vertagte fämen eoentueH 9fach* 
jabtuugen bis 311 80 000 Jt. in Vetracfjt —, fonbertt fie fittb auch iu* 
rtftifch oon böchftem gntcreffe. ^öffentlich fniipft ftch a,t f lc XiS* 
fuffion an, 31 t bereit Einleitung mir nur einen > 5 rxietfcl anregen möchten: 
5:ie ©eroerbetreibenben finb oerpflichtet, bie Söhne .... in Vaar aus* 
3 U 3 at)len. Sie Veflagte roirb in obigem gaH ucrurtbeilt, roeil fie bieS 
nicht getfjatt hat. 33äre ber §. 115 ber ©eroerbeorbnung auch oertept 
roorbett, roenn fie ihren Arbeitern bett Sohn in Vaar ausbe 3 ablt, fte 
aber ^uglcidj oeranlafjt hätte, an jebent 3 a b^ a 9 na( b Empfang beS 
Sohnes att einer anbern Haffe bie Abfcblags 3 af)lung auf bas gelieferte 
9iab 311 iitadteu? 5öas toäre 9lechlettS, roetm ber Arbeitgeber bem betr. 
Arbeiter nicht etroa ben Kaufpreis beS AabeS frcbitirt, fonbertt ihm 
beim Verfauf ein Darlehen in .^öhe beS 5iaufpreifeS gegeben hätte, baS 
ber Käufer jur Tilgung beS Haufpreifcs 31 t oerroettben uttb ratenroeife 
3 uriicf 3 U 3 ahlen hätte? 

littfelbftftänbiger Arbeiter ober Unternehmer? (Urtheil 
bes OU'iuerbegcrichtS 31 t granffurt a. Vc. unb bes bortigen Königlichen 
Sanbgericbts.) 

Sic Kläger haben bei ber beflagten girttta mit einem Scheich ge¬ 
arbeitet, um ben an einem Sdfjleufenbau in ber 9iäfje 001 t 0., ber oon 
ber Vcflagten übernommen roar, gebaggerten HieS fort^itfchaffcn. Sie 
bezogen ls Ji. für ben gatt 3 cn lag, toouon fie fid; jeber 5 Ul. Sohn 
ben Jag unb ber Kläger S. Sdj., ber Eigentümer bes SdjeldjS ift, 
s Ut für Reparatur* unb ltnterbaltuugsfoftcn bes Sd;cld;S red;nen. Sie 


oerlangen ©ntfdjäbigung toegen Entlaffung ohne Künbigung. ^ic 
flagte hat bie Einrebe roegen llit^uftäubigfeit bes ©eroerbegericf)t£ er¬ 
hoben, inbem fte geltenb gemadjt hat, bie Kläger feien felbftftänbige 
Unternehmer. 

AIS unftreitig ift 3 toifcben ben Parteien golgettbes feftgeftellt: Qex 
Kläger S. Sch- ift Eigentümer eines Scheichs, toelcher neu 12 bis 
1500 Ut. foftet unb ben er für ben $reis oon 500 Ui. im gebrauchten 
3 uftanbe erroorben hat. 9Rit biefent Scheid) fucht ber Kläger S. 3dj. 
unter 3 w httfcnahme feines VruberS, beS Klägers 9W. Sch-, feinen (Sr* 
roerb. Unter Anberem fchöpjen bie beiben Kläger, roenn fi<h ©elegen* 
heit ba 3 u bietet, Vlainfanb an oerfchiebenen Orten beS gluffeS, ben fte 
nach JranSport au geeigneten Steden oerfaufen. 3m oorliegenben 
gaHe fmb bie beiben Kläger angenommen roorbett, um bett bei ben 
Scpleiifenbauten ber Vellagten gewonnenen Kies fort 3 ufchaffen. Sie 
haben täglich brei unb mehr guhren gemacht, je nachbem bie AbtabungS* 
fteHe oon ber VaggerfteHe entfernt roar. 2)er Ort, roohin ber HieS ge¬ 
fahren roerben muffte, roar ein oerfchiebener unb rourbe feioeils oott ber 
Vellagten br 3 to. ihren AngefteHten beftimmt. Jh^ilroeife rourbe ber Kies 
3 u einem Sdjleufenbau an anberer Stelle, theilroeife 3 U einem S)ammbau 
an britter Stelle oerroenbet. 2)ie ArbeitSseit für bie Kläger roar oon 
6 bis 7 Uhr. $)ie 3 a h Iuit 9 beS oereinbarten VetrageS erfolgte alle 
14 Jage. 3ar Kranfenoerfid;erung unb 3noalibitätS* unb AlterSoer* 
ftcherung roaren bie Kläger feitenS ber Vellagten nicht angemelbet. 
3ebodj hatten fte ihre gaoalibenlarten im Vureau ber Vellagten ab¬ 
geben müffen. 

Jas ©eroerbegericht hat ftch für 3 uftänbig erllärt aus folgenben 
©rünben: 

Jer Vegriff beS Arbeitnehmers ift in ber ©eroerbeorbnung nicht 
befmirt. Jiefer Vegriff roirb beShalb für ben Stabmen biefeS ©efepes 
aus allgemeinen ©efichtSpunlten hrrgeleitet roerben müffen. jabei roirb 
man fagen lönnen, bap „Arbeitnehmer berjenige ift, roeldhcr feine Arbeits¬ 
kraft einem Anberen (Unternehmer) gegen eine im Voraus ohne 9tiicf= 
ftchtnahme auf bie weiteren Scbicffale beS ArbeitSprobulteS feftgefepte Ver* 
gütung (Arbeitslohn) überläfct, toährenb ber Unternehmer über bas 
ArbeitSprobult oerfügt unb ben über bie ^robuftioitSloften gegebenen 
SBerth als Unternehmer be 3 iebt." (Vgl. Schönberg, VoItSroirtbfdtaftS- 
lehre, 3. Aufl. Vb. I S. 61.) Jer Arbeitnehmer befinbet fid) fomtt, toas 
feine ArbeitSleiftungen anbetrifft, in Abhäitgigleit gegenüber bem Arbeit* 
geber. 3 m oorliegenben galle haben nun uttsroeifelhaft bte beiben 
Kläger ihre Arbeitskraft ber Vellagten 00 H 3 ur Verfügung geftettt, in* 
bem fte in einer beftimmten Arbettöjeit oon VtorgenS früh bis Abettbs 
3 ur JiSpofttion ber Vellagten fein muffen. 3hre Arbeiten hatten fie 
genau nach Angabe ber AngefteHten ber Vellagten auS 3 uführeu, anbere 
Arbeiten als bie ihnen oon ber Vellagten übertragenen burften fte gleich 1 
3 eitig nicht übernehmen. Sie be 3 ogen bafür nicht mehr als einen, toetttt 
auch h°5 cn Jagelohn, ber ihnen roie üblid) alle 3 toei SBodjeit auSge 3 ahlt 
rourbe. Jcmnach tonnte ein Vebenten au ftch nicht bagegen beftehett, 
bah bie Kläger ber Vellagten gegenüber als Arbeitnehmer baftatiben. 
Jas Vebenten ergiebt ftch er fh menn in Ertoäguttg ge 3 ogen roirb, bag 
neben bem Jagelohn oon 5 M. bem Kläger 2. Sch- auch nod) ber Ve* 
trag oon 8 Ut. ben Jag für Venupung bes SdjelchS 3 uftel, fo bap fid) 
baS Verhältnis eoentueH fo beulen lief 3 , ber Kläger 2. S«h* fei felbft* 
ftänbiger Unternehmer geroefett, uttb ber Kläger 3)1. Sch- habe in feinem 
unb nicht ber Vellagten Jienft geftanben. JiefeS Vebenten errocift ftch 
jeboch als hinfällig. Jettn es ift eine Erlernung, bie öfter oortommt, 
bap ber Arbeitnehmer bem Arbeitgeber auper feiner Arbeitskraft neben* 
bei SBcrtseug 3 ur Verfügung ftcllt uttb bafür eine befonbere (Entfcfjäbi* 
gung erhält. JieS lomntt 3 . V. oor bet ben Vilbpauern, bie roerthoollc 
2 Sert 3 euge mit 3 ur Verfügung halten müffen, in ber Schreineret uttb 
ben optifdjen gabrilen. ES geljt biefer ©ebraudj hinunter bis 3 ur ©e* 
fteüung oon Schippe bei Jagelöhnern unb beS SpeiS 3 uberS bei bett 
Vtaurern. SSirb in folcpent gaHe ber beftimmte 93od)enlohu gc^a^It, fo 
tritt bie eoenlueHe Entfchäbigung 4 für ©efteHuitg bes 23erl3eugs ohne 
SBeitereS in Erfcheinung. AnberS ift es beim Altorboertrag, bei bem 
oielfach bann fchon 3 meifel fein löttnen, ob es jich nicht um ein über¬ 
nommenes SBcrl hanbelt. ©ierbei ift ber Vctrag, ber 3 ittreffenbeti gallv 
für gepelltes SBerfyeug 3 U rechnen ift, nach Sdpäpung 3 U greifen. So 
liegt es oorliegenb. Jer Kläger 2. Sch- redjnet ftch ben Vetrag oon 
8 Jt. für bie ©eftcllmtg bes Sd)clch. Ertoägt man hierbei, bap 5lepa* 
raturloftcn unb Vei^infung beS genannten KaufpreifeS nebft Abnupung 
in 9iechnimg gefteflt roerben müffen uttb ber Scheid) nicht bas oollc 3ahr 
über benupt roerbett latttt, fo ift ber Vetrag nidjt 311 hoch, als bap man 
in ihm bereits einen lliitemehmergciuiun fitibctt müpte. Jie Ver 3 iniuug 
eines beftimmten Kapitals enthält einen llniernebmergeroinit att fiep nodi 
nicht. Vielmehr läpt pd) biefer Vetrag, unter 3»grunbelegung ber oben 
angeführten Momente lebiglid) als Entgelt für ©efteHuitg bes Scheidts 
betradjtcn. 3ft biefes aber ber gall, fo fällt baS Vebenfen, roelches 
gegen bie Arbeitereigenfchaft ber Kläger erhoben roerben lattn, fort, ba 



OS 


S)a3 ©ewerbegeritfjt. SDMtheilungen be$ VerbanbeS beutf^ er ©eroerbegert dfrte. 9fr. 


fic bann mir iuic jcber aubcrc Arbeiter 31 t einem bcftiuunteu Tagelobu 
in Ticnfien bei Veflagten geftanbeu haben. 

Tyiir bie Arbcitercigeufdjnit bei Kläger fpridjt jubeln Die Gablung 
bev Lohnes alle 14 läge unb bie Annahme bei Totualibcnfartc. ^eptere ift 
>unädj[t um im Vefip non Arbeitnehmern unb wirb gcwohnljettvinähig 
beim Eingang eines Arbeitsoerbältmffes uom Arbeitgeber cingcforbrrt. 

Tan bie Kläger, wenn fic nidjt in einem feften Arbeitsuerhältuih 
[tauben, beit 3dioid) unb ihre Arbcüsfraft anbenueitig oermertbeten unb 
[elbititänbig «ics fdjöpften, fnnn ihre Arbcitcrcigeufdjnft im einjelueu 
A-alle nicht berühren. Tie -2a di läge mürbe fi di fclbft bann nodi nidit 
änberu, menn bei «läger 9K. Sri). oon bem «Inger s 2. Sdj. in Arbeit 
angenommen wäre, ba es häufig oorfommt, bafj ein Vorarbeiter, 
Variier o. bgl. Arbeiter felbftfiäubig einfieüeu barf. 

Tiefes Urtbeil ift in bei Vcrufungsiii[tan 3 betätigt worben unter 
folgeitben Grwägungeit: 

Tie ^viage, ob eine V^fon als Arbeiter ober fclbftftänbiger Unter* 
nebnter nujuicheu ift, ift am? allgemeinen ©efidjtspunftcn 31 t cntfdieibeu, 
unb ift hierbei ba* gauje Verbältnif? 311 bem Arbeitgeber, wie bie Art 
bei Arbeit unb eublicb and) bie gärige [o^iale Stellung ber betreffenben 
Verton in Votrndjt 31 t sieben. ©as junäefift bas Abljäugigfeitsucrljält* 
liifj angebt, in wcldieiit bie «läger 311 ber Veflagten geftanben haben, 

[o fanu ec- feinem Zweifel unterliegen, bah es berartig ift, luie foldjeS 
regelmäßig swifdien Arbeiter gegenüber ihrem Arbeitgeber besw. Unter* 
uebmer begebt, Tabci fanu cs ba hingefieflt bleiben, ob beibe «läger 
bireft oott bei Veflagten engagirt worben finb, ober ob 3)i. Sdj. nur 
burd) feinen Vrubcr 31 W Arbeit luitgebradjt worben ift. Tettu aisbann 
würbe SW. Sdj. jebenfalls al^ gcwöljnlidjcr Arbeiter ati 3 ufehen, alfo bie 
3uftäubigfeit für ihn begrünbet [ein unb cS bliebe nur bie fept ttidjt 
31 t pritfenbe Trage begeben, ob er materielle Aufpriidjc gegen bcu 9)fit* 
fläger ober gegen bie Veflagte bat. Tic Arbcitsftcllung ber ^cptcreti 
gegenüber war übrigens für Vcibc bie glcidje. 3ic waren oerpflidjtct, 
wie gcmühulidjc Arbeiter mit ihrer ganjeu Arbcitsfraft ber Veflagten 
Sitr Verfügung 311 fteljen unb ohne Viicffidjt auf ihre eigene Vcftimmuug 
ben «ies wegsufabreu, wenn foldjer in geitiigenber Vfengc ansgebaggert 
war. Cb gerabe aitSbriicflich eine feftc Arbeitszeit bebungeu worben ift 
ober nicht, fanu babingeftellt bleiben: auf jeben ah 11 waren es nidjt 
bie «läger, tocldjc ^cit, ^auer unb Art ihrer Arbeit beftimntten, oiel* 
mehr waren fic burdiaits? abhängig oon bcu Verfügungen unb Au* 
weifungen ber Vcflagten. Sic lieferten ferner ber Veflagten für bie 
oereinbarte Vergütung nidjt etwa ein feft beftimmtes Arbeitsprobnft, 
fonberu [teilten lebiglidi für ben Arbeitstag ihre Tienftc ber Veflagten 
jur Verfügung, bie Ve^aljfung erfolgte nidjt cntfprcdjenb bem gelcifteten 
Arbeitserfolg, fonbern uadi feftent Tagesfape in oiei^eljntägigen Seitab* 
frfniittcn, wie es bei Arbeitern üblich ift. ©enn and) feiten# ber Ve* 
flagtcn ein oerbältniginäfiig hoher Öoljn gc 3 afjlt würbe, fo gebt berfelbe 
bemtodj, wenn man bcrürfiidjtigt, bah in bemfelbcn bie Gntjdjäbiguug 
für Vcmiptuig bes Srfjeldjcs einbegriffen ift, nid)t erbeblid) über beit 
Turdjjdjnitt bcS ber Arbeit ctitfpredjeubcn Lohnes hinaus. And) ift bie 
in bentfelbeu enthaltene Vergütung für bie Venupung bes SdicldjeS, 
wie bei elfte dichter sutreffenb auf ©raub ber Sarfjfimbe bes ©ewerbe* 
geridjts ausführt, immerhin in ben ©renjen bemeffeu, baft biefelbc luohl 
ein angciitcffenes Gutgelt barftcllt, nidit aber ilnteruebmergrmiuu ein* 
fdjliefit. 

UebrigenS würbe baS Vorhanbenfeiit eines Unternchmergcmiunes 
für ftd) allein bie Arbeitereigenfchaft ber «läger nidjt uottjwenbig aus* 
fdjlieheit. Tenn aud) fouft fommeu Vcrfjältniffc uor, in beucn ein Ar* 
beiter ( 3 . V. ein parlier, Siegelmcifter) trop Veilchens oon Unternehmer* 
oortheilcn bie Gigenfdjaft eine» Arbeiters nidit uerliert. 3Birb nur bie 
Art ber oott ben «lagern gelcifteten Arbeit geprüft, fo weift aud) fic 
barauf hin, bap bicfelben nicht als felbftftäubige Unternehmer bei ber 
Veflagten gearbeitet haben. Tiefelbctt [teilten nidit etwa burdj ihre 
Tbätigfeit ein V^obuft höherer Art bar, eS Ijanbelte fidj oieltttehr nur 
um gaus gctoöbulidie ^anbarbeit, welche irgettb welche befonbereu 
gähigfeiteu unb «enutuiffc nidjt erforberte. 

Gnblid) ift itt Vctradjt 31 t pichen, bafj bie «läger, wie bie obrig* 
fcitlidjcu Armutbsattcfte, auf ©rutib bereu ben [eiben baS Anneuredit 
bewilligt worben ift, ergeben, ifjrcr gauseit fojialen Stellung itadj 
offenbar ber «laffe ber uufelbftftänbig befdiäftigten Verfouett atigehörett. 
Cäge nur bie eine ober attbere ber hier feftgcftellten Thatfadieu oor, fo 
föunte bie Gutfdjeibung zweifelhaft erfdjeinen. Jn ihrer ©efammlljeit 
begrititbeu fic bie Auffaffuttg bes erfteti Vichters. 

Attmcrfung ber Vcbaftion: 2^ir Ijabcn bie beibett Urtheile 
in ausführlidjeut Aussage wicbcrgegcben, weil bie baritt, inSbefottbere 
oon bem «öniglidjcn ^anbgeridjt, auSgefprodienc Auffaffuttg uns oon 
allgemeiner unb grunbfäplidjer Vebeutuug 31 t fein fdjeiut. 

Vebarrlid)e Verweigerung einer oon einem Arbeiter 
oerlattgteu Ausfauft ift ©rttnb 31 t beffeti fofortigeu Gut* 
laffuug. (Gutfdieibuug bes ('u’werbegeridjts 311 Cffeubad) a. Viain.) 


Ter Veflagte bat ben «läger cutlnffen, weil er bem ©erfmeifter 
eine auf Arbeiten Vesug habenbe Ausfunft nicht ertheilt habe. Tas 
©eridjt gellt baooit aus, baft eS 3 U ben burdj ben ArbeitSoertrag ge* 
hörigen Verpfltdjtungeu (©.C. §. 121) gehöre, bafj ber Arbeiter bem 
Arbeitgeber ober beffen 2tefloertreter bie burch bie Regelung ber Arbeit 
unb Aufredjtcrhaltnng ber Crbttung in ber gabrif erforbcrlidjcn 
AitSfünftc 31 t geben habe unb baf 3 eine beharrüthe Weigerung, bies 31 t 
thuu, als Gntlaffungsgrunb im 2ittne ber ©ewerbeorbuuug §. \'2& 
Vofition an 3 ufel)en fei. Turch bie AnSfagen ber ^eugett 2B. unb V. ift 
nunmehr feftgcftellt, bafj ber ©erfmeifter ©. ben «läger fragte, ob er 
Aiitter für 3d)iihe, mcldjeS fehlerhaft sugefchnitten war, zugefdjnitten 
habe? «läger gab 3 uuä<hft überhaupt feine Antwort unb äußerte auf 
bie micberholte Arage: „Waffen Sie mich in < fHuhe"! Taraufhiu 
tnclbetc ber ©erfmeiftcr bieS bem Arbeitgeber, ber bie Gittlaffung oer* 
anlafstc. ©enn bas ©eridjt auch ber Anftcht ift, baf 3 bie alSbalbige 
Gutlaffuug eine harte Strafe war, uttb bag ber Arbeitgeber wohl burd) 
pcrfönlidics Ginfdireiteu bei einem ©erffiihrer, beffen Autorität nidjt 
grofj fein foll, wofjl bie erforberlid)c AuSfunft erlangt hätte, fo fann 
bodj anbererfeitS nidjt bie Veredjtigmtg atterfattnt werben, bah ein 
Arbeiter berartige 3 U 1 * Auffläruug erforberliche AuSfünfte oerweigent 
barf unb mufjte beshalb uadj obigem ©runbfap auf Abweifuttg erfaunt 
werben. 

3u einer SchabenSflage oon Vauarbeitern ift, wenn fic 
für ben gansett Vau engagirt waren unb ber Soljn int ©attsen 
mehr als 150 ,4t. beträgt, im ©ebiete beS Allgemeinen Öanb* 
rechts Sdjriftform oon Döthen. 

1. llrtheil bes ©ewerbegeridjts Stettin oorn 5. April 189S. 
Vorfipetiber: 9)fagiftratS*Affeffor Öaubüttger. 

Aus ben OU'üttben: «läger waren für bie ganje Tauer beSVaues 
alS Steinträger engagirt unb waren jur 3 e *t ber Gntlaffung bereits 12 
©odjett thätig. Sie tjaben pro Vlantt unb ©odpc inb er erften 3eit in ben 
furzen Tagen toödjentlidj 20 bis 30 M., fpäter über 40 Jt. oerbient, 
©enn nun auch an 3 unefjmen ift, bah ber „erfte SD?anu" V. lebiglidj als 
Veoollmächtigter bes Veflagten gehanbelt hat unb behhalb mit jebetit 
einzelnen ber «läger ein bcfottbcrer Annahmeoertrag gefchloffen ift, fo 
liegt hoch auch in biefem Aalle überall ein Vertrag oor, ber ein IDbjeft oon 
mehr als 150 M. 3 um ©egenftanbe hat; bemi jeber ein 3 elne ber «läger 
folltc nach bem ©illeit ber Vartcieu für bie ganze Vauseit berechtigt 
unb ocrpflidjtet fein. Ter Vertrag beburfte beshalb gentäh §• 131 I. 5 
Aflgemeiuen £anbredjts 311 feiner ©ültigfeit ber Sdjriftform. ©emäfj 
$. 155 ff. 165 ff. 1. 5 Allgemeinen ÖanbredjiS finbet ans bem Vertrage 
beshalb feine SchabenSflage ftatt. 0b «läger biefe Veftimmungen ge* 
fannt haben ober nicht, ift nadj §. 12 ber (Einleitung 3 unt Aflgemeiuen 
Öanbredjt gleichgültig. 

Tie «läge war beSljalb ab 3 uweifen. 

2. Unheil ber Gioilfammer III beS SaitbgerichtS Stettin 0011 t 

3. SRooentber 1898. 

Aus beit ©rütiben: ^ebenfalls wirb bie Abweifung ber «läge 
burch §. 163 I. » beS Aflgemeiuen ÖanbrerfjtS getragen. Tentt eS ift nidjt 
ridjtig, bah bie «läger auf unbeftimmte 3«t 3 U ber Arbeit engagirt 
finb. Ausbrücflich ift in biefer Vcsiehuug bei ihrem Gttgagemcnt nidjts 
oercinbart worben. GS ift baljer an 3 unehmen, bah für bas Gtigagemeitt 
bicjettigen Vebiugungett mahgebenb fein foflten, unter welchen berartige 
Verträge gefchloffen 311 werben pflegen, weldje nach ber Vcrfcfjrsauf* 
faffung als ftiflfdjweigenb oereinbart gelten. 3» biefer Ve 3 iefjung Ijat 
ber Satbsmaurermeiftcr T. als Sadjoerftänbiger begutachtet, bafj bei 
berartigen Verträgen oon ber VcrfcljrSanfchaiutng auSgegaugen wirb, 
bah bie Steinträger nicht für unbeftimmte 3 nt/ fonbern für bcu gatten 
Vau engagirt werben. GS befteljt für bie Steinträger ein beftimmter 
Tarif, itadj welchem bie «eiftuugeit pro Gtage besahlt werben. Tiefe 
«eiftuugeu bauertt baljer folange, als ber Voljbau noch nidjt becubigt 
ift. Alsbattit T)örcit biefe Arbeiten oon felbft auf, ohne bah erft 
einer «iinbigung bebarf. Gtne «üttbigung tüäljrettb biefer 3 c *t ift fa* 
wohl auf Seite bes Arbeitgebers, wie bes Arbeiters ausgefchloffett, weil 
eben baS Arbeitspeufuut in fidj beftimmt ift. Tafj bieS auch bie Auf* 
faffung ber Arbeiter ift, geht aus ben ciblidjeu AnSfagen ber Stein* 
träger VL uttb Vf- h cruor / tocldje befnitbet haben, eS fei bei ihnen 
Sitte, bafj he ben ganzen Vau über bis 311111 Schluffe blieben, oh 
bieS aber ber fyaU, gelten bie Steiuträgcr nidjt als auf unbeftimmte 
3eit engagiert, fonbern für ben gatten Vau, fo fanu cei feinem ^lucifcl 
unterliegen —, ift audj unter bcu Parteien gar nidjt ftreitig - bah bas 
Cbejft 150 Ul. überfteigt; ein berartiger Vertrag bebarf ber Sdjrift* 
form. $11 Grutangclung berfclbett fattn weber auf Grfülluug gellagt, 
nodj eine GutfdjäbigungSforbcrung wegen Aidjterfüflutig gelteub ge* 
madjt werben. (§. 168 l. 5 A.^.V). Tie Auffaffuug ber «läger, bah, 
wenn ber Vertrag mangels Sdjriftform ungültig fei, bie gefeplidje Tolge, 
nämlich bie 14 tägige «iinbigung einsutveten habe, geht fehl. Tenn 
einmal ift ein ber Tdjriftfovm bebürfeubev Vertrag beim Mangel ber 



5)o3 ©eroerbegericßt. SRittljeitungen beS VcrbanbeS beutfeßer (Sewerbegericßte. Sir. 8. 


100 


‘H* 


Scßriftform unuerbinbltcß, ein unocrbinbließer Vertrag aber ergeugt 
fein AecßtSuerßältniß, beffen Veenbtgung abhängig gemacht inerben 
fönnli’, iobotnt aber mürbe bei biefer Auffaffuttg auch bie Attwettb* 
barfeit be§ §. 168 I. 5 beS Allgemeinen ÖanbreeßtS für berartige Ver* 
tragSocrßältniffc gerabejit tlluforifcß fein. 

Steht ben «lagern bennoch eine GntfeßäbiguitgSforberung nicht gu, 
l'o ift bei* «lageattfpnuß hinfällig unb bie Berufung ber Kläger baher 
guriief&uweifen. Diefe AecßtSfolge trifft auch gegenüber bem in 1. £>ii* 
ftanj int Ickten Verßanblungsterntitic tiidjt erfdiicnetteti Kläger S. ein. 
Senn etn ttaeß §. 41, 42 beS Oefe^ejg uorn 29. Juli 1890 ergangenes 
Urtßeil gilt, abgefehen non ben ASirfuttgen beS §. 42 Abfaß 1, nidjt als 
Verfäummßurtßeil (§. 42 Abf. 2 ). GS ift baher gegen eilt folcßes 
Urtheil ebenfalls bie Berufung guläffig. 

beginn beS ArbeitSuertrag«? (Urtheil beS ©ewerbegeridjts 
Hamburg.) 

Sic SRaurergefeffeu G. unb St. waren non bem polier beS Maurer* 
nteifterS St. gum 26. September gut* Arbeit beftellt, unb gtuar 31 t bent 
üblichen Sohne ooit 60 pro Stuiibe refp. 36 JC pro SBodje. SBegett 
SRaterialmangels tourbett fte jeboeß, als fte Borgens bie Arbeit antreten 
mollteit, guitt Mittag beftellt; auch bann mar bas Material noch nießt 
eingetroffen, unb fo füllten fte am 27. September SRorgenS beginnen. 
AIS ttadj grühftüdf an biefent läge enblid) bie Steine attFattten, legte 
ber polier ben beiben ®efellen einen AeuerS gut* Unterfchrift oor, wo* 
nach bie Äünbigung für beibe Steile ausgefchloffen toerbe. Diefett 
Steuers gu uitterfcßreibeit tueigerteit fid) bie beiben SRaurer unb würben 
baruut noch uor beginn ber Arbeit entlaffen. Sie flagten nunmehr 
gegen ben SRaurermeifter St. auf 3aßlung oon je 72 M. für gwei 
Wochen als Scßabenerfaß, ermäßigten jeboch biefe gorbenmg, ba fte 
injtuifcßen attberc Arbeit erhalten hatten, auf je 31,so M. 3n ber 33er* 
hanbluitg betätigten ber VeFIagte unb beffen polier bie oben gefchilberten 
Dßatfacßen, behaupteten aber, bemgemäß gu Stecht bie «läger entlaffen 
gu haben, wogegen ber Vertreter ber Seßteren bie Anficßt uertrat, baß 
bas ArbeitSuerßäliniß bereits am 26. September HBorgenS begonnen 
habe, ba fie guerft gur Arbeit angenommen toorbeit. SBenn ber Veflagte 
am folgenbett Sage mH einer neuen Vebingmtg ßeruortrat, fo hätte er 
jebettfaHS bei beren Atcßtannaßme bureß bie «läget* bie gefeßließe 14 tägige 
StiinbigungSfrift beobachten müffen, ober er hätte bie Sfünbigung fofort 
bei bei* Annahme ber Kläger auSfcßließen müffen. Das ©erießt trat 
biefer Anfteßt beS Vertreters ber «läger nießt bei, wenn es aueß ju* 
geftanb unb in bem Urtßetl auSfpracß, baß ber VeFlagte gweifelloS 
beffer getßan hätte, wenn er bie Kläger feßott bet ber Veftellung gur 
Arbeit ober aueß gleich bei beren Gintreffen auf ber Arbeitsftette ben 
Steuers unterfeßreiben ließ. 3Benn bie Äfläger bann folcße Unterfcßrift 
ueriueigerten, fo hätten fte aueß feinen Anfprudj auf Scßabetterfaß ge* 
habt, benn baS ArbeitSuerßältniß wäre noeß nießt abgefcßloffen gemefen. 
Aber aueß am folgenben Sage, ben 27. September, als bei Vegtnn ber 
eigentlidjen Arbeit, habe ber VeFlagte nodj forreft gcßanbelt, wenn er 
ben Äflägern ben Steuers gur Unterfcßrift uorlegte unb bei beren 2Bei* 
gcrung fie entließ, ba eine für ißn tuefentlicße Vebingung uon ben 
'Arbeitnehmern nießt angenommen worben. Stur für bie SBartejeit unb 
aueß für ben 27. September, ba fte bureß feine Stßulb fteß für biefen 
lag feine Arbeit meßr fudjen fonnten, fei ber VeFlagte ben Klägern 
gum Sd;abenerfaß uerpflicßtet. demgemäß rourbe Grfterer gur Saßlnng 
uon je 8,70 M. an biefe oerurtßeilt. 

Attmerfung ber AebaFtton: Das obenfteßenbe Urtßetl wirb 
uon bem Hamburger Vlatt, bem tuir es entnehmen, heftig angegriffen, 
u. G. mit Unrecßt. ©erabe im Vaugewerbe ift es fogar uielfacß iiblicß, 
baß bie näheren Arbeitsbebingmtgen erft bei Vegtmt ber Arbeit felbft 
mitgetheitt werben. Das Gngagentent beS Arbeiters serfäHt bann 
juriftifdj in ben Voruertrag: baß bie Parteien einen ArbeitSuertrag gu 
nblicßen, in ber £)auptfadjc uieHeicßt fogar bereits befannten Vebtttgungen 
ein gehen wollen, nnb in ben ArbeitSuertrag felbft, ber erft mit 
Vcgiuii ber Arbeit (am anberen borgen, — ttad) Anfunft beS Vau* 
material* — nach Vollenbung ber Arbeiten eines anbereu §anbwerferS —) 
in Mrnft tritt. Der $ 122 ©ewerbeorbmmg begießt fid) aber natürlich 
nur auf ben ArbeitSuertrag felbft, nießt auf jenen Voruertrag. Die 
gleiche Streitfrage bat übrigens and), wie wir bem „Defterreicßifcßen 
Metallarbeiter" entnehmen bem Wiener ©ewerbegerießt Vorgelegen, unb 
ift bort gegeutßcilig,’ gu OUntfteu beS Arbeiters entfdjiebert worben, 
liefe Gutfcheibung warb bann in ber Vlenarfißuug beS „Äicbcröfter* 
reidüfiheu oiewerbeuereins" gu ebenfo bitteren «lagen über bas neue 
(»lewerbegeriditsgeieß benußt, wie wir fte in Deutfdjlanb gu hören ge* 
wohnt fiub. 


JUl0emettte$i über <Benierbegerid)te unb 
ArbeitSuertrag. 

WuS ben Jahresberichten non Cüetoerbegertißien« 

5leu eingegangen ftttb bie Vericßte ber (^ewerbegerießte Gattin 
ftatt, SBraunfcßweig, Goburg, Gffeit, .^eibelberg, ^arl*s- 
ruße, iHel, Vlülßeitn a. b. dl., Nürnberg, Dffeubitrg, 
Solingen, 0cßweinfurt ; Vßürgburg. 

fieiber befeßränfen ftd) bie weiften biefer Vericßte faft gattg auf 
bie notßwenbigften ftatiftifeßen 3 a ^ c ”- Einige barunter felbft bie* 
jettigen fo bebeutenber ©ewerbegeridjte wie Nürnberg, «arlSruße, 
Gffett, Vrauttfd)weig fittb nur oeroielfältigt, nid)t gebrueft, alfo nur 
für gang geringe Verbreitung beftimmt. ilnb bod) geben gerabe bie 
Vericßte ber ©ewerbegeridßte eine fo oorgüglicße Glelegenßeit gur 
SKittßeilüng ber lofalett Grfaßrungen, unb gur Vetonung ber nad) 
ben lofalen Verßältniffen im gewerblichen £ebeu toicßtigen Vor* 
Fommtiiffen unb für baS Verßältniß ber betßeiligten Volfstlaffen 
gu einanber wicßtiaeit Dßatfacßen. VJir möcßteu in biefer £)infid)t 
g. V. auf ben feßr intereffanten Vericßt beS ©ewerbegerießts 
0olingen oerweifett. 

Jm Gingelnett mag nur beuierft werben: 

Gannftatt berießtet über bie Venußung beS DelepßotiS: eine 
Angaßl Satte feien bureß telepßonifcße Vermittelung oor Aufnaßmc 
ber Klagen erlebigt worben. 

Vrannfcßweig melbet eine Venneßrung ber 0treitfätte um 
8 % — oon 590 auf 637. Da fid) ittbeß aus ben im Verist 
enthaltenen 3 a ^^ 1 sugleidt) ergiebt, baß biefe 3aßl faft mu bjr* 
jettigen übereinftimmt, welcße ber erfte Jahresbericht atiSu-eift 
(621), unb baß g. V. 1894 580 gatte (gegen bie 590 uon 1898) 
gu erlebigen waren, fo folgt ßierauS nießt etwa ein befonbercs 
Anwaeßfen ber Streitluft, fonbern lebiglid) eine ber 3nnaßme beS 
VerFeßrS unb ber VeoölFeruna folgenbe Vermehrung ber StreitiaFeiten. 

Äiel ßat eine gang äßnließe Steigerung (oon 422 auf 480), 
bie aber uaeß bem Verießt auf einen gang gufättigen Umfianb 
(52 «lagen gegen 2 Unternehmer!) gurüefgufüßren ift. 

§ et beiberg berießtet oon ber auffattenbett Steigerung ber 
oon Arbeitgebern gegen Arbeiter erhobenen «lagen (33 gegen lo); 
oerfeßtebene Arbeitgeber, bie bisßer wegen ber materiellen Grgebniß* 
loftgFeit oon einer «lagefüßrung gegen oertragSbnicßige Arbeiter 
Umgang genommen ßatteit, hätten nunmeßr wenigftcnS bie SHeeßts* 
wibrigFeit beS gefeßeßenen VertragSbrueßS öffentlich Fonftatiren 
wollen. Von biefen «lagen werben 3 uotn VeFlagtcn anerFannt, 
roäßrenb in 9 gätten gu (fünften ber «läger Urtßeil erging. (Dem 
fteßen gegenüber 223 «lagen oon Arbeitern, oon benen 52 burdi 
Vergießt unb «lagerüefnaßme, 103 bureß Vergleich, 23 bureß Uilßeil 
gu (fünften unb 40 bureß Urtßeil gu Ungunften ber «lägcv er* 
lebigt würben). GS wäre feßr gu wüitfeßen, baß aueß in anberen 
Stäoten bie Arbeitgeber gegebenen gatteS ebenfo oerfiißren; bas 
unentgeltließe unb rafeße Verfahren oor bem ©emerbegerießte ift 
reeßt geeignet, bureß rafeße £>erbeifüßrung eines unter VUtwirFuitg ber 
«laffengenoffen beS ©egnerS ergeßenbett UrtßeilS bem öffentließen 
SieeßtSgefüßl Genugtßuung gu gewähren, aueß wenn ber Sieger 
materiellen Vortßeil oom Dbfieg nießt ßat unb nießt erwartet. 

Solingen fueßt in feinem Verießt ben immenoiebcrFeßrctibcn 
«lagen über bie UnFenntniffe beS befteßeitbeit S^eeßtS bureß eine 
feßr Flare unb leießt oerftänbließe 3ufamutenfaffung ber praftifd» 
wteßtigften 9ted;tSfäße ittSbefonbere über Älünbtgung unb Füubi* 
gungslofe Gittlaffung entgegen gu arbeiten; ein Verfahren, baS 
fießer in ßoßem ©rabe naeßaßmenSwertß ift. Die feßr beaeßtenS* 
wertßen Ausführungen biefes Verießts über bie «ompeteng ber 
©ewerbegerießte folgen ißrer VMcßtigFeit ßalber, an befonberer Stette 
in biefer Kummer (Vergl. Sp. 93). Als GinigungSamt warb bas 
©ewerbegerießt nur in VSürgburg unb gwar oon ben Väefergefctteit 
angerufen; bie 2Reifter leßnten jeboeß bie Verßanbluna ab. lieb?: 
baS Verßältniß beS ©eroerbcgcridjts gur ArbeitSoc,* 
mittelungSftelle berietet ber gleitße Verießt bas golaeube: 
2SaS enblteß bie ftäbtifeße ArbeitSnaeßweiSftette anbetrifft, ift 
ber aus bem Vorfißenben beS ©emerbegeriißts unb einem Dßetl 
ber Veifißer berfelbeit befteßeube Vorftaitb im VerießtSjaßrc nteßt 
in V^irFfautFeit getreten, wie bie ArbeitSnaeßweiSftette überhaupt 
außer gweier Grfueßett ber ginna «rupp in Gffen um Ueberweifuttg 
ooit Seßloffertt 2C. im Jaßre 1898 weber oon Arbeitgebern ttoeß 
oon Arbeitnehmern in Aufprueß genommen würbe. 


„Da« Qeftctbegethßt* etfßeint am elften Donnetftage leben SWonat« im 3Wnbeftumfange bon Vx Vogen gum greife oon 1 SR. jößtliß. — VeßeRungcn 
nehmen iümmtlicße ^oftanftalten (VoftgeitungSnummex 2877) unb Vucßhonblungen an; ein biteftet Vegug oon bet Verlagftbucbhottblung ßnbet nießt ftatt. 


Scrlag oon 2>un<fer A ^umblot, ßeipjlg. — Oebrudt bei Sutiu« ©tttenfctb in öerltn w. 







IV. Solpgang. ©erlitt unb gtamffurt a. SB., ben 1. 3iunt 1899. Stummer 9. 


Jlas (Bfroerbrgeridit. 

Htittheilungcm bes Vetbanbes beutfcfyer < 5 en>erbegerid?te. 

Verantwortlich für bic Stebaftion: bcr ©efdjäftsführer beS Verbautes, ©tabtrath Dr. Iflefdj, JJranffurt a. 9K. 

grf4ri«t mü rttni |»nnt«f |f*f« IPtacf». __ I*|rit4 1 piA 

- rviw » ■■ ■ . 

Setlag boit ©uncfet & jpumblot, Seidig. Äojlenfreie Beilage jut v Sogiaten ^prajciÄ*. 


Inhalt 


©ie Sotjnjaljlung bei borflbet« 
gebenbet AtbeitSbeblnbening 
nach §. 616 bei Bürgerlichen 
©efefcbud)«. Bon ©tabtratb «$. 
öon Qrtanlenberg, Borftbenbem 
bei ©ewerbegerid&tö Braunfcötoeig. 

101 

§. 626 bei Bürgerlichen ©efefc* 
bu<bi unb §§. 123, 124 bet ©e* 


toetbeotbnung.104 

. 106 


Begriff bet „groben Beleibigung* im 
©inne bei §. 123 Abf. 1 3%«' 5 bet 
8fcei<bi*@enjetbeotbnung. (©emerbe* 
geriet Subtotgibafen a. 9%b- unb 
©enterbegericöt einet gröberen ©tabt 
©übbeutfcblanbi.) 

8tbjug bon ^nbalibii&ti« unb Äranfen* 
faffen • Beiträgen. (@etoerbegeridf)t 
©olingen.) 


£at bet Arbeitet AttfptuA auf Au8* 
aablung bei tollen AfforbloljneS, 
autb toenn bei fteftfefcung bet Bet» 
gfltung ein 3rrtf)um unterlaufen iftf 
(@etterbegertd)t ©reiben.) 

Ätann bet SKeifter einem ©efetlen für 
mangelhaft auigeführte Arbeiten 
einen Sofjnabjug machen? (©enterbe* 
getimt Hamburg.) 

£at bet Aftorbarbeiter Anfpnidj auf 
©ntfdjäbigung für bie Seit, toäbrenb 
bet et megen Btatetialmangeli nicht 
arbeiten fann? (©emerbeger idjt ©tei* 
tin.) 

JUlgnsttoe* SUmx 

»nb &rbtitmrtritg.m 

Au8 ben 3abte4beri(htcn bon ©e» 
toerbegerithten. 


SnljaltSangabe bet „©ojialen fßtagä“. 


Abbtucf färnrntlicbet Artifel ift Seitungen unb ßeitfchriften geftattet, feboch nur mit 
fcottev Quellenangabe. 


Bie «oljnjflijiuwg bet oorübergeljettber Arbeite' 
bebinberung nad) §. 616 be$ Bfirgecliibett ®efeb- 
budjs. 

Bon Stabtratb §. ooit granfenberg, Borftjjenbem bei ©ewcrbe* 
geridjtS in Braunfdjwcig. 


3« ben Veftimmungep beS neuen SleichSredjtS, bie für ben 
Arbeiterftanb ein gewiffeS Entgegenfommen enthalten unb bie Sienft* 
berechtigten gu Geifiungen ohne tfjatfächliche ©egenleiftnng oer* 
pflichten, gehört §.616 beS bürgerlichen ©efefcbuchS: 

„Ser gut Sienftleiftung Verpflichtete wirb beS Sin* 
fprud)S auf bie Vergütung nicht baburdj oerluftig, bafe 
er für eine oerhältntfjmä&ig nicht erhebliche 3^it burd) 
einen in feiner Vcrfon Iiegenben ©runb ohne fein Ver* 
fchulben an ber ©ienftleiftung oerhinbert wirb. Er mufj 
firf) jeboch ben betrag anrechnen laffen, welcher ihm für 
bie 3eü ber Verhinberung aus einer auf ©runb gefefc* 
lieber berpflichtung beftehenben Traufen- ober Unfaß* 
oerficherung gufommt." 

Es unterliegt feinem Steifet, bafj biefe borfchrift, bie im 
^egenfafee gu bem geltenben Ved)te fteht, bemnächft gu häufigen 
Erörterungen im praftifchen Geben Anlafj geben wirb. Sie begieht 
fich gang allgemein auf alle Sienfioerträge, mit Ausnahme ber 
Verhältniffe tm öanbel^ftanbe (Slrt. 63 be$ neuen ^anbel^gefeh* 
buch§) unb im ©efinbebienfte (Slrt. 95 Slbf. 2 be$ Einführung^* 
gefepeö gum b. ®.b.). 6ie erfaßt insbefonbere auch ben gern erb* 
liehen Örbeitöoertrag, weil bie borfd)riften bcö bürgerlidjen ©e* 
fepbuch^, welche nicht mit ben fonöergefeplichen formen ber $tei<h3* 
©ewerbeorbnung in Söiberfpruch ftehen, auch für ba£ ©ebiet ber 
lefcteren ©eltung erlangen. 1 ) Slllerbing^ gehört fie nicht gu bem 

! ) Bgl. 2p. 57 unten, 2p. 77 bis? 79 be» 4. 3aljrgang§ bc^ 
worbegeriebt", Br. 5 miö 7. 


nothwenbigen Snhalte jebeS SlrbeitSoertrageS. 3»h rc ©cltuitg 
fann be^Ejalb burch Uebereinfunft ber betheiligten (Slrbeitöorbnung 
u. bgl.) eingefchränft ober auSgefchloffen werben. Sftur in begug 
auf bie in §§. 617, 618 bem $)ienftbered)tigten auferlegten Pflichten 
oerbietet §. 619 baf. eine Slenberung, währenb in §. 63 Slbf. 2 beg 
|)anbefegefepbuchs eine Vereinbarung be3 3uhalt§, bafe ba0 5franfen* 
gelb oon bem ©ehalte in Slbgua gebracht werben fofie, für nichtig 
erflärt ift; bie §anblung8gehülfen unb »ßehrlinge finb alfo beffer 
gefteßt. 

bei ber Slu$legung beg obigen S^edjtSfaßc©, ber eine Ab¬ 
weichung oon ber attgemeinen, in §. 323 be8 bürgerl. ©efehbudjS 
aufgefteuten Siegel über ßeiftung unb ©egenleiftung enthalt, ift 
gunächft baoon auSgugehen, bafe in ber be§ ©ienfioer* 

pfüd)teten ohne feine @chulb ein $inberung§grunb eintreten ntufe. 
S)ie SluSbrutfgwetfe ber Vorfdjrift ift abfid)tlich fo gefaßt, bafe fie 
nicht nur oon einer förperlidjen ober geiftigen Arbeitsunfähigfeit, 
fonbern auch oon anberen Verhältniffen gu oerftehen ift, welche ftch 
ber bertragSerfüttung entgegenftetteu. S)agu gehören g. b. öffent* 
Hd)*red)tUd)e pflichten, wie bie Vernehmung als 3 eu 9 c /^> ® Cs 
fud) einer militarifdjen Sfrmtrotoerfammlung, bie Ausübung beS 
SBahlred)tS, ferner ein £>anbeln unter moralifchem 3mange (Sob 
ober fchwere Äranfhcit ber nächften Verwanbten u. bgl.; f. 3rif<her* 
§enle, Anm. 1 gu §. 616 b. @.b.). 

i)aS gembleiben beS ©ienftoerpflichteten oon ber Arbeit rnufc 
unoerfchulbet fein; eS fReiben alfo aus bie gätte beS „blau* 
tnachens", bie rechtmäfeip erfolgenbe ©ingiehuug in UnterfuchunaS* 
ober Strafhaft, fowie bte behinberung burd) oorfäfclich ober fapr* 
läffig herbeigeführte ^ranfheiten. §nSbefonbere fann niemanb 
eine Vergütung bei berjenigen ArbeitSoerfäumnife forbern, bie burch 
fchulbhafte betheiligung an Schlägereien ober Slaufhänbeln, burch 
Srunffäüigfeit ober gef<hled)tliche AuSfchweifunaen ^crüorgcrufen 
ift (ogl. §. 6 a Sir. 2 beS ÄranfenoerrtcherungSgefeheS). 

®ie Unterbrechung barf nur eine oerhältnijgmäfeig nicht 
erbebliche 3 ei t 111 Anfprud) nehmen. ©aS herunter gu oer¬ 
ftehen ift, barüber wirb bie SßrafiS aßmählid) fefte ©runbfäfce 
fchaffen müffeu. bei einem betriebsbeamten, Auffeher :c., ber auf 
ein ootteS 3^h r -eingefteHt ift, fpielt bie Einberufung gu einer 
6* bis 8 wöchigen militärifchen £)ien}tteiftung feine bebeutenoe Stoße. 
Selbft bei fechSwöchentticher ober monatlicher ^ünbigungSfrift wirb 
man für Uebungen in ber Steferoe ober Ganbwehr, bie nid)t länger 
als 14 ^age währen, noch bie Sßeitergahlung ber bergiitung gu* 
geftehen; für einen Arbeiter, ber bie gefefclid)e MnbigungSßift oon 
14 Sagen gu beanfprudien h^t, fäßt inbefe eine berartige Sienft* 
leiftung gang anberS ins ©ewidjt, unb ich glaube nicht, ba& et 
feinen Gohn in ber UnterbrechungSgeit forbern fann; befanntlich 
erhält ja auch auS SteichSmitteln feine Samilie für bie Sauer ber 
Uebung eine berforguug nach bem Steidjögefeb oom 10. Vtai 1892. 
UebrigenS würbe es oorauSüchttid) ben gewerblichen Arbeitern 
nidjt Vortheile, fonbern Sladjtheile bringen, wenn in fold^en gäßen 
ber Sienftberechtigte ihnen für 14 Sage ben Gohn weitergahlen 
foßte. Auf einem fehc bequemen Auswege böte ft<h bie Möglich* 
feit, biefer Ausgabe gu entgehen: ber Arbeitgeber brauchte nur 
bei Eintritt ber Vehinberung burch Einberufung gur Hebung bie 
fofortige Entlaffung auSgufpredjen, bie nach §. 123 Steid;S*©ewerbe* 
orbnung guläffig ift, wenn ber Arbeiter gur Sortfefcung ber Arbeit 
unfähig wirb (Unger, Entweihungen S. 110 Sir. 103). Ser Ver* 


9 ) 3n 3 u l i mft wirb besbalb nach §■ 2 Abf. 3 ber 3eugengebül)ren* 
orbnung ben Arbeitern, bei beiten bie SSettergaljlung beS ÖoljncS für 
bie £erminS 3 cit nicht oertragsmäfeig au^gefrfiloffcn ift, bie 3cufjcngebütn* 
nur in §öhe beS niebrigften Sahcs (10 ^ ftiinblicfj) gu gewähren fein. 








103 


SaS OeroerBegertdfjt. IRiithetlungen beS VerbanbeS beutfc^er ©ewerbegcridjte. 9h:. 9. 


104 


Iuft bcr SienftfteHe wäre alfo bie häufige Solgc, unb bcunit würbe 
bcm Arbeiter mehr gefdjabet als genügt, An fid^ macht baS Oefcfe 
in §. 616 freilief) gwifd)en bauernbem unb oorübergeljenbem ArbeitS* 
oerhältnife nicht ben Unterfdjieb, welcher in §§. 617, 630 enthalten 
ift. 3 ) ©S liegt aber in ber Statur ber Sache, bafe bas Vcrl)ältnife 
xwiftf)en ber Sauer beS Arbeitsoertrages unb bern Umfange ber 
ÖnterbrechungSgeit für bie Qrage ber Vergütung auSfdjlaggebenb 
fein taufe. 3inmer^in wirb bet ben gewöhnlichen ArbeitSoerhält- 
niffen beS gewerblichen SebenS bie SSorfd^rift bei förderen Unter* 
Brechungen (etwa bis gu brei Sagen) bebeutfam werben unb baS 
geltenbe Verfahren umgeftatten, nach welchem g. 23. bei 23efuch ber 
Sfontroloerfammlung ber ßohnanfpruch wegfällt (Unger a. a. D. 
0. 40 SRr. 28). Selbft bei einer Vefd)äftigung, bie nur einen 
Arbeitstag bauern füllte, ift eine Verfäumnife oon weniger als 
einer Stunbe für unerheblich gu h a ^ cn (ogl- @ä)üfee, SaS 23. ©.23. 
S. 39). 

Welcher Art bie 23ergütung, alfo bie ©egenleiftung beS 
Sienftberechtigten ift, erfcheint oon praftifdjer 23ebeutung. 23aar- 
gahlungen finb unoeränbert fortguleiften, mag ber Arbeiter im 
Sage*, ©odjen*, 9ftonatS* ober auch Stücflohu (Afforb) geftanben 
haben. Safe gerabe int lefeten S a H e bie 2Seitergewäl)rung uom 
©efefcgeber beabfid)tigt ift, ergiebt fich aus ber ©utftefeungSgefchichte 
(ÄommiffionSbcricht 0. 47). Sie geftfteflung ber £>öt)e beS gu 
gablenben 23etrageS wirb fich bei Afforb nad) bem Surd)fcf)nittS* 
oerbienfte ber 3 e it oor ber 23ehinberung richten. 0inb ftatt baaren 
©elbes ober baneben Vorteile anberer Art im Sienftoertrage be* 
bungen (223ohnung, $ojt u. f. w.), fo ftefet bem geitweilig beljinbertcn 
Arbeiter baS 9led)t hierauf ebenfalls gu, einfchlicfelich ber etwaigen 
SKitaufnahme feiner gamilie in bie Vehaufung unb Verpflegung 
beS Sienftherrn. ©r felbft fann, falls ihn baS ^inbernbe ©r* 
eignife gu einem auswärtigen Aufenthalte nötigt, feine ©elb* 
entfdjäbigung für bie ihm entjjehenben SRaturalbegüge forbern. — 
Ser Vegriff „Vergütung" ift infoferit eng auSgulegen, als bar¬ 
unter nur baSjenige fäut, was oertragSmäfeig feitenS beS Sienft¬ 
herrn aeleiftet werben mufe. Sie bei ©elegenfeeit beS SienfteS 
oon anoerer 0eite guftiefeenben ©innahmen, auf bie fein flagbareS 
Siecht befiehl, g. 23. bie Srinfgelber ber ©äfte an bie Kellner, laffen 
fuh fdjwerlid) mit unter ben ©efichtSpunft ber Vergütung in biefem 
0inne bringen, obgleich ber ©aftwirth bei oorgettiger ©ntlaffung 
auch infowett ©ntfehäbigung nach ben weitergehenben ©runbfäfeen 
über entgangenen ©ewinn gu gewähren hat (ogl. §§• 249 ff. 
V. ©.V.). 


©ine 0chranfe für bie gortgewährung ergiebt fich aus bem 
0chlufefafee beS §. 616. Sen ©runbgebanfeit biefer 23orfdjrift, bie 
einen hoppelten Vortheil aus ben Mitteln beS Arbeitgebers unb 
auS betten einer ftranfen- ober Unfallocrficherung ausfdjlicfeen will, 
mag man anerfeitnen, wenngleich bie §>anblungSgel)üIfen nach 
§. 63 beS §anbelSgefefebuchS giinftiger behanbelt ftttb. Ser AnSbrucf 
aber, ben baS ©efefe gewählt hat, giebt gu einigen 3weifeln Ver- 
anlaffung. ©S ift fraglich, inwieweit bie Traufen- ober Uitfall- 
oerfidjerung „auf ©runb gefefelicher Verpflichtung" befiehl. 23ei 
ber llnfafloerfidjerung liegt bie 0ad)e oerhältutfemäfeig einfach: es 
fann lebiglich bie burd) SieidjSgefefe, oereingelt für Veamte unb 
attbere ©ruppen auch burch £anbeSrecht ober ©cnoffenfdjaftsftatut 
oorgefchriebene, im 2Sege beS 3 raa ngeS erfolgeitbe Sid)crftellung 
gegen ^Betriebsunfälle in 23etrad)t fontmen. Vegieht ber Verlebte 
auf ©ruttb eines oertragSmäfeigen Vriuatoerfid)erurigSoerhältniffeS 
ober in Qolge freiwilliger 23ctl)eiligmtg an einer 23ernfSgenoffen- 
fdjaft eine linfallrente, fo hat er baneben auf feine uoüe Vergütung 
Anfprud), benn feine Veriicfeerung beftanb nicht auf ©runb gefefe- 
lidjer Verpflichtung, fonbern er f)at aus freien Stiicfcn oott ber 
Vefugnife ©ebraud) gemacht, fid) ber für ocrfid)erungSpflid)tige 
^erfonen errichteten Verufsgenoffenfchaft angufdiliefeett. 

Vei ben itranfenfaffen ift es ebenfalls auSfchlaggebeub, ob 
ber Sienftoerpflichtete beut ftranfenuerfidjerungsgmangc unterfteht. 
©rljeblidje 3.meifcl fönnen bariiber cntftchen, ob and) bie Vtitglicb- 
fdjaft beS Arbeiters bei einer eingefchriebenen £nilf$faffe bent 
Sienftberedjtigten bie Ginrebe ber Aitred)nung beS ftranfengcIbeS 
auf ben £ol)n gewährt. Obgleich bie Arbeitgeber gu ben §uilfs* 
faffen regeltnäfeig feine 23eiträge gahleit, glaube id) bod) auS bem 
©efefee folgern gu tnüffen, bafe biejenigen .f)iilfStaffen, weld)e bie 
Viiubeftlßiftungeu nach §. 75 beS M'ranfenoerficherungSgefepeS bieten, 
in biefer .^infidjl ben 3wangSfaffen glcichftchen, fofern ber Attlafe 
gu bcr ttaffenmitgliebfdjaft beS Vctreffenben in ber gcfefelichen 


SemcrfenSwertfi ift, bafe ber erfte Gntimirf beS Vürgcrlidjen 
©cfe^budjs lij. 5G2) bei furgen ArbettSocrl)äItniffcn bie Vergiinftigung 
gang ausfdjliefjen wollte. 


Verpflichtung, gegen tonfheit oerftchert gu fein, gu fudjen ift. 
2öoÜte man ben ^ülfsfaffenmitgliebern ihren ßohn neben bem 
^ranfengelbe ooll gugeftehen, fo läge barin eine erhebliche 23enach* 
theiligung ber DrtS-, VetriebS-, SnnungS- unb fonftigen 3manaS- 
faffen. ©S ift faum angunehmen, bafe nach & eTn 8 e lbguge, ber 
gegen bie £mlfsfaffen im Sohre 1892 burch bie Ä'ranfenoer- 
ficherungSnooelle unternommen würbe, jefct ein folcheS 3ugeftänbnife 
habe gemacht werben füllen. Srofcbem oerfenne i^ nicht, bafe bie 
feortc beS ©efefeeS auch bie gegenteilige Auslegung gulaffen. 

Voth fdjnneriger ift bie 23eantwortung ber §rage, ob bei 
Soppelocrficherung (ogl. §. 26a baf.) baS ^ranfcngelb beiber 
Waffen auf bie Vergütung angureehnen ift, ober welche oon beiben 
aufeer Vetratt bleibt. Surch bie hoppelte Anrechnung würbe ber 
Sienftberedjtigte in ber Siegel gang entlaftet werben; inbefe baoon 
fann nicht bie SRebe fein. 9Ran mufe fich fragen, meld)er ber 
beiben Waffen ber Verfecherte auf ©runb gefehlter Verpflichtung 
angehört. SaS wirb regelmäfeig biejenige fein, ber er guerft 
beitrat, alfo nicht nothwenbiger Sßeife immer bie 3 ro angSfaffe. 
§ält er es als befonberS oorfidjtigcr Viann fpäter für wirthfehaft- 
Itdj geboten, auch ber gweiten £affe fich angufd)liefeen, fo beftefet 
bie VUtgliebfchaft bei biefer nicht in Sotge beS gefefelichen 3mangcS, 
fonbern gur ©rlangunq eines ferneren UnterhaliSgufchuffeS neben 
bem, was bie erfte Sfaffe leiftet. SarauS ergiebt fid) eine gleich* 
mäfeige 23eurtheilung, fei cS, bafe 3temanb guerft ber 3wangS- unb 
bann ber fnilfsfaffe angehört ober umgefchrt; in jebem Salle ift 
bie gunächft erworbene 9Jfitgliebfd)aft entfdjeibenb. 

2öegen ber ©eitenbmachung ber Rechte auS §.616 mag 
barauf h^ngewiefen werben, bafe {ebenfalls ber Anfpruch auf 
fBeitergahlung ber Vergütung gu ben £eiftungen auS bem ArbeitS* 
oerhältniffe gehört unb bcShalb bei gewerblichen Arbeitern ber3u* 
ftänbigfeii beS ©ewcrbegerichts unterliegt. Sie ©igenfehaft ber 
Vergütung als ArbeitS- ober Sienftloljn bleibt auch für bie 23e= 
hinberungSgeit befielen. 23efchlagnahme ober Aufrechnurg finb 
beShalb regelmäfeig auSgefhloffen (ogl. §. 394 23. ©.23.). 


§. 626 bt$ fiürgerUd)t£ unb §§. 123, 

124 ber ®eiuerbeorbnuug. 


SaS ©ewerbcgericht ^forgheim tfeeilt mit, bafe es fich in 
ber oorigen Kummer abgebrueften Petition an ben ^Reichstag an- 
gefhloffen ha&e. wäre gu wünfehen, bafe auch anbere ©ernerbe* 
geriete biefem Veifpiel folgten, fo lange es nod) 3 e it ift. 

$>err Vrofeffor Dr. oon Vlurne (Voftoc!) hat ingwifdjen feine 
Anficht, bafe §. 626 VürgeriicfeeS ©efefebuch fiinftig auch für 
©ewerbegehülfen gelte, weiter begrünbet, unter ausführlichem ©in¬ 
geben auf bie Viotioe gum Vürgerlid)eti ©efefebuth bk juriftifche 
Öitteratur über bie ftoflifton oon SiechtSnormen. Semgegcnüber 
will £>err Amtsrichter a. S. V rau bis (23erlin) mit ©ntfd)icben- 
heit ben gegenteiligen 0tanbpunft oertreten. 2Bir bringen feine 
Aeufeerung gum Abbrucf, weil uns anbere VHttel, biefe ho<h ro i^tige 
Qrage ber Aufmerffamfeit ber gefefegebenben Safloren gugufiibren, 
nicht gu ©ebote flehen. 

* * 

* 

Sie ©rüitbe gur fofortigen Auflöfung beS gewerblichen Stern#- 
Vertrages nach 3«frafttreteu beS bürgerlichen ©cfe^bnchcS. 

Surh ben an bie 0pifee beS gweiten AbfchnitteS beS ©in¬ 
führ ungSgefefeeS gum Vürgcrlichen ©efefebud)e geteilten ©runbfafe, 
bafe bie Vorfd)riften ber SReichSgefefee in $xaft bleiben, werben atte 
älteren, and) bie ootn 23ürgeriid)en ©cfefebuche abweichenbcn prioat» 
Rechtlichen Vorfdiriften jener ©efefee, gleid)werthig neben biefeS 
gcftellt. Sie foilen nur aufeer ^raft treten, wenn fie im 23ürgcr* 
liehen ©efcfebud)e ober im ©infiihrungSgefefee aufgehoben finb. 
SieS ift nun betreffs bcr §§. 123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung 
weber in bem einen nod) in bem anberen ©efefee gefächen. Aus 
bem Viirgcrlidjen ©efepbud)e §. 626 folgt bie Aufhebung nicht, 
benn baS Vürgerlid)e ©efefebuch ift baS allgemeine unb bie 
©ewerbeorbnung baS Spcgialgefefc für befonbere Verfeältniffc. 
3m ©inführumjSgefefec Artifei 36 werben nur Vorfchriften ber 
©ewerbeorbnung über bie Stellung ber ©ewerbefrau unb über bie 
crforberlid)e ©iuwilligiuig oon Später unb Vormuub gu SRechtS- 
gefd)äften geänbert. Sie §§. 123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung 
über baS 5Red)t bcr Auflösung beS SicnftoertrageS ohne Auf* 
fiinbigung bleiben bal)er in .^raft. — 9Ber meint, biefe Varagraphen 
ber ©ewerbeorbnung feien burch Vürgferlid)eS ©efefcbuch §. 626 




105 


$5a$ ©ewerbegeridjt. aJKttßeilungen beS BcrbanbeS beuifcßet ©ewerbegerießte. 92c. 9. 


106 


ftiHfcßmeigenb aufgehoben, muß folgerichtig auch annehmen, baß 
fämmtlicße übrigen Beftimmungen ber ©ewerbeorbnung, welche bie 
prioatrecßtlicße ©eite beS S5ienftoedrageS regeln, aufgehoben finb, 
alfo auch g. 33. bie §§. 115—119 über HuSgahlung ber Sohne im 
baarett ©elbe, ibie §§. 119a unb 124b über ßohneinbeßaltungen 
gur Sicherung wegen eines BertragSbrucßeS. Bei ber forgfälligen 
Borberatßung beS bürgerlichen ©efeßbucßeS ift es unbenfbar, baß oet 
©efefcgeber oerljältnißmäßig untergeorbnete Borfcßriften ber bewerbe« 
orbnung, wie bie oben erwähnten, auSbrücflicß aufhebt, währenb er 
bei wichtigeren fünften fidj mit ftiüfcßweigenber Aufhebung begnügt. 

gür bie Sfticßtigfeit biefer Huffaffung glaube ich mich auf bie 
SJlotioe gu Hrtifel 32 (Hrtifel 9 beS I. Entwurfs) unb auf baS 
neue HanbelSgefeßbucß fiüßen gu tonnen. 

Sn ben SKotioen ju Hrtifel 9 h^fel «S, „baß eine ältere 
$orm burch baS Bürgerltcße ©efeßbucß nur bann als aufgehoben 
betrachtet werben fann, wenn ber HufßebungSwiHe befonberS h^r* 
oortritt." 2)ie Hauptaufgabe bei Söfung ber ©cßwierigf eiten wirb 
„ber Auslegung beS Bürgerlichen ©efebbucßeS" gu* 
gewiefen unb h^bei barauf aufmerffam gemacht, baß bie Be* 
ftimmungen ber älteren SReidjSgefefce iiberroiegenb berjenigen SUaffe 
angehören, welche bie 9techtSoerhältniffe eines beftimmten engeren 
Greifes regeln. ©S werbe baher ber Siegel nach fein Hnlaß fein, 
ben allgemeinen formen beS Bürgerlichen ©efefcbucheS ©htfluß 
auf bie Beftimmungen ber SleichSgefehe gugugefteßen. 

2Bie wenig ber B&tfc beS ©efeßgeberS baßin ging, burch ben 
allgemeinen ©aß beS §. 626 Bürgerliches ©efeßbueß, gur fofortiaen 
Huftöfung beS ©ienfioerhältniffeS genüge „ein wichtiger ©runV, 
bie befteßenben befonberen Borfcßriften aufgußeben, ergiebt baS 
neue HanbelSgefeßbucß, * n welchem ber allgemeine ©runbfaß 
beS §. 626 groar im §. 70 eine BMeöerßolung gefunben, aber ba* 
neben hoch in ben folgenben Paragraphen auSbrücflicß ßeroor* 
gehoben wirb, was „namentlich 7 ' als wichtiger ©runb beiberfeitS 
angufehen ift. 35er ©efeßgeber hat alfo bie Huffiellung jenes 
allgemeinen ©aßeS für baS ^anbelörecht, ohne näheres ©ingehen 
auf bie befonberen SSertjältniffe beS Hanbels, nicht für auSreicßenb 
gehalten, ©r beläßt eS grutibfäßlicß bei bem alten Siechte. 3)iefer 
©eftchtSpuntt ift für bie ©rfenntniß beS SöiHenS beS ©efeßgeberS 
ber auSfchlaggebenbe; er trifft gleichermaßen für baS ©eroerbe* 
geriet gu unb zwingt gur Hnerfennung ber fortbauernben ©eltung 
ber §§. 123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung. 

Slur wenn baS HrbeitSoerßältniß minbeftenS auf oier SBocßen 
ober wenn eine längere als oiergehutägige ^ünbigungSfrift oerein* 
bart ift, h^t gegenwärtig, gemäß §. 124 a ber ©ewerbeorbnung, 
ber ©eroerberießter bie gleich freie Stellung, wie ber ©iuil* unb 
ber HanbelSricßter gegenüber ber Prüfung beS SlücftrittSgrunbeS. 
Sn ben regelmäßigen gälten beS HrbeitSoertrageS, wo feine 
3)auer beS BertrageS unb feine längere als oiergehntägige $ünbi* 
ung oereinbart ift, fleht ber ©emcrberichter fchon jeßt unfreier 
a, als ber ©ioil* unb HanbelSricßter, inbem nicht fein ©rmeffen, 
fonbern baS ©efeß bafür maßgebeitb ift, welcher ©runb gur fo* 
fertigen Söfung beS BcrtragcS berechtigt. 35iefe tßeilweife Un* 
gleußßeit ift burch öaS Bürgerliche ©efeßoueß unb fein ©infüßrungS* 
gefeß nießt befeitigt. 

Bei ber Beratung beS Bürgerlichen ©efeßbucheS unb feines 
©infüßrungSgefeßeS ift, foweit bie protofoUe ber II. 5fommijfion 
unb ber SleichstagS^ommifftonSbericht ergeben, biefeS eingefdjränfte 
begw. umfaffenbere Becßt beS SKücftrittS oom gewerblichen HrbcitS* 
oertrage, je ttaeßbem eine fürgerc ober längere ÄünbigungSfrift 
für benfelben gilt, überhaupt nicht ©egenftanb ber ©rörterung 
gewefen. 3)iefelbe wäre hoch unerläßlich gewefen, wenn bie erft 
burch b« ©ewerbeorbnungS^Pooelle oom 1. 3uni 1891 eingeführte 
nnterfcßieblicße Beßanblung beiber Hrten beS gewerblichen HrbeitS* 
oertrageS hätte befeitigt werben folfen. 

3>agu bebarf es einer Henberung ber ©ewerbeorbnung. ©ine 
folcfje, etwa in ber Hrt beS §anbelSgefeßbucßeS, würbe woßt un* 
feßroer gu erreichen fein, wenn naeßgeroiefen würbe, baß bie Huf* 
gäßlung ber ©rünbe in ben §§. 123 unb 124 ©ewerbeorbnung 
fieß als ungureießenb in ber Praxis ßerauSgefteHt ßat 

Berlin W. 30. Dr. jor. SBerner BranbiS. 

* * 

* 

9fa<hf<hrifi 

3)ie ©ewerbegericßtSfommiffion beS SleicßStagS ßat auf Eintrag j 
beS Hbgeorbneten Baffermann befcßloffen, in bem §. 124a ber 
©ewerbeorbnung bie 2Borte: 

„wenn basfelbe minbeftenS auf 4 B$ocßen ober wenn eine 
längere als 14 tägige StünbigungSfrift oereinbart ift" 


gu ftreießen. 35amit wirb ben in ber Petition (oetgl. oorige Stummer 
biefer 3citfcßrift) SluSbrucf gegebenen SBünfcßcn woßl ©enüge ge* 
leiftet fein, unb eS muß jeßt nur erhofft werben, baß ber Steicßstag 
bem Befcßluffe ber Jfommiffion Beitritt. 3)er Berbanb 35eutfcßer 
©ewerbegerießte fönnte in ber hiernach erwirften Befeitigung ber 
bisherigen Unflarßeit einen erfreulichen ©rfolg erblicfen. 


Begriff ber „groben Beleibigung" im Sinne beS §. 123, 
StBf. 1 3iffer 5 ber SleicßS* ©ewerbeorbnung. 

1. Urtßeil beS ©ewerbegericßtS SubwigSßafen a./SIß. oom 
9. guni 1897. Borfißenber: Stabtfcßreiber ©üntßer. 

Kläger, ber als SKüDer bei ber beflagten girma befcßäftigt war, 
erflärte eines 2agcS bem BetriebSbireltor gegenüber, ber als Betriebs* 
leiter bei ber Besagten fungirenbe Sngenieur ©. oerfteße nicßtS oom 
©efcßäfte, er, Kläger, ßabe opr ©. leinen Stefpeft. ©r wieberßolte biefe 
Äeußerung unmittelbar barauf in ©egenwart beS ßerbeigerufenen ©. 
mit bem 3 u faße: „(Sie fmb fein Ingenieur, (Sie haben mir nichts gu 
fagen." Stuf ©runb beffen würbe Kläger oom BetriebSbireltor fofort 
entlaffen unb beanfprueßte, unter Berufung auf §. 9 ber oon ber Be¬ 
flagten erlaffenen 9lrbeitSorbnung, welcße beiberfeitige achttägige tfünbi» 
gung oorfeßreibt, flagenb eine achttägige Soßnentfcßäbigung. 

9?acß §. 9 ber 9lrbeitSorbnung für bie SWüßle ber beflagten girma 
fann baS in biefer SJJüßle begrünbete jDienftoerßältniß, foweit nießt bie 
SlrbeitSorbnung anberS beftimmt, beiberfeitS nur am ©eßluffe einet 
SSBocße bureß tfünbigung mit wödjentli^er griff gelöft werben. ?U2 
eine „anbere Beftimmung" im (Sinne oon §. 9 gilt bie Beftimmung in 
§. 23 Hbf. 3 ber HrbeitSorbnung, wonach ungebührliches Betragen 
gegen Borgefeßte unb BHtarbeiter mit fofortiger ©ntlaffung beftraft 
werben fann. ^er Begriff beS „ungebüßrließen Betragens" unb 
baS Slecßt ber fofortigen ©ntlaffung ift abguleüen aus §. 123 Hbf. 1 
3iffcr 6 ber PeicßS*©ewcrbeorbnung, wonach ©efellen unb ©eßüifen 
oor Hblauf ber oertragSmäßigen 3 e lt unb oßne Huffünbtgung entlaffen 
werben fönnen, wenn fie fteß einer „groben Bcleibigung" gegen 
ben Hrbeitgcber ober feine ©telloertreter fcßulbig.machen. 

3m Hllgemeinen ift jebe gegen bie ©ßre eines Hnberen gerichtete 
oorfäßließe unb recßtSwibrige 5funbgcbung als eine Beleibigung angu* 
feßen, oßne baß eS barauf anfommt, ob biefe Äunbgebung eine oer- 
Ießenbe S3irfung aueß in ber &ßat ßeroorgebraeßt ßat, ferner fann eine 
Beleibigung auch in einer an fieß nießt eßroerleßenben Heußerung ober 
§anblimg gefunben werben, wenn biefe, in ber Hbficßt, bie Beracßtung, 
Bcrßoßnung ober ©eringfcßäßung eines Hnberen gu erfennen gu geben, 
in einer SBeife ober unter Berßältniffen oorgenommen würbe, baß bem* 
felben jeher 3mecf ißrer Bomabme oerftänblicß würbe (oergL 2)aube, 
(Strafgefeß, 6. Hufl. ©. 176). 

©egenüber biefeu ©runbfäßen beS ©trafrecßteS, naeß welcßen, 
wörtlich genommen, ein Unterfcßieb gwifeßen einfacher unb grober 
Beleibigung nießt gemaeßt ift, ift naeß bem ©inne oon §. 123 
Hbf. 1 3ifie* 5 ber BeicßS=©emerbeorbnung gur geftfteDung beS SteateS 
einer groben Beleibung gu unterfeßeiben gwifeßen einfachen ©cßimpf* 
Worten unb Beleibigungen anberer Hrt unb ift hierbei immer ber 
BilbungSftanb beS HrbeitgeberS ober feines ©teHoertreterS, fowie ferner 
gu beaeßten, ob bie Hcußerungen unmittelbar gegenüber bem Hrbeü* 
geber in bem Betriebsraum ober außerhalb erfolgt finb (©cßenfel, 
BeicßS=©ewerbeorbnung Bb. II ©. 867). 

Bei Söürbigung ber ©aeße ift baS ©erießt gu ber Uebergeugung 
gefommen, baß in ber oom Kläger getßanen Heußerung eine „grobe Be* 
leibigung" gegen ben BctriebSfüßrcr ©. gu erblicfen ift. 

3u einem georbneten Berßältniffe gwifeßen Hrbeitgeber unb 
Hrbeitncßmer gcßört oor Hllem gegenfeitige Hcßtung. ®ie Hcßtung beS 
HrbeitgeberS bem Hrbeitneßmer gegenüber befteßt in einer bem Stecßte 
unb ber guten Sitte gewibmeten Bcßanblung; bie Hcßtung beS Hrbeit* 
neßmerS bem Hrbeitgeber gegenüber 3 <ügt fieß im fcßulbigen perfönlicßen 
9tefpeft, ße seigt fteß in bereitwilliger Unterprbnung. Söenn alfo ein 
Hrbciter feinem Hrbeitgeber gegenüber runbmeg erflärt, baß er oor ißnt 
feinen 9icfpcft ßabe, baß er ißn als baS nießt anerfenne, was er naeß 
feinem Berufe, naeß feiner gangen Borbilbung unb Traft ber ißm über¬ 
tragenen Stellung ift, fo oerlcßt bamit ber Hrbciter bie bem Hrbeit- 
, geber fcßulbige Hcßtung, er giebt bureß biefe Heußerung funb, baß er 
bie perfon, bie Stellung unb bie Befeßle feines HrbeitgeberS ntißacßtet, 
unb ben Betroffenen auf eine ©tiefe ftedt, welcße biefen beS. HnfeßenS, 
welcßeS er genießt, nießt würbig maeßt. 

£)b in oorliegenbem. galle ber BetriebSfüßrer bureß bie oom 
Kläger getßanen Henßerungen tßatfäcßlidß fieß au feiner ©ßre angegriffen 



107 


108 


$a$ ©cmerbegertcßt. SRittßciluugen be$ BcrbanbeS heutiger ©crocrbegericßte. 8r. 9. 


füllte, fidf) bureß bicfc 8eußerungen in feiner ©teflung als gefcßäbigt 
eracßteie, war nacß ber bnrgelegteu BedjtSauffaffung nicht zu unierfudjen; 
{ebenfalls aber war bie beflagte girma gefeplicß berechtigt, ben Kläger 
gemäß §. 123 8bf. 1 3iff er 5 ber föeidjs* ©cwerbeorbnung fofort zu 
entlaßen. 

2. Urtßeil beS ©ewerbegericßts einer gröberen ©labt ©üb* 
beutfdjlanbs. 

Sßatbeftanb. Kläger, ber Bei ber beflagten ©cßußfabrif als 
3wicfer in 8rbeit ftanb, uitb am 15. Sezembcr 1898 ohne Künbiguitg 
entlaffen warb, forbert wegen ber fünbigungslofeu ©ntlaffung für bie 
3*it oom 15. bis 23. Sezcntbcr 1898 32 Jt an Loßn. Beflagte, welche 
ben eingeforberten Betrag ber £>öße nach jngeftefjt, ßält fich zur ©nt* 
laffuHg beS Klägers für berechtigt, ba Kläger fie grob beleibigt ßabe, 
inbem er *ftc gelegentlich eines anbereu am 14. Sezember 1898 ab* 
gehaltenen ©eridjtstermine als „©djttmibelfirma" bezeichnet ßabe. 
Kläger beftrcitet bieten SluSbrud; er habe lebiglich, nadjbcm ber Ber* 
treter ber Beflagten im bamaligen Termine, Kommis 8., ihn als fojial* 
bemofratifdjer Slgitator, BoIfSrebner, frecher ÜKeitfcß bezeichnet habe, 
geantwortet: „SSenn ic^ ein freeßer SJknfdj Bin, fo ftnb fte ein 
©cßwinbler." lieber bie beiberfeitigen Behauptungen ftnb ergangenem 
BeroeiSbefcßluß gemäß bie 3eugen, ber Borftpenbe beS ©ewerbegericßts, 
im Sennin oom 14. Dezember 1898, ©erießtsfeßreiber ©cß. unb KommiS 
8 . gehört worben. 

9?a<h ber Beweisaufnahme ift als burd) bie 8uSfagc beS Kommis 
8. unb beS ©ericßtSfcßreiberS beS ©ewerbegericßts ©cß. feftgefteDt zu 
eraeßien, baß ber Kläger im Sermin oom 14. Dezember 1898 in Bezug 
auf bie beflagte girma baS SBort: „©cßwinbelfirnta" gebraucht. 8. hat 
bieS ber Beflagten mitgetheilt, unb biefc hat ben Kläger, ber bis bahnt 
bei ihr befd)äftigt war, barauf hin ohne Künbiguitg entlaffen. Kläger 
bat alfo jebenfallS bie beflagte girma beleibigt. Sie grage, welche 
baS ©erießt zu unterfuchen hatte, fonnte einzig barin befteßen, ob nach 
ber 8rt unb in ilmftänben, in welchen baS SBort auSgefprodjen war, 
als grobe Beleibigungeu gegen ben Arbeitgeber (§. 128) als oorßanben 
anjunebmen ftnb. 3a biefer Beziehung fommt golgenbcS in Betradjt; 
3m Termin, ber am 14. Dezember oor bem ©ewerbegeridjt ftattfanb, 
oertrat Kläger feine Ehefrau, ber oon ber beflagten girma 11,26 M. 
an rücfftänbigent Loßit einbehalten worben waren. SaS ©ewerbegericht 
hat bemnächft berbatnaligen Klägerin auf ben eingeflagten Betrag 
oon 11 , 2 e M., 9,95 Uf. zugefprochen. Bei ber erften Berhanblung über 
biefen ©treitfaü nun, bei welcher Beflagte nicht attwefenb, fonberrt bitrd) 
ben KommiS 8. oertreten war, bat ber Kläger, wie 8. angegeben hat, 
wäßrenb ber Borfipenbe bie Bebinguttgen ber 8rbeitSorbmmg oerlaS, 
auf ©runb beren Beflagte ftdj z» ben oon ißm gemadjten Slbziigen be* 
reeßtigt ßiclt, bem 8. zu ©eßör gefagt, bieS fei eine „©djminbelfirma". 
Ser Borfipcnbe, oor meldjem beibe Parteien ftanben, hat bie Sorte 
nießt gehört. Ser ©erießtsfeßreiber, ber befunbet, baß beibe Parteien 
erregt getoefen feien, hat fte geßört, ohne ftdj an ben 3ufammcn* 
hang genau 51 t erinnern, inSbefonbere weiß er nidjt, ob bie Sorte ge* 
fagt worben, naeßbent 8., was er zugefteßt, beim Borftpenben beantragt 
hatte, ben Kläger als Bertveter feiner ©ßefrau nießt jujnlaifen, 
weil er ein fozialbeutofratifdjer 8gitator unb BoIfSrebncr fei, ober ob 
bie Sorte, wie 8. angiebt, fdjon oorber gefagt worben feien. ©S 
fann- nun baßitt geftcHt bleiben, ob Kläger bureß bie Bezetdjmtitg: 
„fozialbemofratiidjer 8gttator unb BoIfSrebncr" fteß als beleibigt er* 
ad)ten fonnte, unb ob er, wenn bieS ber gall wäre, mit einer Bcleibi* 
gung ber beflagten girnta antworten fonnte. gcbenfaflS, ift audj wenn 
baS Sort oorßer, alfo ehe jene 8cußerimg beS 8. erfolgt uoit ißm 
auSgcfprodjeit war, baoott auszugeßen, baß Kläger in einer ge* 
wiffen ©rregung war, weil ber Sohn feiner ©Ijcfrau in 
einer feines ©rmeffcnS unberechtigten Seife eingeßaltcn warb, 
©r hat bctnnädjft baS Sort: „©djminbelfirma" gefagt, währenb über 
bie ©inwenbuugcn ber Beflagten gegen bie Lohnzahlungen oerhanbclt 
würbe, weldie bas ©eridjt bemnächft ber $nuptfncße nach als tljat* 
fädjlid) unberedttigt bezeicßnetc unb er hat biec- nicht etwa in einer bc= 
fonbers auffälligen Seife geäußert, wie fuß am heften barauS ergiebt, 
baß fie ber Borupenbe überhaupt niefit gehört hat unb baß and) 8. 
niiht etwa oeranlaßt war, fid) bcs wegen beim Borfipenben zu be* 
fdjweren. 8idjt außer Betragt fann aud) bleiben, baß 8. felbft bureß 
bie "Sorte: „fozialbeutofratifdjer 8giiator utib Bolfsrebuer", einerlei 
ob biefelben objeftio beleibigenb fiub, zweifellos bie 8bftd)t befunbet 
hat, ben Kläger in ben 8ugen bes Borfipeuben herabzufepen. SicS 
ftellt, wenn cs in golge jener 8eußcrung gcfdjalj, eine fdjarfe 3nrücf* 
weiiung, be.zw- eine 8rt Äompenfatiou ber erfolgten Beleibt* 
gung bar, unb mußte, wenn eS oorber erfolgte, ben Kläger allcrbiugS 
prooozireti, ba bie Bezeichnung ben 3 wert haben füllte, ihn an ber 
Bcrtrctuug ber Rechte feiner ©Ijefrau 511 ßinbern. Tas ©erießt ging ßter* 
nadi bauen aus, baß nicht etwa eine bösartige Berleuwbuug ber be= 
flagten Atrma oorliegc, fonbern ein ungehöriges Sort, baS ber Kläger 


äußerte, um feine 8 nßcßt über bie Becßtswibrigfeit ber gemadjten Ab¬ 
züge 8 uSbrud zu geben. ©S ift zweifellos, baß eS ©adje beS Bor= 
ßßenben gewefen wäre, biefe Ungeßörigfcit zu rügen, wenn er fie gc= 
ßört ßätte. ©ie erfdjeint aber meßr als ein Berftoß gegen bic bem 
©eridjt gebüßrenbe 8 d)tiing, als baß in ißnert bie 8 bfußt einer Ber- 
ächtlicßmacßung ber Beflagten zu erfennen wäre. SBenn ber ©cfepgclifr 
baS 9iedjt ber fofortigeti ©ntlaffung wie baS Siecßt ber fofortigen 
Sfieberlegung ber 8 rbcit auSbriirflicß auf ben gaH ber groben Belcibi* 
gungeit befeßränft, fo fprid)t er bamü auS, baß nießt febe in her 
Uebercilung begangene ungehörige 8 eußernng unb nicht jcbeS an 
fich beleibigeitbc ©ort zur 8 uflöfung bes 8 rbeitSücrhältnfc 
berechtigen fod. ®ieS ift aber ganz befonberS 311 berücffiditigen, wenn 
bie fraglidjen 8 eußernngcn nicht etwa gegen ben Beletbigten ober gegen 
unbetßeiligtc dritte, fonbern gegen baS ©ericht, alfo in ber 8 bficßt her 
SftechtSoerfoIgimg gemad;t whrb. ©S würbe gcrabezu auf eine Siedjtv* 
nerfiimmerimg ßinauSfommen, wenn jebe hierbei begangene Uebercilung 
feitenS eines ^rozeßgcguerS ben anbent fofort bcred)tigte, nunmehr ben 
anfänglich üielleidjt nicht oorßanbenen ©runb zur ©ntlaffung ober zum 
fofortigen 8 uStritt ßierauS abznleiten. ©S war baher zu erfennen, wie 
gefcheljen. 

8 nmerfung ber Bebaftion: JDBigcS Urtßeil fcheint intcreifnm, 
nicht nur, weil feine thatfädjüdjen 8 uSfüßrungen bie mehr jurifiiirficn 
beS oorigen ergänzen, fonbern audi weil es ein Beifpicl ift, wie bie 
8 ngriffe gegen bie ©ewerbegeridjte entfteßen. ©ine 3 eitung brachte einen 
Bericht über ben gall, — ber uns burdjauS zutreßenb entfehieben fdjeint 
— unter ber Untcrfdjrift: ,,3dj wiubelfirma feine Beleibt gung!' 
5 )aß fidj an biefen merfwürbignt 9kd)tfaß bann ebenfo merfwüröige 
8 ugriß'e gegen bas ©ewerbegericht nnfdjloffen, bas biefen ©aß angeblich 
ausfprath, funn nid)t wunbern! Bielleicht führen mand^e 8 nfciitbimgen 
beS ©ewerbegcridßts auf ähnliche thörichte Berichte zuruef. 

8 bzug oon gnoalibitätS* unb Kranfenfaffen*Beiträgcn. 
(Urtheil beS ©ewerbegerichts ©olingen.) 

Kläger h a * 14 Bfonaic lang bei bem Beflagten als Bärfergefelle 
gearbeitet. $cr Loßn mit wöchentlich 9 M. würbe ißm alle 14 Jage 
ooll auSgezaßlt. Bei feinem 8uStritt aus bem 8rbeitSüerbällntB hielt 
ber Beflagte bem Kläger an 3uoalibcngclb 7,20 M . unb an Krcmfengr/b 
7,28 *4t>. ein. ^en juoicl eingchaltenen Betrag oerlangt Kläger oom 
Beflagten erstattet. $er leßtcrc erfanute bie 9iid;tigfcit ber Uageriidjcu 
8uSfüßrungen an, beantragte aber 8bweifung ber Klage, foroeit fidi 
bicfelbe auf ©rftattung bes guoalibcngelbcS richte, ba baS ©emrrbc* 
geridjt zur ©nticßeibuug hierüber niefjt zuftänbig fei. 

8ncrfanntcrmaßcn hat Bcflagtcr bent Kläger bei feinem Sustriu 
auS bem 8rbcitsocrhältniß eingeßaltcn 00 Socßen 3uoalibenbeiträgc 
a 12 4 = 7 / 20 Kranfcnfaffcnbciträgc zum Jßcil bie Sodjc mit 12 4r 
Zum Ußeil mit 22 4? inSgefammt = 7,28 JL Sas nun junädifi ben 
cingeßaltenen Betrag für bie 3uoalibitätS* unb HlterSuerfichenuig an* 
betrifft, fo mußte Kläger bezüglich biefeS mit feinem 8nfprud) abgewicicn 
werben. J)enn ©treitigfeiten zwifdjen 8rbcitgebcru unb 8rbcitcrn über 
bie Beredjnung unb 8nredjuung ber für biefe zu entrießtenben 
Beiträge werben oon bet* unteren BerwaltimgSbeßörbe bcs Bcfd)äftigung?* 
orteS enbgiiltig cutfcßiebcn (oergl. Silßclini unb gürft, ©owerbegerichtC' 5 
gefeß ©. 31). 3u Bezug auf folrfjc ©treitigfeiten auS ben 311 Ieiftcnbeu 
Kranfenfaffeubeiträgen ift inbeß bas ©ewerbegeridjt gemäß §. 3 8 r. <\ 
beS ©cfepcS oont 29. 3uli 1890 allein zuftänbig. 9?acß §. 53 bcs 
KranfenoerficberungSgefcpcS ftnb bic auf ben 8 rbcitneßmer entfallenbeii 
8 ntßcilc ber Beiträge bei jeber Lohnzahlung in 8 bzug zu bringen. 
Unterbleiben bic 8 hzügc für eine Loßiizaßlumgspcrtobe, fo bürfen Ic 
nur nod) bet ber Loßnzaßlnng für bic nädjftfolgcnbe Loßnzaßluugs* 
periobe nadjgeßolt werben. 

Siefen Borfcßriftcu hat ber Beflagte oorliegenb feine Sfccßnimg 
getragen. Sa bic Lohnzahlung alle 14 Jage ftattfanb, war er nur he* 
reeßtigt, für bie lepte LohnzablungSperiobe 44 4 unb für bic oorlcpic 
periobe ebenfalls 44 ahzußalten. Sen 9ieft oon 0,40 jfc ift er oer* 
bmtben, bem Kläger 311 erftatten. 

.^at ber 8 rbciter 8 nfprudi auf 8 uSzaßIung bcs wollen 
8 fforblohueS, audj wenn bei geftfepung ber Bergütung rin 
3rrthunt unterlaufen ift? (©ntfeßeibung beS ©ewerbegeridiw 
Sresben.) 

Ser Kläger hat hei ber Beflagten als ©eßraubenbreßer gcarbciie: 
unb zulept 19 200 Biefrmganfapfd;raubcn im 8 fforb angefertigt, für 
weldie ißm oon bem Serffüßrcr ber lepteren ein 8 fforbloßu oon 1 .H. 
für 1 (M) ©djraubeit jugefagt worben, frterauf hat Kläger reftlid) uod 
12 M. 31 t crßalten, bereit Bezahlung mit ber Begriinbung oerweigen 
wirb, baß ber Kläger bicfclhc 8 rt ©djraubcn bereits friißer 511111 
8 fforbpreife oon 55 3'( für baS §unbcrt angeferttgt unb gewußt habe, 
baß nidjf mehr als 55 Pf- bezaßlt werben, baß Kläger auf Befragen 
beo ScrffüßrcrS erflärt habe, bicfc ©djraubeit früher nod) nidjf äuge* 



109 


$o* ©erocrbegerießt. äRtttijettmtgett beS BerBanbeS. beutfcßer ©ewerbegerießte. 9x. 9. 


110 


fertigt gu haben unb baß ißm erft baraufßtn bet unüerßältnißmäßig 
pp Affotbloßn oon 1 JC gugefagt worben fei, baß Kläger überbieS 
feinen ArBeitSfoßegen auf befragen felBft erflärt habe, baß er für baS 
$unbert nur 55 ff. erßalte unb baburcß funbgegeBen, bab er auf einen 
Boßeren AfforbloBn feinen rechtlichen Änfprucß Babe. Bie §anblungS* 
weife beS Klägers fteffe fleh als Betrug im ©inne non §. 885 beS 
Bürgerlichen ©efeßbueßs bar, unb Balte fie — bie Beflagte — fieß ba¬ 
ßer nicht für oerpflicßtet, beut Kläger ben burdj Bäufcßung erlangten 
Aff orbpreis auSgugaßlen. 

Dem Klageantrag war ftattgugeben. Site Betrug, ber bem Be* 
trogenen baS Becßl gur Anfechtung be$ BertragS gieBt, gilt naeß §. 835 
beS Bürgerlichen ©efeßBitcßS bie ©rgeugung eines grrtßumS burcB 
läufcßung, iugleicßen bie Benußung eine« feßon oorßanbenen 3rrtßums, 
oorauSgefeßt in Bcibeu gäßen, bab Söaßrßeit unb Aufflärung über baS 
BerBältnib, rücfficßtlicß beffen geirrt würbe, naeß Sreu unb ©tauben gu 
erwarten war. SSemt nun ber Kläger feinem eigenen 3 u 0 e ftäubniffe 
jufolge gewubt Bat, bab für bie in grage fteßenben ©cßrauben non ber 
Beflagten in ber Siegel BiSßer ein Afforbloßn non 55 ff für 100 ©tücf 
gegaßlt worben fei, fo fonnte er felbftoerftänbließ nicht barüBer im 
3weifel fein, bab ber SBerffüßrer B. Bei ber 3uficßerung eines Afforb* 
loßttes oon 1 JC. für 100 ©cßrauben in einem Srrtßum Befangen war. 
Der Kläger Bat baBer gweifelloS einen Bei bem SBerffüßrer oorBanbenen 
grrtßum Benußt, um für feine Arbeit eine Begaßlung gu erlangen, bie 
iBm unter anberen Umftänben nicBt gu Dßeil geworben wäre. 

©S fragt fidj nur, ob ber Kläger nacB $reu unb ©lauBeit oer» 
pflichtet war, ben SSerffüßrer B. über feinen grrtßunt aufguflären. 
Siadj ber Anfteßt beö ©ericßts lag für ben Kläger eine berartige Ber* 
pflicßtung nicht oor. Der Berfäufer, ber einen Boßeren SBertß forbert, 
obfeßon er weib, bab bie ©aeße weniger wert!) fei, ober ber Käufer, 
ber einen geringeren SBertß mit bem Bewubtfein Bietet, bab bie ©aeße 
nteBr wertB fei, oerfäflt nacB ber im Berfeßr BerrfcBenben 9tecßtsauf* 
faffung nießt bem Borwurfe beS Betruges. Umfoweniger fann biefer 
Borwurf gegen benjenigen erBoben werben, ber nur ben iBm gebotenen 
BöBeren SBertB annimmt mit bem Bewubtfein, bab bie ©aeße weniger 
wertB ift. ©ans rbenfo liegt bie ©aeße für ben Arbeiter, ber Bei Ber* 
einBarung beS gu gaßlenben ÖoßnS für bie gu liefernbe Arbeit ben iBm 
gugefteßerten Uoßn annimmt, obwoBl er weib, bab biefer öoßn iBm oon 
bem Arbeitgeber gweifelloS irrtßümlicßcr SBeife gugebißigt worben ift. SBemt 
ber Arbeiter biefen 3rrtßum auf ©eiten beS Arbeitgebers benußt, um 
eine Beffere Bettung feiner Arbeit gu erlangen, fo macBt er ficß ba- 
bureß fd^IechterbingS nicht einer wiberrccßtlicßen Ausbeutung beS auf 
©eiten beS Arbeitgebers oorßanbenen 3rrtßumS fcBulbig unb nur wenn 
ein folcher oorliegt/ fann oon einem Betrüge bunB Benußung eines 
oorBanbenen SrrtßumS bie Bebe fein. Die weitere BeBauptung ber 
Beflagten, ber Kläger Babe burcB bie waBrBeitSwibrige Angabe, bab er 
berartige ©cBrauben nodj nicBt angefertigt Babe, in bem SBerffüBrer 
einen Srrtßum ergeugt, ift burcB bie AuSfage beS 3eugen K. gunäcßft 
nicBt erwiefen worben. Seßterer Bat oielmeBr Befunbet, bab woßl 
möglich fei, bab er ben AfforbloBn oon 1 JC. für 100 ©cßrauben felBft 
falfulirt unb gugefießert Babe, oBne mit bem Kläger oorBer Bücffpraeße 
barüBer genommen gu BaBen. 

SRacß ber Anftcht beS ©ericßts würbe aber aucB eine folcBe waBr* 
Beitswibrige SlngaBe beS Klägers aDein nicBt genügen, um ben $Bat» 
Beftanb beS Betrugs im oorliegenben fjalle feftjuftellen. 

BacB affebem ift bie Beflagte oerpflicBtet, ben oon tBrern SBerf¬ 
füBrer bem Kläger jugefuBerten SfforbloBn ooK auSjusaBIen. $at fuB 
ber SBerffüBrer jum ©cBaben ber Beflagten BierBei geirrt, fo ift es ber 
Beflagten unbenommen, an ihrem SBerffüBrer Slegreb Su neBrnen, ben 
Arbeiter fann p« ben einmal jugeBilfigten AfforbloBn aber ebenfowenig 
oorentBalten, als ber Arbeiter eine Bpere BejaBIung nachträglich ver¬ 
langen fann, wenn er ftcB 3 u feinem ©d^aben Bei ber UeBernaBme ber 
?lfforbarBeit feinerfeits in einem SrrtBum Befunben Bat. $)ie Beflagte 
war BiernacB, wie gefcBeBen, ju oerurtBeilen. 

Äann ber SKeifter einem @efeilen für mangelBaft aus* 
gefüBrte SfrBeiten einen BoBnaBjug machen? (©ntfcBeibung 
beS ©ewerbegericBtS hamBurg.) 

2)ie XifcBIergefeHen Sf. unb %. flagten gegen ben grotteur unb 
5tifchIermeifter B. auf BejaBlung oon 161 JC. für baS Segen oon 
BarfettfufjBoben im BtorienfranfenBaufe unb in einem Bau auf ber 
hoBenmeibe, bie jie fpäter auf 124 M. 91 ff. ermäßigten. $er 
Beflagte Beftritt bie Sorberung nicht, oerweigerte aber bie 3aBlung, 
ba er in golge ber mangelßafteti ?luSfüBrung ber Arbeit 88 M 12 3f. 
für Sfad^Befferungen unb 87 M. für neues ©rfaßmaterial Babe auf* 
wenben müffen unb beSBalb nocB 50 M. 21 ff. oon ben Klägern 
BeanfprudBe. 


$)aS ©ericBt oerurtBeilte ben Beflagten jur 3aBiang oon 81 M. 
69 ff. an bie Kläger unb in a /3 ber Hoffen, wäBrenb es ben Hlägent 
bie mangelBafte Arbeit im BtarienfranfenBaufe mit. 48 Jt. 22 ff. $ur 
Saft legte. 

ÄnS ber feBr eingeBenben Begrünbung beS UrtBeilS feien folgenbe 
©äße B e roorgeBoBen: SBenn ein hanbmerfSmeifter eine für einen Be- 
ftefier auSgufüBrenbe Arbeit nicht allein auSfüBren fann ober will, 
fonbern baju ©eBülfen Biagugiep ober bie gange Arbeit burcB folcße 
auSfüBren läßt, fo ift eS felbftoerftänblich feine ©acBe, fold^e ©eBülfen 
gu wäßlen, bie bagu fäßig finb, unb ße ferner Bei ber Arbeit gu leiten 
unb gu Beaufficßtigen. Die ©eBülfen fmb oerpflichtet, ben bieSBegüg- 
Ucßen Änorbnungeit ißreS SlrBeitgeBerS golge gu leiften. (§. 121 @.-D.) 
Bemerft ber ÄrBeitgeBer, baß bie angenommenen ©eßülfen nießt bie 
gäßigfeit Beftßen, bie übernommene Arbeit orbnungSmäßig auSgufüßren, 
ober leiften fte feinen Slnorbnungen feine golge, fo muß er, um pcß 
gegen ©cßaben gu feßüßen unb bie $erfieHung beS oerfproeßenen SßerfeS 
gu erreießen, bie Arbeiten ben Bisherigen ©eßülfen entgießen unb fte 
anberen ©eßülfen übertragen. SSBenn bie SlrBeitneßmer ben Slnorb* 
nungen beS Arbeitgebers burd^aus feine golge BaBen leiften wollen, 
alfo fuß BeßarrlidB weigern, ben ißnen oBUegenben Berpflicßtungen 
naeßgufommen, wirb ber Arbeitgeber bann feinen ©cßaben erleiben, 
beim er fann fie auf ©runb §. 123 3 ber ©ewerBe-Drbitung oßne Hünbi* 
gung entlaffen. SBenn bie ©eßülfen nießt bie gäßigfeit Befißen, bie 
Arbeit orbnungSmäßig gu oerrießten, fo fann ber Arbeitgeber, wenn er 
fo oorficßtig gewefen ift, oon oornßerein Bei ißrer Slnnaßme gu oerein* 
Baren, baß baS ArbeitSoerßältniß oßne oorßerige Hünbigung jebergeit 
gelöft werben fönne, fie ebenfalls oßne SBeitereS fofort entlaffen. 3ft 
bie gefeßließe Hünbigungsfrift aber nießt auSgefcßloffen worben, fo muß 
ber Arbeitgeber, wenn er fie nießt Bei einer anberen, etwa Ietcßteren 
Arbeit Befcßäftigen fann unb baßer burcB bie (Stnftedung ber neuen 
©eßülfen ©cßaben erleibet, biefen ©cßaben in ber Begel felBft tragen. 
Heinesfalls barf ber ArBeitgeBer ben unfähigen ober feinen Anorb* 
nungen nießt golge leiftenben ©eßiilfen ben oereinbarten Soßn für ißre 
Dienftleiftungen oorentßalten, Iebtglidß mit ber Begrünbnng, baß bie 
Arbeiten fcßlecßt ausgefallen unb oom Befteßer Beanftanbet feien, baß 
ißrn bureß bie Umarbeitung ein ©cßaben erwaeßfen fei, ben er ben ®e- 
ßülfen in ©egenreeßnung Bringen woße. Durcß ben Dienftoertrag wirb 
berjenige, ber Dienft gufagt, nur gur Seiftung ber oerfproeßenen Dienfte 
oerpfließtet; eine ©arantie bafür, baß bureß biefe Dienfte baS gu oer* 
arbeitenbe SBerf aueß gur 3 u friebenßeit eines Dritten (beS BefteßerS) 
auSgefüßrt werbe, übernimmt ber Arbeiter felbftoerftänblicß nießt. 

©inb bie Dienfte mit ©inoerftänbniß beS Arbeitgebers gu ©nbe 
gefüßrt, fo Bat biefer bie oereinbarte Bergütung gu gewähren, einerlei, 
ob baS ArbettSprobuft oom Befteßer angenommen wirb ober nießt, 
Begw. ob bem Uebemeßmer bureß bie Bicßtabnaßme beS SBerfeS etwa 
ein ©eßaben erwäeßft. 

9fur in einem gaße fteßt bem Arbeitgeber etn Regreß gegen feine 
©eßülfen gu, nämlicß bann, wenn er ftrifte naeßweift, baß bie Sfticßtab- 
naßme beS SBerfeS Begw. ber ißm babureß erwaeßfene ©cßabeii tßat* 
fäcßließ nur ober ßauptfäcßlicß bureß ißr Berfcßulben BerBeigefüßrt ift. 
(Bergl. Dernburg, $anbeften. Bb. II §. 37, ©eßluß.) 

3m oorliegenben gaße ßat nun ber Beflagte bie Kläger ißre Ar¬ 
beiten rußig gu ©nbe füßren Iaffen, fte ßaben baßer Anfprucß auf ÄuS- 
feßrung beS ißnen noeß nießt gegaßlten BoßnrefteS. Die Beweisauf¬ 
nahme ßat ßinpcßtließ beS Baues auf ber §oßenweibe nießt ben Beweis 
erbracht, baß bie ©cßulb an ber fcßleeßten Arbeit nur ober ßauptfäeßließ 
bie Kläger treffe. Der Beflagte ßat fteß wenig um bie fraglichen Ar¬ 
beiten Befümmert unb bureß bie Kläger fämmtlicße 3imnter fertigfteßen 
Iaffen, oßne bie Arbeiten gu fiftiren. ©eine eigene 3 u friebrnßeit mit 
ben Arbeiten erßeßt aus bem Umftanbe, baß er aße Soßngaßlungen auf 
biefe Arbeit oerreeßnet unb Bis auf einen Keinen Beft oon 11 JC begaßlt 
ßat. Den fiegeplan ßat ber Beflagte ben ©eßülfen nießt OTitgetßeilt. 
Baeß aßebem erfeßeint bie ©egenforberung beS Beflagten, fomeit pe 
fieß auf ben Bau $oßenweibe Begießt (44 M. 90 ff. unb 87 JC.) un- 
Begrünbet. 

Änbers oerßält es fteß mit ben in ©egenreeßnung gefteßten Beu- 
arbeiten im Btorienfranfenßaufe (43 Jt. 22 ff.) Das ©erießt ßat 
namentlich aus ben AuSfagen ber 3 c «0 e tt ©«B unb 6 t« bie UeBergeugung 
gewonnen, baß bie Kläger Bier außerorbentUcß naeßläffig gearbeitet unb 
baß bem Beflagten leine ©cßulb baran trifft, ©in bem ©erießt oon 
ben Klägern felBft oorgelegteS ©tücf beS Betreffenben 3immerBobenS ßat 
bie Bießtigfeit ber 3 eu 0*nauSfage bargetßan. $ier trifft bie ©eßulb an 
ber fcßleeßten Ausführung ber Arbeit lebiglicß bie Kläger. Daß bie mit 
48 JC. 22 ff. Bereeßneten Beubauten tßatfäd^licß ßaben auSgefüßrt 
werben müffen, nimmt baS ©erießt bureß bie AuSfage beS 3^*0«« ®« 
als erwiefen an. Diefe ©egenforberung beS Beflagten ift alfo Be* 
grünbet, unb war barum gu erfennen, wie gefcBeBen. 




111 


$aS ©eroerbegeri^t SJttttfjrilungen be$ ®erbanbeSbeutfcher©eroerbegeri(btf. 9h:. 9. 


112 


\Sat ber Aff orbarbciter Aitfpruch auf ©ntfchäbigung für 
bte 3 eit, lüährcub ber er rocgett WatertalmangelS utdjt ar* 
beiten faitn? 

Heber bieie lüicfitige grage hat fid) bas ©erocrbrgcridjt in Stettin 
-folgertbermafjcn ansgeiprodjrn: „Dtc Vereinbarung non Afforbarbeü ifi 
in ber Stege! io 31 t ocrftelicn, bag bie Sciftung bcftimmter Arbeiter bcn 
50?afjftab für ben 'Betrag bes beut Arbeiter 31 t jablenben Arbeitslohnes 
abgeben fofl. 9?atürlirfje VorauSfcbnug, ift bann aber, baft ber Arbeit' 
geber beit Arbeiter in bic &agc verfemen ntufe, ohne ?(nfrntf)alt flott 
fortjuarbeiten, baft ber Arbeitgeber* atfo mSbefonbcre baS notbroeubige 
Material bent Arbeiter bereitliattcn muf 3 , beim fünft mürbe bie 3 u* 
oerläffigfeit jene* S.Vanftabe* ooflfoutmen oerfagenf — Der Arbeitgeber, 
meldier bett Arbeiter auf Material batte märten laffeit, mürbe beshalb 
, 5111 ' Gablung einer entfprrcfjenben (fntidiäbigitug uerurtbeilt. 


jMgettteittep über (Bewediegerldjte und 
^rbeitsuertrug. 

Ans bett göhreSbcritfjten ber ©ctoerbegertdjde. 

(fingegaitgcn finb bie Veridjtc ber ©eioerbegerichte Altona, 
Iftefelb, Sßaiitg, Siitben, Drier. 2öir entnehmen biefen Ve* 
richten bieSntal nur groei Stellen, bie eine — betr. bie größere 
9ted)t^fenntni6 ber Arbeiter, unb bie 9te<htSunfenntni& fperteil 
ber ft ein er en Unternehmer — bent (frefelber Verid)t, bie 
aiibere — bie $otf)roeubigfeit unb Drganifation ber fauf* 
nt ättnif d)en ©eroerbegerichte — bem beS 9}tainjer ©eroerbe* ; 
geridjts. Veite fünfte ftnb f<f>on mehrfach in biefen ^Blättern bc* 
banbeit; bei ber beroorragenbett 23id)tigfeit, roelcbe fie traben — ; 
ber eine roegett ber gegen bie ©eroeroegerichte unaufhörlich er® 
bobenen Angriffe,*) ber anbere megett ber in biefen blättern ftets 
oertretenen, "inSbefoitbere für fleinere ©eroerbegerid)te gerabe^u un* 
entbehrlichen AuSgeftaltung ihrer ft'ompeten 3 — erfd^eint bie lieber- 1 
gäbe bet* Darlegungen in ^o^em ©rate roiinfd)enSroerth. ; 

(Srefetb berichtet: „Die im Saufe bes gahreS gemachten Ve* ; 
obadjfitngen hö&™ ergeben, bafc bie ftenntnife ber für baS geroerb* * 
lidje Sebett roiehtigften ©efebeSbeftimmungeit ficb $mar immer 
meiter ausbreitet, aber mehr in ben Greifen ber Arbeiter als unter : 
ben Arbeitgebern. Von ben Sefcteren finb es oorroiegeitb bie ; 


*l Diejenigen ftollegeu, melcbe in ber Verwaltung oon gcmerb!id>eu ; 
Aurtbilbuug$fd)ulcn mit tfjätig ftnb, eutuebmeu aiis ber SBiebergabe 
tiefer Klagen ein uietfeidjt feljr roillfoutmenes Argument für bic Aotl)* 
mcnbtgfeit ber Einführung ber ©efejjesfunbe als Unterrichte* ’ 
gegenftanb in ben oberen klaffen bes gortbiIbnngs=Unter* 
ridjtS. Die Sieb. 


Heineren Unternehmer, melcbe ben gefeilteren Vefiimmurtgen 
häufig gu ihrem eigenen Schaben nur geringes gntereffe ent* 
gegenoringen. VemerfenSroerth ift meiter, ba& bauptfärf)ltcf) bie 
fleiiteren ©eroerbetreibeuben es oielfach oerabfäumen, mit ihren 
Arbeitern über bie roefentlichften fünfte beS ArbeitSoertrageS 
(Höhe öeS Sohnes unb ^ünbigungSjeit) beftimmte Vereinbarungen 
31 t treffen." 

Das Sttainjer ©eroerbegerid)t, baS, wenn aud) nicht conti a 
legem, fo bod) praeter legem, gefejjlicb unoerpfltchtet, uudj bie gütliche 
Vermittelung oon Dienftboten*Streitigfeiten oerfud)t, fagt am 
Sdjluffe feines Verirf)teS: „Sieben ber AuSbebnung auf bie im 
©efinbebieitft befchäftigten ’ißerfoneti unb bte lattb* unb forftioirth 5 
fdjaftlidjen Arbeiter mürbe aud) bte 3un)eifnng oon Streitigfeiteu 
tpifdjeit Angehörigen beS 5faufmamtftaubeS eine banfbare Aufgabe 
iir bie ©emerbegeridjte bilben. SBenn auch oielfach bie Chrirf)tung 
felbftftänbiger fauftttänttifcher Schiebsgericbte oerlaitgt, an bereit 
feitS toieber bie Anglieberung an bte Amtsgerichte befürmortet mirb, 
fo biirfte hoch bic Vereinigung mit ben ©emerbegeridjteit — 
oielletd)t mit Vilbuna befonberer itamntern — utnfontebr ben Vorzug 
oerbienen, als bie Verhältniffe ber Angeftellteit im .fianbelSgerocrbe 
mit benjenigett ber gemerblid)en Arbeiter in oielen fünften Achn* 
lichfeit höben, bie Veftiutmungen beS ArbeitSoertrageS nid)t aÜ^ti* 
meit 0011 einanbet* abmeidjen. Sücht sunt Viinbeftcn bte §anbIurtgS* 
geplfen, bie jumeift einzig auf ihren ©ehalt angemiefen finb unb 
bei nicht orbnungSmä&igcr Söfung beS Dienftoerhältniffe* felir 
leicht in eine mifelidje Sage fonttneit fönnen, haben ein fyerDov* 
ragenbeS Sotereffe an ber uugefäumten Schlichtung 6 e»tef>eitbcr 
Streitigfeiten, ait einem einfachen, billigen ttttb ftbgefürjten 
^rote&oerfahren, baS gleichmohl aber bitrcf) bie Anroenbmig ber 
für baS amtsgerichtliche Verfahren geltenbeu Vorfdbriften ber (iioil* 
projefeorbnnng einer ftrertg gefefeltdjen Siegelung nid)t entbehrt, 
^ebenfalls fönnte burch bic AuSbehmtng ber 3uftäitbigfett auf bie 
im .fianbelSgemerbe thättgeu ^erfonert ber oielfach — menigftenS 
für ©emeiitben oon beftimmter ©röfee unb .mit entmicfcltem ©e* 
merbebetrieb angeftrebte obligatorifche (SharaFter ber ©eroerbegeridjtc 
dm eheften burchgefiihrt roerben. Da& biefelben aber reiht mohl 
in ber Sage finb, auch Streitigfeiten ber Äaufleute mit (Srfolg 
eiii 3 ugretfen unb ben ®efd)äbigten in furnier grift ju ihrem 
Sterte jn oerhelfeit, bürfte AngefidbtS ber feitherigett Dhätigfeit ber 
^eroerbegerichte mohl unbebenflid) 3 ugegebeit merbett. Das mit 
bent 1. 3uli 1898 in 5Fraft getretene neue öfterreid)ifche CSemerbe* 
aertchtSgcfeh, roeldjeS nach oerfchiebeitcn Stichtuitgen bemerfenSmevthe 
Verbeffernngen aufroeift unb in ber fachlichen 3 uftänbigfcit otel 
meiter geht, als baS beutfehe ©efefe, Frat bemt auch bie int fianbels= 
geroerbe befchäftigten ^erfonen ber 3 öftänbigfeit ber ©eroerbe- 
gerid)te unterftellt ttnb baburd), ba| bie hier oorfommenbcn 
Streitigfeiten in befonberen Abteilungen gnr (£ittfd)eibung ge= 
bracht merben fönnen, bie grage in ebenfo einfacher als 3 roe\f* 
mäfetger Seife gelöft." 


SM|e*f4*iffc ^entralblatt für So^^olUtf^. 

(Herausgeber; Dr. ©. granefe, Verltn; Verlag oon Duncfer & 
Humblot, Setpjtg. 3 U Bestehen burch fämmtliche ^oftanftalten | 
unb Vuchhönblungen jutn oon 2 J(. 50 Vf. für baS Viertel* I 
jahr einfchlte|lich ber VtonatSbeilage „DaS ©emerbegericht".) 1 

guhalt 0011 9tr. ‘J5: Die Väcfereioerorbiimtg in ber VrariS. j 
Von Vrof. Dr. ft. Dlbeiiberg, Vfarbnrg. — Der (Soaugelifch* 1 
Soziale ftongreft in ftiel; Darifoereinigungeii; Die Vergebung 
fisfalifdjer Arbeiten in V^nfjen unb bie Streifflaufel; 3 lir Aus* 
legung bes fächfifchen VercinSrechtS; Die 93ahie 11 ber Arbeite* 
fainmcru in Arnfterbam; internationaler ftongreg für jovial* 
minenfdjaftlidjes llnterriditsmefen 1900 in VariS. — ©enteinb* 1 
■liehe gürforge in ber 93ol'mungsfrage 311 9JMind)en; StäbtifdheS 
■JRegulatio für Vergebung oon Arbeiten an ArbeitSlofe in Cffen* 
bad) a. 9)Z.; AlterSoerforgung oon ©enteinbebeamten in ©lasgom 1 
unb Dartmouth- — Vetradjtuiigen über bie biesjäljrigeu Sohn* 
bemegnugen im Sdjueibngeioerbe. Von 3ol)a 11 ues Di mm, 
Arbeiterfefretär, 3Rüiidjeit; Der zehnte internationale Vcrgarbeiter* ' 


fongreß; Der erfte ftoitgrefe chriftlicher ©emerffdjaften; Äongreg 
ber öoangelifchcit Arbeiteroereine in Altona; Der Verbaub ber 
fatholifchen Arbeiteroereiue in Sübbeutfchlaitb; diu Verbaiibsbaus 
ber bcutfdjen ©eroerfoereine in Verlin: ©nbc beS Väcfcrftreifcs in 
München; ftantpf um beit 3 f B u ftun&entng in Vrümt; (fine 
9RatfenauSfperrung in Dätientarf; Vergarbciterbcmegung in Siib* 
fraufreich. -p gahresberi^t ber h^fPfthc'» ©croerbc * giifpeftion: 
Die ©emerbeaufficht in Söürttemberg. — Vrnportioital * 9Bahl für 
bic Allgemeinen CrtSfraufeuFaffeu in grauffurt a. Vt. Von 
gabrifaut Vh- Hcr 3 *i)tills, grauffurt a. 9tt.; Äongrefe ber 
ftraufenfaffeu Deutfchlaubs: Die Arbeiter*ftiaufeuoerficheruiig in 
Defterreich; Die Hauptergebuiffe ber öjtcrreidjifchen Uufallftätiftif 
für bic gaf)re 1890 bis 1896; 3^r Drganifation ber gemerblidjen 
ilufalloerfidjerung tu graufreid); DaS ftraufeu* unb Unfall* 
oerfidjerungsgefep in ber Sthioc^; Verfichcrmtg gegen ArbeitS* 
lofigfeit in Amerifa. — H- gioefeS Schrift „gabnfanteugliief": 
Berichtigung. Der Duberfulofe * ftougreg in Verlin; Stäbtifd;e 
©efuubheitsiiifpeftoriunen in (Suglaub. — inhaltSangabe bes 
„©emerbegertd)ts" 9ir. 9. 


©etoerbegetic^t* etföeint am erften ®oimcrftarge leben SRonatS tm 3Jllnbeftumfange t>on V> ©ogen jum ©telfe bon 1 2tt. — »efleHungen 

• nehmen fämmtlitbe ©oftanftatten (©oftaeitungfinummer 2877) unb ©ud&b<mblungen on; e in bitettet ©eaug non bet ©exrag«bud&banbtung finbet ni^t flott 


»erlag 001t »untfet * fcmn&rot, Seipjtg. - «ebrurft bei 3 aliu 8 €Utenfeib in ©erlln W. 









IY. Sa^rgoitg. 


«Berlin unb granffurt a. 2W., ben 6. 3uli 1899. 


Slntnmer 10. 


ins ©rroerbegeridit. 

Zniitfjeiluttgen bes Derbanbes beutfcfyer (Semerbegertchte. 

SBerantroortlidj für bie SWebaftion: ber ©efdjäftSfüfjrer beS SSerBanbeS, ©tabtraCI) Dr. granffurt a. 3 71. 

frf#*ta! tm «fl» |*U« ___ ?«i« lljrfift I &«*&. 

- r sr- >• — vi 

©erlag oon Sundet ft £umMot, Seidig. ~ ’ ~ Koftenfrrie »eilage $ut „©ojialen ©rajrf«*. 


Inhalt 


S)te ßuläffigfeü bet ©erufung 
gegen Urtbeile ber ©eteetbe» 
getitbte. ©on ©tabtratb ©uno, 

Königsberg i. ©r.113 

3)et ©efefcentlourf jum ©d>ub 
befl gern erblichen ärbeitSöer* 
höltniffe«. ©on ©tabtratb Dr. 
St. glefcb, granffuri o. 3J?-116 

$*itrtrprtitiiiiig.117 

gatten ©trafjenbabnen unter §. 6 ber 
©etuetbeotbnung? (©etoerbegertebt 
Stuttgart.) 

.Unternehmet ober Strbeituebiuer? 
SftecbtSöerbältnife eine« ttRanneö, ber 
al« Scbadjtmeifter angenommen mar 
unb im Slfforb eine Arbeit über» 
nommen butte. (ßanögeriebt ©uiS* 
bürg unb ©emerbegeriebt ©rauben* 
bürg a. #.) 

Sit ©orbalt eine« förderlichen ©e* 
breeben« grobe ©eteibtgung im Sinne 


bon §. 124* 96? (©emerbegeriebt 
ÖubmigSbafen am Wbein.) 

Kann ber ohne ©inbalten ber Kün* 
bigungöfrtft au?tretenbe Arbeiter bor 
Slblauf ber grift ein 3eugnife fotbern? 
(©emerbegeriebt SDortmunb.) 

2)ie bem Sebrling attmödbentlicb ein* 
behaltenen ßobntbeÜbetrSge 'dürfen 
bei ftuflöfung be« Sebroeslaltniffe« 
nicht oorentbalteu metben. (©emetbe* 
geriebt granfcntbal.) 

JlUgfmritu* über rtt&t* 

unb Jtrbfiteerirßg.123 

9tu« ben 3abre«bericbten ber @e* 
merbegeriebte. 

gertanb*-3lttg*ltgettbetUn... 124 

©eitrittöerflörung. 


3nbalt«angabe ber „Sozialen ©raji« w . 


Iflbbrucf fümmtlicber «rtifel tft Bettungen unb 3«itfdbriften geftattet, iebodj nur mit 
oottet Quellenangabe. 


Bit Juläfflgbtit ber fierafnttg gegen Mrtyelle 
ber (beraerbegeridfte. 

©on Stabtratb ©uno, Königsberg i./©r. 


§. 55 be« ©eroerbegericbtSgefcpeS fd) reibt oor, bafj bie 23e- 
rufung gegen Urteile ber ©eroerbegeriebte nur guläffig ift, „wenn 
ber ©ßertb be« Streitgegenftanbe« ben ©etrag oon 100 ht. über« 
fteigt". lieber bie Auslegung biefer ©eftimmung finb gang entgegen- 
gefegte ©ntfd)eibungen ergangen. 

$>a« &anbgerid)t ©erlin I, ©ioilfammer 8, in ben Urteilen 
00 m 21. Öebruar unb 28. $)egember 1894 * 1 ) unb feitbem ftänbig, 
ba« 0berlanbe«gerid)t ©Ründjcn 2 ) in einem ©efdjluffe Pom 20. Suni 
1S92 ^aben angenommen, bafj eine gemäfj §. 138 ber ©ioilprogefc- 
orbnung angeorbnete ©erbinbung mehrerer Streifacben mit einem 
©ßertb je unter 100 Ji. bie Solge bot, bajj, wenn bei bem nach 
ftänbiger 9ted)tfpred)ung ((gntfcf). be« Reichsgericht« ©b. 5 S. 354, 
23b. 6 S. 416) crforberlicben 3 u f ammcnrct ^ nen ber oerfebiebenen 
Streitfilmmen ein ©ßertb oon über 100 <AL fid) eraebe, nunmehr 
bie ©erufung guläffig fei. 2lnbererfeitS ^at baS £anbgcri(f)t ju 
©reSben, 5. dioilfammer, burtf) Urteil 00 m 29. Oftober 1897 3 ) 
bie ©erufung für unjuläfftg gehalten, obwohl ba§ ©emerbegeriebt 
.burdb ©erbinben mehrerer ©ro 3 effe, beren jeber einen ©egenftanb 
unter 100 </ft. betraf, über einen 6treitmert| oon me^r als 100 *4L 
entfebieben ^attc; unb bie ßanbgericbte gu ©raunftbmeig unb 
©remen b^cu, erfteres bureb llrtbeil 00 m 14. 2lpril 1898, 4 5 6 ) bie 
©erufung in Stillen fü r guläffig erachtet, in benen bie gur 3 e ü 
ber Klageerbebung 100 ,AL überfebreitenbe Klagefummc mäbrenb 
beS gemerbegeritbtlicben ©erfabrens auf unter 100 <AL ermäßigt 
mar, fo bafe in bem llrtbeil beS ©emerbegeriebts über einen Streit* 

9 ©gl. Unger, ©ntfebeibungen be« ©emerbegeriebt« ©erltn, Wr. 229 
iS. 264. 

,J ) ©gl. ©I. [. fogialc ©raji^ 9lr. 83 ©. 39 ( 00 m 2. Sluguft 1894). 

3 ) 3. Jahrgang 8p. 46. 

*) 3. Jahrgang 8p. 118. 


roertb unter 100 riC Gntfcbeibung getroffen mar. $>ie gulept ge¬ 
nannten brei ©eriebte berufen fid) gur ©egrünbung tbre« llrtbeil« 
auf §. 4 ber ©ioilprogefjorbnung, meiner beftimmt: 

^gür bte SBcrtbberecbnung ift ber 3ritpmift ber Klageerbebuug 
entfebeibenb" 

Sie folgern barau«, bafe für bie naeb S- 55 nötige ©e- 
retbnung be« 2ßertbe« be« Strcitgegenftanbe« ,,ber in ben ©rogefe 
in ber erften Stiftung bureb bie Klageerbebung eingefübrte 2lnfprud) 
in bem Umfange gur 3 e it btv Mlageerbelumg mafegebenb ift". 
(Sanbgerid)t Bresben a. a. D.) Sn biefer ©egrünbung roirb bem 
§. 4 ber Gioilprogefeorbnung eine ©ebeutung beigelegt, bie er nid)t 
bat. 2Bäre biefe Auslegung richtig, fo mürbe in jebem ©rogefe 
ber ©ßertb be« Streitgegenftanbe« bureb ben urfprünglichen Klage¬ 
antrag, mie er in ber gugefteüten Kiagefcbrift (§§. 230, 460 
d.©.D.) enthalten ober (im 2lmt«gericbt«progefe) ohne fcbriftUcbe 
Klage münblid) oorgetragen ift (§§. 461, 471 &©.£).), ein für alle¬ 
mal fijirt. S)ie ©eftimmung in §.467 ber (Moilprogefjorbnung, roonad) 
bei einer nachträglichen drroeiterung be« ursprünglichen Klageantrag« 
auf mehr al« 300 JC. ba« öanbgencbt guftänbig roerben foü, mürbe 
eine 2lu«nabme oon ber ©eftimmung in §. 4 barftcllen. Sn ber 
£b<it beftimmt §. 4 nur, bafj ber ©eredmung be« SBertbe« bc« 
— im Saufe be« ©erfahren« oielleicbt mecbfelnben — Streitgegen- 
ftanbe« ber S^itpunft ber Klageerljebung gu ©runbe gu legen ift, 
nicht ba& nur ber gur Qci t ber Klageerbebung geltenb gemachte 
Streitgegenftanb bei ber 2öertbberecbnung gu beriieffübtigen fei 
dine Senberung be« Streitgegenftanbe« nach ber Klageerbebung 
fann eintreten: 

1. bureb drmeiterung ober ©efcbräitfung be« Klageantrag« 
(§. 240 Wr.2 a.©.0.); 

2 . roenn ftatt be« urfprünglid) geforberten ©egeuftanbe« megeu 
einer fpäter eingetretenen ©eränberung ein auberer ©egcnjtanb 
ober ba« ^ntereffe geforbet mirb (§. 240 g^r. 3 d.©.D.); 

3. burd) Antrag auf geftftellung eine« im Saufe bc« ©rogeffc« 
ftreitig geroorbenen Stted)t«oerl)ältinffc« (§. 253 d.©.0.); 

4. burd) drbebeit ber SSiberflage (§§.33, 251, 253 (£.©.£).); 

5. burdi ©erbinben mehrerer ©rogeffe (§. 138 ©.©.0.); 

6. burd) trennen mehrerer in einer Klage erhobenen Stn|prüd)e 
(§. 136 ©.©.0.). 

^)a6 in atten biefen gäEen — 0011 ber ©orfebrift be« §. 467 
ber ©ioilprogefjorbnung abgefeben — eine 2lenberung ber 3n* 
ftäubigfeit be« ©rogefeaerid)t«, etroa roeil in ben Sätten gu 1, 2 
ober 6 ber 8treitmertb unter 300 <AL finft, nicht eintritt, ergiebt 
ficb nid^t au« §. 4 ber ©ioilprogefjorbnung, fonbern folgt au« ber 
auSbrürflicben ©eftimmung in §. 235 9lr. 2 ber ©ioilproge&orbnun^. 
§. 4 beroeift alfo für bie hier SU erörternbe Streitfrage, ob für bie 
©eurtbeilung ber 3 u Iöffigfeit ber ©erufung e« auf ben — feinem 
©Berthe nach nach ber 3 e ü ^ Klageerbebung gu bereebnenben — 
Streitgeaenftanb gur 3^it ber Klageerbebung anfommt, ober ob 
nachträgliche Slenberungen be« Streitgegenftanbe« gu beriieffiebtigen 
finb, gar nicht«. 

2lu« ben ©efebeSmaterialien ift für biefe Streitfrage aud& fein 
Inhalt gu gemimten. ©« ift im Reichstage nur barüber geftritten 
morben, ob für bie 3ulaffung ber ©erufung ftatt be« 2Bertb« be« 
Streitgegenftanbe« ber ©ßertb be« ©efebmerbegegenftanbe«, mie bei 
ber Sleoifion (§. 508 ©.©.0.), maBgcbeub fein fotte. 2)er be- 
güglidje Antrag be« 2lbgeorbneteu Klemm mürbe abgelebnt. 

©Ht oottem SRedit mirb au« biefem Hergang bei ber ©eratbung 
gefolgert, bafe nach 2lbfid)t ber gefebgebenbeit gaftoren, bem ©ßort- 
laut ber ©eftimmung entfprecbenb, für bie 3 u läffigfeit ber ©e- 
rufung nicht ber ©ßertb be« ©efdpoerbegeaenftanbeS entfebeibenb 
fein fott, nicht ber ©etrag, um meieren ber ©erufungSfläger bureb 
bie angefoebtene ©ntfebeibung oerfürgt fein roitt, Den er burd) 








115 


$)a3 ©eroerbegeridjt. Mitteilungen be« VerbanbeS beutfter ©eroerbegerichte. 9fr. 10. 


11« 


bie Berufung not S u erftreiten ftrebt, fonbcrn ber SSerth bes 
0treitgegenftanbeS erfter gnftang. 5 ) das Urteil beS Sanb* 
gerid)ts dreSben glaubt inbeffen au§ ber Vegriittbung, mit 
roeldjer ber Antrag Klemm oom SRegierungSfommiffar unb anberen 
Vebncrn befämpft mürbe, not einen roeitergehcnben 0 d)luf 3 sieben 
gu föitnen. ©S mürbe gur Vegrünbung ber angenommenen gaffung 
auSgefüfjrt, eS fei ermtinftt, oon oornljerein überfe|en gu 
fönnen, ob in einem oor bem ©eroerbegericht anhängig gematten 
s ]*rogeffe bie Berufung guläffig fein mürbe, daraus mirb ge* 
folgert, es fei 5Xbficf»t ber gefefcgebenben gaftoren gemefcn, baf; für 
bie 3uftiffigfeit ber Berufung ber Söertf) be^ ©treitgcgenftanbeS 
gerabe gur 3eit ber Klageerhebung ohne Vücffidjt auf fpätere 
Verätiberung mafcgebenb fein folle. 6 ) demgegenüber ift gu erroägen, 
baß baS in jener Aeußerung begeidjnete 3iel aut erreitt mirb, 
menu nur überhaupt im £aufe beS geroerbegerichtlichen Verfahrens 
erfennbar ift, ob baS Urtheil berufungsfähig ift ober nitt. Aus 
biefein oom ßanbgeridjt felbft als nitt fehl* ftithaltig begegneten 
©runbe ift bie gijirung ber ©ntfdjcibitng über bie VerufungS* 
fähigfeit auf ben Moment ber Klacjeerhebung nicht nöthig. 

der SBorttant ber Vorfchrift jpritt nicht für bie Auslegung 
beS £anbgerittS. §. 55 roid beftimmen, baß bie Vernfuttg gegen Ur* 
theile ber ©eroerbegerichtc guläffig ift, meitn ber SSertß oeS Streit* 
gegenftanbeS erfter gnftang 100 . <AC überfteigt; ber 0treitgegen* 
ftanb fann fit im Saufe ber erften gnftang ändern. da liegt es 
bot am nätften, ben 0treitgegenftanb als maßgebenb angufehen, 
melter gu ber 3ctt oorliegt, ba bie Berufung in gragc fommt, 
bas ift gur Qcit beS UrtheilS. ©S ift fünftlid), in bie V>orte ben 
0inn hmcingutegen, baß bei ber Prüfung, ob baS Urtheil be* 
rufungSfähig ift, ber Söerttj eines gur 3eit ber UrtheilSfädung 
nicht mehr oorhanbenen 0treitgegenftanbeS maßgebend fein fott. 
daß auf einen gu einer früheren yeit, gur 3eit ber Klageerhebung 
oorliegenben 0treitgegenftand guriicfgugreifen fei, hätte auSbrücflich 
befiimmt merben müffen, ähnlich mie nur bie befottbere Vor* 
ftrift in §. 235 9fr. 2 ©ioilprogeßorbnung eS auSf fließt, baß bie 
oom Serth abhängige 3uftänbigfeit fit mit Aenberung beS Streit* 
gegenftanbeS änbert. diefe Auslegung, baß ber — nad) ber r $t\t 
ber Klageerhebung gu beretnenbe — 9Berih beS gur 3*it bes llr* 
theils oorliegenben StreitgcgenftanbeS für bie 3uläffigfeit ber Vc* 
rufung inaßgebcnb fei, entfprid)t aut ^ cm 3me<f ber Vorfchrift. 
Man hat baS ^Rechtsmittel ber Berufung nur gemähren modelt, 
menn baS ©eioerbcgeridjt über ein Streitobjeft oon bebeutenbem 
v Berth ©ntfdjeibung getroffen hat. £at ber Kläger nrfpriinglicf) 
200 c M geforbert, feinen Anfprudj aber auf 20 Jt ermäßigt, fo 
oerfagt ber gefefcgeberifdje ©rnnb für bie 3ulaffung ber ^Berufung. 
§at er umgefehrt ben auf 20 JL lautenben Klageantrag im Saufe 
beS Verfahrens auf 200 erroeitert, fo liegt ber gad oor, in 
roeldjent ber ©efeßgeber bie Berufung hat gulaffen tooden. 9fad) 
ber entgcgcngcieijten Auffaffuug, roeld)e bie 3uläffigfeit ber Ve* 
rufung burd) beit Streitgegenftaub gur 3rit ber Klageerhebung 
feftgekgt artfieht, hätte ber Kläger es in ber £>anb, bie ^Berufung 
baburt auSgufdjließen, baß er gunätft unter 100 ,/({ einflagt unb 
bann ben Klageantrag beliebig ermeitert. Slnbrerfeits fann ader* 
bingS ber Kläger einem Verfahren bie VernfungSfähigfeit nehmen, 
inbent er ben urfprünglid) auf über 100 dl lautenben Klageantrag 
auf 100 c /// unb barunter beft^änft. das hat aber fein Vebettfen. 
©nhoeber mufe er auf ben Mehrbetrag oergid)ten, fo bah ber gefefc* 
geberiftc 3mecf beS SluSfihluffeS ber Vernfuitg gutrifft, meil nur 
ttodj ein geringer VcrmögetiSmerth ftreitig ift: ober aber, menn er 
feine höhere gorberung aufretterhält, unb nur ben Klageantrag 
befdjrättft, bietet er bem Veflagten bie Möglitkit, bunh Erheben 
ber SSiberflage bie geftftedung bes 9fittbefteheuS ber gangen 
gorberuitg gu beantragen unb infomeit bie VerufuttgSfähigfeit gu 
erhalten. §. 55 ift baljer fo ausgulcgcn, als ob bie Veftimmnng 
lautet: 

Xic Berufung ifi mtr gulaffig, menn ber l^crtl) bc$ bet SdjlutJ 
bcrjenigcn miiublidien Verbatibhmg, auf meldic bai? llvtbeil ergeht, uor* 
liegeuben StrcitgegfiifianbeC' beit betrag oon cinluutbert SKarf überfteigt. 


5 ) Vgl. Urtbeil beS 2aubgertd)ts5 Aiiiiitdieit oom 'l'l. Märg lsii-3, 
VI. f. fog. Vrariy ^ir. 70 3. «, bes? ^anbgertelils? Xuioburg oom 15. ?lprtl 
lsoo, cbctiba ^ir. 103 0. 223. Xas 2aubgerid)t Königsberg i. 'pr., 
(iioilfammcr I, bat in einem ftafle, in locldieiii Vcflagter gur Gablung 
oon 250 ji . oerurtlieilt mar, aber nur loegeu eines Iljeilbetrngcs oon 
ss ji Verutuug eingelegt batte, burdi llrtljctl oom H. at lsiis bie 
'-Berufung für uuguläffig eradjtet mit ber Vegriinbuug: „bau biermit 
mir ber 'Biertlj bes in ber Verufungsinftang gelangeubeu 3treitgcgen= 
ftatibes gemeint ift, fann feinem ^meifel unterliegen“ (!!) oin Vlid in 
bie .Bi’atcrialien ober and) nur in einem Kommentar hätte bas 2aub* 
geirdit Königsberg oom ötegeutbeil übcrgeugcn müffen. 
ü j Meioerbegcridjt III 3. lls. 


daraus ergeben ftdj nachftehenbe golgerungen: 3Beitn ber 
VSerth beS 0treitgegenftanbeS gur 3cit ber Klageerhebung hoher 
als 100 </tL mar, aber burd) Vefchränfung beS Klageantrags ober 
burch gorbem eines anberen ©egenftanoeS ober beS gntereffe 
megen eingetretener Veränberung ober burch drennen mehrerer in 
berjeiben Klage erhobenen Slnfprüche fich geänbert hat, fo baf$ er 
gur 3eü bes UrtheilS 100 vH, unb barunter beträgt, fo ift bie 
Verufung nicht guläffig. lleberfdhreitct ber Vkrth beS 0treitgegcio 
ftanbeS gur 3 e ^ ber UrtheilSfäuung in golge ©rmeiterung bes 
Klageantrags, gorbemS eines anberen ©egenftaubeS ober bes 
gntereffeS, Antrags auf geftftedung eines ^edjtSoerhältniffeS, Ver* 
binbeus mehrerer $rogeffe ben Vetrag oon 100^, fo ift bie Ve* 
rufung guläffig. SSirb gunächft ein dheilurtheil erlaffen, fo hängi 
bie VerufuugSfäl)igfeit biefeS dheilurthcils unb beS ©nburtheiis 
nicht oon bem Vetrage ab, über melden jebes ber Urtheile ent* 
fcheibet, fonbern oott bem gangen Streitmerth, ber gur 3 e it ber 
UrthcilSfädung oorlag. 

0chmierigfeit bietet ber gad ber SBiberflage. 9fach §. 5 ber (Sind* 
progeßorbnung ftnbet eine 3 ll fammenrechnung beS ©egenftaubeS 
ber Klage unb ber 2Biber!(age nicht ftatt. daraus folgt, baß ein 
Urtheil beS ©eroerbegerichtS nicht berufungsfähig ift, menn toebei 
ber ©egenftanb ber Klage nod) ber ©egenftanb ber VtHbcrflage 
100 M iiberfthreitet. die für bie SReoifion ergangene ©ntfcheibmtg 
beS 9teid)Sgerid)tS, bafe oon einer entfpredjenben Slnmettbung bes 
§. 5 nicht bie SRebe fein fann, menn ber SReoifionSfläger fid) burdi 
bie ©ntfeheibung foroohl ber Klage als ber VHberflage befcfjroert 
fühlt (©ntfeh. !Öb. 7 0. 315 unb *383), famt hiei nicht '$(nmcnbung 
finben, meil für bie Sfeoifton ber SSerth bes Vef chm erbe gegen* 
ftanbeS entfeheibenb ift. Man mirb aus ber Veftimmmtg in ij. 5 
oielmehr folgern müffen, bafe bie VernfungSfähigfeit oon Klage 
unb VMberflage je gefonbert git benrtheilen ift (ogl. ^artenftein 
im gahrgang II 0p. 124). 9hir menn mit ber feibcrflage bie 
geftftedung bes 9UchtbeftehenS beS in bem ^Srogeh ftrcitigen Rechts* 
oerhältniffeS erftrebt mirb (g. V. ber entlafferte SBerfführer forbert 
gunäd)ft für einen Monat 50 Ji. ©nifdjäbigung, behauptet aber, 
bah ihm noch für grnei meitere Monate b'ief.e gorberung 311 * 
ftehe, berVeflagte erhebt SBiberflage bal)in, bah ein ©ntfehäbigungs* 
anfpruch überhaupt nicht befteht), mirb bie VernfungSfähigfeit ber 
VHberflage auch bie ber Klage nach fich 3ieh en - 


Ber ®efe|entaätttf jum Sdjn| de? getnetblidjen 
3CrbeU?oerljöltni(]e?. 


durch dageSgeihmgett unb bie „0ogiale ^ßrayiS" ift ben 
©eroerbegericht.en ber Aufruf befannt, burch melden "bie Veifi^er* 
Vereinigungen beS Verliner ©emerbegerichtS bie beutfdjen ©eioerbe* 
geriefte gu Einträgen an ben VunbeSratl; unb 9teid)Stag gegen ben 
Sntmurf beS ©efe^eS gum 0chufe bes gemerblid)en tHrbeitSoerhäU* 
niffeS aufforbert. £hne hier auSführli^ auf ben ©ntmurf, beffen 
0d)itffäl im SReidjStag befiegelt fcheint, eingugehen, mag in biefen, 
ber ©ntmicfclung beS SlrbeitSoertrageS gemibmeten Vlättern, nur 
golgenbes bemerft fein. 

der ©ntrourf mit feinen ausführlichen 0irafüorfd)riften be* 
ruht burdjauS auf ber formal gleid)mähigen Vehanblung ber 
Arbeiter unb Arbeitgeber, alfo auf bcrfelben giftiou, auf melier 
auch baS gange ©ioilrecht beS ArbeitSoertrageS beruht unb bereu 
Unhaltbarfeit bisher noch fo feiten beleuchtet ift. Arbeiter unb 
Arbeitgeber ftehen roirthfehaftlid) gleich hochftenS im Kleingemerbe, 
menn beibe gleichmäßig fapitalloS ftnb, unb in jenen Arbeitsoer* 
trägen, bei benen es fid) um Lieferung hädifter geiftiger Arbeit 
banbeit, für bie ber „Arbeiter" eine Art Monopol befifct. gm 
fiebrigen, bei ber unendlichen Mehrgahl ber ArbeitSoerträcje, ins* 
befonbere bei bem Vertrag groifeben bem geroerblichen Arbeiter unb 
bem fapitalfräftigen Unternehmer ift ber Arbeiter ber fd)toäd)cre 
dheil, uttb eine burd) ftrafre<btlid)e ober cioilred)tlid)e 
formen beroirfte ^Regelung beS ArbeitSoertrageS, bie ihn ben* 
felben formen unterroirft, mie ben Arbeitgeber, — bie nid)t feiner 
au fid) ungünftigeren ^ofition SRedjnung trägt, ift t^atfächlid) 
nicht gerecht, mag fie auch formal bie $Rcd)tSgleid)beii nicht ocr* 
lepeit. @S fann mtr als erfreulich bezeichnet merben, baß bics. 
foroeit bie ftrafredbtlid)e 0eite in Vetrad^t fommt, burch ben tu* 
Zeichneten ©efepeutmurf einmal gum adgemeinen Verou^tfein ge* 
foittmen ift 

Aber es fodte nicht überfehen merben, ba& bie bisher faü 
ausnahmslos übliche rein cioilrechtliche Auffaffung beS Arbeits* 
oertrageS forttrährenb bie gleiche Unbidigfeit heroorruft. V.Mrb 




117 


Da* Gewerbegeridjt. SRittheüungcn be* Derbanbe* beutfdfjer Gewerbegerichte. Rr. 10. 


11 s 


g. 23. erflärt, bafj für Arbeitgeber unb Arbeiter nur bic gleite 
ÄünbigungSfrift befielen barf (§. 122 ber ©eroerbeorbnung), fo ift 
bic* eine Verbeffermtg gegen ben früher burdjau* guläfftgen Vtadht- 
mifebraud) einjelner Arbeitgeber, bie fid^ jebergeitige* EntlaffungS- 
red)t oorbehielten unb bem Arbeiter längere ÄiinbigungSfriiten auf* 
gwangen. Aber geregt ift e* nicht, wenigsten* nid)t für bie ©rofj- 
inbuftrie! gür biefe bebeutet ber einzelne Arbeiter nicht*; er ift 
leicht gu erfefcen unb leicht gu entbehren; für ben Arbeiter bagegen 
ift/ K größer ber 23etrieb war, in bent er befcf)äftigt roarb, e* unt 
fo fernerer, anberroeit untergufommen. Ein Arbeiter, ber oon 
Ärupp ober Stumm ober oon einer jenen in fteinen (Stabten be- 
Iegenen c^emifc^eit gabrifen, £>üttenroerf u. f. 10 . entlafjen roirb, ntufe 
fogar ben 2öo|nort roedjfeln, fein Domigil oerlegen. 

Äann es al* gerecht gelten, ba& beibe — ber ©ro&arbeitgeber, 
ber bie Äitnbigung be* eingelnen 9Ranne* faum bemerft, uno ber 
Arbeiter, ber nach ber Äünbigung fid) gang anbere Seben*bebtn- 

B i fudfjen mu& — ben gleiten SBorfünften unterfteßt finb? 

nicht bie ©eroerbeorbnung ben fdhwächeren Zfyixi, alfo ben 
Arbeiter, ber in gabrtfen ober fonfügen ©rofjbetrieben eingefteßt 
ift, anber* beljanbeln, al* ben ©efeßen eine* Äleinmeifter*? 2Rüf$te 
fie ihn nicht bnr<h befonbere SBorfc^riften oor roißfürlidjer Ent- 
laffuitg sichern? Die Arbeiter müffen fi<h oereinigen unb oerab* 
reben, um burd) Drohung mit Arbeit*nieberlegung u. f. ro. ben 
©roßarbettgeber gu beeinflußen; biefer aber f)at bem eingelnen 
Arbeiter gegenüber bie fdjärffte Drohung burch ba* Recht ber miß* 
fürlicben Äünbigung jeher 3 e it in ber $anb; er braudjt fidf) 
mit Riemanbem gu oerabreben. 

©erabe be*ljatb erfdjeint e* fo ungerecht, bafj ber Entwurf ihn 
unb feine Arbeiter ber gleichen Strafoorfchrift unterroirft. Soßte 
nicht aber auch Anlaß fein, bie ciüüredjtliche Seite be* Arbeit** 
oertrage* nach ber gleichen Rücffidjt aufmerffam unb oorurtheil*- 
frei gu prüfen? Der Sdjuh ber Arbeit*mißigen gegen willfür- 
liehe — nicht au* bem Wefen be* ArbeitSoertrage* unb ben 
roirthfchaftlichen SBerhältniffen folgenbe — Entlaffung ift 
mtnbeften* ebenfo ber Erörterung roerth, roie ber gegen oerfuchten 
3mang gunt Austritt. 

granffurt (Vtain). glef dj. 




fallen 8trabenbahnen unter §.6 ber Gcmcrhcorbnuttg? 
(Entfdjeibung be* ©cmerbegeritfjt* Stuttgart.) 

Dhatbeftanb unb Oürii 11 bc. Der Vertreter ber oerflagteu Stutt¬ 
garter Straßenbahn fdjüjjtc gunächft bie Einrebe ber Unguftänbigfcit be* 
Wewerbegeritfjt* oor, iooiiir er fid) auf ben §. 1 Abf. 1 unb §. 2 be* 
OJefefcc* über bie Gewcrbegcridjtc unb tu Vcrhinbung bamtt auf §. 6 
ber Gcwerbeorbmmg [lüßtc. Der Kläger, Wagenführer W., überließ 
btefc grage bem Ernteffen be* Gcrirfjts. Aus bem übrigen ^artrioor» 
bringen mar golgenbe* feftgitficllen: Kläger ftanb feit 3. V?ai b. gs. 
bet ber Veflagten al* Wagenführer fdjließlidj befiititio in Arbeit gegen 
einen Rfonatloljn oon 84 <M. Er fonnte nur nad) oorauSgcgaugertcr, 
jebem Df)eilc guftchciibcr, turnt 1. unb 15. jeben 2Ronat* ablaufcitber halb¬ 
monatlicher Aujfünbigung entlaffeu merbett begm. au* bctu Dieufte 
fdjeibeit. Rad) einer Reibung rom 8. Rooember fuhr Kläger mit feinem 
Wagen 141 auf ben Wagen 161 auf, fo baß ber Juffer oerbogen 
mürbe. An Aeparaturfoften berechnete SBeflagtc 2 M. t bereu 2lbgug 
Kläger nach anfänglicher Weigerung am 10. Degember 1897 nnterfdjrift- 
lid) anerfannte. Atu 14. Degember fdjrieb Kläger an ben Direftor ber 
(iJefeßfdjaft einen Srief, ber am 15. Degember in beffen SBefij) fam. 
Wegen be* gnfjalt* biefe* Briefe* fprach SBeflagtc burch Verfügung 
00 m 21. Degember auf (Mrunb be* §. 123 3- 5 ber Ecmerbcorbnung bie 
fofortige Eutlaffung au*, bie bem Kläger am 22. Dcgember eröffnet 
mürbe. 2?i* gu biefem Dag mürbe Kläger für bie 2. .Jmlfte be* SIRonat* 
Dcgcmbcr mit i9,eo je. begm. über Slbgug ber 23erfichcrung*beiträge mit 
18 M. au*Bcgahlt, fo bah 00 m Degember an ftd) noch 22 ,40 M. übrig 
bleiben. Kläger hat für biefe 18 M. unter ff. 25orbrncf quittirt: „Durch 
92amen*uuterfdjrift quittire ich hiermit über ben Empfang be* in 
Spalte 13 an*gemorfenen öohnbetrag* unb bescheinige, baß ich bi* gitm 
heutigen Dage feine roeiteren Sohnforberungeit git machen habe." — 
Die* Me* ift unbestritten. Äläger bittet um Urtheil auf 22,40 M. für 
ben Acft be* Degember unb auf 42 M. für bie 1. Hälfte be* ganuar, 
gnfammeu auf 64 ,40 JC., inbem er beftreitet, baß ber 2?eftagten ein 
9techt gu sofortiger Eutlaffung gugeftanben habe. 

2?cftagtc bittet um Mmcifung ber ftlagc. gn bem 2?rief 00 m 
14. Degember fei ber Werfnteiftcr S)l f ber nidjt bloß bem 9teparatur- 
merfftättcupcrfoual, fouberu qud) ben gahrerit oorgefejjt unb fornit Ver¬ 


treter ber Veflagten bem Äläger gegenüber fei, grob beleibigt morbeit; 
fornit treffe ©eroerbeorbnung §. 123, 5 gu unb fei bie fofortige Ent- 
laffung gerechtfertigt gemefen. Dah 3R. auch Vorgefefcter ber gahrer 
fei, fei in einem Erlaß ber Vetlagten 00 m 2. 9tooember 1895 au*ge- 
fprocfjen; biefer Erlah fei bem aufUegcnbcn Dicuftbuch einoerleibt unb 
fo gur Äenntnih be* Äläger* gefommen. 9R. habe nicht nur bie Prü¬ 
fung ber gahrer auf ihre ^Befähigung abgunehmett, fonbern e* unter¬ 
stehen ihm überhaupt bic Vebicnuug unb gnftanbhaltung ber Wagen 
unb SJtotoren, ma* bem Äläger befannt gemefen fei. Der 9lufmanb 
ber Veflagten für bic Reparatur habe in ber Dljat 2 M. betragen. 

Der Äläger beftritt bie $öbe biefe* 9lufmanb* unb behauptete, e* 
fei ilsm mitgcttjeilt morben, baß bic Reparatur meniger 3 p it unb Auf= 
roanb oerurfadjt habe, al* ihm aufgeredjuet morbeit fei; be*ljalb habe 
er, um ftd) gu mehren, ben Vrief 00 m 14. gefchrieben, ben 2 Jl. habe er 
nicht beleibigen moßeu. Dafs 3Ä. Vertreter ber Veflagten fei, miffe er 
nidjt; ihm fei nur befannt, bafj er bie Prüfung abnehnte, bah er nadj- 
her noch ben gahrern breingureben habe begm. ihr Vorgefefcter fei, fei 
ihm nid)t befannt gemacht morbeit, ba* Dieuftbitd) liege nicht auf. Der 
Vertreter ber Veflagten beftritt nodj, baß ba* Dienstbuch nicht aufliege, 
ohne itibefj Vemci* augutreten unb behauptete, coerttueß liege in ber 
Cuittung 0011 t 22. Degember ihrem gnhalt nach ein Vergicht and) auf 
bie eingeflagte gorberung. 

Auf OJrunb ber Vemci*aufnal)mc fteßte ba* Oieridit feft, baft 0011 
einer Ueberforbcnmg be* Äläger* feiten* ber Veflagten für bic Reparatur 
feine 9tebc fein fönne, bafj aber Äläger auf (ytrutib oon Vtittl)eilungeit, 
bie ihm tu ber 3 c ^i gmifd)eit feinem 9luerfenutnih oont 10. Degember 
unb bem Vrief 00 m 14. Degember 0011 Viitarbeitern gemadjt mitvbcn, 
geglaubt hat, bafj roefentlich meniger 3dtaitfmaiib geutad)t morben sei, 
al* ber Werfführer 2 Jl. ber Direftion gegenüber angegeben hatte. 

Wa* gunädjft bie Einrebc ber Unguftänbigfcit aitlangt, fo gab bic 
Dhatfachc ber Ummaubluitg be* beflagtifdsen Unternehmen* 001 t einem 
Vferbebahttbetrieb in einen eleftrifdhcu Vctrieb bem (Bericht feinen Sfotlaß, 
oon ber tu einem früheren Urtheil gegen bie Stuttgarter Straßenbahnen 
oertretcuen Auffaffung abgugeheit. E* mar bort barauf hingemtefeu 
morbeit, bafj iit ben §. 69 be* Entmurf*, ber oon ben nidjt unter ba* 
Ecroerbegerid)t*gefeß faHeuben 9lu*italjmctt haubclt (jefet §. 76 bc* Eei.) 
nach ber Abfidjt ber oerbi’mbeteu Regierungen auch bic Streitig feiten 
ber Vorftänbe ber unter ber 8taat*cifcnbahuocrmattung ftchenbcit Ve- 
trieb*anlagen mit ben in biefeu betrieben bcfdjäfttgteu Arbeitern auf¬ 
genommen merben foßten unb baf 3 biefe Ausnahme oon ber 9tetdi*tag*- 
fommiffton unb bem 9tcidj*tage geftridicit mürbe, gut Rcidmtagc mürbe 
insbefonbere iit ber Sifcung ootit 23. gtttti 1890 oott bem Abgeorbueteit 
Dr. $irfdj bemerft: „Wie bic Äontmiffion itt battfeit*mcrtl)er Weife bic 
Daufenbc unb ^uubcrttaufeiibe oon Arbeitern, toeldjc ber Staat*eti'en- 
bahtiocnoaltuug unb anbereit fiaatlidjctt Vetricbcn angehören, ber Wohl* 
tljat ber ©cioerbegeridjtc theilhaft gemacht hat, fo 2 c." — ittib in ber- 
felBen Sipiing ooit betitfclbeit 9lebiter in einer späteren Rebe: „alfo cs 
mürbe baraus folgen müffett, baß auch bic Arbeiter ber Eifenbahnoer- 
maltuitg bem Olemerbcgeridjt cutgogcu mürben, ma* bod) iit beut äoiii- 
ntiffiousbcridjt feinesmeg* au*gefproihett ift. - Veibc Ausfithnntgeu 
fattbeu feinen Wibcrfprud) unb ber Sd)lufj ift baljer gereditfertigt, baß 
ltadj Anfidit bei* baiitaltgnt Regierungsoertreter uub Reidjstagsabgeorb- 
tietett ber Strid) ber Ausnahme bie Vebeutiutg haben foßte, bie Arbeiter 
ber beit Staatscifenbahnocrmaltnugen unterfteßteu Anstalten bem Ok*- 
toerbegeridjte gu uutermerfeu. Was aber für bie Staatscifenbahuen 
gilt, muß in ttodj höhereut ®rabe für ^rioat- unb Strafseitbahiien jeber 
Art gelten. — Daß hiebei gmifdjen tmteretu unb äußerem Vetwcbe 
uuterfdsiebeu merben foßte, gcljt, toeitn aud) bie HRotioc bie* uahegu- 
legeti fdjeinen, au* beit mafjgebettben Äommif}toit*bcrid)ten begm. Rcid)*- 
tagSoerhaublungeit nidjt heroor. 

Run toirb biefer Stanbpuuft be* Eemcrbcgeridjt* in mehreren 
Äommentaren angefochteu mit ber Vegrünbitng, bafj nidjt bic SKotioe 
begm. Äomntifftons- nnb Retdjstagsocrhanbluitgcit, fonbern lebigltdj ber 
Wortlaut be* (^efeßes iitafjgebenb fei. Danadi märe eutfdjeibeub 1, 1 
unb §. 2 bc* ©emcrbegcrichtsgefeßcs, mottadj für beit Vcgriff „Arbeiter" 
Dttel Y1I ber OJerocrOeorbnuitg mafggebcub ift uub bie 3nftänbigfett*- 
frage mefcntlidj oon bett Veftimiituugen ber Ecmcrbcorbmtiig abhängig 
märe. Dort heißt es in §.6: „ba* gegenwärtige Ofrfefc fttibei feilte An- 
roenbung auf . .. beit Gewerbebetrieb . . . ber Eisenhahnuiiteruehmungcii 
u. f. w." E* fann nun imbebcufUdj gugegeheu werben, bnf? in bem 
Umfang, in bem ba* Gefeß beu Vegriff Eifeubahunternehmiuig gefaßt 
Ijat, aud) bie Arbeiter bei* betr. Eifcubahmmtemehmung, gleidigiltig, 
ob fie bem inneren ober äußeren Dieuft augehören, uid)t unter Ditcl VII 
ber Gemcrbcorbmmg unb gemäß §. 1, 1 unb 2 be* Grwerbcgerichts- 
gefetie* audj nidjt unter bie 3uftänbigfeit be* GJemerbegeridit* fallen. 
Die grage sdjränft fi<h alfo bnljin ein, faßen Straficnbabucu begm. fällt 
ba* ^iefige Slrafsenbahnunternehnien unter §. 6 ber Gewerbeorbnung. 
Dabet ift oormeg gu betonen, baß ber Vegriff Eifenbaljn nidjt in allen 



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. £)a$ Öeroerbegericßt. SRtttheilungen be$ BerBanbeS beutfcßer ©emetbegericßte. Br. 10. 


12 0 


©cfcflcn, in bcncn er uorlommt/ ben gleiten Umfang hat, es tft oiel* 
meßr bei jebem ©efeße für fidj gu unterließen, melden kreis ber ©efeß* 
geber unter biefem tarnen umfeßreiben mofltc. Senn alfo g. B. itn* 
beftrittenermaßen bic ©traßenbaßnen (ob mit Vfcrbe» ober Skotoren* 
betrieb) unter bas |>aftpflid)tgcjcß ober unter baß ©efeß über bie Stud* 
beßnung ber Unfall» unb kraufcuoerFußerung nom 28. 2Rai 1885 fallen, 
fo folgt baraus nodj nicht, baß fic aueß unter bie ©emerbeorbnung §. 6 
fallen. Senn bas Sort ©ijcnbaßn in allen (Beferen gleichbebeutenb 
märe, fo mürben bie ©trabenbahnen oßne meitereS g. B. auch unter 
bas mürttembcrgifche ©ifenbaßngejeß nom 3aßre 1843 ober bic reicßSgefeß* 
liehen ©ifenbaßn»BetricbSorbnungen fallen, maS firfjerlich nicht jutrifft. 
aus bentfelbeii ©runbe ift auch bie Begugnaßme ©eßiefers in feinem 
kommentar (2. Slufl.) auf bas ©rfenntniß beS VeidjSgericßtS nom 
19. Sftai 1885 bafür, bah Vferbebaßnen nicht unter §. 6 ber ©emerbe* 
orbnuug faßen, nerfeljlt. 

Bei Beurißetlung ber grage, ob Straßenbahnen unter §. 6 ©emerbe* 
orbnung faßen, ift in erfter 2inie baran feftgußalten, baß bie ©emerbe* 
orbnung bie ©emerbefreißeit (f. §. 1) einführen moßte, unb baß bem* 
nach bie non ber ©emerbeorbnung ftatuirten auSnabmcn im 8u»eifel 
nid)t auSbeßnenb, fonbern cinfdjränfenb aufgelegt merben müffeit. $er 
3roecf ber auSuaßmcbeftimnumgen beS §. 6 mar nun nach ben STOaterialien 
u. a. ber, gemiffe 3*ncige ber ©eroerbegejeßgebung ber Orbnung burch 
©pegialgefcße anßeimgufteflen, fo inSbefonbere bie ©ifeubaßmmter* 
nehmungen, meil bie CrbnungSbebürfuiffe btefcs VerfeßrSgemerbeS niel 
gu umfangreidier Batur finb, um in ber ©emerbeorbnung untcrgebracht 
merben gu fönnen, unb meil beiläufige abänberungen ber ©emerbe* 
orbnung unter Umftänben tiefeinfdjneibenbe, nidjt beabfichtigte golgen 
für biefe ©emerbebetriebSarten fonft mit ftch bringen fönnten. ©s mirb 
baher gu fagen fein, ©traben* begm. ©ijenbaßnen überhaupt faßen nach 
bem 3»necf unb Sortlaut beS ©efeßeS (cf. inSbefonbere auch §. 37) unter 
bie auSnaßute beS §. 6, menn unb fomeit fie befonberen Reichs* ober 
©taatsgefeßen untermorfen finb, ober merben; für bie ^iefige ©traßen* 
bahn fönnen alfo baS mürttembcrgifche ©efeß nom 3aßre 1848 begm. 
bie VeicßsbetriebSorbnungen nom 5. gnli 1892 (VeicßS»©efeßbl. 691 
unb 764) in Betrad)t. ©S ift gmeifelloS, bab fie gur 3 e ^ biejen ober 
ähnlichen befonberen ©efeßen nicht unterftchen unb barnuS folgt nach 
Slnfidjt beS ©eroerbegerießts, bab fie gur 3ett auch uidjt unter bie aus* 
nähme bes §. 6 ber ©emerbeorbnung, fonbern unter ©emerbeorbnung 
§. 37 begm. unter bie ©emerbeorbnuitg überhaupt faßen. $ie kongeffion 
ber ©trabenbahuen erfolgte auch nicht auf ©runb eines befonberen 
©efeßeS, fonbern auf ©runb ber ©eroerbeorbnung unb ber in ihr ent¬ 
haltenen geroerbepoligeilichen Vefugniffe beS ©taatS. 

$)ie 3 u ftänbigfeit beS ©emerbegerießts mar baher gu 
Bejahen unb bie ©inrebe ber llnguftänbigfeit gu nermerfen. 

2BaS bie materiefle Sürbigung bes gafleS anlangt, fo mar oormeg 
bie ©inrebe beS Vergießt* gu nermerfen. ©S fann baßingefteflt bleiben, 
ob Kläger bei ber Ouitürung feines Sohnempfangs nom 22. ®egember 
ben Vorbrucf überhaupt gelefen hot, benn menn er auch 5« feiner 
kenntniß gefommen märe, fo märe barin fein Vergtdjt auf nach bem 
22. Segember erft gur ©yifteng gelangenben ©ntfcßäbtgungSforberungen 
enthalten. 

Seiter fonnte bahingefteflt bleiben, ob ber SBerffitßrer 9TO. als Ver¬ 
treter ber Veftagten bem Kläger gegenüber im ©inne ber ©emerbe* 
orbnung gu betrachten mar, ba in bem Vrief beS Klägers nach ber 
auffaffung beS ©erichtS feine grobe Veleibigung im ©inne non ©e* 
merbeorbnung 123, 5, auf melche ©efeßcSbeftimmung Veflagter bie fo* 
fortige ©ntlaffung grünbete, enthalten mar. ©S ift anerfannt, baß nidjt 
jebe Belctbigung genügt, um eine ©ntlaffung gemäß ©emerbeorbnung 
§. 123, r> gu redüfertigen, fonbern baß bie Veleibigung eine grobe, 
fernere fein muß unb es ift meitcr anerfannt, baß bei Benrtßeilung 
biefer grage afle Umftänbe beS gafleS ermogen merben miiffen. 3u 
Betracht fommcu bie giuei VluSbritcfe „©runbnerlogen" unb „Öüge"; 
biefe Vormürfe finb gmeifelloS Vclcibigungen, fofern logifch unb fpraeß* 
lief) bamit gejagt ift, baß Scmanb mieber beffereS Siffen bie Unmaßt- 
heit rebe unb fofern biefer Vormurf nad) ben geltcnbcn fittlicßen ?ln* 
fchauungen ein fdjmermiegenber ift. Slnbrerfcits ift nidjt gu oerfennen, 
baß im gemeinen ©nradjgebraud) ber Vegriff „nerlogeu" unb „Säge" 
etmn* abgefchlißcn ift unb halb für nur oüjeltiue, halb für fubjeftioe 
Unmahrheiten gebraudit mirb, ohne baß fid) ber Stebner beS Unter» 
idjiebs ftets flar bemußt mirb. Xorf) hat bas ©emerbegericht biefe ©r» 
mägung für fidi nidit für burdjidjlagenb angejefjen, um bem Vormurf 
begm. ber Veleibigung bie ©igeufdjaft „grob" abgufprcdien. dagegen 
iü es oou folgcubeu Acftftcllungen begro. ©rmägungen ausgegaugen. 
Sie fchou oben bemerft, mar bem Kläger auf ©runb ber Vemeisauf- 
nähme uirfit gu miberlegen, baß er fid) — menn audj tßatiädjlid) irrenb 
— auf ©runb non VfittliciUmgen non SWitarbeitern hin, im guten 
©lauben befuubeu habe, es fei non 3)?. mehr Slrbcitsgeit angegeben 
morbeu, als für bie Reparatur thatfächlid) aufgemenbet mürbe, ©s 


fonnte auf ©runb biefer Seftfteflung bem Kläger auch baS Vecßf nidit 
abgefproeßen merben, trofc feines oorauSgegangencn ^nerfenntniffeS, es 
nochmals mit einer Vefcßmerbe bei ber Süreftion gu nerfueßen. !?as 
©erießt nahm baßer an, baß Kläger mit ber 9lbfaffung beS Vriefes 
berechtigte ^sittereffen gemaßrt ßaf- 

9Sie ber ©trafrießter beim 3utreffett non §. 198 ©t©V. gur grei- 
fpreeßung gelangen muß, fafls er trofc tßatfäcßlich norßanbener Vc* 
leibigung naeß ben Umftänben beS gaflS bie Slbgcßt ber Veleibiguitg 
negiren muß, fo muß begm. fann aueß ber ©emerberießter ben Vegriff 
ber „©robßeit" negiren, menn er gu bem ©djluffe fommt, baß ber bc» 
letbigenbe fluSbruc! nicht um beSmiflen geroäßlt ift, um bic ©ßrc bes 
Angegriffenen gu oerleßen, fonbern um beSmiflen, eine menn auch ftarfe 
(unb mie im gegebenen gafl fogar objeftin unbegrünbete) ^ritif an 
beffen Vorgehen gu üben. 2)aS trifft im oorliegenben gafl gu. Kläger 
moßte unb burfte ficß feiner $aut meßren unb burfte gu biefem 3wä 
bie Äuffteflungen SPf.’S als unrichtige begettßnen; menn er ßtefür ben 
an ficß beleibigenben SluSbrucf „nerlogen" begm. „Süge" nernjenbet hat, 
fo naßm bas ©erießt an, baß es ißm ßiebei nußt fomoßl unt bie Stb- 
fußt ber VeleiMgung als eben um befottberS beutlid;e ©ßarafterifirung 
ber ben Kläger nermeintUcß in feinen Vedjten fränfenben .fpattblungs- 
meife beS 3R. gu tßun mar, unb baß. beSßalb bie Veleibigung nidjt als 
„grobe" im ©inne non ©emerbeorbnung §. 123, 6 gu betradjten fei. 
2>ies untfomeniger, als ber Brief nicht für bie Äenntniß bes barin 
Veleibigten, fonbern lebiglidj für bie ^enntniß ber gur Verfügung über 
bie Vefcßmerbe berechtigten $>ireftion beftimmt mar. 

alle biefe ©rmägungen mußten bagu fiißren, bie an fuß uorliegenbe 
Veleibigung nach Umftänben beS gangen gaflS nießt als „grobe" 
gemäß ben gemerbegefeßlicßen Veftimmungen feftgufteflen unb bemnaef) 
baS 9ied)t ber Veflagten gu fofortiger ©ntlaffung beS Klägers gu oer* 
neinen. 2)ie Äonfequeng füßrte gur Verurtßeilung gur Vegaßlung 
einer entfpreeßenben ©ntfcßäbigung nom 23. $>egember 1897 bis 
15. Januar 1898, bis gu melcßem Termine naeß bem arbeitsoertrage 
früßeftenS ßätte gefüttbigt merben fönnen. Vacß ber non ber Veflagten 
aufgefteflten Soßnberecßnung entfällt auf ben 9ieft beS $egentberS nom 
22 . ab ber Betrag non 22, 40 M., ber bem Kläger an feinem §alb= 
monatsloßn für bie gmeite Hälfte beS $egemberS mit 42 Jl gefürgt 
mürbe. S)er SRonatSloßn pro 1.—15. Januar mit 42 M. ift an ficß um 
Beitritten. ©S maren baßer bem Kläger insgefammt 64^o JH gugufprecßen. 

Unternehmer ober arbeitneßmer?*) VedjtSnerßältnifj 
eines VtanneS, ber als ©eßaeßtmeifter begm. Vorarbeiter, 
Variier angenommen mar unb im atforb eine arbetf über¬ 
nommen hatte. 

1. Urtßeil beS königlichen SanbgericßtS in Duisburg nom 
6 . 3uli 1897. 

S)er Bauunternehmer k. ftanb bei bem Bauunternehmer V. als 
„©eßaeßtmeifter" in arbeit unb hatte in afforb bic abteufung eines 
Brunnens übernommen, k. flagte bei bem ©emerbegericht gu SRülßeiin 
a. b. 9iußr auf 3«ß^ng einer 9ieftforberung non 180 JL V. bejtritt bie 
3uftäubigfeit beS ©emerbegerießts, meil k. Unternehmer fei. $aS C^e- 
merbegerießt erflärte ficß für guftänbig; bie eingelegte Berufung mürbe 
gurüefgeroiefen. 

©rünbe: 3^ar ßat berkläger beim Veflagten in afforb gearbeitet 
unb ferner aueß bie Befugniß geßabt, bie arbeiter anguneßmen unb gu 
entlaffen; aber bieS reießt nießt aus ißn gum Unternehmer gu ntadjen, 
benn bei ber anfertigung beS Brunnens mar kläger ftets ben an* 
meifungen beS Veflagten untermorfen. aueß Veftagter fonnte ar¬ 
beiter anfteflen unb entlaffen. hieraus geßt ßeroor, mie bas 
©emerbegerießt gutreffenb annimmt, baß Beflagter nur gu feiner 
eigenen ©ntlaftung bem kläger Voflmacßt gur annaßme unb 
©ntlaffung non arbeitern gegeben ßat. kläger Iößnt gmar bie arbeiter 
aus, baß ©elb ßiergu muß er jeboeß oont kläger erhalten, aueß aus 
bem geringfügigen Betrage feiner ©taatSeinfommcnfteuer folgt, baß ber 
kläger gar meßt in ber ÜJage ift, felbftftänbigc arbeiten, mie ben hier 


*) anmerfung ber 9iebaftion. Vielleicht ßätte bie Ueberßßrifi 
einfach lauten füllen: Unternehmer ober Ueberneßmer? SBenigftcris 
mürbe es in hoßent ©rabe gur klarfteflung ber fo nielfacß bimleln 
9ted)tsnerhältniffe gmifdiett ben nerfeßiebenen bei auSfüßrung insbefonbere 
non Bauten betheiligten ^erfonen füßren, menn nerfeßiebene ausbrüefe 
ßergebraeßt mären für benjenigen, ber gemerblicße arbeiten felDftftänbicj 
unb auf eigenes Vißfo auSfüßrt, unb benjenigen, ber im äuftraiK 
eines anberen unb gegen Vegaßlung Sßeilleiftungcn für eine arbeit 
ober ein V>erf bemirft, bas ber auftraggeber felbftftänbig — für eigene 
ober frembe 9tedjnung — ßergufteflen gefonnen ift. S)er Umftanb, baß 
ber auftraggeber mit bem foldjergcftalt Beauftragten abntadjungcu ge* 
troffen ßat, meld)c ben Beauftragten an ber Verringerung ber kofien 
ober ber f iß ne Acren Bcenbigung ber arbeit intereffiren, — baß bieier 
einen 2:ßeil bes VififoS beß auftraggeberS übernommen ßat, madit 
ben Beauftragten nießt gum Unternehmer. 



121 


SaS ©eroerbegericßt. Bttttßeitangen beS teerbonbeS beutfdjer ©emerbegerttßte. 9h:. 10. 


122 


fragliche Brunnenbau, 51 t übernehmen. genier ift Kläger banernb bei 
einem Unternehmer, Beut Beflagten, gegen 2oßn Befc^äftigt, alfo er 
felbft nur Arbeitnehmer beim Beflagten. Au<ß ber Beflagte felbft hat 
ben Kläger als feinen Arbeiter behanbelt unb feine ©teßung als bie 
eines Arbeitnehmers aufgefaßt. Sies ift Har erficbtlicb aus bem Ar* 
beitSjeitgniß, melcßeS er bem Kläger am 23. April 1897 auSgefteßt hot- 
Beflagter fd^reibt: 

„Kläger mar in meinem ©efdjäfte als ©djaeßtmeifter tßätig unb 
hat bie ihm übertragenen Arbeiten nach Borfcßrift ausgeführt." 

©ttblicß läßt Beflagter, ohne fich unt ben Kläger ju fümmerit, oon 
einem anbern Arbeiter ben Brunnen fertig ftetlen. Auch hieraus erhellt, 
bafe er ihn nicht für einen Unternehmer anfießt, bem er bie Anfertigung 
beS Brunnens übertragen hat. Aus Altem folgt: Kläger mar Arbeiter 
beS Beflagten. SaS ©eroerbegeridjt ift mithin juftänbig für ben hier 
fraglichen Anfprucß. 

2. ©ntfdjeibuitg beS ©emerbegeridjts Branbenburg a. £>. 

Ser Kläger oerlangt 001 t bem Beflagten 3oßhi n 0 bes ReftloßncS 
für 001 t ihm übernommene Aff orbarbeit, oor bereu Beeitbigung er ent* 
Iaffen ift. Bcflagter beftreitet, bah er ber richtige Beflagte fei. ©r miß 
nicht bem Kläger, foubern einem Borarbeiter bie Arbeit übertragen unb 
biefem iiberlaffeit haben, fiel) bie nötßigen ArbeitSfräfte felbft ju be- 
fdjaffen. geftgefteßt mürbe, bah bie ©ntlaffung beS Klägers burch ben 
Beflagten unb nicht burch ben Borarbeiter erfolgt mar. SieS fah ber 
©critßtSßof als eutfeheibenb bafür an, bah Beflagter ber eigentliche Arbeit¬ 
geber fei, unb oerurtheilte bementfprechenb nach bem Klageanträge, obmohl 
Beflagter einen Schein probujirte, in melchem nur ber Borarbeiter fich 
jur Ausführung ber Arbeit mit feiner Arbeiterfolonne verpflichtete. 

3. ©ttifcßeibuiig bes ©emerbe- unb beS 2anbgericßtS ju grattf- 
furt a. Bf. 

©ine Anjal)l Bfaurer hatten bet einzelnen Bauten auf Afforb ge¬ 
arbeitet. Als Abfcßlag hatten he nur ihren Sagelohn erhalten. Sen 
Afforbmehrbetrag fonnten fie nicht einflagen, meil ihnen jebe Unterlage 
für feine Berechnung fehlte. ©S mürbe besfjalb eine Klage auf Rech¬ 
nungslegung gegen ben Bauunternehmer aufgenommen, ber bas ge- 
famntte Bfaterial auch in £>ättbett hatte, menn auch bie Kläger unter 
ben befannten Berßältniffett lebiglich mit bem B°Her als Afforbanten 
ju thun gehabt hatten. SaS ©eraerbegericht oerurtheilte, bas 
2aitbgeriet hat ieboch bas Urthcil aufgehoben, meil lebiglich ber 
parlier mit bem Beflagten einen Afforbuertrag abgefcßloffen habe unb 
aus biefem bie Kläger als dritte feine Rechte Verleiten fönnten. 

AuSfchlaggebenb für bas Urtßeil, b. b. 20. gebruar 1897, beffen 
übrige Sebuftionen ßier übergangen toerben föntieit, mar bie AuSfage 
bes BarlierS, melche, mie folgt, lautet: geh bin mit §errn R. ein 
Afforboerhältniß für bie Bauten §.»ftraße 9 unb 11 eingegangen 
unb habe biefe Bauten auch angefangen. Kläger haben baittals 
noch nicht bei mir gearbeitet, oieltnehr fanten biefelben erft fpäter 
auf Bermenbung bes £errn R. ju mir unb arbeiteten bann 
mähretib fünf ^erioben mit Unterbrechungen bei mir. geh habe 
benfelbett gefaßt, bie ganze Arbeit gehe auf Afforb, flc follten ft<h 
befleißigen, menn etmaS bei ber Arbeit ßerauSfomiite, fo molle ich 
fie bebenfen. Sie betreffeitben Bfaurerarbeiten follten 0011 mir fertig® 
gefteflt toerben unb bann barüber mit §errn R. abgerechnet merben. 
Als ©inheitspreife toaren h ier f ür etma 30 ^ofitionen feftgeftedt. Sie 
Arbeiter habe ich im Sagelohn bezahlt, moju ich alle 14 Sage bas ©elb 
nach Blaßgabe ber 2 ohnlifte oon £>errtt R. befam. geh felbft beftfce 
fein Bertnögen, um berartige Arbeiten auf eigene Rechnung auSjuführeji. 
SBie hoch fid) bie Arbeiten inSgefantmt belaufen, fann ich nicht fagen. 
Sie BerficßeruttgSbeiträge johlte $>err R. unb mürben mir biefelben, 
mit Ausnahme ber UnfallocrficherungSbeiträge roieber in Anrechnung 
gebracht, gut galle ein Bleßroerbienft über ben Sagelohn ßinauS bei 
ben betreffenben Arbeiten herauSgefommen märe, mürbe ich bie 2eute, 
toeldje fleißig gearbeitet haben, feßon bebaeßt haben, geh habe felbft 
per Sag 6 JL befommen, mofür ich bie Arbeit leiftete, bie einem polier 
jufommt. Sie erften jroei Bauten habe ich int Sagelohn gemacht unb 
bann erft bie anberen Bauten in Afforb übernommen. Bei biefen 
Bauten habe ich etroa 40 SRaurer unb Sagelöhner befchäftigt. geh 
johlte ben 2 ohtt immer mie er auf ber 2 ohnlifte aufgeftellt mar an bie 
Arbeiter, ohne etmas für mich juriicfbehalten als meinen 2ol)n oon 6 M. 

gft Borhalt eines förperlidjcn ©ebrechettS grobe Belei- 
bigung im ©in ne oon §. 124* 96? (Urtheil bes ©emerbegeridjtS 
2ubroigShafett am Rhein.) 

Klägerin mar in einer ©aftroirthfeßaft als 3mtmemtäbchen be- 
fcßäftigt; nach oorauSgegattgenen Streitigfeiten fiinbigte fie ben Sienft, 
trat aber oor Ablauf ber KünbigungSfrift aus, meil fie fich burch bie 
ttachherige Aeußerung ber Sienftherriu „©efpenft" gröblich beleibigt 
fühlte. Siefe Aeußerung gefeßaß mit Bejug auf baS bei ber Klägerin 
periobifd) oorfomntenbe Rachttonubeln. — Rach Rüborff Reid)S-©traf* 


gefeßbueß ©eite 451 fann jufolge einer ©trafgericßtS-Sntfcßeibutig ju 
Berlin 00 m 20 . Rooember 1874 burtfj Borhalt eines geiftigen ober 
förperüeßen ©ebrecßenS eine Beleibiguttg begangen toerben. SaS ein¬ 
geholte amtsärjtlicße ©utaeßten lautet: „SaS Borfomnten beS Racßt- 
manbeluS ift feßr feiten, fantt jebod) ttießt in Abrebe gefteflt merben. 
töentt baS Radjtmanbeln mir fließ bei einem Blenfdjcn oorfomntt, fo 
berußt es auf ©rfranfung, bejm. einem franfhaften 3uftanbc bes Reroen- 
fpftemS, unb jrcar in ber Regel einer cßronifdjen ©rfranfung. ©ine 
cßronifche ©rfranfung beS ReroenfpfientS ift jtoeifelloS ein ©ebreeßen; 
baß bas Racßtmanbeln ein ©ebreeßen ift, geht feßon barauS ßeroor, 
baß es faft ausnahmslos bei bem großen fßublifum eine gemiffe ©djeu 
unb Beflemtnung, in oielett gälten fogar Angft unb gureßt ßeroorruft." 
SaS ©erießt ift 31 t ber Annahme gelangt, baß ber Borßalt eines ©e* 
brecßenS fi<ß nur bann als eine grobe ober feßmere Beleibiguttg qua- 
lißjirt, menn er in rüber SSeife, prooofatorifdj ober fortgefeßt begangen 
morben ift. — Borliegenb gefeßaß ber Borßalt beS ©ebrecßenS in ein¬ 
facher gortit; freiltd) hätte bie Sienftßerrin bie unmittelbar barauf 
bureß ben §auSfnecßt getane Aeußerung ,,©eifter-©rfd)etnuitg" tiidjt 
ungerügt Iaffen bürfen. SaS Borfontmniß bilbete aber für bie Klägerin 
ttod; feinen gefeßlidjett AuStrittSgrunb unb cs tourbe ber Beflagten bas 
Recßt juerfannt, oott bem 2oßngutßaben ber Klägerin ben cntfpredjcnbeit 
Betrag als ©cßabenerfaß in Abjug ju bringen. 

Kann ber oßne ©inßalten ber KünbigungSfrift aus* 
tretenbe Arbeiter oor Ablauf ber grift ein 3 cu Q ni 6 
forbern? (Urtßeil beS ©emerbegerießts Sortmuub; Borftßenbcr 
RecßtSanmalt 0 . Köttgcn.) 

Ser ©cßloffer ©. mar bis junt 12 . Sßai bei ber girnta ©cß. als 
Blecßfcßloffer in Arbeit. Born 13. ab hatte er bei einer auSmärtigett 
girnta Arbeit angenommen unb jmar oßne bie für fein Bertragsoer- 
ßältttiß unftreitig geltenbe 14 tägige KünbigungSfrift $u beobachten. Sic 
Beflagte iß m beSmegen, als er am 13. feine ©ntlaffungSpapiere 
©erlangte, jmar bie gnoalibenfarte hrraitSgegeben, bagegett ißm be- 
beutet, ben Abfeßrfcßein ber girnta ©cß. unb bie Befcßeittigung ber 3u- 
geßörigfeit jur Krattfenfaffe bes SBerfeS befotttme er farnntt bem bis 
juttt 12. oerbiettten 2oßn erft naeß Ablauf ber 14 tägigen KünbigungS¬ 
frift. Am 25. HJJai ftnb bem Kläger bie gebuchten fßapiere nebft feinem 
2 oßtt ausgeßänbigt morben. 

Kläger beantragt, bie Beflagte jur 3 a hl««9 einer ©ntfdjäbiguitg 
oott 40 3Karf 31 t nerurtßeilett, meil fie in ber gebad)ten”3^ifchrnjeit 
ißm bureß Borentßaltung ber Abfeßr oerßinbert ßabe, anbermeitigeu 
©rmerb ju finbeit. 

BJäßrenb bie 3 u*ö<ttmltung ber gnoalibitätsfarte bureß ben § 108 
beS Alters- unb gnoalibitätSgefeßeS auSbrücflicß unterfagt toirb, aud) 
eine 3uriidbeßaltung früherer Abfehrbefcßeittigungen beS Arbeiters 
mangels eines gefeßlicßen RecßteS nicht ftattfinben barf, ift bejiiglidj ber 
ttad) §. 118 ber ©emerbeorbttung bem Arbeiter jufommenbett Abfeßr- 
befdjeittigung anjuneßmen, baß biefe erft bei bem orbnungStitäßigen 
Abgänge beS Arbeiters auSgeftellt unb abgeliefert ju merben braudjt. 
Sie AuSfteßung folcßer 3 e wgniffe gehört ju ben BertragSpfUdjten bes 
Arbeitgebers, bo<ß tritt biefe Berpflicßtung erft mit ber Auflöfung beS 
ArbeitSoerßältrtiffeS ein. 3 ur ^egrüttbung beS AttfprucßeS auf Aus- 
fteltung eines 3*ugniffeS geßört alfo gemäß §. 271 Allgemeines 2anb= 
recßt I 5 ber Racßmeis, baß ber Arbeiter feinen BertragSpflidjten naeß- 
gefontmen ift, alfo bas ArbeitSoerßältniß orbnungsmäßig aufgelöft 
ßat. Allerbings ftanb eS ber Beflagten frei, an ©teile ber Ausßaltung 
bes BertrageS bie gemäß §. 124 b ber ©eroerbeorbnung rccßtlicß fijirte 
©ntfcßäbigung ju oerlangen, ein 3^80 ober, biefe ©ntfcßäbigung ju 
mäßlert, befteßt ttießt, bie Beflagte fann ebenfo rooßl ooHe ©rfüHung 
ber Berpflicßtung beS Arbeiters bis jum Ablauf ber KünbigungSfrift 
mäßlett, ben Arbeiter mäßrenb biefer 3eit als noeß in ißrem Sienfte 
fteßenb beßanbeln unb bemgemäß bie Rapiere am ©cßluffe biefer 3 eit 
ausfertigen. 

Sie bem 2eßrling allmöcßentlidj einbeßaltenen 2oßntßeil- 
beträge bürfen bei Auflöfung bes 2eßroerßältntffeS nidjt 
oorentßalten merben. (Urtßeil beS ©emerbegerießts granfentßal.) 

gn bem jmifeßen bemBater beS flägerifdjen 2eßrlittgS unb ber beflagten 
girma oereinbarten fcßriftücßen 2eßroertrag mar u. A. auch bie Be- 
ftimtnung enthalten, baß oon bem bem 2 eßrling ju jaßlenben ©tunbett» 
loßn ein gemiffer Sßeilbetrag gutgefeßrieben unb erft nadj ooHenbcter 
2eßrjeit ausbejaßlt toirb. Ser aus biefen Sßeilbeträgeit ftdj ergebettbe 
©efammtbetrag oerfäßt bagegett (naeß bem 2 eßroertrag) ber gabrif- 
frattfetifaffe, faßS baS 2eßroerßältttiß burd; Berfcßulben beS 2eßrlings 
oorjeitig gelöft toirb. 

Ser 2eßrllng ßat nun etioa 5 — 6 SBodjen oor Ablauf ber oer- 
tragSntäßigeu 2eßrjeit — angeblich meil er ju Arbeiten ßerattgejogeu 
mürbe, bie mit feinem 2eßrfacß nidits gemein hatten — bureß Berlaffeit 
ber Arbeit bas 2eßroerhältniß gelöft, unb ba bie £>crauSjahluug bes 



123 


t*a8 ©eiücr&egeridfjt. 2Rittheiluitgen be$ BerbattbeS beutfdjer ©eroerbegerugte. m. iu. 


124 


% 


ein behaltenen StunbenlohneS im Setrage von 70 ätfarf feiicnö ber 
A-inita verweigert njnrbe, fucfjte bte 9Euttcr beS SJefjrltngS — als Ser* 
treterin t^red ttttnberjährigett Sohnes — bied bnreh Mage ju ertoirFeit. 

Beflagtc mürbe verurteilt, an Klägerin 45 9)tarf, auf welken 
Setrag fie ihr ©utbabeit rebu&irte, 3 U Bejahen. 

©rünbe: S)tc 2 eljruerf)ältiiiffe merben geregelt burd^ bte §§.126 
nub 133, fowte §§. 105 — 120 e ber ©emerbe*£)rbnuttg, foroeit nidjtd 
anberes Bcftimmt ift. §. 130 fagt, bah ber fieljrljcrr unter genügen 
Borauöfebiutgen baS Aedjt ^abe, bie AitcfFefjr beS fontraftBrüc^tgen 
Lehrlings ju erjmingen, bte §§ 132 unb 133 raunten bem Seljrfjerrn 
bie Scfugntfj ein, Anfprudj auf ©utfehäbigung geltettb 51 t machen. (Sitte 
Borfdjrift aber, wonadj ber verfallene Öoljn — benn unt foldjett banbeit 
es fid) hü* unb nicht etwa um eine in baö Belieben ber BeFlagteit ge* 
ftefltc 3umenbung — unter gemiffen BorauSfejjungeii einer krattFett* 
Faffe sugemiefen ober in anberer SBcifc über benfelben verfügt merben 
fönnte, enthält bie ©ewerbeorbmmg uidjt. Sohl fagt §. 105, bah bie 
tfeftfefcung ber Berljältmffe jtoifchen beit felbftftänbigen ©ewerbetreibenben 
unb ben gewerbltdjeit Arbeitern ©egenftattb freier Uebereittfunft fei, 
vorbefjaltlidj ber burdj 91eidjsgcfefc begrüttbeteit Sefdjränfuttgett. Oierabe 
bie Scftimmungen in ben §§ 132 unb 133 müffett aber als eine folche 
SefchrättFuttg aufgefajjt merben, meil bort immer nur von einer ©nt= 
fdjäbiguttg bie Siebe ift. unb eine meitergrbcttbe Verfügung über Sohn* 
forberungett in fonfreten Streitfällen mit bettt ©eiftc beS ©efefceS nicht 
in ©inflattg gebracht merben Fa tut. Sollte matt ber Aitfidjt 3 uttcigett, 
baß nach ben chnlrechtltdjen Beftimmuttgen für bie ^falj bie ©iltigFeit 
ber Bebingungett beS Sehrvertrages mohl anerFannt merbett muh, fo 
märe bentgegenüber barauf hinjumeifen, bah bie lattbedgefe^lic^en Bor- 
fchriften über ben nothroenbigen besto. unjuläfftgen Jnljalt beS SlrBeitd« 
vertraget aufgehoben unb an ihre Stelle neue burdj bie ©enterbe* 
orbnuttg geregelte Borfdjriften getreten ftnb. $er §. 105 ber ©emerbc* 
orbnuttg h^t ben Schalt beS Arbeitsvertrages lattbedgefe^lic^en Be* 
ftimmungen exogen unb eS müffett bie ©efcfceSoorfchriften als Aus* 
itahmsbeftimmungen betrachtet uttb fonadj audj ftrengc aufgelegt merben. 
$te Beftimmung, monach ber gan^e ritdftättbige Öofjtt ber krattfenFaffe 
verfallen foDf, ftellt ftch ittbeffen auch als eine grohe Härte bar, metttt 
man beriicfftdjttgt, bah ber Lehrling naheju feine Setjrjcit vollcttbet uttb 
nun feines BerbienfteS verluftig gehen foflte, ber fich aus Einhaltungen 
für bie ganje 2 efjt' 3 eit sufammetifejjt. 

®er BeFlagteit ftanben fonadj anbere Mittel 3 U ©ebote, um bem 
Lehrling fein Unrecht jtmt Bewußtfctn 31 t bringen, fo bie ©r 3 wingutig 
ber StüdFehr in bie Üehre unb bie EittFlagmtg einer Entfdjäbigutig, 
von weldjett Mitteln bie Beflagte Feines 3 m* Antuenbnng Fommcn lieft- 
AIS gäfligFeitStermin ber gorberung muh baS ©nbc ber Sclj^cit 
— 13. April 1899 — angenommen tverben. 

Mgeweinep übet (BenierbegetWjte unb j 
^rbeiteuertrag. 1 

Ans beit ^|feSbeti«hten bet ©etuerbegeridjte* 

©ingegangen ftnb bte Jahresberichte von Bresben (fatnmt 
ber 9leurebaFtion beS DrtSftatutS vom 2. 1899); ferner von 

£etp 3 ig, £rier unb Bern. Jür Iefetere ©iufenbung finb mir 
befonberS banFbar uttb bitten auch an biefer Stelle bie auswärtigen 
©eroerbegerichie, uns burch Sttittheilung von Jahresberichten u. f. m. 
in kentitniß über ihre ShätigFeit 31 t fejjen. 


3Son btefen Jahresberichten befdjränFt fidh Bresben auf 
ftatiftifche Zugaben, bie von uns erft verroerthet merben Föntten 
mettn bte in Vorbereitung befinbliche neue StatiftiF ber ©emerbe* 
geriete gur Bearbeitung gelangen mirb. Girier hebt inSbefonbere 
bte 9t üblich Feit ber SlrbeitSsettel hervor unb bringt Angaben über 
bie Shätigfeit beS ftäbtifdjen SlrbeitSnadimeifeS, ber ber Sluffidjt 
bcs ©emerbegerichtS unterließt ift. Seipsig hebt unter Slnberem 
hervor, bah von ben tm ©anaen erhobenen 3325 Magen nur 
266 = 8 /2 2 % (in Bresben bei 3945 Magen 724 = 18 /30 o/ 0 ) burdb 
Urthetl (Verfäumnih s , 9InerFenntnih* ober FontrabiFtorifdbes Urtfieil) 
hätten erlebigt merben muffen. 

So erfreulich bieS von einer Seite aus fein mag, fo oerbient 
hoch auch ber StanbpunFt 23cad;tuug, unb ift in btefen Blättern 
bereits mieberholt h^oorgehoben tvorben, bem Berit, too von 
302 Magen 166 burd) llrtheil erlebigt mürben, mit folqenbctt 
Säfeen SluSbrucf verleiht: „SDie ^Insahl ber gefäßten llrtheile hat 
tnt BenchtSjahre neuerbtugS sugenotnmeu. 2)ie bereits im lebten 
Jahresbericht aufgefteUte Behauptung, bah bie Parteien meiflen* 
tl;eilS bett UrtheilSfpruch einer gütli^en Beilegung ber StreitigFeit 
vorsiehen, beftätiat fich bemnach je länger je mehr. SDen mciften 
Magern ift in Der Siegel entfd)iebett mehr um baS Briniip 3 U 
thuu, als um einen mehr ober roeniger groben ©elbbetrag." 

©ie Magen ber Arbeitgeber über bie angebliche VarteilichFeit 
ber ©emerbegerichte griinben ftch, wenn man ihnen nadjaebt, faft 
me auf falfdje Urtheüe, fonbern faft ftets auf ungern einqe* 
gangene Bergleidje. 

c r *Z ic *r e§ ~'H bvi Z en * mit biefen Magen fteht, geigten beutlich 
folgenbe Ausführungen beS ßeipgiger Berichts: 

Jn benjeittgen burdj fontrabiFtortfdjeS llrtheil erlebtgteit Sadtett, 
tu betten Vlrbeiter als Mager auftraten (inSgefammt 131), ergttiqen 85 
( = ?°/ 5 /°) Flagabmeifenbe Erfeitntniffe, mährettb itt beit qleidifaüs 
burdj FontrabiFtorifdjeS llrtljeil entfdtiebeuen ^rogeffen, itt beiten ?lrbeit= 
gebet Flagten (11), mir 1 FlagabmeifettbeS ©rFcmttuih (== 9,09 er* 
mnigen ift. 3u« hiefeit ^aljleit getjt aud) für biefeö »erirfiK'jnlir mit 
jDeutltdjiett Ijervor, baß ber öfter gegen bie ©emerbegeridjtc erhobene 
Bormurf, fie entfdjieben metft 31 t ©unften ber Arbeiter, unbegrünbet ift. 

SRan Fönnte biefe Klagen auf ihrer ©runblofigfeit beruhen 
laffen, menn fie nicht bie eigentliche Urfadhe baoon mären, bah bie 
©emerbegerichte aud) ba, mo fte nicht einfeitig nur aus Sozial* 
bemoFrateu sufammengefeht fmb, in ihrer michtigen Aufgabe als 
©tmgungSbehörbe forlmäljrenb gehemmt mürben; gur Seit ift aber 
in Solge biefer Abneigung ber Arbeitgeber bei StreiFs ber gemöfjm 
liehe ©ang ber — auch Bresben berichtet roieber einen berartigen 
Jaß —, bah bie Arbeiter baS ©eroerbegericht aurufen, bie Arbeit* 
geber bie Berljanblung ablehnen unb fomit bie f<hiebsridjteriid)e 
^hötigFeit beS ©eroerbegerichtS nicht einmal beginnen Faun! 

£>ervorheben moßen mir noch, ^ah bas Berner ©emerbe* 
gericht feinem Bericht eine 9Feihe mistiger llrtheile beigiebt, bic 
mährenb beS JaljreS erlaffen tvorben, ein Borgehen, bas vielleicht 
itadjahmenSmerth ift. 


llerbatib$ ^-ÄngelcgcnljcUeii. 


Beitritt gmn Berbaitbe beittfcher ©elverbegertchte. 

©emerbegericht Solingen Ijat bnreh ^ufdtrtft vom 
Beitritt 311 m Berbattb beutfdjer ©emerbegerichte erFIärt. 


^aS königliche 
30. 9Äai feilten 


SBodjettfdjrift „Soziale ^ra£tS, ©entralblatt für Sojiatyolttif"* 

(Herausgeber: Dr. ©. §rancfe, Berlin; Berlag von ®uncfer & 
Humblot, Seip 3 ig. 3 u begießen burch färnrntlidie Voftanftalten 
unb Buthhattblungen gutn greife von 2 </f(, 50 Vf. für baS Biertel* 
fahr eitifchliehlich ber SJlonatSbeilage „®aS ©emerbegericht".) 

Jnijalt von 9lr. 40: S)ie gefehliche Regelung ber ArbeitS* 
verhältniffe ber ketlner unb keütterinnen. Bon Dr. Arthur 
©oljen, Biündjctt. I.; ^)er Ausftanb ber Maurer vor bem ©e* 
merbegericht als ©inigungSamt. Born Jabrifaitt D. Seigert, 
Berlin. — i)as MoalitionSredjt ber iiieberlättbifdjen Arbeiter. Bon 
Dr. v>. vatt Jaiitett, Auifierbatn; Seljrtraft unb So^ialrefornt; 
©itte ©efaljr für bie ÄoiiFurrensfä'higFeit nuferer Jitbuftrie auf beut 
SeltmarFt; ier Ceftcrreidjifdje HanbelSutinifter über bie Heim* 
arbeit; ^aS neue Bliiiifterium unb bie SogialpoIitiF in JranFreich: 
©ie Julaffung ber Jrauen gur 9iedjtSaiuvaltfdjaft itt SranFrcidj; 
llrtljeil eines ruffifchen Sabrifanten über ben adjtitiiitbigen ArbeitS* 
tag. — keine grauen als ©emeinbemaifetträtlje in breiigen; i 
©IcFtr^itätStverfe in mittleren unb fleinercn Stabten TeiitfdjlanbS; | 


®tabtif(fjeä ^tjgientfdjeä Suftitut für Serlin; ©täbtif^e @diuläntc 
inSdjöncberg; 9feue SubmiffionSorbmmg in fDfann^cim; 
Doer^auS gegen roriblidje ©eineinberöt^e in ©nglanb; kommunale 
piagrcgeln gegen Subcifulofc in 4l?and)efter; St[|er 0 penfionen für 
bte ©cmanbearbeiter in $ariä. — Äinberarbeit in Conbon »on 
©rneft SfoeS, ßonbon. — 35er »Ung ber Stnpetenfabrifanten; 2)er 
»erbattb beutfdjer Sd)uf)- unb @djäftefrt 6 rifanten; ©in 3 ?crbanb 
ber füSroeitbeiitirfjcn 'Iliöbcifobrifanteii; ®er herein beutfdjer 2 ßerN 
jcugtnafdjinenfabrifen. — fflergarbeiter = Unrtifjen im fRufineoier 
3 um griebensfdjluffe im berliner Saugeroerbe; ®er 32. ^rnbe^ 
Union« SVongrefe: 3ur Sergarbeilerberoegung in granh-eidb — 
® 03 talpolttif auf See; Sorfdjriften über bie Arbeitszeit in ©etreibc 
ntufjicn; Söic Öabrifinfpeftoriunen in 'Beimar; $olueioerorbnunn 
für Unterelfafj über SäcCcrcien; Hrbeiterfdjiig in ber enqlifdien 
^unbtjolgfabnfation. — ©inljcitlidjc Drganifation ber brei Arbeiter. 
oerfidjerungSjroetge; SerufSgenoffenfc^aftStag in tonftanj; ®ie Kraqc 
ber «Üereoeriidjcrung in Cefterreidj. — Önfjateaiigabe bc« 
„Weroerbegendjtö" Sir. 10. 


„®aS ©eroerbegericht" erfdjeint am erften ©onnerftage ieben aiionatS im SUiinbeftunitanae bon Vt Öoaen »um «wH,» nnn l au — " 

nehmen ffimmtltche glojtQnftaüen (Boftacitunggnummer 2877) unb Buchhanblungen an; ein birefter Beäug bon bre Berta^buchhanbfungaffet nidjfftitt U " Öen 


«erlag von ®un«fer a ^umblot, fieipjig. - «ebrueft bei 3ultu« 6üteiifeib in »crltn W. 







IV. Saugung. 


©erlitt unb ^rattffurt a. 9W., ben 3. Auguft 1899. 


üßmtttiter 11. 


Jlas ©flDfrbfjcridii. 

Zntttfydlungen bes Detrbanbes beutfcfyer (ßewerbegericbte. 

©erantwortlicb für bic Sftebaftion: ber ©efdjjäftöfütyrer beS ©erbanbeS, ©tabtratb Dr. Jlefdj, ffranFfurt &• 2W- 

frf4eUl ra nfm |»imn|li| ft*« JRmiU. _ |i|rli4 1 V«rt- 

——— - v»» 

©erlaß üon ©undet & Jpumblot, fidpjig. ßoftenfreie ©eilage jur „Sozialen $rajiS*. 


Sn&alt 


Eingriffe gegen eine geplante 
Äompetenjetmeitetung bet 

©en>erbegett<$te.125 

abfinberung beS öenietbege* 

ri(bt8gefe^e«.127 

ferfaflfcng unb gerfafyrru... 129 

2Ba^lbete(|ttgung arbeitSlofer 
Arbeitet unb allein arbeiten« 
ber Unternehmer. 

ft 129 

3ft ein 9)tilcf>futf<bet .fcanbluitgSgebtlfe 
ober ©etoerbegebilfe? (©emerbegcritbt 
^eibelberg unb iüanbßeridjt SDtann« 
heim.) 

Jft ber 3 u f c ^ nc *^ cr ©driebS beamtet? 
©erbrennen bon ©djntttmuftern 
Sadjbefcbäbigung? (©ewerbegericht 
unb fianbgericht Stettin.) 

Aufrechnung oon grorberungen auf 
ben ^ohn. (©emerbegericht Sternen.) 


3ft baS ©emerbegericht jur ©nt* 
fchdbung in ber Sach* eines ©lauter» 
polietS gegen dnen ein $anbelS* 
gefchÄft ©etreibenben (gemerblicher 
Unternehmer, © auuntemehmer, 
©runbftüdSfpetulant)}U)tAnbig? (@e* 
merbegericht Hamburg.) 

Arbeiter im Sinne beS §. 2 beS ©e* 
fefceS übet bie ©emerbegetichte. 
(©emerbegericht Karlsruhe.) 

f ... 136 

©ingegangene Jahresberichte. 

friefknften.136 

#errn A. 91., ©emerbegericht Hamburg. 
— £ettn £). St., £alberftabt. 


JnhaltSangabe ber «Sozialen ©ra£iS M . 


Abbrucf fümmtlicher Artifel tft Bettungen unb Beitföriften geftattet, jeboch nur mit 
notier Quellenangabe. 


Angriffe gegen eine gepinnte Äompetenj- 
erneiternng ber (betnerbegeridjte. 


£aS ©orgehen beS berliner ©ewerbegericf)ts (be^ro. ber Söei* 
fitjeroereine ober einiger ©eifiber beS berliner ©emerbegericbtS) 
bezüglich beS Entwurfs beS ©efepeS jum ©<bub ber Arbeite* 
mittigen, ift in ber SageSpreffe oielfad) 3 um ©egenftanb oon An« 
griffen gegen bie ©emerbegeriebte als folc^e oermerthet worben. 
Heber bie 3TF)atfac^c felbft finb bie ©emerbegeriebte aus ber ,,©o« 
Stalen $rajis" unterrichtet. &eren ©eurtheiluug anlangenb, fo 
bürfte ber ©orfipenbe beS ©erliner ©cmerbegerichtS, £err 
oon Scbnlj, {ebenfalls barin burcbauS im ©echt fein, bah etwas 
llngefeblicheS in bem Antrag beS ©erliner ©emerbegericfjtS nidbt 
gefunbett werben fann. 

2 öir glauben, ber ©orfibenbe märe nicht einmal berechtigt ge« 
raefen, bem Eintrag auf Einreichung einer Petition wegen Ab« 
lebnung beS Entwurfs entgegensutreten, ba biefer Eintrag, infofern 
bureb oen Entwurf baS gelammte ©erbältnih gwifeben Arbeitern 
unb Arbeitgebern betroffen wirb, 3WcifelloS „gewerbliche fragen" 
betrifft, welche „bie ber Oericf)tSbarfeit beS ©emerbegertcbtS 
©erlin unterftebenoen ^Betriebe" berühren. (§. 70 ©emerbegerichts« 

gefeb-)*) 

2Bir oermögen aber im ©egenfab ju fterrn oon ©cfjufy nicht 
31 t erfeben, inwiefern bie ©ßittbeilung eines Antrags in bieDeffent« 
liebfeit — natürlich abgefebett oon ^erfonenfragen u. f. w. — etwa 
llnjuläffigeg barfteflen fönnte; unb wir glauben, bah es gefährlich 
war, bie ©löglicbfcit eines bementfprechenben gefefclicben ©erbotS 
überhaupt attsuregen. $>aS ©ebiirfnih beS ©teinunaSauStaufcheS 
muh gerabe unter ben ©emerbegerichten fogar itodj lebhafter oor« 
hanben fein alä unter anberen ©ebörben unb öffentlichen $or« 
porationen (^anbelsfammern u. bergl.). 


: > Xer Entwurf berührt l'ogar, eben weil ©erlitt bie größte Jtt= 
buftrieftabt Xeittidtlaiibw ift, ba^ ©crliner Glctoerbcgericbt in gatts be= 
fonberem unb heroorragenbem ©rabe. 


^Der ©erbanb, bei beffen ©rünbung ^Berlin allerbingS nicht 
betbeiligt war unb oon bem es fi^b Iciber oor Sturgem au^ nicht 
recht erfichtlichen ©lotioen loö gefagt but, legt {ebenfalls auf bie 
ttRittbeilung ber oon ben ©emerbegeriebten geftettten Anträge fogar 
größtes ©ewicht (§. 2 feiner ©afcungen), unb e 8 b^t bisher wie« 
manb baran gebacht, bie$ als un^uläfftg 311 beseidfjnen. 

AnbererfeitS wäre eS natürlich gan 3 falfd^, bie Angriffe auf 
bie ©emerbegeriebte im Allgemeinen nunmehr mit bem unfereS Er« 
achtens gefejjlich burcbauS 3 iiläffigen SSorgeben beS berliner ©e« 
werbegerichtS bestiglich jener ©efehoorlage in 3uf<nmnenbang 3 U 
bringen. C^iefe Angriffe würben oon ber ©eite, welche fogar bie 
formale ©leichberechtigung ber Arbeiter unb ber Arbeitgeber als 
Senachtbciligung ber Öefcteren betrachtet, ftbon lange erhoben, ehe 
bas berliner ©emerbegericht feine ©timnte gegen einen ©efejj« 
entwurf erhoben b^tte, beffen Schult cS Sebermann erfichtlich 
machte, bafe jene formale ©leichberechtigung jebenfallS oor bem 
©traf gef eh eine einfeitige unb beSbalb oerwerfliche Senach« 
tbeiligung ber Arbeiter bebeutet. 2Sir bitten faft itt jeber 
Kummer biefer SBlätter folche Angriffe 3 urücfgewiefen unb aus ben 
QabreSberichten ber ©emerbegeriebte felbft bargetban, bafj auch bie 
Arbeitgeber bie ©orsüge ber ©emerbegeriebte mehr unb mehr an« 
erfennen. $>ie beiben neueften uns 3 ugegangeneit ©eriebte oon 
flauen unb Äöln fprechen fi<h bicn’iher fel)r ausführlich aus; es 
muh ^ biefem 3 nf a mmenbang auch ber Klagen gebaut werben, 
weldje ber neuerbingS erfcfjicnene ©ericht ber ©ewerbeauffuhts« 
beamten im Elfaft über baS faft gütliche Sohlen ber ©ewerbe« 
geriebte bort erbebt, ©iel fchlimnter als jene 3«tungSangriffe ift 
jebenfattS bie tbatfächlidbe ©chäbigung, welche bie Snftitution ber 
©emerbegeriebte in ber neueften SRooette 3 ur ©ewerbeorbnung burch 
bie 3 ula|fung unb ©tärfung ber juriftif^ unb fo 3 ialpolitifcb riitf« 
ftanbigen SnnungSfchiebSgerichte erfahren bat. 

Ünt fo erfreulicher ift, bah nunmehr bem ©eichstag auch ein 
©efehentmurf xugegangen ift, welcher anfdjeinenb wenigfteitS eine 
wichtige Aus Dehnung ber gemerbegericbtlicbeu ilompetens be« 
beutet. 

ES ift bieS bie ©orlage wegen Abänberung ber ©ewerbe« 
orbnung (©r. 165 ber irutffachen), über bie feitenS ber 
XVI. ©eichstagsfommiffion nunmehr ein ausführlicher ©ericht er« 
ftattet ift (©r. 313 ber $>rutffatben beS ©eicbStageS). ©ach biefem 
Entwurf, über beffen Snbalt im Ltebrigen an anberer ©teile 
referirt werben fott, foß in ben £itel 7 ber ©ewerbeorbnung in 
Abfcbnitt VI über bie ArbeitSbebingungen ber in offenen ©erfaufs« 
ftellen tbätigen ©ebiilfen, Öebrlinge unb Arbeiter eingefchoben 
werben. SBurben biefe ©eftimmungen, welche bie ^ommiffion 
aujjer auf bie ©erfaufsftetten auch auf bie 3 ugebörigen ©chreib« 
ftuben (^omptoire) unb ßagerräume aitSsubebnen oorfchlägt, ©efefc, 
fo würbe — nach §. 2 beS ©ewerbegerichtsgefeheS — alle biefe 
Sßerfonen auch ben ©emerbegprichten unterworfen fein, unb es 
wäre bamit wenigftenS tbeilweife bie AuSbebnung ber ©ewerbe« 
geriete aufs faufmäitnifthe §ülfSperfonaI, bie oon faft aßen ©e« 
werbegericblen angeftrebt wirb, erreicht. 

S)ie ©eratbung biefeS Entwurfs wirb hernach ©elegenbeit 
geben, auch bie Stimmung ber ©arteien nnb ber ©egierung be« 
3 Üglich ber ©emerbegeriebte aufs ©efte pin AnSbrnrF 31 t bringen. 
3)ie SDurchfübrutig biefer $ompeteu 3 crweiterung wäre wichtiger als 
alle bie 3 um Xtyil febr zweifelhaften ©erbefferungen, welche ber 
Snitiatioantrag beS ©eichStagS an bem ©ewerbegeriebtsgefep oor« 
nehmen will: ©ie wäre bie beftc Antwort auf alle unberechtigten 
Anfeinbungen ber ©emerbegeriebte. 








127 


®ttS ©eroerbegericbt. SRittbeilungen beß »erbcmbe« beutf<ber ©eroerbegericbte. 9tr. 11. 


12« 


Abänderung öejs ®em*rbegerld)tegc|e|es5. 


©cm SReidjßtag tft hierüber ein äußerlicher Script ($r. 286 
ber ©rudffadben) 3 ugegangen, ber oon ber VII. ftomtniffion jur 
Borberatbuttg beß ihr überroiefenen Antragß ber Abgeorbneten 
©ritnborn, Dr. $ifee — 9£r. 85 3'ffer 2 ber ©rudffadben — be* 
treffenb Abänberung beß ©efefceß oom 29. Quli 1890 über bie 
©eroerbegericbte — außgearbeitet ift. Sir geben ben Antrag 
fammt ben $ommiffionßbef<blüffen roieber: 

««trag. ®ef«|(öffe. 

Artüel I. Artüel I. 

$>em §. 1 beß ©efefceß oom $em §. 1 beß ©efefceß uont 

29. 3uli 1890 rotrb alß Icfcter 29. 3nli 1890 rotrb alß lefcier 
Abfa£ bte folgenbc Borfcbrift bin* Abfafc bie folgenbc Borjdjrift bin* 
jugefugt: jugefügt: 

„ 3 n ©tabtgemeinben mit mehr „ 3 n ©emeinben mit mehr ctlß 

als jroanjigtaufenb ©imoobnern swnnjigtaufenb ©inwobnern 

mu& bie ©rridjtung eineg ©e* mufj bie ©rridjtung cineß ©e* 

merbegeriebtg non ber ganbeß* roerbegeriebtß non ber ganbeß* 

©entralbebörbe auf Antrag be* ©entralbebörbc auf Antrag bc* 

tbeüigter Arbeitgeber ober tbeiligter Arbeitgeber ober Ar- 

Arbeiter angeorbnet roerben." beiter angeorbnet roerben." 

Artüel II. (9?eu). 

$5em §. 3 folgenbe neue 93c* 
ftimmung binsnjufügen: 

„Iteuer ©ntfdjäbigungßan* 
fpriitbe auß gefebrotbrigeit ©in* 
tragungen in Arbeitßbücber, 
3 eugni|fe, $ranfenfaffcnbüd)er 
unb Gutttnngßfarten ber 3 n* 
oalibitätß* unb Alterßoerftcbe* 
rungß*Anftalten, forote wegen 
ttnberredjtlidjer Borentbaltung 
biefer Rapiere." 

Artüel II. Artüel III. 

3n §. 13 beß ©efefccß inirb alß $n §. 13 beß ©efe^eß wirb alß 
Abfafe 5 bie folgenbe 93eftimmung Abfafc 6 bie folgenbe Befthnmung 
^injugefügt: binjugefügt: 

„Xie ©emeinbebebörbe bat „$ie ©emeinbebebörbe bat 

auf Antrag beß ©eroerbegeridjtß eine lüfte ber SBab[berechtigten 

eine gifte ber Sablbcredjtigten aufjuftenen. Poli 3 eibet)örben, 

aufjuftetfen. ®ie im ©ejirte Stranfcnf affen, welche im 33 ejir! 

beß ©cwerbegeridbtß beftebcuben beß ©ewcrbegcridj'tß befteben, 

Äranfenfaffen ftnb oerpflicbtet, finb ncrpfUdjtet, ber ©emeinbe* 

ber ©emeinbebebörbe jum gwecte bebörbe auf Verlangen bie für 

ber Anfertigung ber Säblerlifte bie gertigung ber Säblerlifte 

eine Abfdjrift ihrer SKitglieber* für Arbeitgeber unb Arbeit* 

Serjeicbniffe einaureidjen unb nebmer erforberlicben Anßfmiftc 

bte erforberlicben Außfünfte 311 ju geben, inßbefouberc ©utficbt 

geben, $ie gifte ift fpäteftenß ber SKitgliebcr * Beqcidjniffe 

nier Soeben nor bem jur Saht b^w. ber ©ewerbea^eigeu 51 t 

beftimmten Sage ju Sebermannß gewähren. $ie gifte ift mäbrenb 

©inftebt außaulegen, unb ift bieß nier Soeben nor bem 3 ur Saj)f 

junor öffentlid) befannt 3 U beftimmten Sage 311 Sebcrmannß 

machen. Ser biß 3 ur Sabl ©inftebt auß 3 ulegen, unb ift bieß 

feine Sablberecbtigung naebweift, 3 uoor öffentlich befannt 3 U 

ift nachträglich in bie Säbler* machen, 

lifte ein 3 utragen." Ser biß 3 um Sa ge nor ber 

Sabl feine Sablberecbtigung 
naebweift, ift in bie Säblerlifte 
cinjit tragen." 

Artüel III. Artifel IV. 

9?acb §. 62 beß ©cfefccg wirb Unneränbert wie Artifel III. 

bie folgenbe neue Befiimrnung 
eingefeboben: 

§. 62 a. 

©rfolgt bie Anrufung nur non 
Seiten einer Partei, fo bat ber 
Borfibenbe biernon einer ober 
mehreren ber ihm alßHcrtrnucnß» 
mätincr ber anberen Partei be= 
fannten $erfon Äenntnifj 311 
geben unb zugleich nach 5b?ög= 
üebfeit baljin 311 wirfen, bafj 
auch bie anbere Spartet ficb gur 
Anrufung beß ©tnigungßautteß 
bereit finbet. 

Aitcfj itt anberen fällen fofl 
ber 2?orfit>eubc bei Streitig feiten 
ber in 61 be^ctibneten 21 rt 
auf bie Anrufung beß ©inigungß* 


Antrag. SBefcbliiffe. 

antteß btttjittnirfcn fudbett ttttb 
biefelbe ben Parteien bei ge= 
geeigneter 9?eranlaffitng nabe 
legen. 

®er Ißorftbettbe ift befugt, an 
ben ©treitigfeiten beteiligte 
^erfonen nor 3 uIaben unb 311 
nernebmen. @r fatin hierbei 
für ben gall beß SRicbterfrf)einenß 
eine ©elbftrafe biß 31 t einbunbert 
2 ftarf anbroben. ©egen bie 
geftfefcung ber ©träfe finbet 
58efdf>merbe naäj ben Scftim* 
mungen ber ©ioilproseborbnuttg 
ftatt. 

©er febr augfübrlidje ÄommtffionßBencbt ift für bie Sföitgüeber 
beß Serbanbß nielleicbt [cbon beßbalb intereffant, roeil er ein 
fdblagettber S3cweiß für bte 9 ^iiplid)feit unferer Bereinigung unb 
für bie SRotbmenöigfeit eineß ©atntnelpunfteß barftettt, an beut 
ficb ade ©emerbegeriebte betbeiligen fönnen, unb an bem mit* 
3 uwirfen fid) fein ©ewerbegeridjt wegen ber ©röfec ber 0 tabt ober 
auß fonftigen aufeer-faeblicben ©riinben weigern fann, ohne bie, 
ben ftäbtifeben Berroaltungen burd) lleberlaffung ber ©eroerbegeriebte 
übertragene SDMtroirfung an ber juriftifeben unb fo 3 ial* 
politifc^en Außgeftaltung beß Arbeitßrecbteß 3 U fdjäbigen. 
0o 3 iemlicb außnabmßloß alle Angaben, bie in bem Söeridjt über bie 
St^ätigfeit oon ©ewerbegeridjteit, über 0 treitfragen auß bem @e* 
werbegericbtßgefejj, über ©rfabruttgen Don©eroerbegerid)tß»orftfeenben 
gemacht finb, finb uttfereit Btittbeilungen entnommen, ©ie 
ftatiftifdbe 3 u f a mmenftetlung auß unferer ^eitfebrift uom 2 . April 
1896 ift bem ga^en Umfang nach (alß Anlage 2 beß Bericbtß) 
wiebergegeben unb b<U & e n Beratbungen über beit Artifel I beß 
©efe^eß alß ©runblage gebient. 

Allerbingß enthält ber ©ntwurf auch jefjt nicht AHeß, waß 311 
roünfcben ift itnb in ber Sfommiffion gur Sprache fam. 

Snßbefonbere bat bte Außbebnung ber 3afiänbigfeit ber ©e* 
werbegeriebte auf anbere Berufe (fianbroirtbfebaft, §anbelßgewerbc, 
©ienftboten) nid)t ftattgefunben, wobei wohl bie wenig erfreuliche 
©batfadje inß ©ewid)t fiel, ba| ein Bertreter ber oerbünbeten .Ac* 
gierutigcn biefeit Anträgen in allen ©b e ü cn wiberfpracb. Audj 
eine 0 teHuncjnabnte 311 ber Srage, ob bureb Bereinbarung ber 
Sßartei (0cbtebßuertrag) ober bureb Beftimmung ber Arbeit 
orbnung bie 3 u fiänbigfeit beß ©eroerbegeriebtß außgejd)loi\eti 
roerben fann, lehnte bie ilommiffion ab, ebettfo roarb ber Antrag, 
ben Arbeiterinnen baß 2öablre<bt 3 U oerletben, gegen 4 Stimmen 
abgelebut. Bei ber Beratbung über bie obligatorische ©inriebtung 
oon SSablliften berührt febr fonberbar baß für bie (Einführung 
ber Sablliftcn aeltenb gemad)te Argument, bafe cß in ben Greifen 
ber Arbeiter alß 3 ur ncffebung empfunbett roerbe, bafe für bic 
©croerbegeridjtßroablen nid)t bie gleichen Borarbeiten geleiftet roürbcn, 
roie bei ben fonftigen Sablen, bei roeldjen bic Bebörbcn oon 
©efebeßroegen oerpflicbtet feien, bte Sahlberecbtigtcu 3 n ermitteln. 
Unß roar bißber oon einer berartigen ©iferfudjt nid)tß, rool)t aber 
ooit einer oielfadj jum Außbrucf gefonttneneu Abneigung ber 
Arbeiter gegen Schiliften befannt. ©ie Si'age beß proportional* 
Sabloerfabrenß, bie in unferett „Sittbeilungen" roicberholt alß 
befottberß rostig beroorgeboben toarb, ift in ber fiommiffion nur 
int Allgemeinen geftreift toorben. Sir bebauertx bieß; benn gerabe 
bie 9teubßtagß=5lommiffion roäre bie berufene 0teHe geroefett, um 
ficb mit ber roi<biigeti Srage ber SJHnoritätenoertretung 3 U befaffen. 
Biinbcftenß hätte cß ficb tuobl empfohlen, ben §. 12 , roclcber 
unmittelbare unb geheime Sat;l oorfdjreibt, in einem 0 init 311 
änberit, roeldjer bie nad) unferem ©rad)ten aderbingß unrichtige 
Briöbeutung außfdjlieht, alß ob baß ©efefc bie Proportionalroaljl 
oerbiete, ©er Prooinsialrath in Staffel bat bieß befanntlicb auß 
ber Borfcbrift, bafe bie Sahi „unmittelbar" fein müffe, gefolgert, 
unb cß hätte fid) oielleicht ber 3 meifel bureb eine außbriicflidie 
Monftatirung in ben Bfotiocn, ober — beffer — bureb bk ©rfcpuug 
beß buttfcltt Begriffß ber „unmittelbaren" Sahl bureb ben ber 
„gleidjen" Sapl bcfeitigcit laffett. 

©ß roäre auf biefe Art roenigftcnß freie Bahn für bie ©nl* 
fdjeibung berjenigen ©emeinben getroffen roorben, roelcbe ben fo 
roid)tigett Berfu^ machen roollen, bureb ©ittfübrung ber pro* 
portionalroahl and) ben Biinoritäten 3 U einer Bertretung im ©e* 
roerbegcrid)te 31 t Reifen. 

Senn ber Antrag ber Äommtffton I;icrnarf) auch roeitauß iticfir 
allen laut geioorbencn Siiitfd)en 9tcd}iumg trägt, fo ift er hoch 
nametttlid) bcßhalb 31 t begrüben, roeil er bie ‘^hätigfeit ber 



129 


StaS ©erocrbegericht. SRittheiiungeu be« »erbanbe« beutf^er ©eroerbegerichtc. Ar. 11. 


130 


©eroerbegeri<hte als ©imgungSamt gu ftärfen berufen ift. Wirb 
roenigftenS ber hierauf begüglidje §. 62 a angenommen, fo fann bie 
SRücfroirfung auf bie gange Stellung ber ©eroerbegeridjte nic^t aus* 
bleiben. 

Wir erfudjen bie Witglieber bes VerbanbeS unb ber 
©eroerbegerichte um recht jaf)lreidje Aeufcerungen gu bem 
©ntrourf. 


BerfaflTntig nnb B erfahren. 

SBa^bere^tigung arbeitslofer Arbeiter unb allein arbetteuber 
Unternehmer. 

3u köln mar feitenS be$ königlichen ©eroerbegerichtS (AuSf<hu& 
für geroerbliche ©utadjten) eine gfaterpretation be$ §. 10 be$ Sfteaula* 
tioS (bei ben königlichen ©eroerbegeridjten, auf ©runb bes ©efe^eS 
oom 11. Quli 1891 tritt nach §• 13 baS oom SRinifter für £anbel 
unb ©eroerbe im ©inoernehmeit mit bem Suftüminifter eriaffene 
SRegulatio an Stelle bes für bie rein reidiSgefefclichen ©eroerbe* 
gerichte [§. 1 ©eroerbegeridjt8*©efeb] erforberten DrtSftatutS) bahin 
angeregt roorben, bah roahlberechtigt feien: 

a) auch biejenigen Arbeitgeber, roeldje gur 3*ü ber 2Bahl 
oorübergehenb feine geroerblichen Arbeiter befchäftigen; 

b) auch biejenigen Arbeiter, roeldje gur 3eit ber Wagl tror* 
übergehenb arbeitslos fiitb. 

^er barauf feitenS be$ #errn fianbelSminifterS ergangene 
Söefcheib — b. b. 21. Auguft 1897 — lautet: 


dagegen mu& ich eS ablehnen, eine Aenbemng biefeS 9te» 
gulaitoS im Sinne ber bortigen Anträge h c ^ c i 4 u fbhren. $aS 
©efefc oom 29. guli 1890 fann nur bahin oerftanben roerben, 
bah bie einzelne ^erfon oon ber Crganifation eines ©eioerbe- 
geridjts auSjdjltcfelidj bann unb nur für fo lauge erfaßt roirb, 
als fie tbatfädjlidj entroeber getoerblidje Arbeiter befchäftigt ober 
als Arbeiter in einem ©eroerbebetriebe befchäftigt roirb. 

geh oerfenne nicht, ba& biefe Vedjtslage im einseinen gaHe gu 
unerroüitfchten Schroierigfeiten, roie fie in bem bortfeitigen Berichte 
bes Näheren bargelegt finb, führen fann, glaube aber, bah f ie 
auf ein SWinbeftmaft hc^bjuminbem finb, roeuu, ums ich für 
unbebeuflich erachte, bie ^ülijeibehörbe bei ©rtheilung ber in 
§. 13 beS ÄeguIatioS oorgefehenen Vereinigungen in richtiger 
Wiirbigung ber Sachlage beS ©tngelfalleS nicht allgii citgbergig 
oerfährt. 

$cr Sffinifter für §anbel unb ©eroerbe. 
gm Aufträge 
geg. Wenbt. 

£ie ©ntfchlichung gibt inSbefonbere bezüglich berjenigen 
Arbeitgeber unb Arbeiter su Vebenfett Aniah, bie ein fogenannteS 
Saifongefchäft betreiben ober in einem folgen thätig fmb. &er 
Inhaber eines konfeftionSgefchäftS feiert nothgebrungen im 
Sommer; ber SRaurer roährenb grofigeiten. 

SRuht ihre Wahlberechtigung roährenb biefer 3 e ü ber „tljaU 
fächlichen" Aidjt*Arbett? 

Unb roie fall ba, roo Wählerliften beftehen, — in köln h a * 
man bie Wählerliften, u. ©. mit 9led)t, bei ber lebten Statuten* 
Aenberung abgefchafft — oerfafjren roerben? Wie fott fid) bie 
mit Aufteilung ber Wahlliften betraute Stelle bei ber Prüfung 
ber gfrage ber „thatfädjlid)en Aichtbefchäftigung" oerhalten? 


Ile d)lfj>ted) trug. 


3ft ein SJHIchfutfcher .franblungsgehülfc ober ©eroerbe* 
gehülfe? (llrtheil beS ©eroerbegeridjts §etbclberg unb beS 2aub* 
gcridjts 27?annheim.) 

g. roar bei bem SRildjhäitbler k. $. in £>eibel6erg feit 12. Vtärg 
1896 laut Vertrag oom gleichen 2age bei oierroödjetitIid)cr künbigung 
gegen einen monatlichen £ofjn oon 70 jl als SRildjfutfdjer in Stellung 
unb rourbe am 1. Februar l. gS. — angeblich ohne gcfefelichen ©runb — 
entlaffcu. g. $. flagte hi ffrau f beim ©eiocrbegeridjt ^eibelbcrg auf 
AuSgafjlung einer <5ntfd)äbigung in .$öfje oon 70 JC. 

$ad ©croerbegeridjt erflärte fiel) ieboef) für fachlich unsuftänbig unb 
mies bnher bie klage mit llrtheil oom ftl.SRnrg I. gS. unter Vcrfäölmg 
bes Klägers in bie koffen bes Verfahrens ab. Auf ©runb ber miinb* 


lidjett Verhanblung h fl t baS ©eroerbegerirfjt in thatfächlicher §inficht 
feftgefteüt: 

a) baft bie Aufgabe beS klägers nach bem oben ermähnten fdjrift* 
liehen Vertrag barin beftanben fjnbc, nicht nur ben kunben bes Ve* 
flagteu täglich bie bcftellte Vtilch mittels beS bem Veflagten gehörigen 
unb bem kläger ju biefem 3«)^ 5 ur Verfügung geftellteu ^uhrroerfeS 
jusuführen, foroeit erforberlich, jusumeffeu unb baS ©clb für bie ge* 
lieferte SKilch einjufaffiren, fonbern auch unbeftellte VUlchoorräthe, roeldjc 
ber kläger geroöhniieh mit fidh führte, an irgenb roeldje Liebhaber, 
je nach Umftänben, gu einem greife oon 16 ober 18 &f. pro Sitcr gu 
oerfaufen; 

b) bah ber kläger beoollmädjtigt geroefen fei, neue Vefteüungen 
entgegengunehmen unb ihm für jeben neu gewonnenen kunben eine 
Vrooifion oon 10 9f. oom Veflagten gugefagt geroefen fei; 

c) bah ber kläger ermächtigt geroefen fei, mit ben neu gewonnenen 
kunben ben $reiS für bie gu begiefjenbe Vlild) — 16 ober 18 3f. pro 
Siter — gu oereinbaren; 

d) bah kläger mit ber Veforgung beS guhrroerfeS be§ Vc= 
flagten nichts gu thun gehabt h«be, für bie Wartung ber $ferbe unb 
bie guftanbhaltung beS Wagens oielmehr ein befonberer knecht oom 
Veflagten gebttngen geroefen fei; 

e) bah ber kläger nur etroa l l ,'a Stunben täglich in ber Wohnung 
beS Veflagten gearbeitet habe, roährenb ber übrigen $agc$geit bagegeu 
mit bem SRilchtranSport begro. Verlauf befchäftigt geroefen fei. 

Auf biefe ^eftftellungen ftiijjte baS ©erocrbegericht bie feinem Urtheilc 
gu ©runbe liegenbe Annahme, bah bie ^hätigfeü beS klägerS im Ve* 
triebe beS SRildjhänblerS $?. eine rechtSgefchäftliche, b. h- biejenige einer 
$erfon geroefen fei, roeldje bem Vtild)häubler beim Vetriebe feines 
^aubelSgeroerbeS — unb als foldjes fei bie SJttldjhanblung bes 
groeifelloS gu betrachten — faufmännifche ^iilfsbienfte geleiftet habe, 
alfo bie Shätigfeit eines .&anblungsgcf)ülfen im Sinne bes 
ArtifelS 57 beS §anbelSgefehbucheS. ^ic Stellung beS klägerS im ©c* 
fdjäfte beS Veflagten fei fogar infofern eine beoorgugte geroefen, als er 
ermächtigt geroefen fei, im tarnen unb für bie Rechnung bes Veflagten 
AechtSgefdjäfte oorgunehmen (Art. 58 ,$.©.V.). 

Auf bie Verufung bes klägerS hob bie (Sioilfatnmer I bes ©roh 3 
herzoglichen Saubgerichts Vfaunheim mit Urtheil oom 1. Dftober 1898 
baS geroerbegerichtlidic Urtheil oom 31. Vfärg auf unb oerroieS ben 
AechtSftreit gur roeiteren Verhanblung unb ©ntfeheibung au bas ©c* 
roerbegeridjt §eibelberg gurücf. 

tiefes Urtheil ging im ©egenfafc gum ©rfenntnih beS ©eroerbe* 
gerichts oon ber Anfdjauung aus, bah ber kläger gern erblicher Ar* 
beiter, nicht £>anblungsgebülfe, beim Veflagten geroefen, für bie ©nt= 
fchäbiguugSflage bas ©croerbegerid)t fomit fachlich guftänbig fei. 

3ur näheren Vegrünbung biefer Anfchauung nimmt bas lanb* 
gerichtliche Verufungsurtheil auf bie ©ntfdjeibungsgrünbe eines am 
21. STOai I. gS. oon bemfelben ©eridjt — ©ioilfammer I — in bem 
Aedjtsftrcite ber gleichen Parteien roegen Aiicferftattuug einer oom kläger 

f. 3t- geftellten kaution auf Verufung bes klägerS gegen bas ab* 
roeifenbe Urtheil bcS ©rohbprgoglicben Amtsgerichts .^eibelberg oom 
11. V?ärg I. gS. erlaffcnen ©rfenntniffes Vegug. ®ic ©utfeheibungsgrünbe 
biefeS UrtheilS führen begiiglich ber ftreitigen 3 u ftänbigfcitSfrage ^ol* 
genbes aus: 

. . . Auch in fubjeftioer Vegtehung unterftehen bie Parteien als 
Arbeiter begro. ©ehülfe unb Arbeitgeber im Sinne ber §§. 1 unb 2 bes 
©cioerbegericbtSgefefceS uitb bes fiebenten JitelS ber ©eroerbeorbitung 
bem ©eroerbegericht, fofem nicht bie im §. 76 bes ©eroerbegeriditsgefehes 
oon beffeit 3ufiänbigfeit für „©chiilfen in $anbelSgefchäften" gemachte 
Ausnahme oorliegt. Von biefer le^tcren gragc ausfdjliehlid) hängt fo* 
nach bie ©ntfdjeibung beS 3wftänbigfeitsftreiteS ab. Unter „©eljülfeu 
in ^anbelSgefd^äfteu" oerfteljt bas ©efeh/ roie fein ©runb unb 3^ crf 
ergiebt, „.^aublungsgehülfen" im Sinne bes <£mnbelSgefefcbuchS 57 ff.; 
ocrgl. Wühelmi u. ^iirft Anm. 2 gu §.76 bes ©eroerbegerichtsgefeheS. 
^anblungogehülfeit fmb nun aber feinesroegs afle in einem .panbels* 
betriebe auf ©runb eines $>ienftoertrageS bcfchäftigten ^erfonen. Xao 
.t>anbelSgefehbuch felbft ermähnt neben ihnen in Art. 65 biejenigen, 
roeldje bei bem Vetriebe bes §anbclSgeroerbeS ©efinbebienfte oei* 
richten; für fte foH es bei ben für bas ©efiubebienftoerhältnih geltenbeu 
Veftimmungen fein Verocnben hoben, ©s roirb aber in ber i)tcdit= 
fprechuitg auerfauut, bah bieS nur eilt Vcifpiel ift unb bah nud) rein 
geroerblidje Arbeiter, auf roeldjc baS ^anbclsgefehbudj feine Aurocubuug 
erleibeti fann, in £>anbelsgcroerben fidj befchäftigt finbeu. ^iir bie 
grage, ob bies im eingelueu gallc gutrifft, fomint cs auf beit Umfang 
beS betreffeuben $attbelSbctriebeS gar nidjt an, fa es roerben gcrabe in 
groben .^aubelsbetriebeu häufiger als in flcitten audj ©etoerbegehülfen, 

g. 93. guhrleute, HJiagaginarbciter, befdjäftigt fein, ©ntfeheibeub ift oiel* 
mehr bie Art ber bem ©ef)ülfcn gugetoiefeneit I'iettffe. gür beit ,J>anb= 
lungsgeljülfen tuüffeii bies, minbeftens überioiegenb, faufmänuifdjc 




181 


tai ®eiüet6*$ertd&!. Sfeitthetluttgen be$ »erbcmbeS beutfdfjer ©eroerbegertdfjte. 9fr. 11. 


132 


dienfte fein (»crgl. Ijtcrgu ittib jum golgenben ©taub §§. 1 mtb 2 gu 
Art. 57 £.©.V.). Solche faufmännifche dienfte erblicft nun baS ©e* 
merbegeridjt unb mit ifjrn ber Kläger in ber Jptigfeit beS legieren 
bauptfädjlich beSmegcn, metl biefclbe in bem $anbelsgemerbe beS Ve* 
flagtrn eine rechtsgefrfjäftlid)e gemefett fei. der Kläger mar im 
§aüfe mit iedjnifdjen Arbeiten nur etma l'/a ©tunben täglich befdjäftrgt, 
hierbei jeboch nicht mit ber Sßferbemartung. SBäljrenb ber übrigen gelt 
mar er mit feinem SAildjfnhrroerf untermegs, rnobei ihm noch ein junger 
SBamt gur tinterfliifcung Beigegeben mar. ©r Ijatte nicht nur ben ©e* 
fdjäftsfunben bte SRild) gugufüljren unb gugitmeffen, fomie baS ©elb non 
ihnen eingugiehen, fonbern er führte in ber Siegel auch einen unbeftetlten 
Vorrat!) mit fief), ben er erforberltdjenfalls an anbere als bte gcroöhn* 
liehen tunben gnm üblichen greife abfe^en foEUe. ferner mar ihm für 
bie ©eminnung jebeS neuen kunben eine $ro»iflott »on 10 &f. gu* 
geftchert. 

hierin fömten nun gtmädjft ©igenthüm lieh feiten, burdj melche ftch 
bie ©teHung beS klägerS oon ber bei folchen 9J?tlchfutfd)ern gemßljn* 
liehen erheblich unterfcheiben mürbe, nicht erblidt morben. ©S ift all¬ 
gemein üblich, beitfelben mehr als bie Beftefftc 9J?üch mitgugebeit, weil 
häufig eingclne kunben mehr als gemöfjnltd) »erlangen ober meil 9?id)t* 
funben aus befonberer Veranlaffung auSnaljmSmeife SJiild) auf ber 
©trabe bei irgenb melchen Sfrldjfuhrleuten fjofen. die ^rooifion »ott 
10 &f. ferner für bie Aeugeminnung eines ftunben ift fo geringfügig, 
baft folche Acugeroinnmtg jcbenfalls feinen mefentlichen 2heil ber dhätig* 
feit beS Klägers gebilbet hat. 

£>ier»on abgeiefjen ift ber Abfchlufj non AechtSgefchäften entfeheibenb 
für ben Vegriff bes .^anblungsbeoollmäcfjtigten, aber nicht für ben 
beS .©anblung^ge^ülfen. der Iefctere tft als folcher gum Abfchluj) 
oon .ftanbclSgefdjäftcn nicht ermächtigt (Art. 58 §.©.V.), ja er braucht 
nicht einmal gur VHtmirfmtg berufen gu fein, mie birS g. V. 

beim Vudjhaltcr nicht ber ^all ift- AnbererfeitS hat audj nidjt jeber 
.^anblungSbeooIlmächtigte bie ©igenfehaft beS ^anblungsgehülfen. die* 
felbe fanit ihm fehlen, meil fein dienftüertrag oorliegt; fie fantt aber 
audj trofc oorliegenben dienftertrageS beShalb fehlen, meil bie abgu* 
fchliebenben AedjtSgefdjäfte fo einfacher Art ftttb, bab fie feine fauf* 
mänitifchen Sä3^igfeiten erforbern, unb aus biefem ©runbe ift 
g. V. ber keflner, ber Dberfellner, ber Vferbebahufchaffner, ber guhr* 
fnccht beS ©pebiteurS, aus biefem ©ruttbe auch ein SÄUdjfutfdjer, mie 
bcr Kläger, fein -fmnblungsgebülfe. 3m ^iftorifc^en unb herföntmlichen 
Sinne „faufmännifdje" dteitfte nämlich charafterifiren ben §aublungs* 
gehülfen, dienfte, „gu benen biejenige Schulung unb ftertigfett gehört, 
bie man iir ihrer VoDenbung bie faufmännifche diichtigfeit nennt. die 
fanfmännifche Signatur ift es, melche ben ©ehülfen gum $anblungs* 
geljülfen macht (Si.C.§.@. 99b. 17 S. 309)/ demgegenüber fann aber 
fein 3meifel fein, bab für bie ©rlangung ber Stellung als VHId)* 
futfeher, mie Kläger ftc inne hat, feine faufmännifche AuSbtlbuttg, fein 
faufmännifcheS können erforberlich ift. der Abfdjlub ber SRedjtS* 
gefchäfic ift h ie * in ieber Vegieljung non ber einfachften Art unb ge* 
fdjicht faft gang medjanifd). das SBcfentliche an ber Stiftung beS 
MlägerS ift — non ber erforberlichen (J-fjrlichfcit beim ©infafftrett ab* 
gefeljen — bie Leitung beS juhrmerfeS nnb bie 99ertheiluug ber SRilch, 
alfo dienfte gemerblich-tedjnifchcr Hrt. 3n ber 99egeichnung 3)?ild)futfd;er, 
melche bie Parteien in ihrem Vertrag gcroählt h fl ben, fommt bieS gu 
djarafteriftifchem HuSbrurf. 

-•piernad) ift bie 3»ftä«bigfeit beS ©emerbegeridjts begrünbet. . . ." 

diefc Slnfchauung beS SanbgerichtS befinbet fleh tm SBiberfpruch mit 
ber bisherigen ^w?i^ ber ©emerbegerichte. So h fl i beifpiclSmeife bas 
©emerbegericht Berlin in einem llrt^eil oont 24. September 1H96 einen 
9)Hlri]fahrer, ber bie ®?i(ch an tfunben abfährt, ben Kaufpreis eingieht 
unb felbft Samens feines SlrbcitgeberS ocrfanfl, aufjerbent auch mit ber 
Sorge für Ererbe unb Sagen feines Arbeitgebers betraut ift, als .£>anb* 
lung^beoollmächtigten unb ^anblungsgehülfen erflärt. 

diefe ©ntfeheibung ftu^t baS ©cmerbegericht Berlin auf bie An* 
nähme, bah auf bie reihtsgefdjäftlichc ^dfjätigfeit eines folchen SDfildj- 
fntfdjers gegenüber ben rein thatfächlidjcn dienften, bte er burdj AB* 
fahren ber beftcflten 2»iildj u. f. m. gu Ieiften l)at, bas ^auptgcmicht gu 
legen fei. ©S mag babingefteflt bleiben, ob biefc Auffaffimg gutreffenb 
ift. 3fbenfaHs giebt ber Stanbpunft beS üaubgcrichts, baf 3 für bett 
begriff bes ^anblungSgehülfen bie l'eiftung iit herfömutlidjem Sinne 
faufmäunifdjer, b. fj. eine faufmäunifrfje Ausbilbuug oorauSfehetiber 
dienfte ein mefcutlichrs ©rforbemifj fei, gu ^ebenfen Anlaf?. 

Aiir bie ©utfeheibung bcr Jyrage, ob eine ■Vitlroperfon, bie in einem 
gemrrt'liehen ober einem .^anbelsbetnebe befihäftigt ift, als ©emerbe* 
gchiilfc ober .fpaublungsgehülfc gu betradjten fei, fann prinzipiell nur 
bie Cualität ber dienfte, bie fie gu Ieiften jjat, md)t aber bie ivrage 
maf?gebenb fein, ob bicie dienfte eine gemiffe AusbUbung enorberu, 
ober fid) lebiglidj medianifd) oollgiehen. 


SaHen bie dienfte, bie eine folche ^ülfSperfon gu »errichten hat, 
auSfchliehlich »ormiegenb in ben 99eretd) ber faufmännifchen, b. h- 
auf ben SBaarertumfab gerichteten dljätigfeit, fo roirb bie betreffenbe 
§ülfSperfon als ^anblungSgehülfe auch bann gu betrad)ten fein, menn 
ihre dienftleiftungen eine faufmännifche Sorbilbung nicht »orauSfefcen. 
99on biefem ©efidhtspunfte aus hat bas ©emerbegericht Berlin (Urtheil 
»om 4. Sauuar 1895, lluger S. 200) eine ^rauensperfon, bie auSfchliefe* 
lieh mit bem Serfaufe »on Sadfmaaren im Saben eines ^äcfermeifterS 
befchäftigt mar, als £anblungsgehülfin erflärt. 9?ach ber Anfchauung 
bes Sanbgerichts SKannheim müfete eine folche 99erfäuferin, ebettfo mie 
bie in größeren ^anbelsbctricben befchäftigten defopifteu, ©ypebienten 
u. f. m., als gemerbliche Arbeiterin ber Suftänbigfeit beS ©emerbegerichtS 
unterftehen, ba alle btefe ©ülfsperfonen dienfte gu Ieiften ha&«V bie 
eine faufmännifche AusbUbung, ^faufmännifche düchtig* 
feit", abfolut nicht erforbern; atte biefe§ülfSperfonen mären bann als 
gemerbliche Arbeiter gu betrachten, obmohl ihre dienftleiftungen aus* 
fchltefclich bem 93ereichc ber faufmännifchcn dhätigfeit angeboren^ unb 
feine gemerbli<h*technifche Seite aufmeijen. Sinb bie dienfte, bte foldje 
§ülfSperfonen gu Ieiften haben, theilmeife faufmänntfeher nnb thcilmcife 
gemerblich*techntfchcr 9?atur, fo fann bie ©ntfeheibung ber 3rage, ob 
ber betreffenbe ©ehülfe ^anblungSgehülfe ober ©emerbegehülfe fei, 
immer nur mit Siücffidjt auf bie fonfreien 99erhältniffe bes einzelnen 
gaHeS, b. h- mit 9tüdficht barauf erfolgen, ob bcr Scbmerpunft feiner 
dhätigfeit in bte faufmännifdjen ober in bte gemerbli<h*tedjmi(beit 
gunftionen fäCft- Se^t in gäHcn biefer Art bie eine ber beiben in 9?c= 
tracht fomntenben gunftionen eine gemiffe 99orbilbung »orauS, fo mtrb 
aöerbings, fofertt nicht bie anbere augeitfdjeinlidj oorljcrrfchenb ift, für 
bte ©ntfdjeibnng ber Srage, ob ber betreffenbe ©ehülfe aTS .^>anblung^ 
gehülfe ober als ©emerbegehülfe gu betrachten fei, biejenige Seite feiner 
dhätigfeit entfdjeibenb fein, für melche eine gemiffe «orbilbung »er¬ 
langt mirb. 

3ft ber 3ufchneiber «etriebsbeamter? Verbrennen oon 
Schnittmuftern Sachbefchäbigung? (Urtheil beS ©eroerbegeridjt!? 
mtb beS 2anbgeri<htS Stettin.) 

Kläger hat 60 JC. rücfftänbigen ßohn unb 120 M. ©ntfchäbtgung 
für ©ntlaffung ohne gf'iinbigung geforbert. Veflagte hat Sachbefchäbigung 
ffe|duptet, meil Kläger aus ©efdjäftSpapier gefchntttene » Pl ' s 

bräunt habe, das ©emerbegericht Stettin hat bie VcUagic »er* 
urthetlt unb baS Urtheil gegen SicherhcitSIciftung für »oflftrerfbar 
erflärt. das Öanbgeridjt hat cS in ber |>auptfache beftätigt unb öa/im 
erfannt: _ 

daS Urtheil beS ©cmerbegerichtS für ben Stabtbegirf Stcttiu oom 
20. September 1898, burdj melcheS bie Veflagtc »erurtbeilt morben, an 
ben Kläger 180 M gu gahlett, mirb bal)iit abgeänbert: 

1. dah ber Kläger »erurtheilt mirb, oon beit aus bem Urtheil 
im SBege ber 3 ,ü angS»ollftrecfung gegen bie Veflagte betgeiriebeneu 
186,ro M an bie Veflagte 10 M nebft 5% 3iufen feit bem 15. dftober 
1898 gurücfgugahlen unb barin gu miUigen, bab 3 ur ©rfi'tIJinig bjefrc 
Verbinblichfeit biefer Vetrag nebft ben 3i n f cn aus ben für ben Kläger 
bei ber königlichen SiegieriingShauptfaffe in Stcttiu hinterlegten 180 Ji. 
au bie Vcflagte hcrauSgegahlt merbe. 

2. dab bie Veflagte »erurtheilt mirb, baritt gu rotlligeu, bab ber 
Ueberreft ber »om Kläger hinterlegten Summe au biefen gurüdgegahlt 
merbe. 

die koften ber VerufitngSinftang merben ber Veflagtett auf¬ 
erlegt. 

kläger, ber bei ber Veflagteit als 3ufchueiber gegen einen SSodjcn» 
lohn oon 60 JC befchäftigt mar, ift plöhlich »h nc künbigung entlaffcu 
morben, meü er bem »ott ihm tm 3ufd)neibeu auSgebilbeten ©. faltcfjc 
Vhifter untergefdjobctt unb neue Schnittmufter oerbrannt hatte, obwohl 
er mubte, bab bie lederen ©igenthum ber Veflagten maren unb gut 
balbtgen Anfertigung einer |>ofenlieferung im Serthc »on 12 0(K) bi* 
13 000 M. Vermenbung fiitbcu foüten unb meil er einen au bcr 5?ant> 
Ijängenben 9iotiggettel, auf melchcnt bie V?abe gu ber fiieferuug aufge» 
geichnet maren, abfichtUdj gerriffen haben füllte, der kläger begehrt ©nt* 
fchäbigung für 14 dngc mtb rücfftänbigen Sohn für eine VJodje mit im 
©angeit 180 Ut. der Veflagtc beftreitet bic 3uftäitbtgleit bcS ©enterbe* 
geridjts, ba kläger mit 9tiicf|idjt auf bic SSidjtigfcit bcr Stellung eine* 
3ufdjneibrrS in einem ^crrenfonfeftionsgefdjäft als 2s9erfuteificr 
angefehen merben iniiffe unb fein ©infontmeit 3120 M jährlidj be* 
tragen habe. 

9fad) bem ©rgebnib bcr VcmeiSaufnahme hat ftdj bic dfiätigfeii 
beS klägers in betn ©efdjäft bcr Vcflagtcn in ber |>auptfarf)e auf ba* 
3ufdjuctben befdjräuft. Aur ber 3»fd)ncibcr ©., bett er im 3ufdnieiben 
auobilbctc, arbeitete unter feiner Aufftdjt mtb ber eiiigigeu im ©cfiljän 
arbcitciiben Aäfjtcrin hat er hier unb ba Arbeit gugetheilt. ©onfi bat 
er tueber mit ber Auffidjt über bic Arbeit nodj mit ber Vcrtbeilmig ber 


133 


VaS ©emerBegericht. SÄittheilungen beS VerBanbeS beutlet ©cmerBegerichie. Rr. 11. 


134 


Arbeiten etrnaS gu t^uit gehabt; bie Sdljneiber arbeiteten nicht im ©e* 
fchäft, fonbern gu $aufe. Vei ber Abnahme ber Arbeiten hat fr als 
Sachoerftänbiger fein ©utadjten abgegeben, Soch mar bie Abnahme 
felbft nicht feine Sache. hiernach ift nicht angunehnten, baf$ er V$erf* 
mciftcr mar. Sag ©emcrbegericht mar baljer nach ben §§. 1, 2 beS 
©efefceS über bie ©emerbegeridjtc oom 29. gttli 1890 gur ©ntfdjeibung 
beS Redjtsftreits guftänbig. hiernach mar ber Kläger, maS roeiterhin 
für bie ©ntfdjeibung in ber Sache felbft erheblich ift, ©ehiilfe im Sinne 
ber §§. 121 ff. ber ©emerbeorbttung. Sie grage alfo, ob ber Kläger 
oor Ablauf ber Dertragsmä&igen geil unb ohne Auffünbigung entlaffen 
merben fonnte, ift lebiglich nach §. 123 ber ©etoerbeorbnung gu be* 
an trn orten. 

Ser §. 124a bafelbft, toonadf) noch fonft aus raichtigen ©rüttben 
bie fofortige Aufhebung beS VertragSoerhältniffeS oerlangt merben 
fantt, ift nicht anraenbbar, ba biefe Veftimmung oorauSfefct, bajj bas 
ArbeitSuerhältnifj mtnbefienS auf 4 SBochen ober eine längere als 
14 tägige ÄünbigutigSfrift oercinbart ift. SieS aber ift nicht ber gaß; 
einftmeilig ift burch nachträgliche Vereinbarung groifchen ben Parteien 
baS ArbeitSoerhältnifj beS Klägers auf unbeftimmte 3 eit oerlängert 
unb eine nur 14tägige ÄiinbigungSfrift oereinbart. ©in ©ntlaffungS- 
grunb au« §. 123 mar nicht gegeben. gnsbefonbere ift nicht ermiefen, 
bafe Ber Kläger ftch einer Unterfchlagung (§. 123 Stbf. 2) ober einer 
oorfäblichen unb rechtSmibrigen Sachbefchäbigung gum Sladjjtheile beS 
Arbeitgebers (§. 123 Rr. 6) fchulbig gemacht hat. &ie oon Ö es! 
fertigten Schnittmufter hat er gunt Sheil oerbrannt. Soch ftef)t nicht 
feft, bah bie Schnittmufter ber Veflagten gehörten. Vielmehr mürben 
fie, auch memt baS Rapier, aus bem fie gefchnitten morben, ber Ve* 
flagten gehörte, burch bie Verarbeitung bcs Rapiers in Schnittmufter 
nach §. 304 Sheil 1 Sitel 9 beS Aügettteinen Sanbredjts ©igenthum beS 
ÄlägerS. Sah ber Kläger baS ©igenihutn auf bie Veflagte übertragen 
hat, ift nicht behauptet; auch fonft hat fie feine Vehauptungen auf* 
gefießt, aus benen auf einen ©igenihumSermerb ihrerfeits gu fchliehen 
ift. SBenn auch ber Kläger, mie fie behauptet, auf ihre Anorbnung 
neue VJufter gefertigt hat, meil bie alten nichts taugten, fo hat fie hoch 
nicht behauptet, bah er biefe neuen Vtufter lebiglich nach ihrer An- 
meifung mtb nicht uielmehr felbftftänbig oermöge feiner eigenen Sach* 
fenntnih entworfen Fjat. 

Ser 9totiggettel ferner, ben ber Kläger gerriffen hat, mar gmeifelloS 
©igenthum ber Vellagten. Allein oon ihm fteht nicht feft, bah er trgenb 
toeldjen VerntögeuSmerth hatte, ober hoch nicht, bah ber Kläger il)m 
irgenbmelchen SSerth bemah, benn menn auch bie Veflagte behauptet 
unb ©. befunbet, bah auf bem Settel Vta&e gu meiten §ofen geftanben 
haben, unb gmar gerabe für bie oon ber girma 9t. 9t. befteßte §ofcn* 
lieferung, fo erhebt hoch nicht, bah biefe 9totigen nicht fofort erfefcbar 
maren, bah alfo ber Settel eben mehr als ein merthlofeS Stücf Rapier 
mar. ^ebenfaßs macht ja gerabe megen ber §ofenlieferung an 9t. 9t. 
bie Veflagte fchltefjlid) feinen Scfjnbenerfajjanfpruch geltenb, obroohl fie 
einen folgen in erfter ^nftang in Ausficht gefteßt hotte, hiernach fteht 
feinenfaflS feft, bah ber Kläger fich, als er ben 3ettel gerrif), ber 9ted)ts* 
mibrigfeit biefer £>anbluitg bemüht mar. 

Sa ber Kläger fonach oon ber Veflagten ohne ©runb entlaffen 
ift, hat er noch für bie gmei VSodjen nach feiner ©ntlaffung ben Sohn 
mit 120 M . gu beanfpntchen. Sen riiefftänbigen Sohn für bie SBodje 
oor ber ©ntlaffung hat bie Veflagte an ftch anerfannt. Sie rechnet 
bafür auf mit bem Anfprttdj auf ©rfafc beS Schabend, ben fie burdj 
baS Verbrennen ber Schnittmufter erlitten hat. 2öenn biefe auch ©igen* 
thum beä Klägers maren, fo mar er hoch auf ©runb feinet SlrbeitS* 
oerljältniffeS verpflichtet, nach biefen Vtuftern für bie Veflagte gugu* 
fchneiben unb jebenfaßg, fo lange fein SlrbeitSoerhältnih mährte, alfo 
noch 14 Sage lang nach feiner ©ntlaffung ber Veflagten bie Venufeung 
ber Schnittmufter gu geftatten. Sie Äoften baljer, bie ber Veflagten 
burch bie 9ieuanfertigung entftanben ftnb, muh er ihr erfefcen. 9tach 
bem 3eugnih oon ©. h fl t gmar bie Veflagte an biefen 3eugeit 25 M. 
für 9teuanfertigung oon ©rfafcmuftcrn gegahlt, boch hat ber 3euge fo* 
oiel garnicht geforbert; er märe mit 10 M. gufrieben gemefen. Äuf 
biefen Vetrag hat bann bie Veflagte ihren Schabenerfafcanfpruch ein* 
gefchränft. Ser ©erichtöhof nimmt an, bah 10 M. eine angemeffene 
Vergütung für bie Anfertigung ber ©rfa^mufter maren unb hat baher 
in Abänberung beS angefochtenen llrtheilö ben Kläger gur Viicfgahlung 
oon 10 M. neBft Vergug^ginfeit feit bem 15. Cftober 1898, bem Sage 
ber gmangsroeifen Veitreibung, oerurtheilt. %m Uebrigen ift bem An* 
trage be§ Klägers ftattgegeben. Sa bie Veflagte ihren jefcigen Schabend* 
erfahanfpruch fefjon in erfter gnftang, mo fie nur aßgemein ohne nähere 
Vegrüitbuug einen ©rfahanfpruch au$ ber Verbrennung ber Schnitt* 
mufter geltenb gemacht h ft t, hätte begrüuben fönnen, fo finb ihr bie 
ti often ber Verufungöinftang nach §. 92 Ab fab 1 unb 2 ber ©iuil* 
Vrogehorbnung gang gur l'aft gelegt morben. 


Aufrechnung oon gorberungert aufbenßofjit. (©ntfdheibung 
beö ©eroerbegerichts Vreuten.) 

Ser Kläger hat 7 .//. riiefftänbigen 2ohn eingeflagt, morauf ber 
Veflagte unter Anerfennung ber Vichügfeit gorberungen im Vetragc 
oon 9,w M. aufrechuenb, gegen bie Ällageforberung geltenb macht. 

gür bie ©ntfdheibung über bie ©egenforbernngen mürbe bas ©e* 
roerbegericht nicljt guftänbig fein, menn ber Veflagte fie flagenb oor 
bem ©eroerbegeriehte geltenb machen mürbe, ba e3 ftch bei ihnen nicht 
um Seiftungen unb ©ntfchäbigungsanfpruche auö einem Arbeitsoerhält* 
niffe hanbelt. (Vergl. §. 3 9?r. 2 be3 ©efefeeg, betreffenb bie ©enterbe- 
gerichte.) Sa8 ©eroerbegericht ift beShalb auch nicht guftänbig über 
biefe gorberungen gu entfehetben, menn fte einrebemeife im SSege ber 
Aufrechnung geltenb gemacht merben; benn nach §. 293 ber ©ioilprogefj* 
orbnung ift bie ©ittfcheibung über ba8 Veftehen ober 9?ichtbeftehen einer 
mittels ©inrebe geltenb gemachten ©egenforberung bis gur £>ölje beS* 
jenigen VetrageS, mit melchem aufgerechnet merben fofl, ber 9iechtSfraft 
fähig. 2Bürbe baS ©emerbegeridht mithin über bie ©egenforberungen 
beS Veflagten entfeheiben, fo mürbe eS rechtsfräftig über gorberungen 
entfeheiben, bie feiner ©erichtsbarfeit nicht unterfteflt finb. Sem Kläger 
mürbe auch baburefj ber 9iechtSmeg begügliifj ber Anfprüdhe beS Ve* 
flagten in unguläffiger SBeife Befdhränft. SBäljrenb ihm, menn ber Ve* 
flagte bie gorberungen oor bem Amtsgericht geltenb gemacht hätte, 
gegen ein ungiinftiges Urteil beS Amtsgerichts baS VechtSmittel ber 
Verufung an baS Sanbgericht guftehen mürbe, ift baS Urtheil beS ©e* 
merbegerichts, meldjeS baS Veftehen ber ©egenforberung anerfennen 
mürbe, unanfechtbar. Ser Veflagte ift beShalb megen Unguftänbigfeit 
beS ©emerbegerichtS mit feinen ©egenforberungen gurüefgumeifen. 

Vergl. Sernburg: ©efchichte unb Sheorie ber Äompenfation. 
2. Aufl. §.62 9fr. lb S. 631. Äohler: Äompenfation unb Vrogefe in 
Vufch 3tf<h- f. Vb. 20 S. 45. 

3ft baS ©emerbegeridht gut* ©ntfdheibung in ber Sache 
eines 9EaurerpolierS gegen einen ein #anb.elsgefchäft Ve* 
treibenben (gcmerblicher Unternehmer, Vauunternehmer, 
©runbftücffpefulant) guftänbig? (Urtheil beS ©emerbegerichtS gu 
Hamburg. Vorft^enber: Dr. 9foacf.) 

Kläger, ein Vfaurerpolier, oerlangt oon bem Veflagten, meldhett er 
als Vauunternehmer begeidjnet, für 9Äaurerarbeiten mittelft Älage eine 
9leftfumme oon 1571,60 M. 

Ser Veflagte erhob oormeg ben ©inmanb ber fadhlithen Ungu* 
ftänbigfeit beS ©erichtS, inbem er gur Vegrünbung golgenbeS auSfiihrte: 
@r fei Kaufmann unb betreibe als foldher Agenturgefdhäfte. Sem Vau* 
gemerbe ftehe er oößig fern unb befifce fein Verftänbnife beffelben. 

©r habe gmei Vaupläfce getauft, für bie Ausführung ber auf ben- 
felbett gu erridjjtenben ©ebäube einen Ardjiteften, ber auch ben Äontraft 
mit bem Äläger oerfafet, engagirt, unb unter benfelben ben Äläger ge* 
fteflt. ©r beabjidhtige, bie ©ebäube gmar nicht für feinen Vrioatgebraudh, 
rnohf aber gu Veoenuengmccfett gu bettuhen. Aber auch ber Äläger 
unterftehe in feinem Verljäftniffe gu ihm bem ©emerbegeridhte nicht, 
meil berfelbe ein felbftftänbiger ©emerbetreibenber fei. 

Ser Äläger hat bie ledere Shatfadhe beftritten; er fei lebiglich als 
polier oon bem Veflagten eingefteßt, maS ber tn ben $änben beS Ve* 
flagten befinblidhe Äontraft ergeben mürbe. 

Sas ©emerbegeridht mies bie Älage megen fachlicher Unguftänbigfeit 
ab unter folgettber Vegrünbung: 

2BaS bie grage ber Selbftftänbigfeit beS ÄlagerS in bem Verhält* 
niffe gu bem Veflagten betrifft, fo ift biefer für bie Unguftänbigfeit beS 
©emerbegerichtS geltenb gemachte ©runb mtt Vücfficht auf ben Äontraft 
als oößig ungutreffenb gurüefgumeifen. Ser Äontraft felbft Begegnet 
ben Äläger als Vtaurerpolier unb menn er gleidfjgeitig als Unternehmer 
genannt mirb, fo übernimmt er bie betreffenben Arbeiten nicht als 
felbftftänbiger, baS SRaurergemerbe auSübenber ©emerbetreibenber, fon* 
bertt in feiner ©igenfdhaft als Sftaurerpolter, refp. als ein beoorgugter 
9Äaurcrgefeße. Sem entfpri^t auch ber gange 3«halt beS ÄontrafteS. 
Ser Veflagte hat für bie SWittel gur Söhnung ber Arbeiter gu forgen, 
unb firfj fogar oorbehalten, bie Söhne Mreft an bie Arbeiter gu gahlen; 
ihm liegt bie Sorge für bie jeber 3 f M erforberlidhe §erbeifdhaffung beS 
SKaterialS ob. Ser Sohn, melier ben ©efeflen uttb Arbeitern gu be* 
mißigen, ift Umitirt unb barf bei Strafe ber Auflöfung beS ÄontrafteS 
nicht Übertritten merben; ber Äläger muh VHtglieb ber SuoalibitätS* 
unb ber Ärattfenfaffe fein; er ift oerpflichtet, mit ben Arbeitern bie Auf¬ 
hebung ber Äünbigung gu oereinbaren; er hat auch in Vetreff ber Drb* 
nung auf bem Vau ben Attorbnungen beS Architeften golge gu leiften; 
Arbeiter fteßt er nicht nach feinem, fonbern nach bem ©nneffett beö 
Ardhitefteu ein unb hat biefelbett nach beffett ©rnteffen gu entlaffen. 

SBefentUch für bie Vegriffsbeftimntung beS felbftftänbigen ©emerbe* 
Betriebes ift, baß bie Shätigfeit beS ©emerbetreibetiben für eigene Rech¬ 
nung unb Verantmortlichfeit unb in Unabbängtgfeit oon ehtem biefe 



135 


$03 ©eroerbegerlcgt. SRittgeilungcn beS BerbanbeS beutfcger ©eroerbegertcgte. Ar. 11. 


136 


^^ättgfett befttmmenben unb überroadjenben dritten geübt roirb (oergl. 
3. £aaS, Kommentar gum S^etc^jggefe^, betreffenb bie ©eroerbegeriegte, 
21 Ar. s). $ieS trifft im oorliegenben gäbe offenbar nicht gu 

SSar hiernach bie Uiiguftänbigfctl beS ©eroerbegeridjtcS auf ©runb i 
ber Selbftftänbigfeit beS Klägers nidjt attguerfennen, fo war anberer* 
feitS bie grage, ob ber Beflagte ber 3uftänbigfeit beffelben untermorfen 
fei gu oerncinen, inbent nicht angunegmen roaiv bafe er als bern Maurer* 
geroerbe angefjoriger, b. I). als ber ©eroerbeorbnung unterworfener, 
geroerb lieb er Arbeitgeber in Betracht fommert fönne. 3 loar if* ber 
Begriff beS OleroerbeS fo wenig, roie ber beS Arbeitgebers in unferer 
an Begriffsbefinitionen giemlirfj bürftigen ©efcfcgebung befinirt. Allein, 
bei folgern SDJangel roirb für ben Mangel ber gemeine 0pradjgebi*aucg 
ma&gebenb fein unb biefem entfpric^t eS, unter ©eroerbe eine auf ©r* 
roerb gcricfjtetc Xfjätigfeit gu uerftegen. 

$er Begriff beS Arbeitgebers fotl nach ber übereinftimmenben Auf* 
faffung ber Kommentatoren aus bem beS Arbeiters bebucirt roerben. 
Xa nun unter Arbeiter im Sinne ber ©eroerbeorbnung nur gern erb* 
tic^e Arbeiter gu uerftegen finb, ba ferner als geroerblidje Streitig feiten 
nur folcge gu erachten, roeldje aus Anlag eines ©eroerbebetriebeS ent* 
[legen, fo müfcte ber Bellagte ein gewerblicher Arbeitgeber im Sinne 
beS XitelS VII ber ©eroerbeorbnung fein, wenn oon igm oor bem ©e* 
roerbegeridjtc Aedjt genommen roerben bürfte. $a$ ift er aber ent* 
[djtebeit nicht. $er Bellagte betreibt unbeftritten, unb bureg bie bei* 
gebrachte ficgitimationSfartc naebgeroiefen, ein faufmännifcgeS ©eroerbe. 
$em Betriebe beS Baugeroerbes ftebt er oöbig fern unb nicht aus 
biefem ©eroerbe als folcgent roiH er einen ©rroerb ergieleit, oielntebr 
läßt er burd) Bauoerftänbige auf oon ihm erroorbenen flöhen Käufer 
bauen, um aus biefen Acoenuen gu begieben, ober fie ttt anberer Seife 
gu oerroertben. $ie Abficgt ift nicht auf bas Bauen an ficb, fonbern 
auf Spefulatton mit ben erbauten Käufern gerichtet. 

Betreibt hiernach ber Beflagte fein ber ©eroerbeorbnung unter* 
liegenbeS ©eroerbe, infouberbeit nicht baS Baugeroerbe, fo formte er 
auch in folget* ©igenfdjaft ben Kläger nicht befchäftigen. M. 

Arbeiter im «Sinne beS §. 2 beä ©efegeS über bie ©e* 
roerbegeridjtc. (©ntfegeibung beS ©eroerbegeridjts Karlsruhe.) 

Kläger übernahm nach feiner Behauptung oon ber Beflagten bie 
Acbuftion ber $Iäne oerfegiebener ©emarfungen unb oerlangt für 
biefe Arbeit ben Betrag oon 810 M ., roäbrenb nur 220 M. begablt 
roorben feien. 

Beflagte überlägt bie Prüfung ber 3 u Pttbigfeit beS ©eroerbe* 
geridjts bem ©rmeffen beS ©erichtS; in ber Sache felbft roirb einge* 
roenbet, baß bem Kläger bie Arbeit nidjt oon ber Beflagten, fonbern 
oon bem Ingenieur £. übertragen roorben unb bag biefelbe im Uebrigen 
unbraudjbar geroefen fei. 

Als Arbeiter im Sinne beS §. 2 beS ©efefceS, betreffenb bie ©e* 
roerbegeridjtc, gelten biejenigen ©efeUen, ©ebiilfen, gabrifarbeiter unb 
Lehrlinge, auf roelche ber Xitel VII ber ©eroerbeorbnung Anrocnbung 
finbet unb biefer Xitel gubet auf alle Arbeiter Anrocnbung, roeldje oon 
fclbftftänbigen ©eroerbetreibenben gu geroerblichen Arbeiten oerroenbet 
roerben unb bem Arbeitgeber ihre ArbeitSfraft, nicht blog eingelne 
Neigungen, gur Berfügung ftellen; es fommt hierbei auf bie Art ber 
Arbeit nicht au unb eS fönnen insbefonbere auch technifche unb fogar 


fünftlerifdje Seiftungen beu ©egenftanb beS ArbeitSoertragS bilben. gut 
oorliegenben gäbe ganbelt es fich groar um Arbeiten, roelche oertnöge 
igrer tedjnifdjcn Aatitr gang gut Oiegenftaub beS ArbcttsoertrageS fein 
fönnen, allein Kläger ift fein Arbeiter im Sinne bcs ©cfcjjcä unb giuar 
gebridjt eS au groei BornuSfeguugett beS ©efefces; einmal liegt es im 
Begriff beS „Arbeiters'', bag er gegenüber bem Arbeitgeber fidj feiner 
Selbftftänbigfeit begiebt, foroeit eS fich um beu Botlgug beS Arbeit?* 
oerbältniffeS ganbelt, roäbrenb ber Kläger bie in grage fteljenbc Arbeit 
gang felbftftänbig übernahm unb ebeitfo felbftftänbig unb ohne jebc 
Beauffidjtigung oollgog; fobann famt nur berjenige als Arbeiter im 
Sinne beS ©efeges gelten, roelcher bem Arbeitgeber feine gange Arbeit** 
fraft gur Berfügung ftetlt, roäbrenb ber Kläger nur gang befümnite 
eingelne Arbeiten übernommen hat. 

Kläger faun foutit nidjt als Arbeiter bcö Beflagten betradjtei 
roerben, fonbern erfegeint als felbftftänbiger Unternehmer. 


Oecbtmb^ 'Sütgdegettliettett. 


©tttgegattgat ftttb bie Berichte bet ©enterbegeriegte ©fjarlotteiiburg, 
Leipgig, flauen i/B., ber Arbeitsfainmer 3üridj. 


firtefkaße». 


Herrn A. A., ©etterbegeridjt Hamburg. 3 uieubuug baufenb cm* 

I pfaugen. Weitere BJittljeilungeu erroüufcgt, roeuu möglidj auf Sdjreib* 
i papicr. 

Herrn D. St., ©alberftobt. Auf bie Anfrage, ob Bereinigungen 
ber ©croer begeriegts * Betft {jer ber poltgeiliegen Anmclbitng 
unterliegen, ift gu errotbern, bag bie preugifege Berorbnung über bie 
Betgütung eines bie gefeglidie greigeit unb Crbnung gefäljrbenbeit 
SÄifjbraudjö beS Berfammlungö* unb Bereinigungsrechtes oom 12. 9Käig 
1850 fo nnbeftimmt gefagt ift, bag fiel; bie Bcredjtigung ber Boliget* 

I bcljörbe „gur ©ntfcubmig oon Boligetbcamtcn als Abgcorbneten" itidn 
mit ooller Beftimmtljeit beftreiten lägt. Xiefer llebcrroacgung unter* 
Hegen — nad) §. 4 — fämmtlidje Berfantmlungeu, in roeldjen ö'ffeutlidie 
Angelegenheiten erörtert roerben follcn. Xie grage ift alfo, ob bie Bor* 
berat (jung ber Bctfiger über in ber ©croerbegertcgtS*Sigung gu fteüenbe 
Anträge ober abguftetteube ©utaegten ögentlicge Angelegenheiten betreffen. 
3Ran folUc beufeu, bag bieS nidjt ber galt ift, ba es ftdj um Angelegen* 
beiten Ijanbelt, roeldje gutiädjft nur innerhalb beS 01 eroabegeriät* 
felbft erörtert roerben füllen; inbeg roärc immerhin beufbar, bag bie 
©ertegte aueg lebiglicg bie Aatur ber BerathmigSgcgcuftäube betraddeu 
unb g. B. bie Borberatgung einer bem OlerocrbegeriVht 3 ugebeitbcn An* 
regitng roegeit Stellung eines Antrags auf Abäitbening ber ©eroerbe* 
orbnung, Berroerfung einer ©efegoorlage 2C. für eine „öffentliche Au* 
gelegenheit" erflären. 

Xie groeite grage beantwortet gd) bahtn, bag bas Steinigen ber 
§änbe ebenfo toie baS Ablegen ber Arbcitsfleiber roohl in ber Siegel 
in ben Raufen, alfo nadj Sdjlug ber Arbeitsgeit roirb gefdjegen muffen. 
AnberS bürfte eS lebiglicg bei ben gefunbhcttsfdjäblidjen Betrieben fein, 
bei roeldjen geroiffe Borfehrungen gur Bernteibuitg ber ge [unb beit** 
fcgäblidjen golge ber Arbeit nicht unterlaufen roerben bürfen, »ielntehr 
fofort nach Beenbtgung berfelbcn oorgenomnteit roerben müffen. 


BBochenfcgrift „Sogiale ^rajiS, Qetttralbfatt für Sogia^rolitü". 

(Herausgeber: Dr. Srancfe, Berlin; Berlag oon SDundPer & 
Hnmblot, ßeipgtg. 3n begiegen burch fämmtlichc ^oftanftatten 
unb Bucgganblnngen gum greife oon 2 Ji 50 ^f. für baS Biertel- 
jagr einfcgliegUcg ber SKonatSbeilage „£)a3 ©eroerbegeriegt".) 

Inhalt oon Str. 44; X)ie beutfegen BolfSbibliotgefen. Bon 
Dr. ©rnft Scgnlge, Berlin. — ArbeitSfamnter ber Stabt 3»rich; 
.v>oHänbifd)eS Arbeiterfefretariat; Arbeiterfefretariat in Breslau; 
BHnimallolin unb BiarimalarbeitSgeit in Amftcrbam; gefter ßogtt 
für Kellner in Hamburg. — HanSinbuftrie als golge beS ArbeitS* 
mangels in ber ^forgbeinter Bijouterieinbuftrie; Arbeilsoergältniffe 
in 9fiSeto*?)ovf: ßaubroirthfchaftlidje Arbeitslöhne in ©nglaitb, ßögue 
bei foinimtnalen XrammaijS iit (inglanb; ßögne ber frfjroeigerifchen 
©ifenbabnnrbcitcr; Berfdjicbung in ber ©noerbstgätigfeit junger 
Baibdieii: Arbeitslöhne im englifdiett unb amerifanifegen Schiffsbau; 
Arbeitslöhne in gnbien. — 3ur Arbeiterberoegung; ©griftlidger 
Bfaitreroerbanb SeutfdjlanbS; ^ehnftuubentag in ber öfferretdjifd)en 
Xertilinbuftrie; Streifs imb (finigungsämter in granfreid) 1898; 


Belgifcger Arbeitertnnenfongreg. — ^oligetoerorbnungen gum Scgut>e 
ber Arbeiier auf Bauten; Arbeitsgeit in ben ©etTiubeuuiglen; 
StedjtSfräftigc Verlautbarung oon ArbeitSorbnungcn; Arbeiterfdjno 
bei offentlidjen Lieferungen in Dcfterrctch; Arbeiter!ding in bei 
j feramifdjen gubuftrie ©nglattbs; ArbeitSorbnuitgeu in '^Belgien; 

! ^ie Konfereng ber banerifdjen gabrifen* unb ©croerbc*gufpeftoreii. 

— Örganifation Der gewerblichen Unfalloerfidjentng in granf* 
i reieg. Bon g. Schottgoefer, ^ariS; Xie llnfalloerftcgenings* 
oorlage in ben Aicberlanbeit. Bon Dr. g. H- oan ganten, 
Amftcrbam; AlterSoerforgung unb Arnumfiirforge in ©nglanb. - 
Cbligatorifdjer ArbeitSnadjroeiS ber Bärferinnung in XrcSben; 
Stäbtifcger Arbeitsnachweis für Schöneberg; görberung ber gadi* 
auSbilbung burcg ben ArbeitSnadjroeiS in Xfiffelborf. — Stiftungen, 
Bcrmädjtniffe unb Olcfdicttfe gu ©iinfteu ber Arbeiter. — Arbeiter* 
roohmtngsioefen: SöognungSpflcgegcfeg in Liibecf; 2 feue Arbeiter* 
folonic bei Berlin; BJobming*oerljältuiffe in anierifamfdien Stabten. 

Regelung ber Arbeitszeit ber ^ugfii^rcr unb Heiger in granf# 
reich; Betriebsunfälle auf ben groftbritannifegen ©ifenbagnen: 
Arbeilsoergältniffe auf ben italienifdjen Bagnen. — gnrjaltSatignbe 
beS ©etoerbegeriegts s )te. 11 . 


@<»etbefler^cht ,, erfegeint am erften $omtetftafle jeben SRonat« im SRhtbefhimfange bon Vs Bogen gum B*eife oon 1 SK. jäbtlid&. — BefiellunacTi 
nehmen f&mtnittdje Boftanftalten ($oft)eitung3mnmnet 2877) unb Buchhcmblungen an; ein bheftet Begug oon ber Berlaglbuchganblung pnbet nicht ftatt. 


»erlag oon »untfet ä Oumblot, fieipiig. — 9ebrudi bei 3ullul 6tttenfe(b In »erlln w. 





IT. dtefyrgimg. 


©erKn unb grwmffurt a. SM., ben 7. ©eptetn&er 1899. 


Sbmnuer 12. 


in« ©eroerbegeridit. 

Znittfyetlungen bes Derbanbes tfci?er (ßewerbegericbte. 

SBerantroortUd) für bie SRcbüftion: ber Oef^dftSfü^cer be8 ScrbanbeS, ©tabtrat^ Dr. jfUfilf, granffurt a. SK. 


% rf4d*I m aHa {«Nu 


»erlag Don ©und« & $umblot, Seip&tg. 


f «i» HOrfi» 1 JM- 

■v» *' 1 ' 1 

Äoftenfreie »ctlage jut f ®ojiaIen flrajll' 8 . 


Inhalt 


SRefultate bec 8Red)tf ptedjung 
eines größeren ©emerbege* 
ticbt».137 

©er ©nttourf eine» ©efefceS be» 
treffenb bie Abänberung ber 
©emerbeorbnung.140 

9*rffif|Tttitjr nnb ^erfahrt*... 141 

©efterbegeriebtSwabl. UnrtdiHge SooS* 
giebung. Söahlred&t ber »rofutiften. 

Stdrtrprt^ung.142 

3ft ba» ©ettierbegericbt gufiftnbtg für 
Ätagen Don ÜRufTfern nnb Äflnfilern 
nteberer ©aitung gegen Unternehmer 
Don fog. ©peiialitöten-Sorftellungen ? 
(©cioerbegericbt Hamburg.) 


3ft bie einfeltige Äenberung ber 
ÄünbigungÄfrift »fthwnb be« Ar* 
beitSDerbSUniffe» für beibe Stelle 
binbenb? (©etoerbegeridjt tfrefelb.) 

3ft bie orbnungSmäfelg erlaffcne 
ArbeitSorbnung für ben Arbeiter 
oerbinblidj, auch toenn fte ihm nidjt 
befannt gegeben ift? (@etocrbegeric&t 
ftranffuct a. ÜJt.) 

HtvftiiMtnts .143 

Aleine SJüUtbellungen. 

jUrbanbs-JlitffUgettbetttit... 143 

Sur SRad&ric&t. 

Srtefhaflni.143 

_fi, ©armftobt. — »erfäiebene 

Anfrage. 


Abbtud fümmilitber Arttfel ift Seitungen unb Seitfdjriften gejlutiet, jeboeb nur mit 
Doller OueQenangabe. 


HefnUate ber Ked)t|pred)mtg eine« größeren 
(Bemerbegeridjt«. 


Ski ben Skrhanblungen beS ^Reichstages über bie 3 ur Ab- 
änberung ber ©eroerbcorbituug unb beS ©ewerbegericbtSgefeßeS ge* 
malten Vorlagen, cbenfo wie bei ber Skrbaitblung über bas ©efefe 
Zum 0d)uö ber Arbeitswilligen werben üorcuiöfidjtlicf) aud) bie 
üblichen Angriffe gegen bie ©eroerbegeriebte wieberbolt werben. 
Sielleicbt wirb baber bie nacbfolgenbe Statiftif über bie SEhätigfeit 
eines größeren beutfeben ©ewerbegeriebts beS granffurter ©ewerbc* 
geriete) aus ben fahren 1887—1899, befonberes Sntereffe er* 


weefen. ©S fonnte bis auf baS 3abr 1887 gurüifgegangen werben, 
weil bas gewerbliche @<bieoSgericbt baS in granffurt a./5R. uon 
1887 bis gur ©infübrung beS ©eroer&egericbtSgefebeS in Xbätig* 
feit war, ganz auf bemfelben Skin^ip ber unmittelbaren unb ge¬ 
heimen Skifißerroabt ber öffentlichen Skrbanblung, ber Skrpflicbtung 
ber Skifiber zur Annahme oon 6ibungSentfd)äbigung (J. 18 beS 
©ewerbegeridbtSgefebeS) beruhte unb aud) ganz biefelbe wompetenz 
batte, wie bie ©ewerbegeridjte beS ©efefceS notn 27. 3fuli 1890. 

2)aS ©rgebitiß ber 3abkn ift tuie aüfeitig anerfannt werben 
wirb, ein bbd)ft erfreuliches: $ie 3abl Sserfäumniß-ltrtbeile 
(0palte 8), bie inSbefonbere feit oem Qabre 1892 fortwäbrenb 
geftiegen war unb 1895 = 19, 8 o/ 0 betrug, beträgt jeßt nur 6, 6 %, 
b. b- bie 3öbf berjenigen Klagen, in welchen bie Skrtßeibigung 
ausficbtslos wäre, ober aus fonftigen ©rünben (3ablunaSunfäbig- 
feit u. f. w.) unterlaffen wirb, b fl t fieb fortbauernb uno erheblich 
oerminbert. ©s fommt feitener als früher cor, ba& Arbeit* 
aeber flare Slnfprüdhe ber Arbeiter — bie ja meiftenS bie 
ftläger finb — nicht beliebigen; bie Arbeiter erhalten ihren 
£ohn prompter ausbegahlt. 1 ) 

Slubererfeits h Q t aber bebeutenb juaenommen bie 3ahi ber 
eJräHe^ in bcneit bie. Älage oor ober in ber SSerhanblung jurücf* 
genommen warb (0palte 6). $)aS finb nur ^um fleinen %ty\l 
0treitfachen, in welchen ber Skflagte oor ber SSerhanblung ben 
Kläger befriebigte, bie alfo baS eben ©efagte beftätigeu würben. 
SfteiftcitS haabelt es ficb bei ihnen um biejenigen Qrälle, in benen 
ber Kläger oon ber SRecbiSmibrigfcit feines 5ln|prucbs ficb über¬ 
zeugte, ober burtb ben Sorfibenben überzeugt warb; biefe m .t ber 
©rlebigung umfaßt in bem lebten 3ah^ (Spalte 6) regelmäßig 
17—18 o/ 0 fämmtlicber Klagen, mäbrenb fie früher 3^ (1887), 
2, 8 (1888), 1,4 (1889) betrug. 

$)iefe 3 af)t ift um fo intereffanter, als fie offenbar in 2 Se<bfel- 
wirfung fleht mit ber %al}l ber 83eraleicbe ( 8 pahe 10 ). 2)iefe be¬ 
trug anfänglich 70— 800 / 0 ; jeßt 3 .^. 1897 = 47, 8 ; 1898 = 53, 3 ). 


etat«. 

jafjr 

3af;l ber anhängig geworbenen 
Btecbtsftreitigfeiten jwifcbeii: 

©rlebigung oon SiechtSftreitigfeiten burdj’ 

©egen 

©nbnrtheile 

Arbeitern 

unb 

Arbeit¬ 

gebern 

Arbeit¬ 

gebern 

unb 

Arbeitern 

Jlrbeitem | „ 
beSfcIBeu 1 'i, 

3lrBeit= «T 
* . < fammt 
geberS j 

Verzicht im 
©imte bcs 
§. 277 b. 
©.$£). 

1 % 

Suriic 

ber 

1 

fitahme An¬ 

klage erfeuntniß 

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i ~| 7 

Scrfäuumiß- 

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1898/99 

1431 

47 

1 1479 

9 

0,5 

270 

18,3 i — I — 

97 

6,6 

307 

20,8 

796 

53,8 

7 

2 

3 

1897/98 

1374 

66 

4 | 1 444 

6 

0,4 

251 

17,4 1 4 1 0,3 

181 

12,5 

812 

21,6 

690 

47,8 

6 

2 

4 

1896/97 

1 465 

35 

1 i 1 501 

9 

0,6 

265 

17,7 | 5 | 0,3 

146 

9,7 

509 

83,9 

567 

37,8 

8 

2 

— 

1895/96 

1 690 

30 

11 1731 

11 

0,6 

93 

5,4 | 55 1 3.2 

342 

19,8 

383 

23,i 

847 

48,9 

10 

5 

— 

1894/95 

1 836 

23 | 

2 1 1 861 

5 

0,3 

16 5 

8,9 1 68 | 3,8 

361 

19,5 

373 

29,i 

889 

47,4 

2 

1 

1 

1898/94 

1 769 

22 ! 

4 1 795 

7 

0,4 

115 

I 6,4 1 49 2,7 

307 

17,1 

392 

21,8 

925 

51,6 

— 

— 

— 

1892/93 

1284 » 

36 

21 1341 

1 

0,7 

64 

4,6 7 0,5 

183 

13,5 

305 

22,6 

781 

58,1 

1 

— 

— 

1891/92 

1 207 ; 

56 ! 

1 1 263 

2 

0,2 

39 

3,i 5 ! 0,4 

49 

3,9 

251 

19.8 

917 

72,6 

- 

— 

~) 3 J 

1890/91*) 

990 I 

88 1 

- i 1 078 

86 

3,3 

14 

1,3 ■ — : — | 

81 

7,5 

196 

18,2 

751 

69,7 

— 

- 

- 

1889/90 

919 1 

69 ! 

I 988 

82 

3,3 

14 

1,4 —! — 

75 

7,6 

78 

7,9 

7S9 

79,8 

— 

— 

l 

1 

1888/89 

607 ; 

74 j 

— 1 681 

29 

4,3 

19 

2,8 — I — ! 

20 

2,9 

46 

6,8 

567 

83,2 

— 

— 

- 

1887/88 

493 

38 1 

— 526 

12 

2,3 

19 1 

*•1 — 1 — 1 

18 

3,4 

63 

12 

414 

78,7 

— 

— 

— ) 


J ) ©inen gerDtffen ?lntheil hieran bürfte aüerbingS auch btc fonftante Stecbtfprecbung beS granffurter ©ewerbegerirfjts bejüglirf) ber §intcr= 
männer („.Uapitaliften") ber als Arbeitgeber oorgefebobeuen, oöllig mittellofen [ogenannten Unternehmer haben. 

2 ) 23is 1*91 beftaub baS gewerbliche ©chiebSgerichte, gegen beffen Urteile Berufung in feinem gafl juläffig war. 


















189 


©öS öemerbegeridht. SRttt$etlmtgeit be* Betbonbe* beutfd|er ©eroerbegertdhte. Rr. 12. 


140 


@8 fomtrt alfo feiten er als früher oor, bafe ber Beflagte 
im BergleidhSroeg einen X^eil beS gegen ihn aeltenb gemalten, 
fachlich ungerechtfertigten Anspruchs bewilligt; aber häufiger, ba& 
foldhe ungerechtfertigte Anfprüche guriiefgegogen werben, ofene bafe 
ber Kläger irgeub etwas erhält. ©S ift eine oft erhobene $Iage, 
bafe oon beni §. 39 bcS ©ewerbegeridhtSgefefeeS ein allgu encrgifcher 
©ebraud) gemacht roirb, fo bafe Sie oerftagte Partei bezahlte, um 
bem ©rängen gum Vergleich ein ©nbe gu machen, unb bafe auf 
biefc Art fetbft eine frioolc Silage gu einem gemiffen ©rfolg führte, 
©iefer Brifebrauch fann natürlich auch ÜOr bim Amtsgericht geübt 
werben; im ©egentheil wirft bie Befürchtung, bafe eine fnoole 
5Hage in einen langwierigen unb fofifpieligen AmtSgerichtSprogefe 
oerwicfeln fann, {ebenfalls noch abfehreefenber, als bie AuSftcfjt auf 
ben unter allen Ümftänben Jürgen unb wenig foftfpieligen ©emerbe* 
geri<ht§*$roge&. Aber gerabe gegen baS ©ewerbegericht wirb ber 
Borwurf befonberS oft erhoben unb um fo intereffanter ift es, 
bafe unfere ©abelle gwar erfennen läfgt, bafe nach roie oor ber 
größere ©h e d ber Klagen burd) Bergleich erlebigt wirb, bafe aber 
gugleich bie berjenigen Sälle, in benen ber Kläger bie Silage 
gurücfnehmen ntufe, alfo nichts erhält, gemachten ift. 2öo flareS 
Unrecht beS Klägers oorliegt, wirb alfo, wie bie 3 a ^ en 
beweifen, mit fteigenbem ©rfolg berBerfuch gemacht, ihn 
gur 3nrücfnahme ber Silage gu oeraitlaffen. 

©nblich h Q i bk 3®&l ber ftreitigen Urtheile (Spalte 9) gwar 
gegen bie ber aüererften Sabre beS gewerblichen ©chiebSgerichtS, 
bas lieber ©chiebsfprüdje als Urtheile erliefe, nicht aber feit ©in* 
fübrung bes ©emerbegericfjtsgefefees gugenommen. ©ie beträgt 
nach wie oor burchfdjnittüch etwas über 20 o/ 0 ber Klagen unb 
bie 3nh^ ber frlagefachen felbft, bie in ben lefeten Saljren, wohl 
in golge ber giinftigen lüirthfd&aftUchen Stonjunftur, trofe ber ftarfen 
Bergröfeerung ber ©inmohnergahl, wefentlid) gefallen ift, Ijnt fi<h 
nie in einer Art oermefert, welche ben ©tauben erweefen fönnte, 
bafe gerabe bie — nie gang oermeiblichen — frioolen Klagen in 
bebenflicher Steife gunehmen. 

Alle biefe 3 ö (tf e n, bie ja oon ber ©hätigfeit bes Borftfeenben 
faft gang unabhängig finb, finb um fo wichtiger, als fie fith in 
einer ©tabt ergaben, in ber bie Sührerfd^aft ber organiftrten 
Arbeitgeber uno Arbeitnehmer ben Sampf um bie oermeintlichen 
Sntereffen ber ftd> entgegenftehenben wirtfefchaftlichen Parteien in 
befonberS feferoffer Böetfe führt, in ber g. B. Sie nicht fogial* 
bemofratifd)en Arbeitgeber feit gwei fahren bie SSahlen gum ©e- 
werbcgericht, unb bie fogialbemofratifchcn Arbeiter*Beififeer bes 
©emerbegerichts bie Wahlen gur BerwaltungSfommiffion ber 
ArbeitSoermittelungSfteHe oerweigern, bie ©inen, weil nach ber Be* 
hauptung ber SnnungSoorftänbe ber ©influfe ber ©ogialbemofratie 
auf bas ©ewerbegeridjt gu arofe, bie Anberen, weil er nach ben 
Behauptungen beS fogialbemofratifchcn BrefeorganS bei ber 
ArbeitSoermittelungSftelle gu gering wäre! Um fo bebeutfamer ift 
ber Nachweis, bafe trofe ber aus anberen ©rünben fo fehr gu be* 
flagenben etnfeitiqen BefefeungbeS ©emerbegerichts, bas feit gwei 
Sahren ausfthlie^lidf) oon TOtglieberu ber fogialbemofratifchen 
Bortei gufammengefefet ift, bie BMrffamfeit beS ©emerbegerichts als 
©pruchbehörbc nicht Roth leibet, bafe oielmehr bie Bciftfeer ihr 
S^ichteramt forgfältig unb gemiffenhaft auSüben. 

B3ir gweifelti nicht baran, bafe biefe giinftigen unb für 
Arbeiter wie Arbeitgeber gleidj eferenoollen S^efultate: 
genauere ©rfiillung ber gefefelidjen Berpflichtung feüenS ber Arbeit* 
geber, geringere Bkhrfdfeinlichfeit mit einer frioolen Silage im Ber* 
gleidjSmeg, etwas gu erreichen, auch & c i anberen ©ewerbegcrichtcn 
j'id) beobachten liefeen. 3e ben falls wirb ©erjenige, ber 
Sie Borwürfe ber BarteÜidfefeit gegen bie ©ewerbe* 
gcrichte mieberbolen will, fid) mit Siefen 3 a hlen aus* 
eiuanbergufefeen hoben. diejenigen aber, welche bie ®e* 
häffigfeit peinlid; berührt, mit ber bie fogialpolitifdien ttätnpfe, 
insbefonberc, wenn and) nicht allein in ben Arbeiterblättern 
unb in ben Arbeiteroerfammlungen, geführt werben, mögen ans 
ben 3ahlen bie fidiere llebcrgeugung fdjöpfcn, bafe felbft in einer 
©tabt, in ber bas ©ewerbegericht ausfd)Iicfelich in ben jiänben ber 
fogialSemofratifchen Bortei ift, biefe jpefeereien nidjt oermocht hoben, 
Sie gu Rid)tern berufenen Angehörigen ber fogialbeuiofratifdjen 
Bartei in ihrer ©heilnaljmc au ber Bedjtfprechung ungüuftig gu 
bceiufluffeu. llnb wenn bieS ben gefefelidjcit ©inn unferer Arbeiter 
im giinftigen liefet erfdieincu läfet, fo wirb bie 9iuhanwenbung für 
bie ©ingangS erwähnten, in Berathung bepnblichen ©efefee oon 
felbft gegogen werben fönneu. 


| Ber dtthotttf ti »es CReft^e? hetr. Me Äbättbtmng 
| btt CRewerbeerbimttg. 


©ie 16. Stommiffion bes BeidhStaaS h at ^' c f cn Entwurf 
einen ausführlichen Bericht erftattet (wr. 393 ber ©rueffadjen be§ 
Reichstags); allein bie 3ufantmenfteltiiug ber Beftimmungen beS 
©ntwurfs unb ber AbänberimgSoorfchläge ber ^omntiffion umfafet 
nid^t weniger als elf ber grofeen ©eiten ber Reichstagsbrudffacheri. 
©enn. gur 3 C ^ innerhalb unfereS BerbanbeS felbft bie 

wichtigen fragen ber DrganifationSänSerung u. f. m. fdhwebten, fo 
würben wir ben ©ntmurf wohl ähnlich wie f. 3*-. bie ben Arbeite* 
oertrag betreffenben Beftimmungen beS Bürgerlichen ©efefebucheS 
fämmtUchen BHtgliebern in befonberem Abbrucf gugänglich gemalt 
unb fpegiell gu feiner Berathung eine Stonfereng ber ©ewerbegerichte 
angeregt hoben. 3» r 3 c ü mufeten wir uns bamit begnügen, in 
Rr. 9 ben für bie tägliche Arbeit ber ©ewerbegerichte mid)tigften 
ber SfommiffionSoorfchläge: — bie burdl) uns augeregte gorberung 
ber Btöglichfeit jebergeitiger Auflöfung beS gewerblichen 
ArbeitSoerhältniffeS „aus wichtigen ©rünben" mitgutheilen 
unb in Rr. 11 auf Sie burch ben ©ntmurf inbireft herbeigeführte 
©rmeiterung ber Sfompeteng ber ©ewerbegerichte auf* 
merffam gu machen. 

©S follen aber nun auch rotchtigften ber übrigen Aenberungä* 
oorfchläge, bie faft burdhweg Berbefferungen bes ©efefeeS bar* 
ftellen würben, t)icr angegeben werben. Btenn bie ©ewerbegerichte 
nicht gu © ii ta ch te it über ben ©ntmurf aufgeforbert worben fenb, 
fo ftcht ihnen baS Recht, Anträge gu ftellen, gweifellos frei, unb 
Sie folgenben BUitheilungen werben wohl bie Rothmenbigfeit einer 
Briifung beS ©ntwurfs Har oor Augen führen. 

1. 1 . 3ür gabrtfarbeüer ift oon SSidjtigfeit bie oott ber 
Äommtffion als Arttfel 6 a beS ©ntwurfs neu oorgcfdjlagcnc 
beftimmung gu 134b Abjafe I Siffer 2 ber ©ewerbcorbmtng; bie 
ArbeitSorbming barf fortan ©onnabenb ober ©onntag nicht mehr als 
regelmäfetge !L # ohngahlungStage oorfehen. ©ie Sohngahlung nuife oicb 
mehr, falls bic untere BcrwaltungSbehörbe feine Ausnahme gefrattet, 
an anberen ©agen gefthefeen. 

2. ©em BunbeSratl) foH fünfttg (Arttfel 6 beS ©ntwurfs, §. 114 a 
neu) baS Recht guftehen, für beftimmte ©ewerbe fiohnbücher ober 
Arbeitsgcttel oorgufchreiben. ] ) 3n biefen ntiiffen Art unb Umfang ber 
übertragenen Arbeit, bie Sohnfä^e, bie ©ebingungen für bie Siefenmg 
oon SBcrfgcug unb Stoffen gu ben übertragenen Arbeiten unb bie 
für $oft uno SBohnung angurechnenbe (Jntfcbäbigung eingetragen 
werben. 

3. ^ebenfalls foll aber ber Arbeitgeber fünftig (3ufafe ber Itom* 
miffion gu bem ©ntmurf, gebacht als §. 134 Abfafe 3) für alle nünbet* 
jährigen Arbeiter ein Sohnoudj einridhten, bas Bei oer Sohngahlung bem 
Arbeiter ober feinem ge[c^lid;cn Bertreter auSjuhänbigcn unb ooit bem 
©mpfänger oor ber nachften 2 olmgahlung gurücfguretchen tft. 

©as Sohnbuch ift im ©ingetnen wie baS bereits für minberjabrige 
Arbeiter beftehenbe ArbettSbud) eingerichtet. 

4. ©er BunbeSrath famt ferner (Artifel 6 III ber ÄommifjtonS* 
anträge, §. 137a neu) für beftimmte ©ewerbe,*) tu benen 
Arbeiterinnen ober jugenblichc Arbeiter neben ihrer Befdfjäftigung 
in ber Sabrif, gu £>auS bcfdjäfttgt werben, bie Befchäfttaung aufecr* 
halb ber ftabrif befcfjrcinfcii, insbefonbere in ber Art, Safe ihnen für 
bie Xage, in benen fie ooll befchäftigt waren, Arbeit nad) §auS über* 
haupt nicht, für anSere Sage nur infoweit gegeben werben barf, bafe 
bie für Sie betreffenben ©age gefefclicfie ArbeitSgeit nicht über* 
fchritten wirb. 

5. ©as Recht ber ©emeinbe für jugenbliche Arbeiter burdh ftatu* 
tarifche Beftimmungen ben gortbilbungSfchulgwang einguffihren, foll 
fünftig (Arttfel 6 a oeS ©ntwurfs, 3ufajjantrag ber Äomnüfpon) burd 
entfpredjenbe Aetiberung bes §. 120 Abfafe III audj auf wciblidje 
§anMungSgehütfintien unb Seferlinge auSgebebnt werben. 

6 . ©er burch Sie ftommiffion auf Anregung unferer Bctition oor* 
gefelicneu ©rweiteriing beS §. 124 a auf afie gewcrblidhcn Arbeiter, 
(Arttfel 6 b 9) ift bereits gebadet, ©ie §§. 123 uttb 124 würben alfo 
fünftig Iebiglidj Beispiele uttb nicht mehr oollftänbiae Sfataloge ber 
ftälie barftcüen, in betten bic fofortige fünbigitngSlofe Auflöfung ber 
Arbeitsoerbältniffe geftattet ift. 

7. (Sine Reihe ausfcbltcfelid) auf bie Berhältniffc ber Betrieb** 
beamten, Sßerfmeiiter unb ©edjttifer begüglidjcr Borfchriften (Artifel 6 c 
neu; §. 133 a, §. 133 a, c) werben BtangelS ein Raunt nicht auf geführt; 
fie idjreibcn itwbefotiberc ©Icidjheit ber 5fünbigungSfriften für beibe 
Xlieile uor, ba bie cntfpredjeuSc Borfchrift bes §. 122 ber ©ewerbe* 
orbmutg fidj nur auf ©cfcllen uttb ©ehülfen, unb nicht auf Sie be* 
3 eid)ttetctt Angeftettten begiefet. 


! ) ©er ©ntmurf war oon bem fpegieHen gaH ber burdfe ben grofeen 
Berliner Streif unrühmlich befannt geworbenen ArbeitSbebingungen bn 
Kleiber* unb BSäfdjcfonfeftion ausgegangen; bie Äommtfpon hat ben 
©ntmurf oeraUgcmeinert. 

*) Bgl. bic Amncrfung gu I, 2. 



141 


So* ©emerbegeridjt. Mitteilungen be* Berbonbe* beutfdjer ©eroerbegertcßte. 9h. 12. 


142 


II. ©eßülfen, Leßrlinge unb Arbeiter in offenen Ver¬ 
lauf §ft eilen. $>er unter btcfcr Vegeidjnuttg oon bem Entmurf gur 
Einfdjaltnng in 52TttcI 7 ber ©emerbeorbnung oorgcfeßenc Abfcßuitt VII 
umfaßt §. 139 c, d, e, ee, f, g, h, hh, hhb, i. Er orbnet für „offene 
VeTfaufSftetten unb bie bagu gehörigen Scßteibftnbeit (Äontore) unb 
Lagerräume" an, baß ben ©eljitlfen, Lehrlingen unb Arbeitern nadj 
Veenbigung ber täglichen Hrbettö^eit, eine ununterbrochene Vußegeit 
oon uitnbeftenS gehn Stunbcn gemährt merben muß/ bie in ©e* 
meinben oon mehr als 20 000 Eiumoßnern für bie bort befinblicßen 
offenen VerfaufSfieHeti, bie ntinbefienS gmei ©eßülfen unb Lehrlinge 
befchäftigen, auf minbeftenS elf Stunbcn erroeitert ift. ES rnufj ferner 
eine angetneffene MittagSpaufe für Leute, bie außerhalb beS ©efcßäftS effen, 
oon mtttbeftenS 1 1 2 Stunbe gemährt raerben. Ausnahmen ßieroon 
tonnen jeborf) für Arbeiten gur Verhütung beS VerberbenS oon SSaaren, 
Snoenturarbeiten, Umgüge unb an jährlich ßöcßftenS 30 onberett Sagen 
ftattfinben (§. 189 a). 

Auf Antrag oon minbeftenS gmei dritteln ber ©efcßäftsinßaber 
einer ©enteiitbe fann angeorbnet merben, baß alle, ober eingelne ©c* 
fcßäftSgmeige gmifchen 8 Uhr AbenbS unb 6 Uhr Morgens, ober groifcßen 
9 Ußr AbenbS unb 7 Ußr Morgens, ober mährcnb einer beftimmten 
Stunbe um bie MittagSgeit gefcßloffen fein müffen. 

Auf Antrag oon einem drittel ßat bie höhere VermaltungSbeßörbe 
bie Setheiligten gur Acußerung über bie Einführung fold^cr Veftimmung 
aufguforbern unb lann bie entfprechenbc Anorbuuitg treffen, meun 
*/s Majorität eS befürmorten (§. 139c). ScbeufaHS muh «ber oon 
9 Uhr AbenbS bis 5 Uhr Morgens Labeitfcßluß ftattfinben (§. 139ee), 
natürlich mit Ausnahme oon beftimmten gällen. §. 139 f unb g beßncn 
fobann, unter Vegucjnaßme auf §. 62 Abfaß 1 beS f>anbelSge|eßbucßeS 
bie Veftimmung beS §. 120c begüglicß ber bei ber Einrichtung ber VetriebS* 
ftätte gu mahrenben Sftüdficßteu auf ©efunbßeit unb Sittlicßfeit, auch auf 
bie offenen Verfaufsftellen aus; §. 139h beSgleichen bie Verpflichtung ber 
Lehrherrn (§. 127 ber ©emerbeorbnung) begüglicß beS Hinhaltens gum 
Vefudj ber gortlülbungSfcßuIe bureß bie Lehrlinge, auf bie gnßabcr ber 
offenen Verfaufsftellen. 

Enblich feßreibt §. 139 hh für offene VerfaufSffeHen, bie in ber 
Siegel 20 ©eßülfen befchäftigen, eine ArbeitSorbnung nach Analogie beS 
§. 184a oor, unb oeroietet §. 139hhh baS übermäßige galten oon 
Lehrlingen (Sinolog §. 128 ber beftehenben ©emerbeorbnung). 

III. Sie Äommijfton mill gufäßlidj gu bem SRegierungSentrourf 
baS ÄranfcitoerfidjerungSgefeß bahin abänbern, bah bie Äranfen- 
oerficherungspflicht auf ^auSgemerbetreibenbe fünftig nicht 
nur burch ftatutarifche Veftimmung einer ©emeinbe, fonbern auch burd) 
Vefcßluß bes VunbeSratßS für befümmte ©emerbsgmeige ober örtliche 
Vegirfe auSgebeßnt merben fann. 

IV. Sie Äommiffion fdjlägt oor, burch Aenberung beS §. 381 ber 
©emerbeorbnung ben Eentralbcßörben bie Möglidjfeit gu geben, ben 
©efinbe* unb ©tellenoermittlern bie Ausübung ißreS ©emerbeS 
im Umßergicßcn, fomic bie gleidjgeitige Ausübung beS ©aft* unb Scßanf- 
rcirthfchaftSgemerbeS gu unterfagen unb fte gu oerpflichten, nicht nur — 
mit bem StegierungSentmurf — ihre Sagen ber Sßoligeibeßörbe ein¬ 
gureichen unb in ben ©efcßäftSrä unten angufchlagen, fonbern auch bem 
eingelnett Steflenfucßenben biefe Sagen oor Abfcßluß beS ©efcßäjtS 
mitgutheilen. 

3eber, ber bie Verßältniffe ber Arbeitsoermittelung fennt, meih 
inSbefonbcre, mie bie Vereinigung ber ArbeüSoermittelung mit bem ©aft* 
roirthSgemerbe bie ungefunben änftänbe auf biefent ©ebiete fovbert unb 

f jerabe gur Srunlfucßt 2 c. leitet. Schon ber Uutftanb, bah bie öffent* 
iche ArbcitSuermittelungsfteHe ben ArbcitSlofen beit Aufenthalt in 
foldjcn Scßanfftellen erfpart, ift ein mefetttlicßer Vorthcil. 


Berfaflhng »nt» OerfaJjrt». 


©e»erbegmd)t$mößtt Unrichtige LooSgießimg. Sföüßlrcdjt btt 
tytiänüfm* (Vefcßluß beS VegirfSauSfcßuffeS gu Stettin 00 m 
4. 3nli 1899. Eingefanbt oom ©emerbegerießt für ben Stabtbegir! 
Stettin.) Sie Vefcßmerbe gegen bie SiecßtSgüttigfeit ber Vktßlen 
im III. unb IV. BSaßlbejirr ift frift* unb formgereeßt erhoben. 
Sie Anfechtung ber ©ülhgfeit ber Wahlen ber Veiftßer aus bem 
Greife ber Arbeitgeber im III. Vkßlbegirf erfdßeint auch begrünbet. 
Sa bei ber VSahl ^cht Arbeitgeber bie gleiche unb gröhte Stimmen- 
gahl erhalten hatten unb nur oier Veifther gu mahlen maren, hatte 
gemäh §. 17 Abfah 6 beS DrtSftatutS für Das ©emerbegericht h^r 

00 m {5 ^pt if ßooSgiehung ftattgufinben. hierbei hatten 

nach feftftehenber ©erichtSpragiS oon acht je mit einem 
tarnen befhriebenen ßoofen oier gegogen merben müffen. Statt* 
beffen ift nach ben fiattgehabten drmittelungen oon gmei je mit 
oier tarnen befchriebenen ßoofen eines gegogen morben. Siefer 
Verftoh mar geeignet, oon mefentlichem Einfluß auf baS Söahl* 
ergebniß gu fein, unb muß beShalb bie Ungültigkeit biefer Wahlen 
auSgefprochen merben. 


Sie SBahlen im IV. 2ßahlbegir!e müffen bagegen für gültig 
erachtet merben. Sie Veftimmung beS §. 14 Abfafc 1 beS ©emerbe* 
aeriitSgefeßeS 00 m 29. Sali 1890, baß ben Arbeitgebern bie mit 
oer Leitung eines ©emerbetriebeS ober eines beftimmten 3®eifleS 
beffelben betrauten Stelloertreter ber felbftänbigen ©emerbe* 
treibeuben gleichftehen foHen, fann nur bahin oerftanben merben, 
baß biefe ^erfonen als „Arbeitgeber", nid)t als „Arbeitnehmer" 
mahlberechtigt fein foüen. Sie Annahme beS VefdjmerbeführerS, 
baß biefe s ßerfonen nur in Stelloertretung beS an ber VSabl 
behinberten ©efdhäftSinhaberS mahlen bürften, baß alfo für jebeit 
©eroerbebetricb immer nur eine $erfon mahlen bürfe, finbet im 
©efeß feine Unterftüßuna, erfcheint aber auch unbegründet. Senn 
in biefem Sfatt mürben oie betreffenben $erfonen oon bem Sßahf* 
recht überhaupt auSgefdjloffen fein, roeil fie als „Arbeitnehmer" 
auch nicht mahlen bürfen. 

Db ber Kaufmann 9t. thatfächlid& nicht roaMberechtigt mar, 
fann enblich auch babingefteEt bleiben, ba feine Stimme auf baS 
Söahleraebniß ohne Einfluß gemefen ift. Es mar bemgemäß nach 
§. 15 beS cit. ©cfeßeS in Verbinbung mit 3iff er 
EEinifterialerlaffeS 00 m 23. September 1890 (ERinifterialblatt für 
bie innere Vermattung Seite 206) fo mie gefeßehen gu befdjließen. 

Ser Vegirf$auSf<huß gu Stettin. 


nu^lfpceiliitttQ. 


3ft bas ©emerbegericht guftänbig für Älagen 0011 
Mufifern unb Äünftlern nieberer ©attung gegen Unter= 
neßmer oon fog. @pegialttäten*Vorftellungen? (Entfdßeibung 
beS ©eioerbegericßts Hamburg.) 

Äläger, melcße Mitglieber ber ÄapeEe beS ^anfatßeaterS fmb, 
haben*oon bem Sireftor beS SßeaterS Ausgaßlung oon Lohnreften in 
Veträgen oon 8 bis 11 *//., gufammen 174,ee M. geforbert. 

VeHagter ßat Abmeifung ber Älage beantragt. erfter Linie 
roerbe bie Einrede ber llnguflänbigfeit beS ©emerbegerichts erhoben, ba 
bie Äläger nicht gemerblidje Arbeiter, fonbern Äiinftler feien. 

Entgegen ber Auffaffung beS ©emerbegeridjts Berlin, melcßeS 
aEe „5Hinftler" im meiteften Sinne nidjt als Arbeiter im Sinne bes 
Titels VII ber ©emerbeorbnung anfießt unb fid) baßer für Älagcn 
folcßer Berfonen gegen ißre Arbeitgeber in ©emäßßeit §. 2, Abf. 1 bes 
©emerbegerießtsgefeßes nidjt guftänbig erachtet, ßat baS ©emerbegeridjt 
Hamburg fieß in langjähriger fßragiS ftets auf ben Stanbpunft geftellt, 
baß man gu unterfeßeiben ßabe gmifeßen Äiinftlern im engeren Sinne, 
b. ß. folcßen, bei bereit Sßätigfeit ein ßößereS Sutereffe ber Äunft ober 
SBißenfcßaft obmaltet, unb folcßen B^rfonen, melcße fuß groar aueß gerne 
als „Äünftler" gu begeießnen pflegen, bereit $ßätig!eit flcß aber in 2Birf* 
ließfeit lebiglidj als eine gemerbSmäßige barfteKt, mie Artißen, 5:ßier* 
bänbigertt, Sängern in Cafös chantants, Mitgliebern uttbebeutettber 
Mufiffapellen, Sdjaufpielerit oon Vari^t4=ißeatern u. f. m. Sie Älagen 
oon ^erfouen ber leßtgenaiinteit Äiinftlergattung gegen ißre Arbeit¬ 
geber ßat bicS ©erießt ftets gugelaßen, oorausgefeßt, baß im EittgelfaÜe 
(naeß ben fontraftlidjen Vefthnmungen) ber betreffenbe Äläger fidj in 
ber 2ßat als ©eroerbSgeßülfe, unb nidßt als felbftftänbiger Unternehmer 
ermieS. 

3m oorliegenben fVaHe fmb nun im erften VerßanblungStermine 
infolge ber Einrebe beS Veflagten beim ©erießt 3n>eifel barüber ent= 
ftanbeit, ob bie bisßerige Sßragis genügenbe Vegrünbuitg in beit gefeß* 
ließen Veftimmungen finbe, unb bas ©erießt eraeßtete es baßer für 
münfdjeitSmertß, bie grage noeß einmal einer grünblicßen Prüfung gu 
untergießen, unb gmar in oerftärfter Vefeßung unter Antoenbung bes 
§. 10, Abf. 3 beS ©efeßes betr. baS §antburgifcße ©eroerbegefeß 00 m 
13. gebruar 1892. $5aS Vefultat biefer Prüfung ift, baß eS uttbebenflicß 
erfeßeint, bie bisßerige V?agiS beigubeßalten. 

9?adj§.2 beS ©emerbegeridjtSgcfeßeS gelten als Arbeiter im Sinne biefeS 
©efeßeS alle biejenigen ^Jerfonen, auf melcße ber Sitcl VII ber ©emerbc- 
orbnuiig Anmeubung finbet, alfo aEe „gemerbließen Arbeiter" nur 
mit ber ßier nießt in Vetracßt fomntenben Einfcßränfuttg, baß gemiffe 
Äategorten biefer ^erfonen, nämlidj VetrnebSleiter, ÜLerfmcifter unb mit 
ßößem teeßmfeßen Sienftlciftnngeu betraute Angeftclltc nur bann als 
Arbeiter für bas ©emerbegeridjt gelten foHen, mentt ißr gaßresoerbienft 
2000 M. nießt überfteigt. Unter ben Begriff „©cmerblidjc Arbeiter" 
faEen nun nadj ber aßgemein ßerrfdjettbeit Auffaffung nidjt mir bic* 
jenigen $erfonen, melcße im praftifdjen Leben einen ber ttt ber Älamttter 
gur Uebcrfcßrift bes VII. SitelS aufgefiißrten Vegeidjttungen gu füßreti 
pflegen (©efeEen, ©eßülfen, Leßrlittge, Vrtriebsbeamte, SBerfmeifter, 
2ecßnifer, gabrifarbeiter), fonbern aueß afle in äßnlicßcn Stellungen 



149 


Saft ©eroerBegerieft. SHtt^etümgen be$ SerBcmbef beutfdfjer ©eroerBegerichte. 9h:- 12. 


144 


für ble Sroedfe eines ©eroerBeBetrieBeS Befchäftigte perfonen (oergl. 
Öanbmann, tfommentar jur ©eroerBeorbnung, Sanb II, SorBemerfung 
ju Xitel VII unter 6 ). @8 fommt alfo fjaupiffldjlicfj barauf an, bap e$ 
pdp um einen ©eroerBebetrieB ^anbelt unb bap bie Setrepenben ben felBft* 
ftänbigen ©eroerBetreiBenben in irgenb einer ©eife ntütelft ihrer HrBettS- 
fraft behülflidfj pnb, baS ©eroerBe ju Betreiben. Huch rnup eS pdp 
natürlich um ein ©eroerBe im ©inne ber ©eroerBeorbnung hanbeln. 
Xap nun bie HuSüBung fünftlerifdper Xhätigfeit (int weitern ©inne) pdp 
al$ ein ©eroerBe im ©inne ber ©eroerBeorbnung barfteflen !ann, er* 
fcfjeint nidpt jroeifelhaft, benn §. 33 a bortfelBft fdpreibt für bie 33er* 
anftaltung non ©ingfpielen, ©efangs* unb beflamatorifdpen Sorträgen, 
©dpaufteßungen non perfonen, ober theatralifdpen Sorfteßungen eine 
geroerBepolijeiltche ©rlaubnip oor, oorauSgefept nur, bap bie 33er* 
anftaltung geroerBsmäptg gefdjiefjt unb bap baBei ein höh^ 
Sntereffe ber Äunft ober ©iffenfdpaft liiert oBroaltet. Xie ©teHung ber 
einzelnen Zünftler in bevartigen ©eroerBeBetrieBen im Serpältnip ju 
ben felBftftänbigen ©eroerBetreiBenben ift nun niept nur eine ähnliche, 
fonbern ganj bie gleiche, roie bie ©tellung eines HanbroerfSgehülfen im 
Serhältnip jum HanbroerfSmeifter, ober eines gaBrifarbeiterS jum 
gaBrifljerm. XaSjenige, worauf in allen biefen Säßen ber ©eroerBe* 
BetrieB ^auptfäd^tic^ Beruht, rooburdp „erworben" wirb, baS ftnb bie 
fremben HrBeitSfräfte (faflS unb foroeit foldje Scrroenbung finben), 
alfo Beim $anbroerf unb gaBrifbetrieB bie Xfjätigfeit ber ©efeßen, 
Begro. ©e^ülfen ober Arbeiter, ober roie fie fonft im einjelnen gafle 
Benannt werben, Beim ÄunftBetrieB bie Xhätigfeit ber einjelnen fo* 
genannten Äünftler. ©8 ift alfo fein innerer ©ntnb oorhanben, biefe 
tfiinftler, welche ftc§ ihatfädplidp als ©eljülfen beS geioerBSmäpigen 
$unpBetrieBeS barfteßen, anberS ju Be^anbeln, als bie ©eplfen anberer 
©eroerBeBetrieBe; audp bie fojiale ©teßung ber ftünftler nieberer Hrt 
ift in ber Flegel feine Öeffere, als biejenigr ber Beffer fituirten §anb* 
roerfsgeplfen. ©8 läpt pdp ferner aus ben einjelnen Seftimmungen 
beS XitelS VII ber ©eroerBeorbnung nidpts bafür entnehmen, bap ber* 
artige ©eroerbSgehülfen unter biefen Xitel nidpt faßen. Xiefer Xitel 
erftreeft pch fogar auf bie Hanblungsgehülfen, inforoeit für biefelBen 
niefjt bie ©pejialbeftimmungen beS HanbelSgcfepBudpS in Hnroenbung 
fommett (oergl. §. 105 b Hbf. 2 ); bap für biefe Kategorie ber Hrbeiter 
baS ©eroerBegeridpt oidpt jufiänbig ift, Beruht nur auf ber auSbrüdt* 
liehen 33eftimmung beS §. 76 beS ©eroerbegeridptsgefefceS. ©dpon hieraus 
ergieBt pdp, bap bie Hrgumeutation beS Reichsgerichts (Sb. 17 Rr. 20 
©. 91) aus bem aßgemeitien ©pradjgebraud) nicht jutrefieitb ift, 
benn im praftifdpen SeBen pflegt man bie HanblungSBefliffenen auch 
nicht unter bie Hrbeiter ju rechnen, eBenforoenig roie bie Zünftler. Xie 
angeführte Reid)$geridpiSentfdpeibung, auf welche baS berliner ©eroerBe* 
geridpt fief) für feinen ©lanbpunft hauptfädpHdj püfct unb auf welche 
pdp hier auch ber 33eflagte Berufen h fl h ift übrigens f<hon beShalB 
nicht mapgebenb, weil eS fich bort nicht um bie grage panbelte, wer 
Hrbeiter hn ©inne beS ©eroerBegeridptSgefepeS, Bejro. ber ©eroerBe» 
orbnung, fonbern wer Hrbeiter im ©inne beS ÄranfenoerftcherungS* 
gefefces fei, unb weil in bem Betreffenben Säße offenbar nidjt Zünftler 
nieberer Hrt, fonbern SDfitglieber eines höheren SfunftinftitutS in Setrachf 
tarnen. HßerbingS h ai BaS Reichsgericht fid) auch einmal mit ber 
Srage Befchäftigt, ob Zünftler nieberer Hrt (XhierBänbiger) HrBciter, 
unb jroar im ©inne beS ©eroerbegerichtSgefeheS feien (Sb. 87 Rr. 19), 
unb Bat biefe Sw* 6 c verneint. Xie ©rünbe biefer ©ntfeheibung haben 
aber eBenforoenig überjeugenb auf biefes ©eridfjt roirten fönnen, roie 
bie HuSführungen in ber erftgenannten ReidjSgcrichtöentfcheibung, fo» 
weit fte ftdh auf ben Segriff beS gewerblichen HrBeiterS Beziehen. S3enn 
gefagt wirb (Sb. 17 ©. 91), bafj baS ^robuft ber fünftlerifchen 
Seiftungen (Bei ©chaufpielern) feine greifbare ©adje fei, bah ih rc 
Xhätigfeit nicht auf bie ^erfteßung eines „©eroerbSerjeugniffeS" ge* 
richtet fei, fo trifft bieS ebenfo gut auf bie SarBiergehülfen, bie Äeßner, 
ja aud) auf bie ^aitblungSgehülfen gu, welche ja aße sroeifelloS als 
HrBeitcr im ©inne ber Rcidjsgeroerbeorbnung anjufchen finb. Xer 
Broecf ber geroerblidjen HrBeit ift überhaupt audh in uiclen fonftigen 
Säßen nicht baS §eroorBriugcn eines fonfreten ©egenftanbeS, fonbern 
irgenb ein aitbrer burcf) perfoitlidje Xicnftc ju erreichenber ©rfolg. 
Huch in ber anberit ©ntfeheibung (Sb. 37 ©. 67 u. 68 ) wirb baS 
Hauptgewicht barauf gelegt, bafj bie Betreffenbe S e rfon (XhierBänbiger) 
fein ©eroerBSerjeugnifj Ijcrfteße, unb cs wirb bann weiter ausgeführt, 
es Banbele ftch baBei im roefcittlicheu barum, 51 t Beroeifen, welche .perr* 
fdjaft gerabe ber Betreffenbe Xompteur für feine ^erfon über bie oon 
ihm oorgeführten Xhiere erlangt, roie er fte ju leiten unb ber ©efaljr, 
bie ber Serfetjr mit ihnen mit fid) Bringe, 51 t Begegnen oerftehe. S3ie 
Bei Sorftellungeu non ©djaufpielern, Sängern u. f. ro., liege auch Beim 
XhierBänbiger ber Scfjroerpunft in ber Sorfiihruug ber eignen Seiftungen 
bes XompteurS, gu bcueu auch bie Sethätigung feines perfönlidjen 
Rfuthes gehöre; ber 3)?enagerieBefiBer fontme babei nur inforoeit in 
Srage, als er bie Stätte, wo bie Sorftcflungen ftattfinben, befd;afft, baS 


SWaterial, an bem ber Xompteur feine ihtnft unb feinen SButh jeige, 
hergeBe unb baS finanjieße Riftfo trage. — XemgegenüBer muh Bemerft 
werben, bah eS ftch Bei aßen artiftifdfjen Sorführuttgen, einerlei worin 
"biefelBen im einzelnen Beftehen, thatfädhlich nur barum hanbelt, bem 
^itBIifum ftnnliche ©enüffe ju Bereiten, Bejro. bie S u wrtreiBen, 
eBenfo roie Bei ber Sßrobuftion oon ©chmucfgegenftänben unb anberen 
SujuSartifeln. 3n bem einen Säße gedieht eS lebiglidh burch Bloh 
perfönliche Xienftleiftungcn, in bem anbent Säße burch bie Hmror* 
Bringung fonfreier ©egenftänbe. ^erfönltdher SRuth ift auch ju anbern 
©eroerBcn erforberlidj, j. S. jum ©eemannsgeroerBe (oergl. §.31 ber 
©eroerBeorbnung); bah bie ©eefcfjiffer nicht unter ben Xitel VII ber 
©eroerBeorbnung faßen, ift nur jufäßig, weil ihre Serhältniffe BefonberS 
geregelt ftnb (bie Sinncnfchiffer faßen unter ben Xitel VII). Xaf* bie 
Xhätigfeit bes felBftftänbigen ©eroerBetreiBenben ftch barauf Befchränft, 
nur bie ©tätte unb baS Rtaterial für bie HrBeitSleiftungen ju Befdhaffen 
unb bas pnanjieße Riftfo ju tragen, fommt auch eBenfogut bei anbern 
©eroerBen oor; ja eS fann üBerhaupt Bei aßen SetrieBen oorfommen. 
Rothroenbig ift eS auch Bei artiftifdhen SetrieBen nicht. 

Siegen nach aßebern feine triftigen ©rünbe oor, bie geroerBs* 
mähigen Äfunftgehülfen Begrifflich 8 U unterfchetben oon anbern ©eroerBS* 
gehülfett, fo faßen auch pe mangels auSbrüdlicher HuSnahmeBeftimmung 
unter ben Segrip ber HrBeiter im ©inne beS XitelS Vll ber ©eroerBe* 
orbnung, Bejro. im ©imte bes ©croerBegerichtSgefefceS. XaS ©eroerBe* 
geriet HatnBurg hat alfo feine Serattlaffung, oon feiner langjährigen 
$rajiS aBjuroeidhen. @S mag htfr nur noch mit einigen ©orten barauf 
eingegangen werben, aus welchem ©runbe biefeS ©eriefjt baS fünft* 
lerifche ^erfonal ber höh^i« Äunftinftitute nicht als HrBetter im 
©inne ber ©eroerBeorbnung anfteht, unb jroar fpejieß audh nicht 
©chaufpieler foldjer Hrt, obwohl ber §. 32 ber ©eroerBeorbnung 
implidte bie ©dhaufpielunternehmer fdjlechtfjin für ©eroerüetreiBenbe er* 
flärt, ohne bie in §. 33 a aufgefteßten Sebingungen ber ©eroerBs* 
mäpigfeit unb beS S c ht enS höh™ ^unfüntereffes. Xer §. 33a 
fpriept oon ben fünftlerifchen Sorführungen felBft unb erachtet biefe 
als ©eroerBe, alfo pnb auch, wenn bie Sebingungen biefcS Paragraphen 
oorliegen, aße ©eljülfen ber Sorführeitben ©eroerbSgehülfen, einfchließlich 
beS Perfonais Bei theatralifchen 33orfteßungen, wenn pe geroerBsmäpig 
oeranftaltet werben unb ein höheres Satereffe ber Äunft ober ©iffen* 
fepaft babei ntdht oBroaltet. Xer §. 82 fpriept aber oon ©dfjaufpiel* 
Unternehmern, hi^'Bei hat man offenbar an baS rein ©efchäftliche 
gebacht (fonft wäre ja biefer Paragraph in §ittBIicf auf §. 33a über* 
Pitfpg gcroefen, hätte alfo Bei ber Einfügung beffelben fortfaßen muffen), 
bie ©ehülfett in biefem Unternehmen pnb alfo nur bte faufmanmfdhen 
unb tcchnifchen Hngefteßten, nicht baS ftch an ben Sorführungen Be» 
theiligenbe perfonal. Xap auch bie fojiale ©teßung biefer wirtlichen 
Zünftler (im engem ©inne) pdp weit über baS Rioeau ber Hrtipen 
u. f. ro. erhebt, Bebarf feiner weitern HuSführung. ©obalb eS pep hia* 
gegen um ©chaufpieler nieberer Hrt hanbelt, müffen audh pe trop §. 32 
als ©eroerbSgehülfen gelten, nämlich argumento §. 33 a, benn bann ift 
ber ©dhaufpielunternehmer juglcich Seranftalter theatTalifdher Sor* 
fteßungen im ©inne beS letztgenannten Paragraphen. 

©aS nun bie jetzigen Kläger anBelangt, welche SRUglieber ber 
42 2ßann ftarfen Sfapeße beS hifpö^n ©anfatheaterS pnb, fo fommt es 
nach Sachlage nicht barauf an, oB biefe Äapeße, für pch aßetn ge* 
nommen, ben Hnfprudf) erheben fann, bap Bei ihren Rhipfanfführungcn 
ein höheres Satereffe ber Äunft oBroaltet, benn biefe Äapcfle ift fein 
felbftftänbigeS Saftitut, fonbern fämmtlidhe Rfitglieber berfelben pnb 
unmittelbar engagirt 00 m Beflagten Xireftor beS Hanfathcaters. Septeres 
fann aber pdjerlid) uid;t ben Hnfprndj erheben, als höheres Äunft» 
inftitut ju gelten, benn feine Sorführungen Beftehen hauptfädjlich in 
ben probuftionen fogenannter Hrtiften unb anberer auf berfelben ©tuje 
ftehenber Äünftler nieberer Hrt; ein höheres Sntereffe ber Sfunft ober 
©iffenfdfiaft waltet hierbei nicht ob. Xie Stapefle hat biefe Sorführungen 
mupfalifdj ju Begleiten. (SS roerben oon ihr jroar auch felbftftänbig 
einige Stufifftücfe oorgetragen, biefelBen bienen aber im ©efentlichen 
nur baju, bie 3 töifdf)enpaufen jroifchen ben übrigen progratnmnummem 
auSjufüßen. Huf ben Umftanb, bap auf ben oom Scflagten cingereichten 
Programmen Diele flaffifdhe ©erfe, unb jroar anfdjeinenb als H a «pt* 
nummern mitpguriren, barf fein ©eroidfjt gelegt roerben, benn einmal 
fommt es in ber $hmft Befanntlich weniger auf baS ,,©a£", als auf 
baS *©ie" an unb ferner wirb jeher Scfudjer beS Hanfathcatcrs bei? 
(Siubrucf gewinnen, bap biefe mupfalifchen Sorträge gegenüber beit 
übrigen aüaßenblicben Sorführungen feine grope Roße fpieleit unb bap 
ihnen bal;er auch oom puBIifum wenig Scad^tung gefchenft wirb. Xer 
(Sharafter beS HanfatheatcrS Bleibt alfo trojj ber mupfalifchen Unter* 
Brechungen ein fogenannteS ©pejialitäteuinftiftut, Bei beffen Sor* 
führungen ein „höh ereö Älunftiutereffe" (nach ben Rtotioen jur ©eroerbe* 
orbnung gleichbebeutenb mit „wirtliche* Äunpintereffe", oergl. i'anb* 
mann, Kommentar, Hnm. 4 ju §. 33a) nicht oBroaltet. ©enn alfo bie 



145 


$o* ©eroetBegerichi 2Ritt$eiIungen bei BerBanbel beutfdjer ©erocrBegertchte. Kr. 12. 


146 


Htfiiglieber ber flapeße roirHich im Stanbe fern foßten, roirfliche ftunfi 
3 U üben, mal ja gar nicht Beftritten ju merben Braucht, fo haben f lc 
hoch im oorliegenben gaße ihre Kräfte in ben Sienft ber ntebern ßunfi* 
gattung gefteßt, benen ber animus lucri faciendi (nach Sepbel, ©enterbe- 
polijeirecht) aulfcfjliehlich feinen Stempel aujbrücft. Sie merben bem- 
nach, fo lange fte in bireftem Engagement biefe! ©eroerbebetriebe! 
ftehen, als ®ehüifen beffelBen ju Betrachten, unb fomit Arbeiter im 
Sinne bei Sitell VII ber ©emerbeorbnung fein. 3 um Ueberfluh mag 
noch barauf hi n Q e wiefen werben, bah bal ©ehalt ber Kläger burch* 
fchnittlich nur 135 M. pro SWonat Beträgt. Spiele £anbroerf!gefeßen 
unb Arbeiter oerbienen baffelBe unb mehr; bie ©agen roirflicher Zünftler 
finb oiel höher. 

Sinb nach aßcbem bie Kläger all Arbeiter im Sinne bei ©eroerbe* 
geridjtlgefehel 311 Betrachten, fo ergieBt ftch bamit bie §tnfäßigfeit ber 
oom Vellagfen erhobenen Einrebe ber linjuftänbtgfeit biefe! ©ericht! 
unb mar baher auch ju prüfen, ob bie ftlage auch materieß be¬ 
grünbet ift u. f. m. 

3ft bie einfeitige Aenberung ber flünbigunglfrift mäh* 
renb bei Arbeitloerhältniffel für Beibe Steile binbenb? 
(Entfcfjeibung bei ©eroerbegericht! $refelb.) 

Ser §. 4 ber bent Kläger Bei feinem Eintritt in bie gabri! ber 
33eflagten Behänbigten Arbeitlorbnung enthält bie Veftimmung: 

„Sie gegenteilige tfünbigunglfrift Beträgt 14 Sage unb fann 
täglich erfolgen." 

Anfang! SWärj b. 3-/ nachbem Kläger Bereit! längere 3eit in ber 
gabrtf ber Vertagten thätig gemefen mar, hat bie Veflagte eine Aenbe- 
rung biefer Äünbigunglfrift in ber Beife oorgenommen, bah fte burch 
Aulbang in ben gabrifräumen Befannt gab, bah nach Ablauf oon 
14 Sagen oon bem 3<ütpmtfte be! Aulbangl ab geregnet, eine gegen- 
feitige eintägige $imbigunglfrift $Iah greife. Sie auf ©runb ihrer 
Arbeitlorbnung jur Sicherheit bei Erfahel eine! ihr an! ber roiber- 
rechtlichen Auflöfitng bei Arbeitloerhältniffel erroachfenben Schaben! 
ben Arbeitern oom 2ol)ne eingehaltenen ©eträge hat bie Ve!Iagte ihren 
Arbeitern unb auch bem Kläger Bei ber nächfien 2ohnsal)Iung surücf* 
gegeben. Veflagte hat nun am 7. 3uni er. bem Kläger ba! Arbeit!» 
oerhältnib mit eintägiger Äünbigunglfrift aufgefüitbigt unb ben Kläger 
am Abenb be! 8 .3»ni er. entlaffen. hiergegen hat Sehterer $lage 
erhoben unb für fich bie 14 tägige ftimbigung in Anfpruch genommen. 

El fragt fich, ob bie ben Arbeitsertrag Bilbenbe Arbeitlorbnung, 
melche bem Kläger Bei feinem Eintritt eingebänbigt morben ift, unb bie 
im §. 4 eine gegenfeitige 14tägige Äünbigunglfrift oorfieht, burch ben 
oon ber Veflagten im 2Kärj b. 3- Bemirfteu Aulbattg eine Abättberuitg 
erlitten hat ober nicht. Sal ©ericht hat biefe grage oeineint Kac| 
Art. 1134 be! Kbeinifchen Eioü-©efepBuche! gelten gefehüch abgefchloffene 
Verträge all ©efe^e für biejenigen, melche fie eingegangen haben. 
Solche Verträge fönnen nur mit gegeufeitiger Einmißigung miberrufen 
merben. Ser einmal unter ber Vebitigung einer gegenteiligen 14 tägigen 
Auffiinbigung abgefchloffene Arbeitsertrag fonnte alfo nur burch eine 
übereinftimmenbe aulbriicfliche Bißenlerflärung ber Parteien geänbert 
merben. Eine foldje liegt Seiten! be! Kläger! aber nicht oor. 3n 
bem oon ber Veflagten Bemirften Aulbange ift nur eine Offerte ber 
Veflagten an bie Abreffe be! Kläger! 3 U erblidfen. Ser Äläger hatte 
feine Verpflichtung, ftch auf biefe Offerte ju erflären. Aul bem Um* 
ftanbe, bah Kläger bie Arbeit fortfehte, fann auch eine ftißfdjmeigenbe 
3nftimmung ju ber oon ber Vertagten Beabfichtigten Aenberung nicht 
gefolgert merben, ba Kläger, fo lange eine Auffünbiguttg bei urfprüng- 
liehen Arbeitserträge! nicht erfolgt mar, jur Beiterarbett nicht nur 
Berechtigt, fonbern fogar oerpflichtet mar. 

hiernach hat Kläger mit Kecht ben Anfpruch auf eine 14 tägige 
tünbigung erhoben. 

3ft bie orbnunglmäfcig erlaffene Arbeitlorbnung für 
ben Arbeiter oerbinbltd), auch menn fie ihm nicht Befannt 
gegeben ift? (Urtbeil bei ©emerBegerichll 3 u granffurt a. SK.*) Vor* 
ftfcenber: SKagifiratlaffeffor Sßohlmann.) 

©egenüber einer Älage auf Sohnentfchäbigung megeu füitbigungö- 
Iofer Entlaffung Berief fich ber Veflagte, gabrifbeftber, auf ben Schalt 
feiner Arbeitlorbnung, in melcher bie Äünbigunglfrift Beiberfcit! aul* 
gefchloffen fei. Ser Kläger Beftritt, oon bem Veftehen einer Arbeit!- 
orbnmtg Äenntnife gehabt ju haben. Sa! ©emerbegericht erachtete ba! 
Verufen auf bie Hrbeitlorbnung ohne SRachmei! ber Sfennttüb bei Ar¬ 
beiter! für nicht ftichhaltig. 

©rünbe: El Befiehen hinftthtlich bergrage, mie meit eine Arbeit!* 
orbnung auf ba! Vertragloerhältnib jmifchen bem Arbeitgeber unb bem 
nach ©rlafj ber Arbeit!orbnung in ben Vetrieb eintretenben Arbeit¬ 
nehmer oon Einflug ift, brei Meinungen. Sie erfte hält bie Arbeitl- 

*) Vgl. ©.©. II Kr. 5. Sp. 87., IV. 3ahrg. Kr. 8 . S. 26. 


orbnung nur bann für gültig, menn fte Behänbigt morben ift. Sie 
jmeite Begrünbet fi<h bamit, bafj fte oerlangt, bie Arbeitlorbnung foße 
auf irgenb eine SBeife, fei e! au!brücfti<h, fei el ftiflfdjjmeigenb, Veftanb- 
theil be! mit bem Arbeiter gefchloffenen ArBeitloertragel merben. Sie 
britte hält bie Arbeitlorbnung mit bem Erlajj für aße fpäter eintreten- 
b’en Arbeiter für rechtloerbinblich. Sie jmeite Anftcht, bah bie Arbeitl¬ 
orbnung Veftanbtheil bei mit bem Arbeiter gefchloffenen Vertrage! 
merben muh» erfcheint all biejenige, ber ber Vorzug ju geben ift. El 
ift babei oon folgenben Erroäguttgen auljugehen: Ser §. 105 ber @e* 
merBeorbnung beftimmt: „Sie geftfefcung ber Verhältniffe jtoifchen ben 
felbftftänbigen ©emerbetreibenben unb ben geroerblichen Arbeitern ift, 
oorbehaltlich ber burch Keichlgefejj getroffenen Vefchränfuugen, ©egett- 
ftanb freier Uebereinhmft." Eine Uebereinfunft fann nur bann oor- 
liegen, menn Beibe Parteien ihren SBißeit funbgeben, fich über etroal, 
mal ihnen Veiben befannt ift, ju einigen. Semnach fann bei befiehen* 
ber Arbeitlorbnung ber Vorfchrift bei §. 105 ber ©emerbeorbnung nur 
bann genügt merben, menn bem Arbeitnehmer befannt roirb, mal ben 
Snhalt ber Arbeitlorbnung aulmacht. 3« ©egenfafc 3 U bem §. 105 ber 
©emerbeorbnung mürbe man geraden, menn man ber britten Anftcht 
folgen rooßte, , bah nämlich bie Arbeitlorbnung mit bem Eintritt be! 
Arbeiter! ohne Weitere! rechtlmirffam fei. Siefe Anftcht ftüfct ftch in!* 
befonbere auf jmei gefefcUche Veftimmungen, nämlich ben Sah beä §. 134 a 
„ber Erlah (ber Arbeilorbnung) erfolgt burch Aulhang", unb ben 
Sah bei §. 134c „ber 3«halt ber Arbeitlorbnung ift, foroeit er ben 
©efehen nicht juroiberläuft, für bie Arbeitgeber unb Arbeiter recf)t!- 
o erb in blich". Bern erften Sah Bel §. 134 a erBUcft man einen ber 

©efehgebung analogen Aft. 3 u 5 u 9 e Ben ift jmeifellol, bah, menn eine 
Arbeitlorbnung erlaffen ober abgeänbert roirb, biefe Arbeitlorbnung mit 
bem Sage be! Aulhangl erlaffen, b. h- in ftraft getreten ift. Sie smingt 
belhalB unbebettflich aße biejenigen Arbeiter unter ihre Veftimmungen, 
melche 31 t biefem 3 e üpuitfie bereit! in bem Vetrieb befchäftigt roaren. 
Eine meitergehenbe Vebeutung aber bem 3 ci tpunfte bei Erlaffel bei 3 u* 
rneffen, erfcheint nicht richtig. Senn mie ftch au! ben SKotioen 3 U ben 
§§. 134 a ff. ergiebt, hatte ber ©efehgeber oor Augen ben bamaligen that- 
fächlidjen 3 u ftanb. Sanach gab e! 3 toar in ein 3 elnen gabrifen Arbeit!* 
orbnungett, ein 3 ,üa ng, fte ein 3 uführen, beftanb aber nicht. 3 n bem ber 
©efehgeber biefen 3 mang aulfpra^, muhte er gleichseitig erflären, mann 
bie 3 U erlaffenbe Arbeitlorbnung, Bet beren 3 ll ftanbefotnmen mehrere 
Abfchnitte 3 U unterfcheiben toaren (Anhörung ber Arbeiter, Einreichung 
an bie untere Verroaltunglbehörbe), oerbinbüch fein foßte. Er muhte 
biel utnfomehr thun, all er, toie unten roeiter aulgeführt, oon ber Att- 
ftdjt aulgehenb, bah grunbfählich ber Arbeitloertrag ber freien Ueber¬ 
einfunft auch meiterljin oorbehalten bleiben foßte, beftimtnen muhte, ob 
auf ©runb ber erlaffeuen neuen Arbeitlorbnung nunmehr mit aßen be¬ 
reit! befefjäftigten Arbeitern neue Verträge absuftljliehen feien, ober ob 
el genüge, bah nach Anhörung ber betreffenben Vertreter ber Arbeiter- 
fchaft bie Arbeitlorbnung erlaffen fei. Semnach fann aul ben ange¬ 
führten Borten be! §. 134 a ber ©emerbeorbnung ein 3 toingettber ©runb 
für bie bahtit 31 t ftühenbe Anftcht nicht sroeifcllfret Tjergeleitet merben. 

Sie Borte be! §. 134e ber ©emerbeorbnung „bie Arbeitlorbnung 
u. f. m. ift rechtloerbinblich", ftheiitett aul ben gleichen ©ritnben ebenfaßl 
nur ©eltung für bie im Vetriebe 31 er 3 e *l Be! Erlaffel ber Arbeit!* 
orbttuitg fchon Befefjäftigten Arbeiter 3 U haben. Sie fönnten eitte meiter* 
gehenbe Vebeutung lebiglicfj bann haben, menn el bie Abficht be! ©efeh- 
gcberl geuefen märe, auher ben Veftimmungen ber Arbeitlorbnung, 
inhaltlich im cinselneit gaße mit einem Arbeiter eilten befonberett Ver¬ 
trag nicht 3 U 3 ulaffen. Siefe Abficht ift, menn man 3 uttächft bie 3ßotioe 
hcran 3 ieht, nicht aulgefprodjcn, fonbern el ift oielntehr oon bem ©egen* 
tljeil aulgegangen. Senn bie Botioe befagett: „Sie Arbeitlorbnung 
erleichtert ben Abfchluh bei ArBeitloertragel mit jebem ein 3 elnen Ar¬ 
beiter", ferner ber §. 134c bringt sum Aulbrucf, „bah bie Arbeitlorbnung 
bie ©ruublage bei ArBeitloertragel ift"- Semnach hat ber 
©efehgeber augenfcheinlich nicht gerooßt, bah nach Erlah einer Arbeit!- 
orbnung nunmehr nidjtl Aubere! gelten foße, all beren Schalt, fonbern 
bah P e getoiffermahen nur bal ©erippe fein foßte, an bal ftch Bie be* 
fonberen Verabrebuugen be! Arbeitgeber! mit bem Arbeitnehmer an- 
fchliehen fönnen. Siefe Abftcht bei ©efehgeber! ift im §. 134c amh 
beutlidj 3 um Aulbrudt gefomnten. Senn bort 5ei&t c! im Abfah 2 : 
„Anbere all bie in ber Arbeitlorbnung ober in ben §§. 123, 124 ber 
©emerbeorbnung oorgefeheiten ©rünbe ber Entlaffung unb be! Aultritt! 
bürfen im Arbeitserträge nicht uereiitbart merben." Ser ©efehgeber 
hat ftch alfo hier flar auf ben Stanbpunlt gefteßt, bah mit bem Erlah 
einer Arbeitlorbnung ber Arbeitgeber nicht aßer feiner Pflichten all 
oertragfchlief 3 ettber Shell bei ber Annahme eine! Arbeiter! enthoben fei, 
fonbern er hat bie au! bem Arbettloertrage ftch ergebettbe Pflicht ber 
Vefanntgabe ber Arbeitlorbnung bem Arbeitgeber nicht erziehen tooßen. 
Sie 3 U brei oertretene Anficht geht 3 ubem oon ber Voraulfehung aul, 
bah Bie Arbeitlorbnung bie roefentlühen Vebingungen bei Arbeit!« 



147 


XaS ©ewerbegeridjt. flÄittheilungen befl Berbanbe« beutfcßer ©emerbcgertcßte. 9hr. 12. 


148 


oertrageS enthält. XieS ift muß bie Stupst ber SJtotioe. Sießt man 
aber btc Beftimmungcn beS §. 184 b ber ©emerbeorbnung Br. 1 bis 5 
burdj, fo enthalten fte im ©ruitbe genommen baS, maß ben 3nßalt beS 
ArbcitsocrtragcS nuSmacßt, ntc^t. Xenn ber ArbcüSocrtrag als ein 
jmeifeitiger Vertrag muß entljalteit bie gegenteiligen Bedjte unb Ipflidjten. 
3u bem midjtigftcn S^cdjie beS Arbeiters ans feinem Xienftoertrage ge* 
ßört moßl unjmeifelßaft, mie oiel 2 oßn er ju befommen l)at, nttb ju 
feinen midjtigftcn spießten, roie lange er täglicß ju arbeiten ßat, unb 
als britter $unft, unter melcßen BorauSfeßungen bas ArbeitSoerßältniß 
geloft merbett fann. Heber bie erften beiben fünfte fagt ber §. 134 a 
ber ©emerbeorbnung gar nichts. Er ermähnt ArbeitSjeit unb §öße MS 
CoßneS in feiner SBeife, lebiglid^ bie Eintßeilung ber ArbeitSjeit mirb 
ßeroorgeßoben. 

.Jnnpcßtlicß beS britten $unfteS fagt §. 184 a ber ©emerbeorbnung 
auch nur, baß er in bie ArbeitSorbnung aufgenommen merben fann. 
geßlt biefer $unft alfo in ber ArbeitSorbnung, maS bemnaeß möglich 
ift, fo enthält pe oon bem, maS baS SBefen beS ArbeitSoertrageS aus* 
macht, überhaupt nichts. Xie ArbeitSorbnung ift bann non bem 3mei- 
fachen, maS mit ihrer Einführung bejmeeft mar, nur baS eine, nämlich 
ber 3nh<*lt üon formulirten CrbmmgSoorfcßriften, Me ben ArbeitS* 
oertrag oöllig unberührt Iaffen. SSie fehr bem ©efeßgeber ber©cpcßtS* 
punft beS ErlaffeS oon CrbnungSoorfcßriftcn unb mie menig ißm ber 
©eficßtspimft eines Eingriffs in baS feiner Auffaffung rein prioatreeßt* 
liehe ArbeitSoerßältniß jmifcßcit Arbeitgebern unb Arbeitnehmern oorge* 
fchmebt ßat, geht aueß aus §. 134b Abf. 3 ber ©emerbeorbnung ßeroor. 
Xort ßeißt es: „tem Bcpßer ber gabrif bleibt überlaffen, neben ben 
im Abf. 1 unter 1 bis 5 bejeießneten, noch meitere bie Drbitung beS 
Betriebes unb baS Berßaltert ber Arbeiter im Betriebe betreffenbe 
Beftimmungcn in bie ArbeitSorbnung aufjuneßmeit." 3hm finb alfo bie 
ArbeitSorbnungen mehr Crbuungsoorfcßriften für ben betrieb als Ber* 
tragSoereinbarung jmifdjen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer. SBeim baher 
bie Auftcfjt jit brei bie ArbeitSorbnung auch bcSßafö für allgemein oer* 
binblidj anfehen miß, meil batnit ber ArbeitSocrtrag ber allein bisher 
priuatrecbtlicben ©runblage entjogen unb unter öffentlich* rechtliche 
©efichtspunfte gefteßt mürbe, fo fann ihm auf ©runb beS ©efefceS unb 
auf ©runb ber SDcOtioe nicht jugeftimmt merben. 

Auch aus praftifchen Ermäguttgen erjeßeini bie jn brei ermähnte 
Anpcßt nicht empfeßleuSmerth- Sßraftifdje Ermägungen bienen nicht 
baju, ein befteßeubeS ©efeß ju begrünten ober ju entfräften, pe föitncn 
aber jur Stärfung ber einen ober anberen Anpcht bienen. Xarf ber 
Arbeiter über baS, maS bie gabriforbnung beftimmt, im Unflaren ge* 
Iaffen merben, ift er an bie ArbeitSorbnung gebunben mit bem Eintritt 
in bie Bcfcßäftigung, fo ftcht er als Arbeiter in einer gabrif, menn* 
gleich er bort feßon, mie bie 9Kotioc mit Stecht ßeroorßebeu, für ge* 
möhnlich ju ben Bebtngungen arbeiten muß, bie ihm angeboten merben, 
oljne meitere BSaßl ju ßaben, oiel fchlechter ba, als ber Arbeiter in 
jebem aubereu betriebe. Xenn mährenb jeher anbere Arbeiter (nadj 
freier Uebereinfunft) fagen fann, mit ber Uebcrlegung beffeit, maS ihm 
geboten mirb, ob er arbeiten miß ober nicht, ift ber gabrifarbeiter 
oöllig abhängig oon bem, maS ber Beftßer ber gabrif, fei es and) oor 
einer längeren 3eit oon 3«h^n, einmal aßein gemoßt ßat. Xenn ber 
Arbeitgeber ift in feiner SSeife gcuötljigt, auf baSjenigc einjugeßeit, maS 
bei Erlaß ber ArbeitSorbnung oon Seiten feiner Arbeiter ihm als 
SBuufdj oorgetraaen mirb, fonbern ift bei bem Erlaß oöllig felßftftänbig. 
Xie Aüficßt beS ©efefcgcbcrs, burdj bie ArbeitSorbnung ftlarßcit in baS 
gegenfeitige Bcrßältniß jmifdjen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer ju 
bringen unb'Streitigfeiten 511 oermeibeu (oergl. Blotioe), mirb jebeufaßs 
baburdj, baß ber Arbeitnehmer ooflftänbig im Unflaren über ben 
ber ArbeitSorbnung gelaffeu mirb, nidjt geforbert. 5ß?an barf bem* 
gegenüber nidjt einmenben, baß ber Arbeitgeber oerppidjtet ift, bie 
ArbeitSorbnung ausljängcn 3 u Iaffen. Xcuu uadjträglidj bie Vertrags* 
^ebiugungen löfen unb bann aus bem betrieb pdj micber entfernen, ift 
jebenfaßs praftifdj eine große 3djmierigfcit. 9?un fommeu aber audj 
gälte oor, in benen ber Arbeiter thatfächlidj nidjt bie ©töglidjfeit 
bie ArbeitSorbnung ju Iefen. ES barf nur barau gebaeßt merben, baß 
er fofort nadj Eintritt, nadjbem er eben in ber Stabt jugereift ift, auf 
Außeuarbeit gefdjicft mirb. Er meiß nidjt, ob in ber gabrif mehr mie 
20 Arbeiter befdjäftigt merben, er meiß nidjt, ob eine ArbeitSorbnung 
erlaßen ift, er feunt nidjt ben ^siiTjalt ber etma erlaffenen Sorfcßriften, 
unb ihm gegenüber muß nadj ber Meinung ju brei bodj bie ArbeitS* 
ovbuuug ,yir Anmenbuug fontmen. Xer Arbeitgeber, ber ihn oiellricht 
meitljiu uerfdjirft lj a h ift ntöglidjer SBeife auf (ftrunb biefer ArbeitS* 
orbnitug bercdjtigt, ihn bort oßne ffünbiguug 51 t entlaffcn. Xcr Eim 
uumb, ber Ijicr gemadjt merben fann, bie ArbeitSorbnung gelte nur für 


ben 0rt, mo bie gabrif ftdj Bepnbe, erfdjeint nadh bem SBorttant beS 
©efefceS nießt ftidjhaltig. Xenn eine gabrif ift nach ber Xepnition ber 
©emerbeorbnung febiglich ein betrieb, in bem 20 ober meßr Arbeiter 
befcßäftigt merben. Xaß biefe immer an bemfelben Crte thätig fein 
müffen, geßt aitS ber EJemerbeorbnung nießt ßftoor. Xie Anpdjt, baß 
bie gabrtforbnuttg nur©eltung menn pe auSgeßängt mirb, feßeint 
pcß ju eng an ben SBortlaut beS ©efe&eS ju flammern. 




tltim« SKitthetfitttgeit. Xtejenigen ©etoeröfgeriete, bie, bem Sei* 
fpiel beS ©emerbegerießts Serlin folgenb, ben Entmurf jum @cßub beS 
gemerblicßen ArbeitSoerDältnißeS jum ©egenftanb einer ®efprecßung 
madjen moßen, merben auf ben Auffafe beS Dr. S&proiu, 9^itglieb beS 
®erbanbSauSfcßuffeS, aufmerffam gemacht, ber in ben Eonrab’fcßen 
3 ahrbücßern für 9tationalöfonomie (gulifjeft) neuerbingS erfdjienen ift. 
Xcr 3nljalt ergiebt fieß aus bem Xitel: Xie ®ebrohungber©eroerbe* 
aerießte burq ben betrepenben ©efeßentrourf. ©euu aueß manche ber 
3aftroro’fd)eit Befürchtungen meßr bem SSortlaut beS Entmurfs als 
ber Abpcßt beS BerfafferS entfpreeßen mögen, fo bleibt eben boeß be= 
fteßen, baß bei ber Neigung unfercr Beßörben jur ausbeßnenben 3 nter* 
pretation folcßer ©efefji feine ©emäßr gebotoi ift, baß biefe Be = 
füreßtungen nidht ju 2 öirflid)fetten merben fönnen. 


B tr banb^i-Äuget Egmtjciten. 

Sut * 

Xie Unterjeicßneten hatten gegen Enbe 3 l tnt baS ißnen »om Äu^* 
feßnß in beffen ©ißung 00 m 10 . gebrnar jn Berlin übertragene fflfanbat 
joroeit erfüflt, baß fte bem Äusfcßuß Entmürfe jur fünftigen gaffung 
ber Statuten unb. ©efcßäftSorbnmtg unb baS Bfaterial ber fünftigen 
©eftaltung beö BerbanbSorganS oorlegten unb um bie Erflarung jum 
Einoerftänbuiß mit Berufung einer AuSfcßußfißuitg auf Anfang ober 
SDHtte Auguft erfueßten. ES märe aisbann DÖBig 3 ei l gemefen, bie 
Befcßliiffe beS AuSjcßiiffeS ju formuüren nnb ben BerbanbSmitgliebern 
jugleicß mit einer Einlabung einer BerbanbSfonferenj jugeßen ju 
Iaffen, melcße tfonferenj pdj pafjenb, mie in ben Boriaßren, einem ber 
großen rotffenfcßaftlicßeu Äongreffe angefdhloffen ßäU«- 

ßeiber fonnte aber bie für Auguft beabpeßtigte AuÄf(ßußft|ung 
megen Berßinbenmg mehrerer unb maßgebenber SJHtglicber ntcßt patt- 
pnoen. ffiir faßen uns genötbigt, pe ju oerfeßiebett, unb f)aben pe 
nunmeßr auf ben 11. September naeß Nürnberg anberaumt, baS pcß 
außer feiner centralen Sage babureß emppeßlt, baß bortfelbft am 13. bie 
XXIV. Berfamutlung beS beutfeßen BereinS für öffenttidße ©cfunbhcttS* 
ppege ftattpnbct, meldher am 12 . September eine Bcfprecßung oon Ber- 
roaltungSbeamten über fommunale Angelegenheiten oorauSgeßt. 9hm tft 
es bicSmal aber unmöglich, im Anfcßluß an bie AuSftßußpßung eine 
ftonferenj ftattßaben ju laßen, meil bie oon uns oorgelegtcn Entmürfe 
unb Anträge möglicher Söetfe 00 m ÄnSfchuß mefentüd^ geänbert, eoentneß 
nur in ber 00 m AuSfcßuß feftgefeßten gorm ben Bhtglieberu mitgetßeilt 
merben fönnen. Unter biefen Umftänben muß für bieS Sößr auf Ein¬ 
berufung einer itoufercnj oerjidjtct merben. 

Xagegeu mirb am 12 . September, AbenbS, im ^otel Bictoria eine 
noanglofe Bcfprecßung ftattfinben, um ben in Nürnberg aumelenbrn 
«erbanbSmitgliebern bie 2)?öglicßfeit ju geben, pcß über ben ©taub ber 
BerBanbSangelegenbeiten eingeßenb ju unterrichten. 9Bir bitten bie in 
Nürnberg anmefenben ftoßegen, Pcß hieran betßeiligen ju moHett. 
gej. ©aßner, gej. glefcß, 

Borpßenber ©efchäftsfüßrer 

beS AuSfcßuffeS. 


Uriefhafteu. 


.... fl. Xftttstftebk Xie Äritif ber unS jngefcßtrften ff 30htinjer 
BolfSjeitung" an bem Urtßeil beS Xarmftäbter ©emerbegeridßts 00 m 
10 . Anguß erfdjeint uns nidjt jutreffenb. Xcr §. 629 beS Bürgerlichen 
©efeßbucßcS, ber ben Xienftberedjtigteu oei-ppicßtet, bem Xtenftocr- 
pßießteten nach erfolgter tfiinbigung angemepene 3 «t jur Äuffuchung 
anberer Arbeit ju geroäßren, ift itocß nießt BecßtenS, unb bunte 
baßer oon bem ©erießt nießt beachtet merben. Db bte oom Äläger ju» 
geftanbene Berfäumnife oon neun Stunben, 3n)ccfS AuffucßcnS anbern 
Arbeit, aber als „unbefugtes Berlaffen ber Arbeit" ober „beharrliche 
Bcrmctgerung ber ißm oblicgcnbeu Bcrpflidjtung" (§. 123, 3 ber ©e- 
merbeorbuung) angefeßen merben barf, ober nicht, hängt oon ben 
ganjen Umftänben beS gafleS ab, bie aus bem Bericht nießt erfennt* 
ließ finb. 

Serfdjiebene Anfratien. Xie 9Rittßeilungen aus Sßß^bcrichteii 
mußten leiber jurüdgefteßt merben, megen ber Botßmenbigfeü, bie bem 
Beicßstag oorliegeitben ©efeßenmürfe ju befpreeßen. 


„XaS ©ewerbegerießt 1 ' etfdjdnt am elften Xonnerftage leben äJtonat« im aKinbeftunifange Don V» Bogen jum greife oon 1 2R. jftßtUih. — tBeft efl— gen 
nehmen f&mmtUcße Bopanpalten (BopjeUungSmimmet 2877) unb Bucbbrnibliatgen an; ein bireftet Bejug oon ber BerlagSbuchhanblung ßnbei nicht patt 


«erlag non »umfet a fcumblot, fiehntg. — «ebrueft bet 3ulhi« 6tttenfelb tn »erltit W.